Des Herrn von Moissy drammatische Werke: Teil 2 [Reprint 2022 ed.]
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Des

Herrn von Moissy

-rammatische

Werre. Zweyter Theil.

Berlin, 1775. Bey Christian Friedrich Himburg.

Vorher ichk ives derbestenMittel,,allen Menschen»»

der Moral Geschmack bcyzubrmgen, ist diesis, wenn man fit in Handlung setzt. Die dramatischen Gemälde reizen anfänglich mit Hülfe der Nenbegierds, und machen alsdann einen lebhaften Eindruck, der zum Vortheil der Sitten ausschlagt: dieses hat einige Ge­ lehrte vermocht, in einer Folge von Sprüch« Wörtern die naiven Auftritte in der menschli­

chen Gesellschaft und die abstechendcsten Cha­ raktere derer, so

darinn ihre Rolle spielen,

vorznstellen. Der Vevfafstr her Spruchwörtcr, die may

itzt demPublikuni verlegt, hat sie, in der Absicht,

eine moralische Geschichte des menschlichen gebens zu entwerfen, in drey Alter eingetheilh

)( 1

der.

Vorbrrichk.

her Jugend, des männlichen Alters, und des hohen Alters. Die kleinen Leidenschaften und Fehler, die der Mensch in dem ersteren Alter Vom fünften bis zum zwanzigsten Jahre an fleh hat, hat er schon in den Spielen der kleinen Thalia, die das Publikum mit seinem Beyfall beehrt hat, vorgestellt r mit stärkeren Farben hat er dieJrrthümer und Laster des Menschen in dem männlichen Alter vom zwanzigsten bis zunt fünfzigsten Jahre zu schildern gesucht, Und hieraus besteht der gegenwärtige Band« Diesem wird unverzüglich derjenige folgen­ der flch mit dem letzten Alter, vom fünfzigsten Jahre bis zum Ende des Lebens beschädiget«

Das gegenwärtige Werk enthält acht Sprüchwörter, oder acht Schauspiele, die alle einen moralischen Zweck, und ein Laster oder eine Schwachheit, die zu. ändern steht, juyt Borwurf haben. i. Angelika oder der falsche Beruf, ist eine Lcttion für alle junge Leute, die aus un­ besonnenem Eifer die lange Zeit eines ge» fchäfftigen Lebens einem augenblicklichen An­ fall von Frömmigkeit, und alle der Welt nütz­ liche Tugenden der einzigen, stch Von ihr zn scheiden, aufopftrn wollen.

*. Das

Vorberichk.

5, Das hübsche Dienstmügbchen, oder der Mann auf der Probe, lehret zu glei­

cher Zeit, wie ungerecht es sey, der dürftigen und selbst unter dem Glanze der unglücklichen Tugend zu wcgclagern; und wie gefährlich, der ehelichen Treue, die sich oft nur aus

Mangel der Versuchung erhält, Fallstricke zü

legen. Z. Die starke Ohnmacht, ist das Bild der Freymüthgkeit einer tugendhaften, zärt­

lichen und treuen Frau, und ein sehr seltnes

Beyspiel des allerzartcstcn Gewissens in der allerbedenklichsicn Verfassung, in welche sie der Mann unbesonnener Weise setzt. 4. Die verschlagenen Weiber, bewei­ sen, daß cs allen Mannern anzuratben sey, ihre Frauen nicht in die Nothwendigkeit zu setzen, sie zu hintergehen: als wozu sie in ih­ rer Einbildungskraft immer Mittel genug

finden. 5. Die beyden Ofsiciere

können

zum

Beispiel dienen, wie nothwendig dem Men­ schen die Arbeit und eine amtsmäßige Beschäfftigung sey, und was für eine grausame Feindinn der Müßiggang, diese Mutter der Langeweile, für ihn sey. "

)( r

6. Der

Vorberichk« 6. Der philosophische Bauer, zeigt, daß

alle Menschen eine gewisse natürliche Philoso-, phie besitze», wodurch sie von allen Sachen

gesunder ui theilen, und daß diese Philosophie der erworbenen, die sich oft nur in Worten, welche die Handlungen widerlegen, ergießt, vorzuziehcn sey. 7. Die Tänzerinn oder die Diamanten,

Hierin» wixd bewiesen, daß die Liebe ost der Eigenliebe aufgeopfert werde; und daß daher diejenigen, die von dieser ersten Neigung einen ökonomischen Nutzen ziehen wollen, fast immer

wider ihren Vortheil handeln., 8. Der bekehrte Hagestolz, ein Schalt­

spiel in drey Akren, und welches so eingerich­ tet ist, daß es aufgcführt werden kann, zeigt, daß in einem gewissen Mer alles zusammen zu kommen scheine, «m einen ehrlichen Mann zn überführen, daß er zur Ehe geschaffen sey. Man mag den chcloftn Stand betrachten wie

man will, so ist er doch allemal entweder der traurige Freund der Entvölkerung,, oder der verführerische Patron der Ausgelassenheit-;

und in doppelter Absicht ist er also nichts, als ein grausamer Zerstörer des Ganzen,

Ver»

Verzeichnis der Sprichwörter» Erstes Sprüchwork. falsche Beruf.

Angelika oder der

Das heißt einen Anlauf Nehmen, tim bes­

ser jti springen.

Zweytes Sprüchwork. Das hübsche Dienstmägdchett, oder der Mann auf der Probe. Kein Pferd ist so gut, das nicht einmal strauchelt.

Drittes Sprüchwork. macht.

Die starke Ohn«

Der Schreck ist größer als da- Unglück.

Dierkes Sprüchwork. Weiber.

Die verschlagnen

Wurst wieder Wurst-

Fünf-«

Verzeichnis. Fünftes Sprüchwort. ficiere.

Die beyden Of«

Der Mensch denkt, und Gott lenkt. Sechstes Sprüchwort. sche Bauer.

Der philosophi-

Einen Mohren weiß zn waschen, ist ver­ gebliche Arbeit. Siebentes Sprüchwort. oder die Diamanten.

Die Tänzerinn,

Wer sich zwischen zween Stühlen setzt, fällt auf die Erde. Achtes Sprüchwort. Der bekehrte Ha­ gestolz. Besser spät als gar nicht.

Ange«

Angelika öder

der falsche Beruf.

Personen. Herr Raymon,

Vater der Angelika.

Madame Raymon, ihre Mutter. Angelika, ein und zwanzig Zahr alt.

St. Bal,

Liebhaber der Angelika,

dreyßig

Zahr alt.

Die Scene ist In dem GesellschaitSsaale de- Herrn mon, und die Handlung geht um eilf Uhr des Vor­ mittags an.

Angelika oder

der falsche Beruf. ErsterAuftritt. Herr Raymon. Madame RaymdttHerr Raymon. un! Madame, Sie wollen also die arme Angelike wieder in ihr Kloster zurücke führen; und auch das. Carneval hat sie von ihrem Entschluß, noch diese Fastenden Schleyer anzunehmen, nicht abbringen können? Mad. Raymon. Nein, sie will schlecht terdings schon morgen ihr Noviciat antreten; sie ist für uns ein verlornes Mägdchen, ohne Hülfe verloren, durch den allerentschlossensten Eigensinn«

Ai

Hr.

4

Angelika Hl'. Rassmon.

für mich!

Was für ein Herzeleid

Das einzige Kind, das wir noch ha­

ben — Zch wollte, daß alle Klöster Mad. Raymon. Was wollen Sie ma­

chen ? - Zch habe nie etwas bey ihr ausrichten können;

sie weint, sie ist außer sich, denn sie

fürchtet, daß wir uns dieser grausamen Neigung

widersetzen möchten: und sie vor unsern Augen für Kummer sterben zu sehen —

Dafür ist

es doch besser, sie in einem Kloster leben zu las­

sen ; vielleicht geht wahrend ihrem Noviciat mit ihr eine Veränderung vor.

Nein, das ist nicht zu hof­

Hr. Raymon.

fen, unglücklicher Weise hat meine Tochter ei­ nen gesetzten Sinn,

sophie — Mad. Raymon.

einen Grund von Philo­ Za einen Grund von

Philosophie, den Sie ihr von ihrer Kindheit an eingeflößt haben,

und worüber Sie sich billig

Vorwürfe machen sollten.

Was hat nun diese

fthöne Erziehung zuwege gebracht?

einen men­

schenfeindlichen Charakter, vordem die Welt vor

der Zeit, da man solches noch hingehen laßt, ekelt: sie ist itzt völlig unfähig, darinn so, wie es sich für

ihrAlter schickt, zu erscheinen.

rüerhin eine Nonne werden,

Sie mag im-

sie taugt weiter'

ju nichts: sie hat die besten Partien atlsgeschla-

gen,

»der der falsche Beruf.

5

gen, so gar den armen St. Val, einen Menschen,

der wirklich Verdienste hat, der sie anbetet, und der darüber für Kummer sterben wird; ich sage

es noch einmal,

sie mag eine Nonne werden,

denn Sie haben sie so erzogen, daß sie nichts am ders seyn kann. Hr. Raynron,

Sie entscheiden sehr von

eilig, Madame, und erklären sich sehr geschwind wider sie, indem Sie mir ihren Eigensinn zur Last legen.

Mad. Raymon.

Ich sage, was ich denke;

es ist längst ausgemacht, daß die Väter nicht verstehen, Töchter zu erziehen, und wenn Sie mir ihre Erziehung überlassen hatten,

so würde ich

ganz etwas anders aus ihr gemacht haben. Hr. Raymon. Und was denn? Ich

sah es vorher, was Sie aus ihr gemacht haben würden; eine Cokette voller Modenarrheiten, die gar bald in Fehler, und vielleicht gar in La­

sier ausgeschlagen seyn würden. Mad. Raymon.

Mein Herr, dieser Vor­

wurf ist bitter; verdient meine Aufführung das? In der That, Sie sollten sich etwas mehr in Acht

nehmen, mich nicht nach Herzenslust zu belei­

digen. Hr. Raymon.

Ich bin nicht willens Sir

zu beleidigen; ich will nur die Wahrheit sagen«;

A 3

und

. Moisyll Th.

Aber da ist sie —

B

Sech«

Angelika

iS

Sechster Auftritt. St. Val. Angelika.

Angellka'

Mein Heer, ich vernehme von

meinem Vater, daß Sie wünschen sich mit mir

unterreden

zu können,

und daß es ihm lieb

seyn würde, wenn ich mir es gefallen ließe.

Die

Hochachtung, die er für Sie hat, und die Sie, wie ich glaube, verdienen, giebt mir das Herz,

in diese Unterredung zu willigen.

St. Val.

Diese Unterredung, Mamsell,

hat keine andre Absicht, als Sie zu überzeugen, wie kostbar mir ,dtese Hochachtung ist, weil ich

vielleicht itzt zum letztenmal das Glück habe, Jh. nett meine Aufwartung zu machen.

Angelika.

Was ist denn also Ihr Begehr

re», mein Herr ? Zch hoffe doch, daß es bey dier fer Unterredung nicht Ihre Absicht seyn wird, meinen gefaßten Entschluß zu bestreiten.

Da ich

stark genug gewesen bin, den Zuredungen eine-

zärtlichen Vaters und einer Mutter, die recht sinn­ reich ist, mir die Welt angenehm zu machen, zu widerstehen, so würde es der Klugheit zuwi­

der seyn, wenn Sie sich einbilden wollten, über

mich mehr zu vermögen, als sie beyde gekomtt haben — Also —

St.

oder der falsche Beruf.

St. Val.

Nein, Mamsell,

19

es ist dieses

nicht die Absicht, in welcher ich hieher gekonu men bin; ich mache mich vielmehr verbindlich.

Sie zu Ihrem löblichen Vorhaben noch mehr aufzumuntern, wenn Sie, um sich darin» zu ber festigen, fremder Hülfe benöthigct -seyn sollten.

Niemand kann dazu ein stärker Recht haben, als

ich, weil ich selbst, Mamsell, gleichfalls fest enke schlossen bin, mich in ein heiliges Kloster zurück. zu ziehen, und mich da ohne allen Rückhalt Gott zu widmen. Angelika.

Wie, mein Herr! was? —

Sie — St. Val.

Za — der Himmel hat mir

eben die Gnade gethan, die er Zhnen erwiesen

Hat; Zhr Beyspiel hat mein Herz zu dem heil« gen Eifer entflammt, zu dem ich durch benEkel

für diese Welt, die wir nun verlassen werden,

schon vorbereitet war.

Lassen Sie »»ns einer

.den andern zu diesen» großen Opfer noch mehr

anfeuren;

und lasse»» Sie uns ein jeder auf seir

»er Seite die wechselseitige Hochachtung davon

tragen, die so rein, so sehr für Wesen geschaf­ fen ist, die durch die gänzliche Ergebung an ihre»»

Gott werden ganz geistig werden. Angelika. Ach! mein Herr! was für.ein Vergnügen machen Sie mir d>»rch diese Nachricht. B 2

Zhr»

So

Angelika

Ihre Verdienste, alle Ihre guten Eigenschaften, hatten schon bey mir zu Ihrem Besten gesprochen.

Ich unterschied Sie von den übrigen Manns­

personen ; aber Ihre letzte Entschließung drückt der Hochachtung und der Theilnehmung, die ich

fürIhre ganze Person hegen kann,das Siegel auf.

St. Val.

Ich schmeichelte mir. Sie zu

erhalten; ich verlohr sie, aber da ich nunmehro

eben die Partey ergreife, die Sie ergriffen ha­

ben, so scheint es mir, als ob ich Sre wiederfan-

de.

Ja, in der Laufbahn des Himmels wird

weine Seele immer neben der Ihrigen wandeln. Von gleichen Empfindungen beseelt, werden wir immer

einer dem andern gegenwärtig seyn:

diese ganz geistige Vereinigung wird neben ihrer

Reinigkeit, auch noch diejenige Vertraulichkeit, diejenige Wärme haben, die nur für himmlische

Seelen geschaffen ist.

Ach! Mamsell, was

müssen nicht zwey Wesen genießen, die sich in dem Schooße der Gottheit selbst von dem gro­

ben Stoff der Sinne reinigen.

Angelika.

Nach Ihren Ausdrücken, mein

Herr! kann ich nicht mehr zweifeln, daß Ihnen Gott nicht eben die Gnade gethan habe, die er

mir erwiesen hat; und Sie verdienen eben die Empfindungen, die ich Ihnen einflöße.

St. Val.

Wie ruhig, wie glücklich wer­

den

oder der falsche'Beruf. tcn wir nicht seyn, wenn wir,

rr

fern von allen

den Klippen, womit diese Welt angefüllt ist, s» zu sagen, schon von den ersten Zähren unser«

Lebens unsre Ewigkeit anfange»! Angelika. Ja, mein Herr, alle christliche Tugenden werden in unsern Herzen den Platz

rinnehmen, den die Fehler und die Laster der Welt sonst eingenommen haben würden: dann werden wir siegend,

ohne fast nöthig zu haben

zu kämpfen, zum voraus der Seligkeit genies­

sen, die unsrer erwartet. St« Val. Ich empfinde diese Seligkeit, wie Sie.

Aber eine Betrachtung, die durch die

Ihrige bey mir

veranlaßt wird, würde mich

über die Größe dieser Seligkeit in Zweifel sehen, wenn ich mich nicht durch Zhre Grundsätze und durch Ihr Beyspiel stärkte.

Angelika.

Und was ist dieses für eine

Betrachtung?

St. Val. Sie sagen: wir würden sie« gend, ohne fast nöthig zn haben zu kämpfen, zum voraus die Seligkeit genießen, die unsrer erwartet. Angelika.

Nun! finden Sie diesen Weg

nicht eben um deshalb vorzüglicher, weil er un-

am sichersten zu dem Zwecke führt, den wir alle

haben sollten.

D 3

St.

Angelika

Lr

St. Val.

Ich denke darüber wie Sie.

Za der Weg, den wir betreten wellen, ist sicherer; aber, haben Sie die Gütigkeit, mich über meü

ne Zweifel zu beruhigen.

Je leichter und be­

quemer dieser Weg ist, um desto weniger, fürchte ich, ist er verdienstlich; und wenn es darauf an­ kömmt, sich eine glückliche Ewigkeit zu erwerben,

kann man alsdann wohl Hessen, sie zu verdienen,

wenn man sich denen mühseligen Arbeiten ent­

zieht, zu welchen uns Gott seit unsrer Schö­ pfung bestimmt zu Haden scheint?

Zhnen,

daß

mich

dieser

Ich gestehe

Zweifel

beunru­

higet, und daß er in meiner Seele mit einer ge­ wissen Furcht verbunden ist, über die ich schwer­ lich werde Herr werden können.

Angelika.

In der That, Ihr Zweifel ver­

dient einige Ueberlegung, und charakterisirt den großen Begrrff fehr gut, den wir von einem ewi­

gen Glück haben sollen;

aber, auf der andern

Seite, sich der Gefahr aussehen, tausend Ver­

suchungen, die und in der Welt umgeben, unterterzüliegen, in der Absicht, sie zu bekämpfen,

heißt für ein schwaches Geschöpf seine Wohlfahrt -u sehr auf das Spiel setzen, zu viel auf sich selbst

rechnen.

Ist es nicht besser, ein geringeres aber

sicheres Verdienst zu haben, als alles,zu wagen?

St.

oder der falsche Beruf. St- Val.

sz

Ich bin Ihrer Meynung. Aber

ich habe wohl zwanzigmal mich selbst gefragt, war­ um sind doch die Klöster so eingerichtet, daß man um dreyer Tugenden, der Armuth, der Keusch« heit und des Gehorsams willen, denen Gelegen-

Heiken entsagt, die uns die Welt anbictet, alle

andre Tugenden und selbst neben diesen dreyen Warum müßen die Thüren der

auszuüben.

Klöster für Leute von einem gewissen Alter ver­

schlossen seyn, die ihre Kräfte in einem anstäm digen und arbeitsamen Leben zum Besten der Ge­

sellschaft verbraucht haben, und daher eines hälft reichen und heiligen Zufluchtsorts weit mehr be­

dürften, um das Ende ihrer Tage in Ruhe zur zubringen

und sich

zugleich der Gottheit zu

nähern?

Angelika.

Ihr Gedanke ist sehr richtig.

Ich habe sehr oft, wie Sie, über diesen letzten

Punkt bey mir nachgedacht. Ja, es sollte Klöster geben, die für ehrbare oder reuige Leute, die

durch

Unglücksfälle arm, oder durch

stumpf geworden, gestiftet wären;

Arbeit

ohne jedoch

diejenigen um deshalb auszurotten, die für solche

Personen angelegt sind, die Gott in dem "Alter zu sich ruft, wo die Gewalt der Leidenschaften

uns alle Augenblicke in den Abgrund zu stür­

zen droht.

D 4

St.

-4

Angelika St. Val.

Die Klöster, die uns fehlen,

reihten, glaube ich, der Menschheit um so mehr

Ehre machen, und der Gottheit um so angenehm

mer seyn, je mehr sie der Ordnung der Natur gemäß sind; denn wenn ich über diejenigen, die

wir itzt haben, bey mir nachdachte, so sagte ich über das Gelübde der Armuth zu mir selbst:

warum soll ich mich eines Vermögens entschlar

gen, daS mir dre Natur gegeben, oder eine am ständige Arbeit erworben hat, und mir dadurch

die Gelegenheit nehmen , ter Menschheit von eben diesem Vermögen Hülfe zu leisten?

Da

die Reichen nichts als die Verwalter der Güter der Armen sind, heißt da diese Verwaltung aufr geben und sie dadurch vielleicht in unwürdige

Hände bringen, nicht eben so viel, als sich ihnen

entziehen?

Sehen Sie, Mamsell, auch dieses

beunruhiget mich.

Sie sind tazu bestimmt, einst

Vermögen zu haben, und Sie müssen also diese Unruhe mit mir theilen.

Seyn Sie so gütig,

mich darüber zu beruhigen.

Angelika.

Zhre Unruhe ist ein Deweis

von der Güte Ihres Herzens : sie macht Einr

druck auf das meinige; aber doch ist es ein rer

elles Verdienst der lautersten Moral und der un­ sträflichsten Aufführung, sich der Armuth widmen.

St.

oder der falsch^ Beruf.

St. Val.

25

Ja, ohne Zweifel, ich bin Jh-

»er Meynung ; aber wäre es, um dieses Verdienst

vollkommen reell zu machen, nicht selbst diese Tugend täglich in

noch besser,

der Welt auszu­

üben, sie mit stinen eignen Händen zum Besten

der Armen ausznüben, als sich mit einem mal der Armuth zu ergeben, ohne zu wissen, ob das Vermögen, welches man von sich stößt, anstatt

zum Besten der Dürftigen attgewendet zu wer­

den, nicht vielleicht das Laster aufKosten derTrrgend bereichern wird?

Angelika.

Ich gestehe Ihnen, auch diese

neue Bedenklichkeit setzt mich in Unruhe.

Ich

sehe wirklich ein, daß für die Armen bey dem

Entschlüsse, den wir gefaßt haben, nicht eben sehr gut gesorgt ist. St. Val.

Ueber den Punkt des Gehor­

sams habe ich mir nur Ich

bin, wie

wenig zu sagen gehabt.

Sie wissen, eine Wayse;

aber

wenn ich noch meine Aeltern gehabt hätte, sd

würde ich sicherlich zu mir gesagt haben: warum soll ich mich gegen andre, die nach den Gesetzen der Natur diesen heiligen Gesetzen, die augen­

scheinlich von Gott kommen, nicht das geringste Recht über mich haben, zu einem unbedingten Gehorsam verbindlich machen, während daß ich mich demjenigen Gehorsam entziehe, den ich de-

D 5

nen,



Angelika

nett, die mir das Leben gegeben haben, .mein gan­

zes Leben hindurch schuldig bin?

Sie haben die­

ses Gesetz gegen ihre Aeltern befolgt, und sich

dadurch das Recht erworben, ein gleiches von ih­ ren Kindern zu fordern; und wenn ich ihnen durch

meine

Entfernung den

Rechts entziehe, halte»? Angelika.

Genuß

dieses

wer wird sie dafür schadlos Mein Herr, dieser Punkt be­

trifft mich ganz allein; und es scheint eben nicht, als ob Sie mich dabey sehr schonen wollten.

Aber wenn id) das Klosterleben erwähle, so gei horche ich hierunter Gott selbst,

Beruf dazu gegeben hat.

der mir den

Sind Si» nicht die­

ser Meynung? St. Val.

Ja, Mamsell.

Aber würde»

wir bey diesem Gehorsam gegen Gott nicht noch

verdienstlicher handeln, wenn wir unsre Frey­

heit, die eigentlich das wahre Verdienst des Ge­ horsams ausmacht, beybehielten.

Warum ist

man nicht stark genug, sich in der Welt selbst

der Welt zu entziehen, ohne sich Fesseln anzule­ gen, die man nachher nicht mehr abwerfen kann.

Sollte dieses unmöglich seyn? Angelika« Zch glaube es.

St. Val.

Vergeben Sie mir, Mamsell,

daß ich nicht ganz ihrer

Meynung bin;

denn mei-

27

oder ber falsche Beruf.

meines Entschlusses ohngeachtet ruft mir meine

Vernunft manchmal

zu: Unglücklicher,

was

willst du thun! Laß die Welt, ohne sie zu verlast

lebe frey an einem stillen Orte,

den du

durch deine guten Werke heiligen wirst.

Wenn

fen;

Rechtschaffenheit und Tugend fliehen, und sich

verbergen, muß man ihnen da nicht den Vor,'

wurf machen,

daß sie

dem Laster

das Feld

räumen?

Angelika.

Diese Betrachtungen sind eim

leuchtend; und ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß

ich noch nicht darauf gefallen bin.

St. Val.

Wir haben nur noch eine ein;

zige über das Gelübde der Keuschheit anzustellen, die mich wenigstens eben so sehr beunruhiget, als

die, welche ich

Ihnen itzt vorgetragen habe.

Die Sinne kommen dabey

gar nicht in An­

schlag; und nur um deshalb unterstehe ich mich

sie Ihnen mitzutheilen.

Angelika.

Ich kann Sie auch nur unter

dieser Bedingung anhören.

St. Val.

Ich empfinde es, daß mein

Herz fähig ist, alle menschliche Tugenden aus-uüben; und fürchte sehr, ich möchte es einst in

nw

28

Angelika

meinem Kloster bereuen, haß ich das süße Glück, Vater von Kindern zu seyn, auf die ich eben diese Liebe zur Tugend, die mich beseelt, hatte forrr pflanzett können, verscherzt habe, Was für eine Befriedigung muß es nicht seyn, in Gemeinschaft mit Gott selbst zu wirken, und indem man in seinem heiligen Gesetze wandelt, Wesen zu zem gen, die dazu bestimmt sind, ihm M dienen und ihn anzubeten! Was für ein Glück, mit einer tugendhaften Frau das so wichtige Geschäfft der Erziehung von Kindern zu theilen, in welchen die Aeltern sich gleichsam wieder aufleben sehei^; beyde sagen zu können: Ohne uns würden diese Geschöpfe dereinst nicht des ewigen Heils ge­ nießen, das ihrer wartet ! Ach! Mamsell, was für einem großen Glück wollen wir entsagen!

Angelika. Mein Herr, ich kann es Ih­ nen nicht bergen. Sie setzen meine Seele in Unruhe, und erfüllen sie ganz mit Bildern, die' mich rühren, mich in Bewegung sehen, und die ganze Starke meines Entschlusses erschüttern. St. Vak« Ich sehe mich wider meinen Willen in einen gleichen Zustand; und es scheint, als wenn meine Betrachtungen wider mein Vor; haben

oder der falsche Beruf.

^9

haben Eingebungen von Gott rodretu

Ja viek

leicht würde ich so weit gehen, diese- äußerste

Mittel

aufzugeben, wenn ich eine tugendhafte

Frau fände, deren Seele des eiteln Lärms der Welt und

ihrer

gefährlichen

gleichfalls überdrüßig,

Vergnügungen

und dabey stark genug

wäre, sich mit mir aus diesem gefährlichen Wirr

bel in eine anständige Einsamkeit zu entfernen. Die heilige Vereinigung dieser Seele mit der

meinigen würde unser Glück

machen;

unsre

Tugenden würden durch die Uebereinstimmung und durch die tägliche gemeinschaftliche Uebung stark werden:

wir würden alle das Gute thun,

was die Menschheit in ihrer Freyheit zu thnn

fähig ist, und unser Leben würde zugleich glück­ lich und verdienstlich seyn.

Angelika.

Ach! mein Herr, ich hätte niee

mals geglaubt, ein Herz wie das Ihrige zu finr den.

Ich kann nicht länger widerstehen:

sie

finden sie in mir, diese tugendhafte, rechtschaffe­ ne und zärtliche Frau : ich biete sie Ihnen au.

Sie haben mir Ihre Empfindungen so lebhaft

gezeigt, daß Sie mich aus mir selbst gerissen, und mich überzeugt haben, daß man in der Well wirklich glücklich seyn kann, ohne seine Tugend,

und

so

Angelika

und das, was man der Natur, sich und Gott selbst schuldig ist, auf das Spiel zu setzen.

Mad,

Das hübsche Dienstmagdchen

z6

Mad. Dübürston ! von Herzen gern, mein Herr,

Babet.

wenn Sie inich nicht quälen wollen, so will ich hier bleiben, »nd Ihnen alles geben, was Sie brauchen» Hr. Dorn.

Babet.

Das meyne ich nicht.

Und was denn?

Hr. Dorn.

Ich meyne, sie soll sich mit

mir zu Tische setzen. 9hm ja! das Ware schön, dafür

Babet.

will ich mich wohl hüten.

Wahrhaftig, es würr

de schön lassen, wenn ich als Magd den Platz der Frau cinnehmen wellt». Hr. Dorn. Wenn meine Fran nicht zn Hause ist, r.izende Babet, so ist sie nicht mehr

Magd;

ihre Schönheit macht sie zur Frau.

(Er zieht sie zu sich, und will sie umarmen).

Babet,

ich bete fle an.

Babet cwm n* l»r«achen.) Ach, mein Gott! ist es möglich! Hr. Dorn (hätt sie iariiM.

Za, meine lieb«

Freundin», ich bete sie an.

Babet (macht sich los.)

Wie unglücklich bin

ich! (Sie lullst davon und weint.) Hr. Dorn. Nun! wo will sie denn hin? Babet.

Auf die Straße, mein Herr, ja,

auf die Straße, wo

ich sicherer seyn

werde.

odet der Mann auf der Probe.

47

Hr. Dorn. Gut, mein Kind! das ist vorbey: ich will ihr nichts mehr sagen, auf meine Ehre. Babet. Wenn Sie mir noch einmal nicht Wort halten, so wird es das letztemal seyn. Hr. Dorn. Zch will meinen Schlafrock anziehen, und wieder herunterkommen.

(Er geht ab).

Fünfter Auftritt. Babet (allein).

Wie, ist es möglich, daß ich nirgends einen

Dienst finden kann, wo mich die Mannsleute

nicht plagen! Dieser quält mich eben so wie der Parfümeur, vondem ich habe wegziehen müssen:

dies ist nun schon das dritte Haus, das ich verl

lassen muß, weil der Herr mir von Liebe ver­ spricht.

Wie unglücklich ist man doch, wenn

man ein wenig schön ist! Wie! um deshalb soll ich nicht ehrlicher Weise meinen Unterhalt ver,

dienen können? Ich suche mich ja bey ehrlichen

Leuten zuvermiethen: man sagt mir auch, daß sie es find. •—

Ehrliche Leute! sollten die su­

chen ein armes Dienstmagvchen zu verführen,

die nichts als ihre Tugend im Vermögen hat, und die von ihrer Hande Arbeit leben muß.

Es

ist beschlossen, wenn das so fortgeht, und wenn

ich auch dieses Hans wieder verlassen muß, fr kehre

48

Das hübsche Dieristmägdchen

kehre ich auf das Land zunick , und baue das Feld: eS wird mir saurer werden ; aber ich wen de doch nicht so geplagt seyn. Ach! arme Ba, bet, wie schwer ist es doch in diesem Lande, ein ehrliches Magdchen zu seyn, und selbst bey ehr­ lichen Leuten.

Sechster Auftritt. Dorn (im Schlafrocke.) Badet. j£)r. Dorn (intern er die Vabet heraus gehen sieht.H Ws geht sie denn hin, Babet? Fürchte sie sich -nicht, sie wels ja, was ich ihr versprochen habe. Badet. Za, mein Herr, ich weis es, und ich verlasse mich darauf. Zch will nur das Ra­ gout vom Feuer nehmen, weil sie nicht davon elfen wollen. Hr. Dorn. Gur; aber komm sie wieder, sie hat nichts zu fürchten. (Dabei geht ab.)

Siebenter Auftritt. Herr Dorn (Mt M an ten Tisch, «uv spricht toa6< rend dem Eflen.)

Das Mägdchen wird mir noch den Kopfven rücken, und mich noch zu einem dummen Streich verleiten, wenn ich nicht auf meiner Huth bin. Was

oder der Mann auf bet* Probe.

4$

WaS für eine frische Farbe! was für eine runde reizende Gestalt! wie schön muß Nicht das alles unter der Leinwand seyn! Aber sie ist rügend haft! sie will es bleiben; und ist es nicht eine äußerst grobe Empfindung, eine unverzeihliche Brütalite", ein armes tugendhaftes Dienstinägdchen, und die dabey so freymüthig ist , zu Falle bringen zu wollen? Za ohnstreitig; aber sie ist so hübsch —- Ach! Babet, werde ich widersteh hen können, und sie gleichwohl alle Tage vor Augen haben? Ich weis Nicht — ich Muß sehen —

Achter Auftritt. ^cvv Sollt.

Badet.

Hr. Dorn. Nun! Dabet, sie will sich aU so Nicht mit mir an Tisch sehen. Babet, Ey, nicht doch, mein Herr/ Sie bedenken nicht/ was Sie sagen. Hr. Dorn. Sage sie vielmehr meine titf be Babet, ich denke nur zuviel daran. Za,ich denke Tag und Nacht an sie mit dem größten Vergnügen.

Badet. Wenn es nur darum geschieht/ uni mich zu verachten, um mich zu ernie­ drigen, so würden Sie besser thun, ganz und v.Moift U. «hD gat

jo

Das hübsche Dienstmägdchen

zar nicht daran zu denken; oder ich werde gezwun­ gen seyn, morgen von Madame weinen Abschied

zu fordern, und Ihr Haus zu verlassen, wo

man mir doch versprochen hat, mich ordentlich zu halten.

(Man hört ein Geräusch, welches Madame Dorn macht, indem sie Liber- den Hof sich in das Cabinet versteckt.) Hr.Dorn. Was ist das, was ich höre? Bubet.

Es ist die Katze, die alle Abende

auf das kleine Dach, das auf dem Altan ist, zu

springen pflegt. Hr. Dorn. böse auf mich.

Nun! Vabet,

sey sie nicht

Lasse sie es gut seyn, ich liebe

sie; aber ich habe auch Hochachtung für sie — und ich — Ich will mich zeitig zu Bette legen:

auf meine Frau darf sie heute nicht warten. Bubet. Sie hat mir gesagt, daß ich zu Bette gehen könnte;

sie warten., Hr. Dorn.

aber ich werde doch auf

Nein, sie will es nicht haben;

und ich verbiete es ihr.

Nehme sie ab, und

lege sie sich zu Bette, wenn sie es gemacht hat: sie ist den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, sie

muß müde seyn. Bubet (indem sie dcn Tlsch abdeckt.)

Gut,

mein Herr, das ist mir gesund, und ich thue dabey nichts als meine Schuldigkeit.

Hr.

öder der Mann auf der Probe.

$t

Hr. Dorn. Lege sie sich zu Bette, sage ich ihr; aber da ich morgen sehr früh arbeite» will, so riegele sie nicht die Thüre zu, damit ich durchgehen kann, ohne sie aufzuwecken. Babek. O! mein Herr, ich werd« «her auf seyn, als Sie. Hr. Dorn. Warum das? Nein, gewiß nicht, ich werde vielleicht noch vor Tage aufsrehen. Babek. Nun gut! mein Herr, so belle« bett Sie anzuklopfen, ich werde Zhnen auf­ machen. Hr. Dorn. Babek, sie ist noch mißtrau« isch gegen mich, und sie hat Unrecht; sey sie ru­ hig — Gute Nacht, Dabet; lege sie sich zu Bette, ich werde eben das thun. (Er geht «6.)

Neunter Austritt. Badet (allein.) Endlich werde ich doch einmal Nuhe haben. Madame wird vielleicht bald zu Hause kommen; ich will indessen immer mein Bette machen.

Zehenter Auftritt. Madame Dorn. Babek Babek (erschreckt«.) Ach! mein Gotr, was ist denn hier, wer ist da?

D a

Mad.

52

Düs hübsche Dienstmägdchen Mad. Dorn.

dich nicht.

Zch bin es. Dabet, fürchte

Zch bin über den Hof hier in daS

Cabinet gegangen, und habe

ausgezogen.

mich

ganz sachte

Ich habe genug gehört, um zu

wissen, daß mein Mann in dich verliebt ist, und dich vielleicht noch diese Nacht oder morgen früh überfallen wird. Babet. O! Madame, seyn Cie versichert/

daß es ihm nichts helfen wird. Mad. Dorn. Ich zweifle nicht an deiner Tugend,

meine liebe Babet;

aber damit du

völlig ruhig seyn kannst, und, um ihn über bitt

feil Punkt zu bessern, so lege dich diese Nacht

auf das Ruhebette in dem kleinen Cabinette, und ich will deinen Platz hier einnehmen, und wenn er kömmt, so wollen wir schon sehen -— laß mich

nur machen, ich will ihm schon den Text lesen.

Babet.

Von Herzen gern, Madame! aber

es würde mir doch leid thun, wenn ich unschul­ diger Weise zu Streitigkeiten zwischen Ihnen beyden Gelegenheit geben sollte: ich will lieber/

wenn es mein Unglück so haben will, Zhr Haus-

verlassen. Mad. Dorn.

Nein, mein Kind, ich hof­

fe, so weit soll es nicht kommen.

Mache nur,

daß du mit deinem Bette fertig wirst, ich will mich ganz angezogen drauf legen, alö ob du es

wärest.

oder der Mann auf der Probe,

zz

wärest, die mich erwartete; ich werde das Licht auslöschen, damit mein Mann, wenn er kömmt, eS nicht gewahr wird, dast du es nicht bist.

Das ist sehr gut ausgedacht. Ser

Badet.

hen Sie , Madame, mein Bette ist fertig : es wird sich nicht so gut darauf liegen lassen,

als

auf dem Ihrigen — O! daran ist nichts gelegen,

Mad. Dorn.

ein Paar Stunden werden mir eben nicht schwer Fort, geh geschwind in mein Cabinet,

fallen.

und lege dich nieder, wie du kannst; es ist Helle ges

nug durch die Fenster, um deine Anstalten zu machen.

Babet.

0! Gott ja.

Mad. Dorn.

Gute Nacht!

sprich nicht

m Wort.

(Vabet schließt die Thiir hinter sich zu.) -

Oster Auftritt. Madame Dorn (allein.) Ach! mein lieber Mann, Sie werden schön

anlaustn, wenn Sie, wie ich alle ttrsach habe zu glauben, hieher kommen, um Badet zu liebkos

sen.

Sie werden mir die That nicht läugnen

können, und ich werde aus der grausamen Um gewißheit kommen, worinn ich über Ihre Art zu denken bin.

.

Sie- werden mich eifersüchtig

D z

nenr

54

Das hübsche Dicnstmögdchen

nennest, aber wenn ich unglücklicher Weise Urc fach dazu hatte, würden Sie mich nicht ent­

schuldigen müssen, wenn Sie anders noch die ge­

ringste Freundschaft für mich, und die geringste Achtung für unsre Verbindung haben? Eine Magd verführen zu wollen — Ich zittere über und über — Zch fürchte, diese Probe werde sthlimm ausschlagen.

Aber wenn gleich, ich

werde doch wissen, wie ich dran bin.

Zch muß

nur den Riegel zurückschieben, damit, wenn er herunter kömmt, er, ohne daß ich aufmachen

darf, als wenn e- Babel wäre, hereinkommen kann.

Ich muß das Licht auslöschen.

(Gie löscht das Licht auS, und legt sich in ihren Kleidern auf der Badet Bette.) Wenn ich wüßte, daß er vor morgen früh nicht herunter käme, so wollte ich versuchen, ob ich einige Stunden schlafen könnte.

Ja, schlafen,

wenn man in einer solchen Unruhe ist, als ich, kann man das auch? Zch glaube, ich muß nur —

; feil, wir eben so wenig als sie dazu geschaf­ fen sind, aus Furcht, nicht unsre Schuldigkeit

zu thun, Sklaoen zu seyn. Hr. v. Cromon. Ha! ha!

mich in Erstaunen:

Cie

setzen

Sie haben sehr geschwind

die hehr Miene angenommen, die Sir sonst noch niemals angenommen haben.

Ich weis, die

Frau von Forville ist seit kurzem vcm Lande zurück gekommen; und ich verlange, Madame,

daß Sie «uv aufrichtig gestehen, bey Ihnen gewesen ist.

ob sie schon

Sie werden mmp

hig —

Frau v. Cromon.

Der gebieterische Ton,

in welchem Sie mir diese Frage thun, ist dazu

hinreichend. Hr. v. Cromon.

Sie schienen bey meinem

Eintritte in Verlegenheit zu seyn

»»dich möchte

fast daraus schließen, daß ich Sie mit jemanden überrascht habe, der an allen diesen schönen. Ent­

schlüssen schuld ist. Frau v. Cromon.

Mein Herr, Sie kön­

nen davon glauben, was Sie wellen: indessen habe ich nur Ähren Ton angenommen, und ich

sage Ihnen zur N.achrlcht, daß ich es immer s»

halten werde. Hr.

Die verschlagnen Weiber. $r. V. Cromon.

Ihr Cabinet tragen. Frau v. Cromon.

107

Zch will diese Stesse in

Nein, lassen Sie sie

liegen, ich will sie erst noch bey Tage besehen. Hr. v. Cromon. Sie können sie immer wieder heraiiS holen, Frau v. Cromon.

Nein, noch einmal —

Hr.v. Cromon «ehr auf da« Cabinetzu.) Sie werden mir doch wenigstens erlauben — Frau v. Cromon. Ilm Vergebung, ge?

hen Sie nicht in mein Cabinet — Hr. v. Cromon. Und warum? Frau v. Cromon (In $8erfegcn6eit.)

Zch ha­

be darinn etwas verschlossen, das Sie nickt zu

sehen brauchen.

Zch suche nicht in dem Ihri­

gen : also w* Hr. y. Cromon.

Sie

haben darinn tti

was verschlossen, das ich nicht sehen soll; und

das will ich just sehen. Frau v. Cromon.

Ich sage Ihnen, es

geschieht blos aus Achtung für Sie, wenn ich

Sie daran hindere. Hr. V. Cromon (äfftet das Cabinet). verschlägt nichts;

Das

die Gefahr will ich ausr

siehem

Zehen»

ioj

Die verschlagnen Weiber.

Zehenter Auftritt. Kran von Zorvilje «m ®ann«awt). Zrau von Cromon. Herr von Cromo»«. Frau v. Forville ct-.itt °u- d«mC-bin«t herver.) Sehen Sie mich denn also, mein Herr !

Frau v. Cromon.

0 Himmel!

Frau v. Forville (indem Herrn »en Bremen.) Vor allen Dingen aber bilden Sie Sich nichts ein, was der Hochachtung, die Sie Madame

schuldig sind, nachtheilig seyn könnte, Sie würr den uizs allen dreyen sehr unrecht thun. Hr. v. Cromon Qu feinet Frau.) Das nen­

nen Sie also etwas in Ihrem Cabinet verschlos­ sen haben? Frau v. Cromon.

Zch hatte, wie Sie se­

hen, llrsach, Sie zu bitten, nicht hinein

zu

sehen. Hr. v. CryMVN ck>ey Sette.) Was für eine Unverschämtheit! ich weis nicht, was ich anfanr

gen soll. Frau v. CroMVN C leise zur Frau von Forvikle.) Was haben Sie vor? St« werden mir einen schrecklichen Auftritt zuziehen. Frau v. Forville (leise zur Madame », Cremen.)

Nein.

Zch habe dein Mannökleid da gefunden,

und es soll mir wenigstens dazu dienen, Deinen

Mann

Die verschlagnen Weiber.

109

Mann von seiner Eifersucht zu heilen, und ihm so zu begegnen, wie eres verdient. (Laut tu dem Herrn t>. Cromon.)

Ich seht, mein Herr, wie sehr

Madame, ihrer Unschuld ungeachtet, über die­ sen Vorfall bestürzt ist, und ich muß daher ihr» Vertheidigung über mich Nehmen.

Nehmen

Sie mir es zuvörderst nicht übel, wenn ich mit Ihnen von der Frau von Forville spreche, wi­

der die Sie so sehr eingenommen sind, ohne sie zu kennen.

Ich kam blos, um Ihrer Frau Ge­

mahlinn von ihr Nachricht zu geben, und um Ihrem Befehle, sie nicht zu sehen, nachzukom­ men, habe ich v-elleicht nicht auf die schicklichste

Art, und wider meinen Willen in dieses Cabir net gehen müssen.

Hk. v. Cromdn.

Mein Herr, ich zweistt

art Ihrer Geschicklichkeit, dieser Sache einen Ant

strich zu geben, gar nicht; aber ich weis alles-

Was ich davon denken soll:

Frau H. Forville

also —

Ich muß su­

chen, ihm, wenn ich kann, ein wenig Furcht ein­

zujagen. (Saut.)

Hören Sie mich, mein Herr,

ich bitte Sie im ganzen Ernste, glauben Sit

von mir, daß ich mich nicht fürchts.

Fkätt

ho

Die verschlagnen Weiber.

Frauv.Cromon cbst nicht rin ich will eö? der nie­ drigste Sklave gewöhnt sich Nicht daran; und Ntuß man nicht eint Frau beklagen, in der man die Würde, unsre Gesellschafterinn zu seyn, auf diesen Grad beleidiget?

Die verschlagnen Weiber, Hr. v. Cromon.

Das kann

uz

seyn, mein

Herr! aber noch einmal, haben Sie die Gewo»

genheik —

- Frau v. Forvllte.

Nein,

mein Herr!

Ls mag daraus entstehen was Sie wollen. Da ich einmal diese Materie mit Ihnen angesan» gen habe, so werden Sie so gütig seyn, mich auszur

hören.

Es ist mein Schicksal, selbst mein Leben

wider die ungerechten Männer zu wagen; und ich bin bereit, es zu erfüllen.

Frau v. Cromon cm» Krau «»o s»rvme.r

Ihr Eifer, mein Herr, für bas Beste der Da» men

verdient, daß man Ihnen beysteht; und

mgu muß gestehen, daß eine Frau, die ihr Mann so wenig schätzet, daß er nichr das geringste Zu»

trauen zu ihr hak, sehr zu beklagen ist. Hr. v. Cromon cm sedier Frau.)

Was! Sie

haben auch bi« Verwegenheit — Frau v. Forville (Mast.) Und der Mann

wtll es übel Nehmen, wenn sich seine.unglückli»

che Frau beklagt! Was für eine Tyranney! Frau v. Cromon.

Die Männer ehren

uns durch eine solch« Aufführung mehr als sie glauben:

sie fordern von uns, daß wir ihnen

v.motsyurh.

H

getreu

i i4

Die verschlagnen Weiber,

getreu seyn sollen, und halten also vermuthlich dieses für eine Pflicht, die nicht über unsre Kräfte ist. Frau v. Forville. Za; aber wenn sie nun selbst nicht einmal so stark sind, haben sie als« dann wohl Recht alle Gemächlichkeit des La­ sters für sich zu behalten, und ihnen alle Be­ schwerlichkeiten der Tugend zu überlassen?

Hk. v. Cromon (bei) Seite.) Zch kann eS nicht länger aushalten; und mein gerechter Zorn —

Eilfter Auftritt. Herr und grau von Cromon. Herr und Frau «von Forville.

Hr. v. Cromon Qu »einOtmt e»ntf»n>itk.> Ha! Sie kommen eben zu rechter Zeit; kennen Sie den Chevalier Dorimon? Hr. v. Forville. Ohne Zweifel. Es ist ein recht braver Mann: mein weitläuftiger Ver­ wandter und sehr guter Freund; Er ist mehr als 200 Meilen weit von hier.

Hr» v. Cromon. Ja, für Sie; aber für Ihre Frau, und vielleicht auch für die meinige ist

Die verschlagnen Weiber, x 1 f ist er in Paus. Da ist er, den ich Ihnen als — Hr. v. Forville. Wer? der Herr da? Ich dachte gar

das ist — das ist die Frau

von Forville. Hr. v. Cromon.

Wie, die Frau von Fori

vilie? Ihre Frau? —

Hr. v. Forville. Za

freylich, meine Frau: ich werde sic doch wohl kennen. c5n de» beyden

Damen.)

Sie haben sich vermuthlich das Ver­

gnügen machen wollen, zu sehen, ob mich auch

die Kleidung trügen könnte;

aber ein Mann

kennt seine Frau überfiüßig, sie mag sich ver­

kleiden wie sie will. Frau v. Forville (zu dem Herrn vsn Cromon.) Nun, mein Herr, haben Sie eine schätzbare

Frau noch im Verdacht?

Hr. v. Cromon (bey Serie.)

Ich habe mich

wie ein Narr anführen lassen. Hr. v.

Forville.

Wie!

hast Du Dir

wirklich einfallen lassen, überden kleinen Rit­ ter da eifersüchtig zu seyn? Ha! wahrhaftig, ich

rathe'Die, klage auf die Scheidung — Ha! Du bist schön angeführt worden — Ich sehr es—H 2

das

ii6

Die verschlagnen Weiber.

das ist ein Streich, den sie Dir gespielt haben. Wahrhaftige Du verdienst es wohl: ich muß darüber lachen, ha, ha- ha! 0! ich werde noch lange darüber lachen.

Frau v. Cromon. Und Sie werden es mit Recht thun, mein Herr! aber es ist billigdaß ein jeder nach der Reihe lache; und damit mein Mann gerachet werde, so will ich mich in Ihrer beyder Gegenwart von einer Schuld losmachen, die mir sehr ernstlich ist, die aber mei­ nen Mann vielleicht auch kann zu lachen machen. Madame, hier sind 100 Louisd or, die ich Ihnen im Namen Ihres Herrn Gemahls zu Ihren Kleinen Ergötzlichkeiten einhändigen soll: er hat sie durch meine Hände gehen lassen, weit er sich mcht getrauet hat, sie Ihnen selbst anzubieten, und er wird Ihnen künftig nicht mehr so selten das Geld zeigen. Sollten Sie künftig dessen bedürfen, so wenden Sie Sich nur an mich: ich habe ihm so starke Empfindungen eingeflößt, daß er mir sein Vermögen für mich und für mei­ ne Freunde angeboten hat. Diese looLouisd'or sind mein Probestück, und ich habe es, wie Sie sehen, nicht schlecht gemacht. Hr. v. Cromon. Wie! Sie sind so ge­ schickt gewesen, ioo Louisd or für seine Frau vvtt

Die verschlagnen Weiber. von ihm zu dieser Streich

ziehen?

117

Mein lieber Forville,

ist wenigstens eben so

gut, als

die Verkleidung, und ich lache auch von ganzem

Herzen darüber, ha, ha, ha!

Hr. th Forville (InVerwirrung.) me — aber — Sie wissen —

Madar wahr­

0!

haftig ich bin auch angeführt — Komm, mein lieber Cromen, laß uns sie umarmen, diese bey­

de Frauen sind gewiß so viel werth, als zwey

andre.

Frau v. Forville (r» Ihrem Manne.)

Mein

liebster Freund! mir kömmt es zu, Ihnen für die Gütigkeit zu danken, die Sie für Madame

gehabt haben.

Fahren Sie damit fort,

um

diesen Preis will ich es Ihnen vergeben.

Hr. v. Forville. Gut, ich gestehe, daß ich diesen scherzhaften Vorwurf verdiene: er giebt mir meine Vernunft wieder.

Cromon, willst

Du mir glauben, so laß uns durch diese beyden

Vorfälle klüger werden, und uns angewöhnen unsern Frauen anders zu begegnen; und damit

sie nicht werter nöthig haben ihren Witz aufzu­

bieten, um uns zu hintergehen, so laß Lu Dei­

ner lieben Hälfte mehr Freyheit, und ich wrll

per meinigen mehr Geld geben.

H 3

Frau

US

Die verschlagnen Weiber.

Frau v. Forville. Das ist das Beste, was Sie beyde thun können. Frau v. Cromvn. Za; und wir, wir versprechen Ihnen, weder das eine ncch daS an­ dre zu mißbrauchen. -

Frau v. Forville. Aber erinnern Sic sich, baß zwischen Mann und Frau es allezeit heißen kann: Wurst wieder Wurst.

Die

beyden Officiere.

Personen. Der Marquis von Morose, ein Staabsoft ficier, der seinen Abschied genommen hat, vierzig Zahr alt.

Httr von St. Felix, kapital« und Ver­ wandter des Marquis, zwey und zwanzig Jahr alt.

Frau von Clorinville, eine junge Wittwe, undVerwandtinn deS Marquis. ja Gaiete, Kammerdiener des Marquis, Die Scene tft auf dem Lande, odnwett Part-, In dem Ecklosse deS MarquiS von Morose; und die Handlung -eyt de- Morgen- um acht Uhr mi*

Die

beyden Officiere.

Erster Auftritt. Der Marquis von Morose

(allein.)

(Sitzt tm Schlafrocke neben einem Schkeibepult, auf dem man verschiedne gedruckte Blatter, eine Hiwmelskugel und mathematische Instrumente sieht.)

st bin ich wieder der erste stuf in meinem Hause, und immer der unglücklichste yon allen. St, Felix riech mix gestern Abend, des Morgens zu lesen, als ein sicheres Mittel, in dieser Stunde keine Langeweile zu haben; aber sein Recept taugt nichts: ich habe da die ange­ nehmsten Romane, was für abgeschmacktes Zeng! ich sehe alle Begebenheiten vorher. Ich suche mich durch die Werke unsrer besten Mora­ listen schadlos zu halten, und ich finde immer bey allen einerley. Zch suche etwas neues für mich in den sogenannten Wissenschaften, und ich finde es auch; aber es ist so beschaffen,.daß es entweder mir nichts nutzt, oder mich ermüdet. H 5 Was

122

Die beyden Officiere.

Was soll ich also thun? Ich will das erste da­ beste Buch nehme«» — (Er nimmt ein gebundenes Buch und liest.)

Sidney. (Er liest weiter) 3m Lärm der worinn mein Lebsn HingessHsen, ' Da hab' ich alles schon gesehn, geschmeckt, genossen; Die Roll' ist ausgespielt, die mir da- Schicksal gab« O, träte jeder nur* wie ich, bey Zeiten ab; Wir würden wenigstens dem Ueberdruß entgehen, An vielen Leuten uns zum Ekel satt zu sehen. (Er macht da- Buch zu und sagt.)

Er hat Recht.

Seitdem ich meinen Abschied

genommen habe, ungeachtet ich noch jung bin,

ist das meine Situation.

Wohin wirb sie mich

noch bringen? (Er steht»nützlich aus.)

Niemals

dahin, baß ich vergessen sollte, was ein ehrlicher Mann der Gesellsihaft und sich selbst schuldig ist. Holla! La Gaiere.

Zweyter Auftritt. Der Marquis von Morose. La Gaiere. ja Gaiete c»h»« hervor,»ko«»,«.)

Gnädiger

Herr! es geht hier Jemand. Der Marquis.

Mach fort, c s« stet

m.>

jaTaiete (halb ange,»-en, und Intern «r sich v»l» dnr«an,i»he.)

Da bin ich, gnädiger Herr! Aber

was hat Sie so früh aufgeweckt?

Der

Die beyden Ofsiciere.

.123

Der Marquis (der sich auf seine Hand grstüht hat.)

Die Langeweile. La Gaiete. Die Langeweile! Wie! diese Krankheit verfolgt sie auch im Schlafe. Mir wird niemals die Zeit lang, wenn ich schlafe, und wenn mir die Zeit lang wird, so schlafe ich. Der Marquis. Laß deinen Cpaag bey Seite. Ja, sogar im Schlafe wird mir die Zeit lang. Schwache Träume suchen umsonst mich zu erquicken, denn wett ich nicht recht schlaff so wache ich davon auf. Ich stehe auf, ohne zu wissen, wie mir ist, und ohne zu fühlen, ob ich geschlafen oder geträumt habe. La Gaiete. Ich weis, gnädiger Herr, Sie sind sehr zu beklagen, aber wissen Sie auch, daß Sie mich fast eben so unglücklich machen? Der Marquis. Wie so? La Gaiete. Sie lassen mich, wie Sie se­ hen, zu einer ganz ungebührlichen Stunbe auf­ stehen, kaum ist es acht Uhr; hundertmal des Tages höre ich Ihre Stimme wie eine Glocke-, und wenn ich komme, so ist es nichts, besonders seitdem Sie mir den schönen Namen La Gaiete ge­ schenkt haben, ohne Zweifel, dainit die Leute sollte« sagen können, daß, unerachtct Ihrer Traurigkeit, Sie doch die Freude allenthalben begleite: Sie sind mir beständig zuwider, und haben doch nicht das

r»4

Die beyden Offieiere, Ich habe im;

das geringste Vergnügen davon.

Pier gehört, gnädiger Herr, die Langeweile seh

eia Uebel, das man sich selbst -»zieht;

und ich

fürchte — Der Marquis cverdriißnch.) Schweig; und

hole mir den Herrn von St. Felix. ja Garere.

Er wird aber noch nicht auf

seyn, gnädiger Herr: Sie wissen besser, als ich,

daß ein Ofsicier in den Winterquartieren den

Schlaf wieder einzubringen sucht, den er im Fel; de emgebüßt hat. Der Marquis.

Sage ihm, daß ich etwas

sehr wichtiges mit ihm j» sprechen hätte. Nun! wirst du gehen?

ist Gaiece.

Ich muß wohl — (Er geht ab).

Dritter Auftritt. Dep Marquis (ayrin, sehr langsam.) Ueber alles, was um mich ist, verbreite ich den

Verdruß Aber meinen Zustand, und selbst das Schicksal dieses elenden Bedienten beneide ich, denn wenigstens ist er in seinem niedrigen Stan;

de zufriedner als ich.

Vielleicht findet St. Fe;

lix ein Mittel, mich aus dieser schrecklichen Sir

tuation zu reissen.

Wie ist es möglich, daß ich,

hey meinem Vermögen, bey meiner so ziemlir

chen

Die beyden Ofstciere. chen Gesundheit,

125

ohne Unruhe und Geschaffte,

und völlig mein eigner Herr, mir doch das Le­ ben nicht angenehm machen kann? Ich begreife

es nicht.

Vierter Auftritt. Der Marquis.

La Gaiete.

Nun, hast du den Herrn

Der Marquis.

von St. Felix gesprochen?

ja Gaiete.

Ich wußte es wohl, gnädiger

Herr! es ist noch nicht Tag.

Der Marquis.

Hast du seinem Bedien­

ten gesagt, daß du von mir kämest, und daß die Sache keinen Aufschub litte? ja Gaiete.

Nein, gnädiger Herr!

Der Marquis.

Und warum nicht? hatte

ich dir es Nicht befohlen. ja Gaiete.

Ja, gnädiger Herr; aber es

war bey seinem Herrn Bedienten eben so wenig schon Tag. Der Marquis.

Du hast also niemanden

gesprochen? , ja Gaiete.

Doch, ich habe jemanden ge­

sprochen. Der Marquis.

Und wen ?

La Ga«

las

Die beyden Ofreiere.

La Gaiete. Den Herrn von St. FeliZ selbst. Der Marquis. Und wie das? Wenner noch Nicht auf gewesen ist. in Gaicte. Sehen Sie, die Cache wr;

halt sich so.

Da ich sah, daß es sowohl bey

dem Herrn,

als auch bey dem Bedienten noch

nicht Tag war, so ließ ich mir einfallen, durch das Schlüsselloch von der Stubenthüre des Herrn

von St. Felix zu gucken.

Ich sah ihn ganz

angezogen an einem großen Tische sihen, der mit Landcharren, mit Rissen, lind mit mathematischen

Instrumenten bedeckt war.

Er sah aus wie ein

General, der dem Feinde

eine

Schlacht Vut

fern will.

Der Marquis. La Kaicte.

Nun!

Nun! ich klopfte an die Thü­

re: er ließ die Feinde einen ÄugenblickinRuhe, machte mir auf, mib gab mir auf meine Bestel­ lung zur Antwort, daß, da Sie es waren, der

ihn sprechen wollte, er Ihnen nichts abschlagen könnte; daß'er aber ausserdem sich den ganzen Vormittag von niemanden würde haben spre­

chen lassen.

Aber, da ist er schon : Sie können

nun von ihm selbst erfahren, ob es wahr ist. Der Marquis. Geh, und sorge, daßunr niemand sivrr»

La Ga-

Die beyden Ofsiciere.

127

!a Gaiete cbe» Seite.) Mein Herr wird noch närrisch werden, wenn der Herr vvn Sk. Fe­ lix nicht ein Mittel dawider findet. (Er geht ab.)

Fünfter Auftritt. Der Marquis von Morose, Sr. Felix.

Hr. v. St. Felix.

Herr von

Was für eine wichti­

ge Sache, mein lieber Vetter, bewegt Sie denn, mich so früh holen zu lassen? La Gaiete hak seine Bestellung auf eine Art angebracht, die

mich wegen Ihrer Gesundheit in Furcht setzte.

Der Marquis. lieber Freund.

Und das mit Recht, mein

Ich bin zwar nicht krank, aber

es giebt viele Kranke, mit denen ich gern meine Situation vertauschen würde.

Hr. v. St.Felix.

Was für ein Räthseli

was wolle» Sie damit sagen? ’ Der Marquis.

Setze Dich-

Ich will es Dir erklären.

(Sir setzen sich beyde.) Meine schwer»

mülhige Traurigkeit, die Du mir so oft vorge» werfen hast, und die Deine Freoqdschaft für

mich ost gemildert hat, ist itzt auf einen Grad gestiegen, daß ich nicht niehr weis, was ich an. fangen soll.

Du weißt, daß ich einige Kennt­ nisse

jag

Die beyden Ofsiciere.

nl(fe habe; ich habe eine Zeitlang meine mögt-'

Diese

Sen Stunden dem Studieren gewidmet.

dem Anschein hat

mich

nach angenehme

unvermerkt

einer

Beschäfftigung Philosophie zu­

geführt, die mir gewissermaßen Genüge that;

aber dieses Studieren, und diese Philosophie, sind vermuthlich nicht von der rechten Art r beydes

hat mir wenig genützt.

Ich bin in eine Art

von Verdruß versenkt, der mein ganzes Daseyn

verzehrt, und der mich mitten in dem Wohl­

stände , den mir mein Vermögen verschafft, zum Unglücklichsten Menschen macht. Hr. v. St. Felix. Was für eine Grille! ich muß lachen, daß Sie dieses eingebildete Un­ glück so ernstlich Nehmen. Der Marquis. Was nennst Du,

einge­

bildet ? es ist so wirklich, daß, wenn ich nicht ein

ehrlicher Mann wäre, wenn inich nicht die Ver­ bindlichkeiten der bürgerlichen Ordnung,

und

die Ehrfurcht für das, was unter allen düs ehr­

würdigste ist, zurück hielkeit, ich in manchen Au­ genblicken nicht für mich stehen würde. Hr. v. St. Felix.

Ol in der That, da­

ist Ernst; aber doch werde ich mit laubniß

diesen

Ernst nur

Ihrer Er­

im Scherz

auf­

nehmen.

Der

Die beyden Offickrre.

rrs

Der Marquis. Nimm es wie Du willst, nur heile mich von diesemUebel,oder mache mich wer uigstenS durch deinen Rath mir selbst erträglicher. Hr. v. St. Felix. Hören Sie; Sie erine nern Sich ohne Zweifel noch der Zeit, da Sie Sich meine weitere Beförderung angelegen seyn ließen, ungeachtet Sie selbst noch nicht mehr als ein junger reicher Oberster waren. Die Comr pagnie,die Sl«mir unter Ihrem Regiment« verr schafften, war die erste Ihrer Wohlthaten gegen mich, und auf diese folgten tausend andre, so, baß ich alles was ich bin, Ihnen zu verdanken habe. Der Marquis. An was erinnerst Dn mich da? Ich bin es, der Dir danken muß, daß Du mir das Vergnügen verschafft hast, dem Für« sten und dem Staate einen braven Officier gee den zu können, und dies Vergnügen ist da- eine zige, für welches ich noch empfindlich bin. Hr. v. St. Felix. Da- einzige! viel­ leicht. Bem sey aber wie ihm wolle, fi> sehen Sie doch, daß dieses wenigstens schon eine Neie gung ist, die ich in Ihrem Herzen entdecke; daß sie nicht so vernichtet ist, al- Sie glauben. Aber lassen Sie uns aufIhr Gemüth kommen, denn das ist das wichtigste. Sie hatten damals das angenehmste Wesen von der Welt; die Dee v.MoiftUTH. I schäfftie

i3o

Die beyden Ofsscicre.

schäffrignilgen des Dienstes, die Begierde, Ihren Weg darinn rühmlich zu vcvfe'ßcn, die Leichtig-

feit, die Ihnen. Ihr Vermögen darbot, sich die­ sen Weg durch Vergnügungen mit. Blumen zn

bestreuen, alles dieses machte Sie zu dem angenehlirften und glücklichsten Mann von der Welt.

Der Marquis. Hr. v. St. Feliz'.

Das ist wahr. Dieses glückliche Le­

ben haben Sic so lange genossen, bis ein ge­

gründeter oder ungegründetcr Ekel Sie dahiir

vermochte, den Dienst aufzugebcn. • Der Marquis. Ich kann es nicht laugnen. Hr. v. St. Felix.

Sie glaubten, daß Ihr

Ehrgeiz, den «ine Philosophie,- die bey Ihnen nur

geborgt war, nur schlecht gedampft hatte, Cie nicht weiter beunruhigen würde; daß Cie noch

glücklicher seyn würden, wenn Sie Sich täg­ lich den Ergötzlichkciten, oder einer Beschäffri, gnng ohne bestimmten Vorwurf überließen. Der Marquis. Und hatte ich nicht Recht? Reich, frey, und ohne Ehrgeiz seyn, ist das nicht

der Zustand, worinn man ein dauerhafte- Glück zu finden hoffen kann? Hr. v. St. Felix.

Nein, mein lieber

Freund, lassen Sie diesen Irrthum fahren: das Vergnügen reich zu seyn, und alle Vergnügun­

gen des Lebens,

lassen sich nur durch den Kon­

trast,

Die beyden QfsicierK

Izt

traft/ wenn man ihrer öfters auf eine kurz« Zcit

beraubt ist, recht empfinden.

Die Freyheit

Wird uns zur Last, wenn wir nicht so aufnierk-

sam sind, ihre Schranken zu verengern; und der Mangel an Ehrgeiz ist nichts als eine Vernich­

tung unsrer eignen Würdigkeit, die uns inner­ lich verdrießt, und uns um so mehr demüthiget, weil sie immer das Werk eines unbefriedigten

Stolzes ist. Der Marquis.

Deine Erklärungen sind

verführerisch r sie haben einen Anstrich von Wahr­ heit, der auffällt, aber der doch nicht stark ge­ nug ist, die Grundsätze der gesundesten Moral

über den Haufen zu werfen. Hr. v. St. Felix. Die gesunde Moral! Ich habe sie studirt, so gut wie Sie:

sie läßt

sich meiner Meynung nach auf zween Sahe ein­ schränken,

die fast eins sind; Arbeit für den

Menschen im Ganzen, und Ehrgeiz für den Mann von Verstände. ' D