Das Theater des Herrn Diderot: Teil 2 [Reprint 2022 ed.] 9783112666647, 9783112666630


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German Pages 245 [484] Year 1760

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Table of contents :
Der Hausvater. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen
Personen
Der Hausvater. Ein Schauspiel
Erster Aufzug
Zweyter Aufzug. Der Hausvater. Cäcilia. Jungfer Clalrer. Herr Le Bon. Ein Bauer. Frau Papillon eine Putzhändlerin, mit einer von ihren Arbeiterinnen. La Brie. Philipp, Bediente die zur Aufwartung hereintreten. Ein Mann in schwarzem Kleide, der das Ansehen eines verschämten Armen hat, und es wirklich ist
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
Von der dramatischen Dichtkunst. An meinen Freund Herrn Grimm
Einleitung
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Das Theater des Herrn Diderot: Teil 2 [Reprint 2022 ed.]
 9783112666647, 9783112666630

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Theater der

Herrn Diderot. Aus dem Französischen.

Zweyter Theil.

Berlin, bey Christi«« Friedrich Baß 1760.

Der

Hausvater. Ein Schauspiel in fünfAufzügen. Aetatis- cuiusque notandi sunt tibi, mores, Mobilibusque decor natüris dandus & annis, Herat, de arte paet.

Zwenrer Theil.

A

Personen, Herr d'S-rbesssn, der Hausvater. Herr d'2lulnoi, Lonrmrhur, und Schwager des Haus­ vaters. Saint-Albin. Sahn des Hausvaters. Lacilia, des Hausvaters Tochter. Sophia, eine junge Unbekannte. Germeuil, Sohn de6 verstorbenen Herrn von **, ein Freund des Hausvaters. Le Bon. Haushofmeister. Jungfer Llairet, Kammerfrau der Cäeilia. L« Brie und Philipp, Bediente des Hausvaters. Deschamp. Bedienter des Germeuil. Fr. Hebert, Sophiens Wirthin. Fr. Papillon; Puhhandlerin. Eine von den Arbeitsmadchen der Fr. Papillon. M * * * ein verschämter Arme. Ein Bauer. Ein Gefreyter. Nebst andern Bedienten auS dem Hause.

Die Scene ist zu Paris, in dem Hause des Herrn d'Orbesson.

Der

Der

Hausvater. Ein

Schauspies.

OaS Theater stellt einen GesellschaftSfaal vor, Ote mit Tapeten, Spiegeln, Gemälden, Uhren rc. ausgezieret ist. GZ ist der Saal des Hausvaters. ES ist tief in der Nach:; zwischen fünf und sechs Uhr des Morgens.

Erster Auftug. Erster Auftritt. Der Hausvater. Cacilia*

Der Lonunrhur. (vermeml.

uvLrderst des Saales erblickt man den HauSvater, der mit langsamen Schritten auf und nieder gehet Er läßt den Kopf hangen, hat die Arme in einander Ar geschl«

S

) 4 (

geschlagen / und scheinet in sehr riefen Gedanken zu seyn. Tiefer hinein, neben dem Camine, der an einer andern Seite deö Saales ist, sitzen der Commrhur und seine Nichte, und spielen im Dreie. Hinter dem Commthur, dem Feuer ein wenig naher, sitzet Germeuil ganz nachläßig in einem Lehnstuhle, und hat ein Buch in der Hand. Er unterbricht sein Lesen von Zeit,zu Zeit, und wirft zärtliche Blicke auf Cäcilien, wenn.sie eben mie ihrem Sviele-beschäftiget ist, und auf ihn nicht Acht haben kann. Der Commthur merkt, was hinter ihm vorgehet; und dieser Argwohn hält ihn in einer beständigen Unruhe, -ie sich ans seinen Bewegungen wahrnehmen laßt. Läcilia. Was ist ihnen, Leer Coinnithur? Sic scheinen mir unruhig. Der Lommrhur. Nichts, Mnhniche», Nichts. (Die Lichter wollen eben auSbrennen, der Commrhur sagt daher zu Germeuil:) Mein Herr, wollten Sie wohl klingeln? (Germeuil gehet klingeln.- Der Commthur be'dier net sich dieses Augenblicks, den Lehnstuhl deö Ger­ meuil anders zu rücken, und ihn mehr gegen das Bret zu kehren. . Germeuil kömmt wieder, rückt seinen Lehnstuhl

) r c Lehnstuhl wieder an die alte Stelle, und der Commr tljur sagt zu dem hereinrretendenBedienten:) £id)tCt I (Oaö Spiel geht unterdessen seinen Gang. Dep Commrhur und seine Nichte werfen eines ums andere/ und nennen ihre Würfe) Der Lommchur. Scrmeuil.

Sechse, fünfe.

Das ist nicht schlimm.

Oer Lommchur.

Mit diesem binde ich.

Und diesen muß ich verlanffcn. Läeilm.

Und ich, lieber Vetter, strafe

Sie ihn drey.

Denn sechse, und fünfe

sechse —

Der Lommchur.

du GmniuiKn) O mein

Herr, müssen Sie denn auch immer ins

Spiel reden? Läcilia.

Das sind drey I —.

Der Lommrhur. Sowas zerstreuet mich; Ulid daß man mir da über die Achseln guckt,

das kann ich auch nicht wohl leiden.

Läcilia. (rohst) Viere, drey. Ist zu. Zwey fürs Zumachen; und vorhin drey, macht

) 6 ( Der Commrhur. (noch immer tu Gcrmeuilen)

-Haben Sie doch die Gute, mein Herr, und. Sie werden mir

setzen Sie sich anders.

einen grossen Gefallen erweisen.

Zweyter Auftritt. DerHauovacer. Der Lomrmhur. Cacilia. Sermeuil.

Der Hausvater.

La Brie. Sind sie zu unserm,

sind sie zu ihrem Glücke geboren? —

Ach,

vielleicht zu keinem von beiden. (La Brie brniflt frische Lichter, unD stellt sie bin, wo sie fehlen. Indern er wieder heraus Lehen Witt, ruft ihn,der Hausvater:)

La Vrie!

La Brie. Mein Herr?

Der Hauevater (nach einer kleinen Pause, wah­ rend welcher er noch nachsesonnen und auf und nieder

LkZanLen.) Wo ist mein Sohn?

La Brie. Er ist ansgegangett.

Der Hauevarer. Wenn? La Bl-Le. Ich weis nicht, mein Herr. Der

) 7 c Der Hausvater

(abermals eine Pause) Und

ihr wißt auch nicht, wo er hingegangen ist?

La Brie. Nein, mein Herr. Der Lommthur. Der Schurke weis sein

Tage nichts.

Alle dreyen.

Cäeilia. Lieber Herr Vetter, Sie geben auf ihr Spiel nicht Acht.

(spöttisch und auffahrend)

Der Lomrmhur.

Mühmchen, geben Sie doch nur auf ihres

Acht.

Der Hausvater. Gum La Brie- noch immer uachsinnend und auf und nieder gehend) Hatte er euch verbothen, ihm-nachzufolgen?

La Brie (thut als ob er es nicht verstanden hätte.) Mein Herr?

Der Lomntthur. Darauf will er nichts antworten.

Alle As.

Der Hauovarer. Dauert das schon lange so?

La Brie (Der nochmals thut, als ober es nicht

verstanden hätte.) Mein Herr? A 7

Der

) 8 ( Der Lommchur. Auch darauf antwortet

er nichts.

Wieder alle As.

Nichts als

verdammte kleine Dubletten! Der Hauevarer.

Wie lang wird mir

diese Nacht!

Der Lommchur. Noch einen solchen Wurf, und ich bin weg.

Da ist er! du (Stvmeuilen)

Lachen Sie immer, mein Herr. Zwingen Sie sich nicht. Germeuil treten, naher

zu denr Hausvater-)

Dritter Auftritt. Der ^ausvarer. Läcilia.

Der Lomnrrhur.

Germeuil!

Der ^aüsvacer. In welche Unruhe fetzt

er mich! Wo ist er? Was mag ihm begegn net seyn?

Der Lommchur. Und wer weis das? — Aber für diesen Abend haben Sic sich nun

gequält genug.

Wenn Sie mir folgen, so

gehen Sie i«r Ruhe.

Der

) 9 ( Der Hausvater.

Mit der Ruhe ist es

für mich gethan.

Der Lpmmrhur. Wenn es für Sie da-' mit gethan ist, so ist c5- ein wenig ihre Schuld, mehr aber noch die Schnld mei­

ner Schwester.

So eine vortreffliche Frau,

die Kinder zuverderben, Gott habe sie fertig ! war auf der Welt nicht. Lacilia. (p-inuch) Lieber Herr Vetter. —

Der Lommthur. Ich mochte euch beidcir so ost zurusen, als ich wollte: Nehmt euch

in Acht, ihr verzicht sie —

Läcilia. Herr Vetter —

Der Lommthur. Itzt seyd ihr in sie ver­ narrt, da sie noch klein sind.

Laßt sie nup

groß werden, und ihr werdet schon dafür leiden müsse».

Lacilia. Herr Commthur — Der Lommthur.

Ja! Ja! Hört ei»

Mensch hier auf mich?

Der Hausvater. Er kömmt noch nicht. A f

Der

)

IO

(

Der Lommkhur. Was hilft das Seufzen, das Aechzen? Itzt müssen Sie zeigen/ wer Sie sind. Die Zeit des Verdruß es ist ge­ kommen. Haben Sie ihm nicht verbauen könne» / so lassen Sic wenigstens sehe»/ ob Sie ihn zu ertragen wissen — Unter uns gesagt/ ich zweifele noch sehr daran — (tie Uhr schlägt sechs«) Aber das schlagt schon sechse? — O irh bin müde. — Es reißt mich in den Füssen, als ob ich mein Poda­ gra wieder bekommen sollte. Ich kann Ihnen nichts helfen. Ich will mich in mei­ nen Schlafüelz einwickclu, und mich so in den Lehnstuhl werfen. Guten Morgen Herr Bruder — Hören Sie nicht? DerHausvarcr. Guten Morgen Herr Comnithur. Der Lommrhur (im Abg-ben.) La Brie! La Brie t.ton inn«n) Mein Herr. Der Lommrhnr. Leuchte mir! Und wenn mein Vetter endlich zu Hause ist, so komm und melde mirs. Vier-

)

II

c

Vierter Auftritt. Der «Zauovaeer. Läcilia. Gcriiicuil. Der als Sie für die meinige zu feyit> die Gütig­ keit haben — Der Hausvater. Ich will ausbleibcit, Ich muß ihn durchaus sprechen. «Läcilia, Mein Bruder ist ja kein Kind mehr.

A 6

Der

)

ir

(

Der Hauevr.rcr. Wer weis wie viel Un­ glück sich in einer Nacht kann zugctragcn haben? Läcilia. Mein Vater — Der Hausvater. Ich will ihn erwarten. Er soll mich sehen. (Indem er sein« Hände zärt­ lich auf die Schultern seiner Tochter legt.) Geh, meine Tochter, geh. Ich weis, baß du mich liebst (Cacilia. geht ab. Germenil macht sich gefaßt/ ihr zu folgen; der Hauörater aber halt ihn zurück unfr sagt:)

Verziehen Sie, Germenil.

Fünfter Auftritt. Der Haurvacer.

Germenil.

(Diese Scene gehet langsam.) Der Hausvater' (als ob er allein wäre, ins Sem er Cäcilien nachsiehet.) Ihr Charakter hat

sich ganz geändert. Alle ihre Munterkeit, ihre Lebhaftigkeit ist weg — Ihre Reihe verschwinden. — Sie leidet. — Ach , seit dem

dem ich meine Frau verloren habe, und seit dem der Commthur bey mir eingezogcn ist, hat sich alles Glück von mir entfernt.' — Wie theuer laßt er meinen Kindern das Glück r» stehen kommen, das er ihnen vcrspricht! — Seine chrgciyigcn Absichten, und das Ansehen, das er sich in meinem Haust genommen hat, werden mir von Tag zu Tag unerträglicher. — Wir lebten in Feie.' de und Einigkeit. Die unruhige und tyran­ nische Gemüthsart dieses Mannes hat uns alle entzweyct. Map fürchtet sich vor ein­ ander, man vermeidet einander; man ver­ laßt mich, und mitten in.dem Schoosse mciller Familie möchte ich vor Einsamkeit umkommcn — Aber eben »vird der Tag au, brechen, und mein Sohn kommt 'noch nicht. — Gcrmcuil, meine Seele ist voll der bittersten Leiden. Ich kann meinen Stand nicht langer ertragen. cöermenil. Sie, mein Herr? A7 Der

)

M

(

Der Hausvater. Ja, Germcuil. Gcriucuil. Wen» Sie nicht glücklich find, welcher Vater ist es jemals gewesen? Der Hausvater. Keiner. — O mein Freund, die Thränen eines Vaters fliesse» oft in geheim. —(Er stuft,«;er weinet.) Du sichest die meinigen. — Ich zeige dir mei­ nen Schmerz. Germcuil. Mein Herr, was soll ich thun? Der Hausvater. Ich glaube, du wirst ihn linder» können. Gcrnicuil Befehlen Sie. Der Hausvaccr. Ich will nicht befeh­ le». Ich will bitten. Ich will sagen: Germeuil, wenn ich mich deiner cinigcrmasscn angenommen habe; wenn ich dir, von deiner zartesten Kindheit an, einige Zärtlich­ keit bewiesen habe, und wenn du dich des­ sen erinnerst; wenn ich zwischen dir und meinem Sohne nie einen Unterschied gemacht habe;

's c habe; wenn ich das Andenken eines Freun­ des in dir verehret habe, der mir immer gegenwärtig ist, und mir es immer seyn wird — Ich betrübe dich ; verzeihe; cs ist das erstemal in meinem Leben, und es soll das letztemal sey». — Wenn ich cs au nichts fehlen lassen, dich von dem Tlcnd? in retten und die Stelle eines Vaters bey dir zu vertrete»; wenn ich dich, auch wider Willen des Commthurs, den« du mißfällst, bey mir behalte» habe; wen» ich dir itzt mein ganzes Herr eröffne: so erkenne meine Wohlthatcn und erwiedere mein Vertrauen. Germcuil. Befehlen Sie, mein Herr, befehlen Sie. Der Hausvater. Weißt du nichts von meinem Sohne? — Du bist sein Freund; aber du mußt auch der meinige sey». — Rede!- Schenke mir meine Ruhe wieder, oder nimm mir sie ganz. — Weißt du nichts von meinem Sohne?

) 16 c Sermeuil. Nein, mein Herr. Der Hausvater. Du bist ein wahrheit­ liebender Mann, und ich glaube dir. Aber nun bedenke, wie sehr deine Unwissenheit meine Unruhe vermehren muß. Wie muß die Aufführung meines Sohnes seyn, wenn er sie vor einem Vater verbirgt, dessen Nach­ sicht er so oft crsahrcir hat; und wenn er dem cinzigcn Menschen, den er liebet, ein Geheimniß daraus macht? — Germeiiil, ich zittere; das Kind wird mir — Sermeuil. Sic sind Vater; ein Vater macht sich leicht schlinrme Gedanken — Der Hauovacer. Du weißt nicht, aber du sollst es gleich erfahren, und selbst urthei­ len, ob meine Furcht übereilt ist. — Sage mir, hast du nicht bemerkt, wie sehr er sich seit einiger Zeit verändert har? Sermeuil. Ja; aber zu seinem Besten. Er macht sich weniger mit seinen Pferde», mit seinen Leute», mit seiner Equipage zu thun;

) 17 C thun; er denket weniger auf seinen Putz. Er hat keine von den Grillen mehr/ die Sie ihm nicht selten vvrwarffen. Er hat an allen Zerstreuungen seines Alters einen Eckel bekommen. Er fliehet seine gefälligen, kleinen Freunde. Er bleibt gern ganze Tage in seinem Cabinet. Er liefet; er schreibt cr denket. Desto besser; Er hat das von selbst angefangen, was Sie doch einmal, über lang oder über kurz, von ihm würde» gefordert haben.

Der 37

c

Wenn Sie ihre offne Unschuld, ihre Hold-' secligkei't, ihre Bescheidenheit sehen wer­ den—"Sie crinncrn sich noch wohl Mam­ inas ? — Sie seufzen! Nun da; cs ist ihr vollkommenes Ebenbild.— O Papa, spre­ chen Sic sie immer; und wenn Ihnen ihr Sohn eilt einziges Wort gesagt hat, das Nicht — Oer Hauevaccr. Und auch-von der Frau, die bey ihr ist, hast du nichts erfahre» kön­ ne»? Sc. Albin. Auch sic, leider, ist eben so zu­ rückhaltend als Sophia! Alles was ich aus ihr habe bringen können, ist, daß das Kind aus der Provinz hierher gekommen, um bey einem ihrer Anverwandten Hülfe zu suchen, der sie aber weder sehen, noch ihr bey­ springen wollen. Diese Nachricht war mir dazu gut, daß ich ihr Elend erleichtern könnte, ohne ihre zärtliche Denkungsart zu deleidigen. Ich habe dem Gegenstände meiB 7 ncr

) 3S

C

ner Liebe Gutes erzeigt, und niemand weis davon, als ich. Der Hansvarer. Hast du ihr deine £(f# be entdeckt? Sc. Albin, tlebhafc) Ich mein Vater? — Ich konnte den Augenblick, da ich es end­ lich wagen dürste, noch gar nicht absehcn. Der Hausvater. Du glaubst also wo Hb Nickst, daß du wieder geliebt wirst? Sc. Albin. Verzeihen Sie mir — Ach, daun und wann habe ich cs geglaubt! — Der Hausvater. Und ans welchem Grunde? Sr. Albi». Ich schloß es ans Kleinig­ keiten, die sich besser empfinde», als sagen lassen. Zum Exempel, sie nimmt an allem, was mich betrist, Antheil. So ost ich ehe­ dem kam, heiterte sich ihr Gesicht ans; ihr Blick ward lebhafter; ihre Mnnterkcir stieg. Es schien mir, als hatte sie mich erwartet. Oft hat sie mich wegen meiner Arbeit, die mir

)

39 C

mir den gniijeit Tag wegnchme, beklagt. Ost hat sie die ihrige bis spat in die Nacht verzögert, um mich desto langer auszuhab feil— Oer «Zauevater. Du hast mir doch alles gesagt? Sr. Albin. Alles. Der Hauevarcr. (nach einer Panft) Geh zur Ruhe. — Ich will sie sehen. Sr Albin. Sie wollen sie sehen? — Ach, mein Vater, Sie wollen sie sehen? — Aber bedenke» Sie, daß eö keinen Verzug leidet. Der Hausvater. Gehe, und errvthe, daß du dich um die Unruhe, die mir deine Aufführung gemacht hat, und noch machen kann, so wenig bekümmerst. Sr. Albin. Ich werde ihnen keine mehr mache».

Achter

) 40 C

Achter Auftritt. Der Hausvarcr allein. Ehrlich, tugendhaft, arni, jung, rci'tzend— alles, was wohlerzogene Seelen zu fesseln vermag. — Kaum bin ich von einer Un­ ruhe beftcyt, so falle ich in eine andere.— Welch Schicksal.' — — Doch! vielleicht beunruhige ich mich z» früh. — Ein hitzi­ ger, eingenommener, junger Mensch vcrgrvsscrt,. übertreibt alles. — Ich muß sehen. — Ich muß das Mädchen hohlen lasse»; ich muß sie Horen, und mit ihr spre­ chen— Ist sie so, wie er sie abmalt, so kann ich sic vielleicht auf meine Seite brin­ gen, es ihr so nahe legen — Waö weis ich?

Neunter Auftritt. Der Hausvacer.

Der Lommrhrrr, am

Schlafrocke und in der Nachtmütze.

Der Lommthur. Nun, Herr d'Orbess»n,

)

41

(

so»/ Sie habe» ihren Sohn gesprochen? Wie ists mit ihm? Der Hausvater. Sie sollen- alles erfah­ ren, Herr Commthur. Kommen Sie herein. Der Lommthur. Noch ein Wort, wenn Sie so gut seyn wollen Was gilts, ihr Sohn hat sich in ein Abcntheur eingelas­ sen, das Ihnen Verdruß über Verdruß machen wird? Nicht wahr? Der -Hausvarer. Herr Bruder — Der Lommrhur. Und damit Sie sich künftig einmal nicht mit der Unwissenheit entschuldigen können, so incldc ich Ihnen fein, dgß ihre liebe Tochter und der Getmeuil, den Sie wider meinen Willen im Hause behalten, cS bald auch nicht werde» fehlen lassen. Ihnen, wenn Gott will, so viel Aergerniß j» machen, als nur immer — Der Hausvater. Herr Bruder, wollen Sie mir denn keinen Augenblick Ruhe gön­ nen? Der

) 4-

l

Der Loinnrrhur. Sie lieben sich: das sage ich Ihnen nur. Der Hausvater, das wollte ich. — -

(ungeduldig) Je NUN,

Der Commthur. So wünsche ich Glück! Sie könne» sich beide weder leiden, noch »leiden. Sie ranke» sich ohne Unterlaß, rind stehen doch immer gut zusammen. Sie wollen fiel) oft über ein Nichts die Augen auskratzen, und haben sich doch, rum Schutze und zum Trutze, wider alle und jede mit einander verbunden. Wage' eS einer einmal, und tadele an einem von ihnen die Fehler, die sic sich unzähligmal selbst vorwerffcn: er wird ankommen! — Machen Sie ja, daß die Leutchen von ein» ander kommen ; ich sage es Ihne». — Der Hauovarer. Kommen Sie, Herr Commthur, kommen Sie! Kommen Sie herein, Herr Commthur! Ende des ersten Aufzuges. ZwWr

) 4i c

Zweyter Aufzug. Der vjiiuevrttcv. Läcilia. Jungfer €laii ter. «Zerr Le Bo». Ein Bauer. Fran P^ptUoil/

eine Putzhändlerin, mit einer von ihre»

La Brie.

Philipp, Bediente Ein Mann in schwarzem Rleide, der da- Ansehen eines

Arbeiterinnen.

die zur Aufwartung hereintrcten.

verschämten Armen

hat, und es

wirklich ist.

(Alle diese Personen kommen eine- nach der andern

hei ein.

Der Bauer steht, und har sich vorwärts auf

seinen Stock gelehnt,

Fran Pavillon sitzt in einem

Lehnstuhle,und wuscht sich das Gesichte;

ihrLadeirr

Mädchen steht neben ihr, und hält eine kleine Pappen»

schachtel unter dem Anne.

Herr leBon hat sich nach-

laßig aufs Canapee geworfen.

Der schwarz gekleidete

Mann hat sich bey Seite gemacht, und steht in einem Winkel neben dem Fenster

La Drie ist in der Weste

und in Haarwickeln. Philipp ist angekleidet.

La Drie

geht um ihn herum, und sieht ihn ein wenig spöttisch an; da unterdessen Herr le Don das Ladenmädchen der "Frau Papillon mit seinem Fernglase untersucht. Oer Hausvater tritt herein, und. alle stehen auf. 3hm

) 44 c Ihm folgt feine Tochter, und vor seiner Tochter geht ibie .föinimerfrau her. Die DaS Frühstück ihrer Gebiethet in trägt. Jungfer Clairet niest im Doibrip gehen gegen Die Frau Papillou, auf eme gnädige Art. Sie sehr das Frühstück auf einem kleinen Tische cnf. Cäcilia lässt frd) auf Der einen Seite dieses Tisches mer der. Oer Hausvater fitzet an der andern Seite Dessel­ ben. Jungfer Clairer s eher Hutter dem Lehnstuhle ihrer Gebierherin. Diese Scene bestehet aus jmen rugleich mit einander lauffenden S-enen. Cäciliens Scene wnd mit leiser Stimme gesprochen.) Der Hauevarer.

(rum Dauer) §th, ftyh-

ihr der, der meinen Pachter zu Limeuik überbietet? Ich bin mit ihm rrrfriederr. Er ist ein ordentlicher Maim.

Er hat Kinder.

Es ist mir gar nicht unangenehm, daß man bey mir etwas vor srch bringt.

Ihr könnt

nur wieder gehen.

(Jungfer Clanet winkt Der Frau Papillrn näher zu kommen.) Cäcilia. (znr Frau Papillon leise) Bringt Sic mir was hübsches? Der

)

4f

Der Hausvater.

(ju

C stimm Haushofmeister)

Nun, Herr le Bon? Was ist vorgefallcn? Frau

Papillo».

(leise zu Cäcilien)

Sie

foKc» gleich sehen, Mademoiselle. Le Bo».

Der Schuldner, dessen Ver­

schreibung schon seit einem Monate gefällig

ist, bittet noch mit eine fui'jc Nachsicht. Der

Hausvater.

Die

Zeiten

sind

schwer; sehe Er ihm immer noch nach. Wir wollen lieber eine kleine Summe zu ver­

lieren wagen, als ihn zu Grunde richte».

(Während dein Verfolge dieser Scene legen Frau Papillen und ihr Mädchen, die fremden Stoffe und Zeuge auf den Stühlen aus. Cäcilia trinkt ihren Caffee, betrachtet, bUliget, verwirft, laßt bey Seite legen:e.) Le Bon.

Die Handwerkslcnte, die an

ihren Hanse zu Orstguy arbeiten, sind da.

Der Hanevarer.

Mache Er ihre Rech­

nung.

Le Bon.

Ich glaube nicht, daß so viel

in Lasse ist.

Der

) 46 < Der Hausvarer. Dem ohngcachtet; ihre Bedürfnisse sind dringender als meine, und es ist besser, daß ich mich behelfe, als sie. (zu Cäcilien) Cacilia, vergiß meine Mün­ del nicht. Vielleicht ist unter diesen Waa, ren etwas für sie. (Hier wird er de; verschämten Armen gewahr. Er stehet eilfertig auf, gehet ihm entgegen, und sagt leise zu ihm:) Verzeihen Sie, mein Herr; ich habe Sie nicht gesehen. — Häußlichc Angelegenheiten haben mich verhindert. — Ich habe Sie ganz vergessen. — (Indem er das sagt, zieht er einen Deutel heraus, den er ihm heimlich zusteckt; und unterdessen, daß er ihn begleitet, und wieder kömmt, ruckt die andre Sce­ ne weiter.) Iungfer Llairer. Das Muster ist aller­ liebst.

Läcilia. Wie theuer das Stück ? Frau Papttlon. Zehn Louisdor, aufs genauste.

Iungfer

) 47 c Jungfer Clairer. Da» laß ich gelten. (Cacilia bezahlt)

Der

Hausvater

(indem er wieder kömmt,

leise,und in einem mitleidigen Tone:) Eine Familie

ru erziehe»; seinem Stande sich gemäß zu halten, — und nicht» dazu z» haben! Cacilia. Was ist in der Schachtel? Das Ladenmädchen. Es sind Spitze» drin». (Sie macht die Schachtel auf) Cacilia, (lebhaft) Nein, nein, ich will sic nicht sehen. Adieu, Frau Papillon. (Jungfer Clairer, Frau Papillon, und das Laden­ mädchen gehen ab.)

La Bon. Der Nachbar, der auf da» Stücke Landes die Ansprüche wider Sie tnacht, würde vielleicht abstehen, wenn Der Hausvarer. Ich will mich nicht beraube» lassen. Ich will »leinen Kindern, einem geitzigcn und ungerechten Manne zu gefallen, nichts vergeben. Alles was ich thun kann, ist, daß ich ihn«, wenn er will, f»

) 48 c

so viel abtrete, als mich der Proceß vhngcfehr kosten könnte. Sehe Er zu. (Herr le Bon geht ab. DerHauövater ruft ihtt wieder zurück und sagt:)

Weil ich daran denke, Herr le Bon. Er vergißt doch nicht die Leute aus der Pro»inj ? Ich höre, daß sie eines von ihren Kindern hierher geschickt haben. Suche Er doch zu erfahren, wo es ist. (Zu la Brie, der in dem Saale auftaumt.)

Ihr könnt nicht langer in meinen Dien­ sten seyn. Ihr habt von dem unordentli­ chen Leben meines Sohnes gewußt. Ihr habt mich belogen. In meinem Hanse muß man nicht lügen. Cacilia. (die für ihn bitten loi(l) MeiliMe ter — Dee ^auevarer. Cs ist freylich sonder­ bar. Wir verschlimmern sie selbst. Wir machen sie selbst zu schlechten Leuten; und wenn wir sie als solche finden, sind wir noch mige-

-1)

49
t«r Theil. F Sophia.

)

122

(

Sophia, (nachdem sie einen Augenblick stille geschwiegen) Mademoiselle, was soll ich Ihne» sage»? Sic sehe» meinen Jammer. Er übersteigt meine Kräfte. — Ich liege z» ihren Füssen; und ich muß da sterben, oder Ihnen alleszu danken haben. — Ich bin eine Unglückliche, die Zuflucht sucht. — Vor ihrem Oheim, vor ihrem Bruder fliehe ich. _ Vor ihrem Oheime, den ich nicht kenne; den ich niemals beleidiget habe; vor ihrem Bruder — Ah, von ihm hätte ich mein Leiden am wenigsten erwartet! Was wird ans mir werben, wenn Sie mich ver­ lassen? — Sie werden ihre Anschläge gegen mich auöführeu. — Stehen Sie mir bey. Retten Sie mich — Retten Sie mich vor ihnen. Rette» Sie mich vor mir selbst— Sie wisse» nicht, was so eine wage» kau», die sich vor der Schande fürchtet, und die man in die Nothwendigkeit setzet, das Leben ;« hasse». — Ich habe mein Unglück nicht gesucht;

) l-; c gesucht; ich habe mir nichts vorzuwerfen— Ich arbeitete; ich hatte Vrvd, und ich lebte ruhig. — Die Tage des Schmerzes sind ge­ kommen. Es sind die Ihrigen, die sie über mich gebracht haben; und ich werde Zeit Lebens weinen müsse», weil sic mich gekannt haben. Eacilia. Wie schmerzt Sie mich! — O wie boshaft müssen die sey», die sie plagen können! (Hier tritt in dem Herzen der Cäcilia das Mitlei-

den an die Stelle der Unruhe,

Sie neigt sich, neben

Sophien, ül'cr die Lehne eines Stuhls, und diese führt fort )

Sophia. Ich habe eine Mutter, die mich liebt. — Wie werde ich wieder vor ihr er­ scheinen? — Mademoiselle, erhalten Sie einer Mutter ihre Tochter; ich beschwöre Sie bey der ihrigen, wenn Sic noch eine haben. — Als ich sie verließ, sagte Sic: Engel des Himmels, nehmt dieses Kind mir F ter

)

i24

c

ter Client Schutz und Begleitet eö! — Wenn Sie ihr Herz vor dem Mitleiden verschliessen, so hat der Himmel ihr Gebet nicht erhöret, und sie wird vor Gram sterben. — Reichen Sie einer Unterdrückten die Hand, »nd sie wird Sie Zeit ihres Lebens fecgneii. —Ich vermag nichts, aber es ist ein Wesen., wel­ ches alles vermag, «nd Bei/ welchem die Merke der Erbarmung nicht verloren sind. — Mademoiselle. (Cäcilia nähere sich ihr, und reichet ihr die Hände)

Cacilia. Stehen Sie auf — — (Dcvmeuil du Cäcilien) Ihre Augen schwim­ men in Thränen. Die Unglückliche hat Sie gerühret. Cacilia, du Ecrmenil)

Was haben Sie

gethan l Sophia. Gott sey gelobet, 'es sind nicht alle Herzen verhärtet! Läcilia. Ich kannte mein Herz. Ich wollte Sie darum weder sehen noch hören— Liebens-

)

(

Liebenswürdiges und unglückliches Kind, wie heissen Sie? Sophia. Sophia. Cacilia (umarmt sie.) Kommen Sie, Sophia. (Germeuil wirft sich Cäcilien zu Füssen, ergreift ihre Hand, und küsset sie, aber ohne etwas zu sagen.) Cäeilia. Was wollen Sie noch von mir? Thue ich nicht alles, was Sie verlangen? (Cäcilia gehet mit Sophien zu hinterst des Saale-, und übergicbt sie &a ihrer Kammerfrau.) Germeuil. (indem er anfsieher) Ich Uttbcfott? nener! — Was wollte ich ihr sagen! — Jgfr. Clairer. Ich verstehe schon, Made,' nloiselle. Verlassen Sie sich auf mich.

Dritter Austritt. Germeuil. Cäcilia. Cacilia (nachdem Sie einen Augenblick stille geschwiegen, ärgerlich:) Dank sey Ihnen, daß ich nunmehr der Gnade meiner Leute leben Wllfi.

S 3

Ser;

) i-6 c Germeuil. Ich habe Sie nur um cine.it Augenblick gebeten, um einen gemässen JufluchtSort für sie aussündig zu machen. Was für ein Verdienst würde es seyn, gu­ tes zu thun, wenn keine ttngemächlichkeiteu dabey waren? Cacilia. Wie gefährlich sind die Männer! Will man glücklich seyn, so kann man sie nicht weit gniig von sich abhalten! — Manu, weg von mir! — Ich glaube gar, Sie gehen? Germeuil Ich gehorche Ihnen. Cacilia. Vortrefflich! Nachdem Sie mich in die grausamsten Umstände gesetzt haben, fehlt nur noch dieses, daß Sie mich auch darinn lassen. Gehen Sie, mein Herr, geben Sie. Germeuil Wie unglücklich bin sch! Cacilia. Ich glaube gar, Sie beklagen sich ? Germeuil. Ich kann nichts thun, was Ihnen nicht mißfiele. Cacilia.

) Taz c

Cacilia. Sic machen mich ungeduldig — — Bedenken Sic, daß ich in einer Wermirrung bin, die mich an nichts wird den-' kcn lasse». Ich werde mir in nichts zu helfen wissen. — Wie werde ich es wagen können, meine Ange» gegen meinen. Vater aufzuschlagen? Wird er meine Unruhe gc, wahr, und er fragt mich: so kann ich un, möglich lügen. Wissen Sic wohl, daß eb­ nem Mann, wie der Cvmmthur ist, ein einziges «»bedächtiges Wort, Licht geben kann? —Und mein Bruder? — Ich fürchte mich schon im voraus vor dem Anblicke seh nes Schmerzes. Was wird er ansangen, wenn er Sophien nicht findet? — Mein Herr, verlassen Sie mich ja keinen Augem blick, wenn Sie nicht alles entdeckt habe» wollen. — Aber cs kömmt jemand. Gehen Sier— Bleiben Sie. — Nein, gehen Sie. — Himmel, in welchem Zustande befinde ich mich! F 4

Vierter

) 1-8 C

Vierter Auftritt. Der Lommrhnr.

Läcilia.

Der Lommchur (nach feinet' Aly Bist du so «Ileitt; Cacilia?

Läcilia. (mit heiserer Stimme) I«; lieber Herr

Detter.

Das ist so meine Art.

Der Lymmrhur.

Ich glaubte; der gutc

Freund wäre bey.dir. Läcilia. Wer? der gute Freund?

Der Lommchur. Je itti; Germeuil. Läcilia. Er ging eben fort. Dcr Lommchur. Was sprachst du mit

ihm? Was sagte er.dir? Läcilia. Laurer unangenehme Dinge; wie feilte Gewohnheit ist.

Dcr Lommchur. Ich kann mich in euch

nicht finden.

Ihr könnt euch keinen Au­

genblick vertrage». Das verdrießt mich. Er hat Verstand; und Einsicht und Fähigkei­

ten; er weis zu leben, und ich mache recht sehr

)

129

(

sehr viel aus ihm. Arm ist er, das ist wahr; aber er ist doch von sehr guter Familie. Gewiß, ich schätze ihn recht hoch , und ich habe ihn: gerathen, auf dich zu denken. Läcilia. Auf mich zu denken? Was heißt das? Der Lommrhur. Das versteht sich ja wohl. Du hast doch nicht beschlossen, ewig Jungfer zu bleiben? Läcilia. Verzeihen Sie mir, mein Herr. Das ist allerdings mein Wille. Der Lommrhur. Cacilia, soll ich offene herzig mit dir reden? Ich habe mich dei­ nes Bruders ganz und gar entschlagen. Es ist eine harte Seele, ein halsstarriger Kopf; und itzt den Augenblick hat er mir auf-eine, so unwürdige Art begegnet, daß ich es ihm'Zeit meines Lebens nicht ver­ geben werde. - Er mag ihr nun Nachlauffeil, der Kreatur, die er sich in den Kops gesetzt hat, so. lange nto er will; ich will gf mich

)

IJO

(

mich int geringsten nicht mehr darum här­ men. — Man wird es endlich überdrüßig, so gut zu seyn. — Alle meine Zärtlichkeit schränket sich numehr nttf dich ein, mein liebes Mühmchen. — Wenn dn ein wenig »icken gesunde Vernunft ist; aus einem Hause, wo nichts über die Unverschämtheit der Kinder geht, es wäre denn der Unverstand-des Haus­ herren. Ich will mein Leben geniessen; ich will mich nicht mehr für Undankbare pla­ gen. Läcilia. Sie werde» recht wohl -thun/ lieber. Herr Vetter. Der Lommchur. Ihr Beyfall, Made/ moiselle, ist überflüßig. Ich rathe Ihnen »nr, geben Sie auf sich selbst Acht. Ich weis gar wohl, was in ihrer Seele vorgcF7 hct;

) i?4 c hct;

ich lasse mich ihre Uneigennützigkeit

nicht blenden, und ihre kleinen Geheimnisse

sind nicht so verborgen, als Sie vielleicht glauben.

Doch gnug; — ich weis was'

ich weis.

Fünfter Auftritt. Täeilia.

Der Lommlhnr.

vaccr.

Der «3 149 c verloren hat, der' uns mit sich zugleich lä­ cherlich und verächtlich machen wird, und dem ich das Leben so sauer machen wollte, daß es ihm. gewiß nicht wieder einkommcn sollte, mir ungehorsam zu seyn: Wider die Alte, die ihn zu sich gelockt hat: Wider die Junge, in die er sich vernarrt hat, und mit denen ich bald hatte fertig werden wollen. Mit diesen würde ich den Anfang ge­ macht haben; und wenn ich an ihrer Stelle wäre, so würde ich mich schämen, daß ein andrer diesen Einfall eher gehabt hatte, als ich. — Aber dazu brauchts Ernst, und der fehlt uns. Der Hausvater. Ich verstehe Sie. Das ist: ich soll einen Menschen aus meinem Hause jagen, den ich aus seiner Wiege zii mir genommen habe, bey dem ich Vaterstelle vertreten habe; einen Menschen, der, so lange er sich zn erinnern weis, an allen;, was mich angegangen, Theil gcnonimen hatG 3 der

)

Iso

(

der feine besten Jahre bey titir verloren hat/ te, der nicht wüßte, was er anfangen sollte, wen» ich ihn verließ, dem meine Freund/ schast nothwendig höchst nachtheilig seyn muß, wenn sie ihm nicht nützlich wird : und das, unter dem Vorwande, als gäbe er meinem Sohne böse Rathschläge, dessen Unternehmen er doch gemißbilliget hat; als hielt er es mit einer Kreatur, die er viel­ leicht niemals mit Augen gesehen hat; in der That aber weil er das Werkzeug zu ihrem Verderben nicht hat seyn wollen. Ich soll meine Tochter ins Kloster sper­ ren; ich soll machen, daß man von ihrer Aufführung oder von ihrem Charakter böses denke» muß; ich selbst soll ihren guten Name» schänden: und das, weil sie dem Herrn Comnithur manchmal gleiches mit gleichem vergolten hat; weil sie, durch seine verdrießliche Gemüthsart aufgebracht, dann und wann, ihrem eignen Charakter znwider, eilt

) vi c ein nicht gnugsain überlegtes Wort gegen ihn anSgcstosscn hat. Ich soll mich bey meinem Sohne verhaßt machen; ich soll alle kindliche Empfindun­ gen in seiner Seele ersticken; ich soll das Feuer seines ungestümen Charakters vollends anschüre»; ich soll ihn zu einem Schritte bringen, der ihn bey seinem ersten Eintritte in die Welt entehre: und das, weil er eine Unglückliche ««getrosten hat, die schon und tugendhaft ist; weil seine jugendliche Em­ pfindlichkeit , die bey dem allen doch von einem guten Herzen zeugt, sich mehr von ihr rühren lassen, als mir lieb ist. Schäme» Sie sich ihres Raths nicht? Sie sollten meine Kinder bey mir vertreten, und Sie klage» sie an; Sic suchen ihre Fehler auf; Sie vergrvsscrn die, die sie ha­ be«; und nichts würde Sie mehr verdries­ sen, als wenn Sie keine an ihnen fanden.

G 4

Der

)

ij-2

c

Der Lommthur. Den Verdruß habe ich mi» eben nicht oft. Der Hausvater. Und diese WcibSpersvr Ne», wider die (Sie den Befehl zur Hast ausgewirkt habe» 3 Der Lonunrhur. Das fehlte Ihne» noch, baß Sie auch diese vertheidigten. Gehen Sie doch, gehen Siel Der Hausvater. Ich habe Unrecht. Es giebt Dinge, die es eine Thorheit wäre. Ihnen bchbri'ngen zu wollen. Doch sollte ich inchnctt, die Sache wäre mich nahe gnug angegangen, daß Sie. mir wohl ein Wort davon hätten sage» köiincn. Der LontNirhur. Nicht doch, ich habe Unrecht; und Sie, Sie haben allezeit Recht. Deb Hausvater. Nein, HerrComnithiir, Sie sollen weder einen ungerechten und grau­ samen Vater, »och einen undankbaren und bö­ sen Mann aus niir mache». Ich will keine Ge-

) IT3 C

Gewaltthätigkeit begeheir, weil sie mir vor; theilhaft seyn kann; ich will meine Hoff, uungen darum nichraufgeben, weil sich Hin, dernisse eräugnen, die sie weiter hinaussetzenz ich will keine Einöde aus meinem Hause machen, .weil Dinge darinn Vorgehen , die mir eben so sehr mißfallen, als Ihnen. Der Lommrhur. .Darüber hatten wir uns also erklärt. Recht gut, behalten Sie ihr liebes Töchterchen; lieben Sie ihren theuern Sohn recht sehr; lassen» Sie die Kreaturen, die ihn in ihren Stricken haben, unbeunruhiget: Sie handeln daran viel zu weislich, als daß man sich Ihnen widersetzen sollte. Was aber ihren Germeuil an­ belangt, so muß ich Ihnen nur sagen, daß ich und Er nicht länger unter Einem Dache wohnen können. — Entweder, oder. Ent­ weder er muß noch heute fort, oder ich riehe morgen aus.

ernsthafte; ein dritter rebjicrtfd)? unb) xathettsche. Man gebe Cvrneillen einen Plan smn Racine, und dem Racine einen Plan vom Corneille, und sehe, was sie machen werden. Bey dem empsindlicheu und aufrichtigen^ Charakter, mit welchem ich gebohren bin, habe ich mich nie, ich gestehe es Ihnen, mein. Freund, vor einer Stelle gefürchtet, mit der ich durch Hülfe der Vernunft und Recht/schaffcnhcit ;n Stande zu komme» hoste. Das sind die Waffen, die mich meine Acltcrn bey gntcrZcit z» führen gelehrt haben; und ich hal'c sic so ost gegen andere, und gegen, mich selbst gebraucht 1 Sie wissen, daß ich mich, von langcr -Feit. her, an dieMnstdeSSelbstgesprgchSgen>öhnK habe. Wenn ich die Gesellschaft vcrlassomid traurig und verdrießlich nach Hause komme, so schliesse ich mich in mein Cabinct ein, und, da frage und verhöre ich mich: Was fehlt dir? Bist du launisch? — Ja. — Bist du M 3 etwa

) 3?o C

etwa krank?— Nein. — So gehe ich weiter, bis ich mir selbst die Wahrheit auspresse. Und da dünke ich inich eine muntere, ruhige, rechtschaffene mrd heitere Seele zu haben, lbelche eine andere befragt, die sich einer begangene» Thorheit schämt, und sie nicht gern gestehen will. Das Geständmß kommt aber doch. Ist es eine Thorheit, die ich begangen habe, wie ich deren denn oft begehe, so schenke ich mir sie. Ist es eine, die mau mir erwie­ st« hat, wie sich denn das gar leicht zuträgt, so ost ich unter Leute gerathe, die meinet« gutwilligen Charakter missbrauchen, so ver­ zeihe ich. Die Traurigkeit verstiegt; ich komme wieder zu meiner Familie als ei» guter Ehemann, als eilt guter Vater, als ei» guter Herr; wenigstens bilde ich mir eS ein, und niemand merkt den Verdruß, der sich vor einem Augenblicke über alles um mich herum zu verbreite» drohte.

Ich

) 271 c

Ich rathe diese geheime Prüfung alle», welche schreibe» wollen; sie werden unfehlbar rechtschaffnere Leute, und bessere Schriftsteller dadurch werden. Habe ich einen Plan zu machen, so werbe ich, ohne cs zu merke», Situationen suchen, die zu meineni Talente und zu meinem Cha­ rakter passen. „Wird aber dieser Plan der beste seyn?„ Ohne Zweifel wird er mir es scheinen. „Und auch andern? Das ist eine andere Frage. Die Menschen hören, und sich oft mit sich selbst unterhalten, das sind die Mittel', sich zuni Gespräche geschickt zu machen. Eine schone Einbildungskraft haben; die Ordnung und Verbindung der Dinge zu Rathe ziehe»; weder die schweren Scenen, noch die lange Arbeit scheuen; sich sogleich in den Mittelpunkt seines Stoffs versetzen; den Augenblick wohl zu treffen wissen, da die Ns 4 Hand-

) -?r k Handlung «»gehen muß;, sich darauf verste­ hen, was am besten wcgblcibcn kaun; die rührende» Situationen kenne» : darin» be­ stehet das Talent, das zu Anlegung eines guten Planes erfordert wird. Vor allen Dingen muß man sich das Gefeh machen, nicht das geringste von der Ausfüh­ rung eher nieder zu schreiben, als bis man mit dem Plane völlig zu Stande ist. Da der Plan viel Mühe kostet, und er lan­ ge und wohl überlegt seyn will, wie geht cS denen, die sich der dramatischen Dichtkunst widmen, bloß weil sie viel Leichtigkeit Cha­ raktere zu schildern, bey sich verspüren? Sir übersehen ihren Stof ungefehr iin Ganzen, sie wissen nngcfehrdic Situationen, und haben die Charaktere fest-gesetzt; und wenn sie ein­ mal bey sich ausgemacht haben, daß diese Mutter verbuhlt, dieser Vater hart, dieser Liebhaber freygebig-, dieses junge Mädchen empfindlich und zärtlich seyn soll: so überfällt sie

) 273 c (te die Wuth, Scenen zu machen. Sie schreiben und schreiben; sie finden seine, arti­ ge, auch wohl starke Gedanken; sie haben vortreffliche. Stellen schon ganz fertig. Wenn sie nun aber lange gearbeitet haben, und end­ lich ans den Plan kommen, denn auf diesen muss man doch endlich kommen: so suche» sie dir vortrefflichen Stellen anziibringen; sie kön­ nen sich nicht entschliessen, diesen und jenen seinen oder starken Gedanken zu verlieren; fit thun also von dem, was sie thun sollten; ge­ rade das Gegentheil und machen den Plan nach den Scenen, anstatt daß sie die Scenen »ach denl Plane machen sollte». Dadurch wird, denn nicht allein der Verfolg, sondern auch das Gespräch gezwungen, viel Zeit »nd Mühe gehet verloren, und eine Menge Späne blei be» auf dem Holzhofe liegen. Wie verdrieß­ lich ist das, besonders wenn das Stück in Versen ist! M5

Ich

) =74

c

Ich habe einen jungen Dichter gekannt, denr cs nicht an Genie fehlte, und der mehr «16 drey bis vier taufend Verse zu einer Tra­ gödie gemacht hatte, die er nicht zu Stande bringen konnte, auch niemals zu Stande brin­ gen wird. Man schreibe also in Versen, ober man schreibe in-' Prosa: vor allen Dingen mache uiau den Plan, und denke alsdenn auf die Sreii'en. MM wir soll man den Plan'machen? Es findet sich in der Dichtkunst des Aristoteles hierüber ‘eine sehr schöne Idee. Sie ist mir nützlich gewesen; sie kann auch andern nütz­ lich seyn, und sie ist folgende. Unter den unzchlichen Schriftstellern voll der Dichtkunst, sind vornehmlich dreye bepühm't: Aristoteles, Horaz und Boilcau. Aristoteles ich ein Philosoph, der methodisch verführt, allgemeine Regeln festfetzt, und Folgerungen daraus ziehen und Anwendungen davon

) -7f c

davon »lachen laßt. Horaz ist ein Mann von Genie, der sich der Unordnung recht zu be­ fleißigen scheinet, und mit den Dichtern alö Dichter spricht. Voileau ist ein Meister der seinen Schülern, zugleich mit der Vorschrift, das Exempel;n geben sucht. Aristoteles sagt irgendwo in seiner Dicht­ kunst : Man mag einen bekannten Stoff bear­ beiten, oder man mag einen ganz neuen crflndc», so muß man in beiden Fallen vor allen Dingen die Fabel cntwerffen, und alsdenn erst auf die Episoden oder Umstande, die'sie erweitern können, denken. Ist es eine Tragödie, so sage man: Eine junge Prinzcßin wird zu dem Altare geführet, um geopfert zu werden; plötzlich aber verschwindet sie vor den Augen der Zuschauer, und wird 'in 'ein Land versetzt, ivo man die Gewohnheit hat, alle Fremde' einer daselbst verehrteirGöttin zu opfern. Hier wird sie Priesterin». Einige Jahre'nachher kömmt der Btndir dir M6 Prin-

)

-76 (

Prinzeß!» in dieses Land; er wird von Den Einwohnern ergriffe», nnd soll eben jetzt von den Handen seiner Schwester geopfert wer/ den. Indem ruft er aus: So war cs nicht genug, daß meine Schwester geopfert wiirde; ich muß es auch werden? Durch diese Worte wird er erkannt und gerettet. Aber wärmn war die Prinzcßiu vcrurtheilct worden,, auf dem Altare zu sterbe»? Warum opfert man. die Fremden in dem barbarischen Lande, wo ihr Bruder sie antrift ? Wie ist er ergriffen worden? Er kömmt, einem. Orakel zu gehorsamen, ltnb wozu dieses Orakel? Er wird von seiner. Schwester erkannt. Aber warum konnte diese Erkennmig nicht auf eine andere Weise geschehen? Alle diese Dinge sind ausser, hem Inhalte. In der Fabel muß- man sie ergänzen. Der Inhqlt gehöretsedem- Mitdem.übri? gen aber verfahret der Dichter nach seinem Gut-

) -77 ( Gutdünken ; und derjenige, der sein Werk auf die einfachste nnd nothwendigste Art zu Stande bringt, kann sagen, daß cs ihm am besten gelungen ist. Die Idee des Aristoteles schickt sich zu allcy dramatischen Gattungen; und auf folgende Weise-Habe Ich nur sie zu Nutze gemacht. Ein Vater hat zwey Kinder, einen Sohu und eine Tochter. Die Tochter liebt insgeHeim einen jungen Menschen, der in dem Hause wohnet. Der Sohn ist von einer Ulk bekannten eingenommen, die er in seiner Nachbarschaft gesehen hat. Er hat sie vcr, gebens zu verführen gesucht. Er hat sich verkleidet, und unter erborgtem Namen neben ihr ckngemiethct. Man halt ihn da für einen geringen Menschen, der irgend einem Hand­ werke nachgchet. Weil -man glauben muß, daß er- des Tages über bey seiner Arbeit ist, so kann er seine Geliebte nur des Abendsschen»

Der Vater aber, der auf alles, was in sei; M 7 nein

) -78 C

item Haust vergehet, aufmerksam ist, merkt, daß still Sohn aste Nachte ausser dem Haust bleibt. Diese Aufführung, die ein unordent­ liches Leben zu verrathen scheinet, macht ihn unruhig. Er wartet auf seinen Sohn. Hier fangt sich das Stuck an. Wie gehet es weiter? Cs findet sich, daß das unbekannten Mädchen sich für seine» Sohn schickt-; er entdecket zugleich, daß seine Tochter den jungen Menschen liebt, dem er sie bestimmt hatte; er giebt sie'ihm also, und schliesset zwey Heyrathen wider Willen seines Schwagers, der ganz andere Absichten hatte. Aber warum hält die Tochter ihre Liebe ge­ heim? Warum ist der junge Mensch, den sie liebtint Haust? Was macht er da? Wer ist er? Wer ist die Unbekannte, in die sich der Sohn verliebt hat? Wie ist sie in die armseligen Umstande gerathen, in welchen sie sich befindet? Woher

)

2/9

(

Woher ist sie? Da sie aus der Provinz ge­ bürtig ist, was hat sie nach Paris gebracht? Was hält sie da ziirück? Wer ist ter Schwager? Woher kömmt ihm das Ansehen, das; rr sich in dem Hanfe des Vaters giebt? Warum widersetzt er sich den Verbindun­ gen, die der Vater gut befindet? Aber da die Scene nicht an zwey verschie­ denen Orten seyn kann, wie wird die junge Unbekannte in das Hans des Vaters zu brin­ gen seyn? Wie entdeckt der Vater die Liebe seiner Tochter zu dem jungen Menschen, den er bey sich hat? Was für Ursachen hat er, seins Absichten zu verbergen? Wie kömmt es, daß die junge Unbekannte sich für feinen Sohn schickt? Welches sind die Hindernisse, die der Schwager feinen Absichten in den Weg stellt ? Wie

) -8o c Wie kömmt die doppelte Heyrath, dieser Hlndcrni'ße ungeachtet, zu Stande? Wie viele Dinge bleiben noch unbestimmt; nachdem der Dichter seinen Entwurf gemacht hat-! Das ist unterdessen der Stoff und die Grundlage. Hieraus muß die Eintheilung der Aufzüge, die Zahl der Personen, ihr Charakter und der Stoff zu jeder Scene gc< zogen werden. Ich sehe, dieser Entwurf ist-so, wie-ich ihn brauche; denn-dcr Vater, dessen Charakter ich mir zu schildern vornehme, wird sehr un-> glücklich seyn. Er wird die-Heyrath, die sich sein Sohn in den Kopf gesetzt hat, nicht zur geben wollen; von der andern Heyrath, bitt er gern vollzogen wüßte, wird ihm seine Tochter eine Abneigung zu haben scheinen, mtfr beide werde» feine Bedenklichkeiten haben, einander ihre wahre- Gesinnung zu eröffnen.^ Die Zahl meiner Personen ist also fest gesetzt.

Ich

)

-St

c

Ich bin wegen ihrer Charaktere nicht wei­ ter ungewiß. Der Vater wird den Charakter seines Stan« des haben. Er wird gut/ wachsam, stand­ haft und zärtlich seyn. Da ich ihn in die bcdenklichstcn Umstande ftines Lebens setze, so wird seine Seele hinlängliche Gelegenheit ha­ ben, sich ganz zu entwickeln. Sein Sohn muß heftig seyn. Je unver­ nünftiger eine Leidenschaft ist, desto unwillkührlichcr muß sie seyn. Seine Schöne wird nicht liebenswürdig genug seyn können. Ich habe sie zu einem un­ schuldigen, ehrbaren und empfindlichen Kin­ de gemacht. Der Schwager, der 'mein Triebrad ist, muß einen engen Kopf voller Dornrthcilc ha­ ben, niuß hart, schwach, boshaft, ungestünim, verschlage», zanksüchtig, die Unruhe dcöHaüscs, die Geissel des Vaters uniz der Kinder, und der Abscheu der ganzen Welt sey». Wer

) -ü- c Wer ist derGcrmcuil ? Sein Vater war ein Freund des Hausvaters, gericth aber in schlechte Umstande, und hinterließ feinem Sohne nichts. Der Hansvater hat ihn, nach dem Tode seines Freundes, zu sich gcnommen, und wie sein eigen Kind erziehen lassen. Cacilia, die sich nimnicrmchr verstellen kann, daß der Vater ihr diesen Menschen zum Manne geben sollte, wird ihn in einer ziem­ lichen Entfernung von sich halten, und ihm ost hart begegnen; uudGermeuil, den dieses Betragen und die Furcht, sich gegen seinen Wohlthäter, den Hausväter, zu vergehen, zu­ rückhalt, wird sich in die Grenzen der Ehr­ furcht cinschrankcn. Doch werden sie auf beiden Scitennichtso sehr auf ihrer Hut seyn, daß ihre Zuneigung nicht dann und wann aus ihren Reden und Handlungen, obgleich immer nur ganz schwach und ungewiß, hcz-Mlenchtcn sollte.

Gep

") -8; c Gcrmeuil wird standhafte!», ruhigen und ein wenig zurückhaltenden Cha­ rakter seyn müssen. Und Cacilia wird eine Mischung von StolzLebhaftigkeit, Eingezogenheit und Empfind» lichkcit haben müssen. . Die Art von Verstellung, welche die Ver­ liebten gegen einander.beobachten, wird auch den HauSvatcr betriege». Diese verstellte Antipathie wird ihn von feinem Vorhaben abwendig machen, linder wirdes nicht wagen wollen, seiner Tochter einen Mann vorzuschlirgen, der ganz und gar keine Neigung zu ihr blicken last, und vor dem sie einen Abscheu zu haben scheinet. Der Vater wird zu sich sagen: Ist es nicht genug, daß ich meinen Sohn plage, indcns ich ihm die Person, die er liebt, nehmen will; soll ich auch noch lucine Tochter verfolgen, und ihr einen Menschen zum Manne Vorschlä­ gen, den sie nicht liebt? Die

) *84 c

Die Tochter wird zu sich sagen: Ist es nicht genug/ daß die Liebe meines Bruders -em Vater und dem Vetter so vielen Verdruß macht; soll ich sie durch ein Bekenntniß/ das jedermann befremden müßte/ noch mehr kranken? Auf diese Weise wird die Intrigue der Toch­ ter und des Germeuil verhohlen bleiben/ un& der Intrigue des Sohnes und seiner Liebste nicht schaden/ sondern blos diene»/ die ärger­ liche Laune des Vetters und den Gram des Vaters zu vermehren. Kann ich cs vollends dahin bringen/ daß diese zwey Personen an der Liebe des Sohnes so viel Antheil nehmen/ daß sie nicht Zeit ha­ ben/ sich mit der ihrigen zu beschä ttgen, so wird es mir ausserordentlich geluugen seyn. Ihre Neigung wird das Interesse alsdann nicht theilen; sondern ihre Scenen nur desto schmackhafter machen. Ich

) =Rr (

Ich habe den Vater- ;u der Hauptperson machen wollen. Oer Entwurf wurde citier/ ley gewesen seyn, aber die Episoden hatten ganz anders ausfallen müssen, wenn ich den Sohn, oder den Freund., oder den Vetter ;n meinem Helden gemacht hatte. Wenn es dem Dichter nicht an Einbildungs, kraft fehlet, und er sich auf seinen Entwurf verlassen kann, so wird er ihn schon fruchtbar machen, und so viele Zwischenfalle daraus ent/ springen sehen,.daß ihm nichts als die Wahl däbey schwer seyn wird. Er muß aber in diesem Punkte strenge seyn, wenn sein Inhalt ernsthaft ist. Daß ein Vater mit einer Mauleselfchelle einen Pedanten veiv jagr, oder daß sich ein Mann unter den Tisch verkriecht, um es selbst mit anznhvren, was man. seiner Frau sagen wird: solcheDinge ge­ hören in das Poffenspiel, und sind heut zu Tage ausser demselben nicht tnehr zu dul­ den. Wenn

) -82 c

Wenn eine junge Prinzessin jitnt Altare gcführet wird, uni da geopfert zu werde», so wird man eine so grosse Begebenheit nicht gern auf den blossen Irrthum eines Bothen, der die Prinzessin mit ihrer Mutter auf dem Wege verfehlt hat, gegründet scheu. „Aber laßt das Schicksal, das nii't uns spielt, „nicht wohl »och wichtigere Begebenheiten „von geringern Urfachen abhüngc»? Es ist wahr. Allein dergleichen Fülle muß der Dichter nicht nachahmen. Wenn die Geschichte ihm einen solchen Zufall an di« Land giebt, so wird er ihn brauchen; aber erfinden wird er ihn nie. Ich werde seine Wege scharfer beurtheilen, als die Wege des Himmels. Er sey in der Wahl der Zwischenfalle stren­ ge, und müßig in ihrem Gebrauche; er mache sie der Wichtigkeit seines Stoffs gcmüß, und suche sic in eine so viel möglich nothwendige Verbindung zu bringen. --2e

) -87 ( „Je dunkler und schwächer die Mittel sind, „wodurch der Wille des Himmels über die „Mcnschcit vollzogen wird, desto bestürzter „werde ich über ihr Schicksal seyn. Ich gebe cs zu. Aber ich must dabey ge­ wiß übcrzeugt.styn, daß es der Himmel, und nicht bloß der Dichter so haben wollen. Die Tragödie verlangt, daß ihre Mittel wichtig; die Komödie, daß sie fein sind. Ist ein Liebhaber wegen der Gesinnungen seines Freundes ungewiß? Tercnz wird einen Davus auf der Bühne lassen, der die Reden dieses Freundes hort, und sie seinem Herrn hiuterbringt. Jtzo verlangt man, daß sich der Dichter seiner zu hclffcu wissen soll. Ein eingebildeter alter Narr hat seinen bürgerlichen Namen Arnolph in den Name» Herr bc la Souche verwandelt; und auf die­ sem sinnreicheu Ailswegc kaun die ganze Wer, Wickelung beruhen, und die Aliflösung kann so tmgezwungcn und unerwartet daraus her­ stiesse»,

) -ü? f fliessen, daß alle Zuschauer nisseii werden: vortrefflich! Und darimi werden sie Recht Haden. Aber wenn man ihnen, ohne alle Wahrscheinlichkeit, fünf bis sechsmal hinter einander, diesen Arnolph als den Vertrauten seines Nebenbuhlers zeigt, wie ihn sein Mün­ del hinter das-Licht führet, daß er in eins fort von Valoren zur Agneö, und von der AgueS zu Valereu gehen muß: so ist das kein Drama mehr; es ist eine Erzehlung. Und wer nicht -nicht alle den Witz, alle die Lustigkeit, das ganze Genie des" Meliere hat, dem wird man -ganz gewiß der» Mangel a» Erfindung vorwerffen, ,dem.wird man mehr alSrinmal Horen lassen: das ist ein Mahrchen, darüber man einschlaffen möchte.! Hat man wenig Zwischenfalle, so braucl/t

nifm wenig Personen. Man habe ja 'keine überflüßige Personen; und verbinde alle Zwi­ schenfälle eben so fein als genau. Beson-

)

*89

c

Besonders spinne man keinen Faden vcr^ gebens an. Denn wenn man dem Zuschauer eine Verwirrung voraus zeigt, die sich nicht eraugnet, so zerstreuet man seine Aufmerk­ samkeit. Diese Wirkung, wenn ich mich nicht irre, hat die Rede der Euphrosine in dem Scitzigen. Sie macht sich anheischig, den Geitzkgen von dem Vorsatze, die Mariane zu heyrathen, vermittelst einer Gräfin aus Nieder­ bretagne abznbringen, von der sie sich Wuitt verdinge verspricht, und der Zuschauer mit ihr. Gleichwohl endet sich das Stück, ohne daß sich Enphrosine wieder sehen läßt, ohne daß bic Gräfin aus Niederbretagne, die man alle Augenblicke erwartet, im geringsten zum Vorschein kömmt. Ein Plan, wider den man nichts einzuwen­ den härte, welche ein Werk wurde das seyn! Giebt es wohl einen? Je verwickelter er ist, desto weniger wahr wird er seyn. Mein es Zweyter Theil. N ist

) -so c ist die Frage: ist der Plan zu einer Komödie, oder ist der Plan zu einer Tragödie schwe­ rer? Es finden sich hier drey Stuffcn. Die Historie, wo das Factum gegeben ist. Die Tragödie, wo der Dichter zur Historie das­ jenige hinzuthut, wodurch er sie interessanter itt machen glaubt. Die Komödie, wo der Dichter alles erfindet. Hieraus kann mau schliessen, hast der ko­ mische Dichter vorzüglicher Weise den Namen Dichter verdienet. Denn Er ist es, der er­ dichtet. Er ist in seiner Sphäre das, was der Allmächtige in der Natur ist. Er schaffet, er ziehet aus dem Nichts hervor; nud zwar mit diesem Unterschiede, daß wir in der Natur weiter nichts als eine beständige Kette von Wirkungen wahrnchmcu, deren Ursachen uns unbekannt sind, da hingegen der Verlauf des Drama nirgends dunkel ist, und der Dichter^ wenn er uns von seine» Triebfedern schon so viel

viel verbirgt,als unsere Ncubegierde zu reinen vermögend ist, uns doch immer so viel davon rnuß sehen lasse», als uns befriedigen kann. „Da aber die Komödie in allen ihre» Thei„lcii eine Nachahmung der Natur ist, hat „der Dichter denn kein Muster, nach welchem „er sich auch bey Verfertigung des Planes „richten könnte? Allerdings. „Und welches ist dieses Muster? Ehe ich antworte, muß ich fragen: was ist ein Plan? „Ein Plan ist eine wunderbare Geschichte, „die nach den Regeln der dramatischen Dicht„hülst »ertheilt ist; eine Geschichte, die der „tragische Dichter zum Theil, und der kvmi„sche Dichter ganz und gar erfindet. Recht wohl, Mas ist also die Grundlage d.es Drama? „Die Geschichte.

D

292 t

Das ist unwidersprechlich. Man hat die Dichtkunst mit der Mahlerey verglichen, und man hat sehr wohl gethan; aber eine noch weit nützlichere und an Wahrheiten frucht­ barere Vergleichung, wurde die Vergleichung der Geschichte mit der Dichtkunst gewesen seyn. Auf diese Weise würde man sich rich­ tige Begriffe von dem Wahren, dem Wahr­ scheinlichen und dem Möglichen gemacht, und den Begriff von dem Wunderbaren festgesetzt haben, als das allen Gattungen der Dicht­ kunst gemein ist', und das nur wenige Dich­ ter wohl zu erklären im Staude sind. Nicht aus allen historischen Begebenheiten lassen sich Tragödien machen; auch können nicht alle häusliche Vorfälle Stoffe zu Ko, mvdien abgebeu. Die Alten schränkten die tragische Gattung auf die Familien des Alkmaons, des Oedlpus, des Ölest, des Meleagers, des Telephus, und des Herkules ein. Horaz

) 193

c

Hora; will nicht leide»/ daß nia» eine Person auf die Bühne bringe/ die einer Lamia ein lebendiges Kind ans dein Eingeweide reisse. So etwas, sagt er, könne er weder sehe»/ •HocI) für möglich halten. Welches ist denn also die Grenze, wo die Ungereimtheit einer Begebenheit aufhvret, nnd die Wahrschein.' lichkcit anfängt? Wie kann cs der Dichter fühlen, was und wie viel erwägen darf? Es verbindet manchmal auch die natürliche Ordnung der Dinge, ganz ausserordentliche Zufälle. Und eben diese Ordnung ist es, öle das Wunderbare von dem wirklichen Wunder unterscheidet. Seltene Fälle sind wunderbar. Natürlicher Weise-unmögliche Falle, sind Wunder. Die drainatische Dichtkunst ver­ wirft die Wunder. Wenn die Natur niemals auf eine ausser­ ordentliche Weise Begebenheiten verbände, so würde alles, was der Dichter über die blosse, frostige Einförmigkeit des gemeinen Laustes N ; crdäch-

) -Y4 < erdächte, nnglaublich seyn. Aber dirs iss nicht. Was thut der Dichter also? Ent­ weder er macht sich diese ausserordentliche» Verbindungen zu Nutze, oder er erdichtet ähnliche. Anstatt aber, daß sich in der Natur die Verknüpfung der Begebenheiten oft nm fern Augen entziehet, und wir, weil wir die Dinge nicht tnr Ganzen übersehen können, oft weiter nichts als eine ungefehre Zusammentrcssuug der Vorfälle wahrnchmcn: roilt Ser Dichter, daß in dem ganze» Verfolge sei­ nes Werkes eine merkliche und in die Sinne fallende Verbindung herrsche; so daß cr we­ niger Wahrheit, aber mehr Wahrscheinlichkeit hat, als der Geschichtschreiber.

»Da aber dse blosse Coexksten; der Bege„benheitcn hinreichend ist, das Wunderbare „in der Historie hcrvorzubringcn, warum soll „sich nicht auch der.Dichter damit begnü--genr Er

) 39s c Er begnügt sich auch wirklich manchmal damit ; besonders der tragische Dichter. Dem komischen Dichter hingegen ist die Voraussetzung sich zu gleicher Zeit cräugnender Vorfälle, nicht so wohl erlaubt. »Und warum das? Weil der Theil, 'den der tragische Dichter ans der Geschichte entlehnet, macht, daß man das, was aus seiner Erfindung geflossen ist, gleichfalls für historisch annimmt. Die Dinge, die er erdichtet, werden durch die, die ihm gegeben sind, wahrscheinlich. Dem komische» Dichter aber wird durchaus nichts gegeben; und folglich ist es ihm weniger ver­ gönnt, sich auf die Simultaneität der Bege­ benheiten zu gründen. Uebrigens ist die Fa­ talität, oder der Wille der Götter, ob wel­ chen« dieMcnschen sosehr erzittern, wenn sie ihr Schicksaal in der Gewalt höherer Wesen sehen, denen sic nicht entgehen können, nnd deren Hand sie ost in dein Augenblicke, wenn

N 4

sie

) 296 (

sie nm allersichersten sind, erdreist/ in der Tragödie ungleich nöthiger. Wenn irgend in der Welt etwas rührendes ist, so ist cs der Anblick eines Menschen, der wider seinen Witten strafbar und unglücklich geworden ist. In der Komödie müssen die Menschen die Nolle spielen, welche in der Tragödie die Got­ ter spielen. Hier ist die Fatalität, und dprt die Bosheit die Grundlage des dramatischen Interesse. „Worum besteht also das Nomancnhastc, „das man verschiedenen von unsern Stücken „vorwkrft? Das Stück ist romaueuhast, wenn das Wunderbare aus der Simultaneität der Be­ gebenheiten entspringt » wenn die Gotteroder Menschen entweder allzubvse oder attzngut darinn erscheinen; wenn die Falle und die Charaktere fast ganz und gar nicht so sind, 'als wir sie aus der Erfahrung und aus der Geschichte kennen; und vor atten Dingen, wenn

) 297 (

wenn die Verbindung der Begebenheiten allznausserordcntlich, und all;uverwickclt ist. Hieraus läßt sich schliessen, daß der Roman, aus welchem mau ein gutes Drama machen kann, darum nicht schlecht ist; daß cS aber kein gutes Drama giebt, aus welchem man eine» vortrefflichen Roman machen könnte. Die Regeln sind cs, durch die sich diese zwey Gattungen der Poesie unterscheiden.

Die Illusion ist ihr gemeinschaftlicher Zweck: wovon aber hangt die Illusion ab? Von den Umständen. Die Umstände sind es, die sie leichter oder schwerer zu erreichen ma­ chen.

Man erlaube mir einen Augenblick, die Sprache des Analysten zu führen. Man weis, was eine Gleichung heißt. Auf der einen Seite ist die Illusion ganz allein. Sic ist eine unveränderliche Griffe, die einer Summe von Gliedern gleich ist, deren einige N r positiv

) 29'8 C

positiv lind andere negativ sind, deren Zahl und Verbindung unendlich verschieden seyn kann, deren totale Geltung aber immer eben dieselbe ist. Die positiven Glieder sind die gemeinen Umstande; und die negativen sind die ausserordentlichen. Beide müssen sich durch einander anfhebcn könne». Die Illusion ist nicht freywillig. Sagen r ich will mich tauschen lassen, ist eben so viel als sagen: ich habe eine Erfahrung von dem, was in dem menschlichen Leben vorfällt, auf die ich nicht achten will. Wenn ich sage, die Illusion sey eine unvcranderliche Grosse, so verstehe ich es von En nem Mensche», der von vcrschiebnen Werkelt urtheilet, und nicht von vcrschiedncn Men­ schen. ES sind vielleicht auf der ganzen Welt nicht zwey Individua, die einerley Maaß der Gewißheit hatte», und gleichwohl ist der Dichter gehalten, sie alle gleich sehr zu tau­ schen. Der Dichter bedient sich der Vernunft und

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und der Erfahrung eines verständigen Men­ schen , so wie eine Wärterin sich der Einfalt eines Kindes bedienet. Ein gut Gedicht ist ein Mahrchen, das werth ist/, vernünftigen Leuten erzehlt zu werden. Der Romanenfchreibcr hat die Zeit und Sen Ranin, der dem dramatischen Dichter fehlet. Ich werde daher immer, wenn beide gleich gut sind, ein theatralisches Stück höher schätzen, als einen Roman. Uebrigens ist keine Schwierigkeit zu finden, der jener nicht answeichen könnte. Er spricht z. C. »Auf „die schweren Angenlicdcr, durch den ermat„teten Körper des müden Wandrers, stießt „süsser nicht der Balsam des Schlafes, als „die schineichclndeu Worte der Götti» stossen; „doch immer widerstand ihr eine geheime „Macht, und vereitelte ihre Reitze. — Aber „Mentor, in seinen weisen Rathschlägen uii„verandcrlich, lies vergebens in sich dringen; »manchmal zwar ließ er sie hoffen, als setzten N6 »ihn

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„ihn ihre Fragen in Verlegenheit; doch wenn „sie nun eben ihre Neugierde zu befriedigen „glaubte, verschwand ihre Hoffnung wieder „auf einmal. Was sie fest zu halten glaubte, „war ihr entwischt, und eine kurze Antwort „sturztesie^in ihre erste Ungewißheit zurück. — Und damit hat sich der Romanschreiber glucke lich aus dem Handel gezogen. So schwer aber ein dergleichen Gespräch auszuführen ist, so muß dennoch der dramatische Dichter, cutt weder seinen ganzen Plan .verändern, oder die Schwierigkeit überwinden. Welch ein Um terschied zwischey, eine Wirkung beschreiben, und sie hervorbringen! Die Alten hatten Tragödien, in welchen alles von der Erfindung des Dichters war. Die Geschichte hatte nicht einmal die Namen der Personen dazu geliehen. Und was liegt auch daran, wenn der Dichter das wahre Maaß des Wunderbaren nur nicht über­ schreitet? Wenige

Wenige Personen wissen, wie viel in dem Drama aus der Geschichte entlehnt worden; wenn also das Gedicht nur sonst gut ist, so wird es alle und jede gleich stark interessiren, und vielleicht den unwissenden Zuschauer noch stärker, als den unterrichteten. Denn für je­ den hat alles einerley Wahrheit, anstatt daß für diesen die Episoden nur wahrscheinlich, mir mit Wahrheiten so künstlich vermischte Lügen sind, daß er sie ohne Widerwillen an­ nehmen kann. Die häusliche Tragödie würde die Schwie­ rigkeiten von beiden Gattungen haben; denn sie müßte eben dieselbe Wirkung hervorbringen, welche die heroische Tragödie hervor­ bringt, und der Plan müßte,, wie in der Ko­ mödie, ganz und gar erfunden seyn. Ich habe mich manchmal gefragt, ob mau die häusliche Tragödie in Versen schreiben könnte; und ohne eigentlich zu wissen warum, habe ich mir allezeit mit Nein geantwortet. N7 Gleich-

Gleichwohl wird Vie gewöhnliche Komödie, gleichwohl wird die heroische Tragödie i» Versen geschrieben. Und was kann man sonst nicht in Versen schreiben! Sollte diese Gattung wohl eine» eignen Styl verlangen, von dem ich noch selbst keinen Begriff habe? Sollte wohl die Wahrheit des Stoffs/sollte wohl das stärkere Interesse keine abgemessene Sprache leiden wollen? Oder ist vielleicht der Stand der Personen unserm Stande allrunahe, als daß er die höhere Harmonie des Verses verstatten könne? Ich komme zurück. Wenn man die Ge­ schichte Carls des rwölstcn in Verse brachte, so würde sic darum nichts weniger eine Ge­ schichte bleiben. Wenir man die Henriade in Prosa brachte, so würde cs doch noch sinnier ein Gedicht seyn. Allein der Geschicht­ schreiber hat die Begebenheiten blos so, tust sie oorgefallcn sind, ausgezeichnet.' nnd daher nehmen sich die Charaktere nicht -immer so

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aus, als sie sich wohl ansnehmcn könnte»; daher werde ich nicht so stark intcrcssirt, nicht so stark bewegt, als ich wohl intcrcssirt und 6 c, wcgt werden könnte. Der Dichter hingegen würde alles so beschriebe» haben, wie cs am rührendsten ist. Er würde Fälle dazu erdich­ tet,. er würde Reden dazu ersonnen, er würde die ganze Begebenheit fruchtbarer gemacht habe». Er würde überall auf das Wunder, bare bedacht gewesen seyn, ohne das Wahr, schcinlichc dabey aus den Augen zu setzen: /iinb dieses würde ihm gelungen seyn, wenn er sich genau nach der Natur gerichtet hätte, die, so ost sie ausserordentliche Vorfälle zu, sanimcn verbindet, diese ausserordentlichen Vorfälle von ganz gemeinen Umständen be­ gleiten läßt. Und dieses ist eigentlich das Geschäfte des Dichters. Welcher Unterschied ist zwischen ihm und dem Versificatcur! Glauben Sie unterdessen ja nicht, daß ich diesen verachte; sei»

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fein Talent ist selten. Wenn Sie aber aus dem Versificateur einen Apollo machen, so wird mir der Dichter ein Herkules, seyn. Nun geben sie immerhin dem Herkules eine Leyer in die Hand, er wird dadurch doch nicht zu einem Apollo werden. Stützen Siedel gleichen immerhin den Apollo auf eine Keule, und werffen ihm drc Löwenhaut über die Schulter, Sie werden doch keinen Herkules aus ihm machen. Hieraus sieht man, daß eine Tragödie in Prosa eben so wohl ein Gedicht ist, als eine Tragödie in Versen; daß es mit derKomodie und mit dem Roman gleiche Vewandtniß hat; daß aber die Absicht der Dichtkunst weit all­ gemeiner ist, als die Absicht der Geschichte. Man liefet in der Geschichte, was ein Mann von dem Charakter Heinrichs -es vierten, gethan und gelitten hat. Wie viel Umstände aber sind möglich, in welchen er auf eine sei­ nem Charakter gemässe und weit wunderbarere Art

1 ?os < Art hätte handeln können, als uns die Ge­ schichte meldet; und diese wunderbarere Art eben ist es, welche die Poesie erdichtet. Sie, die Einbildungskraft, ist die grosse Fähigkeit, ohne welche man weder Dichter, noch Philosoph, weder ein witziger Kopf, noch ein vernünftiges Wesen, noch ein Mensch iss. „Was ist denn aber diese Einbildungskraft? werden Sie mich fragen. O mein Freund, welche Schlinge legen Sie mir itzt, da ich Ske von der dramatischen Dichtkunst unterhalten null. Komme ich einmal ins philosophiren, so ist es um meine Materie gethan. Die Einbildungskraft ist das Vermögen, sich der gehabten Bilder zu erinnern. Ein Mensch, dein diese Eigenschaft gänzlich fehlte, würde ein Dummkopf seyn, dessen gesummte Seelenkräfte sich auf das einzige Vermö­ gen einschränkten, die Töne, die er in sei­ ner Jugend hat verbinden lernen, wieder hervor

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hervorzubringen, und sie bey verfallenden legenheiten anzuwenden. Das ist der elende Stand des gemeinen Volks, »nd manchmal anch des Weltweisen. Wenn diesen die Geschwindigkeit der Rede fvrtreißt und ihm nicht Zeiti läßt, von den Worten auf die Bilder zu kommen, was thut er alsdenn anders, als daß er sich gelernter Töne erinnert, und sic in einer gewissen Ord­ nung wieder »erbringt? O wie sehr ist auch der Mensch, der am meisten denket, noch Maschine! Welches aber ist der Augenblick, da er sein Gedächtniß zu üben aufhört, und seine Elirbildungskraft zu brauchen anfängt? Dieses erfolgt alsdenn, wenn man ihn von Frage za Frage, sich Bikder zu machen, das ist, von den abgezogenen und allgemeinen Tönen, auf weniger abgezogene und allgemeine Töne zn kommen zwingt, bis er endlich auf eine sinn­ liche Vorstellung gelangt, welche das letzte Kiek

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Ziel und der Nuhepunkt seines Verstandes ist. Und was wird er alödenn? Mahler oder Dichter. Man frage ihn zum Exempel: was ist die Gerechtigkeit? und man wird bald sehen, daß er sich selbst nicht eher versteht, als bis er seine Kenntniß ans eben dem Wege zu den Gegen­ stände» wieder zurück führt, auf welchem sie in seine Seele gekommen ist, und sich etwa zwey Menschen verstellet, welche der Hunger zu einem Baume voll Früchte führet; der eine steigt herauf und sammelt, und der andre bemächtiget sich dessen, was jener gesammelt hat, mit Gewalt. Nun erst wird er uns vre Bewegungen, die sich in ihnen aussern, zeigen können; auf der einen Seite die Zeichen der Rache, auf der andern die Symptomaka der Furcht; wie sich der eine für beleidiget hakt, und der andre sich selbst mit dem häßlichem Namen des Beleidigers belegen muß. Legt

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Legt man einem ander» die nehmliche Frage vor, so wird sich seine letzte Antwort in ein anderes Gemählde auflöscn. So viel Kopse, so viel verschiedene Gemählde vielleicht: alle aber werden zwey Menschen Vorsteven, die zu gleicher Zeit ganz widrige Eindrücke em­ pfinden, folglich anch sich ans eine ganz wi­ drige Weise betragen, und »nartieulirtc und wilde Töne hcrausstosscn, die mit der Zeit in der Sprache des gesitteten Menschen, Gerech­ tigkeit und Ungerechtigkeit bedeuten und ewig bedeuten werden. Das Gefühl, das in der belebten Natur so .unendlich vieler Grade und Abänderungen fähig ist, und in dem Menschen bald sehen, bald hören, bald riechen, bald schmecken, bald empfinden heißt, das Gefühl ist es, durch wel­ ches er die Eindrücke empfängt,die sich in seinen Organen erhalten, die cr hcrnach durch Worte ausdrückt, und deren er sich entweder durch diese Worte, oder durch Bilder, wieder criucrt. Sich

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Sich einer nothwendigen Reihe von Bil­ dern erinnern, so wie sie in der Natur auf einander folgen, heißt nach gewissen -Factis denken. Sich einer Reihe Bilder erinnern, so wie sie in tver Natur nothwendig auf ein­ ander folgen müßten, wenn dieses oder jenes Phänomenen gegeben ist, heißt nach einer Hypothes denken, das ist, dichten; das heißt, Philosoph oder Poet seyn, nachdem man fid) diesen oder jenen Endzweck vorsetzt. Und der Poet, welcher erdichtet, und der Philosoph, welcher schließt, sind beide auf gleiche Weise und in dem nehmlichen Ver­ stände, zusammenhängend oder nicht zusam­ menhängend. Denn zusammenhängend seyn, oder Erfahrung von der nothwendigen Ver­ knüpfung der Erscheinungen haben, ist einerley. Das, dünkt mich, kann genug seyn, die Ana­ logie der Wahrheit und der Erdichtung zu zeigen, den Poeten und den Philosophen zu charaktmsireu, und das Verdienst des Poeten, beson-

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besonders des epischen und dramatischen ausser Zweifel zu setzen. Er hat von der Natur die Eigenschaft in einem höher» Grade empfan­ gen, durch die sich ein Mensch von Genie von einem gewöhnlichen Mensche», und dieser von einem Dummkopfe unterscheidet; die Einbildung meine ich, ohne die alle Rede weiter nichts als eine mechanische Fertigkeit ist, gewisse verbundene Töne bey gewissen Fal­ len anzubringen. Allein der Dichter darf sich nicht der gan­ te» Hitze seiner Einbildungskraft überlassen; cs sind ihm gewisse Grenzen vorgeschrieben. Sein Muster sind die seltnen Falle, die sich in dem Lanffe der Natur craugnen. Und fol­ gendes ist seine Regel. Je seltner und sonderbarer die Falle sind, desto mehr Kunst, desto mehr Zeit, und Raum, und gewöhnliche Umstande braucht er, um das Wunderbare daraus zu schaffen, nnd dcn Grund zur Illusion zu legen. Wenn

) ;n c Wenn das historische Factum nichtwunderdar genug ist, so wird eres durch ausseror­ dentliche Zwischenfalle verstärken; durch ge­ meine Zufälle hingegen wird er es schwächen, wenn cs allznwundcrbar ist. Nicht .genug, komischer Dichter, daß du in deinem Entwürfe gesagt hast: dieser junge Mansch soll sich aus dieser Buhlerin nur we­ nig machen; er soll sie verlassen, er soll sich verhcyrathcn; er soll an seiner Fran Geschmack finden; diese soll liebenswürdig sey», und er soll sich ein erträgliches Leben mit ihr $tt füh­ ren versprechen; er soll ferner zwey Monate be,y ihr liegen, ohne sie zu berühren, und gleichwohl soll sie sich schwanger befinden. Die Schwiegermutter soll in ihre Schnur ganz vernarrt seyn. Desgleichen brauche ich eine Buhlerin von schonen Gesinnungen. Auch kann ich eine gewaltsam« Schändung nicht wohl entbehren; und diescmuß aufder Strasse von einem jungen betrunkenen Menschen ge­ schehen

schehen seyn. Recht gut; nur fort! Hausse nur immer einen seltsamen Umstand auf den andern; ui) bin es zufrieden. Deine Fabel wird ganz gewiß wunderbar seyn. Nur ver­ giß nicht, daß du alles dieses Wunderbare mit einerMenae gemeiner Umstande versetzen und so zurichten mußt, daß es mich tauschen kann. Folglich würde es mit der Dichtkunst viel besser aussehen/ wenn das Werk von der hü storrschen Gewißheit schon geschrieben wäre. Es würden sich die nehmlichen Gründe auf das Mährchen, auf den Roman, auf die Oper/ auf das Posseufpiel, auf alle Arten von Ge­ dichten, mcht einmal die Fabel ausgenommen, anwcuden lassen. Wenn es bey irgend einem Volke ein Glau-, benöartlke! wäre, daß die Thiere ehedem geredt hätten: so würde die Fabel unter ihm erneu Grad der Wahrscheinlichkeit haben, den sie unter uns nicht haben kann.

Hat

) 3’1 ( Hat der Dichter seinen Plan gemacht, hat er seinem Entwürfe die erforderliche Ausführ­ lichkeit gegeben, ist sein Drama in Aufzüge und Auftritte vertheilct: so kann er anfangeir ;u arbeiten. Aber er fange dey dem ersten Auftritte an, und höre mit dem letzten auf. Er bctriegt sich, wenn er glaubt, daß er sich ungestraft seinem Eigensinne'überlassen , von einer Stelle auf die andre springen, und sich, so wie es seinem Genie einfallt, bald dahin, bald dorthin wenden könne. Er weis nicht, wie viel Mühe er sich zubercitet, wenn sein Werk anders ein Ganzes ausmachen soll. Wie viel unrecht angebrachte Gedanken wird er von ihrer Stelle müssen wegnchnrcn, und anders wohin versetzen! Umsonst wird er den Inhalt einer jeden Scene festgesetzt haben; er wird ihn doch verfehlen. Die Scenen haben einen Einfluß in einan­ der, den er so nicht bemerken wird. Hier wird er zu weitläustig, dort wird er zu kurz Zweyter Theil. O seyn >

) 3M c seyn; bald wird er frostig, bald wird er allzufeurig seyn. Die Unordnung, nach welcher er arbeitet, wird sich durch sein ganzes Werk verbreiten, und Spuren hinterlassen, die er mit aller seiner Mühe nicht auszulvschcn verntag. Ehe man von einer Scene auf die folgende sortschrcitct, muß man sich alle vorhergehende ganz ivieder ins Gedächtniß russcu. -,Das ist aber eine sehr mühsame Art zn »arbeiten." Allerdings. »Und was soll der Dichter thun, wenn ihn „zu Anfänge seines Gedichts das Ende, am „meisten begeistert? “ Er soll warten. „Aber in dieser Stelle, wovon er itzt ganz „voll ist, würde sich sein ganzes Genie gezeigt „haben." Wenn er wirklich Genie hat, so sey, ihm nur nicht bange. Die Gedanken, die er zu verlieren

verlieren fürchtet, werden wiederkommen. Sie werden mit einer Verstärkung von »er# schicdnen andern wiederkommen, die ans dem, was er bereits gemacht hat, entsprungen sind, und seiner Scene mehr Feuer, mehr Glanz, und mehr Verbindung mit dem Ganzen ge­ ben werde». Er wird alles sagen, was er wird sagen könne». Aber kau» inan sich das auch alsdenn von ihm versprechen, wenn er in seiner Arbeit lauter Sprünge macht? So habe Ich wenigstens nie arbeiten mö­ gen ; sondern meine Art zu arbeiten hat mir immer die sicherste und bequemste geschienen. Der Hausvater hat drey und fünfzig Aus­ züge. De» ersten habe ich zuerst, und den letztcn.zuletzt geschrieben; und ohne eine Reihe ganz besonderer Umstände, die mir das Leben verdrießlich und die Arbeit eckel machten, würde diese Beschäftigung nur ein Zeitver­ treib auf wenig Wochen für mich gewesen sey«. Aber wie kann man sich in verschiedene

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Charaktere verwandeln, wenn uns Widermertigketten nöthigen, nur immer an uns selbst zu denken? Wie kann man sich vergessen, ■tfjcRii ein beständiger Verdruß uns an unser Daseyn erinnert? Wie kann man andere er­ leuchten.und erhitzen, wenn die Lampe der Begeisterung verloschen ist, und die Flamme des Genies nicht mehr auf der Stirne glän­ zet? Wie viel Mühe hat man sich nicht gegeben, mich in der Geburt zu unterdrücken? Glau­ ben Sie wohl, mein Freund, daß ich nach der Verfolgung, die der natürliche Sohn erfah­ ren müssen, viel Lust hätte haben können, mich mit dem Hauevarer zu beschäftigen? Hier ist er gleichwohl. Sie verlangten es, daß ich ihn zu Stande bringen sollte, und ich habe Ihnen diese Befriedigung nicht versagen können. Erlauben Sie mir zur Vergeltung ein Paar Worte von diesem natürlichen Sohne zu sagen, den man so schändlich verfolgt hat. Carl

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3i7 c

Carl Goldoni hat km Italiänischen eine Komödie, oder vielmehr ei» Possenspkcl in drey Aufzügen geschrieben, das er den auf­ richtigen Freund nennet. Es ist ein Misch­ masch von den Charakteren des wahren Freundes, und des Gcitzigen vom Molicte. Die Cassette und der Diebstahl kommen dar-: inn vor; und die Heisre der Scenen spielen in dem Hause eines geitzigcn Vaters. Dieses ganze Theil der Intrigue ließ ich weg; denn ich habe in dem natürlichen Sohne weder Geitzhals, noch Water, noch Diebstahl, noch Cassette. Aus dem andern Theile, glaubte ich, liesse sich etwas Erträgliches machen; ich bemäch­ tigte mich also seiner, als ob es das Meinige wäre. Goldoni selbst war nicht gewissenhaf­ ter gewesen. Er hatte sich den Gcitzigen eigen gemacht, ohne daß jemand das geringste dawider cinzuwenden gefunden; und noch war niemand auf den Einfall gekommen, O; Molie-

) ?is c Mölleren oder. Corneille» eines Diebstahls zu beschuldige», weil sie die Idee zu diese»! oder jenem Stucke von einem italiänischen Ver­ fasser, oder von dem spanischen Theater ent­ lehnet habe». Aber dem sey wie ihm wolle; gnug, ich wachte aus diesem Theile eines Pvssenspiels in drey Aufzügen, das Lustspiel der natür­ liche Sohn in fünf Aufzügen; und weil ich gar nicht gesonnen war, mein Stück auf das Theater zu bringen, so fügte ich einige Ge­ danken über die Dichtkunst, die Musik, die Deelamation und die Pantomime bey, und machte aus allem zusammen eine Art von Roman, den ich den natürlichen Sohn oder die Probe der Tugend, nebst der wah­ ren Geschichte des Stücks, nennte. Wie würde cs ohne die Voraussetzung, daß sich die Begebenheit des natürlichen Sohne» wirklich zugetragen habe, mit der Illusion dieses Romans, nnd mit allen den Anmerkun­ gen,

) ;iy c gen, die ich in den Unterredungen, über den Unterschied zwischen einem wahren und erdich­ teten Facto, zwischen wirklichen und erdich­ teten Personen, zwischen in der That gehal­ tenen und nur in den Mund gelegte» Reden, eingcstrcuet habe; kurz, mit der ganzen Dicht­ kunst stehen, wo die Wahrheit mit der Er, dichtung in eine beständige Parallel gesetzt wird? Aber lasse» Sie uns den wahren Freund des italiänischen Dichters mit dem narürliche» Sohne ei» wenig strenger vergleichen. Welches sind die vornehmsten Theile eines Drama? Die Verwicklung, die Charaktere und die Ausführung. Die uneheliche Geburt des Dorval ist die Grundlage des natürlichen Sohnes. Ohne diesen Umstand, bleibt die Flucht seines Va­ ters nach Amerika ohne hinlängliche Ursache. Ohne diesen Umstand kann es Dvrvaln nicht unbekannt sey», daß er eine Schwester hat O4 und

) ? io c und an ihrer Seite lebt. Er würde also nicht in sie verliebt werden; er würde seines Freun­ des Nebenbuhler Nichtwerden. Dorval muß reich sey», und sein Vater würde weiter keine Ursache haben/ ihn reich zu machen. Warum würde er Bedenken trage», sich Lhereficu zu entdecken? Die Scene mit Arnolden müßte gleichfalls wegfallen. Da würde kein Vater, der aus Amerika zurückkömmt, der unter Wegens gefangen genommen wird, der die ganze Auflösung macht, mehr Statt finden. Weg ist die Verwicklung! Weg ist bas Stück! Nun frage ich: kommt von allen diesen Dingen, ohne welche der natürliche Sohu nicht bestehen kann, in dein aufrichtigen Freunde auch nur das geringste vor? Nicht das geringste. So steht cs mit der Ver­ wicklung. Lassen Sie uns auf die Charaktere kommen. Kommt ein-stürmischer Liebhaber, wie Clairville,

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ville, bnriuti vor? Nein: Ein unverstelltes, naives Mädchen, wie Rosalia? Nein. Eine Frau, von solcher Gemüthsart, von so erhab­ nen Gesinmingen, als Theresia? Nein. Ein Mann von so düsterm »ich wildem Charakter, als Dorval? Nein. Also findet sich in dem aufrichtigen Freunde kein einziger von mei­ nen Charakter«? Kein einziger; auch nicht einmal Arnolden auSgenomine». Endlich die Ausführung. Habe ich von dem fremden Dichter auch nur einen einzigcir Gedanken, den nian anführen könnte, entleh­ net? Keinen einzigen. Was ist sein Stück? Ein Possenspiel. Und der natürliche Sohn wäre ein Possenspiel? Ich glaube nicht. Folglich kann ich behaupten:' Wer da sagt, die Gattung, in welcher ich den natürlichen Sohn geschrieben, sey eben die Gattung, in welcher Goldoni den aufrich­ tigen Freund geschrieben, der sagt eine Lügen. O r W et

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c

Wer da sagt/ daß meine Charaktere mit den Charakteren des Goldoni die geringste Aehnlichkcit haben, der sagt eine Lügen. Wer da sagt/ daß sich in der Ausführung ein einziges wichtiges Wort befinde/das man von dem aufrichtigen Freunde zu dem narürlichen Sohne geborgt habe/ der sagt eine Lügen. Wer da sagt/ daß die Einrichtung des na­ türlichen Sohnes mit der Einrichtung des aufrichtigen Freundes einerley sey/ der sagt eine Lügen. Dieser Schriftsteller hat au die sechzig Stücke geschrieben. Wenn jemand zu einer ähnlichen Arbeit Lust hat/ so ersuche ich ihn, sich eines von den übrigen auszulescn, und zuzusehen/ ob er etwas daraus machen kan«/ das uns gefallen wird. Ich wünschte von Herzen / daß man mir rin Dutzend deralcichcn Diebstähle vorzuwcrft sen hatte; und ich bin sehr ungewiß/ ob der Haus-

y ?2z c

Hausvater dadurch viel gewonnen hat, daß er mir ganz und gar zugehöret. Da man mich übrigens eben der DM würffe gewürdiget hat, die gewisse Leute ehe­ mals dem Terenz machten, so verweise ich meine Tadler auf die Prologos dieses Dich­ ters. Die mögen sie lesen, und ich will mich unterdessen in meinen Erhohlungsstunden mit Verfertigung eines neuen Stücks be­ schäftigen. Da meine Absichten gut und rein sind, so werde ich mich ihrer Bosheit wegen leicht trösten können, wenn es mir noch einmal gelingen sollte, rechtschaffene Leute zu rühren. Die Natur hat mir Geschmack an der Ein­ falt gegeben, und ich bemühe mich, diesen Geschmack durch das Lesen der Alten vollkommner zu machen. Das ist mein Geheim­ niß. Wer den Homer mit ein wenig Genie lieset, wird bey ihm die Quelle, woraus ich schöpfe, mit mehr Zuverlässigkeit finden. 0 6 O mein

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O mein Freund, wie schon ist die Einfalt! Wie übel haben wir gethan, uns davon zu entfernen! Wollen Sie Horen, was der Schmer; einem Vater eingiebt, der itzt seinen Sohn verloren hat? Hören Sie den Priamus. Entfernt end), meine Freunde; laßt

mich allein; euer Trost ist mir zur Last. — Ich will zu den Schiffen der Griechen gehen; ja, ich will gehen. Ich will den

fürchterlichen Mann sehen; sch will ihn bitten. Vielleicht erbarmt er sich meiner Jahre, und har Achtung für mein Alter.

— Er hat einen Varer, der alt ist, wie ich. — Ah, dieser Vater hat ihn zur

Schande und zum Unglücke unsrer Stadt erzeugt! —- wie viel Böses hat er uns

allen zugefügt! Aber wem mehr, als mir? wie viele Rinder hat er mir nicht geraubt, und in der Blüthe ihrer Jugend! — Sie

waren mir alle lieb! — Ich habe sie alle

beweiru.

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VS (

beweine. Aber der Verlust dieses letztem schmerzet mich vor allen, und ich werde mein Schmerz mit zur Hölle nehmen. — Ah! warum ist er nicht in meinen Armen gestorben! — So würden wir une doch über ihn satt geweinet haben, ich und die unglückliche Mutter, die ihm das Leben gab.

Wollen Sie wissen, wie sich ein Vater aus­ drückt, der dem Mörder seines Sohnes fuß­ fällig sieget.? Hören Sie eben den Priamuö zu den Füssen des Achilles. Achill, erinnere dich deines Vaters; er ist von meinem Alter, und wir seufzen beide unter der Last der Jahre. — Ah, vielleicht fallt auch ihm itzt ein feindlicher Nachbar schwer, und er hat niemandem um sich, der die drohende Gefahr von ihm abwende. — Hat er aber vernom­ men, daß du noch lebst, so fließtHoffnung und Freude in sein Herz, und seine Tage 0 z ver-

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Z26

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verlaussen in der süssen Erwartung, sei­ nen Sohn bald wieder zu sehen. — wie Verschieden ist sein Schicksal von dem mei­ nigen! — Ich harre Rinder, und ich bin, als ob ich sie alle verloren harre! — Von fünfziger:, die ich um mich her zehlre, als die Griechen ankamen, war mir nur noch einer übrig, der uns vertheidigen konnte, und dieser eine ist von deinen Handen, ist vor den Mauern dieser Sradt gefallen. — Gieb mir seinen Leichnam wieder; nimm meine Geschenke an; scheue die Gorrer; erinnere dich deines Vaters,und Habemir mir Erbarmung! — Sieh, wie weit ich gebracht bin! — Sah je ein Monarch sich so rief erniedrü ger! war je ein Mensch so sehr zu bekla­ gen! Ich liege zu deinen Aussen, und küsse deine Hande, die von dem Blute meines Sohnes noch beflecke sind.

So

3 3-7 c Sv sprach Pri'amns: und der Sohn des Peleus fühlte, bey der Erinnerung seines Vaters, in dem Innersten seines Herzens Erbarmung. Er hob den Alten auf, und hielt ihn mit einem sanften Stosse von sich flb. Was ist in diesen Reden? Kein Witz, aber so viel Wahrheit, das! man fast glauben sollte, man würde eben sowohl als Homer darauf gefallen seyn. Wir aber, die wir die Schwie­ rigkeit und das Verdienst, so einfaltig zu seyn, ein wenig kennen, mögen diese Stellen nur lesen, mögen sie mit Bedacht lesen, und her­ nach alle Misere Schrcibcreyen nehmen und ins Feuer wersscn. Das Genie läßt sich fühlen, aber nicht nachahmcn. In den verwickelten Stücken ist bas In­ teresse mehr die Wirkung des Plans, als der Reden; in den einfachen Stücken hinge­ gen ist es mehr die Wirkung der Rede», als des Plans. Allein worauf muß sich das In-, teresse

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Z-N

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teressc beziehen ? Auf die Personen? Oder auf die Anschauer? Die Zuschauer sind nichts als Zeugen, von welchen man nichts weis. „Folglich sind es die Personen, die man „vor Augen haben muß." Ich glaube. Sie lasse man den Knoten schürzen, ohne daß sie eö wissen; für sie sey alles undurchdringlich; sic bringe man, ohne daß sie es merken, der Auflösung immer naher und naher. Sind Sie nur in Bewegung, so werde ich de» nehmlichen Bewegungen schon auch nachhangcn, sie schon auch empfinden müssen. Weit gefehlt, daß ich mit den meisten, die von der dramatischen Dichtkunst geschrieben haben, glauben sollte, man müsse die EntWicklung vor dem Zuschauer verbergen. Ich dachte vielmehr, es sollte meine Kräfte eben nicht übersteigen, wenn ich mir ein Werk zu. machen vorsetzte, wo die Entwicklung gleich in

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3=9 (

in der ersten Scene verrathen würde, lind ans diesem Umstande selbst das allcrstarkste In­ teresse entspränge. Für den Zuschauer muß alles klar seyn. Er ist der Vertraute einer jeden Person; er weis alles was vergeht, alles was vorgcgangen ist; und es giebt hundert Augenblicke, wo man nichts bessers thun kann, alS daß man cs ihm gerade voraus sagt, was noch Vorgehen soll. O ihr Verfertiger allgemeiner Regeln, wie wenig verstehet ihr die Kunst, und wie wenig besitzt ihr von dem Genie, das die Muster hervorgebracht hat, ans welche ihr sie bauet, und das sie übertreten kann, so ost cs ihm beliebt! Meine Gedanken mögen so paradox schei­ nen als sie wollen: so viel weis ich gewiß, daß eS für Eine Gelegenheit, wo cs nützlich ist, den Zuschauer einen wichtigen Vorfall so lange zu verhehlen, bis er sich eraugnet, immer zehn

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zehn unv mehrere giebt, wo das Interesse gcrade das Gegentheil erfordert. Oer Dichter bewerkstelliget durch fein Ge­ heimniß eine kurze Ucberraschuug; und in wcl, che anhaltende Unruhe hatte er uns stürzen können, wenn er uns kein Geheimniß daraus gemacht hatte! Wer in Einem Augenblicke getroffen und niedergeschlagen wird, den kann ich auch nut Einen Augenblick betauen«. Aber wie steht cs alsdenn mit mir, wenn ich den Schlag er­ warte, wenn ich sehe, wie sich das Ungewit­ ier über meinem oder eines andern Haupte rusammenzichct und lange Zeit darüber ver­ weilet? Luflgnan weis nicht, daß er seine Kinder wiederfiuden soll; der Zuschauer weis es auch nicht. Zaire und Nerestan wissen nicht, daß sie Geschwister sind; der Zuschauer weis cS auch nicht. So pathetisch aber diese Erken­ nung ist, so weis ich doch ganz gewiß, ihre Wirkung

) 33i c Wirkung würde noch weit grösser gewesen seyn, wenn der Zuschauer vorher einen Wink bekommen hatte. Was würde ich, bey der Zusammenkunft dieser vier Pcrsoncn, nicht alles zu mir selbst gesagt haben! Mit welcher Erwartung, mit welcher Unruhe lwürde ich nicht jedes ihrer Worte angchörct haben !.In welche Unbehaglichkeit würde »iich nicht der Dichter versetzt habe»! Itzt fliessen meine Thränen nur in dem Augenblicke der Erken­ nung ; so würden sie schon lange vorher ge­ flossen seyn. Wie verschieden ist das Interesse zwischen dieser Situation, wo ich von dem Geheimnisse nichts weis, und jener, wo ich alles weis, wo ich den Orosman, mit einem Dolche in der Hand, die Zaire erwarten, und diese Unglück­ liche dcni Streiche entgegen komnicn sehe? Welche Bewegungen würde der Zuschauer empfunden haben, wenn der Poet die Freyheit gehabt Hütte, die völlige Wirkung, die dieser Augen,

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Augenblick haben konnte, zu nutzen? Wenn ihm unsere Bühne, die allen grossen Wir­ kungen zuwider ist, erlaubt hatte, ZairenS Stimme im Auster» Horen zu lassen, und sie nur ganz von weiten zu zeigen? In der Jphigenia zu Tauris weis der Zu­ schauer den Zustand der Personen. Alan setze aber, baß er ihn nicht wüßte, und sehe, ob man das Interesse vermehrt oder vernich­ tet haben wird. Wenn ich nicht weis, daß Nero die Unter­ redung des Britamiieus und der Junia mit' anhort, so empfinde ich kein Schrecken mehr. Wenn Lusignan und seine Kinder sich nun erkannt haben, werden sic-darmn weniger in­ teressant? Gan; und gar nicht. Aber was. unterstützt und befestiget hier das Interesse? Gleich das, was-der Sultan nicht weis, die' Zuschauer aber gar wohl wissen. Meinetwegen mögen die Personen alle ein­ andre nicht kennen; wenn sic nur der Zuschauer alle keimt. Ja

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333 c

Ja ich wollte fast behaupten, daß der Stoff, bey weichem dicVcr'chwcigungen nothwendig find, ein undankbarer Stoff ist; daß der Plan, in welchem man seine Zuflucht zu ihnen nimmt, nicht so gut ist, als der, in welchem man sie harte eiitübrigcn können. Sie werden nie zu etwas Starkem Anlaß geben. Immer werden wir uns mit Vorbereitungen beschäf­ tigen müsse», die entweder allzuduukcl, oder allzudeutlich sind. Das ganze Gedichte wird ein Zusammenhang von kleinen Kunstgriffen werden, durch die inan weiter nichts als eine kurze Ueberraschung hervorzubringc» vermag. Ist hingegen alles, was die Perso­ nen angchct,. bekannt: so sehe ich in dieser Borailssetzung die Quelle der allcrheftigsten Bewegungen. Der griechische Dichter, der die Erkennung des Orest und der Iphigenia bis in die letzte Scene verschob, war ein Mamr von Genie. Orest ist gegen den Altar gelchiiet. Seine Schwester hat das heilige Messerschon gegen

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gegen seine Brust auSgestrcckt. Itzt soll er umkommen; aber er ruft: So war es nicht genug, daß die Schwester geopfert wurde ? Muß es der Bruder auch werden? Und das ist der Augenblick, den mich der Dichter ganze fünf Auszüge hindurch hat erwarten lassen. „Das Drama mag seyn wie cs will, so ist „der Knoten bekannt. Denn er wird in Ge„gcnwart der Zuschauer geschürzt. Oft oer-' „rath auch schon der Titel einer Tragödie die „Entwickelung. Es ist ein historisches Fa„etlim; es ist der Tob des Casars; es ist die „Opferung der Jphigrnia. Allein mit der „Komödie ist es anders.'" Und warum denn? Darf mir der Dichter von seinem Stoffe nicht so viel wissen lassen, als er für gut befindet? Ich wenigstens würde mir sehr viel darauf zu gute gethan haben, wenn ich in dem Hausvater (das aber alsden» nicht mehr der Hausvater, sonder» ein

) 33f c ein Stück mit einem andern Namen gewesen wäre) alle Verfolgungen des ConimthueS gegen Sophien hatte ;usammen bringen kön­ nen. Um wie viel würde das Interesse nicht gewachsen seyn, wenn man gewußt hätte, daß das junge Mädchen, von derer so übel spricht, die er so hitzig verfolgt, die er will cinschliesscn lassen, seine eigene Nichte ist? Mit wel­ cher Ungeduld würde man nicht den Augen­ blick der Erkennung erwartet haben, der in meinem Stücke nichts als eine geschwind über­ hingehende Ueberraschung hervvrbringt? Es würde der triuniphirende Augenblick einer Unglücklichen sey», an deren Schicksale wir so viel Antheil genommen; es wird der beschänieude Augenblick eines harten Mannes seyn, der sich uns so verhaßt gemacht hat. Warum ist die Ankunft des Pamphilus in der Hekyra weiter nichts, als ein gemeiner Anfall? Darum, weil es der Zuschauer nicht weis, daß seine Frau schwanger ist, daß sie es nicht

) 336 c nicht von ihm ist, daß in dem nehmliche» Augenblicke, da er zurückkömmt, seine Frau entbunden wird.

Warum haben gewisse Monologen eine so grosse Wirkung? Darum, weil sie mir die geheimen Anschlägen einer Personen ver­ traue», und diese Vertraulichkeit mich de» Augenblick mit Furcht der Hoffnung erfüllet.

Wenn der Zustand der Personen unbekannt ist, so kann sich der Zuschauer für die Handlung nicht stärker interessiren, als die Personen. DaS Interesse aber wird sich für den Zu­ schauer verdoppeln, wenn er Licht genug hat und cs fühlet, daß Handlungen und Reden ganz anders seyn würden, wenn sich die Per­ sonen kennten. Alsdcnn nur werde ich es kaum erwarte« können, was aus ihnen werden wird, wenn ich das, was sie wirklich sind, iiiit dem, was sie thun oder thun wollen, vergleichen kann. Der

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Der Zuschauer sey vo» allem unterrichtet, und die Personen mögen einander so itiM kaunt seyn, als es thulich ist; man niache mich nur immer mit dem Gegenwärtigen $«#• frieden, und auf das Folgende begierig; die eine Person erwecke in mir nur immer ein Verlangen nach der andern; ein Zufall bringe mich nur immer dem andern, der aus ihm entspringt, naher; eilte Scene jage nur immer die andere; keine enthalte nichts, als was der Handlung wesentlich ist: und das Stuck wird mich gewiß interessiren. Je mehr ich übrigens über die dramatische Dichtkunst nachdenke, desto ungehaltettec werde ich gegen die, die davon geschrieben ha­ ben. ES ist ein Zusammenfluß besonderer Regel», die man zu allgemeinen Vorschriften gemacht hat. ^Man hat wahrgettommeti, daß gewisse Zwischenfälle grosse Wirkungen Her­ vorbringen, und sogleich hat man dem Dich­ ter die Nothwendigkeit aufgelegt, sich zur Zweyter Theil. P Er-

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Erreichung eben derselben Wirklinge»/ eben derselben Mittel jti bedienen. Hatte man dafür die Sache genauer untersiicht/so würde nian gefunden haben, daß man noch weit grössere Wirklinge» durch ganz entgegenge­ setzte Mittel hcrvvrbriugcn könne. So aber ist die Kunst mit Regeln überhäuft worden, und die Verfasser, well sie sich ihnen knechtisch unterworffen, haben sich nicht selten viel Mühe gegeben, es lange m'cht so gut zu machen,als sie es sonst würden gemacht haben. Wenn man cingesehcn hätte, daß, ob das Drama schon in der Absicht, vorgestellt zu werden, gemacht wird, gleichwohl der Ver­ fasser und der Schauspieler den Zuschauer vergessen müsse; daß alles Interesse sich ans die Personen beziehen müsse: so würde mau nicht so oft in den Lehrbüchern der Dichtknnst lesen, „wenn du das und das thust, so wird „bey deinem Zuschauer diese und diese 93?.„wcgung erfolgen." Vielmehr würde man darin»

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drimin lesen: wenn du das und das thust,, so wird es auf deine Personen diese und diese. Wirkung haben.

Die von "der dramatischen Dichtkunst ge­ schrieben haben, gleicheneinem Mensche», der indem er auf Mittel sänne, rote er eine ganze Familie in Unruhe stürzen könne, diese Mittel »licht ttach dieser Unruhe selbst, sonder» nach deut abwägen wollte, was die Nachbarn da­ von sagen würden. O kümmert euch doch nicht um die Nachbaren; peiniget nur eure Personen recht, und seyd versichert, daß diese keinen Verdrnß haben werden, an dem jene nicht Antheil nehmen:

Wären andere Muster vorhanden gewesen, so würde inan andere Regeln vvrgeschrieben haben, und vielleicht hätte man gebothen: die Entwickelung sey bekannt, und sey eS bey Zei­ ten; und der Zuschauer schwebe in der bestän­ digen Erwartung des Strahls, der alle PerPi sotiett

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soncn in Ansehung ihrer Handlungen und ihrer Verhältnisse erleuchten wird. Ist cs nothwendig, daß das Interesse gegen das Ende des Urania steiget; so scheinet mir dieses Mittel hierzu eben so dienlich, als das entgegengesetzte. Unwissenheit und Ungewiß­ heit erregen und unterhalten die Neugierde des Zuschauers; hingegen müssen es bekannte und immer erwartete Dinge seyn, die ihn rühren und bewegen sollen. Und in dieser Absicht ist es gut, wenn man die Katastrophe beständig in Gedanken hat. Wenn derDichtcr, anstatteinzig und allein unter seinen Personen zu bleibe», anstatt den Zuschauer so viel errathen zu lassen, als er kaun, ans der Handlung herausspringt, und sich zu dem Zuschauerin das Partcrr begiebl: so wird sein Plan leiden, so wird er de» Mah­ lern gleich werde», die, attstatt sich einer stren­ ge» Nachahmung der Natur zu befleissige», die Natur aus de»; Gesichte verliere», und sie

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sie nicht so, wie,sie ist, und wie sie sie selbst sehen, zu zeigen, sonder» vielmehr ihren technischen Bedürfnissen gemäß einzurichten suchen. Sind nicht olle Punkte des Raums ver­ schiedentlich erleuchtet? Nimmt sich nicht einer vor dem andern ans? Stechen sic nicht alle eben so wohl in der dürren und wüstcn Ebene, als in der mannigfaltigsten Landschaft hervor ? Folget der Dichter dem Schlendrian dcS' Mahlers, so wird es ihn» mit feinem Drama nicht anders als diesem mit seinem Gemählde gehen. Hier werden einige schöne Stellen, und dort einige schone Augenblicke seyn. Damit aber ist es nicht gethan; das Geniählde soll nach seinem ganzen Umfange, das Drama soll nach seiner ganzen Dauer schon seyn. Und was wird ans dem Schauspieler, wenn sich der Dichter mit dem Zuschauer abgege­ ben hat? Wird es der Schauspieler nicht sühP 3 len.

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kn, daß das, was hier oder da sichet, nicht für ihn ersonnen worden? Der Dichter hat sich an den Zuschauer gewendet; er wird sich auch an ihn wenden. Der Dichter hat gewollt, daß niair ihm klatschen soll; erwirb auch wollen, daß man ihm klatschen soll; und wo endlich die Illusionen bleiben wird, weis ich nicht. Ich habe bemerkt, daß die Schauspieler alles das schlecht vorsiellcn, was der Dichter für den Zuschauer geschrieben hac; u»d hätte dieser seine Rolle mitgespiclt, so würde er $« der Person gesagt haben: »Mik wem sprichst »du? Warum mit mir? Was gehen mich »deine Handel an? Bleib für dich." Und hätte mich der Dichter seine Rolle mitgespielt, so würde er hinter der Scene hcrvorgekommen, und dem Parterre geantwortet haben: »Verzeihen Sie,.meine Herren, die Schuld '»ist meiner ein andermal wollen ich und er „es besser machen." Man

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Man benFej also, sowohl wahrend dem Schreiben, als wahrend dem Spiele», an den Zuschauer eben so wenig, als ob gar keiner da wäre. Man stelle sich an dem äussersten Rande der Bühne eine grosse Maner vor, durch die das Parterr abgesondert wird. Man spiele, als ob der Vorhang nicht aufgo zogen würbe.

-Llber der Geitzige, der seine Cassctte ver,-leren hat, ruft gleichwohl den Zuschauern »zu: Ist mein Dieb etwa unter euch, meine »Herren?»

O man lasse doch diesen Verfasserin Ruhe! Die Ausschweiffung eines Mannes von Genie beweiset gegen die gesunde Vernunft nichts. Man sage mir nur, ist es möglich, daß man sich einen Augenblick .an den Zuschauer wen­ den kann, ohne die Handlung aufzuhaltcn? Und sind nicht alle die kleinen Stellen, wo man auf ihn gesehen hat, eben so viel RuheP 4 punkte,

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Fünfte, die den Verlauf des Drama langsamer machen und hemmen? Ei» verständiger Verfasser darf in seinem Werke gar wohl Züge «»bringen, die der Zuschauer auf sich anwende» kann; er darf gar wohl im Schwange gehende Lasier und Lächerlichkeiten ansiechen; er darf gar wohl auf öffentliche Begebenheiten anspielen, und eben so wohl zu unterrichten, als zu gefallen suchen: nur muß alles das im Vorbeygehen, ohne Vorsatz geschehen. Sobald er seine» Zweck merke» laßt, verfehlt er ihn; seine Personen hören auf zu reden, und er prediget. Das erste Stuck des Plans, sageu.die Künste richtet, ist die Exposirio». In der Tragödie, wo das Faetum bekannt ist, geschiehet die Exposition mit einem Worte. Wenn meine Tochter deu Fuß nach AnkiS setzt, so muß sie' sterbe». In der Komödie geschiehet sie, dürste ich fast sagen, durch den Anschlagzettel. Wo ist z. E. im Tarrüffc eine

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eine Exposition? Meinem Bedünkcn nach konnte man eben sowohl von dem Dichter verlangen, seine erste» Austritte so einzurichten, daß sie einen kurze» Entwurf des ganzen Stückes enthielten. Alles was ich hiervon Begreifst, ist dieses, daß es einen gewissen Augenblick gebe» muß, da die dramatische Handlung anfängt; und hat der Dichter diese» Augettblick übel ge­ wählt, so wird er der Katastrophe entweder zu nahe, oder zu weit von ihr entfernt seyn. Ist er ihr zunahe, so wird es ihm an Materie gebrechen, und vielleicht ist er gezwungen, seinen Stoff durch eine episodische Intrigue zu erweitern. Ist er zu weit entfernt, so wird der Verfolg schläfrig seyn, so werde» seine Auszüge lang und mit einer Menge Bc, gebenheitc» und Erzchlungcn überhäuft seyn, die nicht im geringsten intcressircn. Die Deutiichkeit will, man soll alles sa­ gen. Die Dichtungsart will, man soll fort,' P f eilen.

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eilen. Wie aber kann man alles sagen und doch forteilen? Der Augenblick/ den inan ju dem ersten erwählt hat/ sey der Inhalt der ersten Scene. Diesem wird der zweyte folgen, dem zweyten der dritte, und so wird der Aufzug fertig. Das wichtigste hierbey ist, daß die Handlung an Geschwindigkeit beständig wachsen und doch deutlich seyn muß: nur in diesem einzigen Stücke muß man an den Zuschauer denken. Und hi'eraus fleht man, daß die Exposition nicht anders als während den« Derlauffe des Stückes und nach Maaßgebnng desselben ge­ schehen kann, nnd daß der Zuschauer nicht eher alles weis und alles gesehen hat, als bis der Vorhang fällt. Je mehrDinge bey dem erste» Augenblicke zu sagen übrig bleibe», desto mehrMat.rie hat man zu Ausführung der folgenden Anf­ lüge. Je schneller und reicher der Dichter »st, desto aufmerksamer wird er seyn müssen. Er

> 347 c Er kann sich mir bis auf einen gewissen Punkt an die Stelle dcö Zuschauers seyen. Seine Intrigue ist ihm so bekannt, daß er sich gar leicht für deutlich halten kann, wenn er sehr dunkel ist. Hiervon muß ihn sein Beurthei­ let' unterrichten; denn einen Beurtheiler muß der Dichter habe», wenn er auch noch so viel Genie besitzt. Glücklich iss er, mein' Freund, wenn er einen findet, der aufrichtig ist, ritten, der mehr Genie hat, als er selbst. Von ihm kann er lernen, daß die geringste Vergeßlichkeit hinreichend ist, alle Illusion zu vernichten; daß der kleinste übergangene ober falsch vorgestcllte Umstand die Lüge ver­ rath ; daß das Drama für das Volk gehört, und daß man sich das Volk weder zu einfältig

noch zu fein vorstellen muß. Man muß ihm alles erklären, was cs erklärt haben will; aber auch nichts mehr. Es giebt Kleinigkeiten, die der Zuschauer gar nicht begierig ist-zu hören, die er sich P ü schon

) 348 C schon selbst erklären wird. Hat ein Znfafl nur eine Ursache, und diese Ursache fallt nicht sogleich in die Augen: so ist es ein Räthsel, dessen Auflösung man verschweigt. Hat sich ein Zufall auf eine ganz einfältige, natürliche Art erälignen können: so würde, ihn erklären, so viel seyn, als sich bey einem Umstande aus­ halten, an dem unserer Neugierde nichts ge­ legen ist. Nichts ist schön, was keine Einheit hat; und der erste Augenblick wird die Colorite des ganzen Stücks bestimmen. Fangt man mit einer starken Situation an, so wird alles übrige von der nehmlichen Stärke sey» müssen, oder es wird uns matt dünken. Wie viel Stücke giebt eö, die durch ihren Anfang verunglückt sind. Der Dichter hat sich gefürchtet kalt anzufangen, und hat daher so starke Situationen genommen, daß er die ersten Eindrücke, die er auf mich gemacht hat, nicht zu unterhalten im Stande ist. Wenn

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Wen» das Werk gut angelegt ist; wen» der Dichter seinen erste» Augenblick gut zu wählen gewußt hat; wenn er sogleich in die Mitte seiner Handlung cingedrunge» ist; wenn er seine Charaktere gut gezeichnet hat: wie kann cS ihm an Beyfall fehlen? DicBestiunnung der Charaktere aber, hangt von den Situationen ab. Der Plan eines Drama kann gemacht, «nd gut gemacht seyn, ohne daß der Dichter noch im geringsten weis, was für einen Charakter er seinen Personen geben will. Man sichet alle Tage, daß Leute von ganz verschiedenem Charakter einerley Zufällen ausgesetzt seyn können. Ein Vater, der seine Tochter opfert, kann khrgcitzig, kann schwach, kann wild seyn. Einer, der sein Geld verloren hat, kann arm oder reich seyn. Einer, der nm seine Geliebte besorgt ist, kann ein Bürger oder ein Held, kann zärtlich oder eifersüchtig, kann ein Prinz »der ein Bedienter seyn. P 7 Alsdenn

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Msdcmr sind die. Charaktere gut getroffen, wenn die Situationen dadurch verwirrter und schwieriger werden. Man stelle sich vor, dass die vier und zwanzig Stunden, welche die Personen itzt zubringen, die allcrunruhigsten und grausamsten Stunden ihres Lebens sind. Und also mache man sie ihnen auch so sauer, als möglich. Ma» lasse alle Situationen stark seyn; man setze sie den Charakter» ent­ gegen ; man setze Interesse dem Interesse ent­ gegen. Keine Person müsse zu ihrem Zweck gelangen könne», ohne den Absichten einer an­ dern hinderlich zu seyn; eine einzige Begeben­ heit halte alle zugleich beschäftiget, aber jeder verlange diese Begebenheit anders, als der andere. Der wahre Contrast lst der, den die Charak­ tere mit den Situationen machen; ist der, de» das Interesse mit dem Interesse macht. Muß Alecst verliebt seyn,so sey er cS in eine Buhlerin; muß Horpagon verliebt seyn, so sey er es in ei» armes Mädchen. »Aber

) jsi c »Aber warum sollte man diese» zwey Arte» »von Contrast, nicht auch den Contrast der »Charaktere bcyfügcn dürfen? Er ist ei» so »vortreffliches Hülfsmittel für den Dichter." Und zugleich ein so abgenutztes, als nur immer der Gebrauch der Mahler seyn kann, einen starke» Vorgrund zu mache», damit die übrigen Gegenstände des Gemähldes besser zurückweichcn.

Ich verlange, daß die Charaktere verfehleden seyn sollen; an ihrem Contraste aber, muß ich Ihnen gestehen, habe ich keinen Ge­ falle». Hören Sie meine Gründe, und ur­ theilen Sie. Bors erste bemerke ich, daß der Contrast in dem Style eine üble Wirkung thut. Wollen Eie, daß die größten, einfältigsten und edelsten Gedanken auf Nichts hinaus lauffc» sollen, so dürffen Sie sic nur unter sich, oder im Ausdrucke contrastieren.

Soll

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Soll ein musikalisches Stück ohne Aus, druck, ohne Genie seyn, so bürffen Sie nur Contrast hincinbringen, und Sie werden wei­ ter nichts als eine abwechselnde Folge von starken und sanften, von hohen uiid tiefen Tonen haben. Soll die Conipofltio» eines Gemähldes widerwertig und gezwungen seyn, so verachte man nur die Klugheit des Raphaels, und strapasiere, und cynrrasticre die Figuren. Die Baukunst liebet die Grosse und Einfalt. Ich will nicht, sagen, daß sie den Cvntrast verwirft. Sie verstattet ihn gar nicht.'. Nu» sagen Sie mir, warum der Contrast in allen Gattungen der Nachahmung ein so armseliges Ding ist, nur in der dramatische» lpocsic nicht? Das sicherste Mittel aber, ein Drama zu ver­ derben, und cs jedem Manne von Geschmack unerträglich zu machen, wäre dieses, daß man die Cvntrastc vervielfältigte. Ich

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Ich weis nicht, was man von dem Haus­ vater urtheile» wird; ist er aber weiter nichts als schli»»», so würde ich ihn gewiß abscheu­ lich gemacht haben, wenn ich den Cvnnnthur mit dem Hausvater, Gcrmeuilcn mit Cäcilien, Saint Minen mit Sophie», und ihre Kam­ merfrau mit einem von den Bedienten in Contrast gebracht hatte. Urtheilen Sie, was aus diese» Antithese» komme» würde. Jch sage Antithese», de»» der Contrast der Cha­ raktere ist in den; Plane eines Drama nichts anders, als was diese Figur in der Rede ist. Es ist eine glückliche Figur, aber sie muß mit Mässigung gebraucht werden; und wer nur im geringsten einen erhabnen Ton hat, wird sich ihrer «liesest enthalten. Ist nicht eines von den wichtigsten und ruglcich schwersten Stücken der dramatischen Kunst, die Verbergung der Kunst? Wasabcr verräth mehr Kunst, als der Contrast? Was scheinet anöstudierm? Was ist abgenutzter? Wo

) 3T4 < Wo ist die Komödie, in derer nicht gebraucht wäre? Und wenn eine ungeduldige und Hastige Person auf der Bühne erscheinet, steckt-wohl in einem Winkel des Partcrr ein so unerfahrner Schulknabe, der nicht zu sich selbst sagte r die gelassene und sanftmüthige Person wird lischt weit seyn? Aber hat die dranratische Gattung nicht' dadurch schon unglücklicher Weise romanenhasten Anstrichs genug, daß sic den gemeinen Laus der Dinge nur in solchen Fallen nachahr Nlen darf, wo eS der Natur gefallen hat, aussen vrdcntli'cheBegebenheitenzu combinicren, und muß zu diesem der Illusion so hinderlichen Anstriche, noch eine Wahl von Charakteren kommen, so wie sie sich fast mcirmls beysanu men finden? Was kömmt in dem gemeinen Leben öftrer vor; Gefellschastcn, wo die Cha­ raktere verschieden, oder Gesellschaften, wo sie kontrastiert sind? Für eine,wo sich dcrContrast der Charaktere so abstechend zeigt, als ihn der

komische

) W ( komische Dichter verlangt, werden sich immer hundert tausend finde» , wo sie weiter nichts als verschieden sind. Der Contrast der Charaktere hingegen mit ihren Situationen, und der manchcrleycn Interesse unter sich, kömmt alle Augenblicke vor. Warum ist mau darauf gefallen, einest Charakter mit dem andern zu contrastieren? Ohne Zweifel, damit einer von beiden desto mehr hcrvorstcchcn soll. Allein diese Wirkung läßt sich nur alsdenn erhalte», wenn diese Charaktere zugleich erscheinen. Und welche Monotonie in dem Gcspracheentspringt daraus? Wie gezwungen wird der ganze Ver­ lauf des Stücks? Wie kann ich die Begeben­ heiten natürlich verknüpfen, und die Austritte in eine schickliche Folge bringen, wenn ich be­ ständig mit der Nothwendigkeit beschäftiget bin, diese oder jene Perlon mit dieser oder jeneu znsammen zu bringen? Wie oft wird cs sich

) n6- e sich «icht eräugn«», daß der Contrast eine Scene verlangt, indem die Wahrheit der Fabel eine ganz andere erfordert? Sind übrigens die zwey eontrastierten Perfönen mit gleicher Starke gezeichnet, so wer­ den sie den eigentlichen Gegenstand des Drama zweydeutig machen. Lassen Sie «ns setzen, der Misanthrop wäre nicht angeschlagen worden, und man hatte ihn ohne Ankündigung gespielt: was wurde daraus geworden seyn, wenn Philmt seinen Charakter eben so behauptet hätte als Alccst. Würde der Zuschauer nicht haben fragen können, (wenigstens in der ersten Scene, wo sich die Hauptperson noch durch nichts unter­ scheidet) welchen von beiden man eigentlich spiele, de» Philanthropen oder den Misan­ thropen? Und wievmneidet man diese Unbe, quemlichkeit? Man opfert einen von den bei­ den Charakteren aufz den einen läßt man alles sage», was er für sich sagen kann, und den ander»

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ander» macht man zu einem ungeschickte», alber»' Geck. Aber merkt der Zuschauer etwa diesemFehler nicht, besonders wenn der lasten hafte Charakter, so wie in dem angeführten Exempel, der Hauptcharakter ist? „Die < erste -Scene - des -Misanthropen iß „gleichwohl ein Meisterstück. Ja: allein eö mache sich nur cin Maniivon Genie darüber, und gebe dem Philint so viel kaltes Blut, so viel Standhaftigkeit, Bered/ samkcit, Rechtschaffenheit, und Menschenliebe, so viel Nachsicht gegen die Fehler, und so viel Mitleiden mit den Schwachheiten seines Nächsten, als ein wahrer Freund des mensch­ lichen Geschlechts haben muß, und sogleich wird, ohne an.dcn Reden des Slicest das ge­ ringste zu ändern, der Gegenstand des Stücks ungewiß werden. Warum aber ist er es nicht ? HatAlcest etwaRecht? Und hat Philint etwa Unrecht? O nein; sondern der eine vertheidiget seine Sache gut, und der andere schlecht. Wollen

) 3f8 c Wollen Sic sich, mein Sretntb, von bet ganzen Stärke dieser Anmerkung überzeuge»: so schlagen Sie die Brüder des Terenz auf. Eie werde» da zwey eontrastierteVäter fi»den, die beide mit-gleicher Stärke gezeichnet sind; »nd können.kühnlich dem feinste» Kuustrtchter Tro« bieten, Ihnen die Hauptperson zu nen­ nen, ob es Mieivn oder ob Deine« ist? Fällt er sein Urtheil vor dem letzten Auftritte, so dürfte er leicht mit Erst anten wahrnehmen, Laß dry, den er ganzer fünfAufzüge hindurch für einen .verständigen Manu gehalten hat, nichts als em-Narr ist, und daßder, den er für einen Narren gehalten hat, wohl gar der verständige Mann seyn könnte. Ma» sollte zu Anfänge des fünften Aufzuges dieses Dram« fast sagen, der Verfasser sey durch den beschwerlichen Contrast gezwtiugen wor-" den, seinen Zweck fahren zu lassen, und das ganze Interesse des Stücks umzukehren Mas ist aber daraus geworden? Dieses, daß man gar

) 3T9 gar hiebt nichr weis, für wen man sich intcrcssiren soll. Von Anfänge her ist man für -en Micion gegen den Dcmea gewesen, und am Ende ist man für keinen von beiden. Bey­ nahe sollte man cincn drittcn Vater verlangen, der das Mittel ;wischcn diese» zwey Personen hielte und zeigte, worinn sic beide fehlten. Wenn man glaubt, daß ein Drama ohne contrasticrte Personell, darum leichter ist, so bctricgt man sich. Wenn der Dichter seine Rollen nur durch ihre Verschiedenheit Fann geltend machens so wirb er ste desto starker zeichnen, destokrästigereolerieren müssen; so wird er, um nicht eben so frostig zu seyn, als rin Nlahler, der weisse Gegenstände auf einen weisse» Grund leget, feine Augen beständig auf die Verschiedenheit der Stände, des Al­ ters, der Situationen und des JMerrssc haben müssen; so wird er, anstatt in der Nothwen­ digkeit zu seyn, den einen Charakter zn schwä­ chen, rim dem andern desto mehr Stärke zu geben,

) Z6-- c geben, sich bemühen müssen, sie alle stark und kräftig zu mache»,

Je ernsthafter die Gattung ist, desto weniger scheinet sie mir denContrast erlauben;« wollen. In der Tragödie ist er sehr selten. Wenn man ihn ja braucht, so braucht man ihn nur unter den Personen vom zweyten Range. Der Held stehet allein. ES ist kein Coutrast im Br iramncus; keiner in der Andromacha z keiner int Lilina; keiner in der Jphigenia; keiner in der Zaire; keiner im Tarrüff. In den Komödien mit Charaktere» ist der Cvntrast nicht nöthig. In de» ander» ist er weniger nberflüstig,

Corneille hat eine Tragödie gemacht, ich glaube, eö ist Nieomedce, wo die Grostmiith d,c herrschende Eigenschaft aller Personen ist: und welch Verdienst hat man ihm nicht aus dieser Fruchtbarkeit, und zwar >nit allem Rechte, gemacht!

Tcrenr

") ;6l c Leren; contrastiert wenig. Plautus con# trastiert noch weniger. Mölicre öftrer. Aber wenn bey Mölleren der Contrast oft das HülfSmittel eines Mannes von Genie ist, muß man: ihn deswegen auch andern Dichtern verschrei, den? Hatte man nicht vielmehr Ursache, eben deswegen sie davor ;u warnen? Aber was wird aus dem Gespräche zwischen kontrastierte» Personen? Ein Zusammenfluß von kleinen Ideen und Antithesen; denn noth­ wendig müssen die Reden einander eben so entgegengesetzt seyn, als die Charaktere. Und mm frage ich Sic, mein Freund, und frage jeden Mann von Geschmack: ob ihnen das einfältige und natürliche Gespräch zwcycv Personen, die ein verschiedenes Interesse, ver­ schiedene Leidenschaften, ein verschiedncö Alter haben, nicht weit besser gefallen würde? Ich kann den Contrast in der Epopee nicht leiden, er müßte denn unter Gesinnungen und Bildern seyn. Er mißfällt mir in der Tragödie. Zweyter Theil. £>. In

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In dem ernsthafte» Komischen ist er überstüßig. In der lustigen Komödie kann man ihn ent, vchren. Ich werde ihn also dem Possenspieler überlassen. Dieser mag ihn in feinem Werke so sehr vervielfältigen, so sehr übertreibe», als er nur will: es ist da nichts zu verderben. Fragt man mich aber, was jener Contrast der Gesimiuligen oder Bilder ist, den ich in derEpopee,in der Ode nnd einigen andern Gattungen der höher» Poesie liebe, so ant­ worte ich: daß es-eiues von den deutlichste» Kennzeichen des Genies ist; daß es die Kunst ist, die Seele mit ganz verschiedenen und wi­ drigen Gesinnungen zu erfüllen, sie von ent­ gegengesetzte» Seiten zugleich zu erschüttern, und ein von Unlust und Vergnügen, von Wi­ drigkeit und Anmuth, von Behaglichkeit und Schrecken vermischtes Gefühl i« ihnen hervorzubringen. Diese Wirkung hat jene Stellei» der Ilias, tsg mir der Dichter de» Jupiter auf dem Ida zeiget;

) ;6; c zeiget; nm Fusse des Berges würge» sich die Trojaner und Griechen, mitten in der Nacht, die er um sie verbreitet Ijat; doch sind die unachtsamen und heiter» Blicke des Gottes gegen die «»schuldigen Gefielde derActhioper gewendet, die von der Milch Icbeu.i Und so gewahrt er mir auf einmal den Anblick der Glücksceligkeit und des Elendes, des Frieden­ lind der Unruhe, der Unschuld und des Lasters, des Schicksals der Menschen und der Grösse der Götter. Ich sehe an dem Fusse dcS Ida nichts als einen Haussen Amciscn. Setzet eben derselbe Dichter für seine Kampfer Preise auf, so sind cs Massen, ein Stier, der mit den Hornern drohet, schöne Weiber und Stahl. Auch Lucrcr hat es sehr wohl gewußt, wie kräftig da- Schreckliche dem Wollüstigen ent­ gegengesetzt werde, wenn er die zügellose Ent­ zückung der Liebe, wie sie sich aller Sinne btt meistert, schildert, und die Vorstellung einer Q a Löwen

) 3 c schreiben: da sic aber ganz verschiedene Ge­ genstände haben, so kann er sich anfangs mit der vornehmsten von ihnen beschäftigen. Ich nenne die vornehmste die, welche die Auf­ merksamkeit deö Zuschauers am meisten auf sich ziehen soll, sie mag Gespräch oder Pan­ tomime seyn. Ich habe die zwey miteinander lauffendcu Scenen der Cacilia und des Hausvaters, welche den zweyten Aufzug «»fangen, so abzusondern gesucht, daß man sie auf zwey Seiren, einander gegenüber, drucken könnte, da man denn deutlich sehe» würde, wie sich Ge­ spräch und Pantomime wechselsweise auf. ein­ ander beziehen. Diese Theilung würde für die Leser sehr bequem seyn, und besonders für solche, die der Vermischung der Reden und der Bewegungen nicht sonderlich gewohnt sind. Es giebt eine Art.episvdischer Scenen, wo­ von wir wenig Beyspiele bey unsern Dichter« finden.

)

M c

finde», die mir aber sehr natürlich scheinen. Sie bestehen aus Personen, dergleichen es in der Welt und in den Familie» sehr viele giebt, die sich überall ungeruffen rindrenge«; und, cs sey ans guter oder aus böser Meinung, aus Eigennutz oder aus Neugierde, oder ans sonst einem Grunde, sich in unsere Händel -mischen, und sie, wider unser» Willen, entwe­ der schlichten oder noch mehr verwirre!». ^Solche Scenen, wohl angebracht, würde» das Interesse gar »icht hemmen, und die Hand­ lung, anstatt aüfzuhalten, vielmehrbeschlcinige». Man konnte diese» episodischen Perso­ nen einen Charakter geben, welchen man woll­ te; es würde-sogar nicht schaden, wenn mgn sie contrasticrte. .Denn sie'bleiben zu kurze Zeit, als daß sie ermüden konnte»; undwürden gleichwohl den Charakter,-dem man sie entgegelr setzte, hebenhelffen. Don der Art ist Frau Pernelle im Tarrüffe und Antiphon im Evncichnöi Antiphon lauft dem Charea R -4

nach.

) 39« c »ach/ der die Besorgung eines Schmauses über sich genommen hatte; er trift ihn als einen Verschnittenen verkleidet, da er eben ans dem Hansi der- Buhlerin heranskvmmt, und gar ;u gern einen Freund antreffen möchte, gegen den er die bübische Freunde, mit der feine ganze Seele erfüllt ist, auslassen sonnte. Richts kann also natürlicher, nichts ihm ged­ iegener seyn, als diese Erscheiniing des Anti­ phon. Nach dieser (Scene bekömmt man ihn auch nicht wieder zu sehen. Wir können unsere Zuflucht zu diesen Pcrfbiten nm so viel eher nehmen, da uns die Chöre mangeln, die in den alten Schauspielen das Volk vorstellten, und unsere Stücke ineistentheils in dem Innersten unsrer Hauser spielen, wo ihnen, so zu reden, der Grund fehlt, auf welchen sie projeetiert werden könnten. Zeder Charakter hat, in dem Schauspiele

sowohl als in der Welt, seinen eigenen Ton.

Die.

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(

Die Niederträchtigkeit, die boshafte Hetzerey/ das gute ehrliche Herz, haben gemeiniglich einen bürgerlichen und alttäglichen Ton. Es ist ein grosser Unterschied zwischen dem Spässe auf dem Theater und dem Spässe km gemeinen Leben. Dieser würde auf der Bühne viel zu schwach, und ohne Wirkung seyn. Jener würde tut gemeinen Leben allzuhart seyn, und beleidigen. Die cyuische Freymüthigkeit, die im gemeinen Leben so verhaßt und unerträglich ist, ist auf der Bühne vortresslich. Ein anderes ist die Wahrheit kn derPöesi'e, ein anderes in der Philosophie. Um wahr zu seyn, muß der Philosoph seine Rede mit der Natur der Gegenstände übereinstimmend machen; der Dichter, mit der Natur seiner Charaktere. Den Leidenschaften und dem Interesse ger maß schildern, muß seine vorzügliche Geschick/ lichkeit seyn. R r Daher

)

394 (

Daher ist er alle Augenblicke genothiget, die allerheikigstcn Dings mit Füße» zu treten, und die abscheulichsten Handlungen heraus ru streichen. Für, den Dichter ist nichts heilig; nicht einmal die Lugend; auch die wird er lächer­ lich mache», sobald es die Person und der Augenblick erfordern. Er ist weder gottlos, wenn er ergrimmte Blicke gen Himmel keh­ ret, und in seiner Muth wider die Götter redet; noch fromm, wenn er sich vor ihre Altare niederwirst, und ei» dcmärhiges Ge­ bet an sie ergehen laßt. Er hat einen Bösewicht eingeführt: aber dieser Bösewicht ist uns verhaßt; seine gros­ sen Eigenschaften, wen» er dergleichen hat, haben uns gegen seine Fehler nicht, verblen­ det; wir haben ihn nie gesehen, wir habe» ihn nie gehört, ohne ihnzu verabscheuen, ohne feines Schicksals wegen ru erzittern.

Warm»

)

M (

Warum will man den Verfaßet in seinen Personen suchen? Was hat Naeine mit der Arhalie, was hat Moliere mit dem Tarrüff gemein? Es sind Manner von Genie/ die dir verstecktesten Falten des menschlichen Herzens durchsucht/ und da alles das gefunden ha­ ben- was in ihren Werken wahr und rührend ist. ‘We Gedichte wollen wir beurtheilen, und um ihre Personen uns unbekümmert lassem Weder ich noch Sie/ werden den lebenden, denkenden, handelnden irnb unter-seines glei­ chen sich »mherbewegenden Menschen, mit dem enthusiastischen Menschen verwechseln, der die Feder, oder den Meissel, oder de» Pinsel ergreift, oder die Bühne besteigt. So laug er ausser sieh ist, ist er alles, was ihn die Kunst, von der er begeistert-wird, will seyn lassen. Aber sind die Augenblicke der Begeisterung voniber, so kehret er wieder in sieh hinein, so wird er wieder was ek'war, R 6 und

) ;y6 c und nicht selten em gan; gemeiner Mensch. Denn hierum unterscheidet sich der Witz von dem Genie , der Witz ist fast immer gegenwattig; aber das Genie oft abwesende Man muß eine Scene nicht als ein Ge­ spräch betrachten. Ein witziger itopf wird sich leicht aus einem ciujelncn Gespräche wickel». Erne Scene hingegen ist allezeit das Werk des Genies. Jede Scene hat ihre Be­ wegung und ihre Dauer. Die wahre Bcweglmg laßt sich ohne Anstrengimg der Eiubildungskraft, und das eigentliche Maaß der Dauer, ohne Ersahruug und Geschmack ilicht

finden. Diese so schwere Kunst des dramatischen Gesprqchs, hat vielleicht niemand in einem so hohen Grade besetzen, als Corneille. Seine Personen setze» einander rechtschaffen zu; sie parieren und stossen zu gleicher Zeit; cs sind wirkliche Ringer. Die Antwort bleibt nicht an dem letzten Worte der vorhergehenden Rede

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(

Rede hangen, sondern gehet auf die Sache, auf den Grund der Sache. Man bleibe stehen, wo man will: derjenige der zuletzt spricht, wird immer Recht zu haben scheinen. Als ich den schonen Wissenschaften noch gänzlich oblag, und den Corneille las machte ich oft «litten in emem Auftritte das Buch zu, und dachte selbst auf die Antwort. Ich brauche es wohl nicht zu sagen, daß meistentheils alle meine Anstrengung zu weiter nichts diente, als mich über die Logik und über den Kopf des Dichters in Erstaunen zu setzen. Ich könnte tausend Beyspiele davon anführen; unter andern aber erinnere ich mich itzt eines, das aus dem Limia genommen ist. Aemilia hat den Cinna so weit gebracht, daß er den Augustus ermorden will. Cinna hat sich dazu anheischig gemacht; er gehr. Allein mit eben dem Dolche, mit dem er sie wird ge­ rathet haben, will er sich selbst durchstossen. Aemilia bleibt, mit ihrer Vertrauten zurück. R 7 In

)

;y8

(

In ihrer Verwirrung ruft sie: Erle ihm nach,Aulvia------- Was soll ich ihm sagen? — Sage ihm — daß er sein worr erfülle^ und damr —was er wolle, mich oder den Tod wähle. Und so beobachtet er den Charatter, so weis er del Hoheit einer römischen See!?/ der Rache, dem Ehrgeize/ der Liebe, mit Einem Worte Genüge zu thun. Alte Scenen Pes Cinna, des Maximus, uüd des Augustus sind unbegreiflich. Leute unterdessen, die sich eines feinern Geschmacks bestreben, behaupten, daß diese Art zu dialogiereu zu schwerfällig sey; daß sie zrr viel Declamatorisches habe, mit mc:yr irr Erstaunen sehe, als bewege. Sie wollen lie­ ber Auftritte haben, wo man sich so scharf nicht unterbalt; Auftritte, in welchen mehr Empfindung als Oialekri? herrschet. Man kann sich leicht einbitvcn, fyiß die e Leute tu len Racine vernarrt sind; und ssch muß nur gestehen/ daß ich es auch bin.

Ich

Ich wüßte nichts schwerers als ein Ge­ spräch, wo- alles, was gesagt und geanrwor, tct wird, durch so feine Empfindungen, durch so flüchtige Gedanken, durch so schnelle Be­ wegungen der Seele, durch so unmcrkliche Beziehungen verbunden ist, daß cs ganz ohne Verbindung, und besonders für diejenigen ohne Verbindung zu seyn Meinet, die nicht dazu gemacht find, in den nehmlrchcn Um­ standen das Nehmliche zu empfinden— Sie werden sich nie Wiedersehen. Sie werden sich eratg Lieben — Du wirst bafcey seyn, meine Dochrer. Und die Rede der wahnwitzigen Clemen­ tine: Meine Mutter war eine gute Mur­ rer, Aber sie ist forrgegangen; oder ich bin forrgegangen. Ich weis selbst mchr.— Und der Abschied devBarnevel von fernem Freunde. Varnevel. Du glaubst ruchr, wie rasend ich für sie eingenommen war! — Wiesel)^

)

AOO

C

der Affecr alle gute Empfindung in nnv

ersticke harre! — Glaub mir, — wenn ffe mir befohlen harre,

dich umzubringen, dich! — — ich weis-nicht, ob ich esnichr

gethan harre. Oer Freund. LiebsterFrennd, vergrößre

deine Schwachheit doch nicht so sehr.

Barnevel.. Ja, ich glaube gewiß, — ich harre dich umgcbrachr. Der.Freund, wir haben uns noch nicht

umarmt.

Lomm —

. Wir haben uns iroch nicht umarmt: welch eine Antwort auf: ich harre dich um-

gebracht.

Wenn ich einen Sehn hatte, der hier die Verbindung nicht fühlte, so wollte ich lieber, -aß er nicht gebohmr wäre. Gan; gewiß s ich würde ihn arger verabscheuen, als Barne-

veln, wenn er seinen alten Detter umbringt Und der ganze Austritt der. wahnwitzigen

Phadrq. Und

) 4=1 c Und dte ganze Episode den Clementine.

Unter den Leidenschaften sind diejenige»/ die Ma» sich am leichtesic» zu Haden stellen kann, auch die leichteste» ;» schildern. Da­ hin gehöret die Großmut!); die überall etwas Erlogenes »nd UeberrricbcncSvertragt. Wenn man seine Seele zu der Hohe der Seele eines Cato schraubet/ so laßt sich ein erhabener Gedanke wohl noch finden. Abercher Dich­ ter, bey dem Phädra sagt:

O tvürf ich mich doch jetzt im Busch auf Rasen Nieder! — Ihr Götter! wann verfolgt mein Blick den Wagen wieder. Der durch die Rcnnbah» fleucht, in cdeln Staub gehüllt?

dieser Dichter selbst hat sich diese Stelle nicht eher versprechen können, als bis er sie gefunden hatte; und ich bilde mir mehr dar­ auf ein, daß ich ihre Schönheit einsehe, als ich

) 402 c ich mir Zeit Lebens auf irgend etwas von mei­ ner eigenen Arbeit cinbilden werde. Wie man mit vieler Arbeit eine Sceire machen kann, wie sie Corneille gemacht hat, ohne selbst eilt Corneille zu seyn, das kaun ich begrciffen: aber nie habe ich cS begreissen könne», wie man eine Raeinische Scene ma­ chen kann, ohne selbst ein Racine zu seyn. Möllere ist öfters unnachahmlich. Er hat Scenen vrm vier bis fünf Personen, die ans lauter einfylöigten Wörter» bestehe», und wo jede Person nur ein ewr'iges solches Wort sagt; allein dieses Wort ist ihrem Charakter gemäß, und schildert ihn. ES giebt in seinen gelehrten FrauenZiMmer» Stellen, worüber einem die Feder aus der Hand fällt. Hat man ein wenig Genie, so verschwindet es da. Ma» bleibt ganze Tage, ohne bas geringste zu machen. Man mißfallt sich selber. Der Muth kömmt nicht eher nach und nach wie­ der, als bis man das Gelesene nach und nach ver

)

403

c

vergißt, bis sich der Eindruck, dcn e» auf u»S gemacht hat, nach und »ach verlieret. Auch sogar da, wo cs diesem wunderbaren Man» nicht gelegen war, sein ganzes Genie zu zeigen, läßt es sich spüren. Elmire würde sich dem Tarrüff ans die plumpste Art amragcn, und Lartüff würde ein Dummkopf schein nen,dck sich in die augenscheinlichste Falle locke» liesse, wenn Molicrc dem nicht-vorznbeugen gewußt hatte. Und man sehe nur, wie. EU uu're hat die Erklärung des Lartüss ohne Un­ willen angchvrt. Sic hat ihrem Sohne Still­ schweigen auferlegt. Sie macht die Anmer­ kung, daß ein verliebter Mensch leicht zu ver­ fuhren sey. Und auf diese Weift Betrügt der Dichter dcn Anschauer, und bereitet sich eine Scene, die, ohne diese Vorsicht, weit mehr Kunst erfordert hatte, als er so dabey angewcndet hat. Aber wenn Dorine, in eben demselben Stücke, mehr Witz, mehr Ver­ stand, feinere Begriffe, nnd sogar edlere Auö.drückc

) 404 < drücke hak, als ihre Herrschaft insgesammt: wenn sie sagt: Sic möge» allzugern durch eines ander» That, Die gleichen Ausscnschein, die gleiche» Anstrich hat, Ihr Thun beschönigen, ihr Unternehmen schinueken; Cie wollen, durch den Schein der Gleich­ heit, ihre Tücken Zu Tugenden erhöhn; auch wellen sie der Welt Gerechten Tadel, der gleich Pfeilen auf sie fallt, Ium Theil von ihrem Haupt auf andre walzen — — so werde ich nimmermehr eine Magd zu hö­ ren glauben. Leren; ist besonders kn seinen Erzehlungc» unvergleichlich. Es ist ein reines rmd Helle» Wasser, das immer einerley fortrinnt, int# «er

) 4°f C

wer mit der nehmlichen Geschwindigkeit, imwer mit dem nehmlichen Geräusche, als es sein Abschuß und sein Boden veranlassen. Kein Witz, feine ausgekr'amte Gesinnungen, feine epigrammatische Sentenz, feine von den Erklärungen, die sich eher in die mora­ lischen Werke eines Nicole oder Nochefancauld schicken. Wenn er einen allgemeinen Lehrsatz einfliessen laßt, so geschicht cs auf eine sehr einfältige und gemeine Art; man sollte glauben, er führe weiter nichts, als ein bekanntes Sprüchwort an; weiter nichts, als was sich unmittelbar aus seinem Stoffe er­ gebe. Heut zu Tage sind wir so lehrreiche Schwätzer geworden, daß uns eine Menge Scenen des Terenz nicht anders als leer vor­ kommen können. Ich habe diesen Dichter mehr als einmal mit Der größten Aufmerksamkeit gelesen/ und nie eine überflüßige Scene, nie das geringste Ueberflüßige in irgend einer Scene, gefunden; Es

) 40t (

Es wäre Den«/ daß man die cvfk Scene des zweyten Auszuges im Evnuchns angreissen wollte. Thraso hat der Buhlerin Thais ein junges Mädchen geschenkt. Der Schmarnzer Gnatl-o soll sie ihr bringen. Indem er sie hinführt/ hatt er gegen die Zuschauer eine sehr angenehme Lol rede auf seine Profession. Aber schickte sich das itzt? Wenn noch Gnatho das junge Mädchen , das er führen soll, auf der Bühne erwartete: so möchte er mittler­ weile plaudern, was er wollte; ich würde nichts dawider haben. Terenz giebt sich eben nicht viel Mühe die Scenen zu verbinden. Er laßt das Thearer wohl dreymal hinter einander leer; und das mißfallt mir/besonders in den letzten Aufzü, gen, ganz und gar nicht. Diese Personen, die einander ablösen, und gleichsam nur im Vorbeygehen ein Paar Worte fallen lassen,, scheinen eine grosse Ver­ wirrung anzuzeigen. Kurze,

) 407 C

Kurze, schnelle, einzelne, theils gesprochene/ theils pantomimische Scenen, würden in der Tragödie, wie mich dünkt, von noch größter Wirkung seyn. §n Anfänge eines Stücks wäre nur zu befürchten, daß sie der Hand­ lung gar zu viel Geschwindigkeit- ertheilen,, und dadurch Dunkelheiten veranlassen dürften. Je verwickelter der Stoss ist, desto leichter ist das Gespräch. Oie vielen Vorfälle geben jeder Scene ihren besondern und bestimmten Inhalt. Ist hingegen bas Stück einfach, und muß ein einziger Vorfall verschiedene Scenen füllen- so bleibt für jede insbesondere der Inhalt unbestimmt. Eiücu gemeinen Verfasser setzt das in Verlegenheit; aber einem Mann von Genie schäft cs desto mehr Anlaß, sich zu zeigen. Je feiner die Faden sind, welche die Scene mit dem Stoffe verbinden, desto mehr Mühe hat der Dichter. Man gebe eine von solchen unbestimmten Scenen hundert Personen; jede wird

wird sie auf eine andere Art auöführen; und doch kann nur eine die beste seyn. Gemeine Leser schätzen die Fähigkeit eines Dichters nach den Stellen, die sie am mei­ sten rühren. Ueber die Rede- eines Rebellen an seine Mitverschworette, über eine Erken­ nung, und dergleichen , schreyen sie Wunder» Sie dürsten aber den Dichter wegen seines Werks nur selbst befragen, und sie werden bald hören, daß sie die Stelle, zu der er sich am meisten Glück wünscht, unbemerkt gelas­ sen haben. Die Scenen des natürlichen Sohnes sind fast alle von dem Schlage derjenigen, deren unbestimmter Inhalt den Dichter in Verle­ genheit setzen kann. Der mit sich selbst un­ zufriedene Dorval, der das Innerste seiner Seelegegen seinen Freund, gegen Rosalien, gegen Theresien verbirgt; Rosalia und The­ resia, die fast in ebenderselben Verfassung sind, konnten, in der Ausführung fast nicht die

) 409 c die geringste Stelle veranlassen, die nicht weit besser, oder weit schlechter hatte behandelt werden können. In dem Hausvater sind dergleichen Seeneu seltner, weil ungleich mehr Bewegung darin» ist.

ES giebt in der Dichtkunst wenig allge­ meine Regeln. Von einer unterdessen wußte ich doch nicht, daß sie eine Ausnahme litte. Von dieser nehmlich, daß die Monologe für die Handlung ein Augenblick der Ruhe, und für die Person ein Augenblick der Unruhe ist. Das ist sogar auch von der Monologe wahr, die ein Stück anfangt. Ist sie eines gelasse­ nen Inhalts, so ist sie wider die Wahrheit; denn der Mensch spricht nur in den Augen­ blicken der Verwirrung mit sich selbst. Ist sie lang, so sündiget sie wider die Natur der dramatischen Handlung, die sie alljuschr auf­ halt. Zweyter Theil.

S

Ich

) 4io c Ich kann weder die Carrieaturen ins Schö­ ne, »och die Carrieaturen ins Häßliche ver­ tragen ; denn das Gute und das Schliinme kann gleich sehr übertrieben werden; und wenn uns der eine von diesen Fehlern weni­ ger mißfallt als der andere, so kömmt es von unserer Eitelkeit her. Man will, daß auf der Bühne die Charak­ tere sich gleich bleiben sollen. Diese falsche Forderung laßt sich nur durch die kurze Dauer des Drama rechtfertige»; denn wie viele Umstande eraugnc» sich nicht in dem Leben, die einen Menschen von seinem Charakter äbbriiigcn 1 Das Schwache ist der Gegensatz des Ucbcrtricbencn. Pamphiluö in der Andria dünkt mich schwach. Davus hat ihn verleitet, in eine Heyrath zu Willige», die er verabscheuet. Seine Geliebte kö'mnit nieder. Er hat hun­ dert Ursachen, vrrdrüßlich zu sey«. Gleich­ wohl nimmt er alles ganz sanftmüthig auf. So

)

4i i

c

So ist sein Freund Charinus nicht; so ist auch Elinia in dem-Heavtonklinorumenos nichts Dieser kömmt-von ferne her, und indem er noch seine Reisekleider ablegt, befiehlt er schon dem Davuö, seine Geliebte zu hohlen. Es ist wenig Galanterie in diesen Sitten; aber weit mehr Kraft-ist darinn, als in unsern, -und der Dichter kann einen weit bessern- Gebrauch da­ von machen. Es ist dis blosse Natur, die sich ihren ungezähinte» Begierden überlast. Un­ sere kleinen inadrigalisierten Complimente, wurden in dem Munde eines Clinia oder Chärea von besondrer Aninlith seyn. Wie frostig sind die,Rolle» unsrer Liebhaber! Was mir auf der alten Bühne- am meisten gefällt, daß sind die Liebhaber und die Väter. Die Davi hingegen kann ich nicht leiden; und ich hoffe, daß wir uns ihrer nie mehr be­ dienen. werden; es mußte denn der Stoff des Stücks die alten Sitten erfordern, oder nach unsern Sittenein schändlicher Stoff seyn. S Ein

)

41-

(

Ein jedes Volk hat Borurtheile ju bestrei­ ten, Laster ru verfolgen, Lächerlichkeiten ver-' ächtlich zu machen. Ein jedes Volck muß also Schauspiele, aber seine eigenen Schau­ spiele haben. Welch ein vortreffliches Hülfs­ mittel könnten sic der Regierung seyn, wenn r§ darauf ankäme, die Vcrändcrnng eines Gesetzes, oder die Abschaffung eines Gebrauchs vorzuberciten! Die Komödianten wegen ihrer persönlichen Sitten augreiffen, heißt allen Stande» zn Leibe wollen.

Das Schauspiel wegen seiner Mißbräuche augreiffen, heißt sich wider alle Arten des öffentlichen Unterrichts aZflehncn; und alles was man bisher darüber gesagt hat, ist so tut# gerecht als falsch, weil man nur immer die Dinge so, wie sie sind, oder gewesen sind, und nicht so, wie sie sey» könnten, in Be­ trachtung gezogen.

Ein

) 4i; c

Ein Volk kann nicht in allen Gattungen des Drama gleich vortrefflich seyn. Die Tragödie scheinet mir mehr nach dem Geiste der Republik, und die Komödie, besonders die lustige, nach dem Charakter der Monarchie zu fei)». Unter Leuten, die einander keine Achtung schuldig sind, wird die Spytterey hart seyn. Sie mich nach der Höhe zielen, wenn sie leicht «erden soll; und das wird in einem Staate geschehen, in welchem die Menschen von ver­ schiedenem Range sind, und den man mit einer hohen Pyramide vergleichen kann, wo diejenigen, die auf dem Grunde liegen, auf denen die ganze sie erdrückende Last ruhet, gezwungen sind, auch sogar in ihren Klagen bescheiden zu seyn. Eine sehr gewöhnliche Unbequemlichkeit ist diese, daß man ans einer lächerlichen Hoch­ achtung für gewisse Stände, endlich nur die Sitten dieser Stande allein schildert; daß S 3 auf

) 4M c

auf diese Weise die Nützlichkeit der Schau­ spiele eingeschränkt wird, und sie wohl gar der Kanal werde», durch welche sich die Thorheit ten der Grossen unter die Geringern ausbreiten. Bey einem sklavischen Volke verlieret alles seine Würde. Man muß sich eines niedrigen Tones, niedriger Gebehrdcn befleißigen, nm der Wahrheit alle» Nachdruck und alles Anstößige zu benehmen. Und da sind die Dichter Nichts besser als die Hofnarren der Könige; nur weil man sie verachtet, IW man sic reden, was sie wollen. Oder sie gleichen vielmehr gewissen Schuldigen, die vor Gerichte gezogen, und schwerlich würde» seyn loSgcsprochcn worden, wenn sie sich nicht unsinnig zu stellen gewußt hatten. Wir haben Komödien. Die Engländer ha-' den nichts als Satyrcn, die zwar in dcr That sehr stark und munter, aber ohne Sitten und Geschmack sind. Den Italiäner kann man weiter

) 4if c

weiter nichts, als das burleske Drama eiNräumen. Ueberhaupt, je gesitteter und geschliffener eilt Volk ist, desto nnpoetischer sind seine Sit­ ten. Alles was feiner wird, wirb schwächer. Wenn hingegen bildet die Natur Muster für die Knust? In denjenigen Zeiten ohne Zwei­ fel, wenn sich die Kinder um dem Bette des sterbenden Vaters die Haare ausrauffen; wenn eine Mutter ihren Busen entblösset, 'und ihren.Sohn bey den Brüsten, die er ge­ sogen hat, beschwöret; wenn sich ein Freund das Haupthaar abschneidet, und es auf den Leichnam seines Freundes streuet, oder ihn in seinen Armen auf den Holzstoß tragt,.und die Asche desselben in eine Urne sammelt, die er an gewissen Tagen mit seinen Thränest zu benetzen kömmt; wenn sich die Wittwen, in fliegendem Haare, das Gesicht mit ihre» Nageln zerkratzen, weil ihnen der Tod einen geliebtest Gatten geraubet; wenn dieHäupter S 4 des

) 416 (

des Volks bey allgemeinen Landplagen ihre gedemüthigtc Stirne in de» Staub legen, ihre Kleider zerreissen, und jammernd sich an die'Brust schlagen; wen» ein Vater seine» riengebornen Sohn in die Arnie nimmt- ihn fie» Himmel halt, und die Götter über ihn anflehetz; wenn das erste, was ein Kind, das seine Aeltern nach einer langen Abwesenheit wicdcrsiehet, dieses ist, daß cs ihre Kniee um­ fasset und fußfällig um ihren Scegcn bittet; wenn die Gastmale heilige Opfer sind, die sich mit Bachern voll Weins/ auf die Erde ge­ soffen, anfangen-und enden; wenn das Volk mit seinen Gebieten«-spricht, und die Ge­ bieter cs anhören und ihm antworten; wenn ein Mensch -mit umwundener Stirne vor einem Altare-liegt, und-eine Priesterin mit aufgehabencn Händen über ihn betet, und die heiligen Gebräuche der Versöhnung und Rei­ nigung an ihm vollziehet; wenn eine schäumen­ de Pythia, in deren Bnfen ein Gott stürmet, auf

(ins dem Drcyfttße sitzet, die Augen vcrkehret, und von ihrem prophetischen Geheule dunkle 'Hohlen ertönen läßt; wenn grau, same Gotter nicht anders als durch Menschen, blut z» versöhnen sind; wenn mit dem Thyrsus gerüstete Vachanrinnen in den Wäldern herumschwärmen, und den Unheiligen, der sich aus ihren Wegen treffen läßt, in Schre­ cken setzen; wenn andere Weiber sich ohne Scham cntblössen, dem ersten dem besten die Arme öffnen, und sich ihni Preis geben re. Ich sage nicht, daß diese Sitten gut, son­ dern daß sic poetisch sind. Was braucht der Dichter? Eine rohe, oder eine gebildete Natur? Eine ruhige, oder eine wilde? Wird er di'e Schönheit eines klare» und heitern Tages, dem Schrecken einer dun­ keln Nacht vorziehcn, wen» das unterbroche­ ne Brausen der Winde ruckweise unter das hohle anhaltende Geräusche eines entfernte» Donners stürmet, und er den Himmel sich

) 418 ( Lber feinem Haupte entzünde» flehet? Wir­ er den Anblick des ruhigen Meeres, dem Anblicke der tobenden Wellen vorziehn? Die fiumme und kalte Beschauung eines-Pallastes, dem Wandeln unter Ruine» 7 Ein aufgeführtes Gebäude, eine von Menschen Harn den-bepflanzte Gegend, der Dunkelheit eines alten Haynes, der unbekannten Grotte tu einem wüsten Felsen? Wasserbehalrnisse, sprlin genbe Brunne», dem Anblicke einer Kata­ rakte, die über zerrissene Felsen-daher stürzetdaß ihr Geräusche der ans dem fernen Ge­ birge-weidende Hirte mir Grausen höret? Die Poesie verlangt etwas MgeheuerS, Barbarisches imd Wildes. Alsdann wenn die-Wuth de's bürgerlichen Krieges, oder des FanatiSnmS, die Men? fchen mit Dolchen bewafnet, und Bkut ist Strömen fliesset, alsdänn treibet und grünet der Lorbeer des Apollo. Mit Blitt wilk et? begossen seyn. Er verwelkt in den Zeiten des Frie-i

) 4i9 c

Friedens und der Musse. DaSgüldene Welt.' alter hatte vielleicht ein Lied, oder eine Elegie hcrvorgcbracht. Die epische und dramatische Poesie verlangen andere Sitten. Wenn wird man Dichter aufstehen sehen? Wenn sonst, als nach-den Zeiten des.ElendeS und grosser Unfälle, da die gezüchtigten Völ­ ker sich wieder zu crhyhlen gnfaiigen ? AISdcnn wird die Einbildungskraft derer, die Zeuge» von so viel schrecklichen Scenen gewesen sind, denen, die nichts davon gesehen haben, ganz unbekannte Dinge schildern. Haben wir nicht bey verschiedncn Umstanden eine Art von Schrecken empfunden, die »ns ganz fremd war? Warum halste nichts gewirkt? Haben wir kein Genie mehr? Genie findet sich zu allen Zeiten; aber die Menschen, in denen- es liegt, bleiben tief un­ ter dem Schiittcvergrabcn, wenn, diesen nicht ausserordentliche Begebenheiten so erschüttern, daß sie ans Licht komme» können. Alsdenn S 6 ■ Haussen

) 430 C Haussen sich die Empfindungen in der Brust, und schwellen sie auf, und zwingen die, die einen Mund haben, daß sie ihn öffnen, und sich erleichtern. Was wird also der Dichter unter ejnein Volke thun, dessen Sitten schwach, klein und gekünstelt sind; wo die strenge Nachahmung des gewöhnlichen Umganges nichts als ein Zusammenhang falscher, sinnloser und niedri­ ger Ausdrücke sey» würde; wo weder Frcymüthigkeit noch Gutherzigkeit ist; wo der Va­ ter seine» Sohn Mein Herr nennt, und die Mutter ihre Tochter Mademoisell ruft; wo die öffentlichen Ceremonien nichts Grosses, das häusliche Leben nichts Rührendes und Ehrbares, die fcyerlichen.Handlungen nichts Wahres haben? Er wird die Sitten dieses Volks verschönerns er wird die Umstände sorgfällig anfsuchcn, die seiner Kunst am zuträg­ lichsten sind; die andern wird er übergehen; und hier und da wird er einige erdichtete einjnschieben wagen. Welch

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Welch einen feinen Geschmack aber muß er habe»/ wenn er cs fühlen soll, in wieweit sich sowohl die öffentlichen als besondern Sit­ ten verschönern lasten r Wenn er das Maaß im geringsten überschreitet, so wird er falsch imd romanenhaft werden. Wenn die Sitten, die er annimt, vormals im Schwange gewesen sind, und diese Zeit eben nicht sehr lange verstrichen ist; wenn ein Gebrauch abgekvmmen, in der Sprache aber ein mcthaphorischcr Ausdruck davon übrig geblieben ist; wenn dieser Ausdruck et­ was Gutes und Rcchrschaffciics bemerkt; wen» er von einer alten Frömmigkeit, von einer guten einfältigen Gewohnheit, von der »tt wünschen wäre, daß sie noch bestünde, zei­ get; wenn die Väter darin» ehrwürdiger, die Mütter werther, die Könige gefälliger erscheinen: so mache er sich nur kein Veden, feil; anstatt, daß man ihm, wider die Wahr­ heit gesündiget iu haben, vorwerffen wird, S 7

wird

) 4$3 C

wirt» man vielmehr aimchmcn, daß sich ohne Zweifel' diese alte», guten- Sitten in dieser Familie so lange erhalte» haben. Nur vcrmcide er alles das, was'nach dem gegen/ ■«artigen Gebrauche irgend eines benachbar­ ten Volkes seyn wurde. Aber man denke nur, wie wunderlich die gesitteten Völker sind. Ihre Feinheit geht ost so weit, daß sie dem Dichter auch so gar den Gebrauch vieler in ihren Sitten gegrün­ deter Umstände, die einfältig, schon und wahr sind, untersagt. Wer dürfte es unter uns wage», auf der Bühne Stroh auszubreiten, und ein neugekornes Kind auf demselben wegzusetzcii? Wenn der Dichter eine Wiege an­ brachte, würde sich nicht'im Parterre mehr als ein Geck finden,'der wie ein kleines Kind iu schreye» aufäuge > Logen und Amphitheater würden darüber lachen, und um das Stück wäre es gethan. O possierliches und leicht­ sinniges Volk, wir sehr schrankest du die Kunst

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Kunst ein! Welchen Zwang legst du deinen Künstlern auf! Wie vieler Vergnügen Lcwtbet dich dein verzärtelter Geschmackl Alle Augenblicke würdest du auf der,Bühne Dinge ÄUspfeisse», die dich im Gemälde, rühren und bezaubern würden. Weh dein Genie r dem rS cinkommen dürste, dir ein Schauspiel zu zeigen, das zwar mit der Natur aber nicht mit deinen Vorurtheilcn bestehen könnte! Tcrcnz hat das neugeborne Kind ans der Bühne wegsctzen lassen. Er hat noch mehr gethan. Er hat die Zuschauer das Geschrey der grcissenden Mutter, die es zur Welt brachte, aus dem Hause her vernehmen las­ sen. Das ist schön; aber wem würde es itzt gefallen? Der Geschmack eines Volkes must sehr un, gcwiß-scyn, wenn er in der Natur der Dinge etwas leiden kann, dessen Nachahmung et dem Künstler verbietet; oder' wenn er gewisse Wirkungen der Kunst bewundert, die ihm in der

der Natur mißfallen. Wir würde« von einem Frauenzimmer, das einer von den Bildsäule» gliche, die uns in der Tuilcries bezaubern, sagen, daß sie einen ganz hübschen Köpf, aber plumpe Füsse, und ganz und gar keine Tailke habe. Das Frauenzimmer das der Bildhauer auf einem Sopha schon findet, ist in seiner Werkstatt häßlich. Wir sind voll von der­ gleichen Widersprüchen. Was cs aber am meiste» zeiget, daß wir von dem guten Geschmacke und von der Wahrheit noch weit Entfernt sind, daß sind unsere Armseligen und falschen Verzierungen des Theaters, nebst der üppigen Kleiber­ pracht der spielenden Personen. Man. verlangt von dem Dichter, baß er sich der Einheit des OrtS untcriverssen soll, und die Bühne überlaßt mancher Unwissen­ heit eines ungeschickte» Verzierers. Wollte man nun, daß sich unsere Dichter, sowohl in dem Verfolge ihrer Stücke, als in

) 4-f c dem Gespräche, mehr der Wahrheit nähern sollte»; daß sich unsre Schauspieler eines na­ türlichern Spieles, einer wahrern Dcclamativn bcfleissige» sollten: so dürsten die Zu­ schauer nur mit der Sprache herausgehc», und den Ort der Scene so, wie er wirklich seyn sollte, zu sehe» verlange». Wenn Natur und Wahrheit auf unsern Bühnen nur einmal in dem allergeringsten Stücke die Oberhand gewännen, so würde sich gar bald Ungereimtheit und Eckel auf alles übrige, was ihnen zuwider wäre, w breiten. Das am übelsten verstandene dramatische System würde dasjenige stylt, das halb wahr und halb falsch wäre. Es würde einer unge­ schickten Lüge gleichen, wo mir gewisse Um­ stände die. Unmöglichkeit des Uebrigen verra­ then. Eher wollte ich die Vermischung ganz verschiedener Gattungen vertragen; denn wenigstens ist darinn nichts falsches. Der Fehler

) 416 C

Fehler des Shakespear ist nicht der größte, in welchen ein Dichter fallen kann. Er reizt bloß von wenig Geschmack. Der Dichter, dessen Werk man für würdig erkannt hat, "öffentlich vorgcstellt zu werden, schicke »ach "den Derzicrcr. Er lese'"ihm sein Drama vor; lind dieser suche de» Ort der Scene aufs beste zu fassen, zeige ihn uns, wie er wirklich ist, und bedenke, daß die theatra­ lische Mahlerey weit strenger, weit, wahrer, als irgend eine andere Gattung der Mahle­ rey seyn muß. Die theatralische Mahlerey wird sich vieler Dinge enthalten, die sich die gewöhnliche Mahlerey erlaubt. Wen» der Staffeletmahler eine Hütte vorstcllen soll, so wird er sie dielleicht gegen eine zerbrochene Säule lehnen. Und ein umgestürztes korinthisches Gesimse zum Sitze an der Thüre machen. In der That ist es auch nicht unmöglich, das itzt da eine Hütte stehet, wo ehedem ein Pallast ge­ standen

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standen hat. Dieser Umstand erregt in mit einen rührenden Nebenbegriff, indem er mies­ an die Hmfälligkeit der menschlichen Dingen erinnert. Bey der theatralischen Mahlereh aber kömmt es hierauf nicht an. Sie leidet keine Zerstreuung, keine Voraussetzung, die einen andern Eindruck in meiner Seele veranlaffcn könnte, als den sich der Dichter vor­ gesetzt hat. Zwey Dichter können sich nicht beide auf einmal gleich vorthcilhaft zeigen. Das unter­ geordnete Talent muß zum Theil dem herr­ schende» Talente aufgeopscrt werden. Ginge jeder seine» Weg vor sich, so würde er viel­ leicht etwas allgemeines vorstellen. Da ihn aber ein andrer führet, so muß er sich nist einem einzeln Falle befriedigen. Man sehe nur, roic verschiede» die Sceaussichten, die Dernet aus seiner Idee, und die er nach der Natur gcmahlet hat, an Kraft mid Leben' sind. Der Theatermahler ist auf die Um­ stände

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stände eingeschränkt, die tue Illusion dienen. Alle zufällig- Zierrathe», die dieser zuwider sey» könnte», sind ihm untersagt. Auch sogar derer muß er sich mit Mäßigkeit bedienen, die weiter nichts thun, als ohne Nachtheil verschönern. Denn wenigstens zerstreuen sie doch. Und das ist der Grund, warum die schönste Verzierung des Theaters doch weiter nichts als ein Gemälde von der zweyten Ordnung seyn kann. In der lyrischen Gattung ist das Gedicht für den Musikus gemacht, so wie die Verzier rung für den Dichter. Das Gedicht wird daher so vollkommen nicht seyn, als wenn der Dichter seine völlige Freyheit gehabt hätte. Ist eiy Saal vorzustellcn: so > sey,cs der Saal eines Mannes von Geschmack. Nichts Barokes; wenig Vcrguldung; die Möbeln schlecht und recht: es wäre denn, daß der Stoff ansdrnckli'ch-das Gegentheil verlange. Dek

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Der Stolz verdirbt alles. Der Anblick des Reichthums ist kein schöner Anblick. Der Reichthum hat zu viel Grillen; er kann das Auge blende», aber die Seele nicht rühren. Unter einem kostbar verbrämten oder gestick­ ten Kleide/erblicke ich weiter nichts, als eine» Reichen; und ich suche einen Mensche». Wen die Edclgestcine, mit welche» eine schone Frau geschmückt ist, bezaubern, der ist nicht werth, eine schöne Frau zu sehen.

Die Komödie will in häuslicher Kleidung gespielt seyn. Man muß auf der Buhne we­ der geputzter noch nachläßiger erscheinen, als bey sich zu Hause.

Wenn ihr der Zuschauer wegen so viel Geld an Kleider verschwendet: so habt ihr keine» Geschmack, ihr Schauspieler. Ihr vergeßt, daß euch der Zuschauer gar nichts angeht. Je ernsthafter die Gattungen sind, desto gesetzter muß die Kleidung sey». Mitte»

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Mitten in einer verwirrten Handlung soll­ ten die Menschen Zeit haben, sich wie an ei­ nem Feste oder Freudentage zu putzen? Ist das wahrscheinlich?

Wie viel haben nicht unsere Komödianten auf die Vorstellung der Chinesischen Wa^se verwandt? Wie viel haben sie sich es kosten lassen, dieses Stück um einen Theil seiner Wirkung zu bringen? WahrhastignurKrnder, dcrgieichen man auf den Gassen, wo bunte Tapeten ausgehangen- sind,- mit offenen Mäu­ lern stehen siehet, nur solchen Kindern kann die üppige Pracht der theatralischen Kleidung gefallen. O Arheuienser, ihr seyd Kmdw!

Ein simples Gewand, von einer gesetzten Farbe, hatte es seyn, müssen; und keine Stückerey, kein Flittergold. Man befrage nur auch hierüber die Mahlerey. Welcher Artist ist so gothisch, der euch in seinem Gemälde eben so starr und steif, eben so glanzend-vorgestellet

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gestcllet hatte, als wir euch «ns der Bühne gesehen haben? . O Schauspieler, wenn ihr euch wollt klei­ den lerne», wenn ihr den falschen Geschmack an Pracht ablegen wollt, wen» ihr euch der Einfalt naher» wollt, die den grossen Ein­ drücken, die euren GlückSnmstanden, die euren Sitten so sehr zuträglich sey» würde: so besucht unsere Gallerieen. Wenn man einmal den Einfall bckonlmen sollte, den Hausvarcr auf dem Theater zu versuche», so glaube ich, diese Person könnte nicht simpel genug gekleidet seyn. Cacilia branchte weiter nichts als die Hauskleidung eines reichen Mädchens. Dem Cvmmthur würde ich allenfalls ein Kleid mit einer glat­ ten Dresse, und einen Stock mit einem Schnabclknopfe geben. Wenn er zwischen dem er­ sten und zweyten Aufzuge ein andres Kleid anlegte, so würde es mich von einem' so eigen­ sinnigen Manne eben nicht sehr befremden. Vor

) 412 ( Vor alle» Dinge» aber mußte Sophia eit Sianroise, und Frau Hebert, als eine gute Bürgerssrau ant Sonntage, gekleidet seyn: oder es wäre "alles verdorben. Saint Albin ist der einzige, dem sein Alter lind sein Stand im zweyten Auszüge Putz und Pracht erlau­ ben könnte. Im ersten Alisziigc braucht er weiter nichts als eine» Surtvnt, mit einer schlechten Weste, zu. haben. Das Publicum weis nicht immer das Wahre ;u verlangen. Wenn cs einmal an dem Fal­ schen hanget, so kann es ganze Jahrhunderte daran hange» bleibe». Es ist aber gegen das Natürliche empfindlich, und wenn cs die Ein­ drücke desselben einmal angenommen hat, wird es sie nie gänzlich wieder verliere». Eine muthkge Schauspielerin hat den Reif­ rock abgelegt; und niemand hat cs gemißbilliget. Sic wird weiter gehen; ich stehe dafür. Ah, wen» sic es einmal wagte, sich völlig in Veredeln und einfältigen Kleidung, die ihre Rollen

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Rollen verlangen, ans der Buhne zu zeigen; lassen Sie mich noch mehr sagen, wenn sie es einmal wagte, sich in aller der Unordnung zu zeigen, in die eineFrau bey einem so schreckAchen Zufalle,, als der Tod eines Gemahls, oder der Verlust eines Sohnes, oder eine anHere Katastrophe der tragischen Buhne ist, nothwendig gerathen miisj: wie würde es neben einer .solchen Frau in zerstreuten Haa­ ren, mit allen den gepuderten, gekräuselten, geschniegelten Püppchen .werden? Ueber laug oder über kurz,-wurden sie sich nach ihr rich­ ten müffelt Denn die Natur, die'Natur; wer kann ihr widerstehen ? Man muß sie .ent­ weder verbannen, oder ihr gehorchen. An Sie, o Clairon, wende ich mich wieder. Verstatten Sie nicht, daß Sie dasVorurtheil mit) die Mode unterdrücke. Mberlassen Sie sich ihrem Geschmack und ihrem Genie; zei­ gen Sie uns die Natur und die Wahrheit: H'enn das ist die Pflicht derer, die wir lieben, 3nwtr Theil. T und

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und deren Talente uns geneigt gemacht ha/ be», alles was sie wagen wollen, willig aufzunehmen. Ein Paradoxon, dessen Wahrheit wenige einsehen werden, und das vielen anstößig seyst wird, (Aber was liegt Ihnen und mir daran? Unser Wahlspruch ist: vor allen Dingen die Wahrheit zu sagen.) ein solches Paradoxon, sage ich, ist dieses, daß unsere italiänische Ko/ mvdianten, in den italiänischen Stücken, weit freyer spielen, als unsere französische Komv/ diantcn. Sie bekümmern sich weit weniger um den Zuschauer. Es gicbt'hundert Augen/ hlicke, wo sie seiner gänzlich vergessen. ES findet sich in ihrer Action etwas Leichtes und Originales, das mir gefällt, und der ganzen Welt gefallen würde, wenn es nicht durch die albern Reden, durch die abgeschmackte Intrigue, entstellet würde. Mitten aus ihrer Narrheit leuchten Leute hervor, die sich jti kklustigcn suchen, die sich allem Mnthwille» Ihrer

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ihrer Einbildungskraft überlassen; und diese Trunkenheit liebe ich weit mehr, als das Starre, Steife, Schwerfällige. „Allein sie extemporiere»; die Rolle, dfe „sic spielen, ist ihnen nicht vvrgeschrieben. Das merke ich wohl. „Und wenn Sie sie eben so abgemessen, „eben so gezwungen, und noch kalter als an„dere sehen wollen, so geben Sie ihnen nur „ein geschriebenes-Stück. „ Ich gestehe cs, daß sie sich alsdcnn nicht mehr ähnlich sind. -Aber woher kömmt das? Ist ihnen das, was sie auswendig gelernt ha­ ben, bey der vierten Vorstellung nicht eben so geläuffig, als ob sie es selbst ersunden hatten?

„Nein. Was aus dem -Stegreife gesagt „wird, hat einen Charakter, den etwas, wor„auf man-sich gefaßt gemacht'hat, nimmer„mehr haben wird. L- 2 Cs

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