Lehrbuch der physiologischen Chemie [15., neubearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111506814, 9783111139777


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German Pages 927 [944] Year 1963

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Table of contents :
Vorwort zur 10. Auflage
Vorwort zur 11. Auflage
Vorwort zur 12. Auflage
Vorwort zur 13. Auflage
Vorwort zur 14. Auflage
Vorwort zur 15. Auflage
Inhaltsübersicht
Einleitung
1. Teil. Die Chemie der Hauptgruppe der Nahrungsstoffe und der Körperbestandteile
Erstes Kapitel. Die Kohlenhydrate
Zweites Kapitel. Fette, Fettsäuren und Lipoide
Drittes Kapitel. Sterine, Gallensäuren, Carotinoide
Viertes Kapitel. Die Proteine und ihre Bausteine
Fünftes Kapitel. Die Nucleinsäuren und ihre Bausteine
2. Teil. Physikalisch-chemische Grundlagen
Sechstes Kapitel. Einige physikalisch-chemische Grundgesetze
Siebentes Kapitel. Säuren und Basen
Achtes Kapitel. Oxydation und Reduktion
Neuntes Kapitel. Kolloidchemische Grundbegriffe: Vorgänge an Grenzflächen
III. Teil. Der Stoffwechsel
Zehntes Kapitel. Die Fermente
Elftes Kapitel. Die Methoden zur Erforschung des Intermediarstoffwechsels
Zwölftes Kapitel. Die biologische Oxydation
Dreizehntes Kapitel. Die Oxydation der Kohlenstoff ketten ; der Gitronensäurecyklus
Vierzehntes Kapitel. Der Kohlenhydratstoffwechsel
Fünfzehntes Kapitel. Der Fettstoffwechsel
Sechzehntes Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel
Siebzehntes Kapitel. Der Nucleinsäure- und Purinstoffwechsel
Achtzehntes Kapitel. Die Bedeutung der Phosphatbindung
Neunzehntes Kapitel. Die Assimilation des Kohlenstoffs und des Stickstoffs
IV. Teil. Zusammensetzung und Stoffwechsel einzelner Organe und Gewebe
Zwanzigstes Kapitel. Die Verdauung undjCdie Verdauungssekrete
Einundzwanzigstes Kapitel. Der Wasser- und Salzhaushalt
Zweiundzwanzigstes Kapitel. Das Blut
Dreiundzwanzigstes Kapitel. Niere; Urin
Vierundzwanzigstes Kapitel. Muskel- und Nervensystem
Fünfundzwanzigstes Kapitel. Stütz- und Bindegewebe; Haut und Anhänge
Sechsundzwanzigstes Kapitel. Die Leber
V. Teil. Die chemische Regulation der physiologischen Funktionen
Siebenundzwanzigstes Kapitel. Die chemische Regulation innerhalb des Zellverbandes
Achtundzwanzigstes Kapitel. Innere Sekretion und Hormone
VI. Teil Die Ernährung
Neunundzwanzigstes Kapitel. Die Vitamine
Dreißigstes Kapitel. Die Spurelemente
Einunddreißigstes Kapitel. Der Nahrungsbedarf
Bibliographische Hinweise
Sachregister
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Lehrbuch der physiologischen Chemie [15., neubearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111506814, 9783111139777

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LEUTHARDT L E H R B U C H D E R PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE

Abb. A: (Zu Kapitel Leber, S. 676.) Leber, elektronenmikroskopische Übersichtsaufnahme: Im Zentrum ein Sinusoid (1) mit einer K u p f ferschen Sternzelle (2), eingeschlossen von Parenchymzellen mit großen ovalen Kernen (3), zahlreichen Mitochondrien (4) und über das ganze Zellareal verstreutem Ergastoplasma (5). Zwischen Sinusoid und Leberzellen deutlich sichtbar der D i s s e s c h e R a u m (7), der ausgefüllt ist mit den zottenartigen Fortsätzen (villi) der Leberzellen. Zwischen den Parenchymzellen befinden sich die Gallenkapillaren (8).

Abb. B : (Zu Kapitel Proteinsynthese, S. 454 u. 464.) Ausschnitt aus einer Leberzelle: I m Cytoplasma zwei Mitochondrien (1) mit den Cristae, und das schlauch- und bläschenförmige endoplasmatische Reticulum mit den Ribosomen (2). (Die beiden elektronenmikroskopischen Aufnahmen wurden freundlicherweise von Herrn Prof. A. von Albertini, Histopathologisches Institut der Universität Zürich, zur Verfügung gestellt.)

LEHRBUCH DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE B E G R Ü N D E T VON S. E D L B A C H E R

15., N E U B E A R B E X T E T E A U F L A G E V O N

FRANZ

LEUTHARDT

O R D E N T L I C H E R P R O F E S S O R AN D E R U N I V E R S I T Ä T

ZÜRICH

M I T 76 A B B I L D U N G E N U N D 1 B I L D T A F E L

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO, VORMALS G . J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G . J . G U T T E N T A G VERLAGSBUCHHANDLUNG . G E O R G R E I M E R . KARL J. T R Ü B N E R V E I T & COMP. BERLIN

1963

© Copyright 1963 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. GSschen'sche Yerlagshandlung, J. Gnttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp. Berlin 30 — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten. Archiv-Nr. 57 07 66/1 — Printed in Germany — S a t z und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30

Vorwort zur 10. Auflage Der verdiente Begründer des „Kurzgefaßten Lehrbuches der physiologischen Chemie", Prof. Dr. S. E d l b a c h e r , ist im Mai 1946 in Basel verstorben. Im gleichen Jahr kam die 9. Auflage seines Lehrbuches heraus. Sie hatte wegen der Ungunst der Zeit die jüngsten Fortschritte der physiologischen Chemie nur> zum geringen Teil berücksichtigen können, und es drängte sich daher für die 10. Auflage eine völlige Neubearbeitung des Buches auf. Die rasche Entwicklung der physiologischen Chemie in den vergangenen Jahren hat den Stoff so stark anwachsen lassen, daß auch bei Beschränkung auf das Wesentliche eine Darstellung im Rahmen des früheren Lehrbuches nicht mehr möglich war. Sein Umfang mußte daher beträchtlich erweitert werden. Die hauptsächlichste Schwierigkeit bei der Abfassung eines derartigen Lehrbuches liegt in der Auswahl des Stoffes. Die biochemische Wissenschaft ist heute in raschem Fortschreiten begriffen und erobert beständig neue Gebiete. Es gibt natürlich einen Grundstock von gesichertem Tatsachenmaterial, der jeder Darstellung zugrunde gelegt werden muß. Wie weit aber daneben die zahlreichen Anwendungen der physiologischen Chemie in Biologie und Medizin berücksichtigt werden müssen und wie weit neue, sich erst anbahnende Entwicklungen schon für eine lehrbuchmäßige Darstellung geeignet sind, ist eine Ermessensfrage, die jeder auf seine eigene Weise lösen wird. Dem vorliegenden Buch liegen im großen und ganzen die Vorlesungen zugrunde, die ich seit 1942 in Genf und später in Zürich für die Studenten der Medizinischen Fakultät gehalten habe. Der erste Teil, der die Chemie der Naturstoffe behandelt, ist knapp gehalten. Auf Konstitutionsbeweise, Synthesen usw. wurde nirgends eingegangen. Ihre Kenntnis ist für den Mediziner entbehrlich; der Chemiker wird diese Dinge ohnehin in den ausführlichen chemischen Lehrbüchern nachlesen. Auch die deskriptiven Teile des Buches, in welchen die chemische Zusammensetzung der Organe und Körperflüssigkeiten besprochen werden, beschränken sich auf das Notwendigste. Einzig das Blut ist wegen seiner großen Bedeutung für die Klinik ziemlich ausführlich behandelt worden. Das Hauptgewicht liegt auf der Darstellung der Stoffwechselvorgänge. Alle Lebenserscheinungen wurzeln letzten Endes im Stoffwechsel; die moderne Biologie und Medizin nehmen eine Entwicklung, in welcher die chemische Betrachtungsweise immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es ist daher der Besprechung der grundlegenden biochemischen Reaktionen und des Intermediärstoffwechsels ein breiter Raum eingeräumt worden. Auch die Vitamine werden hauptsächlich in ihrer Bedeutung als Stoffwechselfaktoren gewürdigt. Die Abschnitte über die innere Sekretion enthalten eine Darstellung der chemischen und physiologischen Grundtatsachen, wobei hauptsächlich auch die Fragen berück-

Vorwort

VI

sichtigt wurden, die für das Verständnis der klinischen Endokrinologie wichtig sind. Es war überhaupt im ganzen Buch mein Bestreben, die für den Kliniker wichtigen Probleme der Biochemie besonders hervorzuheben. Der Basler Physiologe Fr. Miescher schrieb 1874 an einen Freund: „Die physiologische Chemie besteht aus einem solchen Haufen unzusammenhängender Facta, daß es wenig Sinn hat, noch mehr Häckerling hinzutun zu wollen." Die Kenntnis biochemischer Erscheinungen hat seither große Fortschritte gemacht; aber es gibt auch heute noch auf allen Gebieten der Biochemie zahlreiche isolierte Tatsachen, die wir vorläufig zur Kenntnis nehmen müssen, ohne sie in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können. Andererseits aber vermögen wir heute doch viele Gebiete soweit zu überblicken, daß wir die grundlegenden biochemischen Vorgänge sinnvoll in den Rahmen des gesamten physiologischen Geschehens einordnen können. Ich habe mich bemüht, die biochemischen Vorgänge soweit als möglich nicht als isolierte Facta, als „Häckerling", darzubieten, sondern ihren gegenseitigen Zusammenhang und ihre Bedeutung für die allgemeinen Lebenserscheinungen aufzuzeigen. Von Hinweisen auf die Originalliteratur wurde abgesehen. In vielen Fällen wurde, besonders wenn es sich um neuere Untersuchungen handelt, der Name der Autoren beigefügt, um dem im biochemischen Schrifttum bewanderten Leser einen Hinweis zu geben. Ich möchte nicht verfehlen, Frl. M. A m s l e r für ihre treue Hilfe bei der Ausarbeitung des Manuskripts und beim Lesen der Korrekturen meinen herzlichen Dank auszusprechen. Z ü r i c h , im Mai 1952.

F. L e u t h a r d t

Vorwort zur 11. Auflage In der vorliegenden 11. Auflage sind insbesondere die Abschnitte über den Intermediärstoffwechsel durch neuere Ergebnisse ergänzt und überarbeitet worden. Der Citronensäurecyklus wird seiner allgemeinen Bedeutung entsprechend in einem besonderen Kapitel behandelt; ferner ist am Ende des 3. Teils ein kurzes Kapitel über die Photosynthese eingefügt worden. Auf vielfachen Wunsch geben wir am Schluß des Buches, nach Kapiteln geordnet, eine Literaturzusammenstellung, die hauptsächlich Monographien und zusammenfassende Arbeiten enthält. Ebenso sind im Text einige Hinweise auf neuere Arbeiten eingefügt worden. Wir hoffen, dadurch den Zugang zu den Originalarbeiten erleichtert zu haben. Ich möchte wiederum Frl. M. Amsler für ihre unermüdliche Hilfe meinen besten Dank aussprechen. Z ü r i c h , im April 1954.

F. L e u t h a r d t

Vorwort zur 12. Auflage Soweit als möglich wurden auch in dieser neuen Auflage, die der vorangehenden nach knapp einem Jahr folgt, die wichtigsten neuen Ergebnisse der biochemischen Forschung berücksichtigt und die Literaturhinweise ergänzt. Der Bibliographie wurde ein alphabetisches Autorenverzeichnis beigefügt. Ich bin mir durchaus bewußt, daß beim heutigen Umfang der Biochemie die gleichmäßige Bearbeitung aller Teilgebiete die Kräfte eines einzelnen übersteigt. Ein Buch, wie das vorliegende, wird daher notwendigerweise in der Auswahl des Stoffs und in der Beurteilung noch strittiger Fragen vielfach die persönlichen Neigungen und Anschauungen des Verfassers widerspiegeln. Ich glaube indes aus der freundlichen Aufnahme, die das Buch bisher gefunden hat, schließen zu dürfen, daß der hier eingeschlagene Weg — die starke Betonung der dynamischen Aspekte der Biochemie — gangbar ist und den Wünschen vieler Leser entspricht. Meinen Mitarbeitern und Fachkollegen, die mich auf mannigfache Weise bei der Herausgabe der neuen Auflage unterstützt haben, möchte ich bestens danken. Möge das Buch weiter seinem hauptsächlichsten Zwecke dienen: Junge Mediziner und Chemiker zum vertieften Studium der Chemie der Lebensvorgänge anzuregen! Zürich, im März 1955.

F. L e u t h a r d t

Vorwort zur 13. Auflage In der vorliegenden neuen Auflage wurden die meisten Kapitel überarbeitet, wobei den neuen Ergebnissen der rasch voransohreitenden biochemischen Forschung nach Möglichkeit Rechnung getragen wurde. Ich hätte gerne noch je ein Kapitel über die chemische Organisation der Zelle sowie die Biochemie des Krebses beigefügt, mußte aber wegen Zeitmangels darauf verzichten. Ich hoffe, diese Ergänzung in einer nächsten Auflage nachholen zu können. Die Literaturhinweise im Text wurden wesentlich vermehrt; auch die Bibliographie am Schluß des Buches, welche hauptsächlich eine Auswahl zusammenfassender Darstellungen enthält, wurde ergänzt. Bei der Ausarbeitung der neuen Auflage wurde ich wieder durch Frau M. SchillerAmsler unterstützt, welcher ich für ihre unermüdliche Hilfe den herzlichsten Dank sagen möchte. Zürich, im März 1957.

F. L e u t h a r d t

Vorwort zur 14. Auflage Die einzelnen Kapitel wurden einer gründlichen Revision unterzogen, und ich hoffe, daß auch die neue Auflage dem Mediziner und dem Chemiker ein Bild von der Mannigfaltigkeit der chemischen Erscheinungen des Lebens zu geben vermag. Die Biochemie beginnt heute alle Gebiete der biologischen Wissenschaften zu durchdringen, und es scheint, daß sie berufen ist, in viele alte und grundlegende Probleme der Biologie und Medizin Licht zu bringen. Einige Sorgen hat mir die richtige Auswahl der Literaturhinweise bereitet. Dieselben sollen einzig dem Zweck dienen, den Zugang zum Schrifttum zu erleichtern. Selbstverständlich kann in einem Lehrbuch nicht jede Tatsache durch ein Literaturzitat belegt werden; ich bin mir bewußt, daß die einzelnen Gebiete in dieser Hinsicht etwas ungleich bedacht sind. Die Auswahl der Zitate ist Ermessensfrage, ihre „Dichte" spiegelt z. T. die Aktualität der Probleme und z. T. natürlich auch die persönlichen Interessen des Verfassers wider. Frau S chilier-Amsler hat mich bei der Ausarbeitung des Manuskriptes und beim Lesen der Korrekturen wieder mit gewohnter Zuverlässigkeit unterstützt, wofür ich ihr herzlich danken möchte. Zürich, im Juni 1959.

F. L e u t h a r d t

Vorwort zur 15. Auflage Die einzelnen Kapitel wurden gründlich revidiert, mit dem Ziel dem Leser ein Bild der mannigfaltigen neueren Entwicklungen der biochemischen Forschung zu geben. Der Zweck des Buches bleibt derselbe: eine Einführung in die Biochemie zu bieten und Freude an ihrem Studium zu erwecken. Herrn Prof. A. v. Albertini, Zürich, danken wir aufs beste für die elektronenmikroskopischen Aufnahmen, Herrn Dr. F. v. Schulthess sagen wir herzlichen Dank für die Bearbeitung des Sachregisters. Zürich, im Februar 1963.

F. L e u t h a r d t

Inhaltsübersicht Einleitung I. Teil. Die Chemie der Hauptgrappen der Nahrnngsstolle und Körperbestandteile

Seite

1

7

1. Kapitel. Die Kohlenhydrate 1. Definition und Nomenklatur 2. Monosaccharide A. Allgemeine Eigenschaften der Monosen B. Stereochemie der Zucker C. Bingstruktur der Zucker D. Die verschiedenen Gruppen der Monosaccharide 3. Disaccharide, Oligosaccharide 4. Polysaccharide: Stärke, Glycogen, Cellulose, Inulin 5. Pectin, Hemicellulose, Lignin, Pflanzengummi und -schleime 6. Mucopolysaccharide

7 7 9 9 13 19 24 30 33 36 37

2. Kapitel. Fette, Fettsäuren und Lipoide 1. Fette A. Bausteine B. Struktur der Fette 2. Wachse 3. Phosphatide und Cerebroside A. Phosphatide B. Cerebroside

41 41 41 43 44 45 45 50

3. Kapitel. Sterine, Gallensäuren, Carotinoide 1. Sterine und Steroide 2. Gallensäuren 3. Carotinoide (Lipochrome)

52 52 59 60

4. Kapitel. Die Proteine und ihre Bausteine 1. Aminosäuren A. Allgemeine Charakteristik der Aminosäuren B. Derivate der Aminosäuren C. Die einzelnen Aminosäuren D. Die Stereochemie der Aminosäuren E. Nachweis- und Bestimmungsmethoden der Aminosäuren 2. Peptide 3. Eiweißkörper A. Einteilung der Eiweißkörper B. Reaktionen der Proteine C. Die Analyse der Eiweißkörper D. Die Struktur der Proteine E. Das Molekulargewicht der Proteine F. Die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Proteine a) Die Proteine als Elektrolyte b) Elektrophorese c) Die Löslichkeit der Proteine d) Die Wechselwirkung zwischen Salzen und Proteinen

65 65 65 67 68 75 77 81 84 85 88 90 92 99 101 101 105 108 109

x

Inhaltsübersicht 6. Kapitel. Die Nucleinsäuren und ihre Bausteine 1. Allgemeines 2. Das Kohlenhydrat 3. Die stickstoffhaltigen Bausteine 4. Die Bindung der Bausteine in den Nucleinsäuren 5. Die Struktur der Nucleinsäuren 6. Anhang: Die Pteridine

II. Teil. Physikalisch-chemische Grundlagen

Seite

114 114 114 115 117 119 124 126

6. Kapitel. Einige physikalisch-chemische Grundgesetze 1. Die Gesetze der verdünnten Lösungen A. Die ideale Lösung B. Dampfdruckerniedrigung des Lösungsmittels C. Gefrierpunktsdepression D. Löslichkeit und Partialdruck leichtflüchtiger Substanzen (Gase) E. Der Verteilungskoeffizient F. Osmotischer Druck 2. Elektrolyte

126 126 126 127 127 128 129 129 131

7. Kapitel. Säuren und Basen 1. Massenwirkungsgesetz 2. Definition der Säuren und Basen 3. Die Dissoziation schwacher Säuren und Basen 4. Pufferlösungen 5. Aktivität der Ionen 6. Die Messung der Wasserstoffionenkonzentration

133 133 134 136 141 143 146

8. Kapitel. Oxydation und Reduktion 1. Der Begriff der Oxydation 2. Das Oxydations-Reduktionspotential

149 149 153

9. Kapitel. Kolloidchemische Grundbegriffe; Vorgänge an Grenzflächen 1. Sole und Gele 2. Adsorption 3. Anwendung der Adsorption als Trennungsverfahren; Chromatographie A. Die Chromatographie B. Verteilungschromatographie; Papierchromatographie C. Ionenaustauscher

158 160 162 166 166 168 170

III. Teil. Der Stoffwechsel 10. Kapitel. Die Fermente 1. Allgemeine Charakteristik der Fermente 2. Reaktionskinetik 3. Chemische Natur der Fermente A. Allgemeine Eigenschaften der Fermente B. Reindarstellung der Fermente 4. Verbindung von Ferment und Substrat 5. Einteilung der Fermente 6. Hydrolasen A. Desaminasen B. Proteasen

172 172 172 177 179 180 182 184 188 190 190 192

Inhaltsübersicht C. Esterasen D. Carbohydrasen a) Glycosidasen, speziell Hexosidasen b) Polyasen 7. Kurze Übersicht über die anderen Gruppen (II—VI) A. Phosphorylasen (II) B. Hydratasen (III) C. Desmotasen (IV) D. Gruppenübertragende Fermente (V) E. Isomerasen (VI) F. Fermente der Oxydo-Reduktion (VII)

XI Seite

201 205 205 208 211 211 211 212 213 216 216

11. Kapitel. Die Methoden zur Erforschung des Intermediaratoffweohsela Anwendung der Isotope biologischer Elemente als „tracer"

216 221

12. Kapitel. Die biologische Oxydation 1. Die eisenhaltigen Atmungsfermente A. Das „sauerstoffübertragende" Ferment B. Die Cytochrome C. Katalase und Peroxydasen (Hydroperoxydasen) 2. Die wasserstoffübertragenden Fermente A. Die Dehydrierung der organischen Stoffe B. Die wasserstoffübertragenden Cofermente 3. Die Atmungskette 4. Spezielle Redoxsysteme 5. Oxydation durch molekularen Sauerstoff 6. Mechanismus der Dehydrierungen

226 227 227 232 233 236 236 239 246 252 256 257

13. Kapitel. Die Oxydation der Kohlenstoffketten; der Citronensäurecyklus 1. Die Oxydation des Pyruvats durch den Citronensäurecyklus 2. Die Fixierung des Kohlendioxyds

259 261 274

14. Kapitel. Der Kohlenhydratstoffwechsel 279 1. Die Verdauung und Aufnahme der Kohlenhydrate 279 2. Die wichtigsten biochemischen Umsetzungen der Kohlenhydrate 281 A. Alkoholische Gärung und Glycolyse 283 B. Andere Gärungsformen; weitere Reaktionen der Cs-Körper 294 C. Der Glycogenabbau und die Glycogensynthese 298 D. Der Stoffwechsel der Fructose und der Galactose 303 E. Bildung der Ribose; direkte Oxydation der Glucose 307 F. Synthese der glycosidischen Bindung; die Transglycosidasen 308 G. Der Pentosephosphatcyelus 311 3. Die Resynthese von Glycogen aus Milchsäure; die Gluconeogenese 314 4. Weitere Produkte des Kohlenhydratstoffwechsels 320 5. Verteilung und Verbrauch der Kohlenhydrate im Organismus; die Regulation des Blutzuckers 322 6. Der Diabetes mellitus 339 15. Kapitel. Der Fettstoffwechsel 1. Die Verdauung der Fette 2. Absorption und Verteilung

346 346 346

XII

Inhaltsübersicht 3. Die Bildung und gegenseitige Umwandlung der Fettsäuren 4. Der Abbau und die Synthese der Fettsäuren; Bedeutung der aktivierten Essigsäure im Fettsäurestoffwechsel 5. Die Bildung der Acetonkörper (Ketogenese) 6. Unentbehrliche (essentielle) Fettsäuren 7. Die „lipotrop" wirkenden Stoffe und die Bolle der Leber im Fettstoffwechsel 8. Abhängigkeit des Fettstoffwechsels von endokrinen Drüsen 9. Der Stoffwechsel des Cholesterins und der Gallensäuren

Seite

350 351 361 364 365 367 368

16. Kapitel. Der Eiweißstoffwechsel 373 1. Aufnahme der Eiweißkörper 373 A. Die Verdauung der Eiweißkörper 373 B. Resorption und Speicherung 374 2. Bildung und Abbau von Aminosäuren im Tierkörper 376 3. Der Abbau des Kohlenstoffgerüstes 386 4. Der Stoffwechsel einzelner Aminosäuren 392 A. Phenylalanin und Tyrosin 393 B. Tryptophan 398 C. Histidin 403 D. Cystin (und Cystein), Methionin 406 E. Arginin, Lysin 414 F. Prolin 417 G. Glutamin- und Asparaginsäure; Glutamin und Asparagin 418 H. Serin und Threonin 420 I. Glycocoll 422 K. Valin, Leucin und Isoleucin 423 5. Abbau der Aminosäuren durch Mikroorganismen 424 6. Aminosäuren und Entgiftungs-(Detoxikations-)vorgänge 429 7. Die Ammoniak- und Harnstoffbildung 432 8. Die unentbehrlichen Aminosäuren 438 9. Eiweißbedarf und Eiweißminimum 441 10. Die „biologische Wertigkeit" der Proteine 443 11. Das Stickstoffgleichgewicht 444 12. Die Eiweißreserve des Organismus; Bedeutung der Proteine des Blutplasmas 445 13. Die Synthese der Peptide und Proteine 448 A. Die Synthese der Peptidbindung 448 a) Umkehrung der hydrolytischen Spaltung 449 b) Aminosäurenaustausch 450 c) ATP-abhängige Peptidsynthesen 451 B. Die Synthese des Proteinmoleküls 454 14. Einfluß der endokrinen Drüsen auf den Proteinstoffwechsel 456 a 17. Kapitel. Der Nucleinsäure- und Purinstoffwechsel 1. Abbau und Bildung der Nucleotide und Nucleinsäuren 2. Synthese des Purin- und Pyrimidingerüsts 3. Stoffwechsel der Cofermente 4. Das weitere Schicksal der Purin- und Pyrimidinkörper

456 d 456 d 468 474 475

18. Kapitel. Die Bedeutung der Phosphatbindung 479 1. Thermodynamische Vorbemerkungen 479 2. Die Bolle des Phosphats bei der Koppelung der energieliefernden und der energieverbrauchenden Beaktionen 484

Inhaltsübersicht

XIII

3. Glycolytische (anaerobe) Phosphorylierung 4. Oxydative Phosphorylierung 5. ATP- und Coenzym A-abhängige Vorgänge A. Die Bolle des ATP und der organischen Phosphate bei biochemischen Synthesen B. Coenzym A-abhängige Reaktionen: Acetylierung, Citronensäure- und Fettsäuresynthese 19. Kapitel. Die Assimilation des Kohlenstoffs und des Stickstoffs 1. Die Kohlensäureassimilation (Photosynthese) in den grünen Pflanzen A. Das Chlorophyll B. Die chemischen Vorgänge der Photosynthese 2. Die Assimilation des Stickstoffs IV. Teil. Zusammensetzung und Stoffwechsel einzelner Organe und Gewebe

Seit«

492 494 502 602 611

616 517 617 519 529 532

20. Kapitel. Die Verdauung und die Verdauungssekrete 1. Der Speichel 2. Der Magensaft 3. Der Pankreassaft 4. Das Sekretin 5. Die Galle 6. Der Darmsaft 7. Der allgemeine Verlauf der Verdauung

532 633 634 537 538 539 541 542

21. Kapitel. Der Wasser- und Salzhaushalt 1. Verteilung des Wassers und der Ionen 2. Die Bedeutung des Kochsalzes als Nahrungsfaktor 3. Die Regulation des Säure- und Basengleichgewichts durch die Nieren 4. Die endokrine Regulierung des Salz- und Wasserhaushaltes

545 546 553 554 561

22. Kapitel. Das Blut 1. Zusammensetzung 2. Das Säure-Basen-Gleichgewicht des Bluts 3. Die Plasmaproteine 4. Die Blutgerinnung 5. Die Erythrocyten und der Blutfarbstoff A. Das Hämoglobin a) Allgemeine Eigenschaften b) Die Porphyrine c) DM Globin d) Hämoglobinderivate; Bau des Hämoglobins B. Die Hämatopoese a) Die Synthese der Porphyrine b) Eisenbedarf und Eisenstoffwechsel c) Die Bedeutung des Kupfers für die Hämoglobinbildung d) Andere Nahrungafaktoren C. Der Abbau des Blutfarbstoffes a) Der Gallenfarbstoff; seine Bildung aus dem Hämoglobin b) Die Bildung des „Urobilins" aus dem Gallenfarbstoff 6. Die Porphyrie

561 561 565 570 577 585 586 586 588 692 592 596 696 599 602 602 603 603 606 611

23. Kapitel. Niere; Urin 1. Die Harnsekretion 2. Die „Clearance"

613 613 615

XIV

Inhaltsübersicht 3. Der Stoffwechsel der Niere 4. Niere und Blutdruck 5. Der Harn; seine wichtigsten Bestandteile A. Harnstoff B. Kreatinin und Kroatin C. Harnsäure D. Aminosäuren und Derivate E. Produkte der „Entgiftung" (Detoxikation) F. Kohlenhydrate G. Proteine H. Farbstoffe des Urins a) Blutfarbstoff b) Bilirubin, „Urobilin", „Urobilinogen" c) Porphyrine d) Uroerythrin e) Urorosein f) Melanine g) Ehrlichsche Diazoreaktion I. Wirkstoffe K. Anorganische Stoffe, Säuren und Basen L. Harnsediment und Harnsteine 6. Anhang: Das Sperma

Seite

618 618 620 620 621 622 622 623 629 632 632 632 633 634 634 634 635 635 635 636 637 639

24. Kapitel. Muskel- und Nervensystem 1. Muskel A. Der Kohlenhydratstoffwechsel des Muskels B. Die Proteine des Muskels und die Muskelkontraktion C. Der Kreatinstoffwechsel 2. Das Nervensystem A. Nervenleitung B. Stoffwechsel des Nervensystems C. Zusammensetzung des Gehirns und der Nerven

640 640 641 645 657 658 658 662 662

25. Kapitel. Stütz- und Bindegewebe; Haut und Anhänge 1. Baustoffe 2. Haut und Bindegewebe 3. Knochen- und Calciumstoffwechsel A. Aufbau des Knochens B. Verkalkung des Knochens C. Die Bedeutung des Vitamins D und der Nebenschilddrüsen für die Verknöcherung

663 663 666 668 668 671

D. Der Knochen als Calcium- und Phosphatreserve 26. Kapitel. Die Leber (ihre Bolle im Intermediärstoffwechsel) V. Teil. Die chemische Regulation der physiologischen Funktionen

672 674 676 680

27. Kapitel. Die chemische Regulation innerhalb des Zellverbandes 680 1. Die pflanzlichen Wuchsstoffe 682 2. Die entwicklungsmechanische Induktion als Beispiel chemischer Steuerung . . . 685 28. Kapitel. Innere Sekretion und Hormone 1. Chemische und nervöse Steuerung

686 686

Inhaltsübersicht 2. Allgemeines über die Bedeutung der inneren Sekretion 3. Die Schilddrüse A. Chemie des Schilddrüsenhormons B . Biologische Wirkungen des Schilddrüsenhormons C. Die Steuerung der Schilddrüse durch die Hypophyse D. Hemmung der Schilddrüse durch „antithyreoide" Stoffe: Thyreostatica . . . E. Störungen der Schilddrüsenfunktion 4. Die Nebenschilddrüsen A. Wirkungen des Parathormons B . Klinische Bedeutung 5. Die Nebennierenrinde A. Ausfallserscheinungen B. Die Bindenhormone C. Die biologische Wirkung der Bindenhormone D. Steuerung der Nebennierenrinde durch die Hypophyse E . Addisonsche Krankheit F . Bildung der Steroidhormone in der Nebennierenrinde 6. Das Nebennierenmark 7. Die Langerhans sehen Inseln des Pankreas 8. Die Hypophyse A. Übersicht B . Das somatotrope Hormon (STH, Wachstumshormon) C. Punktionen des Hypophysenhinterlappens (Neurohypophyse) D. Funktionen des Mittellappens 9. Die endokrine Steuerung der Fortpflanzungsvorgänge A. Die gon&dotropen Hormone der Hypophyse und der Placenta B . Die Hormone der Gonaden C. Übersicht über die chemische Struktur der wichtigsten Sexualhormone und verwandter Steroide D. Der Genitalcyklus E . Gravidität F . Endokrine Steuerung der sexuellen Differenzierung, der Entwicklung und des Wachstums VI. Teil. Die Ernährung 29. Kapitel. Die Vitamine 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Einleitung; Übersicht Vitamin A (Axerophthol) Die D-Vitamine Vitamin E Vitamin K , Phyllochinon „Vitamin F " Vitamin B x (Thiamin, Aneurin) Vitamin B , (Lactoflavin, Riboflavin) Vitamin B , (Pyridoxin, Adermin) Antipellagra-Vitamin Biotin (Vitamin H) meso-Inosit (i-Inosit) Pantothensäure

XV Seite

688 690 690 694 696 697 698 699 699 702 703 704 704 706 710 712 712 715 717 718 718 721 724 727 727 727 731 738 742 744 746 750 750

750 754 761 768 770 772 772 777 780 783 786 789 790

XVI

Inhaltsübersicht 14. 15. 16. 17. 18.

Die Folsäuregruppe p-Aminobenzoesäure und Sulfanilamid; Theorie der „Antivitamine" Vitamin B l a (Erythrotin, Cyanocobalamin) Allgemeines über die Vitamine der B-Gruppe Vitamin C

30. Kapitel. Die Spurelemente 1. Allgemeines 2. Einzelne Spurelemente A. Kupfer B. Kobalt C. Zink D. Mangan 3. Die Spurelemente als Nahrungsfaktoren 31. Kapitel. Der Nahrungsbedarf 1. Der Energiestoffwechsel A. Das Isodynamiegesetz B. Der respiratorische Quotient C. Berechnung des Energieumsatzes D. Der Grundumsatz (Basalstoffwechsel) E. Die „spezifisch dynamische Wirkung" der Nährstoffe 2. Die Kostformen 3. Die Nahrungsmittel A. Milch und Milchprodukte B. Fleisch C. Nahrungsfette D. Cerealien E. Zucker und Süßigkeiten F. Kartoffeln G. Blattgemüse H. Leguminosen I. Früchte 4. Die allgemeine Bedeutung der Ernährungslehre

Selta

793 800 802 807 809 814

814 816 816 817 818 818 819 821 821 821 826 826 828 829 832 837 840 842 843 844 846 846 847 847 848 849

Bibliographische Hinweise

852

Sachregister

886

Einleitung Die Aufgabe der physiologischen Chemie liegt in der Erforschung des stofflichen Aufbaus und der chemischen Umsetzungen der lebenden Substanz. Wenn wir die Entwicklung der physiologischen Chemie aus ihren Anfängen verfolgen, so erkennen wir, daß sie hauptsächlich drei verschiedene Forschungsrichtungen in sich vereinigt. Als erste ist die chemische Erforschung der Naturstoffe zu nennen. Die „organische" Chemie war ursprünglich derjenige Zweig der Chemie, der sich mit den Produkten des Tier- und Pflanzenreiches befaßte. Organische und physiologische Chemie waren also in ihren Anfängen identisch. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war auf Grund der herrschenden naturphilosophischen Anschauungen der Glaube allgemein verbreitet, daß die Verbindungen organischen Ursprungs nur durch die Tätigkeit der lebenden Organismen gebildet werden könnten. Die Harnstoffsynthese Wöhlers (1820), welcher in rascher Folge die Darstellung weiterer organischer Verbindungen folgte, erbrachte den Beweis, daß die Bedingungen für die Entstehung ^organischer" Stoffe auch in vitro realisierbar sind. Auch heute noch stellt die Erforschung der chemischen Konstitution der Naturstoffe einen wichtigen und für die physiologische Chemie grundlegenden Zweig der chemischen Forschung dar. Es ist klar, daß die genaue Kenntnis der Stoffe, welche die lebende Substanz aufbauen, die erste Voraussetzung für das Verständnis der biochemischen Vorgänge ist. Wir sehen denn auch, daß die physiologische Chemie auf allen ihren Entwicklungsstufen den Stand ^ organischen Chemie widerspiegelt. Die Lösung der biochemischen Probleme konnte immer nur so weit gefördert werden, als die Chemie dazu den Boden vorbereitet hatte. Umgekehrt hat aber auch die chemische Forschung von der Biologie starke Impulse empfangen; insbesondere ist in neuerer Zeit durch die Entdeckung der Hormone und der Vitamine die organische Chemie vor neue Aufgaben gestellt und in mancher Hinsicht gefördert worden. Eine andere Forschungsrichtung hat ihren Ausgangspunkt in der Physiologie. Zwar ist für das Verständnis vieler physiologischer Funktionen der stoffliche Aufbau der Organe nur von sekundärer Bedeutung. Zum Beispiel können die Bewegungen des Körpers aus dem Bau des Skeletts und der Anordnung der Muskeln erklärt werden, ohne daß man dabei auf den Stoffwechsel der Muskeln oder den chemischen Aufbau der Knochen Bezug zu nehmen braucht. Für das Verständnis des dioptrischen Apparates des Auges ist die Kenntnis der chemischen Zusammensetzung der brechenden Medien unnötig, wenn man nur ihre Brechungsexponenten und die Lage und Krümmung der brechenden Flächen kennt. Auch die Organisation des Nervensystems kann völlig verstanden werden, ohne daß man über die feineren chemischen Vorgänge der Nervenleitung etwas wissen muß, usw. 1

L e u t h a r d t , Lehrbuch 15.Aufl.

2

Einleitung

Die Physiologen sind aber schon sehr früh auch auf Erscheinungen gestoßen, die ihrer Natur nach chemische Vorgänge sind oder bei denen jedenfalls chemische Veränderungen eine wesentliche Rolle spielen. Hierher gehören z. B. die Atmung, die Assimilation der Kohlensäure durch die grünen Pflanzen, die Verdauung der Nahrung beim Tier, die Umwandlung der Nährstoffe in die Körpersubstanz, die Bildung der Sekrete und Exkrete, die Gärung und die Fäulnis organischer Substanzen, die Blutgerinnung und vieles andere mehr. Als eine der bedeutendsten und folgenreichsten Entdeckungen muß wohl die Feststellung L a v o i s i e r s gelten, daß im Tierkörper Verbrennungen stattfinden, durch welche Sauerstoff verbraucht und Kohlensäure gebildet wird. Diese Entdeckung bewies, daß die grundlegenden Lebensprozesse, nämlich die Respiration und die Bildung der tierischen Wärme, chemischer Natur sind. In dem Maße, wie die Kenntnis der organischen Stoffe fortschritt, wurden auch immer mehr chemische Umsetzungen bei Tieren und Pflanzen bekannt; man erkannte allmählich, daß die ständige Umwandlung der Nährstoffe und Baustoffe, Aufbau und Verbrennung zum Wesen der Lebensvorgänge gehören. L i e b i g sprach die „tiefe Überzeugung aus, daß die Chemie allein in die Lebensprozesse Licht zu bringen vermag"; Th. Schwann hat (1839) die Gesamtheit der chemischen Umwandlungen, die sich in den lebenden Zellen oder durch die Aktivität der Zellen im umgebenden Milieu abspielen, unter dem Namen der „metabolischen Erscheinungen" zusammengefaßt (vom griechischen tö HETaßoAiKdv, was Umwandlungen hervorbringt oder erleidet). Wir bezeichnen die Summe dieser Reaktionen heute als den Stoffwechsel. Das Studium der Stoffwechselvorgänge bildet einen der wichtigsten Gegenstände der biochemischen Forschung. Man erkannte schon frühzeitig, daß viele Stoffe im Tierkörper oder in der Pflanze, also im Kontakt mit der lebenden Substanz, andersartig reagieren als im Reagensglas. Die auffallendste Tatsache besteht darin, daß Verbindungen, die in wässeriger Lösung und bei Körperwärme durchaus stabil sind und keinerlei Veränderungen zeigen, in den tierischen Geweben Spaltungen erleiden oder durch den Luftsauerstoff oxydiert werden. Berzelius vermutete eine besondere „katalytische Kraft" als Ursache dieser Erscheinung. Es blieb einer späteren Zeit vorbehalten, den Begriff der „Katalyse" zu präzisieren. Wir wissen aber heute, daß die biochemischen Umsetzungen tatsächlich katalytische Reaktionen sind; sie werden durch besondere, von den Organismen produzierte Stoffe, die Fermente, hervorgerufen. Der Entdeckung der Fermentwirkungen entsprang die Aufgabe, nicht nur die Umwandlungen festzustellen, welche die organischen Moleküle im Stoffwechsel erleiden, sondern auch die Natur und die Wirkungsweise der Stoffe zu erforschen, welche diese Umwandlungen ermöglichen und die daher als die chemischen Werkzeuge der Organismen betrachtet werden können. Es entstand auf diese Weise ein neuer Zweig der biochemischen Forschung: die Fermentchemie. Sie bildet heute das eigentliche Kernstück der Biochemie, weil jede Stoffwechselreaktion schließlich auf die Tätigkeit bestimmter Fermente zurückgeht. Unter den chemischen Problemen der Physiologie, die wir oben genannt haben, ist die Ernährung eines der wichtigsten. Die Frage, worin die Bedeutung der Nährstoffe besteht und auf welche Weise sie in die Körpersubstanz umgewandelt werden, hat seit der Zeit L a v o i s i e r s die Chemiker und Physiologen intensiv beschäftigt und hat viel zur chemischen Erforschung der Lebensvorgänge beigetragen. Auf die Entwicklung der modernen Ernährungslehre sind vor allem die Arbeiten J . v . L i e b i g s von großem Einfluß gewesen. L i e b i g hat die Bedeutung der Proteine klargestellt, indem er zeigte, daß sie als „plastische" Nährstoffe dem Aufbau der Körpersubstanz dienen; er stellte sie den Kohlenhydraten und Fetten als den eigentlichen „Brenn-

Einleitung

3

Stoffen" des Körpers gegenüber; er hat die Bedeutung der Mineralstoffe für die Ernährung der Pflanzen und Tiere erkannt und hat schließlich als erster auf die großen Zusammenhänge zwischen pflanzlichem und tierischem Leben und den Kreislauf der Stoffe in der Natur hingewiesen. Seine Ideen wirkten in mancher Richtung weiter und befruchteten die Forschung der nachfolgenden Generation. Eine spätere Arbeitsrichtung, die in ihren ersten Anfängen ebenfalls auf L a v o i sier und L i e b i g zurückgeht, beschäftigte sich mit dem energetischen Aspekt der Ernährung. Sie hat die Methoden zur Erforschung der Energiebilanz geschaffen und gipfelt einerseits im Beweis, daß der erste Hauptsatz der Thermodynamik auch für die Organismen gilt, andererseits im Rubnerschen Isodynamiegesetz. Etwa zu Beginn unseres Jahrhunderts, in ihren ersten Ansätzen schon etwas früher, setzten die Arbeiten ein, welche schließlich zur Entdeckung der Vitamine und der übrigen essentiellen Nahrungsfaktoren führten. Diese Arbeiten zeigten, daß der Nahrungsbedarf de.r Tiere durch die bisher bekannten Nährstoffe und Mineralstoffe nicht gedeckt werden kann, sondern daß der tierische Organismus noch kleiner Mengen besonderer organischer Verbindungen bedarf, die er offenbar nicht selbst aufbauen kann. Die meisten dieser Verbindungen sind als Bestandteile von Fermentsystemen, als Cofermente, erkannt worden. Sie haben also katalytische Funktionen und daraus erklärt sich ihre Wirksamkeit in Mengen, die, verglichen mit dem Bedarf an Bau- oder Brennstoffen, sehr klein sind. In ähnlicher Richtung bewegten sich die Untersuchungen über den Nährwert der Proteine. Sie haben zur Kenntnis geführt, daß den höheren Tieren eine Anzahl Eiweißbausteine in der Nahrung zugeführt werden müssen, weil der tierische Organismus zu deren Synthese nicht fähig ist. Diese Verbindungen stellen also die eigentlichen „plastischen" Nährstoffe L i e b i g s dar. Mit den Vitaminen lassen sich gewisse Metalle wie Kupfer, Mangan, Kobalt oder Nichtmetalle wie Jod und Bor vergleichen, die in den pflanzlichen und tierischen Geweben zwar nur in kleinsten Mengen vorkommen, aber trotzdem lebensnotwendig sind. Man faßt sie gewöhnlich unter dem Namen der Spurelemente oder Oligoelemente zusammen. Die Auffindung der Vitamine stellte die Forschung vor zwei Aufgaben: die Aufklärung ihrer chemischen Struktur und ihrer Bedeutung für den Zellstoffwechsel. Die erste Aufgabe ist von den Chemikern weitgehend gelöst worden. Auch über ihre Funktion im Stoffwechsel wissen wir in vielen Fällen Bescheid. Wir kennen eine Reihe von Fermentsystemen, an welchen Vitamine als Cofermente beteiligt sind. Es zeigt sich, daß sie alle in die grundlegenden Stoffwechselprozesse der Zelle eingreifen und wahrscheinlich für alle Organismen, Tiere und Pflanzen, Bedeutung haben. Die Vitaminforschung hat sich heute weitgehend mit der Fermentforschung vereinigt. Die modernen Untersuchungen über unentbehrliche Aminosäuren, Vitamine und Spurelemente bringen die mehr als ein Jahrhundert dauernden Bemühungen zu einem gewissen Abschluß, den Nahrungsbedarf der Pflanzen und Tiere chemisch exakt zu definieren. Eine große Zahl chemischer Fragen ergab sich ferner aus der Entdeckung der inneren Sekretion. Es ist, beginnend mit dem Adrenalin, der organischen Chemie gelungen, einen beträchtlichen Teil der bekannten Hormone in reinem Zustand zu isolieren und ihre Struktur aufzuklären. In ähnlicher Weise wie bei den Vitaminen stellt sich auch hier die Frage nach dem Wirkungsmechanismus der Stoffe, die als „chemische Sendboten" von den innersekretorischen Drüsen ans Blut abgegeben werden. Da alle Hormone spezifisch auf bestimmte Gewebe oder bestimmte Vorl*

4

Einleitung

gänge einwirken, muß sich ihre biologische Aktivität letzten Endes auch als chemische Reaktion verstehen lassen. Unsere Kenntnisse sind hier allerdings noch sehr dürftig. Eine Reihe von biochemischen Problemen hat schließlich ihre Quelle in der Beobachtung des Kranken in der Klinik. Jeder krankhafte Prozeß ist von lokalen oder allgemeinen Änderungen der Stoffwechselvorgänge begleitet und gibt daher Gelegenheit zur Beobachtung biochemischer Erscheinungen. Besonders auffällig sind vielfach die Veränderungen der Exkrete; die Trübung des Harns im Fieber, das Auftreten bestimmter Pigmente, die Ausscheidung von Zucker, der Ammoniakgeruch des Atems bei Nierenkranken, der Acetongeruch bei Zuckerkranken sind den Ärzten schon sehr lange bekannt. Viele den Stoffwechsel betreffende Fragestellungen sind denn auch von der Klinik ausgegangen. So haben z. B. die Bemühungen um die Aufklärung der Zuckerkrankheit die Erforschung des Kohlenhydratstoffwechsels in mannigfacher Weise angeregt und gefördert; der Untersuchung der seltenen Alkaptonurie sind wichtige Erkenntnisse über den Abbau der Aminosäuren entsprungen, das Auftreten der Porphyrine im Harn hat den Anstoß zur Erforschung der Hämine gegeben usw. Eine große Rolle haben vor allem auch die endokrinen Störungen gespielt. Verschiedene, den Ärzten seit langem bekannte Krankheitsbilder haben sich als Folge einer mangelnden oder einer überschießenden Produktion bestimmter Hormone zu erkennen gegeben (auch die Zuckerkrankheit gehört dazu). Die Klinik hat schon früh der Physiologie eine Reihe von Hinweisen auf die Bedeutung der heute als endokrine Drüsen bezeichneten Organe gegeben, ehe man sich über deren Funktion eine genaue Vorstellung machen konnte. Schließlich waren die Mangelkrankheiten wie der Skorbut oder die Beriberi einer der Ausgangspunkte für die Erforschung der Vitamine. Die Summe der chemischen Reaktionen, die sich in den Zellen abspielen, Abbauvorgänge und Synthesen, wird gewöhnlich unter dem Namen des I n t e r m e d i ä r s t o f f w e c h s e l s zusammengefaßt. Die Aufklärung der Zwischenreaktionen des Stoffwechsels bildet eines der Hauptanliegen der biochemischen Forschung. Zahlreiche komplexe Vorgänge wie die Atmung, die Glycolyse, der Abbau der Kohlenhydrate und Fettsäuren konnten in ihre Einzelreaktionen aufgelöst werden. Man lernte die Wege kennen, die zum Aufbau vieler biologisch wichtiger Verbindungen, wie des Harnstoffs, der Aminosäuren, der Purine, der Porphyrine, des Cholesterins und anderer, führen. So besitzen wir heute einen recht guten Einblick in das Getriebe des Stoffwechsels und in die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Vorgängen. Wir können uns ein Bild davon machen, wie Abbau und Synthese miteinander verknüpft sind und auf welche Weise die chemische Energie der Nährstoffe ausgenützt werden kann. Die physiologische Chemie gewinnt heute für viele Zweige der Medizin eine steigende Bedeutung, sei es für das Verständnis der Krankheitserscheinungen, sei es für die Diagnostik oder die Therapie. Je mehr sich die Kenntnis der Stoffwechselreaktionen vertieft, desto eher wird es auch möglich sein, die den krankhaften Zuständen zugrunde liegenden chemischen Vorgänge zu erfassen. Eine gewaltige Ausdehnung hat die Kenntnis der chemischen Werkzeuge der Zelle, der Enzyme, erfahren. Dank der Entwicklung der Eiweißchemie, welche die Methoden für die Isolierung und Charakterisierung der hochempfindlichen Proteine erst schaffen mußte, ist die Reindarstellung zahlreicher Enzyme möglich geworden, und dies war wiederum die Voraussetzung für die genauere Erforschung ihrer Eigenschaften, Spezifität und Wirkungsweise. Wir sehen hier ein Gebiet vor uns, das sich in voller

Einleitung

5

Entwicklung befindet und sich allmählich auch den exakten Methoden der modernen organischen und physikalischen Chemie aufschließt. Die vorstehenden Hinweise dürften genügen, um das Gebiet der physiologischen Chemie in großen Zügen zu umschreiben. Sie ist ein Grenzgebiet zwischen der Chemie, der Physiologie und der Medizin. Wir fassen sie hier aber in erster Linie als eine b i o l o g i s c h e Wissenschaft auf, d.h. wir betrachten die chemischen Vorgänge in den Organismen als eine ihrer Lebensäußerungen und suchen, soweit dies heute schon möglich ist, ihre Bedeutung im Rahmen der gesamten physiologischen Funktionen zu erfassen. Die physiologische Chemie ist daher nicht ein Teilgebiet irgendeiner der anderen biologischen Wissenschaften in dem Sinne, daß sie sich nur mit einzelnen Funktionen oder Organen beschäftigen würde. Sie umfaßt die Gesamtheit der Lebenserscheinungen, soweit dieselben als chemische Vorgänge begriffen werden können. Natürlich ist auch diese Betrachtungsweise einseitig und vermag nur einen einzelnen beschränkten Aspekt der Lebenserscheinungen zu geben. Da aber die Vorgänge, durch welche die lebende Substanz sich selbst erhält, ihrem Wesen nach chemischer Natur sind, führt uns die physiologische Chemie bis an die Grundlagen der Lebenserscheinungen heran, soweit diese naturwissenschaftlich überhaupt erfaßt werden können. Wir haben in diesem Buch den Stoff folgendermaßen eingeteilt: der erste Teil behandelt in gedrängter Form die Chemie der w i c h t i g s t e n N a t u r s t o f f e und ihrer Bausteine; der zweite Teil rekapituliert einige p h y s i k a l i s c h - c h e m i s c h e G e s e t z e und ihre Anwendung in der Biochemie; der dritte Teil ist der Besprechung des S t o f f w e c h s e l s und der F e r m e n t e gewidmet; im vierten Teil werden einzelne O r g a n s y s t e m e und K ö r p e r f l ü s s i g k e i t e n behandelt; der fünfte Teil befaßt sich mit dem Problem der c h e m i s c h e n R e g u l a t i o n und der sechste mit der Ernährung.

1. Teil

Die Chemie der Hauptgruppe der Nahrungsstoffe und der Körperbestandteile Erstes Kapitel

Die Kohlenhydrate 1. Definition und Nomenklatur

Zu den Kohlenhydraten gehören in der Natur weitverbreitete Stoffe wie die verschiedenen Zuckerarten, die Stärke, die Cellulose. Die einfachsten Verbindungen sind gemäß der Bruttoformel C n H2 n 0 n zusammengesetzt; man kann sie also schéma tisch aus Kohlenstoff und Wasser (C + H 2 0) aufgebaut denken. Diese Tatsache soll durch den Namen K o h l e n h y d r a t (eingeführt von K. S chmidt 1844) ausgedrückt werden. Die Kohlenhydrate zerfallen in zwei Gruppen: 1. die einfachen Kohlenhydrate oder Monosen oder Monosaccharide, welche meistens der oben angegebenen Bruttoformel CnH2nOn entsprechen, und 2. die zusammengesetzten Kohlenhydrate, welche aus den ersteren durch Zusammenlagerung unter Wasseraustritt entstehen und dementsprechend durch Hydrolyse in Monosaccharide zerlegt werden können. Die einfachen Kohlenhydrate sind Aldehyd- oder Ketoalkohole. Sie können als Oxydationsprodukte mehrwertiger Alkohole aufgefaßt werden, die dadurch entstanden sind, daß eine der primären oder sekundären Hydroxylgruppen zur Carbonylgruppe oxydiert worden ist. Das einfachste Beispiel eines zweiwertigen Alkohols ist das Glycol; durch Oxydation der einen der beiden CH2OH-Gruppen entsteht daraus der G l y c o l a l d e h y d , der dementsprechend als einfachstes Kohlenhydrat aufgefaßt werden kann: CHAOH | CHOOH

+ 0 =

Glycol

CH2OH | /H C
*

132

Einige physikalisch-chemische Grundgesetze

Eine tiefergehende Analyse des Unterschieds zwischen den beiden Gruppen von Elektrolyten würde eine Diskussion der verschiedenen Arten chemischer Bindungen verlangen, für die hier der Raum fehlt. An einzelnen Beispielen läßt sich das Zustandekommen der typischen Salzbildung auf Grund des Atombaus leicht verstehen. Nach der sog. Oktett-Theorie von Lewis sind Atome besonders stabil, wenn ihre äußere Elektronenschale aus 8 Elektronen (einem „Oktett") besteht wie bei den chemisch sehr stabilen Edelgasen. Die Ver-

Abb. 19. K r i s t a l l g i t t e r des K o c h s a l z e s . Helle Ringe: Chlorionen; dunkle Ringe: Natriumionen

bindung zwischen zwei Atomen erfolgt daher immer derart, daß womöglich eine vollständige Achtergruppe von Elektronen gebildet wird. Das Chloratom enthält z. B. gemäß seiner Stellung in der 7. Gruppe des periodischen Systems in der äußeren Schale (sog. M-Niveau) 7 Elektronen; das Natriumatom enthält ein Elektron in der äußeren Schale (M-Niveau) und ein vollbesetztes Oktett in der vorangehenden tieferen Schale (L-Niveau). Beide Konfigurationen sind instabil, was sich in der großen chemischen Reaktionsfähigkeit des Chlors und des Natriums äußert. Stabile Achtergruppen können aber leicht dadurch gebildet werden, daß das vereinzelte Elektron des Metalls ausgeworfen und in die unvollständige äußere Elektronenschale des Chlors eingefügt wird. Dabei entstehen ein Chlorion und ein Natriumion: :Na:.

+

:C1.



[;Na:]+ +

[:C1:]~

Die gewöhnliche chemische Bindung zwischen zwei Atomen (Kovalenz) kommt dadurch zustande, daß die äußeren Elektronenschalen der Atome ein gemeinsames Elektronenpaar besitzen. (Der Valenzstrich in den Strukturformeln der organischen Chemie bedeutet ein Elektronenpaar.) Im obigen Fall aber ist das Elektronenpaar, das durch Übergang des unpaaren Elektrons vom Natrium in die Außenschale des Chlors entstanden ist, vom Kern des Natriumatoms so weit entfernt worden, daß es dem Chlor allein angehört. Die beiden Ionen wirken daher nur durch ihre elektrostatischen Kräfte aufeinander ein. Da aber in wässeriger Lösung wegen der hohen Dielektrizitätskonstanten des Lösungsmittels die elektrostatische Anziehung stark vermindert ist, können sich die Ionen leicht trennen. Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Ionisation der starken Elektrolyte in wässeriger Lösung verständlich macht, liegt in der Bildung von mehr oder weniger lockeren Verbänden zwischen den Ionen und den Wassermolekülen ( H y d r a t a t i o n der Ionen).

Säuren und Basen. MassenWirkungsgesetz

133

Es handelt sich in den meisten Fällen nicht um Verbindungen in stöchiometrischem Verhältnis, sondern es sind schwache Anziehungskräfte zwischen den Molekülen wirksam, die nicht zur Bildung definierter Komplexe führen. Eine große Rolle spielt dabei die stark polare Natur der Wassermoleküle. Im Wassermolekül fallen die Schwerpunkte der positiven und negativen elektrischen Ladungen nicht zusammen. Das Molekül bildet daher einen elektrischen Dipol. In der Umgebung eines Ions werden die Dipole des Wassers durch elektrostatische Anziehung ausgerichtet; sie bilden eine Art Hülle um das Ion, in welcher die Wassermoleküle etwas dichter gepackt sind, wie sich aus verschiedenen Eigenschaften der Elektrolytlösungen schließen läßt.

Bei den Carbonsäuren, als Beispiel für die typischen schwachen Elektrolyte, ist der Wasserstoff, der bei der Dissoziation das Kation liefert, nicht soweit vom Sauerstoff abgerückt, daß das verbindende Elektronenpaar nur dem Sauerstoff angehören würde. Die Bindungsart nähert sich stark der stabilen kovalenten Bindung. Die gewöhnliche alkoholische Hydroxylgruppe spaltet auch im Wasser nicht merklich Wasserstoffionen ab. Bei der Carboxylgruppe bewirkt die unmittelbare Nachbarschaft eines zweiten Sauerstoffatoms eine bedeutende Verstärkung der Dissoziation gegenüber den Alkoholen.

Siebentes Kapitel

Säuren und Basen 1. Massenwirkungsgesetz Wir betrachten die reversible Reaktion: mA + nB H

' pR + qS

Die Gleichung bedeutet, daß m Moleküle des Stoffes A mit n Molekülen des Stoffes B usw. reagieren, wobei p Moleküle des Stoffes R, q Moleküle des Stoffes S usw. entstehen. Nach dem Massenwirkungsgesetz führt eine solche Reaktion zu einem Gleichgewicht zwischen den reagierenden Stoffen, das durch die Gleichung

bestimmt ist. CA bedeutet die Konzentration des Stoffes A usw.; k ist die sog. Gleichgewichtskonstante . 1.Beispiel: Essigsäure dissoziiert in wässeriger Lösung in Wasserstoffionen und Acetationen: CH3COOH ,

CH3COO- + H+ .

Es muß also zwischen undissoziierter Essigsäure, Acetationen und Wasserstoffionen die folgende Beziehung bestehen: [CH8COO~] • [H+] = k = 1,86 • 10- 6 (bei 25°). [CHjCOOH] k heißt in diesem Fall Dissoziationskonstante. Die Konzentration der Stoffe ist durch Einschließen des chemischen Symbols in eckige Klammern ausgedrückt. 2. Beispiel: Ca-Ionen und Carbonationen fallen sich unter geeigneten Bedingungen nach der Gleichung Ca+ + + C 0 3 — , CaC03

134

Säuren und Basen

aus. Es muß also die folgende Beziehung bestehen: [Ca-]-[C03-]=konst_ [CaC03] Da CaCOj schwer löslich ist, fällt es schon bei geringer Konzentration der Ionen aus und bildet den Bodenkörper der Lösung. Die Lösung ist also in bezug auf CaC03 gesättigt und die Konzentration des undissoziierten Salzes CaC03 (die außerordentlich klein sein kann) ist daher bei gegebener Temperatur konstant (siehe Abschnitt Phasenregel). Man kann also in der obigen Gleichung die Konzentration [CaC03] mit der Konstanten vereinigen und erhält: [Ca + + ] • [CO,—] = L = 10- 8 . L wird als L ö s l i c h k e i t s p r o d u k t bezeichnet. Es gestattet zu berechnen, welche Konzentration von Ionen, die schwerlösliche Salze bilden, nebeneinander in der Lösung bestehen können. 3. B e i s p i e l : Säuren und Alkohole können sich unterWasseraustritt zu Estern vereinigen: Säure + Alkohol ,

Ester + H 2 0 .

Es gilt also die Gleichgewichtsbedingung: [Ester] • [HjO] _ [Säure] • [Alkohol] Geht die Reaktion in verdünnter wässeriger Lösung vor sich, so kann [H a O] als konstant angenommen werden und es gilt: [Ester] k . [Säure] • [Alkohol]

Das Gleichgewicht stellt sich ein, wenn man von beliebigen Gemischen der Komponenten ausgeht. Man erhält im obigen Beispiel dasselbe Gleichgewichtsgemisch, ob man vom Ester oder einem Gemisch der äquivalenten Mengen der Säure und des Alkohols ausgeht. Die Reaktionen verlaufen aber oft sehr träge, so daß die Einstellung des Gleichgewichts lange Zeit braucht, wenn nicht geeignete Katalysatoren, z. B. Fermente, vorhanden sind. Solche Katalysatoren beschleunigen immer nur den zeitlichen Ablauf der Reaktion, indem sie Reaktionshindernisse entfernen, ohne das endgültige Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Komponenten in meßbarer Weise zu beeinflussen. Wir werden auf diese Frage im Kapitel über die Fermente zurückkommen. 2. Definition der Säuren und Basen Die gebräuchliche Definition bezeichnet als Säuren solche Stoffe, die in wässeriger Lösung Wasserstoffionen, als Basen Stoffe, die Hydroxylionen abgeben. Wir benutzen hier eine etwas allgemeinere Definition, die in verschiedener Hinsicht einfacher ist als die obige und die Säuren und Basen unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt betrachtet. Wir bezeichnen nach dieser Definition, die von B r ö n s t e d entwickelt wurde, als Säuren Stoffe, die Wasserstoffionen, genauer Protonen, abgeben, und als Basen Stoffe, die Protonen aufnehmen. Die Definition der Säure deckt sich mit der üblichen. Die Bedeutung der neuen Definition der Basen wird am besten an einem Beispiel erläutert. Die basische Natur des Ammoniaks wird in der elementaren Chemie dadurch erklärt, daß das Ammoniak Wasser anlagert, worauf das entstandene Ammoniumhydroxyd in Ammoniumionen und Hydroxylionen zerfällt: NH 3 + HjO

NH4OH

NH4OH

NH• CT + (NH 3 )H+ >• Cl~ + (H 2 0)H+

Für Basen gelten analoge Überlegungen. Diese wenigen Bemerkungen über die Brönstedsche Theorie müssen hier genügen. Sie gestattet eine einheitliche und übersichtliche Darstellung der Dissoziation von Säuren und Basen. Ihr Wert zeigt sich besonders bei der Behandlung von Elektrolyten, die gleichzeitig viele saure und basische Gruppen verschiedener Stärke besitzen wie die Proteine.

3. Die Dissoziation schwacher Säuren und Basen Es wird als bekannt vorausgesetzt, daß die „Reaktion" einer Lösung in exakter Weise durch die Konzentration der Wasserstoffionen (H+) 1 ) definiert wird und daß man die Wasserstoffionenkonzentration nach dem Vorschlag von S. P. L. Sörensen durch ihren negativen dekadischen Logarithmus, den sog. pH-Wert, ausdrückt: p H = — log(H+). Bei der Verfolgung chemischer Vorgänge in den Säften und Geweben des Organismus stellt sich Schritt für Schritt das Problem, den Dissoziationsgrad einer schwachen Säure oder Base bei einem bestimmten pH-Wert zu berechnen. Als Dissoziationsgrad bezeichnen wir das Verhältnis des ionisierten Anteils zur Gesamtkonzentration. Qualitativ läßt sioh leicht einsehen, daß mit abnehmender Wasserstoffionenkonzentration (zunehmendem pH) die Dissoziation der schwachen Säuren zunimmt, die Dissoziation der schwachen Basen abnimmt. Um den Zusammenhang zwischen pH-Wert und Dissoziationsgrad exakt festzustellen, wenden wir das Massenwirkungsgesetz an. Wir betrachten die Ionisierung einer Base im Sinne der Brönstedschen Theorie als Anlagerung eines Wasserstoffions und untersuchen demnach das Gleichgewicht der folgenden Reaktionen ( A H Säure, A~ Säureanion, B Base, BH+ Basenkation): Säure AH

Base

A " + H+

BH+ ^

B + H+ .

Diese ergeben die Gleichgewichtsbedingungen: (A~) (H+) (AH)

a

(B) ( H + ) (BH+)

b>

k a und kb sind die Gleichgewichtskonstanten. Sie sind im Sinne der Brönstedschen Theorie beide als Dissoziationskonstanten von Säuren aufzufassen. k a ist um so größer, je stärker die Säure A H , kb um so kleiner, je stärker die Base B ist. Gewöhnlich drückt man die Werte von k a und k b analog dem pH-Wert durch ihre negativen Logarithmen aus, die man ebenfalls durch pka, pk b bezeichnet: pk a

- - log k a

pk b = - log k b .

Aus den oben angeschriebenen Gleichgewichtsbedingungen folgt das bekannte Gesetz, daß in der Lösung einer schwachen Säure oder Base die H+-Konzentration *) Die Konzentration (genauer die,, Aktivität") eines Stoffes wird in der angegebenen Weise durch Einklammern seines chemischen Svmbols ausgedrückt.

137

Die Dissoziation schwacher Säuren und Basen

durch das Verhältnis des nicht dissoziierten zum dissoziierten Anteil bestimmt wird (Verhältnis der freien Säure oder Base zum Salz): A~ pH = pk a + log j g

pH = pk b + log B

B

H +

.

Dies ist die sog. Henderson-Hasselbalchsche Gleichung. Setzt man A~ = AH und B = BH+, so folgt pH = pk a bzw. pH = pkb. Die H+-Konzentration einer Lösung, die gleiche Mengen der nicht dissoziierten und der dissoziierten Form einer Säure enthält, in der die Säure also zur Hälfte neutralisiert ist, ist gleich der Dissoziationskonstanten. Auf Grund dieser Tatsache kann man die Dissoziationskonstanten leicht bestimmen. Die Gleichung von H e n d e r s o n - H a s s e l b a l c h enthält die ganze Theorie der Pufferlösungen und der Indikatoren. Wir haben den Dissoziationsgrad « als Verhältnis des ionisierten Anteils zur Gesamtkonzentration der Säure oder Base definiert. Der Dissoziationsgrad der Säuren nimmt mit abnehmender H+-Konzentration (wachsendem pH) zu, der Dissoziationsgrad der Basen nimmt ab. Um die Symmetrie der Darstellung für Säuren und Basen zu wahren, benützen wir bei den Basen den sog. Dissoziationsrest Q = 1 — oc, d. i. das Verhältnis des nicht ionisierten Anteils der Base zu ihrer Gesamtkonzentration. Der Dissoziationsrest der Basen nimmt wie der Dissoziationsgrad der Säuren mit wachsenden pH-Werten zu. Eine einfache Rechnung gibt die folgenden Ausdrücke: Säure: Dissoziationserad 6 Base: Dissoziationsrest

a =

l(r p k a ; = , 10-Pka + 10" PH

1—« = o = e

= . l(T b + 10~ p H

10~pkb

i

pk

Die Bedeutung dieser Formeln ergibt sich am einfachsten aus ihrer graphischen Darstellung. Wenn man den Dissoziationsgrad oder den Dissoziationsrest gegen den pH-Wert aufträgt, so erhält man eine leicht S-förmig gekrümmte Kurve, die sog. Dissoziations- oder Titrationskurve (Abb. 20), die bei Halbneutralisation (oi = q — 0,5) einen Wendepunkt besitzt. Die Abszisse dieses Punktes ist gleich dem pk'-Wert der betreffenden Säure oder Base. Die Kurven für verschiedene Säuren oder Basen gehen also durch Parallelverschiebung auseinander hervor. Man findet mit Hilfe der Titrationskurve sehr leicht den Dissoziationsgrad einer Säure für einen bestimmten pH-Wert, indem man die Länge der Ordinate bestimmt, die zu diesem pH-Wert gehört; die Ergänzung auf 1 gibt den Dissoziationsrest. Handelt es sich um eine Base, so gibt umgekehrt die Länge der Ordinate den Dissoziationsrest, die Ergänzung auf 1 den Dissoziationsgrad. In Abb. 21 sind die Dissoziationskurven einer Anzahl physiologisch wichtiger Säuren und Basen eingetragen. Die Kurven, die sich auf Basen beziehen, sind gestrichelt. Wir werden bei verschiedenen Gelegenheiten auf diese Dissoziationskurven verweisen. Die Kurven zeigen, daß sich der Übergang von der nicht ionisierten in die ionisierte Form bei irgendeiner Säure oder Base innerhalb eines pH-Bereiches von etwa 2 pH-Einheiten vollzieht; außerhalb dieses Bereiches ist die Säure oder Base praktisch vollständig als Ion oder vollständig als nicht ionisiertes Molekül vorhanden. Um die Bedeutung der Dissoziationskurven zu illustrieren, führen wir einige Beispiele an:

138

Säuren und Basen

_ 1. Beispiel: Wie groß ist das Verhältnis von primärem und sekundärem Phosphat in einem Urin von pH 6,5 ? Phosphorsäure dissoziiert in drei Stufen. Die entsprechenden Dissoziationskonstanten liegen aber so weit auseinander, daß sie unabhängig voneinander betrachtet werden können. Physiologisch wichtig ist die zweite Stufe H 2 P0 4 ~ H P 0 4 — + H+. Das Ion des Dissoziationsrest S -1-

/ r

A

ionisiert^^r



>

i I

Dissoziationsgrad

«

iJ

Glykokoll

fCOOH-Cruppe)

íB H + s i o n i s i e r t - — Dissoziationsgrad A

< ¿n

'Base -

»

K a t i o n ß

i > j J

^

\\

pk

Dissoziationsrest £=l-< H + V = k o d e r ( vH + ) = k ( A H ) (AH) ' (A") •

Die Messung des pH mittels der Wasserstoffelektrode gibt direkt den Logarithmus der Wasserstoffionenaktivität. Also gilt: PH

= -iogk

+

iog^5y

oder, wenn wie üblich für — log k = pk gesetzt wird: PH

=

Pk

+

l o g ^ l

Setzt man nun für das Anion A~ und die Säure AH an Stelle der Aktivität die Konzentration ein, so erhält man: (01+) H )

-

k

I->[AH] kfAH f A _ [A-] - k f A _

[AH]

[A-]-

kk

'[AH] [A-]

oder: pH = pk' + log

[A~] [AH]

Diese Gleichung hat genau die gleiche Form wie die obige; die Größe k

*AH

— = k' ist aber

keine Konstante, weil die Aktivitätskoeffizienten von der Zusammensetzung der Lösung abhängig sind, k ' wird als s c h e i n b a r e D i s s o z i a t i o n s k o n s t a n t e bezeichnet. Wenn man aus dem bekannten Mischungsverhältnis von Säure und Salz (AH und A _ ) in einer Pufferlösung den pH-Wert berechnen will — eine Aufgabe, die sich in der Praxis oft stellt —, so muß man den Wert der scheinbaren Dissoziationskonstanten für die herrschenden Bedingungen kennen. Die obige Gleichung besagt, daß das p H eines Puffergemisches nur vom V e r h ä l t n i s der undissoziierten Säure zum Anion abhängig ist, nicht von der absoluten Konzentration des Gemisches. Wegen der Abhängigkeit der Aktivitätskoeffizienten von der Ionenkonzentration gilt dieses Gesetz aber nicht streng; die scheinbare Dissoziationskonstante und damit natürlich auch der pH-Wert der Lösung ändern sich mit der Verdünnung. Aus dem gleichen Grund ändert sich der pH-Wert einer Pufferlösung auch beim Zusatz von Neutralsalzen. Man findet z. B. beim Verdünnen eines Gemisches, welches aus primärem und sekundärem Phosphat im Verhältnis 1 : 1 besteht, die folgende Änderung der pH-Werte:

Aktivität der Ionen

145

Gesamtkonzentration des Phosphats:

0,1-m,

0,01-m.

0,001-m.

auf 00 Verdünnung extrapoliert

pH-Wert

6,76

6,99

7,11

7,16

Wie aus den obigen Gleichungen leicht ersichtlich ist, entspricht der pH-Wert für das Mischungsverhältnis [HP0 4 —] : [ H a P 0 4 - ] = 1 gerade dem Logarithmus der scheinbaren Dissoziationskonstanten pH = pk'. Die Extrapolation der pH-Werte auf unendliche Verdünnung ergibt daher die wahre oder thermodynamische Dissoziationskonstante pk = 7,16. (Es handelt sich hier um die zweite Dissoziationskonstante der Phosphorsäure.) Bei Pufferlösungen, die aus der Mischung einer schwachen Säure mit ihrem Salz bestehen, nimmt bei Verdünnung der pH-Wert stets zu, bei Mischungen einer schwachen Base mit ihrem Salz nimmt er ab. Es sind teils auf empirischem Weg, teils durch theoretische Überlegungen Formeln aufgestellt worden, welche die Aktivitätskoeffizienten der Ionen für verschiedene Elektrolytkonzentrationen zu berechnen gestatten. Es zeigt sich, daß diese Koeffizienten von der Konzentration und Wertigkeit aller in der Lösung vorhandenen Ionen abhängen, und zwar tritt hier eine für alle Elektrolytwirkungen wichtige Größe, die sog. Ionenstärke (i, auf. Es ist dies die halbe Summe aller mit dem Quadrat der Wertigkeit multiplizierten Ionenkonzentrationen. Bezeichnen wir die Konzentrationen der einzelnen Ionen mit c1( ihre Wertigkeit mit Wj, so ist: = V« ü» c i V i wobei die Summe über sämtliche in der Lösung vorhandenen Tonen, positive und negative, zu erstrecken ist; z.B. ergibt sich für eine Mischung von 0,05-m. KH 2 P0 4 und 0,05-m. Na 2 HP0 4 : K+

HaPOr

2 Na

HP04—

fi = 1/2 (0,05 • I + 0,05 • l + 0,1 • l 2 + 0,05 • 22) = 0,2. 2

2

Nach einer von Debye und Hü ekel entwickelten Theorie läßt sich der Aktivitätskoeffizient der Ionen in verdünnten Elektrolytlösungen berechnen. Die Gleichung hat die Form: — log ^ = 0,5 w,2

tt

Wj ist die Wertigkeit des betrachteten Ions, a ist eine Größe, welche dem (empirisch zu bestimmenden) Ionenradius proportional ist. (Der Ionenradius ist als diejenige Distanz zu definieren, auf die sich die anderen Ionen dem betrachteten Ion nähern können: er ist selbst wieder von der Zusammensetzung der Lösung abhängig.) Für höhere Ionenkonzentrationen müssen empirisch Korrektionsglieder eingeführt werden. Die Formel läßt erkennen, daß die A k t i v i t ä t eines Ions von der K o n z e n t r a t i o n und W e r t i g k e i t sämtlicher in der Lösung vorhandenen Ionen abhängig ist. Besonders groß ist der Einfluß der Wertigkeit, da sie als Quadrat in die Formel eingeht. Die Erfahrung zeigt denn auch, daß die Abweichungen vom einfachen Massenwirkungsgesetz für mehrwertige Elektrolyte besonders groß sind. Man kann aus der obigen Gleichung leicht ableiten, in welcher Weise sich die scheinbare Dissoziationskonstante (und damit der pH-Wert) beim Verdünnen einer Pufferlösung ändert. Nach der oben gegebenen Definition ist f

AH

k ' = k j - , daher pk' = pk + log f A — log f A H . A

Der Aktivitätskoeffizient der nicht dissoziierten Säure f A H kann gleich Eins gesetzt werden, d. h. log f A H = 0 . Aus der obigen Gleichung ergibt sich daher: pk' = p k - 0 , 5 10 L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15. Aufl.

Vtl

1 — aK/i

.

Säuren und Basen

146

Mit zunehmender Ionenstärke, d. h. mit wachsender Konzentration des Puffergemisches, wird daher pk' kleiner, wie dies aus der obigen Tabelle hervorgeht. Mit zunehmender Verdünnung nähert sich pk' dem Wert der thermodynamischen Konstanten pk. Betrachten wir noch das praktisch sehr wichtige Gemisch aus primärem und sekundärem Phosphat, so gilt: (H,PO 4 -) (HPO-)' daher: k' = k

H,F0

'

HP04—

oder pk' = pk + log f H P 0 — — l o g f H P 0



.

Für das primäre Anion ist die Wertigkeit w = 1, für das sekundäre ist w = 2. Man findet daher: pk' = pk —0,5 • 2* 1 —^a- 7f = j i: + 0,5 ' 1 — a (Z/7 = pk - 1,5 ' — 1 — a^| / / 7 Man sieht, daß hier wegen der Zweiwertigkeit des sekundären Phosphats der Verdünnungseffekt viel größer ist als bei einer einwertigen Säure. Im Blut und in den Zellen spielen die Proteine als Puffersubstanzen eine große Rolle. Da sie vielwertige Ionen bilden, ist hier der Einfluß dos Ionenmilieus besonders groß.

6. Die Messung der Wasserstoffionenkonzentration W a s s e r s t o f f - u n d H y d r o x y l i o n e n , N e u t r a l p u n k t . Das Wasser dissoziiert in Wasserstoff- und Hydroxylionen. Da die Aktivität des Wassers als konstant angesehen werden kann, besteht nach dem Massenwirkungsgesetz zwischen den Aktivitäten dieser beiden Ionenarten die Beziehung (H) • (OH - ) = konst. Dadurch ist bei gegebener H + -Aktivität in einer wässerigen Lösung die Aktivität der Hydroxylionen ebenfalls bestimmt, und umgekehrt. Bei 25° hat die Konstante in der obigen Gleichung den Wert 1,005 • 10 - 1 4 . Die neutrale Reaktion in einer wässerigen Lösung ist durch Gleichheit der Wasserstoffionen- und Hydroxylionenaktivität gekennzeichnet, daher entspricht ihr bei der angegebenen Temperatur sehr nahe der Wert pH 7,00. Der Neutralpunkt ist eine Größe, die nur in bezug auf ein bestimmtes Lösungsmittel definiert werden kann, gewöhnlich für Wasser, die aber keine absolute Bedeutung hat. D e f i n i t i o n d e s pH. Die „Reaktion" einer Lösung konnte vor der Entwicklung der Ionenlehre und der physikalischen Chemie nur qualitativ durch den Farbton bestimmter „Indikatoren" wie Lackmus, Kongo u. a. beschrieben werden. Die Lehre von der elektrolytischen Dissoziation der Säuren und Basen zeigte, daß die saure oder alkalische Reaktion einer Lösung durch die freien Wasserstoff- bzw. Hydroxylionen bedingt ist und daß somit die Konzentration dieser beiden Ionenarten das rationelle Maß für die Reaktion einer Lösung abgibt. Der pH-Begriff wurde von S ö r e n s e n eingeführt (1909). Er definierte das pH einer Lösung (den „Wasserstoffexponenten") als negativen Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration: pH = - log[H+], Diese ursprüngliche Definition entspricht aber nicht ganz den tatsächlichen Verhältnissen. Die experimentell bestimmbare Größe, die wir durch das Symbol „ p H " bezeichnen, ist nicht dem Logarithmus der Konzentration, sondern dem Logarithmus der Aktivität der H + -Ionen gleichzusetzen; die Aktivität ist aber, wie wir gesehen haben, eine komplizierte Funktion der Ionenkonzentration, die nur in unendlich verdünnter Lösung der H + -Ionenkonzentration gleichgesetzt werden kann. Die Bestimmung des p H beruht im Prinzip auf der Messung der elektromotorischen Kraft einer galvanischen Kette, die aus zwei Wasserstoffelektroden besteht, welche in Lösungen verschiedener Wasserstoffionenkonzentration tauchen. Ist der pH-Wert der einen Lösung bekannt, so läßt sich derjenige der zweiten Lösung aus der elektromotorischen Kraft der Kette eindeutig bestimmen. Die tatsächlich verwendete pH-Skala wird dadurch festgelegt, daß man für eine geeignete Pufferlösung einen bestimmten pH-Wert annimmt. Von diesem ausgehend kann man mit Hilfe von Konzentrationsketten das pH jeder anderen Lösung eindeutig bestimmen. Der Bezugswert ist unter sorgfältiger Prüfung der zugrunde liegenden experimentellen Daten so gewählt, daß er auf Grund unserer gegenwärtigen theoretischen Kenntnisse dem tatsächlichen Wert der Wasserstoffionenaktivität möglichst nahekommt.

Die Messung der WasserstofTionenkonzentration

147

T h e o r i e der W a s s e r s t o f f e l e k t r o d e . Eine „Wasserstoffelektrode" ist ein mit Platinschwarz überzogenes Stück Platinmetall, das mit einer Wasserstoffatmosphäre (gewöhnlich von 1 Atmosphäre Partialdruck) in Berührung steht. Taucht eine solche Elektrode in eine wässerige Lösung, so bildet sich zwischen Metall und Flüssigkeit eine wohl definierte Potentialdifferenz aus, deren Größe von der Wasserstoffionenkonzentration der Lösung und dem Partialdruck des Wasserstoffgases abhängig ist. Verbindet man zwei solche „Wasserstoffhalbelemente", welche Lösungen mit verschiedener Wasserstoffionenkonzentration enthalten, aber unter dem gleichen Wasserstoffdruck stehen, zu einer galvanischen Kette ( „ K o n z e n t r a t i o n s k e t t e " ) , so hängt die elektromotorische Kraft derselben vom Verhältnis der Wasserstoffionenkonzentration in den beiden Lösungen ab. Dabei ist die Elektrode in der höher konzentrierten Lösung positiv gegen die andere. Man denke sich in Abb. 26, S. 154, die beiden indifferenten Elektroden durch Wasserstoffelektroden ersetzt (die beiden Gefäße werden mit H2-Gas durchperlt) und die beiden Elektrodengefäße mit Lösungen von verschiedener H + -Ionenkonzentration gefüllt. Nach den Grundgesetzen der Thermodynamik ergibt sich für die elektromotorische Kraft einer solchen Kette der Wert: e

=

2)3

;

R T

-log-^2 (H+),

(R ist die Gaskonstante, T die absolute Temperatur, F das elektrochemische Äquivalent 96500 Coulomb, b = 23074 caL/Volfc, (H+) l und (H+)2 sind die H + -Ionenaktivitäten in den beiden Elektrodengefäßen.) Wir nehmen nun an, daß im einen Elektrodengefäß die Aktivität der Wasserstoffionen (H + ) 2 = 1 ist. Man nennt eine solche Wasserstoffelektrode die n o r m a l e W a s s e r s t o f f e l e k t r o d e . Wegen log ^ j + j

=



(H + ) = pH ergibt sich dann zwischen elektromotorischer Kraft und

pH der einfache Zusammenhang:

Für 25® hat der Zahlenfaktor den Wert 0,059 Volt. Es gilt also bei Messung einer beliebigen Wasserstoffelektrode gegen die normale Wasserstoffelektrode als Bezugselektrode: E = 0,059-pH Volt, oder: pH =

U,Ui>9

.

In der Praxis wird aber nie eine normale Wasserstoffelektrode als Bezugselektrode verwendet, weil sie nur schwierig mit genügender Genauigkeit hergestellt werden könnte und einige weitere Nachteile zeigt, sondern man verwendet gewöhnlich die bequemere Kalomelelektrode, deren Potential gegen die Normalwasserstoffelektrode ein für allemal bestimmt ist. Dieselbe besteht aus Quecksilber, das mit einer Schicht Hg 2 Cl 2 , Kalomel, bedeckt ist; das Elektrodengefäß ist entweder mit n/10 Lösung von KCl („n/10 Kalomelelektrode") oder mit einer gesättigten Lösung von KCl („gesättigte Kalomelelektrode") gefüllt. An der Grenze zwischen Quecksilber und Lösung bildet sich eine gut definierte Potentialdifferenz aus. Das Quecksilber ist durch einen Platindraht mit der Klemme verbunden. Die beiden Halbelemente werden zur Ausschaltung von Diffusionspotentialen, wie sie sich an der Grenze zweier verschieden konzentrierter Elektrolytlösungen immer einstellen, durch eine Brücke verbunden, die mit gesättigter KCl-Lösung gefüllt ist. Die Kette, deren elektromotorische Kraft gemessen wird, läßt sich für den Fall der n/10 Kalomelelektrode schematisch folgendermaßen darstellen: Pt, H 2 (1 Atm.) | H+ (Konzentration X ) | ges. KCl | n/10 KCl, Hg2Cl2 | Hg 1

Wasserstoffelektrode

2

3

KClBrücke

4

n/10 Kalomelelektrode

Die mit 1 bis 4 bezeichneten senkrechten Striche bedeuten die Stellen, an denen Potentialdifferenzen auftreten. Die Zwischenschaltung der gesättigten Kaliumchloridlösung hat den Zweck, die Diffusionspotentiale bei 2 und 3 soweit als möglich zu eliminieren; man kann dann annehmen, daß sich die elektromotorische Kraft der Kette nur aus den beiden Elektrodenpotentialen 1 und 4 zusammensetzt. 10*

148

Säuren und Basen

Die beiden Kalomelelektroden sind positiv gegen die normale Wasserstoffelektrode, und zwar beträgt der Potentialunterschied für die n/10 Kalomelelektrode 0,335 Volt bei 25°, für die gesättigte Kalomelelektrode 0,246 Volt. Wegen der Änderung der Sättigungskonzentration des KCl mit der Temperatur ist die letztere viel stärker temperaturabhängig und überhaupt weniger gut definiert als die erstere. Da die normale Wasserstoffelektrode gegen weniger saure Lösungen immer positiv ist, sind zur Berechnung des p H die obigen Werte für die Kalomelelektroden vom gemessenen Potential zu subtrahieren. Die elektromotorische pH-Bestimmung mit der Wasserstoffelektrode ist die grundlegende Methode, von der alle anderen abhängig sind. Alle A n g a b e n ü b e r p H - W e r t e v o n P u f f e r l ö s u n g e n g e h e n l e t z t e n E n d e s auf M e s s u n g e n m i t d e r W a s s e r s t o f f e l e k t r o d e z u r ü c k . C h i n h y d r o n e l e k t r o d e . Hier wird ein pH-abhängiger Oxydoreduktionsvorgang zur pHMessung benützt. Das Chinhydron ist eine Molekülverbindung zwischen Hydrochinon und Chinon:

Eine gesättigte wässerige Lösung von Chinhydron enthält daher die beiden Komponenten, von denen die eine das Oxydationsprodukt der anderen ist (Formeln s. oben), im konstanten Verhältnis 1:1. Taucht man in eine solche Lösung eine blanke Platinelektrode, so zeigt dieselbe ein bestimmtes Potential, das unter diesen Bedingungen nur vom pH der Lösung abhängig ist. Es handelt sich hier um die Messung eines sog. Redoxpotentials, die wir im nächsten Abschnitt etwas genauer besprechen werden. Das Potential ändert sich mit dem pH in gleicher Weise wie das Potential der Wasserstoffelektrode, d. h. einer pH-Differenz von einer Einheit entspricht eine Potentialdifferenz von 2,30 • R • T/F = 0,059 Volt bei 25°. Die Linearität ist allerdings auf pHWerte beschränkt, die kleiner sind als die erste saure Dissoziationskonstante des Hydrochinons. Die normale Chinhydronelektrode (Wasserstoffionenaktivität = 1) ist um 0,699 Volt positiver als die normale Wasserstoffelektrode (25°). Eine Chinhydronelektrode von beliebigem pH zeigt daher gegen die letztere ein Potential von E = 0,699—0,059 • pH. ß l a s e l e k t r o d e . In neuerer Zeit wird meistens die Glaselektrode verwendet. Die Potentialeinstellung der Wasserstoffelektrode wird in vielen Fällen durch Stoffe beeinträchtigt, welche die Elektrode „vergiften" oder durch den am Platin aktivierten Wasserstoff reduziert werden. Die Glaselektrode hat den großen Vorteil, daß sie in beliebigen Lösungen anwendbar ist (nur nicht in stark alkalischen). Sie ist aber im allgemeinen weniger genau als die Wasserstoffelektrode, und es braucht zur Messung des Potentials Röhrenpotentiometer, die stromlose Messungen gestatten, währenddem man bei der Wasserstoffelektrode immer mit einer einfachen P o g g e n d o r ff sehen Kompensationsschaltung auskommt. Die Wirkungsweise der Glaselektrode ist im Prinzip die folgende: Die zu messende Lösung ist von der einen Lösung mit bekanntem p H durch eine sehr dünne Membran aus einer geeigneten Glassorte getrennt (gewöhnlich ist die Elektrode als kleine dünnwandige Glaskugel ausgebildet, welche in die unbekannte Lösung eintaucht; zur Ableitung dienen unpolarisierbare Elektroden [Kalomelelektroden oder Chlorsilberelektroden]). Zwischen den beiden Lösungen stellt sich nun eine Potentialdifferenz ein, welche dem pH-Unterschied proportional ist. Der Proportionalitätsfaktor hat annähernd den gleichen Wert wie bei der Wasserstoffelektrode (0,059 Volt pro pHEinheit). Die Ausbildung eines Potentials zwischen den beiden Seiten der Glasmembran beruht auf ihrer selektiven Durchlässigkeit für Wasserstoffionen. Der Widerstand solcher Membranen ist gewöhnlich von der Größenordnung einiger Megohm. Praktisch geschieht die Messung derart, daß man zunächst die Elektrode eicht, d. h. man mißt ihr Potential gegen eine Pufferlösung von bekanntem pH-Wert. Dann wird diese Lösung gegen die unbekannte Lösung vertauscht. Die Differenz der beiden Potentialwerte ist proportional der pH-Differenz der beiden Lösungen. Die modernen Potentiometer sind so eingerichtet, daß sie eine direkte Ablesung des pH-Wertes gestatten; doch ist zu beachten, daß die Faktoren der einzelnen Elektroden nicht immer den theoretischen Wert haben und daß daher die zur Eichung verwendete Pufferlösung einen pH-Wert haben sollte, welcher demjenigen der unbekannten Lösung möglichst nahekommt. Die genannten Verfahren beruhen alle auf der Bestimmung von elektromotorischen Kräften. Man bezeichnet sie daher als p o t e n t i o m e t r i s c h e oder e l e k t r o m o t o r i s c h e M e t h o d e n der pH-Bestimmung.

Oxydation und Reduktion. Der Begriff der Oxydation

149

F a r b i n d i k a t o r e n . Einer zweiten wichtigen Gruppe von Methoden liegt die Änderung des Farbtons gewisser Farbstoffe („Indikatoren") mit dem pH zugrunde. Die Indikatorfarbstoffe sind schwache Säuren oder Basen, deren Ionen anders gefärbt sind als das nicht dissoziierte Molekül. Der Dissoziationsgrad, der nach dem Massenwirkungsgesetz von der Wasserstoffionenkonzentration abhängt, läßt sich daher kolorimetrisch bestimmen. Man unterscheidet „einfarbige" Indikatoren, bei denen nur die ionisierte Form gefärbt ist, und „zweifarbige", bei denen freie Säure und Ion verschiedene Farben zeigen.

Setzt man zu einer Pufferlösung eine so kleine Menge einer schwachen Säure (oder Base) zu, daß das pH der Lösung nicht merklich verschoben wird, so stellt sich zwischen dieser Säure und ihrem Anion ein bestimmtes Verhältnis ein, das nur vom pH der Pufferlösung abhängig ist: log (A~/AH) = pH—pk. Zeigen die nicht ionisierte und die ionisierte Form der Säure verschiedene Lichtabsorption, so kann man aus der Färbung der Lösung auf den pH-Wert schließen. Darauf beruht die Anwendung von Indikatoren für die pH-Bestimmung. Ist der pk-Wert der Indikatorsäure stark vom pH der Lösung verschieden, so wird der Indikator ausschließlich in die ionisierte oder ausschließlich in die nicht ionisierte Form übergeführt. Man kann für den pH-Wert der Lösung nur eine obere oder eine untere Grenze angeben (z. B. Lösung „sauer gegen Phenolphthalein", d. h. pH < 8). Will man mit einem Indikator das pH der Lösung exakt messen, so darf der Wert von pk nur so weit von dem zu bestimmenden pH-Wert abweichen, daß das Verhältnis der beiden Formen des Indikators zwischen den Grenzen von etwa 1: 5 bis 5 :1 bleibt (etwa 0,7 pH-Einheiten zu beiden Seiten von pk). Die pH-Bestimmung mit Indikatoren bietet alle Vorteile der kolorimetrischen Methoden. Ihre Anwendbarkeit wird begrenzt durch die Eigenfarbe der zu untersuchenden Lösung sowie durch sekundäre Reaktionen des Farbstoffes („Salz- und Eiweißfehler", Adsorption oder Fällung des Farbstoffes usw.). Ein einzelner Indikatorfarbstoff ist stets nur innerhalb eines begrenzten pH-Bereichs anwendbar; doch wird die pH-Skala von etwa pH 2 bis pH 10 von der Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Farbstoffe lückenlos überdeckt. Die einfachste Anwendungsart ist das Indikatorpapier. Dasselbe gestattet aber im besten Fall nur eine Schätzung auf etwa 0,3 pH-Einheiten. Bei den exakteren Methoden wird der Indikatorfarbstoff der Lösung zugesetzt und da« pH aus dem Farbton bestimmt, den dieselbe annimmt. Man stellt sich dazu eine Vergleichsreihe mit bekannten Pufferlösungen her. Diese Methode wird kurz als „Messung mit P u f f e r n " bezeichnet. Oder man bestimmt kolorimetrisch die Farbtiefe der Lösung und berechnet daraus das pH; dazu ist die Kenntnis der Dissoziationskonstanten des Farbstoffes nötig: „Messung ohne P u f f e r " . Für das zweite Verfahren eignen sich besonders einfarbige Indikatoren.

Achtes Kapitel

Oxydation und Reduktion Das Verständnis der biologischen Oxydationsvorgänge setzt die Vertrautheit mit dem chemischen Oxydationsbegriff voraus. Wir werden deshalb in diesem Abschnitt die grundlegenden Tatsachen und Begriffe kurz besprechen. 1. Der Begriff der Oxydation

Durch die Untersuchungen von P r i s t l e y und L a v o i s i e r wurde der Begriff der Oxydation als Aufnahme von Sauerstoff definiert. Der Begriff der Oxydation hat aber im Lauf der Zeit verschiedene Wandlungen durchgemacht. Um zu erkennen, was heute als Oxydation bezeichnet wird, zählen wir zuerst eine Reihe von Vorgängen auf, die unter den modernen Begriff der Oxydation fallen:

Oxydation und Reduktion

150

1. A u f n a h m e v o n S a u e r s t o f f in das Molekül: A + 0 = AO . Der umgekehrte Vorgang, Abgabe von Sauerstoff, heißt R e d u k t i o n . 2. A b g a b e v o n W a s s e r s t o f f , z. B.: CHaCRjOH ~ 2 H » CH3CHO Äthylalkohol Acetaldehyd Das entstehende Produkt (in diesem Falle Acetaldehyd) enthält weniger Wasserstoff, „Dehydrierung". Wird Aldehyd in Alkohol verwandelt, so spricht man von Reduktion ; bei organischen Verbindungen bezeichnet man die Wasserstoffaufnahme meist als „Hydrierung". 3. V a l e n z w e c h s e l von Ionen. Als Oxydation wird die Zunahme der positiven Ladimg eines Ions oder die Abnahme der negativen Ladung bezeichnet. Umgekehrt ist Reduktion die Abnahme der positiven oder die Zunahme der negativen Ladung. Oxydation: Fe++

• Fe+++,

Reduktion: Cu++

* Cu+,

2J~

• J2

[Fe(CN),]

> [Fe(CN)J

Dehydrierung und Valenzwechsel sind also Reaktionen, bei denen gar kein Sauerstoff beteiligt sein muß. Diese Vorgänge können als „Oxydation" bezeichnet werden, weil sie oft durch molekularen Sauerstoff oder durch sauerstoffreiche Verbindungen (Permanganat, Chromsäure usw.) hervorgebracht werden. Im übrigen ist aber im Laufe der Zeit der ursprünglichen Bezeichnung „Oxydation" ein ganz anderer begrifflicher Inhalt unterschoben worden. Ferroeisen z. B. geht in alkalischer Lösung durch Luftsauerstoff sehr leicht in Ferrieisen über: 11 in 4Fe(OH)2 + 0 2 + 2H 2 0 • 4Fe(OH)3. Aber der gleiche Vorgang kann auch ohne jegliche Mitwirkung von Sauerstoff vonstatten gehen, z. B.: 2Fe ++ + Cl2 2Fe++++2Cl-. Hier wirkt Chlor „oxydierend" auf das Ferroeisen ein. Diese Gleichung zeigt besser als die erste die Erscheinung, die allen „Oxydationen" gemeinsam ist: der Stoff, der oxydiert wird, gibt Elektronen ab. Das Elektron wird im obigen Beispiel von einem Chloratom aufgenommen, welches dadurch in ein Chlorion übergeht. Der erste Vorgang, die Oxydation von Ferroeisen durch Sauerstoff, läßt sich in ähnlicher Weise formulieren (schematisch): 2Fe + + + 0 2Fe++++ O—. Hier nimmt der Sauerstoff die Elektronen auf. Das zweiwertige Ion 0 ~ ~ vereinigt sich aber sofort mit einem Proton und gibt ein Hydroxylion: 0--+H20

» 2 OH-.

Die beiden Reaktionen unterscheiden sich also nur dadurch, daß einmal das Chlor, das andere Mal der Sauerstoff die Elektronen aufnimmt, die vom oxydierten Stoff abgegeben werden.

Der Begriff der Oxydation

151

Auch die Dehydrierung läßt sich auf die Abgabe von Elektronen zurückführen. Hydrochinon z. B. wird durch verschiedene Oxydationsmittel wie Überschwefelsäure in Chinon übergeführt: OH

0

O Dies ist eine Dehydrierung. In genügend alkalischer Lösung liegt aber das Hydrochinon als zweiwertiges negatives Ion vor, und man erkennt ohne weiteres, daß dieses Ion durch Abgabe zweier Elektronen in das Chinon übergeht:

Die Dehydrierung ist hier in zwei Stufen aufgeteilt: Dissoziation unter Abgabe zweier Protonen und nachfolgende Abgabe von zwei Elektronen an das Oxydationsmittel. Formal läßt sich jede Dehydrierung derart in zwei Schritten durchführen. Tatsächlich sind aber in den meisten Fällen die Wasserstoffatome so fest gebunden, daß sie auch bei der stärksten alkalischen Reaktion nicht als H+-Ionen abdissoziieren. In der Regel wird das Elektron zusammen mit einem Proton abgegeben, d. h. es wird ein Wasserstoffatom abgespalten. Der Wasserstoff wird entweder an das Oxydationsmittel angelagert oder, ein sehr häufiger Fall, er gibt sein Elektron an das Oxydationsmittel ab, wobei er in ein Wasserstoffion übergeht. Daß die Dehydrierung auf die Abgabe von Elektronen herausläuft, erkennt man leicht bei Betrachtung der Elektronenkonfiguration der Atome. Wir wählen als Beispiel etwa die Dehydrierung eines Alkohols (vgl. S. 292): H

R—C = O Aldehyd

Alkohol

Der Valenzstrich, der hier überall kovalente Bindungen darstellt, bedeutet ein Elektronenpaar, das beiden Atomen gemeinsam ist. Schreiben wir dementsprechend an Stelle des Valenzstriches, der das abzuspaltende H-Atom mit dem Nachbaratom verbindet, das Symbol des Elektronenpaars (:), so ergibt sich folgende Darstellung der Alkoholgruppe: H

1/OsH R—CK: H

Oxydation und Reduktion

152

Die Entfernung der zwei H-Atome läßt zwei vereinzelte Elektronen zurück, die sofort ein neues Paar von Valenzelektronen bilden und damit die C = O-Doppelbindung ergeben ( : X = Oxydationsmittel): H

H

H

I H. R—C=0 + "X H:

Der oxydierte Stoff hat bei diesem Prozeß zwei Elektronen verloren, das Oxydationsmittel X zwei gewonnen. Man faßt daher ganz allgemein die Abgabe von Elektronen als das eigentliche Kennzeichen der Oxydation auf. In reiner Form stellt sich der Vorgang bei der Oxydation eine» Metallions durch ein anderes Metallion oder ein Halogen dar. Hier ändert sich nur die Elektronenkonfiguration der Atome. Bei komplizierter gebauten Molekülen wird meistens auch die chemische Struktur des Moleküls verändert, indem Wasserstoff abgegeben oder Sauerstoff aufgenommen wird. Die besprochenen Beispiele zeigen aber, daß sich auch diese Änderungen auf den einfachen Fall des Übergangs von Elektronen vom oxydierten Stoff auf das Oxydationsmittel zurückführen lassen. Bei jeder Oxydation oder Reduktion wird ein Stoff oxydiert, der andere reduziert. Man spricht daher allgemeiner von „Oxydoreduktion", und Stoffe, die durch Oxydation oder Reduktion auseinander hervorgehen, faßt man unter der Bezeichnung „Oxydoreduktionssysteme" zusammen. Es hat sich dafür die kürzere, aber sprachlich unschöne Bezeichnung „Redoxsystem" eingeführt. Z. B. sind die Stoffpaare Cystin-Cystein, Ferrocyanid-Ferricyanid solche Redoxsysteme. Auf Grund der oben entwickelten Anschauung über das Wesen dieses Vorgangs muß man annehmen, daß der oxydierende Stoff die Elektronen, die er aufnimmt, fester bindet als der oxydierte Stoff, weil sonst die Übertragung gar nicht stattfinden könnte. Die verschiedenen sich gegenseitig oxydierenden und reduzierenden Stoffe lassen sich daher in eine Reihe wachsender „Elektronenaffinität" ordnen. (Wir werden unten erklären, wie der unbestimmte Ausdruck „Elektronenaffinität" durch eine meßbare Größe ersetzt werden kann.) In dieser Reihe kann jedes Glied durch das nachfolgende oxydiert, durch das vorangehende reduziert werden. Daraus geht hervor, daß keine Substanz „Oxydationsmittel" oder „Reduktionsmittel" im absoluten Sinn ist. Es gibt allerdings Stoffe, deren Elektronenaffinität so groß ist, daß sie fast alle anderen Stoffe zu oxydieren vermögen. So kann elementares Chlor sehr vielen Stoffen Elektronen entziehen, indem es in seine äußere Elektronenschale von 7 Elektronen ein achtes aufnimmt und dabei in das Chlorion übergeht. Dieses „Oktett" von Elektronen, das dadurch entstanden ist, besitzt eine große Stabilität; d. h. es bedarf eines beträchtlichen Energieaufwandes, um ein Elektron daraus zu entfernen. Umgekehrt ist etwa im Natrium das einzelne Elektron der äußersten Schale nur schwach gebunden; es wird leicht ausgeworfen und an andere Atome abgegeben. Natrium wirkt daher fast immer als Reduktionsmittel. Es gibt aber gerade unter den organischen Stoffen sehr viele, die eine mittlere Stellung einnehmen. Sie können den einen Stoffen gegenüber als Oxydationsmittel, den anderen gegenüber als Reduktionsmittel auftreten. Für das Verständnis der oxydativen Vorgänge in den Zellen ist es sehr wichtig zu wissen, in welcher Weise sich die organischen Verbindungen in bezug auf ihre Oxydations- und Reduktionswirkung in eine Reihe ordnen. Dazu muß aber der unbestimmte Begriff „Oxydationskraft" durch einen präziseren ersetzt werden. Es ist dies das sog. OxydationsReduktionspotential.

Das Oxydations-Reduktionspotential

153

2. Das Oxydations-Reduktionspotential Ein altbekanntes Beispiel einer Reihe abgestufter Oxydationswirkungen ist die sog. Spannungsreihe der Metalle. „Unedlere" Metalle wirken „edleren" gegenüber als Reduktionsmittel; ein Eisenstab, in eine Lösung von Kupfersulfat eingetaucht, überzieht sich mit metallischem Kupfer, weil das Cu++ durch das Eisen, das dabei Elektronen

in Fe++ übergeht, zum Metall reduziert wird. Derartige Vorgänge können bekanntlich zur Erzeugung von elektromotorischen Kräften verwendet werden. Trennt man z. B. eine Zinksulfatlösung und eine Kupfersulfatlösung gleicher Molarität, wie dies in Abb. 25 gezeigt wird, durch ein Diaphragma, das zwar für alle Salze durchlässig ist, aber die Mischung der beiden Lösungen verhindert, und taucht man in die Kupfersulfatlösung einen Kupferstab, in die Zinksulfatlösung einen Zinkstab, so zeigen die beiden Metalle eine Potentialdifferenz. (Diese Anordnung stellt bekanntlich ein Daniellsches Element dar.) Verbindet man sie leitend (über ein Galvanometer), so daß ein geschlossener Stromkreis entsteht, so fließt der Strom vom Kupfer zum Zink. Die Cu ++ -Ionen, die als Oxydationsmittel wirken, nehmen an der Kupferelektrode Elektronen auf und werden dabei als Metall an der Elektrodenoberfläche niedergeschlagen; die Zinkatome an der Oberfläche der Zinkelektrode geben Elektronen ab, die über den Leiter nach der Kupferelektrode fließen, und gehen dabei als Zn++-Ionen in Lösung. Die Elektronenübertragung geschieht hier also über den Umweg des äußeren Leiters (den Draht, der die beiden Elektroden verbindet), und es spielt sich die folgende Reaktion ab: Cu++ + Zn

• Cu + Zn++.

Die elektrische Spannung zwischen den beiden Elektroden ist ein Maß für die Eigenschaft, die wir oben in imbestimmter Weise als „Oxydationskraft" des einen Metalls gegenüber dem anderen bezeichnet haben. Sie mißt die Tendenz der Elektronen, von der Elektronenschale des Zinks in diejenige des Kupfers überzugehen. Man kann nun in gleicher Weise alle möglichen Paare von Metallen zu einer galvanischen Kette kombinieren und deren elektromotorische Kräfte messen. Auf Grund solcher Messungen lassen sich die Metalle in eine Reihe ordnen, in der jedes Glied mit einem vorangehenden kombiniert den positiven Pol, mit einem nachfolgenden kombiniert den negativen Pol darstellt. Dies ist die bekannte Spannungsreihe der Metalle. Jedes Glied dieser Reihe bindet seine Valenzelektronen stärker als die vorangehenden und schwächer als die nachfolgenden, kann also unter geeigneten Bedingungen die Atome der vorangehenden Glieder zu Ionen oxydieren und die Ionen der nachfolgenden Glieder zum Metall oder einer niedrigeren Wertigkeitsstufe reduzieren.

154

Oxydation und Reduktion

Jeder galvanischen Kette liegt eine bestimmte chemische Reaktion zugrunde, bei welcher Elektronen von einem Atom auf ein anderes übergehen. I n den soeben behandelten Beispielen wird ein Metall zum Ion oxydiert, während ein anderes Ion zum Metall reduziert wird. Im Prinzip läßt sich aber jede Oxydoreduktion zum Aufbau einer galvanischen Kette verwerten. Wir haben oben darauf hingewiesen, daß in einer galvanischen Kette, die aus zwei verschiedenen Metallen besteht, die Elektronen nicht direkt von einem Metall auf das andere (z. B. von Zn auf das Cu) übertragen werden wie bei der direkten Reaktion zwischen dem oxydierenden und dem reduzierenden Stoff, sondern indirekt über den äußeren Leiter der galvanischen Kette. Da alle Oxydoreduktionsvorgänge, auch solche, an denen keine Metalle beteiligt sind, sich auf die Übertragung von Elektronen zurückführen lassen, so Potentiometer

oxydierbarer

Stoff

Oxydations

-

mitte/

Abb. 26. O x y d o r e d u k t i o n s k e t t e

ist es stets möglich sich eine Anordnung zu denken, bei der die Elektronen des zu oxydierenden Stpffs von einer Elektrode aufgenommen und über den äußeren Leiter einer zweiten Elektrode zugeführt werden, die sie an ein Oxydationsmittel abgibt. In der Tat gelingt dies, wenn man eine Elektrode aus unangreifbarem Material (Gold oder Platin), eine sog. indifferente Elektrode, in die Lösung des zu oxydierenden Stoffs eintaucht und mit einer zweiten indifferenten Elektrode verbindet, welche in der Lösung eines Oxydationsmittels steckt, wie dies Abb. 26 zeigt. Man erhält zwischen den beiden Elektroden eine Potentialdifferenz, und zwar ist die Elektrode, die im Oxydationsmittel steht, positiv gegen die andere. Man macht sich leicht klar, daß beim spontanen Fließen des elektrischen Stroms das Oxydationsmittel (rechts) reduziert und der oxydierbare Stoff (links) oxydiert wird. Eine solche Anordnung wäre aber in Wirklichkeit völlig ungeeignet, um den Zusammenhang zwischen Oxydationswirkung und Potential quantitativ zu erfassen. In ähnlicher Weise wie der pH-Wert einer Lösung nur dann exakt definiert werden kann, wenn die Lösung Säuren und Basen in bestimmtem Verhältnis enthält, nimmt das Potential einer solchen Kette nur dann einen bestimmten Wert an, wenn an den Elektroden die verschiedenen Oxydationsstufen nebeneinander vorhanden sind. Wenn wir die Vorgänge an einer Elektrode (in einem Halbelement) ins Augen fassen, so wird beim Stromdurchgang die oxydierte Stufe des Systems reduziert oder die reduzierte oxydiert, je nachdem die Elektrode den positiven oder den negativen Pol der Kette darstellt. Wenn wir die sich abspielende Reaktion durch eine Gleichung darstellen, so wird darin die Elektrizität als Reaktionsteilnehmer auftreten; fassen

Das Oxydations-Reduktionspotential

155

wir die Vorgänge an beiden Elektroden in eine Gleichung zusammen, so verschwinden daraus natürlich die Elektrizitätsäquivalente, weil an der einen Elektrode gleichviel Strom in die Lösung eintritt, wie sie an der anderen verläßt. Nehmen wir an, daß sich beim Stromdurchgang die folgende allgemeine Reaktion abspielt: mA + nB H pR + qS -\ ± Ne , wobei N die Zahl der von der Elektrode abgegebenen oder aufgenommenen Äquivalente negativer Elektrizität bedeutet; übrige Bezeichnungen wie auf S. 133. Auf Grund der thermodynamischen Gesetze (indem man die Arbeit des elektrischen Stroms der Änderung der freien Energie der sich abspielenden chemischen Reaktion gleichsetzt), läßt sich ableiten, daß für das Potential der Elektrode der Ausdruck 2,3-RT NF

6

a|J • ag • • • •

gesetzt werden kann. Dabei bedeuten a A , a B usw. die Aktivitäten der Stoffe, F das elektrochemische Äquivalent. Für die Konstante E 0 läßt sich kein absoluter Wert angeben, weil man keine Potentiale von Einzelelektroden, sondern nur die elektromotorische Kraft galvanischer Ketten messen kann. Um der Konstanten einen bestimmten Wert erteilen zu können, ist man übereingekommen, das Potential der normalen Wasserstoffelektroden willkürlich = 0 zu setzen. In der Wasserstoffelektrode spielt sich beim Übergang des negativen Stroms von der Elektrode zur Lösung die folgende Reaktion ab: 2H+ + 2e = Hj. Man erhält also: 2F

6

(H+)2

und daher ist nach der obigen Festsetzung für (H2) = 1 und (H + ) = 1 auch die Konstante E 0 = 0. Denkt man sich jetzt irgendeine Elektrode mit der normalen H2-Elektrode zu einer Kette verbunden (in Wirklichkeit wird man für die letztere eine der gebräuchlichen Bezugselektroden substituieren), so ergibt E 0 die elektromotorische Kraft dieser Kette für den „Normalzustand" des Redoxsystems, d. h. für den Zustand, in welchem allen Komponenten die Aktivität eins zukommt. (Der logarithmische Summand in der obigen Formel ist dann = 0.) Man bezeichnet daher dieses Potential als das N o r m a l p o t e n t i a l des Redoxsystems. Als O x y d o r e d u k t i o n s p o t e n t i a l oder kurz R e d o x p o t e n t i a l wollen wir den Wert von E bei beliebiger Konzentration der Komponenten bezeichnen. Das Normalpotential ist eine Größe, welche das Redoxsystem in ähnlicher Weise kennzeichnet wie die Dissoziationskonstante eine Säure oder Base. Sie ist ein Maß für die „Oxydationskraft" des Systems, wie die Dissoziationskonstante ein Maß für die Stärke der Säure darstellt. Das Redoxpotential dagegen hängt vom augenblicklichen Zustand des Systems ab. Es läßt erkennen, wie sich ein System unter den bestehenden Bedingungen (Konzentration der Reaktionsteilnehmer) gegenüber einem anderen tatsächlich verhält, ob es das andere System oxydiert oder von ihm oxydiert wird. Immer wird das System mit dem positiveren Potential dasjenige mit dem negativeren oxydieren, d. h. ihm Elektronen entziehen, in ähnlicher Weise wie von zwei Puffersystemen das-

Oxydation und Reduktion

156

jenige mit dem höheren pH-Wert demjenigen mit dem niedrigeren Protonen entzieht. Die Redoxpotentiale haben daher für die Oxydreduktionsvorgänge die gleiche Bedeutung wie die pH-Werte für die Säure-Basen-Gleichgewichte. Die exakte Messung der elektromotorischen Kraft einer galvanischen Kette setzt voraus, daß alle bei Stromdurchgang sich abspielenden Vorgänge streng reversibel sind. Nur dann darf man die elektrische Arbeit N F E und die Änderung der freien Energie der chemischen Reaktion einander gleichsetzen, und darauf beruht die Gültigkeit der obigen Formeln. Die Messung der Spannung eines solchen Elements muß daher, wie bekannt, unter möglichst geringer Stromentnahme erfolgen. Tatsächlich kann das Redoxpotential nur ausnahmsweise mit genügender Genauigkeit direkt bestimmt werden. Die Einstellung des Potentials an der Oberfläche der indifferenten Elektrode wird durch zahlreiche, z. T. noch unbekannte Faktoren beeinflußt, und man ist deshalb meistens auf die indirekte Berechnung des Normalpotentials aus thermodynamischen Daten angewiesen. Dies ändert aber nichts an der praktischen Nützlichkeit der Normal- und Redoxpotentiale als Rechengrößen, weil sie in exakter und anschaulicher Weise die verschiedenen Redoxsysteme nach ihrer „Oxydationstendenz" in eine Reihe zu ordnen gestatten. Die obigen Ausführungen seien im folgenden durch einige einfache Beispiele illustriert. 1. B e i s p i e l : Wir betrachten ein Halbelement, welches ein Gemisch von Ferri- und Ferro ionen enthält. Wir können hier die folgende sehr einfache Reaktionsgleichung aufstellen: Fe+++ + e = Fe++. Die Anwendung der allgemeinen Gleichung führt also zum nachstehenden Ausdruck e

-

e

2,3 - B T , (Fe++) » - - N F — l o g l i w + ) - -

Die Zahlenwerte der Konstanten sind die folgenden: 2,3 RT = 1365 cal., F = 23064 cal./Volt. Der Wert E 0 des Normalpotentials konnte durch Kombination thermodynamischer und elektrochemischer Daten zu 0,747 Volt bestimmt werden. Da N = 1 ist, ergibt sich für den Zahlenfaktor vor dem Logarithmus der Wert 1365 : 23064 = 0,059 Volt. Man erhält also schließlich die einfache Beziehung E = 0,747 — 0,059 log

.

Das Potential wird also durch das V e r h ä l t n i s der beiden Wertigkeitsstufen bestimmt, nicht durch deren absolute Konzentration. Die Analogie zu den Puffersystemen ist augenscheinlich. 2. B e i s p i e l : Wie wir in einem der folgenden Kapitel sehen werden, sind biochemisch die Hydrierungen und Dehydrierungen von besonderem Interesse. Nehmen wir an, daß eine Verbindung A zu AH, hydriert wird. Die an der Elektrode sich abspielende Reaktion kann dann folgendermaßen formuliert werden: A + 2H+ + 2e = AH 2 . Es ergibt sich daher die Gleichung: 5

2F

(A)(H+)2

Man sieht, daß das Potential hier außer vom Verhältnis der beiden Oxydationsstufen auch von der Wasserstoffionenkonzentration abhängig ist. Dieser Art sind zahlreiche biologisch wichtige Redoxsysteme, unter anderem die wasserstoffübertragenden Cofermente. Gewöhnlich bezieht man bei solchen Systemen daB Normalpotential auf den pH Wert 7, d. h. man bezieht in der obigen Formel das pH-abhängige Glied in die Konstante E 0 ein: 2,3 • RT 2F

(AH,) _ E g TT?(A) " »0 ~

lQ6

2,3 • RT (AH,) - l Q6g- (A) 2ot, F

Wir illustrieren dies am Beispiel der C o z y m a s e (Diphosphopyridinnucleotid, DPN). Man hat aus Gleichgewichtsmessungen und thermochemischen Daten für das Redoxsystem CozymaseDihydrocozymase ein Normalpotential E 0 = —0,114 Volt ausgerechnet. Eine Besonderheit

157

Das Oxydations-Reduktionspotential

dieses Systems liegt darin, daß bei der hydrierten Verbindung das eine Wasserstoffatom als Wasserstoffion abdissoziiert. Wir legen die folgende Reaktionsgleichung zugrunde: DPNH + H+ ;

" DPN+ + H a ,

die in der Richtung geschrieben ist, in der sie spontan abläuft, wenn sich das System im Normalzustand befindet (DPN+ oxydierte Form, DPNH reduzierte Form der Cozymase). Daraus folgt die Gleichung: E =

E

°

2,3-RT 2F

l0g

(DPN+)(H.) (DPNH)(H+)

=

[ [E°

2,3 • RT 2F ^

| ]

2,3 • RT 2F

log

(DPN+)(H2) (DPNH) •

Wenn man die Zahlenwerte der Konstanten einsetzt, findet man daraus für pH 7: E'0 = - 0,114-0,030 pH = - 0,324 Volt. Hier bedeutet also das in gebräuchlicher Weise auf p H 7 bezogene Normalpotential der Cozymase. 3. B e i s p i e l . Wir wollen hier auf die früher erwähnte C h i n h y d r o n e l e k t r o d e zurückkommen. Es sei daran erinnert, daß diese Elektrode in einer gesättigten Lösung von Chinhydron steckt (vgl. S. 148) und daß daher die beiden Oxydationsstufen Hydrochinon und Chinon in äquimolekularem Verhältnis vorhanden sind. Das Glied der Formel, das den Quotienten (AH2)/(A) enthält, verschwindet also, und es ergibt sich der einfache Ausdruck E = E , - 0,059 p H . Daher kann man diese Elektrode bequem zur pH-Bestimmung benützen.

Ein wichtiges Problem in der Theorie der Pufferlösung besteht darin anzugeben, in welchem Verhältnis bei einem bestimmten pH-Wert nicht dissoziierte Säure und Anion zueinander stehen. In ähnlicher Weise stellt sich bei den Redoxsystemen oft die Frage nach dem Verhältnis der oxydierten zur reduzierten Stufe für ein bestimmtes Redoxpotential des Systems. Man gelangt zu einer übersichtlichen graphischen Darstellung der Verhältnisse, wenn man die Konzentration der oxydierten (oder reduzierten) Stufe als Bruchteil der Gesamtkonzentration (oxydierte Stufe + reduzierte Stufe) des Systems angibt und gegen das Potential aufträgt. Man erhält so eine S-förmig gekrümmte Kurve, die der Dissoziationskurve einer schwachen Säure oder Base völlig entspricht. In ähnlicher Weise, wie man experimentell die Dissoziationskurve durch Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base, z. B. Alkalihydroxyd, erhalten kann, findet man die charakteristische Kurve eines Redoxsystems, indem man von der reduzierten Stufe ausgeht und sie mit einem starken Oxydationsmittel titriert oder umgekehrt von der oxydierten Stufe ausgeht und sie mit einem starken Reduktionsmittel titriert. In Abb. 27 ist als Beispiel die Oxydationskurve des reduzierten Farbstoffs o-Kresolindophenol dargestellt, aus der man für jeden Potentialwert das Verhältnis der oxydierten zur reduzierten Stufe ablesen kann. Es sei noch erwähnt, daß bei dieser Darstellung die Neigung der Kurve im Wendepunkt (bei 50% Oxydation) von der Zahl der Elektronen abhängt, die vom oxydierten Körper abgegeben werden; dies ist aus den oben behandelten Gleichungen ohne weiteres ersichtlich. Für 1 Elektron (z. B. Fe++ -> Fe+++) beträgt der Unterschied des Potentials, wenn man von 50% Oxydation zu 75% Oxydation fortschreitet, rund 30 Millivolt. Werden 2 Elektronen übertragen (z. B. Hydrochinon Chinon), so beträgt dieser Unterschied nur 15 Millivolt usw. Man kann leicht verifizieren, daß bei der Oxydation des Leukofarbstoffs in Abb. 27 zwei Elektronen übertragen werden.

Wie oben angedeutet, ist die direkte Bestimmung des Redoxpotentials in sehr vielen Fällen ungenau oder überhaupt nicht möglich. Viele Systeme reagieren nämlich so träge, daß sich das Potential erst nach längerer Zeit (Tage, Wochen!) oder überhaupt nicht einstellt. Man kennt deshalb von vielen biologisch wichtigen Systemen

158

Rolloidchemische Grundbegriffe: Vorgänge an Grenzflächen

Abb. 27. O x y d a t i o n von o - K r e s o l i n d o p h e n o l . Abszisse: Potential gegen die Normalwasserstoffelektrode ; Ordinate: % oxydierte Stufe. Der Potentialuntersehied zwischen 50 und 75% Oxydation beträgt 15 Millivolt; dies bedeutet, daß zwei Elektronen übertragen werden

den wahren Wert des Redoxpotentials überhaupt nicht, sofern man ihn nicht aus anderen Daten auf Umwegen errechnen kann. In ähnlicher Weise wie der pH-Wert einer Pufferlösung läßt sich auch das Redoxpotential mit Hilfe geeigneter gefärbter Substanzen bestimmen. Als „Redoxindikator" läßt sich jedes Redoxsystem verwenden, bei welchem die reduzierte und die oxydierte Stufe verschieden gefärbt sind. Z. B. ist beim Methylenblau die reduzierte Stufe (der Leukofarbstoff) farblos, die oxydierte Stufe dagegen blau. Es besteht vollkommene Analogie zwischen dem Verhalten der gewöhnlichen und der Redoxindikatoren. Fügt man einem Redoxsystem eine kleine Menge des Indikators zu, so stellt sich zwischen seiner oxydierten und seiner reduzierten Form das Verhältnis ein, das dem Redoxpotential des Systems entspricht. Man kann also bei geeigneter Lage des Normalpotentials des Indikators aus der Färbung der Lösung den Wert des Redoxpotentials ablesen. Diese Methode hat besonders bei biologischen Untersuchungen Anwendung gefunden. Es ist nicht immer möglich, bei der elektrometrischen Bestimmung ein definiertes Potential zu erhalten. In solchen Fällen kann die Indikatormethode wertvolle Dienste leisten. Man kann die Indikatorlösung auch in lebende Gewebe oder Zellen einbringen und aus der Färbung Schlüsse auf den Wert des Redoxpotentials im Zellinhalt ziehen.

Neuntes Kapitel

Kolloidchemische Grundbegriffe: Vorgänge an Grenzflächen Die Begriffe der Kolloidchemie finden in Chemie, Biologie und Medizin häufig Anwendung; wir lassen daher in diesem Abschnitt eine kurze Behandlung der wichtigsten Tatsachen und Begriffe folgen, soweit sie für das Verständnis der biochemischen Erscheinungen nötig sind. Der Begriff der „Kolloide" wurde vom englischen Chemiker G r a h a m aufgestellt. Er beobachtete bei Untersuchungen über die Diffusion gelöster Stoffe, daß gewisse Substanzen sich bei der freien Diffusion nur sehr langsam ausbreiten und Pergamentmembranen überhaupt nicht zu durchdringen vermögen. Die Lösungen dieser Stoffe

Vorgänge an Grenzflächen

159

geben beim Eindampfen Rückstände, die nicht kristallisiert sind, sondern gallertartige oder leimartige Beschaffenheit zeigen. Zu diesen Stoffen gehören Gelatine, Eiweiß, Kieselsäure u. a. m. Im Gegensatz dazu diffundiert der größte Teil der löslichen Stoffe leicht durch Pergamentmembranen und kristallisiert mehr oder weniger leicht beim Eindampfen der Lösungen. G r a h a m nannte daher die erste Gruppe von Stoffen „Kolloide" (d. h. leimartige Stoffe), die zweite Gruppe „Kristalloide". Nach der heutigen Betrachtungsweise unterscheidet man nicht mehr „kolloidale" und „kristalloide" S t o f f e . Es hat sich gezeigt, daß die kolloidalen Lösungen einen besonderen Z u s t a n d der Materie darstellen, der nicht auf einzelne Stoffe beschränkt ist. Maßgebend für die kolloidalen Eigenschaften einer Lösung ist der Zerteilungsgrad des gelösten Stoffes. Die kristalloiden Stoffe G r a h a m s , wie Salze, Zucker usw., sind im gelösten Zustand vollständig in ihre Ionen oder Moleküle zerfallen. Die Geschwindigkeit der freien Diffusion oder der Diffusion durch Membranen hängt in erster Linie von der Größe der Teilchen ab. Die Ionen der Salze oder die Moleküle der meisten organischen Stoffe sind so klein, daß sie rasch diffundieren und auch in den Poren der Membranen ihre Beweglichkeit nicht einbüßen. Die kolloidalen Lösungen dagegen enthalten viel größere Teilchen; die Stoffe sind entweder nicht vollständig in die Moleküle zerfallen oder die Moleküle selbst sind so groß, daß sie in den Maschen der Membranen zurückgehalten werden. Es gibt Stoffe, die je nach dem Lösungsmittel oder den Herstellungsbedingungen der Lösungen im kolloidalen oder im „normal" gelösten Zustand auftreten können. Z. B. ist Natriumstearat in alkoholischen Lösungen vollständig in Moleküle oder Ionen zerfallen, währenddem in wässeriger Lösung die Seifenmoleküle sich zu größeren Verbänden zusammenschließen. Viele schwerlösliche oder ganz unlösliche Stoffe, wie z. B. Metalle, können durch geeignete Methoden, sei es von löslichen Verbindungen ausgehend, durch Kondensation, sei es durch Zerteilung des festen oder flüssigen Stoffes, in den kolloidalen Zustand gebracht werden. Allerdings sind derartige Lösungen oft unbeständig. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der kolloidchemischen Forschung, die Entstehungsund Stabilitätsbedingungen des kolloidalen Zustandes festzustellen. In der Frühzeit der Kolloidchemie wurde viel über die Frage gestritten, ob kolloidale Lösungen als „echte" Lösungen oder eher als „Suspensionen" zu betrachten seien. Es handelt sich hier aber um ein Scheinproblem, das auf eine Frage der Benennung hinausläuft. Es gibt eine kontinuierliche Reihe des Zerteilungsgrades der Materie, die von den Molekülen bis zu den sichtbaren Teilchen führt. Löst sich ein Stoff ohne Verteilungsmittel durch Verdampfung in seine Moleküle auf, so bildet er ein G a s ; zerteilt er sich in einem Verteilungsmittel (Lösungsmittel) in seine Moleküle, so entsteht eine L ö s u n g . Wird ein fester Stoff mechanisch zerrieben, so bildet er ein gröberes oder feineres P u l v e r , dessen Teilchen sich in einem Gasraum kürzere oder längere Zeit als S t a u b oder in einer Flüssigkeit als S u s p e n s i o n schwebend erhalten können. In gleicher Weise kann ein flüssiger Stoff zu einem N e b e l zerstäubt oder in einer mit ihm nicht mischbaren Flüssigkeit zu einer E m u l s i o n zerteilt werden. Zwischen den Verteilungszuständen, in welchen die einzelnen Teilchen noch s i c h t b a r sind (Staub, Nebel, Suspension, Emulsion), und dem Zustand molekularer Verteilung, wie er in den Gasen und Lösungen vorliegt, gibt es alle Übergänge. Vom kolloidalen Zustand spricht man dann, wenn die Teilchen so klein sind, daß sie vom gewöhnlichen Mikroskop nicht mehr objektgetreu abgebildet werden Zur Unterscheidung der verschiedenen Zustände haben sich die Ausdrücke „molekulardispers", „kolloiddispers" und „grobdispers" eingebürgert, die ohne weiteres verständlich sind. Man kann als obere Grenze des kolloiddispersen Zustandes,

160

Kolloidchemische Grundbegriffe: Vorgänge an Grenzflächen

wie gesagt, etwa die Größenordnung der objektähnlichen Abbildung im Mikroskop nehmen (Wellenlänge des sichtbaren Lichts [3000—7000 A]). Kleinere Teilchen können bei günstigen optischen Eigenschaften (genügender Unterschied zwischen dem Brechungsexponenten des Teilchens und des Lösungsmittels) durch das Prinzip der Dunkelfeldbeleuchtung im Ultramikroskop noch sichtbar gemacht werden. Hier erscheint aber nur das vom Teilchen hervorgerufene Beugungsbild. Neuerdings gelingt es, mit Hilfe des Elektronenmikroskops wesentlich unter die Auflösungsgrenze des gewöhnlichen optischen Mikroskops herabzukommen. Im Elektronenmikroskop werden an Stelle der Lichtstrahlen Elektronenstrahlen und an Stelle der Glaslinsen magnetische oder elektrische Felder benutzt. Die Objekte werden nach den Gesetzen der geometrischen Optik auf einer photographischen Platte abgebildet. (Die Elektronenstrahlen können zwar wie die Lichtstrahlen Beugungserscheinungen zeigen, doch ist die maßgebende Wellenlänge hier sehr klein und das Auflösungsvermögen der heutigen Instrumente wird durch andere Faktoren begrenzt.) Das Elektronenmikroskop gestattet etwa 100 fach stärkere Vergrößerungen als das gewöhnliche optische Mikroskop. Es ist dadurch möglich, Teilchen bis zu wenigen mp herab noch in ihrer wahren geometrischen Gestalt zu erkennen und bei kolloidalen Systemen Einzelheiten der Struktur sichtbar zu machen, die vorher unbekannt waren oder nur indirekt erschlossen werden konnten. Auch zwischen molekulardispersen und kolloiddispersen Lösungen gibt es keine Grenzen. In dem Maße, wie das Molekulargewicht der Stoffe (die Teilchengröße) zunimmt, treten die Eigenschaften auf, die für den kolloidalen Zustand charakteristisch sind. Beim Durchgang eines Lichtstrahls durch eine kolloidale Lösung oder durch eine Suspension feiner Teilchen in Luft (Staub, Rauch, Nebel) wird das Licht an den suspendierten Teilchen seitlich abgebeugt, so daß die Bahn des Lichtstrahls in der Lösung sichtbar ist (Tyndall-Effekt). Die Intensität des abgebeugten Lichtes ist umso größer, je kürzer seine Wellenlänge ist. (Nach der von L o r d R a y l e i g h abgeleiteten Formel ist sie umgekehrt proportional der 4. Potenz der Wellenlänge.) Beim Durchgang von weißem licht werden daher vorwiegend die blauen und violetten Strahlen abgebeugt, und daher kommt es, daß trübe Medien (kolloidale Lösungen, Rauch, Nebel), gegen einen dunklen Hintergrund betrachtet, blau erscheinen, während sie in der Durchsicht rötliche Färbung zeigen (das Urphänomen der Goethesehen Farbenlehre). Der T y n d a l l - E f f e k t ist die Ursache der Himmelsbläue und der atmosphärischen Farberscheinungen (Morgen- und Abendrot usw.). 1. Sole und Gele In einem Gemisch, in welchem nebeneinander Stoffe von verschiedenem Aggregatzustand (fest, flüssig, gasförmig) vorkommen, unterscheidet man die einzelnen Zustände als Phasen, unabhängig von ihrer Verteilung und räumlichen Anordnung. So bildet in einem Gefäß, das schmelzenden Schnee enthält, die Gesamtheit der Eiskristalle die feste, das Schmelzwasser die flüssige und der Gasraum, der Wasserdampf und Luft enthält, die gasförmige Phase. Es ist klar, daß verschiedene feste oder flüssige Phasen nebeneinander vorhanden sein können, aber stets nur eine Gasphase, weil alle Gase miteinander in beliebigem Verhältnis mischbar sind. Gibt man z.B. in eine gesättigte Lösung von Kochsalz, die festes NaCl im Überschuß enthält, eine Handvoll Quarzsand, so erhält man ein System mit zwei verschiedenen festen Phasen, Kochsalz und Quarz. Eine Suspension von Olivenöl in Wasser besteht aus zwei verschiedenen flüssigen Phasen usw.

Sole und Gele

161

Kolloidale Lösungen sind immer mehrphasische Systeme. Sie enthalten mindestens zwei verschiedene Phasen, von denen sich die eine im Zustand feiner Verteilung befindet. Man nennt dieselbe die disperse Phase, die andere, in welcher die Teilchen suspendiert sind, das Dispersionsmittel. Für die Biologie sind die wichtigsten Systeme diejenigen, bei welchen das Dispersionsmittel eine wässerige Lösung, die disperse Phase dagegen ein fester oder flüssiger Körper ist. Im letzteren Falle spricht man gewöhnlich von Emulsionen (Beispiel: Fettkügelchen der Milch, des Chylus usw.). Das Dispersionsmittel kann aber auch ein Gas sein; in diesem Falle spricht man von „Aerosolen" („Nebel", wenn die disperse Phase flüssig, „Rauch", wenn sie fest ist). Aerosole werden therapeutisch verwendet, wenn es sich darum handelt, 'wirksame Stoffe, die nicht verdampft werden können, in die feinsten Verzweigungen der Bronchien zu bringen.

Flüssige kolloidale Systeme bezeichnet man allgemein als „Sole" (Einzahl „Sol"). Es gibt aber zahlreiche Systeme, die formbeständig sind und gewisse elastische Eigenschaften der festen Körper aufweisen, trotzdem däs Dispersionsmittel flüssig ist. Dabei kommen alle Übergänge vom dickflüssigen, gallertartigen bis zum festen Zustand vor. Derartige Systeme heißen „Gele" (Einzahl „Gel"). Die Gele sind für die Biologie sehr wichtig; man muß das Protoplasma der Zellen und viele Strukturen des tierischen und pflanzlichen Organismus als Gele auffassen. Die Gele brauchen keineswegs eine größere Menge fester Substanz zu enthalten als entsprechende Sole. Es gibt Beispiele für Gele mit außerordentlich kleinem Gehalt an disperser Phase. Gelatine kann schon bei einem Gehalt der Lösung von 1% Gallerten bilden, und beim Fibrinogen hat man Gerinnung sogar beim außerordentlich kleinen Gehalt von 4 mg pro Liter beobachtet.

Wie kommt die Gelbildung zustande? Im Sol sind die einzelnen Teilchen der dispersen Phase frei. Die Entstehung von formbeständigen Gallerten aus Lösungen, die nur wenige Prozent fester Substanz enthalten, kann nur dadurch erklärt werden, daß die Teilchen sich miteinander verbinden und ein räumlich ausgedehntes Netz oder Gerüst bilden. Das ist möglich, weil die gelatinierenden Kolloide in der Regel aus sehr langgestreckten ketten- oder fadenförmigen Molekülen aufgebaut sind. Wir finden derartige Moleküle bei den Kohlenhydraten (Ketten aus Zuckerresten aufgebaut): Cellulose, Stärke und verwandten Stoffen, den Mucopolysacchariden, den Nucleinsäuren und den Proteinen (Polypeptidketten). Hierher gehören auch der Kautschuk und zahlreiche in neuerer Zeit von der Industrie entwickelte hochpolymere Stoffe. Die Verflechtung der Fäden zur Netzstruktur des Gels kann durch verschiedene Kräfte erfolgen. Einmal können längs des Fadens in größeren Abständen chemische Gruppen verteilt sein, die sich mit bestimmten Gruppen eines anderen Fadens stabil verbinden können. Dadurch werden die beiden Fäden an einer bestimmten Stelle zusammengeknüpft. Die reagierenden Gruppen bilden einen „Haftpunkt". Es ist leicht ersichtlich, wie durch Wiederholung des Vorganges ausgedehnte Netze entstehen können (vgl. Abb. 28, A). Vielfach sind aber die Kettenmoleküle so gebaut, daß längs ihrer ganzen Ausdehnung sich Gruppen regelmäßig wiederholen, die entsprechende Teile benachbarter Ketten durch schwache Kräfte binden können (Beispiel: „Wasserstoffbindungen zwischen Polypeptidketten", vgl. das Kapitel Eiweißkörper). Derartige Ketten können sich parallel legen und auf größere oder kleinere Strecken zusammenhaften. Auch auf diese Weise können Netze gebildet werden (Abb. 28, B). Man darf sich natürlich derartige Bindungen nicht als starr vorstellen. Da die Kräfte, welche die einzelnen Ketten zusammenhalten, im Vergleich zu den gewöhnlichen Hauptvalenzkräften schwach sind, werden sie leicht gelöst. (Dadurch erklärt sich z. B. das

11 Leuthardt, Lehrbuch, 15. AufL

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Kolloidchemische Grundbegriffe: Vorgänge an Grenzflächen

Schmelzen der erstarrten Gelatine beim Erwärmen.) Da aber die Bindungsstellen sehr zahlreich sind, kommt es doch zu einer genügenden Festigkeit des Gelgerüstes. Der Aufbau vieler natürlicher Gele, wie z.B. der Membran der Pflanzenzellen, die aus einem Netzwerk miteinander verflochtener Fäden bestehen, wurde durch indirekte polarisationsoptische und physikalische Methoden erschlossen (FreyWyssling, K.H.Meyer). Diese Vorstellung ist durch das Elektronenmikroskop in vollem Umfang bestätigt worden. Die Aufnahmen lassen z. B. bei Cellulosemembranen das aus Fäden aufgebaute Gelgerüst mit allen Einzelheiten erkennen.

Abb. 28. Schema v o n Gelstrukturen. A = Gelgerüst, in welchem die Ketten durch „Haftpunkte" verknüpft sind (Frey-Wyssling); B = Gelgerüst, in welchem die Ketten durch streckenweise Assoziation zusammenhaften

Die Oberflächenentwicklung der kolloidalen Systeme. Man denke sich einen Würfel von 1 cm Seitenlänge. Sein Volumen ist 1 cm3, seine Oberfläche 6 cm2. Man teile nun durch Scharen paralleler Schnittebenen den Würfel in kleine Würfelchen von 1 mm Seitenlänge. Das Volumen bleibt natürlich gleich, die gesamte Oberfläche der entstandenen Würfelchen ist aber auf 1000 X 6 mm2 = 60 cm2 angestiegen. Teilt man weiter in Würfelchen von nur 0,1 mm Seitenlänge, so wächst die Oberfläche auf 600 cm2 an usw. Je feiner also die Aufteilung eines Stoffes ist, desto größer wird seine gesamte Oberfläche; dieselbe nimmt für Teilchengrößen, wie sie bei kolloidalen Systemen vorkommen, recht hohe Werte an. Wenn z. B. nur 1 cm3 eines Stoffes in Kügelchen von 0,1 ju Durchmesser zerteilt wird, so mißt deren gesamte Oberfläche 60 m2. Es ist daher verständlich, daß bei kolloidalen Systemen, Solen und Gelen, die Vorgänge in Erscheinung treten, die sich an der Grenzfläche zwischen zwei verschiedenen Phasen abspielen. Diese Vorgänge erlangen bei kolloidalen Systemen große Bedeutung, weil hier die Grenzfläche, an denen die Phasen zusammenstoßen, sehr ausgedehnt ist. Die Kolloidchemie schließt als eines ihrer wichtigsten Probleme die Untersuchung der Vorgänge ein, die an Phasengrenzen vor sich gehen. 2. Adsorption Sehr häufig tritt der Fall ein, daß Stoffe, die in der einen Phase gelöst sind, z.B. im Dispersionsmittel eines kolloidalen Systems, sich an der Grenzfläche zwischen den Phasen anreichern. Man nennt diesen Vorgang Adsorption. Praktisch ist besonders die Adsorption an der Oberfläche einer festen Phase von Bedeutung. Die

Adsorption

163

Adsorption ist meistens stark von der Temperatur abhängig. Die Menge des von einer bestimmten Oberfläche aus einer Lösimg aufgenommenen Stoffes hängt (außer von der Natur des Adsorptions- und Lösungsmittels) auch von seiner Konzentration ab. Trägt man in ein Koordinatensystem die bei einer bestimmten Temperatur adsorbierte Menge Stoff gegen die Konzentration auf, mit der sich der adsorbierte Stoff im Gleichgewicht befindet, so erhält man eine typische, gegen die Konzentrationsachse (Abszisse) konkave parabelartige Kurve, die sog. Adsorptionsisotherme. Ihr Verlauf zeigt, daß bei niederer Konzentration ein verhältnismäßig größerer Anteil des Stoffs adsorbiert wird als bei höherer Konzentration. Bei beständig steigender Konzentration wird schließlich nichts mehr adsorbiert; die Oberfläche ist „gesättigt".

Abb. 29. Freundlichsche A d s o r p t i o n s i s o t h e r m e . Adsorption von Bernsteinsäure aus wäßriger Lösung in Blutkohle (nach Freundlieh). Abszisse: Gleichgewichtskonzentration o in Mol pro Liter; Ordinate: adsorbierte Menge in Millimol pro g Kohle. Rechts ist die Isotherme in ein logarithmisches Koordinatensystem eingetragen. Man erkennt, daß die Meßpunkte auf einer Geraden liegen. Die Ordinate, die zum Wert log c = o (c = 1) der Abszisse gehört, ergibt log a, die Neigung der Kurve ergibt den Wert von 1/n. Auf diese Weise können die beiden Konstanten der F r e u n d l i c h sehen Gleichung graphisch bestimmt werden

Ist a die pro Gramm Adsorptionsmittel adsorbierte Stoffmenge und c die Gleichgewichtskonzentration, so gilt in vielen Fällen (für nicht zu hohe Konzentrationen) die einfache Beziehung: i a = a-c o ,

wo a und n Konstanten sind (sog. Freundlichsche Adsorptionsisotherme. Tx) gehörenden Reaktionsgeschwindigkeiten Vj und v2 die Beziehung log Vj/Vj ~ T2 — Tj, d.h.: Temperaturzunahme um einen bestimmten Betrag bewirkt Multiplikation der Reaktionsgeschwindigkeit mit einem bestimmten Faktor. Bekanntlich wird bei einer Zunahme der Temperatur von 10° die Geschwindigkeit der meisten chemischen Reaktionen auf das Zwei- bis Dreifache gesteigert.

3. Chemische Natur der Fermente E s ist in neuerer Zeit gelungen, eine große Zahl von Fermenten in reinem Zustand darzustellen. Erst damit ist die Möglichkeit zur genaueren Erforschung ihrer Eigenschaften gegeben. Das erste Beispiel eines reinen, kristallisierten Ferments war die Urease ( S u m n e r 1926, S. 190). E s folgte die Reindarstellung verschiedener Verdauungsfermente, und schließlich wurde auch eine ganze Reihe der Enzyme, welche an Oxydationsvorgängen oder an der Gärung teilnehmen, in kristallisiertem Zustand erhalten. Alle diese Stoffe sind Proteine. Die Zahl der heute bekannten reinen Fermente ist so groß, daß man dieses Resultat verallgemeinern und annehmen kann, daß überhaupt alle Fermente proteinartiger Natur sind. Man weiß schon lange, daß die Fermente Kolloide sind. Sie diffundieren nicht durch Pergament- oder Kollodiummembranen und zeigen überhaupt viele Eigenschaften, die für den kolloidalen Zustand charakteristisch sind. Hauptsächlich von 12*

180

Die Fermente

R. W i l l s t ä t t e r wurde die Vorstellung entwickelt, daß die Fermente Komplexe aus einem kolloidalen „Träger" und einer reaktionsfähigen „Wirkungsgruppe" besteht. Diese Anschauung hat sich aber nicht bewährt. Wesentlich für die Fermentwirkung ist immer die Natur des Proteins. Es gibt allerdings viele Enzyme, welche eine an der Fermentreaktion beteiligte prostetische Gruppe besitzen, die mit dem Fermentprotein mehr oder weniger fest verbunden ist und als Coferment oder Coenzym bezeichnet wird. Es kann sich z. B. um ein Nucleotid oder ein Hämin handeln. Das Protein für sich allein wird als Apoenzym, seine Verbindung mit dem Coenzym als H o l o e n z y m bezeichnet (v. Euler). Wir werden später sehen, daß bei jeder Fermentreaktion das Substrat an das Fermentprotein gebunden wird. Man kann daher das Coenzym sehr wohl auch als ein zweites Substrat, und die Fermentreaktion dementsprechend als eine durch das Protein katalysierte Reaktion zwischen zwei Substraten auffassen. Die Berechtigung dieser Betrachtungsweise ist besonders in denjenigen Fällen offensichtlich, in denen das Coenzym nicht fest an das Protein gebunden ist, sondern mit ihm in reversiblem Gleichgewicht steht. Die Besonderheit des Coferments, wenn es als Partner einer Reaktion zwischen zwei Substraten aufgefaßt wird hegt darin, daß es in einer anschließenden Reaktion immer wieder zurückreagieren muß, denn nur auf diese Weise kann es als Komponente eines katalytischen Systems wirken.

Als eigentliche Wirkungsgruppe der Enzyme, die kein fest in der Proteinstruktur verankertes Coenzym besitzen, muß ein bestimmter Bezirk des Fermentproteins betrachtet werden, an welchen das Substrat, und eventuell das dissoziable Coenzym, gebunden und zur Reaktion gebracht wird. Die Spezifität der Fermentreaktion, d. h. die Fähigkeit des Enzyms mit einem bestimmten Substrat in bestimmter Weise zu reagieren ist durch die Natur des Fermentproteins festgelegt. Ein und dasselbe Coferment kann je nach der Spezifität des Proteins mit dem es verbunden ist, mit verschiedenen Substraten reagieren. Wir werden später dafür Beispiele kennenlernen. Wir kennen eine Reihe von Fermenten, welche Metallverbindungen (Metallproteide) sind. Es gibt solche, die Eisen, Mangan, Kupfer, Zink, Molybdän und noch andere Metalle enthalten. In vielen Fällen ist das Metall Bestandteil einer besonderen Wirkungsgruppe, so z. B. in den eisenhaltigen Atmungsfermenten, in denen es als komplexe Porphyrinverbindung (sog. Häm) vorliegt (vgl. S. 227 u. ff.). Bei vielen Fermenten ist aber das Metall auch direkt in die Eiweißstruktur eingebaut1). Es kann in diesem Fall direkt an der Fermentreaktion, z. B. an der Bindung des Substrats beteiligt sein, oder auch, als Komplexbildner, bei der Stabilisierung der spezifischen Konstellation des Fermentproteins eine Rolle spielen. A. Allgemeine Eigenschaften der Fermente

Das physikalische und chemische Verhalten der Fermente erklärt sich aus ihrer Eiweißnatur. Sie diffundieren nicht durch Membranen und können daher von niedrigmolekularen Stoffen durch Dialyse getrennt werden. Sie werden durch hohe Konzentrationen von Neutralsalzen ausgefällt (Aussalzung), eine Eigenschaft, von der man bei der Reinigung häufig Gebrauch macht. Sie werden durch alle Agenzien inaktiviert, welche Proteine denaturieren; daher rührt ihre geringe Stabilität. Erhitzen auf Temperaturen über 60°, längerer Kontakt mit organischen Lösungsmitteln, Zusatz von Schwermetallen usw. können die Denaturierung des Fermentproteins bewirken und damit das Ferment unwirksam machen. 1 ) Aufzählung der heute bekannten Metallenzyme vgl. Vallee, Adv. Prot. Chem. 10, 317 (1955).

Allgemeine Eigenschaften der Fermente

181

Alle chemischen Reagenzien, welche das Protein oder das Coferment angreifen, zerstören in der Regel auch die Aktivität. Von besonderem Interesse sind die Stoffe, welche mit den SHGruppen reagieren. Wir kennen eine Reihe von Enzymen, deren Aktivität von der Gegenwart freier SH-Gruppen abhängig ist. Diese Fermente werden daher inaktiviert, wenn man die SHGruppen oxydiert oder durch Substitution oder Komplexbildung blockiert. Diese Reaktionen sind teilweise reversibel, und es gelingt, durch geeignete Reagenzien die Fermente wieder zu reaktivieren; z.B. werden Urease und Amylase durch sehr verdünnte Jodlösung inaktiviert; Behandlung mit H 2 S oder Cystein führt die Fermente in den aktiven Zustand zurück. Vieles spricht dafür, daß die SH-Gruppen an der Ferment-Substrat-Bindung beteiligt sind.

A b h ä n g i g k e i t der F e r m e n t w i r k u n g v o n der T e m p e r a t u r u n d v o m Milieu. Wie bei jeder chemischen Reaktion nimmt auch bei Fermentreaktionen die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur zu. Beim Gefrierpunkt des Wassers ist sie in der Regel sehr gering. Bei Temperaturen über 40—50° setzt aber die Denaturierung des Fermentproteins ein, so daß die Aktivität rasch absinkt und völlig vernichtet wird. Es gibt daher für die Fermentwirkungen eine optimale Temperatur, die von Ferment zu Ferment etwas verschieden sein kann, meist aber zwischen 40—50° erreicht wird. Von größter Bedeutimg für die Fermentwirkungen ist die W a s s e r s t o f f i o n e n k o n z e n t r a t i o n . Erst durch die Einführung des pH-Begriffs ist eine exakte Fermentchemie möglich geworden. Es ist vor allem das Verdienst von S. P. L. S ö r e n s e n , die Methoden für die Bestimmung des pH (die Bezeichnung stammt von ihm) geschaffen und seine Bedeutung für die Fermentchemie aufgedeckt zu haben1). Die Wasserstoffionenkonzentration beeinflußt die Wirkung der Fermente in entscheidender Weise. So wirkt z. B. das Pepsin des Magens nur bei saurer Reaktion, während das Trypsin wieder nur bei annähernd neutraler Reaktion Eiweiß spaltet. Untersucht man die Wirkung irgendeines Ferments in Lösungen von verschiedenen pH-Werten, so ergibt sich für einen bestimmten pH-Wert oder -Bereich eine maximale Wirksamkeit. Dies ist das p H - O p t i m u m . Man findet z. B. für Pepsin die optimale Wirkung bei pH 1,5—1,6, für Trypsin bei 7,8—8,7, für Urease bei 7,0, für Arginase bei 9,0—9,5, für Saccharase bei 4—5, für Katalase bei 6,5—7 usw. Trägt man die Aktivität eines Ferments gegen die pH-Werte in ein Koordinatensystem ein, so erhält man die p H - A k t i v i t ä t s k u r v e des betreffenden Ferments (s. Abb. 36). Es hat sich gezeigt, daß in unreinen Fermentlösungen, wie sie in den natürlichen Sekreten oder Organextrakten immer vorliegen, die Begleitkörper, mit denen das Ferment mehr oder weniger assoziiert ist, einen Einfluß auf das pH-Optimum besitzen. So kommt im Magen ein fettspaltendes Ferment, eine L i p a s e , vor, welche bei pH 4—5 optimal wirkt; andererseits findet sich im Pankreas eine Lipase vom Optimum pH 8. Wird die Magenlipase aber von den Begleitkörpern getrennt, so ändert sich auch das Optimum, und man erhält schließlich eine Fermentlösung, welche in ihrer Wirkimg identisch mit der Pankreaslipase ist. Die Abhängigkeit der Fermentwirkung vom pH-Wert des Milieus steht mit der Dissoziation der sauren oder basischen Gruppen im Fermentprotein in Zusammenhang. Es handelt sich hier um ein schwieriges Problem, auf das wir nicht näher eintreten können. Der Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration kann sich sowohl auf Bindung des Substrats an das Ferment als auch auf die Zerfallsgeschwindigkeit des Ferment-Substrat-Komplexes geltend machen. Eine neuere Theorie der pH-Abhängigkeit der Fermentaktivität ist von K i r k w o o d aufgestellt worden. Sie geht von der Tatsache aus, daß in der Regel die Zahl der an ein Eiweiß!) S ö r e n s e n , Ergebn. Physiol. 12, 393 (1912).

Die Fermente

182 100

ao

60

40

20

8

pH

Abb. 36. Änderung der F e r m e n t a k t i v i t ä t mit dem p H - W e r t für Invertin (Saccharose) und Katalase nach Sörensen! 1 ). Es handelt sich um die ersten exakten Bestimmungen von pH-Aktivitätskurven molekül addierten Protonen kleiner ist als die Gesamtzahl der basischen Gruppen. Es sind daher verschiedene Verteilungen der Ladung an der Moleküloberfläche möglich und damit Fluktuationen der Ladung, welche zusätzliche, pH-abhängige Kräfte zwischen Enzym und Substrat hervorrufen. Aus ihnen läßt sich eine pH-Abhängigkeit der Fermentreaktion herleiten2).

Wir kennen eine Reihe von Fermenten, deren Aktivität in spezifischer Weise von bestimmten Ionen abhängig ist. Es sind insbesondere die zweiwertigen Metalle Mg++, Ca++, Mn++ und andere, welche als Aktivatoren eine Rolle spielen. Sie bilden wahrscheinlich mit den Fermentproteinen definierte Komplexe (Metallproteide). Wir werden später verschiedene Beispiele kennenlernen. In einzelnen Fällen wirken auch Anionen aktivierend, so z. B. die Halogenionen bei der Amylase. Außerdem lassen sich vielfach unspezifische oder jedenfalls nicht genauer definierbare Einflüsse des Salzmilieus auf die Fermentwirkung feststellen. Auch alle möglichen organischen Stoffe vermögen die Aktivität von Fermenten zu verändern, teils im Sinne einer Förderung, teils im Sinne einer Hemmung. Auf einen sehr wichtigen Fall, nämlich die Hemmung des Enzyms durch Stoffe, die eine ähnliche chemische Struktur haben wie das Substrat, werden wir weiter unten zu sprechen kommen. B. Reindantellniig der Fermente

In den Organen oder Sekreten kommen die Fermente immer in Begleitung einer großen Zahl inaktiver Stoffe vor. Oft sind sie im Vergleich zum übrigen Material nur in kleiner Menge vorhanden. Es stellt sich daher die Aufgabe, sie von diesen ) Sörensen, Biochem. Zschr. 21, 201 (1909). ) K i r k w o o d u. S h u m a k e r , Proc. Nat. Acad. Sei., USA., 38, 863 (1952); K i r k w o o d . i n : The physical chemistry of enzymes (Discussions of the Faraday Soc., Nr. 20, 1955), S. 78. Aberdeen 1956. Ältere Theorien vgl. z. B. F r i e d e n w a l d u. M a e n g w y n - D a v i e s , in: Mechanism of enzyme action (ed. M c E l r o y u. Glass), S. 191. Baltimore 1954. l

s

Reindarstelhmg der Fermente

183

Stoffen abzutrennen, sie anzureichern und womöglich im Reinzustand darzustellen. Man kann zwar auch an ungereinigten oder wenig gereinigten Lösungen wichtige Beobachtungen anstellen. Die endgültige Lösung der verschiedenen fermentchemischen Probleme kann aber nur am reinen Ferment erfolgen. Die Darstellung des letzteren ist das Ziel der präparativen Chemie der Fermente. Da die Fermente Proteine sind, können dazu alle Methoden verwendet werden, die zur Isolierung und Reinigung der Eiweißstoffe dienen. Die Fermente können den Geweben und Organen durch Extraktion mit Wasser, Pufferlösungen, Glycerin usw. entzogen werden. In einzelnen Fällen ist es nützlich, die Gewebe zuerst durch Zusatz von Aceton rasch zu entwässern, weil dadurch die Enzyme vor Zerstörung geschützt werden. Alle Extraktionsmethoden führen aber nur zu sehr unreinen und namentlich in bezug auf die enzymatische Wirkung nicht einheitlichen Präparaten. Das Verdienst, das erste Ferment, nämlich die Urease, im kristallisierten Zustand dargestellt und seine Eiweißnatur bewiesen zu haben, gebührt, wie bereits erwähnt, J. B. Sumner. Als einer der ersten hat R. Willstätter und seine Schule die Abtrennung und Reinigung der Fermente systematisch in Angriff genommen. Er arbeitete hauptsächlich mit einigen gut zugänglichen hydrolytischen Fermenten der Hefe und der Verdauungssekrete. Als wichtigste Methode wurde die Adsorption an Tonerde, Kaolin und andere Adsorptionsmittel verwendet. Durch Kombination von Adsorption und Elution ist es derart oft möglich, entweder Begleitkörper zu entfernen oder einzelne Fermente aus der Lösung herauszuholen und wieder in Lösung zu bringen. Es ist auf diesem Wege gelungen, den Wirkungswert verschiedener Fermentlösungen um das Mehrtausendfache zu steigern. Zur Reindarstellung eines Ferments haben diese ersten Arbeiten aber nicht geführt. Adsorptionsmethoden werden aber neuerdings in Form der Säulenchromatographie wieder angewandt. Als Adsorptionsmittel haben sich gewisse Cellulosederivate (Diäthyl-aminoäthyl-cellulose, Aminoäthylcellulose) bewährt1). Die Kristallisation eines Ferments kann nur in sehr seltenen Fällen direkt aus seiner natürlichen Lösung erfolgen. Fast immer muß es weitgehend von Begleitstoffen befreit sein und in genügend hoher Konzentration vorliegen, damit es Tendenz zur Kristallisation zeigt. Die Vorreinigung kann durch Adsorption, durch fraktionierte Fällung mit Salzen oder organischen Lösungsmitteln, Alkohol, Aceton, Dioxan, bei niedriger Temperatur erfolgen. Eine wichtige Methode ist die fraktionierte Fällung durch Ammoniumsulfat. Die endgültige Ausscheidung im kristallisierten Zustand erfolgt durch Zusätze, welche die Löslichkeit verringern: Salze, Alkohol, Aceton, vorzugsweise im isoelektrischen Punkt. Die modernen Methoden der Reindarstellung von Fermenten sind hauptsächlich von Sumner, Northrop, Warburg u. a. entwickelt worden. Die Kristallisation verschiedener Verdauungsfermente ist erstmals Northrop gelungen; Warburg hat mehrere Gärungsenzyme im kristallisierten Zustand dargestellt. Für die Feststellung des Reinheitsgrades und der Einheitlichkeit von Fermentpräparaten sind die modernen physikalisch-chemischen Methoden der Eiweißchemie — Elektrophorese, ültrazentrifugation und andere — von großer Bedeutung. !) Vgl. Semenza, Chimia 14, 325 (1960).

Die Fermente

184

4. Verbindung von Ferment und Substrat

Wir haben in der Einleitung zu diesem Kapitel darauf hingewiesen, daß sich bei allen fermentativen Reaktionen das Ferment mit dem Substrat zu einem Komplex verbindet. Erst im Ferment-Substrat-Komplex wird das Substrat reaktionsfähig. Im einfachsten Fall zerfällt der Komplex wieder in Ferment und Reaktionsprodukt, worauf der Vorgang von neuem beginnt. Fermentreaktionen sind cyklische Reaktionen, wie im folgenden Schema dargestellt ist: Substrat

Enzym-Subsfrat-Komplex

Enzym

Reaktionsprodukt

Nach dem MassenWirkungsgesetz besteht im einfachsten Fall zwischen den Konzentrationen des Ferments, des Substrats und ihrer Verbindung die folgende Beziehung : (Ferment) (Substrat) = k = konst. (Komplex)

Da nun das Substrat einzig im Komplex in reaktionsfähiger Form vorliegt, wird die Reaktionsgeschwindigkeit der Konzentration des Komplexes proportional sein. Wird bei konstanter Fermentkonzentration die Substratkonzentration gesteigert, so muß die Konzentration des Komplexes ansteigen, bis schließlich alles vorhandene Ferment an das Substrat gebunden ist (bis das Ferment mit dem Substrat „gesättigt" ist). Die Reaktionsgeschwindigkeit strebt dabei asymptotisch ihrem maximalen Wert zu. Diese Tatsache ist wichtig, wenn man Fermentkonzentrationen durch Messung der Aktivität vergleichen will. Die Substratkonzentration muß immer so hoch gewählt werden, daß das Ferment gesättigt ist. Man kann durch Messung der Fermentaktivität bei verschiedenen Substratkonzentrationen ein Maß für die Affinität zwischen Ferment und Substrat gewinnen. Es ist leicht einzusehen, daß die zur Erreichung der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit nötige Konzentration des Substrats sich nicht genau angeben läßt, weil ja die Annäherung an den Maximalwert asymptotisch Maximale Reaktionsgeschwindigkeit ferment, mit dem Substrat gesättigt leaktionsgeschwindigkeit {proportional der Konzentration der Ferment-SubstratVerbindung )

Vz maximale

Reaktionsgeschwindigkeit

Ferment, zur Hälfte mit dem Substrat gesättigt

f\

/1 /1 1 — ' * /

togk

log.

Substratkonzentration

Abb. 37. Definition der Michaelis-Konstanten. In der obigen Darstellung ist als Abszisse der Logarithmus der Substratkonzentration, als Ordinate die Reaktionsgeschwindigkeit aufgetragen. Die Kurve zeigt den Anstieg der Reaktionsgeschwindigkeit mit wachsender Substratkonzentration. Die zur halben Maximalgeschwindigkeit (Wendepunkt der Kurve) gehörende Abszisse ist = logk = log der Michaelis-Konstanten

Verbindung von Ferment und Substrat

185

Abb. 38. G r a p h i s c h e B e s t i m m u n g der Michaelis-Konstanten nach L i n e w e a v e r u n d B u r k 1 ) . Erklärung siehe Text 11 k

(S)~~

erfolgt. Dagegen läßt sich experimentell die Substratkonzentration leicht feststellen, die einen bestimmten Bruchteil, z.B. die halbe Maximalgeschwindigkeit, ergibt. Bei dieser Konzentration liegt die Hälfte des Ferments in Form des Ferment-Substrat-Komplexes vor. J e größer die Affinität von Ferment und Substrat ist, desto kleiner ist die Substratkonzentration, die zur Erreichung der „Halbsättigung" des Ferments nötig ist. Diese Konzentration kann daher als Maß für die Affinität des Ferments zum Substrat dienen. Es wird dabei vorausgesetzt, daß die Reaktionsgeschwindigkeit proportional der Konzentration der Ferment-Substrat-Verbindung ist. Wird die Fermentkonzentration konstant gehalten und die Konzentration des Substrats gesteigert, so ist schließlich alles Ferment mit dem Substrat verbunden (das Ferment ist mit dem Substrat gesättigt) und die Reaktionsgeschwindigkeit erreicht ihren maximalen Wert. Man kann leicht ableiten (vgl. Ableitung der H e n d e r s o n - H a s s e l b a l c h s c h e n Gleichung S. 137), daß die Substratkonzentration, für welche die halbe maximale Reaktionsgeschwindigkeit erreicht wird (50% des Ferments mit dem Substrat verbunden), gleich der Dissoziationskonstanten des Ferment-SubstratKomplexes ist (F = Ferment, S = Substrat, FS = Ferment-Substrat-Komplex): ,. (g) • (S) fe -~(Fsrk heißt „ M i c h a e l i s - K o n s t a n t e " , weil der Zusammenhang zwischen der Reaktionsgeschwindigkeit und dem Ferment-Substrat-Gleichgewicht zuerst in einer Arbeit von M i c h a e l i s und M e n t e n (1913) am Beispiel der Rohrzuckerspaltung durch Invertin klargelegt worden ist 2 ). Die kurvenmäßige Darstellung wird besonders übersichtlich, wenn man die Konzentration des Substrats logarithmisch darstellt (ähnlich dem pH-Wert der Wasserstoffionenkonzentration). Es ergibt sich die gleiche S-förmige Kurve wie für die Dissoziation einer schwachen Säure in Abhängigkeit vom pH (vgl. Abb. 37). Eine für die graphische Auswertung besonders geeignete Form der obigen Gleichung erhält man nach L i n e w e a v e r und B u r k auf folgende Weise 1 ): Wenn Ft die totale Konzentration des Ferments bedeutet, so ist (Ft) = (F) + (FS). Durch Einsetzen und Umformen findet man: + j l (FS) (S) ' Wir haben angenommen, daß die Reaktionsgeschwindigkeit v der Konzentration des FermentSubstrat-Komplexes (FS) proportional ist; wenn wir daher die maximale Reaktionsgeschwindigkeit mit Vmax. bezeichnen, so können wir das Verhältnis (FS)/(Ft) gleich v/vmax. setzen und wir erhalten: Vmax. V

Wenn wir nun 1/v und 1/(S) als Variable wählen, so ist die Gleichung in diesen Größen linear. Sie ist in Abb. 38 dargestellt. Der Schnittpunkt der Geraden mit der Abszissenachse gibt - 1 / k , also den negativen reziproken Wert der Michaelis-Konstanten; der Schnittpunkt mit der Ordinatenachse gibt 1/vmax., d. h. die reziproke maximale Geschwindigkeit der Fermentreaktion. *) L i n e w e a v e r u. B u r k , J . Am. ehem. Soc. 66, 658 (1934). s ) M i c h a e l i s u. M e n t e n , Biochem. Zschr. 49, 333 (1913).

186

Die Fermente

Es gibt Fermente, die eine Reihe ähnlich gebauter Verbindungen anzugreifen vermögen. So hydrolysieren z.B. die Lipasen nicht nur Fette, sondern auch eine große Zahl anderer Ester. Aber die einzelnen Substrate werden meist mit verschiedener Geschwindigkeit gespalten. Dies kann darauf beruhen, daß die verschiedenen FermentSubstrat-Komplexe mit ungleicher Geschwindigkeit weiterreagieren. Ein zweiter wichtiger Faktor ist aber stets auch die Affinität des Ferments zum Substrat, die je nach der Konstitution des letzteren sehr verschieden sein kann. Hier liefern z. B. die beiden Antipoden stereoisomerer Verbindungen gute Beispiele. Durch die Lipase aus Schweineleber wird sowohl der linksdrehende als auch der rechtsdrehende Äthylester der Mandelsäure gespalten. Läßt man das Ferment auf das racemische Giemisch einwirken, so wird zuerst die ( + )-Säure freigelegt; unterwirft man aber die beiden Komponenten einzeln der Spaltung, so zeigt es sich, daß die (—)-Säure rascher abgespalten wird. Die genauere Untersuchung löste den Widerspruch in folgender Weise: Das Ferment hat (gemessen an der Dissoziationskonstanten des Ferment-Substrat-Komplexes) eine siebenmal größere Affinität zum (+)-Ester als zum (—)-Ester, aber der Fermentkomplex des (—)-Esters zerfallt etwa zweimal schneller als der Fermentkomplex des (-f)-Esters. Einzeln untersucht wird der erstere daher rascher gespalten. Aber im Gemisch wird er durch den ( + )-Ester größtenteils vom Ferment verdrängt, so daß trotz der größeren Zerfallsgeschwindigkeit seines Fermentkomplexes mehr ( + )-Ester hydrolysiert wird. Dieses Beispiel zeigt in klarer Weise den Einfluß der beiden Faktoren auf die Reaktionsgeschwindigkeit ( W i l l s t ä t t e r , K u h n ) 1 ) .

Man kann also ganz allgemein sagen, daß die Geschwindigkeit einer Fermentreaktion im wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt wird, 1. durch die Affinität des Ferments zum Substrat und 2. durch die Zerfallsgeschwindigkeit des FermentSubstr at-Komplexes. Vom Standpunkt der Reaktionskinetik aus betrachtet ist daher jede einseitig verlaufende Fermentreaktion durch drei Geschwindigkeitskonstanten bestimmt: Bildung und Dissoziation des Enzym-Substrat-Komplexes (kj und k2) und Zerfall des Enzym-Substrat-Komplexes in Reaktionsprodukt und Enzym (k' 3 ): E + S , k ' - ES — k,

*

E + R.

(Wir nehmen der Einfachheit halber an, daß nur ein Reaktionsprodukt R gebildet wird.) Wie aus den früheren Ausführungen hervorgeht (S. 179), ist der Quotient kj/kj gleich der Dissoziationskonstanten des Enzym-Substrat-Komplexes, d.h. der Michaelis-Konstanten des Enzyms. Der Zerfall des Enzym-Substrat-Komplexes in Reaktionsprodukt und Enzym verläuft in Wirklichkeit in zwei Stufen: Zuerst wird der Enzym-Substrat-Komplex in den Enzym-Reaktionsprodukt-Komplex umgewandelt (Konstante k s ). Diese Transformation ist der wesentliche Schritt der ganzen Reaktion. Sie stellt die eigentliche enzymatische Umwandlung des Substrats dar, welche durch seine Bindung an das Enzym ermöglicht wird. Anschließend zerfällt der letztgenannte Komplex (Konstante k 3 ): ES

ER

k

'

»E + R.

Ist die Reaktion umkehrbar, so ergibt sich mit den Geschwindigkeitskonstanten der beiden Rückreaktionen k 4 und k, die folgende Darstellung des Gesamtvorganges: E + S , k ' - ES , k|

k

' - ER , k,

k

' > E + R. k4

Derselbe ist in bezug auf das Substrat S und das Reaktionsprodukt R völlig symmetrisch. Es ist ja klar, daß man beim reversiblen Vorgang sowohl S als auch R als Substrat des Enzyms betrachten kann 2 ). !) W i l l s t ä t t e r u. Mitarb., Ber. 61, 886 (1928). ) Für eingehendere rechnerische Behandlung vgl. z. B. H a i d a n e : Enzymes, S. 74. London. New York, Toronto 1930. 2

Verbindung von Ferment und Substrat

187

Die Geschwindigkeit einer Fermentreaktion wird am besten durch die sog. Wechselzahl angegeben. Darunter versteht man die Zahl der Substratmoleküle, die pro Minute durch 1 Permentmolekül umgesetzt werden. Für die sehr wirksame Katalase beträgt die Wechselzahl z.B. 5000000. Fermente mittlerer Aktivität zeigen gewöhnlich Wechselzahlen von der Größenordnung einiger Tausend.

Hemmstoffe. Wir kennen zahlreiche Stoffe, welche die Aktivität aller oder einzelner Fermente hemmen. Die Fermente werden durch alle Stoffe dauernd inaktiviert, die das Fermentprotein denaturieren oder chemisch tiefgreifend verändern. Dazu gehören die Eiweißfällungsmittel, die starken Säuren und Basen u. a. m. Viel größeres Interesse bieten aber solche Reagenzien, welche mit dem Fermentprotein reagieren, ohne dasselbe zu denaturieren. Handelt es sich um eine Gleichgewichtsreaktion, so ist die Hemmung r e v e r s i b e l , d.h. das Ferment gewinnt nach Entfernung des Hemmstoffes seine Aktivität wieder zurück. Wir müssen annehmen, daß die Bindung des Substrats und des Coferments an das Fermentprotein durch ganz bestimmte Gruppen des Proteins erfolgt (sog. „Aktivitätszentren" oder „essentielle Gruppen"); Natur und Anordnung dieser Gruppen bestimmen die Spezifität des Ferments. Daneben können aber auch noch andere Gruppen, die nicht direkt an der Bindung des Substrats beteiligt sind, für die Aktivität des Ferments von Bedeutung sein. Alle Reagenzien, die solche Gruppen verändern oder blockieren, hemmen die Fermentaktivität. Die Verwendung gruppenspezifischer Reagenzien erlaubt daher, Schlüsse auf die Natur der funktionellen Gruppen zu ziehen, von denen die Fermentwirkung abhängig ist. Als wichtiges Beispiel seien die früher schon erwähnten SH-Gruppen genannt. Sie können z. B. durch milde Oxydationsmittel wie Ferricyanid oder oxydiertes Glutathion usw. oxydiert werden oder mit Monojodessigsäure, Maleinsäure, Quecksilber-, Arsenverbindungen und anderen Stoffen in Verbindungen eingehen. Mit Hilfe dieser Reagenzien hat man festgestellt, daß die Aktivität einer ganzen Reihe von Fermenten von den Sulfhydrylgruppen abhängt (sog. „SHFermente"). Dazu gehören verschiedene Dehydrasen, Esterasen, die Hexokinase u. a. m. Bei gewissen Dehydrasen ist wahrscheinlich eine SH-Gruppe des Fermentproteins an der Bindung des Substrats beteiligt.

K o m p e t i t i v e Hemmung. Ein wichtiger Fall der reversiblen Hemmung ist die sog. k o m p e t i t i v e oder konkurrierende Hemmung, auch Verdrängungshemmung genannt. Wir haben weiter oben bereits auf die Tatsache hingewiesen, daß die Fermente vielfach auch Stoffe binden können, die eine dem Substrat ähnliche Konstitution besitzen, ohne daß eine Reaktion eintritt. Diese Stoffe besitzen eine genügende Affinität zum Ferment, daß sie an Stelle des Substrats sich mit dem Ferment verbinden können; aber ihre chemische Struktur erfüllt doch nicht die Bedingungen, die zum Eintritt der Fermentreaktion nötig sind. Ein solcher Stoff wird sich wie das Substrat mit dem Ferment ins Gleichgewicht setzen, und man erkennt leicht, daß in seiner Gegenwart die Konzentration des aktiven Ferment-Substrat-Komplexes, d. h. die Reaktionsgeschwindigkeit, vermindert ist. Der Stoff konkurriert mit dem Substrat um die Bindungsstelle am Fermentmolekül; er vermag dank seiner Affinität zum Ferment das Substrat aus seiner Verbindung mit dem Ferment zu verdrängen. Man kann aus der Reaktionsgeschwindigkeit bei variierter Konzentration des Substrats und des Hemmstoffs die Michaeliskonstante des Hemmstoff-Fermentkomplexes berechnen. Es sind eine große Zahl von Beispielen für kompetitive Hemmung bekannt. Eines der bekanntesten ist die Hemmung der Bernsteinsäuredehydrase durch Malonsäure (vgl. S. 262). Es sind zahlreiche Beispiele dafür bekannt, daß ein Produkt der Fermentreaktion selbst als kompetitiver Hemmstoff wirkt.

Die Fermente

188

Saccharose wird durch das Ferment Saccharose (Invertin) in Glucose und Fructose gespalten. Zusatz von Glucose oder Fructose verlangsamt die Hydrolyse. Das Invertin bindet nämlich nicht nur Saccharose, sondern auch die Hydrolyseprodukte Glucose und Fructose.

Die S p e z i f i t ä t der Fermente. Wie oben bereits erwähnt wurde müssen wir annehmen, daß ein bestimmter Bezirk des Fermentmoleküls für seine katalytische Wirkimg verantwortlich ist („aktiver Bezirk"). Derselbe bindet auf Grund einer bestimmten Geometrie der Oberfläche und Anordnung der Atomgruppen das Substrat in der Weise, daß es mit den für den Eintritt der Reaktion verantwortlichen Gruppen reagieren kann. Es ist klar, daß unter diesen Bedingungen nur Verbindungen ganz bestimmter Konstitution mit einem vorgegebenen Ferment reagieren können. Veränderungen des Fermentmoleküls außerhalb der Wirkungsgruppe haben in der Regel keinen oder nur einen geringen Einfluß auf seine Aktivität; daher brauchen auch Enzyme gleicher Spezifität aber verschiedenen Ursprungs nicht notwendigerweise identisch zu sein. Hier sind die sog. I s o e n z y m e zu erwähnen. Dies sind Fermente gleicher Spezifität, die nebeneinander, z. B. im Blutplasma auftreten, sich aber durch ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften wie die elektrophoretische Wanderangsgeschwindigkeit unterscheiden (Beispiel: Milchsäuredehydrogenase). Die Struktur des aktiven Bezirks ist noch bei keinem Fermentprotein mit Sicherheit bekanntImmerhin hat man in einzelnen Fällen eine gewisse Einsicht in die Natur der beteiligten Gruppen gewinnen können, so bei Esterasen und bestimmten als Esterasen wirksamen Proteinasen. Dies war möglich durch das Studium von Modellreaktionen, von Hemmstoffen und durch die Identifizierung einzelner an der Reaktion beteiligter Aminosäurereste des Proteins. Wir können aber hier auf diese interessanten Fragen nicht näher eingehen1).

In der Regel ist ein Ferment auf eine bestimmte Gruppe des Substrats eingestellt (z. B. eine Esterbindung oder Peptidbindung), so daß es verschiedene Substrate angreifen kann. In vielen Fällen aber genügt nur ein Substrat den Bedingungen, welche für die Bindung an das Fermentprotein und den Eintritt der Reaktion nötig sind. Konfigurationsänderung eines asymmetrischen Kohlenstoffatoms, Übergang zu einer homologen Verbindung, Substitution einer Gruppe genügt oft, um das Substrat unangreifbar zu machen. Wir haben schon früher darauf hingewiesen, daß die Spezifität der Fermentwirkungen im wesentlichen durch den Bau der Fermentproteine bedingt ist. Die Natur hat die Möglichkeiten, die in der großen Variationsfähigkeit der Eiweißmoleküle liegen, zur Schaffung dieser hochspezifischen Katalysatoren benutzt, ohne die die chemische Organisation der Zelle und die Lebensvorgänge überhaupt undenkbar wären. 6. Einteilung der Fermente Es existiert keine ganz befriedigende Systematik der Fermente. Einzig die hydrolysierenden Fermente lassen sich nach Art der hydrolysierten Verbindungen eindeutig ordnen. Die folgende Einteilung (in Anlehnung an Baldwin u. a.) erlaubt es, wenigstens die wichtigsten Fermente einzuordnen, wenn auch für verschiedene die Einreihimg nicht ganz ohne Willkür geschehen kann. Ein interessanter Vorschlag für eine rationelle Systematik und Benennung der Fermente ist kürzlich von H o f f m a n n - O s t e n h o f publiziert worden2). I. H y d r o l a s e n : hydrolytische Spaltung der Substrate. Allgemeine Reaktion: AB + H¡,0 , 1

' A • OH + HB.

) Vgl. W a l e y , Mechanisms of organic and enzymic reactions, Oxford 1962. S. 229ff. 2 ) Adv. Enzymol. 14, 219 (1953).

Einteilung der Fermente

189

1. C—N-Bindungen lösend: a) D e s a m i n a s e n : Urease, Arginase, Histidase, Asparaginase, Hippuricase, Purindesaminasen (vgl. S. 476) u. a. m. b) P r o t e a s e n : Proteinasen, Polypeptidase^ Dipeptidasen u. a. m. 2. C—O-Bindungen lösend: a) E s t e ra sen: Lipasen, Phosphatasen u . a . m . b) C a r b o h y d r a s e n : Amylasen, Glycosidasen, Hyaluronidasen u. a. m. 3. P—O-Bindungen lösend: Phosphatasen, Nucleasen. II. P h o s p h o r y l a s e n : phosphorolytische Spaltung der Substrate. Allgemeine Reaktion: AB + H 3 P0 4 1 » A • 0 • P0 3 H 2 + HB. Glycogenphosphoiylase, Saccharosephosphorylase (vgl. S. 309), Nucleosidphosphorylase (vgl. S. 462). III. H y d r a t a s e n ( W a s s e r a b s p a l t u n g u n d -addition). Allgemeine Reaktion: A + H 2 0 , •> H • A• OH. Fumarase, Aconitase, Enolase, Carboanhydrase (vgl. S. 211) u. a. m. IV. Desmolasen (Lösung u n d Bildung von C—C-Bindungen). \c—c^ ; Nc + x / ' I \ \ l x OH O H 1. D e c a r b o x y l a s e n : Abspaltung und Addition von C0 2 : Carboxylase, Brenztraubensäureoxydase, a-Ketoglutarsäureoxydase, Aminosäurendecarboxylasen u. a. m. 2. Aldolasen.

Allgemeine Reaktion:

V. G r u p p e n ü b e r t r a g e n d e F e r m e n t e . Allgemeine Reaktion: A X + B , > A+BX. 1. T r a n s p h o s p h o r y l a s e n : Hexokinaaen, Myokinase, Mutasen u.a.m. 2. T r a n s a m i n a s e n . 3. T r a n s a m i d i n a s e (Kreatinsynthese, vgl. S. 415). 4. T r a n s m e t h y l a s e n (vgl. S. 407). ö. T r a n s a c e t y l a s e n (vgl. S. 611). 6. T r a n s g l y c o s i d a s e n (vgl. S. 309). 7. T r a n s p e p t i d a s e n (vgl. S. 450). 8. T r a n s k e t o l a s e u n d T r a n s a l d o l a s e (vgl. S. 311). VI. Isomerasen. Hexose- und Trioseisomerasen. VII. F e r m e n t e der O x y d o r e d u k t i o n (Oxydoreduktasen). 1. Oxydasen (metallhaltige Fermente): Warburgsches sauerstoffübertragendes Ferment, Cytochrome, Peroxydase, Katalase, Phenoloxydasen.

190

Die Fermente 2. D e h y d r o g e n a s e n : a) mit Pyridinnucleotiden als Coenzym, b) mit Lactoflavinnucleotiden als Coenzym (gelbe Fermente), u. a. 3. G l y o x a l a s e (Aldoketomutase, vgl. S. 297).

Wir besprechen in diesem Kapitel nur einige der Hydrolasen etwas ausführlicher. Die Fermente der Oxydoreduktion und alle übrigen, welche am Abbau oder Aufbau der organischen Verbindungen beteiligt sind, werden in den folgenden Kapiteln über die biologische Oxydation und den Intermediärstoffwechsel behandelt. Über die Gruppen II bis VII der obigen Tabelle geben wir am Schluß dieses Kapitels nur eine kurze Übersicht. 6. Hydrolasen Man kann zwei Grundtypen von hydrolytischen Wirkungen feststellen: 1. Die Bindung zwischen einem Kohlenstoffatom und einem Stickstoffatom wird gelöst: C-N

2. Die Bindung zwischen Kohlenstoffatom und Sauerstoffatom wird gelöst: C-0

I. Gruppe: ••••€!—N- • • • lösend Je nachdem eine Säureamidbindung, eine Peptidbindung usw. gespalten wird, kann man wieder verschiedene Typen von Enzymen unterscheiden. A. Desaminasen Die U r e a s e oder das harnstoffspaltende Ferment kommt im tierischen Organismus nicht vor, wohl aber in der Pflanzenwelt. Die Sojabohne (Glycine hispida) und die amerikanische Jackbohne (Canavalia ensiformis) enthalten sie in wirksamer Form. Sehr verbreitet ist das Ferment besonders bei Bakterien und Pilzen. Urease spaltet den Harnstoff nach der folgenden Gleichung: NH S C=0 + 2 H 2 0 = H 2 C 0 s + 2NH„ X NH,

Die Bedeutung der Urease liegt darin, daß die enzymatische Zerlegung des Harnstoffs den organisch gebundenen Stickstoff wieder als Ammoniak freisetzt und damit der Verwertung durch die Pflanzen wieder zugänglich macht. Durch die nitrifizierenden Bakterien des Bodens wird das Ammoniak dann weiter zu Nitrit und Nitrat oxydiert. Die Ureasespaltung bildet damit ein wichtiges Zwischenglied im Kreislauf des Stickstoffs. Die Urease, die durch Extraktion von Soja- oder Jackbohnenmehl leicht zugänglich ist, kann zur quantitativen Bestimmung des Harnstoffs dienen, da die Reaktion unter gewissen Bedingungen vollständig zu Ende verläuft. Wie wir bereits erwähnt haben, war die Urease das erste Ferment, das in kristallisiertem Zustand gewonnen wurde (Sumner 1926). Die A r g i n a s e findet sich beim Säugetier namentlich in der Leber, anscheinend auch in den Nieren, im Thymus, in den männlichen Geschlechtsdrüsen und in den Erythrocyten verschiedener Arten. Ihre wichtigste Wirkungsstätte ist beim Säuger die Leber.

Desaminasen

191

Bei Vögeln und Reptilien fehlt die Arginase in der Leber (vgl. die Kapitel über Eiweiß- und PurinstoffWechsel). Durch die Arginase wird das Arginin in Harnstoff und Ornithin zerlegt: ;nh I" CH2-NH-TC-NH, i i CH2

i

I

NHj I CH 2 —NH a

+

0=C—NH2 Harnstoff

QJJ

I

CH a

CH2

CHNH 2

CHNH,

I

I

I

I

COOH

COOH Arginin

Ornithin

Die Arginase wurde von Kossei und Dakin (1904) entdeckt. Sie zeigt bei einem pH 9,0—9,5 ihre optimale Wirkung. Ihre Spezifität ist sehr ausgeprägt. Die A r g i n i nsäure, die an Stelle der a-Aminogruppe eine H y d r o x y l g r u p p e trägt, wird nicht gespalten. Die Arginase ist spezifisch auf das L-Arginin eingestellt. Die Arginase ist wahrscheinlich ein Manganprotein; doch scheint es, daß sie auch durch andere Metallionen (Co++) aktiviert werden kann. Die große Bedeutung der Arginase liegt darin, daß sie in der Säugetierleber den Harnstoff bildet. Die Argininspaltung stellt, wie auf S. 433 gezeigt wird, den letzten Schritt der Reaktionsfolge dar, durch welchen der Amino- oder Ammoniakstickstoff in Harnstoff übergeführt wird. Ein ähnliches Ferment, welches auf Histidin einwirkt, findet sich auch in der Leber aller Wirbeltiere. Die Histidase (entdeckt von Edlbacher 1926 und gleichzeitig von G y ö r g y und R o t h l e r ) zerlegt das Histidin unter Bildung von Ammoniak und Glutaminsäure. Über den Reaktionsverlauf siehe S. 404. Die Wirkung der Histidase ist streng spezifisch; sie greift nur natürliches L-Histidin an. Die Asparaginase findet sich in keimenden Pflanzen und auch in tierischen Organen. Sie spaltet die Amidogruppe des Asparagins unter Bildung von Ammoniak und Asparaginsäure: COOHCH(NH 2 )CH 2 COi(NH 2 )

* COOHCH(NH 2 )CH 2 COOH + N H 3 .

Das entsprechende Ferment, welches die Amidgruppe des Glutamins spaltet, die Glutaminase, findet sich in tierischen Organen. Es gibt ein zweites Enzym Glutaminase I I , welches gleichzeitig Transaminaseaktivität besitzt (S. 384). Endlich findet sich auch in vielen tierischen Organen ein Ferment, welches die Hippursäure unter Bildung von Benzoesäure zu spalten vermag. Die Hippursäure ist das Benzoylglycocoll, welches nach der folgenden Gleichung zerlegt wird: C,HsCO -j- NHCRjCOOH Hippursäure

• C,HsCOOH +H2NCH2COOH Benzoesäure

Glyoocoll

Dieses ursprünglich H i s t o z y m genannte Ferment (Schmiedeberg 1881) muß richtiger als Hippuricase bezeichnet werden.

192

Die Fermente B. Proteasen

Die Proteasen hydrolysieren die Peptidbindung: -CO-NH— + ZLjO

• —COOH + HjN—

Alle bekannten Proteasen zeigen eine strenge o p t i s c h e S p e z i f i t ä t , d . h . sie hydrolysieren nur solche Peptidbindungen, welche von den „natürlichen" L-Aminosäuren gebildet werden. Peptide der D-Aminosäuren werden nicht angegriffen. Alle Fermente, welche auf Proteine und Peptide hydrolysierend wirken, fallen unter diese Gruppe. Man kann sie wieder in zwei Untergruppen einteilen: 1. P r o t e i n a s e n , welche die Eiweißkörper selbst angreifen; 2. P e p t i d a s e n , welche nicht auf die nativen Eiweißkörper, sondern nur auf P e p t i d e einwirken. Wichtige Proteinasen: 1. P e p s i n , im Magensekret, wirkt bei stark saurer Reaktion; spaltet Eiweißkörper zu Albumosen und Peptonen. 2. K a t h e p s i n , in den Zellen, wirkt bei schwach saurer Reaktion (pH 4—6). 3. T r y p s i n g r u p p e , im Pankreas, wirkt bei neutraler oder alkalischer Reaktion (pH etwa 8) ( T r y p s i n , C h y m o t r y p s i n ) . Wichtige Peptidasen: 1. D i p e p t i d a s e n spalten nur Dipeptide. 2. A m i n o p e p t i d a s e spaltet aus Polypeptiden die Aminosäure mit der freien Aminogruppe ab. 3. C a r b o x y p e p t i d a s e spaltet aus Polypeptiden die Aminosäure mit der freien Carboxylgruppe ab. Unter dem Namen „Erepsin" versteht man das 1901 von C o h n h e i m entdeckte proteolytische Prinzip der Darmschleimhaut. Nach W a l d s c h m i d t - L e i t z ist es ein Gemenge von Amino- und Dipeptidasen. Dies erklärt auch, warum Darmsaft Protein nicht anzugreifen vermag. Die P r o t e i n a s e n sind in der Natur weit verbreitet, sowohl im Pflanzen- als auch im Tierreich. Der Abbau der Eiweißkörper durch reine Proteinasen führt nicht zur vollständigen Spaltung in freie Aminosäuren. Der größte Teil der Spaltprodukte besteht aus Polypeptiden. Es wird also nur ein Teil der Peptidbindungen hydrolysiert. (Durch das Pepsin z.B. etwa 30%. Chymotrypsin spaltet von den etwa 340 Peptidbindungen des Lactoglobulinmoleküls etwa 50.) Die kombinierte Wirkung verschiedener Proteinasen läßt erkennen, daß nicht von jedem Ferment die gleichen Bindungen gespalten werden. Die Untersuchung der Spaltung von synthetischen Polypeptiden bekannter Konstitution hat hier Aufklärung gebracht. Die Proteinasen greifen in der Regel denaturierte Proteine viel besser an als native. Dies ist besonders deutlich beim Trypsin. Für die Wirkung der Proteinase ist nicht etwa ein hohes Molekulargewicht des Substrats Voraussetzung. Es können auch einfache Oligopeptide gespalten werden. Wir werden später sehen, daß die Proteinasen spezifisch auf bestimmte Peptidbindungen eingestellt sind (vgl. S. 196). Das P e p s i n wurde im Jahre 1836 von S c h w a n n im Fundusteil der Magenschleimhaut entdeckt. (Die verflüssigende Wirkung des Magensaftes auf Fleisch ist aber schon viel länger bekannt.) Da der Magen zugleich beträchtliche Mengen von

Proteasen

193

Salzsäure bildet, ist der Magensaft stark sauer. Dementsprechend liegt auch das pH-Optimum des Pepsins bei stark saurer Reaktion (pH etwa 1,5). Die Wirkung des Pepsins auf die Eiweißkörper ist beschränkt. Es bilden sich Peptone und Albumosen, hochmolekulare Spaltprodukte, welche durch gewisse Fällungsreaktionen äußerlich von den Proteinen unterscheidbar sind. Die Magenschleimhaut bildet eine inaktive Vorstufe (Proferment) des Pepsins, das Pepsinogen. Sowohl das Pepsin wie auch das Pepsinogen sind in kristallisiertem Zustand dargestellt worden (Northrop, Herriott). Das Pepsinogen wird durch das Pepsin selbst aktiviert; es handelt sich also um einen autokatalytischen Prozeß. Durch das aktive Pepsin wird aus dem Proferment neben anderen Peptiden ein hochmolekulares Polypeptid, der sog. Inhibitor, abgespalten1): (PeDBin) pH > 5,4 Pepsinogen ——-—-—>• Pepsin + Inhibitor , Pepsin-Inhibitor-Komplex. h 2 p pH < 6,4 Der Inhibitor verbindet sich bei pH-Werten über 5,4 mit dem Pepsin zu einem Komplex. Bei kleineren pH-Werten (pH 3,5—4,0) wird er vom Pepsin weiter abgebaut. Das Molekulargewicht des Pepsinogens beträgt 42500, dasjenige des Pepsins 34500; für den Inhibitor hat man Werte von etwa 7000 gefunden. Die Pepsine der verschiedenen Tierarten scheinen, was ihre Wirkung betrifft, identisch zu sein; z.B. kann Hühnerpepsinogen durch Schweinepepsin aktiviert werden, und umgekehrt2). Sie gleichen sich auch in ihren chemischen und physiko-chemischen Eigenschaften weitgehend8).

Pepsin greift die meisten Proteine an. Seine Wirkung auf Gelatine scheint größtenteils auf der Gegenwart eines besonderen Enzyms, der Gelatinase, in rohen Pepsinpräparaten zu beruhen, durch welches die Gelatine fast 500mal schneller abgebaut wird als durch das reine Pepsin (Northrop). Über Spezifität und Wirkungsweise des Pepsins vgl. S. 197. Das Labferment oder Chymosin bringt die Milch zur Gerinnung. Es ist eine umstrittene Frage, ob im Magen des Erwachsenen ein derartiges Enzym vorkommt. Wahrscheinlich aber findet sich ein mit Pepsin nicht identisches Labferment im Magen des Jugendlichen vor. Als sicher kann gelten, daß das Ferment aus dem Abomasum (Labmagen) des Kalbes vom Pepsin verschieden ist. Die Wirkung des Labfermentes besteht in der Bildung von unlöslichem Paracasein aus dem Casein der Milch. Das gebildete Paracasein fällt dabei als Calciumverbindung aus. (Vielfach wird auch der Eiweißkörper der Milch Caseinogen und der durch Labwirkung daraus hervorgehende Stoff Casein genannt.) Die Labgerinnung der Milch ist ein proteolytischer Vorgang. Alle Proteinasen haben mehr oder weniger ausgesprochene Labwirkung. Über die Natur des GerinnungsVorgangs, der durch das Lab hervorgerufen wird, herrscht noch keine völlige Klarheit. Gerinnung tritt nur in Gegenwart von Ca-Ionen ein. Der ausgefällte Körper ist eine Verbindung des Caseins mit Calciumphosphat. Das Casein ist kein einheitliches Protein, sondern ein Gemisch verschiedener Komponenten, die als oc-,ß-, y- und (5-Casein unterschieden werden und sich durch fraktionierte Aussalzung, Elektrophorese usw. teilweise trennen lassen. Es scheint, daß einzig das a-Casein, das selbst aus zwei Komponenten aj und ocu besteht, durch das Labferment angegriffen wird, wobei in Trichloressigsäure lösliche Peptide abgespalten werden („Molkenalbumose")4). Wahrscheinlich werden in der Milch das ß- und das !) Herriott, J. gen. Physiol. 22, 65 (1939); 24, 325 (1941); Herriott, in McElroy u. Glass: Mechanism of enzyme action, S. 37. Baltimore 1954. 2) Kunitz, J. gen. Physiol. 21, 601 (1938). *) Literatur vgl. Hirschowitz, Physiol. Reviews 37, 475 (1957). 4) Nitschmann u. Mitarb., Helv. Chim. Acta 38, 942, 1953 (1955). 13 Leuthardt, Lehrbuch, 16.Aufl.

194

Die Fermente

y-Casein, welche schwer lösliche Ca-Salze bilden, durch das a-Casein in Lösung gehalten. Die Einwirkung der proteolytischen Fermente führt zur Bildung eines veränderten Proteins, das selbst ein unlösliches Ca-Salz bildet, und damit fällt das gesamte Casein aus1). Man hat die Labgerinnung auch als eine Art Denaturierung aufgefaßt, welche durch Hydrolyse bestimmter Peptidbindungen ausgelöst wird (Berridge).

In der Magenschleimhaut (nach neueren Versuchen auch im Sekret!), in den Leukocyten und in verschiedenen anderen Geweben findet sich eine von W i l l s t ä t t e r als K a t h e p s i n bezeichnete Protease, die dadurch gekennzeichnet ist, daß sie bei pH 4—5 optimal wirkt. Dieses Enzym scheint ganz allgemein verbreitet zu sein und als G e w e b s p r o t e a s e auch bei dem autolytischen Zerfall der Gewebe zu wirken. Durch Verwendung spezifischer (synthetischer) Substrate ist es gelungen, in tierischen Geweben drei verschiedene Kathepsine, A, B und C, zu unterscheiden. Die beiden letzteren zeigen wie das Papain (s. unten) und in Gegenwart von SHVerbindungen ihre maximale Wirksamkeit. Da das genannte Chymosin ebenfalls bei s c h w a c h saurer Reaktion wirkt, wird es manchmal auch der Gruppe der katheptischen Enzyme zugezählt. Die pflanzliche Protease P a p a i n ist dem tierischen Kathepsin sehr ähnlich. Dieses Ferment findet sich im Milchsaft (Latex) und den Früchten von Carica papaya. (Es ist eine Mischung mehrerer Fermente, von denen zwei im kristallisierten Zustand dargestellt worden sind.) Das Papain wird durch Blausäure sowie durch verschiedene Sulfhydrylverbindungen wie Cystein, Glutathion, H 2 S und auch durch Thiosulfat aktiviert. Jodessigsäure und H 2 0 2 wirken hemmend. Man hat vermutet, daß die Aktivierung durch die reduzierenden Stoffe auf der Bildung von SH-Gruppen aus der Disulfidbindung —S—S— beruht. Ähnliche proteolytische Fermente sind im Milchsaft verschiedener Pflanzen vorhanden: Fi ein in Ficusarten. Daher können solche Säfte zur Käsebereitung verwendet werden. Ferner seien erwähnt Bromelin aus Bromeliaarten und A s c l e p a i n aus Asclepias syriana.

Trypsin. Die Auflösung von Eiweiß durch Pankreassaft wurde erstmals von Corvisart genauer untersucht (1857). K ü h n e gab dem Ferment den Namen Trypsin. Was die älteren Forscher als Trypsin bezeichneten, ist aber kein einheitliches Ferment, sondern ein Gemisch verschiedener Proteasen. N o r t h r o p und K u n i t z konnten aus Rinderpankreas zwei k r i s t a l l i s i e r t e E n z y m e erhalten, die sie als T r y p s i n und als C h y m o t r y p s i n bezeichneten. Die beiden Fermente wirken optimal bei neutraler oder leicht alkalischer Reaktion (pH 7—9). Chymotrypsin hat diesen Namen erhalten, weil es starke Labwirkung zeigt. Trypsin greift viele n a t i v e Proteine wie Collagen, Eieralbumin, Serumglobulin, Hämoglobin nur sehr langsam an. Doch werden diese Eiweißkörper abgebaut, wenn sie vorher denaturiert wurden. Chymotrypsin baut vorwiegend die Produkte ab, die durch Einwirkung von Pepsin oder Trypsin auf Eiweißkörper gebildet worden sind; es entstehen dabei Polypeptide und freie Aminosäuren. Aus Pankreas wurde von K u n i t z und N o r t h r o p ein Polypeptid isoliert, das mit Trypsin eine inaktive, kristallisierende Verbindung bildet (Trypsin-Inhibitor). Ein ähnlicher Inhibitor wurde auch aus Colostrum2) und aus der Sojabohne dargestellt.

Im frischen Sekret der Pankreasdrüsen, ebenso in Extrakten aus der Drüse finden sich die beiden Fermente in Form inaktiver Vorstufen als T r y p s i n o g e n und C h y m o t r y p s i n o g e n , die beide kristallisiert werden können. Sie werden im Cherbuliez u. B a u d e t , Helv. Chim. Acta 33, 1673 (1950). Übersicht vgl. B e r r i d g e , Adv. Enzymol. 15, 423 (1954). 2 ) K a s s e l u. L a s k o w s k i , J. biol. Chem. 219, 203 (1950); Laskowski u. Mitarb., Biochim. Biophys. Acta 24, 300 (1957).

195

Proteasen

Duodenum aktiviert, sobald das Parikreassekret mit der Darmschleimhaut in Berührimg kommt. Die letztere bildet, besonders im Bereich des Duodenums, einen Stoff, die E n t e r o k i n a s e (der Name stammt von Pawlow), welcher das Pankreassekret aktiviert. Über die Natur dieses Vorgangs wurde viel gestritten, bis die Darstellung der reinen Profermente und Fermente die Abklärung der Frage ermöglichte (Kunitz). Trypsinogen wird durch Zusatz kleiner Mengen aktiven Trypsins sehr rasch in Trypsin umgewandelt. Es handelt sich also um einen autokatalytischen Vorgang ähnlich wie beim Pepsin. Dabei wird aus dem Trypsinogen vom N-Ende der Peptidkette ein Hexapeptid abgespalten, dem die Konstitution: Val-(Asp)4-Lys zukommt 1 ). Auch das Chymotrypsinogen wird durch Trypsin katalytisch in aktives Chymotrypsin verwandelt; dagegen vermag das Chymotrypsin weder das eine noch das andere der Profermente zu aktivieren. Es handelt sich also bei der Aktivierung des Chymotrypsins n i c h t um einen autokatalytischen Vorgang. Mit der Spaltung der Peptidbindung im Trypsinogen tritt wahrscheinlich eine Veränderung der Konstellation des Proteinmoleküls ein, durch welche gewisse Aminosäurereste einander genähert werden und dann das eigentliche aktive Zentrum des Ferments bilden (Neurath)*) Die Aktivierung des Chymotrypsinogens durch das Trypsin ist eingehend untersucht worden Aus dem Proferment entstehen je nach den Versuchsbedingungen Modifikationen des Chymo trypsins («, OC, ß, y und • Apopeptidaso

• Apopeptidase • Me++ aktives Ferment

Graßmann, Zsohr. physiol. Chem. 210, 1 (1932); B e r g m a n n u. F r u t o n , J. biol. Chem. 117, 189 (1937). 2 ) Maschmann, Biochem. Zschr. 800, 89 (1938); 302, 332 (1939); 303, 145 (1939); 307, 1 (1940).

200

Die Fermente

Es kann sich aber in vielen derartigen Fällen um unspezifische Wirkungen der fraglichen Metalle handeln. Die Frage, ob ein bestimmtes Metall Bestandteil eines Enzyms und für seine Wirkung unentbehrlich ist, kann nur im Falle hochgereinigter Enzyme mit Sicherheit entschieden werden.

Außer den bisher genannten Proteasen wurde von W a l d s c h m i d t - L e i t z im Pankreas eine auf Protamine wirkende Proteinase nachgewiesen. Wahrscheinlich ist dieses Ferment aber identisch mit dem Chymotrypsin. In neuerer Zeit haben sich die verschiedenen proteolytischen Enzyme, Proteinasen und Peptidasen als wertvolle Hilfsmittel bei der Aufklärung der Proteinstruktur erwiesen. Wir haben gesehen, daß die Bestimmung der Aminosäurensequenz auf der partiellen Hydrolyse der Proteine mit nachfolgender Bestimmung der freigelegten Endgruppen beruht. Carboxypeptidase und Leucinaminopeptidase können nun direkt zur Endgruppenbestimmung herangezogen werden, währenddem die Proteinasen zur Aufspaltung der Proteine in niedrigere Peptide geeignet sind. Die enzymatische Peptidsynthese1). Vor allem durch die Arbeiten der Bergmannschen Schule ist eindeutig bewiesen worden, daß die hydrolytische Spaltung der Peptide durch Enzyme ein umkehrbarer Vorgang ist (vgl. Umkehrbarkeit von Enzymreaktionen S. 175). Das Gleichgewicht liegt bei der Spaltung einfacher Peptide stark auf der Seite der Hydrolyse. Schafft man aber Bedingungen, durch welche erreicht wird, daß das Syntheseprodukt immer nur in sehr niedriger Konzentration vorhanden ist, so verschiebt sich das Gleichgewicht im Sinne der Synthese. Dies kann dann erreicht werden, wenn das entstehende Peptid u n l ö s l i c h ist und sofort auskristallisiert. Die oben erwähnten „Proteinmodelle" bieten nun ein vorzügliches Material für die Durchführung solcher Versuche. Läßt man z.B. die pflanzliche Proteinase Papain auf Benzoyl-L-leucin + Anilin einwirken, so kristallisiert direkt das Benzoyl-leucin-anilid aus: CjHJ CjH9 I I C.H.-CO—HNCCOOH + H2N-CeH6 = C,Hs-CO—HN-C-CO-HN-C6H5 + H20 Benzoyl-

„ L-leucin

+

Anilin

n Benzoyl-L-leucin-anilid

Bei diesen enzymatischen Synthesen reagieren immer nur die „natürlichen" Aminosäuren der L-Reihe. Die o p t i s c h e S p e z i f i t ä t zeigt sich also, wie zu erwarten, sowohl bei der hydrolytischen Spaltung als auch bei der Synthese der Peptidbindung. Als Beispiele weiterer enzymatischer Peptidsynthesen seien hier die folgenden erwähnt: durch Chymotrypsin: Benzoyl-L-tyrosin + Glycin-anilid = Benzoyl-L-tyrosyl-glycin-anilid; durch Papain (mit HCN aktiviert): Benzoyl-L-leucin + L-Leucin-anilid = Benzoyl-L-leucyl-L-leucin-anilid. Es handelt sich hier um die Bildung echter Peptidbindungen zwischen zwei Aminosäuren. Bergmann u. Fruton, Adv. Enzymol. 1, 90 (1941).

Esterasen

201

Eine besonders interessante Erscheinung ist die folgende: Die Spaltung bestimmter Peptide hängt von der Gegenwart anderer ab. Weder Glycyl-L-leucin noch Acetyl-phenylalanyl-glycin werden durch HCN-aktiviertes Papain hydrolysiert. Bringt man dagegen beide Substrate zusammen, so wird Leucin und Glycocoll freigesetzt, d.h. das Glycyl-leucin wird hydrolysiert. Dieser Vorgang erklärt sich durch die intermediäre Synthese eines Tetrapeptides, welches durch Papain angegriffen wird: Acetyl-phenylalanyl-glycin + Glycyl-leucin

>

paln*HCN Acetyl-phenylalanyl-glycyl-glycyl-leucin P a Spaltung Acetyl-phenylalanyl-glycin + Glycin + Leucin.

Es wird also das erste Peptid immer wieder regeneriert. B e r g m a n n hat für Peptide, die, wie im obigen Beispiel das Acetyl-phenylalanyl-glycin, die Hydrolyse anderer Peptide ermöglichen, den Namen „Co-substrate" eingeführt. Es ist sehr wohl möglich, daß derartige Vorgänge auch bei der Hydrolyse der Peptidgemische, wie sie durch den proteolytischen Abbau der Eiweißkörper entstehen, eine Bolle spielen. Welche Rolle die Peptidsynthese durch die proteolytischen Fermente unter physiologischen Bedingungen spielt, ist heute allerdings noch nicht klar. Es ist sehr wohl möglich, daß durch Entfernung des Reaktionsproduktes aus dem Gleichgewichtsgemisch (durch Ausfällung oder sekundäre Reaktionen usw.) eine Peptidsynthese zustande kommen kann, auch wenn das Gleichgewicht stark zugunsten der freien Komponenten liegt. Wir kennen aber verschiedene biochemische Synthesen, die zwar die Umkehrung hydrolytischer Vorgänge sind, aber auf viel komplizierterem Wege verlaufen, weil sie mit energieliefernden Vorgängen verknüpft werden müssen (vgl. Kap. 18). Von großer Bedeutung für die Peptidsynthese ist wahrscheinlich die Tatsache, daß die Proteinasen nicht nur Peptide spalten, sondern auch Aminosäurereste ü b e r t r a g e n können. Näheres über die „Transpeptidase"Wirkung der Proteasen siehe S. 450 u. ff. IL Gruppe:

C—0—

lösend

C. Esterasen Lipasen. Wichtige Vertreter dieser Gruppe sind die Lipasen. Sie finden sich in Pankreas, Magen, Leber, Lunge, Gehirn, Muskel und wahrscheinlich überhaupt in allen Organen. Auch in zahlreichen Pflanzen, besonders in Samen und Früchten, haben sich diese Fermente nachweisen lassen. Die Wirkung der Lipasen besteht darin, daß sie die Esterbindung von Glycerin und Fettsäure hydrolytisch spalten: O II CH2—O—C—R O CH—O—C—R! O

CHOH

CH2-O—C—R2

CH,OH

O II HO—C—R O II HO—C—Rj O HO—C—R2

+ 3H„0

Glycerin

Fettsäuren

ü OH +

202

Die Fermente

Die Lipasen spielen bei der Verdauung der Fette eine wichtige Rolle, da ungespaltene Fette wahrscheinlich nicht resorbiert werden. Die Pankreaslipase wirkt auf Triglyceride rascher ein als auf Di- und Monoglyceride, so daß bei der Verdauung ein Teil der letzteren liegen bleibt. Die Spezifität der Lipasen ist nicht sehr ausgesprochen. Sie hydrolysieren nicht nur Triglyceride, sondern auch eine große Zahl anderer Ester. Immerhin bestehen große Unterschiede in der Wirksamkeit gegenüber verschiedenen Substraten. Je nach der Herkunft der Lipasen (Organ, Tierart) zeigen sich starke Unterschiede der Wirkung verschiedenen Substraten gegenüber. Es gibt sicher verschiedene esterspaltende Fermente mit verschiedenem Spezifitätsbereich. Eine Abgrenzung von eigentlichen „Lipasen", welche vorzugsweise auf Triglyceride eingestellt sind, und von „Esterasen im engeren Sinne", welche einfache organische Ester abbauen, scheint aber, abgesehen von einigen speziellen Fermenten, nicht möglich zu sein. Die Esterasen (im engeren Sinne) zeigen eine ausgesprochene stereochemische Spezifität. Die Untersuchung verschiedenartiger optisch aktiver Ester (meist die Äthyl- oder Methylester optisch aktiver Säuren) hat gezeigt, daß in der Regel die eine Komponente des Racemats rascher gespalten wird als die andere. Wir haben das Beispiel des Mandelsäureäthylesters in anderem Zusammenhang bereits erwähnt (vgl. S. 186). Auch hier erweisen sich die Esterasen verschiedener Provenienz als voneinander verschieden. So wird z. B. im Racemat des Phenyl-methoxyessigsäureäthylesters CH 3 CK

>CH—CO—0—C2H,

von der Esterase des Schweinepankreas die linksdrehende Komponente, von der Leber- und Magenesterase aber die rechtsdrehende Komponente rascher gespalten. Die Lipasen liefern auch ausgezeichnete Beispiele für enzymatische Synthesen. Bei vielen Estern liegt das Verseifungsgleichgewicht so günstig, daß aus Alkohol und Säure bei Gegenwart der Lipase der Ester in meßbarer Menge gebildet wird. Z. B. kann Pankreaspulver aus Glycerin und Ölsäure Triolein bilden. Die Wirkung der Lipasen kann durch die Zunahme der sauren Gruppen während der Spaltung gemessen werden. Eine zweite Methode fußt auf der Änderung der Oberflächenspannung des Substrates durch die Spaltung und wird durch Austropfen und Bestimmung der Tropfenzahl ausgeführt. Sie heißt die s t a l a g m o m e t r i s c h e M e t h o d e .

In der Darmschleimhaut und im Blutserum, anscheinend auch in anderen Organen, findet sich ein Ferment, die Cholesterinesterase, das die Ester des Cholesterins spaltet oder synthetisiert. Von einigen Autoren wird angenommen, daß die Veresterung des Cholesterins mit Fettsäuren im Darm bei der Resorption der Fettsäuren eine Rolle spielt. Die Abgrenzung des Ferments von den übrigen Gewebslipasen ist unsicher; Pankreaslipase hydrolysiert Cholesterinester nicht. Cholinesterase. Dieses Ferment, das in den letzten Jahren eingehend untersucht worden ist, spaltet Acetylcholin in Essigsäure und Cholin: CH 3 CO • 0 • CH 2 • C H , • N(CH 3 ) 3



CH3COOH + H O • CH a • CH 2 • N(CH 3 ) 3 .

Es kommt in Gehirn und Nerven und neben anderen Esterasen auch in den Erythrocyten vor. Im Serum und im Pankreas verschiedener Tierarten ist eine sog.

Esterasen

203

Peeudo-Cholinesterase nachgewiesen, welche neben basischen Estern vom Typus des Acetylcholins auch gewöhnliche neutrale Ester spaltet. Typisch für die Cholinesterase ist die Hemmbarkeit durch kleinste Mengen Eserin ( = Physostigmin, das Alkaloid der Calabarbohne, Physostigma venenosum) oder Prostigmin. Neuerdings ist im Diisopropylfluorophosphat

(CH3)2CH—0 \ ^ ^ O

/

(CH 3 ) 2 CH—O x

\ X -, F

se

^ r wirksamer Hemmkörper

der Cholinesterase gefunden worden. Die pharmakologischen Wirkungen dieser Stoffe lassen sich durch die Annahme deuten, daß sie die Zerstörung des Acetylcholins durch die Cholinesterase hemmen. Wegen ihrer großen Bedeutung für die Pharmakologie ist die Wirkung der Cholinesterasehemmer eingehend untersucht worden. Es ist auf Grund dieser Studien auch möglich geworden, sich bestimmte Vorstellungen über die Wirkungsweise des Enzyms zu machen 1 ). Es besitzt offenbar zwei aktive Zentren, ein anionisches, das die quaternäre Ammoniumgruppe bindet, und das eigentliche esterspaltende Zentrum. Hemmstoffe können je nach ihrer Natur mit dem einen oder dem anderen interferieren. Entsprechend dem Mechanismus der basenkatalysierten Esterhydrolyse wird der Ester durch eine nucleophile Gruppe des Enzyms angegriffen, unter Ausstoßung des Cholins; als intermediäre Stufe tritt das acetylierte Enzym auf, aus welchem das Acetat schließlich hydrolytisch abgespalten wird. Bei der Hemmung durch das oben erwähnte Fluorophosphat, das an Stelle des Substrats mit dem Enzym reagiert, entsteht intermediär ein phosphoiyliertes Enzym. Es hat sich gezeigt, daß das Phosphat an Serin gebunden wird, und man kann daraus schließen, daß wahrscheinlich die Hydroxylgruppe eines Serinrestes die nucleophile Gruppe ist, die den Ester angreift. In einer neueren Theorie der Nervenleitung ( N a c h m a n s o h n ) wird der Cholinesterase eine große Bedeutung zugeschrieben. Das Ferment ist wahrscheinlich an der Oberfläche des Axons, an den Synapsen und motorischen Endplatten in sehr hoher Konzentration vorhanden. Es dient der raschen Inaktivierung des Acetylcholins (Zeit: Millisekunden), das nach dieser Theorie an der erregten Stelle des Nerven freigesetzt wird. Die Theorie findet eine Stütze im Verhalten des elektrischen Organs des Zitteraals (Electrophorus electricus) und anderer Fische. Der Gehalt dieses Organs an Cholinesterase ist sehr hoch und ungefähr proportional der entwickelten elektrischen Spannung. Näheres vgl. S. 661.

Lecithinason. In gewissen Schlangengiften findet sich die sog. L e c i t h i n a s e A, welche aus dem Lecithin ein Molekül Fettsäure frei macht. Das Produkt der Spaltung, das Lysolecithin, bewirkt Hämolyse der roten Blutkörperchen. Dieselbe Esterase kommt auch im Bienen- und Skorpionengift vor. Die „ L e c i t h i n a s e B", die aus dem Lysolecithin die verbleibende Fettsäure abspaltet, wurde in verschiedenen tierischen Organen und in der Reiskleie nachgewiesen. Phosphatasen. Zu den wichtigsten Esterasen gehören die zahlreichen Phosphatasen, die aus den Nucleotiden, den Phosphatiden, den Zuckerphosphorsäuren usw. die esterartige gebundene Phosphorsäure abspalten. Es gibt Phosphatasen mit weitem Spezifitätsbereich, deren Wirkung ziemlich unabhängig von der Art des mit der Phosphorsäure veresterten Alkohols ist; es gibt andere, die auf ein ganz bestimmtes Substrat oder eine Gruppe nahe verwandter Substrate eingestellt sind. Da heute erst wenige Phosphatasen in genügend reinem Zustand bekannt sind, herrscht über die Spezifität, die pH-Abhängigkeit, die Aktivierung durch Metalle usw. vielfach noch Unklarheit. Man kann zwei größere Gruppen von Phosphatasen unterscheiden: die P h o s p h o m o n o e s t e r a s e n , welche Monoester der Phosphorsäure, und die P h o s p h o d i e s t e r a s e n , welche Diester (zwei Hydroxyle der Phosphorsäure verestert) hydrolysieren. Beide Arten sind bei Pflanzen und Tieren weit verbreitet und kommen oft *) W i l s o n , in „The Mechanism of Enzyme Action" ( M c E l r o y a. G l a s s ed.) Baltimore 1954, pag. 642 ; Ciba Found. Symp. on Enzymes a. Drug Action, London 1962, pag. 4.

204

Die Fermente

nebeneinander vor. Wir kennen ferner Enzyme, welche die Anhydridbindung der Pyrophosphate spalten, sog. Pyrophosphatasen. Die Pyrophosphatase der Hefe ist im kristallisierten Zustand dargestellt worden (Kunitz). Als isodyname Phosphatasen werden solche bezeichnet, welche gleiche Substratspezifität besitzen, aber ihr Wirkungsoptimum bei verschiedenem pH haben. Hierher gehören die unten erwähnten „alkalischen" und „sauren" Phosphatasen. Die Phosphatasen spielen im Intermediärstoffwechsel eine wichtige Rolle, weil zahlreiche Zellbestandteile (Nucleinsäuren, Phosphatide) und Zwischenprodukte des Stoffwechsels Phosphorsäureester sind. Zu ihrem hydrolytischen Abbau sind daher Phosphatasen nötig. Es ist daher auch verständlich, daß diese Fermente in allen Geweben weit verbreitet sind. (Eine Synthese organischer Phosphate durch Umkehr der hydrolytischen Spaltung kommt dagegen, wie wir sehen werden, nicht in Frage, weil die Gleichgewichte immer stark zugunsten der Spaltprodukte liegen; es sind dazu ganz andersartige Fermentsysteme nötig.) Wir können uns hier damit begnügen, auf einige physiologisch wichtige Beispiele hinzuweisen. Man kennt Phosphatasen, deren pH-Optimum im alkalischen Gebiet liegt (pH 7—9,5) und solche, deren pH-Optimum im sauren Gebiet liegt (pH 4,5—6). Die ersteren werden abgekürzt als „alkalische Phosphatasen", die letzteren als „saure Phosphatasen" bezeichnet. Alkalische Phosphatasen finden sich z. B. in der Darmschleimhaut, in der Niere, im Knochen. Eine sehr aktive saure Phosphatase kommt in der Prostata vor; sie geht auch in die Samenflüssigkeit über (Kutscher). Die eben erwähnte Knochenphosphatase spielt, wie wir sehen werden, bei der Ossifikation eine Rolle. Sie findet sich im embryonalen Skelett überall dort, wo später Verknöcherung eintritt, fehlt dagegen in den nicht verknöchernden Knorpeln. Die alkalische Phosphatase des Blutserums hat für die Klinik Bedeutung, weil sie bei gewissen Erkrankungen der Knochen erhöht ist (Osteomalazie, Ostitis deformans Paget). Auch bei Affektionen der Leber und der Gallengänge (z.B. Gallenstauung durch Stein, Krebsmetastasen in der Leber) findet man im Serum erhöhte Phosphatasewerte. Die Bestimmung der Phosphatase beruht auf der Freisetzung von anorganischem Phosphat, wenn das Serum bei pH 8,6 mit ß-Glycerinphosphat bebrütet wird (Angabe der Aktivität in sog. Bodansky-Einheiten. Normalerweise etwa 2—4 Einheiten. Anstieg bis auf > 40 Einheiten). Die alkalischen Phosphatasen scheinen M e t a l l p r o t e i d e zu sein. Sie können (insbesondere nach Dialyse) durch zweiwertige Metalle (Mg++, Mn++, Zn++, Co++ u.a.) aktiviert werden. Wahrscheinlich ist meistens das Magnesium der physiologische Bestandteil des Metall-FermentKomplexes.

Eine besondere Bedeutung für den Intermediärstoffwechsel besitzt die Phosphatase der Leber, welche das Glucose-6-phosphat hydrolysiert und auf diese Weise die freie Glucose liefert, welche von der Leber ans Blut abgegeben wird (vgl. S. 302). Wir kennen ferner verschiedene Phosphatasen, welche den Phosphatrest der Nucleotide abspalten (Nucleotidasen). Einzelne sind streng spezifisch in bezug auf die Stellung des Phosphats im Nucleotid. Wichtige Phosphodiesterasen sind die Nucleasen (S. 460). Eine Diesterase, welche in Nucleinsäuren oder Oligosacchariden die 3'-Phosphatbindung spaltet, kommt in Schlangengiften vor. Wegen seiner Spezifität ist das Enzym in neuerer Zeit bei Arbeiten über Abbau und Konstitution der Nucleinsäuren oft verwendet worden.

Als Apyrasen werden Enzyme bezeichnet, welche im Adenosintriphosphat (ATP) die beiden Anhydridbindungen hydrolysieren und das letztere dadurch zum

Carbohydrason

205

Adenosinmonophosphat abbauen. Die Adenosintriphosphatasen (ATP-asen) spalten die endständige Phosphatgruppe ab, liefern also Adenosindiphosphat (Formeln siehe S. 284). Es gibt auch Enzyme, welche aus dem ATP Pyrophosphat abspalten. Die ATP-asen sind z. T. an die Zellgranula gebunden. Von besonderem Interesse ist die ATP-ase-Wirkung des kontraktilen Muskelproteins, des Myosins. Sulfatasen. Diese Fermente spalten esterartig gebundene Schwefelsäure ab, so z. B. die Phenolsulfatase, die in Pilzen, Mollusken und bei höheren Tieren vorkommt, oder die Chondrosulfatase, die bei verschiedenen Bakterien nachgewiesen wurde und die die Schwefelsäure des Chondrositonsulfats abspaltet. D. Carbohydrasen Diese, die zusammengesetzten Kohlenhydrate spaltenden Fermente können in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die eine Gruppe umfaßt die Glycosidasen, d. h. die Enzyme, welche die einfachen Glykoside (z. B. Di- und Oligosaccharide, oder gemischte, aus einem Zucker und einem Aglucon bestehende Glycoside) spalten, die andere die Polyasen, welche die hochmolekularen Kohlenhydrate wie die Stärke und das Glycogen angreifen. Die Glycosidasen waren die ersten Fermente, bei denen die Bedeutung der Stereochemie für das Verständnis der enzymatischen Spaltungen klar erkannt wurde. Emil Fischer ist durch die Untersuchung der zuckerspaltenden Fermente auf das bekannte Bild von Schloß und Schlüssel geführt worden (1894): „Invertin und Emulsin haben bekanntlich manche Ähnlichkeit mit den Proteinstoffen und besitzen wie jene unzweifelhaft ein asymmetrisch gebautes Molekül. Ihre beschränkte Wirkung auf die Glucoside ließe sich also auch durch die Annahme erklären, daß nur bei ähnliohem geometrischem Bau diejenige Annäherung der Moleküle stattfinden kann, welche zur Auslösung des chemischen Vorgangs erforderlich ist. Um ein Bild zu gebrauchen, will ich sagen, daß Enzym und Glucosid wie Schloß und Schlüssel zueinander passen müssen, um eine chemische Wirkung aufeinander ausüben zu können."

a) Glycosidasen, speziell Hexosidasen Die Spaltbarkeit der glycosidischen Bindung wird durch die Natur der Zucker und die Art der Bindung, die oc- oder jS-glycosidisch sein kann, bestimmt. Die Spezifität der Glycosidasen ist im wesentlichen gegen die glycosidisch gebundene Komponente des Disaccharids (das „Glycon") gerichtet. Jede Konfigurationsänderung oder Substitution an den C-Atomen 1, 2, 3 und 4, wie auch der Übergang vom Pyranosezum Furanosering hebt die Spaltbarkeit auf. Die nicht glycosidisch gebundene Komponente kann stark variieren. Dies zeigt sich schon darin, daß auch einfache Glycoside (z. B. Methylglucosid) durch die entsprechenden Glycosidasen hydrolysiert werden können. a-Glucosidasen. Maltase. Glycoside, die Glucose in der a-Form enthalten, werden durch die a-Glucosidase hydrolysiert. Da die Maltose das wichtigste Substrat ist (Struktur vgl. S. 32), heißt das Ferment auch Maltase. Es kommt im Gerstenmalz, in der Hefe und in der Dünndarmschleimhaut vor. Für die Verdauung der Kohlenhydrate hat die Maltase deshalb Bedeutung, weil durch den enzymatischen Stärkeabbau große Mengen Maltose gebildet werden. Die Maltose wird durch die a-Glucosidase des Darmes zu Glucose hydrolysiert. Es gibt a-Glucosidasen welche auch Saccharose angreifen. Dies ist verständlich, weil in der Saccharose der Glucosylrest tx-Konfiguration besitzt. Solche Enzyme werden als Glucosaccharasen bezeichnet. Man nahm daher früher an,

Die Fermente

206

daß im Darm Saccharose und Maltose durch die gleiche a-Glucosidase hydrolysiert werden. Nach neueren Untersuchungen erfolgt aber die Spaltung dieser Zucker durch unabhängige Fermente1). ß-Glucosidasen. Die wichtigste Quelle der jS-Glucosidase ist das Fermentgemisch, das durch Extraktion zerriebener bitterer Mandeln erhalten wird, das sog. Emulsin. Läßt man den Extrakt stehen, so entwickelt sich der Geruch des Benzaldehyds. [n den Mandeln findet sich ein Glycosid, das Amygdalin, welches unter der Einwirkung des Emulsins in zwei Moleküle D-Glucose, Benzaldehyd und Blausäure, zerfällt. Amygdalin ist das /S-Gentiobiosid des linksdrehenden Mandelsäurenitrils: C,H„—CH—CN

0—C12H21Ol0 Das Disaccharid Gentiobiose besteht seinerseits aus zwei in Stellung 6 /S-glycosidisch verknüpften Glucosemolekülen. Bei dieser Spaltung sind zwei Fermente beteiligt; die Reaktion geht in drei Stufen vonstatten: 1.

Amygdalin + H 2 0

/S-Glucosldase

— : —ucos as«

H 2. C . H . - L o - C . l ^ o . + H20 i

>

{ f^

^lucose +

j j j j 0 j Mandelsäurenitrilglucosid (Prunas in)

^G'UC03lda8°->

CN Mandelsäurenitrilglucosid II

CN

(Oxynltrilase)

1 j | ™ S1UTf

+

( 1 Mol Mandelsaun Mandelsäurenitril

CeH,—C• Fructosyl-Ferment -f- Glucose +

Fructosyl-Ferment

H a 0

Hydrolyse

(

P r u c t o a e

+ Saccharose —

+

Fe

rment

rr;—• Trisaccharid + Ferment (Difructosylglucosid)

Übertragung

Ebenso sind Enzyme bekannt, welche den Zuckerrest eines Desoxyribosenucleosids auf eine andere Base übertragen können (Trans-N-glycosidase) (vgl. S. 463). l)

Vjjl. Bücher, Biochim. Biophys. Acta 1, 292 (1947).

Gruppenübertragende Formente (V)

215

Auch bei den Peptiden und Aminosäureestern sind Reaktionen bekannt, durch welche Aminosäurereste ausgetauscht werden. Die Reaktion verläuft nach dem folgenden allgemeinen Schema: R'—NH— CO—R + R"—NHj

R"—NH—CO—R + R'—NHa

R'—0- CO—R + R"—NH,

R"—NH—CO—R + R'-OH

oder

Man hat derartige Reaktionen bei der Einwirkung verschiedener reiner Proteinasen (Chymotrypsin, Papain, Kathepsin, Ficin) auf Peptide oder auch Aminosäureester beobachtet. Diese Enzyme wirken also nicht nur hydrolytisch, sondern sind auch imstande, eines der Spaltstücke des Substrats unter Bildung einer neuen Peptidbindung an eine andere Aminosäure oder ein Peptid anzufügen; sie wirken als T r a n s p e p t i d a s e n . Man kann hier einen ähnlichen Mechanismus annehmen wie bei den Transglycosidasen, nämlich eine intermediäre Bindung des Aminosäurerests an das Ferment. Reaktion mit Wasser ergibt Hydrolyse, Reaktion mit einem Akzeptor ein neues Peptid. Die Tatsache, daß sowohl Proteasen als auch Glycosidasen als gruppenübertragende Fermente wirken können, wirft ein neues Licht auf ihre physiologische Bedeutung. Ihre Funktion im Zellstoffwechsel scheint nicht nur in der hydrolytischen Spaltung der Substrate zu bestehen. Sie können auch einzelne Bausteine direkt in neue Verbindungen einfügen und sind daher wahrscheinlich am Aufbau der Peptide und Polysaccharide wesentlich beteiligt. Es muß hier ferner die T r a n s a c e t y l i e r u n g erwähnt werden, der nach neueren Untersuchungen im Intermediärstoffwechsel eine große Bedeutung zukommt, insbesondere bei der Synthese der Fettsäuren und beim Aufbau der Sterine, der Terpene und anderer Verbindungen. Bei dieser Reaktion wird ein mit dem sog. C o e n z y m A verbundener Essigsäurerest („aktivierte Essigsäure") in andere Verbindungen eingeführt. Die Enzyme werden als A c e t o k i n a s e n bezeichnet. Diese Reaktionen werden später eingehend besprochen (vgl. S. 511 u. ff.). Auch der Formylrest wird bei verschiedenen Reaktionen in ähnlicher Weise durch intermediäre Bildung einer „aktivierten" Verbindung übertragen, wobei als Coferment die Tetrahydrofolsäure wirksam ist (vgl. S. 798). Die T r a n s a m i n a s e n oder A m i n o p h e r a s e n katalysieren eine reversible Reaktion, bei welcher in der Regel die Aminogruppe einer der beiden Aminodicarbonsäuren auf eine a-Ketosäure übertragen wird, wobei eine neue Aminosäure entsteht, z.B.: CO OH COOH I COOH COOH C=0 HCNH2 I I I I ch 2 HCNHj C=0 + + CHa I I ch 2 R R CH2 COOH COOH Glutaminsäure

Brenztraubensäure

a-Ketoglutarsäure

Alanin

Als Coferment funktioniert das P y r i d o x a l p h o s p h a t ; vgl. S. 382. Die Transaminasen sind für den intermediären Aminosäurestoffwechsel von großer Bedeutimg, weil sie die Synthese von Aminosäuren aus den entsprechenden a-Ketosäuren ermöglichen. Näheres vgl. S. 381 u. ff.

216

Die Methoden zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels

Eine Reaktion besonderer Art ist die Übertragung der Amidingruppe —C(: NH)NH2. Als einziges Beispiel ist die Bildung der ßuanidinessigsäure aus Glycocoll und Arginin bekannt (Kreatinsynthese, vgl. S. 415). Hier ist ferner das Enzym zu erwähnen, das den Carbamylrest —CONHa aus dem Carbamylphosphat HJOJP—O—CONHj auf Amine überträgt und das insbesondere an der Harnstoffsynthese beteiligt ist (S. 435).

Als Transmethylasen bezeichnet man Enzyme, welche die „biologisch labile" Methylgruppe des Methionins auf andere Verbindungen übertragen. Durch solche Enzyme werden z. B. Methylgruppen in das Kroatin und das Cholin eingeführt. Intermediär wird mit Adenosin ein reaktionsfähiges Sulfoniumsalz gebildet, das die Gruppe >S+—CH S enthält und das das eigentliche methylierende Reagens darstellt (S. 408). Zu den gruppenübertragenden Fermenten gehört auch die bereits früher unter den Desmolasen erwähnte Transketolase. Aus den in diesem Abschnitt erwähnten Beispielen geht hervor, daß sich überhaupt eine scharfe Trennung zwischen gruppenübertragenden Fermenten und spaltenden Fermenten (Hydrolasen und Desmolasen) in vielen Fällen nicht durchführen läßt, weil verschiedene spaltende Fermente gleichzeitig auch imstande sind, das eine Spaltstück des Substrats, das sie angreifen, auf eine andere Verbindimg zu übertragen. E. Isomerascn (VI)

Es handelt sich hier um Fermente, welche phosphorylierte Aldosen und Ketosen reversibel ineinander überführen; Beispiel: Triose-isomerase:

H 2 C • O • PC^Hj Phosphoglycerinaldehyd

HjC • O • P03H2 Phosphodihydroxyaceton

Weitere Enzyme dieser Gruppe sind die Hexose-isomerase und die Pentoseisomerasen. Alle setzen die Phosphorsäureester einer Aldose und einer Ketose miteinander ins Gleichgewicht. Näheres vgl. S. 285, S. 286 und S. 307. F. Fermente der Oxydorednktion (VII)

Diesen Fermenten, die für den Zellstoffwechsel eine überragende Bedeutung haben, ist das Kapitel 12 gewidmet, so daß sich eine Aufzählung hier erübrigt. E l f t e s Kapitel Die Methoden zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels In den folgenden Abschnitten des Buches werden die chemischen Umwandlungen besprochen, welchen die Nährstoffe und Zellbausteine in den Zellen unterworfen sind. Man faßt die Gesamtheit der biochemischen Reaktionen, die sich im Organismus abspielen, von der Aufnahme der Nahrungsstoffe bis zur Ausscheidung der Endprodukte gewöhnlich unter der Bezeichnung Intermediärstoffwechsel zusammen. Es sind dies die Reaktionen, durch welche der Organismus seinen Energiebedarf deckt und die für seine verschiedenartigen Funktionen nötigen Stoffe aufbaut.

217

Die Methoden zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels

Die in der lebenden Substanz sich abspielenden Reaktionen sind sehr verwickelt. Die meisten Umwandlungen verlaufen über eine große Zahl einzelner Stufen; die Aufgabe der biochemischen Forschung besteht zunächst darin, die komplexen Vorgänge in die Einzelreaktionen aufzulösen. Dazu ist nötig, die Verbindungen zu erfassen, die als Zwischenstufen auftreten und, da die große Mehrzahl der biochemischen Reaktionen fermentativer Natur sind, die Enzyme kennenzulernen, welche die Umwandlungen bewirken. Um über die Möglichkeiten, die Zwischenstufen einer solchen Reaktion zu erfassen, ins klare zu kommen, betrachten wir ihren Verlauf unter vereinfachenden Bedingungen. Wir nehmen eine biochemische Umwandlung in einer Zelle oder einer Fermentlösung an, die von einem Stoff A (Ausgangsprodukt) über die Zwischenstufen X x , X 2 . . . usw. zum Stoff B (Endprodukt) führt; schematisch dargestellt: Die Gesamtreaktion A >• B setzt sich aus den Teilreaktionen a, b , . . . n zusammen. Wir nehmen der Einfachheit halber zunächst an, A sei in so großer Menge vorhanden, daß sie während der Beobachtungsdauer nicht wesentlich vermindert wird (d. h. die Abnahme soll im Verhältnis zur vorhandenen Menge klein sein). Die Umsatzgeschwindigkeit soll der Konzentration der reagierenden Verbindungen proportional sein. Die Reaktionen können umkehrbar oder nicht umkehrbar sein. Unter diesen Bedingungen wird sich nach einer gewissen Anlaufszeit ein stationärer Zustand einstellen, in welchem die Mengen der einzelnen Zwischenprodukte konstant bleiben und in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen. Die Menge des Ausgangsprodukts A nimmt dann in der Zeiteinheit um einen bestimmten Betrag ab, dA

die Menge des Endprodukts B um den gleichen Betrag zu. Diese Größe die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion, wird, wie leicht einzusehen ist, durch die Geschwindigkeit der langsamsten Teilreaktion bestimmt. Die Menge der im stationären Zustand vorhandenen Zwischenprodukte hängt vom Verhältnis der Geschwindigkeit ihrer Entstehung zur Geschwindigkeit ihres Verbrauchs ab. Verwandelt sich ein Zwischenprodukt rascher in die nachfolgende Verbindung, als es aus der vorangehenden entsteht, so wird es nie in größerer Menge anzutreffen sein; reagiert es umgekehrt viel langsamer weiter, als es gebildet wird, so kann es sich anhäufen. Das Endprodukt einer Reaktionskette ist dadurch gekennzeichnet, daß es nicht weiter umgesetzt wird. Es muß sich also anhäufen und kann gefaßt werden. Verlaufen einzelne Teilreaktionen im Verhältnis zu den anderen langsam, so häufen sich auch die entsprechenden Zwischenstufen an. Man wird sie dann in größerer oder kleinerer Menge neben dem Endprodukt nachweisen können. (Wenn im obigen Schema z.B. die Reaktion c sehr viel langsamer verläuft als die Reaktion b, so wird sich X 2 anhäufen.) Unter physiologischen Bedingungen wird der geschilderte stationäre Zustand der mehrstufigen Reaktionen kaum je erreicht. Er stellt einen idealen Grenzfall dar, den wir deshalb zugrunde gelegt haben, weil er die wichtigsten Gesetzmäßigkeiten des Reaktionsablaufs leicht zu übersehen gestattet. Viele Teilreaktionen der biochemischen Umsetzungen verlaufen so rasch, daß die Zwischenprodukte immer nur in verschwindend kleiner Konzentration vorhanden sind und dem direkten Nachweis entgehen. In einzelnen Fällen gelingt es, sie dadurch anzureichern, daß man die Kette der Reaktionen bei einem bestimmten Glied

218

Die Methoden zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels

unterbricht. Dieses Glied, vorher Zwischenprodukt, wird nun zum Endglied der verkürzten Reaktionskette und muß sich also anhäufen. Die Unterbrechung der Kette kann auf zwei Arten geschehen, entweder dadurch, daß man die fragliche Zwischenstufe in eine Verbindung überführt, die nicht weiterreagieren kann, d.h. sie a b f ä n g t , oder indem man d a s F e r m e n t b l o c k i e r t , welches die weitere Umwandlung des Zwischenproduktes bewirkt. Eines der bekanntesten Beispiele für das erste Verfahren (Abfangverfahren) ist der Nachweis des Acetaldehyds bei der alkoholischen Gärung. Acetaldehyd tritt als Zwischenprodukt auf, wird aber rasch zu Äthylalkohol reduziert (vgl. S. 289). Setzt man aber dem Gäransatz Sulfit zu, so wird der Aldehyd in seine Sulfitverbindung übergeführt, die nicht reduziert werden kann: H H CH 3 —C=0 + H,SO'3 : Er reichert sich im Gäransatz an und kann leicht nachgewiesen und isoliert werden. Als Beispiel für das zweite Verfahren, die Fermentblockierung, die häufig angewandt wird, nennen wir die Hemmung der Gärung oder der Milchsäurebildung im Muskel durch Fluorid. Durch Fluorid wird das Ferment Enolase gehemmt, welches die Umwandlung der 2-Phosphoglycerinsäure in Phosphobrenztraubensäure bewirkt. Daher häuft sich die Phosphoglycerinsäure an. Sie ist auf diese Weise sowohl in fluoridvergifteten Gäransätzen als auch in Muskelextrakten aufgefunden worden. Wir werden später weitere Beispiele von Fermentblockierung kennenlernen.

Gelegentlich kann es auch unter natürlichen Bedingungen zum Ausfall oder zur Blockierung einzelner Fermente kommen, so daß normalerweise nicht nachweisbare Intermediärprodukte des Stoffwechsels in größerer Menge auftreten. Dies ist der Fall bei gewissen a n g e b o r e n e n S t ö r u n g e n d e s S t o f f w e c h s e l s . Eines der bekanntesten Beispiele ist die sog. A l k a p t o n u r i e . Diese Stoffwechselkrankheit ist durch die Ausscheidung großer Mengen Homogentisinsäure im Urin gekennzeichnet (vgl. S. 394). Die Homogentisinsäure ist ein Zwischenprodukt beim Abbau der aromatischen Aminosäuren, welches normalerweise vollständig oxydiert wird. Durch einen genetisch bedingten Ausfall eines bestimmten Ferments wird beim Alkaptonuriker die weitere Umsetzung der Homogentisinsäure verunmöglicht; sie wird daher in großer Menge in der Niere ausgeschieden. Die Alkaptonurie hat bei der Erforschung des Aminosäurestoffwechsels eine große Rolle gespielt (Neubauer). Sie eröffnete die Möglichkeit, den Tyrosinabbau noch weiter zu analysieren. Die Umwandlung des Tyrosins in Homogentisinsäure verläuft über mehrere Zwischenstufen. Verabreicht man dem Alkaptonuriker eines dieser Zwischenprodukte oder eine Verbindung, die leicht in ein solches übergeht, so wird die Ausscheidung der Homogentisinsäure ansteigen. Man hat also die Möglichkeit zu prüfen, welche Verbindungen als Abbaustufen des Tyrosins in Frage kommen, und hat auf diese Weise wertvolle Einblicke in den Stoffwechsel der aromatischen Aminosäuren erhalten.

Es sind noch verschiedene andere Stoffwechselstörungen bekannt, die sich auf den Ausfall bestimmter Enzyme zurückführen lassen. Sie geben sich meistens, wie die Alkaptonurie, durch das Auftreten anomaler Stoffwechselprodukte zu erkennen. Wir werden verschiedene derartige Beispiele kennenlernen. Es ist aber auch gelungen, Stoffwechseldefekte bei niedrigen Organismen künstlich zu erzeugen. Besonders aufschlußreich waren die Untersuchungen beim Schimmelpilz N e u r o s p o r a crassa (Beadle). Durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen lassen sich Mutanten erzeugen, welche zu bestimmten Stoffwechselreaktionen nicht mehr befähigt sind. Diese Versuche haben gezeigt, daß die Bildimg der verschiedenen Fermente von bestimmten Genen abhängig ist. Wird ein solches Gen durch die Bestrahlung geschädigt, so fällt das betreffende Ferment aus; der Defekt wird an alle weiteren Generationen vererbt.

Die Methoden zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels

219

Es ist bei den stoffwechseldefekten Mikroorganismen in der Regel nicht nötig, nach Intermediärprodukten zu fahnden. Die Störung kann auf einfache Weise durch den Wachstumsversuch entdeckt werden. Der Defekt äußert sich darin, daß die Mutante gewisse Verbindungen als Wachstumsfaktoren benötigt, welche die autotrophe Stammform selbst synthetisieren kann. Sie entwickelt sich also im gewöhnlichen Nährmilieu nicht mehr. Ein Beispiel möge dies illustrieren und gleichzeitig zeigen, wie solche Mutanten zur Aufklärung von Stoffwechselreaktionen herangezogen werden können1). Man hat eine Neurosporamutante A isoliert, welche die Aminosäure Tryptophan als Wachstumsfaktor braucht. Ohne Tryptophan wächst der Pilz nicht; das Tryptophan läßt sich durch keine andere verwandte Verbindung ersetzen. Eine zweite Mutante B kann sich ebenfalls ohne Tryptophan nicht entwickeln; das Tryptophan kann aber durch Indol ersetzt werden. Eine weitere Mutante C schließlich vermag auch zu wachsen, wenn man dem Milieu an Stelle von Tryptophan oder Indol die Anthranilsäure zusetzt. Man kann aus diesen Beobachtungen den Schluß ziehen, daß die Bildung des Tryptophans über die Anthranilsäure und das Indol als Zwischenstufen erfolgt (vgl. S. 399)2): | C

COOH

| B

r.CH NH

i A

r,C—CH,—CH-COOH

/ " N NH

Bei der Neurosporamutante A ist die Reaktion blockiert, die vom Indol zum Tryptophan führt (vgl. obiges Schema); das Ferment, das diese Umwandlung bewirkt, muß entweder fehlen oder auf irgendeine Weise inaktiviert sein. Mutante B kann zwar Indol in Tryptophan, nicht aber Anthranilsäure in Indol überführen; hier ist die letztere Reaktion blockiert. Mutante C schließlich kann aus Indol oder Anthranilsäure das Tryptophan synthetisieren, ist aber unfähig, die Anthranilsäure aufzubauen. Auf diese Weise sind eine ganze Reihe von biochemischen Reaktionen bei Neurospora und auch bei anderen Organismen aufgeklärt worden. Wir werden auf einzelne Beispiele später zurückkommen.

Wir müssen nun kurz einige allgemeinere Methoden erwähnen, die zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels verwendet werden. Die meisten natürlichen Verbindungen — jedenfalls gilt dies für Kohlenhydrate, Fette und Aminosäuren — werden im Tierkörper weitgehend abgebaut. Ihre Verabreichung, auch in großen Mengen, führt in der Regel nicht zur Ausscheidung charakteristischer Stoffwechselprodukte oder deren Anreicherung in den Geweben. Gelegentlich kann man durch Einführung bestimmter Gruppen die Moleküle schwerer angreifbar machen und hat dann die Möglichkeit, Bruchstücke zu erfassen, die sonst vollständig abgebaut würden. Doch ist zu bedenken, daß jede Veränderung eines organischen Moleküls völlig neue Bedingungen schaffen kann, so daß Schlüsse vom Verhalten der künstlich abgeänderten Verbindungen auf das Verhalten der natürlichen Stoffe nur mit Vorbehalt gezogen werden können. Die Methode hat trotzdem in vielen Fällen wertvolle Resultate geliefert, so z.B. bei der Erforschung der Fettsäureoxydation (vgl. S. 352 u. ff.). Viele Schwierigkeiten, welche die Untersuchung des Stoffwechsels beim intakten Organismus darbietet, fallen weg, wenn man mit isolierten Organen oder Geweben arbeitet. Jedes Organ und jedes Gewebe besitzt seinen ihm eigentümlichen Stoffwechsel. Viele biochemische Reaktionen sind im Organismus in einzelnen Organen lokalisiert. Man kann daher viele Vorgänge an isolierten Organen besser untersuchen als am intakten Tier. Dazu kommt, daß die Stoffwechselprodukte leichter zu fassen sind, weil sie sich nicht auf den ganzen Organismus verteilen und so von den anderen Geweben verbraucht werden können. Für die Lokalisation der einzelnen Stoffwechselprozesse ist natürlich die gesonderte Untersuchung der einzelnen Organe unerläßlich. x

) Vgl. Beadle, 1. c. Bibliographie. ) Tatum u. Mitarb., Fed. Proc. 8, 511 (1949); Arch. Biochem. 3, 477 (1944); Proc. Nat. Acad. Sei., USA., 30, 30 (1940). 2

220

Die Methoden zur Erforschung des Intermedi&rstoffwechsels

Man kann einzelne isolierte Organe mit Blut oder einer geeigneten Ersatzflüssigkeit durchströmen (welcher u. U. Erythrocyten zugefügt werden müssen, um die Sauerstoffversorgung sicherzustellen). Die zu untersuchenden Stoffe werden der Durchströmungsflüssigkeit zugesetzt, aus welcher am Schluß auch die Stoffwechselprodukte isoliert werden können. Für die Durchströmung ist vor allem die Leber gut geeignet. Die Methode ist aber auch auf Nieren, Herz (z. B. Starlingsches Herz-Lungenpräparat), einzelne Extremitäten usw. angewandt worden. Sehr ausgedehnte Anwendung hat die von 0 . W a r b u r g erstmals verwendete Methode der Gewebsschnitte gefunden. Man stellt aus dem überlebenden Organ mit dem Rasiermesser dünne Schnitte her, die in der Versuchslösung suspendiert werden. Damit die Sauerstoffversorgung aller Zellen des Schnitts gesichert ist, darf die Schnittdicke einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten (Grenzschnittdicke). Die Stoffwechselprodukte können in der Suspensionsflüssigkeit bestimmt werden. Die Gewebsschnittmethode wurde von W a r b u r g zur Messung des Gaswechsels (Sauerstoffaufnahme, Kohlensäureabgabe) verwendet. Er bediente sich dazu des von H a i d a n e und B a r c r o f t entwickelten „Blutgasmanometers". Die Schnitte werden in Reaktionsgefaße gebracht, die mit einem Flüssigkeitsmanometer verbunden sind und in einem Wasserbad konstanter Temperatur geschüttelt werden können. Aus der Druckänderung kann die Änderung des Gasvolumens leicht berechnet werden. Die W a r b u r g s c h e manometrische Technik gehört zu den grundlegenden biochemischen Methoden. Die Gewebsschnittmethode hat gegenüber der Durchströmungsmethode den Vorteil größerer Einfachheit und außerdem ist sie viel allgemeiner anwendbar. Eine gewisse Schädigung der Gewebe läßt sich allerdings nicht vermeiden. In vielen Fällen kann an Stelle der Schnitte auch grob zerkleinertes Gewebe (Gewebssuspensionen) verwendet werden. Bei der Verwendung überlebender Gewebe spielt die Diffusion eine große Rolle. Unter den Bedingungen des Versuchs müssen oft Substanzen von außen an die Zelle herangebracht werden, die unter physiologischen Bedingungen in der Zelle selbst entstehen; in vielen Fällen vermögen dieselben aber die Zelloberfläche nicht oder nur langsam zu durchdringen. Sie werden vom ßewebsschnitt oder dem durchströmten Organ anscheinend gar nicht umgesetzt, während sie in Wirklichkeit sehr reaktionsfähig sind. Damit ist der Anwendung von intaktem überlebendem Gewebe eine Grenze gesetzt.

Ausgedehnte Anwendung haben zerkleinerte Gewebe gefunden, in denen die Zellen fast vollständig zerstört sind (sog. „ H o m o g e n a t e " ) . Sie haben den Vorteil, daß die Zellpermeabilität völlig ausgeschaltet ist. Der Aufschluß der Gewebe kann auf verschiedene Weise geschehen, bei großen Mengen z. B. durch Zertrümmerung mit dem „Turmix" usw. Für kleine Mengen Gewebe wird heute der „Homogenisator" nach P o t t e r und E l v e h j e m häufig angewandt, welcher eine vollständige Zerstörung der Zellen gestattet. Der Apparat besteht aus einem Pistill, das in ein dickwandiges Reagensglas eingeschliffen ist, so daß zwischen Pistill und Glaswand ein Spalt von wenigen Zehntelmillimetern besteht. Das zu zerkleinernde Gewebe wird mit der Suspensionsflüssigkeit in das Glas gegeben und das Pistill auf die vertikal stehende Achse eines rasch laufenden Motors aufgesetzt. Beim Einpressen des rotierenden Pistills in das Glas wird das Gewebe durch den engen Spalt zwischen Glas und Pistill gedrückt und dort vollständig zerrieben.

Viele Fermente gehen beim Zerkleinern („Homogenisieren") des Gewebes in Lösung; andere bleiben an die Strukturelemente der Zelltrümmer gebunden und lassen sich deshalb leicht von den ersteren abtrennen. Durch besondere Verfahren ( f r a k t i o n i e r t e Z e n t r i f u g a t i o n in geeigneten Lösungen) lassen sich aus dem homogenisierten Gewebe gewisse morphologisch wohldefinierte Zellbestandteile wie

Anwendung der Isotope biologischer Elemente als „tracer"

221

die Kerne oder die Zellgranula im intakten Zustand gewinnen. Dadurch ist die Lokalisation verschiedener Stoffwechselprozesse in der Zelle möglich. Auch die Untersuchung der Stoffwechselvorgänge in zerkleinertem Gewebe begegnet charakteristischen Schwierigkeiten. Bei der mechanischen Zertrümmerung der Zellen kommen vorher getrennte Zellbestandteile miteinander in Berührung. Die Stoffwechselvorgänge, die in der lebenden Zelle die ständige Erneuerung der Zellsubstanz bewirken, kommen bald zum Stillstand, und daher setzen sehr rasch Abbauvorgänge ein. Auf diese Weise können empfindliche Stoffe, Fermente oder Coenzyme, in kurzer Zeit inaktiviert werden. Das zerkleinerte Gewebe muß immer in Form einer mehr oder weniger verdünnten Suspension verwendet werden. Da viele Aktivatoren der Enzyme (Cofermente) durch die Zerstörung der Zellen frei diffusibel werden, können sie in der Suspension so stark verdünnt sein, daß sie unwirksam werden. Man hat früher von verschiedenen Enzymen, die im zerkleinerten Gewebe unwirksam werden, angenommen, daß ihre Aktivität eine intakte Zellstruktur zur Voraussetzung hat. In vielen Fällen handelt es sich aber nur um eine zu starke Verdünnung der unentbehrlichen Aktivatoren. Es gibt allerdings Enzyme, die sich bis heute nicht von bestimmten Strukturbestandteilen der Zelle haben abtrennen lassen. Oft ist es von Vorteil, das zerkleinerte Gewebe durch Eintragen in Aceton rasch zu entwässern. Auf diese Weise gewonnene „Acetontrockenpulver" sind für die Darstellung vieler Fermente ein günstiges Ausgangsmaterial. Wir können hier die Methoden, die weiter zur Abtrennung und Isolierung einzelner Fermente führen, nicht besprechen. Sie sind je nach Art der Gewebe und der Enzyme sehr verschieden. Im wesentlichen sind es die Methoden der Eiweißchemie.

Anwendung der Isotope biologischer Elemente als „tracer" Wir müssen hier noch kurz auf die modernste Methode der Stoffwechselforschung zu sprechen kommen, die Verwendung der stabilen und radioaktiven Elemente als „tracer", weil wir in den nachfolgenden Kapiteln an verschiedenen Stellen die Ergebnisse dieser Methode benutzen werden. Sie hat auf verschiedenen Gebieten zu bedeutenden Erfolgen geführt. Wir erhalten den besten Einblick in die Natur und die Leistungsfähigkeit der Methode, wenn wir einige charakteristische Probleme betrachten, die mit ihrer Hilfe angegriffen werden können. Führen wir einem Organismus eine Substanz zu, die ein normaler Bestandteil seiner Zellen ist, so können wir ihren Weg und ihre Umwandlungen in der Regel nicht verfolgen. Die Substanz oder die Verbindungen, die aus ihr hervorgehen, vermischen sich mit den schon vorhandenen gleichartigen Stoffen, so daß es unmöglich ist, sie wieder aufzufinden. Wenn die zugeführte Menge genügend groß ist, kann es allerdings vorkommen, daß einzelne Gewebsbestandteile vermehrt werden oder daß die Ausscheidimg gewisser Stoffe zunimmt, und wir können annehmen, daß die zugeführte Substanz das Material dazu liefert. Aber auch in diesem Falle bleibt eine Unsicherheit bestehen. Die zugeführten Substanzen können die beobachteten Veränderungen auch auf indirektem Weg auslösen. Es gibt keine Möglichkeit, auf direkte Weise den Anteil festzustellen, den die körpereigenen und die von außen kommenden Stoffe an der Neubildung der Gewebsbestandteile oder der Ausscheidungsprodukte haben. Einige Beispiele mögen diese Sachlage illustrieren. Die Glucose, welche das Tier in seiner Nahrung aufnimmt, kann entweder verbrannt werden oder in Glycogen übergehen oder zur Fettbildung dienen; wir können aber nicht mit Sicherheit angeben, welcher Anteil des zugeführten Zuckers für die verschiedenen Reaktionen verwendet wird. Ähnlich verhält es sich mit den Fettsäuren; sie können als Reservefett in den Geweben abgelagert oder oxydiert werden. Auch hier wissen wir nicht, in welchem Umfang die verschiedenen möglichen Stoffwechselreaktionen stattfinden. Beim optimal ernährten Tier ist sowohl der gesamte Glycogenbestand als auch der

222

Die Methoden zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels

Fettbestand des Körpers annähernd konstant, und die Reserven sind aufgefüllt. Das Tier nimmt aber beständig Kohlenhydrat und Fett auf. Wird unter diesen Bedingungen das zugeführte Kohlenhydrat und Fett sofort verbrannt, ohne daß in den Geweben Glycogen oder Reservefett deponiert wird ? Oder findet eine ständige Erneuerung der Depots statt, indem dort altes Material mobilisiert und neues eingelagert wird ? Auch von den aufgenommenen Aminosäuren können wir nicht angeben, auf welche Weise sie verwertet und im Körper verteilt werden. Beim Erwachsenen ist der Eiweißbestand konstant; es wird so viel Stickstoff ausgeschieden, als aufgenommen worden ist. Werden unter diesen Bedingungen die aufgenommenen Aminosäuren sofort abgebaut und verbrannt, d. h. stammt der ausgeschiedene Stickstoff aus dem Nahrungseiweiß, oder findet ein Austausch mit den Eiweißkörpern der Gewebe statt, so daß der ausgeschiedene Stickstoff sowohl vom Nahrungs- als auch vom Gewebseiweiß geliefert wird ? Ähnliche Probleme stellen sich auch bei der biochemischen Synthese der organischen Verbindungen. In vielen Fällen fließt das Material, das zum Aufbau eines Moleküls dient, aus verschiedenen Quellen. Es werden die Bruchstücke verschiedener Verbindungen zu einem neuen Molekül zusammengefügt, und es entsteht daher die Frage, woher die einzelnen Bausteine stammen und in welcher Weise sie verbunden worden sind. Auf viele der oben formulierten Fragen läßt sich auf indirektem Weg eine Antwort finden, die aber meistens mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. Es fehlte bisher eine Methode, welche es gestattet hätte, derartige Probleme direkt und endgültig zu lösen. Man erkennt leicht die gemeinsame Schwierigkeit der aus den verschiedensten Gebieten des Stoffwechsels hergeholten Fragen: Es ist nicht möglich, die einem Organismus von außen zugeführten Moleküle von den gleichartigen körpereigenen zu unterscheiden. Wir können mit den gewöhnlichen chemischen Methoden die stofflichen Veränderungen nur bilanzmäßig erfassen, aber nicht das individuelle Verhalten der einzelnen Moleküle verfolgen. Wir sollten die dem Organismus von außen zugeführten Moleküle auf irgendeine Weise kennzeichnen können, um sie im Stoffwechselgetriebe des Organismus nicht zu verlieren. Eine solche Kennzeichnimg auf chemischem Wege ist in verschiedenen Fällen versucht worden. Man hat z. B. in organische Verbindungen Substituenten eingeführt, meist allerdings mit dem Nebenzweck, das Molekül weniger reaktionsfähig zu machen, oder man hat an Stelle des natürlichen Stoffs eine ähnliche, aber im Körper nicht vorkommende Verbindung verwendet, die sich von der natürlichen gut unterscheiden läßt, in der Annahme, daß sich der Ersatzstoff ähnlich verhält wie die natürliche Verbindung. So hat man z. B. Ölsäure durch Elaidinsäure ersetzt oder organische Verbindungen der Orthophosphorsäure durch die entsprechenden Arsenverbindungen. Aber abgesehen davon, daß solche Methoden nur in ganz speziellen Fällen anwendbar sind, können sie nie zu sicheren Resultaten führen, weil jede chemische Veränderung eines Moleküls sein biologisches Verhalten vollständig verändern kann. Das Problem der Kennzeichnung chemischer Verbindungen ohne Änderung ihrer chemischen Eigenschaften ist erst durch die Einführung der Isotope gelöst worden. Ohne auf Einzelheiten eingehen zu können, erinnern wir an die folgenden Grundtatsachen: Die chemischen Eigenschaften der Elemente hängen vom Bau der Elektronenschale ab. Die verschiedenen Isotope eines Elements unterscheiden sich aber

Anwendung der Isotope biologischer Elemente als „tracer"

223

nur durch ihr Atomgewicht, d.h. durch die Masse des Kerns; die chemischen Eigenschaften der Isotope ein und desselben Elements sind identisch. Die Isotope lassen sich nur durch physikalische Methoden voneinander unterscheiden und bestimmen. Sie eignen sich in idealer Weise dazu, chemische Verbindungen zu „markieren", ohne sie mit einer „Indikatorgruppe" versehen und damit ihre chemischen Eigenschaften verändern zu müssen. Man führt bei der Synthese der zu untersuchenden organischen Verbindungen an Stelle des gewöhnlichen Elements ein Isotop ein und erhält so Moleküle, die zwar genau die gleichen chemischen Eigenschaften haben wie die normalen, aber dank ihrem Isotopengehalt von denselben unterschieden werden können. (Bei der Verwendung radioaktiver Elemente enthält immer nur ein verschwindend kleiner Bruchteil der Moleküle das Isotop; bei den stabilen Isotopen ist ein bedeutend größerer Gehalt nötig, um die Bestimmung exakt durchführen zu können.) Wenn die markierte Verbindung von irgendeinem Organismus aufgenommen wird, so bezeichnet das Isotop den Weg, welchen das markierte Atom im Stoffwechsel durchläuft; es dient als „tracer" („Leitisotop"). Dank den großen Fortschritten der Kernphysik ist es in den letzten Jahren gelungen, von den meisten biologischen Elementen geeignete Isotope in so großen Mengen herzustellen, daß sie in ausgedehntem Maße für biologische Versuche Anwendung finden konnten. Wir müssen in methodischer Hinsicht zwei Arten von Isotopen unterscheiden: 1. nicht radioaktive „schwere" Isotope mit stabilem Kern und 2. radioaktive mit instabilem Kern. Die ersteren können durch das Massenspektrometer bestimmt werden, die letzteren durch Messung der radioaktiven Strahlung mit Hilfe von Geiger-Müllerschen Zählrohren, Scintillationszählern, Ionisationskammern usw. Natürlich vorkommende radioaktive Isotope finden sich vor allem unter den schweren Elementen (Uran, Radium). Die radioaktiven Isotope der biologisch wichtigen leichten Elemente werden künstlich durch geeignete Kernreaktionen dargestellt (Beschießung mit Elementarteilchen hoher Energie, z. B. Protonen oder Neutronen, heute in großem Umfang im Atomreaktor). Für alle Einzelheiten verweisen wir auf die speziellen Lehrbücher. Wir müssen hier noch eine wichtige Größe erwähnen, welche für die Anwendung der radioaktiven Isotope von Bedeutung ist, die sog. H a l b w e r t s z e i t . Die Strahlung hat ihren Ursprung in einer Zerfallsreaktion der Atomkerne. Die Menge der instabilen Kerne und daher die Intensität der Strahlung nehmen beständig ab, und zwar nach einem einfachen logarithmischen Gesetz. Sei x die Zahl der instabilen Atome (welcher die Strahlungsintensität proportional ist) zur Zeit t, —dx die Abnahme dieser Größe während des kleinen Zeitintervalls dt, so ist das Verhältnis dx —dx: x unabhängig von x und proportional dt, also — dx/x = kdt oder — = — kx; die Auflösung dieser Differenzialgleichung gibt in bekannter Weise

ut

logx 0 /x = k(t—1„), wo x 0 die Strahlungsintensität ( = Zahl der instabilen Atome) zur Zeit t 0 , x die Strahlungsintensität zur Zeit t bedeutet. Das Zeitintervall, währenddessen die Strahlungsintensität auf log 2 den halben Wert absinkt, ist daher eine konstante Größe t—10 = ° und kann als Maß für die Zerfallsgeschwindigkeit dienen, denn sie ist umgekehrt proportional der Zerfallskonstanten k.

Wenn ein Isotop als „tracer" für biologische Versuche verwendet werden soll, so darf es nicht zu kurzlebig sein. Andernfalls ist die Aktivität am Ende der Versuchszeit (wozu auch die Zeit für die Synthese der markierten Verbindungen und die Vorbereitung des Materials zur Messung gehört) so klein geworden, daß sie nicht mit

224

Die Methoden zur Erforschung des Intermediärstoffwechsels

genügender Genauigkeit gemessen werden kann. Glücklicherweise existieren von den wichtigsten biologischen Elementen Isotope mit geeigneter Halbwertszeit. Die wichtigsten Isotope, die bei der Erforschung des Intermediärstoffwechsels Verwendung gefunden haben, sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt; bei den stabilen ist die Häufigkeit des natürlichen Vorkommens in %, bei den radioaktiven die Halbwertszeit angegeben. Die angeführten Isotope sind /S-Strahler. Im folgenden werden die Isotope dadurch gekennzeichnet, daß das Atomgewicht als Index in Klammern dem Symbol des Elements beigefügt wird, z. B. bedeutet C^13) den „schweren" Kohlenstoff, CN N

N+ HC

H^OH HCOH

HC-

O

HioH I

HC

N

o II

Codehydrogenase II (TPN)

0 -O—P—OH ¿H

HC

i !H, O O I II Ö- -P—O- - P ¿H

CH.

I -O

¿H

Beide Ribosidbindungen liegen in der ^-Konfiguration vor. Der Bestandteil des Nucleotida, der den Wasserstoff aufnimmt, ist das Nicotinsäureamid. Das ließ sich daraus schließen, daß auch einfache Pyridiniumverbindungen wie das Trigonellin (Formel S. 629) sich hydrieren lassen und dabei die gleiche Veränderung der Lichtabsorption zeigen wie das Nucleotid. Das eine Wasserstoffatom wird an den Pyridinring angelagert, das andere tritt als Wasserstoffion auf. Man nahm zunächst an, daß der Pyridinring in ortho-Stellung zum Stickstoff hydriert wird (Formel unten links). Neuere Untersuchungen führten aber eindeutig zum Schluß, daß der Wasserstoff in para-Stellung eintritt.

Die wasserstoffübertragenden Cofermente H j^j-CONH,

+ 2 H

241 H

H /^-CONH,

N+ I R

D

/^-CONH,

N I R

oxydiertes Coferment

\ /

I R

reduziertes Coferment

Monodeuterocoferment

Diese Annahme stützt sich vor allem auf Versuche mit deuteriumhaltigen Verbindungen. Einerseits findet sich nach enzymatischer Reduktion des Coferments mit deuteriumhaltigen Wasserstoffdonatoren das Isotop in para-Stellung; andererseits wird aus dem in ortho- oder para-Stellung deuterisierten Coferment nur im zweiten Fall das Deuterium auf da« Substrat übertragen 1 ). Die Reduktion der Pyridinnucleotide erfolgt in schwach alkalischer Lösung auch sehr leicht durch Hydrosulfit Na a S 2 0 4 . Wie oben angegeben, werden f ü r die beiden Pyridinnucleotide häufig die Abkürzungen D P N bzw. T P N benutzt oder, um anzudeuten, daß es sich um Pyridiniumsalze handelt, D P N + bzw. T P N + . Die reduzierten Verbindungen werden durch DPNH S oder besser durch D P N H + H+ bzw. T P N H + H + bezeichnet. Wir werden im folgenden stets die letztgenannte Abkürzung benutzen. Die reduzierte Form der Pyridincofermente ist durch eine charakteristische Absorptionsbande im Ultraviolett bei 340 m p ausgezeichnet. Dank dieser Eigenschaft ist es möglich, Reaktionen, an denen Codehydrogenase I oder I I beteiligt ist, optisch zu verfolgen. Diese Methode des o p t i s c h e n T e s t s hat in den Händen von W a r b u r g bei der Isolierung einer Reihe von Gärungsfermenten eine überragende Rolle gespielt.

Es zeigt sich nun, daß in der oben besprochenen Reaktion das Glucosephosphat durch das Pyridinnucleotid, und zwar in diesem Fall durch das TPN, dehydriert wird, so daß 6-Phosphogluconsäure entsteht: Glucose-6-phosphat + TPN+ — • Gluconsäure-6-phosphat + T P N H + H+.

(Ausführliche Formeln siehe S. 307.) Die obige Reaktion kann aber nur in Gegenwart eines spezifischen Proteins stattfinden (das „Zwischenferment" Warburgs = Glucose-6-phosphatdehydrogenase), mit dem sich das Nucleotid verbindet. Dieses Protein ist das Apoferment der Dehydrogenase, durch dessen Vereinigung mit dem Coferment erst das aktive Enzym entsteht. Es liegt hier der Fall eines Enzyms vor, das mit seinem Coferment in einem reversiblen Gleichgewicht steht. Alle Verbindungen der Pyridinnucleotide mit den Fermentproteinen sind dieser Art. Das Gleichgewicht kann, wenn wir den einfachsten Fall der Bindung eines Moleküls Coferment durch ein Molekül Fermentprotein annehmen, durch die folgenden Reaktionsgleichungen dargestellt werden: Ferment + D P N

,

" Ferment — D P N

bzw. Ferment + D P N H ,

" Ferment — D P N H

In der Regel sind die entsprechenden Dissoziationskonstanten k

D P N

_ (DPN) (Ferment) (Ferment - DPN

^ _

^ '

DPNH

_ (DPNH) (Ferment) (Ferment - DPNH)

voneinander verschieden. !) P u l l m a n u. Mitarb., J . biol. Chem. 206, 129 (1964); L o e w u s u. Mitarb., J . Am. ehem. Soc. 77, 3391 (1955). Über den Mechanismus der Reduktion vgl. auch C o l o w i c k , in M c E l r o y u. G l a s s : The mechanism of enzyme action, S. 353. Baltimore 1954. 16 L e n t h a r d t

Lehrbuch, 15.Aufl.

242

Die biologische Oxydation

Wir müssen uns vorstellen, daß Cofennent und Substrat an der Oberfläche des Permentproteins derart gebunden sind, daß der Wasserstoff direkt zwischen Donatorund Akzeptorgruppe verschoben werden kann. Im folgenden Schema, das den Übergang des Wasserstoffs vom Coferment auf das Substrat veranschaulichen soll, ist Acetaldehyd als Substrat angenommen (Apoferment Alkoholdehydrogenase s. unten). Die Bindung von Coferment und Substrat an das Protein ist völlig willkürlich angenommen: H„NOC

Ö

H^^CH,

HjNOC

/ H - C s H

R—N.

"

H+

Fermentprotein (Alkoholdehydrogenase)

D H

Monodeuterocoferment (Pyridinring horizontal, D oberhalb, H unterhalb der Bingebene)

Von großem Interesse ist auch die Tatsache, daß die Reduktion stereospezifisch verläuft. Wie sieh mit Hilfe von Monodeutero-DPNH zeigen ließ (Formel oben), wird stets nur das auf der einen Seite des Pyridinrings liegende Wasserstoff- (bzw. Deuterium-)atom auf den Akzeptor übertragen (im obigen Schema das oberhalb des Bings liegende) oder, bei der Beduktion des Coferments, das H-Atom stets auf der gleichen Seite des Bings eingefügt1).

Die Codehydrogenase I (Diphosphopyridinnucleotid) ist identisch mit der „Cozym a s e " der Hefe. Die Existenz eines Coferments der alkoholischen Gärung war schon lange bekannt (Harden und Young 1904, E u l e r , vgl. das Kapitel Kohlenhydratstoffwechsel), aber seine chemische Konstitution wurde erst im Anschluß an die Entdeckung des Triphosphopyridinnucleotids aufgeklärt. Es sind heute eine große Zahl von Dehydrogenasen bekannt, deren Coferment eines der beiden Pyridinnucleotide ist. DPN-abhängige Fermente sind häufiger als TPN-abhängige. In der folgenden Tabelle sind einige Dehydrogenasen zusammengestellt, und es wird angegeben, welches Pyridinnucleotid als Coferment dient2): Substrat

Dehydrierte Verbindung

Codehydrogenase

Nähere Angaben über d. Ferment s. Seite:

Milchsäure Äpfelsäure Äthylalkohol Phosphoglycerinaldehyd . . Glutaminsäure Glucose-6-phosphat . . . . Isocitronensäure

Brenz traubensäure Oxalessigsäure Acetaldehyd 1,3-Diphosphoglycerinsäure a-Ketoglutarsäure + NH 3 Phosphogluconsäure Oxalbernsteinsäure

DPN DPNod.TPN DPN DPN DPNod.TPN DPN DPNod.TPN

290, 292 262, 276 292 287 380 241, 307 265, 277

J e nach dem spezifischen Protein, mit dem es verbunden ist, kann also das Coferment mit verschiedenen Substraten reagieren. Die Spezifität der Dehydrierung wird im wesentlichen durch das Fermentprotein bestimmt. Wir sehen, daß bei der biologischen Dehydrierung nur eine beschränkte Zahl von Cofermenten, aber eine große Zahl von spezifischen Proteinen am Werk sind. *) V e n n e s l a n d u. W e s t h e i m e r , i n M c E l r o y u. G l a s s : The mechanism of enzyme action, S. 357. Baltimore 1954. Weitere Literatur vgl. Ann. Rev. Biochem. 25, 257 (1956); 26, 23 (1957). 2 ) Zusammenstellung einer Beihe in neuerer Zeit beschriebener DPN- oder TPN-abhängiger Dehydrogenasen vgl. Green u. B e i n e r t , Ann. Bev. Biochem. 24, 24 (1955).

243

Die wasserstoffübertragenden Cofermente

Wenn das Pyridinferment katalytisch wirken soll, so muß das hydrierte Pyridinnucleotid immer wieder zurückoxydiert werden. Dies geschieht meistens durch die gelben Fermente, deren erster Vertreter, das sog. „alte" gelbe Ferment von Warburg und Christian aus Hefe isoliert wurde. CH2 • O . P 0 3 H 2

Cttj. O • P03H2

hÌoh

HÌoh HCOH

Protein

Protein

+ 2H

oxydierte Form

gelbes Ferment:

Leukoform (+2H)

Alle gelben Fermente enthalten in ihrer Wirkungsgruppe das Ringsystem des Isoalloxazins in Form des Lactoflavins. Die zuckerartige Seitenkette ist mit Phosphat verestert. Bei der Reduktion nimmt das Isoalloxazin zwei H-Atome auf, wie die obenstehende Formel zeigt, in welcher auch die Bindung des Lactoflavinphosphats an das Protein angedeutet ist. Wir werden im folgenden für die prosthetische Gruppe der gelben Fermente gewöhnlich „Flavin" bzw. „Flavin H2" für die reduzierte Form schreiben.

In den gelben Fermenten ist die Wirkungsgruppe meistens so fest an das Protein gebunden, daß unter physiologischen Bedingungen die Verbindung nicht merklich dissoziiert. Nur bei stark saurer Reaktion gelingt es, die Wirkungsgruppe vom Protein zu trennen. Durch Dialyse gegen verdünnte Salzsäure (Theoreil) oder durch Ansäuern der Lösung in Gegenwart von Ammoniumsulfat (Warburg und Christian) kann man die Wirkungsgruppe der gelben Fermente abtrennen und das Fermentprotein rein erhalten. Es vereinigt sioh bei neutraler Reaktion wieder mit dem Flavin zum aktiven Ferment. Man kann auf diese Weise auch Wirkungsgruppen austauschen. So läßt sich das Flavin-Adeninnucleotid des „neuen" gelben Ferments (s. unten) mit dem Protein des „alten" Ferments vereinigen, wobei ein „synthetisches" Ferment entsteht, das ähnliche Wirksamkeit zeigt wie das alt« Ferment.

Die Warburgschen Versuche haben ergeben, daß das Lactoflavin des gelben Ferments durch das reduzierte Pyridincoferment (in diesem Fall TPN) hydriert wird. Es findet also die folgende Reaktion statt: TPNH + H+ + Flavin

• TPN+ + Flavin H 2 .

Das hydrierte Ferment schließlich kann in diesem besonderen Fall mit dem Luftsauerstoff reagieren, wobei Wasserstoffsuperoxyd entsteht: Flavin Hs + 0 ,

• Flavin + H 2 0 2 .

Oder es wird durch das dreiwertige Eisen des Cytochroms c oxydiert: FlavinH 2 + 2 Cytochrom [Fes+]

Flavin + 2 Cytochrom [Fe2+] + 2H+

Der erste Weg ist bei hohem Partialdruck des 0 2 , der zweite bei niedrigem Partialdruck bevorzugt (Theoreil). 16*

244

Die biologische Oxydation

Reduziertes Flavin kann aber auch durch Farbstoffe wie Methylenblau wieder oxydiert werden, wobei das Methylenblau zum Leukofarbstoff reduziert wird. Man macht von dieser ßeaktion gelegentlich Gebrauch, um Dehydrogenasen nachzuweisen.

Das oben genannte gelbe Ferment wird heute vielfach als das „alte" gelbe Ferment (Flavinmononucleotid) bezeichnet. Es sind seit seiner Entdeckung andere flavinhaltige Fermente gefunden worden. (Man bezeichnet Proteide, die Flavin in ihrer prosthetischen Gruppe enthalten als Flavopr oteide. Sie stellen eine besondere Gruppe der Chromoproteide dar.) Ihre Wirkungsgruppe enthält aber dazu noch Adenin und Ribose. Es handelt sich also um ein Adenin-Flavin-Dinucleotid. Dieses Coferment wurde zuerst von Warburg aus der von K r e b s entdeckten P-Aminosäureoxydase isoliert. Die letztere dehydriert Aminosäuren der nicht natürlichen D-Reihe unter Ammoniakabspaltung und Bildung der entsprechenden Ketosäure (vgl. S. 279). Das Adenin-Flavin-Dinucleotid hat die Zusammensetzung einer Verbindung aus 1 Molekül Adenylsäure und 1 Molekül Lactoflavinphosphat. Man schreibt ihm daher einen den Pyridin-Adeninnucleotiden analogen Bau zu: NHj

0

¿H

¿H

Die gelben Fermente können also nicht nur, wie früher gezeigt wurde, durch die hydrierten Pyridincofermente, sondern auch durch andere Wasserstoffdonatoren reduziert werden. Wir kennen heute eine Reihe derartiger Flavinenzyme mit verschiedener Spezifität. Auch die Rückoxydation der hydrierten gelben Fermente kann auf verschiedene Weise erfolgen. Wir haben bereits früher ein Beispiel für die Oxydation durch molekularen Sauerstoff kennengelernt, wobei H 2 0 2 entsteht. Wichtiger aber ist die Rückoxydation durch die Cytochrome, auf die wir später zu sprechen kommen werden. Die D-Aminosäureoxydase ist nicht imstande, reduzierte Pyridincofermente wieder zu dehydrieren wie das „alte" gelbe Ferment; sie ist spezifisch auf D-Aminosäuren eingestellt. Dagegen wurde später aus Hefe ein Ferment isoliert, welches wie die Aminosäureoxydase als Wirkungsgruppe Flavin-Adenin-Dinucleotid enthält, aber mit Pyridinnucleotiden (TPN) reagiert (Haas 1 )). Im Gegensatz zum alten Ferment wird seine reduzierte Form von Sauerstoff nur langsam rückoxydiert; dagegen reagiert es sehr rasch mit Methylenblau. Die Proteinkomponente ist von derjenigen ') Haas, Biochem. Zschr. 298, 378 (1938).

Die wasserstoffübertragenden Cofermente

245

des „alten" gelben Ferments verschieden. Es sind seither eine ganze Reihe gelber Fermente bekannt geworden, welche an der Zellatmung beteiligt sind. Es genügt, wenn wir hier auf einige Beispiele hinweisen. Man hat in vielen Geweben Fermente nachgewiesen, welche die Oxydation von reduzierten Pyridinnucleotiden durch 0 2 und Methylenblau oder auch durch Cytochrom c vermitteln. Solche Enzyme wurden von E u l e r als „ D i a p h o r a s e n " , von D e w a n und Green als „ C o e n z y m - F a k t o r " beschrieben1). Sie sind ebenfalls Flavoproteide. Eine reine Diaphorase ist von S t r a u b aus Herzmuskel isoliert worden 8 ). Die Wirkungsgruppe ist wahrscheinlich Flavin-Adenin-Dinucleotid. Das Ferment wird durch die reduzierten Pyridinnucleotide hydriert; die hydrierte Form reagiert langsam mit Sauerstoff, aber schnell mit Methylenblau. Es ist aber vom oben erwähnten Hefeferment verschieden, da es andere optische Eigenschaften zeigt. Es fluoresziert grün, während sonst nur die freien Flavinnucleotide, nicht aber die Flavoproteide Fluoreszenz zeigen. Ein weiteres gelbes Ferment ist aus Hefe dargestellt worden (Haas, H o r e c k e r und Hogness 8 )). Seine Wirkungsgruppe ist Flavinphosphat wie beim „alten" gelben Ferment. Es dehydriert spezifisch das Triphosphopyridinnucleotid und zeigt die Besonderheit, daß es durch Cytochrom c sehr rasch reoxydiert werden kann. (Es reagiert mit Cytochrom etwa 500000mal schneller als mit molekularem Sauerstoff.) Man bezeichnet solche Enzyme daher als C y t o c h r o m r e d u k t a s e n . Ein ähnliches auf TPN eingestelltes Enzym wurde aus Schweineleber dargestellt (Horecker 4 )). Hier sind auch die Flavoproteine aus Herzmuskel und Hefe zu erwähnen, welche die Dehydrierung von reduziertem Diphosphopyridinnucleotid durch lösliches Cytochrom c vermitteln 5 ). Von größtem Interesse ist auch die von M a r t i u s isolierte V i t a m i n K-Reduktase 6 ). Das Enzym enthält als Wirkungsgruppe Flavin-Adenin-Dinucleotid. Die Bedeutung dieser Enzyme liegt darin, daß sie Komponenten der A t m u n g s k e t t e sind, auf die wir im nächsten Abschnitt eingehen werden. Aus der Hefe ist ein Enzym isoliert worden, das nach seinem Absorptionsspektrum ein Cytochrom b ist, das aber neben Protohäm gleichzeitig noch Flavinmononucleotid als prosthetische Gruppe enthält7). Das Ferment dehydriert spezifisch Lactat, ist also eine Milchsäuredehydrogenase.

Außer den oben genannten gelben Fermenten, von denen man vermuten kann, daß sie an den Hauptreaktionen der Atmung (Atmungskette) teilnehmen, sind andere bekannt, die offenbar spezielleren Funktionen dienen, wie die oben erwähnte Aminosäureoxydase. Wir erwähnen hier noch die X a n t h i n o x y d a s e , ein Enzym mit sehr breitem Spezifitätsbereich, das einerseits verschiedene Aldehyde zur entsprechenden Säure, andererseits die Hydroxypurine Hypoxanthin und Xanthin zu Harnsäure oxydiert (vgl. S.476). Wir werden später auf die s o g . Ä t h y l e n h y d r a s e oder Acyl-CoAD e h y d r o g e n a s e zu sprechen kommen, welche bei der /5-Oxydation der Fettsäuren E u l e r u. Mitarb., Naturwiss. 26, 187 (1938); Zschr. physiol. Chem. 252, 31 (1938). ) S t r a u b , Biochem. J. 33, 787 (1939). ) H a a s , H o r e c k e r u. H o g n e s s , J. biol. Chem. 136, 747 (1940). 4 ) H o r e c k e r , J. biol Chem. 183, 693 (1950). 6 ) E d e l h o c h u. Mitarb., J. biol. Chem. 197, 97 (1952); Mahler u. Mitarb., J. biol. Chem. 199, 585, 599 (1952); A l t s c h u l u. Mitarb., Science 94, 349 (1941). Literatur über gelbe Fermente vgl. z.B. Theoreil, in Sumner u. Myrbäck: The Enzymes. Vol. II, Kap. 55, S. 335. 6 ) Martius u. Märki, Biochem. Zschr. 329, 450 (1957). 7 ) A p p l e b y u. Morton, Biochem. J. 71,492(1959); B o e r i u . Tosi, Arch. Biochem. Biophys. 60, 463 (1956). 2 3

246

Di® biologische Oxydation

beteiligt ist (vgl. S. 358). Diese Enzyme enthalten als Wirkungsgruppe teilweise das Lactoflavinphosphat, teilweise das Mavin-Adenin-Dinucleotid. In der nachstehenden Tabelle sind eine Reihe gelber Fermente zusammengestellt (FMN = Flavinmononucleotid; FAD = Flavin-Adenin-Dinucleotid; Mb = Methylenblau): Enzym

Coferment wird

Coferment

„Altes" gelbes Ferment D-Aminosäureoxydase L-Aminosäureoxydase Ophio-L-Aminosäureoxydase Hefeferment von H a a s Diaphorase von S t r a u b DPN-Cytochrom c-Reduktase TPN-Cytochrom c-Reduktase Xanthin-(Aldehyd-)Oxydase

FMN FAD FMN FAD FAD FAD FADT FMN FAD

Äthylenhydrase v o n L y n e n

FAD

Vitamin K-Reduktase

FAD

reduziert durch

Nähere reoxydiert durch Angaben S.

TPNH, o, D-Aminosäuren o, L-Aminosäuren o , L-Aminosäuren o , TPNH, 0 2 -Mb Oa-Mb DPNHj Cytochrom c DPNH, TPNH, Cytochrom o Xanthin, Hypo0 2 , Cytochrom o xanthin, Aldehyde CoA-Verbindung Leukofarbstoffe a, ^-ungesättigter Fettsäuren DPNHj, TPNHa Vitamin K2(20)

243 244, 379 380 380 244 245, 251 245 245 476 358 250, 497

Verschiedene gelbe Fermente halten Metalle komplex gebunden (Mahler und Green 1 )). Die oben erwähnte Äthylenhydrase enthält K u p f e r , die Xanthinoxydase M o l y b d ä n und E i s e n . Auch die DPN-Cytochrom c-Reduktase ist eisenhaltig. Es fehlt aber in den meisten Fällen der Beweis dafür, daß diese Metalle zur Funktion der Enzyme in Beziehung stehen2). 3. Die Atmungskette Wenn man annimmt, daß in der intakten Zelle die oben besprochenen Enzyme in gleicher Weise miteinander reagieren wie in vitro, so gelangt man zu folgender Reaktionskette: Der Wasserstoff des Substrats wird auf ein Pyridinnucleotid übertragen; dasselbe gibt ihn an ein Flavin weiter; das reduzierte Flavin (Cytochrom reduktase) wird durch ein Cytochrom wieder oxydiert, wobei das Elektron des Wasserstoffs vom Eisen aufgenommen wird und der Wasserstoff in ein Wasserstoffion übergeht; das reduzierte Cytochrom wird durch die Cytochromoxydase und dieses schließlich durch den Luftsauerstoff oxydiert. Diese Reaktionsfolge, die „klassische"Atmungskette, läßt sich durch das folgende Schema darstellen; die Pfeile deuten in Richtung der Wasserstoff- bzw. Elektronenübertragung. Die Cytochrome sind in eine einzige Stufe zusammengefaßt. Atmungsferment

Cytochrome Substrat H,

Pyridin H 2

\2H

2H

dehydriertes Substrat J)

2)

Flavin H,

\

Pyridin

\

2 (Fe) ,2 H

Flavin

\

+ ++ 2 (Fe)

L

\

Fe) \ 2 e

HoO \ 2 e

+++ 2 (Fe) 2H+

° }H2O .2H+J

Science 120, 7 (1954); Adv.Enzymol. 17, 233 (1956). Vgl. Singer u. Massey, Record of chemical progress 18 (.No4), 201 (1957).

Die Atmungskette

247

Die neueren Untersuchungen haben jedoch ergeben, daß die obige Darstellung der Atmungskette in mancher Hinsicht unvollständig ist. Wir müssen daher im folgenden verschiedene Einzelheiten etwas eingehender diskutieren. Zuerst müssen wir aber auf eine andere Frage hinweisen, die uns später eingehender beschäftigen wird, und die zu den fundamentalen Problemen der Biochemie gehört, nämlich die Beziehung der Atmungskette zur Phosphorylierung. Eine der wichtigsten Erkenntnisse liegt darin, daß der Ablauf der Atmungskette aufs engste mit der Synthese organischer Phosphorsäureverbindungen aus anorganischem Phosphat verknüpft ist. Die ersten Beobachtungen über den Zusammenhang von Atmung und Phosphatveresterung gehen auf Kalckar und auf Belitzer zurück (1939,1940). Sie stellten fest, daß pro Atom veratmeten Sauerstoffs 2—3 Moleküle Phosphat gebunden werden können. Wir können hier die weitere Entwicklung nicht in allen ihren Phasen schildern. Lehninger sowie Lynen erbrachten schließlich den Beweis, daß die Phosphorylierung im wesentlichen mit der Oxydation der reduzierten Pyridincofermente, d.h. mit der Atmungskette, verknüpft ist (vgl. S. 494)1). Die freie Energie der Oxydation des Wasserstoffs wird zur Bildung von Phosphatbindungen benutzt, und zwar dient sie, wie wir später zeigen werden, in erster Linie zum Aufbau der Anhydridbindungen der Adenosinpolyphosphate. Man bezeichnet diesen Vorgang als o x y d a t i v e Phosphorylierung oder, weil er mit der Atmungskette verknüpft ist, als Atmungskettenphosphorylierung. Wir werden später sehen, daß es sich um einen der grundlegenden Prozesse des Zellstoffwechsels handelt, durch den der Abfall der chemischen potentiellen Energie, der die Oxydation des Wasserstoffs begleitet, überhaupt erst nutzbar gemacht werden kann. Die meisten organischen Substrate der Zelle geben bei der Dehydrierung ihren Wasserstoff zuerst an die Pyridinnucleotide DPN oder TPN ab. Es sind heute eine große Zahl der entsprechenden Dehydrogenasen bekannt; viele sind als reine Proteine dargestellt worden. Es handelt sich meist um lösliche Enzyme, die leicht aus den Geweben extrahiert werden können. Man muß daher annehmen, daß sie nicht in den Zellstrukturen verankert sind; jedenfalls ist ihre Bindung an dieselben nur sehr locker. In der Regel sind die Dehydrierungen durch die Pyridincofermente reversibel. Es handelt sich um Gleichgewichtsreaktionen, die nach dem folgenden allgemeinen Schema verlaufen: AH 2 + PN+ ,

A + PNH + H+

(AH2 = Substrat, A = dehydriertes Substrat, PN + = eine der beiden Codehydrogenasen). Dies bedeutet, daß die primäre Dehydrierung der Substrate meistens nicht von einem großen Abfall der freien Energie begleitet ist. Die Dehydrierung der verschiedenartigsten Substrate führt primär zum gleichen Produkt: einem hydrierten Pyridincoferment. Dieses ist als das eigentliche Anfangsglied der Atmungskette zu betrachten. Der Wasserstoff aller Substrate, welche mit einem der Pyridinnucleotide reagieren, wird somit durch ein einziges, allerdings sehr komplexes Fermentsystem zu Wasser oxydiert. Dieses Fermentsystem ist, im Gegensatz zu den meisten Dehydrogenasen, fest mit gewissen Zellstrukturen verbunden. Die neuere Forschung zeigt immer deutlicher, daß die Enzyme der Atmungskette und der oxydativen Phosphorylierung nicht nur eine funktionelle, sondern auch eine morphologische Einheit bilden. Man kann aus J. biol. Chem. 190, 345 (1951). Vgl. auch The Harvey Lectures 1953/54, Series XLIX, S. 176. New York 1955. L y n e n u. Holzer, Liebigs Ann. 663, 213 (1949).

248

Die biologische Oxydation

Muskel oder Niere kolloidale Fermentlösungen herstellen, in welchen das komplette respiratorische System an ultramikroskopische Teilchen gebunden ist (Keilin und H a r t r e e , D. E. Green). Die Enzyme sind hier zu hochmolekularen Komplexen zusammengeschlossen, in welchen wahrscheinlich die einzelnen Komponenten in bestimmter räumlicher Beziehimg zueinander stehen. Das komplexe Fermentsystem ist also nicht einfach ein Gemisch der beteiligten Fermente, sondern ein Gebilde mit bestimmter A r c h i t e k t u r , über dessen Aufbau im einzelnen man sich allerdings noch kein Bild machen kann. Diese Fermentkomplexe sind ihrerseits in Zellgranula, die Mitochondrien (in den Muskeln Sarkosomen), eingebaut, welche meistens noch andere Enzymsysteme der Zelle, nämlich die Fermente der Fettsäureoxydation und des Citronensäurecyklus einschließen. Wir werden später sehen, daß der Citronensäurecyklus die Endstufe der Oxydation fast aller wichtigen Betriebsstoffe (Kohlenhydrate, Fettsäuren) darstellt. Die Gesamtheit dieser Fermentsysteme, Fettsäureoxydation, Citronensäurecyklus, Atmungskette und oxydative Phosphorylierung, dient der Transformation chemischer Energie in eine unmittelbar nutzbare Form. Es zeichnen sich hier die Grundzüge einer chemischen Organisation der Zelle ab: der morphologischen Differenzierung des Protoplasmas entspricht offenbar auch eine chemische Arbeitsteilung. Einzelne Prozesse sind an bestimmte Strukturen gebunden. Im vorliegenden Fall zeigt es sich, daß die Reaktionen, die der Energiegewinnung dienen, in besonderen Zellorganellen lokalisiert sind. Der Entdecker der Mitochondrien, R. Altmann — er bezeichnete seine Zellgranula allerdings noch nicht mit diesem Namen —, vermutete bereits, daß dieselben irgendwie mit dem Zellstoffwechsel in Zusammenhang stehen (1886). Bateiii und Stern fanden (1912), daß gewisse Oxydationsfermente (die Oxydone) an die Zellstruktur gebunden sind und nicht in Lösung gebracht werden können. Als erster hat wohl O. Warburg gezeigt, daß der Hauptteil der Zellatmung mit unlöslichen Partikeln verbunden ist1). Er bereitete aus Leber Körnchensuspensionen, welche eine starke Sauerstoffzehrung zeigten und die wahrscheinlich im wesentlichen aus Mitochondrien bestanden. Die Auffassung, daß die Mitochondrien und die aus ihnen zu gewinnenden hochmolekularen Partikelkomplexe räumlich organisierte Enzymsysteme darstellen, wird heute hauptsächlich von der Schule D. E. Greens vertreten2).

Eine wichtige Ausnahme von der Regel, wonach die Substratdehydrierung durch ein Pyridincoferment erfolgt, bildet die Oxydation der Bernsteinsäure zu Fumarsäure durch die S u c c i n o x y d a s e : COOHCHaCH2COOH

~ 2 H > COOHCH:CHCOOH.

Dieses Enzym ist schon früh (z. B. von B a t e i i i und S t e r n 1912) im Zusammenhang mit der Respiration der Gewebe studiert worden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Dehydrogenasen läßt sich die Succinoxydase nur schwer von der Zellstruktur abtrennen. Alle bisher aus den Geweben hergestellten Enzymlösungen enthalten die Succinoxydase in Form von hochmolekularen Komplexen, welche noch Cytochrom b oder, je nach der Darstellungsart, auch die anderen Cytochrome und die Cytochromoxydase einschließen. Neben dem Hämineisen ist noch andersartig gebundenes Eisen vorhanden. Der Komplex schließt ferner Iipide in beträchtlicher Menge ein. Solche Präparate vermögen den Wasserstoff des Succinats auf Farbstoffe !) Pflugers Arch. 154, 699 (1913). ! ) Biol. Rev. 26, 410 (1951); 29, 330 (1954). Oxford Symposium on Mitochondria, 19.—23. Sept. 1955; The Harvey Lectures 1956/57, Series LII, S. 177. New York 1958.

Die Atmungskette

249

wie Methylenblau und andere Akzeptoren zu übertragen oder sie bewirken, wenn sie die Cytoehromoxydase enthalten, die Oxydation des Succinats durch den Luftsauerstoff. Man bezeichnet das komplexe Enzymsystem, das mit Methylenblau oder mit Luftsauerstoff reagiert, gewöhnlich als Succinoxydase (Bernsteinsäureoxydase) oder Succinodehydrogenase-Komplex 1 ). Die Dehydrogenase, die unmittelbar mit dem Substrat reagiert, ist ein Flavinferment2). Daselbe hat sich vom Komplex abtrennen lassen. Die prosthetische Gruppe ist wahrscheinlich Flavin-Adenindinucleotid. Die Teilchen, welche das Succinoxydasesystem enthalten, stellen wahrscheinlich Bruchstücke der oben erwähnten, die Gesamtheit der respiratorischen Enzyme einschließenden Komplexe dar. In der Tat vermögen die letzteren neben den reduzierten Pyridincofermenten stets auch das Succinat zu oxydieren3). Ein weiteres Substrat, das unter physiologischen Bedingungen nicht durch DPN dehydriert wird, ist das a-Glycero phosphat, welches durch das DPN-abhängige Baranowski-Ferment aus dem Phosphodioxyaceton (vgl. S. 294) oder auch aus dem Glycerin durch Phosphorylierung gebildet wird. a-Glycerophosphat wird durch ein strukturgebundenes Enzym, das in den Muskelsarkosomen und den Lebermitochondrien nachgewiesen worden ist (Meyerhof-Greensches Enzym, S. 295), wieder zu Phosphodihydroxyaceton dehydriert. Auch hier ist ein Flavin der primäre Wasserstoffakzeptor; dasselbe reagiert mit dem Cytochromsystem weiter. Möglicherweise stellt die strukturgebundene a-Glycerophosphatoxydase einen ähnlichen Komplex dar wie die Succinoxydase. Nach den Untersuchungen von Bücher spielt dieses Enzym beim Wasserstofftransport in gewissen Zellen, z. B. im Flugmuskel der Insekten, eine wichtige Rolle4). Untersuchungen über die Hemmung der Succinoxydase und der DPN-Oxydation durch gewisse Inhibitoren wie Urethan, 2,3-Dimercaptopropanol („BAL"), Antimycin u. a. führten Slater zur Annahme, daß zwischen Cytochromb und o ein weiterer Faktor eingeschaltet ist („Faktor X", „Slater-Faktor")6); doch steht die Frage nach der Natur und Wirkungsweise dieses Faktors noch offen.

Wie erwähnt, ist die obige Darstellung der Atmungskette noch nicht vollständig. Neuere Arbeiten, insbesondere von Martius, weisen daraufhin, daß noch weitere Wasserstoffüberträger eingeschaltet sind, und zwar handelt es sich um fettlösliche Vitamine, die Redoxsysteme bilden: das Vitamin K, das a-Tocopherol (Vitamin E) und eine neu entdeckte Gruppe von Stoffen chinonartiger Struktur, die Ubichinone. Martius hat in den Mitochondrien der Leber ein Enzym nachgewiesen, welches den Wasserstoff des reduzierten DPN und, wie sich gezeigt hat, auch des reduzierten TPN auf Vitamin K überträgt (Vitamin K-Reduktase) 6 ); ähnliche Fermente sind in Erbsen und Colibazillen gefunden worden7). Das reduzierte Vitamin K wird, wie die spektroskopische Beobachtung ergibt, durch das Cytochrom b wieder oxydiert. Das natürlich Substrat des Enzyms ist nicht das Phyllochinon selbst, sondern das 2-Methyl-3-digeranyl-l,4-naphthochinon (als Vitamin K2(20) bezeichnet). x ) Literatur vgl. Tsou, Biochem. J. 49, 512 (1951); Green u. Beinert, Ann. Bev. Bioehem. 24, 1 (1955). 2 ) Singer u. Kearney, J.biol.Chem. 219, 963 (1956), Kearney, J. biol. Chem. 235, 865 (1960). 3 ) Green u. Mitarb., Biochim. Biophys. Acta 21, 1, 6 (1956); 22, 475 (1956); J. biol. Chem. 217, 551 (1955). Zusammenfassung vgl. Green, in Henry Ford Hospital internatl. Symposium: Enzymes, units of biological struoture and funetion (edit. 0. H. Gaebler), S. 465. New York 1956. 4 ) Büoheru.Klingenberg,Angew.Chemie70,552(1958);Ann.Rev.Biochem.29,676(1960). ') Vgl. Slater. Biochem. J. 45. 1. 8, 14 (1949); 46, 484 (1950). «) Biochem. Zschr. 326, 24, 26 (1954). 7 ) Wosilait u. Nason, J.biol.Chem. 206, 255, 271 (1954); 208, 785 (1954).

250

Die biologische Oxydation

Es entsteht aus dem Phyllochinon (Formel S. 770) durch Abspaltung der Seitenkette und Anfügen einer neuen Digeranylseitenkette (Biosynthese siehe S. 371). Strukturformel: OH /CH.

2H

R OH Es ist neuerdings gelungen, die Vitamin K-Reduktase in reiner Form zu isolieren. Es handelt sich um ein Flavoproteid mit Flavin-Adenin-Dinucleotid als Wirkungsgruppe; Molekulargewicht etwa 20000. Das Enzym hat eine sehr hohe Wechselzahl (etwa 10"), was darauf hindeutet, daß ein wesentlicher Teil des reduzierten DPN mit ihm reagiert1). Es kann sowohl durch DPNH als auch durch TPNH reduziert werden. Das Enzym wird durch Dicumarin stark gehemmt.

Wie wir später sehen werden, liegt die große Bedeutung der durch die Vitamin ICReduktase bewirkten Reaktion darin, daß sie im intakten Fermentsystem zur Synthese einer Phosphatbindung führt. Sie s t e l l t eine der phosphorylierenden R e a k t i o n e n der A t m u n g s k e t t e dar. Wahrscheinlich spielt auch das Vitamin E bei der Oxydation des Wasserstoffs eine Rolle. Das Vitamin beschleunigt die Oxydation der Dihydrocozymase durch Cytochrom c2). Nach der Lage seines Redoxpotentials, das zwischen den Potentialen der Cytochrome b und c liegt, wäre es durchaus möglich, daß das Tocopherol dabei als Wasserstoffüberträger wirkt3). Die U b i c h i n o n e sind aus zahlreichen tierischen und pflanzlichen Geweben wie auch aus Mikroorganismen isoliert worden; ihr Name deutet auf ihre weite Verbreitung hin (Morton 4 ). Wegen ihrer vermuteten Funktion als Cofactor der Atmungskette wurden sie auch als Coenzym Q bezeichnet (Crane 5 ) Sie finden sich in der Lipifraktion der Mitochondrien. Sehr ähnlich gebaute Substanzen kommen in den pflanzlichen Piastiden vor. Die Ubichinone sind Derivate des Benzochinons mit isoprenoider Seitenkette. Die einzelnen Glieder dieser Gruppe unterscheiden sich durch die Länge der Seitenkette (30 bis 50 C-Atome). Die allgemeine Strukturformel kann geschrieben werden wie folgt: O CHjO.

,CH 3 II

II

0H 3

CH3

C H a O / ^ j ^ X J H a — CH = C — (CHS — CHa — CH = C) x — CHa O

M a r t i u s u. Märki, Bioch. Zschr. 329, 450 (1957). ) Näheres vgl. M a r t i u s in: Hormone und ihre Wirkungsweise. 5. Coli. d. Ges. f. physiol. Chem., Mosbach/Baden, S. 143, Berlin, Göttingen und Heidelberg 1955. Märki u. M a r t i u s , Biochem. Zschr. 338 ,111 (I960); M a r t i u s , Angew. Chem. 73, 597 (1961). 3 ) Nason u. L e h m a n , Science 122, 19 (1955). 4 ) Morton u. Mitarb., Chem. a. Ind. 1957, 1649. 6 ) Crane u. Mitarb., Biochem. Biophys Acta 25, 220 (1957). 2

Die Atmungskette

251

I n den tierischen Geweben scheint hauptsächlich die Verbindung mit der C60Seitenkette vorzukommen (x = 9). Die Ubichinone sind Bestandteile des komplexen Fermentsystems, durch welches die hydrierten Pyridinnucleotide und das Succinat oxydiert werden. Durch intakte Mitochondrien wie auch durch Fermentpräparate, die aus ihnen durch Fraktionierung gewonnen wurden, können Ubichinone, in Gegenwart von Succinat oder von DPNH, hydriert werden (D. E. G r e e n ; Br. C h a n c e u. a.). Es scheint auch, daß die SuccinoxydaseAktivität von Mitochondrien, die bei Extraktion der Ubichinone verloren geht, durch Zusatz derselben wieder hergestellt werden kann ( L e s t e r u. Fleischer 1 )). Wir wissen heute aber noch nicht genau, welche Stellung die Ubichinone als Wasserstoffüberträger in der Atmungskette einnehmen und welches ihre Bedeutung ist. Möglicherweise spielen sie bei den Vorgängen eine Rolle, welche die Atmungskette mit der oxydativen Phosphorylierung verbinden 2 ). Die Atmungskette und das mit ihr verbundene System der phosphorylierenden E n z y m e stellen ein sehr komplexes Fermentsystem dar, v o n dessen Verständnis wir noch weit entfernt sind. Die Entdeckung der Vitamin K-Reduktase hat gezeigt, daß es v o n den Pyridinnucleotiden zu den Cytochromen zwei Wege gibt, einen nicht phosphorylierenden und einen phosphorylierenden, v o n denen der zweite über ein Chinon als weiteren Typus eines Wasserstoff Überträgers führt. Wir werden auf die Bedeutung dieser Tatsache bei der Besprechung der oxydativen Phosphorylierung zurückkommen. I m folgenden Schema ist der Zusammenhang der einzelnen Komponenten der Atmungskette dargestellt, soweit wir ihn heute kennen. Verschiedene Einzelheiten sind noch unsicher. (U = Ubichinone, b = Cytochrom b, usw., X = S l a t e r - F a k t o r . Pfeile in Richtung des Wasserstoff- resp. Elektronentransports.)

Eine besondere Stellung unter den Cytochromen nimmt das Cytochrom c ein, das löslich und nicht wie die übrigen Cytochrome an die Zellstruktur gebunden ist. Es besitzt selbst auch keine katalytischen Eigenschaften, sondern muß eher als hochmolekularer Cofaktor betrachtet werden, welcher die Oxydation der übrigen Atmungsfermente durch die Cytochromoxydaae vermittelt. Im obigen Schema ist (mit punktierten Pfeilen) eine interessante Nebenreaktion eingetragen, die in der letzten Zeit bekannt geworden ist, nämlich die Reduktion von DPN durch Succinat 3 ). Sie benötigt ATP oder energiereiche Zwischenprodukte der oxydativen Phosphorylierung. Es hat sich gezeigt, daß an dieser Reaktion Ubichinon als Wasserstoffüberträger beteiligt ist. *) L e s t e r a. F l e i s c h e r , Arch. Biochem. 80, 470 (1959). a ) Literatur über Ubichinone siehe: Ciba Foundation Symposium on Q u i n o n e s in E l e c t r o n T r a n s p o r t , London 1961. 3 ) C h a n c e a . H o l l u n g e r , N a t u r e l 8 5 , 6 6 6 ( 1 9 6 0 ) . K l i n g e n b e r g , Erg.Physiol. 55,131 (1964).

Die biologische Oxydation

252

Der Pfeil vom Ubichinon nach dem Faktor X läßt erkennen, daß durch da« erstere möglicherweise das Cytochrom b überbrückt werden kann1). Weitere Funktionen der Ubichinone in der Atmungskette bleiben noch abzuklären. Wir kommen auf diese Frage bei Besprechung der oxydativen Phosphorylierung zurück. Wahrscheinlich stellt der über die Vitamin K-Reduktase führende Weg den Hauptweg dar auf welchem der Wasserstoff der Substrate oxydiert wird. Wie aus dem Schema ersichtlich, kann das Vitamin K durch die Cytochrom c-Reduktasen (Diaphorasen) überbrückt werden. Dabei fällt aber, wie erwähnt, eine Phosphorylierungsreaktion aus. Neben den Substraten, welche durch die Pyridincofermente dehydriert werden, gibt es solche, die ihren Wasserstoff direkt an Flavinfermente abgeben. Die wichtigsten sind Succinat und a-Glycerophosphat. Welcher Anteil des gesamten Wasserstoffs über die einzelnen Wege geleitet wird, hängt offenbar von der Organisation der wasserstoffübertragenden Systeme der Zelle ab. Es scheint, daß in dieser Hinsicht zwischen verschiedenen Zellarten charakteristische Unterschiede bestehen2). Auf verschiedene Einzelheiten werden wir in den Kapiteln über Intermediärstoffwechsel zu sprechen kommen. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, daß der Elektronentransport statt über die vollständige Cytochromkette über Farbstoffe, wie Methylenblau und Indophenole gelenkt werden kann. Seit langem ist die Oxydation des Succinats durch Methylenblau im Thunbergversuch bekannt (vgl. S. 238). Es scheint, daß das Methylenblau und andere Farbstoffe dabei mit dem Cytochom b (oder Cj) reagieren. Auch Fenicyanid kann als Elektronenakzeptor dienen. Es sind auch eine Reihe von Stoffen bekannt, welche die Atmungskette an verschiedenen Punkten blockieren können. So unterbricht z. B. A n t i m y c i n A die Kette3zwischen Cytochrom b und c, Amytal (Isoamyl-äthyl-barbiturat) zwischen DPNH und Flavin ). Solche Hemmstoffe haben sich bei vielen Untersuchungen als wertvolles methodisches Hilfsmittel erwiesen. Zur Verfolgung der Oxydoreduktionen in lebenden Zellen und Mitochondrien3 sind, vor allem von Br. Chance, empfindliche spektroskopische Methoden entwickelt worden ). Da der Oxydationsvorgang in eine Reihe einzelner Stufen aufgeteilt ist, wird auch die Energie nicht in einem einzigen Sturz freigesetzt, sondern sie kann in Teilbeträgen kaskadenartig abfließen. Wir werden auf die Bedeutung dieser Tatsache bei der Besprechung des Intermediärstoffwechsels und der Phosphorylierungsreaktionen näher eingehen. 4. Spezielle Bedoxsysteme Außer den bisher genannten Fermenten der Oxydation finden sich in den Zellen verschiedenartige Stoffe, die sich durch besonders leichte Oxydations- oder Reduktionsfahigkeit auszeichnen. Dazu gehören möglicherweise auch gewisse Vitamine und Hormone. Adrenalin, Sulfhydrylverbindungen und Vitamin C sind hier in erster Linie zu nennen. Es ist möglich, daß diese Stoffe ebenfalls eine Cofermentnatur haben, indem sie im Verein mit Trägerproteinen wirken. Darüber ist noch nichts bekannt. Adrenalin kann in ein Orthochinon übergehen, wobei gleichzeitig Ringschluß der Seitenkette eintritt. Dieses Oxydationsprodukt wird A d r e n o c h r o m genannt:

Adrenalin

CH3 Adrenochrom

*) Chance in: Cila Symp. on Quinones in Electron Transport, London 1961, S. 327. ) Vgl. die grundlegende Darstellung von Büoher u. K l i n g e n b e r g , Angew. Chemie 70,552 (1958); Ann. Rev. Biochem. 29, 669 (1960). s ) Vgl. z. B. Chance u. Williams, Adv. Enzymol. 17, 65(1956); Chance, in Henry Ford Hospital internati. Symposium : Enzymes, units of biological structure and function (edit. 0 . H. Gaebler), S. 447. New.York 1956. Chance, Harvey Lectures, Series XLIX 1953/54; New York 1955. S. 145. 2

Spezielle Redoxsysteme

253

Es scheint, daß Adrenochrom bei der Dehydrierung der Äpfelsäure und der Milchsäure den Wasserstoff von der Codehydrogenasel aufnehmen kann und dabei in eine Leukoverbindung übergeht, die autoxydabel ist, also vom Luftsauerstoff wieder oxydiert wird. Es kann also die Oxydation der genannten Substrate durch den Luftsauerstoff vermitteln. Wie weit diesem Vorgang biologische Bedeutung zukommt, ist unbekannt. Ein anderer Stoff, der vielleicht auch an Redoxvorgängen beteiligt ist, ist das Pyocyanin, ein Bakterienfarbstoff: 0 N " w ¿:

H,

Derartige Bakterienfarbstoffe könnten möglicherweise als Codehydrogenasen wirken. Die Ascorbinsäure (Vitamin C) ist eine stark reduzierende Verbindung. Sie geht bei der Oxydation zuerst in Dehydroascorbinsäure über: OH OH I I -21, HOCH,CH(OH)CH—C=C—CO ,

0 0 II II H0CH2CH(0H)CH—C—C—CO

•o-J Ascorbinsäure

Dehydroascorbinsäure

- o -

Diese Reaktion ist umkehrbar. Bei pH-Werten > 5 (d. h. bei neutraler und alkalischer Reaktion) wird die Dehydroascorbinsäure leicht weiter oxydiert, wobei die C-Kette zerfallt. Es ist möglich, daß die reversible Oxydation der Ascorbinsäure für ihre Wirkimg eine Bedeutung hat. Sicheres ist aber darüber nicht bekannt. Die Ascorbinsäure ist autoxydabel. Die Oxydation ist eine Schwermetallkatalyse. Besonders wirksam sind Cu- und Ag-Ionen. Es scheint, daß die Oxydation auch durch schwermetallhaltige Fermente katalysiert wird. Ein wichtiges Oxydoreduktionssystem ist schließlich die Lipoinsäure: CH2 — CH2 — CH — (CH2)4 — C00H S

S

+ 2H -2H

CH2 — CH2 — CH — (CH2)4 — C00H SH

SH

Wir werden später auf ihre Funktion bei der Bildung der aktivierten Essigsäure zu sprechen kommen. Die Sulfhydrylverbindungen von der Art des Glutathions können zwar als Wasserstoffüberträger wirken, doch scheint ihre Bedeutung nicht in erster Linie darin zu liegen, daß sie Redoxsysteme bilden; wahrscheinlich kommen ihnen im Stoffwechsel speziellere Funktionen als Cofermente zu (vgl. S. 287 und 297). Wasserstoffübertragende Fermentsysteme besonderer Art sind die ausschließlich auf Bakterien und einige Algen beschränkten Hydrogenasen und die ebenfalls bei Bakterien vorkommende Hydrogenlyase. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß sie mit molekularem, gasförmigem Wasserstoff reagieren.

254

Die biologische Oxydation

Die Hydrogenase vermag in reversibler Reaktion Wasserstoffakzeptoren durch molekularen Wasserstoff H 2 zu reduzieren: H 2 + A , * HjA. (Der Wasserstoff kann auch von nicht physiologischen Akzeptoren, z. B. Farbstoffen, aufgenommen werden; daher läßt sich das Enzym durch die Thunbergtechnik nachweisen.) Gewisse Grünalgen (z.B. Scenedesmus) können durch Anpassung dazu gebracht werden, den molekularen Wasserstoff zur Photoreduktion der Kohlensäure zu verwenden (vgl. Kapitel Photosynthese S. 528). Das Ferment vermag als einfachste Reaktion auch den Austausch des Wasserstoffs zwischen Wasser und molekularem Wasserstoff zu katalysieren, was leicht verständlich ist, wenn man annimmt, daß der vom Ferment (X) fixierte Wasserstoff zum Wasserstoffion oxydiert wird: Ha

• (XELj)

,

2H+ + 2e

(e = Elektron).

Das H-Ion steht mit dem Wasser im Gleichgewicht. (Der Austausch läßt sich mit Deuterium direkt nachweisen.) Über die Natur des Ferments ist nichts bekannt. Es ist anzunehmen, daß der fixierte Wasserstoff (oben als XH 2 bezeichnet) von anderen wasserstoffübertragenden Fermenten übernommen wird. Als eigentliche Hydrogenasereaktion muß die Reaktion des molekularen Wasserstoffs mit dem (unbekannten) primären Akzeptor bezeichnet werden. Die Hydrogenlyase macht aus Ameisensäure und anderen organischen Substraten (Glycose, Pyruvat, Fumarat, Malat, Aminosäuren usw.) molekularen Wasserstoff frei; z.B.: HCOOH


R

+ CO,

O II CH.—C—Sx > B + APP HS/ O

R + HS-CoA

CH,-C-S-CoA +

HS.

>R + DPN HS/

s /

HS s

\ r HS/

+ DPNH + H + 3)

Die eingeklammerte Verbindung stellt das Zwischenprodukt der Reaktion dar, das nach neueren Untersuchungen Holzer's als 2-Hydroxyaethyl-Aneurinpyrophosphat formuliert werden muß. (Näheres vgl. S. 776). Daraus bildet sich zuerst eine S-Acetylverbindung der reduzierten Lipoinsäure, deren Acetylrest anschließend (durch eine Lipoinsäure-Transacetylase) auf das Coenzym A übertragen wird. Durch die folgende Oxydation der Dithiolform zum Disulfid wird der Cyklus geschlossen4). Es sind noch andere Formulierungen denkbar 5 ). Da die Lipoinsäure in den tierischen Geweben vorkommt (sie wurde aus Leber dargestellt)6) und da sich ihre aktivierende Wirkung auf die Pyruvatoxydation auch bei Fermentpräparaten tierischen Ursprungs und bei Gewebsschnitten nachweisen läßt7), kann kein Zweifel bestehen, daß sie ganz allgemein als Cofaktor der Pyruvat1) J. Am. ehem. Soc. 74, 3455 (1952). 2 ) Gunsalus, Fed. Proc. 13, 715 (1954). s ) Über das Gleichgewicht dieser Reaktion vgl. Sanadi u. Searls, Biochim. Biophys. Acta 24, 220 (1957). 4 ) Näheres vgl. Gunsalus, I.e.; Oohoa, Adv. Enzymol. 15, 183 (1954); Gunsalus u. Mitarb., J. Am. ehem. Soc. 78, 1763 (1956). 6 ) Holzer, Angew. Chem. 73, 721 (1961). 6 ) Reed u. Mitarb., J. Am. chem. Soc. 75, 1267 (1953). ') Bornstein u.Hartman, Nature 176, 788 (1955); Seaman u. Naschke, J. biol. Chem. 213, 705 (1955).

270

Die Oxydation der Kohlenstoffkettcn ; der Cytronensäurecyklus

decarboxylierung wirkt und daß die Reaktion auch in den ticrischen Zellen nach dem obigen Schema verläuft. Wahrscheinlich geht auch die o x y d a t i v e D e c a r b o x y l i e r u n g d e r a - K e t o g l u t a r s ä u r e in gleicher Weise vor sich. Versuche mit löslichen Fermenten aus Herzmuskel zeigen, daß die Reaktion Coenzym A-abhängig ist und daß offenbar intermediär die Succinylverbindung des Coenzyms COOHCH 2 CH 2 CO • S • CoA gebildet wird 1 ). Man kann also die Reaktion folgendermaßen formulieren: ¡x-Ketoglutarat + CoA + [DPN]

Succinyl-CoA + COa + D P N H + H + .

Das Succinyl-CoA kann hydrolytisch durch eine Desacylase gespalten werden. Die Abspaltung des CoA kann aber auch mit einer Phosphorylierung verbunden sein. Es lassen sich aus Herzmuskel Enzympräparate darstellen, welche imstande sind, bei Gegenwart von Ketoglutarat, Coenzym A und A T P anorganisches Phosphat in organische Bindung (Glucosephosphat) überzuführen, wobei Succinyl-Coenzym A nach folgender Gleichung reagiert 2 ): Succinyl-CoA + ADP + Phosphat

• Succinat + ATP + CoA.

Es hat sich aber gezeigt, daß der primäre Phosphatakzeptor nicht ADP, sondern das entsprechende Derivat des Guanins, das G u a n o s i n d i p h o s p h a t , ist 3 ). Die Reaktion verläuft in zwei Stufen. Ein erstes Enzym ( S u c c i n a t - T h i o k i n a s e ) katalysiert die phosphorylierende Spaltung des Succinyl-CoA; das anorganische Phosphat wird dabei vom Guanosindiphosphat (GDP) aufgenommen: Succinyl—CoA + GDP + Phosphat

• Succinat + CoA + GTP .

Ein zweites Enzym überträgt den Phosphatrest vom Guanosintriphosphat auf das A D P : GTP + ADP

• GDP + A T P .

Als Summe der beiden Gleichungen ergibt sich die oben angeschriebene Reaktion.

Kondensation der aktivierten Essigsäure mit dem Oxalacetat. Die Bildung des Citrats erfolgt durch Reaktion des acetylierten Coenzyms A (d. h. der aktivierten Essigsäure) mit dem Oxalacetat: COOH CoA—S—COCH. -f- AC -= o0

!

COOH :

CH 8 ¿OOH Oxalessigsäure



"

C - o • A - S H- +

C
Glucosephosphat + ADP.

Natürlich, muß das Adenosintriphosphat immer wieder regeneriert werden, wenn der Prozeß kontinuierlich verlaufen soll. Wir werden später sehen, auf welchem Wege dies geschieht. Hexokinasen finden sich wohl in allen Zellen die Glucose verbrauchen. Sie können außer Glucose auch andere Zucker phosphorylieren, doch ist ihre Affinität zu denselben meist kleiner als zur Glucose. Die Hefehexokinase ist im kristallisierten Zustand bekannt. Der entstehende Phosphorsäureester ist das Glucose-6-phosphat (s. unten). Dieser Ester führt auch den Namen Robison-Ester. Das Glucose-6-phosphat kann leicht in Glycogen übergehen. Wir werden auf die Glycogenbildung später zurückkommen und behandeln zunächst nur die Abbaureaktionen. Das Glucosephosphat wird nun in umkehrbarer Reaktion bis zu einem Gleichgewichtszustand in das entsprechende isomere Fructosephosphat (Neuberg-Ester) verwandelt. Das Ferment, das diese Reaktion bewirkt, ist eine Isomerase (Phosphohexoisomerase1)): C< I ^O

HCOH HOCH

HjCOH C=0

Phosphohexoisomerase

I

I

;

HOCH

HCOH

hÌoh

HÌoh

HCOH

HjC • O • P0 3 H 2 Glucose-6-phosphat (Robison-Ester)

H,C • O • P0 3 H 2 Fructose-6-phosphat (Neuberg-Ester)

Da alle Gewebe die Isomerase enthalten, bildet sich stets das Gleichgewichtsgemisch der beiden Ester (der sog. Embden-Ester), wenn man den einen zum aktiven Muskel- oder Hefeextrakt zusetzt. Schließlich reagiert das IYuctose-6-phosphat mit Adenosintriphosphorsäure und nimmt dabei ein zweites Molekül Phosphat auf. Es entsteht dabei das Fructose-1,6diphosphat (oft einfach Hexosediphosphat genannt). Die Verbindung führt den Namen des Harden-Youngschen Esters. Sie war das erste phosphorylierte Zwischenprodukt der alkoholischen Gärung, das isoliert wurde. H,C • 0 • POsH,

HjCOH

A-o hoAH H^OH

(3 = 0 11

+ ATP

HO(!sh 1 1

hJDOH hJJOH

hÌoh H , i - 0 . POaH,

+ ADP

I

I

H.(I . o . • P O a H , Fructose-l,6-diphosphat (Ester von Harden und Young)

*) Lohmann, Biochem. Zschr. 262, 137 (1933).

286

Der Kohlenhydratstoffwechsel

Die Reaktion wird durch ein der Hexokinase ähnliches Ferment, die Phosphoh e x o k i n a s e , katalysiert. Die Phosphorylierungen der Zucker durch ATP verlaufen nur in Gegenwart von Magnesiumionen. Man muß annehmen, daß das Mg++ einen integrierenden Bestandteil der phosphatübertragenden Fermente bildet1). Das mit zwei Molekülen Phosphorsäure beladene Hexosemolekül zerfallt nun in zwei kleinere Bruchstücke, Phosphoglycerinaldehyd und Phosphodihydroxyaceton: HäC • O • P0 3 H 2

H 2 C • 0 • P0 3 H a CO I HOCH Fructosediphosphat | HC OH

CO

Phosphodioxyaceton

H,COH Aldo läse


• UDP + R—0—(1) Glucuronsäure

Eine große Reihe verschiedener Stoffe, so die Produkte der Darmfaulnis wie Phenol, Indoxyl, Skatoxyl, im Körper selbst gebildete Stoffe wie Bilirubin und Steroide, ferner viele nicht physiologische Substanzen (Medikamente) werden i m Harn als Glucuronide ausgeschieden. Aus der Glucuronsäure kann weiter auch das Vitamin C, die A s c o r b i n s ä u r e , gebildet werden. Viele Tierarten, so z. B . die Ratte, können die Ascorbinsäure selbst synthetisieren. Für sie ist dieser Stoff kein Vitamin. Näheres über die Biosynthese s. S. 812. Was die Synthese der A m i n o z u c k e r betrifft wissen wir am besten über das Glucosamin Bescheid. Die C-Kette der Glucose geht intakt in das Glucosamin über. In Neurospora 1 ) wie auch in der Rattenleber 2 ) sind Enzyme nachgewiesen worden, welche Hexose-6-phosphat in Gegenwart von Glutamin in Glucosamin-6-phosphat überführen. Hier wird offenbar die Säureamidgruppe des Glutamins zur Synthese des Aminozuckers verwendet. Das gebildete Glucosamin-6-phosphat kann N-acetyliert und weiter durch eine Mutase mit N-Acetylglucosamin-1-phosphat ins Gleichgewicht gesetzt werden. Aus Colibazillen und aus Säugetierorganen (Leber, Niere) konnte ein Ferment dargestellt werden, das ebenfalls eine Synthese des Glucosamin-6-phosphats bewirken kann, nämlich aus Pructose-6-phosphat und Ammoniak 3 ): CH.OH I CO I HOCH I HCOH I

CHO

+

nh3

HCOH C H , 0 • P • 03H2

HC—NH a I HOCH I HC OH I HC OH CH 2 0 • P • 0 3 H a

Das Gleichgewicht der obigen Reaktion liegt stark zugunsten der linken Seite; das Enzym wurde daher als G l u c o s a m i n - 6 - p h o s p h a t d e s a m i n a s e bezeichnet. In vivo wird das Glucosamin-6phosphat jedenfalls rasch aus dem Gleichgewicht entfernt (z. B. durch Acetylierung), so daß die Reaktion trotzdem in Richtung der Synthese verläuft. Das Enzym aus Schweinsniere konnte stark angereichert werden. (N-AcetylgJucosamin-6-phosphat aktiviert zwar die Reaktion 4 ), ist aber entgegen früheren Annahmen nicht an der Reaktion beteiligt.) Das Glucosamin-6-phosphat kann durch eine Mutase in Glucosamin-l-phosphat umgewandelt werden. Dieses letztere steht in Beziehung zu den Uridinnucleotiden. Man hat nämlich sowohl aus Hefe wie auch aus tierischen Geweben (Leber, Oviduct der Henne) U r i d i n - d i p h o s p h a t g l u c o s a m i n isoliert und dieses kann, nach einer Reaktion, die wir schon früher kennengelernt haben (S. 306), durch die Pyrophosphat-phosphorylase in Uridintriphosphat und Glucosamin-1x

) L e l o i r u. C a r d i n i , Biochim. Biophys. Acta 12, 15 (1953). ) P o g e l l u. G r y d e r , J . biol. Chem. 228, 701 (1957). ) Comb u. R o s e m a n , J . biol. Chem. 232, 807 (1958); L e l o i r u. C a r d i n i , Biochim. Biophys. Acta 20, 33 (1956). 4 ) L e l o i r a. C a r d i n i , Biochim. Biophys. Acta 20, 33 (1956). 2 3

21

L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15.Aufl.

Der Kohlenhydratstoffwechsel

322

phosphat gespalten werden1) (G1-NH2 = Glucosamin): Uridin—O—P—O—P—O—(l)Gal—NH—COCH3 + P—0—P Uridin—O—P—O—PO—P + P—0—(l)Gal—NH—C0CH3 1 Die Umkehrung der obigen Reaktion fuhrt zum Einbau des Glucosamins in das Uridincoferment und von hier aus kann wahrscheinlich derGlucosaminrest,wie dies bei anderen Zuckern der Fall ist, durch eine Transglycosidasereaktion in andere Verbindungen eingeführt werden. Es scheint, daß UDP-Acetylglucosamin direkt in UDP-Acetylmannosamin und UDP-Acetylgalactosamin übergehen kann2).

K e t o s e - u n d A l d o s e r e d u k t a s e n . Sowohl in tierischen Organen als auch in Pflanzen und Mikroorganismen kommen Enzyme vor, welche Ketosen zu den entsprechenden Zuckeralkoholen reduzieren. Das bekannteste Beispiel dieser Art ist die S o r b i t d e h y d r o g e n a s e , welch die folgende Reaktion katalysiert 3 ): CH.OH I HCOH HOCH | HCOH I HCOH CHjOH

2

A-o +

DPN+

-

HOCH I HCOH I HCOH

+

DPNH + H +

CH2OH

Das Enzym findet sich in der Leber und der Niere, sowie auch in der Samenblase. Wir haben seine Bedeutung für die Bildung der Fructose, welche im Sperma und im foetalen Blut vorkommt, schon früher erwähnt (S. 304). Das Ferment ist keineswegs spezifisch auf Sorbit eingestellt, sondern vermag eine Reihe weiterer Zuckeralkohole zu dehydrieren. Es kann allgemein auch K e t o s e r e d u k t a s e bezeichnet werden. Wahrscheinlich gibt es verschiedene ähnliche Enzyme, die sich durch ihre stereochemische Spezifität unterscheiden 4 ). Neuerdings sind auch Dehydrogenasen bekannt geworden, welche in ähnlicher Weise Aldosen zu Zuckeralkoholen reduzieren, als Coferment aber TPN benötigen. Wir haben schon früher das Vorkommen einer solchen A l d o s e r e d u k t a s e in der Samenblase und der Plazenta erwähnt (S. 305)6). In den Lebermitochondrien ist ein Enzym nachgewiesen worden, das mit TPNH L-Xylose zu Xylit hydriert 6 ). Wahrscheinlich spielen derartige Polyol-Dehydrogenasen bei der gegenseitigen Umwandlung gewisser Zucker im Tierkörper eine Rolle. 5. Verteilung und Verbrauch der Kohlenhydrate im Organismus; die Regulation des Blutzuckers Nachdem wir die wichtigsten biochemischen Reaktionen der Zucker besprochen haben, müssen wir noch die Verteilung und den Verbrauch der Kohlenhydrate im Organismus, d. h. ihr Verhalten „im großen" betrachten. Wir gehen dabei von der Tatsache aus, daß der Blutzucker innerhalb enger Grenzen konstant gehalten wird. Die Konstanz der Glucosekonzentration im Blut beruht auf einer genauen Anpassung der Zufuhr an den Verbrauch. 1 ) 2

Smith u. Mills, Biochim. Biophys. Acta 18, 386 (1954). ) Comb a. Roseman, Biochim. Biophys. Acta 29, 653 (1958). Weitere Literatur über Aminozucker vgl. Roseman, Ann. Rev. Biochem. 28, 559 (1959). 3 ) Blackley, Biochem. J. 49, 257 (1951). 4 ) Edson, Biochem. J. 67, 518 (1954); 64, 385 (1956). Shaw, Biochem. J. 64, 394 (1956). 5 ) Hers, Biochem. Biophys. Acta 22, 202 (1956). 6 ) Touster u. Hollmann, J. biol. Chem. 225, 87 (1957).

Verteilung und Verbrauch der Kohlenhydrate im Organismus; usw.

323

Wir stellen im folgenden alle übrigen Gewebe, insbesondere die Muskulatur, der Leber als „periphere" Gewebe gegenüber. Wir teilen die Vorgänge in zwei Gruppen ein, solche, die Glucose verzehren, also dem Blut Glucose entziehen, und solche, die Glucose produzieren, also den Blutzucker vermehren. Die wichtigsten zuckerverbrauchenden Prozesse sind die folgenden: Oxydation der Glucose in den peripheren Geweben; Glycogenbildung aus Glucose in den peripheren Geweben und unter gewissen Bedingungen in der Leber; Fettbildung aus Glucose in der Leber und in den peripheren Geweben. Daneben gibt es natürlich noch zahlreiche andere Vorgänge, die direkt oder indirekt Glucose verbrauchen. Mengenmäßig stehen aber die genannten Reaktionen an erster Stelle. Die wichtigsten zuckerliefernden Prozesse sind: Absorption von Kohlenhydraten im Darm; Glycogenolyse (d.h. Spaltung des Glycogens in freie Glucose) in der Leber. Es ist möglich, daß auch andere Organe, z. B. die Niere, Glucose an das Blut abgeben; doch ist ihre Leistung verglichen mit derjenigen der Leber nur gering. Gluconeogenese, d.h. Zuckerbildung aus nicht kohlenhydratartigen Stoffen in der Leber. Wenn dem Organismus Zucker zugeführt wird, so ist derselbe nach wenigen Stunden verschwunden. Wir haben die wichtigsten Möglichkeiten für seine Verwertung soeben aufgezählt. Es entsteht nun die Frage, welchen Anteil die einzelnen Vorgänge und auch die einzelnen Organe am Zuckerverbrauch haben. Es ist möglich, eine angenäherte Bilanz aufzustellen. Bei Versuchen an der Ratte hat man gefunden (Cori), daß nach Ablauf einiger Stunden die aufgenommene Menge Glucose fast zur Hälfte oxydiert worden ist; fast ebensoviel wird in den Geweben als Glycogen abgelagert, davon ein beträchtlicher Anteil in der Leber. Wir werden auf die besondere Rolle des Leberglycogens sogleich zu sprechen kommen. Neuere Versuche mit der Isotopentechnik haben gezeigt, daß beim gut ernährten Tier, dessen Glycogenvorräte aufgefüllt sind, ein beträchtlicher Teil der aufgenommenen Glucose in Fett übergeführt werden kann. Die ersten Versuche dieser Art (Stetten u. Boxer 1 ) wurden so durchgeführt, daß man den Versuchstieren schweres Wasser bis zur Erreichung einer konstanten Deuteriumkonzentration in den Körperflüssigkeiten verabreichte. Unter diesen Bedingungen ist der Einbau von Deuterium in das Glycogen und die Fettsäuren ein Maß für ihren Umsatz und ihre Neubildung. Es zeigte sich, daß trotz reichlicher Kohlenhydratzufuhr die Neubildung von Glucose aus anderen Verbindungen (Gluconeogenese) weitergeht und daß beträchtliche Mengen Fettsäuren synthetisiert werden. Dieao Resultate wurden später mit CK14)-markierten Verbindungen vielfach bestätigt.

Die Fructose wird hauptsächlich in der Leber und wahrscheinlich noch in anderen Geweben (Fettgewebe, Niere, Darmschleimhaut) umgesetzt. Galactose scheint in der Leber langsamer in Glycogen überzugehen als Glucose und Fructose. Wenn bei geschädigter Leber größere Mengen zugeführt werden (beim Menschen 20—50 g), so tritt der Zucker in den Harn über. Man verwendet die Galactose daher für die Prüfung der Leberfunktion. J) S t e t t e n u. B o x e r , J.biol.Chem. 165, 231, 237 (1944). 21*

324

Der Kohlenhydratstoffwechsei

Die im Darm aufgenommenen Zucker gelangen mit dem Pfortaderblut zuerst in die Leber. Dort wird ein beträchtlicher Teil in Glycogen und in Fett verwandelt. Ein Teil des absorbierten Zucker passiert die Leber und wird mit dem Blutstrom in die verschiedenen Gewebe verteilt, wo er als Glycogen oder als Fett festgehalten oder zur Energiegewinnung direkt oxydiert wird. Als größter Verbraucher der Glucose muß schon wegen ihrer großen Masse die Skelettmuskulatur gelten. Sie kann beträchtliche Mengen Glucose als Glycogen fixieren. Aber auch die Rolle des Fettgewebes darf nicht vernachlässigt werden. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß das Fettgewebe die Glucose zuerst als Glycogen fixiert (vgl. S. 351) und dieses dann in Fett umwandelt. Man beobachtet nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit immer ein leichtes Ansteigen des Blutzuckers als Zeichen der Überschwemmung des Organismus mit Glucose. Wenn die Zuckerzufuhr aus dem Darm aufhört, so sinkt aber im normalen Organismus die Konzentration der Glucose im Blut rasch auf ihren normalen Wert zurück. Die Einschaltung der Leber (d. h. des Pfortaderkreislaufs) zwischen den Darm und den allgemeinen Kreislauf ist für den Zuckerhaushalt von größter Bedeutung. Die Leber dient als Auffangbecken für die Kohlenhydrate, die ihr aus dem Darm zuströmen. Sie speichert den Teil, der nicht unmittelbar oxydiert wird, in Form einer hochpolymeren Substanz auf (kein osmotischer Druck!), die leicht wieder in Glucose verwandelt werden kann. Dadurch und außerdem durch ihre Fähigkeit zur Gluconeogenese wird sie zum wichtigsten Reservoir für die Versorgung des Körpers mit Glucose. Das Blut enthält auch im nüchternen Zustand, d. h. wenn kein Kohlenhydrat aus dem Darm absorbiert werden kann, eine bestimmte Menge Glucose. Diese wichtige Feststellung führte C l a u d e B e r n a r d zur Entdeckung des zuckerbildenden Stoffs der Leber (matière glycogène), des Glycogens (1855). Im nüchternen Zustand ist der Gehalt des Blutes an Zucker ziemlich konstant. Der Mittelwert beträgt im nüchternen Zustand etwa 0,1%. Der Blutzuckergehalt des venösen Blutes ist etwas geringer als der des arteriellen. Der im Blut kreisende Zucker ist T r a u b e n z u c k e r . Steigt der Gehalt an Zucker im Blut über den angegebenen Wert, so spricht man von H y p e r g l y k ä m i e ; fällt er unter den normalen Wert, so spricht man von H y p o g l y k ä m i e . Ein bestimmter Gehalt des Blutes und der Körpersäfte an Glucose ist für die Funktion aller Organe unentbehrlich, weil der Zucker die wichtigste Energiequelle für alle Lebensvorgänge darstellt. Es sind daher auch sehr wirksame Regulationsmechanismen vorhanden, welche die Erhaltung einer bestimmten Blutzuckerkonzentration unter allen Umständen garantieren. Auch bei stärkstem Zuckerverbrauch in den Organen, z. B. bei starker körperlicher Arbeit, sinkt im normalen Organismus der Blutzuckerspiegel kaum ab. Bei starker Zuckerzufuhr (z. B. während der Verdauung einer kohlenhydratreichen Mahlzeit) kann zwar der Blutzucker etwas ansteigen (auf 0,15 bis 0,18%), aber er wird nach kurzer Zeit wieder auf den normalen Wert zurückgebracht. Diese Regulationsleistung ist um so erstaunlicher, als die täglich verbrauchte Zuckermenge ein Vielfaches der in den Körpersäften aufgespeicherten Glucosemenge ist. Nimmt man das Volumen der gesamten extrazellulären Flüssigkeit eines erwachsenen Menschen zu 151 an, so entspricht dies einem Glucosevorrat von 15 bis 20 g. Schon eine mäßige körperliche Arbeit, an der das Kohlenhydrat mit 500 Cal. beteiligt ist, entspricht dem 5—6fachen dieser Menge, d. h. die in den Körpersäften gelöste Glucose muß sechsmal erneuert werden.

Verteilung und Verbrauch der Kohlenhydrate im Organismus; usw.

325

Störungen des Zuckerhaushaltes geben sich vielfach zuerst daran zu erkennen, daß der Zuckerspiegel stärkeren Schwankungen nach unten oder oben unterworfen ist. Die Bestimmung des Blutzuckers ist daher in der Klinik sehr wichtig, um derartige Störungen zu erkennen. In den Organen, in der Skelettmuskulatur, dem Herzen, der Niere usw. wird beständig Zucker verbraucht. Das Organ, das den verbrauchten Zucker ersetzt, auch wenn im Darm kein Kohlenhydrat aufgenommen wird, ist die Leber. Die Konstanz des Blutzuckerspiegels wird dadurch garantiert, daß der Nachschub von Zucker im Blut dem Verbrauch angepaßt wird. Versagt diese Anpassung aus irgendeinem Grunde, so muß sich der Blutzuckerspiegel im einen oder anderen Sinn verändern. Man erkennt leicht, daß die H y p e r g l y k ä m i e zwei Ursachen haben kann, einen v e r m i n d e r t e n V e r b r a u c h bei gleicher oder vergrößerter Zufuhr, oder eine e r h ö h t e Z u f u h r bei gleichem oder vermindertem Verbrauch. Umgekehrt kann eine Hypoglykämie durch e r h ö h t e n V e r b r a u c h bei gleicher Zufuhr oder v e r m i n d e r t e Z u f u h r bei gleichem Verbrauch zustande kommen. Bei jeder Abweichung des Zuckerspiegels vom Normalwert muß festgestellt werden, welche von den genannten Möglichkeiten realisiert ist. Das Blut behält im normalen Organismus seinen Zuckergehalt unter allen Umständen bei. Auch bei längerem Fasten oder intensiver körperlicher Arbeit, die den Zuckerverbrauch der Muskulatur stark ansteigen läßt, sinkt die Konzentration der Glucose im Blut nicht oder nur wenig. Die Glucose wird also durch die Leber in dem Maße ersetzt, wie sie verbraucht wird. Die Leber kann in bezug auf die Bildung der Glucose als eigentliche Drüse mit innerer Sekretion aufgefaßt werden; denn sie gibt ihr Produkt, die Glucose, direkt an das Blut ab. (Der Begriff der „sécrétion interne" ist von Claude B e r n a r d gerade am Beispiel der Leber entwickelt worden.) Die hauptsächlichste Quelle der Glucose ist das Leberglycogen, das auf dem oben beschriebenen Weg (vgl. S. 298) durch G l y c o g e n o l y s e Traubenzucker liefert. Das Glycogenreservoir der Leber wird einerseits durch die Glucose gespeist, die im Darm aufgenommen wird, andererseits durch G l u c o n e o g e n e s e , also durch Synthese von Kohlenhydrat aus Aminosäuren, Milchsäure und anderen Stoffen. Man darf allerdings nicht annehmen, daß die neugebildete Glucose notwendigerweise zunächst als Glycogen abgelagert wird. Wie oben auseinandergesetzt wurde, entstehen bei der Synthese der Hexose aus kleineren Molekülen direkt die Phosphorsäureester. Dieselben können natürlich durch die Leberphosphatase sofort hydrolysiert werden, ohne vorerst in Glycogen überzugehen. Das Glycogen ist auf dem Weg vom Eiweiß (oder sonstigem zuckerbildendem Material) zum Blutzucker keine notwendige Zwischenstation. Es stellt vielmehr ein Auffangbecken für Kohlenhydratüberschüsse aus der Absorption und der Gluconeogenese dar, aus dem bei Bedarf Glucose wieder abfließt. Es findet aber auch bei konstantem Glycogenbestand ein ständiger Austausch zwischen der Reserve und dem kreisenden Zucker statt, der zu einer raschen Erneuerung der Reserven führt. Wir haben oben (S. 323) die „tracer"-Versuche von S t e t t e n und B o x e r erwähnt, welche Aufschluß über die Erneuerung des Glycogens geben und aus welchen hervorgeht, daß die „Halbwertszeit" (d. h. die Zeit, in der die Hälfte des Glycogens ersetzt wird) für das Leberglycogen etwa 1 Tag, für das Muskelglycogen etwa 3—4 Tage beträgt. Seither sind zahlreiche Untersuchungen mit C) Vgl. zum Vorstehenden Young, Biochem. J. 89, 515 (1945); Recent Progress in Hormone Research 8, 471 (1953). 2 ) H o f m e i s t e r , Arch. expl. Path, 26, 355 (1890).

Verteilung und Verbrauch der Kohlenhydrate im Organismus; usw.

335

K o h l e n h y d r a t b i l a n z u n t e r v e r s c h i e d e n e n Bedingungen (nach C. F. Cori 1 )). Werte in mg pro 100 g Körpergewicht A. Nach 24 Stunden Fasten: Leberglycogen Anfangswert Änderung nach: 48 Stunden Fasten Insulin Adrenalin . . . . Hypophysektomie .

7 mg + 3 — 2 + 36

Glycogen (im übrigen Körper)

oxydiertes Kohlenhydrat*)

Blutzucker 92 mg %

136 mg — — — —

25 34 57 36

56 60

— — + —

8 12 18 10

B. Nach 4 Stunden Gluc oseaufnahme (ans chließend an 24 Stunden Fasten): Leberglycogen Anfangswert Änderung: Kontrollen . . . . nach Insulin . . . nach Adrenalin . .

7 mg + 192 + 75 + 212

Glycogen (im übrigen Körper)

oxydiertes Kohlenhydrat*)

136 mg

Blutzucker 92 mg %

+ 263 + 393 + 136

465 550 357

+ 58 — 28 + 98

Glycogen (im übrigen Körper)

oxydiertes Kohlenhydrat*)

Blutzucker

C. 3 Stunden nach Kohl enhydrataufnahm Leberglycogen Anfangswert Änderung: Kontrollen . . . . nach Insulin . . . nach Adrenalin . .

220 mg — 49 — 141 + 26

432 mg — 167 — 188 — 298

158 mg % 220 434 263

— 45 — 89 + 16

*) Die Zahlen dieser Kolonne geben nicht die Änderungen unter dem Einfluß der Hormone, sondern die absoluten Werte der Kohlenliydratoxydation. Adrenalin wird vom N e b e n n i e r e n m a r k an das Blut abgegeben (Bildung in den sog. chromaffinen Zellen). Die Ausschüttung wird durch nervöse Impulse bewirkt, welche das Organ auf dem Weg der N. splanchnici (also durch das s y m p a t h i s c h e Nervensystem) erreichen. Das Adrenalin bewirkt eine Zuckerausschüttung durch die Leber. Auf diesem Weg kommt die Zuckerausscheidung zustande, die nach dem sog. „Zuckerstich" („piqûre", entdeckt 1855 von C l a u d e B e r n a r d ) eintritt. Die piqûre besteht in einem Einstich zwischen Occipitale und Atlas, der zu einer Verletzung im Boden des vierten Ventrikels führt (Kaninchen). Als Folge tritt eine Glucosurie auf. Durchtrennt man die Splanchnici, so bleibt der Effekt aus. Der Beiz, der zur Adrenalinausschüttung führt, muß also auf nervösem Weg von der verletzten Stelle zum Nebennierenmark geleitet werden. ») C. F. Cori, The Harvey Lectures 1945/46, Series XLI, S. 253. New York 1947.

336

Der Kohlenhydratstoffwechsel

Die durch Adrenalin bewirkte Blutzuckererhöhung ist auf einen gesteigerten Glycogenabbau in der Leber zurückzuführen. Es kommt aber gleichzeitig auch zur Glycogenolyse in der Muskulatur, die zu einer Erhöhung des Milchsäuregehalts im Blut führt. Untersucht man nach Abklingen der Adrenalinwirkung die Glycogenverteilung im Körper, so findet man überraschenderweise, daß der Glycogengehalt der Leber erhöht, das Muskelglycogen dagegen vermindert ist. Es ist also in der Bilanz Glycogen vom Muskel nach der Leber verschoben worden, und zwar über die Blutmilchsäure (Cori). Vgl. die Tabelle S. 335. Da das Leberglycogen Blutzucker liefert, kann auf diesem Umweg auch das Muskelglycogen zur Erhaltung des Blutzuckerspiegels beitragen. Man kann die Vorgänge, die sich im Anschluß an eine Adrenalinausschüttung abspielen, durch das folgende Schema darstellen: Muskelglycogen

^ Blutmilchsäure \

\ ^

Blutzucker

Leberglycogen

Man nennt diese Reaktionsfolge gewöhnlich den Cori-Cyklus. Das Adrenalin ist also in jeder Hinsicht ein Antagonist des Insulins. Es wirkt blutzuckererhöhend, während das Insulin blutzuckererniedrigend wirkt. Es bewirkt eine Verschiebung des Glycogens von der Peripherie (Muskulatur) nach der Leber, während Insulinüberschuß umgekehrt eine Verschiebimg von der Leber nach der Peripherie zur Folge hat. Wie Sutherland erstmals gezeigt hat, bewirkt Adrenalin in der Leber eine Reaktivierung der inaktiven Phosphorylase. In Leberschnitten, die mit Adrenalin (oder mit Glucagon) inkubiert worden sind, ist viel mehr aktive Phosphorylase vorhanden als in den entsprechenden Kontrollen1). Das Adrenalin scheint das Verhältnis der aktiven und der inaktiven Form der Phosphorylase zugunsten der ersteren zu verschieben. Vgl. S. 299.

Es scheint aber, daß das Nebennierenmark für die Regulierung des Blutzuckerspiegels innerhalb der normalen Schwankungsbreite keine Rolle spielt. Man hat beim Hund das Nebennierenmark entfernt, ohne daß sich Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels zeigten. Das Mark scheint im Gegensatz zur Rinde nicht lebenswichtig zu sein. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß sich chromaffine Zellen auch außerhalb des Nebennierenmarks an verschiedenen Stellen des Körpers (in den Paraganglien) finden. Die Glycogenmobilisierung durch das Nebennierenmark spielt aber dann eine Rolle, wenn der Blutzuckerspiegel stark abzusinken droht. Offenbar bewirkt die Hypoglykämie direkt eine Reizung der sympathischen Zentren. Über die Splanchnici wird der Impuls zum Nebennierenmark geleitet; es kommt zur Ausschüttung von Adrenalin, und dadurch wird die Hypoglykämie normalisiert. Es handelt sich hier um eine zusätzliche Sicherung, die den Organismus (vor allem das Zentralnervensystem) vor plötzlich eintretender Hypoglykämie schützt. Der langsam reagierende normale Mechanismus der Blutzuckerregulierung wird auf diese Weise durch einen rasch reagierenden „Notfallmechanismus" ergänzt. Die erwähnten innersekretorischen Drüsen sind nicht die einzigen, die den Zuckerstoffwechsel beeinflussen. Es ist besonders noch die S c h i l d d r ü s e zu erwähnen. In die allgemeine Stoffwechselwirkung der Thyreoidea können auf direktem oder indirektem Weg auch die Kohlenhydrate einbezogen werden. Wir können aber hier auf weitere Einzelheiten nicht eingehen. S u t h e r l a n d , Ann. New York Acad. Sei. 64, 693 (1951); J. biol. Chem. 224, 463 (1957).

Verteilung und Verbrauch der Kohlenhydrate im Organismus; usw.

337

Es stellt sich nun die Frage, in welcher Weise die verschiedenen Hormone zusammenarbeiten. I m Zentrum der Regulation steht das antagonistisch wirkende System: Insulin einerseits, Hypophysen- und Nebennierenrindenhormone andererseits. Für die Erhaltung des normalen Blutzuckerspiegels, d. h. für Anpassung der Zuckerproduktion in der Leber an den peripheren Zuckerverbrauch, ist offenbar ein bestimmtes Gleichgewicht zwischen den antagonistisch wirkenden Hormonen nötig.

Hypophysen-und

Insulin

Neben nierenrinden

Normaler

-Hormone

Zustand Symptome der Hypophysen - ode Nebennieren

-

Insuffizienz Tendenz

Pankreas

diabetische

entfernt

Hypophyse

oder entfernt

zur

Nebennieren

Symptome

verschwunden

Pankreas

und

Hypophyse

(oder

Nebennieren)

entfernt f Houssay

- Versuch

)

Abb. 43. Schema zur I l l u s t r a t i o n des endokrinen G l e i c h g e w i c h t s z w i s c h e n I n s u l i n und den H y p o p h y s e n + R i n d e n h o r m o n e n .

Wird das eine vermindert, so tritt die Wirkimg des anderen stärker hervor. Daß die normale Einstellung des Blutzuckerspiegels durch die entgegengesetzte Wirkung zweier Hormone zustande kommt, zeigt sich in besonders schöner Weise beim oben besprochenen H o u s s a y s c h e n Versuch (S. 331): das durch Ausschaltung des Insulins gestörte Gleichgewicht zwischen Glucoseverbrauch und Glucosebildung kann wiederhergestellt werden, indem man auch die Hypophysenhormone ausschaltet. Man kann sich diese Verhältnisse in etwas primitiver Weise am Beispiel der beidseitig belasteten, einseitig belasteten und unbelasteten Waage klarmachen (siehe Abb. 43). Bei irgendwelchen Belastungen des Zuckerstoffwechsels durch Zufuhr von Kohlenhydrat von außen oder durch vermehrten Verbrauch in den Geweben besteht die Aufgabe des regulierenden Systems darin, größere Änderungen des Blutzuckerspiegels zu verhindern oder, wenn sie ein22

L e u t h a r d t , Löhrbach, 15. A u f l .

338

Der Kohlenhydratstoffwechsel

getreten sind, zu korrigieren. Es fragt sich nun, ob die Fähigkeit dazu den Organen — Leber und Muskulatur — selbst innewohnt oder ob sie von außen gesteuert werden müssen. Im ersten Falle müßten die Organe über einen autonomen Mechanismus verfügen, der es ihnen gestattet, „von sich aus" Glucoseverbrauch oder (bei der Leber) Glucosesekretion den Änderungen des Blutzuckerspiegels anzupassen. Muskulatur und Leber müßten also im Falle einer Hyperglykämie mehr Zucker fixieren oder die Leber müßte im Falle einer Hypoglykämie mehr Zucker ans Blut abgeben, ohne daß dazu die vermehrte Ausschüttimg des einen oder anderen Hormons oder nervöse Impulse nötig wären. Die Hormone würden in diesem Fall durch ihr gegenseitiges Verhältnis zwar die Höhe des regulierten Blutzuckerspiegels bestimmen, am Regulationsmechanismus selbst aber nicht beteiligt sein. Im zweiten Fall würde eine Schwankung der Blutzuckerkonzentration primär eine vermehrte Ausschüttung desjenigen Hormons veranlassen, das die betreffende Änderung zu korrigieren imstande ist. Bei Hyperglykämie würden demnach die Organe durch eine erhöhte Insulinsekretion veranlaßt, mehr Glucose zu fixieren und zu verbrauchen; bei Hypoglykämie würde durch die „diabetogenen" Hormone die Leber zur vermehrten Abgabe von Glucose ans Blut und die peripheren Gewebe zu vermindertem Glucoseverbrauch gezwungen. Die Gewebe würden in diesem Fall durch die Hormone gesteuert und wären nur die ausführenden Organe der übergeordneten innersekretorischen Drüsen, eventuell auch des Zentralnervensystems. Verschiedene Beobachtungen sprechen dafür, daß den Organen, insbesondere der Leber, eine gewisse Autonomie bei der Blutzuckerregulierung zukommt. Man hat, um jede Veränderung der Insulinsekretion des Pankreas auszuschalten, bei Hunden die Drüse entfernt und dafür eine geeignete Menge Insulin mit gleichmäßiger Geschwindigkeit kontinuierlich injiziert. Wurde solchen Tieren Glucose in die Blutbahn eingebracht, so sank der Blutzucker in der gleichen Zeit auf die Norm zurück wie bei Tieren mit intaktem Pankreas. Eine verstärkte Insulinausschüttung als Reaktion auf die Hyperglykämie ist hier unmöglich, weil das Pankreas fehlt und durch die Spritze ersetzt ist. Aus diesen Versuchen hat man geschlossen, daß die Leber automatisch auf erhöhten Blutzucker mit beschleunigter Glucosefixierung antwortet, ohne dazu eines Anreizes durch vermehrte Insulinausschüttung zu bedürfen („homöostatischer" Mechanismus der Leber nach Soskin) 1 ). Man kann sich die Anpassung des Stoffwechsels der Gewebe an die Glucosekonzentration im Blut als eine Art chemischer Massenwirkung vorstellen: Erhöhung des Blutzuckers bewirkt im Gewebe automatisch vermehrten Verbrauch und vermehrte Speicherung; Erniedrigung bewirkt vermehrte Glycogenolyse. Andererseits aber ist es eine sichergestellte Tatsache, daß durch die Hyperglykämie die Langerhansschen Inseln zu vermehrter Insulinsekretion angereizt werden. Diese Tatsache steht zur oben erwähnten Auffassung von der autonomen Regelung des Blutzuckers durch die Organe und die Leber durchaus nicht im Widerspruch. Man kann annehmen, daß die zusätzliche Ausschüttung von Insulin dann eine Rolle spielt, wenn der Blutzucker stark erhöht wird und wenn der Anstieg rasch erfolgt. Dasselbe gilt wohl auch für die Hypoglykämie. Schwaches Absinken des Blutzuckerspiegels kann die Leber von sich aus korrigieren. Bei starkem und raschem Absinken dagegen wird der oben geschilderte Mechanismus der Adrenalinausschüttung in Gang gesetzt.

Wir können uns auf Grund der obigen Ausführungen die Regulation des Blutzuckerspiegels folgendermaßen vorstellen: Kleine Schwankungen werden durch den autonomen Regulationsmechanismus der Organe (Leber und Muskulatur) korrigiert. Gegen stärkere und rasche Schwankungen ist der Organismus durch zusätzliche Regulationsvorgänge geschützt. Wird der Glucosegehalt des Blutes stark erhöht, so gibt das Pankreas eine zusätzliche Menge Insulin an das Blut ab und unterstützt damit die Fixierung und den Verbrauch der Glucose in den Geweben. Sinkt umgekehrt die Glucosekonzentration wesentlich unter den normalen Wert ab, so werden dadurch die sympathischen Zentren gereizt; über die Splanchnici wird das Nebennierenmark veranlaßt, Adrenalin ans Blut abzugeben, das seinerseits die Leber zur vermehrten Glucoseabgabe anregt. Für den Organismus besonders bedrohlich ist die Hypoglykämie. Wir sehen denn auch, daß hier ein rasch wirkender nervöser Mechanismus eingeschaltet ist, während die Regulation sonst auf humoralem Wege erfolgt. Wahrscheinlich stellt die Adrenalin») Vgl. Physiol. Rev. 21, 140 (1941).

Der Diabetes mellitus

339

Sekretion einen Schutz gegen zu große Insulinausschüttung durch das Pankreas dar. Man kann feststellen, daß nach jeder größeren Glucosezufuhr ins Blut die erhöhte Zuckerkonzentration nicht nur auf den normalen Wert zurückgeht, sondern bedeutend tiefer absinkt. Diese „hypoglykämische Phase" wird als Folge der Insulinausschüttung gedeutet, mit der das Pankreas auf die Glucosezufuhr reagiert hat. Offenbar besteht eine wichtige Funktion des Adrenalinmechanismus darin, diese verlängerte Insulinwirkung abzuschneiden. Man beobachtet in der Tat, daß Tiere, denen die N. splanchnici durchtrennt worden sind, auf die gleichen Insulindosen mit einer viel tieferen Hypoglykämie antworten als normale Tiere. Die wichtigsten Faktoren und Zusammenhänge, die den Kohlenhydratstoffwechsel beeinflussen, sind im Schema Abb. 44 zusammengefaßt.

Abb.44. R e g u l a t i o n des G l u c o s e s t o f f w e c h s e l s . Förderung eines Vorganges ist durch + , Hemmung durch — neben der Spitze des Pfeils angedeutet. HVL = Hypophysenvorderlappen, NNR = Nebennierenrinde, NNM = Nebennierenmark, WH = Wachstums- (somatotropes) Hormon, ACTH = adrenocorticotropes Hormon.

6. Der Diabetes mellitus Wir fassen in diesem Abschnitt kurz die wichtigsten Stoffwechselstörungen zusammen, welche die Zuckerkrankheit charakterisieren. Sie sind teilweise in den vorangehenden Abschnitten bereits besprochen worden. Es gibt sich dabei die Gelegenheit, auf verschiedene Zusammenhänge zwischen Kohlenhydrat-, Fett-, Eiweißund Mineralstoffwechsel hinzuweisen. Der voll ausgebildete Diabetes mellitus ist, was die Stoffwechselstörungen betrifft, durch folgende Symptome ausgezeichnet1): *) Zuckerkranke, bei welchen die nachstehend genannten Symptome voll ausgebildet sind, kommen heute, nachdem das Insulin zur Verfügung steht, in den Kliniken nicht mehr häufig zur Beobachtung. 22«

340

Der Kohlenhydratstoffwechsel

1. Hyperglykämie und Glukosurie. 2. Ausscheidung der Acetonkörper: Aceton, Acetessigsäure und /?-Hydroxybuttersäure. 3. Vermehrte Stickstoffausscheidung im Urin, negative Stickstoffbilanz. Vermehrte Ammoniakausscheidung. 4. Verminderung der Alkalireserve. In schweren Fällen Verminderung des Na im Blutplasma und Verschiebung des pH im Blut gegen saurere Werte (Acidose). 5. Das sog. „Fetttransportsyndrom", vermehrter Fettgehalt des Blutes (Lipämie), oft auch Fettinfiltration der Leber. Wir haben gesehen, daß jede Hyperglykämie entweder auf einem verminderten Glucoseverbrauch in den peripheren Geweben bei gleichbleibender Produktion in der Leber oder auf einer gesteigerten Produktion (auch Zufuhr von außen) bei gleichbleibendem peripherem Verbrauch oder auf einer Kombination der beiden Ursachen beruht. Es stellt sich die Frage, auf welchem Wege die diabetische Hyperglykämie tatsächlich zustande kommt. Den beiden erwähnten Möglichkeiten entsprechend gibt es zwei Theorien: die eine nimmt an, daß der verminderte Glucoseverbrauch in den peripheren Geweben, besonders der Muskulatur, die wesentliche Ursache ist; die andere sieht die Ursache in der Überproduktion von Glucose durch die Leber. Führt man dem Diabetiker Kohlenhydrat zu, so erscheint ein beträchtlicher Teil davon als Glucose im Urin; außerdem geht, wie der stark verminderte Glycogen bestand der Muskulatur und der Leber zeigt, wenig Glucose in Glycogen über. Diese schon lange bekannten Tatsachen (Minkowski, H6don) führten die älteren Kliniker zur Annahme, daß die wesentliche Störung beim Diabetes eine verminderte Fähigkeit zur Verwertung der Glucose ist. Die Geschwindigkeit der Zuckerverwertung hängt aber nicht nur von der Aktivität der Zellen, sondern auch von der Zuckerkonzentration ihres Milieus, d. h. vom Blutzuckerspiegel ab. Sie steigt mit wachsender Glucosekonzentration bis zu einem maximalen Wert an. Die Gewebe des Diabetikers können zwar Glucose verwerten, vermögen dieselbe aber erst bei viel höherer Konzentration mit der gleichen Geschwindigkeit umzusetzen wie die normalen Gewebe (Soskin).

Die verminderte Fähigkeit der peripheren Gewebe, die Glucose zu oxydieren oder sie in Glycogen oder Fett überzuführen, genügt aber zur Erklärung der diabetischen Hyperglykämie nicht. Wir haben gesehen, daß die Leber des normalen Organismus mit intaktem Pankreas bei Erhöhung des Blutzuckers sofort aufhört, Glucose ans Blut abzugeben, und dafür Glucose zu fixieren beginnt (vgl. Abb. 42 auf S. 329). Wäre beim Diabetiker nur die Glucoseverwertung in der Peripherie gestört, so würde die Leber automatisch weniger Glucose ins Blut ausschütten und auf diese Weise den Blutzuckerspiegel rasch auf seine normale Höhe zurückbringen. Die Leber hat aber beim Diabetiker die Fähigkeit eingebüßt, ihre Glucoseproduktion dem Blutzuckerwert anzupassen. Sie beginnt, wenn überhaupt, erst bei sehr viel höheren Blutzuckerwerten, die Produktion einzuschränken. Darin liegt eine der wesentlichen Ursachen der Hyperglykämie des Diabetikers. Die Bildung der Ketonkörper bei Insulinmangel ist ein Ausdruck der stark gesteigerten Fettverbrennung, die ihrerseits sich aus der Unfähigkeit der Leber erklärt, die Glucose in normaler Weise zu verwerten. Unfähigkeit zur Glucoseverwertung bedeutet aber bei der Leber auch Unfähigkeit Glucose zurückzuhalten. Wenn unter diesen Bedingungen gleichzeitig die Gluconeogenese mit gleicher Geschwindigkeit weiterläuft, so muß ein Glucoseüberschuß entstehen, der ans Blut abgegeben wird. Es ist sogar denkbar, daß der eingeschränkte Kohlenhydratverbrauch

Der Diabetes mellitus

341

in den peripheren Geweben auf den Leberstoffwechsel im Sinne einer zusätzlichen Steigerung der Gluconeogenese zurückwirkt. Der schwere Diabetiker scheidet auch dann Glucose aus, wenn seine Nahrung kein Kohlenhydrat enthält. Die Quelle dieser Glucose ist das Eiweiß. Der diabetische Stoffwechsel lieferte derart den ersten eindrücklichen Beweis dafür, daß die Umwandlung von Eiweiß in Zucker in großem Umfange möglich ist. Der starke Eiweißzerfall erklärt die erhöhte Stickstoffausscheidung des Diabetikers. Das Verhältnis der ausgeschiedenen Glucose ( = Dextrose) zum Stickstoff im Urin, der sog. D:NQuotient, gibt ein ungefähres Maß für den Umfang der Zuckerbildung aus Eiweiß. Man nahm früher an, daß dieser Quotient beim schweren Diabetiker konstant sei (D:N etwa 3), und sah darin einen Beweis für dessen Unfähigkeit, die neugebildete Glucose zu verwerten (Minkowski). Nicht alle Aminosäuren sind Zuckerbildner. Wir werden S. 389 eine Liste der wichtigsten „glucoplastischen" Aminosäuren geben. Über die Möglichkeit der Zuckerbildung aus Fett vgl. S. 318. Neben dem Zucker erscheinen im Urin des Diabetikers die Acetonkörper: CII,

CH,

I c=o I

I c=o I

CHg

Aceton

CHS HCOH

CHj

AH2

¿OOH

COOH

Acetessigsäure

/3-Hydroxybuttersäure

Das Aceton entsteht aus der Acetessigsäure (einer ß-Ketosäure) spontan durch Ketospaltung, die linksdrehende ß-Hydroxybuttersäure aus der Ketosäure durch Hydrierung. Die Acetonkörper stammen aus den Fettsäuren; sie müssen als Zwischenprodukte der Fettsäureoxydation aufgefaßt werden. Sie sind in kleinen Mengen auch im Blut des Normalen vorhanden (beim Menschen 1—4 mg % total). Diese C4-Säuren entstehen fast ausschließlich in der Leber, die als ihr eigentlicher Bildungsort zu betrachten ist. Auch für die Anhäufung der Ketonkörper bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder werden sie beim Diabetiker in vermehrter Menge gebildet, oder sie können nicht mehr mit genügender Schnelligkeit verbrannt werden. Man bezeichnet die Bildung der Ketonkörper alsKetogenese, ihre Verbrennung alsKetolyse. Die obige Frage lautet dann so: ist im Diabetes die Ketogenese vermehrt oder die Ketolyse vermindert ? Man beobachtet das Auftreten von Ketonkörpern im Urin (Ketonurie oder Acetonurie) immer dann, wenn die Verwertung der Kohlenhydrate irgendwie gestört ist: beim Pankreasdiabetes, beim Phlorrhizindiabetes (vgl. S. 314), aber auch im Hunger, nach Erschöpfung der Kohlenhydratreserven. Unter diesen Bedingungen tritt in der Leber, die auch unter normalen Bedingungen kleine Mengen Acetonkörper abgibt, eine Steigerung ihrer Produktion auf das Vielfache ein. Man deutete diese Tatsache früher durch die Annahme, daß zur vollständigen Verbrennung der Fettsäuren gleichzeitige Oxydation von Kohlenhydrat nötig ist. (Man nahm also an, daß Kohlenhydrate ketolytisch wirken.) Der Kliniker N a u n y n prägte den bekannten Satz, daß die Fette im Feuer der Kohlenhydrate verbrennen.

342

Der Kohlenhydratstoffwechsel

Die heute bekannten Tatsachen sprechen aber eindeutig dafür, daß die Kohlenhydrate die Ketogenese in der Leber verhindern, d. h. wenn in der Leber Kohlenhydrat abgebaut wird, können nicht gleichzeitig Ketonkörper in nennenswerter Menge gebildet werden. (Näheres darüber siehe S. 363.) Die Kohlenhydrate wirken antiketogen, nicht ketolytisch. Die Oxydation der Ketonkörper in der Muskulatur wird durch die Gegenwart von Glucose nicht beschleunigt, eher vermindert (Versuche am eviszerierten Tier und mit überlebendem Gewebe). Sie ist auch beim diabetischen Tier nicht langsamer als beim normalen. Die Anhäufung der Acetonkörper beruht auf einer gesteigerten Bildung in der Leber. Das Leberparenchym vermag die Acetessigsäure und die /J-Hydroxybuttersäure nicht zu oxydieren. Da aber auch ihre Verbrennung in den peripheren Geweben ein relativ langsamer Prozeß ist, kann sie mit der erhöhten Produktion nicht Schritt halten; die Säuren häufen sich daher im Blut und den Geweben an und gehen in den Urin über. Im Hunger setzt die Bildung der Ketonkörper in der Leber dann ein, wenn die Kohlenhydratvorräte erschöpft sind und der Organismus sich auf die Verbrennung von Fett und Eiweiß umstellen muß. Beim Diabetiker sind die Gewebe mit Glucose überschwemmt, aber die Leber bildet trotzdem Ketonkörper. Es liegt nahe anzunehmen, daß das Leberparenchym bei Insulinmangel sich im gleichen Zustand befindet wie im Hunger, weil es die Glucose nicht verwerten kann. Die Ketonurie bei Hunger läßt sich schon durch kleine Mengen Kohlenhydrat aufheben. Die diabetische Leber muß also ihre Fähigkeit zur Zuckerverwertung weitgehend eingebüßt haben. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Ketonkörperbildung und dem Glycogengehalt der Leber. Sobald das Leberglycogen erschöpft ist, tritt Ketonurie auf. Beim Diabetiker ist der Glycogenbestand der Leber ein Maß für deren Fähigkeit, Glucose zu verwerten. Der Zuckerkranke scheidet nicht beständig Ketonkörper aus. Es scheint, daß dies immer dann eintritt, wenn sein Leberglycogen erschöpft ist. Insulin wirkt vermindernd auf die Ketonurie, weil es die Verwertung der Kohlenhydrate in der Leber fördert. Näheres über die Bildung der Acetonkörper vgl. S. 360. Paradoxerweise kann Insulin in gewissen Fällen Ketonurie auslösen. Wir haben gesehen, daß das Insulin eine Verschiebung von Glucose aus der Leber nach den peripheren Geweben bewirkt. Wenn nicht gleichzeitig Glucose zugeführt wird, nimmt der Glycogengehalt der Leber ab. Dies kann offenbar bei geringem Glycogenbestand so weit gehen, daß verstärkte Ketogenese einsetzt.

Man hat die vermehrte Bildung der Acetessig- und /J-Hydroxybuttersäure als zweckmäßige Reaktion des Organismus auf den Mangel an Kohlenhydrat oder die gestörte Glucoseverwertung zu deuten versucht. Die Leber soll, als Ersatz für die Glucose, die Ketonkörper ans Blut abgeben, welche leicht diffusibel sind und von den peripheren Geweben oxydiert werden können. Die Acetessigsäure wird tatsächlich wie die Brenztraubensäure über den Citronensäurecyklus oxydiert, könnte also die Glucose bis zu einem gewissen Grad ersetzen. Die Ketonkörper werden aber schlecht ausgenutzt, offenbar weil ihre Oxydation zu langsam verläuft. Beträchtliche Mengen gehen in den Urin über (30—50 g pro die; K ü l z hat in einer Tagesmenge Diabetikerharn über 200 g gefunden!). Wir haben darauf hingewiesen, daß die Hauptquelle der Ketonkörper die Fettsäuren sind. Ein kleiner Teil kann auch aus Aminosäuren stammen. Als Ketonbildner kommen Leucin, Phenylalanin und Tyrosin in Frage (Versuche an der durchströmten Leber und mit überlebenden Gewebsschnitten). Mit der vermehrten Verbrennung des Fettes hängt auch die L i p ä m i e , der Fettreichtum des Blutplasmas, zusammen. Beim Diabetiker ist sowohl die Konzentration

Der Diabetes mellitus

343

der Neutralfette als auch des Cholesterins und der Phospholipide erhöht. Sie kann von einer Gesamtkonzentration von etwa 1% beim Normalen bis auf 10% ansteigen. Offenbar ist der hohe Fettgehalt des Blutes der Ausdruck einer Mobilisierung der Fettreserven, welche durch die mangelnde Zuckerverwertung bedingt ist und es dem Organismus ermöglichen soll, seinen Energiebedarf durch Fettverbrennung zu decken. Wir wissen nicht, durch welchen Mechanismus die Mobilisierung des Reservefettes zustande kommt. Sie hängt von endokrinen Faktoren ab. Man kann durch Hypophysenextrakte Lipämie und Fettinfiltration der Leber erzeugen. Es scheint dafür das Zusammenwirken des Wachstumshormons und der Rindenhormone nötig zu sein (vgl. S. 367).

Wegen ihrer zentralen Stellung im Kohlenhydratstoffwechsel bietet das Verhalten der Leber beim Diabetes besonderes Interesse. Merkwürdigerweise hat sich bisher eine Beeinflussung des Leberstoffwechsels durch Insulin in vitro nicht mit Sicherheit nachweisen lassen1). Wenn man zu Organschnitten aus normaler oder diabetischer Leber Inselhormon zusetzt, läßt sich keine Wirkung feststellen, während unter gleichen Bedingungen der Glucoseverbrauch im Muskel ansteigt. Die Einwirkung des Insulins auf die Leber zeigt sich nur dann, wenn das diabetische Versuchstier mit dem Hormon vorbehandelt wird, und es braucht 24—48 Stunden, bis die Fähigkeit des Organs zur Glucoseverwertung wiederhergestellt ist. Beim Fehlen des Insulins scheinen sich demnach in der Leber sekundäre Veränderungen einzustellen, die bei erneuter Insulinzufuhr sich nur allmählich, nach einer gewissen Latenzzeit zurückbilden. Wahrscheinlich ist die oben erwähnte Störung der Fettsäuresynthese eine derartige sekundäre Folge des Insulinmangels. Andere Leberfermente sind beim Diabetes vermehrt, so die Glucose-6-phosphatPhosphatase2). Es ist möglich, daß die beschleunigte Spaltung des Glucose-6-phosphats eine der Ursachen der vermehrten Zuckerbildung und -ausschüttung durch die diabetische Leber ist. Die genannten Beobachtungen zeigen, daß offenbar die diabetische Stoffwechselstörung zu Veränderungen der enzymatischen Ausrüstung der Leberzellen führt, die als Folge des Insulinmangels oder als Reaktion des Organs auf die neue, durch den Insulinmangel hervorgerufene Situation aufgefaßt werden können. Die diabetische Leber ist nicht einfach eine „normale Leber minus Insulin", sondern sie unterscheidet sich vom normalen Organ sehr stark durch ihr „Stoffwechselmuster" („metabolic pattern"). Wie wir früher bereits erwähnt haben, kann die Fructose in der diabetischen Leber gleich rasch umgesetzt werden wie in der normalen. Demnach werden die dafür verantwortlichen Leberenzyme durch die erwähnten Vorgänge nicht betroffen. Doch ist die Art ihrer Verwertung etwas verschieden3). Im Zusammenhang mit der Veränderung des Leberstoffwechscls im Diabetes muß hier nochmals auf ihre große Ähnlichkeit mit den Erscheinungen hingewiesen werden, die im Hunger eintreten (Hungerdiabetes vgl. S. 334). In beiden Fällen ist die Fähigkeit zur Glucoseverwertung (die „Glucosetoleranz") herabgesetzt, die Synthese der Fettsäuren ist stark vermindert4), es kommt zur Acetonkörperbildung, zur Mobilisierung der Fettreserven usw. Es liegt nahe, nach einer gemeinsamen Renold u. Mitarb., J. biol. Chem. 218, 135 (1955); Recent Progress in Hormone Research 11, 381 (1955). 2 ) A s h m o r e u. Mitarb., Pro. Nat. Acad. Sei., USA., 40, 673 (1954). 3 ) R e n o l d u. Mitarb. J. biol. Chem. 209, 687 (1954). 4 ) Masoro u. Mitarb.. J. biol. Chem. 185, 845 (1950).

344

Der Kohlenhydratstoffwechsel

Ursache zu suchen; diese liegt möglicherweise im Fehlen von verwertbarem Kohlenhydrat. I n der diabetischen wie in der Hungerleber fehlt Glucose, in der ersteren, weil sie nicht verwertet werden kann, in der letzteren, weil von außen keine zugeführt wird. Wir wissen, daß unter diesen Bedingungen die Leberproteine eingeschmolzen werden; es ist sehr wohl möglich, daß auch gewisse Fermentproteine in diesen Prozeß einbezogen werden und daß die oben erwähnten Veränderungen der Enzymausrüstung der Leber, wenigstens zum Teil, auf diesem Weg zustande kommen. Die Frage muß offen bleiben, ob nicht auch die Stoffwechseldefekte in den peripheren Geweben des Diabetes irgendwie auf die Leber zurückwirken können. Die großen Mengen unverbrennbarer organischer Säuren, die durch Ketogenese entstehen, bewirken auch tiefgreifende Änderungen im Säure-Basen-Gleichgewicht des Körpers. Im Blut nimmt die Alkalireserve ab. Man bezeichnet bekanntlich als Alkalireserve denjenigen Teil der Basen, der durch das Bicarbonatanion HC0 3 ~ neutralisiert ist (vgl. S. 565). Normalerweise sind dies etwa 25 Milliäqu./l von 155 Milliäqu. Gesamtbase. Im Diabetes oder im Hunger, wenn große Mengen Ketonkörper anfallen, wird ein beträchtlicher Teil des Bicarbonats durch die Anionen der Acetessigsäure und der /9-Hydroxy buttersäure ersetzt; außerdem kommt es mit der Zeit zu einer Verminderung der Gesamtbasen. Vgl. Abb. 53 (nach Garhble). Man bezeichnet diesen Zustand als A c i d o s e oder K e t o s e . Die Wasserstoffionenkonzentration im Blut wird durch das Verhältnis freie Kohlensäure : Bicarbonat bestimmt (vgl. S. 138) nach der H e n d e r s o n - H a s s e l b a l c h s c h e n Gleichung: (H + ) = k • H 2 C0 3 /HC0 3 ~. Eine Verminderung des Bicarbonats muß also eine Erhöhung der Wasserstoffionenkonzentration zur Folge haben, wenn dabei die Konzentration der freien Kohlensäure konstant bleibt. Die letztere ist durch den Partialdruck des C0 2 im Blut, also durch den C0 2 -Gehalt der Alveolarluft bestimmt. Innerhalb gewisser Grenzen kann der Organismus durch Verstärkung der Lungenventilation die Verminderung der Alkalireserve ausgleichen (sog. „kompensierte Acidose"). In den fortgeschrittenen Stadien der Acidose reicht allerdings diese Kompensation nicht mehr aus; das p H des Blutes sinkt ab (von 7,4 bis auf 7,0, sogar noch tiefer). Dieser Zustand ruft schwere Störungen hervor (Dyspnoe, sog. K u s s m a u l sehe Atmung, Coma). Die Ausscheidung der sauren Stoffwechselprodukte stellt an den Säure-BasenHaushalt besondere Anforderungen. Die Carbonsäuren können nicht in freier (d. h. undissoziierter) Form ausgeschieden werden, da es der Niere nicht möglich ist, einen genügend sauren Harn zu produzieren. (Um z. B. 90% der /3-Hydroxybuttersäure — logarithmische Dissoziationskonstante pk = 4,25 — in freier Form auszuscheiden, wäre ein pH-Wert des Urins von etwa 3,5 nötig!) Sie müssen daher als Ionen, d. h. zusammen mit einem Kation ausgeschieden werden. Würden dazu die Alkalien (Na + und K + ) verwendet, so müßte es sehr rasch zu einer lebensbedrohenden Verkleinerung des Bestandes an Basen kommen. Die Niere hat aber die Fähigkeit, fixe Alkalien dadurch einzusparen, daß sie an Stelle der Alkaliionen Ammoniumionen in den Urin abgibt. Ammoniak kann durch Desaminierung der Aminosäuren vom Körper in großen Mengen produziert werden. Bei jeder Ketonurie steigt die Menge der im Urin ausgeschiedenen Ammoniumionen stark an. Sie dienen der Neutralisation der /J-Hydroxybuttersäure und Acetessigsäure. Näheres über die Ausscheidimg der Säuren im Urin siehe S. 554 u. ff. Wie eben erwähnt, stammt das Ammoniak aus den Proteinen. Infolge der gesteigerten Gluconeogenese aus Eiweiß stehen gerade beim Diabetiker große Mengen Stickstoff zur Verfügung, Es wäre denkbar, daß das Ammoniak in der Niere direkt durch Desaminierung der

Der Diabetes mellitus

346

Aminosäuren gewonnen würde. Gewisse experimentelle Befunde deuten aber darauf hin, daß das Harnammoniak in der Niere größtenteils aus der Säureamidgruppe des Glutamins entsteht: COOH • CH(NH2) • CH2 • CH2 • CONH2 . Zur Untersuchung derNH3-Bildung aus Glutamin wurde bei Hunden eine Niere unter die Haut verpflanzt, um Blut aus den zu- und abführend en Gefäßen direkt entnehmen und das Stromvolumen messen zu können. Die Analyse zeigt, daß der Glutamingehalt des Bluts beim Durchgang durch die Niere abnimmt und daß die Menge des verschwundenen Amids gerade der Menge des im Urin ausgeschiedenen Ammoniaks entspricht (Van Slyke 1 )).

Die meisten der besprochenen. Veränderungen im Stoffwechsel des diabetischen Organismus lassen sich als Anpassung an die gestörte Zuckerverwertung in der Leber und den peripheren Geweben deuten und fügen sich in ein übersichtliches Bild ein. Die sekundären Erscheinungen, die sich im Anschluß an die primäre Funktionsstörung entwickeln können, sind sehr zahlreich und bedingen die Mannigfaltigkeit des klinischen Bildes und des Verlaufs der Krankheit. Es ist gut, wenn der Kliniker darüber die grundlegende einheitliche Ursache der Krankheit nicht vergißt. Über die tieferen Gründe, die beim Diabetiker zur Insuffizienz der Langerhansschen Inseln führen, wissen wir nichts. Es besteht eine erbliche Disposition zur Zuckerkrankheit. Der Erbgang ist, soviel wir wissen, rezessiv, die Penetranz nicht sehr hoch. Sicher ist, daß eine Überlastung des Organismus mit Kohlenhydrat als auslösendes Moment wirken kann und bei manifestem Diabetes den Zustand verschlechtert. Wir haben gesehen, daß Hyperglykämie die Langerhansschen Inseln zur vermehrten Insulinsekretion veranlaßt. Offenbar wird das geschädigte Inselgewebe durch den Reiz des erhöhten Blutzuckerspiegels rasch zur Erschöpfung gebracht. Die oben erwähnten Versuche über den „metahypophysären" Diabetes beim Hund lassen es als möglich erscheinen, daß primär eine verstärkte diabetogene Aktivität der Hypophyse besteht, die das Pankreas dauernd zur Überproduktion von Insulin zwingt und damit schließlich erschöpft. Nicht diabetische Glucosurien. Das Auftreten von Glucose im Urin bedeutet natürlich nicht notwendigerweise, daß ein Diabetes besteht. Bei Einnahme großer Mengen Glucose kann der Blutzucker vorübergehend so stark ansteigen, daß Glucose in den Urin übergeht (alimentäre Glucosurie). Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, daß gelegentlich auch andere Zucker in den Urin übergehen. Bei stillenden Frauen findet man öfter Lactose. In seltenen Fällen kommen auch Pentosen oder F r u c t o s e i m Urin vor. Das Auftreten dieser Zucker kann auf einer genetisch bedingten Stoffwechselstörung beruhen. Wir kommen an anderer Stelle auf diese Frage zurück. Vgl. S. 630 Galactosämie und -urie S. 307. Bei der hereditären Fructoseintoleranz fehlt wahrscheinlich die 1-Phosphofructalolase2). Infektionen aller Art können ebenfalls zu Glucosurie führen, ohne daß sich über die Art und Weise, wie die zugrunde liegende Stoffwechselstörung zustande kommt, Genaueres aussagen ließe. Anderer Art ist der bereits erwähnte Phlorrhizindiabetes (vgl. S. 314). Er kommt durch Erniedrigung der Ausscheidungsschwelle für Glucose in der Niere zustande. 2

V a n S l y k e u. Mitarb., J. biol. Chem. 150, 481 (1943). ) Froesch u. Mitarb. Helv. Paed. Acta 14, 99 (1959).

Der Fettstoffwechsel

346

Fünfzehntes Kapitel

Der Fettstoffwechsel 1. Die Verdauung der Fette Die Fette zeichnen sich durch ihre hohe Verbrennungswärme aus und bilden daher eine wichtige Gruppe von Nahrungsstoffen. Wie schon im Kapitel über Fermente gesagt wurde, bildet die Magenschleimhaut ein fettspaltendes Ferment, eine L i p a s e , welche bei schwach saurer Reaktion hydrolytisch auf die Fette wirkt. Die Fettspaltung im Magen ist aber nicht bedeutend. Es scheint auch, daß die Magenlipase nur auf fein verteiltes Fett einwirkt, wie es in der Milch oder im Eigelb vorkommt. Die Hauptmenge der Fette wird erst im Dünndarm angegriffen. Das P a n k r e a s sezerniert mit seinem Sekret Lipase in das Darmlumen. Die Pankreaslipase wurde früher „Steapsin" genannt. Sie wirkt bei leicht alkalischer Reaktion optimal. (Nach W i l l s t ä t t e r sind die Magenlipase und die Pankreaslipase wahrscheinlich identisch. Durch Reinigung kann man aus der Magenlipase Präparate erhalten, die Fett beim gleichen pH hydrolysieren wie Pankreaslipase. Der Unterschied im pH-Optimum beruht also auf dem Vorhandensein von Begleitstoffen.) Die Lipase wird in ihrer Wirkung durch verschiedene Stoffe, insbesondere durch die Salze der Gallensäure, aktiviert. Es ist zunächst die Frage zu beantworten, ob für die Aufnahme der Fette durch die Darmwand eine vollständige Spaltung des Fettes notwendig ist oder ob eventuell auch ungespaltenes Fett z. B. in Form von feinen Emulsionen resorbiert werden kann. Viele Beobachtungen sprechen dafür, daß die Hydrolyse der Fette bei der Verdauung nicht bis zum freien Glycerin geht, sondern auf der Stufe der Monoglyceride stehenbleibt, d. h. es werden aus den Triglyceriden nur zwei Fettsäurereste abgespalten, z. B.: CH,—O-COR

I

CH—0—COR

I

CH a —O-COR

CH.OH + COOHR

I

• CH—0—COR

CH.OH

I

— C H O H

I

CH,—0—COR

+ COOHR

I

CH,—0—COR

Monoglyceride bilden zusammen mit den gallensauren Salzen und den Seifen ein emulgierendes System, welches imstande ist, das Nahrungsfett in eine äußerst feine und dabei sehr stabile Emulsion zu zerteilen (Frazer, Favarger).

Seifen sind in geringen Mengen immer im Darmkanal vorhanden. Da die Fette wasserunlöslich sind, die Lipase als Protein aber wasserlöslich (und nicht lipoidlöslich) ist, kann der Angriff auf das Substrat nur an der Oberfläche der Fetttropfen erfolgen. Je feiner das Fett zerteilt ist, desto größer ist diese Oberfläche, desto wirksamer ist also die Fermentreaktion. 2. Absorption und Verteilung Die Absorption der Fette ist eine der schwierigsten Fragen auf dem Gebiet der Verdauung, bei welcher verschiedene Einzelheiten noch unklar sind. Daß ein beträchtlicher Teil des Nahrungsfettes erst nach Hydrolyse als Fettsäure (oder auch als Monoglycerid) aufgenommen wird, kann als sicher gelten. Um die

Absorption und Verteilung

347

Absorption der Fettsäuren zu erklären, wurden verschiedene Hypothesen aufgestellt, die wir hier aber nicht kritisch besprechen können. So hat man sich z. B. vorgestellt, daß die Fettsäuren in Verbindung mit Gallensäuren als sog. Choleinsäuren aufgenommen werden könnten, dies ist unwahrscheinlich. Da das Pankreassekret eine Esterase enthält, welche Ester des Cholesterins zu hydrolysieren und zu bilden imstande ist (fermentative Synthese als Umkehrung der Hydrolyse, vgl. S. 202), hat man auch daran gedacht, daß die Fettsäuren als Cholesterinester aufgenommen werden könnten. Weitere Verbreitung hat die Anschauung gefunden, daß die Fettsäuren bei ihrem Eintritt in das Darmepithel zunächst in Phospholipide (z. B. in Lecithin) eingebaut werden. Neuere Arbeiten, bei denen der Umsatz der Phospholipide der Darmschleimhaut mit Hilfe von radioaktivem Phosphat während der Fettabsorption und im ruhenden Darm untersucht wurden, haben jedoch keine sicheren Anhaltspunkte dafür ergeben, daß während der Absorption der Fettsäuren Phospholipide in erhöhtem Maße gebildet werden. Der Vorgang müßte sich schon in der Weise abspielen, daß die Verbindung des Cholinphosphats mit dem Glycerin stabil bleibt und nur die Fettsäuren ausgetauscht werden.

Einzelne Autoren nehmen an, daß ein kleinerer oder größerer Teil des Neutralfettes als solches, d. h. in Form feinster Tröpfchen, von den Epithelzellen des Darmes aufgenommen wird (Frazer). Auf diese Weise sollen Tröpfchen von weniger als 0,5 ¡x Durchmesser aufgenommen werden. Als Argument für diese Auffassung wird angeführt, daß bei genügend feiner Emulgierung auch indifferente Stoffe wie z. B. Paraffinöl aufgenommen werden können. Über alle diese Fragen ist eine endgültige Entscheidung heute noch nicht möglich. Während der Fettabsorption findet man in den Epithelzellen der Darmschleimhaut reichlich Fetttröpfchen, die sich farberisch leicht nachweisen lassen. Da das Neutralfett im Darm zum größten Teil gespalten wird, muß man annehmen, daß bereits im Darmepithel wieder eine B,esynthese der Triglyceride stattfindet. Das Fett ist in den Epithelzellen hauptsächlich in der Umgebung des Go lg i-Apparates angehäuft, und man vermutet, daß diese Struktur irgendwie an der Fettsynthese beteiligt ist. Von den Epithelzellen werden die Fetttröpfchen in die Lymphräume der Darmzotten und von dort in die Lymphgefäße, die während der Fettverdauung mit einer milchigen Flüssigkeit, dem Chylus, gefüllt sind, aufgenommen. Der Chylus ist eine feine Fettemulsion. Die Hauptmenge des Fettes wird auf dem Lymphwege absorbiert und ergießt sich durch den Ductus thoracicus direkt ins Blut. Das Blutserum ist daher während der Verdauung einer fetthaltigen Mahlzeit opak und zeigt ein milchiges Aussehen (Lipämie). Beim Stehen setzt sich an der Oberfläche eine Fettschicht ab. Die Lipämie verschwindet einige Stunden nach Aufhören der Fettabsorption. Durch gleichzeitige Aufnahme von Kohlenhydrat wird das Verschwinden des Fettes aus dem Blut beschleunigt. Die Fetttröpfchen des lipämischen Blutserums sind im Mikroskop bei Dunkelfeldbeleuchtung gut sichtbar. Es ist möglich, daß die aufgenommenen Fettsäuren zum Teil in der Darmschleimhaut nicht zu Fett resynthetisiert werden, sondern als solche in die Lymphgefäße oder auch in die Kapillaren der Pfortader gelangen und damit auf direktem Weg der Leber zugeführt werden. Daß nicht alles Fett im Chylus abtransportiert wird, kann dadurch gezeigt werden, daß es nicht gelingt, aus dem Chylus allein alles resorbierte Fett zurückzugewinnen (man findet dort nur etwa 60%), und daß außerdem das Abbinden der Lymphgefäße eines Darmsektors nicht zur gänzlichen Sistierung der Fettresorption führt. Jedenfalls ist aber der Abtransport durch die Lymphbahnen der bei weitem wichtigere Weg.

Der Fettstoffwechael

348

Die S y n t h e s e d e r T r i g l y c e r i d e aus Fettsäuren und Glycerin geht nach den heutigen Kenntnissen von a-Glycerophosphat aus. Sehr wahrscheinlich sind es die durch Coenzym A „aktivierten" Fettsäuren, welche mit dem Glycerin verestert werden (vgl. S. 357 und 514). Enzympräparate aus Leber sind nämlich imstande, bei Gegenwart von CoA und ATP zwei Fettsäurereste in das a-Glycerinphosphat einzuführen; die CoA-Verbindung der Fettsäuren, die das mutmaßliche Zwischenprodukt der Synthese ist, reagiert tatsächlich direkt mit dem Glycerophosphat 1 ). Die entstehende Phosphatidsäure (S. 47) stellt wahrscheinlich eine Intermediärstufe der Fettsynthese dar; aus der Phosphatidsäure wird das Phosphat abgespalten, und das entstehende Diglycerid reagiert mit einer weiteren aktivierten Fettsäure 2 ). Demnach würde z. B. Tripalmityl durch folgende Reaktionen entstehen: a-Glycerophosphat + 2 Palmityl-CoA Phosphatidsäure Dipalmityl + Palmityl-CoA

• Phosphatidsäure + 2 CoA Dipalmityl + Phosphat • Tripalmityl + CoA

Wegen ihrer Verwandtschaft mit der Synthese der Triglyceride soll hier gleich die S y n t h e s e d e r P h o s p h a t i d e besprochen werden. Es hat sich gezeigt, daß die Synthese der Lecithine und Kephaline, wie die Synthese der gewöhnlichen Triglyceride, zunächst über eine Phosphatidsäure zu einem Diglycerid führt. Der primär bei der Phosphorylierung des Glycerins eingeführte Phosphatrest geht also nicht in die Phosphatide über. In das Diglycerid wird, anstatt des dritten Fettsäurerests, nun Cholinphosphat eingeführt. An dieser Reaktion ist ein neues Coferment beteiligt, das C y t i d i n d i p h o s p h a t c h o l i n : 0 I 1 O O „H „N / = \ I OH OH II II 2 —4 >N— C— C C—C—CH„—0—P—O—P—0—CH 2 CH 2 N(CH 3 ) 3 H H H H | | ^ \> OH OH

Damit ist zum ersten Mal eine Reaktion bekannt geworden, die ein Cytidinphosphat als Coferment benötigt. Die Bildung des letzteren erfolgt derart, daß zunächst das Cholin durch ATP phosphoryliert wird (abgekürzte Schreibweise): ATP

+

HOCHjCHjNiCH^j

• P-0-CH 2 CH 2 N(CH s ) s

+

ADP 3

Die entsprechende Kinase ist in der Leber und in der Hefe nachgewiesen worden ). Anschließend reagiert nun das Phosphocholin mit Cytidintriphosphat: C y t - O - P - O - P - O - P + P-0-CH 2 CH a N(GH 3 ) 3 7 — " Cyt-0-P-0-P-0-CH 2 CH a N(CH3)3 + P - O - P Es handelt sich hier um eine Reaktion gleicher Art wie sie auch bei den Uridincofermenten und der Cozymase bekannt ist (S. 306 und 474). Das Enzym, das spezifisch mit Cytidintriphosphat reagiert, ist als P C - C y t i d y l t r a n s f e r a s e bezeichnet worden (PC = Phosphocholin). Schließlich wird der Cholinphosphorylrest durch eine , , G l y c e r i d t r a n s f e r a s e " auf das Diglycerid übertragen: CHj-O-CO-R

CH2-0-C0-R

CH-O-CO-R I CHjOH + Cyt-0-P-0-P-0-CH 2 CH 2 N(CH 3 ) 3

CH-O-CO-R + Cyt-O-P I CH 2 -0-P-0-CH 2 CH 2 N(CH 3 ) 3

Es sind Enzyme nachgewiesen worden, welche das Cytidinmonophosphat durch ATP zum Triphosphat rephosphoryÜeren. Wir verdanken die Aufklärung dieser Reaktionen vor allem K e n n e d y u. Weiss 4 ). Die Enzympräparate, die zur Phosphatidsynthese befähigt sind, wurden aus Rattenleber gewonnen. *) K o r n b e r g u. P r i c e r , J . biol. Chem. 204, 345 (1953). 2 ) W e i s s u. K e n n e d y , J . Am. chem. Soc. 78, 3550 (1956); Y . S t e i n u. B. S h a p i r o , Biochim. Biophys. Acta 24, 197 (1957). 3 ) W i t t e n b e r g u. K o r n b e r g , J . biol. Chem. 202, 431 (1953). *) K e n n e d y u. W e i s s , J . Am. Chem. Soc. 77, 250 (1955); J . biol. Chem. 222, 185, 193 (1956).

Die Bildung und gegenseitige Umwandlung der Fettsäuren

349

Das Fermentsystem scheint aber weit verbreitet zu sein; es ist u. a. auch im Gehirn nachgewiesen worden1). Der Beweis, daß das Cytidindiphosphatcholin tatsächlich in der angegebenen Weise an der Synthese beteiligt ist, ergibt sich einerseits aus seinem Vorkommen in der Leber, und andererseits daraus, daß sich die synthetische Substanz in den Enzymversuchen so verhält wie es vom natürlichen Zwischenprodukt zu erwarten wäre. Kephalinphosphatide werden in ähnlicher Weise synthetisiert. Das Sphingosin, das als Baustein der Sphingomyeline wichtig ist, entsteht aus Palmitinaldehyd und Serin. In der ersten Stufe der Reaktion wird die Palmitinsäure durch TPN zum Aldehyd reduziert; in der zweiten kondensiert sich der Aldehyd mit dem Serin unter Abspaltung von C0 2 und Bildung von Dihydrosphingosin; das letztere wird schließlich durch ein Flavinferment zum Sphingosin dehydriert2): CH3CH2)14COOH + TPNH + H+ CH3(CH2)14CHO + HOCH2CH(NH2)COOH

> CH3(CH2)14CHO + TPN • CH3(CH2)14CH(OH)CH(NH2)CH2OH + C0 2

CH3(CH2)14CH(OH)CH(NH2)CH2OH + Flavin • CH3(CH2)12CH = CHCH(OH)CH(NH2)CH2OH + Flavin H 2 Die Kondensation des Aldehyds mit dem Serin ist eine der vom Coferment Pyridoxalphosphat abhängigen Reaktionen (vgl. S. 782). Die Synthese der Sphingomyeline geht nun in der Weise vonstatten, daß die Fettsäure als Co-Verbindung mit der Aminogruppe reagiert, während das Cholinphosphat in gleicher Weise eingeführt wird wie bei den Lecithinen3).

Wie über den Absorptionsvorgang, so herrscht auch über die Art und Weise, nach der die Fette und die Fettsäuren im Blut transportiert und in den Geweben abgelagert werden, noch keine Klarheit. Da es sich um Stoffe handelt, die in Wasser sehr schwer oder gar nicht löslich sind, können sie nur in Verbindung mit anderen wasserlöslichen Stoffen transportiert werden. Als Vehikel dienen im normalen, d. h. nicht lipämischen Blut die Lipoproteide des Blutplasmas. Im lipämischen Blut ist der Überschuß der Fette als Emulsion vorhanden. Das nach der Verdauung im Blutplasma kreisende Fett wird von den Organen aufgenommen. Nach Versuchen mit markierten (deuteriumhaltigen) Fettsäuren zu schließen, wird in den ersten Stunden ein beträchtlicher Teil in der Leber festgehalten4) und erst nachträglich an die peripheren Depots abgegeben (vgl. auch S. 365). In das im Fettgewebe als Reservestoff abgelagerte Fett werden die mit der Nahrung aufgenommenen Fettsäuren z. T. direkt eingebaut. Es läßt sich, wenigstens bei einzelnen Tierarten wie beim Hund, in seiner Zusammensetzimg beeinflussen. Die wichtigsten Fettdepots befinden sich im Unterhautgewebe und in der Bauchhöhle (Umgebung der Nieren, Mesenterium, Omentum). Je nach der Lokalisation ist die Zusammensetzung der Fette, die sich im Schmelzpunkt widerspiegelt, verschieden. Das Hautfett z. B. hat einen viel niedrigeren Schmelzpunkt als das perirenale Fett („Nierenfett"). Auch bei den verschiedenen Tierklassen, sogar zwischen verschiedenen Tierarten, findet man bedeutende Unterschiede in der Zusammensetzung des Reservefetts (vgl. Klenk 6 ). Außer ihrer Bedeutimg als Energiereserven haben diese Fettansammlungen aber noch andere Funktionen. Das (bei Körpertemperatur flüssige) Hautfett speilt eine Rolle als Gleitmittel. Die Fettschicht der Haut ist besonders wichtig für die Wärmeregulation (Isolierschicht; der panniculus adiposus ist besonders bei den wasserbewohnenden Säugern gut ausgebildet!). !) McMurry u. Mitarb., Fed. Proc. 15, 313 (1956). 2 ) Zabin u. Mead, J. biol. Chem. 211, 87 (1954). Sprinson, J. biol. Chem. 207, 585 (1954). B r a d y u. Mitarb., J. biol. Chem. 283, 26,1072 (1958). 3 ) B r a d y u. Mitarb. J. biol. Chem. 283, 1072 (1958). K e n n e d y , ibid. 233, 1315 (1958). 4 ) Cavanagh u. Raper, Biochem. J. 33, 17 (1939). 5 ) K l e n k u. D e b u c h , Anm. Rev. Biochem. 28, 39 (1959).

350

Der Fettstoffwechsel 3. Die Bildung und gegenseitige Umwandlung der Fettsäuren

Aus der Tatsache, daß man Tiere durch reichliche Kohlenhydrat- oder Eiweißzufuhr mästen kann, geht hervor, daß offenbar Fettsäuren in großem Umfang aus andersartigem Material gebildet werden können. Die ersten grundlegenden Isotopenversuche über den Fettsäurestoffwechsel sind vor allem S c h o e n h e i m e r zu verdanken. a) F e t t s ä u r e n a u s K o h l e n h y d r a t . Aus der Betrachtung der Bruttoformel der Fettsäuren und der Zucker folgt, daß dieser Übergang ein reduktiver Vorgang ist und als solcher Energie verbraucht. Man erkennt ohne weiteres, daß der respiratorische Quotient eines solchen Vorgangs (Verhältnis gebildeter C0 2 zu verbrauchtem Sauerstoff) bedeutend größer ist als Eins. Das hat sich bei tierischen und pflanzlichen Organismen, in denen intensive Fettbildung stattfindet, bestätigt. Die neueren Forschungen haben gezeigt, daß die Fettsäuren aus kurzen Zweikohlenstoffketten aufgebaut werden. Die Zucker müssen also zuerst zu C 2 -Fragmenten abgebaut werden, und erst aus diesen werden die Kohlenstoffketten der Fettsäuren gebildet. Ein beträchtlicher Teil der mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate wird im Tierkörper in Fett übergeführt (vgl. S. 323). Darauf beruht die Möglichkeit, bei Nutztieren durch reichliche Zufuhr von Kohlenhydrat einen Fettansatz zu erzwingen (Kohlenhydratmast). Auf den Mechanismus der Synthese, welche über Pyruvat und aktivierte Essigsäure führt, werden wir später zu sprechen kommen. b) F e t t s ä u r e n a u s E i w e i ß . Das Fett, welches bei Zufuhr von Eiweiß angesetzt wird, hat die gleiche Zusammensetzung (in bezug auf Art und Menge der Fettsäuren) wie bei Zufuhr von Kohlenhydrat. Wie wir bei der Besprechung des Kohlenhydratstoffwechsels gezeigt haben, kann Eiweiß leicht in Kohlenhydrat übergehen. Es ist daher anzunehmen, daß Eiweiß über Kohlenhydrat in Fett übergeführt wird oder daß jedenfalls aus den Aminosäuren zunächst dieselben ZwischenVerbindungen (C2-Fragmente ?) entstehen wie bei der Umwandlung der Zucker in Fettsäuren. c) G e g e n s e i t i g e U m w a n d l u n g d e r F e t t s ä u r e n . Die Vorstellung vom paarigen Abbau und Aufbau der Fettsäuren läßt die Entstehung neuer Fettsäuren durch eine Verkürzung oder Verlängerung der Kohlenstoffketten als wahrscheinlich erscheinen. Dies ist durch Verwendung „markierter" Säuren bewiesen worden. Verfüttert man z. B. Palmitinsäure, deren Wasserstoff teilweise durch Deuterium ersetzt worden ist, an die weiße Ratte und bestimmt (nach einer Versuchsdauer von 8 Tagen) den Deuteriumgehalt der verschiedenen Fettsäuren des Depotfetts, so erweist sich nicht nur die Palmitinsäure als „markiert", sondern man findet auch einen beträchtlichen Deuteriumgehalt in anderen Fettsäuren. Wenn man den Deuteriumgehalt der verfütterten Palmitinsäure = 100 setzt, so ergibt sich folgendes Resultat (nach Schoenheimer): Palmitinsäure (CJ6) 24,2%, Stearinsäure (C18) 9,3%, Myristin- (Ci4) und Laurinsäure (C12) 5,6%, Palmitoleinsäure (eine Cls-einfach ungesättigte Säure) 6,3%, Ölsäure 1%, Linolsäure (C18, zweifach ungesättigt) 0,3%. Da das Deuterium in der Palmitinsäure stabil gebunden ist, können die anderen Säuren daraus nur durch Verlängerung oder Verkürzung der Ketten entstanden sein (Stearinsäure: + 2 C-Atome, Myristinsäure: —2 C-Atome, Laurinsäure: —4 C-Atome). Da auch Ölsäure und Palmitoleinsäure Deuterium enthalten, muß angenommen werden, daß dieselben aus den entsprechenden gesättigten Säuren (Stearin- und Palmitinsäure) direkt durch Dehydrierung entstanden sind. Dagegen enthält die Linolsäure kein Deuterium (der angegebene Wert von 0,3% liegt in der Fehlergrenze der Bestimmung). Es scheint also, daß diese Säure nicht aus anderen durch Dehydrierung entstehen kann. Wie wir später sehen werden, kann sie im Tierkörper überhaupt nicht synthetisiert werden.

Der Abbau und die Synthese der Fettsäuren; usw.

351

Die mit Hilfe der Isotopenmethode gefundenen Beziehungen zwischen den verschiedenen Fettsäuren sind im folgenden Schema zusammengefaßt (nach Bernhard): C.,„

Behensäure

Stearinsäure

Dehydrierung

,

liydrlerung

* Ölsäure

Dehydrierung Hydrierung

C14

Myristinsäure


H 0

0

H 3 C — i = CH2— CHg— CH,—I) = CH,—CHj—CHj—(!)=CHa- Cttj—O—P—O—P—OH

¿H

¿H

Der Vergleich der Formeln zeigt, daß diese Verbindungen offenbar durch Kondensation von 2 resp. 3 Molekülen Isopentenyl-pyrophosphat entstanden sind. !) T a v o r m i n a u. Mitarb., J . Am. ehem. Soc. 78, 4498, 6210 (1956). ) F o l k e r s u. Mitarb.. J Am. ehem. Soc. 78. 4499, 5273 (1956); 79, 1486 (1957). *) A m d u r u. Mitarb., J . Am. ehem. Soc. 79, 2646 (1957). 4 ) L y n e n u. Mitarb., Biochem. Zschr. 382, 195 (1959); R u d n e y u. Mitarb., Proc. natl. Acad. Sei. U. S. 45, 499 (1955). ») L y n e n u. Mitarb., Angew. Chemie 70, 738 (1958); 71, 657 (1959). «) B l o c h , Proc. Natl. Acad.Sei U.S. A. 44, 998 (1958). L y n e n , Arch.Biochem.83,259(1959). 2

371

Der Stoffwechsel des Cholesterins und der Gallensäuren

Das nachfolgende, vereinfachte Schema zeigt, in Anlehnung an L y n e n , den Verlauf der Kondensation: yPP PP PP

PP

0

+

f 0

i

i A M cX X °Xc >XC °>°v I

— • I

C

^ CG

Isopentenylpyrophosphat

+

X

I — - T

C

I PP

Cr

PP

II

+

X3 I PP

Geranylpyrophosphat

0 /

xi

_

c

1

^ X °>Xc/C I

Cr

II

I

c

X

C + PP Farnesylpyrophosphat

Wie man aus dem Schema ersehen kann, findet als einleitende Reaktion die Umlagerung der Isopenten- in eine Dimethylallylverbindung statt. Das für diese Umlagerung verantwortliche Enzym, die I s o p e n t e n y l p y r o p h o s p h a t - I s o m e r a s e , kann durch SH-Reagenzien gehemmt werden. Bei Gegenwart solcher Hemmkörper (z. B. Jodacetamid) in den Permentlösungen kann aus dem Isopentenylpyrophosphat kein Squalen gebildet werden 1 ). Diese Tatsache beweist, daß die Umlagerung eine wesentliche Zwischenstufeder Synthese darstellt. Sie leitet die nachfolgenden Kondensationsreaktionen ein. Die Kondensation der C 8 -Körper wird durch das Ferment F a r n e s y l p y r o p h o s p h a t s y n t h e t a s e katalysiert. Der Verlauf der Reaktion ist im obigen Schema angedeutet. Sehr wahrscheinlich führt sie über das Carboniumion der Allylgruppierung, welches mit der Methylengruppe der folgenden Isopentenyleinheit reagiert: ^ C = C H — C H 2 + H 2 C=C—CHj—

• ^ C=CH—CH 2 —CH 2 —¿=CH— + H+

Ein solcher Reaktionsmechanismus würde verständlich machen, warum eine Umlagerung des Isopentenylpyrophosphats in die Dimethylallylverbindung nötig ist: Sie liefert die zur Bildung des Carboniumions befähigte Allylgruppierung. Ist dieselbe einmal gebildet, so können die folgenden Kondensationen ohne weiteres vor sich gehen, wie man sich an Hand des obigen Schemas leicht klar macht. Damit aus dem Farnesylpyrophosphat Squalen entsteht, müssen zwei Moleküle des ersteren, wie man aus dem Vergleich der Strukturformeln leicht sieht, mit den die Pyrophosphatgruppe tragenden C-Atomen miteinander verknüpft werden. Dies ist eine reduktive Reaktion, die auch wieder TPNH erfordert. Ihr Mechanismus ist noch nicht völlig aufgeklärt. Das beschriebene Fermentsystem ist sowohl in der Hefe, als auch in Säugetierorganen (Rattenleber) nachgewiesen worden und kommt offenbar in allen Zellen vor, welche Sterine zu synthetisieren vermögen. Die Tatsache, daß Acetessigsäure eine unmittelbare Vorstufe des Cholesterins darstellt, erklärt auch die alte Erfahrung, daß im Diabetes die Cholesterinsynthese stark gesteigert ist, denn die diabetische Acidose ist, wie wir gesehen haben, durch die Anhäufung von Acetessigsäure und /}-Methyl-/f-hydroxyg]utarsäure in der Leber gekennzeichnet (S. 341 u. 362)2). Die Hydroxylgruppe in Stellung 3 entsteht unter Beteiligung von molekularem Sauerstoff (Versuche mit CK18))3), wahrscheinlich nach einem ähnlichen Mechanismus, wie wir ihn auch bei anderen Hydroxylierungen kennen (vgl. S. 256 u. 714). Die verschiedenen pflanzlichen Sterine werden offenbar auf dem gleichen Weg synthetisiert 4 )* 1

) L y n e n u. Mitarb., Angew. Chemie 71, 657 (1959). ) Vgl. L y n e n u. Mitarb., Biochem. Zschr. 330, 269 (1958). 3 ) T c h e n u. B l o c h , J . Am. ehem. Soc. 78, 1516 (1956). 4 ) Übersicht der Literatur über Cholesterinsynthese vgl. z. B. T s c h e s c h e , Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 12, 131 (1955): H e n n i n g , Deutsche Med. Wschr. 84,760 (1959). 2

24*

Der Fettstoffwechsel

372

Die Aufdeckung der Reaktionen, die von der Mevalonsäure zum Squalen führen, hat eine weitreichende Bedeutung. Die Mevalonsäure scheint der Baustein aller Verbindungen zu sein, die sich von Isopren herleiten. Man hat gefunden, daß C(14)Mevalonsäure nicht nur in Sterine, sondern auch in Carotine, Phytol, Terpene und Kautschuk eingebaut wird1). Insbesondere werden auf diese Weise auch die isoprenoiden Seitenketten der K-Vitamine und Ubichinone aufgebaut; man kann annehmen, daß die Biogenese aller dieser Verbindungen in ihren Grundzügen gleich verläuft wie der Aufbau des Squalens. Die genannten Untersuchungen hellen somit ein großes Gebiet biochemischer Synthesen auf8). Die Hauptmenge des Cholesterins wird in der Galle ausgeschieden. (Die Lebergalle des Menschen enthält im Mittel etwa l°/ 0 0 Cholesterin.) Es wird durch die gallensauren Salze in Lösung gehalten. Doch kommt es infolge seiner schweren Löslichkeit sehr häufig zur Konkrementbildung (Gallensteine!). Auf die mögliche Bedeutung des Cholesterins für die Absorption der Fettsäuren haben wir oben schon hingewiesen. Es scheint, daß Cholesterin auch durch die Schleimhaut des Dickdarms ausgeschieden wird. Das mit der Galle in den Darm gelangende Cholesterin kann zu einem Teil wieder resorbiert werden. Neben den pflanzlichen Sterinen, die aus der Nahrung stammen und nicht absorbiert werden können, finden sich aber in den Fäces hauptsächlich zwei Sterine, die aus dem Cholesterin durch Reduktion hervorgehen, das K o p r o s t e r i n und das D i h y d r o c h o l e s t e r i n (Cholestanol), die beide nicht absorbiert werden können. Die beiden Verbindungen unterscheiden sich durch die Konfiguration des asymmetrischen C-Atoms in Stellung 5 des Steringerüstes und entstehen wahrscheinlich nach vorangehender Dehydrierung des Cholesterins zum Cholestenol. Die G a l l e n s ä u r e n entstehen wahrscheinlich aus Cholesterin. Die Ähnlichkeit der chemischen Struktur würde zu dieser Annahme nicht genügen, denn die Moleküle könnten auch unabhängig voneinander aus ähnlichen Bausteinen gebildet werden. Es hat sich aber gezeigt, daß bei Verfütterung von deuteriumhaltigem Cholesterin an den Hund die aus der Galle isolierte Cholsäure ebenfalls Deuterium enthält 3 ). Zum gleichen Resultat haben Versuche mit C(u>-Cholesterin geführt4). Das Cholesterin ist auch die Muttersubstanz anderer Sterine. Wird Schwangeren Deuteriocholesterin verabreicht, so enthält das im Urin (als Glucuronid) ausgeschiedene Pregnandiol Deuterium in bedeutender Konzentration. Es muß daraus geschlossen werden, daß die Muttersubstanz des Pregnandiols, das Hormon Progesteron (vgl. S. 737), aus dem Cholesterin entstanden ist. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, daß die wichtigsten sterinbildenden Organe, die Nebennierenrinde und der Hoden, sehr reich an Cholesterin sind. In der Nebennierenrinde nimmt bei starker Hormonsekretion der Cholesteringehalt stark ab. Die Vermutung liegt daher nahe, daß auch hier das Cholesterin zur Bildung der Sterinhormone verwendet wird; doch gibt es Versuche, welche dagegen sprechen, daß Cholesterin ein obligatorisches Zwischenprodukt bei der Synthese von Sterinhormonen aus C2-Verbindungen ist. 1) Literatur vgl. L y n e n , Angew. Chemie 70, 738 (1958); ibid. 72, 820 (1960). ) Neuere Literatur über die Synthese isoprenoider Naturstoffe vgl. W r i g h t , Am. Rev. Biochem. 30, 525 (1961). 3 ) B l o c h u. Mitarb., J. biol. Chem. 149, 511 (1943). 4 ) S i p e r s t e i n u. Mitarb., Proc. Soc. Exptl. Biol. Med. 81, 720 (1952); J. biol. Chem. 198, 93 (1952). 2

Die Verdauung der Eiweißkörper

373

Sechzehntes Kapitel

Der Eiweißstoffwechsel 1. Aufnahme der Eiweißkörper Die Eiweißkörper sind als Bestandteile des Protoplasmas und als Bausteine vieler extrazellulärer Strukturen von großer Bedeutung. Daneben aber sind sie als Fermentproteine die eigentlichen Träger der katalytischen Wirkungen der lebenden Substanz; vor allem darin liegt ihre besondere Stellung unter den Naturstoffen begründet. Da ein Teil der Eiweißkörper ständig verbraucht wird, muß eine bestimmte Menge Eiweiß immer ersetzt werden. Die Proteine können von den tierischen Organismen nicht aus anderem Material aufgebaut werden. Die einzige verwertbare Stickstoffquelle ist wiederum Eiweiß oder, genauer gesagt, die aus dem Eiweiß durch Verdauung freigesetzten Aminosäuren. A. Die Verdauung der Eiweißkörper (Siehe den Abschnitt über Proteasen)

Im Magensaft findet sich das Pepsin (S. 192), das die meisten Eiweißkörper zu Albumosen und Peptonen spaltet und durch sein bei stark saurer Reaktion gelegenes pH-Optimum ausgezeichnet ist. Nach neueren Untersuchungen kommt noch eine Protease mit wesentlich weniger saurem pH-Optimum im Magensaft vor. Im Magen junger Tiere wird noch kein Pepsin, dafür aber das Labferment (Chymosin) produziert (vgl. S. 193). Im Pankreassaft finden sich hauptsächlich die folgenden Proteasen: Trypsin, Chymotrypsin und Carboxypolypeptidase. Durch die Wirkung des Magensekrets entstehen keine nennenswerten Mengen freier Aminosäuren; durch die kombinierte Wirkimg der Pankreasproteasen erfolgt dagegen ein sehr viel weiter gehender Abbau der Proteine. Im Darmsekret finden sich nun keine Proteinasen, wohl aber Peptidasen, und zwar hauptsächlich Aminopolypeptidase und Dipeptidasen. Das Gemenge dieser Peptidasen hat man früher als „Erepsin" bezeichnet. Endlich findet sich im Sekret der Darmschleimhaut noch die Enterokinase, welche die Pankreasproteinase aktiviert. Die frischen Sekrete der Magenschleimhaut und des Pankreas enthalten die Proteinase in Form der inaktiven Profermente. Über deren Aktivierung siehe S. 195 und 196. Es ist aus der Verteilung der Fermente ersichtlich, daß das Magensekret nur eine vorbereitende Spaltung der Eiweißkörper bewirkt, während Pankreas- und Darmsekret den Hauptteil der Eiweißverdauung besorgen. Die Leistung der Magenverdauung ist aber doch nicht belanglos. Durch das Pepsin wird das Bindegewebe weitgehend aufgelöst. Im Muskelfleisch werden dadurch die einzelnen Fasern freigelegt und der Fermentwirkung leichter zugänglich gemacht. Es gibt verschiedene Beispiele dafür, daß native Eiweißkörper durch die proteolytischen Enzyme weniger leicht angegriffen werden als denaturierte Proteine. (Z. B. wird natives Hämoglobin von Trypsin gar nicht verdaut, wohl aber denaturiertes; rohes Eieralbumin wird langsamer angegriffen als denaturiertes.) Es ist anzunehmen, daß der stark saure Magensaft auf viele Proteine denaturierend wirkt und dadurch

374

Der Eiweißstoffwechsel

ihre Verdauung erleichtert. Für den Menschen, der ohnehin fast nur gekochtes, d. h. denaturiertes Eiweiß genießt, dürfte dieser Umstand weniger wichtig sein als für das Tier. Man kann sich aus dem, was früher über die Wirkung der Proteasen gesagt wurde, leicht ein Bild vom Ablauf der Eiweiß Verdauung machen: Durch die Proteinasen (Endopeptidasen, vgl. S. 198) werden zunächst Peptidbindungen im Innern der Polypeptidketten aufgebrochen und dadurch die Moleküle in kleinere Bruchstücke zerlegt. Durch Carboxy- und Polypeptidasen (Exopeptidasen) werden die Peptidketten darauf von den beiden Enden her verkürzt, und schließlich hydrolysieren die Dipeptidasen noch die verbleibenden Dipeptide. Die Frage, wie weit das Eiweiß gespalten werden muß, um resorbierbar zu sein, ist noch immer nicht restlos geklärt. Mit größter Wahrscheinlichkeit läßt sich aber sagen, daß fast alles Eiweiß bis zu den Aminosäuren oder einfachen Peptiden gespalten werden muß, ehe eine Resorption stattfinden kann. Am Ende des Dünndarms ist der größte Teil der Verdauungsprodukte absorbiert. Wie vor allem A b d e r h a l d e n gezeigt hat, kann man Tiere mit einem Aminosäuregemisch ohne Schädigung lange Zeit hindurch ernähren1). Der Organismus benötigt also nicht die Proteinmoleküle als solche, sondern deren Bausteine. Auch abgesehen vom hohen Molekulargewicht, welches die Aufnahme der meisten Proteine verunmöglicht, könnten dem Körper keine intakten Eiweißmoleküle einverleibt werden. Wiederholte Einführung von artfremdem Eiweiß in die Blutbahn führt zu heftigen, lebensbedrohenden Reaktionen (anaphylaktischer Schock), und der physiologische Sinn der Spaltung der Eiweißkörper vor der Resorption ist zweifelsohne der, die zugeführten Substanzen ihres spezifischen „antigenen" Charakters zu entkleiden. B. Resorption nnd Speicherung

Die Resorption der Spaltprodukte der Proteine erfolgt fast nur durch die B l u t bahn. Die Chylusgefaße haben als Absorptionsweg nur ganz nebensächliche Bedeutung. Nach Verabreichung von Eiweiß findet man eine Erhöhung des Aminosäuregehaltes des Blutes. Versuche von Van S l y k e und Meyer 2 ) und anderen zeigten, daß bei intravenöser Injektion oder Absorption von hydrolysiertem Eiweiß die Aminosäuren in die Gewebe einwandern und dort stark angereichert werden. Ihre Konzentration im Gewebe ist wesentlich höher als im Blut. Nach etwa drei Stunden hat der Aminosäuregehalt der Gewebe aber wieder den normalen Wert erreicht. Soweit sie nicht direkt durch die Nieren ausgeschieden worden sind, müssen sie also von den Geweben zur Eiweißsynthese herangezogen oder auf andere Weise verbraucht worden sein. Es besteht zwischen Eiweißkörpern einerseits und Fetten und Kohlenhydraten andererseits ein prinzipieller Unterschied. Die S p e i c h e r u ng von Eiweiß in speziellen Eiweißdepots ist nicht möglich. Die Eigentümlichkeit des Eiweißstoffwechsels besteht darin, daß jeder Überschuß an Aminosäuren aus dem Organismus ausgeschieden wird, sofern er nicht als Gewebsprotein fixiert werden kann. 1 ) A b d e r h a l d e n u. Mitarb., zahlreiche Arbeiten in Zschr. physiol. Chem. 42 bis 83 (1904—13). 2 ) J. biol. Chem. 16, 197, 213, 231 (1913).

Resorption und Speicherung

375

Die in den Zellen aufgenommenen Aminosäuren werden dort für kurze Zeit gespeichert, und es ist höchst wahrscheinlich, daß die Synthese des Zelleiweißes aus diesem Material an Ort und Stelle vonstatten geht, daß also jede Zelle ihr Eiweiß selbst aufbaut. Nach allem, was wir heute über die Speicherung von Protein im Körper wissen, besteht zwar eine gewisse Eiweißreserve, die vermindert oder vergrößert werden kann. Aber es gibt kein Reserveeiweiß in dem Sinne, wie es ein Reservekohlenhydrat, das Glycogen, gibt. Eiweiß kann nur in Form von spezifischen Gewebsproteinen gespeichert werden. M. L u c k fütterte Ratten mit proteinreicher und -armer Diät. Es zeigte sich, daß durch die Proteinfütterung eine Anreicherung von 50—60% an Eiweiß erzielt wurde, die sich aber ganz gleichmäßig a u f alle P r o t e i n f r a k tionen e r s t r e c k t e . In diesem Sinn ist die von P f l ü g e r und Y o i t ausgesprochene Annahme von s p e z i f i s c h e m R e s e r v e e i w e i ß zu revidieren. Auch A b d e r h a l d e n konnte durch Fütterungsversuche zeigen, daß die P r o t e i n e einer Z e l l a r t immer eine k o n s t a n t e Z u s a m m e n s e t z u n g haben. Er fand, daß die Plasma- und Serumproteine von Pferd, Rind und Kaninchen, die während vier Wochen ganz einseitig mit Grünfutter und Kleie oder Hafer ernährt wurden, immer die gleiche Zusammensetzung bewahren. Eine tiefere Einsicht in die Verteilung und das Verhalten der Aminosäuren im tierischen Organismus haben in neuerer Zeit vor allem die Versuche mit markierten Aminosäuren eröffnet. Wird eine Aminosäure verfüttert, die als „tracer" ein schweres oder radioaktives Isotop enthält, so läßt sich feststellen, welcher Anteil in das Organeiweiß eingebaut wird, in welchen Organen der Einbau vorwiegend geschieht, wieviel abgebaut wird und in andere Stoffwechselreaktionen eingeht. Wir teilen im folgenden einen der klassischen Versuche Schoenheimers 1 ) etwas ausführlicher mit, weil er gleichzeitig auch die Leistungsfähigkeit der „tracer"-Methode aufzeigt. Weiße Batten erhielten in der Nahrung markiertes Leucin mit schwerem Stickstoff in der •

Aminogruppe (CH 3 ) 2 CH 2 CHJCH(NH 2 )COOH (entsprechend 2 5 m g N pro Tag). Während der ganzen Versuchsdauer wurden Urin und Eäces gesammelt. Nach drei Tagen wurden die Tiere getötet und die verschiedenen Organe und die Excreta auf ihren Gehalt an schwerem Stickstoff untersucht. (Zur Analyse im Massenspektrometer wird der Stickstoff zuerst in Ammoi.iak übergeführt, welches dann zu N, oxydiert wird.) Die Ergebnisse der Analysen sind in den folgenden Tabellen zusammengestellt. a) V e r t e i l u n g auf K ö r p e r s u b s t a n z und E x c r e t a : Der Gehalt der einzelnen untersuchten Fraktionen an NO5) ist in Prozent der gesamten zugeführten Menge angegeben. Körpersubstanz: Proteinstickstoff Niohtproteinstickstoff Excreta: Urin Fäces

56,5% 8,2% 27,4% 2,2%

b) N< 1 5 '-Gehalt der P r o t e i n e in v e r s c h i e d e n e n O r g a n e n : Der N' 15 '-Gehalt der verabreichten Aminosäure ist = 100% gesetzt. Serum Hämoglobin . . . Leber Darm Niere

1.67% 0,29% 0,94% 1,49% 1,38%

Herz Milz Testes Haut Muskel

0,89% 1.10% 0,77% 0,18% 0,31%

*) Vgl. S c h o e n h e i m e r : The dynamic state of body constituents. Cambridge, Mass., 1946.

376

Der Eiweißstoffwechsel c) N( 1 5 )-Gehalt v e r s c h i e d e n e r A m i n o s ä u r e n im Organeiweiß: Der Nd5)-Gehalt der verabreichten Aminosäure ist = 100% gesetzt. Leber %

Leucin Glycocoll Tyrosin Glutaminsäure Asparaginsäure Arginin Lysin Aminostickstoff

7,95 0,74 0,5 1,85 1,16 0,89 0,06 0,78

Dannwand %

7,35 0,63 0,94 2,97 2,3 0,43 0,07 1,24

Haut und Muskel %

1,9 1,05 0,2 0,89 0,7 0,25

Es wird also, wie die erste Tabelle zeigt, ein beträchtlicher Teil des verfütterten Leucins im Organeiweiß zurückbehalten. Da die Proteine eine konstante Zusammensetzung haben, ist dies nur durch Austausch möglich; ein Teil des im Eiweiß vorhandenen Leucins wird durch neues ersetzt. Man glaubte früher, daß das Gewebseiweiß nur wenig am Stoffwechsel teilnimmt und daß der ausgeschiedene Stickstoff hauptsächlich aus den Aminosäuren der Nahrung stammt. Der Versuch zeigt, daß diese Annahme unrichtig ist. Die Zahlen der zweiten Tabelle zeigen, daß die Erneuerung des Leucins in den Proteinen der verschiedenen Gewebe mit sehr ungleicher Geschwindigkeit erfolgt. Am schnellsten werden die Serumproteine umgesetzt; sehr träge geht der Ersatz in der Haut und ziemlich langsam auch im Muskel vor sich. Wegen der Mächtigkeit der Muskulatur gegenüber den anderen Organen findet sich aber trotzdem der größte Teil des im Körper zurückbehaltenen Leucins in den Muskelproteinen. Aus der dritten Tabelle geht hervor, daß ein Teil des Leucinstickstoffs auf andere Aminosäuren übergegangen ist. Am meisten haben die Glutamin- und die Asparaginsäure aufgenommen. (Wir werden später sehen, daß dies mit den allgemeinen Erfahrungen über die Reaktionsfähigkeit der Aminogruppe in den verschiedenen Aminosäuren gut übereinstimmt.) Das in die Proteine aufgenommene Stickstoffisotop gehört also nicht nur dem Leucin, sondern auch anderen Aminosäuren an. Zusammenfassend läßt sich auf Grund dieses Versuchs über das Schicksal des Leucins folgendes sagen: Ein beträchtlicher Teil wird direkt für die Proteinsynthese verwendet, der Rest wird abgebaut; der größte Teil des freiwerdenden Stickstoffs geht in Harnstoff über, ein kleiner Teil wird zur Synthese anderer Aminosäuren verwendet und wird in dieser Form ebenfalls in das Eiweiß aufgenommen. Man sieht leicht, daß eine so detaillierte Einsicht in die Umsetzungen eines Zellbausteins durch keine andere als die Isotopenmethode zu erreichen ist. Es sind seither viele ähnliche Versuche mit anderen Aminosäuren (z. B. Tyrosin oder Glycocoll) durchgeführt worden, auch solche, bei denen die Aminosäure im Kohlenstoffgerüst durch CC1*) markiert war. Sie haben im Prinzip stets zu den gleichen Ergebnissen geführt.

2. Bildung und Abbau von Aminosäuren im Tierkörper Bevor wir die Umsetzungen der Proteine im tierischen Organismus besprechen, müssen wir das Verhalten ihrer Bausteine, der Aminosäuren, kennenlernen. Bildung der Aminosäuren aus a-Ketosäuren, oxydative Desaminierung. Aminosäuren können aus nicht stickstoffhaltigen Verbindungen durch Einführung einer Aminogruppe gebildet werden, und ebenso können durch den umgekehrten Prozeß ( D e s a m i n i e r u n g ) die Aminosäuren in stickstofffreie Körper übergehen. Die erste Kenntnis dieser Vorgänge ist vor allem den Arbeiten von O . N e u b a u e r , D a k i n , E m b d e n und K n o o p zu verdanken. K n o o p verfütterte y-Phenyl-a-ketobuttersäure an Hunde und konnte die entsprechende Phenylaminobuttersäure aus dem H a r n isolieren. Allerdings wird nicht die freie Aminosäure, sondern ihre Acetylverbindung ausgeschieden:

Bildung und Abbau von Aminosäuren im Tierkörper

C,H,

c,H 5

¿h2

ch2 1 ch2 1 HCNH2 j COOH

¿h2 I CO ¿OOH y-Phenyl-a -ketobuttersäure

CJH5

|

ch2 ¿h3 1 HCNH1 COOH Acetylverbindung von I I

y-Phenyl-a-aminobuttersäure II

I

377

In gleicher Weise konnten D a k i n und D u d l e y bei Durchströmung der Leber aus Phenylglyoxylsäure die Phenylaminoessigsäure erhalten: c,h6

C6H,

< U

hANHJ

COOH

COOH

Endlich konnten E m b d e n und S c h m i t z für eine ganze Anzahl von Ketosäuren zeigen, daß beim Durchströmungsversuch aus den Ammoniumsalzen verschiedener Ketosäuren jedesmal die entsprechende optisch aktive L-Aminosäure gebildet wird. So liefert die Hydroxyphenylbrenztraubensäure Tyrosin, die a-Ketobuttersäure die Aminobuttersäure, die Brenztraubensäure das Alanin: OH

OH

HCNHj

CH„

CH3 I CO I COOH

HCNHS

Brenztraubensäure

Alanin

¿OOH

¿OOH Hydroxyphenylbrenztraubensäure

Tyrosin

Aus allen diesen Versuchen läßt sich der Schluß ziehen, d a ß d i e A m i n i e r u n g der a - K e t o s ä u r e n im t i e r i s c h e n O r g a n i s m u s l e i c h t e i n t r e t e n kann. Auch a-Oxysäuren können in Aminosäuren übergehen. Die Oxysäure wird dabei aber zunächst in eine Ketosäure übergeführt. Die Aminierung der Ketosäuren ist, wie man leicht sieht, ein reduktiver Prozeß; er läßt sich auch in vitro durchführen, indem man die a-Ketosäure in Gegenwart von Ammoniak mit Wasserstoff katalytisch hydriert ( K n o o p und O e s t e r l i n ) . Die obige Reaktion ist umkehrbar, d. h. die Desaminierung der Aminosäuren führt zur entsprechenden Ketosäure. Für die Abspaltung der Aminogruppe aus dem Aminosäuremolekül scheint zwar der natürlichste Weg die hydrolytische Abspaltung von Ammoniak zu sein, wobei die entsprechende a-Oxysäure entstehen müßte. Man erkannte aber schon frühzeitig, daß nicht die Oxy-, sondern die Ketosäure primär

Der Eiweißstoffwechael

378

gebildet wird ( N e u b a u e r ) . So wird z. B. nach Verfütterung von a-Phenyl-a-aminoessigsäure (Kaninchen, Hund, Mensch) neben linksdrehender Mandelsäure Phenylglyoxylsäure ausgeschieden. Daß die erstere nicht das primäre Produkt der Desaminierung sein kann, ergibt sich daraus, daß bei ihrer Verfütterung keine Phenylglyoxylsäure im Urin auftritt. Sie muß sekundär durch Reduktion der Ketosäure entstanden sein: COOH

Lo und nicht

Phenylaminoessigsäure

Phenylglyoxylsäure

Mandelsäure

Zum gleichen Resultat führten Beobachtungen bei der Alkaptonurie (vgl. S. 393). Die Eingabe von Tyrosin führt beim Alkaptonkranken zu vermehrter Ausscheidung der Homogentisinsäure (Alkapton). Würde Tyrosin dabei zuerst in die entsprechende Oxysäure (p-Hydroxyphenylmilchsäure) übergehen, so müßte Eingabe dieser Substanz die Alkaptonausscheidung vermehren. Das ist aber nicht der Fall. Dagegen tritt vermehrt Homogentisinsäure im Urin auf, wenn p-Hydroxyphenylbrenztraubensäure verfüttert wird; also muß die Ketosäure das erste Desaminierungsprodukt sein: COOH | HCNH 2

COOH

COOH

I

Lo 1

1 CHJ i1

H¿OH

- rS •

^

¿Hj

CH2

1

und nicht

|

V

i

OH

OH

AH

p-Hydroxyphenylbrenztraubensäuro

Tyrosin

Die Desaminierung dieser a-Aminosäuren ist also mit einer Oxydation verbunden. Sie wird deshalb als o x y d a t i v e D e s a m i n i e r u n g bezeichnet und läßt sich allgemein in der folgenden Weise formulieren: COOH HCNH.

I

R

COOH ¿

I

= 0

+

nh

R

Später ist es gelungen, die spezifischen Enzyme zu isolieren, welche für die oxydative Desaminierung verantwortlich sind. K r e b s hat bei der Untersuchung der Desaminierung der a-Aminosäuren im überlebenden Gewebe (Gewebsschnitten aus Niere und Leber) die wichtige Entdeckung gemacht, daß zwei verschiedene Fermente existieren, von denen das eine merkwürdigerweise nur die nicht in Proteinen vorkommenden optischen Antipoden der natürlichen Aminosäuren angreift (also die

Bildung und Abbau von Aminosäuren im Tierkörper

379

Verbindungen der D-Reihe, vgl. S. 75), während das andere auf die natürlichen Verbindungen eingestellt ist 1 ). Das erste Ferment läßt sich aus dem Gewebe leicht extrahieren. E s hat den Namen D - A m i n o s ä u r e o x y d a s e erhalten. Seine prosthetische Gruppe ist als FlavinAdenin-Dinucleotid (FAD) erkannt worden (Warbur g und Chris tian 2 )) (vgl. S. 244); das Enzym dissoziiert merklich in Protein und FAD. Die Aminosäure wird zuerst unter Bildung der Iminosäure dehydriert, wobei das Flavin den Wasserstoff aufnimmt. Die Iminosäure zerfällt (als unbeständige Verbindung) spontan in Ketosäure und Ammoniak. Das hydrierte Flavin reagiert unter Bildung von Wasserstoffsuperoxyd mit molekularem Sauerstoff. Das Peroxyd wird unter natürlichen Bedingungen von der Katalase zerlegt. In reinen Fermentlösungen kann es die gebildete a-Ketosäure weiter oxydieren. Mit D (—)-Alanin z. B. finden daher die folgenden Reaktionen statt. [Flavin] steht für die Wirkungsgruppe des gelben Ferments: COOH

COOH

I HCNH 2

+

[Flavin]

-



A=NH

+

[Flavin] H ,

+

NH,

[Flavin] +

H202

CH„

Ah,

COOH

COOH

I

C=NH

+

I

I

C=0

HaO

ch 3

ch 3

[Flavin] tt, +

0S

Die D-Aminosäureoxydase reagiert nicht mit allen D-Aminosäuren gleich gut. Einige werden überhaupt nicht gespalten. Beim D-Prolin wird der Ring oxydativ geöffnet: H2C

CH a

HJ)

CH-COOH

NH

+

-

H

j

HaC

CH,

i

¿—COOH

I « NHj O a-Keto-ö-aminovaleriansäure

Die Aminosäuren der „nicht natürlichen" D-Reihe kommen in denProteinen nicht vor. Es ist daher schwer zu sagen, welche Funktion diesem Ferment zukommt Um das Vorkommen eines aui die D-Form der Aminosäuren eingestellten Enzyms zu erklären, hat man z. B. angenommen, daß bei der Synthese der Aminosäuren primär die racemischen Verbindungen entstehen und daß die D-Aminosäureoxydase dazu dient, die nicht natürliche D-Form wieder zu spalten. Bei Verfütterung markierter D-Aminosäuren zeigen indessen die in den Urin übergehenden Verbindungen keine Verdünnung ihres Isotopgehalts, was der Fall sein müßte, wenn im Organismus die D-Form entstehen würde3). Man hat auch die Möglichkeit erwogen, daß die Funktion des Enzyms in der Zerstörung von D-Aminosäuren besteht, welche mit der Nahrung zugeführt oder durch Tätigkeit der Darmflora gebildet werden könnten. K r e b s , Zschr.physiol.Chem. 217, 191 (1933); 218, 157 (1933); Bioohem. J . 29, 1620, 1951 (9135). 2 ) Biochem. Zschr. 298, 150 (1938). 3 ) S h e m i n u. R i t t e n b e r g , J . biol. Chem 151, 507 (1943).

380

Der Eiweißstofiwechsel

Das Ferment, welches die natürlichen Aminosäuren in entsprechender Weise angreift, die L-Aminosäureoxydase, scheint mit der Zellstruktur fester verbunden zu sein. Es ist neuerdings aber doch gelungen, dasselbe aus tierischen Organen (Leber und Niere) zu extrahieren und zu reinigen (D. E. Green). Man hat eine LAminosäureoxydase auch aus Bakterien und Pilzen dargestellt. Ein ähnliches Ferment, die Ophio-Aminosäureoxydase, findet sich in verschiedenen Schlangengiften (Zeller). Von den bisher dargestellten Fermenten werden eine ganze Reihe von neutralen Aminosäuren oxydiert. Die basischen Aminosäuren und die Aminodicarbonsäuren werden nicht angegriffen. Wirkungsgruppe des Säugetierferments ist das Lactoflavinphosphat, diejenige der Ophio-Oxydase das FlavinAdenin-Dinucleotid. Es ist neuerdings gelungen, die Umkehrbarkeit der Aminosäurenoxydation durch die genannten Enzyme nachzuweisen (A. Meister) 1 ). Wenn eine Aminosäure und eine a-Ketosäure (deren zugehörige «-Aminosäure ebenfalls Substrat des betreffenden Enzyms ist) mit der Aminosäureoxydase und FAD unter Sauerstoffausschluß inkubiert werden, so wird die Aminosäure zur Ketosäure desaminiert, während die Ketosäure in die entsprechende Aminosäure übergeht. So geben z. B. bei Gegenwart von D-Aminosäurenoxydase Pyruvat und D-Phenylalanin D-Alanin und Phenylpyruvat. Mit L-Aminosäureoxydase (aus Schlangengift) werden L-Leucin und das dem Methionin entsprechende Keton (a-Amino-y-methiolbuttersäure) zu L-Methionin und a-Ketoisocapronsäure umgesetzt. Die Reaktion kann folgendermaßen formuliert werden: L-Leucin + Enzym-FAD + H 2 0

rr

"> a-Ketoisocapronsäure + Enzym-FADH 2 + N H 3

a-Keto-y-methiolbuttersr. -f NH S + Enzym-FADH 2 Bilanz: L-Leucin + a-Keto-y-methiolbuttersäure ,

" L-Methionin + Enzym-FAD -f H 2 0 ' L-Methionin -j- a-Ketoisocapronsäure

Wir werden später sehen, daß eine äußerlich gleichartige Beaktion zwischen Aminosäuren und a-Ketosäuren durch die sogenannte Transaminierung zustande kommen kann (S. 381); bei diesem Vorgang wird aber in keiner Phase Ammoniak freigesetzt. Die Beteiligung von Ammoniak an der obigen Beaktion wird dadurch bewiesen, daß bei Durchführung des Versuchs in Gegenwart von schwerem Ammoniak (N( 15 )H a ) das N-Isotop in die Aminogruppe der Aminosäure aufgenommen wird.

Als Beispiel einer speziellen L-Aminosäureoxydase erwähnen wir die Glutaminsäureoxydase, die in Leber, Niere, Herzmuskel gefunden wurde, aber auch in der Hefe vorkommt. Von den oben genannten Aminosäureoxydasen unterscheidet sie sich dadurch, daß als Wasserstoffakzeptor nicht Flavin, sondern Pyridin dient, und zwar reagiert das tierische Ferment mit der Codehydrogenase I, das Hefeferment mit der Codehydrogenase II (vgl. S. 240). Die Reaktion ist reversibel; aus a-Ketoglutarsäure und hydriertem Pyridincoferment wird in Gegenwart von Ammoniak Glutaminsäure synthetisiert (reduktive Aminierung als Umkehrung der oxydativen Desaminierung): COOH

COOH

COOH

C=0 +

CH 2

D P N H + H+

+

COOH Glutaminsäure

a -Ketoglutarsäure

^ M e i s t e r u. B a d h a k r i s h n a n , J . Am. ehem. Soc. 79. 5828 (1957).

NH,

Bildung und Abbau von Aminosäuren im Tierkörper

381

Die oxydative Desaminierung der Glutaminsäure ist also eine reversible Reaktion. Die oben bereits erwähnte Tatsache, daß man im Durchströmungsversuch in der Leber und im intakten tierischen Organismus aus a-Ketosäuren und Ammoniak Aminosäuren erhalten hat, läßt vermuten, daß die Desaminierung immer umkehrbar ist. In diesem Zusammenhang ist eine Reaktion von besonderem Interesse, die 1937 von Braunstein und Kritzmann erstmals beschrieben worden ist, die sog. „Umaminierung" oder „Transaminierung" 1 ). Ausgangspunkt für die Entdeckung dieser Reaktion war die Beobachtung, daß im Muskel Glutaminsäure und Asparaginsäure oxydiert werden können, ohne daß dabei freies Ammoniak auftritt; dasselbe muß also irgendwie durch andere Stoffe direkt fixiert werden2). An der Transaminierung ist immer Glutaminsäure oder Asparaginsäure beteiligt. Die Aminosäure reagiert mit einer a-Ketosäure, indem sie ihre Aminogruppe an dieselbe abgibt. Dabei entsteht a-Ketoglutarsäure oder Oxalessigsäure und eine neue Aminosäure nach dem folgenden Schema: COOH

COOH

H ^0 N CH2 • 0 POaH,

N Pyridoxalphosphat

Vgl. dazu Kap. 29, S. 781. Die Bedeutung des Pyridoxins für die Transaminierung geht u.a. auch daraus hervor, daß bei Vitamin Bs-Mangel die essentiellen Aminosäuren der Nahrung nur dann durch die entsprechenden Keto- oder Oxysäuren ersetzt werden können, wenn gleichzeitig das Vitamin B e gegeben wird 1 ). Es scheint, daß verschiedene Enzyme eine so hohe Affinität zum Pyridoxalcoferment besitzen, daß das letztere nur schwer entfernt werden kann, so daß der Zusatz von Pyridoxalphosphat zum gereinigten Enzym ohne Wirkung bleibt. Dies erklärt die Tatsache, daß in einigen Fällen sich eine Wirkung des Vitamins auf die Transaminierung nicht nachweisen ließ.

Pyridoxal reagiert in vitro leicht mit Aminosäuren unter Bildung der entsprechenden a-Ketosäure und Pyridoxamin (vgl. S. 780). Man kann daher annehmen, daß bei der Transaminierung das Coferment Pyridoxalphosphat primär in Pyridoxaminphosphat übergeführt wird, welches sekundär seine Aminogruppe an eine a-Ketosäure abgibt; als Intermediärprodukt würde eine Schiffsche Base zwischen Aminosäure und Pyridoxalphosphat gebildet (Schlenk und Fisher). Im folgenden Schema steht [Py] —CHO für Pyridoxalphosphat: CO OH

H

COOH H

hA—NH, + 0 = C — [ P y ]

j"'

0

-

Fermentprotein

HC—N=C—[Py] Ri i!

COOH

H

COOH H

¿ = 0 + H,N— ¿—[Py]

A,

COOH = 0 +

A

1

H I H,N—C—[Py]

R,

+ H,0

¿=N—C—[Py]

A, A1 COOH H

— H,0

H

¿ = N — C—[Py] I I ; R, H

Ii COOH HA—NH, + R,

H 0=i—[Py]

+ Ha0

'

!) W h i t e u. Mitarb., Fed. Proc. 12, 289 (1953).

COOH H I I HC—N=C— [Py]

k

383

Bildung und Abbau von Aminosäuren im Tierkörper

Der angegebene Reaktionaverlauf zeigt, wie das Coenzym in den Vorgang eingreift. Eine detailliertere Theorie des Reaktionsmechanismus, die sich auf alle durch Pyridoxalphosphat katalysierten Reaktionen anwenden läßt ist von B r a u n s t e i n und von S n e l l vorgeschlagen worden. Sie stützt sich auf die Beobachtung, daß die oben erwähnte, nicht enzymatische Transaminierung zwischen Pyridoxal und Aminosäuren durch Metallionen katalysiert wird1). S n e l l nimmt an, daß die Schiffsche Base durch Chelatbildung (untenstehende Formel) stabilisiert, und daß auf diese Weise die Aminogruppe aktiviert wird. Die nachstehenden Formeln zeigen, wie aus dem Additionsprodukt des Pyridoxala und der Aminosäure im Modellversuch das Pyridoxamin und die a-Ketosäure entstehen. O—C=0 \ HN > \ = = / \

0—C=0

0~- -Me-. N—C—R " Y 0/ I | H A

V /0~-Me\ R - - — ; HN V-C/ | H+ , \ A /



H,0/

/ + > — / / N HN V-CC

\ = - /

\

H a

| \ h

H

+

0—c=o I 0=C-R I H

jS-Ketosäure

Wesentlich für die katalytische Wirksamkeit des Pyridoxals ist das planare System konjugierter Doppelbindungen (Konjugation der Azomethindoppelbindung mit dem Pyridinring) das bei der Anlagerung der Aminosäure entsteht. Dasselbe hat die Fähigkeit das Elektronenpaar aufzunehmen, das bei der Spaltung der C—H-Bindung am a-C-Atom frei wird 2 ). An der enzymatischen Reaktion ist, soviel wir wissen, kein Metall beteiligt. Wahrscheinlich wird das System hier auf andere Art, durch das Fermentprotein, stabilisiert.

Transaxninasen sind im Tier- und Pflanzenreich sehr weit verbreitet. Beim Tier sind sie in fast allen Organen nachgewiesen worden. Man kann daraus schließen, daß ihnen im Intermediärstoffwechsel eine große Bedeutung zukommt. Neben den oben genannten Transminasen sind noch eine ganze Reihe von Enzymen beschrieben worden, welche die Aminogruppe zwischen Glutaminsäure und anderen Aminosäuren (Glycin, Cystein, Tyrosin, Leucin, Diaminosäuren u. a. m.) verschieben. In der Leber sind Aminopherasen aufgefunden worden, die fest an die Zellgranula (Mitochondrien) gebunden sind und die Aminogruppe einer ganzen Reihe von aAminosäuren auf a-Ketoglutarsäure übertragen3). Die Enzyme der Zellgranula vermögen mit Phenylalanin, Tyrosin, Valin, Leucin, Tryptophan und Histidin in Gegenwart von a-Ketoglutarat Glutaminsäure zu bilden. Ferner scheinen in den Zellgranula auch Transaminasen vorzukommen, welche direkt, d. h. ohne Beteiligung einer Dicarbonsäure, aus Pyruvat Alanin bilden können, wenn Leucin, Phenylalanin, Tyrosin, Methionin oder Histidin zugegen sind4). Auch vom Ornithin und Argin in kann die NH 2 -Gruppe auf Pyruvat *) S n e l l , Physiol. Rev. 33, 509 (1953); B r a u n s t e i n , Proc. International Symp. Enzyme Chemistry, Tokyo a. Kyoto 1957. S. 135. 2 ) M e t z l e r u. Mitarb., J . Am. ehem. Soc. 76,648 (1954). F r i e d a . L a r d y , Ann. Rev.Biochem. 24, 393 (1955). W a l e y : Mechanisms of organic and enzymic reactions. Oxford 1962, pag. 212. s ) H i r d u. R o w s e l l , Nature 166, 517 (1950). 4 ) R o s w e l l , Nature 168, 104 (1951); Biochem. J . 64, 246 (1956).

Der Eiweißstoffwechsel

384

übertragen werden ( Q u a s t e l und Willy). Die Aminierung der Ketoglutarsäure durch verschiedene Aminosäuren ist auch bei einer Reihe von Mikroorganismen (Neurospora, Milchsäurebakterien, E. coli, B. subtdlis u. a.) beobachtet worden. Die Fermente sind in allen diesen Fällen noch nicht genauer untersucht worden. Es steht aber außer Zweifel, d a ß es s i c h b e i der T r a n s aminierung um eine allgemeine R e a k t i o n h a n d e l t , an welcher eine R e i h e vers c h i e d e n e r A m i n o - o d e r a - K e t o s ä u r e n b e t e i l i g t s e i n k ö n n e n . Ein atypisches Verhalten zeigt das Ornithin. Es reagiert mit a-Ketoglutarsäure unter Bildung des Glutaminsäure-ysemialdehyds als der desaminierten Verbindung (COOHCHfNHjJCHjCHjCHO). Es wird also hier nicht die a-, sondern die y-Aminogruppe auf die Ketosäure übertragen1).

Eine besondere Rolle scheint bei den Tramaminierungsreaktionen das G l u t a m i n zu spielen. Wie A. M e i s t e r nachgewiesen hat, reagiert es bei Gegenwart eines aus der Leber isolierten Enzyms („Glutaminase II") mit einer ganzen Reihe verschiedener Ketosäuren, wobei a-Ketoglutarsäure, Ammoniak und die der zugesetzten Ketosäure entsprechende Aminosäure entstehen 2 ). CO OH HCH C—N5^

I CHj I

HCNH • COCH2CH2NH2

HCNH • COCH2CH2NH2

JOOH A c

I

COOH

Carnosin

Anserin

Es ist dies eines der wenigen Beispiele des Vorkommens einer /^-Aminosäure. Wahrscheinlich entsteht das ß- Alanin durch Decarboxylierung der Asparaginsäure: HOOCCH2CH2 + C02

HOO C CHjCHCOOH NH.

NH»

Asparaginsäure

/S-Alanin

Über die physiologische Bedeutung von Carnosin und Anserin ist nichts bekannt. D. Cystin (und Cystein), Methionin Wir haben bereits früher erwähnt, daß Cystein und cysteinhaltige Peptide wie das Glutathion reversible Redoxysysteme bilden nach dem allgemeinen Schema: R—SH + HS—R < ~ 2 H

+ 2H

> R—S—S—R .

Wir wissen jedoch wenig Sicheres über die Funktion dieser Systeme im Stoffwechsel. Eine wichtige Funktion des Methionins ist durch D u V i g n e a u d sowie B o r s o o k und D u b n o f f aufgeklärt worden 1 ). Methionin enthält eine an den Schwefel gebundene Methylgruppe: COOHCH(NH2)CH2CH2—S—CH,.

!) Du Vigneaud u. Mitarb., J. biol. Chem. 181, 57 (1939); 184, 787 (1940); Borsook u. D u b n o f f , J. biol. Chem. 182, 559 (1940).

Cystin (und Cystein), Methionin

407

Diese Methylgruppe kann abgegeben und auf andere Verbindungen übertragen werden ( T r a n s m e t h y l i e r u n g ) . Auf diese Weise entstehen z. B. Cholin und Kreatin. Man bezeichnet daher die Methylgruppe des Methionins als „biologisch labil". Wir haben bei Besprechung der lipotropen Wirkung darauf hingewiesen, daß Cholin durch Methionin ersetzt werden kann. Das Methionin liefert die Methylgruppe, welche zur Bildung des Cholins nötig ist, und ermöglicht es derart dem Organismus, bei Cholinmangel die Base selbst zu synthetisieren. Die dem Cholin zugrunde liegende methylfreie Verbindung ist der Aminoäthylalkohol CH2(OH)CH2(NH2). Er entsteht wahrscheinlich durch Reduktion aus dem Glycocoll, denn bei Verfütterung von markiertem Glycocoll, das in der Aminogruppe N(15) enthält, findet man das schwere Stickstoffisotop in dem aus den Geweben isolierten Aminoäthylalkohol. Man kann sich nun vorstellen, daß der Aminoäthylalkohol sukzessive drei Methylgruppen aufnimmt, die vom Methionin geliefert werden, und dabei in Cholin übergeht. Der Beweis für diese Reaktion wurde von Du V i g n e a u d dadurch geleistet, daß er an Ratten Methionin mit Deuterium in der Methylgruppe verfütterte. Das aus den Organen dieser Tiere isolierte Cholin wies einen hohen Deuteriumgehalt auf. Das Methionin geht durch Abgabe der Methylgruppe in ein Homologes des Cysteins, das sog. Homocystein, über: COOHCH(NH2)CH2CH2— SH.

Dasselbe kann die Methylgruppe wieder vom Cholin aufnehmen, d. h. die Transmethylierung ist ein umkehrbarer Vorgang; es kann eine Methylgruppe zwischen Methionin und Cholin ausgetauscht werden. Dies läßt sich aus der Beobachtung schließen, daß das Methionin in der Nahrung von Versuchstieren durch Homocystin + Cholin ersetzt werden kann. Es scheint aber, daß in den quaternären Stickstoffbasen +

wie dem Cholin oder dem B e t a i n COOHCH2N(CH3)3 nur eine der CH3-Gruppen biologisch labil ist. Die entsprechenden tertiären und sekundären Amine (Dimethylaminoäthylalkohol CH2OHCH2N(CH3)2, Dimethylglycocoll COOHCH2N(CH3)2 oder Sarkosin COOHCH2NHCH3) geben ihre Methylgruppen nicht oder jedenfalls nur langsam an Homocystein ab. Sie sind nicht imstande, das Wachstum von jungen Ratten zu unterhalten, welche Homocystin, aber kein Methionin erhalten. Dagegen hat der Dimethylaminoäthylalkohol lipotrope Wirkung, nicht aber das Dimethylglycocoll. Der erstere kann, wie Versuche mit der in beiden Methylgruppen Deuterium enthaltenden Verbindung zeigen, im Organismus leicht in Cholin übergeführt werden (Du Vigneaud). Verschiedene neuere Beobachtungen sprechen dafür, daß bei der Methylierung des Homocysteins nicht unmittelbar das Cholin die Methylgruppe liefert, sondern daß es zuerst zu Betain oxydiert werden muß. In Leberhomogenaten wird Homocystein unter anaeroben Bedingungen nur wenig methyliert (Dubnoff 1 )). Andererseits hat man als Beaktionsprodukt nicht Dimethylaminoäthylalkohol, sondern Dimethylglycocoll gefunden (Müntz 2 )). Es ist bekannt, daß Cholin sehr leicht zu Betain oxydiert werden kann (vgl. S. 431), und es ist daher möglich, daß nicht Cholin, sondern Betain der eigentliche Methyldonator ist. Es sei noch erwähnt, daß auch ein schwefelhaltiges Analoges des Betains, das Sulfoniumsalz Dimethylthetin (CH3),—S—CH2COOH, und ebenso das natürlich vorkommende Dimethylpropiothetin (CH3)2—S— CH2CH2COOH das Cholin als Methyldonator zu ersetzen vermögen. ') D u b n o f f , Arch. Biochem. 24, 261 (1949). 2 ) Müntz, J. biol. Chem. 182, 489 (1950).

Der Eiweißstoffwechsel

408

Im nachfolgenden Schema sind die Beziehungen zwischen Methionin, Cholin und einigen daraus sich ableitenden Verbindungen zusammengefaßt (siehe auch Schema S. 799): COOH H a N—CHCHjOH J—¿1 Serin — OH,

— OH,

HjC—S—CH, ¿H,

-CH,

3HNH, A: COOH Methionin

1 •

H2N—CHjCHJOH Aminoäthylalkohol

1 • (CHS)NH—CHjCHJOH

SH ir--

¿h,

• (CH3)aN—CHaCHaOH +

¿HNH a

ü

(CH3)3N—CHJCHJOH Cholin

-CH,

HjC

1

-CH,

¿OOH Homocystein

Cholinoxydase

COOHCHa—NH

(CH8),N—CHjCOOH Betain

L . NH

(CH,)4N—CHjCOOH -CH,

Guanidinessigs&ure COOHCHa—N—CH, C=NH NH, Kreatin Nach C a n t o n i wird bei den Transmethylierungsreaktionen das Methionin durch ATP zuerst in ein „aktiviertes" Methionin, das S-Adenosylmethionin, übergeführt, welches ein Sulfoniumsalz ist 1 ): NH. Nr

N /

N

N-CHCH(OH)CH(OH)CHCH 2 -S—CH 2 CH 2 CH(NH a )COOH CH»

Es ist diese Verbindung, welche die Methylgruppe auf den Akzeptor überträgt. ») J. Am. ehem. Soc. 74, 2942 (1952). Vgl. auch B a d d i l e y , Chem. a. Ind. 1964, 375.

Cystin (und Cystein), Methionin

409

Das Methionin ist auch der Methyldonator bei der Kreatinsynthese (vgl. S. 416). Bei der Methylierung der Guanidinessigsäure, die zum Kroatin führt, konnte die demethylierte Zwischenverbindung, das S-Adenosylhomocystein, isoliert werden, so daß die Reaktion — und offenbar auch alle analogen Methyüerungen — in folgender Weise formuliert werden kann 1 ): CHg

CHS Adenosyl—S—CH2 ¿H 2 ¿HNH 2

+

NH-CH 2 COOH

Adenosyl—S—CH2

¿=NH

-

NH 2

¿H 2

+

¿HNH2

CH2COOH

C=NH

+ H+

NH 2

¿OOH

¿OOH

I

Bei den erwähnten Transmethylierungsreaktionen wird die Methylgruppe i n t a k t fibertragen, d.h. sie behält ihren Wasserstoff bei. Die Reaktion kann also nicht über eine oxydierte Zwischenstufe (z.B. Formaldehyd) führen. Dies wurde durch Verfütterung von Deuteriomethionin bewiesen. Der Deuteriumgehalt der Methylgruppe des Cholins und des ausgeschiedenen Kreatinins erreicht fast denjenigen der verfütterten Verbindung (Du Vigneaud).

Es hat sich gezeigt, daß Methionin und Cholin nicht die einzigen Quellen der labilen Methylgruppen im tierischen Organismus sind, sondern daß dieselben, wenn auch nur in beschränktem Umfang, aus anderen Verbindungen entstehen können, so z. B. aus gewissen C^-Verbindungen wie Formiat, Formaldehyd, Methylalkohol oder aus Verbindungen, welche „aktivierte" (^-Fragmente liefern wie Serin, Glycocoll, Aceton usw. (Sakami,Du Vigneaud und andere)8). Es handelt sich hier um einen r e d u k t i v e n Prozeß. Umgekehrt können aber auch labile Methylgruppen, z.B. diejenigen des Methionins oder des Cholins, durch Oxydation aktiviertes Formiat liefern, das in andere Verbindungen eingebaut werden kann. Die Methylgruppen werden schließlich zu C0 2 oxydiert. Bei der „Methylsynthese" werden die Methylgruppen durch Reduktion von „aktiviertem" Formaldehyd gebildet, wie er z. B. aus Serin unmittelbar entstehen kann (vgl. S. 420). Aktivierter Formaldehyd ist ein Additionsprodukt des Formaldehyds an Tetrahydrofolsäure. Die Methylgruppe entsteht durch intramolekulare Wasserstoffversohiebung (Jaenicke 3 ), vgl. S. 798). Bei der Übertragung der neu synthetisierten Methylgruppen von der Tetrahydrofolsäure auf das Methionin ist ein Vitamin B12-haltiges Enzym beteiligt (S. 806).

Oxydation der Cj-Körper. Wir nehmen die Gelegenheit wahr, hier kurz auf die Oxydation der Einkohlenstoffverbindungen zu sprechen zu kommen. Der Methylalkohol wird über Formaldehyd und Ameisensäure zu C0 2 oxydiert: H 3 COH



HCHO

> HC OOH



C02.

Es scheint, daß diese Oxydationen durch die Katalase bewirkt werden. Wir haben früher gesehen (S. 235), daß bei den niedrigen H202-Konzentrationen, wie sie in den Zellen vorkommen, die Katalase als Peroxydase wirkt, d. h. den Sauerstoff des H 2 0 2 auf das Substrat überträgt. H 2 0 2 entsteht bei verschiedenen Reaktionen, vor allem bei der Oxydation von reduzierten Flavinfermenten durch Luftsauerstoff. Die Oxydation der genannten Einkohlenstoffverbindungen ist also mit der Oxydation anderer !) C a n t o n i u . S c a r a n o , J . Am. ehem. Soc. 76, 4744 (1954). 2 ) Du Vigneaud u. Mitarb., J . Nutrition 45, 361 (1951). *) J a e n i c k e , Experientia 17,481 (1961); Angew. Chem. 73,449 (1961).

Der Eiweißstoffwechsel

410

Substrate (z. B. Xanthin, Aminosäuren usw.) g e k o p p e l t , durch welche das H 2 0 2 geliefert wird, z.B.: Substrat + 0 2 H 2 0 2 + H 3 COH

riavinenaym—^ —

Kata

-

3e



dehydriertes Substrat + H 2 0 2 HCHO + HjO

Entsprechend ihrer hohen Katalaseaktivität spielt wahrscheinlich die Leber bei der Oxydation dieser Verbindungen eine wichtige Rolle1). S y n t h e s e des Cysteins. Bei Ernährungsversuchen an der Ratte, bei denen an Stelle von Eiweiß Gemische von reinen Aminosäuren verfüttert wurden (vgl. S. 439), hatte sich gezeigt, daß Methionin das Cystin (oder Cystein) der Nahrung ersetzen kann, aber nicht umgekehrt. Cystein kann also im Körper der höheren Tiere bei Gegenwart von Methionin synthetisiert werden. Der Verlauf dieser Synthese konnte aufgeklärt werden, wobei die Isotopentechnik eine wichtige Rolle spielte. Methionin gibt zunächst seine Methylgruppe ab; das primäre Produkt der Demethylierung ist S-Adenosylhomocystein (S. 409). Das entstehende Homocystein verbindet sich nun mit dem Serin zum Cystathionin (Du V i g n e a u d , Stetten) 2 ): COOH

>i

+

COOH I HCNHj I CH.OH



COOH I HCNH 2 COOH I I CH2 HCNH. CH2 - s—CH 2

Homocystein

Serin

Cystathionin

Aus dem Cystathionin wird nun das Cystein abgespalten (punktierte Linie in der obigen Formel). Als zweites Spaltstück ist a-Ketobuttersäure gefaßt worden. Entgegen früheren Annahmen stammt also die Kohlenstoffkette des Cystins nicht aus dem Methionin, sondern aus dem Serin. Das Methionin liefert nur den Schwefel. Sowohl die Synthese des Cystathionins aus Homocystein und Serin als auch seine Spaltung benötigen Pyridoxalphosphat als Coferment. In der Leber von Pyridoxin-Mangeltieren können diese Reaktionen nicht mehr ablaufen und kommen erst bei Zusatz von Pyridoxalphosphat wieder in Gang3). In der Hefe und in Aspergillus niger findet sich, wie S c h l o ß m a n n und L y n e n gezeigt haben, ein Enzym, welches Cystein direkt aus Serin und H 2 S bilden kann (Serinsulfhydrase): H s S + HO-CH 2 CH(NH 2 )COOH

>

HS—CH 2 CH(NH 2 )COOH +

H20.

Auch hier wirkt das Pyridoxalphosphat als Coferment4). O x y d a t i o n d e s S c h w e f e l s . Ein Abbauweg des Cysteins führt zum T a u r i n , der Airiinoäthansulfosäure, welches mit der Gallensäure die Taurocholsäure bildet. ») C h a n c e , Acta ehem. Scand. 1, 236 (1947); Nature 161, 914 (1948); A e b i , Helv. Physiol. Acta 15, 384 (1957). 2 ) Literatur vgl. Du V i g n e a u d : A trail of research in sulfur chemistry and metabolism. Cornell University Press, Ithaca, N. Y., 1952. G r e e n b e r g in: Chemical pathways of metabolism. Vol. n , S. 151. New York 1954. ') B i n k l e y u. Mitarb., J . biol. Chem. 194, 109 (1952). *) S c h l o ß m a n n u. L y n e n , Biochem. Zschr. 328, 591 (1957).

Cystin (und Cystein), Methionin

411

Nach den Untersuchungen von F r i e d m a n n und neueren Autoren geht die Bildung des Taurins wahrscheinlich über die Cysteinsäure: CHJ—SH

CH2— S0 3 H

CH 2 —S0 3 H

I

I

I

CHNH 2



CHNHJ

I

>

I

COOH

CH 2 NH 2

COOH

Cystein

Cysteinsäure

Taurin

In der Leber kommt eine Decarboxylase vor, welche Cysteinsäure zu Taurin decarboxyliert. Der organisch gebundene Schwefel wird schließlich zu einem beträchtlichen Teil als Sulfat oder als Thiosulfat im Urin ausgeschieden. Die Abtrennung vom organischen Molekül kann anscheinend auf verschiedenen Oxydationsstufen erfolgen. Es gibt Fermente (in der Leber), welche die SH-Gruppe des Cysteins und des Homocysteins als H a S abzuspalten vermögen ( D e s u l f h y d r a s e n ) . I m Falle des Cysteins entsteht dabei primär a-Aminoacrylsäure, die entweder unter Desaminierung in Brenztraubensäure übergeht oder durch das überschüssige Cystein zum Alanin reduziert wird ( S m y t h e , F r o m a g e o t ) : COOH CH CH2— SH

• COOHC=CH 2

I

+

I

NH 2

H2S

NH 2 a -Aminoacrylsäuro

COOHCH(NH2)CH3

—+2H

COOHC=CH 2

±5«°-»

COOHCOCHJ + NHJ

NH 2

Der Schwefelwasserstoff wird zu Sulfat oxydiert. Aus der /3-Mercaptobrenztraubensäure, die durch Desaminierung oder Transaminierung aus Cystein entsteht, kann die SH-Gruppe unter Bildung von elementarem Schwefel und Alanin abgespalten werden (Meister 1 )). Eine andere Reaktion der Mercaptobrenztraubensäure führt zur Bildung von Thiosulfat; es scheint, daß der Schwefel nach folgender Reaktionsgleichung auf Sulfit übertragen werden kann 2 ): HS—CH 3 COCOOH +

SO^-

• CH3COCOOH +

SS03 '

Der Schwefel des Cysteins kann aber auch zur Stufe der Sulfinsäure oxydiert werden: COOHCH(NH 2 )CH 2 —SH

+0>



COOHCH(NH 2 )CH 2 -S0 2 H.

Die letztere liefert Sulfit. Man hat in der Leber ein Ferment gefunden, die „Desulfinicase", welche aus Cysteinsulfinsäure schweflige Säure abspaltet ( F r o m a g e o t ) . Die Reaktion verläuft wahrscheinlich folgendermaßen: !) M e i s t e r u. Mitarb., J. biol. Chem. 206, 561 (1954). ) B. Sörbo, Bioohim. Biophys. Acta 24, 324 (1957).

2

412

Der Eiweißstoffwechsel COOHCH(NH2)CH2—S02H

• COOHCH(NH,)CHs + SO,

und würde demnach eine gewisse Ähnlichkeit mit der Decarboxylierung zeigen. Die Cysteinsulfinsäure kann auch auf oxydativem Weg weiterreagieren. Die Reaktionen scheinen in Mikroorganismen (Proteus vulgaris) und in den tierischen Geweben ähnlich zu verlaufen. Die weitere Oxydation des Schwefels führt zur Cysteinsäure (= Cysteinsulfonsäure): COOHCH(NH2)CH2—S02H

COOHCH(NH2)CH2—SOaH. Cysteinsäure

Die letztere wird durch die früher schon erwähnte Decarboxylase in Taurin übergeführt: COOHCH(NHü)CHa—SOjH

• C02 + H2NCH2CH2—SOaH.

Ein anderer Abbauweg der Cysteinsulfinsäure führt durch Desaminierung zur entsprechenden Ketosäure, der Sulfinbrenztraubensäure. Die Aminogruppe kann durch eine Transaminase auf a-Ketoglutarat oder Oxalacetat übertragen werden. In tierischen Geweben scheint aber auch ein Enzym vorzukommen, das die Cysteinsulfinsäure auf oxydativem Weg desaminiert: COOHCH(NH2)CH2—SO2H

COOHCOCH2—S02H + NHS.

Wasserstoffakzeptor ist das DPN. Die entstehende Sulfinylbrenztraubensäure, die mit der Oxalessigsäure verglichen werden kann, ist unstabil und zerfällt wie diese bei Gegenwart von Mn++-Ionen in Brenztraubensäure und schweflige Säure, welche zu Sulfat oxydiert wird. Auch die Oxydation der Sulfinylbrenztraubensäure zur entsprechenden Sulfonsäure ist möglich. In ähnlicher Weise wie im Cystein kann der Schwefel auch im Cystin oxydiert werden, indem sich Cystindisulfoxyd bildet: COOHCH(NH,)CH2—S=0 | COOHCH(NH2)CHs—S=0

Cystindisulfoxyd

Diese Substanz liefert Taurin (Versuche am Hund mit Gallenfistel, bei gleichzeitiger Verabreichung von Cholsäure. Das neugebildete Taurin wird als Taurocholsäure in der Galle ausgeschieden). Wahrscheinlich tritt als Zwischenprodukt das Cystamindisulfoxyd auf, das über Aminoäthansulfinsäure zu Taurin oxydiert wird. Soviel man heute weiß, liefert die Sulfonsäuregruppe des Taurins kein anorganisches Sulfat. Das Taurin wird als solches (wohl zum größten Teil) als Taurocholsäure ausgeschieden. Es stellt also neben dem anorganischen Sulfat eine Endstufe des S-Stoffwechsels dar. Die Kenntnis der oben erwähnten Abbaureaktionen des Cystins beruht hauptsächlich auf den Untersuchungen von Medes und Floyd, Fromageot und Mitarb., Kearney und Singer und noch anderer Forscher1). Im folgenden Schema sind die Reaktionen (in Anlehnung an Greenberg) zusammengestellt: l ) Zusammenfassung und Literatur vgl. D. M. Greenberg in: Chemical pathways of metabolism. Vol. D, S. 165. New York 1954.

Cystin (und Cystein), Methionin

413

Abbau des Cysteins COOH + ao

CO

k¡H

3

+

s,0: t

'~

COOH

COOH

Ao

¿0

+

s

IjH]— SH Mercaptobrenztraubensäure

oxydatI ve Desamlnlerung, Transamlnlenmg COOH

Anh. II

+

h2s

\

CH,

Aminoacrylsäure

Desulfhydraae Sulfat

COOH

H(!!NH2

COOH

COOH

A

-2H

HCNH,

HCNH,

¿Hj-S-S-djHj

¿ H . - SH Cystein

Cystin +0,

+ 0.

COOH

COOH

¿0

L

HCNH,

Sulfinylbrenztraubensäure

Cysteinsulfinsäure

Mn++

Cystindisulfoxyd

-2C0. CH2NH2

COOH +

I HCNH2

+V.0,

COOH

h 2 so 3

Ah,

Cystamindisulfoxyd

Cysteinsäure

+V.0, +H,o

-CO, CH2NHj ch2-so,h" Taurin

ch 2 nh,

(Ihj—S—S—diHg II II O 0

H(W2 ch2-so3h

Sulfat

COOH

¿Hj-S-S-cliH, II II o o

¿h.— S02H

¿H.-SO.H

Ao

COOH

Transamlnlernng, oxyd. Desamlnlerung HCNHj

+*/. o, CH2-S02H Aminoäthansulfinsäure

Die Oxydation des Schwefels, der in den Proteinen enthalten ist bis zur Stufe der Schwefelsäure, ist für den Säure-Basen-Haushalt des Organismus von großer Bedeutung. Er wird in neutraler Form (SH-Gruppe, Disulfidgruppe, CH3S-Gruppe) aufgenommen, aber als starke zweibasische Säure ausgeschieden, die pro Atom Schwefel dem Körper zwei Äquivalente Basen entzieht. Die Verbrennung von Eiweiß

414

Der Eiweißstoffwechsel

läßt also saure Valenzen entstehen, und daher muß die Nahrung die Basen enthalten, die zu ihrer Neutralisation nötig sind (Bunge). Die im Harn vorkommenden Sulfate sind entweder als Sulfationen vorhanden oder als sog. E s t e r s c h w e f e l s ä u r e n an Phenol, Indoxyl usw. gebunden (vgl.S. 625). Eine seltene Stoffwechselanomalie ist die C y s t i n u r i e , bei welcher größere Mengen von Cystin im Harn erscheinen. Sie kann zur Bildung von Konkrementen Anlaß geben. (Das Cystin ist in Blasensteinen von W o l l a s t o n 1810 entdeckt worden.) Die Ursache der Cystinurie liegt wahrscheinlich nicht in einer Störung des Cystinstoffwechsels, sondern ist in der Niere zu suchen. Neben dem Cystin werden nämlich noch andere Aminosäuren in stark vermehrter Menge ausgeschieden, nämlich Lysin, Arginin und Ornithin. Man neigt daher heute zur Ansicht, daß es sich um eine Störung der Rückresorption dieser Aminosäuren handelt 1 ). Bei Verabreichung von Cystin wird die Ausscheidung beim Cystinuriker nicht erhöht, wohl aber nach Zufuhr von Cystein. Dies hängt wahrscheinlich mit der viel besseren Löslichkeit des letzteren zusammen, die eine schnellere Absorption ermöglicht. Die Cystinurie ist eine angeborene Stoffwechselstörung. Man hat bei verschiedenen Hunderassen Familien mit Cystinurie gefunden. E s zeigt sich, daß neben dem Cystin auch noch andere Aminosäuren in stark vermehrter Menge in den Urin übergehen. Die erhöhte Ausscheidung der Aminosäuren beruht wahrscheinlich auf mangelnder Rückresorption. (Die Cystinclearance ist ungefähr der Inulinclearance gleich.) Bei Kindern kommt eine schwere Stoffwechselkrankheit vor, bei der es zur Ablagerung großer Mengen Cystin in den Organen (Milz, Leber, Lymphdrüsen) kommt ( F a n c o n i - S y n d r o m ) . Sie ist von Störungen der Nierenfunktion und der Verknöcherung des Skeletts begleitet (renale Rachitis). Auch hier ist die Ausscheidung fast aller Aminosäuren stark erhöht. Uber „Aminoacidurien" vgl. S. 622. E. Arginin, Lysin

Durch die streng spezifisch eingestellte Arginasc wird das Arginin in der Leber der Säuger gespalten. Dabei entstehen H a r n s t o f f und O r n i t h i n : NH II NH-C—NHt CH2 ¿H2 AH I 2 CHNH, COOH

+

H20

I CH 2 I ?Ha

+

CO
>-

Glutaminsäure-)-DPN+ Asparaginsäure + a-Ketoglutarsäure

Die Asparaginsäure reagiert in der oben angegebenen Weise weiter. Ketoglutarsäure und Oxalessigsäure stehen als Zwischenglieder des Citronensäurecyklus in jeder Kohlenhydrat veratmenden Zelle zur Verfügung. Die Äpfelsäure kann stets wieder zu Oxalessigsäure dehydriert werden.

Neuerdings ist auch der Ablauf der ersten Stufe der Harnstoffsynthese, die Bildung des Citrullins aus dem Ornithin, aufgeklärt worden. Auch diese Reaktion kann nur in Gegenwart von Adenosintriphosphat vor sich gehen. An die Beobachtung anknüpfend, daß Streptococcus faecalis ein Fermentsystem enthält, welches Citrullin reversibel zu Ornithin abbaut 1 ), konnten L i p m a n n und Mitarb. zeigen, daß als Vorstufe der Citrullinsynthese durch eine ATP-abhängige Reaktion das bisher unbekannte Phosphat der Carbaminsäure ( C a r b a m y l p h o s p h a t ) gebildet wird 2 ): H203P—O-C^ Carbamylphosphat NNH2

In der nächsten Reaktionsstufe wird der Carbamylrest auf die Ornithin + ATP + COs + NH S . Literatur vgl. Krebs u. Mitarb., Biochem. J. 59, 185 (1955). a ) Jones, Spector u. Lipmann, J. Am. ehem. Soc. 77, 819 (1955); Conférences et Rapports, 3 me Congrès Internat, de Biochimie, Bruxelles 1955, S. 278. Liège 1956. 8 ) Cohen u. Mitarb., J. biol. Chem. 230, 1013 (1958). 4 ) Cohen u. Mitarb., J. biol. Chem. 191, 189, 203 (1951); 198, 561 (1952). 28*

Der Eiweißstoffwechsel

436

Die Beteiligung des Adenosintriphosphats an den beiden Reaktionsstufen der Harnstoffsynthese zeigt, in welcher Weise sie mit den energieliefernden Vorgängen verknüpft ist. Durch oxydative Phosphorylierung, d. h. auf Kosten der Zelloxydationen, wird die Phosphorsäure in die „energiereiche" Polyphosphatgruppe des Adenosintriphosphats eingebaut; die Energie dieser Verbindung wird durch die synthetischen Reaktionen verbraucht (vgl. Kap. 18). Die Harnstoffbildung aus Ammoniumsalzen in der Leber ist ein eigentlicher Entgiftungsvorgang. Durch die Fäulnisvorgänge im Colon gelangt beständig Ammoniak ins Pfortaderblut. Da Ammoniak ein starkes Zellgift ist, wäre sein Übergang in den allgemeinen Kreislauf schädlich. Die Leber führt es in den ungiftigen Harnstoff über. Das wichtigste Material für die Harnstoffbildung sind aber die Aminosäuren. Man nimmt vielfach an, daß die Aminosäuren in der Leber unter Freisetzung von Ammoniak desaminiert werden und daß die Harnstoffsynthese in jedem Fall vom freien Ammoniak ausgeht. Dies ist aber wenig wahrscheinlich. Wie wir oben gezeigt haben, liefert bei der Bildung des Arginins aus dem Citrullin die Asparaginsäure den Stickstoff; sie kann ihn ihrerseits durch Transaminierung aus anderen Aminosäuren aufgenommen haben. Die Versuche mit markierten Aminosäuren zeigen, daß sowohl die Glutaminsäure als auch die Asparaginsäure ihre Aminogruppen besonders leicht austauschen (vgl. S. 381). Da sie direkt an der Harnstoffbildung beteiligt sind, können sie dazu dienen, den Stickstoff gewisser Aminosäuren auf dem angezeigten Weg in die Amidingruppe des Arginins und damit in den Harnstoff überzuführen. Harnstoff

/

Ornithin + Carbamylphosphat COOH-CH 2 -NH-CO—^

Werden die Komponenten — Glutaminsäure und Ammoniumionen im ersten Fall, Glycocoll und Benzoesäure im zweiten Fall — mit wirksamen Organextrakten oder den gereinigten Fermenten zusammengebracht, so erfolgt die Synthese erst bei Zugabe von Adenosintriphosphat. Bei der Synthese des Glutamins wird pro Molekül Glutamin ein Molekül Phosphat frei nach folgender Gleichung ( L e u t h a r d t , S p e c k , E l l i o t t ) 1 ) (ATP = Adenosintriphosphat, ADP = Adenosindiphosphat): Glutaminsäure + ATP + NH 3

>• Glutamin + ADP + Phosphat.

Man hat angenommen, daß sich intermediär ein y-Glutamylphosphat bildet, das mit Ammoniak spontan unter Bildung von Glutamin reagiert. Doch ist dies in keiner Weise bewiesen. Es ist bisher nicht möglich gewesen, das Ferment der Gutaminsynthese von der Glutamotransferase (vgl. S. 420) zu trennen; wahrscheinlich ist ein und dasselbe Enzym für beide Reaktionen verantwortlich. Dagegen hängt die Hippursäuresynthese vom Coenzym A ab. Die Benzoesäure wird zuerst unter gleichzeitiger Spaltung des ATP in ihre aktivierte Form, d. h. Benzoyl-Coenzym A, übergeführt, welche dann mit Glycocoll reagiert ( C h a n t r e n n e 2 ) ) : -COOH + CoA—SH + ATP



HC-O-P-OH I ^ o Diese Befunde bilden eine starke Stütze für den oben angenommenen Verlauf der Hydrolyse der Ribosenucleinsäuren.

Nuclcophosphatasen und Nucleotidasen. Präparate von alkalischer Phosphatase aus Darmschleimhaut greifen die Nucleinsäuren unter weitgehender Abspaltung des gesamten Phosphats an (Schmidt und Thannhauser, Zittle). Bei Zusatz von Arsenat (0,002-m.) bleibt der Abbau auf der Stufe der Mononucleotide stehen. Offenbar sind die von verschiedenen Autoren verwendeten Präparate von Darmphosphatase nicht einheitlich. Einzelne bauen nur Ribosenucleinsäure ab, andere auch Desoxyribosenucleinsäure. Da die Polynucleotide Diester der Phosphorsäure sind (zwei Hydroxyle verestert), ist es verständlich, daß sie von den Phosphodiesterasen angegriffen werden. Bei Einwirkung der Diesterase aus Schlangengift entstehen in Stellung 5' phosphorylierte Nucleotide; dies ist ein Beweis dafür, daß das Hydroxyl 5' der Bibose an der Verknüpfung der Nucleotide beteiligt ist. Eine Phosphatase der Milz setzt, ähnlich wie die Bibonuclease des Pankreas, 3'-Nucleotide frei2).

Es sind verschiedene Fermente bekannt geworden, welche spezifisch auf einzelne Nucleotide eingestellt sind. So existiert eine Phosphatase, welche Adenosin- und Inosin-5'-phosphat hydrolysiert. Sie kommt im Gehirn, im Hoden, in der Retina vor. Ein ähnliches Ferment wurde in Schlangengiften nachgewiesen. Ferner gibt es Nucleotidphosphatasen, welche auf die sog. a- und b-Reihen der Purin- und Pyrimidinnucleotide eingestellt sind. (Die beiden Arten von Nucleotiden unterscheiden sich durch die Stellung des Phosphorsäurerests, a wahrscheinlich Stellung 2', b Stellung 3'.) b-Nucleotidphosphatase kommt sehr reichlich in der Gerste und im Raygras (Lolium) vor. Nucleosidspaltung. Die Nucleoside, welche durch Phosphatasewirkung aus den Nucleotiden entstehen, können weiter in Pentose und Purin- oder Pyrimidinbase zerlegt werden. Während man früher allgemein annahm, daß die Spaltung hydrolytisch erfolgt, haben neuere Untersuchungen gezeigt, daß in ähnlicher Weise wie bei den Oligo- und Polysacchariden auch bei den Nucleosiden die glycosidische Bindung p h o s p h o r o l y t i s c h gespalten werden kann (Kalckar) 3 ). Unter dem Eindruck der Entdeckung der phosphorolytischen Nucleosidspaltung begann man soBrown, Dekker u. Todd, J. ehem. Soc. 1952, 2715; Brown u. Todd, J. ehem. Soc. 1953, 2040. Uber die im obigen Schema angedeutete Reversibilität der Beaktion vgl. H e p p e l u. Mitarb., Biochem. J. 60, 8 (1955). 2 ) Cohn u. Volkin, Ärch. Biochem. Biophys. 35, 465 (1952); Brown u. Mitarb., J. ehem. Soc. 1954, 40. ") J. biol. Chem. 167, 477 (1947).

Abbau und Bildung der Nucleotide und Nucleinsäure

459

gar an der Existenz von Nucleosidhydrolasen zu zweifeln. Es sind aber neuerdings in Mikroorganismen (Lactobacillus pentosus, Hefe) hydrolysierende Fermente mit Sicherheit nachgewiesen worden, die spezifisch auf Purin- oder Pyrimidinnucleoside eingestellt sind und dieselben in Base und freien Zucker zerlegen1). In den tierischen Geweben scheint aber die Phosphorolyse die vorherrschende Art der Nucleosidspaltung zu sein. Auch in Bakterien hat man phosphorolytisch wirkende Enzyme gefunden. Im Gegensatz zur Hydrolyse werden bei dieser Reaktion nicht die freien Zucker gebildet, sondern deren l-Phosphate,Ribose-l-phosphat bzw. Desoxyribose-1-phosphat (Kalckar). Beispiel: OH

OH +

Guanosin

Ribose-l-phosphat

Guanin

Reaktionen dieser Art sind sowohl bei Purin- als auch bei Pyrimidinnucleosiden der Ribose und der Desoxyribose nachgewiesen worden. Diese Reaktion ist umkehrbar, d. h. aus dem Purinkörper und Ribose-l-phosphat wird das Nucleosid gebildet. Damit ist ein Weg für die Synthese dieser wichtigen Stoffe aufgedeckt. Die Reaktion ist analog der Bildung von Cori-Ester aus Saccharose (vgl. S. 309). Offenbar stellt die phosphorylierende Spaltung und ihre Umkehrung einen wichtigen Reaktionstypus dar, durch welchen Nucleosid- und Glycosidbindungen erzeugt werden können. Man bezeichnet die für diese Reaktion verantwortlichen Enzyme, die sowohl in tierischen Geweben (Leber) als auch bei Mikroorganismen nachgewiesen worden sind und sich wahrscheinlich in den meisten Geweben finden, als Nucleosidphosphorylasen. Wir haben früher darauf hingewiesen, auf welchem Weg das Ribose-l-phosphat aus Hexosen entstehen kann (vgl. S. 307 u. 308). Neuerdings ist im Lactobacillus helveticus ein Ferment aufgefunden worden, welches den Desoxyriboserest aus Hypoxanthindesoxyribosid auf Adenin überträgt. Dies wurde durch Verwendung von Cd«)-markiertem Adenin nachgewiesen2). Es handelt sich hier um eine spezielle Transglycosidase (vgl. S. 309), welche einen an Stickstoff gebundenen Zuckerrest verschiebt (Trans-N-glycosidase): Desoxyribosyl-Hypoxanthin + Adenin , » Desoxyribosyl-Adenin + Hypoxanthin. Der direkte Austausch von Zuckerresten scheint also auch im Stoffwechsel der Nucleoside eine Bolle zu spielen.

Es ist nichts Genaues darüber bekannt, wie weit die Nucleinsäuren im Darm aufgespalten werden. Da die einfachen Nucleoside wasserlöslich sind, die Purine dagegen schwer löslich, sind die ersteren wohl leichter resorbierbar als die freien Purinkörper. Wahrscheinlich geht der Abbau der Nucleinsäuren im Darm kaum über die Nucleosid stufe hinaus, und es ist zu erwarten, daß die einzelnen Mononucleotide, die durch Depolymerisierung der Nucleinsäuren entstehen, sich verschieden verhalten. Über den Aufbau der Nucleinsäuren in den Geweben aus den von außen zugeführten Purin- oder Pyrimidinkörpern haben Versuche mit markierten Verbindungen einigen Aufschluß gegeben (Schoenheimer, Brown 3 )). J ) Carter, J. Am. ehem. Soc. 73, 1508 (1951); H e p p e l u. H i l m o e , J.biol. Chem. 198, 683 (1952); Lampen u. Wang, J. biol. Chem. 198, 385 (1952). a ) K a l c k a r u. M a c N u t t , Biochem. J. 50, 397 (1952). 3 ) S c h o e n h e i m e r u. Mitarb., J. biol. Chem. 168, 203 (1944); Brown u. Mitarb., J.biol. Chem. 172, 469 (1948); Fed. Proc. 9, 517 (1950).

460

Der Nucleinsäure- und Purinstoffwechsel

Die verfütterten Verbindungen enthielten schweren Stickstoff in Stellung 1 und 3. Adenin wird in die Nucleinsäure aufgenommen; da bei Verfütterung von Adenin auch das aus den Nucleinsäuren isolierte Guanin das Isotop enthält, muß Guanin aus Adenin entstanden sein. Bei der Ratte wird verfüttertes Guanin nicht eingebaut, bei der Maus nur sehr wenig. Diese Befunde deuten darauf hin, daß das Adenin nicht als freie Base in das Guanin übergeführt wird, sondern erst nach der Bildung eines Ribosids oder Nucleotids, wie dies im Falle des Hypoxanthins durch die Isolierung von Zwischenprodukten direkt bewiesen werden konnte (siehe unten S. 470). Von allen Organen nimmt die Leber am meisten Adenin auf; in diesem Organ werden also die Nucleinsäuren am schnellsten erneuert. Auch die freien Pyrimidine (Uracil, Thymin, Cytosin) werden nicht in meßbarem Umfang in die Nucleinsäuren aufgenommen, wohl aber die Pyrimidinnucleoside. Nach Verabreichung von markiertem Cytidin enthielt sowohl das Cytosin als auch das Uracil der Nucleinsäuren das Stickstoffisotop. Es hat also eine Desaminierung von Cytosin zu Uracil stattgefunden. Das Uridin selbst wird nur in geringem Umfang verwertet. Bei Verfütterung von markierter Hefenucleinsäure (dadurch gewonnen, daß Hefe in einem Milieu gezüchtet wurde, das schweren Ammoniak enthielt; auch die Pyrimidinnucleoside in den oben erwähnten Versuchen wurden auf diesem Wege gewonnen) an die weiße Ratte werden die Pyrimidine leichter aufgenommen als die Purine. Da, wie gesagt, die freien Pyrimidinbasen überhaupt nicht verwertet werden, ist anzunehmen, daß die Spaltung im Darm höchstens bis zur Stufe des Nucleosids führt. Es hat sich gezeigt, daß an Stelle der natürlich vorkommenden Purine und Pyrimidine auch strukturähnliche synthetische Verbindungen in die Nucleinsäuren eingebaut werden können, so z. B. Azaguanin (I), Azathymin (EL), ö-Bromuracil (III) und andere: OH Br

Ni

HO^V III Man hat die Aufnahme solcher Körper sowohl in die Desoxyribosenucleinsäuren als auch die Ribosenucleinsäuren bei Bakterien und Viren feststellen können. Diese Stoffe wirken meistens hemmend auf das Wachstum der Organismen und die Nucleinsäuresynthese1). Wenn man beim erwachsenen Tier die Verteilung der aufgenommenen Purine auf die beiden Arten von Nucleinsäuren untersucht, so zeigt es sich, daß fast ausschließlich die Ribosenucleinsäure das Isotop enthält; die Desoxyribosenucleinsäure hat nur einen kleinen Bruchteil aufgenommen (in der Leber ist das Verhältnis etwa 1: 70). Die Desoxypentosenucleinsäuren, die sich ausschließlich im Zellkern finden, sind also während der Versuchsdauer (5 Tage) nicht merklich erneuert worden. Ganz anders liegen die Verhältnisse in rasch wachsenden Geweben, in denen eine starke Vermehrung der Zellen, also auch der Zellkerne, stattfindet (z. B. im regenerierenden Leberparenchym). Unter diesen Bedingungen nehmen die Desoxypentosenucleinsäuren fast ebensoviel neue Purinkörper auf wie die Ribosenucleinsäuren (in Leberregeneraten ist das Verhältnis 3:4) a ). Die gleiche Verteilung des Isotops in den beiden Nucleinsäuren ergab sich auch nach Verabreichung von N (15) -Glycocoll, welches, wie wir unten sehen werden, ein Baustein des Puringerüsts ist. Auch bei diesen Versuchen wurde in die Desoxyribosenucleinsäure der ruhenden Leber sehr viel weniger Stickstoffisotop eingebaut als in das regenerierende Gewebe 3 ). Ganz ähnliche Resultate über die Erneuerung der Nucleinsäuren erhielt man bei Verwendung von radioaktivem Phosphat (P(32)). Wenn man dem Organismus markiertes Phosphat zuführt, 1 ) Zusammenfassung über den Einbau strukturanaloger Stoffe in Nucleinsäuren vgl. Matthews u. S m i t h , Adv. Virus Research 8, 49 (1955). a ) Brown, Fed. Proc. 9, 617 (1950); J. biol. Chem. 183, 251 (1950). *) B e r g s t r a n d u. Mitarb., Cold Spring Harbor Symp. Quant. Biol. 13, 22 (1948).

Abbau und Bildung der Nucleotide und Nucleinsäure

461

so läßt sich dasselbe in allen möglichen organischen Verbindungen nachweisen, u. a. auch in den Nucleinsäuren. Es zeigte sich auch hier, daß die Ribosenucleinsäuren ihr Phosphat viel rascher erneuern als die Desoxyribosenucleinsäuren; der Umsatz der letzteren, gemessen am Phosphataustausch, ist in den Geweben am größten, die sich rasch erneuern, im Knochenmark, in der Milz, in der Dannschleimhaut usw.1). Ein besonders hoher Umsatz der Ribosenucleinsäure (gemessen am Einbau von markiertem Glycin oder Phosphat) wurde im Nucleolus festgestellt (Oocyten des Seesterns). Man hatte dem Nucleolus schon früher, auf Grund cytologischer Beobachtungen, eine wichtige Rolle bei der Proteinsynthese zugeschrieben (Caspersson), doch scheint diese Theorie heute nicht mehr haltbar zu sein2).

Man kann aus diesen Versuchen wichtige Schlüsse auf das Verhalten der beiden Nucleinsäuren im Stoffwechsel ziehen. Im ruhenden Kern nimmt die Desoxypentosenucleinsäure nicht am Stoffwechsel teil. Erst wenn die Teilung eingeleitet wird, die eine Verdoppelung der gesamten Chromatinmenge nötig macht, wird in die Nucleinsäure des Kerns neues Material aufgenommen. Im Gegensatz dazu wird die ßibosenucleinsäure des Protoplasmas beständig erneuert; sie hat offenbar an den Stoffwechselvorgängen der Zelle lebhaften Anteil und tauscht dabei ihre Bausteine ständig gegen neue aus. Es muß vorläufig dahingestellt bleiben, ob die merkwürdige Stabilität der Nucleinsäuren des Zellkerns damit zusammenhängt, daß sie dort als Bestandteile der Chromosomen auftreten und damit irgendwie an der Erhaltung der Genstruktur beteiligt sind. Verschiedene wichtige Tatsachen, die den Stoffwechsel der Nucleinsäuren betreffen, sind schon in früheren Kapiteln erwähnt worden. Die Desoxyribosenucleinsäuren sind auf den Zellkern beschränkt; die Ribosenucleinsäuren finden sich größtenteils im Protoplasma. Es steht heute fest, daß es eine große Zahl verschiedener Nucleinsäuren gibt, die sich durch ihre Zusammensetzung und wohl auch durch ihren Aufbau unterscheiden (vgl. S. 119). Neuere Beobachtungen deuten darauf hin, daß die Desoxyribosenucleinsäuren in allen Geweben einer Tierart die gleiche Zusammensetzung haben und vielleicht sogar artspezifisch sind (Chargaff) 8 ). Auch scheint die Menge Nucleinsäure, die in einem Zellkern enthalten ist, bei allen Geweben die gleiche zu sein. Soweit sich aus den vorliegenden Analysen schließen läßt, ist dagegen die Zusammensetzung der Ribosenucleinsäure des Protoplasmas von Gewebe zu Gewebe verschieden. Der größte Teil der Ribosenucleinsäuren ist im Protoplasma der Zelle an ultramikroskopische Körperchen (sog. Ribosomen) gebunden, die sich durch hochtouriges Zentrifugieren abtrennen lassen (Brächet, Claude). Auf die starke Vermehrung der Ribosenucleinsäuren im wachsenden Gewebe und in den Drüsenzellen haben wir bereits hingewiesen; sie deutet auf eine wichtige Funktion der Nucleinsäuren bei der Proteinsynthese hin, ohne daß wir uns zur Zeit aber ein genaues Bild von der Natur dieser Vorgänge machen können (vgl. S. 454). Die Erforschung der Rolle der Ribosenucleinsäuren bei der Eiweißsynthese, der Rolle der Desoxyribosenucleinsäuren bei der Vererbimg und der Vermehrung der Viren in der Wirtszelle beschäftigt heute eine große Zahl von Laboratorien in allen Ländern. *) H e v e s y , Adv. biol. med. Physics 1,409 (1948). H a m m a r s t e n u. H e v e s y , Acta physiol. Scand. 11, 335 (1946). Brues u. Mitarb., J. biol. Chem. 165, 619 (1944); D a v i d s o n , Cold Spring Harbor Symp. Quant. Biol. 12, 50 (1947). 2 ) Literatur vgl. Brächet: Biochemical Cytology. New York 1957. ») Vgl. Chargaff, Exper. 6, 201 (1950); The nucleic acids. Vol. I, S. 307. New York 1955.

462

Der Nucleinsäure- und Purinstoffwechsel

Über die Synthese der Nucleinsäuren sind in den letzten Jahren eine Reihe wichtiger Beobachtungen gemacht worden. Soviel wir heute wissen, sind in Stellung 5' phosphorylierte Riboside oder Desoxyriboside die unmittelbaren Vorstufen. Verschiedene Beobachtungen deuten darauf hin, daß solche Verbindungen intakt in die Nucleinsäuren, z.B. die Desoxyribosenucleinsäure von Bakterien, eingebaut werden1). Die kondensierenden Enzyme sind Phosphorylasen oder Pyrophosphorylasen. Das erste Enzym, welches Ribosenucleinsäuren in vitro aufbaut, wurde von Grunberg-Manago und Ochoa in Azotobacter vinelandii entdeckt. Dieses Enzym kondensiert Adenosindiphosphat und andere Nucleosiddiphosphate unter Abspaltung von Orthophosphat zu polymeren Nucleotiden: 0

O

Nucleosid—O—P—0—P—0 -

L L

O + n HP 07

Nucleosid—O—P—O—

A,

.

Die Reaktion ist umkehrbar, was sich am Einbau von radioaktivem Phosphat in das Adenosindiphosphat bei Gegenwart des Enzyms zeigt; dasselbe wurde daher als P o l y n u c l e o t i d p h o s p h o r y l a s e bezeichnet. Das Kondensationsprodukt besitzt ein hohes Molekulargewicht. Bei Einwirkung des Enzyms auf Gemische verschiedener Diphosphate entstehen gemischte Polynucleotide, sog. Copolymere. Auf Grund des enzymatischen Abbaus läßt sich schließen, daß die synthetischen Produkte gleich gebaut sind wie die natürlichen Nucleinsäuren (3',5'-Esterbindungen). Sie geben auch gleiche Röntgen-Beugungsdiagramme. Gemische von verschiedenen Nucleotiddiphosphaten werden durch das Enzym in rein statistischer Reihenfolge verknüpft. Das Enzym ist bisher nur in Mikroorganismen gefunden worden. Welche Bedeutung ihm für die Synthese der Nucleinsäuren im allgemeinen zukommt, läßt sich noch nicht überblicken. Es hat sich aber in neuester Zeit bei der Erforschung der Proteinsynthese als außerordentlich nützlich erwiesen, weil es künstliche „messenger RNS" herzustellen gestattet 2 ).

Ein Enzym, welches Desoxyribosenucleinsäure in vitro synthetisiert, ist von Kornberg und Mitarb. aus Extrakten von E. coli isoliert worden3). Es baut die Nucleinsäure aus den Triphosphaten der vier Desoxyriboside (Thymidin, Desoxycytidin, Desoxyadenin und Desoxyguanosin) auf, von denen alle vier gleichzeitig zugegen sein müssen; fehlt eines, so kann die Synthese nicht mehr vonstatten gehen. Ebenso muß eine gewisse Menge polymerer Desoxyribosenucleinsäure (als „primer") vorhanden sein. Die Kondensation der Nucleotide erfolgt unter Abstaltung von Pyrophosphat, verläuft also, in vereinfachter Schreibweise dargestellt, nach folgendem Schema (DNS Desoxyribosenucleinsäure, TPPP Thymidintriphosphat, usw.): n T P P P + n CPPP + n GPPP + n APPP + DNS 1

» DNS-(TP-CP-GP-A) n + n P P .

Die Verbindung mit der „primer"-DNS ist so zu verstehen, daß sich die neugebildete DNS mit der letzteren zu einer Watson-Crick-Spirale verbindet (s. unten).

Die Verlängerung der Polynucleotidkette erfolgt derart, daß an den endständigen Nucleosidrest unter Abspaltung von Pyrophosphat ein neues Nucleotid angelagert wird (Abb. 47 b): x ) Neuere Literatur vgl. z. B. C a r t e r , Ann. Rev.Biochem.25,140 (1956); C o h n u. V o l k i n , Ann. Rev. Biochem. 26, 504 (1957). 2 ) G r u n b e r g - M a n a g o u. O c h o a , J . Am. ehem. Soc. 77, 3165 (1955). G r u n b e r g - M a n a g o , Bull. Soc. Chim. Biol. 38, 589 (1955); O c h o a , Angew. Chemie 72, 225 (1960). Ausführliche Literatur in G r ü n b e r g - M a n a g o , Ann. Rev. Biochem. 81, 301 (1962). 3 ) K o r n b e r g , Adv. Enzymol. 18, 191 (1957); Harvey Lectures, Series L I I I 1957/58, New York 1959, S. 83; Angew. Chemie 72, 231 (1960).

Abbau und Bildung der Nucleotide und Nucleinsäure

463

Abb. 47 b. Synthese des DNS (nach Kornberg)

Die neugebildete Nucleinsäure besitzt die gleichen Eigenschaften wie die als „primer" zugesetzte; sie ist nach dem Modell der letzteren gebaut. Wir haben früher erwähnt (S. 120), daß das Desoxyribosenucleinsäure-Molekiil aus zwei ineinander verdrehten Spiralen aufgebaut ist. Die Basen sind nach innen gerichtet und durch Wasserstoffbrücken miteinander verbunden; immer steht dem Guanin das Cytosin, dem Adenin das Thymin gegenüber (vgl. Abb. 15 und 16). Man kann sich nun die Synthese neuer Nucleinsäuremoleküle derart vorstellen, daß die beiden Spiralen voneinander gelöst werden und jede als Schablone für die Bildung einer neuen dient; d. h. jeder Base der Mutterspirale tritt die entsprechende Base der Tochterspirale gegenüber. Auf diese Weise muß die komplementäre Reihenfolge der Nucleotide längs der neuen Kette zustande kommen ( W a t s o n u. Crick 1 )). Jedes neue Nucleinsäuremolekül muß dementsprechend eine elterliche und eine Tochterspirale enthalten. Die letztgenannte Hypothese konnte experimentell nachgeprüft werden 2 ). Man züchtete Colibazillen in einem Milieu, welchem schweres Ammoniak (N' 15 'H 3 ) zugesetzt war. Die von den Bakterien synthetisierte Desoxyribosenucleinsäure enthält dann schweren Stickstoff. Die Bakterien werden nun in ein neues Milieu mit gewöhnlichem Ammoniak übertragen. Die in diesem Kulturmilieu neu gebildete Nucleinsäure enthält jetzt gewöhnlichen Stickstoff (N*14*). Die beiden Nucleinsäuren unterscheiden sich durch ihre spezifische Dichte und können durch Ultrazentrifugation in einem Dichtegradienten voneinander getrennt werden. Es zeigte sich nun, daß die Dichte der Desoxyribosenucleinsäure der ersten Tochtergenerationen genau in der Mitte zwischen der Dichte der markierten Nucleinsäure der Mutterzellen und der nicht markierten Nucleinsäure liegt. Die Desoxyribosenucleinsäure der ersten Tochtergeneration besteht also, wie die obige Theorie dies fordert, zur Hälfte aus Material, das aus den Mutterzellen stammt, und zur Hälfte aus solchem, das neu gebildet worden ist. In der folgenden Generation tritt nicht markierte Nucleinsäure neben der zur Hälfte markierten auf usw. J s

) W a t s o n u. C r i c k , Nature 171, 964 (1953). ) Meselson u. S t a h l , Proc. Nat. Acad. Sei., USA, 44, 671 (1958).

464

Der Nucleins&ure- und Purinstoffwechsel

Man hat in neuerer Zeit verschiedene Enzyme gefunden, welche Ribonucleinsäuren aus den Nucleosidtriphosphaten aufbauen. Von besonderer Bedeutung sind, im Hinblick auf die Proteinsynthese, diejenigen Enzyme, welche für die Synthese eine DNS als „primer" benötigen und dabei, wie das eben erwähnte Ferment von K o r n b e r g , eine zur DNS komplementäre Polynucleotidkette aufbauen, in welcher dem Thymin der DNS das Adenin, dem Adenin das Uracil, dem Guanin das Cytosin, dem Cytosin das Guanin entspricht. Solche Enzyme ( R N S - P o l y m e r a s e n ) sind in tierischen und pflanzlichen Zellen nachgewiesen worden1). Daß die von ihnen synthetisierten Ribonucleinsäuren tatsächlich nach dem Modell der zugesetzten „primer"-DNS gebaut sind, kann aus dem Verhältnis der Basen (Adenin + Thymin resp. Uracil) : (Guanin + Cytosin) geschlossen werden, das bei beiden gleich ist. R o l l e der N u c l e i n s ä u r e n bei der P r o t e i n s y n t h e s e Wir sind schon früher auf die Rolle der RNS bei der Synthese der Eiweißkörper zu sprechen gekommen (S. 455) und müssen nun, nachdem wir die Mechanismen der Nucleinsäuresynthese kennengelernt haben, auf dieses Problem zurückkommen. In engem Zusammenhang mit den hier zu behandelnden Erscheinungen stehen die chemischen Vorgänge, welche der Vererbung zugrunde liegen. Ihre Erforschung hat gerade in den letzten Jahren zu überraschenden Ergebnissen geführt und sich zu einem neuen Gebiet der Biologie, der „ M o l e k u l a r b i o l o g i e " ausgeweitet. Wir können heute mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit annehmen, daß das gesamte Erbgut der Zelle, die „genetische Information", in der DNS der Chromosomen gespeichert ist, und zwar in Form bestimmter Nucleotidsequenzen. Die ersten sicheren Hinweise auf die Bedeutung der DNS für die Vererbung ergaben sich aus der Beobachtung, daß man durch die aus bestimmten Pneumokokkenstämmen extrahierten DNS vererbbare Eigenschaften (Bildung einer Kapsel) auf andere Stämme übertragen kann (Avery, McLeod u. McCarty 1944)2). Offenbar ist von den transformierten Zellen das fremde Erbgut in Form einer DNS-Kette aufgenommen und dem eigenen Chromosom einverleibt worden. Wir wissen nun andererseits, daß die Synthese der Proteine unmittelbar von den Genen abhängig ist. Dies wird durch das Auftreten veränderter Proteine bei Mutanten bewiesen, wofür die Hämoglobine die eindrücklichsten Beispiele liefern (vgl. S. 587), und weiter durch eine große Reihe von Beobachtungen über genetisch bedingte Stoffwechselstörungen, die ihre Ursache in einer Veränderung und Inaktivierung von bestimmten Fermentproteinen haben (vgl. S. 218). Es entsteht daher die Frage, auf welche Weise die genetische Information von der DNS der Chromosomen auf die Ribosomen übertragen wird, welche, wie wir gesehen haben, der hauptsächlichste Bildungsort der Proteine sind. Dieses Problem ist durch Untersuchungen aus der neuesten Zeit soweit aufgeklärt worden, daß wir uns in großen Zügen ein Bild der Vorgänge machen können. Es hat sich gezeigt, daß für diese Übertragung wieder eine Ribosenucleinsäure verantwortlich ist, die man als „ m e s s e n g e r R N S " bezeichnet hat (Monod u. Jacob). Man nimmt an, daß im Zellkern durch eine DNS-abhängige RNS-Polymerase 1 ) Weiss, Proc. Natl. Acad. Sei. U. S. 46, 1020 (1960); 47, 1400 (1961). H u r w i t z u. Mitarb., Biochim. Biophys. Research Comm. 3, 15 (1960); 4, 362, 431 (1961). 2 ) A v e r y u. Mitarb., J. exp. Med. 79,137 (1944). H o t c h k i s s , in Chargaff u. D a v i d s o n : The Nucleic Acids. Vol. II. S. 435, New York 1955. E p h r u s s i - T a y l o r : Conf. et Rapp. 3m« Congr. Internat, de Biochimie, Bruxelles 1955. S. 333. Liège 1956.

Abbau und Bildung der Nucleotide und Nucleinsäure

465

Ribonucleinsäuren nach dem Modell der chromosomalen Desoxyribosenucleinsäuren gebildet werden. Dieselben treten in das Cytoplasma über und werden in die Ribosomen aufgenommen, wo sie, direkt oder indirekt, die Matrix für die Synthese der Polypeptidketten der Proteine liefern. Wir erkennen hier die große Bedeutung der Tatsache, daß die RNS-synthetisierenden Polymerasen die neuen Polynucleotidketten streng nach dem vorgegebenen Modell der DNS aufbauen, denn nur auf diese Weise kann erreicht werden, daß einerseits bei der Teilung der Chromosomen die in den Polynucleotidketten verschlüsselte genetische Information unverändert an die Tochterchromosomen weitergegeben wird, und daß andererseits die für die Proteinsynthese maßgebenden Nucleotidsequenzen getreu nach den Ribosomen übertragen werden, wo sie in die Aminosäuresequenzen übersetzt werden können. Wir wissen noch nicht, welche Bolle die ribosomalen Bibonucleinsäuren bei der Proteinsynthese spielen. Vor der Entdeckung der messenger-BNS konnte man in ihnen die Matrizen für die Proteinsynthese sehen. Heute muß aber diese Punktion der messenger-BNS zugeschrieben werden, so daß die Frage nach ihrer Bedeutung zunächst offen bleiben muß.

Wesentliche Einsichten in die Funktion der Nucleinsäuren bei der Proteinsynthese und bei der Vererbung verdankt man der Erforschung der V i r e n , und insbesondere der Bakteriophagen. Die Viren enthalten als wesentlichen Bestandteil eine Nucleinsäure, die pflanzlichen Viren und einige tierische Viren RNS, die übrigen tierischen Viren und die Bacteriophagen DNS. Es hat sich gezeigt, daß für die Infektion der Zellen mit den Viren und für die Spezifität der Viren einzig und allein die Nucleinsäure verantwortlich ist, nicht die Proteine des Virus. Dies konnte erstmals beim Tabakmosaikvirus bewiesen werden (Schramm, Fraenkel-Conrat 1 )). Die Virusnucleinsäure verhält sich wie ein fremdes, in die Zelle eingebrachtes Gen. (Bei Bakterien können sogar Teile der Virusnucleinsäure den Chromosomen der Bakterienzelle einverleibt werden.) Sie führt neue, im Erbgut der Zelle nicht vorhandene, genetische Information in die Zelle ein, die nun hier zur Wirkung gelangt. Die in der Zelle vorhandenen Enzymsysteme werden veranlaßt, nicht nur die eingedrungene Virusnucleinsäure zu vervielfältigen, sondern auch die fremden Proteine zu synthetisieren, die zum Aufbau der neuen Virusteilchen nötig sind. Die DNS der Coli-Bakteriophagen T2 und T4 enthalten Hydroxymethylcytosin (S. 117). eine Base, die in der bakteriellen DNS nicht vorkommt. Damit sich das Virus vermehren kann, muß es also in der Bakterienzelle die Bildung der Enzyme veranlassen, welche für die Synthese dieser Base nötig sind, d. h. die DNS des Phagen muß die Information enthalten, welche der Zelle den Aufbau dieser neuen Proteine ermöglicht.

Die Untersuchungen an den genannten Coli-Bacteriophagen haben auch wesentlich zur Entdeckung der messenger-RNS beigetragen. Man hat beobachtet, daß unmittelbar nach der Infektion mit dem Phagen T2 eine kurzlebige RNS auftritt. Die Analyse dieser Nucleinsäure ergab, daß das Verhältnis der Basen demjenigen der Virus-DNS entspricht; offenbar ist sie also nach dem Modell der letzteren gebaut (Volkin u. Astrachan 2 ). In besonders eingehender Weise wurde die Rolle dieser RNS bei Infektion mit dem Phagen T4 von Brenner, Jacob und Meselson untersucht3). Sie konnten mit Hilfe einer ingeniösen Versuchstechnik zeigen, daß die neu gebildete RNS in die fertig vorgebildeten Ribosomen der Bakterienzelle aufgenommen wird, und daß dort auch die neu synthetisierten Proteine zuerst erscheinen. Die Ribosomen sind die unspezifischen Träger einer streng spezifisch verlaufenden Synthese. 1 ) Schramm, Zschr. Naturforschg. IIB, 138 (1956). Fraenkel-Conrat, J. Am. Chem. Soc. 78, 882 (1956). 2 ) Volkin a. Astrachan, Virology 2, 149 (1956); 6, 545 (1958); Biochim. Biophys. Acta 29, 544 (1958). 8 ) Brenner, Jacob a. Meselson, Nature 190, 576 (1961).

30

L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15. Aufl.

466

Der Nucleinsäure- und Purinstoffwechsel

Wir kommen min zu einer weiteren wichtigen Frage: In welcher Weise bestimmt die Nucleotidsequenz der messenger-RNS die Reihenfolge der Aminosäuren in den Polypeptidketten, d. h. wie ist der „Code" beschaffen, der in den Ribosomen in eine Aminosäurensequenz übersetzt wird ? Man nimmt an, daß in der RNS-Matrize der Bindungsort jeder Aminosäure durch eine Gruppe von drei Nucleotiden in bestimmter Anordnung festgelegt ist. Die Zahl der möglichen Anordnungen der vier Basen zu Gruppen von je drei Basen beträgt 64, gibt also die nötige Zahl von „Codewörtern" um jeder Aminosäure ein bestimmtes Codewort zuordnen zu können1). Es ist in neuester Zeit gelungen, den Nicleotidcode soweit zu entschlüsseln, daß man für die meisten Aminosäuren angeben kann, welche drei Basen ihren Einbau bestimmen (Nirenberg u. M a t t h a e i ; Ochoa, Lengyel u. Mitarb.2)). Zu diesen Versuchen wurde ein bakterielles Enzymsystem (Ribosomen und Extrakt löslicher Enzyme aus E. coli) verwendet. An Stelle einer natürlichen messenger-RNS wurden synthetische Nucleinsäuren verwendet, welche durch Polynucleotidphosphorylase synthetisiert worden waren (s. oben). Da die Nucleotide durch dieses Enzym völlig regellos miteinander verknüpft werden, kann man die statistische Häufigkeit der verschiedenen Kombinationen von drei Basen, welche die Wörter dieses Codes darstellen, berechnen. Bei Inkubation dieser RNS mit dem obigen Enzymsystem und radioaktiven Aminosäuren werden die letzteren in die Proteine eingebaut. Vergleicht man nun die Größe des Einbaus der verschiedenen Aminosäuren mit der statistischen Häufigkeit der verschiedenen Dreiergruppen (Codewörter), so gelingt es den einzelnen Aminosäuren eine bestimmte Kombination von drei Basen zuzuordnen, in der die Reihenfolge allerdings vorläufig noch unbestimmt bleibt. Z. B. wird bei Gegenwart einer ausschließlich aus Uridylsäure aufgebauten RNS nur Phenylalanin eingebaut; das Produkt der Synthese ist Polyphenylalanin, ein Polypeptid, das nur diese eine Aminosäure enthält. Das Codewort für Phenylalanin ist offenbar UUU. Für Serin wurde UUC gefunden (Reihenfolge unbestimmt). Es sind heute die Codewörter für die meisten Aminosäuren bekannt3). Die genannte Methode hat bei verschiedenen Aminosäuren mehr als ein Codewort ergeben, d. h. für den Einbau ein und derselben Aminosäure können verschiedene Dreiergruppen von Basen verantwortlich sein. Es scheint, daß in diesen Fällen für die gleiche Aminosäure auch mehr als eine s-RNS vorhanden ist. Eine Kontrolle einiger Codewörter war beim Tabakmosaikvirus möglich. Hier können Mutationen durch Einwirkung von salpetriger Säure hervorgerufen werden, wobei das Cytosin in Uracil und das Adenin in Hypoxanthin (das sich gleich wie das Guanin verhält) übergeht. Bei einer solchen Mutante des Virus war im Protein Serin (Code UUC) durch Phenylalanin (Code UUU) ersetzt, wie dies auf Grund des Austauschs von Cytosin gegen Uracil zu erwarten war.

Durch alle diese Arbeiten ist unsere Kenntnis der der Vererbung zugrundeliegenden chemischen Vogänge sehr vertieft, und der Weg zur Lösung eines der grundlegenden Probleme der gesamten Biologie geöffnet worden5). Gamow, Nature 178, 318 (1954). Crick in: Symposia of the Soc. f. exp. Biol. XII. The biological replication of Macromolecules. Cambridge 1958. pag. 138. 2) Nirenberg a. Matthaei, Proc. Natl. Acad. Sei. U. S. 47, 1588 (1961). Ochoa, Lengyel u. Mitarb., Proc. Natl. Acad. Sei. U. S. 47,1936 (1961); 48, 63, 282, 441 (1962). *) Ochchoa, Lengyel u. Mitarb. Ihißnote 2). 4) Wittmann, Cold Spring. Harb. Symp. Quant. Biol 28, 589 (1963). 6 ) Weitere Literatur über das sehr umfangreiche Gebiet vgl. Abrains, Ann. Rev. Biochem. 8«, 165 (1961). Berg, Ann. Rev. Biochem. 80, 293 (1961). Cavalieri u. Rosenberg, Ann. Rev. Biochem. 31, 247 (1962). Grunberg-Manago, Ann. Rev. Biochem. 31, 301 (1962). Bennet a. Dryer, Ann. Rev. Biochem. 33, 205 (1964). Moldave, Ann. Rev. Biochem. 34, 419 (1965). Ingram, Biosynthesis of Macomolecules. Benjamin Inc. New York 1965.

Abbau und Bildung der Nucleotide und Nuclninsäure

467

S y n t h e s e der N u c l e o t i d e . Wir werden später sehen, daß Purin- und Pyrimidinnucleotide unmittelbar bei der Synthese des Puringerüsts gebildet werden; es ist aber auch eine Synthese au ihren Bausteinen, der präformierten Base und Ribose möglich. Ein Weg für die Synthese von Nucleosiden ist die Umkehrung ihrer Phosphorolyse. Man kann annehmen, daß Nucleoside, die der phosphorolytischen Spaltung durch die Nucleosidphosphorylase unterliegen (Inosin, Xanthosin, Uridin) auf diese Weise gebildet werden können (vgl. S. 462) : Ribose-l-phosphat + Base

>• Nucleosid + Phosphat.

Wir wissen aber nicht, welche Rolle diese Synthese tatsächlich spielt. Es sind Kinasen bekannt, welche N-Riboside zu Nucleotiden phosphorylieren können, z. B. Adenosin zu 5'-Adenylsäure. Bedeutung für die Synthese von Nucleotiden scheint das kürzlich entdeckte 5-Phosphoribosylpyrophosphat zu besitzen, das aus ATP und Ribose-5-phosphat gebildet wird1): O O r ° 1 II II HaOsP—O—CH2CHCH(OH)CH(OH)C—0—P—O—P—OH ¿H

¿H

Es liefert mit Adenin Adenosin-5-phosphat, indem der S'-Phosphoribosylrest unter Abspaltung von Pyrophosphat auf das N-Atom 9 des Adenins übertragen wird. Wir werden im nächsten Abschnitt sehen, daß dieser Ester bei der Biosynthese der Purine eine Rolle spielt. Es sind noch weitere Möglichkeiten der Nucleotidsynthese bekannt, auf die wir aber hier nicht eingehen können2).

Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, daß es offenbar verschiedene Wege für die Bildimg der Mononucleotide gibt, aus welchen die Nucleinsäuren sich aufbauen. In welcher Art in den verschiedenen tierischen und pflanzlichen Zellen die Synthese der Nucleotide tatsächlich erfolgt und welches die Hauptwege sind, läßt sich z. Z. noch nicht übersehen. Bei der Neusynthese der Purin- und Pyrimidinverbindungen aus den Bausteinen (siehe unten) entstehen unmittelbar die Nucleotide. Wir haben oben darauf hingewiesen, daß aber auch fertig vorgebildete Basen in die Nucleinsäuren eingebaut werden können. Bei ihrer Verwertung dürften die oben erwähnten Synthesen und Austauschvorgänge eine Bolle spielen, wobei zu bedenken ist, daß wahrscheinlich eine gegenseitige Umwandlung von Adenin und Guanin sowie der Pyrimidinbasen unter sich möglich ist, sei es in Form der freien Basen, der Nucleoside oder Nucleotide. Es ergibt sich also ein sehr kompliziertes Bild mannigfach verflochtener Reaktionen. J ) K o r n b e r g u. Mitarb., J. Am. ehem. Soc. 76, 2027, 2844 (1954); J. biol. Chem. 215, 389 1955). 2 ) Brawerman u. Chargaff, Biochim. Biophys. Acta 16, 524 (1955).

80»

468

Der Nucleinsäure- und Purins toffwechsel

2. Synthese des Purin- und Pyrimidingerüsts Daß der tierische Organismus die Fähigkeit zur S y n t h e s e des Purinringes besitzt, haben z. B. Versuche am Hühnerei ergeben, welche zeigten, daß die Purin menge des Embryos im Laufe der Entwicklung ansteigt. Auch beim Säuger findet eine solche Synthese statt, denn der Säugling kann aus der purinarmen Milch Purine aufbauen. Bei den Vögeln und den Reptilien stellt die Harnsäuresynthese die Endstufe des Proteinstoffwechsels dar, ist also eine Reaktion, die in großem Umfang vor sich geht. Die Menge der Harnsäure ist bei diesen Tierklassen so groß, daß man eine Beteiligung der Eiweißspaltprodukte an der Harnsäuresynthese annehmen muß. Verfütterung von Aminosäuren (Glycocoll, Leucin, Asparaginsäure) sowie von Harnstoff oder selbst Ammoniumsalzen bedingt bei Hühnern eine der zugeführten Stickstoffmenge entsprechende Harnsäureausscheidung. Die Lokalisierung dieser Harnsäuresynthese ist durch die Untersuchungen von M i n k o w s k i ergründet worden. Er unterband bei Gänsen alle die Leber versorgenden Blutgefäße oder führte eine Totalexstirpation der Leber durch. Derartige Tiere, welche natürlich nur kurze Zeit am Leben erhalten werden können, scheiden nunmehr anstatt der H a r n s ä u r e Amm o n i u m s a l z e aus bis auf eine geringe Menge Harnsäure, welche nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Man nahm früher an, daß die Harnsäure bei den Vögeln aus zwei Molekülen Harnstoff und einer Dreikohlenstoffverbindung entsteht, da man schematisch das Puringerüst in zwei Harnstoffmoleküle und eine C 3 -Kette zerlegen kann. Als eine Stütze für diese Theorie galt die Beobachtung, daß Verfütterung von Harnstoff zusammen mit Dreikohlenstoffverbindungen (Milchsäure u. a.) an Vögel die Harnsäureausscheidung vermehrt (Wiener). Wir wissen aber heute, daß die Sauropsiden nicht imstande sind, Ammoniak oder den Aminostickstoff der Proteine in Harnstoff überzuführen. Die Harnsäuresynthese muß auf einem unabhängigen Weg vor sich gehen. Verschiedene ältere Untersuchungen deuteten darauf hin, daß in der Leber zuerst Hypoxanthin oder Xanthin aufgebaut wird und daß diese Vorstufe dann in der Niere durch die Xanthinoxydase zu Harnsäure oxydiert wird (Schuler, Krebs). Erst die Verwendung markierter Verbindungen (C( u ), N(i6)) hat es ermöglicht, die Verbindungen festzustellen, welche zum Aufbau des Puringerüstes dienen, und hat tiefere Einblicke in den Verlauf der Synthese gestattet (Buchanan, Sonne und D e l l u v a , G. B. Greenberg) 1 ). Die Purinsynthese wurde hauptsächlich beim Vogel, teils in vivo beim intakten Tier, neuerdings aber vor allem in vitro mit Fermentpräparaten aus der Leber untersucht, weil hier bekanntlich die Harnsäure das Endprodukt des N-Stoffwechsels darstellt und die Purinsynthese daher einen großen Umfang annimmt. Es kann aber 1"»"™ ein Zweifel darüber bestehen, daß der Aufbau der Purine überall in gleicher Weise vonstatten geht.

Die Herkunft der einzelnen Kohlenstoff- und Stickstoffatome des Puringerüsts ist heute vollständig aufgeklärt. Zwei C-Atome (Stellung 4 und 5) sowie ein N-Atom (Stellung 7) stammen aus dem Glycocoll und werden unter Wahrung ihres ursprünglichen Zusammenhangs eingebaut. Die beiden C-Atome in Stellung 2 und 8 leiten sich aus „aktiviertem" Formiat ab, das C-Atom in Stellung 6 aus der Kohlensäure. Die drei N-Atome in Stellung 1, 3 und 9 stammen aus dem „Aminosäure-pool". Die unmittelbare Quelle für 3 und 9 ist die Säureamidgruppe des Glutamins, während Vgl. Sonne u. Mitarb., J. biol. Chem. 220, 369, 379 (1956). Literatur über die ersten Untersuchungen vgl. Ann. Rev. Biochem. 18, 174 (1949); Fed. Proc. 12, 646, 651 (1953).

Synthese des Purin- und Pyrimidingeriists

469

1 nach neuesten Untersuchungen aus der Asparaginsäure stammt. Das folgende Schema gibt die Herkunft der einzelnen Atome an:

\

\

\ Amino-

Kohlensäure

säuren (Asparaginsäure) aktiviertes Formiat

Glycocoll 6

x

\

\ /

c

4

'' /'' Amino/' säuren , / (Säureamid-N / ' des Glutamins)



\

Aminosäuren (Säureamid-N des Glutamins)

\

\

Ein wichtiger Schritt für die Aufklärung des Verlaufs der Synthese war die Entdeckung eines Imidazolderivats, das sich in1 Kulturen von Colibazillen anhäuft, wenn man denselben Sulfadiazin als Hemmstoff zusetzt ): 0 II H2N h2N^

C-Nx II ^>CH C—W

4-Amino-5-carboxamidimidazol

h

Man erkennt leicht, daß die obige Verbindung durch Einfügen eines weiteren C-Atoms zu einem Purin (Hypoxanthin) ergänzt werden kann, und man vermutete daher, daß es sich um ein Zwischenprodukt der Purinsynthese handle, das in Gegenwart des Hemmstoffs nicht weiter verarbeitet werden kann. Diese Annahme hat sich bestätigt mit der Einschränkung, daß nicht das Imidazol selbst, sondern das entsprechende ö'-N-Bibotid (siehe unten) die eigentliche Zwischenverbindung ist l a ). Sie geht durch Beaktion mit aktivem Formiat direkt in das 5'-Nucleotid des Hypoxanthins, die Laosinsäure, über. E. coli kann das freie Imidazol nicht verwerten. Es haben sich aber Coli-Mutanten sowie Milchsäurebakterien gefunden, bei welchen die Substanz in genügend hoher Konzentration als Wachstumsfaktor wirkt. Die Verwendung des im Bing mit CO2 4) markierten Imidazols hat ergeben, daß dasselbe bei der Taube in die Harnsäure übergeht ). Das oben genannte Bibotid konnte aus Sulfadiazin-gehemmten Coli-Kulturen sowie Taubenleberhomogenaten, welche mit Inosinsäure inkubiert worden waren, isoliert werden3). Daneben S t e t t e n u. F o x , J. biol. Chem. 161, 333 (1945); Shive, J. Am. ehem. Soc. 69, 275 (1947). ) N.B. 5' bezieht sich auf die Bibose und bezeichnet die Stellung des Phosphats: ö'-Ribotid=5'-Phosphoribosid. 2 ) Schulman u. Mitarb., Fed. Proc. », 225 (1950). 3 ) Greenberg, J. Am. chem. Soc. 74, 6307 (1952); Fed. Proc. 12, 211, 651 (1953); 13, 745 (1954). Literaturübersicht vgl. S c h u l m a n , in Greenberg: Chemical pathways of metabolism. Vol. II. S. 223. New York 1954. 14

Der Nucleinsäure- und Purinstoffweohsel

470

wurden noch weitere Zwischenprodukte nachgewiesen, und es zeigte sich, daß das Ribose5-phosphat auf einer sehr frühen Stufe der Synthese eingeführt wird. Wie wir oben erwähnt haben, werden zwei C-Atome des Puringerüsts (Stellung 2 und 8) als Ameisensäure eingeführt; sie entstammen Verbindungen, welche im Stoffwechsel C^-Fragmente liefern. Ähnlich der Essigsäure tritt aber auch die Ameisensäure nicht als solche, sondern als reaktionsfähige „aktivierte" Verbindung in Erscheinung. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß das aktivierte Formiat sehr wahrscheinlich eine Formyltetrahydrofolsäure ist, bei welcher die Formylgruppe am Stickstoffatom in Stellung 10 sitzt (vgl. S. 798). Wir werden auf die Bolle der Tetrahydrofolsäure als „Formylüberträger" in einem späteren Kapitel zu sprechen kommen. Die nachstehend beschriebenen Reaktionen (4) und (9), an denen aktiviertes Formiat beteiligt ist, verlaufen nach folgendem Schema ((FH4)N—CHO = Formyltetrahydrofolsäure): (FH 4 )N-CHO + XH

(FHt)NH + X-CHO .

Nach den gegenwärtigen Kenntnissen geht die Purinsynthese in der Vogelleber in folgender Weise vor sich: Als Vorstufe bildet sioh durch eine Reaktion zwischen dem Glutamin und 6-Phosphoribosylpyrophosphat (vgl. S. 467) das 5-Phosphoribosylamin (I); Reaktionen (1) und (2): (1) ATP + P—0—(6)Ribose

—•

AMP + P - 0 - ( 5 ) R i b o s y l - 0 - P - 0 - P

(2) P—0—(5)Ribosyl—0—P—0—P + Glutamin — • P - 0 - ( 6 ) R i b o s y l - N H 2 + + Glutaminsäure + P—O—P I Das Phosphoribosylamin reagiert nun mit dem Glycocoll (Reaktion (3)), wobei Glycin, amidribotid (II) entsteht1). („Rib" steht in allen folgenden Formeln für den Ribosylrest.) CH2NHa (8) I COOH

+ H,N—Rib—O—P I

CT

CH2NH2 I

. Glycinamidrlbotld

\NH—Rib—O—P

II

Der nächste Schritt (Reaktion (4)) besteht in der Einführung des C-Atoms, das später die Stellung 8 einnehmen wird. Es stammt aus Formiat oder einem Donator aktiver Formylgruppen (z. B. dem ß-C-Atom des Serins). Das entstehende Zwischenprodukt ist das a-N-Formylglycinamidribotid (in)«): CH2NH—CHO (4) II + [HCOOH] CH ,G N/ H2n/ | Rib—O—P

->•

471

4-Aminoimidazolribotid V

Das C-Atom in Stellung 6 entstammt der Kohlensäure; das obige Imidazolribotid V wird zur entsprechenden Carbonsäure carboxyliert: HOOC^ C—N:. 4-Amino-6-imidazolCOa + V • || \CH carbons&ure-ribotid C N' m h,N/ I ™ ' Rib—0—P Das letzte N-Atom (Stellung 1 des Purinrings) stammt aus der Asparaginsäure. Aus der obigen Imidazolcarbonsäure (VI) und Asparaginsäure bildet sich zunächst das in der folgenden Gleichung (Reaktion (7)) formulierte Zwischenprodukt (VII) 1 ): COOH

COOH

¿H—NH,

(7)

+

O

u

VI

¿H—NH—C

CHS

CH,

COOH

¿OOH

,|

V

C H

C - r Rib—0—P vn

aus welchem durch Abspaltung von Fumarsäure nach ßeaktion (8) das oben erwähnte Ribotid des 4-Amino-5-carboxamidimidazolfl (VIII) hervorgeht:

(8)

VII

COOH I CH > ^

2 j \ +

HX

^ W C-N/

h n/

>

COOH

4-Amino-5-carboxamidimidazol-ribotid VIII

L-O-I

Das Bibotid VIII kann, wie oben erwähnt, auch aus dem freien 4-Amino-5-carboxamidimidazol gebildet werden. Es scheinen zwei Wege möglich zu sein: Bildung des Bibosids mit Ribose-1phosphat durch die Nucleotidphosphoiylase und anschließende Phosphorylierung zum Bibotid (Enzyme in Hefe und Taubenleber)1), oder direkte Bildung 3des Ribotids mit dem oben schon erwähnten 5-Phosphoribosyl-pyrophosphat (vgl. auch S. 467 ) ). Im letzten Schritt (Reaktion (9)) reagiert nun aktives Formiat mit dem Imidazol VIII, wobei Ringschluß eintritt und das Ribosid des Hypoxanthins, die Inosinsäure XI, entsteht 4 ): O ii (9)

VIII + [HCOOH]



H N ^ 0 ^ I 0 ff I || SCH HC C—TU'

Inosinsäure IX

^ iib-O-, *) L u k e n s u. B u c h a n a n , J. Am. ehem. Soc. 79, 1511 (1957). 2 ) Greenberg, J . biol. Chem. 219, 423 (1956); K o r n u. B u c h a n a n , J . biol. Chem. 217, 183 (1955). 8 ) B u c h a n a n u. Mitarb., J . biol. Chem. 228, 201 (1957). *) B u c h a n a n u. Mitarb., J. biol. Chem. 228, 215 (1957).

Der Nueleinsâure- und Puriiistoffwechsel

472

Die obige Reaktion gibt sich auch daran zu erkennen, daß bei Inkubation von Inosinsäure mit C( u )-Formiat die erstere durch Austausch in Stellung 2 radioaktiven Kohlenstoff aufnimmt. Als Coferment der Reaktionen (4) und (9) wirkt, wie erwähnt, die Tetrahydrofolsäure. Möglicherweise ist auch das Vitamin B i a an der Synthese der Purine (und Pyrimidine) beteiligt. Dies kann aus der Tatsache geschlossen werden, daß bei Vitamin B 12 -abhängigen Mikroorganismen das Vitamin durch gewisse Desoxyriboside von Purin- und Pyrimidinbasen ersetzt werden kann (vgl. S. 806). Durch die Entdeckung der oben beschriebenen Reaktionen, deren Kenntnis wir den Untersuchungen verschiedener Arbeitsgruppen während der letzten Jahre verdanken, ist ein altes Problem der Biochemie, die Purinsynthese, weitgehend aufgeklärt worden1). Aus der Inosinsäure können die in den Nucleinsäuren vorkommenden Purinnucleotide gebildet werden. Durch Aminierung in Stellung 6 entsteht Adenylsäure. Als Zwischenprodukt ist Adenylosuccinat erkannt worden. Man hat in Extrakten aus Colibazillen ein Enzym nachgewiesen, welches diese Verbindung aus Inosinsäure und Asparaginsäure bildet. Die Reaktion benötigt Guanosintriphosphat 2 ). Sie ist der oben erwähnten Reaktion (7) vergleichbar. Das Adenylosuccinat kann andererseits durch ein Enzym aus Hefe, die A d e n y l o s u c c i n a s e , reversibel in Fumarat und Adenylsäure gespalten werden3). Auch hier haben wir eine analoge Reaktion in der Spaltung des Succinoarginins kennengelernt (S. 434). Die oben erwähnte Spaltung der Substanz VII in Fumarat und das Imidazolribotid VIII wird ebenfalls durch die Adenylosuccinase bewirkt 4 ). COOHCHCH,COOH

Adenylosuccinase . „ N

N—Rib -5'-phosphat

r

n

N

xx

+

C00

H C H : CHCOOH

N—Rib-5'-phosphat

Adenylosuccinat In Bakterien (Aerobacter aerogenes, Coli) wie auch in tierischen Geweben kann Inosinsäure bei Gegenwart von DPN zu Xanthosin-S'-phosphat oxydiert werden. Durch Aminierung des entstehenden Xantbinnucleotids in Stellung 2 kann daraus Guanylsäure gebildet werden, wobei Glutamin als Stickstoffdonator wirkt 6 ). Die Synthese des Pyrimidinrings geht von der o r - U r e i d o b e r n s t e i n s ä u r e ( = Carbamylasparaginsäure) aus. Dieselbe entsteht, wie man seit kurzem weiß, durch eine Reaktion der Asparaginsäure mit dem von L i p m a n n entdeckten Carbamylphosphat (vgl. S. 435). Die Reaktion wurde erstmals im Streptococcus faecalis nachgewiesen6): COOH

l6H—NH

I CH 2

¿OOH

0 2

+

II H.O.P—0—C—NH. *

COOH 0 I II CH—NH—C—NH 2 ¿h2 ¿OOH

Diese Reaktion erklärt auch frühere Befunde, wonach der Ureidkohlenstoff des Citrullins in die Ureidobernsteinsäure, Orotsäure und die Pyrimidinbasen der Nucleinsäuren übergehen kann 7 ); ') Weitere Literatur zur Purinsynthese vgl. auch C a r t e r , Ann. Rev. Biochem. 25, 130 (1956). а ) L i e b e r m a n , J . Am. ehem. Soc. 78, 251 (1956). 3 ) C a r t e r u. C o h e n , J . biol. Chem. 222, 17 (1956). 4 ) Miller u. Mitarb., J . Am. chem. Soc. 79, 1513 (1957). e ) L a g e r k v i s t , Acta chem. Scand. 9, 1028 (1955); G e h r i n g u. M a g a s a n i k , J . Am. chem. Soc. 77, 4685 (1955); A b r a m s u. B e n t l e y , J . Am. chem. Soc. 77, 4179 (1955). б ) J o n e s u. Mitarb., J . Am. chem. Soc. 77, 819 (1955); Conférences et Rapports, 3 m ° Congrès Internat, de Biochimie, Bruxelles 1955, S. 278. Liège 1956. ') Vgl. L o w e n s t e i n u. C o h e n , J . biol. Chem. 213, 689 (1955).

Synthese des Purin- und Pyrimidingerüsts

473

denn das Citrullin entsteht durch eine reversible Reaktion des Ornithins mit dem Carbamylphosphat (vgl. S. 345). Aus der Ureidobernsteinsäure entsteht durch Ringschluß die Dihydroorotsäure und daraus durch eine DPN-abhängige Dehydrierung die Orotsäure. Diese Reaktion wurde sowohl in Bakterien1) als auch in tierischen Geweben nachgewiesen2): H2N COOH oi

¿Ha

HN—CO

HN— CO

OC CH.

oA

CH

u HN—CH 1 COOH

HN-CH HN— C I I COOH COOH Dihydroorotsäure Orotsäure Die Orotsäure wurde in der Milch entdeckt (Biscaro u. Belloni 1905). Sie findet sich u. a. auch in Hefeextrakten in beträchtlicher Menge. Die Orotsäure wird nun durch eine interessante Reaktion in das 5'-Ribotid übergeführt. Sie reagiert nämlich mit dem 5-Phosphoribosyl-pyrophosphat, das wir schon früher bei der Besprechung der Purinsynthese kennengelernt haben, wie dort unter Abspaltung von Pyrophosphat (Nucleotid-pyrophosphorylase) und geht in das Orotidin über, das durch Decarboxylierung unmittelbar das Uridin liefert. Die für die Reaktion verantwortlichen Enzyme wurden aus Hefe isoliert3). O II P—0—(5) Ribosyl—0—P—0—P , , p_0_p + Orotsäure " .III—COOH O N. / Rib(5)—O—P /-CO O II HN/^I 0

Orotidin

^ Uridin

N—Rib(5)-0—P

Die Bildung des C y t o s i n s aus dem Uracil scheint nur auf der Stufe des Uridintriphosphats möglich zu sein, indem dieses mit NH3 reagiert. Das freie Uracil, das Nucleosid oder Nucleotid werden anscheinend nicht aminiert; auch können weder Asparagin- noch Glutaminsäure noch deren Amide an Stelle des Ammoniaks als Stickstoffdonatoren dienen4). Die Reaktion ist ATPabhängig und verläuft wahrscheinlich nach folgender Gleichung: Uridintriphosphat + NHS + ATP

• Cytidintriphosphat + ADP + P .

Das Uridintriphosphat kann wahrscheinlich aus dem Monophosphat und ATP durch Übertragung einer Pyrophosphatgruppe entstehen. Über seine Bildung aus UDPG siehe S. 306. Die Bildung des Thy mins, das in den Desoxyribosenucleinsäuren vorkommt, ist noch nicht geklärt. Es scheint, daß sie im Zusammenhang mit der Synthese der Nucleinsäure erfolgt. Markiertes Uridin geht in das Thymidin der Nucleinsäure über6). !) а) 3) 4) б)

Lieberman u. Kornberg, J . biol. Chem. 207, 911 (1954). Cooper u. Mitarb., J . biol. Chem. 216, 37 (1955). Lieberman u. Mitarb., J . biol. Chem. 215, 389, 403 (1955). Lieberman, J . Am. chem. Soc. 77, 2661 (1955). Literatur vgl. z. B. Ann. Rev. Biochem. 25, 127 (1956).

Der Nucleineäure- und Purinstoffwechsel

474

Die Methylierung des Uracils hängt wahrscheinlich von der Tetrahydrofolsäure ab (S. 798). Bei Bacillus subtilis wird die Überführung des Uracils in T h y m i n durch solche Stoffe gefördert, die aktiviertes Pormiat liefern1). Man kann also annehmen, daß die Bildung der Methylgruppe des Thymins reduktiv aus einer Formyl- oder Oxymethylgruppe erfolgt. 3. Stoffwechsel der Cofermente

Wir wollen hier anhangsweise auf einige Umsetzungen der nucleotidartig gebauten Cofermente hinweisen. Die Pyridin- und Flavinnucleotide können in den Zellen durch verschiedene Fermente abgebaut werden. In tierischen Geweben (auch in Neurospora) findet sich eine Nucleotidase, welche in den Pyridincofermenten die glycosidische Bindung spaltet und dadurch Nicotinsäureamid freisetzt2). Die Spaltung kann durch Zusatz des letzteren gehemmt werden. Das Ferment wird durch Ca++ aktiviert; dies erklärt die hemmende Wirkung von Ca-Salzen auf die Atmung von Gewebshomogenaten. Aus Hefe und Leber wurde von Kornberg ein Ferment isoliert, das in Gegenwart von Pyrophosphat die Pyridinnucleotide reversibel in folgender Weise spaltet (Übertragung eines Adenylsäurerests, daher Adenyltransferase): Adenin—Ribose—0—P—0—P—0—Ribose—Nicotinamid + P—0—P , Diphosphopyridinnucleotid

-

Pyrophosphat

Adenin—Ribose—O—P—O—P—O—P + P—O—Ribose—Nicotinamid Adenosintriphosphat Nicotinamidmononucleotid

In ähnlicher Weise reagiert auch das Triphosphopyridinnucleotid. Die Pyrophosphatbrücke kann auch durch eine spezifische Pyrophosphatase unter Bildung von Adenylsäure gespalten werden. Das Ribosid des Nicotinsäureamids unterliegt der Phosphorolyse (Kornberg): I _ /

l _

+

Nif—Ribosid + Phosphat

Hypoxanthin

') Literatur über Stoffwechsel der Coenzyme vgl. K o r n b e r g , in McElroy u. Glass: Phosphorus metabolism. Vol. I, S. 392. Baltimore 1951. J . biol. Chem. 182, 779 (1950). ') Näheres siehe Novelli u. Mitarb., Fed. Proc. 12, 675 (1953); J . biol. Chem. 207, 761, 767 (1954); J o h n s o n , Ann. Bev. Biochem. 24, 443 (1955); B a d d i l e y , Adv. Enzymol. 16, 1 (1955). 3 ) Brown u. Snell, J. Am. chem. Soc. 75, 2782 (1953); P i e r p o i n t u. H u g h e s , Biochem. J . 56, 13 (1954).

Der Nucleinsäure- und Purinstoffwechsel

476

Dieses Ferment, welches also Adenin zu Hypoxanthin desaminiert, heißt demnach Adenase. Ebenso ist eine C y t o s i n d e s a m i n a s e bekannt. Es gibt aber auch Fermente, welche die intakten Nucleotide und Nucleoside, möglicherweise sogar niedrige Polynucleotide desaminieren, z. B.: Adenosin Adenylsäure

— —

Inosin + NH S Inosinsäure + KH,

Es sind folgende spezifische Desaminasen beschrieben worden: 3'-Adenylsäuredesaminase, 5'-Adenylsäuredesaminase, Guanylsäuredesaminase, Adenosindesaminase, Guanosindesaminase, Cytidindesaminase. Eine 5'-Adenylsäuredesaminase findet sich im Muskel. Das Enzym ist kürzlich im kristallisierten Zustand dargestellt worden1). Es ist schon lange bekannt, daß bei der Muskeltätigkeit Ammoniak freigesetzt wird; die Adenylsäure scheint seine hauptsächlichste Quelle zu sein2).

Die o x y d a t i v e Phase besteht in einer Umwandlung von Hypoxanthin zu Xanthin, und dieses letztere wird zu H a r n s ä u r e oxydiert. Vereinigt man alle diese Vorgänge zu einem Bilde, so ergibt sich das Schema: NH.

Guanin • Desaminierung OH

OH

OH Oxyd.

Hypoxanthin

NH Xanthin

-OH HO

N

NH

Harnsäure

Die Harnsäure ist also zunächst die Verbindung, in welche alle Purine übergehen. Die Oxydation des Xanthins und des Hypoxanthins zu Harnsäure wird durch die X a n t h i n o x y d a s e bewirkt, die zur Gruppe der gelben Fermente gehört; ihre Wirkungsgruppe ist das Flavin-Adenin-Dinucleotid. Das Enzym enthält nach neueren Untersuchungen Molybdän und Eisen; doch ist nicht bekannt, ob diese Metalle für seine Funktion von Bedeutung sind8). Die Xanthinoxydase kommt in der Leber vor; die beste Quelle für ihre Darstellung ist die Milch. In Gegenwart von Sauerstoff entsteht H 2 OJ, wahrscheinlich durch direkte Oxydation des reduzierten Flavins: Hypoxanthin + [Flavin] [Flavin] Hj + 0 8

Xanthin + [Flavin] H, [Flavin] + H 2 0 S

Die Reoxydation des reduzierten Ferments kann auch durch Methylenblau oder Cytochrom o erfolgen. Die Einzelheiten des Fermentmechanismus sind noch nicht bekannt. ') ) ) 1212, 2 s

Ya-pin Lee, Fed. Proe. 16, 210 (1957). Embden u. Mitarb., Zschr. physiol. Chem. 179, 149 (1928). Mahler u. Mitarb., J. biol. Chem. 210, 149 (1954); Avis u. Mitarb., J. chem. Soc. 1956, 1219; K i e l l y , J. biol. Chem. 216, 405 (1955).

Stoffwechsel der Cofermente

477

Die Xanthinoxydase ist ein Ferment von ziemlich weitem Spezifitätsbereich. Es greift auch Aldehyde an, die zu den entsprechenden Carbonsäuren dehydriert werden. Das Enzym der Milch ist identisch mit dem schon lange bekannten Schardingerschen Enzym. Die Harnsäure ist beim Menschen und den anthropoiden Affen das hauptsächlichste Endprodukt des Purinstoffwechsels; bei Vögeln und Reptilien ist sie, wie wir früher erwähnt haben, das Endprodukt des Stickstoffwechsels überhaupt. Die Harnsäure wird bei den meisten Säugetieren durch ein Ferment, welches als uricolytisches Ferment, Uricase oder U r i c o o x y d a s e , bezeichnet wird, zu Allantoin abgebaut, einer Verbindung, die erstmals von Vauquelin im Fruchtwasser, von Lassaigne in der Allantoinsflüssigkeit und vonWöhler im Harn neugeborener Kälber beobachtet wurde. HN ICO 1

« OCi 1C4-NH

N

N

>• X C C

H2N _ 1

C

l—i—J N—C—N



J. C—NH OC I I Z*00 HN—G—NH H Allantoin

Ein C-Atom der Harnsäure wird dabei eliminiert. Wahrscheinlich werden bei der Oxydation der Harnsäure zu Allantoin beide Ringe des Puringerüsts geöffnet (der Imidazolring am C-Atom 5) unter Bildung eines offenen Zwischenprodukts, aus dem das Allantoin durch sekundären Ringschluß entsteht. Die Atome seines Imidazolrings entsprechen daher nur teilweise denjenigen des ursprünglichen Imidazolrings im Purin1). Die früher angenommene Bildung eines bicyklischen Intermediärprodukts (Hydroxyacetylen-diurein-carbonsäure)2) ist weniger wahrscheinlich. Bei Dalmatinerhunden hat man eine rezessiv vererbte Stoffwechselanomalie festgestellt, die sich in einer stark vermehrten Harnsäureausscheidung äußert. (Normalerweise scheidet der Hund nur sehr wenig Harnsäure aus.) Die Ursache der Erscheinung ist unbekannt; eine Korrelation mit der Uricaseaktivität der Gewebe scheint nicht zu bestehen3). Man nahm früher an, daß die Uricase ein Zinkproteid sei, weil auch gereinigte Präparate sich als zinkhaltig erwiesen. Das Zink scheint aber für die Aktivität des Enzyms nicht von Bedeutung zu sein. Nach neueren Untersuchungen scheint das hochgereinigte Enzym Kupfer zu enthalten (0,05%)4); doch ist über dessen Funktion nichts bekannt.

Während die beschriebene Uricolyse mit dem Extrakt zahlreicher Säugerorgane leicht durchführbar ist, besitzen die Organe des Menschen gar keine oder nur minimale uricolytische Wirkung. Auch Versuche am intakten menschlichen Organismus deuten darauf hin, daß keine Uricolyse von größerem Umfang stattfindet1). Die im Harn ausgeschiedene Harnsäure stammt entweder aus dem beschriebenen Zerfall der als Nahrungsstoffe zugeführten Purine oder sie entsteht durch die Abnutzung der Zellkernsubstanz. Wird ein Mensch purin fr ei ernährt, so sinkt die Harnsäureausscheidung bis auf ein Minimum, welches nicht zum Verschwinden gebracht werden kann. Diese Minimalmenge beträgt pro Tag 0,5 g. Sie stellt diejenige Harnsäuremenge dar, welche durch den Abbau der Zellkernsubstanz des Organismus gebildet wird. Man bezeichnet sie als endogene Harnsäure im Gegensatz zur e x o g e n e n Harnsäure, welche aus dem Abbau der mit der Nahrung zugeführten Purine entsteht. Vgl. Brandenberger, Biochim. Biophys. Acta 15, 108 (1954); Helv. Chim. Acta 37, 2207 (1954). 2 ) Zschr. physiol. Chem. 215, 258 (1933). 3 ) Vgl. Ann. Rev. Biochem. 10, 238 (1941). 4 ) Mahler u. Mitarb., J. biol. Chem. 216, 625 (1955).

478

Der Nucleinsäure- und Purinstoffwechsel

Unter der Einwirkung des adrenocorticotropen Hormons (ACTH) oder der glucocorticoiden Hormone der Nebennierenrinde (Cortison) kommt es zu einer stark vermehrten Ausscheidung von Harnsäure (und Allantoin). Die Ursache ist nicht sicher bekannt. Man hat sowohl eine Ausschwemmung vorgebildeter Purinkörper als auch eine vermehrte Bildimg dafür verantwortlich gemacht1). Unter Arthritis urica oder Gicht wird eine Störung des menschlichen Purinstoffwechsels verstanden, bei welcher es zur Bildung der sog. Tophi (Gichtknoten) kommt, welche Ablagerungen von Harnsäure und Uraten enthalten. Nach neueren Untersuchungen werden bei der Gicht vermehrt Purinkörper aus Aminosäuren synthetisiert. (Dies würde auch den altbekannten ungünstigen Einfluß einer reichlichen Fleischnahrung erklären.) Der Harnsäuregehalt des Blutes ist beim Gichtkranken in der Regel erhöht. Entgegen der älteren Ansicht ist bei völlig intakter Niere die Ausscheidung der Harnsäure im Urin gesteigert. Nur bei Nierenkomplikationen, die aber bei der Gicht sehr häufig sind, ist sie herabgesetzt. Die Ursache der Krankheit ist unbekannt8). Was den Abbau der P y r i m i d i n e betrifft, haben wir oben bereits erwähnt, daß das Cytosin zum Uracil desaminiert werden kann. Bei Verfütterung großer Mengen von Pyrimidinen an den Hund findet man, wie bereite S t e u d e l 1901 zeigte, eine vermehrte Harnstoffausscheidung 8 ); die Pyrimidine werden also weitgehend abgebaut. Verabreichung von N^ 15 '-markierten Pyrimidinen an die Ratte bestätigte den Übergang des Pyrimidinstickstoffs in den Harnstoff 4 ). Für Uracil ist ein Abbauweg vorgeschlagen worden, der über Isobarbitur-, Isodialur- und Oxalursäure direkt zum Harnstoff führt 5 ). Als Abbauprodukt des Thymins hat'man bei der Ratte eine neue Aminosäure, die /3-Aminoi s o b u t t e r s ä u r e , nachgewiesen, deren Entstehung man sich in folgender Weise vorstellen kann 6 ): OH OH iH/CH„ HOOC

HO'

if

H O ^ Y *

2

Dihydro/?-Amino-isothymin buttersäure Bei Bakterien (Corynebacterium und Mycobacterium) kann Uracil (Cytosin nach Desaminierung) zu Barbitursäure oxydiert werden, welch letztere durch das Enzym B a r b i t u r a s e in Malonsäure und Harnstoff gespalten wird7). OH O NH, COOH Ni^N] H O ^ V

^

HN^^N 0

N

Barbltaraee H

¿=Q j

+

CH, ¿OOH

Barbitursäure Thymin liefert in entsprechender Weise Methylbarbitursäure. J ) T h o r n u. Mitarb., Science 105, 628 (1947); C o n n u. Mitarb., J . Lab. clin. Med. 83, 651 (1948). 2 ) M ü l l e r u. B a u e r , Proc. Soc. Exptl. Biol. Med. 82, 47 (1953); B i e n u. Mitarb., J . clin. Investig. 82, 778 (1953). ') S t e u d e l , Zschr. physiol. Chem. 82, 285 (1901). ') P l e n t l u. S c h o e n h e i m e r , J . biol. Chem. 158, 203 (1944); B e n d i c h u. Mitarb., J . biol. Chem. 177, 565 (1949). ") C e r e c e d o , J . biol. Chem. 75, 661 (1927); 88, 695 (1930); 93, 269 (1931). •) F i n k u. Mitarb., Proo. Soo. Exptl. Biol. Med. 78,135 (1951); J . biol. Chem. 1»7,441 (1952). ') W a n g u. L a m p e n , J . biol. Chem. 194, 775, 785 (1952); H a y a i s h i u. K o r n b e r g , J . biol. Chem. 197, 717 (1952).

Thermodynamische Vorbemerkungen

479

Achtzehntes Kapitel

Die Bedeutung der Phosphatbindung Wir haben in den vorangehenden Kapiteln verschiedene Reaktionen kennengelernt, bei denen anorganisches Phosphat in organische Bindung übergeführt wird, und haben darauf hingewiesen, welch große Bedeutung phosphorylierten ZwischenProdukten im Intermediärstoffwechsel zukommt. Vor allem liefert die Kette der glycolytischen Reaktionen dafür eindrückliche Beispiele. Es handelt sich hier nicht um vereinzelte Erscheinungen. Wir wissen heute, daß ganz allgemein die Einführung von Phosphatresten in organische Moleküle dazu dient, die Verbindungen reaktionsfähig zu machen, und daß gewisse organische Phosphorsäureverbindungen die Bindeglieder zwischen den energieliefernden Abbaureaktionen (Oxydation, Glycolyse) und den energieverbrauchenden synthetischen Reaktionen darstellen. Wir wollen daher in diesem Kapitel die Bedeutung der Phosphatgruppe noch einmal im Zusammenhang behandeln. 1. Thermodynamische Vorbemerkungen Wir müssen zunächst einige allgemeine Bemerkungen über die thermodynamischen Gesetze vorausschicken, welche den Ablauf der chemischen Reaktionen bestimmen. Wir betrachten eine umkehrbare chemische Reaktion: mA + nB +

-

xP + yQ +

(Es reagieren m Moleküle des Stoffes A mit n Molekülen des Stoffes B usw. unter Bildung von x Molekülen des Stoffes P, y Molekülen des Stoffes Q usw.) Wir nehmen an, daß ein beliebiges Gemisch aller an der Reaktion beteiligten Stoffe vorliegt. J e nach dem Anfangszustand, der durch die Konzentration der reagierenden Stoffe, die Temperatur und den Druck bestimmt ist, wird die obige Reaktion in der einen o d e r der anderen Richtung verlaufen können. Die Thermodynamik lehrt, daß es ein allgemeines Kriterium gibt, das bei gegebenem Anfangszustand vorauszusagen gestattet, in welcher Richtung die Reaktion ablaufen wird. Man kann nämlich jedem Zustand des Systems (bestimmt durch die Konzentration der reagierenden Stoffe, die Temperatur und den Druck) eindeutig eine Größe, die sog. f r e i e E n e r g i e , zuordnen, welche die Eigenschaft hat, bei allen spontan verlaufenden Reaktionen abzunehmen. Es können nur solche Vorgänge von selbst (d. h. ohne Energiezufuhr von außen her) ablaufen, die mit einer Abnahme der freien Energie verknüpft sind. Die freie Energie wird gewöhnlich durch das Symbol G bezeichnet. Für die Differenz der freien Energie bei zwei verschiedenen Zuständen G2—Gx schreibt man gewöhnlich AG. (Der absolute Wert der freien Energie bleibt unbestimmt; nur die Differenzen AG haben Bedeutung.) Wenn sich irgendein System, z. B. ein Gemisch reaktionsfähiger Stoffe, im Gleichgewicht befindet, so tritt keinerlei spontane Änderung ein. Ein solcher Zustand ist nur dann möglich, wenn jede Abweichung von ihm mit einer Z u n a h m e der freien Energie verbunden ist. Dies bedeutet, daß im Gleichgewichtszustand die freie Energie des Systems ihren Meinstmöglichen Wert annimmt. Bei konstanter Temperatur (sog. i s o t h e r m e Vorgänge) und konstantem Druck ist die freie Energie nur eine Funktion der Zusammensetzung des Systems, d. h. der Konzentration der verschiedenen Komponenten. Nach den obigen Ausführungen ist daher der Gleichgewichtszustand mathematisch dadurch gekennzeichnet, daß das Differential dG der freien Energie (als Funktion der Konzentrationen betrachtet) verschwindet: dG = 0. (Man erinnere sich daran, daß für diejenigen Werte der Veränderlichkeit, die dem M i n i m u m [oder dem Maximum] einer Funktion entsprechen, die Ableitung der Funktion verschwindet 1) Aus dieser wichtigen Gleichung lassen sich die Gleichgewichtsbedingungen beliebiger Reaktionen ableiten. Für jeden anderen Zustand ist bei einer spontan eintretenden kleinen Änderung dG < 0, d. h. negativ. Die freie Energie ist eine Funktion des Zustandes, wie er durch Druck, Temperatur und Zusammensetzung gegeben ist. Jedem Zustand ist eindeutig ein bestimmter Wert der freien Energie zugeordnet. Wenn ein System auf zwei verschiedenen Wegen in einen neuen Zustand übergeht, so tritt dabei die gleiche Änderung der freien Energie ein; sie iat völlig unabhängig von der Art und Weise, wie der Übergang ausgeführt wird. Dies hat die wichtige Konsequenz,

Die Bedeutung der Phosphatbindung

480

daß bei einer Reaktion, die über mehrere Zwischenstufen verläuft, die Summe der Werte von aG für die einzelnen Teilstufen die Änderung der freien Energie für die Gesamtreaktion ergibt:

A j -

• Xj

AGt

• X2

aG2

AGj + aG2 + AG3 -f

>• X3 aG3

»• B usw.

i

'

AG

Die freie Energie hat den Charakter eines P o t e n t i a l s . Ein mechanischer Vergleich macht dies klar. Man kann bekanntlich im Schwerefeld oder im elektrischen Feld jedem Punkt des Raumes eine Größe derart zuordnen, daß die Änderung dieser Größe AP längs einer kleinen Strecke Ax, bezogen auf die Längeneinheit, also der Quotient a P / a x gleich der in Richtung der Strecke Ax wirkenden Kraft ist (z. B. gleich der elektrischen Feldstärke). Diese Größe P heißt das Potiential der Kraft oder auch die potentielle Energie. Man kann den Unterschied des Potentials zwischen benachbarten Punkten als Ursache der Bewegung eines Teilchens im Kraftfeld betrachten. In ähnlicher Weise kann man bei chemischen Reaktionen den Unterschied der freien Energie zwischen benachbarten Zuständen als treibende Kraft der Reaktion ansehen. Die freie Energie wird thermodynamisch definiert durch die Beziehung: G = H - TS . Hier bedeutet H die sog. E n t h a l p i e , S die E n t r o p i e . Beide Funktionen lassen sich nicht mit wenigen Worten exakt erklären. Die Enthalpie, auch als W ä r m e i n h a l t bezeichnet, ist ein Maß für die im betrachteten System enthaltene Energie. Ihre Änderung äußert sich z. B. bei einer unter konstantem Druck vor sich gehenden chemischen Reaktion als Wärmetönung. Die für die Thermodynamik grundlegende Entropie ist ein Maß für die n i c h t frei verfügbare Energie. Daher gibt die Differenz zwischen H und dem Entropieglied die „freie", d. h. in mechanische Arbeit umwandelbare Energie an. Enthalpie und Entropie sind Zustandsfunktion, d. h. sie sind durch den augenblicklichen Zustand des Systems völlig bestimmt. Die Differenz zwischen zwei Werten, die verschiedenen Zuständen zugeordnet sind, ist daher unabhängig von der Art und Weise, wie der erste Zustand in den zweiten übergeführt wird. Es gilt daher: G2 - Gx = (H2 - H x ) - T(S2 - Sx) AG = AH — TAS Wir können hier nicht näher auf den Begriff der freien Energie und seine Ableitung eintreten. Diese thermodynamische Funktion wurde von H e l m h o l t z eingeführt 2 ). Er bezeichnete sie als „freie" Energie, weil sie bei jedem Vorgang denjenigen Teil der gesamten Energieänderung darstellt, welcher für die Leistung mechanischer oder elektrischer Arbeit frei zur Verfügung steht. (Bekanntlich geht bei allen Vorgängen ein Teil der Energie immer in Wärme über und ist daher für die Arbeitsleistung verloren1)). Die Änderung der freien Energie wird gewöhnlich, wie dies bei der Wärmetönung einer Reaktion üblich ist, der Reaktionsgleichung beigefügt; z. B.:

H2(g, 1 Atm.) + i/202(g, 1 Atm.) = H20(1); aG 2 „ = -56Ö60 cal. Die in Klammern hinter den chemischen Symbolen der Stoffe stehenden Angaben bezeichnen den Zustand der Stoffe (g = gasförmig, 1 = flüssig). Die Gleichung bedeutet: Gasförmiger Wasserstoff von 1 Atmosphäre Druck und gasförmiger Sauerstoff von 1 Atmosphäre Druck verbinden sich bei einer absoluten Temperatur von 298° ( = 25° Cels.) zu flüssigem Wasser. Bei dieser Reaktion nimmt die freie Energie um 56560 cal. ab (d. h. die freie Energie des Systems gasförmiger Wasserstoff + Sauerstoff ist um diesen Betrag höher als die freie Energie des darDie von H e l m h o l t z eingeführte Funktion, die er als „freie" Energie bezeichnete und für die er den Buchstaben F verwendete, ist von der hier verwendeten Funktion G etwas verschieden; doch ist der Unterschied für unsere Zwecke belanglos. Die hier als „freie" Energie benutzte Funktion wurde von W. G i b b s erstmals benutzt und wird daher heute meist durch G bezeichnet. 2 ) Für ein tieferes Eindringen verweisen wir auf die Lehrbücher der Thermodynamik und Physik, siehe z.B. B e r g m a n n - S c h a e f e r : Lehrbuch der Experimentalphysik, 2. u. 3. Aufl., Bd. 1 S. 541; Berlin 1945; und besonders das klassische Buch von Lewis und R a n d a l l : Thermodynamik und die freie Energie chemischer Substanzen; Wien 1927.

Thermodynamische Vorbemerkungen

481

aus entstehenden flüssigen Wassers). Die Abnahme von G (negatives Vorzeichen von aGI) weist darauf hin, daß der durch die Gleichling dargestellte Vorgang, von links nach rechts gelesen, spontan vor sich geht. Es ist nicht gesagt, daß jeder thermodynamisch mögliche, d. h. mit einer Abnahme der freien Energie verknüpfte Vorgang auch tatsächlich abläuft. Sehr oft bestehen Reaktionshindernisse, die mit den Reibungskräften bei mechanischen Systemen verglichen werden können. Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, daß dies ein sehr wichtiger Umstand ist. Ohne diese Reaktionshindernisse (die meist in der Natur der chemischen Valenzkräfte begründet sind) würden z. B. die wenigsten organischen Verbindungen bei Gegenwart von Sauerstoff beständig sein. Die mangelnde Reaktionsfähigkeit von chemischen Systemen kann zwei prinzipiell verschiedene Ursachen haben, die streng auseinander zu halten sind: 1. Eine Reaktion kann dann nicht ablaufen, wenn sie thermodynamisch unmöglich ist, d. h. mit einer Zunahme der freien Energie einhergeht. 2. Eine Reaktion kann, auch wenn sie mit einer Abnahme der freien Energie verbunden ist, dann nicht ablaufen, wenn die Stoffe reaktionsträge sind. Sie tritt in diesem Fall erst dann ein, wenn die Reaktionsträgheit durch geeignete Mittel — Erhöhung der Temperatur, Zusatz von Katalysatoren — beseitigt wird. Definition: Reaktionen, die mit einer Abnahme der freien Energie verbunden sind, heißen exergonisch, solche, die mit einer Zunahme der freien Energie verbunden sind, endergonisch. Diese Ausdrücke, die von Coryell 1940 eingeführt wurden, entsprechen den Bezeichnungen exotherm für Vorgänge, die mit Wärmeentwicklung, und endotherm für solche, die mit Wärmeabsorption einhergehen. Man glaubte früher, daß das Kriterium für den spontanen Ablauf einer Reaktion die positive Wärmetönung sei: Es sollten nur exotherme Reaktionen von selbst vor sich gehen können. Tatsächlich sind in vielen Fällen die exergonischen Reaktionen auch exotherm, besonders dann, wenn es sich um Reaktionen mit hoher Wärmeentwicklung handelt. In solchen Fällen sind meist auch die Wärmetönung und die Änderung der freien Energie nicht allzusehr verschieden. Im obigen Beispiel (Bildung des Wassers aus den Elementen) beträgt z. B. die abgegebene Wärme 68270 cal. gegenüber AG = —56560 cal. Es gibt aber zahlreiche Beispiele, welche zeigen, daß nicht die Wärmebildung oder -aufnähme die Reaktionsrichtung bestimmen kann. Wir kennen spontan verlaufende Reaktionen, bei denen Wärme aufgenommen wird. Wir erinnern z. B. an die Abkühlung, die in vielen Fällen beim Auflösen eines Stoffes in Wasser beobachtet wird. Wir müssen, was die Berechnung der freien Energie betrifft, auf die Lehrbücher der physikalischen Chemie verweisen. Es sei hier nur auf eine Möglichkeit verwiesen, die gerade auch bei der Berechnung der freien Energie von Oxydationsvorgängen vielfach Verwendung findet. Wenn man den Vorgang zum Aufbau einer galvanischen Kette verwenden kann, so ist die elektromotorische Kraft e dieser Kette direkt proportional der Änderung der freien Energie des Vorgangs. Und zwar ist AG = - n - 9 6 5 0 0 - e . 96500 Coulomb = 23074 cal./Volt ist das Faradayäquivalent und n die Zahl der durch die Zelle fließenden Äquivalente (vgl. S. 155). Betrachten wir als Beispiel die Auflösung von Zink in Schwefelsäure: Zn + H S S0 4 - ZnS0 4 + H, oder, als Ionenreaktion geschrieben: Zn + 2H+ = Zn++ + H, . Man kann eine galvanische Kette zusammensetzen, bestehend aus einer Zinkelektrode und einer Wasserstoffelektrode (vgl. S. 147) in Schwefelsäurelösung. Wenn man beide Elektroden in Kontakt bringt, so fließt der äußere Strom von der Wasserstoff- nach der Zinkelektrode; die erstere ist also gegenüber der letzteren positiv. Die elektromotorische Kraft eines solchen Elements hängt von der Konzentration der an der Reaktion beteiligten Ionen und vom Partialdruck des Wasserstoffs ab. Wenn Zink- und Wasserstoffionen im obigen Beispiel in 1 n-Konzentration vorhanden sind und der Wasserstoffdruck 1 Atm. beträgt, so mißt die elektromotorische Kraft etwa 0,76 Volt. Die Änderung der freien Energie der obigen Reaktion unter den angegebenen Bedingungen beträgt daher AG = -2-23074-0,76 cal. = - 3 5 0 0 0 cal. Eine weitere Möglichkeit zur Berechnung der freien Energie von Gleichgewichtsreaktionen ergibt sich aus ihrem Zusammenhang mit den Gleichgewichtskonstanten. Wir kommen weiter unten darauf zurück. 31

L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15. Aufl.

482

Die Bedeutung der Phosphatbindung

I m Organismus verlaufen zahlreiche Reaktionen, die mit einer Zunahme der freien Energie verbunden sind. S o l c h e R e a k t i o n e n s i n d n a t ü r l i c h n u r a l s T e i l v o r g ä n g e k o m p l e x e r e x e r g o n i s c h e r R e a k t i o n e n d e n k b a r . Für sich allein wären sie thermodynamisch nicht möglich. Diese Behauptung bedarf einiger Erläuterungen. Jede Reaktion ist theoretisch umkehrbar und führt daher zu einem Gleichgewicht. Betrachten wir z. B. die Spaltung C

A + B.

Wenn diese Reaktion stark exergonisch ist, d. h. mit einer starken Abnahme der freien Energie einhergeht, so bedeutet dies, daß C fast vollständig verschwindet und daß, wenn die Reaktion infolge Erreichung des Gleichgewichts zum Stillstand kommt, nur die Spaltprodukte A und B neben wenig Ausgangsprodukt C vorhanden sind. Geben wir A und B zusammen, so wird sich aber doch durch Verbindung von A und B eine kleine Menge C bilden. Es kann also auch bei einer exergonischen Reaktion die endergonische Gegenreaktion, wenn in der Regel auch nur in geringem Umfang, stattfinden. Die Lage des Gleichgewichts hängt von AG ab. Legen wir die allgemeine Reaktion mA + n B + < " xP + yQ + zugrunde, so gilt nach dem Massenwirkungsgesetz (P) x -(Q) y (A) m -(B) n

=

k.

(P), (Q) usw. bedeuten die Aktivitäten der betreffenden Stoffe. Die Gleichgewichtskonstante k hängt eng mit der Änderung der freien Energie zusammen, welche bei Ablauf der Reaktion eintritt. E s ist nämlich bei Umsatz der durch die Reaktionsgleichung angegebenen Zahl von Gramm-Molekülen und beliebig vorgegebenen Aktivitäten der Reaktionsteilnehmer AG = &G„ + R • T • log n a t - ( P ) *m ' ' n ' ' (A) - (B) (R - Gaskonstante, T 7 absolute Temperatur, log n a t = natürlicher Logarithmus; f ü r 25° [ = 298» Kelvin] hat der Zahlenfaktor 2,30-R-T den Wert 1365 cal., für 38° den Wert 1424 cal.). Die Bedeutung der neu eingeführten Größe AG„ wird klar, wenn man den Gleichgewichtszustand betrachtet. Derselbe ist, wie wir oben ausgeführt haben, durch die Bedingung AG = 0 charakterisiert, und außerdem muß der auf der rechten Seite der Gleichung auftretende Quotient der Aktivitäten laut Definition der Gleichgewichtskonstanten gleichgesetzt werden. Man erhält dadurch die einfache Beziehung: AG 0 = - R • T • log nat k = - 2,30 • R • T • log 10 k . Die Größe AG„ wird als „Normalwert der freien Energie" der betreffenden Reaktion („Standard free energy change") bezeichnet. Man erkennt leicht, daß AG = AG 0 wird, wenn man (A) = (B) = • • • = (P) = (Q) = • • • = 1 setzt. AG 0 ist also die Änderung der freien Energie der Reaktion, wenn die Aktivität aller Reaktionsteilnehmer gleich Eins ist, d. h. wenn sich alle Reaktionsteilnehmer im „ N o r m a l z u s t a n d " befinden. Das früher definierte Redoxpotential und die Gleichung auf S. 155 stellen einen Spezialfall der obigen Beziehungen dar. Die Gleichung für AG läßt ohne weiteres auch die Abhängigkeit der freien Energie von der Konzentration der Stoffe erkennen. Wenn ein Mol einer Molekülart A von der Aktivität (A) t , die wir der Konzentration gleichsetzen wollen, auf die Aktivität (A)a gebracht wird, so gilt: AG = R • T • log n a t ^ r • (A), Man erkennt leicht, daß dies nichts anderes ist als die Arbeit, die bei der isothermen Kompression gegen den Gasdruck oder den osmotischen Druck geleistet werden muß oder bei der Dilatation geleistet wird. Man benötigt diese Gleichung z. B. dann, wenn man bei einer Reaktion, an der Wasserstoffionen beteiligt sind, den Einfluß des p H auf AG berechnen will. E s ist heute vielfach üblich, bei Reaktionen, an denen das Wasserstoffion beteiligt ist, an Stelle des Normalwertes AG 0 , der sich auf den Normalzustand bezieht (Aktivität aller Reaktionsteilnehmer einschließlich der Wasserstoffionen = 1), die Größe AG' zu verwenden, bei der die

Thermodynamische Vorbemerkungen

483

Wasserstoffionenaktivität einen beliebig wählbaren Wert hat. Diese Größe ist natürlich pHabhängig, und zwar ist, wenn an der Reaktion nMol Wasserstoffionen beteiligt sind: AG' = aG„ ± 2,3 • n • R • T • pH , für 38° also: AG' = aG 0 ± 1424 • n • pH , wobei das Pluszeichen gilt, wenn in der Reaktionsgleichung die Wasserstoffionen auf der linken Seite stehen. Bei der thermodynamischen Behandlung biochemischer Systeme macht man oft vom Normalwert der freien Energie Gebrauch. Man begegnet gelegentlich der irrigen Vorstellung, daß die Richtung einer Reaktion vollständig durch die Größe aG 0 bestimmt sei, d. h. daß die oben angeschriebene allgemeine Reaktion von link« nach rechts verläuft, wenn aG 0 einen negativen Wert hat, von rechts nach links, wenn aG 0 einen positiven Wert hat. Dies ist keineswegs der Fall. Man sieht aus der obigen Gleichung für aG leicht, daß je nach dem Wert des rechts stehenden Quotienten aG ein von aG 0 verschiedenes Vorzeichen haben kann, d. h. daß der Normalwert der freien Energie einer Reaktion keineswegs deren Richtung bestimmt, sondern daß diese auch von der Konzentration der Reaktionsteilnehmer abhängt. Eine Umkehrung der Richtung der Reaktion wird besonders leicht bei kleinen Werten von aG 0 erreicht werden können. Ein physiologisch besonders wichtiger Fall tritt dann ein, wenn ein Reaktionsteilnehmer durch eine anschließende Reaktion viel rascher verbraucht wird, als er entsteht. Seine Konzentration bleibt dann sehr niedrig, und die Reaktion kann unter Umständen entgegen dem Vorzeichen von aG 0 verlaufen. E i n e Aussage über die augenblickliche R i c h t u n g einer R e a k t i o n ist im allgemeinen nur dann möglich, wenn zu dem gegebenen Zeitpunkt die K o n zentration aller beteiligten S t o f f e bekannt ist. Bei stark positivem Wert von aG 0 liegt allerdings das Gleichgewicht für alle erreichbaren Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer völlig auf der linken Seite der Gleichung, d. h. es findet keine meßbare Umsetzung in Richtung des oberen Pfeils statt. Wir betrachten als Beispiel etwa die früher schon besprochene Synthese des Harnstoffs aus Ammonium- und Bicarbonationen in wässeriger verdünnter Lösung: 2HCOj + 2NH4+ = CO(NH2)2 + H 2 C0 3 + 2 H 2 0 ; AG = + 13800 cal. Der angegebene Wert von A G bezieht sich auf die Konzentration im Blut: Harnstoff = 0,005 m, HCOä = 0,02 m, H 2 C0 3 = 0,0011 m, NHJ = 0,00055. Der Normalwert der freien Energie für die obige Reaktion ergibt sich aus thermodynamischen Daten zu G0 = + 6620 cal., und daraus die Gleichgewichtskonstante zu k = 2,24 • 10 ~6. Bei Annahme der obigen Konzentrationen von NHJ und HCO3 im Blut ergibt sich eine Gleichgewichtskonzentration von nur 4,2 • 10~12 m 1 ). Auch wenn A G0 einen wesentlich kleineren positiven Wert hat, liegt das Gleichgewicht noch sehr stark auf der linken Seite. Für die Hydrolyse der meisten Phosphorsäureester der Zucker ist AG0 von der Größenordnung —3000 cal., für den umgekehrten Vorgang also: Phosphat + Zucker >• Zuckerphosphat; aG 0 = + 3000 cal. Dies ergibt für die Gleichgewichtskonstante den Wert von log k = - ^

= - 2,106; k - 7,83-10-8.

Setzt man für Zucker (Glucose) und Phosphat wieder die Blutkonzentration (etwa 0,01-m. bzw. 0,001-m.), so würde die Gleichgewichtskonzentration des Glucosephosphats 10~7 Mol/1 betragen, das ist V100000 der Zuckerkonzentration. Damit eine Synthese als Gegenreaktion einer exergonischen Spaltung in meßbarem Umfang zustande kommen kann, darf das Gleichgewicht nicht so einseitig zugunsten der Spaltung liegen wie in den vorigen Beispielen, sondern es sollten im Gleichgewichtszustand die Konzentrationen der verschiedenen Reaktionsteilnehmer von ungefähr gleicher Größenordnung sein. Damit dies möglich ist, darf die Änderung der freien Energie keinen zu großen absoluten Wert haben. Betrachten wir z. B. wie oben die Spaltung C < > A+ B und nehmen wir an, daß im Gleichgewicht alle Stoffe in einer Konzentration von 0,005 Mol/1 vorliegen. Es wird sich also, wenn wir 0,01 Mol A und 0,01 Mol B pro Liter zusammenbringen, die Hälfte zu 0,005 Mol C vereinigen. ') Näheres über die Berechnung vgl. Borsook und Huffman in Schmidt: The chemistry of amino acida and proteins, S. 859. Springfield a. Baltimore 1938. 81»

484

Die Bedeutung der Phosphatbindung Nach dem MassenWirkungsgesetz muß die Gleichgewichtskonstante der Reaktion den Wert k =

5-10-3-5-10-3 5-10

;=6.10,3 =

1 0 _,, a o l

8

haben. Aus der Gleichgewichtskonstanten läßt sich der Normalwert der Änderung der freien Energie leicht berechnen: AG 0 = - ( - 2 , 3 0 1 • 1424) = + 3 3 0 0 cal.

Es können also unter physiologischen Bedingungen und bei der oben angenommenen Größenordnung der Konzentrationen Spaltungsreaktionen vom obigen Typus nur dann in einem in Betracht fallenden Ausmaß reversibel sein, wenn aG 0 nicht wesentlich kleiner (negativer) ist als der obige Wert (d. h. wenn die Dissoziationskonstante nicht wesentlich größer ist, als im obigen Beispiel angenommen wurde). Z. B. wäre für AG0 = 0, bei gleichen Konzentrationen von A und B wie oben, die Gleichgewichtskonzentration von C nur noch 2,5 • 10 - 5 Mol/1. Unter physiologischen Bedingungen sind wegen der niedrigen, molaren Konzentrationen der meisten Stoffe in den Zellen zum vornherein die Spaltungsreaktionen begünstigt. Auch bei ungünstiger Lage des Gleichgewichts ist eine Synthese in meßbarem Umfang möglich, wenn das Reaktionsprodukt ständig entfernt wird, wenn es z.B. schwer löslich ist; (vgl. dazu den Abschnitt über enzymatische Peptidsynthese S. 449). Endergonische Reaktionen mit hohem Betrag von AG werden aber im allgemeinen nur dann vor sich gehen können, wenn sie mit exergonischen Reaktionen gekoppelt sind, so daß die G e s a m t r e a k t i o n mit einer Abnahme der freien Energie einhergeht. Man bezeichnet diese Verbindung einer endergonischen mit einer exergonischen Reaktion als e n e r g e t i s c h e K o p p e l u n g . Man kann in einer etwas weniger präzisen Ausdrucksweise auch sagen, daß die eine Reaktion die Energie für den Ablauf der anderen liefern muß. Wir haben in den vorangehenden Kapiteln mehrfach in diesem Sinne von „energieliefernden Reaktionen" gesprochen. Es sind dies vor allem die Oxydationsvorgänge, in einzelnen Geweben und bei vielen Mikroorganismen auch anaerobe Spaltungen wie die Glycolyse, die alkoholische Gärung und ähnliche Reaktionen. Eines der zentralen Probleme des Intermediärstoffwechsels besteht darin, die Verbindung dieser Reaktionen mit den endergonischen Vorgängen der Zelle festzustellen und damit zu ergründen, auf welche Weise die freie Energie der Nährstoffe den physiologischen Leistungen dienstbar gemacht wird. In vielen Fällen ist es nicht möglich, die zur Berechnung der freien Energie einer Reaktion benötigten Daten aus der Untersuchung von Gleichgewichten oder der Messung elektromotorischer Kräfte zu gewinnen. Man kann dann auf die früher angegebene allgemeine Gleichung AG = AH — TAS

zurückgreifen. a H läßt sich oft durch direkte kalorimetrische Messung bestimmen. Die Entropie kann bei einfacheren organischen Verbindungen aus den empirisch ermittelten Beiträgen der einzelnen Atome unter Berücksichtigung ihrer Bindungsart a n g e n ä h e r t berechnet werden, so daß man die freie Energie unmittelbar aus der obigen Gleichung erhalten kann. 2. Die Bolle des Phosphats bei der Koppelang der energieliefernden and der energieverbraaehenden Reaktionen Wir haben bereits in früheren Kapiteln gezeigt, daß bei der Koppelung der energieliefernden exergonischen mit den energieverbrauchenden endergonischen Reaktionen organische Phosphorsäureverbindungen eine wesentliche Rolle spielen. Tatsächlich ist die Überführung v o n anorganischem Phosphat in organische Bindung derjenige Vorgang, welcher der Zelle die Ausnutzung der freien Energie der Nährstoffe gestattet. Die Fixierung des anorganischen Phosphats ist immer eine endergonische Reaktion, die mit den energieliefernden Vorgängen, Oxydation und Glycolyse, gekoppelt ist. Werden die organischen Verbindungen in vitro verbrannt, so geht die gesamte Energie als Wärme verloren. I n der Zelle aber wird der Oxydationsvorgang derart geleitet, daß gleichzeitig organische Phosphorsäureverbindungen entstehen ( o x y d a tive Phosphorylierung): Nährstoff + anorg. Phosphat —^—»• CO, + H s O + org. Phosphorsäureverbindung.

Die Bolle des Phosphats usw.

485

Da, wie eben erwähnt, die Bildung des organischen Phosphats endergonisch ist, wird der Abfall der freien Energie bei dieser Reaktion kleiner sein als bei der Verbrennung in vitro; es bleibt m. a. W. ein Teil der freien Energie, und zwar, wie wir sehen werden, ein wesentlicher Teil, in Form organischer Phosphate erhalten. Man kann diesen Vorgang grob mechanisch mit dem Aufziehen eines Uhrwerkes oder dem Aufladen eines Akkumulators vergleichen. In den folgenden Schemata bedeuten die horizontalen, punktierten Linien die Energieniveaus. Nährstoffe AG der oxydativen Phosphorylierung negativ

A G der Oxydation in vitro negativ

AG der Bildung von Phosphatverbindungen positiv

Endprodukte

Die Bedeutung der durch oxydative Phosphorylierung gebildeten Phosphorsäureverbindungen liegt nun in folgendem: Sie können sich mit anderen Stoffen unter Abspaltung von anorganischem Phosphat umsetzen. Da aber ihre Hydrolyse ein exergonischer Vorgang ist, müssen auch diese Umsetzungen stärker exergonisch sein als die entsprechenden Reaktionen der ihnen zugrunde liegenden nicht phosphorylierten Verbindungen, d. h. die Phosphorylierung wird in vielen Fällen eine Reaktion thermodynamisch möglich machen, welche sonst nicht in meßbarem Umfang vor sich gehen kann. Beispiel: Glucose kann nicht direkt mit anderen Zuckern unter Bildung von Di- oder Polysacchariden reagieren. Ist sie aber in Stellung 1 phosphoryliert, so kann sie unter Abspaltung von anorganischem Phosphat in eine glucosidische Bindung eingehen; (z.B. S. 309): Glucose-l-phosphat + Fruotose < -

' Sacoharose 4- Phosphat.

Vgl. auch Glycogensynthese S. 298.

Wir haben bei Besprechung des Citronensäurecyklus und der Glycolyse gezeigt, daß das aufgenommene anorganische Phosphat zunächst in das Adenosintriphosphat übergeht. Diese Verbindung nimmt im gesamten Intermediärstoffwechsel eine zentrale Stellung ein. Sie enthält drei anhydridartig miteinander verbundene Phosphorsäuregruppen (vgl. S. 284): OH

I

OH

I

OH

I

Adenosin —0—P—O—P—0—P—OH

II

0

II

0

II

0

Sie vermag durch Transphosphorylierung einen Phosphat- oder Pyrophosphatrest an andere Verbindungen weiterzugeben und dieselben auf diese Weise reaktionsfähig zu machen. Die Fähigkeit des Adenosintriphosphats, andere Stoffe zu phosphorylieren, findet thermodynamisch ihre Erklärung in dem sehr hohen Abfall der freien Energie bei Spaltung der Anhydridbindung; die Hydrolyse der meisten anderen organischen Phosphatbindungen (z. B. Esterbindungen in den Zuckerphosphaten) ist viel weniger exergonisch (die Bildung weniger endergonisch), daher ist die Übertragung eines Phosphatrestes von ATP auf andere organische Stoffe meist ein

486

Die Bedeutung der Phosphatbindung

exergonischer, zu Ende verlaufender Vorgang, Als Beispiel sei etwa die Hexokinasereaktion erwähnt: ATP + Hexose >• ADP + Hexosephosphat (ATP = Adenosintriphosphat; ADP = Adenosindiphosphat)

Die Bilanz der freien Energie bei einem solchen Vorgang ist aus nachfolgendem Schema zu ersehen: Adenosintriphosphat

Abnahme der freien Energie bei Hydrolyse der Anhydridbindung des ATP

Hexosephosphat

|

AG der Transphosphorylierung negativ (Reaktion exergonisch) Zunahme der freien Energie bei Bildung des Hexosephosphats aus anorg. Phosphat + Hexose

Adenosindiphosphat + anorg. Phosphat

Wie man sieht, ist für das Verständnis der Phosphorylierung die Kenntnis der zugehörigen Änderung der freien Energie AG 0 von grundlegender Bedeutung. Es zeigt sich, daß man in dieser Hinsicht die Phosphorsäureverbindungen in zwei Gruppen einteilen muß: 1. Zur ersteren gehören die gewöhnlichen Ester vom Typus der Zuckerphosphate: Hexosephosphate, Pentosephosphate (in den Nucleotiden), Triosephosphate, Glycerophosphate, Phosphoglycerinsäure, Cholinphosphat usw. Die Werte von AG 0 für die Hydrolyse dieser Bindungen liegen meist zwischen etwa 2000—3000 cal.: H- R-OH + H P O i " ; AG„

R-0-P0I~ + Hs0

3000cal.

Nur für die 2-Phosphoglycerinsäure (AG 0 = —4050) und das Ghicose-1 -phosphat (AG 0 = —4800) liegen die Werte etwas höher. 2. Bei den Verbindungen der zweiten Gruppe ist der die Hydrolyse begleitende Abfall der freien Energie bedeutend höher, nämlich 8000—16000 cal. Man bezeichnet die Phosphatbindung dieser Gruppe daher gewöhnlich als „ e n e r g i e r e i c h e " P h o s phatbindung. Dazu gehören: A d e n o s i n t r i p h o s p h a t und die Polyphosphate anderer Nucleoside: OH

OH

I

OH

I

!

Adenin—Ribose—O—P—O—P—O—P—OH

II O

O

II

O

II

Das ATP enthält zwei energiereiche Phosphatbindungen in Form der beiden Säureanhydridbindungen zwischen den Phosphatresten: E n o l p h o s p h a t e vom Typus der Phosphoenolbrenztraubensäure: COOH

I

/OH

II

OH

C-0-P==0 CH,

Die Bolle des Phosphats usw.

487

A c y l p h o s p h a t e wie das Acetylphosphat oder das Phosphoglycerinsäurephosphat (Negelein-Ester): 0 II /OH

c-o-rfo

| R

\OH

C a r b a m y l p h o s p h a t , das Phosphat der Carbaminsäure, die einzige bisher bekannte Verbindung dieser Art: O II /OH H 2 N — C - O - P eX- O OH A m i d i n p h o s p h a t e wie das Phosphokreatin oder das Phosphoarginin: NH || /OH C—NH—Pq=0 X OH | R—NH Hier ist der Phosphor an Stickstoff gebunden. U m die energiereichen Phosphatbindungen zu kennzeichnen, benutzt man oft (nach einem Vorschlag von L i p m a n n ) statt des gewöhnlichen Valenzstriches eine gewellte Linie ~ und schreibt demnach z. B.: OH OH OH I I I Adenosin—0— P — 0 ~ P — 0 ~ P — O H II II II

0

0

0

oder: OH Kroatin—N~P—OH II 0

usw.

Gegen die Bezeichnung der „energiereichen" Phosphatbindung lassen sich Einwände erheben, weil streng genommen der Ausdruck „Energie einer chemischen Bindung" eine ganz andere Bedeutung hat. Wir b r a u c h e n diese h e u t e allgemein ü b l i c h e Bezeichnung hier ausschließlich in dem oben a n g e g e b e n e n Sinn: E n e r g i e r e i c h e B i n d u n g e n sind solche, deren H y d r o l y s e von einem h o h e n Abfall der i r e i e n E n e r g i e b e g l e i t e t ist. Man versteht unter der Energie einer kovalenten Bindung den Energieaufwand, welcher nötig ist, um die Bindung h o m o l y t i s c h , d. h. unter Bildung elektrisch neutraler Spaltstücke, zu trennen. Das Elektronenpaar, das die Bindung bewirkte, wird dabei getrennt: A: B ->- A- -(- B \ Im Falle zweiatomiger Moleküle z. B. bedeutet dies die einfache Spaltung in die Atome: H s ->- 2H. Da zur Spaltung einer Bindung stets Energie aufgewendet werden muß (Wärme, Strahlung, elektrische Energie usw.), hat die Differenz zwischen dem Energieinhalt der Spaltprodukte E 2 und dem Energieinhalt des Ausgangsstoffs E x stets einen positiven Wert E 2 > E l f und zwar einen um so höheren, je fester die Bindung ist. Man kann aus thermodynamischen und spektroskopischen Daten die Energie der einzelnen Bindungen angenähert berechnen1). Es handelt sich x

) Vgl. z. B. P a u l i n g : The nature of the chemical bond, S. 47. London 1950. H a u g e n u. W a t s o n : Chemical process principles. Part ü , S. 758. New York u. London 1948. R e m i c k : Electronic interpretations of organic chemistry, S. 140. New York u. London 1950.

Die Bedeutung der Phosphatbindung

488

hier aber um sehr viel höhere Energiebeträge, als sie bei der Hydrolyse einer Bindung auftreten. Bei der Hydrolyse und ähnlichen Vorgängen wird für jede getrennte Bindung eine neue geknüpft, so daß sich in der Bilanz Trennungs- und Bildungsenergie annähernd aufheben. Wenn wir z.B. die Hydrolyse eines Phosphorsäureesters betrachten, so können wir den Vorgang in die folgenden Teilreaktionen zerlegen: a) R—0-j-P0 3 H 2

• R — +

b) H 2 0

• H. + ' 0 H

c) R—0- + .H

• R—OH

d) .P0 3 H a + -0H

> HO—P0 3 H 2

Bilanz: R—0—P0 3 H a + H 2 0

.P0 3 H 2

• R—OH + HO—P0 3 H 2

Bei den Reaktionen a) und b) werden eine 0—P- und eine O—H-Bindung gespalten, bei den Reaktionen c) und d) eine 0—H- und eine O—P-Bindung neu gebildet. Die Energieänderung ist jedesmal von der Größenordnung 50000 bis 100000 cal./Mol, während die Wärmetönung oder freie Energie der Hydrolyse nur wenige 1000 cal./Mol beträgt, eine Differenz, die von kleinen Unterschieden in der Festigkeit der gespaltenen und neu gebildeten Bindungen herrührt. Wegen verschiedener Mißverständnisse, zu denen der Begriff der „energiereichen" Bindung geführt hat, müssen wir noch auf einige Fragen kurz eingehen1). Die Wärmetönung (Änderung der Enthalpie AH) und die Änderung der freien Energie AG beziehen sich immer auf ganz bestimmte Reaktionen, die genau definiert werden müssen. Bei der Hydrolyse der uns interessierenden Phosphorsäureverbindungen entstehen saure oder basische Gruppen, die Protonen abspalten oder binden. Die Energieänderung dieser Reaktionen addiert sich daher zur Energieänderung der eigentlichen Hydrolyse. Umfang und Art der die Hydrolyse begleitenden Neutralisationsvorgänge hangen vom pH und der Pufferung der Lösung ab. Es muß daher genau festgelegt werden, auf welchen Ionisationszustand der Reaktionsteilnehmer sich AH und AG beziehen sollen. Man könnte z. B. den nicht dissoziierten Zustand der Moleküle zugrunde legen. Dann würde AH gerade der Energiedifferenz der getrennten und neugebildeten Covalenzen entsprechen (siehe das obenstehende Schema). Oder man könnte die Reaktion zugrunde legen, die sich bei konstantem pH tatsächlich abspielt. Dabei müssen die Säuren oder Basen miteinbezogen werden, welche an den begleitenden Neutralisationsvorgängen beteiligt sind. AH ist in diesem Fall gleich der direkt meßbaren Wärmetönung der Reaktion und ist von der Natur der verwendeten Pufferlösung abhängig. Die übersichtlichste und für die Anwendung geeignetste Form der Reaktionsgleichung erhält man aber, wenn man sie für diejenigen Ionenformen der Phosphorsäureverbindung und ihrer Spaltprodukte anschreibt, die beim vorgegebenen pH-Wert in der Lösung tatsächlich vorhanden sind, ohne die Reaktion der Protonen mit fremden Puffersystemen einzubeziehen. Man erhält dann für die Hydrolyse der verschiedenen „energiereichen" Bindungen bei neutraler oder leicht alkalischer Reaktion die folgenden Gleichungen2): (1) Pyrophosphat:

ATP 1 " + H 2 0

(2) Acylphosphat:

O II —C—0—PO, 2 - + H 2 0

(3) Enolphosphat:

I CH II C—O—P0 3 2 - + H 2 0 I NH2+

(4) Guanidinphosphat: —N—C—NH—P0 3 2 " + H 2 0

>•

ADP 3 - + H P 0 4 2 " + H+



O II —C—O" + H P 0 4 2 - + H+



I CH2 I C = 0 + HP0 4 2 ~ I I II • - N -- CC--NI H 2 + HPO, 2 "

!) Vgl. dazu Gillespie u. Mitarb., Nature 171, 1147 (1953). 2) Es wird angenommen, daß das anorganische Phosphat ausschließlich als H P 0 — vor4 liegt, obwohl dies für neutrale Reaktionen nicht genau zutrifft. Bei pH 7 würden pro Mol abgespaltenes Phosphat nur etwa 0,6 Mol H-Ionen frei.

Die Bolle des Phosphats usw.

489

Wenn man AH und AG auf diese Gleichungen bezieht, so ergibt sich noch der folgende Vorteil. Bei konstantem pH werden die auftretenden Wasserstoffionen durch Pufferbasen gebunden (oder, in der Gleichung 4 von einer Puffersäure abgegeben). Die Komponenten des Puffersystems stehen aber miteinander im Gleichgewicht; daher ist die Aufnahme oder Abgabe von Protonen (immer unter Voraussetzung eines konstanten pH-Wertes, d. h. großer Pufferkapazität) von keiner Änderung der freien Energie begleitet (laut Definition des Gleichgewichtszustandes, der durch dG — 0 gekennzeichnet ist). Der auf die obigen Gleichungen bezogene Wert von AH ist daher gerade derjenige, der in die Beziehung AG = AH — TAS eingesetzt werden muß, wenn man daraus die freie Energie berechnen will. Eine besonders wichtige Größe ist die freie Energie der Hydrolyse von ATP (Gleichung 1). Sie läßt sich leider nicht exakt bestimmen; man ist auf Schätzungen angewiesen. Genau bekannt ist die Enthalpieänderung, die der obigen Gleichung 1 entspricht. Die neueste Bestimmung hat den Wert von AH = —4800 cal. (pH = 8,0) ergeben. Bei der direkten Messung der Wärmetönung in Pufferlösung wird die Neutralisationswärme des Protons miteinbezogen. Man kann dann, je nach Art des Puffers, Werte bis zu —16000 cal. finden. Dies erklärt die wesentlich höheren Angaben früherer Autoren1). Wenn aus AH die freie Energie der Reaktion berechnet werden soll (AG = AH — TAS), muß auch die Entropieänderung AS0 bekannt sein. Diese Größe läßt sich aber nicht direkt bestimmen. Es scheint aber, daß das Entropieglied TAS klein ist und den Betrag von 2— 3000 cal. nicht übersteigt. L i p m a n n rechnete für die freie Energie der Hydrolyse das ATP mit 12000 cal. pro Anhydridbindung. Neuere Berechnungen von AG' 2) führen auf einen wesentlich niedrigeren 3 Wert von etwa 8900 cal. bei pH 7,5 ). Damit müssen natürlich alle Berechnungen der freien Energie ATP-abhängiger Reaktionen entsprechend korrigiert werden. So sind auch die früher angenommenen Werte für die Hydrolyse von Enolphosphat AG' = — 16200 (Meyerhof und Oesper) 4 ). von Acylphosphat AG' = — 16300 (Bücher) 5 ) und von Guanidinphosphat (Kreatinphosphat) AG0 = — 13100 cal. (Lehmann)') in Wirklichkeit etwa 3000 cal. positiver. Es erhebt sich nun die Frage, durch welche Besonderheiten der Struktur eine Phosphorsäureverbindung zu einer „energiereichen" wird. Wir können auf dieses Problem nur kurz eingehen und müssen uns mit wenigen Hinweisen begnügen. Die thermodynamische Instabilität der Pyrophosphate und der Acylphosphate (die im hohen Wert von AG' ihren Ausdruck findet) läßt sich auf Grund des quantenchemischen Begriffs, der Resonanz, verstehen. Für eine genauere Erklärung müssen wir auf die Literatur verweisen7). Besonders aufschlußreich für die Klärung des Begriffs der „energiereichen" Bindung ist die Betrachtung der Hydrolyse von E n o l p h o s p h a t e n (Phosphoenolpyruvat). Hier läßt sich nämlich zeigen, daß sehr wahrscheinlich ein wesentlicher Teil des Abfalls der freien Energie bei der Hydrolyse auf die Enol-Ketoumlagerung und nicht auf die hydrolytische Spaltung der Phosphatbindung fällt. Man kann die Hydrolyse der Phosphoenolpyruvatformel in die folgenden Teilstufen zerlegen: (I) Phosphoenolpyruvat (II) Enolpyruvat + HaO (IH) Glycerat Bilanz: Phosphoenolpyruvat + H 2 0

Enolpyruvat + Phosphat Glycerat Pyruvat + H a O • Pyruvat + Phosphat

Für Reaktion (III) hat L i p m a n n ein AG0 von 8250 cal. berechnet'). Von der Reaktion (II) kann man annehmen, daß sie nur mit einer sehr geringen Änderung der freien Energie verläuft, 2 ) 2 ) 3 ) 4 ) 6

) «) 7 ) ")

Näheres siehe K i t z i n g e r u. Benzinger, Zschr. Naturforschg. 10 b, 375 (1955). Erklärung von AG' siehe S. 482. B u r t o n , Biochem J . 59, 44 (1955). J. biol. Chem. 179, 1371 (1949). Biochim. Biophys. Acta 1, 292 (1947). Biochem. Zschr. 286, 336 (1936). Vgl. Oesper, Arch. Biochem. 27, 255 (1950). Adv. Enzymol. 1, 107 (1941).

490

Die Bedeutung der PhoBphatbindung

da sie der Enolasereaktion vergleichbar ist, für welche AG' nur + 520 cal. beträgt. Für die Bilanzreaktion haben M e y e r h o f und Oesper 1 ) den Wert von 16200 cal. gefunden, der sich aber, wenn man mit den neuen, niedrigeren Werten von AG' für die ATP-Hydrolyse rechnet, auf etwa 12000 cal. reduziert. Man findet dann (unter Vernachlässigung von Reaktion (II)) für die Hydrolyse der Phosphatbindung im Phosphoenolpyruvat (Reaktion (I)) den Wert von etwa 12000 —8000 = 4000 cal. Das ist nur wenig mehr als für eine gewöhnliche Esterbindung. Es führen noch andere Überlegungen zum gleichen Resultat (Oesper, 1. c. S. 489). Wenn also die Enolphosphate als „energiereiche" Verbindungen in Erscheinung treten, so liegt dies nur zum kleinen Teil an der Phosphatbindung an sich; der große AbfaE der freien Energie ist zur Hauptsache durch den Übergang der thermodynamisch instabilen Enolform in die stabile Ketoform bedingt, der sich an die Hydrolyse der Phosphatbindung anschließt. Die Enolphosphatbindung ist deshalb energiereich, weil sie die instabile Enolform fixiert. Wahrscheinlich muß in analoger Weise auch bei der Hydrolyse von Acylphosphaten ein Teil des Abfalls der freien Energie der sog. Resonanzstabilisierung des entstehenden Carboxylatanions zugeschrieben werden. Bei der Hydrolyse der G u a n i d i n p h o s p h a t e (Amidinphosphate) stellen sich ähnliche Fragen. Die Instabilität dieser Verbindungen läßt sich zum Teil, wie diejenige der Pyrophosphate, durch Verminderung der Resonanzenergie bei der Bindung des Phosphats an die Guanidingruppe erklären 2 ). Gleichzeitig wird durch die Einführung des Phosphorylrests die Basizität der Guanidingruppe geschwächt. Bei der hydrolytischen Abspaltung des Phosphats entsteht daher eine stärkere Base. Die Guanidingruppe ist aber auch in Form ihres Phosphats noch so stark basisch, daß sie im physiologischen pH-Bereich als Guanidiniumion vorliegt 3 ), so daß die Spaltung nicht von einem Neutralisationsvorgang begleitet ist. Auf Grund der Gleichgewichtsreaktion ATP + Rreatinphosphat

,

'

ADP + Kreatinphosphat

ist für pH = 7,8 ein Wert AG' = — 13100 cal. gefunden worden4), der aber, wie die übrigen Werte, wahrscheinlich etwa 3 0 0 0 cal. positiver, d. h. auf etwa 1 0 0 0 0 cal. angesetzt werden kann. Aus dem Vorstehenden dürfte mit genügender Klarheit hervorgehen, daß sich der Begriff der „energiereichen Bindung", so wie er in der Biochemie heute verwendet wird, einzig und allein auf eine thermodynamische Größe bezieht, nämlich die Änderung der freien Energie AG', welche bei der Hydrolyse der fraglichen Verbindungen (gemäß den Gleichungen 1 bis 4) eintritt. Der Begriff hat keine direkte Beziehung zu der Größe, die man gewöhnlich als die Energie oder die Festigkeit einer chemischen Bindung bezeichnet. Für die Unterscheidung und Charakterisierung der verschiedenen Phosphorsäureverbindungen kann man nach L o h m a n n die Hydrolysegeschwindigkeit in 1 n Salzsäure benutzen. Zwei Phosphatreste des ATP (die beiden Anhydridbindungen), Acylphosphate, Enolphosphate, Amidinphosphate werden beim Erhitzen im siedenden Wasserbad während 7 Minuten vollständig hydrolysiert. AuchGlucose-l-phosphat undFructose-l-phosphat werden unter diesen Bedingungen gespalten. Man bezeichnet derartige Phosphatgruppen kurz als labiles Phosphat (auch ,,7-MinutenPhosphat"). Die gewöhnlichen Esterbindungen sind viel stabiler. Einzelne Verbindungen widerstehen mehrstündigem Erhitzen mit 1 n HCl. Die Triosephosphate (Phosphoglycerinaldehyd und Phosphodioxyaceton) werden durch 1 n Alkali in 20 Minuten vollständig hydrolysiert (sog. alkalilabiles Phosphat). Wie man sieht, sind die energiereichen Phosphatbindungen alle labil; es gibt aber auch unter den „energiearmen" Esterbindungen solche, die säurelabil sind.

Es ist klar, daß eine Phosphatübertragung in meßbarem Umfang nur möglich ist zwischen Phosphorsäureverbindungen der gleichen Gruppe, z. B. zwischen zwei Estern oder zwischen zwei energiereichen Phosphatverbindungen (z. B. ATP und Phosphokreatin) oder von einer energiereichen Phosphatverbindung auf einen Ester. Dagegen kann eine energiereiche Phosphatbindung nicht durch Übertragung des Phosphatrests aus einem Ester oder gar aus anorganischem Phosphat entstehen. Diese Reaktionen sind stark endergonisch und können, wie oben ausgeführt wurde, 1

) J . biol. Chem. 179, 1371 (1949). ) O e s p e r , Arch. Biochem. 27, 268 (1950). 3 ) Vgl. M e y e r h o f : Die chemischen Vorgänge im Muskel, S. 95. Berlin 1930. M e y e r h o f u. L o h m a n n , Biochem. Zschr. 196, 49 (1928). 4 ) L e h m a n n , Biochem. Zschr. 286, 336 (1936). 2

491

Die Bolle des PhosphatB usw.

nur durch Koppelung mit energieliefernden Prozessen zustande kommen. Im Schema Abb. 48 (in Anlehnung an Lipmann) sind die möglichen Wege der Transphosphorylierung angedeutet. Zur Illustration möge die Angabe dienen, daß z. B. bei der Umkehrung der Hexokinasereaktion selbst bei einer (physiologisch niemals erreichbaren) Konzentration des Glucose-6phosphats und des ADP von 0,1 Mol/1 die Konzentration des ATP im Gleichgewichtszustand nur 6'10 - i Mol/l betragen würde. Es ist kaum denkbar, daß in einer Zelle durch raschen Verbrauch des ATP seine Konzentration jemals so niedrig gehalten werden könnte, daß die Hexokinasereaktion in umgekehrter ßichtung verläuft. & G' cal/Mol

Transphosphorylierung

roooo

t Rz~'Ph

'~ —



R2+R7-Ph

*

k

1

"

_

... . j

r

^ -C & [Flavin] + 2[Feü] + 2 H+; AG' etwa - 16000 cal.

(d) 2 [ F e n ] +



I/ 2 O Ä + 2 H +

2 [ F E I H ] + H A OJ

a G ' etwa -

2 5 0 0 0 cal.

Oxydative Phosphorylierung

495

[PN] = Pyridinnucleotide, [Flavin] = gelbe Fermente, [Fe^l] vuid [Fe n l ] = reduzierte und oxydierte Stufe des Cytochroms c1)

Es entsteht nun die Frage, wie sich der gesamte Energieabfall auf diese verschiedenen Reaktionsstufen verteilt. Auf die eigentliche Dehydrierung (Reaktion (a)) entfallt meist nur ein kleiner Teil der Gesamtenergie; es ist, wie wir bereits früher hervorgehoben haben, die Oxydation des reduzierten Pyridinferments (Summe der Reaktionen (b), (c) und (d)), welche den Hauptanteil liefert. Aus den oben angeführten Zahlen ergibt sich: [PN]H 2 + y202 • [ P N ] + H A O; A G ' = - 5 2 0 0 0 cal. Die Koppelung der Phosphataufnahme mit der Oxydation der reduzierten Pyridincofermente gemäß der obigen Gleichung läßt sich im Experiment direkt nachweisen: Bei der Oxydation von hydriertem Diphosphopyridinnucleotid durch Lebergranula wird anorganisches Phosphat in das ATP aufgenommen (Lehninger, Lynen und Hölzer) 2 ). Eine zum Studium dieser Frage sehr geeignete Reaktion ist die Dehydrierung dei j3-Hydroxybuttersäure zu Acetessigsäure (Lehninger): CH3 • CH(OH) • CH2 • COOH + i/202

• CH,-CO-CH2-COOH + HaO.

Wasserstoffakzeptor ist hier das Diphosphopyridinnucleotid. Der Übergang des Wasserstoffs vom Substrat auf das Pyridin bewirkt keine Phosphorylierung; die gesamte Phosphataufnahme, die man bei dieser Reaktion beobachtet, ist also mit der Oxydation des hydrierten Coferments gekoppelt. Aus den Versuchen ergibt sich, daß pro Atom Sauerstoff maximal wahrscheinlich 3 Atome P aufgenommen werden können; ähnliche Resultate erhielten Lynen und Holz er bei der Oxydation von Butylalkohol zu Buttersäure in der Hefe.

Wir haben bisher die Frage offengelassen, ob die Atmungskette sowohl vom DPN als auch vom TPN ausgehen kann. In Bakterien und in den Geweben der höheren Tiere (Mitochondrien) ist ein Enzym nachgewiesen worden, durch welches der Wasserstoff vom Triphospho- auf das Diphosphopyridinnucleotid übertragen werden kann (Transhydrogenase 3 )): TPNH + DPN

• TPN + DPNH.

Da aber nach M a r t i u s die Phyllochinonreduktase sowohl mit DPNH als auch mit TPNH reagieren kann (S. 250), ist anzunehmen, daß auf diesem Weg der Wasserstoff der beiden reduzierten Pyridincofermente direkt in die Atmungskette eingeführt wird. Mit den Beobachtungen über die Zahl der pro Mol oxydierten Wasserstoffs aufgenommenen Phosphatmoleküle stehen die thermodynamischen Daten in Übereinstimmung. Das Gefalle der freien Energie (55000 cal.) reicht aus, um drei energiereiche Phosphatbindungen zu bilden. Bei einzelnen Substraten wird auch der eigentliche Dehydrierungsvorgang und nicht erst die Oxydation des Wasserstoffs zur Phosphorylierung ausgenutzt. Das bekannteste Beispiel ist die Dehydrierung des Phosphoglycerinaldehyds. Unter den ') Über die angegebenen Zahlenwerte vgl. K r e b s u. Mitarb., Biochem. J. 64, 86, 94, 107 (1953). ») Lehninger u. Mitarb., J. biol. Chem. 190, 345 (1951); 215, 555, 571 (1955); 219, 489, 507, 619 (1956); Lynen u. Holzer, Liebigs Ann. 563, 213 (1949). ») Kaplan u. Mitarb., J. biol. Chem. 205, 1 (1953). Humphrey, Biochem. J. 65, 546 (1957).

496

Die Bedeutung der Phosphatbindung

Reaktionen des Citronensäurecyklus ist die oxydative Decarboxylierung des a-Ketoglutarats mit der Aufnahme von Phosphat verbunden (vgl. S. 270). Nach einem Vorschlag von L y n e n und Holz e r b e z e i c h n e n wir die mit Substratdehydrierung verknüpfte Phosphataufnahme a l s S u b s t r a t p h o s p h o r y l i e r u n g , die mit der Oxydation der hydrierten Pyridincofermente verknüpfte als A t m u n g s k e t t e n p h o s p h o r y l i e rung. Als Maß für die Wirksamkeit der oxydativen Phosphorylierung kann man das Verhältnis zwischen der Zahl der aufgenommenen Phosphatmoleküle und der Zahl der verbrauchten Sauerstoffatome nehmen (sog. P h o s p h o r y l i e r u n g s q u o t i e n t P : 0 ) . Dieser Quotient ist für verschiedene Teilreaktionen des Tricarbonsäurecyklus bestimmt worden. Bei denjenigen, welche nicht mit einer Substratphosphorylierung verknüpft sind, hat er, wie oben erwähnt, unter optimalen Bedingungen den Wert 3, für die Oxydation des a-Ketoglutarats den Wert 4, nämlich 1 für die Substratphosphorylierung + 3 für die Atmungskettenphosphorylierung. Für die Oxydation des Succinats zum Fumarat ist der Quotient 2 2 ). Bei der Oxydation von 1 Molekül Pyruvat zu COa und HaO verteilt sich demnach die Zahl der aufgenommenen Phosphatmoleküle folgendermaßen auf die einzelnen Stufen: 4 mal 3 Moleküle (Atmungskettenphosphorylierung) bei der Oxydation des Wasserstoffe der hydrierten Pyridincofermente, 2 Moleküle bei der Oxydation des Succinats zu Fumarat und 1 Molekül bei der Oxydation des a-Ketoglutarats zu Succinat (Substratphosphorylierung); total 15 Moleküle wie oben angegeben. In Wirklichkeit erreichen bei derartigen Versuchen die gemessenen Werte des Quotienten P/O die angegebenen Grenzwerte nur unter optimalen Bedingungen, weil die geringste Schädigung des Fermentsystema im Sinne einer Entkoppelung der oxydativen Phosphorylierung wirken kann.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich eine weitere wichtige Erkenntnis. Wir haben gesehen, daß bei der Oxydation des Substratwasserstoffs der wesentliche Teil der Energie erst dann verfügbar wird, wenn der Wasserstoff auf den ersten Akzeptor übergegangen ist. Da die Pyridincofermente (Codehydrogenase I und II) bei sehr vielen Dehydrierungen als Wasserstoffakzeptoren funktionieren, genügt ein einziger Mechanismus, um die Energie einer großen Zahl verschiedenartiger Substrate nutzbar zu machen. Mit Hilfe der spezifischen Dehydrogenasen wird der Substratwasserstoff zunächst meist ohne großen Energieabfall auf das Pyridin der Codehydrogenase übertragen. Der Wasserstoff des hydrierten Pyridins stellt somit die wichtigste unmittelbare Energiequelle der oxydativen Phosphorylierung dar. Die F ä h i g k e i t d e r Zelle, d i e v e r s c h i e d e n a r t i g s t e n S u b s t r a t e zum Zwecke d e r E n e r g i e g e w i n n u n g a u s z u n u t z e n , b e r u h t im w e s e n t l i c h e n d a r a u f , d a ß sie in d e n s p e z i f i s c h e n F e r m e n t p r o t e i n e n d e r D e h y d r o g e n a s e n ü b e r die M i t t e l v e r f ü g t , d e n W a s s e r s t o f f d i e s e r S u b s t r a t e auf die g l e i c h e n P y r i d i n c o f e r m e n t e (in v e r s c h i e d e n e n F ä l l e n a u c h auf gewisse F l a v i n c o f e r m e n t e ) zu ü b e r t r a g e n u n d d u r c h die A t m u n g s k e t t e zu o x y d i e r e n . Bei der Oxydation des Wasserstoffs durch die Atmungskette fallt, wie die oben mitgeteilten Zahlen zeigen, die freie Energie stufenweise ab; die Annahme liegt nahe, daß jede Stufe (Pyridin—Flavin, Flavin—Cytochrom, Cytochrom—Sauerstoff) mit einer Phosphorylierung verknüpft ist. Nach den angegebenen Werten von AG' ist dies thermodynamisch möglich (wobei aber zu berücksichtigen ist, daß der wirklich zur Verfügung stehende Energieabfall AG je nach dem Verhältnis der oxydierten zur reduzierten Form der Fermente beträchtlich vom Normalwert AG' abweichen kann). Ob die obige Annahme aber zutrifft und wie die Aufnahme der drei Moleküle Phosphat tatsächlich auf die einzelnen Oxydationsstufen verteilt ist, kann nur durch das Experiment entschieden werden. !) Lynen u. Holzer, Liebig's Ann 563, 213 (1949). 2 ) Vgl. dazu Krebs u. Mitarb., Biochem. J. 54, 107 (1953).

Oxydative Phosphorylierung

497

Es ist möglich gewesen, bei Verwendung geeigneter Fermentpräparate und Versuchsbedingungen einzelne Teilreaktionen getrennt zu untersuchen ( L e h n i n g e r , L a r d y , S l a t e r u. a.). So hat es sich gezeigt, daß bei der Oxydation von reduziertem Cytochrom c pro Atom Sauerstoff ein Molekfil Phosphat gebunden wird. (Das Cytochrom wird bei diesen Versuchen auf nicht enzymatischem Weg durch Äscorbinsäure reduziert) 1 ). Andererseits werden bei der Oxydation von /?-Hydroxybuttersäure durch die Ferriform des Cytochroms c zwei Moleküle Phosphat aufgenommen 2 ). Im großen und ganzen dürfte also die Hypothese einer mit den einzelnen Oxydationsstufen gekoppelten Phosphorylierung richtig sein8).

Neue Erkenntnisse über die Phosphorylierongsreaktion, die mit der Oxydation der reduzierten Pyridincofermente einhergeht, sind durch die Arbeiten von Martius zutage gefördert worden. Wie wir früher (S. 260) erwähnt haben, wird der Wasserstoff des DPNH und des TPNH durch ein gelbes Ferment, die Vitamin-ICReduktase, auf das Vitamin K2(20), das 2-Methyl-3-digeranyl-l,4-naphthochinon übertragen. Das entstehende Hydrochinon wird soviel wir wissen durch das Cytochrom b wieder oxydiert. Im Verlauf dieser Reaktionen wird ein Molekül anorganisches Phosphat aufgenommen. Da bei Blockierung der Reduktase durch geeignete Hemmstoffe auch die Phosphorylierung unterdrückt wird, muß man annehmen, daß das Vitamin K an der Reaktion, die zur Bindung des Phosphats führt, irgendwie beteiligt ist. Die Hinweise dafür, daß die über Vitamin K führende Wasserstoffübertragung mit einer Phosphorylierung verbunden ist, ergeben sich aus folgenden Beobachtungen: In den Lebermitochondrien K-avitaminotischer junger Hühnchen ist die Phosphataufnahme (gemessen am P/O-Quotienten) herabgesetzt; sie kann durch Zusatz von Vitamin K in vitro wieder gesteigert werden. Ferner wird die Phosphorylierung durch solche Stoffe herabgesetzt, welche die VitaminK-Wirkung hemmen. Dazu gehören gewisse Antikoagulantien vom Typus des Dicumarins (vgl. S. 585). M a r t i u s kommt zur Auffassung, daß eines der drei pro Mol oxydierten Wasserstoffs aufgenommenen Phosphatmoleküle auf der Reaktionsstufe des Phyllochinons aufgenommen wird. Die Erhöhung des P/O-Quotienten bei Zusatz von Vitamin K zu Lebermitochondnen von Mangeltieren entspricht größenmäßig dieser Annahme. Wie das Schema S. 251 zeigt, werden durch das Phyllochinon die Çytochromreduktasen (Diaphorasen) der klassischen Atmungskette überbrückt. Es bestehen demnach zwischen den Pyridincofermenten und den Cytochromen zwei parallele Wege des Wasserstofftransportes. M a r t i u s nimmt, an, daß nur der über das Vitamin K2(2o> führende Weg mit einer Phosphorylierung gekoppelt ist, nicht aber der „klassische" Weg, der über die Diaphorasen direkt zur Cytochromkette führt. Die Phosphorylierung wird nämlich durch solche Stoffe gehemmt (z.B. Dicumarin), welche die Reduktion des Phyllochinons durch DPNH blockieren. Man kann daher annehmen, daß diese Stoffe, indem sie die Reduktion des Phyllochinons blockieren, den Wasserstoff auf die Diaphorasen ableiten. Wir haben bei Besprechung der Atmungskette erwähnt, daß möglicherweise ein weiteres fettlösliches Vitamin, das T o c o p h e r o l (Vitamin E), am Wasserstofftransport beteiligt ist. Die Tocopherole können ebenfalls zu Chinonen oxydiert werden. Nach M a r t i u s läßt sich in Lebermitochondrien und Zwerchfell von E-avitaminotischen Tieren eine Erniedrigung des P/OQuotienten feststellen, was auf eine Beteiligung auch dieses Faktors an der oxydativen Phosphorylierung hindeutet 4 ). Wir haben in einem früheren Kapitel darauf hingewiesen, daß in den Mitochondrien in beträchtlicher Menge die sog. U b i e h i n o n e vorkommen (Struktur siehe S. 250). Die Vermutung liegt nahe, daß auch diese Stoffe, wie das Vitamin K, an der Atmungskette und der oxydativen Phosphorylierung beteiligt sind. Wie wir bei Besprechung der Atmungskette erwähnt haben, ist l ) L e h n i n g e r u. Mitarb., J . biol. Chem. 210, 911 (1954); J . Am. ehem. Soc. 76, 3860 (1954); M a l e y u. L a r d y , J . biol. Chem. 210. 903 (1954). a ) B o r g s t r ö m u. Mitarb., J . biol. Chem. 215, 571 (1955). *) Zusammenfassung vgl. z. B. L e h n i n g e r , The Harvey Lectures 1953/54, Sériés XLIX, S. 176. New York 1955. S l a t e r , Conférences et Rapports, 3m« Congrès Internat, de Biochimie, Bruxelles 1955, S. 264. Liège 1956. 4 ) Zusammenfassung der Arbeiten von M a r t i u s vgl. 5. Coli. d. Ges. f. physiol. Chem., Mosbach/Baden 1954, S. 143. Berlin, Göttingen und Heidelberg 1955. Conférences et Rapports, 3me Congrès Internat, de Biochimie, Bruxelles 1955, S. 1. Liège 1956.

32 L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15. Aull.

498

Die Bedeutung der Fhosphatbindung

ihre Funktion aber noch keineswegs abgeklärt. Insbesondere können wir noch nicht mit Sicherheit angeben, in welcher Weise sie in den Elektronentransport eingeschaltet sind. Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß sie in der Atmungskette ihren Platz zwischen den Flavinfermenten (Succinodehydrogenase, DPNH-Cytochromreduktase) und Cytochrom cx haben. Kinetische Messungen an intakten Mitochondrien scheinen allerdings dagegen zu sprechen, daß die Ubichinone auf dem Hauptwege des Elektronentransports liegen, denn sie werden mit wesentlich geringerer Geschwindigkeit reduziert als das zugesetzte Substrat, z. B. Succinat, oxydiert wird. Möglicherweise ist aber nur ein Teil der Ubichinone direit in die Atmungskette eingeschaltet; sie sind tatsächlich im Verhältnis zu den andern Wasserstoffüberträgern in großem Überschuß vorhanden. Die Hauptmenge könnte an langsamer verlaufenden Seitenreaktionen beteiligt sein, oder es wäre auch möglich, daß die Ubichinone einen Nebenweg bilden über welchen nur ein Teil des Substratwasserstoffs geleitet wird. Solche Reaktionswege sind im Schema S. 251 durch punktierte Linien angedeutet, nämlich die Reduktion des DPN durch Succinat und die Überbrückung des Cytochroms b durch die Ubichinone. Wir können auf eine weitere Diskussion des Problems hier nicht eintreten sondern müssen auf die Spezialliteratur verweisen1). Die oben erwähnten Befunde von M a r t i u s deuten darauf hin, daß die Chinone möglicherweise direkt an der Phosphatübertragung beteiligt sind. Man hat denn auch Reaktionsmechanismen in Vorschlag gebracht, in denen phosphorylierte Hydrochinone als Zwischenprodukte auftreten. Die Möglichkeit einer mit der Oxydation von Hydrochinophosphaten verbundenen Phosphorylierung wird durch chemische Modellversuche dargetan. So kann z. B. bei der Oxydation von 2,3-Dimethyl-naphthohydrochinon-monophosphat durch Brom das Adenosinmonophosphat in Adenosindiphosphat übergeführt werden 2 ). Wenn die Chinone in der angegebenen Weise als Phosphatüberträger funktionieren sollen, so muß ihre Rückreduktion zu den entsprechenden Hydrochinonen mit der Aufnahme von Phosphat verbunden sein. Es lassen sich auch hierfür — zunächst hypothetische — Reaktionsmechanismen angeben. Für die Formulierung dieser Reaktionen ist die Tatsache wichtig, daß alle in Frage kommenden Chinone, Vitamin K, Ubichinone und Tocochinone (vgl. S. 769) imstande sind in Chromane überzugehen). Wir können aber auch auf diese Frage hier nicht weiter eingehen.

Wir haben bei der Besprechung der Atmungskette darauf hingewiesen, daß die Enzyme der oxydativen Phosphorylierung Teil eines sehr komplexen und wahrscheinlich auch morphologisch organisierten Fermentsystems sind, das in den Mitochondrien lokalisiert ist. Isolierte Mitochondrien aus Muskel (Sarkosomen) und Leber bildeten in neuerer Zeit das wichtigste Material für das Studium der Phosphorylierung. Es sind auch aus verschiedenen Mikroorganismen zellfreie Suspensionen hergestellt worden, deren Teilchen zur oxydativen Phosphorylierung befähigt sind. L e h n i n g e r hat durch Digitoninbehandlung von Mitochondrien Fermentpräparate erhalten, welche das komplette Fermentsystem der oxydativen Phosphorylierung noch enthalten 8 ). Es handelt sich auch hier um sehr hochmolekulare Teilchen, die sich auf der Ultrazentrifuge sedimentieren lassen.

Über den Mechanismus der oxydativen Phosphorylierung wissen wir nichts Sicheres. Wahrscheinlich werden intermediär labile Phosphorsäureverbindungen gebildet, von welchen der Phosphatrest durch eine Gleichgewichtsreaktion in die Adenylphosphate eingeführt werden kann; aber die Natur der primären Phosphorylierungsprodukte ist unbekannt. Über den möglichen Verlauf der Vorgänge sind von verschiedenen Autoren hypothetische Reaktionsfolgen aufgestellt worden. Von großem Interesse ist die Tatsache, daß in intakten Mitochondrien beim Fehlen eines Phosphatakzeptors (ADP) die Oxydationsgeschwindigkeit verlangsamt ist, wobei sich, wie man aus den Absorptionsspektren ersehen kann, die reduzierten Formen der Fermente anhäufen, in x ) Vgl. Ciba Found. Symposium on Quinones in Electron Transport, London 1961. besonders die Beiträge: G r e e n , S. 130; S l a t e r u. Mitarb., S. 161; C h a n c e , S. 327; R e d f e a r n , S. 346. 2 ) C l a r k , K i r b y a. T o d d , Nature 181, 1650 (1958). C l a r k a. T o d d , in Ciba. Found Symp., (Fußnote *)) S. 19; H a r r i s o n , Nature 181, 1130 (1958). 8 ) J. biol. Chem. 219, 489, 507, 519 (1956).

Oxydative Phosphorylierung

499

bestimmten Mitochondrienpräparaten z. B. die reduzierten Cytochrome c und b, und DPNH (Chance 1 )). Offenbar kann unter diesen Bedingungen eine „energiereiche" ZwischenVerbindung nicht weiterreagieren weil der Phosphatakzeptor fehlt. Es sind verschiedene hypothetische Mechanismen der oxydativen Phosphorylierung vorgeschlagen worden. Man kann sich den Vorgang z. B. in folgender Weise vorstellen: AH 2 + B + X

,

A ~ X + BH 2

A ~ X + Pi

A +

X ~ P + ADP ,

~

X ~ P

X + ATP

Hier bedeuten A und B zwei aufeinanderfolgende Glieder der Atmungskette (das erste in der reduzierten Form), X ist eine Zwischenverbindung unbekannter Natur. Wie man sieht wird in der ersten Stufe der Reaktion, auf Kosten der Oxydation von AH 2 , eine energiereiche Bindung gebildet. Dies ermöglicht in der zweiten Stufe die Aufnahme von anorganischem Phosphat. In der dritten Stufe wird schließlich das Phosphat auf das ADP übertragen. Im obigen Schema geht die Oxydation der Phosphorylierung voraus. Es ist aber auch möglich, daß die Aufnahme des Phosphats in einem Überträger dessen Oxydation vorangeht. Ferner ist angenommen, daß die oxydierte Form des Wasserstoffüberträgers die energiereiche Zwischenverbindung liefert. Auch in dieser Hinsicht sind andere Formulierungen möglich. Es bleiben noch viele Fragen offen auf die wir hier nicht eingehen können 2 ). Es lassen sich aus den Mitochondrien durch Zertrümmern Teilchensuspensionen „electron transport particles" herstellen welche Succinat oder DPNH oxydieren, welche aber die Fähigkeit zur Phosphorylierung von ADP verloren haben. Man hat andererseits an den Mitochondrien lösliche Faktoren isoliert welche in den genannten Teilchen die mit der Oxydation verbundene Phosphatübertragung wiederherstellen. Es sind heute zwei solcher „Kuppelungsfaktoren" (coupling facors) bekannt 3 ). Aus den Mitochondrien lassen sich ferner Präparate gewinnen, welche „ATP-ase"-Wirkung zeigen, d. h. aus dem ATP die endständige Phosphatgruppe abspalten. Wahrscheinlich stellt diese ATP-Spaltung die Umkehrung eines Teilvorgangs der oxydativen Phosphorylierung dar 4 ). Einer der beiden Kuppelungsfaktoren (Faktor I) ist möglicherweise mit der (oder einer) mitochondrialen ATP-asen identisch. Im Sinne einer intermediären Bildung von Phosphatbindungen spricht u. a. die folgende Beobachtung. Wird a-Ketoglutarat in Gegenwart von 0-markiertem Phosphat durch Lebermitochondrien oxydiert, so verliert das Phosphat das Sauerstoffisotop 5 ). Der Austausch wird durch Dinitrophenol verhindert, also durch ein Reagens, welches Oxydation und Phosphorylierung „entkoppelt" (siehe unten); es müssen also beständig P—O-Bindungen gelöst und wieder geknüpft werden.

Im Zusammenhang mit der Frage des Mechanismus der Phosphataufnahme müssen wir hier auf die sog. „Entkoppelung" der o x y d a t i v e n Phosphorylierung zu sprechen kommen. Wie wir früher bereits bei verschiedenen Gelegenheiten erwähnt haben, können Oxydation und Phosphorylierung durch gewisse Stoffe voneinander gelöst werden. In Gegenwart solcher Stoffe geht die Oxydation des Wasserstoffs weiter, aber es wird kein Phosphat mehr in organische Bindung übergeführt. Die Atmung läuft gewissermaßen leer. 1 ) Br. C h a n c e in: G a e b l e r (edit.), Enzymes, units of biol. structure a. function. New York 1956, S. 47; Br. C h a n c e in: G r e e n (edit.), Currents in biochem. research, New York 1956. S. 308. 2 ) Vgl. R a c k e r , Adv. Enzymol. 28, 373 (1961); L e h n i n g e r , Ann. Rev. Biochem. 31, 47 (1962). L e h n i n g e r , The Harvey Lectures 1953/54, Series XLIX, S. 176. New York 1955. S l a t e r , Nature 172, 975 (1953); L a r d y , Conférences et Rapports, 3™° Congrès Internat, de Biochimie, Bruxelles 1955, S. 287. Liège 1956. C h a n c e u. W i l l i a m s , Adv. Enzymol. 17, 65 (1956). 3 ) L i n n a n e a. T i t c h e n e r , Biochim. Biophys Acta 89, 469 (1960). R a c k e r u. Mitarb., J . biol. Chem. 235, 3322 (1960). 4 ) L a r d y u. Mitarb., Ann. Rev. Biochem 14, 1 (1945); J . biol. Chem 201, 357 (1953). S l a t e r u. Mitarb., Biochem. J . 67, 558, 572 (1957). 6 ) M i l d r e d C o h n , J . biol. Chem 201, 735 (1953). 82*

500

Die Bedeutung der Phosphatbindung

Wir kennen eine ganze Reihe von entkoppelnden Stoffen von chemisch sehr verschiedenartiger Natur. Zu den wichtigsten gehört das 2,4-Dinitrophenol (DNP). Ähnlich wirken Halogenphenole, Azide, verschiedene Farbstoffe wie Methylenblau, Brillantcresylblau, Janusgrün u. a., das Antibioticum Gramicidin, das Malariamittel Atebrin, das Anticoagulans Dicumarin, das wir früher schon genannt haben. Zu erwähnen sind ferner Arsenat und Arsenit sowie gewisse SH-Reagenzien (Jodacetamid, p-Chloromercuribenzoat). Wahrscheinlich greifen diese Stoffe an verschiedenen Stellen in die ßeaktion ein. Zu den entkoppelnden Stoffen gehört nach M a r t i u s auch das Schilddrüsenhormon. Wir werden später (S. 694) auf diese interessante Frage zurückkommen.

Eine exakte Erklärung für die Entkoppelung der oxydativen Phosphorylierung durch die verschiedenen Reagentien wird sich erst dann geben lassen, wenn wir besseren Einblick in den Mechanismus der letzteren haben werden. Wahrscheinlich bewirkt das Dinitrophenol die Spaltung eines der energiereichen Zwischenprodukte der oxydativen Phosphorylierung, im obigen Schema z. B. die Hydrolyse von Das Phosphat würde also nicht auf ADP übertragen, sondern als anorganisches Phosphat abgespalten. Es wäre aber auch denkbar, daß unter dem Einfluß des Dinitrophenols der oben erwähnte Kuppelungsfaktor abdissoziert. Es würde dann ein Fermenkomplex mit intaktem System des Elektronentransports zurückbleiben, der aber nicht mehr zur Phosphatübertragung befähigt ist. Die entkoppelnde Wirkung des Arsenats läßt sich wahrscheinlich dadurch erklären, daß es an Stelle des Phosphats in die Reaktionen einbezogen wird, wobei aber die intermediären Verbindungen wegen ihrer großen Labilität spontan zerfallen. Auch bei der Substratphosphorylierung ist eine Entkoppelung möglich: Bei der Oxydation des Triosephosphats wird in Gegenwart von A r s e n i a t dieses letztere an Stelle des Phosphats an die Carboxylgruppe addiert; statt der 1,3-Diphosphoglycerinsäure (Negelein-Ester) entsteht die l-Arseno-3-phosphoglycerinsäure. Das Aoylarseniat ist aber so labil, daß es sofort zerfällt und damit den Ablauf der Reaktion ohne Phosphat und Phosphatakzeptor und ohne begleitende Phosphorylierung ermöglicht.

Wir haben in den vorangehenden Kapiteln unser Augenmerk hauptsächlich auf die Umwandlungen der Substrate gerichtet, wie sie in den verschiedenen Reaktionsreihen und Reaktionscyklen zum Ausdruck kommen. Wir sehen nun, daß, unter dem Gesichtspunkt der Energiegewinnung betrachtet, die Natur der Zwischen- und Endprodukte von sekundärer Bedeutung ist, sofern nur die Dehydrogenasen vorhanden sind, welche die Hydrierung der Cofermente gestatten. Die Reaktionsreihen und -cyklen stellen nur die Maschinerie dar, die dem eigentlichen energieliefernden System den Wasserstoff zuführt. Die Pasteursche Reaktion. Wie wir früher bereits erwähnt haben (S. 281), versteht man darunter die Unterdrückung der anaeroben Gärung bei Zutritt von Sauerstoff. War bürg hat gezeigt, daß nicht der Sauerstoff als solcher wirksam ist; denn wenn man die Atmung durch Kohlenmonoxyd oder Blausäure hemmt, so tritt die Pasteursche Reaktion nicht ein; d. h. die Gärung bleibt erhalten, obwohl der Sauerstoff nach wie vor Zutritt zu den Zellen hat. Es muß also der Atmungsprozeß als solcher oder ein unmittelbar mit ihm verknüpfter Vorgang sein, welcher die Gärung beeinflußt. Wir erwähnen die Pasteursche Reaktion an dieser Stelle, weil sie in einem engen Zusammenhang mit der oxydativen Phosphorylierung steht. Merkwürdigerweise heben nämlich die gleichen Stoffe, welche die oxydative Phosphorylierung entkoppeln, auch die Pasteursche Reaktion auf; so steigt z. B. bei Gegenwart von 2,4-Dinitrophenol die Gärung der Hefe auch bei Sauerstoffzutritt auf den anaeroben Wert an. Dies läßt vermuten, daß zwischen der Phosphorylierung und der Pasteurschen Reaktion ein enger Zusammenhang besteht. Wahrscheinlich wird

Oxydative Phosphorylierung

601

das Verhältnis von Gärung (Glycolyse) und Atmung durch das der Zelle zur Verfügung stehende anorganische Phosphat bestimmt (Lynen; Johnson). Die oxydative Phosphorylierung verbraucht pro Molekül Glucose bedeutend mehr anorganisches Phosphat als die Glycolyse (30 Moleküle statt 4). Die Gärung kann ohne Phosphat nicht ablaufen; außerdem benötigen die glycolytischen Vorgänge zur Dephosphorylierung der Intermediärprodukte (Diphosphoglycerinsäure und Phosphobrenztraubensäure) ADP als Phosphatakzeptor. Die die Atmung begleitende intensive Phosphorylierung verbraucht das anorganische P h o s p h a t und vermindert durch weitgehende „Aufladung" des Adenylsäuresystems die Konzentration der Phosphatakzeptoren. Die Gärung wird also gehemmt. Bei Sauerstoffmangel dagegen steht die oxydative Phosphorylierung still. Die Spaltung des ATP und der übrigen Phosphorsäureverbindungen überwiegt die Synthese. Daher nimmt die Konzentration des anorganischen Phosphats und des DPN zu, und die Gärung kommt in Gang. „Entkoppelung" der oxydativen Phosphorylierung durch Dinitrophenol führt trotz fortdauernder Atmung zum gleichen Resultat: Die Atmung hat jetzt keinen Einfluß auf die Gärung, weil die begleitende Phosphorylierung ausgeschaltet ist; es liegt der Zustand der „aeroben" Gärung vor. Die skizzierte Theorie gibt eine plausible Erklärung für die Abhängigkeit der Gärung von der Atmung. Sie zeigt gleichzeitig, wie in der Zelle der Ablauf der glycolytischen Reaktion durch die oxydativen Vorgänge reguliert werden kann. Der vom Sauerstoff unabhängige Zerfall des Kohlenhydrats wird nur in dem Maße zugelassen, als das Pyruvat (und anderes oxydierbares Material) verbrannt wird. Dadurch ist eine ökonomische Verwertung der Betriebsstoffe gewährleistet1). Wenn auch die obige Theorie die Pasteursche Reaktion im Prinzip wohl richtig erklärt, so scheinen doch noch andere Vorgänge in den Mechanismus einzugreifen, der Atmung und Gärung miteinander verbindet. Unter anaeroben Bedingungen wird von der Hefe bedeutend mehr Zucker abgebaut als unter aeroben; da in atmenden Zellen mehr ATP gebildet wird als in gärenden, sollte man eher das Gegenteil erwarten, weil durch Erhöhung der ATP-Konzentration die Hexokinasereaktion begünstigt wird. Lynen weist darauf hin, daß man die verschiedene Lokalisation der Fermentsysteme in der Zelle, d. h. die chemische Organisation der Zelle berücksichtigen muß, wenn man diese Vorgänge verstehen will. Die oxydative Phosphorylierung findet in den Mitochondrien statt; die glycolytischen Enzyme finden sich im Cytoplasma. Es ist daher möglich, daß in der atmenden Zelle Adenosinphosphate vom Cytoplasma nach den Mitochondrien verschoben werden, so daß das Cytoplasma an ATP verarmt2). Möglicherweise sind noch andere Faktoren zu berücksichtigen. Die Adenosinpolyphosphate bilden mit dem Mg + + Komplexe, und zwar nimmt die Affinität zum Metall mit wachsender Länge der Phosphatkette zu. Wenn also bei der Atmung das Adenylsäuresystem phosphoryliert wird, so kann mehr Mg + + gebunden werden; möglicherweise tritt Mg++ vom Cytoplasma in die Mitochondrien über. Da die Hexokinase ein Mg-abhängiges Enzym ist, könnte ihre Aktivität auch auf diese Weise herabgesetzt werden3). Vgl. Lynen, Liebigs Ann. 546, 120 (1941); Johnson, Science 94, 200 (1941); Lennerstrand, Naturwiss. 25, 347 (1937). 2 ) Lynen, Conférences et Rapports, 3m® Congrès Internat, de Biochimie, Bruxelles 1956, S. 294. Liège 1956; Lynen, in 8. Coll. d. Ges. f. physiol. Chem., Mosbach/Baden 1957, S. 155. Berlin, Göttingen und Heidelberg 1958. 3 ) Raaflaub, Helv. physiol. Acta 14, 304 (1956).

Die Bedeutung der Phosphatbindung

502

Zellsubstanz Fettsäuren

Aminosäuren

Zucker

Hydrolyse

Proteine, Lipide,

Glycogen Nudeinsäuren.etc.

'S "6

phosphorylierte Jntermediärstufen

-Sc ' 9

Qj "Sl •S * c: J?

1

Aminosäuren, Molekülfragmente,

Zucker etc

Abb. 50. S c h e m a t i s c h e D a r s t e l l u n g d e s P h o s p h a t c y k l u s u n d d e s Z u s a m m e n h a n g s zwischen den energieliefernden Abbaureaktionen und den energieverbrauchenden b i o c h e m i s c h e n S y n t h e s e n . ~ p h bedeutet „energiereiche" Phosphatgruppen. Bei der oxydativen Phosphorylierung durch den Citratcyklus sind mehrere parallele Pfeile eingezeichnet um anzudeuten, daß bei der Oxydation mehr energiereiche Phosphatbindungen gebildet werden können als bei der Glycolyse. Nach W a r b u r g ist bei den Krebszellen die oxydative Phosphorylierung infolge einer Schädigung des respiratorischen Systems so schwach, daß die genannten Begulationsvorgänge nicht mehr funktionieren. E s kommt daher zur charakteristischen aeroben Gärung 1 ).

Im Schema Abb. 50 wird versucht, den Zusammenhang zwischen energieliefernden Prozessen, Phosphorylierung und energieverbrauchenden Prozessen anschaulich darzustellen. 6. ATP- und Coenzym A-abhängige Vorgänge A. Die Bolle des ATP und der organischen Phosphate bei biochemischen Synthesen

Das durch die oxydative oder glycolytische Phosphorylierung gebildete ATP enthält potentielle chemische Energie in einer Form, welche die Zelle für alle möglichen Leistungen immittelbar verwerten kann. Wir haben verschiedene Reaktionen, die vom ATP abhängig sind, in den vorangehenden Kapiteln bereits besprochen. Wir wollen im folgenden auf einige dieser Reaktionen zurückkommen und sie noch einmal im Lichte der neu gewonnenen Erkenntnisse betrachten. !) Vgl. W a r b u r g , Naturwiss. 41, 485 (1954); 42, 401 (1955).

ATP- und Coenzym A-abhängige Vorgänge

503

a) Umsetzungen der P o l y p h o s p h a t e . Bei den ATP-abhängigen Reaktionen wird entweder die endständige Phosphatgruppe auf eine andere Verbindung übertragen (in selteneren Fällen auch ein Pyrophosphatrest) oder es wird aus der Triphosphatkette Pyrophosphat abgespalten, wobei der Adenylsäurerest in eine neue Bindung eingeführt wird. Im ersten Fall entsteht ADP, das wieder zu ATP phosphoryliert (energetisch aufgeladen) werden kann. Trotzdem das ADP, soviel wir heute wissen, das ATP bei keiner Fermentreaktion direkt vertreten kann, ist doch die Ausnützung seiner labilen Phosphatgruppe möglich. Es ist nämlich in verschiedenen Geweben (Muskel, Leber, Niere) ein Ferment nachgewiesen worden, welches durch D i s m u t a t i o n aus zwei Molekülen ADP wieder ATP entstehen läßt. Die Reaktion ist umkehrbar: 2 ADP

,

2 Adenosindiphosphat

AMP

+

Adenosinmonophosphat

ATP Adenosintriphosphat

Dieses von Colowick und K a l c k a r entdeckte Ferment heißt My okinase (auch A D P - P h o s p h o m u t a s e oder A d e n y l a t - K i n a s e ) . Da die beiden Pyrophosphatbindungen des ATP völlig gleichwertig sind und da bei der Myokinasereaktion eine solche Bindung gelöst und eine neue gebildet wird, ist angenähert _ (AMP) (ATP) _ ~ (ADP)2

1

dies bedeutet, daß vom ADP ausgehend sich ein Gleichgewichtszustand einstellt, in dem gleichviel AMP, ADP und ATP nebeneinander vorhanden sind. Entsprechend dem Wert von k — 1 ist für die obige Reaktion a G 0 = 0.

Auf diese Weise können bei jeder für ATP spezifischen Reaktion die beiden energiereichen Phosphatgruppen in die Reaktion einbezogen werden. Sei z. B . X ein beliebiger Phosphatakzeptor, so lassen sich die Reaktionen folgendermaßen formulieren (P = Phosphorylgruppe): 2(Ad-P~P~P) + 2X 2(Ad-P~P)

• 2(Ad-P~P) + 2(X-P) • Ad-P + (Ad-P~P~P)

Bilanz: (Ad-P~P~P) + 2X

• Ad-P + 2(X-P)

Die Bilanz des Vorgangs sieht also so aus, als ob ein Molekül ATP mit seinen beiden labilen Phosphatgruppen unter Bildung von Adenylsäure reagiert hätte. Ähnlich liegen wahrscheinlich die Verhältnisse bei der Bildung des ATP aus dem Monophosphat (der Adenylsäure). Man kann experimentell zeigen, daß AMP bei der oxydativen oder glycolytischen Phosphorylierung als Phosphatakzeptor funktioniert und ATP liefert; man könnte also annehmen, daß zuerst ein Phosphatrest unter Bildung von ADP und dann der zweite unter Bildung des ATP angelagert würde. Versuche mit P (32) haben eindeutig gezeigt, daß in Wirklichkeit immer nur das ADP das anorganische Phosphat aufnimmt. Bei Gegenwart von Myokinase kann aber, wie man leicht sieht, die Adenylsäure trotzdem phosphoryliert werden, sofern nur zu Beginn eine kleine Menge ATP vorhanden ist. Dieses reagiert mit der Adenylsäure unter Bildung von Diphosphat; das letztere geht durch Addition von anorganischem

504

Die Bedeutung der Phosphatbindung

Phosphat in ATP über, welches mit der Adenylsäure wieder Diphosphat liefert und so fort, bis alle Adenylsäuren zu ATP phosphoryliert ist. Auch hier reagiert bilanzmäßig anscheinend 1 Molekül Monophosphat mit 2 Molekülen anorganischem Phosphat (oder einem organischem Phosphatdonator) unter Bildung von 1 Molekül Triphosphat. Neben der Myokinase gibt es, wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, auch Fermente, die den terminalen Phosphatrest zwischen v e r s c h i e d e n e n Nucleosidpolyphosphaten verschieben. Dazu gehört das S. 270 erwähnte Enzym, welches den endständigen Phosphatrest des Guanosintriphosphats auf das Adenosindiphosphat überträgt (GTP-ADP-Kinase). Ebenso ist eine Kinase bekannt, die Phosphat zwischen den Polyphosphaten des Uridins, Inosins und Adenosins verschiebt (Nucleosid-diphosphat-Kinase, „Nudiki"). Beispiel: Uridin—ph—ph—ph + Adenosin—ph—ph

,

"*"

Uridin—ph—ph -f- Adenosin—ph—ph—ph.

Man kann aus verschiedenen neueren Beobachtungen schließen, daß bei Transphosphory lierungen neben den Phosphaten des Adenosins wahrscheinlich auch solche anderer Nucleoside eine Bolle spielen. Beispiel S. 270u. 276. Die genannten Kinasen stellen die Verbindung mit dem Adenylsäuresystem her 1 ). Zu den Kinasen muß auch ein Enzym gezählt werden, das von H o f f m a n n - O s t e n h o f in der Hefe nachgewiesen worden ist. Es unterscheidet sich von den bisher genannten Fermenten dadurch, daß es einen Phosphatrest aus anorganischem M e t a p h o s p h a t auf ADP überträgt ( M e t a p h o s p h a t k i n a s e ; M e t a p h o s p h a t - A D P - T r a n s p h o s p h o r y läse): ( N a P 0 3 ) n + 1 + ADP



(NaPO s )„

+ ATP

Die obige Reaktion konnte durch Verwendung von P ' 8 2 ' -Metaphosphat bewiesen werden 2 ). Metaphosphate sind in verschiedenen Pilzen nachgewiesen worden (Aspergillus niger, Hefe). Sie könnten daher bei diesen Organismen, auf Grund der obigen Fermentreaktion, als Speicher energiereicher Phosphatbindungen dienen und würden demnach hier eine ähnliche Funktion erfüllen wie die Phosphagene (Kreatin- und Argininphosphat) im tierischen Organismus. Die umgekehrte Reaktion, Bildung von Metaphosphat aus ATP konnte allerdings noch nicht nachgewiesen werden.

Alle Kinasereaktionen, d. h. alle Phosphatverschiebungen, an denen ATP beteiligt ist, scheinen vom Magnesiumion abhängig zu sein. Wir haben früher schon bemerkt, daß es sich immer um Verschiebungen des Phosphorylrests —P0 3 H, handelt. Eine gewisse Verwandtschaft mit den eben angeführten Reaktionen zeigen die auf S. 474 und S. 306 besprochenen reversiblen Spaltungsreaktionen der Pyridinund Uridincofermente, bei denen unter Spaltung einer Pyrophosphatbindung eine neue gebildet wird, nach dem folgenden Schema (Kornberg 8 )): Rj—0—P—0—P—0—R 2 + P — 0 — P

» Rj—0—P—0—P—O—P + P—0—R 2 .

Es handelt sich hier um eine „Pyrophosphorolyse" und deren Umkehrung, bei welcher unter Eintritt eines Moleküls Pyrophosphat eine neue Triphosphatkette gebildet wird. Da die gespaltenen und neu gebildeten Bindungen gleichwertig sind, !) K a l c k a r , Science 119, 479 (1954). a ) H o f f m a n n - O s t e n h o f u. Mitarb., Biochim. Biophys. Acta 14, 286 (1954). ) Vgl. K o r n b e r g , in M c E l r o y u. G l a s s : Phosphorus metabolism. Vol. I, S. 392. Baltimore 1951. 3

ATP- und Coenzym A-abhängige Vorgänge

505

liegen wie bei der Myokinase die Gleichgewichtskonstanten nahe bei Eins lind dementsprechend die Werte von AG 0 nahe bei Null. Man hat z. B. für die Reaktion NMN + ATP

J-O. ^ - 0 * - P 0 3 H f + HO- Uridin-O-P-O-P-OH -f Saccharose.

Während bei den Phosphorylasen Glucose-1-phosphat der Donator des Glycosylrests ist, kommt im obigen Beispiel dem UDPG (das als Glucose-1-(Uridyl)phosphat aufgefaßt werden kann) diese Funktion zu. Das ATP wird hier indirekt beim Aufbau des IJTPG verbraucht. >) Cohn, J . biol. Chem. 180, 771 (1949).

ATP- und Coenzym A-abh&ngige Vorginge

507

Währenddem bei der Bildung von Saccharose aus Glucose-1-phosphat und Fructose oder bei der Glycogensynthese ein Phosphatrest (beim zuletzt erwähnten Beispiel ein Uridinpyrophosphatrest) gegen einen Zuckerrest ausgetauscht wird, handelt es sich bei der Transglycosidasereaktion um den Austausch von Zuckerresten zwischen zwei Sacchariden. Die Verschiebung von Aminosäureresten zwischen zwei Peptiden, auf die wir bei der Besprechung der biologischen Peptidsynthese hingewiesen haben, stellt eine analoge Reaktion dar (siehe S. 450). Immer wird durch Vermittlung des Ferments eine Bindung gelöst und eine neue gleichartige gebildet. Es handelt sich also um eine Verschiebung des Zucker- oder Aminosäurerests auf dem gleichen Energieniveau. Die Neubildung einer Glycosidbindung erfordert immer Aufwand von Energie, also die vorausgehende Phosphorylierung des einen Zuckers durch ATP. Ist aber einmal eine glycosidische Bindung gebildet, so kann sie durch Austausch eines Zuckerrests durch eine Gleichgewichtsreaktion in eine andere übergeführt werden. f) S ä u r e a m i d - und P e p t i d b i n d u n g . Wir kennen drei Mechanismen, durch die Peptidbindungen gebildet werden können: 1. Umkehrung der hydrolytischen Spaltung der Bindung durch Proteinasen; 2. Austausch von Aminosäureresten: Transpeptidierung; 3. Synthese aus Carboxyl- und Aminogruppe durch eine ATP-abhängige Reaktion. Da wir diese Reaktionen früher (S. 448 u. ff.) ausführlich besprochen haben, genügt hier ein kurzer Hinweis. Für den ersten Fall, die Umkehrung der H y d r o l y s e , ist die Lage des Gleichgewichts zwischen Peptid und Spaltprodukten von wesentlicher Bedeutung. Für die Hippursäuresynthese hat man eine Änderung der freien Energie AG 0 = +3000 cal. berechnet (Huffman), was bei einer Konzentration der Spaltstücke von 0,01 Mol/1 einer Synthese von nur etwa 1% entspricht. Es scheint nun allerdings, daß für gewisse Peptidbindungen AG 0 viel weniger positiv ist. So hat man z. B. für die Reaktion Benzoyl-L-Tyrosin + Glycinamid


A d e n o s i n - 0 - P - 0 - S 0 3 H + P - O - P

I

O-P

Die aktivierte Kohlensäure haben wir bei Besprechung des Abbaus der Isovaleriansäure kennengelernt. Sie ist eine Verbindung der Kohlensäure mit dem B i o t i n (S. 391). Auf die aktivierte Schwefelsäure werden wir bei Behandlung der konjugierten Schwefelsäuren zurückkommen (S. 626). In ähnlicher Weise erfolgt wahrscheinlich auch die Aktivierung der Aminosäuren bei der Eiweißsynthese. Es spricht alles dafür, daß hier wie bei der chemischen Peptidsynthese die Carboxylgruppe reaktionsfähig gemacht wird. Wahrscheinlich bildet sich ein Anhydrid aus Adenylsäure und Aminosäure wie oben: Adenosin - 0 - P - 0 - COCH(NH2)R ,

das mit der NH2-Gruppe einer anderen Aminosäure unter Bildung einer Peptidbindung reagieren kann. Die obige Struktur der aktivierten Aminosäuren wurde allerdings auf indirektem Weg abgeleitet und ist nicht endgültig bewiesen. Bei der Glutathionsynthese wird aus dem ATP Phosphat und nicht Pyrophosphat abgespalten. Es scheint, daß hier die Aktivierung der Carboxylgruppen nach einem etwas anderen Mechanismus erfolgt, aber ebenfalls durch Bildung eines Acylphosphats1).

Wir müssen hier auch das früher besprochene C a r b a m y l p h o s p h a t HjOJP—O—CO(NH a )

erwähnen, welches als aktivierte Carbaminsäure aufgefaßt werden kann. Es liefert, wie wir gesehen haben, die Carbamidgruppe für die Synthese des Citrullins wie auch des Pyrimidinrings (S. 435 und 472). Über die Bildung des Carbamylphosphats ist nur soviel bekannt, daß sie ATP benötigt; ihr Mechanismus ist noch nicht aufgeklärt. Die aktivierte Ameisensäure stellt, wie wir sehen werden, eine Verbindung des Formylrests mit Tetrahydrofolsäure dar (S. 798).

Die Aktivierung von Carbonsäuren kann noch auf ganz andere Weise erfolgen, nämlich durch Bildung eines Thioesters mit dem CoenzymA. Da die SH-Gruppo eine schwache Säure ist, handelt es sich auch hier um eine Verbindung vom Charakter eines gemischten Säureanhydrids. Wir haben in der aktivierten Essigsäure das wichtigste Beispiel für diesen Verbindungstypus kennengelernt und wollen im nächsten Abschnitt die CoA-abhängigen Reaktionen noch einmal zusammenfassend betrachten. J

) Vgl. W i e l a n d , Adv. Enzymol. 19, 254 (1957).

ATP- und Coenzym A-abh&ngige Vorgänge

511

B. Coenzym A-abhängige Reaktionen: Acetylierung, Citronensänre- nnd Fettsäuresynthese

Wir haben in früheren Kapiteln an verschiedenen Beispielen die Rolle des Coenzyms A besprochen und gezeigt, daß die reaktionsfähige Form der Essigsäure (die „aktivierte" Essigsäure) die S-Acetylverbindung des Coenzyms A ist. Der an Schwefel gebundene Acetylrest kann durch besondere Fermente auf andere Verbindungen übertragen werden. Die Acetylmercaptanbindung gehört zu den energiereichen Bindungen. Die z. Z. besten Bestimmungen für AG' (pH = 7,0) der Reaktion Aoetyl-CoA + H 2 0

>• Acetat" + CoA + H+

1

ergeben Werte um —8000 cal. ) (ältere Berechnungen hatten zu einem etwas höheren Wert von etwa 12000 cal. geführt). Wenn daher die freie Essigsäure reaktionsfähig gemacht werden soll, muß sie erst unter Energieaufwand in die Coenzym A-Verbindung übergeführt werden. Dazu ist ATP nötig. Wir werden auf den Mechanismus dieser Reaktion gleich zu sprechen kommen. Die aktivierte Essigsäure kann aber auch beim oxydativen Abbau der Brenztraubensäure und der Fettsäuren direkt gebildet werden. Die Abspaltung des Acetylrests erfolgt unter Aufnahme von Coenzym A. Die Energie für die Bildung des Acetylmercaptans wird durch den Spaltungsvorgang selbst geliefert. Sie ist mit demselben energetisch gekoppelt. Die fraglichen Verbindungen können daher in Gegenwart der geeigneten Fermente ( T r a n s a c e t y l a s e n ) 2 ) als A c e t y l d o n a t o r e n wirken. Wir wollen hier die wichtigsten vom Coenzym A abhängigen Vorgänge noch einmal zusammenfassend betrachten. Die Acetylübertragung durch das Coenzym A ist eine der grundlegenden Reaktionen des Intermediärstoffwechsels, die bei vielen biochemischen Synthesen eine Rolle spielt. Als Beispiel einer Acetylierung kann die Bildung des Acetylcholins aus Cholin und Acetat dienen. Das Fermentsystem, das diese Reaktion bewirkt, findet sich z. B. in Gehirnextrakten. Es war schon lange bekannt, daß die Acetylcholinsyntliese im Gehirn mit der Atmung verknüpft ist (Quastel) 3 ). Später zeigte N a c h m a n sohn 4 ), daß die Synthese vom ATP abhängt. Nach der Entdeckung des CoA konnte der Verlauf der Reaktion abgeklärt werden. In einer ersten, ATP-abhängigen Stufe wird offenbar Acetyl-CoA gebildet, das den Acetylrest bei Gegenwart einer Acetylkinase auf das Cholin überträgt 6 ): [CoA] — S — COCHs + HO-CH2CH2-N(CH3)3

aktivierte Essigsäure

+

i C o A ] " S H + CHsCO.O-CHaCH,.N(CHs)3 Acetylcholin

Es entsteht nun die wichtige Frage, auf welche Weise das Acetat unter Ausnützung der freien Energie der ATP-Spaltung aktiviert, d. h. in das Acetyl-CoA Burton, Biochem. J. 69, 44 (1955). ) Lipmann hat die Fermente, welche den Acetylrest von energiereichen Acetyldonatoren auf Coenzym A übertragen, als Transacetylasen, diejenigen Fermente, welche den Acetylrest von Acetyl-CoA auf Akzeptoren übertragen, dagegen als Acetokinasen bezeichnet. Der Ausdruck „Kinase" wird hier aber nicht im gebräuchlichen Sinn verwendet. Man benennt damit sonst diejenigen Enzyme, welche die endständige Phosphatgruppe des ATP auf andere Verbindungen übertragen. 3 ) Biochem. J. 88, 243 (1938). 4 ) J. Neurophysiol. 0, 397 (1943). 6 ) J. biol. Chem. 198, 215 (1952). 2

512

Die Bedeutung der Phosphatbindung

eingeführt wird. Nach Untersuchungen L i p m a n n s wird bei dieser Reaktion Pyrophosphat gebildet 1 ): ATP + CoA + Acetat


,

Bei Verabreichung dieser Substanz nimmt, sowohl das Prothrombin als auch der Faktor VII allmählich ab. Das Dicumarin wird neben dem Heparin zur Bekämpfung der Thrombose verwendet, wobei es sich darum handelt, durch Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit die Bildung von Blutgerinnseln in den Gefäßen (besonders den großen Venen) zu verhindern.

6. Dio Erythrocyten und der Blutfarbstoff Die roten Blutkörperchen machen normalerweise etwa 50% des Blutvolumens aus. Die Viskosität des Gesamtblutes wird im wesentlichen durch die Erythrocyten bestimmt. Da die Erythrocyten einen von der Blutflüssigkeit verschiedenen Brechungsexponenten besitzen, ist das Blut undurchsichtig, auch wenn es mit physiologischer Salzlösung stark verdünnt wird. Es ist „deckfarben". Werden die roten Blutzellen durch irgendeinen Eingriff zerstört, so daß der Blutfarbstoff austritt und sich in der Flüssigkeit löst, so wird die Lösung durchsichtig („lackfarben"). Die Auflösung der Erythrocyten (Hämolyse) kann auf verschiedenen Wegen zustande kommen, am einfachsten durch Verdünnen des Blutes mit Wasser. In diesem Fall ist die Hämolyse im wesentlichen ein osmotisches Phänomen: die Zellen nehmen aus der umgebenden hypotonischen Lösung Wasser auf, sie quellen und lösen sich schließlich auf. Es gibt aber eine große Zahl von Stoffen, welche durch Veränderung der Zelloberfläche („Membran") hämolytisch wirken. Hierher gehören z. B. die Saponine (pflanzliche Glycoside, deren Aglucone in naher Beziehung zu den Sterinen oder den Triterpenen stehen), gewisse Schlangengifte, Bakteriengifte und schließlich die sog. Hämolysine, eine besondere Art von Antikörpern, die sich im Plasma nach wiederholter Injektion von artfremden Blutkörperchen bilden. Wir können hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Nach dem Austritt des Hämoglobins bleibt die unlösliche Grundsubstanz, das Stroma der Blutkörperchen, übrig. Sie besteht aus einem noch wenig bekannten Protein, dem „Stromatin" (wahrscheinlich ein Glycoproteid), das offenbar das Gerüst und die Membran der Blutkörperchen bildet, und aus Lipiden. Außer dem Hämoglobin, das 95% des Trockengewichtes der Erythrocyten ausmacht, enthalten sie eine ganze Reihe von Fermenten. Wir erwähnen die Kohlensäureanhydrase, die bei der Abgabe der Kohlensäure in der Lunge eine Rolle spielt. J 2

) Korn, Fed. Proc. 17, 257 (1958). ) S p o l t e r u. Marx, Fed. Proc. 17, 314 (1958).

Das Blut

586

die Cholinesterase, die Acetylcholin hydrolytisch spaltet, Phosphatase usw. Da die (kernlosen) Erythrocyten der Säugetiere einen wenn auch sehr schwachen, oxydativen Stoffwechsel und einen glycolytischen Stoffwechsel besitzen, müssen sie auch Atmungs- und Gärungsfermente enthalten. A. Dag Hämoglobin

a) Allgemeine Eigenschaften. Die Ursache der roten Farbe des Blutes ist der in den Erythrocyten vorhandene rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin. Die Erythrocyten enthalten etwa 35% Hämoglobin. Auf das Gesamtblut bezogen macht der Gehalt etwa 16% aus. Das Hämoglobin ist ein P r o t e i d , also ein zusammengesetzter Eiweißkörper, welcher sich durch seinen Eisengehalt auszeichnet. Durch Säuren oder Alkalien gelingt die Spaltung des Chromoproteides in seine beiden Komponenten, das Protein G l o b i n und die Farbstoffkomponente, das H ä m . Aus dem Eisengehalt findet man für das Hämoglobin ein minimales Molekulargewicht von etwa 17000. Die Bestimmung des Molekulargewichtes aus dem osmotischen Druck und durch die Ultrazentrifuge ergibt aber einen Wert von 68000 (Pferdehämoglobin), so daß also ein Molekül 4 Atome Eisen enthalten muß. Das Hämoglobin ist einer der merkwürdigsten Stoffe, den wir kennen. Seine Eigenschaften entsprechen in vollkommener Weise den physiologischen Funktionen, die es zu erfüllen hat. Seine charakteristischen Eigenschaften sind die folgenden: 1. Es addiert in reversibler Reaktion pro Eisenatom ein Molekül Sauerstoff: Hb + 0 , Hämoglobin


- als auch von C(u>- Glycocoll bestätigen. Die Analyse des Porphyrins hat ergeben, daß der Stickstoff und das mit ihm verbundene a-C-Atom des Glycocolls in den Pyrrolring eingebaut werden. Das a-CAtom des Glycocolls liefert auch die Methinbrücken. Es werden also pro Pyrrolkern zwei Moleküle Glycocoll gebraucht, wobei die Carboxylgruppen eliminiert werden8). ') Näheres über die Bindung des Eisens im Hämoglobin, über die Bindung des 0 2 und CO an das Hämoglobin und über seine Acidität in Abhängigkeit von der Sauerstoffbindung vgl. P a u l i n g , Proo.Nat.Acad.Sei., USA., 21, 186 (1935); P a u l i n g u. C o r y e l l , Proc. Nat. Acad. Sei., USA., 22, 159 (1936); C o r y e l l u. P a u l i n g , J . biol. Chem. 132, 769 (1940); P a u l i n g , in R o u g h t o n u. K e n d r e w : Haemoglobin, a Symposium in memory of Sir J . B a r c r o f t , S. 57; London 1949. W y m a n , Adv. Prot. Chem. 4, 407 (1948). 2 ) C r i c k a. K e n d r e w , Adv. Protein Chem. 12, 133 (1957); K e n d r e w , Scientific American 205 No. 6 pag. 96 (1061). Vgl. auch Ann. Rev. Biochem. 30, 557 (1961). ") Vgl. S h e m i n , J. biol. Chem. 198, 827 (1952); Cold Spring Harbor Symp. Quantitative Biol. 13,185 (1948); Symp. on amino acid metabolism (ed. M c E l r o y u. Glass), S. 727; Baltimore 1955. L e m b e r g u. L e g g e , Ann. Rev. Biochem. 19, 445 (1950).

Die Hämatopoese

597

Wie Shemin gezeigt hat, leiten sich die übrigen C-Atome des Porphyrins aus dem Succinat ab, das in Form eines durch Coenzym A aktivierten Derivats, des SuccinylCoA, reagiert1). Schon vorher war festgestellt worden, daß Acetat in das Porphyrin eingebaut wird; dasselbe wird jedoch nicht unmittelbar verwendet, sondern wird über den Citronensäurecyklus umgesetzt. Diese Resultate ergaben sich aus der Lokalisation des C-Isotops im Porphyrin, das aus geeignet markierten Bausteinen (Glycin, Acetat, Succinat) gebildet worden war. Die Synthese geht auch in vitro, in intakten oder hämolysierten Vogelerythrocyten vonstatten. fDie Verteilung des aus dem a-C-Atom des Glycins stammenden Kohlenstoffs im Porphyrin war zunächst schwierig zu verstehen. Den Schlüssel, welcher das Tor zum Verständnis der Synthese öffnete, lieferte die Entdeckung S h e m i n s , daß als Intermediärprodukt zuerst die ( 5 - A m i n o l a e v u l i n s ä u r e (II) gebildet wird (Formeln siehe unten) 2 ). Dieselbe entsteht durch Kondensation von Succinat und Glycin mit gleichzeitiger Decarboxylierung, wobei das Glyoin durch das Pyridoxalphosphat aktiviert wird (vgl. S. 782). Das Enzym wird als ¿¡-Aminolaevulins a u r e - S y n t h e t a s e bezeichnet 3 ). Das Fermentsystem, das diese Synthese bewirkt, ist aus Vogelerythrocyten als Körnchensuspension gewonnen worden; es ist also strukturgebunden und wahrscheinlich in denMitochondrien lokalisiert. Man hat aber aus Bakterien (Rhodopseudomonas) auch ein lösliches Enzymsystem isoliert 4 ). Zwei Moleküle ¿-Aminolaevulinsäure kondensieren sich anschließend zu einem Pyrrolderivat, dem P o r p h o b i l i n o g e n (III). (Diese Substanz war schon vor längerer Zeit von W a l d e n s t r ö m im Urin von Porphyrie-Patienten nachgewiesen worden.) Das Enzym, das diese Kondensation durchführt, ist weit verbreitet (Bakterien, Hefe, grüne Pflanzen, tierisohe Organe). Es ist als (5-Aminolaevulinsäure-dehydratase bezeichnet worden 5 ). COOH—GH,—GHj—COOH + H 2 N—C*H 2 —COOH

(I)

Pyridoxalphosphat COOH—CHj—CH,—C—C*H.—NH. + II 0 COOH 1 1 c h 2

COOH 1 1 CEL 1 CHj 1 c = o

1 c h +

HjN-/

2

1 C = 0 1 c * h

2

COOH I CHj I C— II H 2 N—C*Hj—C

CO,

(ii)

COOH I CH, CHj

(in)

C Porphobilinogen II C*H

Porphobilinogen ist der unmittelbare Vorläufer der Porphyrine. Man sieht leicht, daß 4 Moleküle unter Ammoniakabspaltung sich zu einem Porphyrin vereinigen können. Beim Bebrüten von Porphobilinogen mit Hämolysaten aus Vogelerythrocyten 1

) S h e m i n , J . biol. Chem. 198, 827 (1952). ) J . Am. chem. Soc. 75, 4873 (1953). Vgl. ferner F a l k , D r e s e l u. R i m i n g t o n , Nature 172, 292, 1185 (1953). 3 ) S c h u l m a n u. R i c h e r t , J . Am. Chem. Soc. 77, 640 (1955). *) L a r v e r u. Mitarb., Biochem. J . 70, 4, 71 (1958); S h e m i n u. Mitarb., J . biol. Chem. 233, 1214 (1958). 5 ) G i b s o n u. Mitarb., Biochem. J . 58, X L I (1954); S h e m i n n. Mitarb., Fed. Proc. 17, 310 1958); G r a n i c k u. Mitarb., J . biol. Chem. 232, 1101, 1119, 1141 (1958). 2

598

Das Blut

oder Enzymlösungen aus Pflanzen hat man die Bildung von Uro-, Kopro- und Protoporphyrin IH oder Uroporphyrin I beobachtet1). Porphobilinogen kann aber auch sehr leicht auf nicht enzymatischem Weg, z. B. durch Erwärmen mit Säuren, zu Uroporphyrin kondensiert werden. Wir haben schon früher erwähnt, daß in der Natur hauptsächlich die Porphyrine vorkommen, welche zum Typus des Ätioporphyrins III gehören. Der Typus I ist viel seltener (vgl. S. 612). Aus der Art der Entstehung der Porphvrine, aus dem Porphobilinogen, kann man schließen, daß das erste Kondensationsprodukt sehr wahrscheinlich ein Uroporphyrin ist. Die Fermente, welche die Überführung des Porphobilinogens in Porphyrine bewirken, sind in tierischen und pflanzlichen Zellen — Vogelerythrocyten, Leber, Weizenkeimlinge, Blätter, Chlorella — nachgewiesen worden. Aus dem Porphobilinogen entstehen zunächst farblose Vorstufen der Porphyrine, die sog. P o r p h y r i n o g e n e , die durch Oxydation in die eigentlichen Porphyrine übergehen. Als erstes Kondensationsprodukt ist Uroporphyrinogen faßbar, welches durch eine Decarboxylase in Koproporphyrinogen umgewandelt wird (Verkürzung von 4 Propionsäure-Seitenketten zu Essigsäure-Seitenketten). Aus dem letzteren kann durch Verkürzung von zwei weiteren Seitenketten das Protoporphyrin entstehen.

E

Pr

-Pr V-NH BN-f KjC CHj J NH HN—I . / J_c—L H, Pr

- 4 CO,

Y NH HN I

CH37J-C4-

E

Pr

Pr

Urophorphyrinogen H I

CH3—^

C — C H = C H ,

H2C CHJ —+0' I NH HN-I J-C-L \ - 0 H , HJ X / I

C H

Pr

»

3

— Y — C H = C H 5

\|PNH HC

/ CH HN-J CH,-/ J=C—I X / H X /

I

N-

I PR

Protoporphyrinogen m

CH3

Koproporphyrinogen I I I

NH W — F

PR

- 2 CO, - 4H

PR

CHA

I PR

Protoporphyrin I I I

!) N e u b ö r g e r u. S c o t t , Nature 172, 1093 (1953); D r e s e l u. F a l k , Nature 172, 1185 (1953); F a l k u. Mitarb., Nature 172, 292 (1953); S h e m i n , J . Am. ehem. Soc. 76, 1204 (1954). G r a n i o k , J . biol. Chem. 232,1119 (1958).

Die Hämatopoese

599

Das folgende Schema (nach Dresel u. Falk 1 )) soll veranschaulichen, in welcher Weise auf Grund der entwickelten Anschauung die verschiedenen Porphyrine entstehen könnten. X bedeutet die farblose Vorstufe der Porphyrine; die in Klammern dahinterstehende Zahl bedeutet die Zahl der Carboxylgruppen, PBG = Porphobilinogen. PBG

1

X'(8)

• X(8)

I

• X(7)

• X(6)

• X(5)

• X(4)

• X(3)

j

Uroporphyrin III

• X(2)

I

Häm

j

Koproporphyrin III

Protoporphyrin 9 2 )

—• Uroporphyrin I • Koproporphyrin I Auf welche Weise die Kondensation der vier Porphobilinogenmoleküle zum Porphyrin oder, primär, zum Porphyrinogen zustande kommt, ist noch nicht bekannt. Bei der Hämatopoese scheint ein Überschuß von Porphyrinen gebildet zu werden, der als Stercobilin ausgeschieden wird. Wenn man N(i6)-Glycocoll verabreicht, so erscheint nach kurzer Zeit das Stickstoffisotop im Stercobilin der Fäces und verschwindet dann wieder. Erst nach 3—4 Monaten, d. h. nach Ablauf der mittleren Lebensdauer der Erythrocyten, erscheint es wieder in größeren Mengen. Dieses zweite Maximum entspricht der Zerstörung der Erythrocyten, in deren Hämoglobin das markierte Glycin aufgenommen worden war. Das erste Maximum muß dadurch zustande gekommen sein, daß das neugebildete Porphyrin oder Häm z. T. sofort in Gallenfarbstoff verwandelt und ausgeschieden wurde3). b) Eisenbedarf and Eisenstoffwechsel. Wenn Hämoglobin gebildet werden soll, muß eine genügende Menge Eisen vorhanden sein. Die Eisenzufuhr mit der täglichen Nahrung ist eher knapp, und daher ist auch Eisenmangel die häufigste Ursache der Anämie. Verglichen mit der Eisenmenge, die als Hämoglobin im Blut kreist oder als Myoglobin im Muskel vorhanden ist, ist die Eisenreserve der Gewebe (Leber, Milz usw.) nur klein. Beim Hund hat man die folgende Verteilung gefunden (Hahn 4 )): % des gesamten Eisens Hämoglobin 57 Myoglobin 7 Totales Hämoglobin 64 Fermenteisen in den Geweben (Cytochrom usw.) . 16 Reserveeisen in Leber, Milz und Knochenmark . . 15 Reserve in den übrigen Geweben 5 36 Wenn man beim Menschen eine ähnliche Verteilung annimmt und die gesamte Hämoglobinmenge zu 700 g ansetzt, so würde die Eisenreserve noch die Bildung von weiteren 200—250 g Hämoglobin gestatten. Größere Eisenverluste, wie sie durch Blutungen entstehen, können daher aus der Eisenreserve nur unvollständig gedeckt werden. Der Hämoglobingehalt des Blutes ist bei der Frau im Durchschnitt etwas niedriger als beim Mann. Wahrscheinlich sind die menstruellen Blutungen eine Hauptursache dieses Defizits. Aus dem gleichen Grund sind auch Eisenmangelanämien bei der Frau häufiger als beim Mann. !) Dresel u. Falk, Biochem. J. 63, 388 (1956); Bogorad, J. biol. Chem. 233, 501, 510, 516 (1958). 2) Vom Protoporphyrin, das 4 Methyl, 2 Vinyl und 2 Propionsäure-Seitenketten besitzt, gibt es, je nach Stellung der Seitenketten, 15 Isomere. 1955. Weitere Literatur über die Häminsynthese vgl. Zeile, Zschr. Angew. Chemie 66, 729 (1954). 3 ) Neubörger u. Mitarb., Nature 165, 948 (1950). 4 ) Hahn, Fed. Proc. 7, 493 (1948).

600

Das Blut

Das Eisen wird besser in Form von Ferrosalzen als in Form von Ferrisalzen absorbiert. Es scheint auch, daß im Darm Ferrisalze zu Ferrosalzen reduziert werden können. Ein Teil des Nahrungseisens ist komplex gebunden; der verwertbare Anteil kann bedeutend niedriger sein als die Gesamtmenge. Dank der hohen Acidität des Magensafts geht ein Teil des gebundenen Eisens in Lösung. Hämatineisen kann nur zu einem kleinen Teil verwertet werden. Daher bedeuten Blutungen in den Darm für den Körper einen fast ebenso großen Eisenverlust wie Blutungen nach außen. Das Eisen nimmt, was seine Absorption im Darm betrifft, eine Sonderstellung ein. Die Aufnahme des Eisens hängt vom Bedarf des Organismus ab (Whipple). Ist der Bedarf groß, z. B. bei Eisenmangelanämien, so wird viel Eisen aufgenommen; verfügt der Organismus über genügende Reserven, so wird bei gleichem Angebot nur wenig absorbiert. Der Eisenbestand des Körpers wird im wesentlichen durch Anpassung der Aufnahme und nicht der Ausscheidimg reguliert, die normalerweise sehr klein ist. Die Aufnahme des Eisens und seine Verteilung im Organismus läßt sich in besonders schöner Weise durch Verwendung von radioaktivem Eisen verfolgen. (Die meisten Versuche wurden mit dem Isotop Fe durchgeführt, dessen Halbwertzeit 47 Tage beträgt.) Viele Fragen des Eisenstoffwechsels konnten erst nach Einführung der Isotopentechnik in befriedigender Weise beantwortet werden1). Bei der Aufnahme des Eisens im Darm und bei seiner Speicherung in Milz und Leber scheint ein eisenhaltiges Protein eine wichtige Rolle zu spielen, das sog. Ferritin (entdeckt 1937 von Laufberger in der Pferdemilz)1). Das Ferritin ist durch seinen hohen Eisengehalt ausgezeichnet, der etwa 23% beträgt. Man findet es in der Darmschleimhaut, dem Knochenmark, der Milz und der Leber, also denjenigen Organen, die an der Aufnahme des Eisens, der Bildung oder der Zerstörung des Hämoglobins beteiligt sind. Die übrigen Organe (mit Ausnahme der Testes) scheinen kein Ferritin zu enthalten. Das Ferritin kann aus den Organextrakten durch Fällung mit Cia.dmiiimHiilfa.t-, leicht in Form gut ausgebildeter octaedrischer Kristalle erhalten werden, die braun gefärbt sind. Die Kristallisation gelingt sogar auf dem Objektträger, wenn man das zerriebene Gewebe mit CdS04 behandelt. Das Eisen ist im Ferritin als basisches Ferriphosphat enthalten. Nach Reduktion zur Ferroform mit Hydrosulfit bei pH 4,6 kann es dem Protein durch Komplexbildner (a,a'-Dipyridyl) entzogen werden. Das eisenfreie Protein, das A p o f e r r i t i n , bildet Kristalle von genau gleicher Form wie das Ferritin, die aber farblos sind. Bs ist bisher nicht möglich gewesen, das Apoferritin wieder mit Eisen zu vereinigen.

Die Funktion dieses merkwürdigen Proteins scheint in der Speicherung des Eisens zu bestehen, das im Darm aufgenommen wird oder in den Geweben beim Zerfall des Hämoglobins frei wird. Nach Verfütterung von Eisensalzen läßt sich in der Darmschleimhaut Ferritin in großer Menge nachweisen, während sonst nur wenig vorhanden ist. Besonders aufschlußreich sind Versuche mit radioaktivem Eisen. Nach Injektion von radioaktivem Eisen (als Ferricitrat) konnte man beim Hund 80% der Radioaktivität im Ferritin der Leber nachweisen, während die Milz fast kein Eisen aufgenommen hatte. Radioeisen wird rasch in das Hämoglobin der neu entstehenden roten Blutkörperchen eingebaut. Werden solche Blutkörperchen einem anderen Tier injiziert, so ist nach deren Zerstörung das radioaktive Eisen im Ferritin der Milz und der Leber nachweisbar8).

Die Annahme liegt nahe, daß in den Geweben Apoferritin vorhanden ist, welches das Eisen unter Bildung von Ferritin aufnimmt, und festhält. Es ist aber noch nie gelungen, vor der Verfütterung von Eisen nennenswerte Mengen von Apoferritin oder Ferritin in einem Gewebe nachzuweisen. Es scheint vielmehr, daß das Protein *) H a h n , Fed. Proc. 7, 493 (1948); Adv. med. biol. Physios 1, 287 (1948). ) L a u f b e r g e r , Bull. Soc. Chim. BioL 19, 1575 (1937). 8 ) Hahn u. Mitarb., J. biol. Chem. 150, 407 (1943).

2

601

Die Hämatopoese

erst dann gebildet wird, wenn durch Absorption aus dem Darm oder Zerfall von Hämoglobin Eisen auftritt. Wahrscheinlich wird das basische Eisensalz während der Entstehung des Proteinmoleküls in dasselbe eingebaut. Das Eisen scheint auf irgendeine Weise die Ferritinbildung anzuregen. Wird das Eisen verbraucht, so verschwindet auch das Ferritin wieder. Möglicherweise wird das Molekül unter Freisetzung des Eisens sogleich wieder abgebaut. Wie dem auch sei, die Aufnahme des Eisens im Darm erscheint im Lichte dieser Tatsachen als ein spezifischer Prozeß, und die Anpassung der Absorption an den Bedarf wird verständlich, wenn man nur annimmt, daß die Fähigkeit der Gewebe zur Bildung des Ferritins begrenzt ist. Das aus dem Darmlumen in die Zellen der Darmschleimhaut eintretende Eisen wird sofort als Ferritin fixiert; dadurch wird ein Konzentrationsgefalle so lange aufrechterhalten, bis die Ferritinbildung ihre Grenze erreicht hat; dann hört die Absorption auf. Durch Vermittlung des Blutes stehen die Ferritindepots der verschiedenen Gewebe miteinander im Gleichgewicht. Das Blutplasma enthält eine kleine Menge Eisen, das sog. Serumeisen (vgl. die Tab. auf S. 562), das, wie oben erwähnt wurde, in Form eines spezifischen Globulinkomplexes vorhanden ist. Das Serumeisen hat trotz seiner geringen Konzentration (etwa 0,1 mg/100 ccm) physiologisch eine große Bedeutung, weil es die Transportform des Eisens darstellt. Die Höhe des Serumeisenspiegels ist ein Maß für den gesamten Eisenvorrat des Organismus (Heilmeyer). Er sinkt bei Eisenmangel auf kleine Werte ab. Umgekehrt kann er stark ansteigen, wenn die Verwertung des Eisens gestört ist (z. B. bei der perniziösen Anämie). Diese Verhältnisse sind leicht verständlich, wenn man das Gleichgewicht Ferritin-Serumeisen betrachtet: bei niedrigem Eisenbestand des Körpers können Leber, Milz und Knochenmark alles Eisen als Ferritin binden. Je weiter die Eisenspeicher vom Zustand maximaler Sättigung entfernt sind, desto geringer wird auch die im Blutplasma kreisende Eisenmenge sein. Wird umgekehrt die maximale Kapazität der Speicher erreicht, so kann nicht mehr alles Eisen als Ferritin festgehalten werden und die Eisenkonzentration im Blutplasma steigt an. Das folgende Schema (in Anlehnung an Granick und Hahn) gibt die Beziehungen zwischen den Speichern und dem zirkulierenden Eisen in vereinfachter Form wieder: Knochenmark

Nahrung

Darmlumen

Zellen der Darmschleimhaut

Ferritin Fe+++

F e + + —>- Hb

.J Erythrooyten

r L

j

!

Fe++

, !

Ferritin Fe+++

L

._ . Milz Leber

JJ

Dank der Fähigkeit der Milz und der Leber, das Eisen (wohl im wesentlichen als Ferritin) zu fixieren, kann das bei Zerstörung der roten Blutkörperchen frei werdende

602

Das Blut

Eisen immer wieder zur Hämoglobinsynthese verwertet werden. Es besteht daher im Körper ein ständiger Kreislauf des Eisens, der im obigen Schema durch die dick ausgezogenen Pfeile angedeutet ist. Die Eisenverluste des Körpers durch Exkretion sind sehr gering. Durch die Niere wird praktisch kein Eisen ausgeschieden; auch der Eisengehalt der Fäces ist sehr gering. Eine kleine Menge ist in der Galle vorhanden; doch ist unbekannt, wie weit dieses Eisen wieder rückresorbiert wird. Größere Eisenverluste treten immer nur durch Blutungen auf. _ Bei Blutzerfall in den Geweben findet sich oft ein braunes Pigment, das von phagocytierenden weißen Blutzellen aufgenommen wird, das sog. Hämosiderin. Es handelt sich um einen eisenhaltigen Körper, denn er gibt mit Salzsäure und Ferrocyanid behandelt eine starke Berlinerblaureaktion. Über die Beziehungen dieses Pigments zum Ferritin ist wenig Sicheres bekannt.

Für den Erwachsenen wird eine tägliche Eisenzufuhr von etwa 12 mg als optimal angesehen. Wahrscheinlich kommt der Mann mit einer kleineren Menge aus. c) Die Bedentang des Kupfers für die Hämoglobinbildang. Merkwürdigerweise ist die Milch sehr arm an den lebenswichtigen Schwermetallen, insbesondere auch an Eisen. Wie B u n g e in seinen klassischen Untersuchungen gezeigt hat, führt aber das neugeborene Tier in seiner Leber einen Eisenvorrat mit, der während der Säugeperiode den Bedarf zu decken vermag. Eine länger dauernde Ernährung des jungen Tieres mit Milch führt zu einer Anämie. Es hat sich aber gezeigt, daß man diese Anämie durch Zufütterung von Eisen allein nicht heilen kann, sondern daß außerdem noch kleine Mengen Kupfer nötig sind (Elvehjem). Das Kupfer muß also irgendwie in die Hämoglobinbildung eingreifen; wahrscheinlich ist es Bestandteil eines Wirkstoffes. Auch die Bildung anderer Häminpigmente scheint von der Gegenwart des Kupfers abhängig zu sein. Bei den durch ausschließliche Ernährung mit Milch anämisch gewordenen Ratten ist auch die Cytochromoxydase in Leber und Herzmuskel stark vermindert (M. 0 . Schultze). Die Aktivität des Ferments steigt wieder auf den normalen Wert an, wenn Kupfer zugeführt wird. Offenbar ist die kleine Eisenmenge, die zur Bildung des Ferments nötig ist, stets greifbar, auch wenn die Reserve zur Bildung des Hämoglobins längst nicht mehr ausreicht1). d) Andere Nahrungsfaktoren. Es sind eine Reihe von Faktoren bekannt, welche die Blutbildung mehr oder weniger deutlich beeinflussen. An sich kann natürlich ein Mangel aller jener Stoffe, die für den normalen Ablauf des Zellstoffwechsels nötig sind — unentbehrliche Aminosäuren, Vitamine —, auch zur Störung der Blutbildung führen. Zu den wichtigsten derartigen Faktoren gehört der sog. A n t i p e r n i c i o s a f a k t o r . Die perniziöse Anämie ( = Perniciosa) ist eine schwere Störung der Hämatopoese, welche in dieser Form nur beim Menschen vorkommt. Sie läßt sich beim Tier experimentell nicht erzeugen. Sie ist durch das Auftreten einer besonderen Form anomaier Erythrocyten (Megalocyten) gekennzeichnet. Da der Blutfarbstoffgehalt der Zellen höher ist als bei normalen Erythrocyten (hoher Färbeindex; sog. hypercbrome Anämie), ist anzunehmen, daß die primäre Störung nicht in der Synthese des Blutfarbstoffes liegt, sondern die Bildung der Zellen selbst betrifft. Außer der Anämie E l v e h j e m u. Mitarb., J. biol. Chem. 77, 797 (1928); S c h u l t z e , J. biol. Chem. 129, 729 (1989); 138, 219 (1941).

Der Abbau des Blutfarbstoffes

603

besteht bei den Kranken eine chronische Entzündung der Magenschleimhaut mit Unfähigkeit zur Bildung von Salzsäure und Pepsin (Achylie) sowie Störungen im Bereioh des Nervensystems. 1926 entdeckten Minot und Murphy, daß man die perniziöse Anämie durch große Gaben roher Leber heilen kann, und es gelang bald, wirksame Konzentrate aus Leber herzustellen. Neuerdings ist es gelungen, den Antiperniciosafaktor in reiner Form zu isolieren. Es handelt sich um eine rot gefärbte Verbindung, die Kobalt enthält (4,5% Co). Die Isolierung wurde dadurch erleichtert, daß ein mikrobiologischer Test für den Faktor gefunden wurde (Wachstum von Lactobacillus Leichmannii). Der Stoff hat als Wachstumsfaktor die Bezeichnung V i t a m i n B 1 2 erhalten. Andere Namen: E r y t h r o t i n oder Cobalamin. Der reine Stoff heilt die Perniciosa in kleinsten Mengen (wenige y täglich). Die Tatsache, daß Vitamin B 1 2 ein Wachstumsfaktor für Bakterien ist, deutet daraufhin, daß es für den Stoffwechsel allgemeine Bedeutung hat. Versuchstiere (Ratte, Hund, Hühnchen), die mit vegetabilischen Proteinen ernährt werden, bedürfen zum Wachstum eines zusätzlichen Faktors, der im tierischen Eiweiß enthalten ist (,,animal protein factor"). Es scheint, daß dieser Faktor mit dem Vitamin B 1 S identisch ist. Über den Wirkungsmechanismus des Vitamins B i a vgl. S. 802 ff. Man muß annehmen, daß Vitamin B l 2 auch für den menschlichen Organismus eine allgemeine Bedeutung im Stoffwechsel besitzt, daß sich aber hier aus uns unbekannten Gründen sein Fehlen vor allem in einer tiefgreifenden Störung der Erythropoese und der Funktion des Nervensystems äußert, was bei anderen Tierarten nicht oder in viel geringerem Maße der Fall ist. (Auch beim Schwein sind Störungen der Blutbildung beobachtet worden.) Die Bedeutung des sog. „intrinsic factor", dessen Fehlen die eigentliche Ursache der Perniciosa ist, scheint nach neueren, allerdings noch unvollständigen Beobachtungen in einer Förderung der Absorption des Vitamins B i a zu liegen (vgl. S. 807). Die Blutveränderungen der Perniciosa werden auch durch Pteroylglutaminsäure in hohen Dosen günstig beeinflußt (Spies, vgl. Kapitel Vitamine). Der Zusammenhang mit der Wirkung von Vitamin B 1 2 ist aber nicht klar. C. Oer Abbau des Blutfarbstoffes

Die Erythrocyten werden beständig erneuert. Die alten Zellen gehen zugrunde — hauptsachlich in der Milz —, die neuen werden aus dem Knochenmark ins Blut nachgeschoben. Dieser Erneuerungsprozeß wird gelegentlich als „Blutmauserung" bezeichnet. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Erythrocyten beträgt ungefähr drei Monate. Die älteren Bestimmungsmethoden der mittleren Lebensdauer beruhen auf der Bestimmung der täglichen Urobilinausscheidung im Stuhl. Neuerdings hat man daB Häm entweder durch Verabreichung von radioaktivem Eisen oder von Glycocoll, das N( 16 ) enthielt, „markiert" (vgl. S. 596). Aus der Geschwindigkeit, mit der die Isotope aus dem Blut verschwinden, kann man die mittlere Lebensdauer der Blutkörperehen berechnen. Das Globin wird letzten Endes wie alle Proteine durch Hydrolyse abgebaut. Dagegen liefert das Häm charakteristische Umwandlungsprodukte, die zuerst besprochen werden sollen.

a) Der Gallenfarbstoff; seine Bildung aus dem Hämoglobin. Überall wo Blutfarbstoff in größeren Mengen zugrunde geht, treten zwei Farbstoffe auf, ein gelber, das Bilirubin, und ein grüner, das BOiverdin. Das Bilirubin kann in alten Hämatomen

604

Das Blut

(Blutergüssen) auskristallisieren. Die „Hämatoidin"kristalle sind schon lange bekannt. Ihre Identität mit dem Bilirubin wurde aber erst von H. Fischer bewiesen; doch hat schon R. Virchow ihre Verwandtschaft mit dem Gallenfarbstoff vermutet. Die menschliche Galle, ebenso die Ochsengalle, enthält normalerweise nur Bilirubin. Biliverdin kann aber leicht durch Oxydation aus Bilirubin entstehen. Das Bilirubin ist, wie die Porphyrine, ein Pyrrolfarbstoff, der vier Pyrrolkerne enthält. Sie sind hier aber nicht mehr zu einem Ring zusammengeschlossen, sondern bilden eine offene Kette. Aus den Formeln für Bilirubin und Biliverdin ist die nahe Beziehung zum Hämin klar ersichtlich, und es wird gleich weiter unten (S. 607 u. ff.) noch davon die Rede sein. Bei der Bilirubin-Formel beachte man die Substituenten: 4 Methylgruppen, 2 Vinylgruppen, 2 Propionsäurereste. Es sind also die gleichen Substituenten wie im Hämin (S. 589). Beim Bilirubin ist die eine Vinylgruppe mit dem Hydroxyl (rechts gezeichnet) zu einem hydrierten Furanring zusammengetreten (S. 607). Offenbar ist der Farbstoff durch Ringöffnung aus dem Protoporphyrin hervorgegangen. Die Farbstoffe, die ähnlichen Bau besitzen wie das Bilirubin, werden als B i l i r u b i n o i d e bezeichnet. Wie entsteht das Bilirubin aus dem Blutfarbstoff? Früher ging die allgemeine Ansicht dahin, daß zunächst das Hämatin abgespalten und daß das letztere unter Elimination des Eisens in den Gallenfarbstoff übergehen würde. Es sprechen aber gewichtige Gründe gegen diese Annahme. Nach Injektion von Hämoglobin in die Blutbahn wird das Bilirubin im Serum stark vermehrt, und in der Galle wird der Farbstoff in vermehrter Menge ausgeschieden. Diese Erscheinungen treten nach Injektion von Hämatin nicht ein. Es ist auch sehr wenig wahrscheinlich, daß freies Porphyrin als Zwischenstufe auftritt, weil die Porphyrine die Eigenschaft haben, den Organismus gegen Licht zu sensibilisieren, so daß bei Belichtung heftige Reaktionen auftreten. Eine Reihe von Erfahrungen deutet darauf hin, daß das Häm bereits im komplexen Verband mit dem Eisen und dem Globin in einen bilirubinähnlichen Farbstoff übergeführt wird. Die Öffnung des Porphyrinringes erfolgt also vor der Abspaltung des Hämatins. Das Hämoglobin geht zunächst in einen Farbstoff über, dessen prosthetische Gruppe die komplexe Eisenverbindung eines bilirubinähnlichen Farbstoffes ist. Diese Umwandlung läßt sich auch in vitro durchführen. Verschiedene Autoren haben aus Hämoglobin durch Behandeln mit Sauerstoff in Gegenwart von Reduktionsmitteln grüne Pigmente erhalten und diese mit verschiedenen Namen belegt. „Choleglobin" (Lemberg) entsteht bei Behandeln von Hämoglobin mit 0 2 und Ascorbinsäure, „Pseudohämoglobin" (Barkan) beim Behandeln mit 0 2 und HjS. Wir werden diese Stoffe im folgenden Verdoglobine nennen. Sie haben je nach der Methode der Darstellung etwas verschiedene Eigenschaften. Auch aus den einfachen Hämochromogenen, z. B. dem Pyridinhämochromogen, kann man durch Oxydation mit Sauerstoff in Gegenwart eines Reduktionsmittels (z. B. Ascorbinsäure) grüne Farbstoffe erhalten, sog. „Verdohämochrom" oder „grünes Hämin" (Warburg) 1 ). ') Warburg u. Negelein, Ber. 68, 1816 (1930)

Der Abbau des Blutfarbstoffes

605

Die Bedeutung dieser Stoffe liegt darin, daß man aus ihnen Biliverdin, also einen bilirubinähnlichen Farbstoff, gewinnen kann (aus Choleglobin und aus Verdohämochrom). Sie stellen also Zwischenprodukte bei der Umwandlung des Häms in das Bilirubin dar. Der Vorgang, der zur Bildung dieser grünen Pigmente führt, kann als Modellreaktion für den Hämoglobinabbau im Körper angesehen werden. Das Eisen ist in den Verdoglobinen weniger fest gebunden als im Hämoglobin; es kann mit verdünnten Säuren leichter abgespalten werden als das Hb-Eisen. Auch wenn man Blut mit verdünnten Säuren behandelt, werden einige Prozente des Hämoglobineisens herausgelöst (sog. „leicht abspaltbares Bluteisen"). Man schloß daraus, daß in den Blutkörperchen ein kleiner Teil des Hämoglobins in Verdoglobin umgewandelt ist ( B a r k a n ) . Sehr wahrscheinlich stammt aber ein Teil des leicht abspaltbaren Eisens aus dem Hämoglobin. Seine Bestimmung gibt also keinen sicheren Anhaltspunkt über die Menge des in den Blutkörperchen vorgebildeten Verdoglobins. Der Mechanismus der Verdoglobinbildung ist hauptsächlich am einfachen Modell des Pyridinhämochromogens untersucht worden. Es scheint, daß sich zuerst der Sauerstoff an das Hämeisen anlagert und daß dieser Komplex durch das Reduktionsmittel zu einer Wasserstoffsuperoxydverbindung des Häms hydriert wird ([Fe] — Häm, H a A = Ascorbinsäure, A = Dehydroascorbinsäure und weitere Oxydationsprodukte): [Fe] + 0 2

[Fe]0 2 ;

[Fe]Oa + HjA

• [Fe]H2Oa + A .

Nun wird wahrscheinlich der Porphyrinring durch das Peroxyd angegriffen (Näheres unten), wobei der Komplex in Verdohämochrom übergeht.

Es bleibt noch die Frage zu erörtern, auf welche Weise die Öffnimg des Porphyrin rings und der Übergang zum Biliverdin stattfindet. An sich könnte jede der vier Methinbrücken des Porphyrins angegriffen werden; es scheint aber, daß die Oxydation ausschließlich an derjenigen Brücke stattfindet, die zwischen den beiden die Vinylgruppen tragenden Pyrrolringen liegt. Es wird zunächst an diesem Kohlenstoffatom eine Hydroxylgruppe eingeführt: J / C H '

A COH,

die dann weiter zur Carbonylgruppe oxydiert wird:

\c

^ C • OH —

= O.

Es ist noch nicht sichergestellt, ob im Verdohämochrom und dem Verdoglobin diese Carbonylverbindung vorhanden ist, welche noch den intakten Porphyrinring enthält oder ob der Ring durch Elimination des Brücken-C-Atoms bereits geöffnet ist. Die nachfolgenden Formelbilder (S. 606) machen den Übergang anschaulich. Das Pyridin (Globin) ist nur in der ersten Formel angegeben (M = Methyl-, V = Vinyl-, P = Propionsäureseitenkette). In der Leber wird das Bilirubin, wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, mit Glucuronsäure konjugiert (über den Mechanismus der Glucuronidsynthese vgl. S. 627). Aus der großen Empfindlichkeit des Glucuronids gegen Alkali muß man schließen, daß die Glucuronsäure an die Carboxylgruppen des Farbstoffs gebunden ist. Das Konjugat wird mit der Galle ausgeschieden, zerfällt aber wahrscheinlich im alkalischen Darmsaft sehr leicht. Bei gewissen Ikterusformen geht das Bilirubingluouronid in größeren Mengen in da« Blut über; es ist die Ursache der sog. „direkten" Reaktion des Serums mit dem Diazoreagens (vgl. S. 577). Es scheint auch, daß nur die konjugierte, wasserlösliche Form des Bilirubins harnfähig ist, d. h. in den Urin übergeht1). Der Ikterus der Neugeborenen scheint mit einer niedrigen Aktivität der Glucuronidtransferase und der UDPGDehydrogenase in der Leber einherzugehen2). !) B i l l i n g u. L a t h e , Biochem. J. 63,6 P (1956); R. Schmid, Helv. med. Acta 24,273 (1957); J. biol. Chem. 229, 881 (1957). 2 ) Brown u. Mitarb., J. Clin. Invest. 37, 332 (1958). L a t h e a. Walker, Biochem. J. 67, 9 P (1957).

Das Blut

606

(Globin Pyridin

CH

EeC

)

Hämochromogen

CH

(Hämoglobin

>

Verdohämochrom,

p

p

oder

CH

CH

I n ' ' j Npl

M

|

V

Pyridin

P

|

P

|NX i V i CH Fe. CIL

p

,CH

p

^¿'X

CH

JL/i\-l >1

0

J ü r j NJT

V

M

V

X- negatives Ion

CH

CH

BUiverdin

V^OIljHO^M >1 V b) Die Bildung des „Urobilins"ausdem Gallenfarbstoff. Biliverdin,dasinden Darm gelangt, wird als solches ausgeschieden. Dagegen wird das Bilirubin durch die Darmflora reduziert und gelangt schließlich mit dem Stuhl zur Ausscheidung. Unter pathologischen Bedingungen können die Farbstoffe, welche aus dem Bilirubin entstehen, auch in den Urin übergehen. J a f f e beschrieb 1868 ein solches Pigment, das er im Urin und in der Galle gefunden hatte, als U r o b i l i n . Den gleichen Farbstoff erhielt er auch aus den Fäces. Der Farbstoff der Fäces wurde später auch S t e r c o bilin genannt (Lair und Masius 1871). Eine gewisse Unklarheit in der Benennung dieser Farbstoffe ist dadurch entstanden, daß in neuerer Zeit die obigen Namen für bestimmte chemisch wohl definierte Substanzen verwendet worden sind, während die alten Namen sich auf das Vorkommen beziehen. In pathologischen Urinen und in den Fäces kommt immer ein Gemisch vor, das im wesentlichen aus zwei verschiedenen Farbstoffen besteht,

Der Abbau des Blutfarbstoffes

607

zum größten Teil aus dem (neuen) Stercobilin, zum kleineren aus dem (neuen) Urobilin. Diese Namen werden heute ausschließlich zur Bezeichnung der individuellen Farbstoffe verwendet. Sie haben mit dem Vorkommen nichts zu tun. In der Klinik bezeichnet man das Gemisch der Urin- und Stuhlfarbstoffe gewöhnlich unter dem Sammelnamen „Urobilin". Urobilin und Stercobilin entstehen durch Oxydation (Dehydrierung) einer Brückenbindung sehr leicht aus den entsprechendenChromogenen, dem Urobilinogen (auch Mesobilirubinogen) und dem S t e r c o b i l i n o g e n . Der Zusammenhang wird aus den folgenden Formelbildern klar. Wenn beim Bilirubin nur die beiden Seitenketten reduziert werden (die Vinylgruppen —CH = CH2 also durch die Äthylgruppen —CH2 • CH3 ersetzt werden), so entsteht das Mesobilirubin. In Extrakten aus Fäces findet man gelegentlich ein Isomeres des Mesobilirubins, das sog. Mesobiliviolin.

CHj CH, C=

I

HO-C

I

COOH

COOH

d>Hj

l)Hj

CH,

¿H,

CH,

CH,

c

c

c — -c

C—CH,—C

C

ÜH

CH,

C

¿——C

II

C=CH—C \

II

/

N

II

H

II

I

CH=C

C

I

ch2

I

CH,

H Bilirubin

CH| CQ«

i

i

1

CH

UM«

C—=C

i

C=

i

1

I

I

HO-C

C=CH—C

COOH

COOH

Uli]

CH)

CH) c

k CH) i i

CH«

c

c

11

11

C=CH—C

\

N

H Biliverdin COOH

/

CH3

CH)

CH)

I CCH) cI = — 1 1

CHS CH2 Ci l C II II

CH2 Ci II

/

\

C=CH

C \

N

H

i

I

I

C-OH

COOH

i

HOC

CH

i

c — c

C—CH=C

L

CH«

CH«

C—CH,—C

CHg CH) Ci II

N

H Mesobilirubin

C /

CH) CH=C

CH« i C =i- - C 1 1

C-OH

Das Blut COOH OH«

i

^Ho

I CHj

CHg —

I H O C

i

í I

C

COOH I CHj

CH

i CQ|

CH|

A

i

c

» C

11

i

O U3

C — C H = C

UÜ3

U

CH¡

CH3

i C

il C

J

CH¡

A CH,

t y C-OH

^ n / H

H Mesobiliviolin

COOH I CHj CHj C II HO-C \

dîHj C II C — C H

n

CHg C II C

a

/

CH|

CH|

CH| C II C — C H , —

CQ| C II C

N ü j /

H

H

CH*

\

l

N

/

H

C II c

CH,

UHj c II C-OH H

i

CH,

CH,

CH«

CH«

i C II C

J. 1 i C C = ^ = C II I i c — C H = C C

\

CH,

CHa C II C

Mesobilirubinogen

CH, i

CHS C II C

H

CHg I CH-

Oüj

N N /

Urobilinogen =

i C II H O C

COOH I

N

CH*

CH«

/

r CH*

CH*

CH,

i

c II C

H

l c II C-OH H

Urobilin

COOH 1 1 CH,

I \ T >C H O / \

CH, 1 CH, CH, CH, 1 1 1 1 A _— " - - AA H " C " C h il II II IIH C C— CCH H, , — C — CC HH, , — N

H

/ H

COOH I CH,

CH,

CHS CH3 A — A II C \

II C /

N

H Stercobilinogen

CHg

¿H

t

A _ H CH,

II C \

/

N

H

Í / H C< OH

609

Der Abbau des Blutfarbstoffes

COOH CH3 CQg A H—C H . II >C

UMj

CH|

CHg

CHj

A C II11

i C II11

A C II 11C—CH

C

CH,

C

H

COOH 1 CH, CMb

C AI

A

H

CH, CH«

C I A

(j

CH,

CH,

C

C—H I ^H

II

CHa—- C

^

H Stercobilin

Mesobiliviolin erscheint neben einem weiteren Isomeren des Mesobilirubins, dem M e s o b i l i e r y t h r i n , als prosthetische Gruppe gewisser Chromoproteide, die in Rotalgen und Blaualgen vorkommen (Phycocyanin und Pbycoerythrin). „Urobilin" (damit bezeichnen wir im folgenden das Gemisch von Stercobilin und Urobilin sowie ihrer Chromogene) findet sich im normalen Harn nicht oder nur in geringer Menge. Stark vermehrt ist es bei Erkrankungen der Leber. Fr. Müller hat als erster sicher bewiesen, daß es aus dem Gallenfarbstoff durch Darmfäulnis entsteht, indem er zeigen konnte, daß es beim Neugeborenen, der in seinem Dickdarm noch keine Bakterien beherbergt, fehlt und daß es verschwindet, wenn der Zufluß der Galle in den Darm verhindert ist, bei Verfütterung von Galle aber wieder erscheint. Die Entstehung des „Urobilins" aus dem Bilirubin im Darm ist seither durch zahlreiche Versuche bestätigt worden. Man muß sich den Vorgang wohl so vorstellen, daß das Bilirubin zuerst zu Mesobilirubin und dieses zu den Chromogenen (Stercobilinogen und Urobilinogen) erduziert wird, worauf durch spontane Oxydation das „Urobilin" entsteht. Normalerweise scheint das Urobilinogen nur etwa 10—20% der gesamten Chromogene auszumachen. Die genauere Untersuchung des Reduktionsvorganges hat ergeben, daß er wahrscheinlich durch Zusammenwirken streng anaerober Bakterien (Bacillus verrucosus) mit den Colibazillen zustande kommt ( B a u m g ä r t e l ) . Als Wasserstoffdonator soll Cystein wirken, dessen Wasserstoff durch Fermente der Colibazillen auf das Bilirubin übertragen würde. Der anaerobe Organismus würde auf Kosten irgendwelcher H-Donatoren für die ständige Reduktion des aus den Proteinen stammenden Cystins sorgen. Es bleibt abzuwarten, wie weit sich dieses einfache Schema des bakteriellen Reduktionsvorganges bestätigt.

Wir haben bereits erwähnt, daß Biliverdin durch die Darmbakterien nicht reduziert werden kann. In der Leber dagegen wird es sehr leicht in Bilirubin übergeführt. Anscheinend vermögen die Bakterien den Wasserstoff nicht an die Doppelbindung der mittleren Methingruppe anzulagern. Das Leberparenchym kann das Bilirubin weiter zum Urobilinogen reduzieren ( B a u m g ä r t e l , Lemberg), d.h. die Enzyme der Leber vermögen auch die beiden seitlichen Methingruppen zu hydrieren. Es wird in der Leber allerdings nur wenig Biliverdin über die Stufe des Bilirubins hinaus reduziert (10—20%). Durch die Bakterien wird aus Bilirubin nur Stercobilinogen gebildet. Die Stabilität des Biliverdins gegen die Bakterienfermente zeigt, daß die Doppelbindungen an den Methinbrücken durch die Bakterien nicht hydriert werden können. Die wasserstoffübertragenden Enzyme der Bakterien lagern offenbar den Wasserstoff primär 39

L e a t h a r d t , Lehrbuch, 15. Aull.

Das Blut

610

an die a- und /^-Stellung der beiden endständigen Pyrrolringe an, wobei auch die beiden äußeren Methinbrücken in Methylenbrücken übergehen (Baumgärtel): H

+ 4 H

HO— N

H

\ HO-

NH

i

Das „Urobilinogen" der Fäces und des Urins besteht zu etwa 80—90% aus Stercobilinogen und nur zu 10—20% aus Urobilinogen. Nach den oben besprochenen Anschauungen muß man annehmen, daß das letztere wahrscheinlich schon in der Leber aus dem Bilirubin entstanden ist, während das Stercobilinogen ein Produkt der Darmfaulnis darstellt. Ein Teil des im Darm gebildeten „Urobilins" wird rückresorbiert und gelangt in die Leber. Es kann mit der Galle wieder ausgeschieden werden (enterohepatischer Kreislauf) oder auch in den allgemeinen Kreislauf übergehen. Das letztere ist besonders bei geschädigtem Leberparenchym der Fall. Das vermehrte Auftreten von „Urobilin" im Harn ist eines der frühesten Symptome der Leberschädigung. In der Leber kann auch ein weitergehender Abbau des Gallenfarbstoffes stattfinden, doch ist über diese Vorgänge wenig bekannt. Bei Lebererkrankungen, hämolytischen Anämien, hohem Fieber kommt im Urin ein Körper vor, der nur noch zwei Pyrrolringe enthält und durch Reduktion mit Na a S 2 0 4 in alkalischer Lösung in einen Farbstoff übergeht, der bei 525 m/i eine Absorptionsbande zeigt. Man hat dem Farbstoff deshalb den Namen P e n t d y o p e n t gegeben; seine Vorstufe heißt „Propentdyopent" (Bingold). Die chemische Struktur ist noch nicht sichergestellt. Möglicherweise kommt dem roten Farbstoff die folgende Formel zu (Siedel):

C2Hs ch,

CHS C2Hj CH,

NaO—

—ONa

NH

NH

Im Stuhl von Patienten mit Muskelatrophie hat man ein chloroformlösliches Polypeptid, das „Myobilin", gefunden, das als prosthetische Gruppe M e s o b i l i f u s c i n enthält, das ebenfalls ein Dipyrrolfarbstoff ist:

CH, CgHg

CH, (CH2)a-COOH CH

HON

—OH NH

Das Myobilin wird als Abbauprodukt des Muskelhämoglobins, des Myoglobins, aufgefaßt (Meldolesi). Neben der Bilirubinbildung spielen die weiteren Abbauvorgänge keine große Bolle; sie sind als Nebenwege des Hämoglobinabbaus zu betrachten.

Die wichtigsten Stufen des Hämoglobinabbaus sind im folgenden Schema zusammengefaßt.

Die Porphyrie

611

Leber, Milz

1 I i

••§1 8 " •g 8 $

S

Darm

Wie im folgenden Abschnitt (S. 612) noch näher ausgeführt wird, stammt nicht alles Stercobilin (etwa 70%) aus dem Häm der zugrunde gegangenen a l t e n Erythrocyten. Es werden schon während der Erythropoese im Knochenmark Porphyrine gebildet, die als Stercobilin zur Ausscheidung gelangen (10—15% des gesamten „Urobilins"); etwa die gleiche Menge stammt aus den Häminfermenten (Cytochrom usw.). 0. Die Porphyrie Bei verschiedenen Krankheiten können im Urin und Stuhl Porphyrine ausgeschieden werden. Porphyrinurie kommt z. B. bei gewissen Intoxikationen vor. Das bekannteste Beispiel ist die Bleivergiftung, bei welcher erhöhte Mengen von Koproporphyrin ausgeschieden werden. Möglicherweise besteht eine Störung des Eiseneinbaus in das Hämoglobin (Vannotti) 1 ). Neben diesen Fällen von Porphyrinurie, bei denen die Porphyrinausscheidung ein nebensächliches Symptom darstellt (symptomatische Porphyrinurie), gibt es *) V a n n o t t i , in: Haemoglobin, a S y m p o s i u m in m e m o r y of Sir J . B a r c r o f t (ed. R o u g h t o n u. Kendrew), S. 253. London 1949. 39*

612

Da« Blut

eigentliche Stoffwechselkrankheiten, deren Hauptsymptom in der Ausscheidung von Porphyrinen oder Porphyrin Vorstufen — Porphobilinogen und Aminolaevulinsäure— besteht. Es handelt sich um seltene hereditäre Erkrankungen, die familienweise auftreten können, also wohl wie viele Stoffwechselkrankheiten in ihren letzten Ursachen auf die Veränderung eines Gens zurückgehen. Die sog. k o n g e n i t a l e P o r p h y r i e ist eine äußerst seltene Krankheit. Neben der Ausscheidung großer Mengen von Uroporphyrin und Koproporphyrin besteht das Hauptsymptom in einer von Jugend an bestehenden Lichtempfindlichkeit, die zu schweren Schädigungen der Haut führen kann. Wie H a u s m a n n 1908 erstmals gezeigt hat, vermögen Porphyrine den Organismus gegen Licht zu sensibilisieren. Bei Mäusen, die nach Porphyrininjektion im Dunkeln gehalten werden, zeigen sich keinerlei Symptome; dagegen treten schwere Vergiftungserscheinungen auf, wenn die Tiere dem Licht ausgesetzt werden. Diese Befunde wurden durch einen heroischen Selbstversuch von M e y e r - B e t z bestätigt.

Für das Verständnis der Krankheit ist die Tatsache wichtig, daß die ausgeschiedenen Porphyrine sich nicht nur von der Reihe des Ätioporphyrins III ableiten wie das Protoporphyrin des Blutfarbstoffes, sondern daß auch Porphyrine der Reihe I auftreten, und zwar vor allem Uroporphyrin I. Diese Porphyrine können sicher nicht aus dem Blutfarbstoff stammen. Wir haben bei der Besprechung der Porphyrinsynthese gesehen, daß die Kondensation des Porphobilinogens direkt zum Uroporphyrin führt. Es kann daher kein Zweifel darüber bestehen, daß die vom Porphyriker ausgeschiedenen Porphyrine das Produkt einer „falsch" geleiteten Synthese sind: Statt des Uroporphyrins III wird vorwiegend Uroporphyrin I gebildet. Porphyrine des Typus I können aber auch normalerweise in kleiner Menge gebildet werden. Der Darminhalt des Neugeborenen (Mekonium) enthält Koproporphyrin I (Waldenstrom); da der Darm noch keine Bakterien enthält, ist dieses Porphyrin sehr wahrscheinlich während des embryonalen Lebens gebildet worden. Damit stimmt überein, daß beim menschlichen Embryo vor dem sechsten Monat in den Blutbildungsstätten porphyrinhaltige Zellen gefunden werden (Borst und K ö n i g s d ö r f f e r ; die Porphyrine lassen sich mikroskopisch durch ihre starke rote Fluoreszenz leicht nachweisen). Bei gewissen Eichhörnchenarten ist Uroporphyrin I ein normales Stoffwechselprodukt; der Farbstoff wird bei diesen Tieren auch in die Knochen eingelagert. Das Auftreten von Porphyrinen des Typus I beim Porpbyriker bedeutet also nur die Verstärkimg eines physiologischen Prozesses. Eine von der kongenitalen Porphyrie völlig verschiedene Krankheit ist die a k u t e , i n t e r m i t t i e r e n d e Porphyrie. Sie ist durch die Ausscheidung großer Mengen Porphobilinogen und 6 - A m i n o l a e v u l i n s ä u r e im Urin gekennzeichnet. Das erstere gibt sich durch die sehr intensive Rotfärbung des Urins mit dem Ehrlichschen Aldehydreagens zu erkennen. Porphobilinogen kann sich, besonders beim Erwärmen mit Säuren, zu Uroporphyrin und einem anderen roten Farbstoff, dem Porphobilin, kondensieren1). Daraus erklärt sich die Dunkelfärbung des Urins, die beim Kochen mit Säuren eintritt. Die Krankheit tritt schubweise auf. Der Anfall kann durch irgendeine Schädigung ausgelöst werden. Besonders ungünstig wirken Schlaf- und Beruhigungsmittel (Barbiturate). Das Hauptsymptom besteht meistens in abdominellen Koliken; es kann auch zu Muskellähmungen kommen. Viele Patienten zeigen psychische Störungen. Die Krankheit tritt in einzelnen Familien gehäuft auf. Sie scheint dominant vererbt zu werden. Eingehende Untersuchungen über die Vererbung sind vor allem von W a l d e n s t r ö m in Schweden durchgeführt worden, wo verschiedene derartige Porphyrikerfamilien bekannt sind. ') W a l d e n s t r ö m u. V a h l q u i s t , Zschr. physiol. Chem. 260, 189 (1939).

Die Harnsekretion

613

Man kann aus der stark vermehrten Ausscheidung von 5-Aminolaevuünsäure und Porphobilinogen schließen, daß die Umwandlung der ersteren in Porphobilinogen und die Kondensation des letzteren zu Uroporphyrin gestört sind. Das folgende Schema (in Anlehnung an W a l d e n s t r o m ) macht den Ort der Störung in der Reaktionskette der Porphyrinsynthese bei der kongenitalen und der akuten Porphyrie anschaulich: Fermentblock bei der akuten Porphyrie

partieller Block

¿-Aminolaevulinsäure

1

• Porphobilinogen]

i

falsche Kondensation bei der kongenitalen Porphyrie

• Uroporphyrin I I I

TT

,

.

Uroporphyrin TI

Es sind noch andere Porphyrieformen bekannt, auf die wir hier aber nicht eingehen können1).

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Niere; Urin 1. Die Harnsekretion Bei der Besprechung des Wasser- und Salzhaushaltes wurde bereits darauf hingewiesen, worin die Hauptfunktion der Niere besteht: Sie hält die Zusammensetzung der Körperflüssigkeiten konstant. Dazu ist nötig: 1., daß sie die eigentlichen Endprodukte des Stoffwechsels und diejenigen Stoffe eliminiert, die nicht verwertet oder gespeichert werden können; 2., daß sie andererseits alle Stoffe zurückhält, deren Verlust bei der vorliegenden Situation die Funktionen des Körpers irgendwie beeinträchtigen würde. Wir sagen: bei der vorliegenden Situation, denn die Anpassung an die äußeren oder inneren Bedingungen erfordert, daß ein und derselbe Stoff bald ausgeschieden, bald retmiert wird. Die Sekretion muß im höchsten Grade ausw ä h l e n d sein, denn die Niere erhält alle im Blut enthaltenen Stoffe angeboten, darf aber nur einen Teil mit dem Urin nach außen abgeben. Der Apparat, welcher die Selektion vornimmt, ist das Nephron mit seinen verschiedenen Abschnitten, in der Säugerniere: Glomerulus, Hauptstück, Henlesche Schleife, Schaltstück. Die Mittel dazu sind 1. die Filtration im Glomerulus, durch welche die niedrigmolekularen Stoffe des Blutplasmas von den hochmolekularen abgetrennt werden, 2. die aktive Sekretion und 3. die Rückresorption von Stoffen durch die Epithelien der Nierenkanälchen. Wir haben auf die Bedeutung der Niere für den Wasserhaushalt bereits in einem früheren Kapitel hingewiesen. Durch die beiden Nieren des erwachsenen Menschen strömt in der Minute rund 11 Blut, d. h. ein beträchtlicher Teil der gesamten vom ') Zusammenfassung und Literaturhinweise vgl. W a l d e n s t r o m , Am. J. Med. 22, 758 (1957).

614

Niere; Urin

Herzen ausgeworfenen Blutmenge. Bund 125 ccm Filtrat werden in derselben Zeit in den Glomeruli abgepreßt; das ist etwa 1 / 6 der Plasmamenge, welche die Nieren passiert (11 Blut enthält etwa 600 ccm Plasma). Die pro Tag filtrierte Flüssigkeitsmenge beträgt 1801, also mehr als das Dreifache des gesamten Flüssigkeitsbestandes des Körpers. Es ist klar, daß eine Erhaltung des Wasserbestandes bei landbewohnenden Tieren nur denkbar ist, wenn der größte Teil dieser Flüssigkeitsmenge wieder rückresorbiert wird. Tatsächlich sind es 178—1791, also über 99%. Durch die Filtration in den Malpighischen Körperchen gelangen zunächst alle im Blutplasma vorhandenen niedrigmolekularen Stoffe in den Urin („Urharn"). Durch die Rückresorption des Wassers kann ihre Konzentration auf das Vielfache der Blutkonzentration gesteigert werden. Dazu kommt aber noch eine weitere Möglichkeit der Ausscheidung: Viele Stoffe werden durch die Epithelzellen der Tubuli a k t i v sezerniert, d. h. sie werden gegen ein Konzentrationsgefalle vom Blut nach dem Lumen der Nierenkanälchen übergeführt. Die Sekretionstätigkeit der Niere untersteht nervösen und humoralen Einflüssen. Was die ersteren betrifft, müssen wir auf die Lehrbücher der Physiologie verweisen. Der nervösen Regulierung untersteht der Blutkreislauf der Niere und damit die Filtration in den Glomeruli. Dagegen unterliegen sowohl die Ausscheidung des Wassers als auch die Ausscheidung gewisser lebenswichtiger Ionen der direkten Beeinflussung durch bestimmte Hormone, und zwar i s t es die R ü c k r e s o r p t i o n in d e n T u b u l i , welche in s p e z i f i s c h e r Weise g e h e m m t o d e r g e f ö r d e r t wird. Die Rückresorption des Wassers wird durch ein Hormon des Hypophysen, hinterlappens (Antidiuretin) gefördert; damit Na + -Ionen rückresorbiert werden, ist ein Nebennierenrindenhormon (Aldosteron) nötig. Dagegen wird die Rückresorption des Phosphats durch das Hormon des Epithelkörperchens gehemmt (vgl. S. 673 u. 699). Wenn wir allgemein die vermehrte Ausscheidung eines Stoffes als D i u r e s e bezeichnen (Wasser-Diurese, Na-Diurese, Phosphat-Diurese), so können wir sagen, daß die Hormone teils antidiuretisch, teils diuretisch wirken. Möglicherweise wird auch die Ausscheidung anderer Stoffe, sei es die Rückresorption oder die Sekretion, auf chemischem Weg reguliert; doch wissen wir darüber nichts Genaueres. Die Niere würde offenbar auch ohne humorale Beeinflussung von außen als Sekretionsorgan arbeiten, aber rein maschinenmäßig. Erst dadurch, daß gewisse Teile der Niere der Regulation von außen unterstellt werden, ist die ständige Anpassimg an die Bedürfnisse des Organismus möglich. Säure-Basen-Regulierung durch die Niere s. S.554. Das Glomerulusfiltrat enthält aber auch die Stoffe, welche nicht aus dem Körper ausgeschwemmt werden dürfen. Die Niere muß, um sie zurückzuhalten, dasselbe Mittel verwenden wie beim Wasser, die Rückresorption. Diese Stoffe werden bei ihrer Passage durch die Nierenkanälchen von den Epithelzellen teilweise oder nahezu vollständig wiederaufgenommen. Es handelt sich ebenfalls um einen aktiven Transport gegen das Konzentrationsgefalle, aber hier in der Richtung vom Lumen der Tubuli nach dem Blut. Alle einzelnen Phasen der Urinbildung, Filtration, Sekretion und Rückresorption, sind regulierbar; daher rührt die erstaunliche Anpassungsfähigkeit der Niere an die augenblicklichen Bedürfnisse des Körpers. Die einzelnen Vorgänge, Bückresorption des Wassers und der gelösten Stoffe, aktive Sekretion, sind wahrscheinlich in bestimmten Abschnitten der Tubuli lokalisiert. Für die Erforschung dieser Frage und für die Kenntnis der Nierenfunktion überhaupt sind Untersuchungen an der Amphibienniere von größter Bedeutung gewesen. Die proximalen Abschnitte der Tubuli werden hier durch ein besonderes Pfortadersystem versorgt, welches von der Blutversorgung der Glomeruli unabhängig ist, so daß man die beiden Teile des Nephrons getrennt durchbluten kann. Außerdem

Die „Clearance"

615

ist es möglich, mit Hilfe des Mikromanipulators die Bowmansche Kapsel und verschiedene Abschnitte der Kanälchen zu punktieren und die gewonnene Flüssigkeit direkt zu analysieren (Richards). Auf diese Weise hat man festgestellt, daß der im Glomerulus filtrierte Urharn tatsächlich die gleiche Zusammensetzung hat wie das Blutplasma, und es sind wertvolle Anhaltspunkte über die Funktion der einzelnen Abschnitte des Tubulus gewonnen worden. Das Chlorid wird z. B. im distalen Abschnitt des Kanälchens, die Glucose dagegen im proximalen Abschnitt rückresorbiert. Die He nie sehe Schleife ist eine Besonderheit der Säugetierniere; es scheint, daß sie für die Bückresorption des Wassers von Bedeutung ist. Aus Versuchen mit Farbstoffen zu schließen, sind es hauptsächlich die proximalen Abschnitte der Tubuli, welche sekretorische Funktionen haben.

Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die durchschnittliche Konzentration verschiedener Stoffe im Urin, verglichen mit ihrer Blutkonzentration beim Menschen. Blutplasma

Urin

%

Urin Blutplasma

90—93 7—9 0,1 0,03 0,002 0,32 0,02 0,0001 0,008 0,0025 0,037 0,009 0,003 0,001

95 0 0 2 0,05 0,35 0,15 0,04 0,015 0,006 0,6 0,27 0,18 0,10

~ 0,97 Voo Voo 60 25 1 7 400 2 2 1,6 30 60 100

%

Wasser Protein, Fett, Kolloide . . Glucose Harnstoff Harnsäure Na+ K+ NH 4 + Ca++ Mg ++

ci-

HPO4—

so4—

Kreatinin

Würden die im Urharn gelösten Stoffe während ihrer Passage durch die Tubuli überhaupt nicht rückresorbiert, so müßte das Verhältnis ihrer Konzentration im Urin und im Blut etwa den Wert 100—200 haben (da 180 1 Filtrat auf 1—21 Urin konzentriert werden). Die Tabelle zeigt, daß dieses Verhältnis für die meisten Stoffe nicht erreicht wird. (Der sehr hohe Wert für Ammoniak rührt daher, daß dieses in den Nieren selbst produziert wird.) Die Glucose erscheint im Urin überhaupt nicht in meßbaren Mengen (jedenfalls nicht unter normalen Bedingungen), wird also vollständig rückresorbiert. 2. Die „Clearance" Die verschiedenen Stoffe lassen sich nach ihrem Verhalten in der Niere in die folgenden Gruppen einteilen: 1. reine Filtration, 2. Filtration und Sekretion, 3. Filtration und Rückresorption. Wenn eine Substanz nur durch Filtration im Glomerulus ausgeschieden wird, ohne daß im Nierenkanälchen nachträglich eine weitere Menge durch Sekretion hinzutritt oder durch Rückresorption weggenommen wird, so kann man aus der Konzentration im Blutplasma und der im Urin ausgeschiedenen Menge das Volumen des Ultrafiltrats berechnen. Sei C P die Konzentration der Substanz im Blutplasma (die wir

616

Niere; Uria

als konstant voraussetzen), Cu die Konzentration im Urin, V^ das Volumen des Urins während der Versuchsperiode, so ist VP =

Cu-Vu CP

im Urin ausgeschiedene Menge Plasmakonzentration

das Volumen der während der Versuchsperiode in den Glomeruli filtrierten Flüssigkeit. (Wenn die Rechnung ganz exakt sein soll, muß die Plasmakonzentration nicht auf das ganze Plasmavolumen, sondern nur auf das Plasmawasser bezogen werden.) Man rechnet dieses Volumen gewöhnlich auf die Zeit von einer Minute um. Es beträgt beim Menschen unter normalen Bedingungen etwa 125 ccm. Eine Substanz, welche die obigen Bedingungen erfüllt, ist das I n u l i n ; man kann dieses Kohlenhydrat daher dazu benutzen, um die Größe der Filtration in der Niere zu messen. Wenn man nun den obigen Quotienten (Menge im Urin: Plasmakonzentration) für einen Stoff ausrechnet, der rückresorbiert wird, so wird man natürlich einen kleineren Wert finden als für das Trmlin oder sich ähnlich verhaltende Substanzen. Clearance cm 3/Min.

§ •S I

-

Diodrast

a

.^/.H-l^lH^I-I^J - ^H^Ì-h-H

I ^ Kreatinin 150

./-•H-H-l-H-H-l-l Inulin

Filtration

Harnstoff so

L

-

0

- Glukose

Abb. 63. S c h e m a zur V e r a n s c h a u l i c h u n g d e s Z u s a m m e n h a n g s z w i s c h e n F i l t r a t i o n , R ü c k r e s o r p t i o n u n d S e k r e t i o n i n der N i e r e u n d der „Clearance".

Berechnet man ihn für einen Stoff, der in den Tubuli sezerniert wird, so muß sich ein größerer Wert ergeben. Der Quotient gibt immer das Volumen des Blutplasmas, in welchem die im Urin ausgeschiedene Substanz gelöst war. Dieses Volumen des

Die „Clearance"

617

Blutplasmas ist auf seinem Weg durch die Nieren von der Substanz befreit worden. Man bezeichnet daher den auf eine Minute bezogenen Wert allgemein als „clearance" (to clear = befreien, aufräumen, wegschaffen). Für Stoffe, die wie das Inulin in den Tubuli weder rückresorbiert noch sezerniert werden, ist, wie gesagt, die Clearance gleich dem in den Glomeruli pro Minute filtrierten Flüssigkeitsvolumen. Für Stoffe, die rückresorbiert werden, ist sie kleiner, im Grenzfall Null (z. B. Glucose); für Stoffe, die sezerniert werden, ist sie größer, im Grenzfall gleich dem Volumen des Blutplasmas, das während einer Minute die beiden Nieren durchströmt. Man findet derartig hohe Werte für gewisse körperfremde Substanzen, z. B. jodhaltige Kontrastmittel, wie sie verwendet werden, um die Harnwege im Röntgenbild sichtbar zu machen (Diodrast), und auch für gewisse Antibiotica. Die Clearance eines Stoffes verglichen mit der unter den gleichen Bedingungen bestimmten „Inulin-Clearance" gibt daher Auskunft über die Art seiner Ausscheidung und den Umfang der Rückresorption. Die Bestimmung der Inulin-Clearance wird in der Klinik als Nierenfunktionsprüfung durchgeführt. Das Schema der Abb. 63 macht die besprochenen Verhältnisse anschaulich. Die Glucose wird bei normalen Blutzuckerwerten nicht ausgeschieden. Sie geht erst dann in den Urin über, wenn ihre Konzentration im Blutplasma einen bestimmten Wert, die Ausscheidungsschwelle, erreicht. Die Erklärung für dieses Verhalten ist darin zu suchen, daß die Fähigkeit der Tubuli zur Rückresorption des Zuckers begrenzt ist. Wenn die Konzentration im Glomerulusfiltrat eine bestimmte Grenze überschreitet, vermögen die Epithelien die Glucose aus der vorbeifließenden Lösung nicht mehr vollständig aufzunehmen. Man kann durch Vergiftung der Zellen mit dem Glycosid Phlorrhizin die Rückresorption so stark hemmen, daß die Glucose auch bei normaler Konzentration in den Urin übergeht (Phlorrhizindiabetes, vgl. S. 314). Man nennt Stoffe, die sich wie die Glucose verhalten, S c h w e l l e n s u b s t a n z e n („threshold-substances"). Man muß dazu auch die Na+- und die C1 "-Ionen zählen. Nur entspricht bei ihnen die normale Plasmakonzentration gerade der Ausscheidungsschwelle. Ihre Ausscheidung im Urin hört erst dann vollständig auf, wenn die Konzentration im Blut ein weniges unter die Norm absinkt. Im Gegensatz zum Zucker können Natrium und Chlor nicht anders gespeichert werden als in der extrazellulären Flüssigkeit, und sie können daraus nur durch die Nieren entfernt werden. Wenn also in der Körperflüssigkeit überhaupt eine konstante Konzentration erhalten bleiben soll, so muß sie notwendigerweise mit der Ausscheidungsschwelle zusammenfallen.

Die Clearance der Schwellensubstanzen hat für Blutkonzentrationen unterhalb der Ausscheidungsschwelle den Wert Null und steigt für größere Konzentrationen allmählich an. Für viele Stoffe läßt sich eine Ausscheidungsschwelle nicht feststellen, sie sind „Nichtschwellensubstanzen" („no-threshold substances"). Die Geschwindigkeit ihrer Ausscheidung im Urin ist ungefähr proportional der Blutkonzentration und ihre Clearance daher über einen größeren Konzentrationsbereich annähernd konstant. Dies ist der Fall bei den Stoffen, die nicht rückresorbiert werden, wie z. B. beim Kreatinin. Bei Stoffen, welche wie das Diodrast (siehe oben) bei niedriger Konzentration in den Tubuli durch Sekretion vollständig ausgeschieden werden (Clearance maximal), zeigt sich eine ähnliche Erscheinung wie bei den Schwellensubstanzen, aber in umgekehrtem Sinne: bei Überschreitung

618

Niere; Urin

einer gewissen Blutkonzentration (für Diodrast etwa 10 mg%) vermögen die Zellen der Nierenkanälchen den Stoff nicht mehr vollständig aus dem vorbeiströmenden Blut zu entfernen und ins Lumen der Kanälchen zu transportieren. Wie beim Zucker die Rückresorption, so wird hier die Eliminierung des Stoffes aus dem Blut unvollständig; die Clearance geht zurück.

3. Der Stoffwechsel der Niere Die Nieren^besitzen einen außerordentlich intensiven Stoffwechsel. Größenordnungsmäßig macht der Energieumsatz der beiden Nieren x / 2 0 bis */ 10 des gesamten Ruheumsatzes aus, trotzdem ihr Gewicht nur etwa 1 / 2 0 0 des Körpergewichts beträgt (60—180 Cal. in 24 Stunden, Sauerstoffverbrauch 10—30 1 0 2 ) . Der Energieverbrauch pro Gewichtseinheit ist größer als bei allen anderen Organen. Die Niere leistet osmotische Arbeit; doch ist ihr Betrag verglichen mit dem Energieverbrauch sehr klein, d. h. weniger als 1 Cal. für die tägliche Urinmenge. Der hohe Energieverbrauch läßt sich dadurch in keiner Weise erklären. E r ist offenbar durch die besondere Natur der in der Niere sich abspielenden Absorptions- und Sekretionsvorgänge bedingt. Wir müssen annehmen, daß dazu zahlreiche Hilfsreaktionen nötig sind, welche Energie verbrauchen. Wahrscheinlich muß die hohe Selektivität des Stofftransportes durch die Epithelien der Tubuli durch einen schlechten energetischen Wirkungsgrad erkauft werden. Man muß sich auch die Frage stellen, ob die gesamten in der Niere lokalisierten Stoffwechselvorgänge in unmittelbarer Beziehung zur Sekretionstätigkeit der Niere stehen oder ob sie daneben auch in ähnlichem Sinne wie die Leber für den allgemeinen Intermediärstoffwechsel Bedeutung haben. Vermutlich trifft das letztere zu. Man findet in der Niere neben den allgemeinen Fermentsystemen des oxydativen Stoffwechsels (z. B . des Tricarbonsäurecyklus) zahlreiche andere oxydierende und hydrolytische Enzyme, besonders auch Fermente des Aminosäurestoffwechsels, D-Aminosäureoxydase, Transaminase, Glutaminase und Asparaginase, Aminoxydasen, Histidindecarboxylase, Peptidasen usw., aber auch zahlreiche synthetisierende Fermentsysteme. Verschiedene Entgiftungsreaktionen, so bei verschiedenen Tierarten die Hippursäuresynthese, spielen sich in der Niere ab. Es scheint, daß die Niere imstande ist, wenn auch in beschränktem Umfang, Glucose ans Blut abzugeben. Auf Grund all dieser Tatsachen kann man schließen, daß die Niere außer ihrer sekretorischen Tätigkeit, die natürlich ihre Hauptfunktion darstellt, an zahlreichen, für den gesamten Stoffhaushalt wichtigen Umsetzungen teilnimmt. 4. Niere and Blutdruck Wenn man beim Tier die Blutzufuhr zu einer Niere durch Anlegen einer Klammer an die Nierenarterie teilweise unterbindet, so stellt sich nach einiger Zeit eine Erhöhung des Blutdrucks ein. Es hat sich gezeigt, daß die durch den Blutmangel (Ischämie) leicht geschädigte Niere an das Blut einen Stoff abgibt, das R e n i n , welcher für die Blutdrucksteigerung verantwortlich ist. Renin wirkt aber nicht direkt auf die Gefäße. Es ist nur in Gegenwart von Blut wirksam, denn es reagiert mit einem Protein des Blutplasmas, dem H y p e r t e n s i n o g e n , und bildet daraus den eigentlichen blutdruckwirksamen Stoff, das H y p e r t e n s i n (oder Angiotonin) (Braun-Menendez; F a s c i o l a , Leloir und Muñoz). Das Renin, das in der Nierenrinde vorhanden ist und sich aus dem Organ extrahieren läßt, ist eine Protease; Hypertensinogen ist ein a-Globulin, Hypertensin ein dialysierbares, thermostabiles Polypeptid. Die Reindarstellung der fraglichen Peptide hat es ermöglicht, die Vorgänge, die zur Bildung des Hypertensins führen, weitgehend abzuklären. Aus dem Hypertensinogen des Pferdeserums wird durch das Renin zunächst ein Dekapeptid, das Hypertensin I, abgespalten, aus welchem durch ein „Umwandlungsenzym" des Serums —

619

Niere und Blutdruck

durch Abspaltung eines Dipeptids am Carboxylende — das Hypertensin II, ein Oktapeptid, gebildet wird 1 ): Hypertensin I :

Aap • Arg • Val • Tyr • Ileu • Hin • Pro• Phe • His • Leu

Hypertensin I I : Asp • Arg • Val • Tyr • Heu • His • Pro • Phe

+

His • Leu

Das Hypertensin wird vom Aminoende einer Peptidkette des Hypertensinogens abgespalten: es schließt mit seinem Carboxylende an die Sequenz Leu • Val • Tyr • Ser • • • an, d. h. es wird durch das Renin spezifisch eine Leucyl-leucinbindung hydrolysiert 2 ). Das Hypertensin aus Rinderserum enthält an Stelle des Isoleucins Valin. Neuerdings ist auch die Synthese von Hypertensin I und I I und verwandter nicht natürlicher Peptide gelungen3). Hypertensin wird duroh ein im Plasma vorkommendes Ferment, die Hypertensin ase, langsam inaktiviert. Die Vorgänge stellen sioh also folgendermaßen dar: Niere

Blutplasma Hypertensinogen

Benin

Ischämie

—Renin Hypertensin I Umwandlungsenzym

Spaltprodukte

Hypertenslnase

Hypertensin I I

Beim Menschen ist die Verbindung von hohem Blutdruck mit Nierenkrankheiten (renaler Hochdruck) schon lange bekannt. Möglicherweise ist der Mechanismus der gleiche wie beim experimentellen Hochdruck: Übertritt von Renin ins Blut und Bildung von Hypertensin. Es gibt aber Anzeichen dafür, daß die Niere bei mangelhafter Blutversorgung auch noch andere blutdruckerhöhende Stoffe an den Kreislauf abgibt (Stickstoffbasen). Man hat im Urin bei experimenteller Ischämie der Niere (Hund) derartige Stoffe gefunden. Es stellt sich die Frage, ob die Niere auch normalerweise kreislaufwirksame Stoffe abgibt und auf diese Weise regulierend in den Blutkreislauf eingreift. Da die Harnabsonderung, wie sich tierexperimentell zeigen läßt, durch Erhöhung des arteriellen Blutdrucks gefördert wird, bei Senkung aber abnimmt, wäre eine Beeinflussung des Blutdrucks von der Niere aus durchaus verständlich. Wir besitzen darüber aber keine sicheren Kenntnisse. Es ist schon die Möglichkeit erwogen worden, daß die Niere bei mangelhafter Sauerstoffversorgung gewisse blutdruckwirksame Amine, die durch Decarboxylierung aus den entsprechenden Aminosäuren entstehen, ans Blut abgibt, währenddem sie dieselben sonst durch die Aminoxydasen weiteroxydiert. Tatsächlich scheint die Sauerstoffaufnahme von Homogenaten aus ischämischen Nieren erniedrigt und die Oxydation der Aminosäuren und der entsprechenden Amine verlangsamt zu sein4). Eine besondere Rolle scheint das Dihydroxyphenylalanin (Dopa) zu spielen, welches durch Decarboxylierung in das Hydroxytyramin übergeht: Dopa-

-CHj • CH(NHj) • COOH deearboxylase

HO HO

Dopa

CHj • CHj • NH)

HO HO

Hydroxytyramin

*) S k e g g s u. Mitarb., J . exptl. Med. 100, 363 (1954); 102, 435 (1955); 104, 183, 193 (1956). 2 ) S k e g g s u. Mitarb., J . exptl. Med. 106, 439 (1957). ) S c h w y z e r u. Mitarb., Helv. Chim. Acta 40, 614 (1957); Chimia 11, 335 (1957); 12, 53 (1958). «) B i n g , Am. J . Physiol. 132, 497 (1941); 183, 214 (1941); O l s e n . Fed. Proc. 10, 99 (1951). 3

620

Niere; Urin

Injektion von Dopa bei Katzen mit experimenteller Hypertonie (Ischämie der Niere) bewirkt eine Steigerung des Blutdrucks, während das normale Tier nicht reagiert. Auch beim Menschen mit essentieller Hypertonie beobachtet man einen stärkeren Effekt als beim Normalen1). Bei Durchströmung der ischämischen Niere, nicht aber der normalen, mit Dopa erhält man Hydroxytyramin. Auch Nierenextrakte bilden unter anaeroben Bedingungen aus der Aminosäure das Amin. Auch ein solcher Mechanismus, der auf der mangelnden Weiteroxydation von intermediär gebildeten Aminen beruht, könnte die Entstehung der Hypertonie bei Sauerstoffmangel der Niere erklären. Bei anderen Organen hat man die Bildung von blutdruckwirksamen Aminen unter ähnlichen Bedingungen nicht beobachtet. Möglicherweise ist die Niere wegen ihres hohen Sauerstoffbedarfs gegen Sauerstoffmangel besonders empfindlich. Alle diese Befunde sind für die Erklärung der renalen Hypertonie beim Menschen von Interesse2). Man hat im Blut von Patienten mit renaler Hypertonie ein blutdruckwirksames Amin „ P h e r e n t a s i n " gefunden, das im Blut von Normalen nicht vorzukommen scheint3).

5. Der Harn; seine wichtigsten Bestandteile Nach den früheren Ausführungen ist es verständlich, daß der Harn eine sehr wechselnde Zusammensetzung aufweist, welche sowohl die Zusammensetzung der Nahrung als aucli das Geschehen im Körper widerspiegelt. Wir können hier nur eine kurze Übersicht geben unter Hinweis auf die Kapitel über den Intermediärstoffwechsel. Alles folgende bezieht sich auf die Verhältnisse beim Menschen. Spezifisches Gewicht. Dasselbe kann zwischen den extremen Grenzen von etwa 1,003 (nach starker Flüssigkeitszufuhr) und 1,040 (nach starkem Wasserverlust durch Schwitzen) schwanken. Normalerweise findet man Werte zwischen etwa 1,015 und 1,025. Das spezifische Gewicht bei Wasserentzug gibt in der Klinik wertvolle Anhaltspunkte über die Konzentrationsfähigkeit der Niere. Man kann aus dem spezifischen Gewicht den ungefähren Gehalt des Urins an festen Stoffen (in g pro Liter) berechnen, indem man die beiden letzten Ziffern (2. und 3. Stelle nach dem Komma) mit der Zahl 2,6 multipliziert (sog. Longscher Koeffizient). Beispiel: Ein Urin vom spez. Gew. 1,021 enthält rund 21-2,6 = 54,6 g feste Stoffe im Liter.

Der normale Urin enthält eine große Zahl der verschiedenartigsten Stoffe: Endprodukte des Stoffwechsels, Nahrungsbestandteile, die entweder nicht verwertbar sind oder im Überschuß zugeführt werden, Bestandteile des Blutes und der Gewebe, die ausgeschieden werden, weil für sie das Nierenfilter offenbar nicht vollständig „dicht" ist. I n pathologischen Zuständen können im Urin Stoffe auftreten, welche normalerweise nicht oder nur in sehr geringer Menge ausgeschieden werden. Darauf beruht der große diagnostische Wert der Harnuntersuchung. Wir zählen im folgenden die wichtigsten Harnbestand teile auf und geben einige Hinweise auf ihre physiologische und klinische Bedeutung. A. Harnstoff

Er steht mengenmäßig an erster Stelle. Beim Erwachsenen macht er etwa 80—90% der N-haltigen Substanzen aus; bei eiweißarmer Ernährung ist dieser Anteil etwas kleiner. Die täglich ausgeschiedene Menge hängt von der Eiweißzufuhr ab ') Oster u. Sorkin, Proc. Soc. Exptl. Biol. Med. 46, 343 (1941). *) Vgl. B r a u n - M e n e n d e z u. Mitarb.; G o l d b l a t t ; Physiol. Rev. 27, 120 (1947); Renal hypertension; Springfield 1946. Weitere Literatur in: Ciba F o u n d a t i o n S y m p o s i u m on H y p e r t e n s i o n (Wostenholme u. Cameron, Eds.); London 1954. S c h a a f , Arch. Internal Med. 98, 254, 407 (1954). 3 ) Schroeder u. Olsen, J. exptl. Med. 92, 545, 561 (1950).

Kreatinin und Kroatin

621

(Harnstoffausscheidung = - — - — • ——, d. h. rund 0,3 mal Eiweißzufuhr in Gramm); O^U

JJO

sie beträgt 20—30 g, macht also mehr als die Hälfte aller festen Stoffe aus. Der Harnstoff ist das Substrat der sog. a m m o n i a k a l i s c h e n G ä r u n g des Harns. Er zersetzt sich unter der Einwirkung von Bakterien (Urease!) in Ammoniak und Kohlensäure. Über die Harnstoffsynthese in der Leber siehe S. 432 u. ff. B e s t i m m u n g des H a r n s t o f f s : Zerlegung durch Urease und Destillation des gebildeten Ammoniaks im Luftstrom, Auffangen in titrierter Säure (Folin), oder durch Zersetzung des Harnstoffs durch Hypobromit und gasvolumetrische Bestimmung des gebildeten N, (Ambard). B. Kreatinin und Kroatin

Beim erwachsenen Mann findet sich im Urin nur Kreatinin, kein Kroatin. Dasselbe ist bei der Mehrzahl der Frauen der Fall; es gibt aber Frauen, welche dauernd oder von Zeit zu Zeit kleine Mengen Kreatin ausscheiden. Das Kind dagegen scheidet gleichzeitig Kreatinin und Kreatin aus. Die Menge des ausgeschiedenen Kreatinins, bezogen auf das Körpergewicht (mg Kreatinin in 24 Stunden zu kg Körpergewicht), der sog. K r e a t i n i n k o e f f i z i e n t , ist für ein und dasselbe Individuum annähernd konstant. Für den Mann ergeben sich Werte von 20—26 mg/kg, für die Frau Werte von 14—22 mg/kg. Die Kreatininausscheidung hängt von der Muskelmasse ab; je besser die Muskulatur entwickelt ist, desto mehr Kreatinin wird ausgeschieden. Kreatin geht nur dann in den Urin über, wenn seine Konzentration im Blut erhöht ist ( > 0,6 mg%). Bei der Frau kommt es während des Puerperiums zur Kreatinurie. Überhaupt tritt bei der Frau Kreatinausscheidung leichter auf als beim Mann. Im allgemeinen können solche Zustände zur Ausscheidung von Kreatin führen, bei welchen Gewebe, insbesondere Muskulatur, eingeschmolzen wird. Typisch ist das Auftreten von Kreatinurie bei Erkrankungen der Skelettmuskulatur (Muskeldystrophie, Myasthenia gravis, Myatonia congenita usw.). Überfunktion der Schilddrüse führt regelmäßig zur Kreatinurie, Die pathologische Kreatinurie weist folgende Kennzeichen auf: Ausscheidung von Kroatin höher als 50— 60mg in 24 Stunden; bei Verabreichung von Kreatin (1,32 g, entsprechend 1 g Kreatinin) erscheinen in den folgenden 24 Stunden mehr als 30% im Urin (normalerweise sind es nur wenige Prozente). Der Kreatininkoeffizient ist niedrig.

Das Kreatin des Urins entstammt im wesentlichen dem Kreatin der Muskulatur. Von außen zugeführtes Kreatin wird fast vollständig von den Muskeln aufgenommen. Ist die Muskulatur durch irgendwelche pathologischen Prozesse geschädigt, so vermag sie weder das endogene noch das exogene Kreatin vollständig zu fixieren und in Kreatinin umzuwandeln; ein Teil des Kreatins wird daher als solches ausgeschieden. Über die Synthese des Kreatins und den Kreatinstoffwechsel siehe S. 415 und S. 657. N a c h w e i s und B e s t i m m u n g des K r e a t i n i n s : Kreatinin gibt in alkalischer Lösung mit Nitroprussidnatrium [Fe(CN6)NO] • Naa • 2 H 2 0 eine rote Färbung, die beim Stehen abblaßt und bei Zusatz von Essigsäure sofort verschwindet (Gegensatz zum Aceton): Weyische Reaktion. Verdünnte alkalische Kreatininlösung gibt mit Pikrinsäure versetzt eine orangerote Färbung. Diese Reaktion kann zur quantitativen kolorimetrischen Bestimmung benutzt werden. (Sie ist aber nicht streng spezifisch auf Kreatinin.) Im Blut finden sich noch andere Stoffe, welche unter

622

Niere; Urin

den gleichen Bedingungen eine Färbung geben. Die Methode genügt aber für die meisten praktischen Zwecke. Man hat Bakterien isoliert, die Kreatinin abbauen, und hat darauf eine spezifische mikrobiologische Bestimmungsmethode gegründet (Miller und Dubos). Zur Bestimmung des Kreatins neben dem Kreatinin führt man durch Erhitzen mit Säure das Kroatin in Kreatinin über. Aus der Zunahme des Kreatinins läßt sich der Kreatingehalt berechnen. C. Harnsäure

Die Harnsäure stellt im Urin der Säugetiere eines der Endprodukte des Purinstoffwechsels dar. Auch bei völlig purinfreier Nahrung wird immer Harnsäure ausgeschieden (0,3—0,5 g täglich). Dieselbe muß aus den Nucleinsäuren und Nucleotiden der Gewebe stammen (endogene H a r n s ä u r e ) . Bei Zufuhr von Purinen mit der Nahrung wird eine zusätzliche Menge Harnsäure eliminiert (exogene H a r n säure). Normalerweise macht beim Erwachsenen die Harnsäure 1—2% des gesamten Urin-N aus. Beim Neugeborenen ist der Anteil der Harnsäure am Urin-N viel größer als beim Erwachsenen (7—8%). Nach Injektion von Harnsäure wird nur ein Teil im Urin wieder ausgeschieden (rund 50%). Der Rest wird zerstört. Man muß jedenfalls auf Grund dieser Versuche schließen, daß die Harnsäureausscheidung nicht dem gesamten endogenen Purinumsatz entspricht, sondern daß ein Teil des Purins irgendwo im Organismus weitgehend abgebaut wird. Die Allantoinbildung (vgl. S. 477) ist beim Menschen sehr gering. Wahrscheinlich gelangt ein Teil durch Magensaft und Galle in den Darm und wird durch die Bakterien abgebaut. Man vermutet, daß ein Teil auch in der Leber zerstört wird. Es sind allerdings in den menschlichen Geweben noch keine Fermente gefunden worden, welche die Harnsäure angreifen. Reichliche Zufuhr von Proteinen (ohne Purine!) mit der Nahrung führt zu einer leichten Steigerung der Harnsäureausscheidung, weil ein Teil des Stickstoffs zur Purinsynthese verwendet wird. Bei körperlicher Arbeit ist die Harnsäureausscheidung erhöht. Alle Prozesse, die zur Einschmelzung von Gewebe führen (z. B. fieberhafte Erkrankungen, Röntgenbestrahlung usw.), erhöhen auch die Ausscheidung der Harnsäure. Wegen ihrer Schwerlöslichkeit kann Harnsäure zur Konkrementbildung im Nierenbecken oder in der Blase führen (siehe unten). B e s t i m m u n g d e r H a r n s ä u r e : durch Fällung als Ammoniumurat oder kolorimetrisch auf Grund ihrer Eigenschaft, Phosphorwolframsäure oder Arsenophosphorwolframsäure unter Blaufärbung zu reduzieren. D. Aminosäuren und Derivate

Freie Aminosäuren werden nur in kleiner Menge ausgeschieden (1—2% des Gesamt-N); daneben finden sich auch Polypeptide, die aber wenig untersucht sind. Es sind verschiedene Zustände bekannt, bei welchen die Ausscheidung von Aminosäuren im Urin stark vermehrt ist. Die genauere Erforschung dieser Aminoacidurien ist erst in jüngster Zeit dank der Entwicklung der chromatographischen Methoden möglich geworden und hat zu interessanten Resultaten geführt 1 ). In gewissen Fällen ist die erhöhte Ausscheidung die Folge einer erhöhten Konzentration im Blut: es kommt zum Ü b e r f l i e ß e n der Aminosäuren („overflow aminoacidurias"). Dies ist z. B. bei Leberschädigungen der Fall. (Es ist eine altbekannte Tatsache, daß bei akuter gelber Leberatrophie Tyrosin und Leucin im Urin auskristallisieren können.) In anderen Fällen aber besteht zwischen dem Aminosäurespiegel im Blut und der Ausscheidung keine sichtbare Beziehung. Es treten ganz bestimmte Aminosäuren in vermehrter Menge in den Urin über, wahrscheinlich infolge einer S t ö r u n g des A u s s c h e i d u n g s m e c h a n i s M Vgl. D e n t , Schweiz.med.Wschr. 80, 752 (1950); Brit.Med.Bull. 10, 247 (1954). E v e r e d , Biochem. J. 62, 416 (1956). H a r r i s , Conférences et Rapports, 3m® Congrès Internat, de Biochimie, Bruxelles 1955, S. 467; Liège 1956.

Produkte der „Entgiftung" (Detoxikation)

623

mus („renal aminoacidurias"). Die Aminoacidurie ist hier ein charakteristisches Symptom eines — wie es scheint — meist kongenitalen Defekts. (Beim sog. Fanconi-Syndrom ist sie z.B. mit Zwergwuchs, Rachitis und Nierenveränderungen vergesellschaftet; Aminoacidurie besteht auch bei der Wilsonschen Krankheit [S. 817] und bei der Galactosämie [S. 307].) Schon lange bekannt ist die Cystinurie, die wegen der Schwerlöslichkeit des Cystins zur Steinbildung führen kann. Nach neueren Untersuchungen werden gleichzeitig auch Lysin, Arginin und Ornithin in stark vermehrter Menge ausgeschieden. Bei der S. 393 erwähnten Phenylketonurie treten auch beträchtliche Mengen Phenylalanin in den Urin über, sehr wahrscheinlich als Folge des erhöhten Blutspiegels, außerdem noch Phenylmilchsäure und Phenylessigsäure in Form des Phenylacetylglutamins (vgl. S. 430). Die Alkaptonurie ist durch die Ausscheidung der Homogentisinsäure charakterisiert (siehe S. 394). Alkaptonharn dunkelt beim Stehen von der Oberfläche her nach und verfärbt sich schließlich grünschwärzlich, Harnflecken auf der Wäsche färben sich mit Soda dunkel (daher der Name Alkali kapto: reiße Alkali an mich). Dies beruht auf der Oxydation der Homogentisinsäure (ein Hydrochinonderivat!) zu einem dunklen Pigment, die eintritt, sobald der Harn durch ammoniakalische Gärung alkalisch wird. Der Harn ist reduzierend. Aus ammoniakalischer Silbernitratlösung wird in der Kälte metallisches Silber abgeschieden. Auch Fehlingsche Lösung wird in der Kälte langsam reduziert. E . Produkte der „Entgiftung« (Detoxikation)

Der Urin enthält eine ganze Reihe von Verbindungen, welche durch sog. „Entgiftungsvorgänge" entstanden sind. Dieser Ausdruck bezeichnete ursprünglich Reaktionen, durch welche ein körperfremder, toxisch wirkender Stoff in eine zur Ausscheidang im Urin geeignete, weniger toxische Verbindung übergeführt wird. Dabei ging man von der Vorstellung einer zweckmäßigen Reaktion aus, durch welche der Organismus sich der schädlichen Stoffe zu entledigen sucht. Als erster hatte E. Baumann 1876 gezeigt, daß die aus dem Harn isolierte Phenolschwefelsäure beim Kaninchen nicht giftig wirkt. „Da nun erwiesen ist, daß schwefelsaures Natron aus dem in den Körper gebrachten Phenol nicht giftige Phenolschwefelsäure erzeugt, so ist das schwefelsaure Natron oder ein anderes lösliches schwefelsaures Salz ein direktes chemisches Gegengift bei Phenolvergiftung." Es scheint, daß der Ausdruck Entgiftung im oben angegebenen Sinn zum erstenmal von Neumeister 1895 gebraucht worden ist.

In Wirklichkeit ist aber das Produkt der Entgiftungsvorgänge keineswegs immer weniger toxisch, ja nicht einmal immer besser löslich und zur Ausscheidung geeigneter als die ursprüngliche Verbindung. Man kann vom Organismus gar nicht erwarten, daß seine Reaktion beliebigen körperfremden Stoffen gegenüber immer „zweckmäßig" ist. Ein fremder Stoff wird seiner chemischen Natur gemäß mit den vorhandenen körpereigenen Verbindungen und Fermentsystemen reagieren. Dabei kann ein weniger toxischer, besser löslicher Körper gebildet werden, braucht es aber nicht. Der Ausdruck „Entgiftungsvorgang" ist zwar noch allgemein gebräuchlich; man versteht aber heute darunter ganz allgemein die chemischen Umwandlungen, welche beliebige körperfremde Substanzen im Tierkörper erleiden, gleichgültig, ob damit eine Änderung der Toxizität verbunden ist oder nicht. Als körperfremde Stoffe sind alle diejenigen zu betrachten, die nicht normale Bestandteile der Gewebe oder normale Stoffwechselprodukte sind. Derartige Verbindungen werden im Darm beständig aufgenommen. Sie entstammen entweder direkt der Nahrung oder sie werden im Darm durch Fäulnis- oder Gärungsvorgänge gebildet. Eine besonders wichtige Rolle spielen gewisse Aporrhegmen der Aminosäuren. Von großer praktischer Bedeutung ist natürlich auch das Verhalten der als Medikamente verwendeten Stoffe. Ihre Untersuchung hat wichtige Beiträge zur Kenntnis der Entgiftungsvorgänge geliefert.

Niere; Urin

624

Ein großer Teil der Entgiftungsreaktionen findet wahrscheinlich in der Leber statt, welche infolge ihrer besonderen Lage hierzu das geeignete Organ ist. Einzelne Reaktionen, so die Hippursäuresynthese, sind aber auch in der Niere nachgewiesen worden. Die Umwandlungen, die körperfremde Stoffe im Organismus erleiden, sind sehr mannigfaltig. Hydrolysierbare Verbindungen werden in ihre Bausteine aufgespalten. Sehr häufig werden die Stoffe oxydativ angegriffen; vielfach tritt auch Reduktion ein. Besonders wichtig sind die synthetischen Reaktionen, durch welche die eingeführten Verbindungen mit bestimmten körpereigenen Stoffen verbunden („gepaart" oder „konjugiert") werden. Als solche dienen Schwefelsäure (Bildung von g e p a a r t e n Schwefelsäuren), Glacuronsäure (gepaarte Glucuronsäuren), Aminosäuren, nämlich Glycocoll, G l u t a m i n , Cystein, Ornithin. Schließlich können die Stoffe in A c e t y l d e r i v a t e oder in einzelnen Fällen auch in Methyld e r i v a t e übergeführt werden. Vielfach wird der eingeführte Stoff zuerst oxydiert, worauf das Oxydationsprodukt mit einem der genannten Stoffe der Konjugation unterworfen wird. Wir kennen eine große Zahl körperfremder Stoffe — es handelt sich meist um aromatische Körper — welche zu Hydroxylverbindungen oxydiert werden können1). Diese Reaktionen sind merkwürdig, weil hier natürlicherweise im Körper nicht vorkommende Substanzen von den Fermenten angegriffen werden. Offenbar handelt es sich um Enzyme mit ziemlich weitem Spezifitätsbereich. Da sich unter den Substraten dieser Enzyme viele pharmakologisch interessante Verbindungen finden, hat man sich mit dem enzymatischen Mechanismus der Hydroxylierung eingehend befaßt. Ein Fermentsystem, das eine Reihe aromatischer Verbindungen zu hydroxylieren vermag, ist in den Mikrosomen der Leber nachgewiesen worden2). Es benötigt molekularen Sauerstoff und außerdem reduziertes TPN. Sehr wahrscheinlich gehören diese hydroxylierenden Enzyme zu den Oxydasen, welche den molekularen Sauerstoff direkt in organische Verbindungen einführen. Man hat in einzelnen Fällen (Oxydation des Acetanilids zum p-Hydroxyacetanilid) durch Verwendimg des schweren Sauerstoffisotops (0) tatsächlich zeigen können, daß der Hydroxylsauerstoff nicht aus dem Wasser, sondern aus dem Oa stammt 3 ). Der Verlauf solcher Hydroxylierungen ist nicht sicher bekannt; doch lassen sich theoretische Vorstellungen entwickeln. Man kann annehmen, daß das eine Saueretoffatom zur Oxydation des Substrats dient, während das andere in gekoppelter Reaktion durch ein Reduktionsmittel, im obigen Beispiel TPNH reduziert wird4). Wir werden bei Besprechung der Hydroxylierung der Steroide einer ähnlichen Reaktion begegnen (S. 714). Man kennt unspezifische Modellreaktionen, die ebenfalls zur Hydroxylierung verschiedener aromatischer Verbindungen führen. Solche Systeme setzen sich aus Ferroionen, Ascorbinsäure (oder anderen Endiolen) und dem Substrat zusammen; die Reaktionsgeschwindigkeit wird durch Komplexbildner wie Äthylendiamintetraessigsäure gesteigert. Daher liegt die Vermutung nahe, daß die für die Hydroxylierung verantwortlichen Enzyme, Metallenzyme sind. Dafür spricht auoh die Tatsache, daß z. B. die Meerrettichperoxydase unter geeigneten Bedingungen derartige Reaktionen katalysiert.

Ein und derselbe Stoff kann in Form verschiedener Verbindungen ausgeschieden werden, z. B. gleichzeitig als Sulfat und als Glucuronid, wobei allerdings meistens die eine stark bevorzugt ist (vgl. unten, Verhalten der Salicylsäure). Die Elimination einer Verbindung kann bei den verschiedenen Tierarten in verschiedener Form geschehen. So wird z. B. die Phenylessigsäure bei den meisten Tierarten als Phenacetursäure, beim Menschen dagegen als Phenylacetylglutamin ausgeschieden. ) Man findet eine Liste solcher Verbindungen in Mason, Adv. Enzymol. 19, 144 (1957). ) Brodie u. Mitarb., Science 121, 603 (1955); Mitoma u. Mitarb., Arch. Biochem. Biophys. 61, 431 (1956). 3 ) Vgl. Mason, Adv. Enzymol. 19, 176 (1957). 4) M a s o n , Adv. Enzymol. 19, 79 1957). 1

2

Produkte der „Entgiftung" (Detoxikation)

625

Wir können im folgenden nur einige wenige Beispiele erwähnen: a) Gepaarte Schwefelsäuren (Esterschwefelsäuren). Sie wurden 1876 von E. B a u m a n n entdeckt und als Schwefelsäureester der indigobildenden Substanz des Urins oder von Phenolen erkannt. Der Urin enthält neben dem anorganischen Sulfat stets noch eine gewisse Menge organisch gebundene Schwefelsäure, welche durch saure oder alkalische Hydrolyse freigesetzt werden kann. Eine der wichtigsten gepaarten Schwefelsäuren ist das H a r n i n d i c a n , die Indoxylschwefelsäure: I^V

c—o—SO3H

Über die Entstehung des Indoxyls aus dem Tryptophan siehe S. 402. Die Ausscheidung des Harnindicans kann bei gesteigerter Darmfaulnis (z. B. bei Darmverschluß) vermehrt sein. Skatoxyl wird in gleicher Weise mit Schwefelsäure gepaart. Phenole werden zum größten Teil als gepaarte Schwefelsäuren ausgeschieden: P h e n o l - und K r e s o l s c h w e f e l s ä u r e , B r e n z c a t e c h i n s c h w e f e l s ä u r e und H y d r o c h i n o n s c h w e f e l s ä u r e ( z . B. nach Phenolvergiftung nachgewiesen; Hydrochinon ist durch Oxydation des Phenols entstanden):

O

O—SO,H

Der Harn der Pflanzenfresser ist besonders reich an Schwefelsäureestern von Phenolen. Die Menge der konjugierten Schwefelsäure nimmt auch nach Benzolvergiftung zu. Benzol wird zu Phenolen (Phenol, Brenzcatechin, Hydrochinon) und ein kleiner Teil darüber hinaus zur cw-cia-Muconsäure oxydiert1): H ,CX

U

/0H HC C00H A * U\0H ^ h^c/cooh H

Das Enzym, welches den Brenzcatechin unter Ringöffnung zur Muconsäure oxydiert (Brenzcatechinoxydase), enthält Ferroeisen. „tracer"-Versuche mit schwerem Sauerstoff (0( 18 )) haben gezeigt, daß die beiden O-Atome, die bei der Oxydation eingeführt werden, dem molekularen Sauerstoff entstammen2). Die Brenzcatechinoxydase gehört demnach zu den oben erwähnten Fermenten, welche den molekularen Sauerstoff aktivieren und auf andere Verbindungen übertragen (S. 256). Das Enzym ist in verschiedenen Mikroorganismen nachgewiesen worden.

Es werden aber auch im Körper gebildete Substanzen in Sulfate übergeführt. So werden die Östrogenen H o r m o n e , welche phenolischen Charakter haben, im Urin teilweise als Sulfate ausgeschieden. Daß Esterschwefelsäuren aus anorganischem Sulfat gebildet werden, ist einwandfrei durch Verwendung von radioaktivem S(35)-Sulfat bewiesen worden. Z. B. erscheint nach gleichzeitiger Zufuhr von S(35)-Sulfat und 2-Naphthylamin im Urin radioaktive 2-Amino-l-naphthylschwefelsäure3). ') Vgl. W i l l i a m s , Ann. Rev. Biochem. 20, 453 (1951). s ) H a y a i s h i u. Mitarb., J. Am. ehem. Soc. 77, 5450 (1955). ) Laidlaw u. Y o u n g , Biochem. J. 54, 142 (1953).

3

40

L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15.Aufl.

626

Niere; Urin

Auch in den Mechanismus der Reaktion konnte in letzter Zeit Einblick gewonnen werden. In Fennentpräparaten aus Leber wird bei Gegenwart von ATP unter Abspaltung von Pyrophosphat „aktives Sulfat" gebildet, das den Schwefelsäurerest auf den Akzeptor, z. B. ein Phenol, überträgt1). Das aktive Sulfat ist naoh Robbins und Lipmann Adenosin-3'-phosphatß'-phosphosulfat2) (vgl.S. 510): O O H H H H || || Adenin—C—C—C—C—CH,—O—P—O—S—OH IL O H | 1I | i|| O-pOH O 0—PO s H, b) Gepaarte Glucuronsäuren. Eine Verbindung der Glucuronsäure wurde erstmals von J a f f é 1874 aus dem Urin von Hunden isoliert, die ortho-Nitrotoluol erhalten hatten. Diese Verbindung, „Uronitrotoluolsäure", erwies sich als eine Verbindung des ortho-Nitrobenzylalkohols mit einer damals unbekannten reduzierenden Säure CaH,0O7, von der J a f f é vermutete, daß sie sioh von einem Zucker duroh Oxydation der —CH, -OH-Gruppe zur COOH-Gruppe ableite. Dieselbe Säure wurde später von Sohmiedeberg und Mayer (1879) duroh Hydrolyse einer Verbindung erhalten, welche im Hundeham naoh Verabreichung von Campher ausgeschieden wird, und erhielt den Namen „Glycuronsäure".

Es gibt eine große Zahl von Verbindungen, welche als gepaarte Glucuronsäuren ausgeschieden werden können. Wir kennen zwei Arten von Glucuroniden: Alkohole und Phenole werden glycosidisch gebunden: COOH CH CHOH-CHOH-CHOH CH O R I 0 I Alkohol

Dieser Typus von Glucuroniden ist gegen Alkali stabil und wirkt daher gegen die gewöhnlichen alkalischen Reagenzien nicht reduzierend. Verschiedene aromatische Carbonsäuren werden esterartig gebunden: COOH-CH-CHOHCHOH-CHOHCH-OCOR I 0 1 Säure

Die Ester werden in alkalischer Lösung hydrolysiertmnd sind daher reduzierend. Der normale Urin enthält nur wenig gepaarte Glucuronsäuren (Phenyl-, Indoxylglucuronide) ; dagegen können sie in großer Menge nach Verabreichung gewisser Medikamente, Narcotica usw. auftreten: Salicylsäure, Campher, Borneol, Menthol, Terpentin, Chloralhydrat, Avertin (Tribromäthylalkohol), Morphin. Die häufig verwendete Salicylsäure wird in Form verschiedener Produkte ausgeschieden, teils als solche (16%), teils in Verbindung mit Glycocoll als Salicylursäure (44%): j^X-CO-NHC^COOH LI]—OH teils als ein Glucuronid, dessen Konstitution noch nicht bekannt ist (20%); teils wird sie zu Gentisinsäure oxydiert und als solche ausgeschieden: HO—j^Nr-COOH I J L o h 1 ) Bernstein u. MoGilvery, J. biol. Chem. 199, 745 (1952); De Meio u. Mitarb., J. biol. Chem. 213, 439 (1955); Segai, J. biol. Chem. 213, 161 (1955). 2 ) J. Am. chem. Soo. 78, 2652 (1956).

Produkte der „Entgiftung" (Detoxikation)

627

Chloralhydrat wird erst zu Trichloräthylalkohol reduziert, der dann als Glucuronid („Urochloralsäure", Mering und Musculus 1875) ausgeschieden wird:


CH—C—NH—CH—C—NH—CH,—CONH, ¿H, H,C—¿H—CH, Oxytocin C.HjOH

C e H,

NH, O

LH, O

¿H.

1

1

1

II

II

CH,—CH-C—NH—CH—C—NH—CH 1 k

¿ - 0 o

o

IIH

CH,—CH—NH—C—CH—NH—C—¿H—CH,—CH,—C0NH, ¿=0 CH,—À | CH,—CH,

¿H, 00 ¿ONH, O !H—C—NH—CH—C—NH—CH.—iCONH, ¿ ^ I CH,

NH

J, " CH,—NH—C-NH, Das untere Formelbild stellt das sog. Arginin-Vasopressin aus Rinderhypophysen dar. Das Lysin-Vasopressin aus Schweinehypophysen enthält an Stelle des Arginins Lysin. Dieses Hormon zeigt also eine gewisse Artspezifität. l

) Du Vigneaud u. Mitarb., J . Am. ehem. Soc. 75, 4879, 4880 (1953); 76, 3115 (1954).

Die endokrine Steuerung der Fortpflanzungsvorgänge

727

D. Funktionen des Mittellappens

Hypophysenextrakte enthalten einen Stoff, welcher die pigmentführenden Zellen in der Haut der Amphibien und Fische, die sog. Melanophoren, veranlaßt, sich auszudehnen (Melanophorenhormon, MSH, Intermedin). Neuere Beobachtungen deuten darauf hin, daß es sich eigentlich nicht um eine Ausdehnung und Kontraktion der Zellen handelt, sondern daß sich die Pigmentgranula innerhalb der Zellen auf einer größeren oder kleineren Fläche verteilen. Das Hormon aus der Einderhypophyse (ß-MSH) besteht aus 18 Aminosäureresten, deren Aufeinanderfolge festgestellt werden konnte: Asp • Ser • Gly • Pro • Tyr • Lys • Met • Glu • His • Phe • Arg • Tyr • Gly • Ser • Pro -Pro- Lys • Asp Aus der Schweinehypophyse ist das sog. a-MSB isoliert worden, das 13 Aminosäurereste enthält. Von großem Interesse ist die Tatsache, daß die in der obigen Formel durch eine Klammer gekennzeichnete Sequenz von 7 Aminosäuren auch im corticotropen Hormon vorkommt1), und daß das a-MSH sogar die Sequenz der ersten 13 Aminosäuren im ACTTH enthält. Die endständige a-Aminogruppe ist hier acetyliert, und die endständige Carboxylgruppe hegt in der Amidform vor. Polypeptide mit MSH-Wirkung sind auch synthetisch dargestellt worden. Das /?-MSH aus der Hypophyse des Menschen enthält 22 Aminosäuren.

Daß das Hormon im Mittellappen und nicht im Hinterlappen gebildet wird, geht aus verschiedenen Beobachtungen mit Sicherheit hervor. Gewebskulturen von Zellen der Pars intermedia enthalten den auf die Melanophoren wirkenden Stoff. Nach der Durchtrennung des Hypophysenstiels bleibt die „B-Aktivität" trotz der Degeneration der Neurohypophyse erhalten. Das Hormon spielt bei solchen Tierarten eine Rolle, welche ihre Färbung der Umgebung anpassen können (heller oder dunkler Hintergrund). Die Expansion der Melanophoren (dunkler Hintergrund) erfolgt bei Belichtung einer bestimmten, ventral gelegenen Zone der Ketina (Lichteinfall von obenl). Der Reiz wird durch den Sehnerv nach dem Gehirn und weiter zur Hypophyse geleitet und bewirkt dort Ausschüttung des Hormons. Auf hellem Hintergrund (diffuser Lichteinfall) wird eine andere Zone der Retina gereizt (W-Zone; W = white). Nach der einen Theorie wird dadurch die Hormonausschüttung gehemmt; nach einer anderen Theorie wird bei Reizung dieser Zone ein anderes Hormon ausgeschüttet, das entweder die Melanophoren zur Kontraktion bringt oder aber die Expansion hemmt.

9. Die endokrine Steuerung der Fortpflanzungsvorgänge Bei den Tieren wird das Geschlecht schon bei der Befruchtung des Eies bestimmt. Dagegen wird die Ausbildung der Fortpflanzungsorgane und der sekundären Geschlechtsmerkmale weitgehend durch Hormone gesteuert. Auch die Lenkung der Vorgänge, welche bei den Säugetieren der Vorbereitung des Uterus für die Aufnahme des befruchteten Eies und der Ernährung des wachsenden Fötus dienen, erfolgt im wesentlichen auf humoralem Wege. Die Wirkstoffe werden in den Gonaden, z. T. auch in der Nebennierenrinde gebildet, deren Tätigkeit ihrerseits durch die Hormone der Hypophyse gelenkt wird. Wir geben im folgenden einen kurzen Überblick über die einzelnen Hormone und ihre Wirkungen und versuchen, uns anschließend ein Bild ihres Zusammenwirkens zu machen. A. Die gonadotropen Hormone der Hypophyse und der Placenta

Wird beim erwachsenen Tier die Hypophyse entfernt, so atrophieren die Gonaden (Hoden oder Ovarien) und die übrigen Fortpflanzungsorgane. Beim jungen Tier tritt 1

) Zusammenfassung über Melanophorenhormone vgl. Cho H a o Li, Adv. Prot. Chem. 12,269 (1957). A c h e r , Ann. Rev. Biochem. 29, 553 (1960); H o f m a n n , ibid. 81, 213 (1962).

728

Innere Sekretion und Hormone

nach Entfernung der Hypophyse die Geschlechtsreife nicht ein; die Geschlechtsorgane verharren im Zustand infantiler Entwicklung und die sekundären Geschlechtsmerkmale bilden sich nicht aus. Es müssen also von der Hypophyse Impulse ausgehen, welche die Entwicklung der Gonaden und der Fortpflanzungsorgane anregen und ihre Funktion unterhalten. Dies geschieht auf humoralem Wege, denn man kann beim jugendlichen Tier durch Verpflanzung von Gewebe des Hypophysenvorderlappens eine vorzeitige Geschlechtsreife hervorrufen. Wir kennen drei Hypophysenhormone, die auf die Gonaden einwirken, 1. das follikelstimulierende Hormon (FSH) oder Prolan A, 2. das luteinisierende Hormon (LH), zwischenzellenstimulierende (ICSH) oder Prolan B und 3. das Prolaetin (lactogenes Hormon, luteotropes Hormon [LTH]). I n den Chorionzellen der Placenta wird ein weiteres gonadotropes Hormon gebildet, das in diesem Zusammenhang erwähnt werden muß, das C h o r i o n g o n a d o t r o p h i n . Für die volle Entwicklung und Funktion des Ovars ist das Zusammenwirken aller drei Hypophysenhormone nötig. Die Entwicklung und die normale Funktion des Hodens scheint von zwei Hormonen abzuhängen, dem FSH und besonders dem ICSH. Nachfolgend sind einige gebräuchliche Benennungen der hypophysären gonadotropen Hormone zusammengestellt: FSH Follikelstimulierendes Hormon, Follikelreifungshormon, Prolan A Thylakentrin, action auxogeine von Guy6not ICSH (od. LH) Zwischenzellenstimulierendes Hormon („interstitial cell stimulating hormone") Luteinisierendes Hormon, Prolan B Metakentrin, action crinog&ne von Guyönot LTH Luteotropes Hormon, Prolaetin, lactogenes Hormon "Die Kenntnis der gonadotropen Hormone ist hauptsächlich E v a n s , F e v o l d u. a. in den USA zu verdanken. Unabhängig von ihnen ist E. G u y e n o t zu ähnlichen Resultaten gelangt.

1. Das f o l l i k e l s t i m u l i e r e n d e H o r m o n ist aus Schafshypophysen als reines Protein gewonnen worden, das sich bei der Elektrophorese und in der Ultrazentrifuge als einheitlich erwies (Cho H a o L i , S i m p s o n und Evans) 1 ).

Die Darstellung erfolgt durch Extraktion der Drüsen (hauptsächlich Schaf oder Schwein) mit Ca(OH)a und Fraktionierung des Extraktes mit Ammoniumsulfat oder Alkohol. Isoelektrischer Punkt bei pH 4,5. Molekulargewicht 67000. Neuerdings scheinen aber daraus durch enzymatischen Abbau (Pankreatinverdauung) und anschließende chromatographische Reinigung Präparate gewonnen worden zu sein, die 30 — 50mal wirksamer sind als die früher durch Fällungsmethoden gewonnenen2). Das Hormon enthält Kohlenhydrat, ist also ein Glycoproteid.

Das Hormon stimuliert das Wachstum des Keimepithels. Im O v a r bewirkt es eine Vergrößerung der Follikel, meßbar an der Zunahme des Gewichts der Ovarien, ohne aber die Produktion von Östrogenen Hormonen durch die Follikelzellen anzuregen (die für die Östrogenen Stoffe typischen Veränderungen an Uterus und Vagina treten nicht auf). I m H o d e n der hypophysektomierten Ratte regt es die Spermatogenese an, nicht aber die Hormonbildung in den Zwischenzellen. (Die akzessorischen Geschlechtsorgane bleiben unentwickelt.) Die Effekte des FSH am Ovar und am Hoden sind also durchaus vergleichbar. Das follikelstimulierende Hormon oder ein solches mit ähnlicher Wirkung wird auch im Urin der Frau in der Menopause oder nach Ovariektomie ausgeschieden (Guyenot). !) Choh Hao Li u. Mitarb., Science 109, 445 (1949). Neuere Literatur vgl. H a y s u. S t e e l man, in Pincus und Thimann: The Hormones, Vol III, S. 211; New York 1955. 2 ) S t e e l m a n u. Mitarb., Endocrin. 66, 216 (1955); 69, 256 £1956).

Die gonadotrope!! Hormone der Hypophyse und der Placenta

729

2. Das z w i s c h e n z e l l e n s t i m u l i e r e n d e ( l u t e i n i s i e r e n d e ) H o r m o n ist ebenfalls ein Protein und aus Hypophysen vom Schaf und vom Schwein dargestellt worden1). Die beiden Tierarten liefern aber Präparate von verschiedenen Eigenschaften (Molekulargewicht, isoelektrischer Punkt, Zusammensetzung, immunologische Spezifität). Die Proteine enthalten Kohlenhydratgruppen.

Das ICSH bringt im O v a r die durch das FSH vorbereiteten Follikel zur Reife und setzt die Sekretion von östrogenem Hormon durch die Follikelzellen in Gang, erkennbar an der Wirkung auf Uterus und Vagina. Unter seinem Einfluß kommt es zur „Luteinisierung" des Follikels, d. h. zur Ausbildung des Corpus luteum (daher der Name luteinisierendes Hormon). Im Ovar der hypophysenlosen Ratte können durch kombinierte Verabreichung von FSH und ICSH die Follikel zur Ovulation gebracht werden. Die beiden Hormone wirken also synergistisch, wobei das erste den Boden für die Wirkimg des zweiten vorbereitet. Bei den Tierarten, bei welchen das Ovar die sog. Zwischenzellen enthält (z. B. bei den Nagern), regt das ICSH deren Wachstum an. Das reine ICSH (ohne FSH) wirkt beim hypophysektomierten Tier nicht auf die Follikel, sondern nur auf die Zwischenzellen. Es ruft daher auch keine Reaktion des Uterus und der Vagina hervor. Der Gelbkörper, der unter dem Einfluß des ICSH gebildet wird, produziert noch kein Hormon; dazu ist die Wirkung des luteotropen Hormons nötig. Im H o d e n stimuliert das ICSH die Leydigschen Zellen (Zwischenzellen) und bringt sie zur Sekretion des androgenen Hormons, so daß es zur typischen Vergrößerung der akzessorischen Drüsen (Prostata, Samenblasen) kommt. 3. Das l u t e o t r o p e H o r m o n ist ein Protein vom Molekulargewicht 24200 (Bestimmimg durch Sedimentation in der Ultrazentrifuge), das in hochgereinigtem Zustand dargestellt worden ist (White, Cho H a o Li, S i m p s o n und Evans). Das Hormon findet sich in der Hypophyse des Rindes und des Schafes in viel größerer Menge als beim Schwein2). Bei den neueren Darstellungsmethoden geschieht die endgültige Reinigung durch Gegenstromverteilung nach Craig. Es sind vollständige Aminosäureanalysen des Hormons durchgeführt worden; indessen ist erst eine kurze Sequenz am Aminoende der Polypeptidkette bekannt. Endglied ist das Threonin. Da sich eine Carboxylendgruppe nicht hat nachweisen lassen, besitzt das Prolactin möglicherweise eine cyklische Struktur.

Das Hormon übt sehr verschiedenartige biologische Wirkungen aus: a) Es stimuliert die Zellen des Corpus luteum zur Bildung des Progesterons und unterhält deren sekretorische Funktion (daher der Name luteotropes Hormon) 8 ); b) es bewirkt in der durch das Östrogene Hormon vorbereiteten Milchdrüse die Proliferation des Drüsengewebes und unterhält die Milchsekretion4); c) es bewirkt eine starke Vergrößerung der Kropfdrüsen der Taube5). Die Bildung der gonadotropen Hormone erfolgt wahrscheinlich in den acidophilen Zellen des Vorderlappens. In der Hypophyse tritt nämlich eine besondere Art acidophiler Zellen, die sog. „carminophilen" Zellen, immer dann in vermehrter Menge auf, wenn der funktionelle Zustand des Ovars auf die Produktion von luteinisierendem und luteotropem Hormon hindeutet. Im Urin schwangerer Frauen (besonders reichlich im 2. und 3. Monat) wird ein gonadotropes Hormon ausgeschieden, welches bei der infantilen Maus die Reifung 1

) ) ) 4 ) *) 2

s

Zusammenfassung vgl. Choh H a o Li, Vitamins and Hormones 7, 223 (1949). Zusammenfassung vgl. Choh H a o Li, Adv. Prot. Chem. 12, 295 (1957). E v a n s u. Mitarb., Proc. Soc. Exper. Biol. Med. 46, 586 (1941). F o l l e y u. Malpress, in Pincusu. Thimann: The Hormones. Vol. I, S. 745. New York 1948. Riddle u. Braucher, Am. J. Physiol. 97, 617 (1931).

730

Innere Sekretion und Hormone

der Follikel und deren Luteinisierung hervorbringt. Das Hormon, das auch im Blut der Schwangeren vorhanden ist, wurde ursprünglich Prolan genannt, und man nahm an, daß es aus der Hypophyse stammt, weil es im Ovar die gleichen Veränderungen hervorbringt wiedie gonadotropen Hypophysenhormone (Aschheim undZondek 1 )). In Wirklichkeit wird der Stoff aber in der Placenta gebildet, und zwar im fötalen Anteil, dem Chorion (wahrscheinlich in den Langhansschen Zellen). Für diesen Ursprung sprechen verschiedene Beobachtungen. Überpflanzung von Placentagewebe ruft im Ovar die typischen Veränderungen — Follikelreifung und Luteinisierung — hervor. Aus Extrakten der Placenta kann man durch Alkohol einen Stoff fallen, der ähnlich den Hypophysenextrakten bei der infantilen Ratte Östrus hervorruft (vgl. unten), d. h. die Follikel zur Reife bringt (das sog. „anterior-pituitary-like principle" = APL von Collip 1 )). In vitro gezüchtetes Choriongewebe enthält den wirksamen Stoff, und schließlich wird das Hormon bei gewissen Tumoren, die sich aus Chorionzellen ableiten, in großen Mengen im Urin ausgeschieden (Chorionepitheliome, Blasenmole). Das Hormon des Schwangernurins wird als Choriongonadotrophin („chorionic gonadotrophin") bezeichnet (abgekürzt CG oder HCG = „human chorionic gonadotrophin"). Das Hormon des Schwangerenurins ist in reiner Form dargestellt worden. Zur Konzentration wird das Hormon aus dem Urin an Benzoesäure oder an Permutit adsorbiert. Die Reindaratellung erfolgt durch wiederholte Fällung mit Alkohol unter geeigneten Bedingungen. E s ist ein Protein vom Molekulargewicht 100000 von ziemlich hohem Kohlenhydratgehalt (10—12% Galactose, 5—6°/o Hexosamin). E s enthält kein Cystin. In seinen chemischen Eigenschaften ist es vom luteinisierenden Hormon der Hypophyse sehr verschieden5).

Choriongonadotrophin bewirkt Reifung und Luteinisierung. Seine Wirkung (gemessen am Gewicht des Ovars) wird aber durch gleichzeitige Verabreichung von Hypophysenhormonen stark gesteigert. Es scheint also synergistisch mit einem der gonadotropen Faktoren der Hypophyse zu wirken. Damit stimmt überein, daß das Hormon beim hypophysenlosen Tier nur begrenzt wirksam ist. Es stimuliert bei den Nagern die Zwischenzellen des Ovars ohne Zeichen von Follikelreifung. Seine Wirkung ist also mit derjenigen des reinen, luteinisierenden Hormons vergleichbar. Das letztere bewirkt aber beim intakten infantilen Tier keine Reaktion der Follikel. Es ist daher möglich, daß das HCG die Sekretion der Hypophyse anregt und daß die Reaktion des Ovars, Follikelreifung und Luteinisierung, durch die synergistische Wirkung des HCG mit einem Hypophysenhormon zustande kommt. Der synergistisch wirkende Faktor der Hypophyse scheint das FSH zu sein. Schwaagernurin enthält neben dem Choriongonadotrophin auch noch eine gewisse Menge luteinisierendes Hormon (Guyönot).

Das Vorkommen des Chorionhormons im Schwangernurin ist praktisch von großer Bedeutung, weil es eine Schwangerschaftsdiagnose gestattet (Reaktion von Aschheim und Zondek und ähnliche Reaktionen). Bei der männlichen hypophysektomierten Ratte ruft es Vermehrung der Zwischenzellen hervor und unterhält die Spermatogenese, verhindert also die Folgen der Hypophysektomie. Über die Funktion des Hormons, das während der Gravidität in der Placenta in großen Mengen gebildet wird, ist nichts Sicheres bekannt. Wahrscheinlich ist es x ) A s c h h e i m u. Z o n d e k , Klin.Wschr.il, 1322(1927).Zondek, Naturwiss. 16,1088(1928); 21, 33 (1933). *) Collip u. Mitarb., Endocrin. 15, 315 (1931). 3 ) Zusammenfassung vgl. E v a n s u. S i m p s o n , in Pincus u. Thimann: The Hormones. Vol II, S. 351. New York 1960.

Die Hormone der Gonaden

731

irgendwie für die Erhaltung des Corpus luteum graviditatis von Bedeutimg. Man hat auch angenommen, daß die Produktion von Progesteron durch die Placenta vom Chorionhormon abhängig ist (vgl. S. 738). Eine merkwürdige Wirkung des Choriongonadotrophins besteht in der sog. paradoxen Masculinisierung. Bei Meerschweinchen- und Battenweibchen treten nach längerer Behandlung mit dem Hormon neben Symptomen einer vermehrten östrogenausschüttung Zeichen einer Produktion a n d r o g e n e r Hormone auf. Besonders empfindlich sind hypophysektomierte Tiere. Als Quelle dieser androgenen Hormone konnte das Ovar nachgewiesen werden. Unter dem Einfluß des Gonadotrophins wandeln sich die Follikel in gelbkörperartige Gebilde um, die aber, wie dies bei der Follikelatresie der Fall ist, durch Wucherung der Thecazellen entstehen. Dieses Gewebe muß als die Bildungsstätte der androgenen Hormone angesehen werden (Ponse 1 )). (Man kennt auch bei der Frau virilisierende Ovarialtumoren.)

Bei Frauen in der Menopause und ebenso bei kastrierten Frauen und Männern wird im Urin eine kleine Menge gonadotropes Hormon ausgeschieden. Es handelt sich hier aber sehr wahrscheinlich um ein Hypophysenhormon. Es scheint, daß die Hypophyse nach Kastration und nach Erlöschen der Geschlechtsfunktionen mehr gonadotrope Stoffe produziert. Auch aus dem Blut trächtiger Stuten ist ein Hormon dargestellt worden, das die gleichen Wirkungen hervorbringt, das aber in seinen chemischen Eigenschaften sowohl vom Choriongonadotrophin als auch von den gonadotropen Hypophysenhormonen verschieden ist. Es ist ebenfalls ein Glycoproteid. Die Ausschüttung der hypophysären gonadotropen Hormone untersteht sowohl humoralen als auch nervösen Einflüssen. In ähnlicher Weise wie bei den übrigen adenotropen Hormonen der Hypophyse wird die gonadotrope Tätigkeit von den im Blut kreisenden Hormonen der stimulierten Drüsen reguliert. Entfernung der Gonaden führt zu einer vermehrten Produktion der gonadotropen Hormone, während umgekehrt Injektion von Östrogenen oder androgenen Hormonen die gonadotrope Tätigkeit der Hypophyse hemmt. Wir werden einzelne Beispiele später erwähnen. Läsionen im Gebiete des Tuber cinereum führen zur Atrophie der Gonaden und damit zu ihrer funktionellen Ausschaltung. In verschiedenen Fällen sind daneben Stoffwechselstörungen (Fettsucht) sowie Wachstumshemmung beobachtet worden (sog. Dystrophia adiposo-genitalis [Fröhlichsches Syndrom]). Es sind auch Fälle bekannt, bei denen Neoplasmen im Gebiet des Zwischenhirns zu frühzeitiger Geschlechtsreife (Pubertas praecox) führten. Es müssen also, worauf wir schon früher hingewiesen haben, auch dem Vorderlappen der Hypophyse vom Hypothalamus beständig Impulse übermittelt werden, die für seine Funktion wesentlich sind. Im speziellen werden auf diesem Wege auch die Funktion der Gonaden und die von ihnen abhängigen Vorgänge der Steuerung durch das Zentralnervensystem unterstellt. Direkte nervöse Verbindungen sind nicht nachweisbar. Man muß daher, wie wir sohon früher erwähnt haben, an eine stoffliche Übermittlung denken, in dem Sinne, daß drüsig funktionierende Zellen im Zwischenhirn Wirkstoffe produzieren, die auf dem Blutweg die Zellen des Vorderlappens erreichen (siehe S. 721). Die Beziehungen der Hypophyse zum Zentralnervensystem sind ein für das Verständnis der vegetativen Regulation grundlegendes Problem. B. Die Hormone der Gonaden

Wir haben gesehen, daß die gonadotropen Hormone der Hypophyse das Ovar und den Hoden zur vollen Entwicklung bringen und ihre Funktion unterhalten. Unter ihrem Einfluß werden die Gonaden selbst zu innersekretorischen Drüsen: im Hoden sezernieren die Leydigschen Zellen das androgene Hormon; im Ovar bilden l ) K i t t y Ponse, in n i e Réunion des Endocrinologistes de langue française; S. 89. Masson, Paris 1955.

732

Innere Sekretion und Hormone

die Follikelzellen und wahrscheinlich, auch die Zellen der Theca interna das Östrogene Hormon und später die Gelbkörperzellen das Progesteron. Diese Hormone sind Steroide. Sie bewirken ihrerseits Wachstum und volle Ausbildung der Geschlechtsorgane und der sekundären Geschlechtsmerkmale, machen also erst das Tier zum geschlechtsreifen, fortpflanzungsfähigen Männchen oder Weibchen. Die gonadotropen Hypophysenhormone sind bei beiden Geschlechtern gleich. Erst die Hormone der Gonaden sind geschlechtsspezifisch und prägen den männlichen oder weiblichen Charakter des Tierkörpers; in schematischer Darstellung:

Ovar und Hoden bilden R e l a i s s t a t i o n e n , die den g e s c h l e c h t s u n spezifischen I m p u l s der Hypophyse in einen g e s c h l e c h t s s p e z i f i s c h e n verwandeln. Man unterscheidet zwischen „männlichen" und „weiblichen" Sexualhormonen. Diese Bezeichnung will nicht besagen, daß die einen nur vom männlichen, die anderen nur vom weiblichen Organismus gebildet werden. Beide Geschlechter können sowohl „weibliche" als auch „männliche" Hormone produzieren. So ist z. B. paradoxerweise der Urin des Hengstes eine der reichsten Quellen für das „weibliche" Sexualhormon Östron. Die Unterscheidung von „weiblichen" und „männlichen" Hormonen bezieht sich auf ihre Wirkungen; die einen lenken die Entwicklung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale in der Richtung des weiblichen, die anderen in der Richtung des männlichen Geschlechts. Sie werden zutreffender als „Östrogene" und „androgene" Hormone bezeichnet. Die folgende Tabelle gibt eine kurze Übersicht über das Vorkommen der Östrogenen und der androgenen Hormone sowie des Progesterons in den verschiedenen Organen, die wahrscheinlich ihre Bildungsstätten sind. Verschiedene Angaben beruhen auf Beobachtungen an einzelnen Tierarten und dürfen daher nicht verallgemeinert werden. Östrogene H o r m o n e : Androgene H o r m o n e : Progesteron:

Ovar, Hoden (Hengst), Placenta, Nebennierenrinde Hoden, Ovar, Nebennierenrinde Corpus luteum, Placenta, Nebennierenrinde

Östrogene Hormone. Die Östrogenen Stoffe bewirken a) eine Vergrößerung des Uterus und Verdickung der Uterusschleimhaut; b) die für den Östrus typischen Veränderungen der Vaginalschleimhaut, gekennzeichnet durch eine Verhornung der Epithelzellen; c) Wachstum der Brustdrüsen (aber keine Milchsekretion); d) Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale: weibliche Körperform, Erweiterung des Beckens, Typus der Behaarung usw. Beim Menschen sind drei Östrogene Steroide bekannt, das Östron (Doisy, B u t e n a n d t 1929), das von den dreien am stärksten wirksame Östradiol und das Östriol (Formeln vgl. S. 738). Bei allen diesen Steroiden ist der Ring A aromatisch; sie sind also Phenole. Östrogene werden im Urin der Frau während gewisser Perioden des Menstruationscyklus ausgeschieden. In großer Menge sind sie im Schwangerenurin vorhanden. Im Urin der trächtigen Stute werden noch stärker ungesättigte Stoffe ausgeschieden, das E q u i l i n und E q u i l e n i n . Das östradiol entsteht aus dem Östron durch Wasseranlagerung, eine Reaktion, die reversibel ist und durch die Leber und andere Gewebe bewirkt werden kann.

Die Hormone der Gonaden

733

Östrogene Hormone sind aus dem Ovarium und der Placenta isoliert worden. Sie finden sich aber auch in der Nebennierenrinde und in großer Menge im Hoden (Pferd). Inaktivierung der Östrogenen Hormone s. S. 677. Über die B i o s y n t h e s e der Östrogenen Hormone haben in neuerer Zeit vor allem Versuche mit C(i4)-markierten Vorläufern einigen Aufschluß gebracht. Der Aufbau des Sterinskeletts aus Acetat bestätigt sich auch hier. Cholesterin kann in Ostron übergehen 1 ). Es konnte weiter gezeigt werden, daß im Ovar aus Testosteron Östron und östradiol gebildet werden 2 ). Im Hinblick auf die Zwischenstufen, die durchlaufen werden, ist die Beobachtung von Interesse, daß das 19-Hydroxyandrostendion ebenfalls in Ostron übergehen kann 3 ). Für die Synthese der Oestrogene scheinen mehrere Möglichkeiten zu bestehen. Sie kann offenbar in verschiedenen Organen vor sich gehen, wie das Vorkommen von Oestron in der Placenta, im Hoden, in den Nebennieren, und die Synthese in vitro durch Enzympräparate aus diesen Organen zeigen. Ein möglicher Weg führt vom Testosteron oder Androstenolon zum Androstendion (Formel S. 741), welches a n d e r Methylgruppe C 19 zum obengenannten 19-Hydroxyandrostendion oxydiert wird. Durch Dehydrierung kann das letztere in das 19-Hydroxyandrostadion übergehen, das möglicherweise über die 19-Oxo-Verbindung das Oestron liefert 4 ). OH

=0

¿H.

CH

/

0

OH

I I'

19-Hydroxy-,d «-Androstendion (3,17) Es sind auch synthetische Stoffe nicht steroidartiger Natur bekanntgeworden, welche Östrogene Wirkung entfalten und die therapeutische Anwendung gefunden haben. Es handelt sich um Derivate des Diphenyläthans oder Diphenyläthylens. Zu den wirksamsten gehört das D i h y d r o x y d i ä t h y l s t i l b e n („Stilböstrol"). Hier sind auch Abkömmlinge des Ostrons zu erwähnen, die sog. D o i s y n o l s ä u r e n , die aus Östron durch Öffnung des Fünferringes entstehen. CH, -COOH .CH, CH, Doisynolsäure

HO' Bisdehydrodoisynolsäure

und die sich aus dem Equilenin ableitende entsprechende Verbindung, die D e h y d r o d o i s y n o l s ä u r e (Miescher). Die letztere ist die wirksamste Östrogene Substanz, die wir heute kennen, besonders bei oraler Eingabe 6 ).

Androgene Hormone. Die androgenen Stoffe bewirken Wachstum des Penis (beim $ Vergrößerung der Clitoris), der Samenblase und der Prostata. Sie stimulieren allgemein die Entwicklung der männlichen sekundären Geschlechtsmerkmale (Stimme, Typus der Behaarung usw. Beim Hahn z. B. hängt das Wachstum des 1 ) 2

) ) 4 ) 5 ) 3

P l ö t z u. Mitarb., J . Am. ehem. Soc. 79, 1012 (1957). D o r f m a n u. Mitarb., J . biol. Chem. 221, 931 (1956). M e y e r , Biochim. Biophys. Acta 24, 1435 (1955). Literatur vgl. W e t t s t e i n , Experientia 17, 329 (1961). Vgl. Recent Progress in Hormone Research 3, 47 (1948).

Innere Sekretion und Hormone

734

K a m m s und der Sporen von den androgenen Hormonen ab. Anwendung i m Hahnenkammtest zur Bestimmung der männlichen Hormone). Sie haben außerdem eine allgemeine Wirkung auf den Stoffwechsel im Sinne einer Erhöhung des Eiweiß ansatzes und stimulieren daher das Wachstum. Androgene Hormone können im Hoden, im Ovar und in der Nebennierenrinde gebildet werden. Das wirksamste androgene Steroid ist das T e s t o s t e r o n , das aus Stierhoden isoliert wurde und wahrscheinlich das eigentliche Androgen der Hoden ist. I m Urin wird das A n d r o s t e r o n ausgeschieden (Isolierung B u t e n a n d t 1931, Synthese R u z i c k a 1934; Formeln siehe S. 739), daneben noch Stoffe mit schwächerer androgener Wirkung wie das Dehydroisoandrosteron und das Isoandrosteron. Auch aus der Nebenniere sind Androgene isoliert worden. Neben dem Androsteron kommen im Urin noch verschiedene Stereoisomere desselben vor. Bei der Überführung des Testosterons in Androsteron wird zuerst durch Dehydrierung in Stellung 17 das Diketon ¿4-Androstendion-(3,17) gebildet, welches dann durch Reduktion des Ringes A zum größeren Teil in Androsteron, zum kleineren Teil in die inaktiven Isomeren desselben übergeht (Biehe Schema). Auch das Testosteron kann auf verschiedenen Wegen gebildet werden. In den Gonaden scheint der Eauptweg über das 17a-Hydroxyprogesteron zu führen. Die anschließende Abspaltung der Seitenkette führt wahrscheinlich über ein 17,20-Dihydroxy-Zl 4-pregnen-3-on zum Androstendion, welches dann durch Reduktion der Ketogruppe C17 in Testosteron übergeht. Dieser Weg ist im Schema S. 714 eingetragen. Die Abspaltung der Seitenkette kann auch in der Leber vor sich gehen. In der Nebennierenrinde wird das Pregnenolon nicht erst zu Progesteron oxydiert, sondern in Stellung 17 direkt hydroxyliert. Die Abspaltung der Seitenkette geschieht in gleicher Weise wie beim 17-Hydroxyprogesteron. Sie führt hier zum Androstenolon, das zum Androstendion oxydiert wird 1 ). Wie die Verkürzung der Seitenkette des Cholesterins beim Übergang zum Pregnenolon, benötigt auch diese Reaktion molekularen Sauerstoff und TPNH und verläuft wahrscheinlich nach dem gleichen Mechanismus (vgl. S. 713).

A4-Androstendion-(3,17)

Testosteron

Androstandion-(3,17)

Ätiocholandion- (3,17 )

r

crr

Androsteron

Isoandrosteron, Epiandrosteron

Ätiocholanol(3a)-on-(17)

Ätiocholanol(3/?)-on-(17)

Die Hormone der Gonaden

735

Die androgene Wirkung der Nebennierenrinde. Verschiedene Tatsachen deuten darauf hin, daß die Nebennierenrinde androgene Stoffe produziert. Beim Mann werden im Urin auch nach Kastration beträchtliche Mengen Androgene ausgeschieden; der Urin der Frau (auch nach der Menopause) enthält ebenfalls androgene Hormone. Als Bildungsstätte dieser Stoffe kommt in erster Linie die Nebennierenrinde in Frage. In der Tat sinkt bei Ausfall der Binde (Addisonsche Krankheit) die Ausscheidung der 17-Ketosteroide, die sich z. T. aus den androgenen Hormonen herleiten (siehe unten) stark ab, bei der Frau fast auf Null, beim Mann auf etwa ein Drittel des normalen Wertes. Dies deutet darauf hin, daß sogar beim Mann die Rinde einen wesentlichen Anteil der im Urin erscheinenden androgenen und verwandten Stoffe liefert. Unter den Steroiden der Rinde finden sich in der Tat solche mit androgener Wirkung (vgl. die Zusammenstellung S. 740 und 741). Möglicherweise liefert die Rinde auch die Vorstufen, welche in den Testes in Testosteron übergeführt werden. Am eindrücklichsten tritt aber die androgene Wirkung der Nebennieren bei kongenitaler Hyperplasie oder Neoplasmen der Rinde in Erscheinung. Das klinische Bild des Zustandes, der als a d r e n o g e n i t a l e s S y n d r o m 2 ) bezeichnet wird, ist nach Alter und Geschlecht verschieden. Die Erscheinungen sind naturgemäß beim kindlichen Organismus, der die Geschlechtsreife noch nicht erreicht hat, besonders auffällig. Das kongenitale adrenogenitale Syndrom führt beim männlichen Geschlecht zur vorzeitigen Ausbildung männlicher Geschlechtsmerkmale (Vergrößerung des Penis, Schambehaarung), wobei aber die Hoden atrophieren. Beim weiblichen Geschlecht tritt V i r i l i s i e r u n g (Vermännlichung) ein: verstärktes Wachstum, verstärkte Entwicklung der Muskulatur und der Körperbehaarung (Hirsutismus), Hypertrophie der Clitoris, tiefe Stimme. Die Mammae bleiben unentwickelt. Es kommt beim Mädchen zu einer praenatalen Vermännlichung des äußeren Genitale, weil die Überproduktion der androgenen Hormone schon während des foetalen Lebens einsetzt (Pseudohermaphroditiamus femininus). Auch bei der erwachsenen Frau kann es durch Rindentumoren zu einer Virilisierung kommen. Die Ausscheidung der 17-Ketosteroide ist erhöht. Das adrenogenitale Syndrom kann in einzelnen Fällen von einer Störung des Salzstoffwechsels begleitet sein, die ähnlich wie der Morbus Addison zu Natriumverlusten durch die Nieren führt (Adrenogenitales Salzverlustsyndrom, S. 709). In anderen Fällen besteht ein erhöhter Blutdruck (adrenogenitales Hypertensionssyndrom).

Beim kongenitalen adrenogenitalen Syndrom ist die Bildung der normalen Corticoide (Glucocorticoide und Mineralocorticoide) gestört. Aus ihren Vorstufen werden andersartige Steroide gebildet, darunter solche mit androgener Wirkung. Da weniger glucocorticoide Hormone (Cortisol) ins Blut gelangen, schüttet die Hypophyse mehr ACTH aus (vgl. S. 10). Die fehlgeleitete Steroidsynthese in der Rinde wird daher stimuliert, und es kommt zur vermehrten Ausschüttung von Androgenen und anderen Steroiden. Man nimmt an, daß bei der gewöhnlichen Form des adrenogenitalen Syndroms die HydroxyIierang der Steroide in Stellung 21 gestört ist1). Die Bildung der Corticoide kann daher nicht mehr in normaler Weise vor sich gehen. Wie das Schema S. 714 zeigt, wird dadurch die Überführung des 17a-Hydroxyprogesteron in die Substanz S, die Vorstufe des Hydrocortisons, und ebenso die ') Literatur siehe Wettstein, Experientia 17, 329 (1961). ) Vgl. Frader in: Labhart: Klinik der inneren Sekretion, S. 539. Berlin, Göttingen, Heidelberg 1957. 2

Innere Sekretion und Hormone

736

Umwandlung des Progesterons in Cortexon, Corticosteron und Aldosteron betroffen. Dagegen werden unter dem Einfluß der erhöhten ACTH-Ausschüttung die Stoffwechselprodukte des Pregnenolons, des Progesterons und 17a-Hydroxyprogesterons in vermehrter Menge gebildet und im Urin ausgeschieden, so das Pregnandiol, Pregnandiol, Androstendion u n d Dehydroepiandrosteron (Formel S. 740, androgene Substanz). Aus dem Pregnenolon und Progesteron können verschiedene Steroide mit androgener Wirkung hervorgehen. Wir wissen aber nicht, welche Androgene f ü r die Symptome des adrenogenitalen Syndroms in erster Linie verantwortlich sind. Bei Störung der 11-Hydroxylierung, wie sie wahrscheinlich beim Hypertensions-Syndrom vorhanden ist, ist ebenfalls die Synthese des Hydrocortisons, Corticosterons und Aldosterons betroffen. Hier kommt es aber zu einer vermehrten Ausschüttung von Substanz S und Cortexon, welche zum Teil als Tetrahydroverbindungen in den Urin übergehen. Die genannten Zusammenhänge sind der besseren Übersicht wegen im folgenden Schema dargestellt 1 ). Gewöhnliches adrenogen. Syndr. in Stellung 11 hydroxylierte 17-Ketosteroide t

Cholesterin ACTH

Dehydroepiandrosteron

Pregnenolon

Ä

adrenogen. Syndr. mit Hypertension 17-Ketosteroide in Stellung 11 nicht hydroxyliert

n

S

Progesteron

Androstendion

Tetrahydro-S t

17-Hydroxyprogesteron

Substanz S

Corticosteron

Cortisol

11-OH

21-OH Cortexon

-».

«• Aldosteron

11-OH Tetrahydro-Cortexon

Mit dem adrenogenitalen Syndrom verwandt ist wahrscheinlich das sog. Cushingsche Syndrom. Hauptsymptome sind eine Adipositas, die im wesentlichen auf Rumpf und Gesicht beschränkt ist (sog. „Mondgesicht"), Knochenveränderungen im Sinne einer Osteoporose, Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels (verminderte Glucosetoleranz), Atrophie der Haut (sog. Striae am Abdomen), Hirsutismus, Polyglobulie, Hypertension, allgemeine Schwäche u. a. m. Bei beiden Geschlechtern kommt es zu einer Verminderung der sexuellen Funktionen. In vielen Fällen findet man ein basophiles Adenom der Hypophyse. (Die Krankheit wurde von Cushing daher als „pituitary basophilism" beschrieben.) In anderen Fällen ist die Hypophyse normal; es besteht aber ein Tumor der Nebennierenrinde. *) vgl. P r a d e r in L a b h a r t : Klinilr d. inneren Sekretion, Springer, Berlin 1957. H ü b n e r u. S t a i b : Biochemie d. Nebennierenrinden-Hormone. Thieme, Stuttgart 1965.

Die Hormone der Gonaden

737

Das Cushing'sche Syndrom wird sehr wahrscheinlich durch eine Überproduktion von Hydrocortison hervorgerufen. Dies läßt sioh besonders aus der Tatsache schließen, daß bei längerer Behandlung von Patienten mit Cortisol oder Cortison die charakteristischen Symptome auftreten. Die Funktionsstörungen anderer endokriner Organe (Gonaden) können auf die Hemmung der Hypophyse durch die Überproduktion von glucocorticoiden Hormonen zurückgeführt werden. Es besteht immer eine herabgesetzte Glucosetoleranz (diabetogene Wirkung der Glucocorticoide). 17-Ketosteroide. Man versteht unter 17-Ketosteroiden die n i c h t phenolischen, neutralen Steroide, die an C17 eine Ketoeruppe besitzen (Östron wird also nicht dazu gerechnet). Zu ihnen gehören Androsteron, Isoandrosteron und Dehydroisoandrosteron; einige Beispiele von 17-Ketosteroiden, die in normalen oder pathologischen Urinen aufgefunden worden sind, sind unten angeführt (S. 739). Die Ausscheidung der 17-Ketosteroide kann bei Überfunktion der Nebennierenrinde (Hyperplasie, Tumoren) stark vermehrt sein. Die Bestimmung der 17-Ketosteroide im Urin geschieht derart, daß man die Steroide nach Säurehydrolyse des Urins erst mit Benzol oder Tetrachlorkohlenstoff extrahiert, dann durch Waschen des Extraktes mit Alkali die Phenole abtrennt und schließlich die Ketone durch die Zimmer mann sehe Reaktion (Rotfärbung mit m-Dinitrobenzol in alkalischer Lösung) kolorimetri8ch bestimmt. Es gelingt, durch chromatographische Analyse die verschiedenen Steroide weiter aufzuteilen. Die Bestimmung der 17-Ketosteroide ist für die Diagnose von Funktionsstörungen der Nebennierenrinde von Bedeutung. Z. B. ist bei Bindeninsuffizienz die Ausscheidung stark vermindert; wenn nach ACTH-Zufuhr keine vermehrte Ausscheidung eintritt, so deutet dies auf das Fehlen von funktionstüchtigem Bindengewebe hin. Bei Morbus Cushing und dem adrenogenitalen Syndrom beobachtet man im Gegenteil stark vermehrte Ausscheidung; usw. Normalwerte für Erwachsene (pro Tag): ? 6—14mg, Mittel9 mg; CH,CONHR

Ebenso findet sich im Gehirn ein Fermentsystem, welches unter ähnlichen Bedingungen das Acetylcholin synthetisiert: CHjCOOH + HOCH2CHsN(CH3)3

atp

> CHaCO• O• CH2CHaN(CHa)a.

Beide Fermentsysteme bedürfen eines thermostabilen Coferments. Dasselbe konnte in konzentrierter Form dargestellt werden, und es hat sich gezeigt, daß es Pantothensäure enthält (Lipmann). M c l n t o s h u. Mitarb., J. biol. Chem. 228, 499 (1957).

Die Vitamine

792

Das Coenzym ist weit verbreitet; es konnte sowohl bei Mikroorganismen wie auch in den Geweben der höheren Tiere nachgewiesen werden und ist offenbar ein Bestandteil aller Zellen. Wahrscheinlich ist der größte Teil der Pantothensäure in den Zellen in Form des Coenzyms A enthalten. (Bei Lactobacillus arabinosus z. B. entfallen 90% der gesamten Säure auf das Coferment.) Formel unten. Der enzymatische Abbau und die Synthese des Coenzyms A wurden schon früher besprochen (S. 475)1). Durch Behandlung mit Darmphosphatase wird eine Verbindung abgespalten, welche schon früher als Wuchsstoff für Lactobacillus bulgaricus bekannt war, das P a n t e t h e i n (oder Bulgaricus-Faktor) 2 ): CH, HO—CHa—C—CH(OH)—CO—NH—CHa—CHa—CO—NH—CHa—CHa—SH QJJ3 Cysteamin Die Struktur des Pantetheins ist durch Synthese bewiesen3). Die Verbindung geht leicht in ihr Disulfid, das P a n t e t h i n , über. CH3 Ha,C—i—I C—C—CH(OH)—CO—NH—CHa—CHa—CO—NH—CHa—CHa—SH

Ai A

HO—P=0

Coenzym A

A

HO—P=0 ^P1* I O .N—iT H H H H CH 3 —X + ^ f j

c—

C—

I

I

: X bedeutet einen Akzeptor, z. B. S-Adenosyl-homocystein, auf welchen die neu gebildete Methylgruppe übertragen wird (S. 409). Es scheint, daß bei dieser Übertragung ein Vitamin B e häbiges Enzym beteiligt ist (vgl. S. 806). Das würde den von verschiedenen Autoren beboachteten Einfluß des Vitamins B12 auf die Methylsynthese erklären. Eine weitere interessante Reaktion der Tetrahydrofolsäure ist kürzlich entdeckt worden. FSH 4 kann nicht nur die Formylgruppe, sondern auch die Formiminogruppe — CH:NH anlagern. Forminoverbindungen bilden sich z. B. beim Abbau der Purine durch Mikroorganismen (Formiminoglycocoll) oder des Histidins (Formiminoglutaminsäure). Die Formiminogruppe kann auf Tetrahydrofolsäure übertragen werden, wobei sie an die Stellung NW der letzteren angelagert wird. Durch eine Umlagerung, die unter Ammoniakabspaltung erfolgt (intermediäre Bildung einer 6,10-Methinyltetrahydrofolsäure), wird schließlich wieder die N(iO)-Formyltetrahydrofolsäure gebildet1). Wir haben oben schon erwähnt, auf welche Weise daraus das Formiat abgespalten werden kann (obige Reaktionsgleichung unterer Pfeil) (vgl. dazu S. 404).

Im folgenden Schema sind die wichtigsten Reaktionen zusammengestellt, an denen ^-Fragmente, d. h. aktiviertes Formiat, beteiligt sind2).

CH s OH I + • CHj-NiCH,),

»CH.NH,

N=COH

„aktivierte" Ameisensäure \

\

(3) \ HC=C

HCOOH

N

N=COH

I 1C — , I! I 7® N—C—N-—Ribose

HC*

(1) S.420, (2) S. 423, (3) S. 471, (4) S.470, (5) S. 363, (6) S. 405, (7) S. 474, (8) S. 407, (9) S.409, (10) S. 416. 1) R a b i n o w i t z u. P r i c e r , J . Am. ehem. Soc. 78, 5702 (1956). Weitere Literatur vgl. Ann. Rev. Biochem. 26, 438 (1957). 2 ) In Anlehnung an W e l c h u. N i c h o l , Ann. Rev. Biochem. 21, 656 (1952).

800

Die Vitamine 15. p-Aminobenzoesäure und Sulfanilamid; Theorie der „Antivitamine"

Für verschiedene Mikroorganismen ist die p-Aminobenzoesäure ein Wuchsstoff. Ihre Bedeutung liegt sehr wahrscheinlich darin, daß sie zum Aufbau der Folsäure nötig ist. Man hat auch gewisse Wirkungen der p-Aminobenzoesäure bei Tieren beobachtet. So scheint sie bei Ratten, die auf synthetischer Diät gehalten werden, die mangelnde Pigmentierung der Haare (Achromotrichie) zu bessern. Auch die Mangelsymptome, die durch Verfütterung von Suifanilamidderivaten entstehen und durch eine Hemmung der Darmflora erklärt werden müssen, werden durch p-Aminobenzoesäure leicht gebessert. Es handelt sich wohl in allen Fällen um eine indirekte Wirkung auf die Mikroorganismen des Darms, welche die Folsäure produzieren. Die Bedeutung der p-Aminobenzoesäure als Bakterienwuchsstoff wurde bei der Untersuchung der chemotherapeutischen Wirkung der Sulfanilamide entdeckt. Man fand nämlich, daß die hemmende Wirkung des Sulfanilamids auf das Bakterienwachstum durch gewisse Extrakte aus Bakterien, Hefe und Geweben aufgehoben werden kann. Als wirksame Substanz dieser Extrakte wurde schließlich die p-Aminobenzoesäure erkannt (Woods). Die letztere vermag auch im Tierversuch die schützende Wirkung des Sulfanilamids gegen Streptokokkeninfektion völlig aufzuheben. Daraus wurde nun eine Theorie über die chemotherapeutische Wirkung der Sulfanilamide entwickelt, die allgemeine Bedeutung erlangt hat (Woods, Fildes). Alle Sulfanilamide enthalten die Gruppe

Dieselbe zeigt eine gewisse strukturelle Ähnlichkeit mit der p-Aminobenzoesäure:

wird also auch ähnliche Affinitäten zu anderen Molekülen besitzen. Die Sulfanilamidderivate können daher, besonders wenn sie im Überschuß vorhanden sind, an Stelle der p-Aminobenzoesäure in Reaktion treten und die letztere aus ihren Verbindungen verdrängen. Man kann sich z. B. vorstellen, daß beim Aufbau des Folsäuremoleküls in den Bakterien in der Reaktionsstufe, in der die p-Aminobenzoesäure mit dem Pteridin verknüpft werden soll, die in gewaltigem Überschuß vorhandene Sulfanilamidgruppe an deren Stelle tritt und damit die Synthese der Folsäure verhindert. Tschesche nimmt an, daß als Zwischenprodukt der Folsäure ein Aldehyd auftritt (Aldehydgruppe in Stellung 6), der mit p-Aminobenzoesäure reagiert und über eine Schiffsche Base die Pteroylsäure liefert. Das Sulfanilamid könnte bei dieser Beaktion interferieren1), indem es an Stelle der p-Aminobenzoesäure in die Beaktion eingebt. Es wäre natürlich auch denkbar, daß die p-Aminobenzoesäure durch das Sulfanilamid von einem Fermentprotein verdrängt wird, mit dem sie sich im Verlauf der Folsäuresynthese verbinden muß.

Die Affinität des natürlichen Wirkstoffs zu den in Frage kommenden Reaktionsteilnehmern ist auf alle Fälle sehr viel größer als diejenige des Antagonisten. Man hat berechnet, daß in gewissen Fällen 1 Molekül p-Aminobenzoesäure die Wirkung von 20000 Molekülen Sulfanilamid aufhebt. Wir haben bei Besprechung der Fermente auf analoge Fälle der Verdrängung des Substrats durch einen strukturell verwandten, aber nicht angreifbaren Stoff !) Tschesche, Zschr. Naturforschg. 2b, 10 (1957); L a m p e n u. J o n e s , J . biol. Chem. 164, 485 (1946); 166, 435 (1946); 170, 133 (1947).

p-Aminobenzoesäure und Sulfanilamid; Theorie der „Antivitamine"

801

hingewiesen (vgl. S. 187). Eines der wichtigsten Beispiele dieser Art ist die von Q u a s t e l entdeckte Hemmung der Succinodehydrogenase durch Malonsäure (Antagonismus Malonsäure — Bernsteinsäure). Die Theorie, die am Beispiel des Antagonismus von p-Aminobenzoesäure und Sulfanilamid entwickelt worden ist, hat dazu geführt, Verbindungen synthetisch darzustellen, in denen die Vitaminstruktur mehr oder weniger abgeändert ist. Man kann annehmen, daß solche s t r u k t u r a n a l o g e n V e r b i n d u n g e n unter Umständen das Vitamin von seinen Wirkungsorten verdrängen, ohne es in seinen Funktionen ersetzen zu können, denn in der Regel heben schon sehr geringe Änderungen der Struktur die biologische Wirkung eines Körpers völlig auf. Solche Stoffe können als Antagonisten der Vitamine, als sog. A n t i v i t a m i n e , wirken. Besonders geeignete Untersuchungsobjekte stellen immer die Mikroorganismen dar, weil sich hier die Unterdrückimg eines lebenswichtigen Prozesses durch Wachstumshemmung leicht zu erkennen gibt. Für eine ganze Reihe von Vitaminen sind strukturanaloge Verbindungen synthetisch bereitet worden, und es hat sich gezeigt, daß sie tatsächlich in vielen Fällen die Wirkung des betreffenden Vitamins zu hemmen vermögen. So sind z. B. verschiedene, der Folsäure ähnliche Verbindungen mit antagonistischer Wirkung bekannt. Hierher gehört die Pteroylasparaginsäure, welche an Stelle der Glutaminsäure die homologe Asparaginsäure enthält. Sie wirkt sowohl bei Bakterien wie beim Hühnchen als Antagonist der Folsäure. Infolge der großen Ähnlichkeit der beiden Verbindungen ist es sehr wahrscheinlich, daß die Hemmung der Folsäurewirkung durch das Asparaginsäurederivat im Sinne der obigen Ausführungen auf Verdrängung beruht. Es sind noch viele andere synthetische Pteridine bekannt, die als Folsäureantagonisten wirken. Verschiedene Forscher haben eine derPantothensäure analog gebaute Sulfonsäure, die S u l f o p a n t o t h e n s ä u r e (Pantoyltaurin), hergestellt (Snell, K u h n u n d M i t a r b . , B a r n e t t und R o b i n s o n , M c l l w a i n ) : CH, HO-H C—i—CH(OH)—CO—NH—CH2—CH2—CO OH

Pantothensäure

AH, CH, HO • HaC—C—CH (OH)—CO—NH—CH2—CH2— SOsH I CH3

Sulfopantothensäure, Pantoyltaurin

Diese Verbindung enthält die dem /J-Alanin entsprechende Sulfonsäure, das T a u r i n . Es zeigte sich, daß die Sulfonsäure das Wachstum der Bakterien hemmt, welche Pantothensäure als Wachstumsfaktor benötigen (verschiedene Arten von Lactobacillus, Streptococcus haemolyticus u. a. m.). Die Wirkung ist bei den verschiedenen Organismen sehr ungleich. Bei Streptococcus haemolyticus sind zur Erreichung der Wachstumshemmung 500 Moleküle der Sulfonsäure pro Molekül Pantothenat nötig; bei Lactobacillus pentosus dagegen ist ein 130000 facher Überschuß nötig. Die Hemmimg kann durch Pantothensäure überwunden werden, ein Zeichen dafür, daß es sich wahrscheinlich um eine Verdrängung handelt. Dagegen iBt Pantoyltaurin bei Bakterien, die von der Pantothensäure unabhängig sind (z. B. Bac. coli) ohne Wirkung (Mcllwain). Da man aber annehmen muß, daß alle Bakterien Pantothensäure als Coferment benötigen, gleichgültig, ob sie essentieller Wachstumsfaktor ist oder nicht, ist diese Tatsache nicht ohne weiteres verständlich. Man könnte an einen raschen Abbau des Hemmkörpers oder an die Produktion besonders großer Mengen Pantothensäure durch die betreffenden Organismen denken. Beides scheint nicht der Fall zu sein. Es bleibt als Erklärung eine sehr geringe Permeabilität der un51

L e u t h a r d t , Lehrbuch. 15.Aufl.

Die Vitamine

802

empfindlichen Organismen für den Hemmkörper oder spezifische Unterschiede der Fermentsysteme, die sich aber zur Zeit nicht genauer definieren lassen.

Vom Aneurin sind ebenfalls strukturanaloge Verbindungen hergestellt worden, indem man z. B. den Thiazolring durch einen entsprechend substituierten Pyridinring ersetzt: H3C I

CH2CH2OH I

Ni^J-CHJ-N/

H3c4^J-NH2

^ x



/

N

Diese Verbindung, das sog. Neopyrithiamin, wie auch das ähnlich gebaute Pyrithiamin wirken bei verschiedenen Mikroorganismen als Hemmstoff. Bei Verfütterung an Ratten oder Mäuse, hemmt die Substanz das Wachstum und r u f t neuritische Symptome hervor, wobei die Frage offen bleibt, wie weit es sich um eine Hemmung der Darmflora handelt und wie weit der Stoff die Wirkung des Aneurins in den Geweben beeinflußt. Auch die der Nicotinsäure entsprechende Pyridin-3-sulfonsäure zeigt bei Mikroorganismen sowie bei höheren Tieren, insbesondere bei schon bestehendem NicotinSäuremangel, gewisse Wirkungen, die als Antagonismus zur Nicotinsäure gedeutet werden können. Diese Beispiele mögen genügen. Wir können hier die sehr zahlreichen Verbindungen mit vitaminähnlicher Struktur nicht aufzählen, die synthetisch dargestellt und an Mikroorganismen oder höheren Tieren auf ihre Antivitaminwirkung geprüft worden sind 1 ). Die Hypothese, wonach die Wirkung derartiger Verbindungen durch Verdrängung der analog gebauten Vitamine zu erklären ist, hat dank ihrer Einfachheit weiten Anklang gefunden. Man betrachtet sie heute vielfach als so gut gesichert, daß man bei Hemmung irgendeines Prozesses durch einen einem Vitamin analog gebauten Stoff umgekehrt auf die Beteiligung des betreffenden Vitamins an diesem Prozeß schließt. Als sicher bewiesen könnte aber diese Hypothese nur dann gelten, wenn es gelingen würde, den Antagonismus Vitamin—Antivitamin an den vom Vitamin abhängigen einfachen Stoffwechselreaktionen direkt nachzuweisen. Es gibt aber, worauf wir bei Erwähnung des Pantoyltaurins hingewiesen haben, zahlreiche Beobachtungen, die mit der einfachen Verdrängungstheorie nicht ohne weiteres erklärt werden können und auch andere Interpretationen zulassen. 16. Vitamin B 12 (Cyanocobalamin, Erythrotin) Das Vitamin B, das diese Bezeichnung erhalten h a t und das erst vor kurzer Zeit in reinen Zustand isoliert werden konnte, ist der lange gesuchte Antiperniciosastoff. Die p e r n i z i ö s e A n ä m i e ( B i e r m e r s c h e Krankheit, A d d i s o n s c h e Anämie) ist durch eine schwere Störung der Blutbildung (megalocytäre, hyperchrome Anämie, Leukopenie), fehlende Magensekretion (Achylie), Glossitis und Störungen des Nervensystems gekennzeichnet. Auf Grund der ausgedehnten Versuche W h i p p l e s über den Einfluß der Ernährung auf die Regeneration des Blutfarbstoffs, bei denen sich Leber als sehr guter 1 ) Übersicht vgl. S o m o g y i , in Bauer: Erg. d. med. Grundlagenforschung, S. 139; Stuttgart 1956. Ausführliche Übersicht der neueren Literatur über Stoffwechselantagonismen vgl. S h i v e u. S k i n n e r , Ann. Rev. Biochem. 27, 643 (1958).

Vitamin B l a (Cyanocobalamin, Erythrotin)

803

Blutbildner erwiesen hatte, untersuchten M i n o t und Murphy (1926) die Wirkung der Leber auf die perniziöse Anämie. Sie fanden, daß man die Krankheit durch Verabreichung großer Mengen roher Leber weitgehend heilen kann. Damit war gezeigt, daß die Perniciosa offenbar durch das Fehlen eines Stoffes bedingt ist, der sich in der Leber in reichlicher Menge findet. Es gelang auch bald, das wirksame Prinzip zu konzentrieren und eiweißfreie, injizierbare Extrakte herzustellen, welche die Durchführung der Lebertherapie sehr erleichtern (Gänssien 1930). Es war aber die Frage noch nicht geklärt, ob das Antiperniciosaprinzip ein essentieller Nahrungsfaktor ist, der vom Perniciosakranken nicht mehr verwertet werden kann, oder ob es ein körpereigener Stoff ist, der vom Kranken nicht mehr gebildet werden kann. Darüber brachten die Versuche von C a s t l e weitere Aufklärung. Die Achylie wird durch die Lebertherapie nicht beeinflußt, und es sprechen alle Erfahrungen dafür, daß die mangelhafte Funktion der Magenschleimhaut die eigentliche Ursache der Krankheit ist. Sie bewirkt auf irgendeine Weise einen Ernährungsdefekt, der beim Normalen nicht besteht. Wie C a s t l e gefunden hat, ist im normalen Magensekret ein Faktor vorhanden, bei dessen Gegenwart gewisse an und für sich inaktive Nahrungsstoffe antianämische Wirksamkeit annehmen. Muskelfleisch ist beim Perniciosakranken unwirksam. Wird es aber mit normalem menschlichem Magensaft bei pH-Werten zwischen 3,5 und 7 (also außerhalb des Wirkungsbereichs des Pepsins) vermischt, so vermag es die Blutbildung in Gang zu bringen. Castle nahm an, daß der im Magensaft enthaltene Stoff, der „intrinsic factor", auf einen in der Nahrung vorhandenen Stoff, den „extrinsic factor", irgendwie einwirkt und daß dabei der antiperniziöse Faktor gebildet oder jedenfalls in eine verwertbare Form übergeführt wird. Beim Perniciosakranken kann die geschädigte Magenschleimhaut den „intrinsic factor" nicht mehr bilden. Man hat aus Magenschleimhaut (Schwein) Mucopolysaccharide hergestellt, welche hohe „intrinsic factor "-Aktivität zeigen1). Eine der perniziösen Anämie äquivalente Erkrankung läßt sich beim Tier nicht hervorrufen. Dies bedeutete für die Isolierung des Leberfaktors eine große Schwierigkeit, weil die Extrakte nur an Perniciosapatienten getestet werden konnten. Die Isolierung aus Leber gelang schließlich 1948 gleichzeitig in Amerika ( R i c k e s und Mitarb.) 2 ) und in England (Smith) 3 ). Der Antipernieiosastoff ist gleichzeitig Wachstumsfaktor für Lactobacillus lactis und andere Bakterien. Dies ermöglichte der amerikanischen Forschergruppe, die Anreicherung des wirksamen Stoffs durch eine einfache mikrobiologische Methode zu verfolgen. Außerdem deutet aber die Wachstumswirkung des Vitamins B 1 2 bei Bakterien auf eine allgemeine Funktion im Stoffwechsel hin.

Die größte Überraschung bestand darin, daß das Vitamin B 1 2 ein organischer Kobaltkomplex ist. Es enthält 4,5% Kobalt. Die Substanz ist als komplexe CoVerbindung rot gefärbt, und man hat daher auch den Namen E r y t h r o t i n vorgeschlagen. Das Vitamin B l s ist der erste kobalthaltige Wirkstoff, der bekannt geworden ist. Es ist einer der wirksamsten Stoffe, die wir überhaupt kennen. Eine Injektion von 3 y reinem Vitamin B 1 2 genügt, um beim Perniciosakranken eine starke Reaktion des Knochenmarks auszulösen. Das „klassische" Vitamin B l a enthält einen komplex an das Kobalt gebundenen CN - -Rest, der durch andere einwertige Anionen ersetzt werden kann (OH - , NO a ~, CNS~, usw.). Man bezeichnet alle diese Verbindungen als Cobalamine und unterscheidet dementsprechend C y a n o c o b a l a m i n ( = „klassisches" Vitamin B 1 2 ), Hydroxocobalamin (früher Vitamin Bi2a), Nitritocobalamin, Rhodanocobalamin, usw. Die verschiedenen zuletzt genannten Stoffe können durch Behandlung mit Cyanid in Cyanocobalamin übergeführt werden. !) chem. 2) s) 51*

L a t n e r u. Mitarb., Biochem. J . 63, SOI (1956). Weitere Literatur vgl. Ann. Rev. Bio24, 352 (1955); U n g l e y , Vitamins and Hormones 13, 154 (1955). R i c k e s u. Mitarb., Science 107, 396 (1948); 108, 134 (1948). S m i t h , Nature 161, 638 (1948); 162, 144 (1948).

804

Die Vitamine Beim hydrolytischen Abbau durch Säure sind als Bruchstücke ein Aminopropanol: CH3CH(OH)CHsNH2

und ferner ein Dimethylbenzimidazol isoliert worden, das als Ribofuranosid vorliegt. Die Pentose ist mit Phosphat verestert.

Die Aufklärung der Struktur des Vitamins B u bereitete große Schwierigkeiten1). Durch Behandlung mit heißem Alkali ließ sich eine gut kristallisierende Hexacarbonsäure darstellen (Todd), die sich für die Lösung des Problems als sehr wichtig erwies. Ein entscheidender Fortschritt wurde durch die Röntgenanalyse der Kristalle dießer Substanz erzielt. Dieselbe ließ das Vorhandensein eines porphyrinartigen Ringsystems erkennen, bei dem aber die eine Methinbrücke fehlt. Durch ergänzende Untersuchungen an den Kristallen des Vitamins B 1 2 und Berücksichtigung der Resultate des chemischen Abbaus gelang es schließlich der englischen Arbeitsgruppe (Todd und Mitarb., H o d g k i n und Mitarb.) 2 ), eine Strukturformel aufzustellen, die nachstehend wiedergegeben ist. Das porphyrinähnliohe Grundgerüst wird als Corrin bezeichnet.

) Literatur vgl. z . B . Ann. Rev. Biochem. 28, 245 (1954); 24 339 (1955); 25. 397 (1956). ) Todd u. Mitarb., Nature 176, 328 (1955); H o d g k i n u. Mitarb., Nature 176, 325 (1955); B r i n k u. Mitarb., Nature 174, 1169 (1954). x

2

Vitamin Bj, (Cyanocobalamin, Erythrotin)

805

Anscheinend bildet das Vitamin B 12 mit Proteinen und Polypeptiden leicht Komplexe. Es sind verschiedene Stoffe bekannt, welche Vitamin B 12 zu binden vermögen, so der ,,intrinsic factor" des Magensaftes (siehe unten).

Es hat sich in neuester Zeit gezeigt, daß neben dem Vitamin B 12 in der Natur noch andere Stoffe von ähnlichem Bau vorkommen, die sich von den oben genannten Cobalaminen durch die Art des Nucleotids unterscheiden. Sie sind aus Mageninhalt oder Fäces verschiedener Tierarten isoliert worden. Offenbar haben wir es mit einer g a n z e n Gruppe ä h n l i c h g e b a u t e r V e r b i n d u n g e n zu tun. Im P s e u d o v i t a m i n B 12 und Bi2b aus demRumen des Kalbes ( P f i f f n e r und Mitarb.) ist das Benzimidazol durch Adenin ersetzt; im „ F a k t o r A " = Vitamin Bi2m aus Kalbsfäces ( F o r d , K o n und P o r t e r ) kommt an seiner Stelle eine bisher unbekannte Base, 2-Methyladenin, vor. Der F a k t o r I I I enthält 5-Hydroxybenzimidazol. Dem „ F a k t o r B " aus Kalbsfäces fehlt das Nucleotid überhaupt. Er entsteht durch milde Hydrolyse aus Vitamin B 12 , Pseudovitamin B 12 und Faktor A und stellt offenbar den gemeinsamen nucleotidfreien Rumpf der anderen Stoffe dar. Diese Stoffe sind bei der perniziösen Anämie inaktiv, ebenso beim Hühnchen (s. unten). Dagegen wirken sie als Wachstumsfaktoren bei verschiedenen Mikroorganismen 1 ). Bei der B i o s y n t h e s e d e s C o b a l a m i n s wird wahrscheinlich ein ähnlicher Weg beschritten wie beim Aufbau der Porphyrine (vgl. S. 596). Versuche bei Mikroorganismen haben gezeigt, daß auch hier die ö-AminoLaerulin säure Zwischenprodukt ist 2 ). Das als Strukturbestandteil im B 12 vorkommende 1 -Amino-2-hydroxypropan (siehe Strukturformel S. 804) entsteht durch Decarboxylierung aus dem Threonin 3 ). Der Benzimidazolkern wird möglicherweise aus 1,2-Dimethyl-4,5-diaminobenzol gebildet; man hat festgestellt, daß gewisse Mikroorganismen (Entamoeba histolytica) zwar kein B l a brauchen, daß aber ihr Wachstum durch den genannten Stoff stimuliert wird, während das 1,2-Dibromanaloge Hemmwirkung zeigt 4 ). Interessant ist auch, daß Mikroorganismen (E. coli) in die Nucleotidhälfte des Moleküls an Stelle der natürlich vorkommenden Basen strukturanaloge Verbindungen (z. B. 5,6-Dichlorobenzimidazol oder 5,6-Diäthylbenzimidazol) einbauen können 5 ).

Durch die Reindarstellung und die Möglichkeit der mikrobiologischen Bestimmung konnte das Vitamin mit einem weiteren Nahrungsfaktor identifiziert werden, dessen Existenz aus Ernährungsversuchen an Tieren, besonders am Hühnchen, erschlossen worden war. Es ist der sog. „animal p r o t e i n factor". Wenn Hennen auf einer reinen Pflanzennahrung gehalten werden (gewöhnlich aus Cerealien und Sojamehl bestehend), wobei gleichzeitig dafür gesorgt sein muß, daß sie ihre eigenen Exkremente nicht fressen können, so schlüpfen bei Bebrütung ihrer Eier nur wenige Küken aus. Die meisten Embryonen sterben vor dem Ausschlüpfen ab, und auch die ausgeschlüpften Küken zeigen hohe Sterblichkeit und verlangsamtes Wachstum. Auch wenn die trächtige Ratte oder Maus auf eine Nahrung aus reinem Pflanzenmaterial ohne tierische Proteine gesetzt wird, beobachtet man bei den Jungtieren eine hohe Sterblichkeit und verlangsamtes Wachstum. Ebenso ist bei Schweinen, die mit Sojaproteinen als einzigem Nahrungseiweiß ernährt werden, das Wachstum gehemmt, und es zeigen sich gewisse Ausfallserscheinungen, u. a. Störungen der Hämatopoese, was bei Hühnchen und Ratten nicht der Fall ist. Der Faktor, welcher diese Erscheinungen verhindert und normales Wachstum der jungen Tiere bewirkt, begleitet in den Nahrungsstoffen die tierischen Proteine. Gute Quellen des „animal protein factor" sind Leber, Extrakte aus Fischmehl („fish solubles") usw. Das reine Vitamin B 12 vermag den Proteinfaktor sowohl beim Huhn *) Literatur zum Vorstehenden vgl.Ford u . H u t n e r , Vitamins and Hormones 13,101 (1955). V i t a m i n B 12 u n d I n t r i n s i c F a c t o r , I. Europ. Symp. über Vitamin B12 und „intrinsic factor", Hamburg, Mai 1956. Stuttgart 1956. Vgl. auch Ann. Rev. Biochem. 26, 181 (1957); 27, 296 (1958). 2 ) S h e m i n u. Mitarb., Science 124, 272 (1956). 3 ) K r a s n a u. Mitarb., J . biol. Chem. 225, 745 (1957). 4 ) N a k a m u r a , Proc. Soc. Exptl. Biol. Med. 96, 524 (1957). 5 ) D e l l w e g u. Mitarb., Biochem. Zschr. 827, 422 (1956); 328, 81, 88, 96 (1956).

Die Vitamine

806

wie auch bei den Säugetieren (Maus, Ratte, Schwein) zu ersetzen, m u ß also mit ihm in enger Beziehung stehen. Die Verbreitung v o n B 1 2 und Proteinfaktor, soweit sie durch unabhängige Methoden untersucht wurde, stimmt überein. Merkwürdig ist das Fehlen des Faktors bei den höheren Pflanzen. Entweder sind die vorhandenen Mengen Vitamin B 1 2 so klein, daß sie m i t den gebräuchlichen Methoden nicht erfaßt werden oder, was weniger wahrscheinlich ist, die grüne Pflanze braucht diesen Faktor nicht. Dagegen ist, wie erwähnt, B ) 2 Wachstumsfaktor für verschiedene Mikroorganismen, Bakterien, Grünalgen, Protisten (L. lactis, L. leishmannii, Euglena gracilis) 1 ). Man kennt eine Reihe v o n Organismen, die den Faktor synthetisieren, so Streptomyces griseus und Str. aureofaciens, aus denen das Vitamin B 1 2 als Nebenprodukt der Extraktion von Streptomycin und Aureomycin industriell dargestellt wird. Merkwürdig ist die Beobachtung, daß die bakterielle Synthese v o n Vitamin B i a (sowie anderer Vitamine) durch Aureomycin stark gefördert wird. D a s Vitamin B 1 2 ist am U m s a t z der labilen Methylgruppen beteiligt. Wahrscheinlich ist nicht das Vitamin B 1 2 selbst, sondern ein aus ihm sich ableitendes Coenzym der eigentliche Wirkstoff. E i n solches Coenzym ist aus Leber isoliert worden. E s leitet sich v o m Pseudovitamin B 1 2 ab, welches anstelle des Benzimidazols Adenin enthält (s. oben); es hält aber statt des Cyanids ein zusätzliches Molekül Adeninnucleosid gebunden 2 ). E s sind zwei Reaktionen bekannt, welche von diesem Coenzym katalysiert werden: Die Umlagerung v o n Glutaminsäure in /?-Methylasparaginsäure 2 ) und die oben besprochene Umlagerung des Methylmalonyl-CoAin Succinyl-CoA (vgl. S. 360) 3 ). Tiere, welche in der Nahrung kein Methionin, wohl aber den methylfreien Vorläufer desselben, das Homocystein, enthalten, wachsen nur dann, wenn sie gleichzeitig Folsäure und Vitamin B 12 erhalten (Versuche mit Ratten und Hühnchen) 4 ). Bei jungen Schweinen wird die Überführung des a-Kohlenstoffatoms des Glycocolls in die Methylgruppen des Cholins durch Vitamin B12 stark erhöht, während sein Einbau in das Serin (vgl. S. 423) nicht beeinflußt wird5). Man hat neuerdings ein B 12 -haltiges Enzym gefunden, welches die Methylgruppe aus dem Tetrahydrofolsäure-Coenzym auf das Methionin überträgt 6 ). Die Übertragung der Methylgruppe aus dem Methionin in das Kreatin oder Cholin oder vom Betain auf das Homocystein, scheint vom B l s unabhängig zu sein7). Die Beteiligung des Vitamins an der Synthese der labilen Methylgruppen des Methionins hat sich auch in vitro in zellfreien Präparaten aus E. coli beobachten lassen 8 ). Es sind noch eine Reihe anderer Wirkungen des Vitamins B12 bekannt, so die Wirkung auf die Synthese der Purine, der Nucleinsäuren, der Proteine (Einbau von Aminosäuren in Mikrosomen) u.a.m. Auch die Beobachtung, daß bei gewissen Mikroorganismen (Lactobacillus lactis und L. leickmannii) das Vitamin B 12 durch Thymidin und andere Nucleoside ersetzt werden kann 9 ), deutet darauf hin, daß eB für die Synthese dieser Stoffe nötig ist. Man kann aber noch in keinem einzigen Fall genau angeben, in welcher Weise es in die biochemischen Reaktionen eingreift. Wahrscheinlich ist bei verschiedenen Vitamin B la -abhängigen Vorgängen das Vitamin nur indirekt beteiligt; es könnte z. B. für die Synthese von Fermentproteinen oder Cofermenten nötig sein 10 ). 1

) Zusammenstellung in F o r d u. H u t n e r , Vitamins and Hormones 18, 103 (1955). ) B a r k e r u. Mitarb., Proc. Natl. Acad. Sei U. S. 44, 1093 (1958); 45, 521 (1959). 3 ) G u r n a n i u. Mitarb., Biochim. Brophys. Acta 38, 187 (1960). 4 ) Vgl. z. B. B e n n e t t , J . biol. Chem. 187, 751 (1950); J u k e s u. Mitarb., Arch. Biochem. 25, 453 (1950). 6 ) J o h n s o n u. Mitarb., Arch. Biochem. Biophys. 54, 467 (1955); C h a n g u. J o h n s o n , Arch. Biochem. Biophys. 55, 151 (1955). •) B u c h a n a n u. Mitarb., Federation Proc. 20, 9 (1961); J . biol. Chem. 236, 1095 (1961). ') S t e k o l , in M c E l r o y u. G l a s s : Amino acid metabolism, S. 536; Baltimore 1955. M i s t r y u. Mitarb., J . biol. Chem. 212, 713 (1955); W a g l e u. Mitarb., J . biol. Chem. 230, 917 (1958). 8 ) H e l l e i n e r u. W o o d s , Biochem. J . 68, 26 P (1956). ") S h i v e u. E a k i n , J . Am. chem. Soc. 70, 2614 (1948); D o w n i n g u. S c h w e i g e r t , J . biol. Chem. 220, 521 (1956). 10 ) Neuere Literatur vgl. Ann. Rev. Biochem. 25, 406 (1956); 26, 185 (1957); I. Europ. Symp. über Vitamin B 12 und „intrinsic factor", Hamburg, Mai 1956; Stuttgart 1956; II. Europ. Symp. über Vitamin B l 2 und „intrinsic factor", Hamburg Aug. 1961 ( H e i n r i c h ed.); Stuttgart 1962. 2

Allgemeines über die Vitamine der B-Gruppe

807

Rolle des „intrinsic factor". Nach der Entdeckung des Vitamins B 12 kann die Annahme nicht mehr aufrechterhalten werden, daß der Antiperniciosastoff erst durch die Einwirkung des Magensafts auf den „extrinsic factor" entsteht; er ist vielmehr als solcher in der Nahrung enthalten. Trotzdem ist aber der „intrinsic factor" unentbehrlich. Beim Perniciosapatienten sind bei peroraler Verabreichung sehr viel größere Mengen B 12 nötig, um eine therapeutische Wirkung zu erzielen, als bei parenteraler Zufuhr. Der Faktor des Magensafts muß irgendwie für die Verwertung des Vitamins notwendig sein. Man nimmt allgemein an, daß der „intrinsic factor" die Passage des Vitamins durch die Darmwand ermöglicht. Der Paktor hat die Fähigkeit, das Vitamin B 12 zu binden; es ist daher denkbar, daß die Absorption des Vitamins B 12 in Form eines Komplexes erfolgt. Solche Verbindungen haben sich tatsächlich als klinisch wirksam erwiesen. Ein Faktor, der wirksame Komplexe mit Vitamin B 12 gibt, scheint auch in der Milch vorzukommen. (Zum Studium der Bindung des Vitamins B 12 verwendet man neuerdings die durch Co(60) markierte Verbindung.) Das ganze Problem ist aber sehr komplex und bedarf weiterer Abklärung1). Die Darmflora produziert beträchtliche Mengen B 12 ; doch kann dasselbe nicht verwertet werden2). Die einzige Quelle scheint die Nahrung tierischen Ursprungs zu sein. Die Absorption im Darm scheint, ähnlich wie beim Eisen (vgl. S. 600), vom Bedarf abhängig zu sein3). Nicht abgeklärt ist auch die Wirkung der Folsäure bei der perniziösen Anämie. Wir haben früher schon erwähnt, daß Folsäure die Blutbildung bei perniziöser Anämie anzuregen vermag; doch ist die Remission oft unvollständig und nicht von Dauer. Die Funktionsstörungen des Nervensystems werden nicht behoben. Sicher ist die Folsäure für die Blutbildung unentbehrlich. Wir kennen Anämieformen, die durch Folsäure vollständig geheilt werden können und nur auf dieses Vitamin ansprechen, deren Ursache daher ein Mangel an Folsäure sein muß. Die Perniciosa gehört aber nicht hierher. Sie wird durch Vitamin B 12 vollständig geheilt, ohne daß eine Zulage anderer Faktoren nötig wäre. Warum aber die Folsäure trotzdem die Hämatopoese (und nur diese) beim Perniciosakranken weitgehend zu normalisieren vermag, läßt sich nicht mit Sicherheit erklären. 17. Allgemeines über die Vitamine der B-Gruppe Die weite Verbreitung der B-Vitamine im Pflanzen- wie im Tierreich deutet auf die große Bedeutung dieser Stoffe für den Ablauf der Lebensprozesse hin. Die meisten B-Paktoren sind mit Sicherheit als Bestandteile von Cofermenten erkannt worden; für die anderen ist es auf Grund ihrer spezifischen Wirkungen auf einzelne Reaktionen sehr wahrscheinlich, daß sie an katalytischen Vorgängen beteiligt sind. Besonders auffallig ist auch, daß die B-Faktoren für die verschiedenartigsten Lebewesen unentbehrlich sind, von den Bakterien bis zu den höchstentwickelten Tieren. Wir haben bei der Besprechung der einzelnen Vitamine meist nur auf ihre Rolle im Stoffwechsel der Säugetiere und Vögel und der Mikroorganismen hingewiesen. Für eine Reihe von Vitaminen hat man aber auch zeigen können, daß sie bei Insekten oder bei Fischen wirksam sind. Höhere Pflanzen, die völlig autotroph sind, eignen sich natürlich weniger gut für den Nachweis von Vitaminwirkungen. Man hat indessen in einzelnen Fällen eine stimulierende Wirkung auf das Wachstum isolierter Teile (Wurzeln) festgestellt. Man neigt heute allgemein zur Ansicht, daß die meisten Faktoren der B-Gruppe überhaupt für alle lebenden Zellen von Bedeutung sind. Auf den Unterschied zwischen dem Begriff des „Vitamins" oder essentiellen Nahrungs-(Milieu-)faktors und dem Begriff des „essentiellen Metaboliten" haben wir früher bereits hingewiesen. Alle B-Faktoren sind essentielle Metaboliten, d. h. sie stellen spezifische, für den Ablauf der Stoffwechselvorgänge unentbehrliche molekulare Strukturen dar. Für die höheren Tiere sind die meisten auch Vitamine, weil die tierischen Zellen nicht imstande sind, diese Strukturen aufzubauen. Bei den Mikroorganismen, Bakterien, Pilzen usw. findet man eine große Mannigfaltigkeit 1 ) Die Literatin- über den „intrinsic factor" ist sehr umfangreich. Vgl. z. B. Ann. Rev. Biochem. 25, 412, 552 (1956); 26,191 (1957). Ungley, Vitamins and Hormones 13, 154 (1955). 2 ) Hausmann u. Mitarb., Acta Haematol. 10, 282 (1953). 3) Vgl. Science 120, 74 (1954).

808

Die Vitamine

der Bedürfnisse. Zwar können wir, wie gesagt, annehmen, daß alle B-Faktoren auch für die Mikroorganismen essentielle Metaboliten sind. Aber die Fähigkeit, diese selbst aufzubauen, wechselt von Art zu Art, ja von Rasse zu Rasse. Es gibt z. B. Organismen, die in bezug auf das Aneurin völlig autotroph sind, andere kommen mit der Pyrimidinhälfte des Moleküls aus oder sie können das Aneurin aus einem Gemisch der Pyrrolidin- und Thiazolhälfte synthetisieren (dazu gehört z. B. der im Phycomyces-Test von Schopf er verwendete Pilz Phycomyces Blakesleeanus) oder sie brauchen das fertige Aneurinmolekül. Oder gewisse Bakterien brauchen Folsäure, andere kommen mit der Pteroinsäure ( = Folsäure minus Glutaminsäure) aus; andere wieder vermögen Folsäure aufzubauen, wenn sie nur p-Aminobenzoesäure zur Verfügung haben, usw. Die Fähigkeit vieler Mikroorganismen, Vitamine zu synthetisieren, spielt auch für die Versorgung der höheren Tiere mit den B-Faktoren (und anderen Vitaminen wie Vitamin K) durch die Darmflora eine Rolle. Die Tatsache, daß man alle möglichen Avitaminosen durch Verfütterung einer geeigneten Mangeldiät erzeugen kann, zeigt zwar, daß die Fähigkeit der Darmflora zur Vitaminsynthese begrenzt ist. Es sind aber doch verschiedene Fälle bekannt, bei denen die im Darm lebenden Mikroorganismen wesentlich zur Deckung des Bedarfs ihres Wirtes an einzelnen Vitaminen beitragen. Es bestehen je nach der Zusammensetzung und mengenmäßigen Entwicklung der Darmflora zwischen den einzelnen Tierarten große Unterschiede. Auch die Art der Nahrung ist von Einfluß. Das älteste bekannte Beispiel für eine „Selbstversorgung" mit B-Vitaminen ist die sog. „refection" bei der ßatte. Batten, die auf einer B-freien Diät gehalten werden, welche rohe Stärke enthält, und die bereits Zeichen der Avitaminose zeigen, können plötzlich wieder zu wachsen beginnen und sich völlig normal entwickeln. Die Tiere scheiden massige, stärkereiche Fäces aus, durch deren Verfütterung man die „refection" auf andere Tiere übertragen kann. Der Zustand ist also infektiös und beruht wahrscheinlich auf der Entwicklung einer besonderen Mikroflora im Coecum, welche genügende Mengen B-Vitamine produziert, um die Versorgung des Tieres zu gewährleisten. Wesentlich scheint die Anwesenheit genügender Mengen unverdauter Stärke im Coecum zu sein. Möglicherweise ist die primäre Ursache eine Störung der Stärkeverdauung.

Eine bedeutende Rolle für die Vitaminversorgimg des Wirts spielt wahrscheinlich die reich entwickelte Darmflora bei den Wiederkäuern. Theiler sprach diese Vermutung bereits 1915 aus, weil er Tiere während langer Zeit ohne Schaden mit vitaminarmem Futter ernähren konnte. Alle seitherigen Versuche bestätigen diese Annahme, und es kann als gesicherte Tatsache gelten, daß im Pansen eine Synthese der Vitamine des B-Komplexes in so großem Umfang stattfindet, daß der Bedarf des Tieres daraus weitgehend gedeckt werden kann. Bei den meisten anderen Tierarten liegen die Verhältnisse nicht so günstig. Die Darmflora ist meistens viel weniger entwickelt. Dazu kommt, daß sie hauptsächlich im Dickdarm lokalisiert ist (bei den nicht wiederkäuenden Pflanzenfressern ersetzt das Coecum den Pansen); die Bedingungen für die Absorption der von den Bakterien gebildeten Vitamine sind daher viel ungünstiger als bei den Ruminantia, bei denen der vitaminreiche Mageninhalt noch die ganze Länge des Dünndarms zu durchlaufen hat. Wir können auf weitere Einzelheiten hier nicht eingehen. Man hat bei der Ratte und auch beim Menschen die Synthese verschiedener B-Vitamine durch die Darmflora und teilweise auch ihre Absorption nachweisen können. Wie schon erwähnt, ist die Nahrung von großem Einfluß. In verschiedenen Fällen hat man beobachtet, daß die Synthese durch reichliche Zufuhr von Stärke oder Dextrin gesteigert wird (Entwicklung von Hefen!). Im allgemeinen reicht aber die Synthese im Darm auch unter günstigen Bedingungen zur Deckung des Bedarfs nicht aus.

Vitamin C

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18. Vitamin C Der Skorbut war seit altersher als eine Krankheit bekannt, welcher die Seeleute während ihrer langen Reisen unterworfen waren und die oft unter den Schiffsmannschaften furchtbare Opfer forderte. Anscheinend sind Berichte aus der Zeit der Kreuzzüge im 13. Jahrhundert die ältesten sicheren Nachrichten, die wir über das Auftreten dieser Krankheit besitzen. Doch ist anzunehmen, daß sie schon viel länger bekannt war. Der Skorbut war zur Zeit der großen Seereisen im 15. und 16. Jahrhundert eines der größten Hindernisse. (Bei der Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung durch Vasco da Gama erlagen von 160 Mann Schiffsbesatzung 100 dem Skorbut!) Aber auch auf dem festen Land, vor allem in den nördlichen Ländern, war die Krankheit weit verbreitet. Sie trat sehr häufig in den Heeren während der Feldzüge auf. Sehr früh finden sich aber auch Berichte über die Heilung des Skorbuts durch Früchte und frisches Gemüse. In voller Klarheit ist die Erkenntnis, daß die Krankheit durch Verabreichung geeigneter Nahrung, vor allem von Früchten und grünen Blattgemüsen, rasch geheilt werden kann, in Schriften des 18. Jahrhunderts ausgesprochen (Bachstrom 1734, „Observationes circa scorbutum; eiusque indolem, eausas, signa et curam". Lind 1757, „A treatise on scurvy"). Es gibt aber einzelne, noch ältere Berichte über die günstige Wirkung von Pflanzenabkochungen. In dem Maße wie diese Erkenntnis Allgemeingut wurde und sich auch die Möglichkeiten zur Beschaffung frischer Pflanzennahrung zu jeder Jahreszeit und in allen Ländern verbesserten, verschwand der Skorbut mehr und mehr. Der endgültige Beweis, daß Skorbut eine Mangelkrankheit ist, wurde 1912 durch H o l s t und F r ö h l i c h geleistet, denen es gelang, ihn experimentell beim Meerschweinchen zu erzeugen. Der antiskorbutisch wirksame Stoff erhielt die Bezeichnung Vitamin C.

Das Vitamin C ist nur für den Menschen und gewisse Tierarten (Affe, Meerschweinchen) unentbehrlich, während Hund, Kaninchen, Ratte, Maus, wahrscheinlich auch die Wiederkäuer, es selbst bilden können. Über die Biosynthese der Ascorbinsäure siehe S. 812. Der Vitamin C-Mangel führt zu einer Schädigung der Kapillarendothelien, als deren Folge in zahlreichen Geweben Blutungen auftreten, so in der Haut (Bildung kleiner umschriebener blutiger Ergüsse, sog. Petechien), in den Schleimhäuten, den Gelenken, dem Periost. Die Gelenke sind geschwollen und schmerzhaft. Besonders charakteristisch für den Skorbut ist die Entzündung und Schwellung des Zahnfleisches, die oft zur Nekrotisierung des Gewebes führen, sowie die Lockerung der Zähne. (Der Ausdruck Skorbut leitet sich vom holländischen Scheurbuik = wunder Mund ab.) Beim Kind oder beim Jungtier kommt es ferner zu einer schweren Störung der Knochenbildung. Sie betrifft die Wachstumszone des Knochens (Epiphysen der Röhrenknochen, Knochen-Knorpel-Grenze der Rippen). Die Neubildung von Knochengewebe hört auf; da die Abbauvorgänge weitergehen, tritt ein starker Schwund (Rarefikation) der Knochensubstanz ein, der an der Verbindung von Epiphyse und Diaphyse zum Zusammenbruch des ganzen Gefüges führen kann. Auch die Zahnentwicklung ist gestört. Beim Meerschweinchen sind die histologischen Veränderungen in den Schneidezähnen das früheste Symptom des Skorbuts. Es scheint, daß die Tätigkeit der Osteoblasten wie der Odontoblasten vom Vitamin C abhängig ist. Das Vitamin scheint ganz allgemein für die Bildung der interzellulären Substanz von großer Bedeutung zu sein. Im Bindegewebe des skorbutischen Tieres zeigen sich charakteristische Veränderungen: die fibrillären Elemente der Interzellularsubstanz (retikuläre und kollagene Fasern) fehlen. Die mangelhafte Bildung der Interzellularsubstanz vermag viele Erscheinungen der C-Avitaminose zu erklären. Wahrscheinlich rührt die Fragilität der Kapillaren von einer ungenügenden Ausbildung der Kittsubstanz her, welche die Endothelzellen verbindet, und ebenso scheinen die Defekte der Knochen- und Zahnstruktur auf mangelhafter Bildung der organischen

Die Vitamine

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Matrix zu beruhen. In gleicher Weise können auch die schlechte Callusbildung und Wundheilung bei Vitamin C-Mangel gedeutet werden. Auf welche Weise diese Störungen in der Ausbildung der interzellulären Substanzen zustande kommen und welche Bestandteile sie im einzelnen betreffen, läßt sich nicht angeben. In annähernd reiner Form wurde das Vitamin C zuerst aus Citronensaft isoliert. Es erwies sich als stark reduzierende Säure, die den Hexosen nahe steht (Zilva, Agopian, Tillmans). Szent-Györgyi isolierte 1928 auB Nebennieren und pflanzlichem Material eine reduzierende Verbindung, die er als „Hexuronsäure" bezeichnete, deren Identität mit dem Vitamin C aber erst später erkannt wurde. Die Aufklärung der Struktur erfolgte 1933 durch Micheel und K r a f t und durch Hirst und Mitarb., undfgleichzeitig gelang Reichstein und unabhängig Haworth und Mitarb. die erste Synthese. Die Substanz wurde als Ascorbinsäure bezeichnet. Die Ascorbinsäure besitzt folgende Konstitution (Formel links): o=cCOOH 0=C— I o-A HO—A HjioH L-Ascorbinsäure

HjdoH Dehydro-L-ascorbinsäure

HjdoH

Die Synthese der Ascorbinsäure (Reichstein, Haworth) wird heute technisch in großem Maßstab durchgeführt. Die wichtigste Methode geht von der Sorbose aus (zugänglich durch biologische Oxydation des Sorbits durch das Bact. xylinum). Bei der Oxydation in saurer Lösung durch H 2 0 2 , Jod oder gewisse Farbstoffe verwandelt sich die Ascorbinsäure in Dehydro-L-ascorbinsäure. Die Dehydroascorbinsäure kann wieder zu Ascorbinsäure zurückreduziert werden. Sie ist biologisch aktiv, also kann angenommen werden, daß die Reduktion auch im Organismus möglich ist. Durch den Luftsauerstoff in Gegenwart von Schwermetallspuren (Cu oder Fe) wird die Ascorbinsäure irreversibel oxydiert, besonders leicht bei alkalischer Reaktion. In saurer Lösung ist sie ziemlich beständig. Die sauren Eigenschaften der Ascorbinsäure beruhen auf der Gegenwart der enolischen Hydroxylgruppen. Die Dehydroascorbinsäure ist unmittelbar nach ihrer Entstehung eine neutrale Verbindung, da sie keine Enolgruppe mehr besitzt. Ihr Lactonring ist aber sehr unbeständig und öffnet sich rasch unter Bildung einer freien Carboxylgruppe. Die Eigenschaft der Ascorbinsäure, in leicht saurer Lösung geeignete Redoxfarbstoffe zu reduzieren, wird zu ihrer Bestimmung benutzt. Am häufigsten wird das 2,6-Dichlorophenolindophenol verwendet :

0=

=N—^

-OH

+ 2H

OH

2,6-Dichlorophenolindophenol Die Titration mit derartigen Farbstoffen ist natürlich nicht spezifisch. Es kommen sowohl im Urin wie in den Gewebsextrakten Stoffe vor, welche den Farbstoff ebenfalls reduzieren (SHVerbindungen, Thiosulfat usw.). Doch wird dadurch in den meisten Fällen die praktische Brauchbarkeit der Methode nicht wesentlich eingeschränkt. Auch Silbernitrat wird von der Ascorbinsäure in essigsaurer Lösung zu metallischem Silber reduziert.

811

Vitamin C

Die Ascorbinsäure läßt sich durch ihre Eigenschaft, Silbersalze zu reduzieren, histochemisch in Gewebsschnitten nachweisen und lokalisieren (Methode von G i r o u d - L e b l o n d ) . Besonders reich an Vitamin C sind die Nebennieren, die Hypophyse, das Corpus luteum; im allgemeinen scheint der Vitamin C-Gehalt mit der Aktivität der Gewebe in Zusammenhang zu stehen. In den einzelnen Zellen zeigt die Silberimprägnation eine Lokalisation der Ascorbinsäure in der Region des Golgi-Apparates und in den Mitochondrien an, beides Gebilde, die als Zentren des Zellstoffwechsels angesehen werden.

Der Abbau der Ascorbinsäure wird jedenfalls durch die Oxydation zur Dehydroverbindung eingeleitet. Man kennt verschiedene Fermente, welche die Oxydation der Ascorbinsäure durch Sauerstoff katalysieren. Dies kann auf indirektem Wege durch Enzyme geschehen, welche Chinone bilden (Phenolasen). Die letzteren sind imstande, die Ascorbinsäure zu dehydrieren: Phenolase

Ascorbinsäure

Dehydroascorbinsäure

Von größerem Interesse sind aber die Enzyme, welche direkt auf die Ascorbinsäure einwirken ( S z e n t - G y ö r g y i , Zilva u.a.). Solche kommen in verschiedenen Pflanzen vor (Gurken, Spinat, Kohl u. a.). Es scheint sich um Kupferproteide zu handeln. Es lassen sich auch künstliche Kupfer-Protein-Verbindungen herstellen, welche Ascorbinsäure oxydieren. Die natürliche Ascorbinsäureoxydase zeigt aber eine gewisse stereochemische Spezifität. Andererseits kommen sowohl in pflanzlichen wie auch in tierischen Geweben Stoffe vor, welche die Oxydation der Ascorbinsäure durch den Luftsauerstoff verhindern. Reduziertes Glutathion (GSH) schützt die Ascorbinsäure vor der Oxydation durch die Oxydase aus Kohl; das GSH wird dabei selbst oxydiert und erst dann, wenn es völlig aufgebraucht ist, setzt die Oxydation der Ascorbinsäure ein. Der Vorgang ist so zu erklären, daß primär die Ascorbinsäure oxydiert wird; die Dehydroascorbinsäure nimmt aber sofort wieder zwei Wasserstoffatome des GSH auf ( H o p k i n s und Morgan). Die Ascorbinsäure wirkt in diesem künstlichen System als Katalysator bei der Oxydation des Glutathions. Unter gewissen Bedingungen kann Glutathion die Autoxydation des Vitamins auch dadurch hemmen, daß es das katalytisch wirkende Kupfer komplex bindet. Dehydroascorbinsäure vermag in vitro Aminosäuren unter Bildung von Ammoniak zu desaminieren (Euler und K a r r e r ) . Es ist nicht bekannt, ob diese Reaktion biologische Bedeutung hat.

Wie der weitere Abbau der Ascorbinsäure erfolgt, ist nicht genau bekannt. Als eines der Abbauprodukte ist Oxalsäure nachgewiesen worden (Verfütterung von C1-markierter Ascorbinsäure)1). Die Ascorbinsäure ist für den Abbau der aromatischen Aminosäuren von Bedeutung. Wird das skorbutische Meerschweinchen mit aromatischen Aminosäuren belastet, so vermag es dieselben nicht vollständig zu oxydieren und scheidet sie teilweise als p-Hydroxyphenylbrenztraubensäure, p-Hydroxyphenylmilchsäure und M C. G. K i n g u. Mitarb., J . biol. Chem. 191, 601 (1951).

Die Vitamine

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Homogentisinsäure wieder aus (vgl. S. 395). Bei Zufuhr von Ascorbinsäure verschwinden diese Stoffwechselprodukte wieder aus dem Urin1). Ebenso können Organschnitte (Niere, Leber) von skorbutischen Tieren in vitro Tyrosin oder 3,4-Dihydroxyphenylalanin nicht mit normaler Geschwindigkeit oxydieren, und auch hier wird der Defekt durch Ascorbinsäurezusatz behoben (Sealock)®). Der Angriffsort der Ascorbinsäure beim Abbau des Tyrosins liegt anscheinend in der Oxydation der p-Phenylbrenztraubensäure zur Homogentisinsäure. Frühgeburten, die in der Nahrung ziemlich viel Eiweiß und wenig Vitamin C erhalten, zeigen eine ähnliche Störung des Stoffwechsels der aromatischen Aminosäuren wie das skorbutische Meerschweinchen, die ebenfalls durch Ascorbinsäure korrigiert wird8). Die Ascorbinsäure kann nicht nur von Pflanzen, sondern auch von gewissen Tierarten synthetisiert werden. Ohne Zweifel sind Hexosen, beim Tier vor allem die Glucose, die wichtigste Quelle für die Biosynthese der Ascorbinsäure. Bei Pflanzen wurden Versuche mit Keimlingen durchgeführt, zu deren Nährlösung man verschiedene Zucker zufügte. Eindeutige Resultate wurden beim Tier (Ratte) vor allem bei Eingabe C^-markierter Glucose erzielt. Durch das Narcoticum Chloreton (Triehlorisobutylalkohol) kann die Ascorbinsäurebildung stark gesteigert werden. Die unter diesen Bedingungen isolierte Ascorbinsäure ist radioaktiv. Die Verteilung des C-Isotops zeigt, daß wahrscheinlich das Glucosemolekül als Ganzes in Ascorbinsäure übergegangen ist 4 ). Der wahrscheinlichste Weg, der von der Glucose zur Ascorbinsäure führt, scheint auf Grund der gegenwärtigen Kenntnisse der folgende zu sein: CHO

HAoh HOCH h Ì o H

Oxydation
5 >5

3,3 4,9 5,9 6,6

Man erkennt, daß die spezifisch dynamische Wirkung der Glucose nur ein Bruchteil derjenigen der Proteine ist und außerdem nur wenige Stunden anhält, während nach Zufuhr größerer Mengen Eiweiß die Erhöhung des Grundumsatzes eine Reihe von Tagen anhalten kann. Fett ergibt ähnliche Werte wie Kohlenhydrat. Neuere Untersuchungen am Menschen zeigen indessen, daß nach Zufuhr großer Kohlenhydratmengen die zusätzliche Wärmeproduktion fast 10% der aufgenommenen Kalorien erreichen kann.

Es ist noch nicht restlos aufgeklärt, auf welche Weise die spezifisch dynamische Wirkung zustande kommt. R u b n e r hat bereits Gründe dafür beigebracht, daß es nicht die gesteigerte Arbeit der Verdauungsorgane oder die vermehrte N-Ausscheidung durch die Nieren sein kann, welche die erhöhte Wärmeproduktion bewirken. Da die Proteine im Darm hydrolysiert werden, müssen offenbar die Aminosäuren für die spezifisch dynamische Wirkung verantwortlich sein. In der Tat rufen verschiedene Aminosäuren, so Glycocoll, Alanin, Tyrosin, Phenylalanin, Leucin und andere, eine Stoffwechselsteigerung hervor; für Glutaminsäure und Asparaginsäure sind die Resultate widersprechend. Es scheint, daß die Summe der spezifisch dynamischen Wirkungen der einzelnen Eiweißbausteine die richtige Größenordnung für die Wirkung des kompletten Proteins ergibt (Lusk). Wir haben im Kapitel über den Proteinstoffwechsel darauf hingewiesen, daß die Aminosäuren nur in Form von Proteinen in wesentlichem Umfang gespeichert werden können. Der Anteil der aufgenommenen Aminosäuren, der nicht zum Aufbau

Die „spezifisch dynamische Wirkung" der Nährstoffe

831

der Proteine Verwendung findet, verfallt dem vollständigen Abbau oder dient der Gluconeogenese. Erfahrungsgemäß bewirkt jede Erhöhung der Eiweißzufuhr, auch wenn es sich um hochwertige Proteine handelt und die Eiweißvorräte des Körpers weitgehend erschöpft sind, eine vermehrte Ausscheidung von Stickstoff. Der Körper kann also auch unter günstigen Bedingungen niemals alle ihm zugeführten Aminosäuren als Proteine festhalten. Wenn aus dem Darm Glucose aufgenommen wird, so kann sie ohne weiteres, unabhängig von der Gegenwart anderer Nahrungsbestandteile, in Glycogen übergeführt werden. Ähnliches gilt auch von den Fettsäuren, welche direkt in Fettdepots übergehen können. Die Möglichkeit, daß eine Aminosäure im Eiweiß fixiert wird, hängt dagegen von der gleichzeitigen Gegenwart der anderen Aminosäuren ab, die zum Aufbau des betreffenden Polypeptids oder Proteins nötig sind. Da offenbar das den Zellen zuströmende Gemisch von Aminosäuren niemals genau der Zusammensetzung der Zellproteine entspricht, kann ein Teil der Bausteine nicht verwendet werden und wird oxydiert. Die hohe spezifisch dynamische Wirkung der Proteine hängt wahrscheinlich eng mit diesen Besonderheiten des Aminosäurestoffwechsels zusammen, ohne daß man zur Zeit genau angeben könnte, welche intermediären Reaktionen im besonderen für die Wärmebildung verantwortlich sind. Auch bei Aufnahme von Kohlenhydrat und Fett wird ein Teil des zugeführten Materials sofort verbrannt. Dieses tritt aber an die Stelle der körpereigenen Substanzen, d. h. es wird die Oxydation von Körperfett und Glycogen entsprechend eingeschränkt, so daß jedenfalls bei mäßiger Zufuhr nur eine unbedeutende Steigerung der Wärmeproduktion eintritt. Dagegen kann das Nahrungseiweiß die Körpersubstanz als Brennmaterial offenbar nur unvollkommen ersetzen; es wird daher eine z u s ä t z l i c h e Menge Substanz oxydiert. Es ist nicht aufgeklärt, wie weit dabei endokrine oder nervöse Regulationen eine Rolle spielen. Man könnte z. B. daran denken, daß die im Blut kreisenden Aminosäuren oder deren Abbauprodukte die Schilddrüse oder die übergeordnete Hypophyse stimulieren. Verabreichimg von Thiouracil, welches die Schilddrüse hemmt (vgl. S. 697), scheint eine Verminderung oder doch wenigstens eine Verlangsamung des Eintritts der spezifisch dynamischen Wirkung zur Folge zu haben, doch läßt sich über die Rolle der innersekretorischen Drüsen noch nichts Endgültiges aussagen. Es stellt sich auch die Frage, welche Organe an der gesteigerten Wärmebildung vorwiegend beteiligt sind. Aus der Tatsache, daß die Leber bei Durchströmung mit Glycocollösung einen stark vermehrten Sauerstoffverbrauch zeigt, währenddem in durchströmten Extremitäten kein Effekt eintritt, hat man geschlossen, daß sie der hauptsächliche Sitz der spezifisch dynamischen Wirkung ist.

Die spezifisch dynamische Wirkung der Nährstoffe ist praktisch von großer Bedeutung. Wäre dieselbe nicht vorhanden, so müßte die Energieausgabe immer gleich der Summe von Grundumsatz (Ruheumsatz) und Aufwand für die zusätzliche körperliche Arbeit (Sitzen, Stehen, Tätigkeit) sein. Eine Mehraufnahme von Kalorien über diesen Betrag hinaus müßte notwendigerweise zum Ansatz von Glycogen, F e t t oder Eiweiß führen. Zur Vermeidung eines solchen Ansatzes müßte mehr körperliche Arbeit geleistet werden. Da tatsächlich aber bei jeder Nahrungsaufnahme dank der spezifisch dynamischen Wirkung eine zusätzliche Steigerung des Grundumsatzes eintritt, ist der Organismus imstande, ohne Vermehrung der Körpersubstanz größere Nahrungsmengen zu bewältigen. Ein Beispiel möge dies illustrieren:

832

Der Nahrungsbedarf

Ein Mann von etwa 70 kg produziert bei leichter Arbeit 2400 Cal. pro Tag, also 100 Cal. pro Stunde (im nüchternen Zustand gemessen). Bei einer kräftigen Mahlzeit nimmt er 1200 Cal. auf, davon 60 g Proteine. Die Verdauung der Mahlzeit benötigt 8 Stunden. Bei unverändertem Umsatz würde er während dieser Zeit 8 • 100 = 800 Cal. produzieren; er hat also 400 Cal. im Überschuß aufgenommen. Veranschlagen wir die spezifisch dynamische Wirkung von Fett und Kohlenhydrat zu 10%, diejenige der Proteine zu 50%, so wird folgende zusätzliche Wärme produziert: Proteine: 50% von 60 • 4,1 Cal.~ 125 Cal., Fett und Kohlenhydrat: 10% von 950 Cal. (Nicht-Eiweiß-Kalorien) = 95 Cal., zusammen 220 Cal. Der Überschuß der Kalorien, der als Fett oder Glycogen angesetzt wird, beträgt also nur noch 180 Cal. statt 400; dies entspricht etwa 20 g Fett (statt 42 g).

Es ist eine bekannte Tatsache, daß verschiedene Menschen bei Überernährung sehr ungleich reagieren. Es gibt solche, die bei großem Appetit täglich beträchtliche Nahrungsmengen vertilgen und dabei mager bleiben. Es gibt andere, die bei gleicher körperlicher Arbeit ständig zunehmen, obwohl sie weniger essen und sich vor jedem Zuviel an Nahrung hüten. Solche Unterschiede beruhen zu einem beträchtlichen Teil auf einer verschiedenen spezifisch dynamischen Wirkung der Nährstoffe bei den einzelnen Individuen. Beim erstgenannten Typus ist sie hoch; er verbrennt daher die im Überschuß aufgenommenen Stoffe. Beim zweiten Typus ist sie niedrig; die überschüssigen Nährstoffe werden als Fett angesetzt. Dazu kommt, daß der Magere sich leichter und mehr bewegt als der Adipöse und dadurch zusätzlich Fett verbrennt, während es beim letzteren zu einem Circulus vitiosus dadurch kommen kann, daß der zunehmende Fettbestand die Beweglichkeit herabsetzt und dadurch den weiteren Fettansatz begünstigt. Die spezifisch dynamische Wirkung ist wahrscheinlich der wichtigste Faktor beim Zustandekommen der sog. Luxuskonsumption. Darunter versteht man die Verbrennung der über den Bedarf hinaus zugeführten Nährstoffe (Gräfe). Es handelt sich um eine Anpassung des Organismus an vermehrte Nahrungszufuhr, welch letztere in vielen Fällen durch den Appetit nicht in genügender Weise reguliert wird. Welch große Nahrungsmengen der tierische Organismus unter Umständen bewältigen kann, zeigt z. B. ein Versuch von Gräfe und Graham, bei welchem eine Hündin von 20 kg Gewicht während 2 Monate eine Nahrungsmenge verzehrte, die das Zweifache des minimalen Kalorienbedarfs (im Hunger gemessen) betrug und dabei ihr Körpergewicht annähernd konstant erhielt.

Der Vergleich der spezifisch dynamischen Wirkung von Kohlenhydrat, Aminosäuren und Fett, einzeln und gleichzeitig verabreicht, hat ergeben, daß ihre Wirkung auf den Stoffwechsel a d d i t i v ist (Lusk); die durch Aminosäuren bewirkte Steigerung addiert sich zu derjenigen, welche durch Kohlenhydrat und Fett hervorgerufen wird. (Wir haben im obigen Beispiel bereits von dieser Tatsache Gebrauch gemacht.) Die Luxuskonsumption, die nach übermäßiger Nahrungsaufnahme eintritt, kann daher als die Summe der spezifischen Wirkungen der einzelnen Nährstoffe aufgefaßt werden. Wodurch die oben erwähnten individuellen Unterschiede zustande kommen, ist nicht klar. Man nimmt an, daß sie konstitutionell begründet sind. Eine wichtige Bolle spielt wahrscheinlich das System der endokrinen Drüsen und das vegetative Nervensystem. 2. Die Kostformen Die von den Organismen aufgenommenen Stoffe haben im wesentlichen zwei Funktionen zu erfüllen: Sie dienen dem Aufbau der Körpersubstanz (zu welcher auch die Wirkstoffe zu rechnen sind) und der Energiegewinnung. Die Mehrzahl der dem Körper zugeführten Stoffe wird letzten Endes weitgehend abgebaut und oxydiert.

Die Kostformen

833

Eine scharfe Unterscheidung von „Baustoffen" und „Betriebs-" oder „Brennstoffen" läßt sich nicht durchführen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, daß nach den Ergebnissen der Isotopenmethode alle Strukturbestandteile des Körpers am Stoffwechsel teilnehmen, sich in einem „dynamischen Zustand" befinden (vgl. S. 367 und 454). Man kann höchstens sagen, daß gewisse Substanzen vorwiegend als Energielieferanten oder vorwiegend als Baustoffe dienen oder daß die Moleküle eines bestimmten Stoffs durchschnittlich länger als Strukturbestandteil in einem Gewebe verweilen als die Moleküle eines anderen Stoffes. Wir haben in den vorangehenden Kapiteln die verschiedenen Stoffe, welche der Säugetierorganismus benötigt, kennengelernt und ihre besondere Bedeutung besprochen. Sie sind nachfolgend in einer Liste nochmals zusammengestellt, der wir einige ergänzende Bemerkungen beifügen. Die unentbehrlichen Stoffe sind die folgenden: 1. Anorganische Stoffe: a) Kationen: Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Kupfer, Zink, Mangan, Kobalt; b) Anionen: Chlorid, Phosphat, Jodid, Fluorid. 2. Organische Stoffe: a) Kohlenhydrate. Sehr wahrscheinlich kommt der tierische Organismus mit Glucose aus, d.h. er kann die übrigen Zucker, die als Bausteine der Körpersubstanz auftreten, aus Glucose oder anderem Material aufbauen. Dies geht z. B. daraus hervor, daß Ratten mit gereinigter Stärke als einzigem Kohlenhydrat sich normal entwickeln können. In der Nahrung des Menschen spielen in der Regel neben der Glucose noch die Fructose (als Rohrzucker aufgenommen) und die Galactose (als Milchzucker aufgenommen) eine Rolle. Die Nahrung der Pflanzenfresser kann neben den Hexosen (Glucose und Fructose) auch noch eine gewisse Menge von Pentosen (als Pentosane) enthalten. Die reinen Carnivoren nehmen mit ihrer Nahrung verhältnismäßig wenig Kohlenhydrat auf (Glycogen im frischen Fleisch); sie decken den größten Teil ihres Kohlenhydratbedarfs durch Gluconeogenese. b) Fette. Fett kann, wie wir gesehen haben, in großem Umfang vom Körper aus Kohlenhydrat oder Eiweiß synthetisiert werden. Dagegen müssen gewisse ungesättigte Fettsäuren, Linol- und L i n o l e n s ä u r e , mit der Nahrung zugeführt werden (siehe S. 364 und 772). Im allgemeinen sind für die menschliche Ernährung die Fette mit hohem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren geei gneter als die stark gesättigten Fette. c) Proteine. Wir haben die Frage der essentiellen -Aminosäuren und des Eiweißminimums im Kapitel über den Proteinstoffwechsel behandelt (vgl. S. 438ff). d) Vitamine. Wir verweisen auf Kap. 29. Wir haben die Bedeutung der Kohlenhydrate, der Fette, der Proteine und der Vitamine in den vorangehenden Kapiteln ausführlich besprochen. Der Mineralhaushalt wird in den folgenen Kapiteln behandelt: N a t r i u m , K a l i u m und Chlorid in Kap. 21: Wasser- und Salzhaushalt, S. 545 u. ff.; vgl. dazu auch S. 706 u. ff. (Regulation des Salzhaushalts durch die Nebennierenrinde). Calcium und P h o s p h a t in Kap. 22: Blut S. 564; Kap. 25, S. 671 u. ff. (Knochen); Kap. 28, S. 699 u. ff. (Nebenschilddrüsen); Kap. 29, S. 761 u. ff. (VitaminD). Eisen in Kap. 22, S. 599. S p a r e l e m e n t e in Kap. 30, S. 814 u. ff. 53

L e u t b a r d t , Lehrbuch, IS. Aull.

834

Der Nahrungsbedarf

An eine vollwertige Nahrung sind die folgenden Anforderungen zu stellen: Sie muß 1. eine genügende Zahl von Kalorien liefern, 2. alle Mineralstoffe und essentiellen Stoffe in genügender Menge und 3. die verschiedenen Stoffe in optimalem Verhältnis enthalten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Bedürfnisse je nach Alter, Geschlecht, Rasse, äußeren Bedingungen (wozu Klima, Berufstätigkeit, Lebensweise zu rechnen sind) verschieden sein können. Es werden im allgemeinen je nach Umständen verschiedenartige Nahrungsmittel zur Verfügung stehen, um die Bedürfnisse zu befriedigen. Die Aufgabe der praktischen Ernährungswissenschaft besteht darin, den Weg anzugeben, auf welchem die oben genannten Forderungen auf Grund der vorhandenen Nahrungsquellen und unter Berücksichtigung der speziellen Ernährungsgewohnheiten am besten erfüllt werden können. Besondere Aufgaben stellt natürlich die Ernährung in Mangelzeiten und ferner die Ernährung kranker Menschen. Man hat, seitdem es eine wissenschaftlich begründete Ernährungslehre gibt, den Versuch gemacht, Normen für die Menge und Zusammensetzung einer optimalen Nahrung aufzustellen. Sie basieren teilweise auf der Beobachtung des tatsächlichen Konsums von Nahrungsmitteln innerhalb gewisser Bevölkerungsschichten, berücksichtigen aber gleichzeitig auch alle Erkenntnisse über den optimalen Bedarf an den verschiedenen essentiellen Nahrungsfaktoren. Wir geben als Beispiel in nebenstehender Tabelle die Werte wieder, die vom Food and Nutrition Board des National Research Council in den USA. empfohlen worden sind. Diese Zahlen geben die Menge der verschiedenen Nahrungsfaktoren an, die als wünschenswert angesehen wird und eine genügende Ernährung garantiert. Es ist klar, daß die Proteine wenigstens zum Teil aus hochwertigen tierischen Eiweißkörpern (Fleisch, Eiern, Milch) bestehen müssen und daß genügend natürliches (nicht gehärtetes) Fett zugeführt werden muß, um die Versorgung mit essentiellen Fettsäuren sicherzustellen. Die Deckung des Energiebedarfs wie auch die Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen kann bei den verschiedenen Völkern und sozialen Schichten auf sehr verschiedene Art und Weise geschehen, je nach den Nahrungsquellen, die zur Verfügung stehen. Wir kennen Völkerschaften, deren Ernährung sich ausschließlich auf tierische Produkte, Fleisch und Fett, aufbaut (z. B. die Eskimos), neben solchen, die fast ausschließlich von pflanzlichen Produkten, also geringen Eiweißmengen neben viel Kohlenhydrat, leben (z. B. viele Völker des Orients oder die aus weltanschaulichen Gründen vegetarisch lebenden Menschen). Die Spezies Mensch verdankt ihre weite geographische Verbreitung (die offenbar schon in vorgeschichtlicher Zeit bestand) zu einem wesentlichen Teil ihrer Anpassungsfähigkeit an die verschiedenartigste Nahrung. Das Tier wird bei der Auswahl der richtigen Nahrung durch den Instinkt geleitet. Es gibt viele Beobachtungen, die darauf hindeuten, daß Tiere bei freier Wahl das geeignetste Futter heraussuchen und hochwertige Nahrung von minderwertiger zu unterscheiden vermögen. Wie weit ein solcher Instinkt beim Kulturmenschen noch besteht, ist schwer zu entscheiden, denn der moderne Mensch kommt kaum mehr in die Lage, ihn zu betätigen. Der ursprüngliche Instinkt ist im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung allmählich durch Ernährungsgewohnheiten ersetzt worden, die sich von Generation zu Generation weiter vererben und an deren Zustandekommen zahlreiche, in ihrer Gesamtheit schwer übersehbare Faktoren be-

Die Kostformen

835

teiligt sind: Klima, natürliche Nahrungsquellen, Lebensweise (Jäger, Fischer, Ackerbauer), Wirtschaftsformen, gesellschaftliche Zustände, aber auch religiöse Vorstellungen und Aberglaube. Die Auswahl der Nahrung kann beim Kulturmenschen nicht mehr aus der Fülle der natürlich vorhandenen Nahrungsquellen erfolgen wie beim Tier; sie beginnt schon mit dem Anbau der geeigneten Nutzpflanzen und der Züchtung der geeigneten Nutztiere. Die Beschaffung der Nahrung ist in der modernen menschlichen Gesellschaft zu einem äußerst komplizierten Prozeß geworden; aber es sind im großen und ganzen doch die gleichen Produkte, die dem heutigen Menschen wie seinen urgeschichtlichen Ahnen als Hauptnahrung dienen: Fleisch, Milch und die verschiedenen Getreidearten und Feldfrüchte.

2500 3000 4500

F r a u e n (56 kg) sitzende Lebensweise . . . mäßige körperliche Arbeit . schwere Arbeit Schwangerschaft (2. Hälfte) Lactation

2100 2500 3000 2500 3000

70

Lactoflavin Nicotinsäure

Aneurin

I.E.

Vit. A

g mg I.E. mg mg mg mg 0,8 1,5 2,2 15 12 5000 1,8 2,7 18 75 2,3 3,3 23

Eisen

l § §1

Vit. D

g

Männer (70 kg) sitzende Lebensweise . . . mäßige körperliche Arbeit . schwere Arbeit

Calcium

3

Proteine

In den meisten Kulturländern, insbesondere in Europa und Nordamerika, bilden Getreide, Kartoffeln und Fleisch die Grundlage der Ernährung. Diese Nahrungsmittel liefern die Hauptmenge des Kalorienbedarfs, wobei Fleisch im Durchschnitt einen wesentlich kleineren Anteil ausmacht als die vegetabilischen Nahrungsmittel. Eine ausschließlich auf dieser Grundlage aufgebaute Nahrung ist indessen nicht in jeder Hinsicht genügend, besonders dann nicht, wenn vorwiegend weiße Mehle (wenig ausgemahlenes Weizenmehl) und gekochtes oder konserviertes Fleisch verwendet werden. Eine solche Nahrung ist z. B. arm an Vitamin A, enthält nur wenig Calcium

60

0,8

12

5000

85 100

1,5 2,0

15 15

6000 8000

1,2 1,5 1,8 1,8 2,3

1,8 12 2,2 15 70 2,7 18 2,5 18 100 3,0 23 150

K i n d e r u n t e r 12 J a h r e n 100/kg 3—4/kg anter 1 Jahr 1200 1—3 Jahre 40 1600 4—6 Jahre 50 2000 7—9 Jahre 60 2500 10—12 Jahre 70

1,0 6 1,0 7 1,0 8 1,0 10 1,0 12

1500 0,4 0,6 2000 0,6 0,9 2500 0,8 1,2 3500 1,0 1,5 4500 1,2 1,8

K i n d e r u. Jugendliche über 12 J a h r e Mädchen 13—15 Jahre . . 16—20 Jahre . . Knaben 13—15 Jahre . . 16—20 Jahre . .

1.3 15 1,0 15 1.4 15 1,4 15

5000 1,4 5000 1,2 5000 1,9 6000 2,3

1

2800 2400 3200 3800

80 75 85 100

) Hängt stark von der Lebensweise (Sonnenbestrahlung) ab.

53»

4 6 8 10 12

30 35 50 60 75

2,0 14 80 1,8 12 80 2,4 16 90 3,0 20 100

400—800 400—800

400—800

836

Der Nahrungsbedarf

und liefert auch verschiedene wasserlösliche Vitamine nicht in genügenden Mengen. Sie muß daher noch durch andere Nahrungsmittel ergänzt werden, welche die mangelnden Stoffe zuführen. Dies sind vor allem Milch, Eier, frische Gemüse und Früchte. Man hat diese zusätzlichen Nahrungsmittel, die nicht in erster Linie wegen ihres Brennwertes, sondern wegen ihres Gehalts an Mineralstoffen und Vitaminen wertvoll sind, als „protective foods" bezeichnet (McCollum). Milch und Eier liefern außerdem bei fleischarmer Ernährung einen wichtigen Beitrag zu den essentiellen Aminosäuren. Über die Bedeutung der „protective foods" sind vor allem von Sherman und Mitarbeitern (an der Columbia University) ausgedehnte, sorgfältige Untersuchungen angestellt worden. Als Versuchstier wurde die weiße Ratte verwendet, deren Ansprüche an die Ernährung, wie sich in zahlreichen Versuchen immer wieder gezeigt hat, denjenigen des Menschen sehr nahe kommen. (Ausnahmen sind der Bedarf des Menschen an Vitamin C und ein höherer Bedarf an Nicotinsäure.) Die Versuche wurden über mehrere Generationen von Batten fortgesetzt; beobachtet wurden das Wachstum, der Eintritt der Geschlechtsreife, die Fortpflanzungsfähigkeit, Zahl und Entwicklung der Nachkommenschaft, der Eintritt der Senilität, die Lebensdauer. Eine Mischung von Weizenschrot und Trockenmilch im Verhältnis 5:1 erwies sich als genügende Nahrung. Die Tiere entwickelten sich mit diesem Futter während mehrerer Generationen in völlig normaler Weise. Es genügt also sicher allen physiologischen Bedürfnissen der Ratte. Dagegen ist dieses Mischungsverhältnis von Grundnahrung (Weizen) und „protective food" (Milch) noch nicht optimal, denn bei Erhöhung des Zusatzes von Trockenmilch trat eine deutliche Verbesserung ein, die sich in einer beschleunigten Entwicklung, größerer Vitalität der erwachsenen Tiere und einer Zunahme der durchschnittlichen Lebensdauer äußerte. Für die Wirkung des Milchzusatzes ist teilweise die vermehrte Ca-Zufuhr verantwortlich, denn auch eine entsprechende Zulage von Ca allein zeigte ein ähnliches Resultat. Ebenso konnte die Diät durch steigende Mengen von Lactoflavin weiter verbessert werden1).

Eine wesentliche, aus diesen Versuchen fließende Erkenntnis besteht darin, daß eine für den normalen Lebenslauf und die Fortpflanzung genügende Diät durch Zulage von „protective foods" oder einzelner Bestandteile derselben noch weiter verbessert werden kann; die Verbesserung besteht darin, daß Entwicklung, Größe, Fortpflanzungsfahigkeit, Lebensdauer gegenüber den Kontrollen gesteigert werden. Daraus lassen sich auch für die menschliche Ernährung wichtige Konsequenzen ziehen. Die Grundlage jeder Nahrung muß natürlich eine kalorisch und in bezug auf das Eiweiß genügende tägliche Ration sein. Eine solche Nahrung wird, auch wenn sie dem normalen Ablauf aller Lebensvorgänge völlig genügt und keinerlei Mangelerscheinungen manifest werden läßt, in sehr vielen Fällen noch wesentlich verbessert werden können, wenn der Anteil an „protective foods" — Milch, Gemüse, Früchte — eventuell auch an tierischen Proteinen — Fleisch, Eier — erhöht wird. Es ist sicher, daß eine solche Zulage sich auf das Wachstum der Kinder, die Leistungsfähigkeit, die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, bei der Frau auf die Entwicklung des Kindes während der Gravidität usw. günstig auswirken wird. Das Ziel muß also sein, dem Menschen eine Nahrung zu verschaffen, die neben den Cerealien und Kartoffeln genügende Mengen von tierischem Eiweiß und „protective foods" liefert. Die aus dieser Einsicht entspringenden Probleme sind im wesentlichen wirtschaftlicher Natur. Tierisches Eiweiß, Milch und Milchprodukte, frische Gemüse und Früchte sind, bezogen auf die Einheit der Kalorie, wesentlich teurer als die Massennahrungsmittel Kartoffeln und Getreide; es besteht daher die Gefahr, daß sie in der Nahrung der wenig bemittelten Schichten nur in ungenügender Menge vertreten sind. ') Zusammenfassung und Literatur in Sherman : The science of nutrition. New York 1945.

Die Nahrungsmittel

837

Tatsächlich lebt heute wahrscheinlich der größere Teil der Erdbevölkerung von Rationen, die weit von der optimalen Zusammensetzung entfernt sind und auch kalorisch in vielen Fällen nahe dem absoluten Minimum liegen. Der geringe Nahrungsverbrauch und die einseitige Ernährungsweise bei vielen Völkern des Orients (Indien, China) braucht keineswegs der Ausdruck eines geringen Bedarfs zu sein, sondern bedeutet vielfach, daß diese Völker in einem Zustand suboptimaler Ernährung, wenn nicht Unterernährung leben. Die große Anpassungsfähigkeit des Organismus gestattet dem Menschen, auch unter suboptimalen Bedingungen zu leben. J e weiter aber die Nahrung nach Zusammensetzung und Menge vom Optimum abweicht, desto häufiger werden Störungen auftreten. Sie werden sich, wenn die Nahrung den minimalen Anforderungen des Körpers gerade noch genügt, zunächst in unbestimmten Symptomen, verminderter Leistungsfähigkeit, geringerer Widerstandsfähigkeit gegen Krankheit usw., äußern, bis sich schließlich eigentliche Mangelerscheinungen einstellen, wenn die Zufuhr essentieller Faktoren (Aminosäuren, Vitamine, Mineralstoffe) oder der kalorische Wert der Nahrung ungenügend wird. Auch ohne daß kalorienmäßig ein eigentlicher Hungerzustand besteht, kann doch der Mangel an Eiweiß und „protective foods" die Leistungsfähigkeit und den Gesundheitszustand einer Bevölkerung stark beeinträchtigen. Es ist sicher, daß in den Kulturstaaten die bessere Ernährung breiter Bevölkerungsschichten großen Anteil an der starken Erhöhung der mittleren Lebenserwartung hat, die im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte in Erscheinung getreten ist.

3. Die Nahrungsmittel Wir geben in diesem Abschnitt eine Übersicht über die wichtigsten Gruppen der Nahrungsmittel. Die tierischen und pflanzlichen Produkte, die unsere Nahrung darstellen, sind komplizierte Gemische verschiedenartiger Stoffe. Es gibt kein Nahrungsmittel, welches für sich allein den Bedarf des Menschen an Nährstoffen, Mineralstoffen und Vitaminen auf die Dauer völlig zu decken vermöchte. Eine optimale Nahrung wird sich daher stets aus verschiedenen Nahrungsmitteln zusammensetzen, die sich gegenseitig ergänzen. Wir schicken der Besprechung der einzelnen Gruppen von Nahrungsmitteln noch einige allgemeine Bemerkungen voraus. Die pflanzlichen Nahrungsmittel enthalten immer einen gewissen Teil nicht verwertbarer Stoffe, deren Gesamtheit in der Lebensmittelchemie als Bohfaser bezeichnet wird. Es sind dies Cellulose, Hemicellulose, Pentosane, Lignin und ähnliche Stoffe. Die Nährstoffe der Pflanzenzelle sind immer von Cellulosemembranen umschlossen und werden erst nach deren Eröffnung zugänglich. Dies geschieht entweder bei der Vorbereitung der Speisen, beim Kochen oder im Darm durch Einwirkung der Mikroorganismen (siehe Abschnitt Verdauimg). Ein gewisser Teil der pflanzlichen Nährstoffe entgeht aber stets der Verwertung. Der Ausnutzungsgrad hängt stark von der Beschaffenheit der pflanzlichen Gewebe, der Dicke der Cellulosemembranen usw. ab. Die folgende Tabelle illustriert die verminderte Ausnutzbarkeit der Pflanzennahrung gegenüber der tierischen Nahrung (nach v. No orden):

838

Der Nahrungsbedarf Verlust durch den Kot N-Substanz Fett Kohlenhydrat Animalische Kost Gemischte, halb animalische, halb pflanzliche Kost . . . Pflanzliche Kost

3%

4%

2%

15% 2ß%

8% 30%

5% 8%

Die unverdaulichen pflanzlichen Gewebsteile bewirken eine bedeutende Vergrößerung der Kotmasse bei vegetabilischer Ernährung.

Die gleiche Tabelle zeigt, daß auch bei tierischen Nahrungsmitteln ein kleiner Teil der Nährstoffe der Absorption entgeht. Dafür sind verschiedene Faktoren verantwortlich. Eine große Rolle spielt die mechanische Zerkleinerung der Nahrung beim Kauen. Bindegewebe, das besonders in drüsigen Organen (Leber, Niere, Thymus usw.) vorkommt, wird, wenn es nicht fein zerkleinert ist, von den Verdauungssäften nur langsam angegriffen. Auch die Zubereitungsart der Nahrungsmittel ist wichtig; Backen in Fett erschwert im allgemeinen die Verdauung, weil die umhüllende Fettschicht den Zutritt der Verdauungsfermente erschwert und erst aufgelöst werden muß. Fettsäuren können dadurch verlorengehen, daß sie als unlösliche Kalkseifen gefällt werden. In vielen Fällen ist also nicht die gesamte, durch die chemische Analyse angezeigte Menge der Nährstoffe für den Organismus zugänglich und verwertbar. Dies gilt besonders auch für gewisse Mineralstoffe. Z. B. kann das Calcium der Pflanzennahrung nicht vollständig ausgenutzt werden, weil es in die unlöslichen Cellulosemembranen eingeschlossen ist. Auch vom Eisen ist immer nur ein Teil zugänglich. Hämoglobin- oder Hämatineisen z. B., wie es sich in tierischen Geweben findet, ist nur zum kleinen Teil verwertbar, weil es in Form sehr stabiler Komplexe vorhanden ist. Man bezeichnet das Verhältnis der im Darm absorbierten Nährstoffe zur Gesamtmenge der mit der Nahrung aufgenommenen Nährstoffe als A u s n u t z u n g s k o e f f i zient. Bei der Bewertung eines Nahrungsmittels sind die folgenden Eigenschaften zu berücksichtigen: Zusammensetzung (Gehalt an Kohlenhydrat, Fett, Protein), kalorischer Wert, Natur der Proteine (Gehalt an essentiellen Aminosäuren), Natur der Fette (Gehalt an ungesättigten Fettsäuren), Mineralstoffgehalt, Vitamingehalt und Ausnutzbarkeit (Gehalt an Rohfaser, Verdaulichkeit der einzelnen Bestandteile). Einer besonderen Erwähnung bedarf noch der Einfluß der verschiedenen Nahrungsmittel auf den Säure- und Basenhaushalt des Körpers. Bei der Oxydation von Salzen organischer Säuren (Citronensäure, Äpfelsäure usw.) bleibt ein Überschuß von Kationen bestehen, die vom Organismus neutralisiert und ausgeschieden werden müssen. Andererseits wird der Schwefel der Proteine zu Schwefelsäure oxydiert, welche ebenfalls neutralisiert und ausgeschieden werden muß. Im allgemeinen sind aber die bei der Oxydation der Nahrung frei werdenden starken Basen und Säuren einander nicht äquivalent, sondern es bleibt ein Überschuß der einen oder anderen. Daher stellt jede Nahrung eine Belastung des Säure- und Basenhaushaltes dar. Wir haben früher schon besprochen, auf welche Weise der Organismus den Überschuß der sauren oder basischen Äquivalente eliminiert und das Säure-Basen-Gleichgewicht aufrechterhält (S. 554 u. ff.). Im allgemeinen produziert vegetabilische Nahrung

Die Nahrungsmittel

839

einen Überschuß von Basen, animalische Nahrung einen Überschuß von Säuren. Die folgende Tabelle zeigt einige typische Beispiele:

Nahrungsmittel (roh)

Überschuß von S Luren oder Basen in ccm n/10 AI tali oder Säure pro 100 g des £Nahrungsmittels SäureBasenüberschuß Überschuß 27 36

Milch Käse Fleisch Eier Eiklar Eigelb Brot Reis Kartoffeln Kohl Bohnen (getrocknet) Erbsen (getrocknet) Äpfel Zitronen, Orangen

170—200 160 60 330 10—50 76

100 20—50 200—300 12 30 40

Pflanzennahrung ist im allgemeinen reicher an K als tierische Nahrung. Dieser Umstand ist, wie wir gesehen haben (S. 653), sehr wichtig für die Erklärung des Kochsalzbedarfs bei vorwiegend vegetabilischer Nahrung. Der K-Gehalt der Nahrung muß z. B. bei der Ernährung der Addison-Kranken berücksichtigt werden, welche außerordentlich empfindlich gegen K sind. Folgende Tabelle gibt einige Beispiele: Nahrungsmittel (roh) Milch Käse 1 ) Fleisch Eier Eiklar Eigelb

K Na mÄqu./lOO g mÄqu./100g 4,1 3 8,6 3,5 3,8 3,2

2,2 (25—50) 3 5,9 8,3 2,2

K : Na 1,9 2,9 0,6 0,46 1,4

') Stark schwankend, je nach Sorte (mehr oder weniger gesalzen). Auch beim Brot (untenstehend) rührt der hohe Na-Gehalt vom Salz her (vgl. mit Mehl!). Nahrungsmittel (roh) Brot Weizenmehl (85% ausgemahlen) . Reis Kartoffeln (roh) Kartoffeln (gekocht) Kohl Bohnen (roh) Bohnen (gekocht) Äpfel

Na K mÄqu./lOO g mÄqu./lOOg 4,2 6,5 2,9 14,6 8,3 7,7 44 10 3

(16) 0,3 0,3 0,3 0,15 1,4 2,7 0,7 0,12

K:Na

23 11 52 55 5,5 16 14 26

840

Der Nahrungsbedarf

Beim Kochen wird im allgemeinen ein beträchtlicher Teil der Mineralstoffe, insbesondere K + und N a + , ausgezogen und geht, wenn die Brühe abgegossen wird, verloren (vgl. Kartoffeln, roh und gekocht, Bohnen, roh und gekocht). Die Zahl der einzelnen, als Nahrungsmittel verwertbaren tierischen und pflanzlichen Produkte ist sehr groß. Sie lassen sich aber für praktische Zwecke in eine beschränkte Zahl von Gruppen zusammenfassen, von denen jede durch besondere Eigenschaften charakterisiert ist. Die hauptsächlichsten Gruppen sind die folgenden: 1. Milch und Milchprodukte (Rahm, Käse); 2. Fleisch, Geflügel, Fisch, innere Organe (wie Leber und Niere), Schalentiere, Eier; 3. Nahrungsfette: Butter, tierische und pflanzliche Fette; 4. Cerealien: Brot, Teigwaren, Reis, usw.; 5. Zucker, Süßigkeiten; 6. Kartoffeln; Karotten und andere Wurzelgemüse; 7. Blattgemüse (Kohlarten), Salat, Stengelgemüse; 8. Leguminosen: Bohnen, Erbsen, Soja; 9. Früchte. Die wichtigsten Eigenschaften dieser verschiedenen Gruppen von Nahrungsmitteln sollen im folgenden kurz besprochen werden. A. Milch und Milehprodnkte

Die Besonderheit der Milch besteht darin, daß sie für einen bestimmten Lebensabschnitt, nämlich die ersten Lebenswochen oder -monate, je nach der Tierart, eine in jeder Hinsicht genügende Nahrung darstellt. Sie muß also alle nötigen Nährstoffe, Mineralstoffe und Vitamine in genügender Menge und im richtigen Verhältnis enthalten. Allerdings ist die wesentliche Voraussetzung für einen genügenden Vitamingehalt eine genügende Versorgung der Mutter mit Vitaminen. Der Gehalt an den übrigen Bestandteilen: Fett, Kohlenhydrat, Protein, Calcium, Phosphat, ist wenig von der Ernährung der Mutter abhängig. Die organischen Stoffe werden in der lactierenden Drüse selbst produziert. Der Milchdrüse kommt, was die Lieferung der Baustoffe anbelangt, die unbedingte Priorität gegenüber den übrigen Geweben zu, d. h. die Bildung der Milch erfolgt auf Kosten der mütterlichen Gewebe, wenn die Ernährung der Mutter ungenügend ist. Das Calcium wird bei mangelhafter Zufuhr dem Skelett der Mutter entnommen, welches auf diese Weise einen beträchtlichen Teil seines Mineralstoffgehalts einbüßen kann. Die Milch ist nur in einer Hinsicht ungenügend: sie enthält nur sehr wenig Eisen und andere Schwermetalle (Spurelemente wie Cu und Mn). Wenn Tiere über die physiologische Lactationsperiode hinaus ausschließlich mit Milch ernährt werden, stellen sich Mangelerscheinungen ein, die durch Zulage von Eisen und Kupfer geheilt werden können (vgl. S. 602). Dieser Defekt der Milch hat aber praktisch keine große Bedeutung, weil das Neugeborene einen genügenden Vorrat an Eisen und anderen Schwermetallen in seinen Geweben, besonders in der Leber, mitbringt.

Für die europäischen Länder spielt die Kuhmilch als Nahrungsmittel die Hauptrolle, daneben wird (vor allem in ländlichen Gegenden) für den Hausgebrauch noch Ziegenmilch verwendet. In außereuropäischen Ländern wird auch die Milch anderer Tierarten (Stute, Yak, Kamel) genossen. Die Milch der einzelnen Tierarten weist beträchtliche Verschiedenheiten der Zusammensetzung auf. Eiweißkörper. Das wichtigste Protein der Milch ist das Casein (auch Caseinogen genannt; in diesem Falle wird der bei Labzusatz ausfallende Körper als Casein be-

Milch und Milchprodukte

841

zeichnet). Casein fallt bei schwachem Ansäuern der Milch aus (das isoelektrische Casein ist unlöslich), wird aber durch Hitze nicht koaguliert. Über die Labgerinnung siehe S. 193. Casein ist kein einheitliches Protein, sondern setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Nach Ausfällen des Caseins bleibt in der Lösung das Lactoglobulin zurück. Als sog. /j-Lactoglobulin läßt es sich kristallisiert darstellen. Die Milchproteine enthalten alle essentiellen Aminosäuren in genügender Menge. Die folgende Zusammenstellung zeigt den Gehalt der gemischten Milchproteine (Kuhmilch) an den essentiellen und einigen anderen Aminosäuren (nach B l o c k und Bölling). Der Unterschied zwischen Kuh- und Frauenmilch ist sehr gering. Die Zahlen geben einen Anhaltspunkt für die Berechnung des Bedarfs des jungen Tieres und Säuglings (Angaben in Gramm pro 100 g Protein): Valin 8,4%, Leucin 10,6%, Isoleucin 8,5%, Threonin 4,5%, Methionin 3,7%, Cystin 0,7%, Phenylalanin 5,7%, Tyrosin 6,4%, Tryptophan 1,4%, Lysin 6,6%, Histidin 2,6%, Arginin 3,8%. Das Milehlett ist in Form mikroskopischer Kügelchen (sog. Milehkügelchen) in der Flüssigkeit (Milchplasma) suspendiert. Wahrscheinlich sind dieselben von einer eiweißartigen Hülle umgeben. Dem Neutralfett ist eine kleine Menge von Phosphatiden beigemischt. Ferner finden sich im Milchfett gelöst die fettlöslichen Vitamine und Provitamine (A und D). Charakteristisch für das Milchfett ist sein hoher Gehalt an niedrigen Fettsäuren (Buttersäure und Capronsäure). Es ist auch reich an Ölsäure (Zusammensetzung siehe S. 843). Milchfett gilt als das bekömmlichste Nahrungsfett. Als Kohlenhydrat enthält die Milch die Lactose. Die wasserlöslichen Vitamine sind im Milchplasma gelöst. Die Zusammensetzung der Vollmilch ist aus folgenden Zahlen ersichtlich: Wasser 87%, Proteine 3,3%, Fett 3,7%, Kohlenhydrat 4,8%; Ca 120 mg%, P 95 mg%, Na 50mg%, K 160 mg%, Mg 14 mg%, Fe 0,08 mg%, Cu 0,02 mg%, C1 98mg%. Ziegenmilch hat eine ähnliche Zusammensetzung wie die Kuhmilch. Sie ist im Durchschnitt etwas fettreicher. 100 g Vollmilch liefern etwa 66 Cal. Neben den angeführten Hauptbestandteilen enthält die Milch noch kleine Mengen stickstoffhaltiger Verbindungen. Es sind im großen und ganzen dieselben, die im Blutplasma vorkommen (Harnstoff, Kreatin, Kreatinin, Aminosäuren, Harnsäure usw.). Nicht-Eiweiß-N etwa 20—40 mg%. Auch Citrat ist nachgewiesen worden. Die Milch enthält verschiedene Fermente. Praktische Bedeutung hat das sog. Schardingersche Enzym, die Xanthinoxydase (zur Gruppe der Flavinfermente gehörend, vgl. S. 475). Es reduziert in Gegenwart von Formaldehyd oder Acetaldehyd Methylenblau. Die Reaktion wird praktisch verwendet um nachzuweisen, ob die Milch frisch ist. Das erste Sekret der Milchdrüse bei Einsetzen der Lactation, das Colostrum, ist bedeutend reicher an festen Stoffen als die spätere Milch. Es enthält viele zellige Elemente und gerinnt beim Kochen, im Gegensatz zur Milch, weil es mehr koagulables Eiweiß enthält (Zusammensetzung des Colostrums: Wasser 75%, Casein 4%, Albumin + Globulin 13,6%, Fett 3,6%, Zucker 2,7%, Salze 1,6%). Da die Kuhmilch auch für die Säuglingsernährung verwendet wird (bei teilweiser oder totaler Stillunfahigkeit der Mutter), ist der Unterschied zwischen der Zusammensetzung der Kuhmilch und der Frauenmilch von Bedeutung. Die letztere ist ärmer an Protein, etwas reicher an Milchzucker und enthält viel weniger (etwa Ys)

842

Der Nahrungsbedarf

Ca und Phosphat als die erstere (Proteine 1,2—1,5%, Fett 3,5%, Lactose 6—7°/0, Asche 0,2% statt 0,8% der Kuhmilch). Über den sog. Bifidus-Faktor der Frauenmilch vgl. S. 40. Auf die Bedeutung der Milch als „protective food" wurde oben hingewiesen. Milch und Milchprodukte liefern einen beträchtlichen Teil des Calciums der Nahrung. (Nach Statistiken aus den USA., wo allerdings der Milchkonsum sehr hoch ist, entstammen 64% des Ca der Milch 1) Ebenso sind Milch und Käse wichtig als Lieferanten zusätzlicher Mengen von essentiellen Aminosäuren bei vorwiegend vegetabilischer Nahrung. Milch ergänzt insbesondere die Kartoffel in ausgezeichneter Weise, da sie gerade diejenigen Faktoren zuführt, welche der Kartoffel fehlen. Der Käse enthält im wesentlichen das Casein, das Fett, das Ca und den P der Milch. Bei der Labung der Milch werden vom ausfallenden Casein die Fettkügelchen und das Ca-Phosphat mitgerissen. Die ausgefallene Masse macht einen langen Reifungsprozeß durch, welcher im wesentlichen durch Mikroorganismen bewirkt wird und zum teilweisen Abbau des Caseins führt. Harte Käse enthalten nur wenig, weiche Käsesorten größere Mengen freier Aminosäuren. Auch das Fett wird teilweise hydrolysiert (Geruch nach flüchtigen Fettsäuren!). Die Unterschiede der verschiedenen Käsesorten sind einerseits durch den Fettgehalt der Milch, andererseits durch die Art der Zubereitung, Dauer des Reifungsprozesses usw. bedingt. Zusammensetzung (Emmentaler Käse): Wasser 34%, Stickstoffsubstanz (als Protein berechnet) 30%, Fett 30%, Asche 5%, Kohlenhydrat nur Spuren, Ca 0,5—1,2%, P 0,3—0,7%; Brennwert pro 100 g: 400—450 Cal. Daneben enthält Käse noch gewisse Vitamine, besonders Lactoflavin und (fette Käsesorten) Vitamin A. Rahm kann als Milch mit hohem Fettgehalt betrachtet werden 1 ). B. Fleisch

Das Fleisch setzt sich zusammen aus den Muskelfasern, dem Bindegewebe und dem Fettgewebe. Es ist durch seinen Gehalt an biologisch hochwertigen Proteinen ausgezeichnet und stellt bei gemischter Kost den hauptsächlichsten Eiweißträger der Nahrung dar. Ca ist nur wenig vorhanden, dagegen viel Phosphat und verschiedene wasserlösliche Vitamine in ziemlich großer Menge (Nicotinsäureamid, Lactoflavin, Aneurin, Pantothensäure, auch etwas Vitamin C). Außerdem enthält das Fleisch reichlich E x t r a k t i v s t o f f e ; darunter versteht man wasserlösliche, niedrigmolekulare Verbindungen, sowohl stickstoffhaltige wie das Kreatin als auch stickstofffreie wie Milchsäure. Das Glycogen des Muskels wird während des Lagerns zum größten Teil in Milchsäure verwandelt. Die Zusammensetzung des Fleisches variiert hauptsächlich mit dem Fettgehalt; Beispiele: Rindfleisch, mager: Wasser 75%, N-Substanzen (als Protein berechnet) 20%, Fett 3%, Asche 1%; Brennwert: 110 Cal./lOO g. Schweinefleisch, fett: Wasser 45%, N-Substanz 13%, F e t t 41%, Asche 0,7%; Brennwert: 436 Cal./lOO g. Leber und Niere haben ungefähr dieselbe Zusammensetzung wie mageres Fleisch (z. B. Leber, roh: Wasser 73%, Protein 16,5%, Fett 8%). Diese Organe sind reich an Vitaminen der B-Gruppe. *) Ausführliche Zusammenfassung der Biochemie der Milch vgl. z. B. L i n t z e l , in F l a s c h e n t r ä g e r . L e h n a r t z , Physiologische Chemie, Bd. II, 2. Teil, Bandteil b, S. 326. Berlin, Göttingen und Heidelberg 1957.

843

Nahrungsfette

Fisch hat ungefähr die gleiche Zusammensetzung wie Fleisch. Der Fettgehalt schwankt je nach der Art der Fische. Eier: Eiklar und Dotter haben eine sehr verschiedene Zusammensetzung. Wertvoll ist der hohe Gehalt an biologisch hochwertigem Protein. Das Eigelb ist reich an Vitaminen der B-Gruppe (besonders hoher Gehalt an Adermin). Ca ist im Eigelb etwa in gleicher Konzentration vorhanden wie in der Milch, Phosphat in bedeutend größerer Menge. Auch der Eisengehalt des Eigelbs ist ziemlich hoch (6 mg%). Zusammensetzung, a) Gesamtei: Wasser 73%, Protein 12%, Fett 12%, kein Kohlenhydrat, Ca 56 mg%, P 218 mg%; b) E i k l a r : Wasser 88%, Protein 9%, Fett Spuren, Ca 5 mg%, P 33 mg%; c) E i g e l b : Wasser 51%, Protein 16%, Fett 30%, Ca 131 mg%, P 495 mg%. Der Brennwert des Gesamteies beträgt 163 Cal./lOO g. Ein Hühnerei wiegt im Durchschnitt etwa 50 g. C. Nahrangslette

Als solche werden die Butter und verschiedene tierische und pflanzliche Fettarten verwendet. Die ersteren werden aus dem Fettgewebe der Tiere, die letzteren hauptsächlich aus Samen und Früchten gewonnen. Eine wichtige Bedingung für die Verwendung eines Fetts als Speisefett ist ein genügend niedriger Schmelzpunkt. Das Fett soll bei Körpertemperatur flüssig bleiben. Die untenstehende Tabelle zeigt die Art und Menge der in einigen typischen Fettarten vorkommenden Fettsäuren. Säuren, die nur in kleiner Menge ( < 1%) vorkommen, sind weggelassen (nach Hilditch). Butter enthält neben den Triglyceriden noch ziemlich hohe Mengen von Phosphatiden (bis 1,4%). Daneben sind in den natürlichen Fetten stets auch kleine Mengen von Sterinen (Cholesterine, Phytosterine) enthalten. Die Zusammensetzung der Fette ist nicht absolut konstant, sondern hängt von der Ernährung der Tiere, von der Lokalisation im Körper und anderen Faktoren ab. Die Gelbfärbung der meisten natürlichen Fette beruht auf ihrem Gehalt an Carotinfarbstoffen. Sohweinefett Bindertalg Butterfett Gewiohts% Gewiohts% Gewichts% Mol%

Fettsäuren Buttersäure . Capronsäure . Caprylsäure . Caprinsäure . Laurinsäure . Myristinsäure Palmitinsäure Stearinsäure .

. . . . . . . .

. . . . . . . .

• c4 • c, . C8 • C l0 • Cu • C14 • C„ • C„

Palmitoleinsäure . • c , . Ölsäure • 0» Linolsäure . . . . Linolensäure . . . • Cis

3,7 2,0 1,0 2,6 1,7 9,3

9,8 4,1 1,6 3,5 2,0 9,6

26,4

23,4

0,8 26 12

32,4

5,0

4,6 27,0

48

4,0

3,3

10,7

8,9

2,0 7,8

6 27

14

60 2,5

Olivenöl Gewiohts%

1,1 9,7 1,0

80 7,5

Die Depot- und Leberfette der marinen Tiere (Fische und Säugetiere; unter den letzteren ist besonders der Wal von großer Bedeutung) sind durch ihren hohen

844

Der Nahrungsbedarf

Gehalt an ungesättigten Säuren gekennzeichnet sowie durch ihren außerordentlich hohen Gehalt an den Vitaminen A und D. Als Nahrungsfett kommen sie außerhalb der Länder der Polarzone erst nach Hydrierung zur Verwendung. Ein großer Teil der in den Handel gelangenden Nahrungsfette (besonders der vegetabilischen Fette) wird einer R a f f i n a t i o n unterzogen. Dadurch werden den natürlichen Fetten gewisse Beimengungen entzogen, welche sich auf Geschmack und Haltbarkeit ungünstig auswirken, und es können auch ungenießbare öle in geschmacklich einwandfreie, für die menschliche Ernährung verwendbare Stoffe übergeführt werden. Eine große Rolle bei der industriellen Herstellung von Nahrungsfetten spielt die katalytische Hydrierung (Härtung) der Fette. Die ungesättigten Fettsäuren werden dabei in gesättigte übergeführt, der Schmelzpunkt steigt. Die Härtung hat teilweise den gleichen Zweck wie die Raffination, nämlich natürlich vorkommende öle der menschlichen Ernährung zuzuführen. Teilweise wird sie aber auch auf qualitativ hochwertige öle angewandt, um dieselben in feste Form zu bringen, weil in vielen Ländern die festen Fette als Kochfette bevorzugt werden. Wenn die Hydrierung auch in gewissen Fällen nötig ist, so muß sie doch physiologisch als unerwünscht betrachtet werden, weil dadurch die essentiellen Fettsäuren in die entsprechenden gesättigten Säuren übergehen, die physiologisch unwirksam sind, und weil überhaupt die gesättigten höheren Fettsäuren schlechter absorbiert werden als die entsprechenden ungesättigten Säuren. Bei der Raffination und der Hydrierung werden die in den Fetten enthaltenen Vitamine vollständig zerstört. Es ist auch schon die Frage erörtert worden, ob nicht bei der Hydrierung, die bekanntlich bei hoher Temperatur und in Gegenwart von Metallkatalysatoren durchgeführt wird, z. B. durch Cyklisierung der C-Ketten, unerwünschte Produkte entstehen könnten. Tierversuche haben allerdings ergeben, daß hydrierte Fette auch während längerer Zeit verfüttert gut vertragen werden. Doch ist die Frage noch nicht völlig abgeklärt.

Auf alle Fälle ist erwünscht, daß die Nahrung neben den raffinierten und partiell hydrierten Speisefetten stets auch eine gewisse Menge natürlicher Fette, insbesondere Butter oder hochwertige pflanzliche Fettstoffe, enthält. Die erwähnten Fettstoffe haben naturgemäß einen sehr hohen Brennwert, Olivenöl z. B. etwa 930 Cal./lOO g, Butter etwa 800 Cal. (je nach Wassergehalt). Außer ihrem Nährwert haben die Fettstoffe in kochtechnischer und kulinarischer Hinsicht große Bedeutung. Viele Nahrungsmittel bedürfen zur schmackhaften Zubereitung eines Zusatzes von geeigneten Fetten; schlechte geschmackliche Qualitäten des Nahrungsfettes werden als abstoßend empfunden. Diesen Faktoren sollte bei der Zuteilung von Fettstoffen in Mangelzeiten wenn immer möglich Rechnung getragen werden, auch wenn sich kalorienmäßig die gewohnten Fette durch andere Stoffe ersetzen lassen. D. Cerealien

Brot ist für die westlichen Kulturvölker überhaupt der Inbegriff der Nahrung geworden (das tägliche Brot); diese Tatsache illustriert am besten die überragende Bedeutung des Brotgetreides für die menschliche Ernährung. Weitaus an erster Stelle steht in den Ländern der westlichen Hemisphäre der W e i z e n . In Ostasien wird er durch den Reis ersetzt. Für die Tierernährung spielt in vielen Ländern der Mais eine wichtige Rolle. Man nimmt an, daß für etwa die Hälfte der Erdbevölkerung Reis die Hauptnahrung bildet. Vor dem letzten Weltkrieg lieferte die Welternte etwa 560 Millionen Tonnen Getreidearten, davon 160 Millionen Tonnen Weizen (27%), 140 Millionen Tonnen Reis (25%), 120 Millionen Tonnen Mais (21%), 60 Millionen Tonnen Hafer (11%) und je etwa 45 Millionen Tonnen Gerste und Roggen.

Cerealien

846

Unter der Schale des Getreidekorns (die aus der verwachsenen Fruchthülle und Samenhaut besteht) liegt eine Schicht eiweißreicher Zellen ( A l e u r o n s c h i c h t , K l e b e r s c h i c h t ) . Die Hauptmasse des Korns bildet der M e h l k e r n (Endosperm), der die Hauptmenge der Reservestoffe in Form von Stärke und Eiweiß enthält. Am unteren Pol des Korns liegt der K e i m l i n g mit dem Scutellum. Beim Mahlprozeß werden der Keimling und die Samenschale mit der anliegenden Aleuronschicht mehr oder weniger entfernt. Sie fallen als K l e i e ab. Die wenig ausgemahlenen weißen Mehle enthalten nur die inneren Teile des Korns, das Endosperm; den höher ausgemahlenen dunklen Mehlen sind noch Teile der Aleuronschicht und der Samenschale beigemengt. Daher sind die weißen Mehle relativ reicher an Stärke, aber ärmer an Eiweiß und unverdaulichen Bestandteilen (Rohfaser). Die dunklen Mehle enthalten weniger Stärke, aber mehr Eiweiß, Mineralstoffe und Rohfaser. Die folgenden Zahlen zeigen den Unterschied zwischen einem Weißmehl und Vollmehl (das alle Bestandteile des Getreidekorns enthält), wobei die erste Zahl sich auf Weißmehl, die zweite auf Vollmehl bezieht: Wasser 13% bzw. 15%, Protein 10,7% bzw. 15,3% (!), Kohlenhydrat 80% bzw. 68%, Fett 0,9% bzw. 3,1%; Ca 18 mg% bzw. 34 mg%, Mg 23 mg% bzw. 127mg %, K144 mg% bzw. 376 mg%, Fe0,9 mg% bzw. 3,5 mg%, P 102 mg% bzw. 278mg%. Die Kleie und insbesondere der Keimling sind fettreich. Dies erklärt den höheren Fettgehalt des Vollmehls. Das Vollmehl ist viel reicher an Vitamin B 1( Vitamin B 2 und Niacin als das Weißmehl. Das Scutellum scheint das B^reichste Organ des Getreidekorns zu sein. Dagegen wird die Ca-Absorption im Darm durch den hohen Phytingehalt des dunklen Brots vermindert, weil das Phytin schwerlösliche Ca-Salze bildet.

Wesentlich für die Backfahigkeit des Weizenmehls sind die darin enthaltenen Proteine, welche das Gluten bilden. Das Gluten quillt beim Mischen des Mehls mit dem Wasser zu einer zähen plastischen Masse. Die Gärungskohlensäure bildet beim „Aufgehen" des Teigs zahlreiche Gasblasen, so daß eine Art Schaum entsteht. Beim Backen erstarrt daher die Masse zu einem lockeren Gefüge. Die große Verdaulichkeit und Bekömmlichkeit des Brots ist im wesentlichen seiner lockeren Struktur zu verdanken. Die Backfahigkeit des Weizenmehls und damit die überragende Bedeutting des Weizens als Brotgetreide beruht auf den günstigen Eigenschaften des Weizenglutens. Das Weizengluten setzt sich hauptsächlich aus zwei Proteinen zusammen, dem Gliadin und dem Glutenin. Das Gliadin gehört zu den sog. Prolaminen und ist durch seine Löslichkeit in 70% Alkohol vor allen anderen Proteinen ausgezeichnet. Glutenin dagegen ist nicht alkohollöslich. Die Proteine des Weizens enthalten nicht alle essentiellen Aminosäuren in völlig genügender Menge. Die Zusammensetzung des Glutens (nach B l o c k und B ö l l i n g ) ist die folgende (Gliadin siehe S. 111): V a l i n 3,0%, L e u c i n -f I s o l e u c i n 6,0%, T h r e o n i n 2,5%, M e t h i o n i n 3,3%, Cystin 1,9%, P h e n y l a l a n i n 2,0%, Tyrosin 4,2%, T r y p t o p h a n 1,1%, H i s t i d i n 2,4%, L y s i n 2,1%, Arginin 4,3%, Glutaminsäure 36%, Prolin 11%, Alanin 5,5% (gesperrt: essentielle Aminosäuren). Der Vergleich mit den oben mitgeteilten Zahlen über die Zusammensetzung der Milchproteine zeigt, daß fast alle essentiellen Aminosäuren im Weizengluten in wesentlich geringerer Menge vorhanden sind als in der Milch. Dafür macht die nicht essentielle Glutaminsäure zusammen mit Prolin und Alanin die Hälfte aller Aminosäuren aus. Es ist daher günstig, wenn Brot und Teigwaren in der gemischten Kost durch kleine Mengen hochwertiger Proteine aus Milch oder Fleisch ergänzt werden. Die Cerealien sind aber bei einer gemischten oder vorwiegend vegetabilischen Kost der hauptsächlichste Proteinträger.

846

Der Nahrungsbedarf

Z. B. liefert nach englischen Untersuchungen das Brot bei den Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen etwa 50% der gesamten Eiweißmenge, bei der höchsten Einkommensklasse (die mehr Fleisch und Milchprodukte verzehrt) immer noch 30%.

Dunkle Brotsorten sind auch ein -wichtiger Lieferant des Aneurins. Der Weizen wird im wesentlichen in Form von Brot und Teigwaren verwendet. Folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung: Weißbrot (70% Ausmahlung)

Wasser Protein Kohlenhydrat Fett

Ca P

Dunkles Brot (85% Ausmahlung)

% 32 . . . .

% 38

8 54 0,7 23 mg % 73 mg %

10 45 1,6 22 mg % 142 mg %

Makkaroni (trocken) % 10 12 77 2 26mg% 152mg %

100 g Brot liefern etwa 230 Cal., 100 g trockene Teigwaren etwa 350 Cal. E. Zucker und Süßigkeiten

An erster Stelle steht der Rohrzucker. Der raffinierte Zucker, wie er meist verwendet wird, stellt chemisch annähernd reine Saccharose dar. Da er vielen Speisen oder Getränken in ziemlicher Menge zugesetzt wird, spielt er als Nährstoff eine gewisse Rolle. (Er dürfte etwa 10% der gesamten Kohlenhydratzufuhr ausmachen, wobei je nach Ernährungsweise mit großen Unterschieden zu rechnen ist.) Brennwert 394 Cal./lOO g. Unter den Süßigkeiten, von denen der größte Teil ernährungsphysiologisch keine besondere Rolle spielt, sei hier nur die Schokolade erwähnt, da sie ein hochwertiges Nahrungsmittel darstellt. Zusammensetzung: M i l c h s c h o k o l a d e : Wasser 1%, Protein 7,4%, Fett 3 4 % , Kohlenhydrat 5 2 % ; g e w ö h n l i c h e S c h o k o l a d e : Wasser Spuren, Protein 4,6%, Fett 32%, Kohlenhydrat 59%. Brennwert 540 Cal./lOO g. F. Kartoffeln Die Kartoffel stellt in vielen Ländern neben dem Brot den Grundstock der Nahrung dar, zumal in ländlichen Bezirken. Sie ist im wesentlichen ein Kohlenhydratträger. Ihr Eiweißgehalt ist zwar gering; es handelt sich aber um biologisch hochwertige Proteine. Ohne diese besondere Qualität ihrer Proteine hätte die Kartoffel wahrscheinlich nicht die hohe Bedeutung als eigentliches Volksnahrungsmittel erlangen können, die ihr tatsächlich zukommt. Es ist fraglich, ob Europa im 19. Jahrhundert seine stark wachsende Bevölkerung ohne die Kartoffel hätte ernähren können. Zusammensetzung der rohen Kartoffel: Wasser 76%, Protein 2,1%, Kohlenhydrat 2 1 % ; Brennwert etwa 90 Cal./lOO g. Die Kartoffel enthält auch ziemliche Mengen gewisser Vitamine der B-Gruppe ( B „ B 2 , Niacin) und ebenso Vitamin C.

Leguminosen

847

Wir haben bereits oben darauf hingewiesen, daß die Kartoffel in ausgezeichneter Weise durch die Milch ergänzt wird. Nach A. E. Zeller decken 500 g Kartoffeln und 5 dl Milch zusammen etwa Vs des Bedarfs an Kalorien, an Kohlenhydrat, Fett, Eiweiß und an Vitamin B l , die Hälfte des Bedarfs an Phosphor und an Vitamin C, 2 / s des Bedarfs an Calcium und an Vitamin B a .

In den USA. wird heute neben der Kartoffel in ziemlicher Menge die sog. sweet potato oder Batate verwendet (Ipomoea Batatas), die botanisch mit der Kartoffel nichts zu tun hat. Verwendet werden die knollenartig als Speicherorgane ausgebildeten Seitenwurzeln. Die Batate enthält neben der Stärke 1—5% reduzierende Zucker. Sie ist ferner ziemlich reich an Vitamin A (Carotine). K a r o t t e n sind vor allem durch ihren hohen Gehalt an Carotin ausgezeichnet, enthalten aber im übrigen nur wenig Nährstoffe (Protein < 1%, Kohlenhydrat 3%). Sie können trotzdem wie viele andere Vegetabilien als Nahrungsbestandteil nützlich sein, weil sie dank ihrem Rohfasergehalt anregend auf die Darmtätigkeit wirken. 6. Blattgemüse

Die verschiedenen Kohlarten, Salate, Stengelgemüse usw. zeichnen sich alle durch einen hohen Wassergehalt, geringen Gehalt an Nährstoffen und hohen Gehalt an unverdaulichen Bestandteilen aus. Sie bilden aber infolge ihres Gehalts an Carotinfarbstoffen eine ausgezeichnete Quelle für das Vitamin A. Ebenso enthalten sie reichliche Mengen Vitamin C und teilweise Aneurin und Lactoflavin (gewisse Kohlarten). Als Beispiel für die Zusammensetzung diene der Rotkohl: Wasser 90%, Protein 1,7%, Kohlenhydrat 3,5%, Ca 53 mg%, oder Kopfsalat: Wasser 95%, Protein 1%, Kohlenhydrat 1,8%, Ca 26 m g % ; Brennwert 10—20 Cal./lOO g. Der Gehalt an Rohfaser macht 10—15% des Trockengewichts aus. Dementsprechend ist auch die Ausnutzung der vorhandenen Nährstoffe stark herabgesetzt. Wie oben bereits erwähnt wurde, kann der Gehalt an Rohfaser auf die Darmmotilität einen günstigen Einfluß haben. Daneben ist diese Gruppe von Vegetabilien hauptsächlich wegen ihres Vitamingehalts von Bedeutung. H. Leguminosen

Bohnen, Erbsen und Linsen, die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe, enthalten viel Eiweiß. Sie sind die proteinreichsten vegetabilischen Nahrungsmittel, und es scheint auch, daß ihre Proteine ziemlich hochwertig sind. Die Zusammensetzung von Bohnen z. B. (trocken, ohne Hülsen) ist die folgende: Wasser 9%, Protein 19%, Fett Spuren, Kohlenhydrat 50%, Ca 85 mg%, P 318 m g % ; Brennwert 275 Cal./lOO g. Die Analysenzahlen zeigen, daß es sich um ein sehr hochwertiges Nahrungsmittel handelt, welches, abgesehen von einer geringen Minderwertigkeit der Proteine, das Fleisch zu ersetzen vermag. Die Leguminosen enthalten außerdem, besonders im frischen Zustand, gewisse Vitamine (Aneurin, Lactoflavin, auch etwas Ascorbinsäure). In den letzten Jahrzehnten hat die aus Ostasien stammende Sojabohne (Glycine hispida) als reiche Quelle von Nährstoffen große Bedeutung erlangt. In Deutschland hat sich zu Ende des vergangenen Jahrhunderts besonders F. H a b e r l a n d t für den Anbau der Soja eingesetzt. (Die Soja war eine Zeitlang als Haberlandt-Bohne bekannt.) Zwischen den beiden Weltkriegen haben die Sojakultur und die Industrien, die sich mit ihrer Verarbeitung befassen, einen gewaltigen Aufschwung genommen, und es stehen heute eine große Zahl verschiedener Sorten zur Verfügung. Ursprünglich wurde die Pflanze hauptsächlich wegen des hohen Fettgehalts der Samen angebaut. Die eiweißreichen Bückstände, die als Nebenprodukt der ölproduktion abfielen, wurden als Viehfutter verwendet. In neuerer Zeit ist man

848

Der Nahrungsbedarf

auf die hohe Qualität der Sojaproteine aufmerksam geworden, die heute sowohl für die Herstellung von Nahrungsmitteln (Sojamehl) als auch für industrielle Zwecke Verwendung finden. Die Sojabohne ist durch ihren hohen Gehalt an Fett und an hochwertigem Protein ausgezeichnet. Mittlere Zusammensetzung: Wasser 8%, Protein 40%, Fett 18%, Kohlenhydrat (Zucker und Polysaccharide) 12,6%, Asche 4,6%. Die Soja liefert pro Einheit Bodenfläche eine größere Menge Protein als irgendeine andere Pflanze. Die Sojabohne kann für die menschliche Ernährung nicht direkt verwendet werden, da die meisten Sorten bitter schmecken. Die Bitterstoffe müssen bei der Verarbeitung entfernt werden. Ein großer Teil der produzierten Sojaproteine wird als Futtermittel für Nutztiere verwendet und auf diese Weise der menschlichen Ernährung indirekt dienstbar gemacht. Das hauptsächlichste Protein der Sojabohne ist das Glycinin. Merkwürdigerweise erhält es seinen vollen biologischen Wert erst nach Erhitzen. Die nativen Sojaproteine haben nur einen geringen Nährwert. Es ist nicht abgeklärt, welcher Art die durch Hitze bewirkte Veränderung des Proteins ist. Da der biologische Wert der Sojaproteine durch Zulage von Cystin und Methionin wesentlich erhöht wird und da außerdem diese beiden Eiweißbausteine im Glycinin in verhältnismäßig geringer Menge vorhanden sind, nimmt man an, daß die S-haltigen Aminosäuren im nativen Protein aus irgendeinem Grunde nicht zugänglich sind, sondern erst durch die Denaturierung verwertbar gemacht werden. I. Früchte

Für die verschiedenen Früchte (Steinobst, Kernobst, Beeren usw.) gilt Ähnliches wie für die Blattgemüse. Sie sind wasserreich, enthalten viel Rohfaser und sind arm an Proteinen, können aber beträchtliche Mengen Kohlenhydrat in Form von löslichen Zuckern enthalten. Viele Früchte sind auch reich an verwertbaren organischen Säuren (Weinsäure, Äpfelsäure, Citronensäure usw.). Fett ist höchstens in Spuren vorhanden. Die Angaben in der folgenden Tabelle beziehen sich, wo nichts anderes bemerkt ist, auf die rohen ganzen Früchte (mit Kern oder Stein). Der Gehalt der meisten Früchte an den Vitaminen der B-Gruppe ist nicht sehr hoch. Die Citrusarten — Zitrone, Orange, Grapefruit — liefern dagegen sehr viel Vitamin C (Zitronen- und Orangensaft z. B. 50—60 mg/100 ccm). Auch die Tomate ist ziemlich reich an Vitamin C und enthält außerdem noch Carotin in beträchtlicher Menge. Waaser

Äpfel Birnen Pflaumen Kirschen Erdbeeren Bananen (Fleisch) Orangen (Fleisch) Tomaten

Protein

Kohlenhydrat

Ca mS%

%

%

%

84 80 78 71 97 71 86 93

0,3 0,3 0,6 0,5 0,6 1,1 0,8 0,9

9—12 10 9 10 6 19 8 3,8

3 7 10 14 22 7 41 13

Cal./100g

35—47 40 36 40 26 77 35 14

Es muß noch betont werden, daß der Wert vieler Nahrungsmittel nicht allein nach ihrer Zusammensetzung und ihren ernährungsphysiologischen Eigenschaften beurteilt werden kann. Jeder Speise kommt ein gewisser Genußwert zu, der nicht vernachlässigt werden darf und der vor allem dort eine große Rolle spielt, wo der natürliche Appetit fehlt, so bei vielen Kranken. Gerade die Früchte und auch viele Blattgemüse (Salate usw.) haben als Nahrungsbestandteile wegen ihrer besonderen Geschmacksqualitäten eine weit über ihren eigentlichen Nährwert hinausgehende Bedeutung.

Die allgemeine Bedeutung der Ernährungslehre

849

4. Die allgemeine Bedeutung der Ernährungslehre J e mehr sich die Kenntnis der verschiedenen Nahrungsfaktoren und ihrer speziellen Funktionen vertieft, desto deutlicher zeigt sich auch die große Bedeutung einer quantitativ und qualitativ genügenden Ernährung für die normale Entwicklung und den normalen Ablauf der Punktionen im tierischen Organismus. Mangel an irgendeinem essentiellen Nahrungsfaktor führt unweigerlich zu Schädigungen. Die Aufgabe der praktischen Ernährungswissenschaft besteht darin, für Mensch und Tier den Nahrungsbedarf unter den verschiedenen Lebensbedingungen festzustellen, damit derartige Schädigungen verhütet werden können. Der größte Fortschritt der Ernährungslehre in neuerer Zeit liegt wohl in der Erkenntnis, daß es „essentielle" organische Nahrungsfaktoren gibt, deren Fehlen durch keine Vergrößerung der Nahrungsmenge wettgemacht werden kann. Fehlt einer dieser Faktoren, so ist die Nahrung ungenügend, auch wenn sie kalorisch vollwertig ist. Aber auch der Überschuß gewisser Stoffe oder die ungeeignete Verteilung der Kalorien auf die einzelnen Energieträger kann ungünstig wirken. Das Nahrungsgemisch soll nicht nur die Nährstoffe und essentiellen Faktoren in genügender Menge enthalten, sondern es soll auch „ausbalanciert" sein, d . h . alle Stoffe in geeignetem Verhältnis enthalten. Im allgemeinen führen nur schwere Mängel der Ernährung, wie völlig ungenügende Nahrungsmenge, Unterschreitung des absoluten Eiweißminimums, völliges Fehlen eines Vitamins usw., zu akuten Schädigungen. An nicht zu große Abweichungen von der optimalen Menge und Zusammensetzung der Nahrung (eingeschränkte Kalorienzufuhr, suboptimale Eiweiß- oder VitaminVersorgung) kann sich der Körper mehr oder weniger anpassen. Die Erfahrungen während Mangelzeiten liefern dafür eindrückliche Beispiele. Andererseits aber muß immer mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß eine ungenügende oder ungeeignete Ernährung, auch wenn sie anscheinend gut ertragen wird, Störungen gewisser Funktionen hervorruft, welche zwar zunächst nicht manifest werden, die aber bei langer Dauer oder unter bestimmten Bedingungen doch zu Schädigungen führen können. Auf dem speziellen Gebiet der Vitamine hat man schon seit langem den Begriff der „Hypovitaminose" geprägt; darunter versteht man einen Zustand ungenügender Vitaminversorgung, welcher eintritt, wenn ein Vitamin zwar nicht völlig fehlt, aber doch in ungenügender Menge zugeführt wird. Unter diesen Umständen kommen die typischen Symptome der Avitaminose nicht zur Ausbildung, oder sie entwickeln sich nur langsam und in atypischer Weise. Objektiv ist ein solcher Zustand meistens nur schwer festzustellen, da die Mangelerscheinungen unbestimmt und unspezifisch sind (z. B. Wachstumsstörungen beim jungen Tier, verminderte Resistenz usw.). Das gleiche gilt nicht nur für die Vitamine, sondern auch für alle anderen Nahrungsfaktoren. Zwischen dem Mangelzustand, der rasch zu akuten Ausfallserscheinungen führt, und der optimalen Versorgung kann eine weite Spanne bestehen, innerhalb derer keine Mangelsymptome auftreten. Bei zu geringer Zufuhr irgendeines unentbehrlichen Nahrungsbestandteiles ist aber immer die Möglichkeit von subakut verlaufenden Störungen gegeben, die schließlich zu Krankheitsprozessen führen, sei es indirekt, indem sie die Resistenz des Organismus gegen besondere Beanspruchungen wie Infektionskrankheiten, starke körperliche Arbeit, Kälte usw. vermindern, sei es direkt durch Schädigung der Gewebe. Wenn von Schädigungen durch quantitativ oder qualitativ ungenügende Ernährung die Rede ist, so braucht man nicht nur an M a n g e l zustände irgendwelcher 61 L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15. Aufl.

850

Der Nahrungsbedarf

Art zu denken. Auch ein Überschuß von Nährstoffen oder bestimmten normalen Nahrungsbestandteilen kann unter Umständen schädlich wirken. Hier ist besonders die eigentliche Überernährung zu nennen, d. h. eine den Bedarf übersteigende Zufuhr von Nährstoffen, insbesondere von Fetten und Kohlenhydraten. Sie spielt bei den gutsituierten Bevölkerungsschichten als Ursache aller möglichen Gesundheitsstörungen sicher eine sehr viel größere Rolle als der gelegentliche Mangel einzelner Vitamine oder Mineralstoffe. Es ist eine alte ärztliche Erfahrung, daß übermäßige Nahrungszufuhr stets eine beträchtliche Belastung des Organismus darstellt und besonders im späteren Lebensalter begünstigend auf die Erkrankungen des Kreislaufsystems wirkt. Hierbei ist nicht nur an die mechanische Behinderung durch Fettansatz, sondern auch an mehr oder weniger spezifische Wirkung gewisser Nahrungsbestandteile oder ihrer Abbauprodukte zu denken. Man ist heute ganz allgemein geneigt, der Ernährung bei der Entstehung verschiedener Krankheiten große Bedeutung beizumessen, besonders bei gewissen chronischen Erkrankungen, für die sich zur Zeit andere Ursachen nicht angeben lassen. Hierher gehört z. B. die im späteren Lebensalter so außerordentlich häufige Atherosklerose. Da in den atherosklerotisch veränderten Geweben (Intima und Media der Arterien) Cholesterin eingelagert wird, hat man vermutet, daß eine große Zufuhr von Cholesterin die Entstehung der Krankheit begünstigt; doch ist diese Annahme nicht sicher bewiesen. Es handelt sich um ein sehr komplexes, der experimentellen Bearbeitung schwer zugängliches Problem. Viel besser gesichert ist der Zusammenhang zwischen Ernährung und Zahnkaries. Hier konnte das Auftreten der Krankheit bei vorher kariesfreier Bevölkerung im Anschluß an eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten direkt beobachtet werden. Eine gewisse Bolle scheint das Fluor zu spielen. Zufuhr von kleinen Mengen Fluor setzt die Anfälligkeit der Zähne für die Karies herab. Man hat einen Zusammenhang zwischen dem Fluorgehalt des Trinkwassers und der Häufigkeit der Zahnerkrankungen feststellen können. Wegen der großen praktischen Bedeutung der Kariesprophylaxe ist dieses Problem in vielen Ländern eingehend studiert worden ; eine völlige Abklärung ist indessen noch nicht erreicht worden.

Es ist möglich, daß unter bestimmten Bedingungen auch kurzdauernde Defekte der Nahrung, z. B. das Fehlen eines essentiellen Faktors, irreparable Schäden hervorrufen können. So sind z. B. nach Versuchen von Best junge Batten außerordentlich empfindlich gegen Cholinmangel (vgl. S. 366). Wenn das Cholin bei sonst vollwertiger Ernährung während wenigen Tagen aus der Nahrung weggelassen wird, treten schwere NierenschädigungeD auf. Nach erneuter Zulage von Cholin wachsen die Tiere zwar in normaler Weise weiter, entwickeln aber einen renalen Hochdruck (vgl. S. 619) mit schweren Schädigungen des Gefäßapparates. Offenbar hat der kurzdauernde Cholinmangel in den Gefäßwandungen so schwere Veränderungen hervorgerufen, daß es anschließend zu progressiven pathologischen Prozessen kommt.

Die Entwicklung der Ernährungslehre während der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, daß die Bedürfnisse des tierischen Organismus und dementsprechend auch seine Anforderungen an das „chemische Milieu" viel mannigfaltiger sind, als man früher anzunehmen geneigt war. Neben dem kalorischen Wert müssen eine ganze Reihe „essentieller" Faktoren berücksichtigt werden, Mineralstoffe und organische Verbindungen. Wenn auch viele Einzelheiten, insbesondere die gegenseitige Abhängigkeit einzelner Nahrungsfaktoren und der Bedarf unter besonderen Bedingungen, nur ungenügend bekannt sind, so haben wir doch eine sichere Basis für die Beurteilung des Nahrungsbedarfs und die zweckmäßige Verteilung der zur Verfügung stehenden Nährstoffe gewonnen. Die Ernährungslehre ist damit zu einer der wesentlichen Grundlagen der Sozialpolitik geworden und stellt, was ihre unmittelbare

Die allgemeine Bedeutung der Ernährungslehre

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praktische Bedeutung betrifft, wohl einen der wichtigsten Zweige der angewandten Biochemie dar. Wie wir in den vorangehenden Kapiteln gesehen haben, kann der Mangel einzelner essentieller Nahrungsfaktoren oder eine ungeeignete Zusammensetzung der Nahrung zu äußerst mannigfaltigen Störungen der physiologischen Funktion führen, die fast alle Organsysteme betreffen. Die Ernährungslehre hat daher auch für fast alle Zweige der Medizin eine viel größere und allgemeinere Bedeutung erlangt als früher, insbesondere auch für die präventive Medizin, die sich zum Ziel setzt, durch Verbesserung der Lebensbedingungen Krankheiten zu verhindern oder bessere Voraussetzungen für ihre Heilung zu schaffen. Vorsorge für eine qualitativ und quantitativ genügende, in ihrer Zusammensetzung wohl ausgeglichene Nahrung wird künftig immer eine wesentliche Maßnahme sowohl in der Individual- als auch der Gruppenmedizin darstellen.

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Bibliographische Hinweise Die wichtigsten Fachzeitschriften auf dem Gebiet der physiologischen Chemie, welche Originalarbeiten publizieren, sind die folgenden: Hoppe-Seylers Zeitschrift für physiologische Chemie Biochemische Zeitschrift The Biochemical Journal (Brit.) Journal of biological Chemistry (Am.) Archives of Biochemistry (Am.); ab Bd. 31 Archives of Biochemistry and Biophysics Biochimica et Biophysica Acta Bulletin de la Sociétó de Chimie biologique Biochemistry (ab 1962, Am.) Biokhimiya (Russ.) Außerdem erscheinen natürlich biochemische Arbeiten auch in den chemischen, physiologischen und medizinischen Fachzeitschriften, in Verhandlungsberichten von wissenschaftlichen Gesellschaften usw. Unter den chemischen Zeitschriften seien hier nur angeführt: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft Liebigs Annalen der Chemie Helvetica Chimica Acta Helvetica Physiologica et Pharmacologica Acta Journal of the Chemical Society, London Journal of the American Chemical Society Die gesamte biochemische Literatur wird in den folgenden Zeitschriften referiert: Chemisches Zentralblatt Berichte über die gesamte Physiologie und experimentelle Pharmakologie Chemical Abstracts (Am.) British Abstracts Diese Zeitschriften müssen zu Bate gezogen werden, wenn man eine bestimmte Arbeit oder die Arbeiten über einen bestimmten Gegenstand sucht. Sie sind mit ausführlichen Autoren- und Sachregistern versehen und bilden die Grundlage der wissenschaftlichen Dokumentation. Neben den allgemeinen Zeitschriften, welche Arbeiten aus allen Gebieten der Biochemie publizieren, existieren auch eine große Zahl von Zeitschriften, welche Spezialgebieten gewidmet sind, so z. B. der Enzymologie, der Endokrinologie, der Ernährung, den Vitaminen usw. Sie können hier nicht einzeln angeführt werden. Eine weitere Gruppe von periodisch erscheinenden Publikationen enthält Literaturübersichten und zusammenfassende Darstellungen über einzelne Gebiete oder einzelne Fragen. Zu den bekanntesten gehören die: Annual Reviews of Biochemistry (Am.). Sie publizieren jährlich Übersichten über die Fortschritte auf den wichtigsten Teilgebieten, die von kompetenten Fachleuten bearbeitet werden (Chemie und Stoffwechsel der Kohlenhydrate, Lipide, Proteine, Sterine, Nucleinsäuren, Hormone, Vitamine usw.). Viele biochemisch wichtige Fragen werden auch in den parallelen Serien der Annual Reviews of Physiology Annual Reviews of Plant Physiology und Annual Reviews of Microbiology behandelt. Monographische Darstellung einzelner aktueller Fragen findet man z. B. in: Fortschritte der Chemie organischer Naturstoffe Ergebnisse der Physiologie Physiological Reviews Exposés annuels de Biochimie médicale u. a. m. Kürzere, für einen weiteren Leserkreis berechnete Übersichten über spezielle Fragen und Teilgebiete werden oft auch in den allgemeinen naturwissenschaftlichen Zeitschriften publiziert, z.B. in: Naturwissenschaften Zeitschrift für Naturforschung Experientia Zeitschrift für angewandte Chemie Nature (Brit.) Science (Am.) u. a. m.

Bibliographische Hinweise

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In neuerer Zeit sind, hauptsächlich im angelsächsischen Sprachgebiet, eine Reihe von Fortschrittsberichten auf verschiedenen Teilgebieten erschienen: Advances in Carbohydrate Chemistry Advances in Protein Chemistry Ergebnisse der Fermentforschung (bis 1943) Advances in Enzymology Vitamins and Hormones u. a. m. An größeren Hand- und Lehrbüchern seien genannt: E . A b d e r h a l d e n , Biochemisches Handlexikon. Berlin 1911—1933. C. O p p e n h e i m e r , Handbuch der Biochemie. Jena 1924—1936. B. F l a s c h e n t r ä g e r und F. L e h n a r t z . Physiologische Chemie. Berlin, Güttingen und Heidelberg 1951-1956.

Das nachfolgende Literaturverzeichnis ist nach Kapiteln geordnet. Es enthält hauptsächlich Hinweise auf Monographien und zusammenfassende Arbeiten, welche es leicht ermöglichen, die Originalarbeiten aufzufinden und weiter in die im Buch behandelten Fragen einzudringen. Ferner sind auch einige wichtige Originalarbeiten aufgenommen. Es handelt sich um eine Auswahl, welche das Eindringen in die biochemische Literatur erleichtern soll.

Literaturverzeichnis Allgemeine Werke J . S. F r u t o n und S. S i m m o n d s : General biochemistry. Wiley, New York 1958. D. E. G r e e n (edit): Currents in biochemical research. New York 1946. Neuer Band: New York 1956. (Sammlung kurzer Darstellungen aktueller biochemischer Probleme durch ausgezeichnete Kenner der Gebiete.) E. B a l d w i n : Biochemie; Einführung in ihre Dynamik (aus der englischen Auflage 1952 übersetzt). Weinheim 1957. J . B r ä c h e t : Biochemical cytology. New York 1957. 1. Kapitel. Die Kohlenhydrate E. 0 . v. L i p p m a n n : Die Chemie der Zuckerarten. Braunschweig 1904 (2 Bände). (Sehr vollständige Übersicht der älteren Literatur.) W. N. H a w o r t h : Die Konstitution der Kohlenhydrate. Wissenschaftliche Forschungsberichte, Naturwissenschaftliche Reihe, Bd. 29. Dresden und Leipzig 1932. E . F . A r m s t r o n g und K . F . A r m s t r o n g : The carbohydrates. Monographs on Biochemistry. Longmans, Green and Co., London 1934. B. T o l l e n s und H . E i s n e r : Kurzes Handbuch der Kohlenhydrate. Leipzig 1935. F. M i c h e e l : Chemie der Zucker- und Polysaccharide. Leipzig 1939. W. W. P i g m a n : The carbohydrates; chemistry, biochemistry, physiology. New York 1957. (Standardwerk über die Kohlenhydrate, von verschiedenen Autoren bearbeitet.) P. K a r r e r : Polymere Kohlenhydrate. Leipzig 1925. R. J . M c E l r o y : The chemistry of the polysaccharides. London 1948. A d v a n c e s in C a r b o h y d r a t e C h e m i s t r y (Herausgeber: W. W. P i g m a n und M. L. W o l f rom). Bd. 1 (1945) u. ff. L. F. L e l o i r : Sugar phosphates. Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 8, 47 (1951). K. H. M e y e r : The chemistry of glycogen. Adv. Enzymol. 3, 109 (1943). D. J . M a n n e r s : The molecular structure of glycogen. Adv. Carbohydrate Chem. 12, 299 (1957). K. H. M e y e r und G . C . G i b b o n s : The present status of starch chemistry. Adv. Enzymol. 12, 341 (1951). S. P e a t : Starch, its constitution, enzymec synthesis and degradation. Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 11, 2 (1954). M. S t a c e y : The chemistry of mucopolysaccharides and mucoproteins. Adv. Carbohydrate Chem. 2, 161 (1946). H. G i b i a n : Mucopolysaccharide und Mucopolysaccharidasen. Wien 1959. K. M e y e r : Mucoids and glycoproteins. Adv. Prot. Chem. 2, 249 (1945).

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Bibliographische Hinweise

H. G. B r a y und M. S t a c e y : Blood group polysaccharides. Adv. Carbohydrate Chem. 4, 37 (1949). N. Haworth und M. S t a c e y : The chemistry of the immunopolysaccharides. Ann. Rev. Biochem. 17, 97 (1948). M. S t a c e y a. S. A. B a r k e r : Polysaccharides of Microorganisms. Oxford 1960. T . H . E v a n s und H. H i b b e r t : Bacterial polysaccharides. Adv. Carbohydrate Chem. 2, 203 (1946). E. A. R a b a t : Blood group substances, their chemistry and immunochemistry. New York 1956. 2. Kapitel. Fette, Fettsäuren und Lipoide T. P. Hilditch: The chemical constitution of natural fats. London 1941. T. P. Hilditch: Recent advances in the study of component acids and component glycerides of natural fats. Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 5, 72 (1948). W. R. B l o o r : The biochemistry of the fatty acids. New York 1943. F. D. Gunstone: An introduction to the chemistry of fats and fatty acids. New York 1958. H. J . Deuel: The lipids. Vol. I - H I . New York 1951-1955. (Umfangreiche monographische Darstellung der Chemie und Biochemie der Lipide.) H. Thierfelder und E. K l e n k : Chemie der Cerebroside und Phosphatide. Berlin 1930. E. K l e n k : Lipoide. Zschr. Angew. Chemie 47, 271 (1934). (Kurze Übersicht.) E. K l e n k : Der chemische Aufbau der Nervenzelle und der Nervenfaser; in: Die Chemie und der Stoffwechsel des Nervengewebes. 3. Colloquium der Gesellschaft für Physiologische Chemie, S. 27. Berlin, Göttingen und Heidelberg 1952. J . L. W. Thudichum: Die chemische Konstitution des Gehirns des Menschen und der Tiere. Tübingen 1901. P. Desnuelle: Structure and properties of phosphatides. Progress in the chemistry of fats and other lipids 1, 70 (1952). W. D. Celmer und H. E. Carter: Chemistry of phosphatides and cerebrosides. Physiol. Rev. 32, 167 (1952). 3. Kapitel. Sterine, Gallensänren, Carotinoide H. L e t t r é und H. H. Inhoffen: Über Sterine, Gallensäuren und verwandte Naturstoffe. Stuttgart 1936. 2. Aufl., Vol. I, Stuttgart 1954; Vol II, Stuttgart 1959. H. S o b o t k a : The chemistry of the steroids. London 1938. I. M. Heilbron und F. S. Sprung: Recent advances in the chemistry of the sterols. Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 1, 53 (1938). L. F. Fieser und M. F i e s e r : Natural products related to phenanthrene. New York 1949. T. R e i c h s t e i n und C. W. Shoppee: The hormones of the adrenal cortex. Vitamins and Hormones 1, 345 (1943). W. K l y n e : The chemistry of the steroids. New York 1957. A. Heusner: Die Stereochemie der natürlichen Stereoide. Zschr. Angew. Chemie 63, 59 (1951). P. K a r r e r und E. J u c k e r : Carotinoide. Basel 1948. L. Zechmeister: Carotinoide. Monographien aus dem Gesamtgebiet der Physiologie der Pflanzen und der Tiere; Bd. 31. Berlin 1934. L. Zechmeister: Die Carotinoide im tierischen Stoffwechsel. Ergebn. Physiol. 89, 117 (1937). L. Zechmeister: cis-trans-Isomerization and stereochemistry of carotenoids and diphenylpolyenes. Chem. Rev. 84, 267 (1944). L. R u z i c k a : The isoprene rule and the biogenesis of terpenic compounds. Experientia 9, 357 (1953). 4. Kapitel. Die Proteine und ihre Bausteine C. L. A. Schmidt: The chemistry of the amino acids and proteins. Springfield, LI., und Baltimore 1938; Ergänzungsband 1943. (Die einzelnen Kapitel sind von verschiedenen Autoren bearbeitet.) H. Neurath und K. B a i l e y : The proteins, chemistry, biological activity and methods. Bd. I, Teil A und B ; Bd. II, Teil A und B. New York 1953/54. (Standardwerk fiber die Proteine, an welchem zahlreiche Autoren beteiligt sind.) A. Neubörger (edit.): Symposium on protein structure. New York 1958. M. Sahyun: Outline of the amino acids and proteins. New York 1944. (Übersicht über Chemie und Stoffwechsel der Aminosäuren und Proteine. Die einzelnen Kapitel sind von verschiedenen Autoren bearbeitet.)

Bibliographische Hinweise

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D. M. Greenberg: Amino acids and proteins; theory, methods, applications. Springfield, 111., 1951. (Die einzelnen Kapitel sind von verschiedenen Autoren bearbeitet.) A. Meister: Biochemistry of the amino acids. New York 1957. E. J . Cohn und J . T. Edsall: Protein, amino acids and peptides as ions and dipolar ions. American Chemical Society Monograph Series. New York 1943. (Behandelt die physikalische Chemie der Aminosäuren und Proteine.) T. B. Osborne: The vegetable proteins. Monographs on Biochemistry. Longmans, Green and Co., London 1924. A. Kossel: Protamine und Histone. Leipzig und Wien 1929. Fibrous Proteins and their biological significance. Symp. Soc. exptl. Biol., No. 9. Cambridge 1955. F. Sanger: The arrangement of amino acids in proteins. Adv. Prot. Chem. 7, 1 (1952). L. Pauling und R. B. Corey: The configuration of polypeptide chains in proteins. Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 11, 180 (1954). F. Haurowitz: The internal structure of protein molecules. Exper. 5, 347 (1949). H.Neurath, J . P. Greenstein, F . W . P u t n a m und S. O. E r i c k s o n : The chemistry of. protein denaturation. Chem. Rev. 34, 157 (1944). R. M. H e r r i o t t : Reactions of native proteins with chemical reagents. Adv. Prot. Chem. 3, 169 (1947). A. J . P. Martin und R. L. M. Synge: Analytical chemistry of the proteins. Adv. Prot. Chem. 2, 1 (1945). E. B r i c a s und CI. Fromageot: Naturally occurring peptides. Adv. Prot. Chem. 8, 4 (1953). W. Grassmann und E. Wünsch: Synthese von Peptiden. Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 13, 444 (1956). H. Musso: Neue natürliche Aminosäuren. Zschr. Angew. Chemie 68, 313 (1956). E. E. Snell: The microbiological assay of amino acids. Adv. Prot. Chem. 2, 85 (1945). A. Neubörger: Stereochemistry of amino acids. Adv. Prot. Chem. 4, 297 (1948). E. Chargaff: Lipoproteins. Adv. Prot. Chem. 1, 1 (1944). J . P. GreenBtein: Nucleoproteins. Adv. Prot. Chem. 1, 209 (1944). Literatur über Elektrophorese siehe Kap. 22 unter Plasmaproteine. Advances in Protein Chemistry (Herausgeber: M. L. Anson, J . T. Edsall und K. B a i ley). Bd. 1 (1944) u. ff. Annual Reviews of Biochemistry (Herausgeber: J . M. Luck, H. S. Loring und G. Mackinney). Bd. 1 (1932) u. ff. (Jeder Band enthält Kapitel über Chemie und Stoffwechsel der Proteine.) 5. Kapitel. Die Nucleinsäuren F. Miescher: Uber die chemische Zusammensetzung der Eiterzellen. Hoppe-Seylers med.chem. Unters., Heft IV, 1841. Abgedruckt in: Die histochem. u. physiol. Arb. v. F. Miescher, S. 3. Leipzig 1897. P. A. Levene und L. W. B a s s : Nucleic acids. New York 1931. H. Bredereck: Nukleinsäuren. Fortschr. Chem. org. Naturstoffe 1, 121 (1938). E. Chargaff und J . N. Davidson: The nucleic acids; chemistry and biology. Vol I u. II. New York 1955. E. Chargaff: Desoxypentose nucleoproteins and their prosthetic groups. Symp. Soc. exptl. Biol., No. 9. Cambridge 1955. J . N. Davidson: The biochemistry of the nucleic acids. Methuen's Monographs on Biochemical Subjects (Herausgeber: R . A . P e t e r s und F . G . Y o u n g ) . Methuen and Co., London und New York 1950. A . R . T o d d : The nucleotides; some recent chemical research and its biological implications. The Harvey Lectures 1951/52, Series XLVH, S. 1. New York 1953. A. R. Todd: Neuere Anschauungen über die Struktur der Nukleinsäuren. Zschr Angew. Chemie 65, 12 (1953). A. R. Todd: Chemisal structure of the nucleic acids. Proc. Nat. Acad. Sei., USA., 40, 748 (1954). E. Chargaff: Structure and function of nucliec acids as cell constituents. Fed. Proc. 10, 654 (1951). B. Magasanik und E. Chargaff: Studies on the structure of ribonucleic acids. Biochim. Biophys. Acta 7, 396 (1951). J . P. Greenstein: Nucleoproteins. Adv. Prot. Chem. 1, 209 (1944).

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Bibliographische Hinweise 6.—0. Kapitel. Physikalisch-chemische Grundlagen

Lehrbücher, welche speziell die Anwendung der physikalischen Chemie auf physiologische Probleme behandeln: W. Bladergroen: Physikalische Chemie in Medizin und Biologie. Basel 1949. W. Bladergroen: Einführung in die Energetik und Kinetik biologischer Vorgänge. Basel 1955. R. Höber: Physikalische Chemie der Zelle und der Qewebe. Bern 1947. Englischer Originaltitel: Physical chemistry of cells and tissues. Philadelphia und Toronto 1945. H. N e t t e r : Biologische Physikoohemie. Potsdam 1951. H. N e t t e r : Theoretische Biochemie; physikalisch-chemische Grundlagen der Lebensvorgänge. Berlin, Göttingen und Heidelberg 1959. Allgemeine Lehrbücher der physikalischen und allgemeinen Chemie: G.Schwarzenbach: Allgemeine und anorganische Chemie. Ein einfaches Lehrbuch auf neuzeitlicher Grundlage. Stuttgart 1948. L. Pauling: Chemie; eine Einführung (aus dem Englischen übersetzt von F. Helfferich). Weinheim 1956. H. Ulich: Kurzes Lehrbuch der physikalischen Chemie. Dresden und Leipzig 1948. A. Eucken und E. Wicke: Grundhiß der physikalischen Chemie. Leipzig 1958. J . E g g e r t und H. Hock: Lehrbuch der physikalischen Chemie. Stuttgart und Leipzig 1948. G. N. Lewis und M. B a n d a l l : Thermodynamik und die freie Energie chemischer Substanzen (aus dem Englischen übersetzt von O. Redlich). Wien 1927. L. Pauling: The nature of the ohemical bond and the structure of molecules and cristals. Oxford University Press, London 1950. Monographien und Werke, welche spezielle Probleme behandeln: L. Michaelis: Die Wasserstoffionenkonzentration. Berlin 1922. W. M. Clark: The determination of hydrogen ions. Baltimore 1928. S. P. L. Sörensen: Über die Messung und Bedeutung der Wasserstoffionenkonzentration bei biologischen Prozessen. Ergebn. Physiol. 13, 393 (1912). M. Koppel und K. Spiro: Über die Wirkung von Moderatoren (Puffern) bei der Verschiebung des Säure-Basengleichgewichts in biologischen Flüssigkeiten. Biochem.Zschr. 65, 409 (1914). L.Michaelis: Oxydations-Beduktionspotentiale. Berlin 1933. L.Michaelis: Theory of oxidation-reduction; in J . B . S u m n e r und K. Myrbäck: The enzymes. Vol. H, S. 1. New York 1951. L.Michaelis: Fundamentals of oxidation and reduction; in: D . L . G r e e n : Currents in biochemical research, S. 207. New York 1946. H. Freundlich: Kapillarchemie; eine Darstellung der Chemie der Kolloide und verwandter Gebiete. Bd. I und II, 4. Aufl. Leipzig 1930/32. K. H. Meyer: Natural and synthetic high polymers; a textbook and reference book for chemists and bioloigsts. New York 1942. K . H . M e y e r und H . M a r k : Makromolekulare Chemie. Leipzig 1953. K. H. Meyer: Über Feinbau, Festigkeit und Kontraktilität tierischer Gewebe. Exper. 7, 361 (1951). A. F r e y - W y s s l i n g : Submicroscopie morphology of protoplasm and its derivatives. New York 1951. R. W. G. Wyckoff: The electron microscopy of macromolecules. Adv. Prot. Chem. 6, 1 (1951). J . D. F e r r y : Protein gels. Adv. Prot. Chem. 4, 1 (1948). W. T. Astbury: Fundamental of fibre structure. Oxford University Press, London 1933. (Elementare Einführung in das Prinzip der röntgenoptischen Untersuchungsmethode.) 10. Kapitel. Die Fermente Allgemeines: C. Oppenheimer: Die Fermente und ihre Wirkungen. Bd. I und II. Leipzig 1925/26. J . B. S. Haidane: Enzymes. Monographs on Biochemistry. Longmans, Green and Co., London 1930. F. F. Nord und R. Weidenhagen: Handbuch der Enzymologie. Bd. I und II. Leipzig 1940. J . B. Sumner und G. F. Somers: Chemistry and methods of enzymes. New York 1947. Th. B e r s i n : Kurzes Lehrbuch der Enzymologie. Leipzig 1951. J . B . Sumner und K. Myrbäck: The enzymes, chemistry and mechanism of action. Vol.1 1. und 2. Teil; Vol. II, 1. und 2. Teü. New York 1950/52. (Zur Zeit vollständigste Darstellving der Fermentchemie. Zahlreiche Mitarbeiter.) i

Bibliographische Hinweise

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P. D. B o y e r , H. L a r d y und K. M y r b ä c k : The enzymes. 2. Aufl., Vol. I. Kinetics, thermodynamics, mechanism, basic properties. New York 1959 (2., erweiterte Auflage des vorigen Werkes). M. D i x o n und E. C. W e b b : Enzymes. London, New York und Toronto 1958. (Moderne Darstellung der Fermentchemie.) K. M y r b ä c k : Enzymatische Katalyse; Einführung in die Enzymchemie. Berlin 1953. O. H o f f m a n n - O s t e n h o f : Enzymologie. Eine Barstellung für Chemiker, Biologen und Mediziner. Wien 1954. A. H. Mehler: Introduction to enzymology. New York 1957. J . B. N e i l a n d s und P. K . S t u m p f : Outlines of enzyme chemistry. New York 1958. 0 . H. G a e b l e r (edit.): Enzymes, units of biological structure and function. New York 1956. (Internationales Symposium über Enzyme.) A d v a n c e s in E n z y m o l o g y (Herausgeber: F. F. Nord). Bd. 1 (1941) u. ff. A n n u a l R e v i e w s of B i o c h e m i s t r y (Herausgeber: J . M. L u c k , H. S. L o r i n g und G. Mackinney). Bd. 1 (1932) u. ff. (Jeder Band enthält ein oder mehrere den Enzymen gewidmete Kapitel.) W. D. M c E l r o y und B. Glass (edit.): Symposium on the mechanism of enzyme action (sponsored by the McCollum-Pratt Institute of the Johns Hopkins University). The Johns Hopkins Press, Baltimore 1954. T h e p h y s i c a l c h e m i s t r y of e n z y m e s . Discussions of The Faraday Society, No. 20, 1955. Aberdeen 1956. R. W i l l s t ä t t e r : Untersuchungen über Enzyme. Bd. I und II. Berlin 1928. (Enthält die gesammelten Abhandlungen aus dem W i l l s t ä t t e r s c h e n Laboratorium.) S . S c h w i m m e r und A . B . P a r d e e : Principles and procedures in the isolation of enzymes. Adv. Enzymol. 14, 375 (1953). L . M i c h a e l i s und M. L. M e n t e n : Die Kinetik der Invertinwirkung. Biochem. Zschr. 49, 333 (1913). D . E . G r e e n : Enzymes and trace substances. Adv. Enzymol. 1, 177 (1941). E. S. G. B a r r o n : Thiol groups of biological importance. Adv. Enzymol. 11, 201 (1951). Th. B ü c h e r : Proteine als Träger der Fermentwirkung; in: Biologie und Wirkung der Fermente. 4. Colloquium der Gesellschaft für Physiologische Chemie, S. 32. Berlin, Göttingen und Heidelberg 1953. M. D i x o n : Multi-enzyme systems. Cambridge 1949. 0 . H o f f m a n n - O s t e n h o f : Suggestions for a more rational classification and nomenclature of enzymes. Adv. Enzymol. 14, 219 (1953). E. B a m a n n und K. M y r b ä c k : Die Methoden der Fermentforschung. Bd. I—IT. Leipzig 1940. S. P. Colowick und N. O. K a p l a n : Methods in enzymology. Vol. I - I V . New York 1955-1958. (Zur Zeit vollständigstes Werk über die Methoden der Enzymologie.) Einzelne Fermente: J . B . S u m n e r : Crystalline Urease. Ergebn. Enzymforschg. 1, 295 (1932). J . H. N o r t h r o p : Crystalline pepsin. Ergebn. Enzymforschg. 1, 302 (1932). J . H. N o r t h r o p und M. K u n i t z : Isolation and properties of crystalline trypsin. Ergebn. Enzymforschg. 2, 104 (1933). M. R o v e r y : Sur l'activation du chyrmotrypsinogdne par la trypsine. Bull. Soc. Chim. Biol. 88, 1101 (1956). N. J . B e r r i d g e : Rennin and the clotting of milk. Adv. Enzymol. 15, 423 (1954). M. B e r g m a n n und J . S. F r u t o n : The specificity of proteinases. Adv. Enzymol. 1, 63 (1941). J . S. F r u t o n : Enzymic hydrolysis and synthesis of peptide bonds; in D . E . G r e e n : Currents in biochemical research, S. 123. New York 1946. J . S. F r u t o n : Enzymic hydrolysis and synthesis of peptide bonds. The Harvey Lectures 1955/56, Series LI, S. 64. New York 1957. M. B e r g m a n n : A classification of proteolytic enzymes. Adv. Enzymol. 2, 49 (1942). E . L . S m i t h : The specificity of certain peptidases. Adv. Enzymol. 12, 191 (1951). R. W i l l s t ä t t e r , R. K u h n und E. B a m a n n : Über asymmetrische Ester-Hydrolyse durch Enzyme. Ber. 61, 886 (1928). J . R o c h e und N g u y e n - v a n T h o a i : Phosphatase alcaline. Adv. Enzymol. 10, 83 (1950). R. W e i d e n h a g e n : Spezifität und Wirkungsmechanismus der Carbohydrasen. Ergebn. Enzymforschg. 1, 168 (1932). K. H . M e y e r : Amylasen und ihre Wirkung. Zschr. Angew. Chemie 63, 153 (1951). K. Meyer und M. M. R a p p o r t : Hyaluronidases. Adv. Enzymol. IS, 199 (1952). H. G i b i a n : Mucopolysaccharide und Mucopolysaccharidasen Wien 1959.

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L e u t h a r d t , Lehrbuch, 15. Aufl.

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