Des Herrn von Moissy drammatische Werke: Teil 3 [Reprint 2022 ed.]
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Herrn von Moissy

-rammatische

Werke. Dritter Theil.

Berlin, 177$. Dey Christian Friedrich Himburg.

Vorberichr. tefer dritte und letzte Theil der dra­

matischen Schule des

Menschen

zeigt fünf theatralische Gemälde über ver-

schicdne Sprüchwörter, welche sich auf die letzten Jahre beziehen, die uns noch, von -em fünfzigsten an, zu durchleben übrig sind.

1. Der alte Petitmaikre in der Pro­ vinz überzeugt uns, daß wir ein Alter er­

reichen können, wo inan seine Fehler zu vcn bessern unfähig ist.

Durch die Gewohnheit

verhärtet, ist man blind gegen dieselben, man betrachtet sie als gute Eigenschaften, und wendet sie öfters zu seinem Nachtheil an. 2. Die Macht des

Geblüts zeigt, wie

Natur und Blut auf ihre ersten Rechte drin-

)( »

gen.

Vorberich t.

gen. Der Mensch in reifern Jahren, wo er der Zerstreuung weniger unterworfen ist, kehrt in stch selbst zurück, und macht sich Bor­ würfe, die seine vorhergehende Aufführung verdient. z. Das glückliche Unglück stellt einen widerwärtigen Zufall vor, der einem un­ glücklichen Manne von Verdiensten vortheilhaft wird, und in einem Alter, wo die Hülfs­ mittel sehr selten zu seyn scheinen.^ Dieses Drama beweist, daß man .niemals bey Wi­ derwärtigkeiten den Muth verlieren, noch an einer Vorsehung verzweifeln soll, welche in den unerwartetsten Augenblicken unS zu Hülfe kömmt.

4. Der kranke Lasterhafte läßt uns ei«en Menschen erblicken, der Zeit seines Le­ bens stch de» menschlichen Ausschweifungen ergeben hatte; der in seinem Alter daS un­ glücklichste aller Wesen war. Krank am Lei­ be und Geiste verschmähet er die ganze Welt; nie-

Dorberichr. niemand beklagt ihn, und man verläßt ihn,

ohne sich um ihn zu bekümmern. 5. Der sterbende Tugendhafte, wovon man den Eloff aus D. Aoungs Nachtgedanfeil genommen hat, ist ein Drama in drey Aufzügen. Es scheint recht darzu gemacht zu seyn, dieses Werk auf eine Art zu krönen, welche der Menschlichkeit den größten Vor­ theil bringt. Man schildert darinn einen tugendhaften Mann als einen Halbgott auf Erden, in dem Zeitpunkte, da er seine Lauf, bahn endigt. Alles wird bey ihm ein Bey­ spiel; seine Geduld, seine Sclbstvcrläugnung, beweisen seine großen Hoffnungen, und breiten über alle seine Tugenden ein neues Licht aus. Er sollte billig daö Muster unsers Lebens seyn; möchte wenigstens unser Ende dem seinigen ähnlich werden! Da man in diesen drey Theilen den Men­ schen von Leidenschaften zu Leidenschaften ge­ folgt ist, von der Puppe bis zum Grabe: f» scheint es, daß der Autor, nach der morali-

)( 3

schm

Vorbericht.

sitzen Absicht:

den Menschen durch feine

eignen Handlungen von den Gefahren zu un­ terrichten, die ihn umschweben, sein Werk

mit Recht eine dramatische Schule des Menschen hat nennen können. Die moralischen Gedanken, welche die­

sen dritten und letzten Theil beschließen, wer­

den nicht überflüssig, noch der Sache unange­ messen zu seyn scheinen, wenn man sie als eine

kurzgefaßte Wiederholung der Charaktere und Gegenstände betrachten will, die man ver­

mittelst einiger Sprüchwörter in Handlun-

-cbracht hat.

Verzeichniß der in diesem dritten Theile befindlichen Stücke.

Der alte Petitmaitre in der Provinz, ein Lustspiel in Einem Aufzuge; über das Sprüchwort: Wer zugleich Zween Haaftn jagt, fangt keinen! S. i Die Macht des Geblüts, ein Lustspiel in

Einem Aufzuge; über das Sprüchwort: Frauen Wille ist oft Gottes Wille! 5®

Das glückliche Unglück, oder: Die Wahl -eines Hofmeisters, ein Lustspiel in Einem Aufzuge; über das Sprüchwort: Der Teu­ fel lauert nicht immer vor armer Leu­ te Thüren! z;

Der kranke Lasterhafte, ein Lustspiel in Einem Aufzuge; über das Sprüchwort: Wie man es treibt, so geht es! 133

Der sterbende Tugendhafte, ein Schauspiel in drey Aufzügen; über das Sprüchwort: Das Ende krönt das Werk! 177 Mo ra

Verzeichnis

Moralische Gedanken über verschiedne Gegenstände.

Ueber das Leben. Ueber die Erziehung. Ueber die Sitten. Ueber das Lesen. Ueber die Schauspiele. Ueber den Verstand. Ueber die Seele. Ueber die Tugend. Ueber die Reichthümer und den Ueber das Gesinde. Ueber die Menschen. Ueber das Frauenzimmer. Ueber die Liebe. Ueber die Ehe. Ueber die Religion.

S.

25;

2): -57 260

265 266 272 282 LnxuS.

284 290 294 296 316 320

324 327

Der

alte Petitmaitre in der Provinz über das Sprüchwort:

Wer zugleich zween Haasen jagt, fängt keinen.

Personen. Hr. v. Villenace, ein Petitmaitre von fünft undfunfzig Jahren.

Hr. v. ?(prtmoii, ein alter Ofsicier, von achtundfunfzig Jahren. Madam Dümat,

eine reiche Wittwe, von

zweyundfunfzig Jahren.

Mainsell Devigny, ihre Tochter erster Ehe, von zwanzig Jahren.

Herr Dünner, ein reicher Negociant,- von fünfunodreyßig Jahren.

Ein jakey der Madam Dümat. Sft

ist zu Marseille, in dem Hause der Ma­ dam Diiniat. Die Handlung sangt des Aarmit« tags um eilf Uhr an.

Der

alte Petitmartre in der Provinz. E v si e r Auftrit t Herr von villenace. Lin Lakey« Herr v. Villenace. s ist wohl noch zu früh, baß man die Ehr« haben könnte, die beiden

sehen? Der Lakey.

ist

Damen zu

Nein, mein Herr.

Madam

angekleidet, und Mamsell stehl eben von ihr

ter Toilette auf. Ich will Eie anmelden. Hr. v. Villenace. Er thut mir einen

Gefallen, mein Sohn.

Er weis doch meinen

Namen?

Der Lakey. . Herr von Villenace, glaub ich? Hr. v. Villenace. Ganz recht. Sag« Er nur der Madam, es hatte keine Eite, (der Kflfey will abgehen.) A 2

Zwey«

4

Der alte Prtitmaitre

Zweyter Auftritt.

«am von

villcnace (seht s>4) Herr

von

Aprimon (IN verThiire.) Der Lakey.

Hr. v. Aprimon

c,um Lake»). Ist Madam

zu forschen? Der Lakey. Treten Sie naher, mein Herr, ich will cs ihr melden; Dieser Herr da erwartet sie ebenfalls. Hr. v. Aprimon (tritt berei».)

Gut, mein

Freund, so will ich auch hier warten. (Der Bediente geht ab.)

Dritter Auftritt.

Herr von villenace. Hr. v. Aprimon.

Herr

von Aprimon.

Bleiben Sie

sitzen,

mein Herr, da ist noch ein Stuhl — Aber— Irre ich mich auch?—

Nein, wahrhaftig, eS

ist — es ist •— Herr von Vitlenace — Hr. v. Mllenace. Das ist ja, glaube ich — ja! — Herr von Aprimon? — Ey! liebster Freund, welch Vergnügen, Sie zu um; armen, (sie umarmen sich.) Hn. v. Aprimon. Und seit wann sind Sie

denn hier zu Lande? Hr. v- Villenace.

Seit gestern Abends. Hr.

in dek Provinz.

$

Hr. v. Aprimon. Kennen Sie denn Ma­ dam Dümat?

Madam Dümat? Sie

Hr. v. Villennce.

war ehedem meine beste Freundinn; zu Paris lebte ich mit ihrem Manne und ihr in der größ­

ten Vertraulichkeit.

Wahrhaftig, es ist schon

lange her; ich war damals sehr artig, und sie

war nicht übel; jedoch, mein Freund, ich finde sie sehr verändert.

Hr. v. Aprimon.

Stille davon, sie krankt

sich genug darüber; abSie de nken auch zwan­

zig Jahre zurück. Hr. v. Villenace.

Oh, ja, ja, so lange

ist es wohl; Sie waren damals schon weit bey dein Negimente avaneirt, wobey wir beyde dien­ ten, und Sie verließen uns ohngefehr einige zehn

Jahre darnach. Hr. v. Aprimon.

Ja, Sie wissen, da ich

nicht Oberster werden konnte, gab man mir ein Patent und eine Pension, ich war sehr vergnügt

über meinen Abschied.

Einige Jahre darauf

verheyrathete ich mich allhier, ich fand eine bra­

ve und reiche Frau, und lebe hier als der glück­

lichste Mann von der Welt.

Hr. v. Villenace. Frau? Mein Seele,

Wohl

Eine brave und reiche

das ist klug ausgedacht.

mein Freund, ich kann Ihnen nicht ver-

A z

heelen.

Dev alte Petitmartre



heeken, daß ich hier eben sorvas suche.

Wegen

der ersten Eigenschaft will ich die Augen, zur

drücken, wenn es seyn muß ,. kann ich nur auf die zwok Rechnung machen.

Liebster Freund, wenn

Hr. v. Aprimon.

Sie auf Madanr Dümat Absichten haben, so werden Sie nicht übel ankommen, sie ist sehr reich.

Hr. v. Vrllenace.

So siigt man;

und

da ich ebenfalls den Dienst verließ, so bald ich das Ordenskreuz erhielt, groß. Glück eroberte:

wobey ich doch kein

so will ich mein Daseyn

mir noch zu Nutze machen,

weil ich noch bey Ich weis zur Err

Muth und Kräften bin.

Neuerung unsrer alten Freundschaft nichts bei)

sers zu thun, liebster Aprimon, als mein ganzes

Vertrauen auf Sie zu setzen. Hr. v. Aprimon.

Ihrige.

Ich bin

gänzlich der

Kann ich Ihnen hier nützlich seyn?

reden Sie offenherzig, als mit Ihrem beste« Freunde. Hr. v. Villenaee.

Gerne! Ehe wir ms

trennen und auch hernach, lebte ich zu Paris wie einer, der vier bis fünf tausend Thaler zu verzehren hat, da ich doch, höchstens kaum Tmr

ftud hatte.

Aber das Spiels die Weiber sind

in der Provinz.

uns in

7

dieser großen Stadt ost große Hülfsmit­

tel, wie Sie wissen — Hr. v. Aprimon. Wahrhaftig t wie könnte

man ohne das daselbst mit einem gewissen An­ stande leben, und sich erhalten? Hr. v. Villenace. Ich bin noch gut zu

Fuße, wie Sie sehen, aber ich merke doch, daß ich bald die

Unterstützung

eines dauerhaften

Glücks nöthig habe, und ich habe mein Augen­

merk auf dieses Haus gerichtet.

Hier finde ich

eine verwittwete Mutter, und eine Tochter, die

auch zur Heyrath reif ist; die eine ist durch ihren zweeten Mann reich, die andre durch ihres Va­ ters Erbschaft; ich. muß durchaus eine von bey­ den envischen. Hr. v. Aprrmon.

ist

so gar billig.

Sie haben Recht, es

Alle diese Negotiantemvitt-

wen sind mehr als zu

glücklich, wenn sie sich,

durch eine Heyrath mit Officiers von dem Hand-. Kmgsstauö säubern können; und bey einer guten

Policey sollten sie darzu

gezwungen werden,

wenn sie sich nicht gutwillig bequemen wollten. Hr. v. Villenace.

Ohne Zrveifel; diese,

reichen Wittwen sind so gut als Commendantenr

stellen des Königs, ja noch besser, als die der Staat zum Gnadengehalt giebt, zumal, wenn

sie

der Residenz nicht unterworfen sind.

A 4

Hr.

8

Der alte Petitmaitrk

Hr. v. 2tprimon.

Wohl, mein Freund,

Sie müssen einen von diesen beyden Plätzen err

halten, aber

entschließen Sie sich wegen der

Mutter oder Tochter, welcher von beyden Sie

ihre Ansprüche wellen Lnsinuiren lassen.

Hr. v. Villenace.

Mein Seele!

aus

Furcht, mich in meiner Wahl zu trügen, wäre

ich der Mann, der sie beyde heyrathete, wenns nur gebräuchlich wäre.

Hr. v. Aprimon. hat man

Ach! bey der Heyrath

dieses Privilegium nicht,

weniger als anderwärts!

hier noch

Sie müssen wählen,

Freund.

Hr. v. Villenace.

Dcyder Vermögen ist,

wie man mir gesagt hat, beonahe gleich groß,

wir wollen also die nehmen, die am leichtesten zu haben ist, das wird, glaube ich, wohl die Mutter seyn.

Denn, wie ich Ihnen schon erzählt, ich

kenne den Grund und Deden von Alters her!

Hr. v. Aprimon.

Za, ich glaube, daß Sie

da die sicherste Rechnung machen können, zumal, weit Sie einander schon bekannt sind.

Wenn

Sie auf die Tochter dachten, so ist da ein reir cher Negociant, weit jünger als Sie, der Ihr-

neu wohl einen Queerstrich machen.könnte. Hr. v. Villenace. Mir? einen Queen strich? — Ha! ha! ha! was Sie mir da sar

gen.

in der Provinz. gen,

9

erweckt meine Eigenliebe und lenket mich

auf die Tochter, um nur das Vergnügen zu ha* ben, den Herrn Negociamen aus dem Sattel

zu heben.

Denken Sie, daß so ein Männchen

es mit mir

aufnehmen könnte? Hier — ohne

Eitelkeit — (er giebt sich ein Ansehen.) Hr. v.Aprimon. Ohne Eitelkeit, liebster

Freund, so etwas können sich nur junge Leute Vorsetzen, und Sie müssen davon abstehen. Wir wollen nicht mehr den süßen Herrn spielen, die Zeit ist vorbey, wir haben schon die fünfte Le­

bensstufe überschritten.

Sie sind freylich noch

sehr gut, aber eher für die Mutter als für die

Tochter,

welche erst zwanzig Jahr alt und

außerdem sehr hübsch ist.

Hr.v. Villenace.

Ja, sehr hübsch; und

sehen Sie just dasjenige, was mich, trotz Ih­

rer chronologischen Anmerkung zum besten der Tochter wieder verjüngt, und mir die Mutter

gar zu alt vorftellt — Aber sagen Sie mir,

wenn ich mich auf der erstem Seite lenke, mit was für einem Nebenbuhler habe ich zu thun?

Was hat das Magdchen für einen Charakter? Hr. v. 2(prinion.

Unter uns, ich glaube

nicht, daß sie viel übereinstimmendes mit einan­ der haben; dieser reiche Negotiant hat einen Cha­ rakter, dessen Freymüthigkeit beynahe zur Grob-

A 5

heit

io

Der aste Petitmattre

Herr wird, er kennt- keine andre Politesst als die

Re)lichkeit, und halt öfters nur einen Menschen,

yrch dem Verhältniß gegen einen Bösewicht, für klug. Hr. v. Vislenace.

Em schönes OriginalS

In dem Fall könnte mich dies' Männchen wohl für einen hounetten Spitzbuben halten, der ihm siin Mügdchen wegfischen will, un-d es soll nicht

an mir liegen, daß er Recht hat.

Aber nun

Ihre Meynung von der Kleinen?

Hr. v. Aprimon.

Ihr Geist hält sehr.'

zurück, uian weis, nicht, was sie will, nych was sie denkt; kurz, ihr Charakter ist noch gänzlich

in ihrer Seele verborgen.

Man bildet sichern^ yachdem sie so viele Partheyen ansgeschtagen,daß

sie gar keine Lust zur Heyrath habe. Hr. v. Vilkenace.

Gut , desto besser?

Sie machen mir durch Ihre Beschreibung ein

groß Vergnügen, und nach diesem Bericht fallt meine Wahl auf sie.

Sie hat keine Lust zum

heyrathe», weil sie ihren tteberwinder noch nicht

gefunden hat.

Dieser- Held werde ich seyn!

Ich merke, der Himmel hat sie für mich auf-

gehoben.

Genug gesagt, ich nehme die Tochter;

die Mutter ist mir nicht wichtig genug, und eZ verlohnt:- sich nicht der Mühe zu hevrathen, wenn

dieses

ji

in der Provinz.

dieses ehrbare Band mir nicht einen Sieg mehr

zuwege brächte.

Hr. v. Äprim on,

Bedenken Sie cs wohl,

liebster Freund, Sie ergreifen in ihrer Wahl

hie gefährlichste Seite! Madam Dümat ist eine herrschsüchtige und empfindliche Frau,

die noch

trotz ihres Alters ihre Ansprüche macht; wenn diese gute Frau ihre Absichten aufi Sie richten

sollte und gewahr würde, daß sie dieselben nicht erwiederten, sondern sich vielmehr auf die Seite

der Tochter lenkten;

so fürchte ich, daß Sie

weder die eine noch die andre erhalten möchten. Hr. V.Villenace.

Ey, ey, mein Freund,

Sie kennen mich also nicht mehr, oder wolle« Mir auch nicht Gerechtigkeit wiederfahren lassen?

Was? da ich in Paris mein Liebesschiff so gut zu leiten wußte, daß ich fünf bis sechs unsrer

geschicktesten Coguetten hinter mir her schleppte,

da ich ihnen allen die Köpfe wirblieht machte, so

befürchten Sie, ich würde bey zwey Weibsbilr dem aus der Provinz scheitern?

lassen Sie mich nur machen,

Gehen Sie,

ich will sie so gut

bestricken, daß ich das Auslesen haben werde; Sie sollen sehen ! die Jugend der Tochter verr dient

natürlicher Weise den Vorzug, bey der

will ich anfangen, und finde ich Hindernisse i«t bey

i2

Der alte Petitmaltre

der Heyrath , so lenke ich meine Fahrt auf die Mutter; hinterher ist sie gut genug. Hr. v. Aprimon. Ich wünsche, daß Sie

sich in Ihren verliebten Entwürfen nicht berrügen mögen; aber noch einmal sage ich Ihnen,

überlegen Sie wohl, daß Sie nicht mehr zwanzig

Jahre alt sind. wie beym Mars;

Bey der Venus geht es nicht

die alten Soldaten der Göt-

tinn sind der Reduction mehr ausgesetzt, als die vom Kriegsgotte — Nehmen Sie sich in acht! ' Hr. V.Vrllenace. Gehn Sie, alter Freund,

Sie träumen, ich fürchte mich vor keiner Re,' duction; wenigstens dem Aenßerlichen nach gelte

ich

wahrhaftig mehr, als ich jemals werth ge­

wesen bin, hätte ich mir

auch das vernünftige

Ansehen nicht erworben, welches meine übrigen Verdienste noch vergrößert;

und damit will ich

alle Mägdchen aus der Provinz bis auf die hey­ rath treiben. Doch da kömmt Madam Dümat.

V-erter Auftritt. Madam Dümat. Herr von vttlenaceHerr von Aprmron. Mad. Dümat.

Um Verleihung, meine

Herren, ich habe Sie warten lassen, aber Sie

wissen, das Frauenzimmer wird des Morgens niemals fertig. Hr.

in der Provinz.

13

Ich weis,

Hr. v. Villcnacc.

Madam,

das; man das Warten nicht bedauren darf, wenn

man das Vergnügen hat, Sie zu sehen; äußere dem, wenn mich noch etwas wegen des Verlan­ gens nach Ihnen schadlos halten konnte, so ha­

be ich es in der Person des Henn von Aprimcn angetrcssen.

Einen Augenblick eher, Ma­

dam, so waren Cie Zeuge von der angenehm­

sten Wiedererkennung gewesen — Mad. Dümcu.

Sie kennen sich

meine Herren? Hr. v. Aprimon.

Schon

seit

also,

zwanzig

Jahren, wir haben bey einem Regimente ge­

dient. Mad. Dümat.

Das erfreut mich, Sie

haben also sehr lustig zusammen gelebt? denn die Herren Ofsieiers fmb aufgeräumt — Mein er­ ster Mann war auch einer, folglich kann ich et­

was davon wissen; erinnern Sie sich noch, Herr

von Villenace, was für helle Nächte wir man­

chen Winter zu Paris zubrachten! Hr. v. Villenace.

Und des Sommers,

auf dem Lande? Erinnern Sie sich noch, Ma­

dam, daß wir einmal vierzehn Tage ohne Schlaf zubrachten; damals, wie Sie die kleine Finanz-

pachterinn zustuhten, die so süß, und der ihr

Mann

entlaufen war;

imgleichen die artige

Langue-

Dir alte Pktttmaitre

i4

Languedöekerinn, die so thöricht? Mein Seele,

Madam, wir führten ein recht erbauliches 2c*

4hm, nicht wahr? Mnd. Dümak.

(stvßt einen Seufzer otiO

Damals ergötzte man sich noch , aber jetzt kennt

inan das Vergnügen nicht mehr!

Hr v. Villcnace.

0 ja, Madam, Man

kennt es noch, und ich behaupte, wenn Sie er? laubrn und mir ein wenig helfen wollen, ich

behaupte, sage ich, daß noch, ehe vier Tage ver? gehen, Zhr Haus der Mittelpunkt aller Ver?

gnügungen der ganzen Stadt werden soll.

Wir

wellen uns dabey so wieoerstnden, wie wir uns erinnern, gewesen zu seyn.

Man wird nicht

alt, so lange man noch eine jugendliche und er?

findsame Einbildungskraft besitzt, sich Vergnü? Lungen zu verschaffen. Mud. Dümat.

Sie haben Recht.

Zn?

Wal, seitdem mich meine Lebcnsumstände und meine zwvte Heyrath unter einen Schwarm von

HandelLleuren gestürzt, erkenne ich mich kaum mehr.

Sie werden selbst Mühe haben, Herr

von Viltenace, mich noch zu erkennen.

O wie

einförmig ist doch die Lebensart dieser Herren l Sie fürchten sich vor der kleinsten Nachttustbar? seit, weit sie den andern Morgen zu thun ha? ben; kurz , bey ihnen verhindert allemal

der foü

in der Provinz.

r;

folgende Tag, daß sie das Vergnügen eines lau

gen Abends nicht zu genießen wagen; das ist unerträglich — zum Ekel — Hr. v. Aprimon. Unterdessen, Madam,

sind Sie ja noch Herr über Ihre Handlungen; wollen Sie mir folgen? Sie sind noch in Ih­

ren besten Jahren, sehen Sie sich wieder in dctt Genuß zurück, wie vormals.

Wir wellenden

.Herrn von Villenace hier fesseln, indem wir ihn

nut einer reichen Wittwe verheyrathen, es giebt ja deren einige hier.

Wenn wir ihn nur ein-

.mal fest haben, so ist er allein im Stande, die ganze Stadt auf einen guten Fuß zu setzen, und das Vergnügen wieder herzustellen.

Mad. Dümat.

Das ist sehr gut ausge-

dacht. Aber wird der Herr seinen Aufenthalt wohl

in die Provinz einschränken? Er, der zu Pari­ ern so herrlich Leben geführt, so mamüchfaltig,

so feyerlich? — Ach, das gute Paris 1 ich ha­ be es immer gesagt, es ist die einzige Stadt in

der Welt. Hr. v. Villenace.

.Madam.

Bloßes Vorurtheill

Ich behaupte, daß vermögende Leut-

rn der Provinz viel glücklicher sind; man wird von denen die reicher sind, nicht so zurück gesetzt,

man hat mehr Ruhe, das Vergnügen recht 51t

lchnreckem

Diese Trunkenheit der Schwärm«

reyen

i6

Dek alte Pekitmaitre

reyen zu Parks benebelt nur die Sinne, und en stickt die Fähigkeiten der Empfindung.

Ueber/

legen Sie es nur, Madam, Sie werden meiner Meynung seyn. Mad. Dümat.

Herr von Villenace, ohne

Ihnen zu nahe zu reden, man sieht wohl, daß das Alter Ihrer Lebhaftigkeit einen Zügel legt hat! Hr. v. Villenace.

ange/

In meiner Jugend

verblendeten die falschen Ergötzlichkeiten meine Vernunft, aber itzt ist sie es, welche mich die

wahrhaften recht erkennen laßt, und ich glaube

'Nichts dabey verloren zu haben. Mad. Dümat. Nein, wahrhaftig nicht; was ich Ihnen desfalls gesagt, soll Ihnen nur zu verstehen geben, daß Sie darum in den Am gen dererjenigen, welche sich an wahren Ver-

diensten erkennen, desto liebenswürdiger scheinen.

Wenn Herr von Aprimon und ich es so weit bringen können, Sie

hier ansässig zu machen,

so soll mein Haus Ihr und Ihrer Gemahlinn Wohnung' seyn. Hr. v. Villenace.

Das wird mir zum

Madam;

allein

Sie kennen dieses Land besser als ich.

Weil

wahren Glück

gereichen,

Sievertangen, daß ich und meine Fran Ihr-

künstige Gesellschaft seyn sollen: so nehmen Sie es

in der Provinz. eS (Ulf sich, mir diese Frau anszusuchen. füv mich selbst

i?r Ich

könnte eine nehmen von unan­

ständigen Charakter, die nicht zu leben wüste,,

dieses würde ihren guten Absichten entgegen seyn; und wahrhaftig, Sie werden

mir eine bessere

wählen, als ich selbst im Stande bin. Mud. Dümut. Sie haben Recht.

Wohl­

an, ich will nut allem Ernste darauf denken. Hr. v. Aprimon. Madam, Sie können

Ihren Entwurf auf eine rechte gute Art ausfüh-.

reu, und den Herrn von Villenaee aufs festeste in Ihre Gesellschaft verknüpfen, ohne das ytt.

ringste zu wagen. Mad- Dümat.

Und wie?

Hr. v. Aprimon.

Je, zum Henker, Sie

wellen noch Mamsell Devigny verheyrarhen? Sie haben noch mit niemand ein festes.Band ge­

schlossen, geben Sie sie unserm Freunde.

Wenn

Sie ihn zum Eidam machen: so werden Sie ihn sicher so lange

wird;

behalten, als Ihnen belieben

Sie werden, einige Dinge ausgenom­

men , über ihn schalten können, als wenn er

Ihr Gemal wäre. Hr. v. Villenace. Sie gehen sehr geschwind.

Herr von AprimonDie Ehre, Mam­

sell Devigny zu heyrathen , würde ohne Zweifel

alle meine Wünsche erfüllen, weil ich dadurch v. Moisy III Th.

D

das

Der alte Petitmaiter

18

das Glück erhielte, hinzubringen.

mit Madam meine Tage

Aber mein Vermögen ist gegen

der Mamsell ihres nicht ansehnlich genug, und Ihre ein wenig voreilige Freundschaft seht mich einer abschlaglichen Antwort aus, welche meiner

Eigenliebe wehe thun könnte, woferne ich nicht

schon, mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wüßte. Mad. Dümat.

Nein, mein Herr, Sie

dürfen keine abschlägliche Antwort befürchten, wenigstens nicht von meiner Seiten.

Ich weis,

daß Sie als ein Soldat ein ganz artiges Ver­ mögen haben, ich kenne Ihre Verdienste, im&

weiln id) nur mein Verlangen zu Rathe zier

he: so können Sie mir nicht naher angehörcn. Folglich, wenn meine Tochter darein williget,

sehen Sie diese Verbindung als bereits vollzor gen an.

Hr. v. Villenace.

Madam, das Glück,

Ihren Beyfall zu dieser Heyrath zu erhalten,

belebt meine Hoffnung, und ich schmeichle rnir, Mamsell Deviglly wird mich vielleicht mit sehr

günstigen Augen ansehen, und ihre Einwilligung mir zugestehen (zum Herrn von Aprtmon heimlich)

Mein Freund, die Sache geht gut.

Mad. Dümat.

Ich wünsche es; allein

Sie kennen den Charakter meiner Tochter nicht; mic

in der Provinz.



mir selbst ist er noch ein Räthsel.

Ich weis

nicht, ob sie hcyrathen tviü, ob ein gewisser Herr Dürmer, ein reicher Negociant, der ost hieher kömmt, und auch schon um sie angehalten hat,

ihr gefällt oder nicht? Und ich befürchte sehr,

Sie möchten in der Denkungsart der Mamsell Devigny Hindernisse finden. Hr. v. Villrnace. Mein Freund hat mich von dem allen unterrichtet, was Sie mir

zu sagen die Ehre erzeigen; ich habe Ihre Ein­ willigung, und meine Furcht verschwindet.

In-

hem ich das Herz Ihrer Mamsell Tochter ge­

winne, so werde ich alle Hindernisse überwin­ den, welche sich durch ihre Denkungsart ereignen

könnten.

Dieser Weg ist unfehlbar, ich habe

ihn schon etlichemahl mit gutem Erfolg betreten,

ohne ein sonderliches Verlangen gehabt zu Ha­ ben glücklich zu seyn; es wäre sehr widerwärtig,

wenn ich bey meinen brünstigsten Wünschen nicht

siegen sollte. Mad. Dümat.

Ick wiederhole es, mein

Herr, ich fürchte, daß es Ihnen fehl schlägt, ja ich wollte sogar darauf wetten, wenn es sich bey dieser Gelegenheit geziemte.

Außerdem ist mei­

ne Tochter noch ein wenig zu jung für Sie, sehen Sie sich also nicht einer Abweisung aus,

die mich unruhig machen würde, weil ich kein B 2

Mit-

2O

Der alte Petitmaiter

Mittel dagegen weis, denn ich will meine Tochter nicht zwingen.

Ich dächte, wir kämen wie­

der auf Ihren ersten Einfall, eine reiche Wittwe

zu heyrarhen, war es nicht so? und die auchnoch

liebenswürdig ist? dergleichen könnte man hier Reiche haben wir genug,

noch für Sie finden.

die aber noch dabey liebenswürdig sind, solche sind ein wenig seltner; doch Sie bedürfen ja nur

eine, die wollen wir noch wohl ausfindig machen. j£)r. V. ÄpNMON. (leise zu Herr von Villenace)

ein ander Ansehen —

Ihre Sache gewinnt

Lenken Sie Ihr Schiss um, sonst erhalten Sie nichts. jpr. v. Villenace. (leise zu Herr von Aprkmon>

das will ich auch thun — (zu Mad.Ditmat) Gut Madam, wenn ich den schmeichelhaften Gedan­ ken entsagen muß, Ihre Mamsell

Tochter zu

heyrathen, so kenne ich nur ein Mittel, , mich

deshalb zu trösten. Mad. Dümat.

Und das ist? — Sa-,

gen Sie es.

Hr. v. Villenace.

Das ist — Jedoch

Madam, ich fürchte zu sehr, mich einer zwoten

Abweisung auszusetzen, wenn ich es selbst wagte.

Ihnen die einzige Verbindung zu entdecken, die

mir aufrichtig schmeicheln würde.

Mad. Dümat.

Ich errathe nicht Hr.

in der Provinz. Hr. V. Aprimon.

2!

Das ist doch ganz leicht,

Madam, und Sie dürfen nicht erst sehr weit und lange suchen , wenn ich Ihnen sagte , daß unser Freund durch die Heyrath, welche ihn ah lein wegen des Verlusts Ihrer Mamsell Tochter

schadlos halten könnte, die Ehre haben würde. Ihnen noch naher anzugehören. Mad. Dümat. Ha, itzt verstehe ichs; ist das Ihre Meynung, Herr von Villenace? Hr. v. Villenace. Ja, Madam, ich muß

es gestehen, Mil ich darzu gezwungen bin. Mad. Dümat. Mein Herr, diese Ger sinnung gereicht mir zur Ehre, aber es verdient

lleberlegung.

Ich bin bereits zumzweytenmale

Wittwe, ich habe eine mannbare Tochter, und ich will mich keinesweges dadurch lächerlich mar chen, daß ich ihr die Manner zu entführen suchte,

welche sich ihr anbieten könnten.

Außerdem

würde es eben nicht sehr schmeichelhaft für mich

seyn, wenn ich im Nothfall gut genug für einen

Mann styn sollte, der auf meine Tochter ernsthafte Absichten gehabt.

Sie können ihr gefal­

len, Sie können vielleicht die Hindernisse über­ steigen, welche ich befürchte, alsdann kann man

Zhrentwegen entscheiden; und mißlingt es Jhnen; so werden Sie erlauben, daß ich mich als­ dann den Gedanken überlasse, welche mir meine D 3

Dorr

22

Der alte Pet^maiter.

Vorsichtigkeit und meine Vernunft eingeben werden. Hr. v. Aprimon. (leise zu -r. v. Villenciee) Verstehen Sie? Sie wollten durchaus bey der Tochter anfangen, die Mutter ist empfindlich darüber; das besorgte ich eben! Hr.V.Villencrce. (leise zu Hk. v. Aprtmon) Seyn Sie ruhig, durch meinen Witz will ich mich schon herauswinden. (zuMad.Duruat.) Wemr es anfänglich geschienen hat, als wenn ich nach einer Verbindung mit Ihrer Mamsell Tochter trachtete: so seyn Sie versichert, Madam, es ge; schahe mehr in der Absicht, Ihre Entwürfe zu unr terstühen als die meinigen. Niemals sind meir ne Gedanken gewesen, eine junge Person zu heyrathen; meine Vernunft/ mein Alter, die Ehre, Sie schon längst gekannt zu haben, alles sprach für Sie. Allein ich schmeichelte mir nicht, dieselben geneigt zu finden, meine Hoffnung zu krönen, Und weit gefehlt, daß Sie mein Herz selbst in dem Augenblicke, da ich Sie gegen Ihre Mamsell Tochter betrachte, nur im Nothfall wählen sollte: so schwöre ich Ihnen vielmehr mit der Offenherzigkeit, welche Sie je­ derzeit an mir bemerket haben, daß, nach meü nen wahren Gesiirmmgeir, Ihre Mamsell Toch­ ter mich nur auf eine abschläzliche Antwort von W

13

in der Provinz.

nett würde erhalten haben; ich setzte das voraus,

und ich wünschte der Ihrige zu seyn, unter wetr

chem Titel es Ihnen auch belieben möchte.

Mad. Dümat.

Das will ich unterdessen

glauben; und zu einer andern Zeit genauer um

tersuchen, denn ich sehe Herr Dürmern kommen.

Fünfter Auftritt. Madam Dümar. Herr von Viilenace. Herr vonAprimon. Herr Dürmer. Hr. Dürmer. (mit einem etwa- trotzig«« Tone» Guten Morgen Madam.

Nun? werden Sie

heute noch mit sich einig werden? Wollen Sie mir ihre Tochter geben oder nicht?

Mad. Dümat. Ich habe cs Ihnen schon gesagt, Herr Dürmer, Sie treiben diese Sache gar zu hitzig. Hr. Dürmer.

Keinesweges.

Und end­

lich habe ich schwerere und wichtigere Dinge auf eben die Art betrieben, die mir gleichwohl ge­

lungen sind.

Bey allem, was ich unternehme,

gilt nur das Ja und Nein; ich bin weder falsch »och ungerecht, und wer mir ähnlich ist, darf auf

die Art handeln, denn so handeln redliche Leute. Außerdem will ich bald nach Indien reisen, und

wenn ich Ihre Tochter heyrathcn soll, muß es B 4

inner-

rq

Der alte Petitmaikre

innerhalb vier unb zwanzig Stunden geschehen­ fönst lasse ich mirs vergehen. Mad. Dümat. Nun wohl, mein Herr ;

ich aber reise nicht nach Indien, und ich must

langer Zeit haben, für meine

Tochter einen

Zudem ist sie selbst noch

Mann zu wählen.

nicht entschlossen — Folglich — Hr. Dünner. Gut, Sie müssen Zeit har

ben — sie ist nicht entschlossen — stehe das Geschwätz der Welt. aufrichtig! aufrichtig! Mad. Dümat.

Ich verr

Ey Madam,

Aber, mein Herr, ich

dachte, es fthlte nicht daran, wenn ich so mit

Ihnen rede.

Was habe ich Ihnen dann ver­

sprochen ?

Hr. Durmer.

Sie haben mir nichts verr

sprechen, das ist wahr, aber Sie haben mich in

Ihre Tochter lassen verliebt werden, Sie hr.ben Mich merken lassen, daß ich ihr nicht mißfiele, ist das- nicht mehr als unter ehrlichen Leuten zum

Schluß einer Heyrath nöthig ist, wenn überr

dem das Vermögen noch übereinkömmt? Müd. Dümat. Nein, das ist nicht ger

nug, ich will meine Tochter nicht wider ihren Geschmack vcrheyrathen; um Vergebung sie hat sich noch nicht zuverlässig erklärt, was für Ger schmack sie an Ihnen findet.

Hr.

in der Provinz. Hr. Dürmer. mal

25

Wenn die Herrath ein,

geschloffen ist, so entwickelt sich der Ger

schmack schon, und eine Tochter, welche Zeit ger nng hat, nach der Hochzeit eine ehrliche Frau

zu werden, wirdes niemals, trotz allem Ger

Schmack, den sie an ihrem Freyer sinder, woferr

ne sie nicht vorher den Trieb darzu hat.

Hr. v. Villenace.

Der Herr macht-wie

es scheint, große Rechnung auf die Macht deS

ehelichen Bandes, jedoch solche ertrotzte Heyrathen sind selten glücklich. Hr. Dünner. Die Heyralh ist einem Meere gleich , worauf man zu Schiffe geht;

man ist guten Winden und Stürmen unterworr fctu

Der Schisser, der vorher überlegt, ob

das Wetter zu seiner Fahrt gut seyn werde, ist

auf seiner Reise nicht sichrer, als derjenige, wel­

cher diese Vorsicht nicht anwendet.

Ein stamm-

hast Schiff, gut kalfatert, gut getackelt, mit

ächten gangbaren Waaren beladen, mehr braucht es nicht — Ich befinde mich wohl, Ihre Mam­

sell Tochter auch; ich bin reich, sie hat ein an­

sehnlich Vermögen; folglich ist unsre Einschif­ fung vernünftig; die Zeit muß das übrige thun. Mad. Dümat. Ich sage es Ihnen noch­ mals, mein Herr, wenn meine Tochter darein

willigt, so werde ich mich Ihrer Heyrath nicht B 5

wider-

26

Der alte Petitmaitre

widersetzen, allein zwingen werde ich.sie nicht

darzu.

Hr. Dürmer.

Oh, ich versiehe Sie, Ma­

dam, und ich nehme dieß für eine absthlögliche Antwort an; ich sehe nun, was man mir ge; ■ sagt hat, ist wahr.

Und was hat man Ah­

Mad. Dümak.

nen denn gesagt? Hr. Dürmer.

Daß gestern Abends ein

Schwiegersohn von Paris bey Ihnen angelan­

get ist, ein Mann von gutem Ansehen, dessen ganzes Leben nichts als ein Ronran voller arti­ gen Histörchen seyn soll; kurz einer von den Leu­ ten, die nur zum Sl'ielwerk fürs Frauenzim­ mer erschaffen sind, und die gemeiniglich sie erst ins Netz locken und hernach betrügen. —

Hr. v. Villenace.

sehr beißend in Ihren

Mein Herr, Sie sind

Schilderungen; jedoch,

Sie wagen dergleichen vor Personen, die Sie

nicht kennen, und die sich dadurch beleidigt ßnden könnten!

Hr. Düriner.

Wenn sie sich

beleidigt

finden, desto schlimmer für sie, und desto besser

für mich, daü wäre ein Beweis, daß ich die Wahrheit gesagt hatte;

halte

und dieses Vergnügen

ich im menschlichen

Leben für honett.

Aber

in bot Provinz.'

27

Aber vielleicht sind Sie selbst die Person, mein Herr, wovon man mir.gesagt hat.

Hr. v. Villenaee.

Ja, mein Herr, ich

bin cs selbst; Sie sehen daranS, daß man sich ein wenig mehr im Neben mäßigen müsse, wenn man die Leute nicht kennt, von denen

man

spricht.

Hr. Dürmer.

Wahrhaftig, mein Herr,

Wenn ich gewußt hatte, daß das Portrait, welr

cheö ich eben machte,

Sie angienge, so hatte

ich es vielleicht verschönert.

Indessen wennS

Ihnen nicht ähnlich sieht, so muß Ihnen das

eben so viel seyn, als oh ich nichts gesagt härte,

folglich dürfen Sie sich deswegen nicht beunrur higen.

Mad. Dümat.

Meine Herren, ich bitte,

hören Sie davon auf.

Herr Dürmer, ich

will mit meiner Tochter reden, und ehe noch der

Tag vergeht, sollen Sie ganz entscheidentlich das Ja oder Nein zu wissen kriegeir, worauf Sie so

viel halten.

Hr. Dürmer.

Das wird mir lieb seyn.

Madam; ich kann Ihnen auch noch den ganzen morgenden Tag zu Ihrer Entschließung einräu­

men, und ich bin aufrichtig genug Ihnen zu fhs gen, daß mich dieses hoffentlich nicht hindern

wird,

28

Der alte Petitmaitre

wird, die- kommende Nacht gut zu schlafen. Ich bin Zhr Diener, (geht ab.)

Sechster Auftritt. Madam Dümat. Herr von Villerrace. Herr von Aprimorr. Hr. v. Villenace- Madam, ich habe viel Seehäfen besucht t irf) habe verschr'edne trotzige und ungesittete Menschen angetreffen, aber ich gestehe, so einen Murrkopf habe ich noch nicht gefunden; der Mann ist ja ein rechter Bär. Wie! sollte es möglich seyn, das; Sie Ihren Eidam daraus machten, und daß Ihre Mam­ sell Tochter —

Mad. Dümat. Apropos, wegen meiner Tochter — Herr von Apriwon, Sie haben doch einen kleinen Zutritt bey ihr, ja. Sie be­ sitzen sogar ihr Zutrauen, so weit es ihre Ver­ stellung zuläßt; sehen Sie doch zu, ich bitte, ob meine Tochter ihre Toilette schon verlassen hat? sagen Sie ihr, sie möchte herunter kommen, und versuchen Sie, ihre Gedanken über das, was vorgefallen ist, zu erforschen. Ich erlaube Ih­ nen so gar, damit wir unsern Zweck erreichen, ihr unser ganzes Gespräch zu erzählen. Dies sey ein neuer Beweis meines Vertrauens aus

in der Provinz.

29

Sie, und ein neuesMerkmaal der Freundschaft, welche ich von Ihnen federe. Hr. v. Aprimon.

Madam, ich werde

das erstere nicht mißbrauchen, und der Freund­

schaft nach meiner Pflicht aufs beste ein Gnür ge leisten. Mad. Dümat.

Gehen Sie, und bringen

Sie meine Tochter geschwind her. Hr. v. Aprimon. Ja, Madam, cteife ,um

Hm.». VMenarc) Folgen Sie mirentschlagen Sie sich der Tcchier, und denken nur auf die

Mutter. Hr. v. Villenace. «elfe tum Herrn v. Aprimon) Daran will ich eben arbeiten. seht ab.)

(Herr ». Aprimon

Siebenter Auftritt.

Madam Dümar. Herr von villenace. Hr. v. Villenace. Dey allem dem, Mai dam, erlauben Sie, daß ich Ihnen einen Ge­ danken mittheilen darf, der vielleicht nach Ih­

rem Geschmack ist. Vlad. Dümat.

Wir wollen sehen, ich

werde Ihnen desfalls meine Meinung aufrichtig sagen.

Aber setzen Sie sich.

Hl'.v-Villenace. (W fid> neben Mas. Dlimat) Jsts nicht Schade, daß Herr Dürmer so unartig,

und

30

Der alte Petikmaikre

und zur Gesellschaft so wenig geschickt ist? Denn ohne dieZ würde sein Vermögen, sein Alter, der Stand eines Negecianteu in diesem Lande, wo sie nach der Größe ihrer Handlungsgeschäste ger schätzt werden, alles dieses würde für Ihre

Marnsett Tochter recht passend seyn. Dümat. Das denke ich auch. Und wenn sie es zufrieden ist, so will ich zu ihrer Heyrath, so trotzig und mürrisch er-auch seyn mag, gerne meine Einwilligung geben. Zn der Folge dieser Verbindung sehe ich meine Tochter bey alle dem sehr glücklich. Was? Zween Ta/ ge nach der Hochzeit unternimmt der Mann eine weite Reise, sie bleibt zurück, behalt ihren freyen Witten und ein ansehnliches Vermögen, und darf niemand als sich selbst wegen ihrer Auffühl rung Rechenschaft geben! Hr. v. Villenace. Das ist beynahe, als wenn sie schon in dem glücklichen Stande lebte, seine Wittwe zu seyn! Wahrhaftig Madam, Sie haben Recht, sich zu dieser Hcyrath geneigt zu finden, und selbst um des Glücks Ihrer Toch ter willen, rathe ich Ihnen, Ihr mütterliches Ansehen anzuwenden, daß Sie sie eben dahin bringen. Mad. Dümat.

Sie haben also keine Ab­

sicht mehr auf sie?

Hr»

in der Provinz. Hr. v. Villenace.

31

Ich? nein, wahrhaf­

tig! meine Absicht auf Ihre Tochter war nur, wie ich bereits gesagt, weil ich es nicht wagte, mir mit Ihrer Gegenliebe zu schmeicheln, und

ich gleichwohl wünschte, Ihnen auf einige Art verwandt zu seyn. Mad. Dümat.

Reden Sie auch wahr,

Herr von Villenace? Sie sind gar nicht gegen die Jugend und Reizungen meiner Tochter em­

pfindlich, und Ihre Neigung für mich könnte so

weit gehen, daß Sie meine Hand zu erhalten

wünschten? Hr. v. Villenace.

re Ihnen,

Ach Madam, ich schwö­

daß dieses der brünstigste und auf­

richtigste Wunsch ist, den ich jemals in meinem

Leben gethan habe und rhun werde. Mad. Dümat.

Ich bekenne Ihnen, e§

ist mir ein Vergnügen dieses zu glauben, allein,, es fallt mir noch schwer, mich gänzlich davon zu überzeugen; und nur nach einem gewissen Vor­

behalt , den ich mir schuldig bin , will ich mein Bezeigen einrichten. Hr. v. Villenace.

Was Vorbehalt, Ma­

dam? Wenn ich das Glück habe, Ihnen zu ge­ fallen, sind

Sie

denn nicht

Herr über Ihre

Handlungen? Wenn Sie Ihre Tochter verhey-

rathen,und ihr das gehörige Capital auszahlen,

cvfüb

Der alte Petiemaitre

Z2

erfüllen Sie dann nicht die Pflichten einer ge­

rechten und vernünftigen Mutter? Mad. Dümat.

Ohne Zweifel; aber mit

einem Werre, wenn ich die Partie ergriff, Ihre

Hand anzunehmen, so bedenken Sie, daß eine

dritte Heyrath allezeit eine Fran etwas lacherr lick macht, die im Begriff stehet es zu wagen. Nächstem, ob Sie gleich nur seit gestern Abends-

erst hier sind, so könnten Sie doch in dem Herzen meiner Tochter einigen Eindruck gemacht haben.

Ilnd verhielte sich das also, wäre es nicht vernünf­ tiger von mir gehandelt, das Glück derselben zu befestigen, wenn ich Siezn meinem Schwieger­ sohn annahme, als mich in ihren Augen ver­

haßt zu machen, indem ich selbst Sie heyrathete? Hr. v. Villenace. SevnMie versichert, Madam, wenn ich auch einigen Eindruck bey ihr gemacht: so ist der geringste Zweifel, den AhrTochter wegen des Glücks hegen könnte, wor-

nach ich eigentlich seufze, hinreichend genug, ihr

Nicht die mindeste Spur übrig zu lassen — Mad. Dümat. Mein Gott! ich weisdas laßt sich nicht so leicht auslöschen, als Sie

sagen.

Sie haben so einnehmende Verdienste;

meine Tochter hat noch niemals geliebt; ein jun­

ges Herz ist bald erobert! kurz, ich muß die Ge­ sinnungen derselben in Absicht auf Sie, mein

Herr,

in der Provinz.

z;

Herr, ganz genau kennen, ehe ich über unser

beyder Schicksal den geringsten Schluß fasse. Hr. v. Villenace. Und wie, Madam, wie wollen Cie cd ansangen, in Ihrer Untersu­

chung einige Gewißheit zu erlangen? Sie sa­ gen ja selbst, Ihre Mamsell Tochter sey voller

Verstellung;

ein junges wohlerzognes Frauen­

zimmer hat Rechte und Mittel genug, diese Ver­

stellung beyzubehalren,

daß Sie niemals darhirn

ter kommen werden, was in dem Innersten ih­

res Herzens vorgeht. Mad. Dümat.

Ick weis wohl, daß ich

ein sehr schweres Werk unternehme, und daß

mannbare Magdchen, wenn man. ihre jungen

Herzen ausstudiren will, einem immer ein um­ gekehrtes Buch Vorhalten.

Unterdessen will ich

doch versuchen, ob ich den Artikel, der Sie an­ geht, in dem Herzen meiner Tochter erforschen kann.

Finde ich sie geneigt. Sie mein Herr zu

lieben: so versteht sichs, daß von mir nicht mehr

die Rede seyn muß, und von dem Augenblick

an, werden Sie ertauben, daß ich Sie als mei­ nen ©beim betrachte.

Finde ich im Gegemheit

bey ihr keine Neigung zu Ihnen: alsdann kann

ich

mich, da ich ihr nichts entziehe, noch immer,

zu Ihrem Besten entschließen, ohne mir Vor­

würfe zu machen.

v.MoisylUTI).

L

Hr.

34

Der alte Petitmaitre

Hr. v. Villenace. Diese zärtliche Bedenk: ^lichkeit ist ein wahrer Ruhm ftit Sie, Madam. Nur bin ich noch verlegen, wie man Ihnen auf

eine Art beystehen könnte, welche Sie aus Ihr tem Zweifel zu ziehen fähig wäre. Mad. Dümat. Ich sinne nach, welche

List wir wohl anwenden könnten, diesen Zweifel ins Licht zu fetzen; -—

ich finde nichts: es halt

schwer! (sie denkt nach.)

Hr.v. Villenace. (vor sich.)

Meiner Seer

len! wenn sie aufrichtig redt: so könnte ich noch duf die Tochter-Staat machen.

Ich will's zu

dem Ende doch wagen, ihr einen Gedanken mitt jutheilen, der mir eben einfällt.

Mad. Dümat. denken.)

(erholt sich von Ihrem Nach,

Nun? Finden Sie nichts?

Hr. v. Villenace.

D ja, Madam! Mei:

Ner Treu, ich glaube ein sichres Mittel gefunden

zu haben, das Her; der Mamsell Devigny in Betracht meiner zu entfalten, und sie zu einem Geständnis; gegen Sie zu bringen.

Mad. Dümat. Lassen Sie hören? — Hr. v. Villenace. Oh, die List ist unverr Hleichlich, und so einförmig als sicher. Ihre Mamsell Tochter wird herunter kommen; in der Unterredung, welche ich mit Ihnen beyder:

seits halten werdeist es nöthig , daß ich ihr,

gleich:

in der Provinz.

35

gleichsam mit Dcro Bewilligung, alle Einvfinr

düngen eines Herzens entdecke, Reizungen gefesselt ist.

das von ihren

Damit aber meine

Werte nicht in den Wind geredt sind :

so haben

Cie die Gewogenheit, und deuten alle die ver­

liebten, zärtlichen und herzbrechenden Ausdrücke, welche ich ihr versagen werde,

Madam.

auf sich selbst,

Sie muß uns doch antworten, sie

muß wider ihren Willen ihr Herz eröffnen, zu­ mal wenn Sie selbst sie noch darzu nöthigem

Oh, Sie werden sehen, Madam, Sie werden se­ hen, woran Sie sich zu hatten haben, und nach

diesem Ihre Entschließungen fassen! Mud. Dümat. Ja, der Einfall ist ganz gut; aber wenn Sie nun in dieser Unterredung

den Eindruck auf sie machten, den ich schon be­

fürchte, daß er bereits — Hr. v. Villenace. Alsdann, .alsdann — aber

—-

wird nicht geschehen.

nein —

Madam,

nein,

daS

Allenfalls erführen Sie

dadurch, welcher Art von Verdiensten das Herz

Ihrer Tochter sich zu ergeben geneigt fände, und das; mit einem Worte kein Herr Dürmer ihr ge­

fallen könne.

Sie würden ihr alsdann einen

Mann von meiner Art aussuchen müssen; denn ich gestehe aufrichtig, sollte ich bey dieser Unter?

reduug das Unglück haben, Ihrer Mamsell Toch?

z6

Der alte Petitmaitre

ter zu gefallen: so würde ich Sie ersuchen, Ma­

dam, mich nicht für selbige zu bestimmen. Mein Herz, das Ihnen gänzlich gewidmet ist, könnte niemals in diese Vereinigung willigen, nur Sie allein können mein Glück machen.

Mad. Dümat. Ich glaube Ihnen, Herr von Villenace. Die Probe, auf welche ich mei­ ne Tochter stellen will, kann wohl allen dreyen

gefährlich werden, aber es ist einmal beschlossen,

ich muß es wagen! Ich will doch einmal in mei­ nem Leben erfahren, was in dem Herzen mei­

ner Tochter vorgeht, Sie allein können mir diese

Genugthuung verschaffen.

Zeigen Sie ihr in

meiner Gegenwart alle Ihre Geschicklichkeit, sich

beliebt zu machen, und sie von dem zu überre­ den, was Sie nicht empfinden.

nen Betrug!

Aber nur kei­

Wenden Sie alle Ihre Künste

an; aus der Wirkung werde ich erkennen, worzu ich mich vernünftiger Weise entschließen muß^

Sie kömmt; denken Sie auf sich.

Achter Auftritt. Madam Dümat. Herr von villenace. Mamsell Devigny. Hr. v. Aprim on. Hr. v. Aprimon. Erlauben Sie Madam, daß ich Ihre Mamsell Tochter zu Ihnen brin­

ge ; ich habe sie von der galanten Unterredung des

in der Provinz.

37

Les Herrn Durmer, und von dem Feuer seiner

Liebe unterrichtet.

Versuchen. Sie selbst, ob

Sie ihre Gedanken darüber ergründen können, denn ich meines theils habe nichts erforscht, und

ich sage mich davon

los, indem ich mich Ihnen

empfehle, (er will gehen.) Mad. Dümat. Sie

kommen doch bald

wieder, Herr von Aprimon. Hr. v. Aprimon. Ja, Madam, ich wer­

de nächstens die Ehre haben

(er geht ab.)

Neunter Austritt. tlTabam Dümar. Herr von Villenace. Mamsell Devigny. Hr. v. Villenace.

si Ich will doch

versuchen, ob ich das Herz dieses kleinen Dinges

erobern kann; glückt mirs, mein Seele, so laß

ich die Mutter sitzen. Mad. Dümat. Komm naher meine Toch­

ter, es ist die höchste Zeit, daß du dich in Anse­ hung des Herrn Dürmers erklärst, ob du ihn zum Manne nehmen willst, oder nicht?

Mamsell Devigny.

Sie wissen,

Frau

Mutter, daß ich in diesem Falle keinen Willen

habe.

Wenn Ihnen Herr Dürmer anständig

ist, so muß ich ihn wohl heyrathen —

C 3

Mad.

zg

Der alte Petitmaitre Mad. Dümat.

So muß ich wohl —

so muß ich wohl — das ist keine Antwort, welr che meine Zärtlichkeit gegen dich von dir erwartet. Du weist, ich will dich in der Wahl eines Man­

nes nicht zwingen, rede also aufrichtig; empfin­

dest du einigen Widerwillen gegen die Heyrath mit Herr Dünnern? Mamsell Devignv.

Ich glaube nicht,

und weit ich doch heyrathen soll: so gilt m'v die­

ser Herr so viel als ein andrer. Mad. Düman Du quälst mich recht mit

deinen Antworten! 2sber meine Tochter, in dei­

nem Alter weis man doch, ob einem jemand gn fällt oder nicht? Mamsell Devigny.

Allein, liebste Frau

Mutter, es könnte mir jetzt jemand gefallen, und in der Folge mich dennoch hintergehen. Sie

haben mir so verschiednemat gesagt, daß die lier Lenswürdigsten Mannspersonen oft die ärgsten Betrüger sind, daß ich befürchten müsse, ihr Opfer

zu werden, wenn ich meinem Geschmack folgte. Hr. v.Vrllenace. (vor sich) Ha, das zielt

auf mich! (laut) Mamsell, Ihre Reden, so ver­ nünftig sie auch scheinen, sehen Sie einer üblen

Wahl aus.

Wenn man einmal einen Geschmack

für sich haben muß, eine Art sein Daseyn zu

fühlen, eine Art zu denken; so ist es einer Per-

39

in der Provinz.

son

von Ihrem Atter hauptsächlich in dem 2fu;

genblrcke nöthig, wo sie sich einen Mann wählen

sott.

Ich

merke aus Ihrem Gespräche, dafr

jemand hier mehr Rechte hat, Ihnen zu gefatlen, als Herr Dünner;

gestehen (sie es nur

aufrichtig.

Mamsell Devigny. Das könnte seyn; aber wenn es sich also verhielte, mein Herr: so würde ich selbst diesem Jemand niemals die Mit­

tel an die Hand geben, solches zu denken,

oder

dessen versichert zu seyn, er müßte es dann er­

rathen.

Hr. v. Villenace. Gut, Mamsell, er wirds errathen, er hat es schon errathen. Kön­ nen Sie bey Ihren Reizungen an dem Eindrücke zweifeln, den Ihr erster Anblick mit Recht auf

sein Herz machen muß? Ich setze mich an die

Stelle dieses glücklichen Liebhabers;

zweifeln

Sie nicht, er liebt Cie, er betet Sie an; er­ klären Sie sich zu seinem besten, Ihre Fran

Mutter laßt Ihnen desfalls völlige Freyheit. Befürchten Sie nichts, nennen Sie den beglück­

ten Anbeter, er wird Sie zur glücklichsten Per­ son von der Welt machen.

Aber, mein Herr,

Mamsell Devigny.

wie verlangen Sie von mir, ihn jN nennen?

Ich kenne ihn ja noch nicht.

C 4

Hr.

4o

Der alte Petitmaitre Hr. v. Villenace.

Sie kennen ihn noch

nicht ? Sie wollen sagen, Sie kennen ihn nur obenhin, und fett so wenig Augenblicken, daß Sie

von dem lebhaften Eindruck, welchen Sie ans ihn gemacht, noch nicht sattsam überzeugt sind?

Nun gut, Mamsell, Sie müssen in Sicherheit gesetzt werben, ich muß Ihnen sagen, daß ich der Liebhaber bin, der sich schmeichelt. Ihnen auf dem

ersten Anblick nicht mißfallen zu haben, und der

seines Theils sich ein Vergnügen macht, vor Ihr 'nen das Gewehr zu strecken. Mamsell Devigny. Mein Herr, Sie

sehen mich in Erstaunen, und dies Gestandniß,

so schmeichelhaft es

auch seyn könnte, scheint

mir ein wenig sonderbar und voreilig. Hr. v. Villenace. Sie werden sich von

Ihrem Erstaunen erholen, Mamsell, und mir

die Eilfertigkeit meines Geständnisses verzeihen, wenn Sie erfahren, daß ich von Ihrer Frau Mutter die Erlaubniß erhalten habe, in ihrer

Gegenwart Ihnen die Größe und Aufrichtigkeit meiner Liebe zu entdecken.

Sie gestehet Ihnen

selbst in dtesem Augenblicke das Recht zu, Ihre Neigung zu bekennen; folglich würde eine law. gere Verstellung hier unrecht angebracht seyn.

Geben Sie vielmehr zu, daß man Sie errathen hat, und daß ich so glücklich bin, das Uebergn

wicht

in der Provinz.

4t

"wicht erhalten zu haben? (vor sich) Sie

liebt

mich 1

Mamsell Deviqny. Keinesweges.

Sie,

mein Herr?

Ich habe nicht das Gluck, Sie

zu kennen, und da ich Sie nur seit gestern Abends

gesehen: so werden Sie mit mir einig seyn, daß

es mit dem Geständnisse, welches Sie verlangen, eben keine solche Eile hat

Den Herrn Dürr

mer kenne ich doch wenigstens, er ist aus die,'

sem Lande; seine Aufführung, seine Familie, sein Vermögen ist bekannt, und vermittelst dessen

hatte er vielleicht mehr Rechte auf mein Herz

als Sie, wenn ich es ihm zugestehcn wellte.

Hr. v. Villenace. (vor sich) Sieh da! die Sache wird mißlich, (laut)

Wie? Mamsell,

wäre es möglich, daß ein Herr Dünner mir vorgezogen würde? Wenn man auch keine Eigen­

liebe zeigen wollte: so giebt es doch ein gewisses äußerliches Betragen an Leuten, denen man kei­

ne Herren Dürmers an die Seite setzen muß.

Und ohne Eitelkeit, Sie haben zu viel Einsicht, daß Sie mich nicht von einem solchen Menschen

unterscheiden sollten.

Mamsell Devigny.

Ich traue Ihnen

viel Verdienste zu, mein Herr, ich bemerke es

sogar, wie ich soll, aber Herr Dünner hat auch die seinigcn —

Er ist ein junger und erfahrC 5

ner

43

Der alte Petitmaitre

ner Mann, offenherzig, ein wenig trotzig, aber

in allem, was er sagt, aufrichtig; von der streng­

sten Redlichkeit in allen seinen Handlungen, und von angenehmer Bildung, ohne es zu wissen. Zch gestehe, daß alle diese Eigenschaften ihm bey

Leuten von Verstände das Wort reden werden.

Mad. Dümat.

Nun? Soll das soviel

sagen, daß du dich für ihn erklärst?

In dem

Falle will ich ihm gleich schreiben, daß er aufs

-geschwindeste herkomme, damit ich deine Heyrath mit ihm richtig mache. Mamsell Devigny.

Aber, Frau Mut­

ter, das soll ja nichts mehr sagen, als was ich meyne, daß nämlich ein jeder von diesen beyden

Herren seine Verdienste hat — Mad. Dümat.

Geh, geh! du bist auf

Dürmers Seite, das sehe ich. Du verstellst dich so, daß man dich wider deinen Willen errathen

muß, und ich will ihm schreiben, daß er sogleich herkomme.

Mamsell Devigny. Wenn Sie Geschmack

daran finden, daß ich ihn heyrathe, so sind Sie Herr — und ich willige darein.

Mad. Dümat.

Gut, ich gehe (rum Herrn

ton Villenace) diesmal haben Hhre Verdienste das Ziel verfehlt. Hr.

in der Provinz.

41

Hr. v. Villenace. c,ur Madam DUmay Man rn'.is; noch sehen —

Mad. DÜlNat. c,n Ihrer Tochter) Ich kom< me bald wieder, (sie geht ab)

Zehenter Auftritt. Herr von Villenace.

Mamsell Devigny.

Hr. v. Villenace. (vor sich) Noch haLeich Hoffnung; jetzt bin ich mit dem kleinen Hinge

allein, ich will meine ganze Beredsamkeit zeigen

Die Mutter benahm mir den Muth, aber nun—(laut) Bedenken Sie es auch wohl, Mamsell?

Ihre Frau Mutter will schreiben, sie will Sie dem Herrn Dürmer aufopfern, indem sie glaubt,

Ihr Herz völlig erforscht zu haben;

Sie selbst,

so sinnreich sich zu hintergehen! wollen sich yieb

leicht zu diesem Opfer bereit halten?

Mamsell Devigny.

Mein Opfer wie­

so groß nicht seyn als Sie denken.

Ich ge.t

horche meiner Mutter, ich thue meine Pflicht — Las ist alles.

Hr. v. Villenace.

Aber Sie wissen, daß

sie keinen erzwungenen Gehorsam von Ihnen

begehrt, sie läßt Ihnen die freye Wahl? Ey, Mamsell, folgen Sie doch Ihrer Neigung,

ich

schmeichle mir, daß selbige zu meinem Vortheile spricht.

Der - alte PetLtmaitre

44 spricht.

Ja, ich habe in diesen schönen Augen

mein und Ihr Glück gelesen! Wissen Sie dem­ nach zuverlässig, daß ich, in Gegenwart Ihrer

Frau Murrer, nicht meine ganze Liebe zu cuü decken wagte, welche Sie mir einflößen! —

Ich empfinde- — es ist mein Tod, wenn ich

nicht das Glück habe, Sie zu erhalten —

Mamftll Devigny.

Aber, mein Herr,

warum haben Sie sich vor meiner Mutter nicht so lebhaft erklärt? Sie hatte Ihnen ja völlige

Erlaubniß darzu gegeben, wie Sie sagten. — Hr. v. Villenace. Das ist wahr; aber in Gegenwart eines dritten ist die zärtlichste und

heftigste Liede allezeit schüchtern.

Die Ihrige

hat sich ohne Zweifel in eben der Verlegenheit be­ funden, gestehen Sie es nur ? Jedoch da wir jetzt allein sind, fürchten Sie sich nicht mehr,

dieser bezaubernden Empfindung Platz zu geben,

welche Sie vergebens in dem innersten Ihrer Seele verheelen wollen.

Die Augenblicke sind

uns kostbar, sprechen Sie, sprechen Sie, allen liebste

Mamsell, ehe der fatale Brief fortger

schickt wird!

Reden Sie, oder wir sind beyde

verloren. Mamftll Devigny.

Es sey ferne von mir,

daß ich so reden sollte, wie Sie es zu verlangen scheinen; ich habe schon zuviel gethan, daß ich Sie

in der Provinz.

45

Sie angehört, und wenn Sie das Gespräch nicht

ändern:

so muß ich glauben, Sie wellen sich

auf meine Kesten lustig machen, und ich werde

Ihnen das Feld raumen.

Hr. v. Vitlenace. sten lustig machen? —

Mich auf Ihre Kor Ach!

Mamstll, kön-

ncn Sie diesen verhaßten Argwohn gegen mich hegen? Es ist wahr, ich versuchte in Gegenwart

Ihrer Frau Mutter das Geheimniß Ihres Herr

zens zu entdecken, mehr aus einer Art von Neu­

gierde, der ich ein Gnüge zu leisten versprochen

hatte, als aus einer wahren Liebe;

indem ich

mich Ihnen zum Manne anbot, war ich nur

darauf bedacht, Ihr Schwiegervater zu werden. Aber in diesem Augenblicke gewinnt die Sache

eine andre Gestalt.

Ihre Frau Mutter —

Eilfter Auftritt.

Herr vonVillenacc. Mamsell Devign^. Madam Dümar. (Madam Diimat hört zu, ohne von dem Herrn von Willenace gesehen zu werden; sie macht ihrer Tochter, wel­ che sie gewahr wird, ein Zeichen, sie nicht zu verrathen.) Hr. V.Villenace. (fährt gegenMams. Devigny fort)

Ihre Frau Mutter, sage ich, will meine

Hand nicht eher annehmen, als nach der festen Ueberjcußiutg, daß Sie selbige ausgeschlagcnha,

den.

Der

46

Nehw.cn Sic sie aber an: so ist sic eS zm

ben.

frieden, ab.

alte Petitmvitre

mein Glück hangt einzig von Ihnen

Und weil ich doch in diesem fatalen Augen-

blick alles sagen muß:

so bekenne ich Ihnen,

Laß ich nur tu der Absicht die Freundschaft Ihr rer Frau Mutter wieder zu erneuern suchte, da­ mit ich bequemere Gelegenheit haben möchte, Ihr Herz von Ihnen selbst zu erhalten.

Wir wol­

len Sie vor dem Gelachter in Sicherheit stellen,

dem sie sich durch eine dritte Heyrath auösetzen

würde»

Ich gestehe Ihnen, die Neigung der

Madam Dümat seht mich in Verlegenheit, aber wenn ich nicht das Glück habe, mit Ihnen ver­

bunden zu werden, glauben Sie wohl, daß ich mit Ihrer Frau Mutter jemals glücklich seyn

könne? Ach! Mamsell, lassen Sie ihr Gerech­

tigkeit widerfahren, da sie so verblendet ist, und, indem Sie unser beyder Glück befestigen, retten Sie diese gute Frau von dem thörichten Gedan­

ken, der sich ihrer bemeistert hat. Mad. Dümat. (tritt tertm.)

Sie wird

sich scheu selbst retten, mein Herr. —

Mei­

ne Tochter mag sich offenherzig erklären, ob sietrotz Ihrer galanten Ausflüchte, einige Neigung für Sie empfindet!

so will ich noch gerne in

Ihre Heyrath willigen; allein schlagt sie Sie

aus: so bitte ich, machen Sie keine Rechnung auf

47

in der Provinz.

auf wich, sondern suchen anderwärts ihr Glück. Ich habe zuweilen thörichte Gedanken, aber ich

weis mich zu bessern, und Sie geben so gute Lection, daß man den besten Nutzen davon zier

hen muß.

Hr. v. Villenace.

Ich gestehe, Mar

dam — vielleicht habe ich die Scene ein wer nig zu weit getrieben; aber Sie wissen, daß wir

uns beredet hatten — Mad. Dümat. Es ist schon gut. Nun, meine Tochter, steht dir der Herr zum Manne

an? —

Sprich ein einzigesmal aufrichtig in

deinem Leben.

Mamsell Devigny. Nein, Frau Mutter, und wenn er mir auch in allem Betracht anstünde, welches doch nicht ist: so wäre es schon hin/

reichend für mich, allen Empfindungen zu cntfct« gen, die er mir hatte einsiößen können, weil ich nun erfahre, daß Sie einige Ansprüche auf ihn hatten. Mad. Dümat.

In diesem Fall,

mein

Herr, sind Sie von beyden Seiten frey; brin­

gen Sie Ihr Herz an, wo Sie jemand damit zu beglücken denken.

Ich habe eben so wenig

Verlangen als meine Tochter, es zu besitzen 1

Hr. v. Villenace.

Wie!

Madam, da

alles, was ich Ihrer Mamsell Tochter sagen

konnte,

48

Der alte Petitmaitre

konnte, unter uns verabredet war, und da ich nur einige etwas zu starke Ausdrücke anbrachte, um Ihnen in Ihrem Entwürfe desto besser zu dienen: können Sie wohl mich so grausam da­ für bestrafen, und alle Hoffnungen vernichten, welche Sie mir zugesagt haben? Dürfen Sie an der Zuneigung zweifeln, welche ich Ihnen be; schworen? Schreckliche Ungerechtigkeit! Mad. Dümat< . Noch einmal mein Herr, es ist genug gesagt. Ihre süssen Reden sollen mich eben so wenig hintergehen als meine Toch­ ter -— (zu ihrer Tochter) Nun! mein Kind, ver­ langst du, daß ich diesen Bries Herr Dürmern zuschicke? Mamsell Dewgny. Ja, Frau Mutter. Der Charakter dieses Herrn hat sich so vollkom­ men in seinem Lichte gezeigt, daß ich nun einse­ he, wie viel Hochachtung ich Herr Dürmern schuldig bin.

Mad. Dümat. Auf dieses Wort will ich — (sie will klingeln) Aber da kömmt er selbst mit dem Herrn von Aprimon. Desto besser. Hr. V. Villenace. (vor sich) Der Dorst nev! da habe ich was schönes angerichtet! Zwölf.

in der Provinz.

49

Zwölfter und letzter Allftritt. »$trr von VtUcMce. Herr von Aprinron. tn«t>4in DüiNtik. »5crr Dünner. litamfell DeVigny. S9(db. DülNüt. Dünner.

Komme» Sie nasser, Herr

Hier, diesen Brief wollte ich Ihnen

eben Üderschicre». (sie giebt ihm Den Brief, toc:i>eii et sachte lieft). o jpr. v. 2lprimon. (leise zum Herrn v.Vivenace) 97-j ? wie weit sind Sie? Kriegen Sie die Mutter oder die Tochter l

Hr. v. Q3it(cnact\ (leisezum Herrn v.Aprimon) Keine von beiden. Indem ich zu viel Witz anwandte, habe ich, wie ein Narr, gescheitert. Hr. v- Apninon»

Desto schlimmer!

Hr. v.

Mit den kleinen Gei­

Villermcc.

stern ans der Provinz weis nimi gar nicht, wie

man daran ist! H . Dürmer. (nachdem er den Brief gelesen)

Madam, das ist ein Wechselbrief,

der auf der-

Stelle bezahlt werden muß, und ich thue es von ganzem Herzen gerne.

Mad. Dümat.

Ich bin entzückt darüber,

wir wollenden Handel aufs schleunigste schließen,

(zum Herrn von Vrlleuace)

Und Sie, Mein Herr,

wenn Sie etvaa die Geschichte Ihrer galanten

v. Moisy LIL LY.

D

Crobe,

50 Der altePetikmaitrem öer Provinz. Eroberungen beschreiben, setzen Sie die heuti-

ge Begebenheit nicht mit hinein; dem Werckgen Nachtheil bringen!

sie möchte

Hr. Dürmer. Ha! ha! Alle die Herren Galans von Profession, kominen nicht allemal glücklich in den Hafen.

Manmchmal entstehen

Wirbelwinde, die sie nicht vermuthen; aber es

bessert sie doch.

Hr. v. Villenaee. Za, es bessert sie, Herr Dürmer!

Aber es giebt plumpe, trotzige und

ungesittete Leute, die sich niemals bessern. —

Madam, ich habe in meinem Unternehmen fehl geschossen, aber ich will mich an der ganzen Stadt rächen; alle artige Weiber, die ich nur aufgabeln kann, will ich in Contribution setzen,

selbst Madam Dürmer in kurzem nicht ausge­

nommen !

Mamsell Devigny.

Gehen Sie, mein

Herr, man hat Sie entlarvt, Sie sind nicht mehr gefährlich!

Mad. Dümat.

Allein, wenn Sie doch

von Mutter und Tochter sich eine gute Aufnah­ me wünschen:

so denken Sie ja an heute zu­

Wer zugleich zween Hasen jagt, keinen fangt. rück, und daß.-

Die

Macht des Geblüts. Über dar Spküchwort r

Krauen Wille, ist oft Gottes Wille!

L -

Personen. Hr. Cristan,

ein reicher Zunggesell,

von

sechzig Zähren.

Mamsell Sainkpreux, von sechs und vierzig Jahren.

Hr. Candide,

Freund des Herrn Cristan

und der Mamsell Saintpreur.

Frau Contois, Hausverwalterinn bey Herrn Cristan.

sießgen, ein Mägdchen von acht Jahren.

Alexis, ein Knabe von zehn Zähren. Ein Lakey des Herrn Cristan.

Dee Schanplah ist in de« Heer« Tristans Schlaf,immer. Die Handlung fängt de« Vormittag« um jehn Uhr an.

Die

Macht des Geblüts. Erster Auftritt. Herr Cristan.

Herr Candide.

Herr Candide. utett Morgen, mein lieber Cristan. Nun? wie befindest du dich diesen Morgen? Hr. Christan. Immer einerley; das Heist: ziemlich schlecht! Ich merke, daß ich seit zwey Zähren täglich abnehme. Hr. Candide. Es wäre unnütz, dir zn schmeicheln, Jedermann wird es gewahr. Al­ lein wns hast du für eine Krankheit? was fehlt dir? Hr. Cristan. Frey zu sagen, ich em­ pfinde keine Krankheit. Aber du hast es gestern Mittags bey Tische gesehen, ich habe keinen Appetit, ich schlafe des Nachts nicht, »nd ich D r weitz

G

54

Die Macht des Geblüts.

weis nicht, wem ich die innerliche Traurigkeit zuschreiben soll, die. mich täglich'verzehrt,

Hr. Candide. Dein Zustand ist sonderbar; aber wenn es kein physikalisches Uebel ist: so muß diese Vermehrung von einem moralischen entstehen. Ich habe dir es schon gesagt^ ich argwöhne anfeinen heimlichen Kummer,der dir am Herzen naget, Oeffne mir dasselbe, als einem alten Freunde bist du mir dem ganzes Vertrauen schuldig, Hr. Cristan. Ich-; einen Kummer! KeineSweges. Ich bin in guten Umstanden, genieße ohpe Stolz ein g-n^hübsches Vermögen^ ich führe ein sanftes und glückliches Leben mit Mamsell Saintpreur, welche ein Frauenzimmer von wahren Verdiensten ist, wie du selbst weist,

Hr. Candide. Ja; allein diese Neigung, welche bereits fünfzehn Jahre dauert,, ist viel­ leicht in deinen: Herzen etwas abgenutzt. Wir sind solche sonderbare Geschöpfe, daß ein stets fortdaurendes Glück uns einförmig vorkömmt, Das Abgeschmackte, der Ekel, mengt sich dareln; das Herz wird, wider unsern Wilken, müde, davon gereizt zu werden, und die ganze Maschine leidet dadurch. Sollte daS etwa deine Krank­ heit seyn? Hr-

Die Macht des Geblüts.' Hr. dir.

55

Nein, das schwöre ich

driften.

Ich liebe Mamsrll Saintpreur so stark,

als den ersten Tag;

die Gewohnheit hat das

Vergnügen, mit ihr zu leben, eher vergrößert al-

verringert.

Hr. Candide.

In dem Falle muß eine andre Ursache an deiner Abzehrung schuld seyn. Aber, gestehe mir zu, du bist nicht mehr jung, hl! führst mit dieser

Mamsell eine Lebensart,

die zwar Eure Freyheit nicht fesselt, aber doch

All einem sehr gegründeten Tadel Anlaß giebt. Diese heimlichen

Verbindungen werden zwar

nach unsern Sitten geduldet, allein jemehr sie

durch die Zeit der Gesellschaft kündbar werden, destomehr hat diese ein Recht, dieselben Verach­ tungswürdig zu finden.

Bey einem rechtschaf­

fenen Gemüthe sind dergleichen Ehen sogar von einer gewissen Beschämung unzertrennlich, wel­

che Gewissensbisse erregt,

llnb wenn man fä­

hig ist ein guter Vater, ein guter Ehemann, zu seyn: so erstaunt man in einem gewissen Alter

nicht wenig, daß man von diesen beyden Vor­ theilen ausgeschlossen ist, indem man die Rechte der bürgerlichen Ordnung und der Natur hin-

vergangen hat.

Sollten dir etwan auch daher

Gewissensbisse entstehen? —

Die Macht des Geblüts»

0 Hr.

Cnstan.

Ach! .liebster Freund,

Worauf verfällst du! Verwitterst der UnteuftU chw g dringest du endlich in das Innerste meiner

Seelen, und berührst eine Wunde, die mich seit langer Zeit schmerzt, und welche dis einzige Uw

fache meines Zustandes ist. Hr. Candide. Ey nun! Freund, wenn bas deine ganze Krankheit ist: so kannst dü dich leicht davon kuriren.

Heyrathe Mamsell

Sairupreux, du wirst ihr ein Opfer bringen, das sie in allem Betracht verdient, und dir die Achtung aller rechtschaffenen Leute wieder erwerben. Hr. (Tristan. Schon lan^c habe ich diese

Heyrathsgedanken zum Besten der Mamsell Saintpreux geheget. Sie verdient es durch ihr

stetes Betragen gegen mich, durch ihre zärtliche Nachgebung gegen meinen Willen, durch die Allsopferung ihres G'ücks und ihrer Ehre. Je­ doch, wenn ich sie heyrarhe, bin ich nur halb befriedigt. Dieses Frauenzimmer ist in einem

Alter, welches mich keine Früchte unsrer Ehe mehr hoffen läßt,

Und ich muß dir gestehen,

der Stand' eines Ehemanns kann meine Wün­ sche nur befriedigen, insofern ich hoffen könnte,

auch ein Vater zu werden. Hr. Candide. Was ? Ein solcher Wunsch könnte dich so weit verleiten, dieses Frauenzimr

wer

Die Macht des Geblüts.

$7

mer zu verlassen., welches nach deinem eignen

Geständnisse dir Glück und Ehre aufgeopfert Hal? Hr. Cnstan. Gott bewahre mich davor! Nein! solcher Ungerechtigkeit bin ich nicht fd;

hig.

Aber der Himmel straft mich für mein

Bezeigen gegen sie tn den ersten Jahren unsrer

Vereinigung!

Hr.

Candide.

Was hast du dir denn vor-

zuwerfen?

Hr. Cristan.

Ach! Freund, ich bin ein

Ungeheuer, das den menschlichen Namen nicht

verdient!

Ich muß dir mein ganzes Herz en

öffnen; jedoch wenn ich dich von den Abscheu-

lichkeLten unterrichte, worzu ich bey dem Bindniß, welches ich, ohne alle Bedingung, mit ihr

eingegangen war, fähig gewesen bin:

so muß ich

besorgen, deine Freundschaft werde sich in Ver­

achtung verwandeln, und es geschiehet mir Recht. Hr. Candide.

Sobald du deine Fehler so

stark empfindest, daß du dir die lebhaftesten Vor­

würfe deswegen machst: so verdienst du Ver­ zeihung. Sage mir, was ist es eigentlich?. Hr. Crisian. Vernimm, wie weit ich

die Ungerechtigkeit und Uumenschlichkeit getrie­ ben.

In den erster» Jahren hielt ich meine

Vereinigung mit Mamsell Saintpreux viel ge­

heimer, weil, ich meinen Oheim zum Freunde D 5

behau

58

Die Macht des Geblüts.

behalten mußte, dessen einziger Erbe ich war-.

-Trotz meiner Vorsicht harte mein Oheim doch einigen Argwohn deswegen, und drohete mir, mich zu enterben, wenn er ferner davon hären

würde.

Die Furcht, fein Vermögen zu vertier

ren, erstickte in mir die Empfindungen der Rar tur und Redlichkeit.

Ich hatte der Mamsell

Saintpreuv versprochen, sie, (roh mememOheim,

^u henrathen, wenn ich ein Kind von ihr am Leben behielt,

Sie bekam auch wirklich inneu

Halo zwey Jahren zwey Kinder von mir; jedoch, mich von meinem Versprechen toszumachen, desi

sen Erfüllung mich der Erbschaft meines Oheims

beraubt hatte, und die mir zu meinem Glück so nöthig war: so ließ ich diese beyden Kinder, oh»

ne Vorwissen der Mutter, in ein Waysenhaus

bringen, wo nur die traurigsten Früchte dertiefr sten Armuth oder des Lasters und der Unmensch,lichkeit erzogen werden.

Ich mußte mich in

tcin Gemüth der Mamsell wegen meines schänd­

lichen Verfahrens rechtfertigen, zu dem Ende beredete ich sie, die beyden Kinder waren kurz

hintereinander bey ihren Pflegeel(erngestorben. Hr. Candide. Nun? wo sind denn diese Kinder hingekommen?

Wenn sie noch leben,

da du nunmehr doch im Besitz von deines Oheims Erbschaft bist, und ihn nicht mehr zu fürchten

hass

Die Macht des Geblüts. hast ,

59

kannst du sie denn nicht wieder finden?

Kannst Pu nicht durch dieHeyrath mit der Mmter sie in ihre geziemende Rechte setzen und dich

glücklich machen? Hr. Cristan,

Das ist eS eben, Freund,

werrrme der Himmel seine gerechte Rache gegen mich ausübt,.

Nach der Geburt dreier Kinder

war ich unmenschlich genug, den Pflicl'ten eines VaterS auf ewig zu entsagen.

Und da ich nur

Nicht zutrauete, die väterliche Zärtlichkeit gänz­

lich zu ersticken: so beraubte ich mich aller Mittek, die unglücklichen Schlachtopser meines Stol­

zes wieder zu erkennen und zurück zu federn. Die Frau, der ich damals auftrug diese Kinder jus Waysenhaus zu bringen , ist nachher gestor­

ben.

Kurz, ich habe alles gethan, damit mir

kein einziges Kennzeichen übrig bleiben möchte,

Hub nun, da meine Seele den Empfindungen der Natur und Ehre ganz überlassen ist, üben

diese ihre Herrschaft nur über mich ans, nm den

Rest meines

Lebens ohne

Hülfe

unglücklich

zu machen! Sie Hänsen täglich meine Quaal.

Hr. Candide, That schrecklich. Hr. Cristan.

ist: Kinder zu haben.

Dein Zustand ist in der

Mein größtes Verlangen

Der Himmel hat mir

Mw geschenkt von einer Person, die ich liebe und

Die Macht des Geblüts.



und hochschätze, und durch meine Grausamkeit leben diese Kinder unglücklich, unbekannt, eh/ ne das; ich jemals hoffen darf,

mein Vordre/

chen und ihr Unglück zu vergüten! Ach, Gott!

ich fühle, der Scl-mepz wird mich tödten. Hr. Candide. Hegt Mamsell Saintpreux

deöfalls keinen Argwohn? Hr. Cristan. Nein, zum Glück für sie.

-Da sie weniger zu beklagen ist als ich, weil sie sich nichts vorzuwersen hat, bedauert sie diese beyden Kinder nur als ein paar Todte. Wenn

sie wüßte, wie strafbar mich die Begierde nach .Geld und vielleicht nach der Erhaltung meiner Freyheit gemacht hat: sie wurde mich mit Recht verabscheuen.

Hüte dich ja, ihr jemals zu

entdecken — Hr. Candide.

Ich empfinde die Wichtig;

seit deines Geheimnisses, wie icl) soll. — Sey

unbesorgt

Aber glaube mir, ich finde kein

ander Gegenmittel für deinen Kummer, als bq

der

Mutter die Ungerechtigkeit wieder gut zu

machen, welche du an ihren Kindern begangen hast.

Wenn du sie heyrathest, hast du. eine

Ursache weniger zu Gewissensbissen. Hr. Cristan. DaS ist wahr; allein ick

habe dir sthon gesagt, durch diese Heyrath mu[

ich dem Glücke, Vater zu werden, entsagen. , Sr

Die Macht des Geblüts, Hr. Candide.

dr

Vater zu werden! —r

Sey gerecht gegen dich.

Bist du es wohl werth,

dich in diesem ehrwürdigen Stande wieder zu sehen, nachdem du ihn so schdt^.dlich gemq]ß■'aucht;

hast? Verbessere deine lasterhaften ^u'thümer,

soviel es in deinem Vermögen steht, das ist alles, was du noch thun kannst.

Hr. (Elision.

ne Thränen;

chen, bett

Ach Freund, du siehst mer>

ich bitte, schone einen Unglückli­

der Tod allein — Cs

kömmt je­

mand — vielleicht ist es Mamsell Saintpreux.

Ich will ihr meine Unruhe verbürgen und auf, weine Schreibestube gehen.

Schwatze indessen,

mit ihr, ich komme bald wieder; aber vor allen Dingen --- (Er lyacht ihm ein Zeichen, daß er schwerßtit soll.)

Zweyter Auftritt. Herr Landide. Herr Lrisran. feil Samrpreux. Hr. Cristan.

Manu

Mit Erlaubniß, Mamsell,

unser Freund Eandide wird Ihnen Gesellschaft leisten; ich habe etliche nothwendige Geschäfte zu verrichten.

Mamsell Saintpreux. mein Herr.

Thun Sie das,

Ich will indessen Herr Candiden

ju unterhalten suchen, c-e» Lristan gehr ab.)

Drit«

61

Die Macht des Geblüts.

Dritter Auftritt. HcrrLairdide. Mamsell Saintpreu-!. Mamsell Saintpreux. Er wird bald wi« derkommen. (sie setzt sich.) Herr Candide, merken Sie nicht, daß sich unser Freund leit einiger Zeit entsetzlich verändert hat? Hr. Candide. Ich sprach eben mit ihm davon, ehe Sie kamen. .Ich versuchte dahinter zu kommen, warum er sich seit Zwey Jahren fv abzehrt. Mamsell Taintpren.e. Dieß macht eben wein Leben unglücklich. ASet fallt Ihnen denn Nicht etwas ein, woraus man diese tägliche Abnähme herleiten könnte? Hr. Candide. Nein, ich merke nut so viel, daß in seiner Seele ein heimlicher Kann mer verborgen liegt, wehr weis ich nicht davon zn sagen. Aber sollten Sie nicht selbst muthmaßen, von was für Art dieser Gram seyn könnte? Mamsell Saintpreux. Ach mein Herr! schon seit langer Zeit darf ich die BeschaffenHerr dieses Grams nicht muthmatzen, ich weis alles auf das genaueste. Sie sind Herr Crifrans Freund. Sie sind auch der meinige. Dürfte ich es wagen — (sie vergießt etliche Thränen.) Hr.

Dir Macht des Geblüts. Hr. Candrde.

63

Ey nun, Mamsell,

er5

öffnen Sie Mir Ihr Herz, Sie haben es nöthigWenn wir uns gemeinschaftlich berathschlagen/

finden wir vielleicht einige Hülfsmittel gegen sei.

Neu Kummer. Mamsell Snintpreux.

Es kömmt alles'

duf Herr Cristans freyen Willen au > das bin ich überzeugt. Hr. Candide.

Was? Er sollte Sie beyde

Nur zum Zeitvertreib unglücklich seyn (assen? das

ist nicht glaublich. Mamsell Saintpreu^.

Sie würden es

fcldjt glauben, wenn ich Ihnen entdeckte —

Hr. Candide.

Ick) weis ein Geheimniß

in dem Innersten meines Herzens zu verwahr

ten, theilen Sie mir das Ihrige mit, und bey/ Nahe wollte ich schwören, für Ihren Gram, und

vielleicht selbst für Herr Cristan einigen Trost' zu finden.

In solchen Umstanden ist ein dritt

ter Freund gleichsam düs Band zwoer Seelen, wie die Ihrigen sind.

Er wird Schiedsrichter,

jä sogar ein billiger Narhgeber, welcher die Furcht

zerstreut, die Fehler vermindert, die Vorwürfe

auf die Seite räumt, die erschrocknen Gemüther wieder besänftigt, kurz, den Nebel vertreibt und. Las Licht der Wahrheit und einer gesunden Mo-

t'al ohne llebereilung wieder an-ündet.

Mam,

64

Die Macht des Geblüts.

Mamstll Saiutpreur.

Sie haben Recht.

Jedoch, da ich befürchte, in diesem Augenblicke nicht Zeit genug zu haben, den Zustand, worinne

sich Herr Cristans Herz und das meinige befim den, aufs genaueste zu schildern: so muß ich cü ne bessere Gelegenheit erwarten.

Jetzt sollen

Sie nur mit zwey Worten den Bewegungsgrund

seines Kummers wissen.

Sie sind von dem ev;

st en Augenblicke unsrer Vereinigung an bis ge­

genwärtig allezeit unser Vertrauter gewesen. Hr. Candide. Za; allein ich weis nur

die bekanntesten Umstände.

Mamsell Sainrpreux. Sie auch die geheimsten.

So vornehmem

Ich bin durch Herrn

Cristan zweymal Mutter geworden.

Die Tech:

ter müßte nun acht Jahr und der Knabe zehn

Zahr alt seyn, wenn Herr Cristan nicht so um

menschlich gewesen — (sie weint.)

Ich kann.

Nicht reden —

Hr. Candide. Ich zittre! Was? sollte rr die Grausamkeit — Mamsell Saintpreux. Nein, er hat nichts wider ihr Leben unternommen; er würr

de zwar viel strafbarer, aber vielleicht nicht so um glücklich seyn.— Wenige Tage nach ihrer Geburt hat er sich derselben auf immer beraubt, indem

er sie in ein Iindelhans bringen ließ, ohne sich das'

Die Macht des Geblüts.

65

daS geringste Merkmaal ihres Daseyns vorzuber

halten.

Mich überredete er, sie wären Hintere

einander gestorben. Hr. Candide. schluß!

Weicher unglückliche Ent»

Ohne Zweifel hat die Furcht, seinem

Oheim zu mißfallen, ihm diesen unnatürlichen

Gedanken eingegeben.

Das Verlangen nach

dessen Erbschaft wird sein Herz hintergangen haben.

Das war eben

Mamsell Samtpreux. sein Bewegungsgrund.

Ich versuche, so viel

ich kann, die Stärke desselben in meiner Seele zu vergrößern, um ihm zu verzeihen; ja, ich bin

sogar bis auf einen gewissen Punkt gekommen, allein ich sehe, er kann es nicht bey sich so weit

bringen.

Immerwährende Gewissensbisse foü

tern ihn, das ist sein Gram, und ich fürchte, er

werde ihn ins Grab stürzen , wenn das Mittel,

welches ich in Handen habe, ihm nicht schleunig zu Hülfe kömmt.

Das ist es, worinne ich

von heute an Ihres guten Raths bedarf.

Ich

kann nicht langer in meinem gegenwärtigen Zur

stände leben, noch Herrn Cristan in dem seinü gen sehen.

Der Augenblick ist da, wo ich alle­

wagen muß. Hr. Candide.

Ach! Mamsell, wie sehr

rühren Sie mich, und was für Vorwürfe hat sich

v. Moisy m. Th.

E

unser

66

Die Macht des Geblüts.

unser grausarmrF.reund zu machen! Aber es kömmt jemand, (er sieht auf und ÜssneL die Thüre, woran malt bereits den Schlüssel drehete.)

Ey! es ist Frau CoN-

tois, das kleine Ließgen und ihr lieber Alexis.

Vierter Auftritt. Mamsell Sainrpreux. Herr Landide.' grau Lomois, Ließgen und Alexis. Frau Contois.

Ach, mein Herr, ich bitte

tausendmal um Vergebung wegen der Mühe, die

Sie sich geben; die Kinder wollten aufschlüßen— Mamsell Saintpreux. (tu -erm Landide) Sie sind es gewohnt, alle

Vormittage dem

Herrn Crisian einen guten Morgen zu sagen, er ist ein großer Freund von ihnen; nicht wahr, Ließgen? — komm her, küsse mich (sie fügt ein Kind nach dem andern.) Ließgen. Und Sie sind auch stet« unsre gute Freundinn, nicht wahr, meine Liebe? Mamsell Saintpreux.

Za, wenn eure

Mutter Contois mich versichert, daß Ihr Euch

hübsch klug aufführet. Frau Contois. Ach, Mamsell, gewiß, er sind recht gute Kinder.

Alexis hat mannichr

mal mit seinem lateinischen Prüceptor ein biSr

gen Streit, aber es geht bald vorüber.

Manu

Die Macht des Geblüts.

67

Mamsell Saintpreux. Daß dies ja nicht

ferner geschieht, kleiner Freund, sonst bleibe ich

nicht mehr deine gute Freundinn ! Hr. Candidc. Sie läßt ihm also lateinisch lernen, Fran Contois? das ist recht gut. Frau Contois. Herr Cristan und Mam-

feil haben so viel Freundschaft für diese beyden

Kinder, daß ich große Sorge trage, damit sie auch soviel Nutzen davon ziehen, als sie könnend

Mamsell Saintpreux.

Sie lassen sick­

gut an, sie sind von den ersten Zähren an unter unsrer Aufsicht erzogen, sie werden eS auch ver­

dienen, daß man stets für sie besorgt ist. Nicht wahr, mein lieber Alexis, du willst einmal ein

rechter geschickter Mensch werden? AlrxiS. Za, meine liebe Freundinn, ich will alles lernen, was ich kann, damit Sie, un-,

ser guter Freund, Mutter Contois und alle Wett

nut mir zufrieden sind.

Aber das Latein ist ein

bisgen schwer und langweilig zu lernen. . Hr. Candide. Nur noch einige Zahre hübsth fleißig,

stiern kleiner Freund.

Denke

Er nur, daß es auch das verdrüßlichste Und schwer­ ste von allem ist, was Er noch zu lernen hat. Alexis. Ey, gut / und damit ist es aus,

ich will nicht mel-r über das garstige Latein un­

geduldig werden.

Sie haben recht, mein Herr, Er

j