Des teutschen Ritters Ulrich von Hutten sämmtliche Werke: Teil 1 [Reprint 2021 ed.] 9783112443149, 9783112443132


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Des teutschen Ritters Ulrich von Hutten sämmtliche Werke: Teil 1 [Reprint 2021 ed.]
 9783112443149, 9783112443132

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Des teutschen Ritters

Ulrich von Hutten auserlesene Werke.

herausgegeben

Uebersetzt und

Ernst Münch.

Erster Theil. Ci» großes Ding die Wahrheit, stark über alles. Paulus.

Leipzig bei

Georg

Reimer.

1822.

Vorwort. Ich führe dir, mein teutsches Volk!

einen alten

treuen Freund zu, der eine der Hauptzierden jener gewaltigen Zeit war, wo ein großes geistiges Stre­ ben innert, und über deine Marken hinaus in vielen

Tausenden erwachte, und die Morgenröthe deSBil-

dungStages aller Völker herbeiführte.

Diese

große

Gahrung, der

ewig denkwür­

dige Sieg des Geistes über die Gewalt, war nicht

das Werk der Einzelnen,

die als Erreger und

Stimmführer den verhängnißvollen Kampf began­

nen, und durchkämpften: Zeit.

es war das Werk der

Die Befangenheit menschlicher Natur aber

liebt es, irdische Namen dem voran zu setzen, was

die Gottheit selbst durch mächtige Anklänge in gro­ ßen Gemüthern verwirklicht.

Die große Umwälzung endlich ist auch nicht ausschließlich das Werk jener Zeit, die man ge­ wöhnlich die Reformation des sechzehnten Jahrhun­

derts nennt, denn sie war schon früher vollendet in

den Herzen aller Bessern und Weisen,

a a

der heiße

IV

Wunsch der versammelten Kirche während mehr als

eines Jahrhunderts, gewesen.

Aber ihre Anerken­

nung fiel in diese Tage, durch gebietrische Noth be­

wirkt.

Die Geifier befreiten sich, ohne deö Mei­

sters Wort fürder zu hören, denn sie glaubten Trug und Tücke nur in ihm: darum entloderte der Zorn

in mächtigen Feuers Flammen» Die Glut lag längst

in Masse da. Das Reich der Teutschen war durch einen dop­ pelten Feind um die alte Selbstständigkeit gekommen,

mit der es einst in schönern Tagen, alö der Ruhe­ punkt der Völkerströmung,

als das Herz und die

Kraft Europcns, in der das Größte und Edelste zu­

sammenströmte, und als der erste Staat der Welt da stand, Ehrfurcht gebietend, jedem Feinde furcht­

bar, Ewigkeit verheißend wie seine Eichen, in Rit-

tertugcnd und Christengröße allen Völkern Verkün­ der und Vorbild.

Dieser doppelte Feind hieß Pabstthum (der im

Gegensah zum

reinen RepublikaniSmuö

der

christlichen Hierarchie ausgebildete KurialismuS,)

und Lehensadel (der vom gemeinsamen Reichsverband stolz sich lossagende Geist der Unabhän­

gigkeit). So lange die Priester,

in der Einfalt,

irdischer Hoheit bar,

und dem freundlichen Geiste des

Meisters wandelten, und nur in der Sorge für das

Heil der anvertrauten Seelen ihre Beruhigung fan­ den, horchte das Volk, das die Ehrfurcht für das Himmlische von seinen nordischen Göttern schon mit-

gebracht und treu bewahrt hatte,

gläubig ihren

Lehren, und der schönen Lehre des Menschensohns,

welche Selbstverlüugnung, Gerechtigkeit und Frie­ de allen Menschen und Gleichheit aller Völker -- und

Menschenrechte vor Gott, sittlichen Adel, Helden­ tod für die Wahrheit, und Unsterblichkeit nach dem

Grabe verkündete, und verhieß.

Eö schmiegte sich

willig, als mit der größer« Ausdehnung des Chri­ stenbundes,

und der Unzahl verwirrender Sekten

und Deutungen Gefahr für Has Allgemeine erwuchs, in einige schlichte, aber feste Formen, welche den

Hauptbegriff der Lehre, die Reinheit der Satzungen

Christi,

und das gewichtige Wort seiner ersten

Schüler und Bekenner über manches Zweifelhafte,

unverfälscht den kommenden Geschlechtern übergeben sollten.

Es erkannte selbst, obwohl im Bewußt­

seyn vollkommner Gleichheit, von eben dieser Liebe

zur Harmonie und Eintracht bestimmt, Oberhirten, deren jeder dem gläubigen Volk ein Petrus seyn sollte, und den Hort behüte« wider Anfälle und List,

und über den Leidenschaften wachen, welche im In­ ner« jedes Bundes so leicht aufkeimen.

Keinem

dieser fiel es lange Zeit ein, den brüderlichen Grund­ satz, worauf die ganze Kirche ruhte, umzustürzen, und auf dem umgestürzten Recht der Gleichheit eine Suprematie ausschließlich zu errichten, die er schon

früher collegialisch, Meinung,

aber nur in der öffentlichen

u«d dem freien Willen der Gläubigen

gegründet, bcseffcn hatte.

VI

Eben so ehrte das Volk in den Söhnen durch­ lauchtiger Geschlechter die Tugenden der Väter, so lange sie nur für die Ehre des Ganzen,

und die

Wohlfahrt teutscher Nation allen Uebrigen sich vor­

andrängten.

Es reichte gern einen Theil seines

dinglichen Besihthums in die Gesammtmasse des

Staates, wenn es an persönlichem Werthe, und im Namen „Teutschland" über alle Nationen an Ruhm und Hoheit sich verherrlicht sah.

Als aber in einer langen Reihe von Jahren die Prediger des göttlichen Wortes,

und namentlich

der Obcrhirt von Rom ihrer uranfänglichen Bestim­

mung vergaßen, und Göttliches und Menschliches

unter einander mengten: als sie die freie Republik

der Kirche, repräsentirt durch Bischöfe, und Kon­ zilien im Namen aller gleichberechtigten Gläubi­

gen, zu einer despotischen Zwingherrschaft erhoben, daö Ansehen der Kirchenversammlungen niederdrück­ ten, und alle Verbrechen, selbst jene wider die Na­

tur begangenen unter den weiten Mantel päbstlicher Machtvollkommenheit sich stüchteten; als Sünden wi­

der den heiligen Geist, und die Freuden des Himmels

um Goldstücke verkauft wurden, das Schifflein Pe-

tri aber zum Korsarenschiff für alle Leidenschaften geworden, das Kreuz des Friedens und der Völker­

einigung

zum Blut- und Schreckenszeichen den

Menschen anderer Himmelsstriche, Farbe, Sitte,

und Gesinnung;

als der Statthalter Christi, des­

sen Reich im Frieden,

und nicht von dieser Welt

war, allen Eroberern der blutdürstigste zum Völker-

und Menschenraub in Stahl und Panzer voranzog, und in Wahrheit eine streitende Kirche an die Stelle der frühern gekommen;

als das freie Wort

des Geistes niedergedonnert,

die Ausbildung der

von Gott in uns gesenkten Anlagen durch Kehergerichte, Scheiterhaufen, Blutgerüste, Kerkerewig­ keit, und die Vehm der Bettelmönche und Curtisa-

nen gehemmt worden, die Nacht aber immer größer,

die Schmach unleidlicher hereinbrach t da traten in einzelnen

großen

Zwischenräumen Männer

voll

Kraft und Glauben auf, und erhoben ihre Stimmen gegen das schreiende Unrecht der Gewalt, und die

Unwürdigkeit des Jahrhunderts, und rangen in »er*, zweifiungsvollem Streit, Ruhe, Habe, Ehre, Le» ben opfernd, mit dem fürchterlichen Gegner.

Und eben so, als die Majestät der Kaiserwürde herabgezerrt, die Einheit des großen Germanenbun»

des zerrissen, und immer unbegränzter das Umgrei­ fen der Fürsten,

und unleidlicher der Druck des

Adels auf die übrigen Stände ward, und mit der

Industrie des Bürgers daö Gold und Gift, fremder

Himmelsstriche,

und die Hoffart der Geldtruhe in

die schlichten ehrbaren Sitten des teutschen Bürgerthums kam:

da versuchten es einzelne Edle

mit

Fürstenmänteln und Kaiserkronen, und Ritter mit

der Tapferkeit ihres Schwertes, dem gefährlichen

Strom, im alten Geist ihres Volks, entgegen zu treten. Der Edle, der zuerst für die Freyheit der Kir­ che, Reinheit dec Sitten, und Herstellung des al-

VIII

tin ChrlstusglaubenS stritt,

Volk gekommen:

ist nicht aus unserm

er stand in Mitte jener unglück­

lichen Nation auf, welche Ruchlosigkeit jeder Art,

und Knechtschaft des Gewissens allen übrigen ge­

bracht,

und dadurch für ihre erdrückte politische

Freyheit fürchterlich sich gerächt hatte.

Es war an

ihr daher, einen Blutzeugen voran zu schicken, der in kommenden Geschlechtern noch kühnere Herolde

der Wahrheit einst entflammen sollte. Wenige Jahrhunderte, nachdem Arnold v. Brescia

durch den Unbestand fürstlicher Politik dem Fanatis­ mus zum Scheiterhaufen war überliefert worden,

erstanden sie, und vor allen andern hat die Geschich­

Savonarola, Wiklef, Huß

te die Namen:

und Hieronymus von Prag in ihr Gedächt­

nißbuch ausgezeichnet. cher Würde

bekleidet,

Mit all dem Glanze sittli­

der die Verbesserer der

Menschheit schmücken muß, vom Geiste der Helden des Alterthums, und der Märtyrer der ersten Kir­

che angetrieben, allgewaltig durch die Beredkfamkeit des Glaubens und streng evangelischer Wahr­

heit traten sie unter ihre Zeitgenossen. einen,

Sie fanden

wenn auch nur kleinen Theil des Volkes

nicht unvorbereitet:

denn ihnen stand in verschiede­

ner Richtung die Begeisterung des Südens,

der Ernst des Nordens bei. dem Teutschen durch

nunft

freie

und

Die Sendung, die Forschung der Ver­

geworden, that sich dem Wälschen durch

den Glauben an unmittelbare Offenbarung der Gott­

heit selber kund.

IX

Aber noch war das Schicksal nicht erfüllt.

Je-

ne-Namen sollten pur die ersten glänzenden Strah­ len des nahen Tages seyn,

der bereits durch die

Wüste und die Mitternacht funkelte. . Sie erlagen der Größe ihres Werkes, und einem unwürdigen denn ihr Zeitalter-war kleiner

Geschick:

als sie. „Doch der Eifer für Wahrheit und Recht, und wenn er thatenlos nichts als Zeugniß und Thränen

opfert, weil ihm Thaten versagt sind, ist von hohem

unnennbaren Werth im Himmel" (Engel). Bei ihren

Gräbern stärkten

sich

gleichmuthige

Enkel zum

Kampf, und der Geist des Ewigwahren und Ge-

rechten stieg aus allen Verfolgungen des Wahn­

sinns und Fanatismus rüstiger nur und verklärter hervor, und mahnte unausgesetzt zu dem was gesche­

hen mußte.

Mit eben so glühendem Eifer und

schneidendem Spdtt als gründlicher Forschung be­ leuchtete

und bestritt Laurentius Valla der

Päbste Anmaßung und Lügenwerk, züchtigten B o c-

cacio, Brant, Kaisersberg, Felix Häm­ merlin und Cornelius Agrippa die Laster des

Klerus, und des Volkes Thorheiten, suchte T.rit-

h e i m durch Frömmigkeit des Wandels, und treue

Liebe zu göttlichen Dingen,

und den Schätzen der

Wissenschaft auf sanfterm Pfade einen bessern Zu­

stand herbeizuführen, und Machiavel der Viel­ verkannte, mit der Seele und dem Griffel eines Tacitus, hielt den Machthabern feiner Zeit das gräß­

liche Bild gesetzloser Willkühr vor.

Erasmus

und Reuchlin zerstreuten mit der Leuchte eines gründlichern Studiums von den cntadelten Wissen­

schaften, insonders der Gottesgelahrtheit, die cimme-

rischen Nebel. Doch nicht das Wort des Einzelnen allein er­

scholl als glühend bittre Mahnung um Abhilfe der Schmach, die auf der ganzen Menschheit, nament­

lich aber dem teutschen Volke lastete, die Gesinnun­ gen ganzer Körperschaften, die inständigen Wünsche

frommer und gelehrter Bischöfe und Priester, ja die

Beschlüsse mehr als einer Kirchenversammlung spra­

chen sich in ihrem Geiste aus.

Es war der Geist

des Herrn wider das Göhenthum, verblendete.

das fein Volk

Zui Bafel und Kostnitz hatten, vor,

und zu gleicher Zeit, als letzt genannte Männer er­

schienen,

die

Bevollmächtigten

deS gejammten

christlichen Abendlands beschlossen, der erwachten öffentlichen Meinung von dem Verfall der Kirche, und alles geistigen Lebens in ihren. Gliedern einen

glänzenden Sieg zu erringen.

Mit unermüdlicher

Treue war vorerst der Spaltung gewehrt,

und das

Aergerniß einer dreigehaupteten Regierung getilgt

worden; mit aufrichtigem Ernst wurden die Gebre­ chen des ganzen Körpers aufgedeckt, und theilweis

zur Abhilfe geschritten.

Die Väter sprachen noch

einmal im Gefühl ihrer Würde und Rechte zu dem Oberpriester, der Huldigung ihren Beschlüssen wei­ gerte.

Wälsche Arglist, und französische Intrigue

hinderten der Teutschen kräftigen Entschluß.

Da

ward von der Stunde an die Ueberzeugung des Ein-

XI

zelnen hingegeben, was man von der Väter verein­ tem Wirken sich nicht mehr versprechen durfte. Mit dem Auesaß der Zeit wuchs die Geistergährung.

Denn als die physische Gewalt durch das Schieß­

pulver, die verfeinerte Kriegskunst, und jene schlan-

genzüngige Politik der neuern Zeit frischen Zuwachs erhalten,

war zu gleicher Zeit auch der Idee ein

mächtiger Verbündeter geworden, blühenden Wissenschaft,

in der rings er­

und ihrem größer« Vcr-

breitungsmittel, der Buchdruckerkunst. Der Luxus der Päbste,

welcher das Studium der Alten, sich

berühmt zu machen, bisher betrieben und befördert, hatte einen nie geahneten Feind sich groß gezogen,

welchen er zu spät zu erdrücken eilte.

Die Thaten

der alten Helden, das Wesen und Wirken hochbe­ rühmter Weifen durch die Sorgfalt wissenschaft­ licher Klöster,

und die vertriebenen

Gelehrten

Griechenlands aufs neue unter das Abendland ge­ bracht,

spornten das jüngere Geschlecht zu Aehn-

lichem;

ihre Grundsätze begannen die seimgen zu

werden, und die Namen Themistokles, Aristides,

Sokrates, Demosthenes, Kato, Brutus, Her­ mann und Civilis lebten nicht nur in der Schule wieder, sondern leuchteten als langverhüllte Sterne

voran, und bewirkten, vereint mit dem, was die

teutsche Geschichte,

und jene der übrigen Völker

während der bessern Perioden des Mittelalters er­

zeugt, einen frischen, über alle Hindernisse siegen­ den Aufschwung aller Geister.

Ja selbst jene Art,

die Philosophie zu treiben, die wir gewöhnlich un-

---------

Xll

---------

ter dem Namen der Scholastik kennen, häufig

sonst, und auch in der Folge noch, als die Verkehrt­ heit der Geister nach Waffen der Spitzfindigkeiten

griff, ein Tummelplatz finstrer, oder doch Finsterheit liebender Gesellen, schmiedete durch den für die Philosophie verwandten Ernst, und in Folge dessen

durch Schärfung der Begriffe,

Pfeile gegen die

Widersacher des Lichts.

Zu groß war die Kluft zwischen dem wirklichen Leben und der Geschichte, zwischen den reiner wie­ der gefaßten, und gerade durch den Gegensatz schär­

fer und schroffer den Lehren des Tages gegenüberste­ henden Grundsätzen der Philosophie und christlichen Sittenlehre:

zu tief der Eindruck,

welchen die

Schlaffheit und Unwissenheit der Mönche, das sitt­ liche Verderbniß des Priesterstandes überhaupt, und namentlich die ungeheure Lüderlichkeit der höhern

Stände, endlich die unwürdig ärgerlichen Fehden der Pabstwahlen auf den unbefangenen Sinn, und

die gereifte Erkenntniß des Volks machten. Nimbus,

Der

den die Gutmüthigkeit vieler Jahrhun­

derte um den römischen Stuhl gestreut, zerstoß in

den Tagen zu Avignon, der Sixtus IV. und Alexan­

der Vl.

Die sittliche Größe Hildebrands, einst die

Seele des riesenhaften Werkes, war längst entwi­

chen, und es fiel namentlich dem am ärgsten betro­

genen teutschen Volke die Binde langer Kindschaft von den Augen: es erkannte, ein Pabst sey ja nicht Gott,

und

teutsche Nation nicht

der Watschen Magd.

XIII

Mit Spott und Ernst ward nun der morsche

Bau bekämpft.

Jetzt endlich ward, in den Stun­

den der Noth, das ursprünglich Große und Ehrwür^

dige, so in der Idee der Hierarchie gelegen, wieder

angerufen, und es mußte abermal einer Kirche zum Fels dienen,

die seit mehrern Jahrhunderten nur

diplomatische Verhandlungen,

statt Berathungen

über das geistige Wohl der Gesammtheit; daö Kriegs­

schwert und die Aufruhrfackel in die Ruhe der Staa­ ten, statt der Friedens - und Segenspalme;

kurz

die Götzen von Dan und Bethel statt des Jehovas

in sich erblickt hatte. Aber so sehr auch die Gemäßigter» sich hüteten,

die Grundidee der Kirche zu bestreiten, die siegreich über alle Jahrhunderte und der Hölle unbezwingbar ist,

so wenig war man gesonnen,

die angemaßte

Alleinherrschaft Roms fürder zu ehren,

die das

schreiendste Gegenbild jener Idee und aller Einsez-

zungen Christi geworden.

Die bloße A u k t o r i t a t,

die man bald herrisch drohend, bald italienisch ver­

schmitzt den gerechten Foderungen des Zeitgeistes entgegenwarf, reichte nicht mehr aus,

den Sturm

zu beschwichtigen, der unaufhaltbar von allen Sel­

ten hereinbrach.

Zu lange war mit dem Göttlichen

und den Völkerrechten die entsetzlichste Taschenspiele­ rei getrieben worden, das Vertrauen aber auf ewig

geraubt. Unedle Mittel, welche die Leidenschaft der Verzweiflung cingab, nährten nur den Brand: der

Vorhang des Tempels zerriß, das Geheimniß vom

Drachen zu Babel war verrathen,

und das Ge-

XIV schlecht Heli in seiner Nacktheit und Verworfenheit

erkannt.

In allen Bessern loderte eine und dieselbe je nach Verschiedenheit des Alters, und

Flamme,

der Ansicht, durch besonnenen festen Ernst, oder

feurige Begeisterung sich verkündend.

Da hörten der Fürsten V iele auf das Wort der Zeit.

DaS Volk durch alle Stände in seinen gro­

ßen Eigenthümlichkeiten aufgeregt,

und sich selbst

inr Spiegel einer bessern Zeit wieder erkennend, ju­

belte hoffnungsvoll einem neuen Lichttag entgegen. Und' große Manner traten« in die Schranken,

mit dem Ungeheuer zu ringen, das noch einmal mit seiner ganzen Wildheit und allen Künsten der Ver­ Vor allen strahlet

führung sich entgegen warf.

ihr aus der zahllosen Menge hervor, Hutten,

Zwingli, Luther und Melanchton, mit un* bezähmtem

Feuereifer bald,

und unversöhnlicher

Verachtung alles Schlechten, und Biegsamschlan-

genzüngigen, bald mit der Suada sanfterer Beredtsamkeit und Herzensmilde fördernd das Werk der Ihr seyd es, die Wortführer des teutschen

Zeit.

Volkes in diesen heißen Tagen, Dank aller Zeiten

gebührt,

denen der ewige

denn blutiger

und

schwerer war euer Kampf für des Geistes Freiheit, als der,

den einst die Helden Griechenlands und

Roms für ihren Herd gestritten. Aber es mischet sich in dies freudige Gefühl der Erinnerung eine Wehmuth, die unser ganzes Herz

ergreifen und erfüllen muß. sche,

Dennach! dieser fri­

kräftige Volksmorgen konnte sich nicht zum

XV

Der Fluch,

vollen Tage erheben.

der auf dem

teutschen Volke seit dem Ursprung seiner ruhmvollen

Stämme ruht, wirkte auch hier in seiner schrecklich­

Nur halb vollendete sich die

sten Erfüllung wieder.

längst ersehnte geistige und politische Wiedergeburt. Die Meister, welche das mächtige Geisterheer zum Streit wider die Finsterniß herbei beschworen, konn­

ten im Drange der Ereignisse das Zauberwort nicht

mehr finden, das die Leidenschaften, welche mit ge­

zogen kamen,

konnte.

wieder in ihre Schranken bannen

Da ward das ganze Haus von ihren Flu­

chen erfüllt, und manches Herrliche ging in ihnen unter.

Unter die Führer selbst kam der Argwohn

und der Streit, und dem Feinde war Raum gege­ ben, zu neuem Angriff sich zu rüsten.

Selbst jener

gewaltige Glaubensheld und Mann des Volkes, der (nachGörres Ausdruck) seine gute Ueberzeugung

hart neben die Untrüglichkeit des heil. Stuhles ge­

setzt, konnte sich,

der Einwirkung des frühern

Mönchthums nicht ganz frei , zu der großem Idee

nicht erheben,

die

Ulrich von Hutten,

Franz von Sickingen durchglühte.

und

DieVer-

bindung der politischen Reformation mit der kirch­

lichen würde nicht nur die Wiederherstellung der alten Glanzperiode für Teutschland herbeigeführt, son­

dern auch die namlosen Leiden des dreißigjährigen

Krieges erspart haben.

Hätte Luther, der die Welt

nur durch die Kraft des Evangeliums überwunden wissen wollte,

die

damaligen Verhältnisse

und

Volksstimmung, so wie die Pflichten des Bürgers,

XVI

neben denen des Geistmenschen aus einem freiem Gesichtspunkte erwägend, das politische Streben so vieler seiner Anhänger nicht gehindert, so darf man

sicher annehmen, daß die Religionsverbesserung die

politische Restauration, und diese die erstere gestützt,

und

volksthümlicher

ausgebildet

haben

würde.

Wenn daher vieles auf Rechnung der Politik, an die

der untergehende Götzendienst sich in der letzten Stunde mächtig anklammerte, zu schreiben ist, so

muß anderseits der noch im i6ten Jahrhundert un­ populär gewordenen Richtung der Reformation die

Schuld größtentheils selbst zugemeffen werden, daß

sie nicht tiefere Wurzel schlug, und eine beweinens-

werthe Trennung veranlaßte.

Denn wenn schon in

Luthers Tagen die theologische Polemik den größten Theil der jugendlichen Begeisterung deö Volkes auf­

zehrte,

so

trockneten

die

einst

üppigschwcllen-

den Säfte in der Folge noch mehr aus, als ein endund schrankenloser Boxerkampf der Alt» und Neu­ gläubigen sich eröffnete.

Auch war-daö,

was in

den großen Männern der Geisterrevolution geschla­

gen, keineswegs so rein in die Herzen aller ihrer Schüler gestossen.

Es schwuren viele derselben nur

auf ihren Namen, und brachten in veränderter

Form ein neues Götzenthum, das Götzenthum des dürren Buchstabens, der Sektenwuth und des ewi­

gen

Verneinens mit.

Die Leidenschaft entfachte

bittern Groll; die Habsucht vieler, in die Maske der Reformation sich hüllend, und den heiligen En­ thusiasmus gerechter Manner benutzend,

streckte

xvii voll irdischer Gelüste die Arme nur nach dem Gut der frühern Besitzer aus, und erpreßte eS zu eben so unheiligen Zwecken.

Da rieb sich das Unlautere beider Parteien in langer trüber Gahrung,

bis der vertilgende Bru­

derkrieg entlodert war, und alle Ungethüme, so die

Hölle nur senden kann, in langer Reihe von Jahren daö Vaterland verwüsteten.

Das teutsche Volk

ward in zwei Hälften zerspalten,

in Folge dessen

immer mehr gelähmt an allen Gliedern und Kräften, und Fremdlinge, die in den Tagen der Einheit vor seinem Zorne gezittert, strotzten jetzt, vollgenährt von seinen edelsten Säften, in üppigem Uebermuth, und

würfelten um den Besitz der Weltgebieterin,

bis

noch einmal aus tiefster Schmach der germanische

Stolz erwachte, und bewies, wie viel in seinem Grundwesen verborgen liege.

Aber ewig währt die innere Trennung fort, un-

abläßig frißt der Krebs der Zweitracht an dem ed­

len Körper, der bald nach dem großen Aufschwung der neusten Zeit in starre Ohnmacht zurückgesunken,

und böse Geister nähren in die Wette den unheilba­ daß dieser

ren Brand mit geschäftigen Händen,

Körper nimmer erstarken möge zur ehevorigen Ho­ heit und Schöne.

Noch haben drei Jahrhunderte

der Schmach und Leiden uns nicht gebessert, und zum Bewußtseyn unsers Werks und unsers Zustands

gebracht.

Verblendet im Geiste, irregeführt im

Herzen, ja häufig von noch schlechtem Begierden

Huttens Schnften.Th. I.

b

XVIII

bestimmt und angetrieben, suchen viele das theuer erworbene Kleinod der Aufklärung und Geistesfrei­

heit als demüthigeS Geschenk an den alten Unter­ drücker auszuliefern,

der frisch und stolz auö der

Erniedrigung erstehend, in furchtbarer Konsequenz das schwankende Streben der Bessern durchkreuzt,

und das entschliche:

„was ist Wahrheit?" mit

schneidendem Spott abermals seinen Lästerungen wi­

der die Vernunft als Motto vorausseht. Jene Ge­

sellen der Nacht, die Herostraten Teutschlands im zojährigen Kriege, über die der große Ganganelli und sein Jahrhundert den ewigen Fluch ausgespro­

chen, schleichen neu herum, jeht nur in der Hülle

niedrer Demuth,

bald aber sicherlich ein anderes

Bannier entrollend, um die Schwächen der Staa­ ten auszuwittcrn,

und das alte Zuchtmeisteramt

über sie wieder zu erringen.

Die Herzen des Volks

werden durch lächerliche Wunder bethört, die Aber­

glaube und die Nacht ersonnen, und tausend Apo­ stel der Finsterniß in allen Farben und Gestalten ha­

ben sich darauf die Hände gereicht, daß der müdge-

wordenen Menschheit aufs neue der alte Sklaven­

ring durch die Nase gezogen, und sie um ihr unver­ äußerliches Erbtheil

freier geistiger Entwickelung

abermals betrogen werden möge. Auf der andern Seite trachtet ein kalter eisiger

Verneinungsgeist alles Liebliche und Schöne, was das Gemüth des Menschen, der auch ein Sinnen­

wesen, anspricht, in dürre, unerquickliche Formen zu bannen, einen Gott zu schaffen, der nur Ver-

XIX

stand, aber kein Herz hat, und alle Bilder zu

krummern, in denen sich die-innige Vermählung der geistigen und sinnlichen Natur darstellt.

Und ob­

wohl sie sich daö Ansehen geben, das gute unzer-

störliche Recht des Gewissens und der Glaubens­ freiheit zu verfechten,

und obgleich die Idee größ-

tentheilö auf i hrer Seite,

lästern sie gleichwohl

durch manche Art der Vertheidigung, und den Geist

immer mehr entfernender Unduldsamkeit eben diese

Idee, die einst dem Unternehmen ihrer edlern Mei­

ster Daseyn und Begeisterung gab.

Und daher

kömmt es, daß sie auch von ihr häufig verlassen werden, daß der Unverstand sein Recht behält, und

das Werk der Reformation dasteht, wie ein großes

gigantisches Gebäude,

das von oben herab noch

durch unverlöschliche Strahlen erhellt wird,

aus

dem aber die Bewohner größtentheils ausgezogen, so zwar,

daß sie die Pforten verschlossen finden,

nachdem in der Vorhalle maaslos der Streit und

der Unfug gewähret. So sind wir denn zu dem Punkt gelangt, daß um

die geistigen Güter der Menschheit in unsern Tagen

mit neuen Waffen und neuer Anstrengung gestritten, und das errettet werden muß, was für Jahrtausen­

de man gesichert glaubte.

Die Seichtheit und Nie­

dertracht des öffentlichen Lebens haben ihre möglich­

ste Tiefe, die Hoffahrt aller Parteien hat ihren höch­ sten Gipfel erreicht.

Kein würdiges Ziel bezeich­

net mehr zu Ausdauer und kraftvollem Erstreben

erhabenen Geistern die Bahn: nur mit dem Erbe

6 2

der Väter, nur mit den Schätzen des Auslands

wird vermessen Spiel und Schacher getrieben, und es scheint teutsche Nationalität immer mehr unter­

zugehn.

In der fadesten Alltäglichkeit, und hand­

werksmäßigem Betreiben verflacht und verunwurdigt sich Wissenschaft und Kunst. stehen in Menge auf,

Der Propheten

aber in der Sprachverwir­

rung verstehen sie sich nicht, und viele knieen selbst

vor dem goldnen Kalbe nieder, das sie auö den ver­

geudeten Scbätzen einer bessern Vorwelt, und dem kargen Vermögen der Gegenwart zusammengegossen. In diesem Wirwarr aller Verhältnisse,

bei

diesen Umtrieben der alten Finsterniß, und der aufklä­ rerischen Falstafspoltronade unserer hochverfeinerteti Zeit, kann jedes teutsche Herz, in dem das Blut

besserer Vater noch wallet, nur bei solchen Genien Trost und Rückhalt finden,- die einst mit großarti­ Gefühlen eine Welt im Kampfe bestanden,

gen

und

wo

sie

auch

untergingen

mit unerfüllten

Hoffnungen und unausgeführten Planen, doch das Bewußtseyn mit sich ins Grab nahmen, nach einem großen Ziel gestrebt, und in die erschlafften Adern

der Zeit neues Leben gegossen zu haben. Die Lenker der Reformation,— noch einmal

mag

es wiederholt

werden,

übersprangen

die

felbstgesetzten Marken: die Trennung vdn der alten

Kirche war ursprünglich nicht in ihrem'Plan gele­ gen.

Die Fehde galt dem Katholicismus nicht,

der das reine Interesse für die Billigdcnkenden bei­

der Parteien war,

und seyn mußte,

und zum

XXI

Theil noch heute es seyn muß:

der Pabstgewalt,

sie galt dem Joche

der Tyrannei der Wälschen,

der Befreiung teutscher Nation aus unwürdigen

Banden.

Noch jetzt liehen sich der ächte Katho­

licismus und Protestantismus (wie er in Luthern und Melanchton,

nicht wie er in den schwerfälli­

gen Büchern der Theologen lebt) keineswegs ferne; in verschiedener Richtung streben sie nach einem

gemeinschaftlichen Punkt.

Die Zeit wird die ge­

trennten Brüder wieder einen.

Von darum aber führ' ich euch zu dem Grabe des Kraftmenschen Ulrichs von Hutten hin, weil ich

das Bild feiner Zeit, und die Anstrengungen teutscher Patrioten für Volksruhm und Germanenliebe ver­ bunden mit den Bemühungen frommer Glaubensver­

besserer nirgend so klar und kräftig ausgesprochen sin-

de,wie in dem Geiste, der durch seine Schriften weht. Ehret

schmähn!

ihn!

wag' es keiner,

seine Asche zu

Es haben Manche für ihres Vaterlan­

des Freiheit und das Recht gekämpft. Mik uneigen­ nützigerer liebe keiner.

Mit Maximilian urtb

Sickingen hütet er den Eingang zu dem verschlos­

senen Pantheon alter teutschen Ehren. Die frommen

Helden des Glaubens stehen mit den heiligen Bü­ chern in verklärter Freundschaft neben ihm und seinen

Genossen.

Schwören wir vor diesen deM Hasse

und derPartciwuth ab, und ein teutsches Vater­ land, und eine teutsche Kirche umschließe Ws un­ sichtbar in Heldenkraft, Gottcssinn und Treue.

XXII

Noch Einiges über die Herausgabe und Ueber-

setzung dieser Schriften.

5?ie Herausgabe der theils von Hutten selbst

in die Muttersprache übertragenen, theils von mir

übersetzten Schriften desselben schien mir in Hin­ sicht ihres Zweckes und andern.Plan zu bedürfen,

mir besorge,

als die ebenfalls von

und als bekannt vorauszusetzende

Original-Edition. lehrten,

ihres Publikums einen

Diese ist mehr für den Ge-

den Litterarhistoriker,

und GeschichtS-

kundigen, jene für gemischte Leser berechnet. Deß­

halb hab' .ich den bei ersterer beobachteten chrono­ logischen Gang verlassen,

und,

mehr den innern

Zusammenhang berücksichtigend, folgende Ordnung festgesetzt. H)aS Ganze enthält die auserlesensten Schrif­

ten unsers Ritters, Diese fassen in sich:

und besteht aus 4 Bänden.

XXIII I. und IL

Jene Schriften Ulrich Huttens,

er für die Verbesserung

des Glaubens

die

vor

und nach der Zeit des Kölnerstreits, während

und nach Luthers Auftreten schrieb.

III.

a) Schriften für die Blutrache des Hut»

tenschen

Hauses

wider Herzog

Ulrich

von

Würtemberg; b) für die Freiheit und Ehre

teutscher Nation. IV. a) Jugendarbeiten,

und

poetische

Versuche

Huttens; b) Schriften, die als Beiträge zu seiner Biographie und Charakteristik betrachtet werden können; c) endlich das Leben des Rit­ ters selbst, in gedrängter Kürze,

das als ei­

ne von der auf die Originalausgabe folgen­ den, größern Biographie, verschiedene Arbeit

anzusehen ist. In die beiden erstern Abtheilungen fallen da­

her die meisten

größern Briefe, Satiren,

und Invektiven gegen Mönch- und Pabst thum,

und seine Verfechter.

keine der

wichtigern

Man wird

Schriften dabei

vermissen.

In die dritte dagegen die bekannte Stacke lber-

gersammlung derReden, Briefe, und In­

vektiven

in

dem Handel

mit

Ulrich

von

Würtemberg. Um dem Leser sowohl eine voll­ ständige Uebersicht des ganzen merkwürdigen Pro­

zesses, als auch einen Beweis von meiner Unpar­

teilichkeit

als

werd' ich nebst

Herausgeber Huttens zu liefern, diesen auch

andere Aktenstücke,

namentlich die Auöschreiben des Herzogs, welche

XXIV

darauf Bezug haben, zum Drucke besorgen. End­ lich begreift dieser Theil noch die Vermahnung

wider die Türken,

nebst den dazu gehörigen

Briefen und Gedichten,

sodann die Rede

wider die Zehntensteuer u. s. w.

In die vierte Abtheilung fallen Huttens auserlesenste

das ganze Buch Epi­

Gedichte,

gramme an K. Max,

der Niemand, der

Biedermann, dieElegie von derTugend,

u. s. w» der lange

Brief an

Pirkheimer,

worin Hutten seinen Lebenslauf erzählt, ferner der

Dialog: das Glück, u. s. w. Ich habe von diesen letztem, den mehr poeti­ schen Geistesprodukten, und den Briefen, nur die bedeutendsten ausgeschieden,

da mir eine Ueber-

setzung aller eben so zeitraubend, als unzweckmä­ ßig schien. Zur Rechtfertigung meines Planes, was die Sonderung und Reihung der Gegenstände betrifft,

diene folgendes:

Ich stellte die Schriften für die Reformation (einst auch L. Schubarts Wunsch) deßhalb voran,

weil sie die Krone von Huttens schriftstellerischem

Treiben, und gerade in unsern Tagen von unend­

lich wichtigerm Interesse, und ein großer Theil

des

als alle übrigen sind, teutschen Publikums

nun einmal schon durch Reizmittel zur Besitzer­ greifung von Schätzen den

muß.

Zugleich

dieser

Art

wünscht' ich

gelockt wer­ sie

gerade

im gegenwärtigen Moment als eine Art Gegen-

XXV

geschenk zu den Halleriaden, und Hohenkohiaden zu bieten, die dermal ein so wohlfeiles, als tief«

berauschendes Opium für den gesunden Verstand,

den frommen Seelen unserer, aus dem Voltairis­ mus in die Wiedertaufe der entsühnenden Mystik

gestiegenen

Zeit

darreichen.

Es können

diese

Schriften auch ziemlich unabhängig für sich beste­

hen,

und mag daher also synthetisch entwickele

werden, wie Ulrich Huttens Geist und Wesen all-

mählig jene Richtung gewonnen, die ihn zu den vor­

dersten Kämpfern für die Gewissensfreiheit hinstellte. Es ist übrigens in jedem Bande die chronologische Ordnung wieder beobachtet.

Huttens eigene Ucbcrsehung mehrerer Briefe

und Dialogen hab' ich modernern, mit Ausnahme des

Sendschreibens an Churfürst Friedrich zu Sachsen und der Klage an alle Stände *), vorgezogen, und

dieselben getreu zum Drucke besorgt, ohne mir eine wesentliche Aenderung, als hie und da in der Ortho­ graphie,

zu erlauben.

Das Charakteristische der

Schreibart, und der Klang des Wortes sind jedes­ mal gewissenhaft beibehalten.

Doch schien cs mir,

auf den Zweck dieser Ausgabe hinblickend, Pedanterei,

durch einen ängstlichen Wiederabdruck aller

") Diese sind mehr umschrieben, als übersetzt, und sehr vieles geht von der Schönheit und .Straft des im Original Gesagten verloren. Ich habe mich übrigens be­ müht, Huttens Manier in meiner Uebersetzung so viel als möglich zu geben.

XXVI

Schreib- und Druckfehler **), und das Wiederge­ geben einer zu jener Zeit bereits schwankend und un­

gewiß gewordenen Rechtschreibung,

Hutten gar wohl verstehen,

Lesern,

die

aber der damaligen

Schriftmanier nicht immer gewohnt sind, den.Genuß zu erschweren.

Eines noch dürfte man gleich bei

diesem ersten Theile vermissen, waö in mancher Rück­

sicht bei gegenwärtiger Ausgabe nothwendiger, als beider größer» scheint: erläuternde Anmerkungen,

namentlich über die verschiedenen historischen Perso­ nen, die in den vorliegenden Schriftchen vorkommen.

Ich werde, um theils den Text nicht durch eine Fluth

Anmerkungen zu zersägen, und die Bände allzusehr

zu vergrößern,

das Wichtigste als Beilagen zur

Biographie entweder in Noten, oder einem beson­ dern historischen Sachregistern Kürze nachtragen.

Bis dahin möge der Leser,

welcher die folgenden

Bände so schnell als möglich hintereinander erhält,

sich gütigst gedulden.

Für die saure Mühe des Ueberseßens hoff' ich von meinen Landsleuten freundliche Nachsicht, und erwarte gern von solchen Männern Beleh­ rung, welche den Kern der Schale vorzuziehen

wissen, und nicht durch ein tyrannisches Sylben-

stechen und Wortbekritteln jedem patriotischen Vor­ saß, an solcherlei Unternehmen sich zu wagen, den

**) Hutten diktirte sehr vieles in die Feder, und ließ das Geschriebene häufig ohne nähere Durchsicht in Eile drucken.

XXVII

Garaus machen. Denn wahrlich nur auf vielfältig

ge Aufforderungen entschloß ich mich, dieser Arbeit, bey der schon großen einer Edition der sämmtlichen

Werke, noch einen schönen Theil meiner Zeit zu widmen, welchen ich so gern für andere Lieblings­ gegenstände verwendet hätte; um so mehr, da ich

kein Ueberseher von Profession bin. Die UeberseHung des

Sendschreibens durch

Ludwig Schubart behielt ich bei, weil ich es nicht

besser geben zu können glaubte, und Bemühungen früherer

Gelehrten

Ulrich

unfern

für

Schatten gestellt werden

sollen.

nicht in

Das

Gleiche

wird auch später bei andern, mir bekannten Vor­

arbeiten geschehen. So möge denn der Ritter ohne Furcht und

Tadel auch in teutschem Gewände sein Glück ma­

chen.

Wohl weiß ich

es, daß

bitterer

Vieler mein Unternehmen begleiten wird.

Tadel

Zu ei­

ner Zeit, wo man sich der Kraftthaten alter Zei­

ten häusig selbst zu schämen angefangen, und vor

ihrem gewaltigen Worte erschrickt, weil die Feil­ heit und Schlappheit in diesem Spiegel ihr eige» nee Jammergebild erblicken, werden mir noch we­

niger die Orthodoxen und Ultramontaner es ver­ zeihen, daß ich, ein Bürger der römischgeblie­ den Mann in ihre Mitte führe,

benen Sekte, dessen

Blicke

einst ein Wetterleuchten

für

ihre

weiland Väter war.

Aber es ehrt die Kraft

und Frciheitslicbe

Andersdenkende auch am

der

Mcinungögegner; die Wahrheit und das ChristenHueien« Schriften.

Th. I.

*-

XXV111

thum, auf den reinen Katholicismus, wie auf den

ächten Protestantismus, als die beiden Pfeiler fei­ ner Macht, sich stützend, werden bestehen, wenn

der

Fanatismus erhitzter

längst wird

Parteien

auögerafet haben.

Wahr ists,

schneidend,

und zorngrimmig

tritt unser Ulrich schon in diesem

ersten Bande

feiner Geschriften auf; die Leidenschaft des Kam­ pfes hat auch auf ihn ihre Macht bedeutend geübt.

Doch wo fein Schwert, oder seine Feder verwun­ deten,

hat eine gute felsenfeste Ueberzeugung ihn

bestimmt, und jeder Teutsche, ehre er den Pabst zu Rom,

oder

die

Synode

seiner

Konfession,

wird ehrfurchtsvolle Bewunderung dem Jünglinge nicht verweigern, der also kühn und wahrhaft vor

sein Jahrhundert trat,

als Teutscher die Freiheit

seines Volkes wider wälsche List und Anmaßung verfocht, seiner Gegner blutigsten

Haß

bestand,

und mit allen Schmerzen eines zerwühlten Lebens und zerstörten Körpers ringend, noch wenige Ta*

ge vor seinem Tode ein großes Zeugniß für die

Wahrheit ablegte. Freiburg im Breisgau, den 1. Jänner 1822.

M ü n ch.

Ulrich von Huttens

auserlesene Schriften.

Erster Theil Schriften für die Verbesserung des Glaubens geschrieben.

Erste Abtheilung.

Sendschreiben an Reuchlin. An Johann Reuchlin. Ulrich von Hutten entbeut Johannes Reuchlin seinen Gruß. Ach beschwöre Dich bei Dir selbst, bei Deinem Le»

ben, ja bei dem, was Beiden am heiligsten, uns doch kein Unglücksprophet seyn zu wollen. Denn was soll dies heißen: wenn ich nicht bald sterbe, wird Deiner Tugend die verdiente Palme werden. Ich bitte Dich, schrecke mich nicht mehr damit! Rufe dem Verhäng* niß nicht früher, bis es selbst kömmt, und gürte Dich mit jenem Muthe wieder, welchen Du sonst in Ertra­ gung des Unglücks zu bewähren pflegtest. Gieb Dich nicht selbst auf; sonst möchtest Du, als furchtverratheyder Anführer, eine Menge Kampfer, die jetzt für Dich Alles wagen, muthlos machen. Wirf nicht,im Ange­

sicht der für Dich Hocherglühten mit jenem weibischen: „wenn ich nicht bald sterbe," herum. Der stirbt nicht, welcher also lebte! Was Du aber an Jahren Deinem Leben noch zusetzest, kömmt uns Allen zu gut. Ruhm hast Du genug gewonnen. Du hast noch wahrend Deines Lebens Zeugnisse für Dein Stre­ ben gesehen, die wenig Todten in frühern Zeiten zu

Theil geworden. Du hast selbst mit der Nachwelt schon gelebt. Was meine Person betrifft, so glaub' ich für

meine Dir gewidmeten Bestrebungen schon dadurch hin­ länglich entschädigt zu seyn, daß ich, als unter die Zahl der Ncnchlinistcn gerechnet, zu nicht unbedeutcndem Ruhme gelangt bin. Huttens Schriften Th. I.

A

So ermanne Dich denn aufs neue, starkmüthiger Kapnio! Viel von Deiner Bedrängniß haben wir auf unsre Schultern geladen. Längst schon hat der Zünd­ stoff sich gehaust, der, wie ich hoffe, zeitlich genug noch furchtbar sich entladen wird. Du selbst aber sey, ich bitte Dich darum, beruhigt. Ich werde mir alles nur solche Leute zu Kampfgesellen aussuchen, deren Al­ ter und Karakter mit dieser Fehde sich vertragt, In Bälde wirst Du sehen, wie auf dem Theater, das seit­ her nur die Lacher eingenommen, eine klägliche Tragö­ die gespielt werden wird. Dies ist wirklich mein Hauptplan, wenn Du gleich eine ganz andere Meinung von mir hegst. Denn gewiß, wenn Du mich ganz kenntest, würdest Du jene Worte nicht geschrieben haben. O gebe doch ja nicht die Sache der Wahrheit auf! Glaubst Du wohl, daß ich sie, oder Dich, ihr Or­ gan hier, je verlassen könnte? O Kapnio! Du zeigtest wenig Vertrauen, daß Du Deinen Hutten so ganz verkanntest! Doch solltest auch Du den Kampfplatz verlassen, fürwahr, ich würde

den Krieg, so viel in meinen Kräften stünde, fortsczzen, und gewiß keine feigen Männer unter meinen Ge­ nossen am begonnenen Unternehmen zählen. Ich wer­

de vielmehr von solchen Leuten unterstützt, innert den Schranken erscheinen, von denen Du jeden einzeln schon für dieser saubern Gesellschaft gewachsen erklären wür­

dest. Kapnios Lob soll von den Lippen jedes Mannes ertönen, und einst sollst Du mit Ruhm gekrönet dastehn, ohne daß jetzt Deine Sicherheit im geringsten gefähr­ det werden wird. Dies zur Verständigung. Leb wohl, und bleib uns stets der Gleiche! Noch einmal, lebe wohl l Bologna, den 1 ten Jänner 1517.

Ulrichs von Hnirea Vorrede zu dem Büchlein deö -Laurentius- Dalla über

die erdichtete, und erlogene Schenkung

Konstantins. A»

Pabst

Leo

Xz.

Endlich, heiligster Vater, hat deine so glänzende und

trostvolle, gleich zu Anfang Deines Pabstthums auf Dein Geheiß erlassene Verheißung über alle die Vorurtheile gesiegt, welche bis dahin der Verbreitung von Laurentius Valla's Schrift über die Schen­ kung Konstantin's im Wege standen. Denn nach­ dem die Kriegsdrommete des zwcitenIulius bereits ausgeklungen, nachdem Du gleichsam die Posaune deS Friedens angestimmt, und die christliche Welt zur Hoffnung der Freiheit emporgerichtet, glauben alle nunmehr berechtigt zu seyn, das, was ihnen zusteht, wieder an sich zu ziehen. Was mich betrift, so hegt' ich zwar schon früher die Ueberzeugung, daß, wenn Du einst zur Regierung gelangt seyn würdest, von den alten Schriftdenkmalcn, so lange Du Pabst bliebest, gewiß nichts zu Grunde gehen, dürfte, indem Du die edlern Wissenschaften stets mit solch gewissenhaftem Eifer be­ trieben, daß die gemachten Fortschritte darin den geA i

4 lehrtesten Männern unsers Zeitalters Dich gleichstcllten. Als ich aber in Welschland jene öffentlich einge» grabeneInschrift: Leo dem Zehnten, dem Wie­ de rh erste llcr des Friedens" las, da sprang ich plötzlich von einer nie geahnten Freude ergriffen, auf, und kam da erst von der langen und tiefen Ge­ müthsbewegung, worin ich früher versunken lag, zu

mir selbst zurück. Denn es waren alle die Niederträch­ tigkeiten lebhaft vor mir gestanden, welche diefe Nation von tyrannischen Päbsten früher erdulden mußte. Ich wünsche daher diesem Zeitalter Glück, welches mit Dir das untrügbarste Fricdcnsgestirn erhielt, und welchem

aus langer Nacht der Knechtschaft ein neuer Tag der Freiheit herandämmert. Du aber trittst in Wahrheit als ein oberster Priester in unsere Mitte, da Du den Frieden bringst, wahrend alle Deine Vorgänger diesen Namen nicht verdienten, weil ste dem Frieden fremd waren. Denn sie traten keineswegs in Christi Fußtap« fcn, welcher den Seinen Frieden gab, und als Erb­ schaft ihnen dcnsclbigen hinterließ, mit den Worten: Ich gebe euch meinen Frieden r meinen Frieden laß ich euch zurück. Sie waren mithin auch seine Statthalter

nicht, da sie seine Stelle nicht versahen. Denn wer an Gottes Statt regieren will, muß dessen Frieden auf­ recht erhaltem Jene aber entfernten sich himmelweit von Christus/ verschmähten seine Art zu wirken, und verfolgten sämmtlich eine ganz verschiedene Lebensbahn. Denn sein Geschäft war Friede: diese trieben sich in Kriegen herum. Jener trug durch Unterweisung für die Menschen Sorge: diefe fühlten eine Wohllust dar­ in, durch die Waffen sie zu verderben. Jener zeigte, sein Reich sey ein himmlisches: diese trachteten nur die

Herrschaft der Welt an sich zu reißen. Sie waren also auch nicht heilig, weil sie nicht friedliebend waren. Sie

5 waren nicht Kinder Gottes ,

weil Christus strrach:

„Seelig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder

Gottes genannt werden." So -sehen wir alsi> durch Dich den Frieden wieder hergestellt, der durch die Verkehrtheit Jener gänzlich zusammengestürzt war. Vorzüglich aber cmpfiengen ihn die Gelehrten mit unbeschreiblicher Freude ausDeiner Hand. In ihren Jubel theilten sich ferner auch je­ ne, welchen ein beträchtlicher Theil ihres Eigenthums betrügerisch war entrissen worden. .Denn im Gefolge des Friedens, den Du herfiellst, kommt auch die Ge­ rechtigkeit zurück, weil nach des Propheten Wort über­ haupt, namentlich aberM dieser Zeit Gerechtigkeit und Friede sich küssen. Auch>Lreu und Glaube werden keh­ ren, und jene Tochter der Zeit, die Wahrheit, und die alle überstrahlenden Tugenden, Mildigkeit und Sanftmuth. Siehst Du wohl, o Leo Dezimns, welch herrlicher Güter Schöpfer Du auf einmal geworden? Indem Du den Frieden uns brachtest, hastDu zugleich die Be­ strebungen für den Frieden, d. h. für alle edkern Künste geweckt, und Gerechtigkeit uns zurückgebracht, weil nur im Frieden Gesetze möglich, alle Gerechtigkeit aber nur auf Gesetzen begründet ist. Du hast auch die Frei-, h e it in unsere Mitte zurückgeführt, mit ihrer Beglei­ terinn, der Wahrheit, allen Deinen Zeitgenossen zum' größten Frommen: dennFriedeverträgt sichmitIwiug-! Herrschaft nicht, weil da keiner Sicherheit für das Sei­ ne findet, und die Gesetze von den Tyrannen übcrtmibt

werden; eben so ist der Wahrheit ihr Mund geschlossen, weil keine Freiheit vorhanden. Nun aber sind wir in der That frei, weil wir den Frieden haben, und in dessen Besitz auch den Künsten des Friedeys in die Arme uns werfen dürfen. Die-

6 Rühe mithin, die wir unter dem Kriegerreger IuliuS entbehren mußten, wollen wir nun ganz dazu benützen, uns aufdem Felde derWissenschaft herum zu tummeln. Und so soll denn alles das ans Licht gefördert werden, waS lange verborgen lag, und zwar um so eher, je wahrer und freisinniger es geschrieben worden. Ein Buch der Art ist vorliegende Schrift. Frühere Pabste wollten sie deßhalb nicht dulden, weil sie der Stimme der Wahrheit gram waren, Du über wirst um so mehr Gc« fallen daran finden, als Du uns früher selbst den Be« cher der Wahrheit von freien Stücken kredenztest. Denn was kann es Dich, der Du mit dem vollen Gefühl Dei­ nes Werthes Oberpriester bist, wohl rühren, ob jene diese Schrift, als widevillie Würde des geistlichen Standes geschrieben, ausschrien, oder den Vorwurf ihr machten, daß sie über Päbste Fluch ausspreche?

Denn gewiß waren weder jene Manner, streng genom­ men, Pabste, die die Schenkung Konstantins erdichte­ ten, da fie keine Hirten waren: noch konnte die eine Kirche genannt werden, welche die Schenkung annahm, da sie nicht die Versammlung aller Christgläubigen war. W ären nemlich diese Leute kn Wahrheit Hirten gewesen, so würden sie die Schafe Christi gehütet, nicht aber an­ gefallen, und verschlungen haben: eben so, wäre letztere wirklich eine Kirche gewesen, so würde sie gewiß die Völker zum Leben und zur Freiheit gerufen, nicht

aber Reiche und Nationen unter das Joch gezwängt haben. Denn die Kirche spricht folgendes: „Kommt her alle zu mir, die ihr mein begehret, und ihr sollt voll werden von meinen Geschlechtern." And kn der That, sie erfüllet die, so sie einmal in ihren SchooS ausgenommen r dagegen jene Versammlung von Uebel­ thätern nur mit leeren Worten prunkte, und alles aus­

sog. Cs gebot ferner Christus seinen Statthaltern, gu-

7 te Hirten zu seyn, nicht aber reißende Wölfer denn al»

so sprach er zu Petrus: Petrus, liebst du mich? wei« de meine Schafe! „Weide, sagte er , meine Schafe, und nicht: -verzehre mein Volk, wie ein Stück Brod!" Und als er ihn jum Apostelamt berief: „ich will euch zu Menschenfischern machen, d. h. ich will es dahin bringen, daß ihr durch Verkündigung meiner Lehre, und durch euren Vorgang in guten Beispielen die vom Glauben Wirrenden der Wahrheit znrückgewinnt." Daß D u dies befolgest, und daß die Rück» kehr dieses Standes zur alten PflichtDcinWerk ist, in» dem Du allenthalben Friede, Freiheit, Gerechtigkeit, und Wahrheit wieder ins Leben rufst — das ist's, was uns so mit Freude und Entzücken erfüllt. Denn kann wohl eine freudigere Stimme, ein süßerer Laut als dieser vernommen werden? Traun! mit leichter Mühe, ja durch ein einziges Wort hast Du einen großen Groll aus unsern Herzen getilgt, manche heftige Gemüthsbewegung beschworen,

Blptbadern vorgebcugt, Aufstande gedampft. WaS glaubst Du wohl, was alles die Zukunft gebracht haben würde, wenn jene Ansichten der Menschen in die Zeiten sines schlechten Pabsies gefallen seyn würden: daß wir nemlich mit Schwcrtesgcwalt so vieles den ungerechten Besitzern entreißen müßten? Dir haben wir's zu ven danken, daß ohne Kampf, in voller Ruhe, wir Alles zurückcrhalten. Siehst Du nun, Leo, Du kn Wahrheit ein Ober­ hirt, wie ich Deine That auslegc- Was mit den Waf­ fen sollte erfochten werden, dürfen wir als Geschenk Deiner Milde betrachtenMögen daher Jene ihrer Furcht sich schämen, die etwa noch glauben, Du wür­ dest mit Unwillen die neue Herausgabe dieses BucheS mit anfehen: eines Buches, dessen Lesung weiland jene

8

schlimmen Päbste nur verboten. Hast Du doch mit die­ sen nichts gemein, weil jene nichts gemein mit Christus hatten. Denn mit betrügerischen Künsten rissen sie welt­ liche Herrschaft an sich: Du aber hast, vom Hellern Glanz der Wahrheit umgeben, ein himmlisches Reich, d- h. das Reich des Friedens Dir geöffnet. Durch Dich wird jene christliche Wahrheit wieder neu aufblühen, die, nachdem ste lange niedergedrückt war, frisch sich sammelt, und aus dem Kerker jener tiefen Finsterniß, worin sie bisher gefangen lag, wieder zum heitern Lichte sich frei kämpft. Auf diese Hoffnung gestützt, wagt es denn auch Valla, von den Todten zu erste­ hen, und vor die Augen der Menschen kühnlich wieder hinzutrcten, um so mehr noch, da er einst auch die Lie­ be Deiner Ahnen besaß, von welchen Du sowohl diese Tugend der Großmuth erblich empfangen, als auch in jeder andern bis dahin gcglanzct hast. Denn wenn Du des Politians z. B. als Deines Meisters in den Wissenschaften Dich rühmest, so leuchtet Dir ganz das Beispiel Deines Ahnherrn K o s m u s vor. Gleichwie dieser den höchsten Ruhm darein setzte, in seiner Vaterstadt zu Allem die Macht, keineswegs aber das Gelüsten zu haben, eben so sollst auch Du es als Deinen höchsten Stolz betrachten, daß Du, während Du als Gewalt­ herr herrschen könntest, dennoch vorziehst, als Hirt Deine Heerde zu hüten. Was das bewundernswür­ digste uns an Kosmus vorkömmt, ist, daß er, selbst ungelehrt, dennoch die Gelehrten schirmte, von allen Orten sie an sich zog, und mit jeder Art Hilfe sie un­ terstützte- Dein Vater Lorenz hingegen achtete die Gelehrten hoch, und ward an wissenschaftlicher Bil­ dung selbst unter die Ersten seines Zeitalters gezahlt. Glücksecligcs Haus, das seine Erhöhung 'äuf die Be­ förderung der Wissenschaften stützt! Denn wem anders

9 dankt man die großen Geschenke dieses Jahrhunderts, wessen Großmuch die vom Untergang geretteten griechi­ schen und lateinischen Sprachschätze? Wahrlich die Florentiner in Italien sind die einzigen, welche es nicht reuen darf, Zwingherren sich gefügt zu haben, nachdem ihnen solche Wohlthaten zu Theil geworden. So darfst denn auch Du, aus Ehrfurcht vor Dei­ nen Stammvätern, den Val la nach seinem Tode nicht vernachlässigen, der während seines Lebens jenen so theuer war. Wo sind also die, welche zweifelten, ob Du die! Verbreitung dieses Buches gestatten würdest? Scheint es doch beinahe, als wähnten sie, auch Dein Herz sey noch von der Hülle des Betruges jener Menschen umgeben, welche frech in den Tag hinein übcrKonstantkn logen; oder r dieses Büchlein sey keineswegs von der Art, daß cs nicht nur von Jedermann freiwillig gelesen werden d ü r ft.e, sondern selbst müßte, da herrliche Früchte in Fülle daraus entsprießen, wenn die Wahrheit erkannt wird. Er ist zwar verflucht, aber eben deshalb bieder, weil er bitter gegen die Schlech­ ten ist. Nur gegen die Pabstr, nur gegen die Tyran­ nen beobachtet er keine Scheu. Wenn aber Griechen­ lands Städte einst den Tyrannenmötdern Kronen auf­ setzten , welchen Lohn wollen wir denn denjenigen geben, so das Tyrannenthum selbst bekämpfen? Oder wenn es von Frommkeit zeuget , sein Vaterland zu lieben, wie kann wohl derjenige gottlos handeln, der desselben Feind hasset. Oder sprich , waren nicht all jene Päb« ste geradezu Feinde der Christen, welche das Vermögen Aller an sich rissen, und alle Freien in die Knechtschaft stießen? welche die Könige ihrer Herrschcrgcwalt, die Bürger ihres Eigenthums beraubten? welche uns, zum Ruin unserer Famili'cngüter, so viele Bischöfe mit

IO

Pallien von Rom aus zuschickten ?

Oder kannst Du

die Statthalter Christi nennen, welche seine Stelle nie versahen, Christi, von dem geschrieben steht: seine Stelle ist im Frieden geschaffen. Wenn jene Tyrannen heißen, welche über freie Menschen der Herrschaft sich anmaaßen, um wie viel mehr gebührt dieser Titel d^m, welcher, dem Bewahrer der Freiheit, dem Beherrscher der Römer selbst ein Joch auflegt. Nicht den Pabsten also flucht Valla: den Zwing« Herrn nur sagt er die Wahrheit, und ich glaube, daß er deßhalb Deinen ganzen Beifall verdiene; ich sage Deinen, der Du solch ein Geschlecht, und solche Ah« nen zahlst; durch so hohe Gelehrsamkeit, ja selbst durch den blosen Namen strahlest. Nein! keinem Mcdicaer ziemt die Lüge; solch klare Geistesbildung nimmt keine Verkehrtheit in sich auf. Die Großartigkeit eines Ley vertragt mit solch niedrigem Betrüge sich nicht, denn ihr schwebt beständig jener Spruch des griechischen Dichters vor: „Laß dem Sklaven die Lüge; des Freien Schmuck ist die Wahrheit!" Uebrigens zeigte Lo­ renz nirgend mehr, als gerade in diesem Büchlein, was für ein Mann, und von welchen Gesinnungen er beseelt sey, indem er, trotz der augenscheinlichen Gcfahr, die nach der damaligen Stimmung des Zeital­ ters ihm bcvorstand, im Geringsten nicht die Wahr­ heit im Stiche lassen wollte. Um viel richtiger und christlicher handelte er mithin, als neulich jener Esel, welcher die Urkunde jener saubern Schenkung, die er aus dem Griechischen übersetzt zu haben vorgab, Ju­ lius dem Zweiten, nicht ohne gewaltigen Schimpf für

diesen, neben ihm betrachtet, gewiß sehr gelehrten, und in jeder Hinsicht bessern Mann überreichte, wahrend wir alle nicht wissen, ob sie wirklich griechisch geschrieben sey. Jener schmeichelte, um einem Einzigen zu gefallen,

II

dieser redete die Wahrheit, um Vielen zu nützen. Was fehlt ihm also, um vollkommen ein Christ, und Biedermann zu seyn. Wahrlich, die haben Dich schlecht gekannt, welche be? fürchteten, diese Arbeit Vallas möchte Dir unangenehm

seyn. Denn wenn sie Dich wirklich gekannt hätten, würden sie nicht das Thun und Treiben räuberischem Päbste zum Maasstab Deines Lebens nehmen. Von. dieser Volksmci'nung weicht die meinige himmelweit ab, wenn ich sowohl täglich Herolde Deines Ruhmes höre, als Dein zu den schönsten Hoffnungen berechti­ gendes Versprechen erwäge. Denn Du stcllst.den Frie­ den her. Zwischen dem Räuber aber und dem Be­ raubten kann, wenn letzter«! nicht das Seinige erstat­ tet wird, kein Friede seyn. Auch Du würdest unS

deßhalb nur leere Worte vorgcspicgelt haben, wenn Du nicht zugleich die Absicht gehabt, die Sache selbst uns zurückzustcllen. Ebenso würdest Du auch gegen mich gewaltig in Zorn entbrennen, wenn, ich nicht nur gegen meine innerste Ueberzeugung, sondern selbst ge­ gen die öffentliche Meinung (doch wo könnte diese so

sich aussprechen?) Dir hätte beweisen wollen, allesdas sey eitel Lügenwerk, was jene Afterpäbste von Konstantin erdichtet, als habe nemlich dieser die Herr­ schaft über das Abendland zugleich mit der Hauptstadt seiner Völker, Rom, auf sie übertragen. Bei diesen wundre ich mich nur über ihre Unverschämtheit, daff sie sich nicht entblödeten etwas zu behaupten, von dem sie wissen konnten, daß kein Mensch es glauben würde, den Teutschen freilich glaubten sie es ^veis machen zu können, weil von diesen die Sage geht, sie hatten

kein Gehirn, und gebrauchten auch deßhalb ihrenVerstand nicht. Hätten sie es aber mit andern Völkern zu thun gehabt- so würde diese ErdichtunLnicht

I3

so kahl, und sie bei ihrer Finte etwas vorsichtiger zu Werke gegangen seyn: es sey denn, daß einer hervor­ trete, und zeige, baß, noch ehe das Reich auf die Teutschen übergieng, gegen irgend einen Kaiser zuerst diese List versucht worden. Bei Gott, ich schäme mich hier beinahe meiner Ahnen, daß sie so stumpf waren, und durch eine List sich angeln ließen, welche selbst von Knaben hatte gewittert werden sollen. Aber um so größeres Hasses werth ist dieser Betrug, je nieder­ trächtiger sie unsre Gutmüthigkeit mißbraucht haben. Wer, d Seo, kann wohl das Glück sattsam be­ wundern, so Dir zu Theil geworden, daß nemlich mit Dir gerade der bessere Geist der Päbste erwacht ist. Denn von nun an wird die Kirche bessere Päbste zählen, wenn jenes Versprechen nicht nur von Herzen kommen soll, sondern wirklich von Herzen kommt. Es ist da­ her wirklich eine Beleidigung von Seiten derjenigen Dir zugcfügt, welche glauben. Du würdest die Schriftsteller über das höchstnnverschämte Machwerk von der Schenkung Konstantins zur Strafe ziehn. Denn gegen jene Päbste, die solch lästerliche Lügen schmiedeten, soll man geradezu ohne Scheu das Bit­ terste reden, das Keckste thun dürfen. Warum nicht? sind es doch Räuber, Diebe und Tyrannen gewesen. Denn giebt es wohl einen größern Räuber, als denje­ nigen, welcher seinem Rauben gar kein Ziel setzt? Sie waren es, welche jeden Anlaß schlau benutzend, von kleinen Anfängen bis zur größten Virtuosität ihr Plünderungssystem ausbildetcn, welche Gnaden feil­ boten, Kondonationen, Dispensationen, und eine Un­ zahl Bullen dieser Art schon seit so langer Zeit verkauft; welche einen Preis auf die Vergebung der Sünden ge­ setzt, aus den Höllcnquaalen einen Gewinst gemacht, und unsre eignen Priesterpfründen, das Almosen

unsrer Vater uns wieder verschachert,

Sie warens,

die den Teutschen angaben, es sey keiner Bischof, der nicht von ihnen ein Pallium um viele tausend Dukaten gekauft; welche damit nicht zufrieden waren, alljähr­ lich außerordentliche Steuern einzutreibcn, sondern überdies noch, so oft es ihnen in den Sinn kam, Leu­ te hcrschicktcn, welche unter mancherlei Vorwanden Gelder sammeln mußten, bald, als galt es der Rü­ stung Zum Türkenkrieg, bald zum Bau der heil. Pe­ terskirche, dessen Vollendung aber ihre Sorge gar nicht ist. Ungeachtet nun diese all dasHcrerzählte ver­ übten, so wollten sie dennoch vom Volke als die Al« lcrsccligstcn, und Allerhciligstcn begrüßt werden, woll­ ten jede Rüge, oder Verbesserung ihrer Sitten nieder­ schlagen. Wenn daher irgend ein Mann an die alte Freiheit erinnerte, oder den Räubern ein Hinderniß, oder ihren Sitten ein strafend Urtheil entgegen warf, der ward au seiner Seele verflucht, und arglistig dem Tod überliefertHältst Du daher, großsinnigcr Lev! den nicht für Deinen ärgsten Feind, der in die Reihe dieser unersätt­ lichen Räuber und blutgierigenTyrannenDich zu stellen

wagt? Oder scheint Dir derjenige nicht auf große Verdienste Anspruch zu haben, welcher Dich, der nichts mit jenen Gesellen gemein hat, laut preiset, letz­ ter» aber, was irgend auf eine Nachfolge Petri Bezug hat, geradezu abfpricht? Oder wirst Du, der Wiedcrbringcr des Friedens, den nicht segnen, welcher diesen Anstiftern so vieler Kriege und Aufstände ge­ flucht hat? Gewiß, wie ich Dich kenne, wirst Du ihnen selber fluchen, damit auf jeden von ihnen jenes Prophetenwort sich anwendcn lasse: „Er liebte den F l u ch, und sich', er ist auf ihn selbst gekommen r er weigerte den Segen, und sieh, er hat sich von ihm gewandt."

Denn jene stürzten,

also verfluchend,

Menschenseelen

in den Untergang, als wären sie nicht mehr ein dem Herrn theures Besttzthum. Und so waren sie auch kei­ ne Hirten, weil sie die Seelen nicht hüteten, sondern verdarben, und den die Heerde umschleichenden Raub­ wölfen Christi Schafe selbst überantworteten. Keine Hirten also , sprech'ich, waren sie, sondern Wölfe;

keine Wachter, sondern Verrather, und Diebe. Deß­ halb mag mit vollem Recht ihnen geflucht werden, weil die von Gott verworfen sind, denen Gottes Friede nicht im geringsten anlag. Endlich war auch kein Pabst in der Kirche, so lange darin nicht Friede herrsch­ te; so lange man weder Gutes thun, noch reden durf­ te, und so lange jene gefräßigen Wölfe in dem Schaf­ stall des Herrn wütheten, und jene Hyänen den Wein­

berg des Herrn verheerten; endlich jene in ihrer Art einzigen Tyrannen über den christlichen Erdkreis herrschten, von denen Jeremias sagt; „Diele Hir­ ten haben meinen Weinberg zerstört, und mein Erbtheil zertreten." Denn wenn Jemand ein um so schlimmerer Tyrann ist, je mehr Bürgcrlcbcn er ver­ nichtet, um das seinige sicher zu stellen: was soll man dann erst von jenen sagen, welche, um Reichthümer zu gewinnen, die Geister langsam hinmordcn, welche sich nicht damit begnügen, der Verfechtung der Wahrhcit willen die Körper, zu tobten, sondern die Seclr selbst, die Gottes Freundinn, und die Gottcsbraut erwürgen; die der Hölle entrissene Beute, den Lohn

für so viele Drangsalen, den mit dem Blute Christi erkauften Preis, feil bieten, und zerreißen, und ver­ schlingen. Diese alle beneideten wir keineswegs um ihre Macht, sondern haßten sie um ihrer Schlechtigkeit willen. Dagegen konnten wir nicht Odem genug finden, um die Liebe zu Dir, heiligster Leo, und wie tief sie

---------i5------------bereits in aller Christen Herzen gewurzelt, zu schildern. Zu Dir, der Du die Liebe der Welt, die Freude deS Menschengeschlechts, der Hersteller des Friedens, der Vertilger der Kriege, der Bürge unsrer Sicherheit,

der Stiller aller Wirren, der Vater und Nährer der Wissenschaften, und jeder cdlern Künste, der Verbrei­ ter glücklicherer Geistesbildung geworden; von dem bei dem Propheten geschrieben steht: „In desselben Ta­ gen werden Gerechtigkeit, und die Fülle des Friedens

aufgchn." Sprich, faßt nicht all dies gründlicheres Lob in sich, als jene Hymne, so neulich dem Julius von we­ gen seiner kriegerischen Triumphe abgesungen worden. Denn cs zeugt von Thaten, eines Pabstes würdig; letztere von Thaten eines wilden Tyrannen. Denn alle die, ich wiederhol'es noch einmal, waren nicht Pabste zu nennen, welche irdische Herrschaft auf was immer für eine Weise an sich rissen, noch weniger Statthalter Christi, und Nachfolger Petri, welche die besondere Schenkung Konstantins, so weder je geschah, noch geschehen konnte, geltend machen woll­ ten- Lauren Tadel über diese auszusprechen, halt ich umso weniger gottlos, daß ich's vielmehr alsgcwaltige Verunglimpfung pabstlichcr Würde ansche, wenn man dieselben in Schutz nehmen wollte. Zu Dir aber hab' ich das feste Vertrauen, daß Du huldvoll meinen Schritt aufnehmen werdest, vermög dessen ich die Schrift des L a u r e n t i u s V a l l a über diesen Gegen­ stand, welche vor einiger Zeit unterdrücket und ver. dämmt worden war, aus ihrer Verborgenheit an's Licht, und von dem Untergang zum Leben ziehe, und rette. Ja ich eigne sie sogar Dir zu, damit es offen am Tgg liege, wie uns allen mit Deiner Pabstwürde

die Freiheit neu erblüht/ und Befugniß gegeben ist, frei zu sprechen und zu schreiben. Obgleich ich nun keineswegs daran zweifle, daß sie deinen Beifall im höchsten Grad erlangen werde, so werd' ich mir doch, sobald Du öffentlich Dich, und Deine Einwilligung dazu ausgesprochen hast, Mühe geben, fürderhin noch Manches dieser Art aufzusuchen. Indeß erhalte Dich uns unser Heiland und Erlöser Chri­ stus noch lange als Pabst mit solcher Milde und Frei­ sinnigkeit. Gegeben im Schloß Steckelberg, den iten Christ­ monat 1517.

Sendschreiben an den durchlauchtigsten

Herrn Hermann Grafen zu Nuenar.

Ritter Huldreich v. Hutten entbeut dem durchlauch­ tigsten Herrn Hermann Grafen ju Nuenar seinen Gruß. Saum war ich nach meiner Rückkehr aus Sachsen vom Pferd gestiegen, als man mir zugleich mit deinem herrlichen Sendschreiben das allcrunwisscnschaftlichste Machwerk des H o g st r a t e n überreichte, in welchem derselbe nebst andern Freunden Reuchlins auch Dich mit dem Koche seines unsaubern Witzes bespritzt hat. Sichst Du nun, wohin sich die Frechheit dieser verwor­ fenen Menschen versteigt? Dennoch las ich, ich muß es gestehn, diese elende Stümperarbcit mit Begierde, nicht, als ob cs mir eine Freude gewährte, wenn et­ was Krankendes Dir widerfahrt, sondern weil ich sehe, daß jene Gesellen sich durch derlei Bübereien selbst Un­ heil anrichtcn, indem sie, schon langst der Gegenstand des allgemeinen Völkshasscs, wahrend Du alle von Adel in Deutschland an Gelehrsamkeit überstrahlst, — sich nicht cntbiödcn, die niedrigen Künste, die der Neid eingiebt, gegen Dich, einen so großen und verehrten Mann, spielen zu lassen. Denn gewiß, es wird die Teutsche Nation all diesen Unwürdigkciten nicht langer gleichgültig zusehen, und denen, so jetzt noch im Blin­ den tapp"', dürften einmal die Augen aufgethan werden. Huttens Schriften Th. I. B

18 Indem ich dies so überdenke, kann ich mich gleich,

wohl der Verwundrung hkr und da nicht erwehren, welch schlimmer Stern uns wohl gerade diesen saubern Herren mag in die Hande geführt haben. Zn Walschland schämt' ich mich fürwahr jedesmal, ein Teutscher zu seyn, so oft im Gespräche mit Italie­ nern auf die Verfolgung Reuchlins die Rede fiel, und jene mich fragten, ob denn die Mönche in Tentfchland so viele Gewalt hatten? So ganz verstandlos können wir seyn, daß uns die, so wir zum Dienste Gottesniit unserm väterlichen Gute füttern, bis zum Verfluchen überlastig seyn dürfen. Denn kann man wohl je etwas

Uebermüthigercs , je etwas Unbändigeres finden, als diese Rasse von Leuten? Beobachten sie wohl gegen irgend Jemand eine Schonung, wenn sie einmal den Tummelplatz ihrer Ungezogenheit, die Kanzel bestiegen haben? Wie werfen sie nicht die Nase empor, wie falten sie nicht die Braunen, wie die Stirnen, und wie stemmen sie sich nicht in die Hüften, wenn cs gilt, auf den ehrlichen Leumund jedes Menschen los zu wüthen? In ihre Zahl gehört, wiewohl mit verschiedenem Glücke, Peter Maier zu Frankfurt, meiner Mei. nung nach der ungelehrteste unter allen Ehrenfeindc» Kapnios, aber keck, und ein Virtuos in der Unver­

schämtheit: hier aber Bartholomaus, der Zehntenschaffner, der ruchloseste Mensch, den je die Sonne beschien. Dieser Wicht halt nie eine Predigt vor dem unwissenden Volk, die er nicht mit einer Dosis Gift aus seinem bos­ haften Herzen würzt. In jedem Wort prägt sich die Mißgunst aus.Gegen jeden Biedermann erlaubt er sich Seitenhicbe. Aber welche Flüche stößt er nicht erst, gerechter Himmel! gegen Kapnio, und wie häufig stößt er sie nicht aus! Mit welcher Niederträchtigkeit erlaubt er

>9 sich gegen den herrlichen Mann Umtriebe. Aber die Sa» che gelang ihm nur halb, denn wahrend er sich Mühe gab, bei der untersten Pöbclkkksse Andern Mißgunst zu

erwecken, fachte er einen ihm bald gefährlichen Haß gegen sich unter den Bessern an. Könntest Du sein Ge­ sicht sehen, Du würdest sagen, Du sähest den puren Neid selbst vor Dir; also kenntlich prägt oft die Natur den Charakter des Menschen in seinen Ecsichtszügcn aus. Der Anblick hat etwas Skorpionen ähnliches. Denn wie der Skorpionenschwanz iniuier bereit zum Sticheist, eben so verrathen jede Bewegungen um den Mund die­ ses Prcdigerleins beim ersten Blick einen Menschen, der auf etwas Boses sinnt, irgend einen Fluch ausbrütet, irgend eine Hinterlist bereitet, eine Schlinge strickt, in Summa von Neid über und über geschwollen ist. Be­ wahre mich Christus, daß ich je dem ominösen Blick

dieses Schurken zufällig begegne. Wo ich daher vor­ aus weiß, daß ich auf ihn stoßen würde, weich' ich alsobald zur Seite aus. Mehr als einmal h.,t er in seinen Predigten sich über mich hcrgcniacht. Sol­ che Apostel und Verkünder des Evangeliums hat nun Teutschland gegenwärtig, die man so lange noch dulden konnte, als sic mit Milde die Laster der Menschen straf­ ten. Nun sie aber alles sich erlaubt wahnen, und nach Willkähr ihre Flüche gegen Jedermann ansschüttcn, von keinem Eifer für Religion mehr, von keinem Gefühl der Frömmigkeit getrieben, das Evangelium predigen, statt des göttlichen Wortes Lästerungen säen, und im

gemeinsamen Gotteshaus Privatnn'bilden rächen, ja selbst Unbilden zufügcn, und harmlosen Menschen Ge­ fahr bereiten. — Da sie dies alles auf die übermüthig­ ste, grausamste, rücksichtloscste und brutalste Weise thun, was hindert uns da noch, daß wir nicht einst mit B 2

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Stöcken und Steinen Heuchlern dieses Gelichters zu Leibe steigen? £> wenn mich Teutschland hören möchte,

wollt'

ich, so nothwendig auch in diesen Tagen der Krieg mit den Türken ist, cs dringend aufrufen, zuvörderst diefern Uebel in seinem Innern zu steuern, eh' an den Asiatischen Feldzug gedacht wird. Denn was soll jener gewaltige Drang in uns, den Stamm der Osmanen,

der blos aus Herrschbegierde unser Feind geworden, auszurottrn, wenn wir in unserer Mitte jene Zerstörer aller Frömmigkeit, die Ehrcnschandcr der Christlichen

Gesellschaft dulden, die den apostolischen Glauben täg­ lich tausendfach untcrwühlen, und ohne Unterlaß Neue­ rungen und Bruderzwiste anzettcln? Oder hat man vergessen, wer das hcldcnmüthige Volk der Böhmen einst der Kirche entfremdet? Ich übergehe mit Still­ schweigen jenen Scandal der Prcdigermönche zu Bern, -er eine ewige Schmach auf Teutschland warf; eben so will ich auch jene Pest des Menschengeschlechts, den Mönchen Sergius, Mahomcds Zögling, nicht ins Ge­ dächtniß zurückrufcn, noch all der übrigen Unthaten je­ der Art erwähnen, welche wir weder strafen, noch säh. nen, weil wir allzusehr, ja bei Christus! allzusehr fromm seyn wollen. Du aber, was kann Dir mein Rath ferner noch frommen, da Du aus so vielen Briefen bereits entneh­ men konntest, nach welchem gemeinschaftlichen Unter­ nehmen mein Wunsch gehe? Gleichwohl überfallt mich oft ein Zweifel, ob es nicht gerathener wäre, wenn wir diese Leute von ganzem Herzen verachteten, statt sie auf das feindseligste bekämpften. Aber dann scheint mir auf der andern Seite diese Art der Verachtung, so ich bisher allen Schutzschriften vorgczogen, doch nicht hinreichend zu dem Werke, das wir bereiten, nemlich

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die Wissenschaften blühend zu machen, die Barbarei zu verbannen, den Gelehrten die gehörige Ehrfurcht, den Dummköpfen die verdiente Verachtung zu erzwin­

gen. Mit Christi Hilfe haben wir es bereits zwar zu einem gedeihlichen Fortgang, aber noch lange nicht, wohin wir cs sollten. £) daß ich dermal um Dich seyn könnte, daß Du meine Ansicht über diese Sache ganz kennen lerntest! Bereits jedoch fangen sie an, sich selbst aufzureiben. So fehlte es vor einigen Jahren, als sich auf der ei/ ncn Seite die Franziskaner, auf der andern die Predi­ ger, über die Empfangniß der fei. Jungfrau Maria (so unbedeutende Dinge wählten sie zum Gegenstände des Streites) sich zcrhadcrtcn, wenig, daß sie nicht selbst ein ungeheures Gewitter über sich hcrbcifchworen, in­ dem nemlich Fürsten und Bischöfe nach und nach gegen sic erbittert wurden. Bald darauf drohte jener zu Bern entglommene Brand allen Dominikanerklöstern nahen Untergang. Nun ist aber auch, was dermal vielleicht Dir unbekannt, zu Wittenberg in Sachsen ei­ ne Parthei wider die Auktoritat des Pabstes aufgcstandcn: eine andere wirft sich zu Vertheidigern des pabstlichcn Ablasses auf. Von beiden Seiten wird der Han­ del mit großen Anstrengungen betrieben, der Kampfaufs heftigste durchgefochtcn. Mönche stehen an der Spitze der feindlichen Partheien. Die Heerführer, hartnackis, hef­ tig, aufgercizt und streitlustig, rufen und schrcicnsich hei­ ser in die Wette, und beweinen und klagen bisweilen das

Schicksal an. Nun sind sie in der letzten Zeit auch aufs Schreiben verfallen. Die Buchhändler machen gute Geschäfte. Lehrsätze, Korollarien, Schüsse und Arti­ kel, die so manchem schon verderblich ^worden, werden zu Dutzenden verkauft. Ich habe damit gute Hoff, nung, daß sie sich wechselseitig die Fasse brechen, und

22

deshalb neulich/ als ich von einem Bettelmönch die

Nachricht hiervon erhalten/ demsclben'erwidert: „nur brav todt geschlagen/ so schlagt ihr am Ende euch wech­ selseitig alle todt!" Auch wünsch'ich kn der That/ daß unsere Widersacher aufs höchste sich befehden und

aufs hartnäckigste sich aufrcibcn. Geb' es Gott der Allmächtige, daß sie untergehn und ausstcrbcn, die ein Hinderniß sind dem neuen Auf­ blühen der Wissenschaften/ damit einst die frischlcbcndige Pflanzung der herrlichsten Tugenden, die jetzt so häufig von jenen zertreten wird, frei aufschießcn mö­ ge! Du aber, erlauchtester Graf, sey selbstständig und erhalte Dich in Deiner Kraft! Du sollst an mir in je», dem möglichen Fall einen treuen Genossen Deiner Ge­ fahren und Anstrengungen finden. Inzwischen will ich an den Fürstcnhöfen alle die, so ich tauglich erfinde, auf unsere Parthei hcrüberznzichen trachten. Bereits aber machen schon jetzt viele berühmte Manner gemeinschaft­ liche Sache mit unsSo schützt in Nürnberg der bei seinen Bürgern vielvcrmögcnde Bilibald Pirkheimer Kapnios Sache, zu Augsburg Peutinger; in Ungarn und zu Wien Kuspinian, beide durch Glücksgüter wie durch Gelehrsamkeit ausgezeichnet. Das Gleiche thun die Rathe Kaiser Maximilians, Jakob v.Bannisiis und Johann Stabius. In Frankreich aber nährt den Volks­

haß wider die Gegner Reuchlins aufs standhafteste der edle Dann und treffliche Gelehrte Wilhelm Buddaus. Eben daselbst zeigen sich auch als unsere eifrigsten Ver­ theidiger Hopp von Basel, des Königs Leibarzt, und Faber, w-lchcr den philosophischen Forschern dieses Zeitalters si wichtige Dienste geleistet. Bei unserm Albrecht aber, dem Mainzischen Bischof, laßt der Phy. siker Heinrich Stromer, der uneigennützigste Freund der Wissenschaft«, und Gelehrten, und deßhalb mir in»

°z nigst verbrüdert, keinen Anlaß vorbeigehn, ohne ihn für die Erhebung Kapnios, Jenen aber zum Schaden zu benützen. Selbst zu Leipzig, so harten Stand man dermal noch mit den Sophisten hat, wird ein Auf« schwi'ng der Wissenschaften und ein Streben nach ver« nünftigern Studien wahrgenommen. Nach Wittenberg beruft Churfürst Friedrich Lehrer der griechischen und hebräischen Sprache. Doch, um zur Perle aller Bischöfe, unserm Al«

brecht, zurückzukommen, so kann ich Dir nicht be­ schreiben, wie sehr er sich's angelegen seyn laßt, die Wissenschaften zu heben. Du würdest in Erstaunen gerathen, wenn Du seinen Brief an Erasmus lasest, so freundlich grüßt er ihn, so dringend ladt er ihn zu sich ein. Zu Hause aber tragt er seine Schriften überall mit sich herum, und nichts von Erasmus kömmt heraus, das er nicht fleißig studirte. Und damit ich Dir etwas Merkwürdiges von ihm mitthcile, so will ich Dir einen Zug erzählen, der zwar drollicht genug, aber ein Be« weis ist, was man von diesem Fürsten hoffen darf. ES überbrachte ihm Stromer ein von jeder Art Schmähun­ gen strotzendes Libell Pfefferkorns wider die Fein­ de Ncuchlins. Nun las jener cs zwar, warf cS aber, so wie er cs gelesen, ins Feuer, bei dem er zufällig ge­ sessen, verwünschte dicunsaubernLästerungcn desnichts­ würdigen Juden, und äußerte, während er das Ge­ schmier den Flammen opferte, die ewig denkwürdigen Worte: „So mögen alle umkommen, die solch eine Sprache führen!" All dieses läßt

uns hoffen, daß unser Plan uns gelingen werdeWas Du mir über Hofsitte vorwirfst, werd' ich, da dies nicht in einem Briefe, sondern in einer gan­ zen Abhandlung, oder einem eigenen Buche nur kann

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abgethan werden, sobald mir Muße geworden, zu be­ leuchten suchen. Glaub' indeß nur nicht, daß ich in meiner frühern Lebensart das Geringste andern werde. Ich habe mir vorgenommcn, auch mit den Musen mich wieder in gutes Vernehmen zu setzen, wenn dieselben mir etwa von darum gram geworden seyn sollten, daß ich mich den Beschäftigungen des stolzen Mars (wozu die Noth mich trieb) unterzogen, indem auch sie früher in Feldlagern, mitten im Waffengetümmel häufig geweilt haben. Herzlich freu' ich mich, daß Du der mordbre.nneri» schen Mönchskutte auf den Pelz gerückt bist, und er­

warte begierig, was Du mir versprochen. Fahre fort, wo Du begonnen. Mögen sie Dich hassen: immerhin, wenn sie Dich nur fürchten. Gleichwohl wirst Du ih­ ren Haß mit Vielen theilen, wir haben übrigens die Gewißheit, daß die in der Achtung aller rechtlichen Leu­ te nur höher steigen, welche von jenen gehaßt werden. Deinen Brief, den Du zu meiner Vertheidigung schriebst, hab' ich nicht erhalten. Schreibe mir, wein Du ihn anvertraut. Binnen 4 Tagen geh' ich nach Sachsen zurück. Lebe recht wohl, und trage für Deine Gesundheit Acht.

Mainz, den Zten April 1518. aufrichtig, ohne Wortschmuck.

Sendschreiben an Ferdinand Erzherzog zu Oesterreich. Einleitung zur neu aufgefundcnen Schuhschrift für Heinrich

IV.

^etzt, durchlauchtigster Fürst, nachdem Dein Bruder nunmehr stiegen ,

den Thron des römischen Reichs be­ halt' ichs für unsre höchste und heiligste

Pflicht, dafür zu sorgen, daß wir das uns anvertrautr Talent nicht unnütz verschwenden, sondern allzeit rüsti­

ge und unverdroßne Rather ihm seyen, das Ruhmvoll­ ste nur zu unternehmen. Weil ich nun andere auf an­ dern Wegen dieses Ziel verfolgen sehe, hab' ich für meine Person mir fürgenommen, unausgesetzt ihn zu vermahnen, daß er doch ja den Schimpf nicht langer lei­

den wolle, mit welchem diese unsre Nation unter der Zwi'nghcrrfchaft des römischen Pabstes seufzet. Es spricht uns Mancher von den Türken, die man zu­ vor bekriegen müsse. Diese sind uns weiter entfernt, und auf eine solche Art unsere Widersacher, daß wir im offenen Kampf der Siege genug erfechten mögen. Soll­

ten wir also vorerst den Feind suchen, dessen Macht wir kaum empfunden, und nicht vielmehr demjenigen widerstehen, welcher mit dem höchsten Grad von Ueber-

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muth gegen unS wüthet? Ich habe mir letzteres zum Ziel gesetzt, und fürchte nicht nur die größte Gefahr nicht , weil nach Christi Ausspruch die Wahrheit ohne Zagen muß herausgesagt werden, und jene keineswegs zu fürchten sind, die den Leib zwar, nicht aber die See« le todten können, sondern ich hoffe noch überdies Be« lohnung dafür; nicht hier, wo jede Vergeltung ge­ ringer als unsre Verdienste, wohl aber dort in jenem unsterblichen Vaterland, wo Jedem nach seinen Thaten zugcwogen wird. Denn es soll das Werk meines Lebens seyn, der seit geraumer Zeit zu Boden geworfenen und in ihrer Urstande stets gehemmten Freiheit ihren Li'chttag zu bereiten, und mit bewirken zu helfen, daß schändliche Erdichtungen und lästerliche Lügen fürder nicht mehr bestehen, von welch letzteren die Menschen bereits so sehr umstrickt sind, daß alles acht Christliche, und was der Herr zur Befolgung aufgestellt, denen fremde Dinge geworden, so sich doch zu Christus be­ kennen. Nicht langer soll daher geduldet werden, daß jene statt evangelischer Wahrheit und christlicher Lehre eitle Fabeln, menschliche Satzungen, und zwar meist des Gewinstes halber, aufstellen, sondern die Wahrheit muß aus ihrem Dunkel, aus ihren Win­ keln hervorgezogen, den Ohren der Menschen aufs neue verkündet und ihren Sinnen eingepragt werden. „Ich „bin gekommen (spricht Christus) das Feuer auf die „Erde zu bringen: was will ich anderes, als daß sie „davon entzündet werde?" Es ist fürwahr ein unge­ mein großes Verdienst, die Wahrheit zu predigen; denn Gott ist die Wahrheit, und gebietet sich ;u verkün­ digen, wobei er solchen, die cs thun, Lohn verheißet. Wer immer mich ■— so ruft er aus — vor den Menschm verkündigen wird, den wird auch des Menschen­ sohn vor den Engeln Gottes verkündigen. Und vor

®7 seinem Vater betete er also,:

„Heilige sie kn Oer

Wahrheit!" Dennoch ist mein Unternehmen auch, politisch 6t«

trachtet, verdienstvoll, und wäre des Dankes wohl werth. Denn wenn solchen Mannern es zu hohem Ruhme angerechnct wird, welche selbst fremde Völker von der Tyrannei erlösen,'wie hoch wollen dann wohl die stehen, welche ihres Vaterlandes Freiheit erkäm« pfcn? Denn bei Gott! es giebt bald kein Recht mehr, das jene sich gegen uns anzumaaßen nicht erkühnen, in« dem sie zugleich sv eifersüchtig das Wiedererstehen der Freiheit bewachen, daß sie zugleich das Forschen selbst nach Wahrheit uns untersagen. Wie viele Jahre nun schon verfolgten sie nicht Je­ den , welcher ein wahres Wort zu reden, oder zu schrei» den wagte? ja wie vielen haben sie nicht den Untergang gefördert, welche die evangelische Schrift, Gottes Wort, höher halten zu müssen glaubten, als des Pab« stcs Gesetze, und die Ueberlieferungen der Menschen? Wie viele haben nur neulich nicht, ob sie gleich so gut als ich wußten, was Wahrheit sey, aber weil ihr Aber­ glaube starker, denn die Religion war, aus Furcht vor ihnen gezittert, da wo gar nichts zu fürchten war. Fern sey von mir die Schwachheit, das zu tadeln, was noch abgewendct werden kann. Aber wenn je eine Volks­

schmach abgcwendet werden mußte, so thut es in diesen Zeitläuften noth, um so mehr, da die günstigste Gelegenheit solch eine Wagniß unterstützt. Da jedoch

raschcs'Einschreitcn in dieser Sache vor allem erforder­ lich und Dein Bruder, die Erwartung Vieler tauschend, allzulang seine Rückkehr verzögert, glaub' ich indessen Dir einiges zu Gemüth führen zu dürfen, waS Du dann spater ihm mittheilen kannst.

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Der Zufall warf mlr, als ich gerade am wenigsten daran dachte, — denn andere Dinge beschäftigten mich damals— in der Bibliothek zu Fulda, welche

an alten und guten Handschriften sehr reich ist, ciu Buch mit äußerst alten Schriftzügen in die Hand, oh, ne daß jedoch Inhalt, oder Verfasser auf dem ersten Blatt, noch irgend eine Vorrede zu finden war. Ich haschte begierig darnach, denn ich ahnete was. So bestäubt wie es war, schlug ich es auf, und las einiges. Das gefiel nur. Sofort gicng ich Mehreres, endlich das Ganze durch, zuerst nur oberflächlich, dann genauer. Da erkannt ich einen herrlichen Fund, ganz der Zeit gemäß, und gewiß eines Jeden Begierde erregend, damit gemacht zu haben. Denn es handelt: „von Erhaltung der Einheit in der Kirche, „von den Pflichten eines guten Pabstes, „von dem priesterlichen Ansehen, und der Würde des römischen Reichs." Ferner wird darin das Schisma verflucht, gegen Wirren und Partheiungen losgezogen, Friede gepredigt, zu Er­ forschung der Wahrheit vermahnt: und zwar stützt sich alles darin auf evangelische Lehre, und die Zeugnisse der Apostel und Propheten. Ich sprang, Gott sey mein Zeuge, vor Freude auf, und hüpfte vor Entzük-

kcn, weil ich mehr gefunden, als ich gesucht hatte, was man aber doch einst hätte suchen müssen, und als­ bald fiel mir jener Vers des Menandcrs ein. Wahrlich, wäre Karl damals gegenwärtig, und Zeuge meiner ungehofften, stürmischen Freude gewesen, ich würde zu ihm hingccilt seyn, und ihm dies als Geschenk dargcboten haben, daS meines Vcdünkens nur eines Fürsten werth ist; ich würde es in der vol­ len Ueberzeugung gethan haben, daß ich was Großes und in hohem Grade Verdienstliches ihm dargereicht

29 hatte. Denn ich zweifelte keinen Augenblick, daß ihm dies nicht höchst angenehm seyn dürfte, und glaubte zutrauensvoll, daß er mein Benehmen hiebei nach sek« ncr eigenen Großartigkeit zu schätzen wissen, und zu­ gleich die Ueberzeugung fassen werde, daß doch noch manches in mir sey, womit ich euch zum Frommen auftreten mag. Oder kann es wohl ein verdienstvol­ leres Werk geben, als wenn Jemand es nicht zugeben will, daß ihr geknechtet werdet? Es wurden aber, o der Schande! alle jene teutsche Kaiser von den römi­ schen Pabsten geknechtet, welche zu ihren Gunsten auf die Stadt Rom verzichteten, oder die so treuloser­ weise vorgelogene Schenkung Konstantins bekräftigten, oder es nicht unter ihrer Würde hielten, beim Antritt ihrer Würde ihnen den Huldigungseid zu leisten, oder vor ihren Füßen das Kaiscrdiadcm zu empfangen, oder einen Richterspruch über sich anzuerkcnncn, oder ihre Verordnungen und Gesetze durch die Konstitutionen Jener abschaffcn zu lassen, oder Teutschland ihren jähr­ lichen Plünderungen preis zu geben, oder zu dem Schacher mit bischöflichen Pallien zu Rom, hier aber zu dem Jahrmarkt mit Dispensationen,- Oyaden, und jeder Art von Bullen ein Auge zuzuhüstckrn. Denn was soll ich von diesen, welche glauben, zu allem müsse Rom zuerst seine Erlaubniß geben, sprechen? War wohl in ihnen, ich will nicht einmal sagen, kai­ serliche Würde, sondern nur auch irgend Mannerkraft, oder ein Anzeichen teutscher Tugend ersichtlich? Wenn wir uns dieser nun gewaltig zu schämen haben, ist uns dagegen durch die Starkmuth Heinrichs IV., des tapfersten und streitbarsten Kaisers, der je über Leutschland geherrscht hat, sehr viel aufgeblüht, waS meiner Meinung nach den gemeinsamen Ruhm unsrer Nation gemehrt hat. Wenn aber je etwas Karl«

3o spornen kann, in seinem Geist zu handeln, wird es dies Büchlein seyn. Denn es zeichnet sein Leben aus­

drucksvoller, als irgend ein Mahler oder Bildner die Züge und-Formen des Körpers darzustellcn im Stan­

de ist. Dennoch schien es uns nicht gerathen, ihm gerade dasselbe zuzueignen, denn ich habe bereits Anstalten getroffen, durch eigne Preisgcsange bei seiner Rück­ kunft ihn zu begrüßen. Ich widme cs also Dir, theils weil ich cs nicht schicklich finde, den königlichen Jüngling mit zu vielen Dingen zn überhäufen, theils weil ich der Meinung bin, Du werdest doch in den meisten Füllen bei seinen Bemühungen, dem Reich die alte Lage wieder zu geben, sein Rathgeber seyn. So beschwör ich denn euch Beide, legt Hand an das Werk, und duldct's nicht langer, daß die Römischen Schnapphahne diese Nation, aller Völker Königinn, verhöhnen! Ich selbst werde rastlos um euch seyn, und rings aufmahnen, ob mich gleich einer zu schrecken vermeint, und selbst mit Gewalt mir gedroht hat- Denn würd' ich da nicht aufhören, ein Christ im eigentliche« Sinne zu seyn, wenn.ich, dessen Pflicht es allcrdingsnstx bei dem Ruf eines wahren Hirten aufzuspringen, auch nur einen Augenblick auf das Ge­ bot eines Räubers achtete, der nicht zur Thüre hin­ ein, sondern verstohlenerweise, und wie die Diebe in der Nacht in den Schafstall des Herrn drang? und fremd wird diese Stimme, sie komme von wem im­ mer, klingen, und nicht wie der vertrauliche Ruf ei­ nes Hirten. Dennoch traut die öffentliche Meinung Leo X. solches nicht zu, indem er uns auf alle Weise Friede verheißen, und das Musterbild eines guten Hirten, und Christi selbst zur Nachahmung aufgestellt Hüt. Ich befürchte daher keineswegs, daß der ei-

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nen willkührlichen Machtstrekch in ter Kirche, oder

Christenheit verüben werde, welchen wir, so er im gleichen Geiste fortfahrt und in Petri Fußtapfen tre­ ten wird, nicht nur nicht als in jener Zahl begriffen erklären, gegen welche dies gefchrieben ist, sondern selbst mit einer besondern und ausgezeichneten Vereh«

rung über alle andern erheben, als einen Mann, det nach so vielen lasterhaften Pabsten der erste mit dem Willen erfunden ward, auf dem Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit allen übrigen voranzuwandeln. Nach so vielen Jahrhunderten that fürwahr der Welt ein ver­ nünftiger. Pabst noth. Wohl! er heißt uns alte Schriften, wo ste immer liegen möchten, hervorgraben, und ans Licht fördern: hier hat er eine solche. Ist er wie er sich giebt, so wird sie ihm lieb seyn, und er auf alle Falle den Ausi sinder in Schutz nehmen, und gewiß weit entfernt da­ von seyn, daß er Jemand, der um das Allgemeine sich verdient gemacht, mit Verwünschungen und Bann­ flüchen belege, was einige argwöhnische Leute, wie ich sehen muß, ihm bereits anstnnen. Denn es künbete dies nicht mehr denHirten Leo, sondern denWolf an, der begierig zu verzehren, was ihm zur Weide — oder zu . verderben, was ihm zur Hut aufgetragen ward. Ich versehe mich auch so zu ihm, daß ich ihm selbst darüber keineswes Freude zutraue, wenn auch Karl mit freiem Willen auf demjenigen Weg den Kai­ serthron besteigen möchte, auf welchem mehrere der

letztem Kaiser zu demselben gelangten, denn er stellte uns Petrus als Urbild auf. Was aber hatte diesen mehr bestürzen können, als wenn ihm einst jemand vorausgesagt, es würde nach ihm ein Statthalter Christi kommen, welcher sich nicht nur allein in den Kopf gesetzt, ein Reich sich anzumaßen, sondern selbst

32 die Frechheit haben würde, den Königen der Christen­ heit, zum Schimpf, die Füße zum Kuß hinzustrekken? Denn was laßt sich für ein schneidenderer Kon­ trast wohl denken, als jenes Geheiß Christi, den © ei­ nigen die Füße zu waschen, und dieser ZtVangsbefehl an die Christi. Fürsten, ihnen (den Pabsten) ihre eige­ nen Füße zu küssen? O verkehrte Pabste, die auch nicht km Geringsten mit Petrus, noch weniger mit Christus etwas gemein haben!. Würden sie nicht größerer Ehrfurcht bei al­ len Christen genießen, wenn man beim Eintritt in Rom sie im Tempel des heil. Petrus, auf ihren Knien traft, statt, wie sie nun vom Wall des Hadrians herab durch Kanonendonner uns mit Schrecken erfüllen? Wohl ist's daher selbst eine Liebespflicht, sie zu mahnen, daß sie einmal freywilliglich zu sich selbst jurückkehren, und lieber jetzt, als spater einst, der Nothwendigkeit nachgcben. Für alle übrige Tyran­

nen ist's sicherer, in ihrer Herrschaft sich zu behaupten, statt sie abzugeben: die römischen Pabste allein, die blos unmäßige Habgier dem allgemeinen Haß preis ge­ geben, wird dieser Schritt nicht nur keiner Gefahr aus­ setzen, sondern jeder Gefahr selbst entreißen. Denn bereits beginnen die wieder zu Verstand zu kommen, welche bis dahin bctrüglichcrwekse darum gebracht worden, und die Augen aufzuschlagcn, die Aberglau­ be blind gemacht hatte. Doch gesetzt auch, man dürfte an kein solches Wie­ dererwachen der Menschheit glauben, so mein' ich, es sey doch immer noch das Racherauge Gottes zu fä ch, ten. Denn Er, der einst aus Salomons Tempel die hinaustricb , welche weltliche und nichtswürdige Din­ ge darin kauften und verkauften, — was wird er wohl jenen thun, welche in seiner Kirche, nicht ohne die

53 schrecklichste Entweihung, einen Handel mkt menschlichen Thaten errichteten? Wird diesen nicht der himmlische Hausvater seinen Weinberg entziehen, und an andere ihn verpachten, die Schlechten aber in seinem Zorn verderben? Oder wird er nicht das vollzieh«, was uns durch Ezechiel den Propheten ist gcweissagt worden: „Von darum, daß meine Hcerden zum Raub, und meine Schafe zur Beute geworden stnd allen Thie­ ren des Feldes, weil kein Hirt zugegen war, — denn die Hirten gicngcn meiner Heerde nicht mehr nach, sondern fütterten sich selbst, und weideten keineswegs die Hecrben — um dessentwillen vernehmt ihr Hirten das Wort des Herrn! So spricht der Herr, unser Gott: ich selbst will von den Hirten meine Heerde zu« rückfodern, aus ihren Handen, und will machen, daß sic weichen, daß sie fürder nicht mehr meine Heerde weiden, noch die Hirten sich selbst blos füttern, und will meine Heerde aus ihrem Rachen befreien, und sie soll nicht ferner mehr ihnen zum Fraße dienen." Auch wir dienten ihnen bisher zum Fraß nur, und keines. Wegs fesselte pflichtgemäße Sorgfalt für unsre Seelen sie an uns, sondern eine schmutzige Liehe zu unserm Geld war die Triebfeder ihrer Handlungen. Nicht darauf giengen sie aus, durch ihre Lehre uns besser zu machen, sondern sich, nachdem all unser Gold und Silber ihnen dargeboten worden, zu bereichern. Denn außer dem, was sie unter dem Schein der Religion für Gnaden, Dispensationen, Relaxationen, Condo» Nationen und Absolutionen mittelst ihrer bekannten Ecldmclke uns abgcstohlen, haben sie sich neulich der widerrechtlichen und gcwaltthatigen Behauptung nicht geschämt, für Bischcfsmantcl müßten sie Geld haben. Sie silbst bestimmten nach Gutdünken eine unerHuttens Schriften, Theil l. C

34 fchwingliche Summe, und von allem dem, was einst unsere Vorväter hier an unsere Kirchen vrrgabten, rissen sie mehr als die Halste an sich, und theilten, ihnen selbst zu ungeheurem Gewinn, das Jahr in pabstliche und ordinäre Tische, und setzten eine Verfügung fest, daß ihnen verstattet seyn solle, Pfründen in Teutschland zu besitzen, keineswegs aber uns in Ita­ lienSie legten jenen, die um Pfründen sich bewer­ ben, die Verpflichtung auf, nach Walschlandzu gehen: mit diesen lassen sie sich dann also ins Feilschen ein, wie es unsre Kramer mit dem Pfeffer und Saffran zu thun pflegen. Kurz, es ist beinahe kein Grad von La­ ster und Gottlosigkeit, den sie nicht dnrchgcgangen sind. S i e sind die Leute, von denen der Herr durch Jesaias spricht: „Mein Volk ist ausgcraubt worden von seinen Hirten, und Weiber herrschen über dassclbige." Auch trift sie nicht so fast bloß deßwegen der Dolkshaß, weil sie durch ihr Raub- und Trugsystcm eine unerträgliche Tyrannei über uns ausübcn, als

weil sie aus launenhaftem Uebcrmuth alles sich unter­ fangen, den Wollüsten stöhnen, in Ueppigkeit schwel­ gen, und meist das schändlichste Leben führen, kurz, weil sie nicht einmal eigentlich Manner sind. Und deßhalb mag es uns von Jedermann mit allem Fug als eine Volks-Schmach vorgcworstn werden, daß, nach­ dem einst unsre Altvordern, einem doch äußerst krie­ gerischen, wcltgebictcnden Volk zu gehorchen, für unrühmlich gehalten hatten, wir jene Zärtlinge, Ve­ nns- und Bachusstlavcn, jene einzig dem Müßiggang,

und der Unthatigkcit mehr als je ein Weib ergebene Gesellen, die jeder Manncrtngend bar, in der Lüder-

lichkeit zu Grund gegangen sind, daß wir, sag' ich, nicht nur diese noch dulden, sondern gegen dieselben, sie mögen in diesem ihrem Unwesen sich gebehrdcn, wie

35 sie wolle», ein solch schmachvolles Verhältniß beibchalten, als wenn sie uns im Kampf besiegt hatten, daß wir ihnen Tribut bezahlen, und unsre Erbgüter an sie verschwenden. Wenn aber früher jemand gegen diese, aus aufrichtigem und pflichtgemäßem Eifer für das Beste des Christeubundes etwas redete, oder schrieb, machte man dem Volke glauben, er sey ein Hetzer, und hielt ihn für einen, der von der Gemein» schäft ausgeschlossen sey. Diese lappische und ganz verkehrte Meinung, Fürst Ferdinand! müssen wir nach Kräften aus allen Köpfen herauszureißen suchen, und vorzüglich Dir und Deinem Bruder als Rathgeber in der Nahe stehn, damit uns die Freiheit zurückgegeben, jenen aber die Macht zu wüthen, verfolgen und betrügen einmal genommen werde. Dies wird der erste und gewiß der vorzüglichste Weg seyn, das Reich in einen bessern Zustand zu versetzen: es wird der Anfang eines großen und wahrhaften Ruhmes für euch selbst seyn. Was mich betrift, so halt' ich es für meine Pflicht, auch zu dieser Zeit zu sprechen und zu schreiben, was der Wahrheit und dem Zeitgeist gemäß ist, um so mehr, da ich es weiß, kann und muß, damit ich nicht einst genöthigt werde, mit dem Propheten zu sagen: „Weh mir, daß ich geschwiegen, da ich ein Mensch mit befleckten Lippen nun bin. Denn fürwahr >nan muß Gott mehr als den Menschen gehorchen. Es hat aber Gott selbst uns geboten, die Wahrheit zu verkün­ den: „Folge, ruft er, der Wahrheit!" UndPaulus, als er seinen Schüler unterwiesen, sprach: Predige das Wort Gottes, halt an, es sey gelegen oder ungelegen, strafe, bitte, und schilt in aller Geduld und Lehre. Denn es wird eine Zeit kommen, daß sie eine gesunde C 2

36 Lehre nicht mehr dulden werden, sondern fie werden ihnen selbst nach ihren eigenen Gelüsten Lehrer aufwer­ fen, wie sie die Ohren jucken." Diese Zeit ist da, gewiß, sie ist da, und deßhalb auch der Ruf an uns ergangen, zu predigen, zu stra­ fen und zu rügen, da sowohl ihre lästerliche Habsucht den höchsten Grad erreicht hat, als auch die Leitung

der Dinge in die Hande Deines Bruders gekommen ist; eines Jünglings, der zu den schönsten Erwartun­

yen uns berechtigt, der auch sehr leicht diese Krebs­ schaden alle zu heilen vermag, und die herrlichsten Gelegenheiten dazu, wie keiner vor ihm hat. Theil' ihm also auch dies Buch, gleichsam als einen Spiegel für eurer Beider Lebensweise mit; ihr beide mögt euch darin orientiren. Die Großartigkeit jenes trefflichen Kaisers muß euch ein Sporn zur Nachahmung seiner ewigherrlichen Thaten werden. Denn ich eigne Dir diese Schrift mit dem Wunsche zu, daß Du sie ihm zu lesen gebest. Und gewiß, ihr werdet euch nicht ohne Eifer und Liebe dahintermachen. Sie verkündigt die Wahrheit, nimmt das heroische Unternehmen des Durchlauchtigsten Königs wider die unverschämte Vcr« läumdung eines verruchten Betrügers in Schutz, und ist ganz aus dem Evangelium und den Worten Christi geschöpft. Ihr aber müßt das Streben nach Wahr­ heit ehren und theilen, und eure Herzen und Ohren fern vom Gifthauch der Schmeichelei halten. Mit Recht stellte Dion als die höchste Regel für einen Fürsten auf: Liebe jur Wahrheit, und Herzensreinheit; diese, als die wahrhaft königlichen Lugenden möge er treu umfassen; Hinterlist und Trug hingegen für Eigenschaf­ ten eines Sklaven halten. So erwiederte auch Py­ thagoras auf die Frage, was die Menschen am meisten den Göttern ähnlich mache: „Wenn sie die Wahrheit

3? reden." Darum sollt auch ihr darnach trachten, daß ihr den Göttern ähnlich, d. h. etwas mehr, alS ge­ wöhnliche Menschen seid; sonst werdet ihr nicht als

Fürsten gelten, wenn nichts Großes und Bewunde­ rungswürdiges in euch ist, das euch über das gemein» Menschcnloos erhebt. Nun aber glaub'ich bereits Manche zu hören, welche mit folgendem Vorwurf mir entgcgentreten: „Wie, du

willst den Pabst verächtlich machen?" Keineswegs will ich das; nur den Flitter will ich von ihm reißen, daß das Bild eines Pabstcs in seiner wahren Reinheit vor mir glanze. Das will ich thun, und dann, wenn al­ les von ihm genommen ist, was ihn entwürdigt, ihm das zurückstcllcn, was er dabei verloren hatte; indem ich nemlich ihn aus einem Tyrannen wieder zu einem Obcrpricster, ans einem König zu einem Vater, auS einem Diebe zum Hirten umgewandclt, der Welt wie­ der gebe. Oder wird wohl Les (was Gott verhüte) größere Ehrfurcht dadurch einflößcn können, daß er als Kriegsheld die Waffen führt, als wenn er im Priesterkleide demüthig für den Frieden der Kirche Gebete spen­

det? Doch genug nun von diesem. Ich freue mich einzig jetzt, Fürst Ferdinand! über mein Glück, daß ich dies uns so nützliche, nothwendige und hcilsime Buch

gefunden, namentlich zu dieser Zeit, wo der so lange Ze taufgegebenc Handel unter den glänzendsten Erwartungen der Fürsten und des gesammten Teutschen Volks wieder verfochten zu werden beginnt, und hauptsächlich deswegen, damit jene Leute, welche uns für Ketzer aus­

schrien, mit dem Scheiterhaufen uns drohten, und nicht ohne die größte Entrüstung von Seite ganz Teutschlands nach Rom abführen wollten, als wir gegen höchst

ungerechte Erpressungen uns aufiehnten,

damit diese.

38 sag' ich, begreifen lernen, wie unser Unternehmen gar nicht ungewöhnlich, noch erst von gestern sey. Ge«

behrden sie sich doch, als wenn vor uns Niemand sich gerührt hatte, oder falls auch dies nicht geschehen, ih­ re Verbrechen keineswegs von solcher Art waren, daß man sie öffentlich, in einem Aufstand von ganz Teutsch­

land zu racken und auf das schärfste zu ahndenBedenken tragen sollte. Hieraus aber ersehen sie nun, was bereits unsere Alten unternommen. Wenn diesen auch die Sache min­ der geglückt, so lag die Schuld nicht in ihrer Schwa­ che, sondern im Unglück jenes Zeitalters, wo Treu und Glaube jedes Bessern, und die Religion Christi dem Wahn des Pöbels unterlagen: also zwar, daß ein tie­ fes Gefühl des Mitleids gegen den großen Kaiser mich ergreift, der nicht in eine bessere, seiner würdigere Epo­ che fiel. Denn was würde er nicht ausgerichter haben, wenn er mit aufgeklärtern Menschen zu thun gehabt, er, der in allen Stürmen, die um ihn tobten, bei der ungeheuern Verkehrtheit seiner Zeit, so viele Jahre auf dashartnackigste denKampfmit seinen Feinden bestand. Aber sie brachen deswegen den Stab über ihn, weil er sein Teutschland frei, und nicht langer dulden wollte, daß ein Pabst sich mehr zneigne, als Christus ihm gab und der Erdkreis ertragen konnte. Mögen sie immerhin den Stab gebrochen haben, wir zollen ihm Lob und Ehrenpreis. Man errichtete einst Brutus zu Rom ei­ ne Säule , daß er die Könige vertrieben: und unserm Landsmann sollte es zur Schmach gereichen, daß er von fremder Zwingherrfchaft fein Vaterland zu erlösen strebte? Herr Christe! welche Schande, welcher Un­ dank, welche Unwürdigkeit von unserer Seite! Sie versetzten Andere unter die Zahl der Heiligen, weil sie ihnen Städte, Flecken und ganze Gebiete oft abgetre-

39 fen; wer aber gegen die Gewaltthaten der Päbste den

Arm zu erheben wagte, den schrieen sie aus, als sep er in den Bann gethan, und als ein faules Glied vom Körper der Kirche abgcschnitten worden. Daraufgrün»

den sich jene Verwünschungen in den Dckrctalicn; jene Bannblitze, von ungerechten Richtern ausgcschlcudcrt,

deren Mund voll des Fluches, der Bitterkeit und deS Truges isi.

Doch der Herr wird alle ungerechten Lippen zermalmen, sie aber werden einst erkennen, daß der Herr al­

lein Gott ist, und allein der Höchste auf allen Erden, der fein Gewicht auf die Wage legen wird,

und seine

Gerechtigkeit mit dem Maaße messen.

Lange zwar blieb Heinrichs Verdienst im Dunkeln, denn die, so in Walschland seine Geschichte schrieben, schöpften entweder aus solchen, welche den Pabsten zu lieb durch Lügen alles entstellten,

oder aus gemein­

schaftlichem Hasse alles, was von den feindseligen Pabfielt und der Gegenpartei ansgestreutworden war, auf­ nahmen und dem fürtrefflichsten Kaiser eben so viel ent­

zogen, als sie dem boshaften Hildebrand zuzusprechen

sich bewogen fühlten. So schrieb mir neulich selbst mein Eastfreund Baptist Egnatius, auf diese Autoritäten ge­ stützt: „Gew-'ß Du kannst es nimmermehr loben, daß

Pabst Gregorius von ihm belagert, ein Afterpabst nach

dem andern aufgeworfen, und gegen jene selbst mit Gift

und Dolch gewüthet worden." •— Ich säumte nicht, die­ sem äußerst rechtschaffenen und höchst bescheidenen Freund

freundschaftlich zu erwiedern, — denn was Andere schreiben, rührt mich nicht — r „Gewiß, Egnatius, wirst auch Du cs nimmermehr loben, daß jener Betrü­ ger gegen einen eben st> wahrhaft christlichen, als tap­ fern König jede Arglist aufgeboten, in Teutschland die

giftigsten Wirren'und Bürgerkriege angcfacht, die Für-

4o sten und das gesammte Christenvolk zum wechselseitigen Morden und Blutverguß angetrieben, Walschland um

den Frieden bestohlen, die Stadt Rom verwüstet, und mit Gift und Schwert allenthalben gewüthet hat!" D ii wirst dieses nicht nur niemals in Schutz neh­ men, sondern. Deiner bekannten Unparthcilichkcit ge­

mäß, nach angestclltcm Vergleich zwischen Beider Le­ ben, Tadel und Urtheil aussprechen.

Denn kann wohl

der je einen hinreichenden Entschuldigungsgrund finden, Krieg zu führen, dem selbst der Gedanke an Krieg un­

bedingt untersagt ist? Oder handelte der wohl unge­ recht, welcher einen Mann belagert hielt, der ihn, frü­ her selbst kaum befreit, und durch einen Vertrag ihn in

Sicherheit wiegend,

bald wiederum zu Hause durch

heimliche Umtriebe gefährdet.

Wie? der durfte nicht

mit dem Schwert hcimgefucht werden, welcher einer freundschaftlichen Unterredung beizuwohnen verschmäh­

te und mit aller Macht den Krieg gegen ihn betrieb? Willst Du den Pabst vertheidigen, welcher nicht nur

die einzelnen Reichsfürstcn, sondern einen Jeden vom geschwornen Eide lossprach? welcher keck sie lossprach und den Apfel der Awietracht dadurch unter sic hinwarf? Bc«

reits hat man die Ueberzeugung gewonnen, daß Heinrichs Leben bei weitem anders zu beurtheilen sey, alsdicWäl« schen Annalisten cs schildern. Denn gewiß, unsere Biblio­

theken sind der deutlichste Beweis, wie Niemand so vcr« picht darauf gewesen, die Thaten der Fürsten zu bc« schreiben, als unsere Mönche. Ich fand daher neulich in besagter Bibliothek zu Fulda 5 Bücher von dem Leben

Heinrichs überschrieben.

Es waren zwar ihrer mehre­

re, aber um die letztem Bücher sind wir leider bestohlen

worden, durch einen Diebskniff des Acncas Sylvius, welcher spater Pius hieß, und jene Bibliothek jämmerlich verwüstete. Ich ergänzte daher

wie ich glaube,

41 die Lücken alsbald durch die Sachen, so ich in den Fuldischen Chroniken über die gleiche Sache auffinden konnte, damit die Welt nicht langer im Zweifel gelassen würde, welches der wahre Charakter Jenes gewesen, so diesem Gesindel zu mißfallen das Unglück hatte. DaS aber erhellt deutlich, daß die Italienischen Schriftstel­ ler die unsrigen mit minderer Sorgfalt benützten. Dagegen ist bei allen Nationen die Treue und Ge­ wissenhaftigkeit der Teutschen klar und anerkannt. Da­ mit Niemand hierüber Zweifel fassen möge, höre man lieber Beide. Doch ich will, Fürst Ferdinand ! nicht langer durch diese meine Vorrede Dich aufhalten, und überlasse cs Dir daher, die zugeeignete Schrift selbst zu genießen. Maynz, im Mürzmonat i5ao.

Sendschreiben an alle Freien Teutschlanös. Vorrede zu einer von Hutten aufgefundencn Sammlung

Briefe verschiedener Hochschulen über die Erhaltung der Kircheneinheit.

Ulrich von Hutten entbeut allen Freien Teutscher Na­ tion seinen Gruß. 9?och haben wir keinen günstigen Anlaß versäumt, von dem Tage an, wo wir die in langen Banden gele­

gene und beinahe erdrosselte Freiheit dieser Nation, so viel an uns lag, zu erlösen, und in ihre Rechte wieder cinznsctzcn uns untcrfiengen; indem wir entweder allem

demnachfragen oder nachforschen, was immer, zu unserm Werke dienlich,

aus alten Zeiten wo verborgen liegt,

oder selbst manches schreiben und ans Licht treten lassen, was ein nur in der Wahrheit lebendes Gemüth ferner

nicht in sich verschließen kann. Als ich nun, mit diesem Gedanken beschäftigt, vor Kurzem bei stillem Scheine eine Schifffahrt nach dem

Tricrischen Städtchen Boppart unternahm, und angclandet, Christoph Eschenfeldern, der dort Zol­

ler, besuchte, führte mich dieser, vermöge seines Wohl­ wollens,

das er gegen alle biderbe,

wissenschaftliche

43 Männer hegt, in seine Wohnung, und erwies mir eben jene Gastfreundschaft, die er kurz zuvor auf eine glan­ zende Weise dem Erasmus erzeigt. Als er mir dar­ auf, wie's die Sitte mit sich bringt, seine Bücherund seinen Hausrats) der Reihe nach zeigte, fand ich zwar alles recht schön und prachtvoll, aber vorzüglich fessel­ te ein ziemlich altes Werk, das aus Briefen verschiede« neu Inhalts bestand, meine Aufmerksamkeit. Ich blät­ tere darin herum, und lese mehrere Stellen, und ich sehe, daß ich zu einer Sache gekommen, die des Aufhebcns wohl werth war. Jener aber, als er mich mit solcher Begierde darüber herfallen sah, wollte, wie mir deucht, den durch seine Gastfreundlichkeit unsterblichen Nestor nachahmcn, und gab mir das Büchlein zum Ge­ schenk , mit der Bitte, Morgen damit die Beschwerlich­ keit der Schiffahrt zu vergessen. Und seht hier, ihr Freigcstnnttn, alsbald bring' ich sie euch wiederum zum Geschenk, diese Gabe aus Freundeshand. Denn könnte wohl etwas euer» Hutten von Herzen freuen, was er allein genießen sollte, und allen Guten nicht alsobald mitthciltc? Oder wo findet sich et­ was dem allgemeinen Besten Teutschlands Ersprießli­ ches, das er euch vorcnthalten könnte? Wollte Gott, mir fiele noch vieles der Art in die Hande, was bekannt machen zu dürfen eine unnennbare Wollust mir gewahrt! Zwar verdient dies Werk nicht mit jenen, die ich neu­ lich in der Bibliothek zu Fulda den Motten und Wür­ mern entriß, als einem Plinius, Solinus, Quintilian, Marcellus dem Arzte, und Andern, in Vergleich gestellt zu werden; aber es wird dennoch jenen, die Wortprnnk weniger als die Sache selbst besticht, et­ was gewahren, was der öffentlichen Aufmerksamkeit wohl würdig ist. Denn die Holprigkeit des Styles ver­ zeih ich der Armuth jenes Jahrhunderts; der darin be-

44 handelte Stoff dagegen wird, meines Dafürhaltens, dadurch Nutzen schaffen, daß er unsere Hochschulen überzeugen kann, welche Ansichten man zum Maaßstab seines Urtheils aufstellen müsse; ferner, daß sie hier Beispiele von ihren Ahnen sehen, denen sie nachzustreben haben; endlich, daß die Welt erkenne, wie nicht erst in diesen Tagen gegen den unerträglichen Geiz der Priester und das eben so unleidliche, von jenen Römlingen ihr aufgelegte Joch diese Nation sich zu wehren begonnen. Denn weder für einesoschaaleund gehaltlose Sache noch mit solcher Giftigkeit, wie cs jetzt der Fall ist, wollten die frühern Gottcsgclchrten ihre Kraft cinsetzcn, sondern für Sachen, die noth thun, und Geschäfte, ihres Be­ rufs würdig, glaubten sie, auch mit Gefahr sich bemü­ hen zu müssen. Damals leitete sic noch ihre Ueberzeu­ gung. Heutiges Tages finden wir lauter Fuchsschwanzer und Speichellecker unter den Theologen, die, wenn sie ja sich anstellen ihre Pflicht zu thun, aus dem unschul­

digsten Dinge von der Welt Spektakel erregen, oder, um sich den Dank der Mächtigen zu erwerben, recht­ schaffenen Mannern Übeln Leumund erwecken, ihnen oft Gefahr schmieden, ja bisweilen an ihrem Untergang arbeiten. Ware cs für diese nicht besser gewesen: zu .graben oder was immer sonst zu thun, statt also linkisch das Studium der Theologie zu treiben? Denn laßt sich etwas schmählicheres denken, als wenn sie, wie wirs sehen müssen, so frech und tolldreist, so muthwillig und böslich, so ganz ohne Men­

schenverstand , treffliche Manner in ihren Schriften mißhandeln, nicht von Irrthum verführt, sondern durch Neid und Bosheit angctriebcn, Männern, welchen sie, wollte jeder nur ftin Gewissen zu Rache zichn, den er-

ffen Rung und höchsten Preis zuerkcnnen würden.

,

45 Und diese wollen, daßman'sfür eine Heldenthat an­ sehe^ wenn sie ju Gunsten des römischen Pabstes, oder seinen hier im Lande streifenden Legaten zu lieb, die Pfeile ihres Urtheils gegen Manner wetzen, die auf das Zeugniß evangelischer Wahrheit gestützt, den Aberglauben aus den Gemüthern der Gläubigen herauszutilgen, und den um alle wahre Religiosität verbreite­ ten Dunst zu zerstreuen bemüht waren? Aus dieser Klasse von Eottcsgclchrtcn findet sich keiner, der gegen niederträchtige Curtisanen, verbreche­ rische Simonistcn und ruchlose Ablaßhandlcr entweder öffentlich predigte, oder zu Hause eine Schrift verfer­ tigte und Herausgabe, oder in irgend einem Senat frei­ müthig seine Hcrzcnsmeinung äußerte. Wider die vielen verderbcnschwangern Bullen so mancher Päbstc, wider die wirklich zahllosen Arten von Erpressungen und Beraubun­ gen, gegen jenen Schacher der Pfaffen zu Nom sowohl, als auch gegen die verabschcuungswcrthc Ueppigkeit des hkerländischcn Priesterstandes — geziemte stch's in un­ sern Tagen Vorkehrung zu treffen und einen entscheidenden Schritt zu wagen, nicht aber, wenn einer die edel­ sten Studien fördert, und dem Wiederaustcben der Wis­

senschaft eine Stütze verschafft, solchen die Schreckge­ walt jener Inquisition cntgegcnjustcllen, und alsogleich das Verbrechen der Ketzerei ihm anzudichtcn. Dieser Unfug sollte einmal aufhören, damit nicht unsere Nation durch die Nachrede davon täglich mehr gebrandmarkt werde. Denn wenn Unkunde der Wahr­ heit schon an und für sich Schande bringt, zeugt cs dann nicht von zwiefacher Schmach, nach ihrer Erkennt­ niß dennoch der Lüge von freien Stücken fortzuhuldi­ gen. Freudig sollte uns vielmehr christliche Demuth bei Verbreitung der Wahrheit leiten, vicht aber Wuth

46 und Wahnsinn uns zu Verfolgung der Rechtlichkeit verführen. Nichtswürdig und bald vergänglich sind die Gcschen-

ke, so denen verliehen werden, die mit solcher Sclbsthcrabwerfung Jenen schmeicheln, und mit einer ewigen, un« zerganglichen Belohnung sich tauschen lassen. Ucbrigens ahne ich die kurze Dauer ihrer Tyrannei, und weis« sage, so mich nicht alles trügt, ihren nahen Untergang. Denn angelegt schon ist, angelegt, o Christus! die Axt an die Wurzel der Baume, und jeder Baum wird abgehaucn werden, der nicht gute Früchte bringt, und gesäubert wird der Weinberg des Herrn werden/' Und dies heiß' ich euch nicht nur von fern ho ffen,

sondern in Balde erwarten. Vertraut darum euch selbst, teutsche Manner, und begeistert euch wechselsei­ tig! Nicht uncrfahrne, nicht schwache Führer gehen euch voran zu Rachung der Freiheit. Aber stark müßt ihr euch bezeigen und unerschrocken, und nicht wanken in Mitte aller Angriffe! Denn durchgebroche», durchge­

brochenmuß endlich doch werden, besonders da ihr solche Kräfte, solche Ueberzeugung, solche Veranlassungen und solch billigen Grund für euch habt, und die Wuth die­ ser Drängerei fürwahr nicht weiter gehen kann. So handelt denn und lebt wohl! Währenddes Ritts geschrieben, den 2 7 tot Mai­

monats 1520. Es lebe die Freiheit!

Ich hab's gewagt!



47

Sendschreiben

an Luther.

An Martinus Luther Gruß und Handschlag. Es lebe die Freiheit!

Wenn zwischen daö,

was Du in Deiner großen Seele beschlossen, Hinder­ nisse, wie ich sehen muß, sich drangen, kann ich nicht anders, als meine schmerzliche Betrübniß darüber Dir mittheilen. Wir haben nur Weniges noch hierin ver­ mocht: Christus aber muß uns bcistchn. Er wird uns auch bcistchn, da wir ja nur an seinen Satzungen hal­

ten, und seine, durch das Dunkel der pabstischcn Ver­ ordnungen ganz verdüsterte Lehre wieder ans Licht zie­ hen wollen, Du mit mehr Glück, ich nach Kräften. Wollte Gott, es theilten alle unser Gefühl, oder Jene giengen frciwi'lliglich in sich, und beschritten für­

der wieder den rechten Pfad! Es heißt, Du seyst in den Bann gethan: — wie groß, mein Luther, wie groß bist Du nicht, wenn dies wahr ist! Denn von Dir werden alle Frommen dann sagen: „sie schlugen die Seele des Gerechten in Ban­

den, und verdammten unschuldig Blut; aber der Herr unser Gott wird ihnen ihre Missethat vergelten und sie zerstreuen in ihrer Bosheit." Dies sey unsre Hossnung, dies unser Glaube. Eck ist aus der Stadt zurückgekchrt, vom Pabstc, dem Vernehmen nach, mit

48 Pfründen und Geld überhäuft.

Immerhin! (n seinen

Begierden wird der Sünder gepriesen, uns aber möge

Gott in seiner Wahrheit erhalten! Und wir wollen daher hassen die Kirche der Ucbclthatcr, und nicht im Rathe sitzen mit den Unreinen." Gleichwohl sich Dich vor, und habe Aug' und Sinn wohl auf jene gerichtet. Du siehst selbst, welch ein Verlust aus Deinem Fall dem Allgemeinen erwüchse. In Hinsicht Deiner bin ich überzeugt, daß Du liebcr für diese Sache sterben, als auf irgend eine andere Weise leben möchtest. Auch mir sind Hinterhalte ge­ stellt. Ich werde mich hüten, so gut ich's vermag. Merken sie mit Gewalt andringen, so will ich eine Kraft ihnen entgegenbietcn, die nicht nur g l e i ch, sott» dern, wie ich hoffe, überlegen sich bewahren soll. Wollte Gott, sie verachteten mich! Eck hat mich veranzeigt, als einen, der es mit Dir halte. Darin hat der Mann nicht unrecht. Denn immer war ich, und in Allem, was ich von der Sache verstand. Deiner Meinung, ohne daß früher Gemein­ schaft zwischen uns gewaltet. Es ist also, was derselbe behauptete, wir hatten nemlich den Handel schon frü­ her abgekartet, eine Lüge, die er zu Gunsten des Rö­ mischen Bischofs ersonnen. 0 des unverschämten nie­ derträchtigen Gesellen! Aber krachten muß man doch, ihm seinen Lohn zuzumesscn. Du selbst sey unverzagt und starkmüthig, und wanke nicht! Doch, was wend' ich überflüssige Vermahnung an? Genug, Du sollst an mir einen treuen Helfer fin­ den, es mög' ergehen, wie cs wolle. All Deine Pla­ ne darfst Du mir daher in Zukunft keck vertrauen. Wir wollen sie rächen, die gemeinsame Frei­ heit, zerbrechen das Joch des langunter, drückten Vaterlands! Gott selbst wird auf

49

unserer Seite st reiten.

Wenn Gott mit

uns, wer will wider uns seyn? Die von Köln und Löwen haben Dich mißhandelt.

Das sind jene teuflischen Winkclkonzilicn wider die Wahr­ heit. Aber wir werden endlich durchbre ­ ch e n, g e w i ß, w i r werden durchbrechen, denn Christus selbst wird unser Helfer seyn. Wohl hatten wir von Jenen wenigstens das er­ warten können, daß sie, weil es eine Sache galt, mit mehr Wahrhaftigkeit und weniger Leidenschaftlich­ keit zu ihrem Urtheil geschritten. Ich warnte sie noch zu dem Ende in der Vorrede, die Du lesen wirst. Köpf­ lein will sie Dir schicken. Heute geh' ich zu Ferdinand ab. Was ich bei ihm zu unserm Vortheil vermögen werde, will ich nach Kräften thun. N. N.") ladt Dich ein, zu ihm zu kommen, wenn Deine Sicherheit dort gefährdet seyn sollte; er wird Dich gastfreundlich, nach Deiner Würdigkeit behandeln, und gegen alle Feinde, von welchem Schlage sie immer seyn mögen, vertheidi­ gen. Dies trug er mir wohl drei- und viermal auf, Dir zu schreiben. Deine Briefe werden mich im Bra« bantischen antreffcn. Dahin schreibe mir, und nun le­ be glücklich und in Christo! Geschrieben in Eile zu Mainz, den 4ten des Brach­

monats im Jahr 1620. Grüße mir Mclanchthon und Phachen und alle dor­

tigen Gutgesinnten!

Noch einmal,

lebe wohl!

*) Franz von Sickingew

HnttenS Schriften. Th. l.

D

So

Sendschreiben an Karl V. Uebersetzt von Ludwig Schubart.

Karin dem Fünften, Kaiser derTeutschen und König von Spanien, entbietet der teutsche Ritter Ulrich von Hutten seinen Gruß. Ob ich wohl sehe, daß Du gegenwärtig, unüber­

windlicher Karl, mit großen und wichtigen Dingen be­ schäftigt bist, so glaub' ich es dennoch nicht aufschicben zu dürfen, mich an Dich zu wenden, da ich erfahren, daß mir meine Widersacher bei Dir eine Anklage berei­ ten. Als ich daher vor einigen Tagen vernommen, wie ein gewisser Orator des Pabstes heftig daran arbei­ te , Deinen Grimm auf mich zu laden , so hab' ich als­ bald dieses Schreiben dem tapfern Manne Franz von S i ck i n g e n, Deinem Rath und Kriegsminister, mei­ nem theuren Freunde, welcher eben zu Dir reiste, über­ geben wollen. Der Römische Bischof sendet Leute aus, mich zu verklagen; und Du dachtest wohl, daß es sonst auf nichts abgesehen sey. Ich aber, wie ich kürzlich

erfahren, thu Dir kund, daß die Papisten lange schon Leute bestochen haben, die mich entweder mit dem Schwerte oder mit Gift aus dem Wege raumen sollten, und dies an Deinem Hofe, wo ich damals Geschäfte be-

51 trief'. Auch kann ich Dir die sichere Nachricht nicht verhalten, daß Leo X. einigen Fürsten Befehl ertheilt

habe, daß man mich greifen und gebunden nach Rom liefern sollte. Dieß alles ward veranstal­ tet, noch ehe man mich bei Dir verklagte, und doch wollen die Verräthcr nun noch eine förmliche Klage an­ hangen. Bei Deiner Majestät beschwör' ich Dich da­ her, und Dein großes Herz ruf' ich auf, daß Du die­ sen Frevlern in ihrer unverschämten Znmuthung nicht willfahrest. Sic verlangen, Daß Du jugcbcn solltest, einen tcmschen Ritter — d. h. ein Glied jenes gro­ ßen Körpers, dessen Haupt Du bist, gebunden hinwcgznführcn. Und — welcher Ucbclthat wcgcu? Fürwahr, wegen keiner, nach dem Zeugniß derer selbst, die es begehren. Warum also? Weil ich die christliche Wahrheit behauptet, und die fabelhaften Zusätzeder Päbste verabscheut habe? Weil ich die alte — diesem Volke und DeincrHerrschaft zuständige Freiheit hervor­ gesucht und das fremde Joch verschmäht habe? Sollt' es Sünde seyn, daß ich ihren Geiz cinschränkcn woll­ te? Denn das ist ihnen vornehmlich so aufdic Seele gefallen, daß ich Deiner Majestät keineswegs dasjeni­ ge vergeben wollte, was dieser Geiz an sich gerissen hatte; weil ich cs unserer Tapferkeit für unwcrth er­ klärte, daß unser Vaterland täglich neuen Räubereien, neuen Plünderungen ausgesetzt seyn sollte; weil ich Teutschland seine Rechte zeigte, und cs an seine Würde erinnerte? Sollte dieß wirklich ein Unrecht seyn, so kann ich doch, da ich der Deinige bin nnd Dich als Für­ sten erkenne, keiner auswärtigen Strafe unterworfen werden; als hättest Du hier keine Gefängnisse, keine Schwerter, nm die Schuldigen zu bestrafen. Aber sie wissen gar wohl, daß Du dergleichen hast, und wollen D 2

52

nur, daß ihnen alles erlaubt seyGewiß, Du hast allen Grund, Dich zu hüten, daß sie Dir nicht ohne Scham Deine Rechte Zertreten: nicht als besorgt'ich,> daß Du ihnen dießmal nachgeben möchtest (denn dieß argwöhn' ich auch nicht einmal von ferne), sondern ich achte, daß Du selbst Bitten dieser Art nicht gleichgül­ tig anhörcn könnest. Vor allen solltest Du, auf wel­

chen Teutschlands ganze Hoffnung gerichtet ist, sorglich darauf bedacht seyn, daß cs nicht scheine, als entziehest Du denjenigen Deinen Schutz, die Du ehren, als las­ sest Du eben die zu Boden drücken, die Du Deiner

Pflicht nach hattest emporhcben sollen. Konnte Dich die Sache nicht hiezu vermögen, so solltest Du es schon des Beispiels wegen thun. Denn wo soll cs am Ende mit uns Teutschen hinaus, was soll aus unsrer Freiheit, aus unsrer Tapferkeit werden, wenn man bei Verfechtung Deiner eigenen Ehre, bei dem besten Wil. len für das Vaterland nicht sicher ist? Wo will cö mit unserer Religion, mit unserer Frömmigkeit hin, wenn man die Lehre Christus nicht mehr hervorsuchen darf, wenn man gezwungen wird, menschliches Stück» werk seinen unsterblichen Geboten vorzuziehcn? Möch. test Du cs mit anschen, welche Seufzer, welche Kla­ gen gegen diese Gewaltthätigkeit ausgcstoßcn werden, wie brünstig man die Scharfe Deiner Rache erwartet! Denn endlich werden Recht und Gerechtigkeit ganz von ihnen mit Füßen getreten, und allen alles entrissen. Sie haben dieses, wenn irgend sonst, an mir Vorzuglich bewiesen. Denn ist es nicht grausam, einen freien Mann ohne Verhör, ohne Vertheidigung und Untersu­ chung fesseln, quälen, ja morden zu wollen, der so sehr auf eine gerichtliche Untersuchung dringt? Ich gestehe, daß ich den jetzigen Kreislauf der Dinge durch

meine Schriften umjukchrcn und zu verbessern trachtete.

53 Sollte mit diesem Bestreben so große Gefahr verbunden seyn? Auch läugn' ich cs nicht; ich war schnell; aber zu rechter Zeit — verwegen, aber aus Noth. — Und damit Du meine Zuversicht zur guten Sache kennen ler» ncst, so hör' ich auch jetzt noch nichtauf, laut zu schreien

gegen die Feinde der Wahrheit, gegen die Unterdrücker der öffentlichen Freiheit, gegen die Verächter Deiner Würde, werde auch nie aufhörcn, Du wollest dann Dich selbst und das Vaterland nicht weiter berathen wissen. Aber das willst Du; Deine Seele verabscheut Dinge, die Dir jene nicht zumuthcn würden, wenn sie uns einen braven Kaiser gönnten. Sey und bleib Du jedoch, wie Du seyn sollt, damit sie ihr Ziel auf immer verfehlen. Was ich Dir, was ich dem Vaterlande rathe, geschieht aus Pflicht und aus Liebe. Es ist nicht meine Sache, kein besonderes Geschäft, kein, ei« genes Anliegen. Was würden jene thun, wie höhnisch würden sie triumphircn, wenn irgend etwas von dem, was ich vorhabe, mich im Besondern angicnge? Und dennoch verfolgen sie mich, und wollen mich verderben, ja'sie fordern Dein Kaiserliches Ansehen hiezu. Mich schützet aber vor allen mein gutes Gewissen, und dann vertraue ich Deiner Gerechtigkeit. Wahr, ich habe in freimüthigen Schriften die Sache der Wahrheit vcrfochken, habe Dir und dem Vaterlande Rath ertheilt. Mit den unwiderlegbarsten Gründen hab ich gegen die Gaukclkünste des Pabstcs gefochten, die Bollwerke dcrPfaf., fcn gegen Deine Herrschaft und unsere allgemeine Freiheit niedergerisscn. Ich frage: wo sind die Belohnun­ gen für das Verdienst? — damit man nicht wahne, ich fürchte mich vor der Strafe deö Verbrechens. Wie, wird mich bas unter die Hand der Schlechtdcnkcndcn bringen, was mir den Beifall der Edeln erworben ha. ben sollte? Deine Ohren kannst Du ihnen zwar leihen,

54 aber beifallen darfst Du ihnen nicht, wenn Du nicht gewärtig seyn willst, daß sie in der Folge alles zusammenwerfcn werden, wo Du ihnen solche Freiheiten ge­ stattest. Und beim Himmel, das werden sie thun, glaube mir, sic werden es thun. Demi nie blieb ihr Ehrgeiz auf irgend einer Grenze stehen , nie kannte er

Maas oder Ziel. Es liegt daher viel daran, was Du im gegenwärtigen Falle beschließest, besonders da man mich noch nicht angehört hat, und da ich Dich allein als Richter erkenne. . Soll ich selbst zu Grunde ge­ hen, weil ich das Vaterland erhalten wollte? Was thust Du den Vatermördern an, wenn ich dieß ver­ dient habe? Weil ich die Ketten Aller zu zerbrechen suchte, soll ich selber gebunden werden? Was fängst Du mit dem Straßcnräuber an, wenn Du mir diese Kränkung anthun lässest? Meinen Ruhm soll ich ver­ lieren, weil ich den Deinigen befördern wollte? falsch

nennt man mich, weil ich Wahrheit lehrte; morden will man mich, weil ich neues Leben schuf?? Wie willst Du künftig Meineidige, Ucbclthatcr, Betrüger, Kirchenräuber, Mörder, Ketzer, Götzendiener bestra­

fen, wenn Du solche Thaten also lohnst? Sich da die Statthalter Christus, die Nachfolger Petrus! Du aber, Karl, sollst cs nicht zugcbcn, daß die ewigen Feinde unsers Landes diesen Sieg über mich ge­ winnen, mit diesem Raub meiner Unschuld sich brüsten, über meine Tugend triumphircn! Schätzten sic Deine Natur nicht nach ihrer eigenen Bösartigkeit, so würden sie nicht etwas begehren, was Du ihnen, wenn Du gut bist (und das bist Du ja, Du unser Karl!), nicht bewilligen kannst, ja was sie, wären sie nicht Vcrräthcr, nie begehrt hätten, — besonders von Dir, ei­ nem so edlen Fürsten, von solchen Vorfahren und einem so großen Geschlechte abgeflossen. Und dennoch begeh-

55 ren sie eS, weil sie ihre Begierden nicht zügeln können; D» aber wirst es nie zugeben, weil Du die Gerechtig­ keit lieb hast, denn ich weiß cs und bin überzeugt, daß Deine Rechtschaffenheit diese Schmach im höchsten Gra­

de verabscheut; daß Du denjenigen nicht in Knechtschaft gerathen lassen werdest, der nur der Freiheit dient, noch den mit Ketten belegen, der das gemeinschaftliche Zoch zerbrach. Selbst wenn ich Frcmdling'wäre, so würde doch die Menschlichkeit gebiete?», daß Du für die Unschuld sorgtest, dem Bedrängten bcisprangcst, den Betrogenen befreitest, den Unterdrückten empor­ hieltest. Nun aber bin ich einer, den Du erhalten mußt, wenn Du für den, der Du wirklich bist, ange­ sehen werden willst. Unser K a i sc r bist Du, d. h. der Erhalter der allgemeinen Freiheit. Wie aber kannst Du das seyn, wenn es dem Römischen Bischof erlaubt

seyn soll, freie Manner vom Adel gebunden nach Nom führen zu lassen? Doch ein solcher Argwohn laßt sich bei Dir nicht befürchten, ja nicht einmal denken. Die Papisten haben die Majestät dieses Reiches gehöhnt: sie haben Deinen Vorfahren durch mancher­ lei Schleichwege ihre Rechte entrissen; durch Gewalt, durch Betrug, durch gcwaltthatige Vertrage, durch alle Arten von Unrecht haben sie den teutschen Thron umgrabcn; den Kaisern selber aus Geringschätzung die Füße zum Küssen dargcstreckt; keinen lange auf dem Thron gelassen, der sich dem römischen Priester nicht durch einen Eid zur Knechtschaft verpflichtet hatte. Nach Gutdünken und blos ihres Gewinstes wegen

haben sie Verordnungen gemacht, wodurch sie unsre ganze Freiheit zertraten, all unser Eigenthum in die Schlingen ihrer Gewalt verstrickten, und alles was durch die Großmuth unsrer Väter an die Kirchen gekommen war, aufs schmählichste an sich rissen.

Kei-

56 nen Bischof duldeten fie in Tcutschland, an den sie nicht das Pallium um schweres Geld verkauften: sie haben sichs hcrausgenommcn, alle unsre geistliche Hochämter zu ihrem größten Vortheil zu besetzen. Erst lieferten sie zuweilen, dann jährlich, und jetzt gar

täglich neuen Ablaßkram zum Verkauf nach Tcutsch­ land. Durch welche schändliche Betrügereien haben sie ihre Absvlutloncn, Dispensationen, Relaxationen, und ihren ganzen zahllosen Bullenplunder unter dem Volke - mittelst der großen Meinung, so sie von sich erweckten, verschachert? — Durch diese und andere zahllose Mittel haben sie lange schon eine Unzahl Gel­ des über die Alpen geschleppt; ans viele der Ersten un­ sers Volkes den Bannfluch geschleudert; einige sogar mit Gift vergeben, andere unterm Schein der Freund­ schaft schändlich an ihre Feinde verrathen. Immer suchten sie Zwist unter unsern Fürsten anzufachen und zu nähren; den schönsten Unternehmungen, den ruhm­ vollsten Thaten zum großen Nachtheil des ganzen Chri­ stenstaates Hindernisse in den Weg zu legen. Dieß alles, sag ich, und noch weit mehr haben sie ehedem schon versucht. Nur das, wie cs scheint, fehlte noch, daß sie uns Teutsche an Ketten legen, und jeden, an den sie sich , stießen, gefesselt von hinnen führen durf­

ten. Und— sich da die Oratoren Levs X-, die dieß unter Deiner Regierung versuchen! Mit welcher Stir­ ne, ich bitte, konnten sie dieß? etwa nicht mit. der nehmlichen, womit sie cs uns im verwichcnen Jahre verboten, Dich zum Kaiser zu wählen, indem sie Dich aus verschiedenen Gründen, vornehmlich aber darum nicht für tauglich darzu erachteten, weil Du bereits Neapel besäßest, und irgend eine ihrer schönen Ver­ ordnungen verbiete, daß kein König von Neapel zum Römischen Kaiser erwählt werde?

57

Da ich sie dieß alles zu unserm großen Nachtheil und zu unserer Schande bei dem Ausland durchsetzen sah, und meinen heftigen Schmerz nicht langer zurück­ halten konnte, so rief ich laut, ich schrie, schrieb, machte bekannt. Mit dem besten Gewissen, in der besten Mei­ nung sucht' ich unter meinen Teutschen das Gefühl die­ ser Schmach zu wecken. Viele Edle, und Mächtige hab' ich erschüttert. . Hierin lag mein Verbrechen, welches sie so hoch ausgenommen, daß man sic nicht anders als durch Gewalt wird zurechtweisen können,— was unter Dir billig geschehen kaun und soll. — Wohlan also, unüberwindlicher Karl, vertheidige uns, schütze Deine Würde, verherrliche Deinen Ruhm! Bahn' uns diesen Weg zur Freiheit; öffne der aufstre­ benden Wahrheit diesen Zugang! Wer wird es künf­ tigwagen, Wahrheit zu reden, oder Dir freien Rath zu ertheilen, wenn ich unter einem solchen Vorwande unterdrückt werden soll? Du hast Macht genug es zu können, Kricgsvolk, es durchzusctzen, Ursache, zu dürfen, — Noth, zu müssen.. Ucbcrdicß erwirbst Du Dir einen wahren und gründlichen Ruhm, wenn Du es durchführst; den Vorwurf des Schwachsinns, wo­ fern Du cs nicht wagst *). Das bischen Neid halte Dich nicht zurück von so viel Ruhm, eitle Furcht zu

•) Man höre diese herrliche Stelle im Original: „Muniatur haec abs te ad tuendam libertatem via; hie remergenti ve­ rhau per te patefiat aditus. Quis audebit verum dicera enim, aut libere tibi conaulere quis audebit, ai eo nomi­ ne sic opprimor ego? Habes opes, ut possia ; copias ut valeas; eaussam ui liceat; necessitatem, ul debeas. In­ super veram tibi et solidam propositam vides gloriam r ai efilcias; imbecillitatis opinionem , ai non audeas. “ etc.

Solches Latein schreibt sich freilich ewig nie auf der Drehbank!

58 beleidigen schrecke Dich nicht, wo so viel Lob zu gewin-

nen ist.. Ich habe gesagt, daß die Romanisten Dei­ nen Nutzen schmälern, Dein Geld einsaugen, Deine Gewalt benagen, Deine Kräfte verzehren: wer wird dieß laugnen? Und dennoch erregt man diesen Sturm gegen mich, wirft man diese Blitze auf mich! Es liegt am Tage, worauf die Ruchlosen mit aller Anstrengung ausgehen. Von Dir erwart' ich es jetzt, wie weit Du die Deinigen von ihnen werdest mishandeln lassen. Ich konnte, mit Unrecht angegriffen, den Ausfall mit Rechtzurückgeben, konnte als unschuldig Bedrängter nach aller Billigkeit meine Vertheidigung versuchen. Vernunft und Natur erlaubten mir, die Waffen ge­ gen die andringendcn Vcrrather zu ergreifen. Es fehlte weder an Kraft noch an Beistand. Aber ich wollte alles lieber Deinem Schutz überlassen, Deinen Arm allein diese Frevel rachen lassen: und nun beschwör ich Dich um Deines eignen Heils willen, daß Du nicht langer zauderst. Denn schon bitt ich nicht mehr dar­ um, daß Du mir, durch ihren Betrug verleitet, nicht zürnen mögest, sondern daß Du sic wegen dieser

Schandthar zu Rede stellest. Die Sache hat alle Bil­ ligkeit für sich: rüste sie mit Deinem Ansehen, mein Kaiser, schmücke sie mit Deiner Gnade: sic selbst for­ dert dieß auch ohne mein Bitten von Dir. Du sichst, wie vieles meine Gefahr nach sich ziehen muß, noch ist Dein Auge so stumpf daß Du nicht merken solltest, wie viel Dich selbst die Sache angeht. Meinst Du, daß Du künftig freie Beschlüsse werdest nehmen können,

wenn mir nicht vergönnt ist, frei zu erinnern? oder siehst Du nicht offenbar, daß mein Untergang Deine Macht schmälern, mein Tod Deine Rechte fesseln werde?

59 Erhalte mich also, mein Kaiser, da Du einstehst, daß ich ohne Deinen großen Nachtheil nicht zu Grunde gehen könne. Thu cs Deines Ruhms wegen, wenn Du es der Unschuld verweigerst. Denn von meinen Studien sag ich Dir nichts, von meinen Arbeiten er­ zähl ich Dir nichts, nichts von meinen Kenntnissen, die ich mir unter so vielen Gefahren, unter so manchen bittern Unglücksfallcn zu Wasser und zu Land ans allen erdenklichen Wegen errungen habe. Denn ob sie gleich einiges beitragen sollten, mich Deiner Gnade zu ver­ sichern, — wie unter andern auch das, daß ich die Thaten Deiner Vater in meinen Schriften verherrlichet habe; so will ich doch allein nach meinem Betragen in dieser besondern Sache, und ohne irgend eine andere Rücksicht von Dir gerichtet werden. Und sollt ich mei­

nen Entwurf wirklich durchsetzen: sollten jene nicht langer unser Vaterland plündern, mit Deiner Maje­ stät ihr Gespötte treiben, die allgemeine Freiheit mit Füßen treten, die evangelische Wahrheit durch lose Dünste unsern Augen und Ohren entziehen dürfen; so würd' ich sogar eine Belohnung von Dir fordern, so­ weit wär' ich von der Furcht einer Strafe entfernt. — So scclig ich mich preisen würde, wenn ich meine Sa­ che durchführen könnte, so unglücklich schätz ich mich, wenn ich sic umsonst übernommen habe... Doch ich glaube nichts vergeblich gethan zu haben, wenn Du nur ins Mittel trittst, Du nur in dieser Noth die Rache auf Dich nimmst. Wir sehen, wie sich die Misbräuchc täglich ins Unendliche vermehren, die un­

sern Vorfahren schon zu viel schienen. Wir sehen es, sind aber nicht kühn genug, Dich daran zu erinnern. — Welche Knechtschaft gütiger Himmel, welche Sklave­ rei ist das! Wie lange noch wollen wir uns chmals den mächtigsten Königen, den tapfersten Völkern un-

6o überwinblich,—

unter läppische Dullen, und fitibi-

sche Fabeln Leugen? Ist alle unsre Tugend dahin, alle Tapferkeit von uns Teutschen gewichen ? Ist kein Geist, kein Großsinn, kein Gefühl mehr übrig? Doch es wird besser gehen. Dich hat uns unser gutes Glück ge­ schenkt, Dich, großer Karl, hat uns die Vorsicht aus besonderer Huld und Mitleid für unser Land ge­ sandt, daß Du den Schaden einsehest und heilest. Ich wünsche so brünstig, Dich an der Spitze dieser Unternehmung zu sehen, daß ich nicht weiter für mich besorgt bin; daß ich genug gelebt zu haben glaube, wenn ich Dich mit Thaten dem Ziele entgcgenfchrcitcn sehe, wornach ich durch S ch r i ft und Rede strebte. Indessen sollst Du dennoch meine Sache anhörcn und richten! Nur unter Deinem Vorsitz soll sie ge­ schlichtet werden. Einen andern Richter als Dich darf und kann ich nicht ertragen. Denn was hat ein tcutscher Ritter mit dem Römischen Bischof zu schaffen? Doch das wirst D u entscheiden. Inzwischen werd' ich es nie dulden, daß irgendjemand, wer es auch sei, mit diesem Reiche und dem teutschen Namen sein Gcspötte treibe. Und kann ich nichts anderes, so thu ich doch, was mir niemand nehmen soll; — ich knirsche im Verborgenen übcr Uricse Schmach, und klage das

Glück an, das meiner Unternehmung so grausam zu­ wider war. Leb wohl, großer Kaiser, und leuchte

noch lange an unsrer Spitze!

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Sendschreiben an den Kardinal und Erz­

bischof Albrecht von Mainz.

Dem Kardinal und Erzbischof Albrecht entbeut Ul« rief) v. Hutten seinen Gruß. 95on Andern erfuhr ich, was Leo der Zehnte Dir für

einen Auftrag ertheilt, mit welchem Herrscherton, und mit welcher Anmaaßung er in Dich dringt, mich g cfesselt nach Rom zu schicken. Du aber, was, wie mir's scheint, Deine Pflicht gewesen wäre, gabst mir nicht einen warnenden Wink davon, vielleicht weil Du den, Leo Verbindlichkeiten schuldest. Ich wünsche auf­ richtig und von ganzem Herzen, daß Du glücklich da« bei fahren mögest. Aber ich fürchte sehr, jener wer­ de euch Bischöfen und dem ganzen Pricstcrstand eine schlimme, und wahrhaft unleidliche und bedaurungs« würdige Lage zubereitcn, vermöge der nur ihm eige«

neu und früher nie erhörten Frechheit.

Ihr solltet bei

Zeiten dagegen Vorkehren, und vorher auf eurer Hut seyn, damit nicht eine Zeit komme, wo ihr gezwungen werdet zu sprechen: „ich hatte dies nicht ge­ glaubt." Wie viel gab'ich nicht darum, daß mir nur eine einzige Unterredung noch mit Dir gegöynt würde! Gott strafe den, der mir Dein Vertrauen raub­

te, das Vertäuen eines Fürsten, welcher also sehr nach wahrhafter Tugend strebte, und stets nur am Guten hieng. Ich weiß nicht, ob je etwas Trüberes,

62 denn dieses, in meiner gegenwärtigen Bedrangniß mir

noch widerfahren konnte. Aber auch diesen Kelch will ich austrinkcn; meinen Schmerz will ich bergen. Man schließt mich von Hö­ fen und Städten, ja selbst, was mich am meisten schmerzt, von meinem goldenen Mainz aus. Nirgend darf ich öffentlich mehr austreten; die Gemeinschaft der

Menschen muß ich flieh«: ich, der keiner Frcvclthat mir bewußt, keines Lasters, ja keiner unedlen That nur überwiesen, wohl aber ein Verfechter der Wahr­ heit und ein treuer Vcrmahncr zu jedem Besten bin. Und unvcrhörter Sache trifft mich der Bann; ja man fodcrt selbst meine Auslieferung nach Rom zum Mar­ tertode. Wen darum, der noch einen Tropfen teutschen Blutes in seinen Adern zahlt, sollte diese Schmach nicht aufschüttcrn, diese Grausamkeit nicht erbittern? Jener aber, um mit einem Schlage Alles zu vollsühren, ruft noch den weltlichen Arm um Beistand an. O Wahnsinn einzig in seiner Art! o Wucherei in alle Zeiten denkwürdig, denn die, so sie verüben, sind die A l l e r h e i l i g st c n. Ich berufe mich, Albert, auf Deine eigene unbe­

fangene Ansicht: kann wohl ein christlicher Bischof, der so oftmals auf die Welt verzichtete, etwas feiner Unwürdigeres begehn, als wenn er an dem Arm des Herrn, d. h. am Sohne Gottes, am Worte und der Kraft Gottes verzweifelt, und den das Zeitliche, d. i. das Reich der Welt anruft, das nicht aus Gott, ja von dem Reiche Gottes so scharf getrennt ist, daß cs keine Gemeinschaft ertragt? Von dem durch Esaias, den Propheten, gesagt ist: „Weh' denen, die hinabge­ zogen sind nach Aegypten, die Hilfe von Ctreitxoffen hofften, und ihr Vertrauen auf Kriegswagen setzten,

63 weil dcrm viele waren, und auf Reiter, von wegen ihrer Kraft, und nicht auf den Heiligen Israel vertrau­

ten, noch den Herrn gesucht haben."— Mir aber genügt cs, auf den Arm des Herrn zu hoffen, um mit demselben Propheten rufen zu können r „Sieh der Herr Gott ist mein Helfer! wer ist's, der mich verdammen will? denn die Motte wird jene verzehren, die von

christlicher Sanftmuth, welche Paulus von Men ge­ kannt wissen will, so weit sich entfernt haben; die nicht im Geiste wandeln, sondern blos die Begierlichkeiten des Fleisches friedigen, so daß man füglich zu ihnen sprechen kann r Ihr habt auf das zerbrochene Moos­ rohr Aegypten vertrant, das in die Hand des Mannes dringet, der darauf sich stützt und sic durchbohrt. Nur weil ich diesen die Wahrheit sagte, Fürst Albrecht! bin ich ihr Feind geworden, denn wie hatt' ich ans andere Weise ihnen mißfallen mögen? Doch, mag ich ihnen immerhin mißfallen, wenn mir nur Hilfe vom Herrn wird, der den Himmel ge­ schaffen, und die Erde; seinen Weg der Wahrheit schlag ich ein. Denn er ist die Wahrheit selbst, und alle seine Gebote sind nur Wahrheit. Mögen sie mir daher die Mahrlcins des römischen Bischofs, die nicht gottsceligcr Eifer, sondern eitel Sucht nach Gewinst ersann, entgcgenhalten: ich werde sic verachten, von mir werfen, verfluchen, denn sie sind nicht dem Gesetze Gottes gleich. Wollte der Himmel, dies letztere näh­ me sich Bischof Leo zu Herzen, so würde er nicht dar­ auf sinnen, Teutschland täglich von Neuem auszu­ plündern. Uns aber, die wir der Pabstc Joch nach unserm alten guten Recht abzuschüttcln gewillt sind,

verfolgt er erst mit Bannflüchen, sodann mit Schwer­ tern selbst, und Gift: endlich befiehlt er uns in Fes­ seln nach Rom abzuführen. Thäte er das Erstere, so

■------ 64---------würde er im Wahnsinn nicht so weit gehen, t>on wel­ chem man ihn entweder heilen, oder einen allgemeinen Aufstand befürchten muß. Dies in Kürze, wie die Zeit es erlaubte. Dir wünsch' ich alles Glück und Heil, und namentlich, daß nicht auch Dich die Seuche des bösen Beispiels er­

reichen möge. Es beschütze und kräftige Dich daher Christus der Erlöser! AuS Ebcrnburg, den i3ten Herbsimonat i5ao.

65

Sendschreiben an den Ritter Sebastian

von Rotenhan.

Dcm Ritter Sebastian v. Rotenhan entbeut Ulrich v. Hutten seinen Gruß. 38as treibst denn Du inzwischen, während also

furchtbar der Donner des zehnten Leo sich über mich ergießt? Mir welchen Hoffnungen und Planen über die bevorstehenden Ereignisse trägst Du Dich her­ um? Getraust Du Dich über das, was von Zeit zu Zeit wahrend meiner Abwesenheit über mich von den geistlichen Vatern gesprochen wird, (und solches hörst Du gewiß tagtäglich) nicht auch zu mucksen, und frei Dich.auszusprechen? Wohnt in Dir kein Frankenhcrz, glüht Dir die Freiheit der Altvordern nicht mehr inne? Nein! ich glaube nicht, daß die Himmlischen so ganz unserm Teutschland grollen, und nicht eine große Zahl erwecken, Verbündniß mit mir zu machen, damit das Werk vollendet werde, ohne welches, so es nicht in diesen Tagen geschieht, unsere Freiheit und christliche Wahrheit zu Grabe getragen werden. Denn zertreten wird jene, nachdem solch ein Joch auf uns lastet; diese aber vernichtet, nachdem jene Betrüger mit den schändlichsten Possen sic beschmutzt haben. Doch, wenn auch alle mich verlassen,— so will ich mich doch mit meinem Bewußtseyn, und mit der Hoffnung auf die Nachwelt trösten. Allein ich Hntteus Schriften. Th. I. E

6« glaube Nicht, daß dieser Drand so ganz gelöscht wer­ den könne, und er nicht einst zum größten Verder­

ben Jener furchtbar auflodcrn werde. Forsche doch fleißig nach, was getrieben wird, und rede, so oft eS gelegentlich geschehen kann, mit dem Adel von wegen meiner, und was in dieser Sache sich thun lasse. Hast Du etwas, so theil' es mir in Briefen mit. Bei mei­ nen Feinden aber stelle Dich, als hatte eine ungeheure Furcht mich ergriffen, gleich einem, dessen Muth gänz­ lich gebrochen. Es wird dann zur Folge haben, daß sie meiner nicht sehr achten. Ich habe mich bei Kar l, unserm Fürsten, über die Unbild und Gewaltthat des röm. Bischofs beschwert, welch Letzterer das Begehren stellte, mich gebunden nach Rom zu schleppen. Eben so klag' ich nun laut vor den Fürsten und allem Volke in Teutschland, nicht als ob ich mich wirklich fürchtete, sondern nur, damit ich durch die Neuheit der Sache, (denn solches haben die Romani­ sten bis dahin nie erfahren) recht viele Gemüther ent­ flamme, mit mir die gemeinsame Freiheit zu rachen. Jener ruft den weltlichen Arm um Hilfe an: ich hingegen werde die Kraft des Herrn in einer geordneken Rede anflehen. Was wird wohl dies alles für einen Ausgang nehmen? Rathe Du selbst! Inzwi­ schen wollen wir etwas wagen, und keineswegs je läs­ sig diesen Handel betreiben. Wollte Gott, Karl hegte eine seiner würdige Gesinnung, und rächte dies selbst. Dies wünschen wir alle sehnlichst. Lebe wohl 1 Ebernöurg, den rZten Herbstmonat 1620.

«7

Sendschreiben an den unüberwindlich­ sten Fürsten Friederich, Herzogen und

Churfürsten zu Sachsen.

Dem unüberwindlichsten Fürsten Friederich, Herzogen

und Churfürsten zu Sachsen, entbeut der teutsche Ritter Ulrich von Hutten seinen Gruß. (y>

-Hetzt endlich, Fürst Friederich, seh'ich ein, daß

man der römischen Tyrannei mit gleicher Gewalt begegncn muß. Jetzt endlich, nachdem unsre Brüder, die Romanisten, auf unsere häufigen brüderlichen Mah­ nungen, nach so wiederholter Ueberführung durch Ver­ nunftgründe nicht nur das, was uns drücket, nicht mildern, sondern trußigcr noch ins Werk zu setzen be­ strebt sind. Hast Du's gehört, wie sie mich in Fesseln

nach Rom begehrten? Was hältst Du davon? glaubst Du, daß es ihrer würdig sey? Sie haben nun, Gott weiß, welch gewaltige und fürchterliche Bulle gegen Luther ausgcschleudert! Gewiß wirst Du sagen, cs ist dies des Löwen (Leonis) Gebrüll, in welchem die armen Schafe Christi, wenn sie's hören, nicht eines Hirten fromme Stimme erken­

nen, sondern vor ihm, als eines Wegelagerers blut­ dürstigem Ruf zufammenbeben werden. Ist wohl eine Spur christlicher Sanftmuth, ist wohl ein Fünkchen E 2

68

apostolischer Bescheidenheit darin ju finden, dergestalten schäumt und wüthet er? Da aber leuchtet seine Wildheit vorzüglich heraus, wenn er, wie in dieser Bulle häufig der Fall ist, den Schlauen spielt, und li­ stig Wohlwollen heuchelt; wenn er z. B. Luther» mit der größten Freundlichkeit nach Rom cinladt. Glaubt er denn, wir wüßten nicht, wie er uns behandeln wür­ de, falls jener sich überreden lassen und freiwillig sich stellen würde, oder ich mit Gewalt dahin abgeführt werden sollte? Luther wird daher, falls er meine Warnung ach­ tet, niemals einem sichern Tod entgegen gehn. In Hinsicht meiner aber wundert es mich denn doch, wer dem Leo in den Kopf gesetzt haben mag, es dürfte ein Leichtes seyn, mich zu fassen und mitten aus Teutsch, land, gebunden, über die in ihrem Uebcrgang so be­ schwerlichen Alpen zu schleppen., Gesetzt jedoch, eS wäre ihm möglich; ziemt solches der Würde eines Hirten, eines Bischofs, eines Statthalters Christi, alsoglcich einen Menschen und Christen ohne Anklage, ohne Verhör zur Straft zu ziehn und dem Tod zu überant­ worten ? Unsere ganze Schuld aber und unser ganzes Ver­ brechen besteht darin, daß wir die langstvcralterte und beinahe schon vernichtete evangelische Lehre zu ihrer Kraft und ehevorigem Glanze zurückzuruftn uns unterwanden, und nicht erdulden, daß unser Teutschland, dem unter allen Nationen des Erdkreises die Freiheit zuerst gebührt, dienstbar sey. Solches mißfiel jenem Oberhirten, Christo aber gefiel es. Die Freiheit that dem feilen Eigennutz der römischen Curie Eintrag, dem langst hilflosen Vaterland aber war sie zum Frommen. Auch wir, gcwillet, Christo nur zu dienen, konn­ ten nicht den Begierlichkeiten eines Einzigen schmeicheln,

f>9 und da eS die Rettung der Helmath galt, mit den Röm­ lingen gemeinsame Sache machen. Daher hat auch, wie jener selbst überzeugt ist, kein Friede mit ihnen statt, weil dieser nur mit der Wahrheit möglich ist. Deßwegen sprach ich: „nun endlich muß man mit gkr« cher Gewalt ihnen begegnen, da wir selbst ergriffen wer­ den und ihre Bosheit den Gipfel erstiegen hat- Vielleicht

auch, weil die Zeit gekommen zu seyn scheint, daß der Herr jeden Ucbermuth heinisuche, der über die Schwellt schreitet, und das Haus seines Herrn und Gottes mit Ungerechtigkeit und Betrug erfüllt, und baß sie zertre­ ten werde die Krone der Hoffahrt der Betrunkenen Ephraims." Denn allerdings, wo nicht alles mich trügt, ist dem nahe, daß sie fallt die große Babel, die Mlitter der Unzüchtigkeit und Gräuel der Erde, welche die Erde mit ihrer Erniedrigung verdarb;" jener, sag' ich, mit aller Unflathigkcit ungefüllte, allen Lastern unterthane römische Stuhl, der, wahrend er himmelweit

von den Satzungen Christi abwich, dennoch Christi Stelle hier zu versehen behauptet, und zwar ausschließ­ lich dies behauptet, und sich brüstet, der allgemeinen Kirche Haupt zu seyn, ja dieß einzig und allein zu seyn, und welcher dem Erdkreis sein eigenes Götzeirb^d hmstcllt, jene apostolische Person, die außer den Reichen dieser Erde und denWollüstendesLcibesfür nichts Uebri« ges sorgt, von wegen dessen Kriege führt und Blut ver­ spritzt; dennoch aber immerwährend den Augen der Gläubigen die Schlüssel vorhalt, und den Himmel schließen und öffnen zu können sich rühmet, mit solcher Zuversicht, daß sie selbst das Heilige und Himmlische um gemeinen Preis tagtäglich uns verkauft, oder nach Ge­

fallen seinen Genuß verbeut, und dies sclbstGutgestnnten. Fallen wird sic, gewiß sie wird fallen. Denn schon wahn' ich die göttliche Stimme zu hören, die gegen

daS vielköpfige Ungethüm uns anspornt,

sprechend;

„Vergeltet ihm, wie es euch vergolten, und verdoppelt seine Werke mit doppeltem Maaße. In den Becher, worin es euch Gift gemischt, schüttet nochmal so viel! Wie es sich groß gemacht hat »nd in Wollü-

sten dahin lebte, so theilet ihm der Qual und des Jam­ mers zu ; denn es spricht in seinem Herzen r ich gehe Dennoch als Königin einher, bin keine Wittwe, noch werd' ich Jammer erdulden, und dergleichen." Entweder verhalt sich's, wie ich sagte, oder ich tausche mich in der wahrscheinlichsten Sache. Denn kann wohl all dies weiter getrieben totti^n? Oder muß cs nicht, da es sein Maas erfüllt und die höchste Höhe erreicht hat, sich auflöscn, zusammenstürjen? Oder wer soll cs rächen, wer die rings verworrenen Verhältnisse bessern und reinigen? Muß es nichtGott? Gewiß, Gott muß es, aber, wie so oft zuvor, nur durch Menschenhände. Ihr aber, Fürsten Teutschlands, was schafft ihr hiebei? Durch welchen Rathschlag, welche Hilfe seyd ihr uns zu unterstützen gesonnen! Du vor allen, dem es gleichsam durch ein Erbrecht zukommt, über die germanische Freiheit zu wachen, welch ein Mittel räthst Du an? welchen Weg wirst Du zu unsrer Freiheit einschlagen? Wollte Gott, ihr, die ihr's vermöchtet, hättet den Muth, oder wir, die wir's wagen möchten, besagen hinlängliche Kräfte, um mit dem Lamm, dem Erlöser des menschlichen Geschlechts, gegen das viel­ köpfige Thier, den gemeinsamen Verderber der Chri­

stenwelt, anzuknüpfen, welches nun mit so vielen Män­ nern die Wahrheit bekriegt, die Heiligen betrübt, die Freien in die Knechtschaft zwingt, unsere Schätze auf­ zehrt, unsere Bcsitzthüiuer verschleudert, durch seinBeiftu'el die öffentlichen Sitten verpestet, und allmählig

7» migevetet wird von Jenen, deren Namen nkcht geschrie» den stehn im Buch des Lebens, und die zu uns sprechen: „Wer ist dem Thier gleich, oder vermag mit ihm zu streiten?" Drum auf, die ihr's vermöget, erscheint! und wenn ihr aus unserm Aufruf Muth geschöpft, so ver­ einigt wechselseitig eure Kraft mit uns. So nur wird es möglich, daß diese Krankheit sich in Gesundheit wieder verwandle. Nie werd' ich unterlassen, ein eifriger Mahner um euch zu seyn, und so lange will ich mich an euch anklammern, bis ich euch entweder von der alten Lugend angestammt erblicke, oder als unfähig jeder al­ ten Tapferkeit erkenne. Dann aber will ich nach einem

andern Hilfsmittel mich umsehen, wodurch diesem Uebel gewehrt werden mag. Sorgt dafür, daß ich dies nicht brauche. Denn ihr seyd am leichtesten im Stande, eS zu thun, und höchst schmählich ist's, wenn andere Per­ sonen als jene die gemeinsame Ruhe Herstellen sollen, welche die Organe aller Angelegenheiten sind. Uns aber, die wir als Auferwecker dazwischen ge­ treten, trifft nicht nur schon die Verfolgung, sondern sie treffen schon zur Unterdrückung Aller Anstalt. Ihr, als freie Manner, könnt dies nicht dulden, und müßt euch nothwendig das zu Gemüth führen, was einst ei­ ner der-orstewÄömcr, Kato der Aeltcre, sprach: „Die Obrigkeiten, so eine Gefährde verhindern können, und es nicht thun, soll man steinigen." Für so äußerst nothwendig hielt er diese Pflicht im Gemeinwesen. Wie unrühmlich, schmachvoll und unerträglich ist es nun nicht, daß eine Nation, die Königin der Welt, durch

irgend Jemand, geschweige durch trage Pfaffen, ge» knechtet wird. O daß wir vielmehr den Türken gehorchten, ble doch Manner, und zwar tapfre kriegserfahrne Männer

7a sind, wke kaum in einem andern Volke, so könnten wir doch unsere Schuld auf das Glück, das im Kriege al­ les vermag, walzen. Ja, eben diese Türken herrschen milder und mit mchcBilligkcit über ihre Untergebenen, streiten auch, wie ich vernehme, keineswegs um der Religion willen, sondern blos für Erweiterung ihrer Herrschaft. Diese aber, unsere Herren, was setzen sie sich in ihrem Betrug- und Raubsystem für ein Maas?

— Wer kann wohl die Religion so in den Staub tre­ ten, daß die, welche die Leitung ihrer Angelegenheiten ansprechcn, schnurstracks Christo und achter Frömmig­ keit entgcgenlcbcn? Mich, ich gestehe es, überlauft jedesmal glühende Scham für euch alle, so ost ich den römischen Pabst hier zu Land dem Fürstenrathe selbst etwas gebieten sehe. Und das thut er, so oft's ihm beliebt, und sein Nutzen es erheischt; und ihr, wie ich sehe, seyd in Gehorsam ihm Unterthan. Nur Luthern schützest Du noch, den von Allen Verlassenen, und unterhältst den Funken der ehevorigen Kraft in ihm, auf daß er einst zur'herr­ lichen Flamme herausschlagcn möge. Daß Du dies standhaft thun wollest, darum bitt' ich Dich für und für, weil es erstens nothwendig geschehen muß: sodann, weil auf Niemand in dieser Sache sicher kann gebaut werden, denn auf euch. Denn immer blieben die Sachsen frei und unbesiegt. Sie widerstanden oft allein noch, wenn ganz Tcutschland zu Boden lag; sie verjagten, auf sich beschrankt, ausländische Herr­

scher, und schüttelten jedes Joch ab. Denn zu euch rechn'ich auch die Westphalen, und jene, so einst Cherusker und Katt en hießen, sie, die die herr­ lichsten Proben von Muth im Kriege wider die Römer

gaben, und Germanien jenen Herrmann schenkten, der von allen Feldherren, die je gelebt haben, als der

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herrlichste und tapferste stch erwies (welch Zeugniß selbst von Feindes Mund ihm.ward), indem er nicht nur seine Hcimath, sondern selbst ganz Teutschland aus der Römer Handen, und zwar zu einer Zeit errettete, wo diese am meisten vermochten und in der Blüthe ih­ res Ruhmes standen, und dieselben nach vielen, unbeschreibbar zugefügtcn Niederlagen, muthig zurückschlug und hinaustricb. Dieser unser Befreier, was wird er nicht in der Schattenwelt empfinden, wenn er gewahrt, daß wir hier von weichlichen Pfaffen und weibischen Prie­ stern uns knechten lassen, wahrend er nicht einmal die Herrschaft der Römer, die doch Herren des Weltreichs, ertrug. Wird er nicht seiner Nachkommen sich schämen müssen? i Jene eure Ottone aber, wie haben nicht sie fiel) bewahrt, und so mehrere Heinriche, die auch aus turnn Blut entsprossen? Ferner in dem mehr als 3o» fahrigen Kriege mit Karl dem Großen, wie ward nicht da der Sachsen Streitkraft erkannt, wie hat nicht da ihre Tugend hervorgclcuchtct? Hiezu zahl' ich auch jene, welche den letzten Ucbcrrcst der Gothen bän­ digten. Es waren von den Eurigen. Ferner die, welche Brittanien eroberten, und nach Vertreibung der Eingeborncn Engländern und Schotten ihr Daseyn ga­ ben. Was soll ich lange der noch altern Cimbcrn und Teutonen gedenken, welche der römischen Stadt einst

zum nahen Verderben aus euren Marken hervor durch ganz Italien sich ergossen? Endlich, wie oft ist nicht spater noch dieses Volk in Walschland eingefallen, und hat außer andern Landschaften Gallien verwüstet, und oftmals selbst die Hi span en bedrohtEs er­ zählt auch S a r m a t i c n herrliche. Kriegsthaten von ihm. Welch große und strahlende Siege haben denn

nicht noch Deine Landsleute über die Hunnen, her» «ach aber über die Ungarn erfochten? Vieles übergeh' ich geflissentlich mit Schwelgen, baß die Sachsen allein niemals Ausländern gedient. Darum solltet ihr zusehen, daß, da eure Ahnen sich folgendergestalten erwähret, ihr nichts zulaßt, waS ihr Geschlecht entadelt. Zwar habt auch ihr von Prie« stern einst dies Joch euch auflegcn lassen, eingcfangen, wie alle übrigen durch Aberglauben. Doch, da sich dieses Uebel, gleichsam als gemeinschaftliches Fatum der christlichen Welt erklären laßt, so steht es an euch, diesen Schimpf durch neuen Ruhm, mit leichter Mühe auszuwaschen, wenn ihr die Schöpfer des herrlichsten und ehrenvollsten Werkes werdet, nemlich wenn durch euch die gcsammte Nation wieder ihre Freiheit erzwingt und Deutschland sich selbst zurückgegebcn wird, indem cs dermalen, unsterblicher Christus, weder sich selbst mehr kennt, noch zum Bewußtseyn gekommen ist, was und wie unwürdig cs leide. Denn da cs an und für sich schon für Jedermann schmählich ist, dienstbar zu seyn, so ist es in einem noch höher» Grade für jene schmählich, welche eigentlich das Recht über andere zu herrschen hatten. Bei diesen Umstanden laßt uns lie­ ber aufhören, die Weltherrschaft anzusprcchen und Kai­ ser hier zu Wahlen, die nur den Namen davon haben, da sie in der That weit entfernt sind es zu seyn, oder aber kraftvoll die Tyrannei der Pfaffen abschaffen. Jede Tugend, schien cs einstens schon Plato, ist nur in der Freiheit möglich: der Schlechte allein verdient Sklave zu seyn. Besser aber noch ist es, unter den Schlechten selbst zu seyn, als nicht den Bes­ sern zugezahlt zu werden. Wa s einst ein tapferer Feld­ herr Themistokles gegen die Eretricräußerte, ncmlichr daß sie zwar Schwerter aber kein Herz hätten,

75 könnte er, wäre er hier, auch unS zurufen. NurbieS, ihr Fürsten, nimmt mich Wunder, wie euch zu Muthe seyn muß, wenn ihr mich, einen schlecht- und rechten Rittersmann, mit solcher Unbandigkcit knirschen seht ob dieser Knechtschaft. Denn um wie viel mehr sollte eS euch Gram erregen? Du könntest wohl Thränen ver­

gießen, wenn Deine Altvordern, die der trefflichen Thaten so viele vollbrachten, Dir keine Gelegenheit mehr übrig gelassen hatten, gleichen Ruhm zu erwerben. Aber sie hinterließen Dir die beste und fruchtbarste, nur soll­ test Du zugreifen, sie fassen. Doch — fjeißt es — wird nicht ohne Mord und Blut, was wir beginnen, vollendet werden können: da mögen die jusehen, welche uns Ursache gegeben, sic zu verfolgen, die als die würdigsten mir erscheinen, daß unser Schwert sie bedränge, indem sie früher wohl selbst Andere mit dem Schwerte gelobtet haben. Es pflegen hinwiederum auch die Aerzte oft die schmerzlichsten Krankheiten durch noch schmerzlichere Mittel zu heilen. Das Gleiche muß auch hier geschehn, wenn die Sache anders nicht geschlichtet werden kann. Nun glaub' ich, was allererst und hauptsächlich ge­ schehen mußte, über unsere S ch m a ch genug Dir ein-

gcpragt zu haben. Ueber den Nachtheil aber und S chaden, der aus jener Tyrannei uns zukvuchs, wird es nicht vieler Worte bedürfen, um euch allen die Sa« che im wahren Licht zu zeigen. Wirschen, daß bei­ nahe kein Gold, kein Silber mehr in Teutschland vor­ handen. Wo aber noch was übrig ist, reißt es jener allerheiligste Senat der Römlinge durch täglich erfun­ dene Listen an sich. Was er aber einmal geraubt, das wird von ihm zum allerschlimmsten Gebrauch verwendet.

76

Wollt ihr wissen, Teutsche!

(ich sah eS häufig

selbst) was Jener zu Rom mit unserm Gelde macht?

Nichts macht er damit. Einen Theil vcnschwendet Leo an seine Ncpoten und Anverwandten» deren hat er so viele, daß sie Veranlassung zu einem Sprichwort gegeben. Einen Theil also nehmen die Anverwandten und Schwäger des Leo zu Rom, einen andern Theil die Menge von Hoch würdigsten weg, deren der hei­ lige Vater einst an einem und demselben Tage ein und dreißig schuf; ich meine jene vielen Rcfcrcndairs, Au­ ditoren, Protonotarien, Abkürzer, apostolische Scribentcn, Kämmerer, Schlcppträger und derlei Ober­ bediente des Oberhaupts der Kirche, Denn diese schlep­ pen wieder mit den größten Unkosten Abschreiber, Pedelle, Läufer, Skopatoren, Maulthiertreiber, Stall­ meister und einen unzähligen Schwarm von Günstlingen beiderlei Geschlechts, und ein Heer von Beischläferin­ nen mit sich herum. Auch füttern sie Hunde, Pferde, Affen und Meerkatzen und manches von dieser Gattung mehr, zur Gcmäthsergötzung. Einige führen Häufer aus solidem Marmor auf, tragen Edelsteine, halten prächtige Tafeln, kleiden sich prunkvoll, und schwel­ gen, ihrem Genius huldigend, in Fülle und in Freuden-

Kurz auf Kosten unsers Beutels lebt zu Rom eine Men­ ge des schofelsten Gesindels in Müßiggang. Dort kümmert man sich wenig um die Religion, sondern sie verachten diese so sehr, als man kaum von den Türfeit es erwarten dürfte. Siebcluchsen, betrügen, stehlen, lügen und verfälschen Siegel, sprechen und

thun alles in Hoffnung einigen Gewinstes. Und so vcrschicdkn auch ihre Manieren sind, so schwebt doch allen ein Zweck vor: Jagd au^unsere Reichthümer zu ma­ chen.

Viele leben blos darum,

um zu essen, zn trin-

77 km und auf das üppigste zu schlemmen. Dies aber bringen sie nur auf unsre Kosten zu Stand. Au dem Ende, o Friederich! schicken wir jährlich eine unermeßne Geldsumme nach Rom. und haben noch nicht eingcschen, daß alles, waswir mit so vieler Bedrückung nach Rom verschenken, zu Grunde geht: ja daß nichtnur allein die Sache zu Grunde geht, sondern noch den Stoff zu großen, unzähligen Uebeln herbciführt. Wenn wir also die Philosophen spielen wollen, und cs uns Ernst ist, das Geld hinweg zu werfen , sieh', es bie« ten sich der Meere und Flüsse so viele in der Nahe dar. Schleudern wir es hinein, auf daß es eher zu Grunde gehe, als allenthalben Vielen zum Verderben werde, indem wir nur damit die Ehrlosigkeit Roms, und zwar so ohne alle Noth nähren, daß, indem wir die allge­ meine Sittcnpest an unserm Busen erwärmen, den Krebs großzichn, der selbst unser Leben bedroht. Doch nein! werfen wir's nicht hinweg! gestatten wir nur nicht, daß es wo anders hin verschleppt werde. Dies ist der erste und beste Weg, und das füglichste Mittel, ihre Tyrannei zu zerstören. Denn gewiß, wenn wir diese Quelle ihrer Ueppigkeit verstopft haben, wer­ den sie sich minder aufblahn und allmahlig zu mehr Nachgiebigkeit sich verstehn. Laß lins denn hierauf unter Anführung irgend ei­

nes Otto jenen Senat mustern, die Stadt Rom rei-, nigcn, und nach Verbannung der vorzüglichsten Ucbclthater, einigen Wenigen die Sorge für ihre heiligen Angelegenheiten übertragen. Dem Kaiser selbst, wenn er dazu Lust bezeigen sollte, würden wir sodann den Sitz jurückgebcn, den römischen Pabst jur Wiederher­ stellung der Gleichheit unter den Bischöfen in die Schran­ ken zurückdrangen, so auch hier die Kaste der Priester vermindern, sie zur Frugalität jurückführcn, und

---- 7s khre Zahl mittelst Auswahl

drS Hundertsten herab«

fetzen. Was aber sollen wkr ln Hinsicht derer, so stchBrü« der nennen, beschließen? Was anders, als wie ich's für Noth erachte, das ganze Mönchswesen abschaffen? Keiner sollte darüber in Zweifel stehn, wie nützlich dies, wenn es geschahe, und wie heilbringendes für dasgan» ze christliche Gemeinwesen seyn würde. Denn der ein« heimische Hader würde aufhören, wenn die vielen Sek­ ten zu Paaren getrieben, die vielenMißhelligkcitenaus­ geglichen seyn werden, und die Verschiedenheit des Lan­ des aufhört. Es wird kein Grund mehr zu einer schlimmen, vcrderblichcn Eifersucht, kein Stoff zur Mißgunst mehr erübrigen! Wir alle werden eins seyn in Christo. Die öffentliche Eintracht wird festen Fuß fassen, wir alle werden uns im Geiste unter einander anfchließen, so das wir kaum noch äußerlich hie und da unterschieden seyn werden. Kein Weichling und Zärtling, kein Knau­ ser wird dann, wie jetzt, um Pfründen buhlen. Bie­ dere gelehrte Manner, so zwar vorzüglich durch ihres Lebens Beispiel Andere besser machen, aber auch durch Gelehrsamkeit Viele unterrichten sollen, diese werden berufen werden. Endlich, was hauptsächlich zu wün­ schen, werden so manche Heuchler aufhören, dem ein­

fältigen Pöbel blauen Dunst vorzumachen, der Armen Schweiß und Blut herauszubetteln, Jedermann auszufackeln, sich zu masten, unter falschem Schein von Neligiosttat zu stehlen und zu betrügen. Denn siehst Du nicht, wie viele große Tagdiebc, wie viele verschmitzte Heuchler unter der Mönchskutte bisweilen die größten Schandthaten begehn, und wieso manche hinterlistige

Habichte Laubeneinfalt Vorschüßen, so manche reißen­ de Wölfe Lämmerunfchuld lügen? Wenn nun einmal

79 diese alle, dleTeutschland verheeren, und immer mehr und

mehr alleS aufzehren, verjagt seyn werden, und der Zügellosigkeit im Plündern, mit der die Romanisten über

uns hcrfallcn, Einhalt gethan ist, dann werden wir Goldes und Silbers wieder zur Genüge hier haben. Dieses Geld aber soll alsdann, in welcher Anzahl und Güte es immer vorhanden sey, zu einem bessern Ge« brauch verwendet werden, ncnilich dazu, daß große Kricgshccre auf die Beine gestellt und die Gränzen deck Reichs erweitert, auch die Türken, wenn wir es für gut finden, bekriegt werden; daß viele, die aus Armuth der­ malen stehlen und rauben, durch Besoldungen als­ dann ihren Lebensunterhalt gewinnen; daß diejenigen, die sonst darben müßten, von Staatswegen Beitrage zur Verminderung ihrer Noth empfangen; daß jeder wahre Gelehrte unterstützt und das Studium der Wis. senschaften gefördert, überhaupt, daß jeder Tugend ihr Lohn, der Noth im Innern gesteuert, die Schlaffheit verbannt, der Betrug ertödtct werde. Auch die Böh­

men, wenn sie dies gewahren, werden gemeinschaft­ liche Sache mit uns machen, denn nur Hindernisse hielten sie ab, gegen den Geiz ihrer Priester sich früher Rath zu verschaffen. Das Nemliche werden die Grie­ chen thun, die, als sie die römische Tyrannei nicht

ertragen konnten, auf Anstiftung der römischen Pabste seit längerer Zeit für Schismatiker sind angesehen wor­ den. So werden auch die Russen unser seyn, die, als sie neulich mit diesem Gedanken umgiengen, von Sr. Heiligkeit zurückgezwangt und mit einem jährlich an

sie zu entrichtenden Tribut von 4 00,000 Dukaten be­ legt worden sind. Selbst die Türken werden uns hinführo minder hassen, und kein Heide wird mehr, wie früher, Anlaß zur Lästerung haben. Denn bis an den heutigen Tag hat das schändliche Leben der Vorsteher

8o her unserer Kirche allein den christlichen Namen verhaßt gemacht bei den Fremden. Jene werden zwar sagen, dies heiße bas schwan­ kende Schifflein Petri gefährden, die Kirche Gottes zer­ stören, und (wie jene Gottvcrgeßnen Römlinge rufen werden und der Epikuräer unsaubere Schule stch heiser schreien wird) das unzertrennbare Gewand des Herrn zertheilen. Wird dies aber auch dann noch der Fall seyn, wenn nach dem Beitritt so vieler Völker die Sitten im Allge­

meinen veredelt, bic Verpesteten ausgcstoßcn seyn, und überall Reinheit, Erhebung und Vermehrung wird wahr­ genommen werden? Du sichst also, wie ich im geringsten nicht die Liebe ausgctilgt, sondern nach Vertreibung der unchristlichen Betrüger den achten Christen allen, wenn sic in Lebens­ reinheit sich erhoben haben werden, Spielraum für Be­ sorgung der Kirche eröffnet sehen möchte. Es wird also dies unsere Aufgabe seyn, die Liebe wieder hcrzustcllen, die Kirche zu vergrößern, und wahrend die christliche Republik im Allgemeinen ins Auge gefaßt wird, auch dem Vaterland großen Gewinn zu erwirken. Denn harmlos lebt stchs daun unter Sinnverwandten, und alle, so durch Gleichheit des Lebens vereinigt sind, werden von freien Stücken Wcchfelfreundschaft zu einander halten. Wenn Schlappheit und Nebel verschwunden, werden honig­ bringende Bienen herbeifliegcn, und in Sicherheit nun­ mehr ihre Körbe aufstcllen. Dann wird auch die sich selbst zurückgcgebene Frömmigkeit bestehen und Dauer versprechen. Denn die Reize zum Bösen, die Re i chthümer, werden nicht mehr seyn, noch der Begüter­ ten üppige Verweichlichung zur Ausschweifung im Leben locken.

81

O daß i h r, die ihr könntet, dies wolltet, oder ich, der ich's wollte, es könnte! Doch wenn ich euch auch nicht dazu bewegen kann, noch die Brandfackel, in der dies alles auflodere, zünden, so werd' ich dennoch, wie vereinzelt ich auch immer stehen sollte, niemals zu­ geben, was eines Ritters unwürdig. Und nimmer werd' ich, so lang ein gesundes Herz in mir schlagt, auch nur ein Haar breit weichen von meinen Vorsätzen. Eur e r aber, sollt' ich euch je von mannhafter Starkmuth ausgcartet erblicken, will ich mich, wenn es so seyn muß, erbarmen und frei bleiben, weil ich den Tod nicht fürchte. Nie soll man auch von Hutten hören, daß er dem Machtspruch eines Königs, wie groß er auch immer seyn möge, geschweige denn eines feigen Priesters, sich gcfügct. Auch sey cs fern von mir, daß ich mit euch das vielgehauptete Thier anbete, weil so» wohl mein Wesen dies nicht vertrüge, als auch ich selbst nach dem allen mich meiner unwürdig achten müß­ te, endlich, weil, was ich vorzüglich fürchte, jene Schalen des göttlichen Zorns sich über mich ausgießen

würden. Nun aber verlaß' ich die Städte, weil ich die Frei­ heit nicht verlassen kann, und bleibe mit Freudigkeit verborgen, weil ich mich unter Menschen nicht mehr frei aufhaltcn kann, und verachte die Gefahr, so mir dräuet, höchlich. Denn sterben kann ich, kliechten lassen kann ich mich nicht; auch kann ich's nimmermehr dulden, daß Teutsch­ land geknechtet werde. Einst aber gedenke ich aus meinem Schlupfwinkel hcrvorzubrechen, und da vielleicht, wo ich die größte Menschenmenge antreffen werde, laut auszurufen: „Wer hat den Muth, mit Hutten zu sterben für die Volksfrciheit? „Huttens Schriften. Th. I.

F

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Dies hab'ich vielleicht kn meiner Gemüthsbewegung mit mehr Freimuth zu Dir gesprochen, als Deine Wür­ de es vertragt. Aber ich vcrhoffe das Beste zu Dir. Deshalb glaubt' ich an einen Freien auch frei schreiben zu dürfen. Lebe wohl und ermanne Dich. Aus Ebcrnburg, den uten September 1520.

Ls

Klagschrift Herrn Ulrichs von Hutten, Ritters, gekrönten PoetM/ und Orators an alle Fürsten/ Edeln und Bürger teut­ scher Nation/ jedes Standes und Ranges.

§iebe zur Wahrheit sowohl, als Begeisterung für mein

Vaterland bewogen mich jüngst, in Schriften das von mir zu geben, was langer bei mir zu bewahren ich für höchst gottlos und keineswegs mit meiner Pflicht ver­ traglich gehalten; nemlich: über die unmäßige Gewalt des Pabstes zu Nom; über den verkehrten Stand der römischen Stadt; den Geiz und die Ueppigkeit der Prie­ ster; über die Ketzerei der Simonie; der Kurtisanen Lasterhaftigkeit, im Allgemeinen: über diejenigen, so „Geistliche" wollen genannt werden, aber keineswegs im Geiste leben, sondern blos den Geschäften des Flei­ sches aufs hitzigste nachjagen, und allen Wollüsten bis zum Verderben ergeben sind; endlich über die im­ mer mehr wachsende Zahl pabstlicher Verordnungen, und die täglich steigende, mehr als tyrannische Gewalt­ thätigkeit der Bullen; überdies, und noch viel meh­ reres dieser Art, wodurch vielfach und endlos christli­ cher Wahrheit Abbruch geschieht, und diese Nation aufs allerhcftigste unterdrückt wird. Es ist dies alles 8 -

84 fb offenkundkg, -aß es gewiß nicht gelckugnet werben kann,

auch also wider Fug und Recht, daß keine Entschuld!gung dafür möglich, und jede Vertheidigung ausgeschlossen werden muß. Als i ch nun dies alles in Schriften darthat, konnt' ich mir nicht nur nicht im Geringsten träumen, ein Ver­ brechen begangen zu haben, wofür ich Ahndung zu fürchten, sondern ich nährte vielmehr die Hoffnung, für mein Verdienst einiger Belohnung wohl werth zu seyn, indem ich nur zu solchem vermahnte, was mir im Geist der Satzungen Christi gelegen, und daher mei­ ner würdig, mit der Religion übereinstimmend, fürs gemeine Beste aber nothwendig schien. Auch war es meine redliche Absicht, jene dahin zu vermögen, end­

lich einmal in sich zu gehn, damit nicht dem Christen­ volke mehr als gerechte Ursachen gegeben würden, eine Verfolgung wider sie eknzulciten. Als ich nun, sag' ich, dies alles zu bewirken trach­ tete, und mit dieser Ueberzeugung, Hoffnung, und aufrichtiger Seele zu bewirken trachtete, bemerkt' ich

bald eine solche Gahrung unter jenen Menschen, die gemeiniglich emtritt, so oft ein neuer Zustand der Din­ ge sich zu bilden anhebt, oder dem Allgemeinen ein Um­ sturz bevorsteht; eine Gahrung nemlich, die sich in Erbit­ terung, schrecklichen Drohungen, den heftigsten Schrekkensscenen, und augenscheinlichster Gefahr offenbarte. Manche von meinen Freunden meldeten mir, der Bann­ blitz werde bereits gegen mich geschleudert; andere: Kerker und Tod warteten mein. Viele wiederum: dies alles hatt' ich nicht zu fürchten, wohl aber werde mir im Geheim nach dem Leben gestellt, und zwar würd'

ich dasselbe entweder durch einen plötzlichen Meuchel­ dolch, oder durch Gift im Tranke verlieren. Alle aber kamen darin überein, daß meine Vernichtung aus der

85 Reihe der Lebendigen fest beschlossen sey.

Ja Mehrere

behaupteten sogar, Sachen zu wissen, die sie sich nicht zu verrathen getrauten. So erhielt ich selbst von Rom aus umständliche Berichte, auf welcher Leute Betrei­

ben all jene grausamen Maasregeln in Bewegung ge­ setzt würden. Und als ich kurz darauf eine Reise in's Brabantischc unternommen, und einige'Tage am Hofe unsers unüberwindlichsten Königs und Herrn, Karl,

mich aufhiclt, warnten mich meine Verwandten als» bald, wenn mir mein Leben lieb wäre, schleunigst von hinnen zu zichn; denn hier sey mir die Hauptfthlinge gelegt, hier würden vorzüglich Fallen mir gegraben; nur ein Wunder könnte mich retten, wenn ich nicht unverzüglich flöhe. Im ersten Augenblick verachtete ich, auf meine Un­ schuld gestützt, all diese Gerüchte. Als aber im 93er* lauf der Feit nicht der einte und der andre blos mir solches juzustccken anhub, sondern viele zugleich, schien mir langer kein Grund mehr vorhanden, jene Warnung in den Wind zu schlagen, und ich erkannte die Noth­ wendigkeit, ohne Säumen mich aus dem Staube zu machen. Ich sage nicht, wer mir nachgcstcllk, Teutsche! noch mit völliger Gewißheit, daß wirklich mir nachge­ stellt worden: nur das sag' ich, daß mir von guten Freunden zugcsteckt worden: das Verderben toure schon über meinem Haupt, und mein Tod sep nicht weit mehr entfernt. Als ich nun heftig in sie drang, mir zu entdecken, woher mir denn Gefahr drohe, oder von welcher Sei­ te mir Hinterhalte gelegt würden, bezeichneten sie bic. Geschäftsträger des römischen Pabstcö in Teutschland als die, welche mit jenem Vorsatz umgiengen; und eben so hätt' ich mich vor den Curtisanen hier so«

86 wohl als allenthalben zu hüten. Die darauf gefolgten Begebenheiten haben bewiesen, daß alle die nicht falsch gewesen, so mir jene Warnung ertheilt. Denn als ich den Rhein hinauf wieder nach Hause kehrte, begegneten mir viele Leute, die gerade zufäl­

ligerweise aus Rom gekommen, und alle äußerten sich laut: zu Rom herrsche nur Eine Stimme darüber, daß der Pabst unversöhnlichen Grimm gegen mich hege; daß er bereits meine Verfolgung beschlossen, auf eine Weise, die alle Begriffe von Rachsucht übersteige. Ferner, als ich in Mainz wieder angclangt, strömten

mir meine Freunde in Menge, und alle mit Glückwün­ schen entgegen, daß ich ihnen zurückgegeben worden, wobei viele ihr Erstaunen bezeigten, mich noch bei Le­ ben zu sehen. Denn sie sagten, und so hatte sich auch überall das Gerücht verbreitet, mir seyen solche Hin­ terhalte gelegt, daß es sehr schwer seyn dürfte, ihnen zu entwischen. Deshalb hatten sie bereits mich aufgcgcben, und als verloren betrachtet. Es ist überflüssig, all das noch weiter aus einan­ der zu setzen, was ich nebenbei noch erfahren. Nur das muß ich berühren, daß, als ich nach Frankfurt kam, meine Freunde mir Briefe und Boten zufandtcn, und einige mündlich mich benachrichtigten, wie der Bischof zu Rom bereits bei mchrern teutschen Fürsten es durch Schreiben dahin zu bringen suche, ja Meh­ rern aus Machtvollkommenheit befehle, mich in Ket­ ten nach Rom zu liefern. Vorzüglich setzte er bei ei­ nem der mächtigern *) an, von dem er die Meinung

hege, als sey dieser es am meisten im Stande, und zwar so heftig, daß er im Weigerungsfall mit der

k) Albrecht von Mainz.

8? schwersten Ahndung und damit gedroht, ferner jede Freundschaft mit ihm aufzuheben, und nach aller Strenge zu verfahren. Dies verursachte mchrcrn mei* ncr ehemaligen Freunde daselbst nicht geringen Schrek« ken, und schlug sie gänzlich darnieder. Es zogen sich dahcr kurz darauf alle die Schwächer» und Muthloscn zurück von mir. Denn kaum war es bekannt gewor­ den, daß der Inhalt jener Warnung sich bestätigt, so kam schon wieder ein neues Gerücht, und ein neuer Schreck zum alten, daß nemlich ein Orator des Pab« stcs mit König Karl über das Ncmliche unterhandle, und demselben den Auftrag ertheilt habe, mir, wo er immer auf mich stoßen würde, auf den Leib zu gehn. Er begehre deshalb auch von Karln eine Vollmacht, in welchem Orte Tcutschlands es auch seyn möge, dies in Vollzug setzen zu dürfen, und rufe, was nur in den verzweifeltsten Fallen zu geschehen pflege, den wcltli» chen Arm an. Als mir nun diese Schrcckbilder alle vorgehalten worden, und ich deutlich sah, wie dasjenige beginne wirklich zu werden, von dem ich vor diesen Nachrich­ ten nicht geglaubt, daß nur der Gedanke möglich: da

ich ferner nur solche Schritte gethan zu haben vermei­ ne, welche nebst der Sorge für das öffentliche Beste und die Wohlfarth des Vaterlands die größte Recht­ lichkeit, die unverfälschteste Treue, und die reinste Religiosität in sich enthalten, ferner solche Handlun­ gen, die nicht nur Niemand in ein schiefes Licht setzen kann, sondern jeder selbst zu billigen gezwungen ist — so kann ich gleichwohl wegen der Größe der mir heim­ lich und gewaltthätig bevorstehenden Gefahr (vor der öffentlichen Meinung fürcht' ich mich nicht, und eben so vor dem Rechte nicht) an den Fürstenhöfcn langer nicht mehr verweilen, noch, wie zuvor, mit meinen

88 Freunden vertrauten Umgang pflegen. In Summa, da überall Kurtisanen lauern, und diese Gift und Dolche bei sich tragen, und die öffentliche Meinung ihnen jedes Bubenstück zutraut, das ihnen die Gunst des Pabstcs erwerben mag; weil ich in Folge dessen mich öffentlich geachtet erblicke, und nicht nur ohne die min­ deste Schuld, sondern selbst aus keinem Irrthum, wohl aber von wegen der Gewalt und Gewaltthätigkeit Jener, .die ihres also bestellten Lebens wegen kein Wort der Wahrheit gegen sich dulden; — da ich dies alles, sag'ich, klar vor mir sehe, und auf keine an­ dere Art cs wenden mag, so will ich der Uebermacht der Schlechten weichen, den Höfen weichen, den Kon­ zilien, und der Menge. Aber alfo werd'ich weichen, daß man mich überall dennoch finden soll, wo cs gilt, die Wahrheit, der alles andre aufgcopfert werden muß, zu verfechten, und meines Vaterlands Freiheit zu erkämpfen. Diesem großen Ziele hab' ich zuvor schon aus allen meinen Kräften mich ergeben; da ich aber bis zu dieser Stunde, wie innig ich auch darum gebeten, nicht be­ wirkte , daß die vorwaltcndcn Mißverhältnisse auf sanften Wegen gehoben würden, so werd' ich nun durch dringende Noth gezwungen, nicht mehr Manner blos zu suchen, die Vcrbündniß mit mir zu Verfechtung der

Wahrheit und Rettung der Freiheit eingchen, sondern solche anzurufen, welche Sicherheit und Leben mir er­

halten. So muß also ich, der noch kurz zuvor rüstig rings

nach Leuten umgeblickct, welche der christlichen Wahr­ heit mitten unter ihren zahlreichen Unterdrückern Hil­ fe zu reichen, und den einst zu unserer größten Schmach nm die Religion verbreiteten Nebel zu zer­ streuen, ferner jenes Joch abzuschüttcln im Stande

«s — wären , das uns statt der süßen durch Christus unS auferlegten Bürde von unchristlichen Tyrannen auf die härteste Weife aufgcladen ward, ferner nach Leu» ten, welche das schändliche Sklavenjoch der römischen Pabste zertrümmerten, worunter Teuschland so viele Jahrhunderte schon seufzt, und jene alte Freiheit her­ stellten, die Christus einst so wohlwollend den Scini« gen verlieh, die Jene aber auf das rechtswidrigste uns entrissen, auf das grausamste zerfleischten, ja beinahe bis auf die letzte Spur zernichteten; — ich also, sag' ich — der noch kurz zuvor dies und anderes der Art als die einzige Sorge in seinem Herzen trug, sehe mich nun, um meines Lebens mich zu erwehren, und in die­ sem allen ferner wcrkthatig seyn zu können, durch so viele Nachstellungen umgarnt, durch so viele Verfol­ gungen aufgeschrcckt, in die Nothwendigkeit versetzt, eurer Aller Rath, Hilflcistung, und Beistand anzu­ flehen. Doch wohin soll ich fliehn? Von wo soll ich Hilfe begehren? Euch ruf' ich, euch beschwör' ich, ihr Fürsten, und teutschen Manner! Könnt ihr's dul­

den, daß man Wohlverdiente ins Elend stoße. Unschul­ dige dem Tod überliefere? O thut cs nicht! laßt die­ ses Brandmal nicht auf euch kommen, damit ihr nicht den Ruf euch zuzicht, dasselbe Tcutschland, das einst so großmild gegen alles Ausländische gewesen, habe grausam sich gegen einen eigenen Landsmann erzeigt. Auch zu dem laßt's nicht kommen, daß ich, falls ihr mich aufgeben solltet, durch die Noth mich bewogen sehe, fremden Beistand anznrufcn, Hilfe von Auslän­ dern anzuflchn. Nach keinem Gesetz werd' ich ange­ fochten: es ist Gewaltthat und Partheiwuth meiner Gegner, so mich unterdrücket. Nicht Recht, noch

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Billigkeit fodcrn mich vor; die leidenschaftlichste Ra­

serei der Feinde will meinen Untergang. Wo ist jene Starkmuth der Teutschen? wo unser von allen Nationen anerkannter, von allen Völkern der Erde gepriesener Heldensinn? Beschirmt mich den Einzel­ nen, der für euch alle gearbeitet hat. Ge­ wiß, ich hatt'es durchgesetzt, denn alle meine Bemü­ hungen und Anstrengungen giengen nach dem einen Ziel. Aber nicht des Menschen Wunsch vermag es, den Ausgang der Dinge zu lenken, nur Gottes Wille vermag cs. Wie nahm' ich freudig die Gefahr über mich, wenn ich nur glücklich das erlangt, was ich zu eucrm Frommen aus Herzens Grund unternahm. Denn nun stünd ich bereits in der Huld des römischen Pabstcs, wenn ich nicht zum Besten des Vaterlands, und zum allgemeinen Nutz all das hatte cinsctzcn wol­ len, was ich durch so viele Arbeiten, durch so mühsal­ volle und beschwerliche Wanderungen, durch so viele der herbsten Zufalle, und bei so großer Widerwärtig­ keit des Glückes erworben, und errungen; ncmlich Beschwernisse bis jur Erschöpfung, Reisen bei Lag und Nacht, Leiden, die alle Bitterkeit übersteigen, die

Verachtung meiner Armuth, so ich erdulden mußte, und eine vieljahrigc Verbannung, die schon in der Blüthe meines Alters mich traf. Zu dem allen trieb mich Eifer für die Wahrheit, begeisterte mich Liebe für mein Vaterland. Um so weniger dürft' ihr für meine Pflichterfüllung, den Lohn mir entzieh'«. Es ist an euch für diese Anstrengungen wenigstens des Gewinns mich zu sichern, daß ihr die Wohlthat anerkennt. Noch ist keiner als Ankläger, keiner als -Zeuge ausgetreten; ich werde nicht vor Gericht gerufen, ich werde keines Verbrechens bczüchtigt: blos zur Strafe

91 werb” ich hingeschleppt, zur Hinrichtung begehrt man

mich ausgeli'cfcrt. Werdet ihr's leiden, daß ein Mann ohne Verhör und Urtheil gewürgt werde? wer­

det ihr's ruhig mit ansehen, daß man, da Teutschland doch Schwerter und Stricke genug hat, um Verbrecher zu bestrafen, zu Rom jemand hi'nrichte? Ergeht eine Anklage wider mich, so möge der eine mich richten, je­ ner unser gemeinschaftlicher Herrscher Karl. Werd' ich dann überwiesen, so will ich hier den Tod erleiden. Ich fliehe vor keinem Gericht; in eurer Mitte wandle ich vertrauensvoll. Nur Gewaltthat gebt nicht zu, wenn auch aus dem Grunde nur, daß sie nicht einst, sollt' ich als ein schuldlos Opfer ihrer Ucbcrmacht fallen, noch dem Todten ein Verbrechen anlügcn. Ich murre nicht, sie mögen mich behandeln, wie sie wollen, aber, nur mein Geschlecht darf nicht durch solchen Schimpf entehrt werden. Darum bitten euch, statt meiner, meine altergrcisen Eltern, dies erflehen die durch das Ungewöhnliche des Verfahrens bestürzten jugendlichen Brüder, dies meine ganze Verwandtschaft, der Freun­ de zahlreiche Menge, so viele der gelehrtesten Manner, so viele der ausgezeichnetsten Edlen, dringcndst und inständigst. Wenn ich, ihr Teutschen, auf euere Ehre bedacht war, so laßt nicht über meinen Leumund Arges kom­ men. Wenn ich getrachtet, cucrn Preis zu verkün­ den, so sey euch mein Unglück eine heilige Sorge nun.

Hab' ich cucrn Ruhm gemehrt, so vertheidigt jetzt meine Unschuld! Wie? ich Unglücklicher, soll von hinnen weg­ geführt werden? von dieser Erde, die meine Wiege war? von diesem Himmel, der mich nährte? von diesen Men­ schen, mit denen ich süßen Umgang pflog? Diesen Herd, diese Altare soll ich verlassen, und nicht blos in die

Verbannung gehen,

um cm armselig Leben fortzu-

93 schleppen, sondern ich soll dem grausamsten'Tod über« antwortet werden, um mit tiefster Schmach auszu-

hauchen? Herbei, ihr Landsleute! helft mir ! zerreißt die Ketten, die mich binden sollen, mich, der ich ste von euch zu nehmen bemüht war. Und ist auch gleich ihre Willkühr durch ein langes Alter zu furchtbarer Starke erwachsen,— duldct's nicht, daß sie gerade auf mein Verderben ausgehn. Ich fodcre jetzt den Lohn gelei­ steter Pflicht, ich fodere die Bezahlung der Schuld für meine Wohlthat von euch. Treibt fremde Gewalt von einem Landsmann ab, von ihm, der solches wohl um euch verdient hat. Und wird er schuldig befunden, so laßt ihn durch Leute ans eurer Mitte richten. Nicht anklagen will man ihn; man möchte ihn tödten. Und

wie ich mir auch nur der strengsten Redlichkeit bewußt bin, und niemals einer Schandthat bczüchtigt ward, wird mir dennoch mit Gift und Dolch nachgcstellt, und Rom begehrt meine Auslieferung, damit jene, die in ihrem Herzen auf dies eine nur gespannt sind, auch ihre Augen an dieser Wollust weiden mögen. Wer von euch ist wohl also hart und steinern, daß ihm diese meine Bedrangniß nicht Thränen entlocke? Du, o Christus! der du alles durchschaust, wende dein rächend Auge auf meinen Jammer hin! Ihr aber,

o Teutsche! beschirmt den Schuldlosen, und streitet, alle für einen, aber in einer gemeinsamen Sache, die alle gleich angeht! Ahnet ihr nicht, wer alles noch künftig, und in welche Folgen er durch meinen Fall verwickelt werden dürfte? So seht euch vor, daß die­ ser Krebs nicht weiter um sich fresse. Mein Unglück ist der Anfang eurer Gefahr, mein Untergang der Bcginn eurer Knechtschaft. Ocffnet die Augen, Teutsche, und erkennt, an welchem Abgrund ihr steht, Und wo-

93 hin ihr gebracht worden. Nicht von darum, baß ich schlecht gelebt, werd' ich angeschuldi'gt, sondern von dessentwegen, daß ich gute Gesinnungen hegte. Dies ist der Grund meines Falls. Nicht weil ich einen ge­ krankt, werd' ich vorgefodert, sondern weil ich viele Gekrankte rächen wollte, begehrt man mich zum Tode. Niemand wirft dem Hutten als Verbrechen vor, daß er an einem Einzigen Gewalt verübt, wohl aber, daß

er es wagte, mit besten Treuen die der Wahrheit an­ gethane Gewalt abzuwehren. Es ist also nicht mein Verbrechen, daß ich viel­ leicht hier einen neuen Brand erregt, sondern mein Verdienst, indem ich nrmlich jenen alten Brand römi­ scher Habsucht, gerade in dem Augenblicke, wo er zum Verderben des Staates am weitesten umzugreifen droht, anhub zu dampfen- Mir wird keine Ucbelthat vorgeworfen, nur eine allzugroßc Redlichkeit rechnet man mir als Schuld an. Kein einziger Biedermann grollt mir: mich hassen nur die Schlechten. Sie has­ sen zugleich an euch Treu und Glauben, hassen eure SelbstständigkeitGestattet nicht, daß die mit den Waffen des Unrechts siegen, welche mit dem Recht zu streiten sich weigerten. Gestattet nicht, daß jene mich unterdrücken, zwischen die ich gerade mich warf, und gegen die ich mein Leben auf das Spiel setzte, daß sie nicht e u ch unterdrücken. Doch was erwähn' ich dessen? Gebt mir nur daS,

was bis dahin niemand noch versagt wurde, daß ich gegen den Ankläger mein Recht verfechte. Es ist dies ein uralt, in der Natur des teutschen Wesens gegrün­ detes Herkommen: keinen unverhörter Sache zu tod­ ten, selbst einen aus der geringsten Klasse nicht, und also auch auf keine andere Weife zu bestrafen. Jedem wird ein Gericht gestattet; über alle muß erst ein

-------- 94 Spruch verhangen i

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So verweigert denn auch mir

nicht, was Menschen vom niedrigsten Stande zu gut kömmt, was auch der Vcrachtetste ansprechen darf. Gewiß, wenn ich mich vertheidigen darf, ich werde siegen. Hab' ich's aber mit Willkühr und Gewalt zu thun, so wird es vorzüglich von euch abhangen, was ich künftig für eine Rolle spiele.

Denn wenn ihr mich

vertheidigt, so wird noch alles gut werden; verlaßt ihr mich aber, so lauft die Sache nicht ohne Gefahr ab. Ich, meines Theils, auf mein gutes Gewissen gestützt, werde keineswegs verzweifeln. Denn ich habe auf den Herrn vertraut, und er wird mich erretten, daß der zehnte Leo mir meine Seele nicht raube, weil keiner da ist, der sic fürder sonst erlösen, und mich er­ halten könnte. Denn viel der Hunde haben bereits mich umgeben, und die Versammlung der Gottlosen halt mich umlagert. Sic sind auf mich eingcsiürzt, wie ein Leu der nach der Beute gierig, aber der Herr wird all das Böse, das die Feinde mir bieten, abwendcn,

und sie zerstreuen in seiner Wahrheit, denn er selbst wird mich befreien aus den Stricken der Kurtisanen,

die auf mich Jagd machen, und von dem Donncrwort des zehnten Leo. Zwar wüthet derselbe, und laßt sich hinrcißen vom Stachel seiner Leidenschaft, aber er ist zum Glücke so weit entfernt, daß ich sicher vor ihm seyn kann. Nur von Seiten der Kurtisanen bleibt noch Gefahr übrig, ihr Teutschen; diese drangen und stürmen auf mich ein. Und ist daher gleich der Zorn

der Gottheit wider sie, dennoch müßt auch ihr zum Widerstand euch rüsten; denn durch die Hand der Seinigen straft der Herr die Gottlosen. Auf die kläglich­ ste Weise haben sic zuvor diese Nation mißhandelt: nun rüsten sie sich, sie vollends zu verderben, namentlich

aber die Manner, die sie den Schleier ihres Verrathes lüften sehen. Und ihr wolltet dies ertragen, ihr Teutschen? und nicht derWillkühr dieser Wüthenden euch entgegen­ setzen? Wißt, damit ich sie euch ganz kennen lehre, die mir Nachstellungen bereiten, es sind dieselben, so bei all jenen Dingen die Urheber und Helfershelfer, ohne deren Tadel ich nun wohl geborgen, und durch deren Lob ich selbst heilig gesprochen seyn würde. Sie sind es, welche zur täglichen Plünderung unsers Vaterlands thätig Mitwirken, Rath ertheilen und Beistand leisten; die lasterhaften Kurtisanen und verabscheunngswürdigcn Eimonisten, welche jene verfluchcnswcrthe Praktiken öffentlich und ungescheut treiben, wodurch Christus ver­ spottet, die Wahrheit in Nebel gehüllt, und unserm

Teutschland nicht nnr dadurch großer Schaden zugcfügt wird, daß sic auf seine Schätze und Bcsitzthümcr unablässig einstürmcn, sondern auch, daß die Volkssttten

durch die höchst schlechten, von Rom mitgcbrachten Beispiele, vcrlüderlicht werden. Denn sie sind die wahre Ursache aller Uebel derlei Art, indem sic, zu ihrem unjuberechnendenVortheil Diener des römischenPabstes, zu allem ihn berechtigt glauben, was einst himmelweit außer seinem Berufe war. Es ist ihr Werk, daß Aber­ glaube herrscht und wahre Frömmigkeit verbannt lebt. S i c liebten selbst die römischen Päbste nur in so fern, als dieselben durch Verordnungen, zu Beförderung ihreInteresse erlassen, die evangelische Wahrheit großentheils zu vernichten anhubcn. S i e nähren jenen rö­ mischen Schlund, sie füttern jenen ewig unersättlichen Strudel, der, während er auf der einen Seite unsre Erbgüter verschlingt, auf der andern Sittenverdcrbniß

ausspcit. S i e nur haben es dahin gebracht, daß unsrer Nation jener Strick angelegt worden, der, ich



fürchte sehr, nicht aufgelöst, sondern nur dadurch, daß ihr die Henker vertilgt, zerhauen werden samt Sie sind, nm mich so auszudrückcn, die zum Unheil deS Vaterlands aufgeschoßnen Stechpalmen. Sie sind die Harpycn des römischen Tisches, welche, was Rom ver­

schlingt, wieder auffangcn, und zwar so viel auffangen, daß jenes, so viel es auch verzehre, doch nie satt wer­ den kann. So öffnet denn einmal die Augen, ihr Teutschen,

und seht sie vor euch, die hier euch ausplünbern, bei den Ausländern brandmarken, und die Stifter jedes Un­ heils und jeder schlechten Lage sind, die euch trifft. Seht sie vor euch die lästerlichen Ablaßhändler, die gottcsräuberischen Urheber der Gnaden, Dispensatio­ nen, Absolutionen und aller Bullen dieser Art, die mit geheiligten Dingen in der Kirche Gottes einen Kram errichtet, da doch jener einst die Käufer und Verkäufer zum Tempel hinausgctrieben hat. Sic, die all jene Listen zimmern, all jene Finten drechseln, die unsre Nation in das Sklavenjvch, in die Gefangenschaft gcbracht haben. Die nun auch mir diese Gefahr und Bedrängniß zuwege gebracht, aus keinem andern Grund, als weil ich ihre Künste ihnen aufgedcckt, ihre Verbre­ chen entschleiert, ihrem Rauben Widerstand geboten, ihrer Wucherei ein Hinderniß gebracht, und weil durch mich zum Theil es dahin gekommen, daß sie einen Theil des Gewinstes verloren, die wahre Frömmigkeit aber wieder einen Zuwachs erhalten. Ich habe stets jeden Tumult geflohen, ich wollte keines Aufstands Urheber seyn, und damit ihr euch überzeugt, daß cs keineswegs meine Absicht gewesen eine Staatsumwälzung zu bewirken, so hab' ich immer

Latein geschrieben, gleichsam im Geheimen warnend, und wollte keineswegs den Pöbel zum Vertrauten ma-

97 eben, noch dieAufmerksamkeit meiner Landsleute reizen, ob ich gleich zu diesem Schritt Ursache mehr als genug hatte. Doch auch jetzt, da sie trotz meiner sanften War­ nung keinem vernünftigenWort sich empfänglich zeigen, sondern der brüderlichen Rüge Mord und Tod entgegen bieten, will ich mit keinen scharfern Waffen mich schüzzen. Nur klagen will ich, daß Gewalt mir geschieht, klagen, daß Unrecht mir angethan wird, und rufe des­ halb eure Hilfe und Beistand, teutsche Manner, an, nicht daß ihr diese verderbet, sondern mich nur rettet. Denn ich will, wie man mich auch auf alle mögliche Weise gereizt, doch nicht die Veranlassung seyn, daß, die mir Böses thaten, deshalb gestraft werden. Nur vor künftigen Ueberfallen fordre ich Sicherheit. Doch wenn ich auch jetzt nicht darum bäte: die Sache selbst müßte für mich sprechen. Wenn ihr daher dies alles dergestalt beherzigt haben werdet, daß ein Erfolg vor uns liegt, werd' ich fürder keine Ursache mehr zu Be­ schwerden haben, noch euch die Nothwendigkeit anferlegt seyn, mir Hilfe zu bringen. Lebt wohl und seht zu! Den aStctt Herbsimonats i52o. Zersprengen wir ihre Fesseln, und werfen wir ab'das Joch ihrer Knechtschaft!

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Sendschreiben an Luther. Dem Unüberwindlichen Herold des göttlichen Wortes, Martinus Luther, seinem vielgeliebten Freund und Bruder, entbeut Ulrich v. Hutten seinen Gruß.

4,rattn ! wenn Du hier Augenzeuge meiner Drangsale gewesen, Du würdest Mitleid empfunden haben, also

wandelbar istMcnschentreue. Wahrend ich neue Dun« desgenossen anwerbe, fallen die alten ab. Jeder fürch« ket, jeder schützt eine Menge Ursachen vor. Vor allem aber verwirrt die Leute der ticfim Herzen gewurzelte Aber­ glaube, als sey es ein unaussühnbares Verbrechen, dem römischen Pabst zu widerstreiten, wenn er auch gleich ein Bösewicht und Schandbube wäre. Dennoch dring' ich rastlos vor, und weiche keinen

Fuß breit vor meinen Widersachern. Unter allen Freun« den schützt Franz uns am standhaftesten, ob ihn gleich neulich einige zum Wanken gebracht; sic steckten ihm ncmlich die ungeheuersten Dinge zu, die Du geschrieben haben sollst, die Du aber, so viel mir bewußt ist, gar nicht geschrieben hast. Sobald ich hievon Wind bekam, glaubt' ich pflichtgemäß dagegen arbeiten zu müssen, da­ mit nicht diese Hauptstütze von den Feinden uns entris­ sen würde. Auch erreicht' ich meinen Zweck dadurch, daß ich Deine Sachen ihm vorlas, denn er hatte bis­ her nur weniges davon verkostet. Ich bot alle meine

9.9 Kräfte auf, ihn vorerst gelehrig zu machen.

Wirklich

schien ihm auch die Sache bald einzulcuchtcn, und nach, dem er die gehörige Einsicht erlangt hatte, auf welche Grundlage Du dein Werk gebaut, äußerte er sich: „Wohl mag jeder dies umjustärzen sich unterfangen, wird er es aber auch trotz seines Vermessens zu Ende bringen?" Immer mehr fieng er aber an begeistert

ju werden, und ist nun aus vollem Herzen so ganz der Unsere, daß er keinen Abend vorbeigchn laßt, wo er nicht etwas von Dir oder mir zu lesen begehrt. In der That ist er aber auch ein Mann von äußerst Hellem Geiste, so zwar, daß Du wenige Manner treffen

wirst, die ohne Wissenschaft zu solcher Bildung gelangt sind. Welche Beredsamkeit zeigt er nur nicht, wenn er

das, was er vernommen, hcraushcben und auseinan­ der setzen will. Einen bessern und brauchbarern Ver­ fechter werden wir gewiß in unserer Angelegenheit nicht finden. Freilich giebt cs nun welche, die uns diesen Mann mit angestrengter Bemühung abwendig machen wollen: aber ich bin deß innigst überzeugt, daß sie wenig aus­ richten werden, so sehr kenne ich seine Treue. Auch hat erst vor wenigen Tagen noch, als mehrere seiner Freunde u- Verwandten ihn heftig mit Bitten bestürmten, er möchte doch eine so verzweifelte Sache aufgcbcn, un­ ter dem lebhaftesten Widerspruch ihnen geantwortete er verfechte keineswegs eine zweifelhafte Sache, denn es sey die Sache Christi; im Uebrigen sey es die Pflicht

des teutschen Vaterlandes, unsere Vermahnungen zu be» achten und den Glauben zu vertheidigen." Dennoch, mein Luther! will ich Dir's nicht bergen, daß er es vorzüglich war, der mich bis zu dieser Stunde von Gewaltthätigkeiten abgehalten, in der Ue< berjeugung jedoch, daß, je länger ich mich innert de» G 2

1OO

Schranken hielte, unsre Sache an Ansehen gewinnen, die Gegner aber in gleichem Verhältniß um so übermü­ thiger werden wurden, inden^sie sodann mich für über­

wunden und durch mein eignes Unternehmen er­ drückt hielten. Ich folgte dem Rathe des Freundes. Indeß betreibt er beim Kaifer meine Sache, und dieser

hat ihm die Zusicherung gegeben, daß er keineswegs in meinen Sturz, am wenigsten in eine Verurtheilung oh­ ne Verhör willigen werde. Unsere Schritte beschränken sich nun dermal darauf, zuzuwarten, was auf dem nächsten.Reichstag ausgemacht werden wird. Alle halten dafür, es werde unsertwegen heftige Verhandlungen abfetzen. Wir wol­ len sehen, was da herauskommcn wird. Du ermuthi« ge Dich und bleibe mit standhafter Seele der Wahrheit treu. Auf den Kaifer dürfen wir wenig Hoffnung sczzcn, denn stets ist er von einem Schwarm Pfaffen um­ lagert. Manche von diesen üben Einfluß auf ihn: al­ le jedoch mißbrauchen seine Jugend zu Planen, die schwerlich jedoch zu seinem Frommen sich verwirklichen dürften. Franzens Beistand ist hier von großem Gewicht: auch meint dieser, der Kaiser würde vielleicht selbst auf diesem Fürstentag zur Einsicht kommen, in wie fern er den treulosen Pabsten zu trauen habe. Zu­ dem glauben viele, daß gerade zu dieser Zeit zwischen Beiden große Wirren entstehen dürften, wobei Franz redlich das Seinige thun wird. Er vermag bei dem Kaiser sehr viel, aber er will zuvörderst einen günsti­

gen Augenblick zum Angriff abwarten. Doch genug von diesen Dingen. Ich schicke Dir hier die Bulle des Decimus (die ich, Gott weiß es, in der größten Eile, und so gutes in ein paar Tagen geschehen konnte, an mehr als einer Stelle braun und blau gezwickt habe. Es heißt auch,

Du habest etwas darüber geschrieben; doch sah ich dieS

Neueste so wenig, als anderes, das, der Sage nach, langst herumgeboten wird. Ich wundre michj, daß Dn mir nicht auch von Zeit zu Zeit Deine Sachen über­ schickst, da Du doch Leute genug finden mußt, die mit leichter Mühe Franzen etwas hi'ntcrbringen könnten. Gegenwärtig schreib' ich an einem Gespräche; „die Bulle betitelt, zwar in großer Eile verfertigt, aber, wie mir baucht, nicht ohne Salz. Sobald die Schrift beendigt, sollst Du sie erhalten. Auch der weltliche Arm (brachium saeculare) wird nicht vergessen. Ich habe zu gleicher Zeit über die Verbrennung dei­ ner Bücher eine Klage aufgesetzt in lateinischen und teutschen Versen. Beide send' ich Dir. Eben so ein teutsch Gedicht, wcßhalb die Pfaffen keine Strafe aus­ findig machen können, die meiner würdig sey: also sehr hab' ich darin, ihrer Meinung nach, alle Schranken des Anstandes übersprungen. Christus mag entscheiden, wie seinem Bunde aufgeholfcn, auf welchem Wege die­ sen Uebeln gesteuert werden kann! Es haben mich zwar

jene als langst schon verdammt ausgeschricn, aber ich hoffe, Gott werde alle die freisprcchen, welche jene

verdammt haben. Sie haben nun schon zum dritten Mahle Deine Schriften verbrannt: was thut es? sind deshalb die

Menschen unserer Parthci abtrünnig geworden? Nein, Luther! sondern die Menge ist, wie ich Dir schrieb, nur noch mehr begeistert und entflammt. So viel hat es ihnen genützt, die einte und andere Papierrolle ver­

brannt zu haben. Ja , meine Freunde melden mir so­ gar, cs habe wenig gefehlt, so wäre Alcandcr zu Mainz gesteinigt worden. Ich entschloß mich alsbald, über diese Sache einen ziemlich langen Scndbricf herauszu­ geben, in welchem ich den ganzen Handel also behan-

102

beite, baß er sicherlich bei jenem Brande Deinen Schrift ten nachgefslgt seyn wird. Dein Name ist hier bei Jedermann in großer 93er« ehrung. Wohl dürfte sich's der Mühe lohnen, wenn Du uns einmal recht ausführlich herberichtetest, was bei euch nun dermal getrieben wird, welche Hoffnung man auf jeden setzen kann, und was jeder für die Freiheit thue.

Ich habe an Spalatin geschrieben, daß er die Gesin« nungen seines Herrn erforschen, und mir, so gut er's vermöchte, über diesen Punkt schreiben wolle. Denn ich wünschte sehr im Klaren zu seyn, welchen Schutz man sich von ihm versprechen dürfe. Ich bitte Dich, betreibe die Sache doch selbst noch. Denn Du weißt nicht, wie sehr dies unsre Sache star­ ken wird, wenn entweder er selbst mit gewappneter Hand uns beistehen, oder wenigstens zur kühnen That Beifall geben wird, d- h. wenn er's uns vergönnt, in­

nerhalb seines Landes Freistätten zu suchen, falls die Sache ernster werden sollte. Sobald ich dessen gewiß bin, hab' ich mir fürgenommen, auch Dich zu besu­ chen. Denn langer kann ichs nicht'mehr aushalten ohne

Dich, den ich Deiner Tugend wegen so innig liebe, wieder zu sehen. Dies in Eile. Sorgfältig kann's nicht wohl ge­ schrieben seyn, da ich mich sputen mußte. Franz laßt Dich freundlich grüßen, und heißt Dich frisch und ge­ sund und guter Dinge seyn. Auch ich sage Dir herz­ lich Lebewohl, theuerster, bester Bruder! Aus Ebcrnburg, den gten Christmonats 1520. Grüße mir Philippen, Spalatinus, Zum Phach

und all die Unsern.

Sendschreiben an alle Teutschen. Ritter Ulrich von Hutten entbeut allen teutschen

Mannern seinen Gruß. ^Jicr, teutsche Manner! habt ihr die Dulle des zehn» len Leo, durch welche dieser das allmahlige Erwachen christlicher Wahrheit aufzuhalten sich vermißt, welche er unserer Freiheit, die nach langer Knechtschaft wieder neu aufathmet, entgegcnstcllt und cntgcgcnwirft, daß sie nicht ferner zu Kräften und zum vollen Leben erstar« ken möge. Wir aber, werden wir uns ihm, der ein Solches wagt, nicht zur Wehre stellen und noch bei Zeiten wachen, daß er nicht weiter fchreite, noch etwas ins Werk setze, was von der Leidenschaft und Frechheit dieses unruhigen Mannes sich wohl erwarten laßt? Bei Christus, dem Unsterblichen, frag' ich euch: wenn hat je eine gelegnere Zeit, ein willkoinnmcrcr An­ laß sich dargcbotcn, einen Schlag, würdig des teutschen Namens, zu vollführen? Seht ihr nicht, wie alles auf einen Punkt hinstrebt, und mehr denn nie zuvor, die Hoffnung uns bleibt, diese Tyrannei vertilgen, diesen Krebsschaden heilen zu können? So wagt es denn endlich! vollführt es! Nicht Luthers Sache allein ist's, um die es sich jetzt handelt. Es gilt uns Allen, was sie da Vorhaben. Nicht auf den Einen ist ihr Schwert gezückt: gegen uns Alle kehrt sich der offene Sturm. Sie wollens nicht leiden, daß

------ io4---------man über ihr Zwingherrnthum schreie; sie wollen ihre Praktiken nicht aufgedeckt, ihre Schleichwege nicht auf­ gehellt, ihrem Wahnsinn keinen Widerstand, ihrerWütherei keinen Damm entgegen wissen. Das ist's, was so ihre Erbitterung erregt, das ist's, was sie zumZah. ncknirschcn bringt, so daß sie jede Schaam in ihrem Be­

nehmen oblegen. Ihr aber, die ihr dies klar vor euch seht, welche Schritte wollt denn ihr thun? welchen Ent­ schluß wollt ihr ergreifen? Jetzt, so ihr mich hören wollt, ist's an euch, euch zu erinnern: daß ihr Teutsche seyd. Die bloße Mahnung hieran muß

euch schon sattsam zur Rache spornen. Ich bin für euch und gemeinsame Wohlfahrt der­ mal in großer Gefahr, doch bin ich's mit Freuden. Denn zuvörderst bin ich mir der herrlichsten That be­ wußt. Sodann heg' ich nicht nur die Hoffnung, sondern die feste Zuversicht, daß i'f'-r alle das Gleiche mit mir wagen werdet. Diese Bulle aber hab' ich von darum zu größerer Verbreitung befördert, damit ihr

nach ihrer Dnrchlefung leichtlich aus dem einen Mach­ werk alle übrigen kennen lernt. Lebt wohl! 3in Jahr 1620. Zersprengen laßt uns ihre Fesseln, u'nd abwerfen das Joch ihrer Knechtschaft!

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Sendschreiben an Leo den Zehnten.

Dies, Pabst Seo! haben wir mit Deiner Dulle vorge­ nommen , die Du fnglicher zu Rom beim heiligen Petrus behalten hattest, damit sie in Ewigkeit verborgen geblieben, statt daß Du sie, mit so vieler Schaam be­ gossen (wenn Du für Schimpf und Schande noch einige Schmach fühlst), in die Welt hinausschicktest. Damit roiii es daher nie an wohlgemeinten Vermahnungen feh­ len lassen, so fodern wir Dich in dieser wichtigen Sache auf, Deiner Leidenschaft doch ja einmal ein Ziel zu setzen, und den Uebermuth, der aus Bullen dieserArt spricht, endlich zu zahmen, damit er nicht die äußer­ sten Schranken des Rechts überspringe. Heißt Dich doch Paulus schon den Schein des Bösen meiden; um

wie viel weniger ziemt es Dir, dem Christenvolk ein vf.

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fenbareS Aergerniß zu geben, da dasselbe bereits über» all, und namentlich in Deutschland völlig überzeugt ifl, jede von den pabstischen Verordnungen, oder wie sie heißen, Constitutionen, sey um so schlechter, je neuer sie sey. Hüte Dich also, die Wahrbeit in Lügen zu

verwandeln, und euere weltlichen, auf Geld und Ehr. geiz blos begründeten Satzungen den göttlichen Gebo­ ten und dem Worte Gottes vorzuzichen. Vor allem laß ab, den Sinn der göttlichen Schrift aus leerer Ge. rvinnsucht zu verdeuteln und zu entstellen, und die Her. zen der Rechtgläubigen zu verblenden, daß stederWahr« heit fürder Gehorsam weigernWie wagst Du es noch, Deinen offenbaren Schandthaten noch einen Schein des Guten anzulügen, da ich Dir, wenn Du mich in Harnisch jagst, einen Bischof in Deutschland zeigen will, von welchem Du an die 260,000 Dukaten theils mit Gewalt, theils durch List herausgepreßt hast. Heißt das die Schafe scheeren? Oder ist das Haus des Herrn eine Räuberhöhle geworden? Widerstehe doch einmal Deinen Begierden! mäßige Deine Raubfucht, mit der Du, auf die Worte der Lüge vertrauend, täglich rufst: „Hier ist des Herrn Tempel!" und wiederum; „Frkede! Friede!" da doch kein Friede ist. Denn wenn Du auch die Menschheit mit diesen Lügenkünsten bethören kannst, so vermagst Du doch jenem Herzcnskündigcr Dein wahres Wesen nicht zu verbergen! Gedenk« an seine Strafruthe, daß sie, wenn sie auch dermal noch bei Dir vorübergeht, nicht endlich über Dich" kom­ me , und jene Deine Aftcrkirche und den ganzen Sün­ derschwarm Deiner verruchten Romanisten zertrete. Denn was hast Du anders zu Rom, als eine Horde von Spielern und Schmeichlern, von ausgelernten Dieben, Deutelschneidern und Räubern, oder sonstigem elenden

Gesindel, welche, tote die Vogler, Stricke undSchlin» gen legen , um täglich hier etwas zu fangen? Ueberdies rath' ich Dir, gelindere Saiten gegen die Verkünder der Wahrheit hinführo aufzuziehen, damit Du nicht durch eigne Schuld noch mehr des Uebels auf Dich ladest. Denn bereits rufen viele schon mit mir jenes Wort des Propheten: „Die Wahrheit stürzt zusammen auf den Gassen, und das Recht darf nicht einhergehn; die Wahrheit ist in Vergessenheit gerathen, und wer vom Bö« sen weicht, muß Jedermanns Beute seyn." Ich gebe Dir daher den wohlmeinenden Rath, Dir es nicht mehr zu Sinn kommen zu lassen, Luthern fürder zu verfolgen, noch irgend einen von denen, die sein Geist erweckt hat. Denn ihre Zahl ist größer, als daß Du, oder irgend ein Bischof die Macht haben sollte, so viele Seelen ins Verderben zu stürzen. Du weißt, welch Murren flch schon damals gegen Dich erhob, als Du so leichtsinniger Weise und ohne erhebliche Gründe Deinen Bannblitz gegen ihn schleudertest. Aber Du bedenkst nicht, wel­

chen Stoff des Aergernisses er dem Volke reicht, wenn er einmal in gänzliche Verachtung gekommen. Lerne daher mehr Sanftmuth, und nicht jene ver« kappte, sondern die wahrhafte christliche Liebe werde Dir wieder zur lebendigen Pflicht. Zeige Dich uns alS Musterbild zur Nachahmung, und sey bestrebt, nicht Dich vollzustopfen, sondern unS auf gute Weide zu füh­ ren. Wenn dieser Entschluß einmal fest geworden, so weide uns hinführo mit Deiner Weisheit und Lehre, nicht mit deinen Bullen. Bereits sind wir ihrer zum Ekel überdrüssig. Eben so ekelt uns dein Ablaß, wie nichts in der Welt an. Die wahren Eigenschaften ei­ nes Pabstes sind: Weisheit, Reinheit, Keuschheit und Verachtung irdischer Dinge. Strebe diese Tugen«

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bett an! dann wird Leutschland Dich hoch ehren, wenn es sieht, daß Du es liebest, und nimmermehr Dich be­ drängen, wenn das Schrecksystem aufhört. Es ist Pflicht, Jedermann durch Huld zu gewinnen, Niemand mit Gewalt zu zwingen. Dies wollt' ich Dir zurufen, freimüthig, aber wahrhaft, und der Sache und dem Zeitgeist gemäß. Leb wohl! Aus Teutschland, im Jahr iöao.

Gespräch - Büchlein

Herrn Ulrichs von Hutten.

Feber das erst, Feber das ander,

Nadiscus, Die Anschauenden.

1 1 i

Vorrede Ulrkchs von Hutten,

Dem edlen, hochberühmten, starkmäthigen und ehren»

vesten Franzen von Sickingen, Kais. Maj. Diener und Hauptmann, meinem besondern vertrauten und tröstlkchen guten Freund, entbeut ich, Ulrich von Hutten, meinen freundlichen Gruß und willigen Dienst. Ohne Ursach ist bas Sprichwort (in Nöthen erkennt man den Freund) nicht in Gebrauch gekommen. Denn wörtlich darf Niemand sagen, daß er mit einem Freund verwartet sey, er hab' dann den in seinen nothdürftigen, anliegenden Sachen dermaßen, daß er ihn inwendig und auswendig kenne, versucht und geprüft. Wiewohl nun der glückselig zu achten, dem nie von Nöthen ward,

einen Freund dicsergestalt zu probiren, mögen doch auch sich die der Gnade Gottes berühmen, so in ihren Nöthen beständige und hart haltende Freunde erfunden ha­ ben, unter welchen ich mich dann nicht wenig Gott und dem Glück zu bedanken hab. Denn, als ich auf daS äußerlichst am Leib, Ehre und Gut, von meinen Fein­ den genöthiget, so ungestüm, daß ich kaum Freunde an-

zurufen Zeit gehabt, bist Du mir nicht (als oft geschieht) mit tröstlichen Worten, sondern hilftragender That be-gcgnet, ja mag ich (als das Sprichwort ist) sagen, vom Himmel herab zugefallen. Hierum ist wohl die Freund­ schaft deren, die sich zu guten und glückhaftigen Zeiten beweiset (wiewohl die mehr eine lustige Gesellschaft, daun

112

Worte Freundschaft genanntwerden mag) dannoch nicht zu verwerfen. SK'cr, ich hab unter den zweyen eben den Unter­ scheid, den die Aerzte unter den Speisen, deren etzliche allein süß und schmackhaftig, etzliche auch darzu gesund und heilsam feind. So ist cs mir darzu kommen, daß ich nicht lustigs Geschmacks, sondern heilsamer Arzney, nicht fröhlichs Bcywescns, sondern gewärtiger Hilfe bedörft, hab alsdann Dich (ich achte aus göttlichem 'Zuschicken und Vorsehung) funden, der nicht geachtet, 'was ein jeder von meiner Sache rede, sondern wie die an ihr selbst gestalt, beherziget; hast Dich nicht durch Schrecken meiner Widerwärtigen von Verfechtung der Unschuld abziehen lassen, sondern aus Liebe der Wahr­ heit und Erbarmniß meiner Vergewaltigung für und für über mich gehalten. Und da mir aus Große der

Gefahr die Statte verschlossen gewesen, alsbald Deine Hauser (die ich aus der und anderen Ursachen willen Herbergen der Gerechtigkeit nennen mag) aufgcthan, und also die angefachte und verjagte Wahrheit in den Schoß deiner Hilfe empfangen, und in den Armen dcinerBeschirmung ganz kccklich gehalten. Daraus dann gefolgt,

daß ich Meinen Fürsatz, den auch Du crbar und redlich nennest, nicht wenig gestärkt, alle Gelehrte und Kunsts liebende teutscher Nation (denen dann auch nicht weni­ ger, dann mir selbst, an dieser Sachen gelegen), sich in Freuden und Frohlocken erhaben, und gleich als nach einem trüben Wetter, von der freudenreichen Sonnen erquicket worden; dargegen die boshastigen Curtisanen und Romanischen, die mich verlassen gemeint, undderhalben einen Triumph von Mir geführt hatten, da sie gesehen, daß ich mich (ein Sprichwort ist) an eine feste nnerschütre Wand gelehnet hab, ihren Stolz und Uebermuth ge­ gen mir etwas niedergelassen, sich fast ingethon, und

ii3 kleines Lauts worden. Für solche deine Wohlthat Dir genügsamen Dank sagen, hab ich nicht Mangel an Ge­ müth und Willen, sonder am Glück und Vermögen Ge­ brechen. Wird mir aber je ein bessere Zeit erscheinen und sich Aenderung des Glückes (als dann mein freie Hoffnung zu Gott) begeben, will ich Dir allem meinem Vermögen nach dermaßen wieder bienen, da Du jeufs wenigesi mich keinen Flci's Dir Dankbarkeit zu erzeigen, gespart haben, spüren sollt, und mittler Zeit, das mir kein Greuel noch Gewalt, kein Trotz noch Ucbermuth, kein Armuth noch Elend benennen mag, das ist, mit Kräften meiner Sinnen und Vermöge», der Verstandnüß, treulich und flcißigli'ch dienen, auch Dir jetzo, wie etwa» Virgilius den zweyten.wohlverdienten Jünglin­ gen zugesagt haben. Wo etwas mein Gcschrift vermag, Dein Lob müßt sterben keinen Tag. Wiewohl, obDu Dich schon gegen mir dermaßen (wie obberührt) nicht gehalten, hattest Du dennoch um das mit deinen ritter­ lichen herrlichen Gethatcn verdient (als ich und alle, deren Vermögen ist, gegenwärtige oder vergangene Ding, durch Behelf der Ecfchrift, in Erkanntnuß zu­ künftiger Zeit, bringen), deinen Namen aus dunkelm Vergessen in das Licht der ewigen Gcdachtnuß sctzeten. Dann ohne Schmeicheln und Liebkosen zu reden, bist Du, der zu dieser Zeit, do jedermann bedacht, teutscher Adel hätte etwas an Strengkeit der Gemüther abgcnommen, Dich dermaßen erzeigt und bewiesen hast, daß man sehen mag teutsch Blut nicht versiegen, noch das adelich Gewächs teutscher Tugend ganzausgcwurzclk seyn, und ist zu wünschen und zu bitten, baß Gott unserm Haupt, Kaiser Carlen, deiner tugendhaften unerschrokkencn Muthsamkeit, Crkanntnuß ingebe, damit er Dich deiner Geschicklichkeit nach in hohen trefflichen seinen Handeln, das römisch Reich, oder auch ganze ChristenHuttens Schriften. Th. L H

heit betreffend, so mit Rath und der That brauche; denn alsdann würde Frücht Deiner Tugend zu weite­ rem Nutz kommen. Fürwahr, einen solchen Muth sollt man nicht ruhen las­ sen, noch inwendig Bezirks kleiner Sachen gebraucht werden lassen. Aber, ich hab mir nicht fürgenommen, in dieser Vorrcd dein Lob zu beschreiben,- sondern ein­ mal meinem Herzen, das gestreckt voll guter Gedanken und freundlicher Gutwilligkeit, die ich gegen deinen unwiedergeltlichen, an mir begangenen Wohlthaten, die doch Du noch täglich je mehr und mehr überhäufest, trag, einen Luft geben. Schenk Dir zu diesem neuen Jahr, die nächstfolgende meine Büchlein, die ich nächst verschiedenen Tagen, in der Gerechtigkeit (wie vorge­ nannt) Herbergen, eilends und ahn größerem Flcis verteutsche hab. Und wünsch Dir damit, nicht als wie oft Freunden pflegen, ein fröhliche sanfte Ruh, sonder große ernstliche, tapfere und arbeitsame Geschäft, dar­ in Du vielen Menschen zu gut, dein stolzes heldisch Gemüth brauchen und üben mögest. Darzu wöll Dir Gott Glück, Heil und Wohlfahrn verleihen. Geben zu Ebernburg uf den heiligen neuen Jahrs-Abend, im Jahr nach Christi Geburt mccccc und ein und zwanzigsten«

Zu dem Leser dieser nachfolgenden Büchlein Ulrich von Hutten.

Die Wahrheit ist von neuem gefront, Und hat der Betrug sein Schein verlorn, Des sey Gott jeder Lob und Ehr, Und acht nicht fürder Lügen mehr, Ja, sag ich, Wahrheit was verdruckt,

Ist wieder nun herfür geruckt.

115 Des sollt man billig genießen Lohn,

Die darzu haben Arbeit gcthon. Dann Vielen cs zu Nutz erschleußt. Wiewohl es manchen auch verdreußt. Die faulen Pfaffen lobens nit. Darum ich jeden Frommen bitt. Daß er gemeinen Nutz bedenk, Und kehr sich nicht an lose Schwank, Es ist doch je ein Pabst nicht Gott, Dann auch ihm ist gewiß der Tod, Ach, fromme Teutschen, halt ein Rath, Das nun so weit gegangen hat, Daß's nicht geh wieder hinter sich. Mit Treuen hab's gefördert ich, Und b'ger des anders keinen Genieß, Dann wo mir geschah deshalb Verdrieß. Daß man mit Hilf mich nicht verlaß, So will ich auch geloben das: Von Wahrheit will ich nimmer lan. Das soll mir bitten ab kein Man»; Auch schafft zu stillen mich kein Wehr, Kein Bann, kein Acht, wie fast und sehr

Man mich darmit zu schrecken meint, Wiewohl mein fromme Mutter weint, Do ich die Sach hatt g'fangen an, Gott wöll sic trösten, es müß gähn,

Und sollt es brechen auch vor'm End, Will's Gott, so mags nicht werden gewend. Darum will brauchen Fuß und Hand. Ich hab's gewogt. Ulrich von Hutten.

H -

Gespräch-Büchlein Herrn

Ulrichs

von

Hutten,

das erste Feber genannt

Unterredcr; Hutten und das Feber.'

Hutten.

Gingest du hinweg, war mir viel lieber, welchen dich so mühsamen Gast ich doch des ersten Tags hatt sollen austreiben. Horst du nicht? geh hinweg, flugs! heb dich! Feber. Es wär aber doch deiner Gütigkeit ge­ mäß, so ist auch sunst der Teutschen Gebrauch, nach Herkummen, daß so du mich austreibst, doch zuvor in eine andere Herberg weisest. Wiewohl ich dich aber­ mals bitt, mag es geseyn, daß du mich (dieweil ich nicht weiß, woaus) doch diesen Winter nicht ausjagest. Hutten. Ich sag dir erstlich, geh hinweg. Dar­ nach, als du mich bittest der Herberg halben, sichst du dort ihre Pfortett? daselbst hinaus gehst du recht. Feber. Lieber, so führ mich doch etwa zu einem, der nach lustigem gutem Leben tracht, der mächtig reich

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117

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sey, der Pferd, viel Diener, Nachganger, ein groß Gesind, hübsche Kleider, lustigGarten und Bader habe, Hutten. Zu dem ich dich führe, ist selbst hier ein Gast,

aber ihm mangelt solcher Ding nicht, ge­

braucht sich auch der. Und sieh dort jenes Haus, dorin halt sich der Cardinal sanct Sixten mit einem gro­ ßen Hofgcsind, ist von Rom Herauskummen, daß er Geld von uns Teutschen aufbring, damit die Römer e.m Weil zu zehren haben (ich glaub wider den Türken, über den sie abermals mit großem Geprang einen Heer­ zug fürnehmcn), Dann es sind gar erfahren Kriegs­ leut, und an das ein Volk, das dir gemeinlich unter­ würfig ist. Hör mich, und nimm dir diesen für,, du

wirst ihn dort gc6o ja was Wunders! Sein Augen grewlich, sein Ange­ sicht erschrcckenlich. Er mit aller Weis und Ecberdcn grawsam, mürrisch und unmenschlich.

i88 Hutten.

Wiewohl er aber ein sollicher was. Und

anfing einen schweren Krieg, desgleichenen Italien zu unfern Zeiten nie gesehen ward (als darin alle christli­ che König und Fürsten verwickelt und zusammengeknöpfct hatte, machend sie sich unter einander aufarbciten), jedoch hat ihmsollichs niemand unbilligen gcdörfen, noch entgegen reden, auch nur mit Worten, dergleichen alS ße im Virgilio Drances zum Turno sagt: O Haupt und Ursprung aller Sach, Die uns han bracht in Ungemach, Wenn hörest auf, in offne NotlDas Volk zu führen und den Tod? Ernhold. Das ist wahr, niemand hak cs gedörfen siigcn. Dann zu der Zeit forcht jedermann Iulium. Hat aber Constantinas drtt Pabsten das Reich des Nie­ dergangs gegeben, so hat Carolus zu förchtcn, daß jhm nichts werde, weder von den Landen, die er erbt, noch auch, zu der'r Regierung man ihn nächst erwäh­

let hat. Hutten.

Soll es nach derAllerchrwürdigsten zu

Morn Meinung ergehen- so wird ihm nichts werden. Dann alle diese Reich feind der Kirchen. Ernhold. Als ich dannvorstchc, feind die vo­ rigen Pabst sehr mild gewesen, die nit aller Ding, so ihn'n gegeben, Besetz haben nehmen wöllen, sunder an einem Theil genug gehabt, das ander den Königen ge­ lassen, und leiden mögen, daß ein Kaiser in diesem sei­ nem Theil, wiewohl das nit fast groß ist, bleibe. Hutten. Es ist nit von Müdigkeit geschehen, sonder Unvormögcnhcit. Dann do sie erst diese Uebcr-

gcbung gedicht, haben sie förchtcn müssen, wo sie als­ bald alles einnahmcn , und nit ein Theil nachlicßcn, daß alle König und Fürsten sich einträchtiglich zusam­

men würfen und wider sie setzcten, den' hatten sic dann

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m't mögen wiberstahn. Daß aber der Betrug und Päbst«

lichcs Geizes Anreizung und Bewcgniß erdicht sey, ist daher abzunchmen, baß wo die Pabst und Pfaffen, zu derselbigen Zeit von sollichcn Sitten als jetzv gcwcs'k, hätten sie ihn'n vorwahr nichts entziehen lassen. Seind aber die Bischoff zur selbigen Zeit (als ich keinen Zwei­ fel hab) eines geistlichen frummen Lebens gcwes't, hat­ ten sie solliche ungebührliche Gab nit angcnummen. Ha­

ben nun diesclbkgen Constantinuin, als der ihn'n ungr» bührliche Ding anbitte, mit seiner Uebergebung nit zugelassen, mit was Rechtes mögen dann ihre Nachkmnmen wieder fordern, das ihre Vorfahren ihn'n nit ge­ mäß geacht't, und darum den Uebergebernwillkgklichen wiederzugestallt, ja sie vielleicht gebeten, sollichs nit uf sie zu' anderen? Wahr ist, daß kein Pabst nie zu Bescß deS vierten Theils der Land, die sie sprechen, ihn'n von Constantino gegeben seyn > kummen ist. UNd daß ich des andern geschweige, die Stadt Rom, die sie bevor nie inn gehabt, haben sie erst ctzliche hundert Jahr nach Constantinus Zeiten eingenummen. Also langsam seyn sie kummen zum Beseß des Meisten Thei­ les von dieser so alten, wie sie sprechen, Uebergebung. Ueber das, hatten sie je wöllen, das man ihn'n geben, wieder mit freyem Willen von ihn'n stellen, war das auch ohn Mittels Brief und Siegel, die sic von bett Königen und Fürsten darüber genummen hätten, besche-

hen? Haben sie nun das Privilegium Constantini, als sie anzeigen, also fleißiglichcn bewahrt, wer will dann glauben, daß sie Gezeugniß ihrer Mildigkeit alsö ver­ wahrlost? Es seind Schwänk. Ja daß ich sag, wie mir zu Herzen, so halt ich gänzlich, das Privilegium Constantini sey also geboren; Als etwan uf ein Zeit ein geiziger Pabst einen Vortheil ersehen, dadurch er hat vrrhofft, Italien unter sich zu bringen» hat er erst.

lich eln Theil angcfallen, und sich doch nit damit (als dann des Geizes Fleiß nimmer zu crsattigen ist) begnü-

gewhat lassen, fundet gedacht weiter um sich zu grei« fett, und die Zeit vielleicht also gelegen ist gewesen, daß er in Ansehens Klcimnüthigkeit und Mißglaubcn der Menschen Hoffnung gehabt, seinen Willen zu schassen, und gedacht durch Einfältigkeit des gemeinen Volkes, Versäumung der Fürsten viel zu überkummen, hat er fein Gebiet geweitert; dein haben dann sein Nachkummen gcsolgct, und ist des Raubens Gebrauch von ei­ nes Kühnheit zu der andern aller Gewohnheit er­ wachsen, bis zuletzt ein sehr weiser Pabst summen, der gemeint der Kirchen einen großen Nutz zu schaffen, wo er diesen Sachen eine Befestigung macht, hat er das göttlich Privilegium uf ein alt Pcrgamcn, ober aber, das er zuvor im Staub gewalzt hat, oder sich mit Schimmel überziehen lassen, geschrieben, ohn Zweifel etzliche hundert Jahr nach Constantinus Zeiten. Ern hold. Wo aber, das unangeschen, der Pabst Leo solliche Ucbcrgcbung vonCarolofordern wird, was

meinst du dann zu geschehen? Hutten. Was anders., dann daß er, CarolnS, dargegen von dem Pabst hinwieder seine Gerechtigkeit fordern und bedenken werde, daß er einKönig und

Teutsch er sey. Ern hold. Und werd darum einen Krieg anfahen? weit und breit alles durch einander werfen. Um« kehren und vorwüsten? Hutten. Da sey Gott vor! Es soll darzu nit

summen. Ernhold. Darnach die Römer auch ihren Ding Maß und Gestalt geben werden. Wen möchten sic aber verschonen, die sich auch gegen den Römischen Kaiser Schmähens und Verspottens nit enthalten?. Dcnn der

Pabst läßt feinen Kaiser seyn, er.fall lhm bann vor zu Fuß, und empfahe die Kaiserlichen Kronen von seine» Füßen ab, vorschwöre ihm auch das Italienisch Reich und die Stadt Rom. Hutten. Der Pabst Znnoeentius hat Carolum (der ein Böhm gewesen) in keiner andern Gestalt zu Kai­ ser krönen wollen, daun er sich ihm mit dem Eid ver« pflichte, im selbigen Jahr aus Italien zu zieh». Wie­

wohl er ihn ohn das sogar voracht hat, daß er m't gewöllt zu ihm in Gespräch klimmen, hat ihm einen Kar­ dinal mit der Kronen entgegen geschickt, und geboten, gein Rom nit zu kummen. Er hat ihn auch noch wei­ ter um etliche Städt, die er ihm hat müssen überge­ ben, geschätzt. Ern hold. Der ist nit auf Erden zu leben, ich geschwekg Kaiser zu seyn würdig gewest, der solliche Unbillicheit gelitten. Aber die Romanisten, als ich merken kann, glauben nit, daß die drey Ding, die sie so erbärmlich hier ermorden, am jüngsten Lag wie­ der auferstehn, und sie von denselöigen Rechenschaft geben müssen. Hutten. Eie verlachen doch das jüngst Gericht. Ern hold. Ich glaub sie ermorden es auch mit anderen. Hutten. Nit. Denn wie füllten sie das ermor­ den wöllen, das sie nit glauben etwas seyn? Anderst hätten sie auch wie ander Leut Gewissen. E r n h o l d. Und wären nit so viel heimlicher Gift­ mörder zu Rom. Hutten. Darum sprach Vadiscus, drey Ding wären überflüssiglich zu Rom: alte Gesicht, Gift, und

zerbrochene Mauren. Daruf ich sprach: So seynd freylich auch drey Ding aus Rom ins Elend vertrieben: Einfältigkeit, Mäßigkeit und Frummkeit.

192

Ernhold. Wohl gesagt: Dann die Sitten der Stadt Rom leiden nit Einfältigkeit; so führt niemand zu Rom ein Mäßiges Leben ; wer ist dann daselbst frumm

und redlich? Hutten. Zn der Wahrheit selten einer; aber aus Achtung der Leut, ein jeder, der viel Gelds hak, oder

sehr reich ist. Ernhold,

Wie du sagst.

Sollichs ist aber

eine böse Achtung," und war Rom viel nutzer, diesel-ige von ihr vertreiben dann das Gift der Scorpion, > Schlangen und Taranten, das allein dem Körper des Menschen tödtlich ist. So ist sich auch über Rom viel

mehr zu erbarmen, daß es von Tugenden, dem stren­ gen ehrlichen Leben, und guten Gewohnheiten der alten Römer gewichen ist, dann daß so viel überschcinlich hübscher Baw darinnen zerfallen, so viel schöner und

wohlgebawter Hauser zerbrochen sein. Ja vorwahr, mehr ist das zu erbarmen. Man soll auch billicher be­ weinen und beklagen, daß anstatt der alten S ci p ion, Marcel!en, Maximen, Caton, Metellen, Cicero» und M.arien gcin Rom kummen, feint) eitelVitellien, Othen, und mehr denn Nerones »der Domitiani, Werkmeister und Kunstiger aller Unkeuschheit ergebene Knecht der Gcizigkeit, zeitlicher Ehr begierigen, die sich durch Grimmigkeit und Tyranmy bekannt machen , von allen Tugenden, aller Ver­ nunft verlassen. Mehr, sag ich, ist sollichs zu be­ weinen, dann daß die Stadt, so etwan von Marmel­ stein und Silber scheinbarlich gewes't, jetzo von grba-

chetten Steinen und Leimen in Verachtung kummett ist. Hutten. Du hast ein scharf Vorstandnüß. Wie

gefallt dir aber, daß er weiter sprach: Die Römer Handlen mit dreyerley Kaufschatz: Christo, geistlichen Lehen und Weibern?

*93 Crnhold. Wollt Gott, allein mit Weibern, und giengcn nit oft aus der Natur!

Hutten. Viel wollt Vadi'scus daselbst von ge­ sagt haben, das er Scham Halbenunterwegen ließ. Wie­ wohl sich' die Römer selbst ihrer Schänd gar nit schä­

men; dann sie an allen Orten darvon reden, als sich der'r rühmend, und uf daß die Abbildung ihrer Gemüth bleibe', schreiben sie Vers und Reimen davon. Und

daß wir uns ab dem, so zu Rom geschicht, desto weni­ ger wondern. Was haben oft ihre Legaten und Ge­ schickte hie in teutschem Land vor unsern Augen betrie­ ben? Jedoch meint Vadi'scus, drey Ding seyn den Römern beschwerlich und erschreckenlich zu hören: von ei­ nem gemeinen Concilio sagen, geistlichen Stands gedenken, jetzo Augen gewinnen. Und Ding'bdforgcn und förchten;

einer Reformation deS und daß die Teutschen darneben sie auch drey der Christlichen Fürsten

Einigkeit, Vorstand und Merkung des Volks, und daß.ihre List und Trügerey an Tag kummen. Ern hold. Vorwahr, der kennet Rom wohl. Dann möcht cs jemehr zu einem freyen Concilio klim­ men, (welches sie allein vorhindcren und aufhalitii1; dann sie schmerzet noch die Wund',, die sie imCon­ cilio N'iccno empfingen) oder doch rinmahlVorgang ge­ winn der geistlichen Reformation, von der man lang ünb'viel gesagt, und ihn'n oftdarmitgebrauet hat; oder aber unsere Teutschen erkennen wöllten, wie man mit

ihnen umgaht; oder die Fürsten der Christenheit ein be­ ständige Einigkeit ünder ihn'n machen und halten würden; oder das gemein' Volk unterscheidlich zu er­ kennen wüßte rechten Christlichen Glauben und Aber­ glauben; oder jedermann mit Augen sehen möchte, und

im Herzen vorstchcn die großen Schande und Schalk­ heit, so die Romanisten täglich betreiben: —■ Vor« Huttens Schriften. Th. k R

*g4 wahr , so möchte eS dahin klimmen, daß man nkk mehr sehen würde Christum, die Himmel, das ewig Leben, und der Seelen Seeligkeit im Kauf stehen. Sie wür­ den auch ni't mehr die geistlichen Lehen verkaufen gedörfen, und glaub, sie würden ein mäßiger Leben führen. Hutten. Anders nit. Ern hold. Aber dem Concilio sein sie sogar wi­ der, daß ich höre, derBapst zwinge all teutsche Bischoff in der Confirmation, ihm zu Gott und den Heiligen zu vorschwörcn, daß sie nimmer daran seyn wollen, oder das forderen, daß je ein Concilium mehr werde, Hutten. Man sagt cs. Ern hold. Ist es dann also, so möcht doch grösfer Sünd' und Schänd nit geschehen. Hutten. Das bekenn ich, aber Dadiscus Meint, drey Ding mögen Rom gegen all seinen Gebrechen hel­ fen, und ihm heilsam seyn. Ernhold. Welche? Hutten. Bekehrung des Aberglaubens, Hinwegnehmung der Officien, und Umkehrung des gan­ zen Wesens zu Rom. Ernhold. Mit dem letzten war es allem genug; dann war der Romanisten Regiment und ihr böses Leben umgekxhret und verändert, so möcht auch dcr Mißglaub nit statt haben; wo dann ihre schandhafti'gen bösen Ge­ wohnheiten (das Gott bald gebe) zu Besserung bracht, würden nit mehr Officka seyn, die sie jetzo also gar nit denken abzuthun, das man auch dem Bapst Julio vor ein großes Lob rechnet, daß er die Zahl dersclbigen ge­ mehrt hab'. Wik sollen über wünschen, daß anstatt der Dfstcien zu Rom, die (als wir sehen) Werkstatt seyn aller Betkiegerei, Untrem, Schanden und Lasters, dar­ innen man (als in einer Schul) lernet Verführung,

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igS

Aufsatzlicheit und allerhand böse Stück; darinnen man,

als in einem Krämerladen, alle Unftunimkcit und Bos­

heit feil hat, in Gebrauch summen sollich Officia, alS von denen die Weisen und Geklarten viel geschrieben ha­ ben, die auch der Menschen Gemüth zieren, und wer­ den sunst Tugend gcnennt. Hutten. Drey Ding halt man zu Rom in gro-

ßem Werthe: hübsche Frawen, schöne Pferd, und häpstliche Dulle». Ernhold. 0 Frawen, oPferd und o Bapst! Soll man uf solll'chc Ding mehr Fleiß haben, dann itf hcn Christlichen Frieden, unseren Glauben, die evange­ lischen Wahrheit, und (die Summa darvon zu reden) dann uf die christlichen Liebe? Wann ist aber das Chri­ sti unsers Herrn Meinung oder Gedank je gewesen, ei­ nen nach ihm zu lassender sein göttlich Gesetz und Ord­ nung zurückschlüg, ein newes »»christliches Lebe» führ­ te,^ die ganze Welt mit Ablaß und Bullen vexirek und belästiget? So auch ein Bapst oder Bischoss ist ju ei­ nem Hirten der Seelen gesetzt, was darf er dann ei­ nem, dem er das ewig Leben oder Himmel gibt, ein Bullen darauf schreiben oder vorstegelen, so doch in Geschäft der Seelen weder Brief noch äußerliches Ge« zeugniß vonnökhen ist., sundcr eines guten Gewissens, welches Gott dermassen kennt, daß er (als menschlicher Gedanken erfahren) niemands Anzeigens -noch Bewei­ sung darüber bedarf. Was thut denn mit hübschen Pferden ein Visarjus Christi, der nit mehr dann zu ei­ nem Mahl »f einem ungestalten Esel gesessen ist? Will er Krieg führen?, Uorwahr Christus hat die

und ruhesam Leben gelobt, zu dem Friedengerathen, den er auch seinen.Nachkummenden, als zu Erbtheil gelassen hat. Sv ist es fast.weit von N 2

Krieg gescholten,

Christus Meinung oder kehr, die Weiber vor allen Din» gen lieb haben, chnrch Unkeufchheit Lusts pflegen, und dassclbig beschehcn von denen, die er gänzlich nach dem Geist hat leben heissen, und ihn'n auch kaum in der Eh Wollust des Leibs zngclassen. Oder hat derBapstCal« listus darum den Pfaffen die Eh' verbotten, daß sie da« durch vor Andern zu bübischem unzüchtigem^ unfrommlichcm Leben gefreit, und der geistlichen Sach von der heiligen Eh in einen schändlichen und lästerigcnBüberey geändert würde? Hutten. Drey Ding, sagt Vadkscus, seyn im ge­ meinen Brauch zu Rom: fleischlich Wollust, köstlich Kleider und Hochfahrt oder Uebcrmuth. Ernhold. Vorwahr seyn die drei fast gemein. Aber nit allein hat man zu Rom Unkcuscheit vor ein Regieretinn menschlichs Lebens, sonder auch legen die Romanisten ihre Sinn daruf, wie sie in mancherlei Ge­ stalt und uf seltsame Art, auch wvndcrlichcr Weis, und wie vor nie gehört, Unkcuscheit pflegen, damit sie auch

den Kaiser Tibcrium und seine Künsiigcr, die er Spintrias nennet, übertreffen. In der Summ davon zu reden, schlechter Gestalt und gewöhnlicher

Weis Unkeuscheit treiben, verachten sie und heissen cs Banrenwerk. Dann zu Rom thut man Ding, der wir uns hie zu reden schämen. Hutten. So ist ja auch ein großer Pracht aldo mit Kleidung. Ernhold. Größer dann an keinem Ort. Hutten- Und nit allein kleidet man zu Rom die Leut zierlich, es müssen auch die Maulesel geschmückt seyn, als mit Gold gezaumet, mit Purpur, Seiden

und Sammet behenket. Ernhold. Wie großen Stolz und Uebermnch

tragen dann die Romanisten?

•97 -ermann darum verhaftet werden. Derhakbeu mich oft Hutten. Also großen, daß sie billich von jewondcrt, daß man dem Heiden Diokletiano darum, daß er Edclgcstein kn seiner Kleidung gehabt, und der erst unter allen Römischen Keifern ein künigliche Kron getragen, den grossen Hochmuth zuschreibt, so wir jetzo sehen, einen Christcnlichcn Bapst, feinen Schädel mit einer dreifältigen Kronen zieren, und die Fürsten der Welt ihm seine Füß küssen lassen ? Crnhold. Zch weiß wohl, daß Chr'sius der Sei­ nen Füß gewaschen hat. Hutten. Ist dann das nit ein übermäßige Hochfahrt, Benamung der Sccligkcit annchmen, und sich den Allerheiligsten grüßen lassen, den, der noch im Körper lebt, und vielleicht nit fast wohl, sonder vorkehrlich lebt? Dann wem gedenkt eines frummen, ich geschweig heiligen Vapstcs, zu unsern Zeiten? AuSge« nummen, daß sich jetzo Leo der Zehent einen Wieder­ bringer des Friedens schreibt? Crnhold. Nit allein mag unS keines solkichett gedenken, sondcry auch hör ich nit von den Alten, daß bey ihren Zeiten einer gewesen. Mehr finde ich auch in keinen Schriften und Historien, daß in etlichen hun­ dert Jahren ein redlicher oder täglicher Bapst gelebt

hab. Wohl feind ihr' viel große Krieger gewesen, ha­ ben Stadt und Schloß zerstöret, nach Geld und Gut gestallt, dem vordampten Gektz dienstlich gelebt. Der aber hitzig in göttlicher Lieb, in den evangelischen Schriften scheinbarlich gelehrt, oder mit Inbrunst seines Herzens zu wahrer Geistlicheit gericht oder gesinnt gewest sey, muß man weit hinter sich rechnen, bis einer funden werde. Hutten.

fliehen.

Hierum sollten sie den Namen billich

Ernhold. Also sollten sie. Sag mir aber eins; wie reimet es sich, daß die Kirch vor einen (der sich laßt Allersceligst nennen) bitte, daß er scclig werde? Dann also singen wir in der Kirchen r Wir bitten vor unsern Bupst Leo, Gott woll ihn fristen, erquicken und seelig machen uf der Erden. Hutten. Wie sich auch andere ihre Sachen rei­ men und fügen. E r n h 0 l d. Ist aber vor eine kleine Hochfahrt zu rechnen, daß zu unsern Zeiten der Dikarius Christi (als er sich nennet) einem Römischen Kaiser ihm die keiserlichen Kronen von seinen Füßen ab cmpfahen heißt? Hutten. Vor allen groß und überschwengklich. Ich hör aber von etzlichen, die meinen, Carolus werde solliche Unbillichkeit nit leiden, und werde die Bapstlichen Füß nit küssen wöllen. Er nho ld. Wo dem also, was würd' er dann vor­ dient haben? Hutten. Daß man ihn hochverstandig achte, und spreche, er kenne sich sclbs, und laß die Christlichen Wahrheit nit falschen, die Herrlichkeit des Reichs und seines Standes nit zu Verachtung kummen. Ernhold. Und daß ihm die AllcrgclehrtestenLob znschreiben? Hutten. Ja mit ganzen Büchern. Ernhold. Und daß ihm die Griechen ein Essen in Prytanen zurichten? Huttxn. Ja', und daß ihn jedermann grüße, einen Wiederbringer der teutschen Freyheit, und ihm, wo er wandelt, entgegne und nachrufe: Du allerstark« wüthigster, du allergerecytester, du allerfreyester Kai­ sex! und ihn nennen den rechtgcistlichen, und wahren Christlichen Regierer. Wir kummen aber von der Rö­

mischen Drepfaltigkeit.

'SS Ernholb.

euS mehr? Hutten.

So fah wieder an,

was sagt Dadlf-

Dreyer Ding pflegen die MüßiggLn-

ger zu Rom: Spatzieren, Buhlen und Prassen. Er n h o l d. Das ist wahr, und anders pflegen fle nlchtcs. Denn die andern zu Rom, die man nit für Müßiggänger achtet, sinnen, denken, trachten, wie sie mit Schreiben, Reden, Bitten und Schmcichlen

Verrathercy, Raubercy, Falscherey und allerley Betrug znrichten mögen. Hutten. Drey Gericht essen die Armen zu Rom (spricht Dadiscus): Kraut, Zwiebel rind Knoblauch. Hcrwiedcr auch drey die Reichen: Schweiß der Armen, Gut mit Wucher und Trug gewunnen, und den Staub des christlichen Volks. E r n h o l d. Das gcscgne ihn'n der Teufel! Hutten. Es seyn auch drcycrlcy Burger zu Rom: Simon, Judas und das Volk von Gomorra. E r n h o l d. Das ist wohl crschrcckcnlich zu hören, aber doch wahr, wiewohl sie die Simoney mit Worten höchlich vordammen, aber mit Werken so üben und brauchen, daß zu Rom gemeiner nichtes ist. Hutten. Indem sie sich voran verhaßt machen bey uns Teutschen, die sic so gar dumm und von Hirn meinen seyn, daß wir zu überreden seyen, wenn man Geld und ctzwas gebe, daß sollichs nit gekauft heisse. Wiewohl sic des doch so öffentlich thund, daß sie auch

die Fucker lassen mit den geistlichen Lehen wie mit an­ derer Kaufmannschatz handclen und Fürkauf haben. Ich selbs (wiewohl das ein klein Sach ist), hab etwann ums Geld von ihn'n gekauft, daß ich uf Fa­ stentage Butter und.Milch essen möcht. Und als ich

darnach gein Rom kummcn, hab ich ein ganze Fasten aus nie kein Fleischbank juschließen gesehn. Za mehr

aoo spelsiten Cardinül dieselbigen Zelt über Fleisch in ihren Hofen ohn Unterscheid. C r n l) o l d. Sollichs haben wir zu Rom gesehen. Was ist aber nächsthin zu Frankfurt geschehen? Mit was großer Beweglichkeit hat das Volk dcsBapstcs gc«

schickte Kuchen verflucht? Dann sie hielten sich nicht nach christlicher Ordnung, sondern aßen die Fasten über allerley Speis, unangcschcn, was gcbottcn oder vcrbottcn ist. Hutten. Als sie basselbig thaten, ließen sie auch desto weniger Duttcrbrief von ihn'n kaufen? Ern hold. Nichts desto weniger; dann in dem behielten sie ihre Weis und Gewohnheit, nichtcs denkend, ob sich das Volk ab ihre bösen Sitten ergcren möch­ te. Denn hatten sie sollichs ansihcn wollen, sic waren also schcinbarlich nit über die Gesetz getreten.

Hutten. Haben sie auch um sollichs Red gehört? Ern hold. Ja von etlichen, und es ist ihn'mit Rufen gesagt worden. Hütte n. Was antworten aber sie? E rN hold. Die teutschen Fisch wollten ihren Ma­ gen nit bckummen. Hutten. Was sagt das Volk darzu? Ern hold. Es glaubt vielmehr, daßsicKarkheit

halber Fleisch essen.

Dann die Fisch waren thcwer.

Hutten. Das reimet sich eben. Wiewohl ich bas nit fast bey ihn zu schelten weiß, so sie doch ihre Bauch zu füllen gedenken, ob sie das mit diesem oder mit jenem thun. Es ist auch die Meinung Christi nie gewest, Unterscheid in der Speis zn haben. Dann er heißt seine Aposteln, was man ihn'Vorsitze, essen, wo­ hin sie summen. So ist das auch nach ihmSantPau-

lus ernstlich Meinung gewest, der spricht: Mit der Speiß mögen wir Gott nit dienen. Und an einem an-

4UX Gern Ort spricht er r Esset alleS, was man am Speis­ markt feil hat, nichts fragende des Gewissens halber.

Dieweil aber Bapste sollich Gesetz haben gemacht, soll­ ten sie und die Ihren uns je doselbst innen Vorgehen, ufdaß sie uns ein Beyspiel und Anweisung waren der Ordnung, die sie gestiftet. So ist es ganz rin Un­ form, was sie selbst ufgcsetzt haben, dasselbig übertre­ ten, und Andern ;u übertreten ums Geld erlauben» Aber wir wollen wieder an die Römischen Dreyfaltigkeit. Du weißt wohl uf was Art sich die Cardinal zu kleiden pflegen, wie sic in langen Scharlach, das ihn'n darhinten nachschleift, reiten, darüber sich auch eige­ ner Diener halten, die nichtes anders zu schaffen haben, dann daß sie den Cardinalen, wenn sie gehen, die Schwan; hinten Nachträgen, und werden darum Caubatarii, das mögen mir Schwanztragcr heißen, ge­

mimt. Uf dasselbig schimpfet Dadi'scns, und sprach; Die Cardinal schleifen drey schädliche Schwanz nach ihn'n; den einen an ihren Röcken, damit sie oft durch Aufweckung des Staubs in ganz Rom der Menschen Augen beleidigen; den anderen ihr Gcsind und Dienst­ volk, dann dasselbig ist gemeiniglich von lautern Bu­ ben, Gassentretern, Ruffiancrcn, heimlichen Mörderen, Buscroncn, Vorrathern, schalkhaftigcn Curtisa« nen, oder aber von Leuten, die sunst übel gesitt, und einen vorleumpten befleckten Haufen. E r n h o l d.

Was besinnest du dich 1

Hutten.

Ich hab des dritten Schwanzes ver­

gessen, aber jetzo kumm ich wieder daruf. Der. dritte Schwan; ist ihre Nahrung und Einkummens. Dann dieweil dasselbig anders nichtes ist dann Betrügercy,

Rauben, Stehlen, vcrschleufen und auskchren sie man­ chem Bidermann sein Armuth mit sollichem Schwanz»

so» 6er, gleich als ob er Gift bey ihm hätte), waS er an»

rühret, vorlippet und letziget.

Dann du weißt wohl,

wovon die Cardinal leben. Ern hold. Daß sie nit von dem Ihren, weiß ich wohl, hab auch im vorgangenen Jahr gar ein jammer« lich Geschrey gehört über des Pabstes Leonis Creatn»

"ren. Einen und dreyßig ganzer Cardinal hat er uf ei­ nen Tag geschaffen, ich glaub aus einem Ey gebrütet, bann sie nenneten alle ein Mutter, die Kirchen. Hutten. Und als er dieselbigen hatte geschaffen, zieret er sobald jeglichen mit newen Schwänzen, thei­ lend unter sie die Land dißseiten des Gebirgs, darin­ nen sie liegen, triegen und bescheißen möchten, das ist geistliche Lehen vorkaufen, oder new Pension ufsetzen. Von welchen Dingen als Vadiseus ein lange Red hett

gethan, und ihn einer fragt, so der Pabst den Cardi­ nälen die Land also zu berauben untergab, was dann er dieweil ihm vorbehalte, da er vor sich raubte? Ant­ wort Vadiseus: Uber das der Pabst eigene Stadt und Land, ein groß und weit Gebiet innhat, so seind noch Eratien, und derselben etzliche, die man Expeetativas nennet. Es ist auch die Vorbehaltung im Her­ zen, pectoralis reservatio genannt, der unziemlichst, fchalkhaftigst, lästerlichst Trug, so je erdacht oder vor-

gewendt ward. E r n h o l d. Wenn ich dieselbigen Reservation nen­ nen hör, werd ich zu Seufzen bewegt. Also ein gro­ ßes Uebel sagt man das seyn. Hutten. Vorwahr als mich bedunkt hat kein Landsbetrieger oder Falsirer einen schändlichern Betrug je erdacht, kein Zauberer ein lästerlicher Gespenst je vorgewendet. Dann sie überwindet alle Betriegerey, geht vor alle Lügen, übertrifft alle Bosheit. Aber ehe ich darvon sage, will rch dir zuvor in der Kürz viele

------ so3---------Ding, damit Rom dlest Nation höchlkch beschwert, an*

zeigen, nit wie dies vom Vadisco geschehen ist (dann dcrselbig hat nichtes ausgelassen), simder so viel mein Gedächtniß hat tragen mögen. Ernhold. Lieber sag her! dann ich hab mir vorgesetzt, meinen Magen, der solliches GrawenS schon entwöhnet was, wiederum uf ein Ncwes zu belä­ stigen, damit wir kürzlich diese unlustigc Speis vor­ schlucken, und den Ruf, damit die alte Wund überzo­ gen war, wiederum abklawben. Sagt nit Vadiscus in sollichcn zum ersten von den Curtisanen ?

Hutten. Von den Curtisanen sagt er wohl viel, aber erstlich was sein Red, was der Pabst und was Andere raubten. Dem Pabst gehören zu die Bischoffsmantel, was er daraus erkaufen mag. Auch ist sein eigen, was vom Ablaß gefallt und was man vor die Dispensation gcin Rom giebt. Item was seine Legaten von der Seiten, im Namen des türkischen Kriegs in

teutschem Land einsammeln; und tyas er mag aus aller­ ley Bullen lösen. Ernhold. Dn darfst hier nit die Unterscheid an­ zeigen. Dann was ist vonnöthcn zu wissen, was ein jeder uns abnahme, oder wie sic unser Gut unter sich theilen. Allein sollen wir unsern Schaden bedenken, und die gemeine Erbarmnüß mit inbrünstigem Schmer­

zen beherzigen, auch gegen dem Unrecht und Gewalt, so uns von den Romanischen geschicht: ob wir mit Ra­ che Abkörung erlangen mögen, sie doch mit Klagen und

Entgegenrufen, die Bitterkeit unsers Schmerzens bezeu­ gend, widerstreben. Und sag erst von den Curtisanen, was dir Vadiscus ein Prediger dieser Tragödien gesagt, auch von dem Römischen Wesen und Stand; als wir auch selbs zum Theil gesehen haben, und oft (nit ohne große Fahr) uns dargcgen hören lassen. Was willt du

ao4 «Bet von ersten, und waS hintennach vorzählen? Und dieweil des Dings viel ist, waS Ordnung willt du

halten? Hutten. Ah! Ordnung? Als ob in follicher Vorkehrung ein Ordnung gehalten werden möge. Ahn das mich eines am meisten bewegt vor allen, darum ich von demselbigen erstlich sagen werde, und ist, daß sie sprechen, uns geschehe nit Unrecht von ihn'n, zei­ gen an ein Bullen, Concordata principum ge­ nannt, welche, obschon nach allem ihrem Inhalt vor­ standen und gehalten, und ihr auch an keinem Ort ent­ gegengethan würde, noch dannocht möcht man sprechen, uns könnt kein schwerer Joch oder schändlicher Bezwang aufgelegt werden. Nun aber wir sehen, sie noch wei­ ter greifen, und auswendig dersclbigen mehr dann über­ flüssigen Unbilligkeit uns beschweren, wie mögen wir dann sagen, sie in ihrer Bosheit einige Maaß halten, oder jemehr denken, daß sie je »feinemZiel, wie weit ihn'n das auch gelegt würde, bleiben werden? Ern hold. Vorwahr sag ich, sie seyn nit teut­ sches Namens, ich gcschwcig fürstlicher Ehren werth ge­ wesen, die anfänglich dicselbigen zwietrachtigen Ein­ tracht mit den Römischen Bischoffen gemacht haben.

Aber wir seyn dreyfaltige Narren, die, ob unser Vorfahrn etzwas geirret haben, das wir kehren mögen,

uns dahin schwatzen lassen, daß wir bey Lebendigen bleiben mit gesunden Augen, und freyem Willen, zu unserm größten Schaden, deSsclbigcn Entgeltung tra­

gen. Und das nit allein, sonder auch lassen wir uns noch täglich mehr und weiter mit Beschwerungen überladen, Hch achte aber, daß sic erstlich nit mit Gewalt oder ungestämmiglich, sunder mit einer Listigkeit und

Kunst zu sollichen Sachen summen seyn.

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Hutten. Wie du sagst. Dann nn'ch auch be» dunkt, der erst Weg zu bekriegen sey gewest angenommene Gottcslicb und fälschlich vorgcwcndtc Andacht. Dann sic haben vergeben, es sey vonnöthen, die Kir« chen in Einigkeit zu behalten, und nfbasselbig die Oberkcit zu diesem ihrem Römischen Bischeff geschoben. Dem haben sie erstlich Macht gegeben, alle Bisthum und fürstlichen Letzen der Kirchen hieanßen, ob die Verwe­ ser zu Rom stürben, zu vorleihen haben; ob die aber bey ihren Kirchen abgingen, zu confirmiren, und erst« lich ohn Geld, darnach dort nach Pension, hieanßen nach des Mantels Bezahlung denken, welche sic dann mit der Zeit beyde erlangt und an sich gebracht haben. Mit diesem Bedacht, daß sie erstlich so ein geringes Geld darauf gesetzt haben, daß cs borachtlich hat seyn mögen, dassclbig darnach je mehr und mehr ersteigt, al­ so, daß zuletzt alle Ding zu vielfaltiglich ausgewachsen seyn. E r n h o ld. Mit sollichcr Schalkheit haben sic es dahin bracht, daß des Mcinzischen Bischoffs Mantel jetzo noch soviel als vor Zeiten gilt. Hutten. Das heißen sie ein Straft Dann in vergangenen Jahren, als ein redlicher Bischoff und der Ehren wohl würdig, gewahlct ward, und leiden möcht, daß ihn ein Römischer Bischoff confirmiret, wollt ihm aber keinem Mantel abkaufen, blieb auch bestandiglich uf dcrselbigcn Meinung, hat ihn der Pabst seiner Zeit mit dem Bann geschossen; aber alle ferne Nachkummen üm daß der Stift Mein; in sollichcn Ungehorsam 8 Geld ersparen, daß du dich für deine Sund lassest mit Ruthen schlagen? Sol. Das ist ein harte Sach. Was wirst du aber darnach mit mit thun?

Cajetan. Dann werde ich dich unschuldig spre­ chen und ganz rein machen. Sol. So wirst du, dem Sprichwort nach, den Sunnen Liecht geben? Cajetan. Ja wie du sagst, wo es mir gefallt, und kraft meiner Facultäten, die mir der zehent Leo gegeben hat. Sol. Welche Gancherey hör ich do 1 Meinst du, jemand, auch von den tödtlichen Menschen, sonarrisch seyn, daß er dich dieses vermögen glaubt, ich gcschweig der Sunnen, die all Ding von oben herab Übersicht. Laß dir ein Purgatz von Niswurz eingcben; dann mich bedunkt, du werdest unsinnig. Cajetan. Unsinnig? Du bist de factoimBann; dann du hast unversamlich zu des Bapstes Legaten gcredt, darmit du in große und unauslöschliche Vermaledeiung gefallen bist. Dcrhalbcn ich dich auch über nit lang offenlich, und mit einem Gcpreng in einer gro­ ßen Versammlung, um daß du mich erzürnet hast, als einen verbannten Mann verkündigen will. Phaeton. Vater, diesenDräwworten sollt ich entgegen farzcn. Dann was sollt ein armes Menschlin gegen den unsterblichen Creaturen vermögen? Sol. Vielmehr wöllen wir ihn verachten, wiewohl sich zu erbarmen,

daß er von Krankheit also un­

sinnig geworden ist. Phaeton. Von was Krankheit? Sol.

Er liegt am Geiz krank.

Dieweil ihm nun

feilt Sach in Teutschland, daß er sich erfülle, nit für sich gehen will, ist er in einen Grimm kommen, und

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nachfdlgens zu Unsinnigkeit bewegt. Aber ich wird sein weite r spotten. Was sagst du, heiliger Vater, wölk­ test du mich also unvcrhört, und ohn Schuld ver­

dammen? C a j e t a n. Wie ich gesagt. So laßt man sie auch nit alle zu Verantwortung kommen, die durch denBapst und feine Legaten verdampt werden. Sol. Das war aber unrecht, wenn es nit von euch beschach. Aber mir (bitt ich) wollest du diesesmahl

genadig seyn, und meine Sund vergeben.

Cajetan. Jetzo redest du recht. Dann wer nit verdampt seyn will, muß Gcnad bitten. Hierum gebiete ich dir, daß du mein hinfür acht nehmest, ich sey wo ich wöll, und jetzo, dieweil ich in Teutschland bin, so mach schöne Tag, und mit Kraft deiner Wörme treib aus die Kalt, die mich jetzo noch mitten im Heumonat

anfichte. Sol. Warum verbannest du denn nit die Kalt? Cajetan. Da lasse mich nachdenken. Du warte deß, so ich dir jetzo befelhe. Sol. Ich hette es vor langem gethan, so bedach­ te ich, daß du viel heimlicher Ding beginnest, die du nit wölltest, daß gemein Volk der Teutschen von dir sehen. Derhakben ich forchte, wo ich klar erschiene, und dieselbigen deine Hcimlicheiten den Augen der Menschen anzcigte, daß cs dir nit wohl ausginge. Cajetan. Wie möchtest du mein Heimlicheit an«

dernjjanzekgcn, so du die selbst nit weißt? Sol. So ich die nit weiß? Meinst du, ich wisse nit, daß du jetzund König Karlen verhindern wisst, daß er nit, nach dem Willen seines Ahnherrn, zu Rö« mischem König gewählte werde? Daß du dich auch fünft viel unterwindest, das wo die Teutschen wüßten.

------ 3oo---------thäten sie nit mehr darju , würden sie doch ufs wenigst

feindlich hassen. Cajetan. Laß sie mich hassen, noch dannoch müs­ sen sie mid) darneben förchten. Wiewohl ich nit haben wollt, daß du soliche Ding offenbarest. Thust du es darüber, so biß (sey) im Bann. Phaeton. Welch einen Tyrannen höre ich da? Cajetan. Auch gebiete ich dir, daß du Pfeil zu­ richtest, und den Teutschen Pestilenz und gahcn Tod zuschiessest, uf daß viel Pfründen und geistlicher Lehen ledig werden, damit sich Pension begeben, Geld gein -Rom gefalle, und auch mir allhier ctzwas werde. Dann es scind jetzo lange Zeit her nit genug Pfaffen in Teut­ schem Land gestorben. Hörest dl., was ich dir sage?

Sol. Fleißiglich. Cajetan. Aber erstlich scheust zu den Bischöffen, daß die Pallia gekauft werden, und triff die Pröbst und reichen Prälaten, ufdaß die newenCreaturendesBapstes zu leben haben. Dann man muß die je ihrem Stand nach bedenken, daß.sie nichtcs mangele». Sol. Soll ich dann Pestilenz machen, so istvonnöthen, daß ich ein Gewölk einführe, Nebel über die

Erden sprenge, den Luft betrübe;

derhalben ich föxch-

te, das Ungewitter werd dir mißfallen. Cajetan. Am fürnehmlichsten will ich, daß Pe­ stilenz sey, damit Pfründen ledig werden. Des Lufts halben, den betrübe so wenig du vermagst; kannst du es aber nit umgehn, so thun das besser und nützlichst. Phaeton. O du verfluchter Böswicht! Jetzo erst hör ich, wo ihn der Schuch truckt, was ihm wohl und was ihm übel thut, was ihn traurig und was ihn fröh­ lich macht. Ginge es ihm mit dem Ablaß nach seinem Willen, so möchte er allerley Luft, Kalt und Ungcwitter leiden. Ich will ihn ansprechen. Höre mich, du

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nnglückhaftiger Mann!

Ein Hirt soll seine Schaf wei­

den, nit ermorden. Cajetan. Was sagest du Kirchcndieb? Was sagst du, boshaftl'ger Fuhrmann, den ich mit Vermaledeyung zertreten und zerknirschen soll, bald jetzo? Wolltest tut mir meine Sachen verhindern?

Phaeton. Fürwahr, ob ich kann, will ich es thun. Dann warum willt du noch ertodtcn die, von denn du ohn das »falle Weg das Geld dringest? Cajetan. Du Vermaledcyctcr, du Uebelthater, du Verdampter, ein Sühn Satanas, wie darfst du mir widerbellen? Ist unrecht, daß ein Hirt die Schof

schirt? Phaeton. Daß er sie schirt ist nit unrecht, dann es thun es auch die guten Hirten; aber dieselbigen schinden und ertödten die nit. Das magst du deinem Dapst Leo sagen, und auch, wo er nit voran mäßigern Legaten ins Teutschland schickte, werde er etwa sehen ein Zusammcnschwörung der Schof wider einen unge­ rechten, ungütigen und blutdorstigen Hirten, und sie vielleicht auch ein billiche und ihn'n gebührliche That thun. Fürwahr singen und sagen sie schon jetzo von deiner Weis, und lasse mich bedunken, sie werden dich

lcnger t& er nicht hab ein Grauen drab, Zu geben hin sein Gut und Hab, Auf daß ein Bischof sey km Land, Den er dann reiten sieht zu Hand, Mit Harnisch, Waffen, wke ein Hild, Dann beten lehren jetzt nicht gilt, Und predigen, zur Kirchen gähn. Dem Bischof je nicht viel zustahn, Wiewohl das war sein Amt und Recht, Man find wohl einen armen Knecht, Der solches alles verwesen thu, Dem eignet man die Kirchen zu. Also die Reichen schämen sich Der Geistlichkeit? das wundert mich! Die armen Pfaffen Arbeit Han, Die reichen sieht man müßig an. Also wir Herren haben g'zeugt Ums Geld, wer anders sagt, der laugt. Die haben jetzt allein den Pracht, Und ist kein Herrschung, noch kein Macht; Es müssen seyn Prälaten da, Ohn die spricht niemand nein oder ja, Wie könnt man auch regieren wohl,

" Wenn wär das Reich nicht Pfaffen voll,

33o Drum steht es auch so wohl im Reich, Und g'schl'cht ei'm jeden recht und gleich. Ach, Herr Eytt, will man sehen nit,

Erleucht die Sinn, ich aber bitt, Daß werd falsch Geistlichkeit erkannt.

Und sey der nicht ein Bischof g'nannt. Der Bischofs Werk mit Nichten pflegt, Allein sein Sach auf Christum legt, Wiewohl em Theil auch Krieger seynd,. Der einer ist dem andern fekyd. Dasselbig ganz der Papst nicht acht, Wann man ihms Geld hinein hat bracht. So leb ein Bischof wie ein Kuh, Da geht dem Papst nichts ah noch zu, Also die Geistlichkeit jetzt staht, Drum geb ein jeder Frommer Rath, Wie sey zu thun in dieser Sach, Daß man uns langer nicht verlach. Sein Volk ein Bischof wählen soll, Der muß seyn aller Tugend voll, Mit Kunst und Weisheit wohl geziert, Dassclbig ihn recht confirmirt, Die Gotteslieb er auch soll Han, Und lassen allen Handel stahn, Damit die Welt bekümmert sich, Das lehrt St. Paulus öffentlich, Und glaub, daß nicht wiß jedermann. Doch wird mans geschrieben finden stahn, Und solls bedenken, das ist Noth, Gott hatt gelitten seinen Lod,

Auf daß er uns in Freyheit setzt, So hat mans Volk so uberschwatzt. Das hat gemehrt der Pfaffen Zahl, Die man für Herren halten fall,

33i Wie fepnb bk Pfaffen aber gethan, Daß seynd die sehn wir müßig gähn. Und treiben Wollust und Gepräng,

Alle Stadt und Flecken machen eng, In langen Schauben, reinem Wadt, Mit Frauen scherzen gehen ins Bad, Das werden geheißen geistlich Leut, Ich ruf euch Teutschen zu der Beut, Doch bitt ich und Kaiser Carle dich, Wöllst dieser Sach genadiglich. Erzeigen dich und hören zu Dann was ich diesen Dingen thu, Soll geschehen alles zu Ehren dir, Dann sonst nicht wollt gebühren mir, Im Reich Aufruhr zu heben an, All freye Teutschen ich vermahn. Doch dir zur Unterthanigkeit, Zu seyn in diesem Schimpf bereit.

Daß geholfen werd dem ganzen Land, Und ausgctrkcben Schad und Schänd, Deß sollt ein Hauptmann du allein, Anhcbcr und Vollender seyn, So will mit allem, das ich mag, Zu Dienst dir kommen, Nacht und Tag, Und begehr von dir deß keinen Lohn, Möcht ich allein erlebet hon,

Daß wird gelegt Beschwerung ah, Darvon ich viel geschrieben hab, In Armuth wollt ich sterben gern, Auch alles Eigennutz entbehr'». So soll man auch hierin kein Ehr, Mir schreiben zu, du bist der Herr,

Und was hierin gehandelt wird, Durch das dein Lob soll werden geziert.

332 Drum hab ein Herz, und schaff ein Muth, Ich will dir rocttcn auf zu gut. Und reißen manchen stolzen Hild, Habs schon ihr vielen eingcbild, Und fehlt allein an dein Gebot, Hilf werther Kaiser, es ist Noth, Laß stiegen auf des Adlers Fahn, Sv wollen wir cs heben an, Der Weingart Gottes ist nicht rein, Viel Ungewächö ist kommen drein. Der Weitz des Herren Wicken trägt. Wer darzu nicht sein Arbeit legt, Und hilft das Unkraut tilgen aus, Der wird mit Gott nicht halten Haus, Wir reuten aus Unfruchtbarkeit, Und thund als Gott hat sclbs gefeit, Au dem der solches rauben pflegt, Da ers Propheten Mund bewegt. Du hast beraubt all Nation, Drum dir auch werden wicderstohn, All Völker überfallen dich, Berauben wieder gewaltiglich. Fürwahr das wird ein gute That, Ich gib all frommen Teutschen Rath, Seyd sich nicht bessert dieser Stadt, Doch halt die Frommen ich bevor, Der greift man keinem an ein Haar; Und die seynd guter Gschriftgelehrt, Ich bitt daß keiner werd versehrt, Und wer ein geistlich Leben führt, In dieser Sach bleibt unberührt, All ding der Papst hat Uebermacht, Mer deS dayn hat zum besten gedacht,

333 Den hat er mit den; Dann erschreckt, Ich hosseS seyen schon erweckt, Viel Teutscher Herzen werden sich, Der Sachen nehmen an als ich. Ich hab je gut Vermahnung gethan. Ich hoff sie lassen mich nicht stahn, Den stolzen Adel ich beruf, Zhr frommen Stadt euch werfet uf,. Wir wollens halten in gemein, Laßt doch nicht streiten mich allein. Erbarmt euch übers Vaterland, Ihr werthen Teutschen regt die Hand, Jetzt ist die Zeit zu heben an, Um Freyheit kriegen, Gott wklls Han > Hör zu, wer Mannes Herzen hat, Gebt förtert nicht den Lügen statt, Damit fie han verkehrt die Welt, Vor hat cs an Vermahnung gefehlt, Und einem, der euch sagt den Grund, Kein Ley euch damals weisen kund, Und waren nur die Pfaffen gelehrt, Jetzt hat uns Gott auch Kunst beschert. Daß wir die Bücher auch verstahn, Wohlauf, ist Zeit wir mässen dran. Da uns die Geschrift noch unbekannt, Da Hattens alls in ihrer Hand, Und was sie wollten, was der Glaub, Das Volk sie machten blind und taub, Ward bald ein schlechter überredt, Die Wahrheit schmählich untertrett. All Predig was apf ihren Nutz, Da leid die Wahrheit machen stutz, Dann wer die sagen wollt und lehrt, Ward von demselben bald geführt,

334 Als Hußen g'schah im Böhmer Land, Den habents für ein Ketzerbrand,

Und daß er bleib auf Christi Lehr, Und acht nicht auf der Pfaffen mehr. Sagt von dem Geitz und Uebermuth, Unkeuschheit, und der Kirchen Gut, Von Gewalt des Papsis, der ihm nicht ziemt, Und was er von den Christen nimmt, Und wie das Geistlich Recht gesetzt, Dadurch die heilig G'schrift verletzt, Solch's was die Wahrheit, ist's auch noch, Die, Pfaffen werden Zornig doch, Huß war citirt, und kam bereit, Der Kaiser Sigmund gab ihm G'lcit, Und hielt ihms als noch mancher thut, In dem nicht ist ein fürstlich Muth, Dpch hieß ihn solchs der Pfaffen Rath, Der Christum auch verdammet hat, Sie sprachen, er war schuldig Nit, Zu theilen Ketzern Glauben mit. Wiewohl man den ei'm Feind als wohl, Als guten Freunden halten soll, Drum war er geweßt ein Ketzer schon, Man hatt ihm das unbillig gethon, Also ist Hußen worden g lohnt, Hieronymo ward nicht verschont, Und daß er hatt ein gleiche Sach, Seither hat niemand gewollt hiernach, Und förchten all des Feuers Pöcn, Dis jetzund unser rufen zween, Wer weiß, was jedem ist beschert, Wir haben je viel Leut bekehrt. Darum ich hoff, es hab nicht Noth, War mir dann schon gewiß der Tod,

335 Noch wollt ich als ein frommer Held, Bey Wahrheit fetzen Spieß und Schild,

Und den Tyrannen widerstreben, Vor welches, niemands frey mag leben. Die schrecken uns mit ihrem Bann, Denn mancher förcht, und geht von dann, Ich bin deß aber nicht gesinnt, Wiewohl ste handle» fast geschwind,

Nicht daß ich Gottes Straf veracht, Ich sprich, ihr Bannen hab kein Macht, Dann wie kann andre strafen der Ist selbst von den Sünden schwer, Und stoßen mich vons Himmels Thron,

Derselbest ist so weit darvon, Doch habens lang die Leut bethört, Und wer von Dannen hat gehört,

Der ist von Schrecken worden kalt, Damit sie b'hielten ihrett Gewalt, Und haben oft durch Bannes Kraft, Viel Nutz und großen Frommen g'schafft, Um Geldes willen, und um Gut, Den Bann man jetzund üben thut, Das ist nicht recht, und wider Gott, Dann Bannen ist die letzte Noth, Wann helfen will, kein