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German Pages 326 Year 2017
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 472
Der Umgehungsbegriff im Arbeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung einzelner Umgehungsmodelle im Zusammenhang mit § 613a BGB
Von
Werner Thienemann
Duncker & Humblot · Berlin
WERNER THIENEMANN
Der Umgehungsbegriff im Arbeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung einzelner Umgehungsmodelle im Zusammenhang mit § 613a BGB
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 472
Der Umgehungsbegriff im Arbeitsrecht unter besonderer Berücksichtigung einzelner Umgehungsmodelle im Zusammenhang mit § 613a BGB
Von
Werner Thienemann
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Dissertation ist während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht bei Professor Dr. Steffen Klumpp angefertigt und Ende August 2015 abgeschlossen worden. Sie wurde von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Sommersemester 2016 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum wurden bis Ende 2015 berücksichtigt. Herrn Professor Dr. Steffen Klumpp möchte ich für fünf lehr- und ereignisreiche Jahre an seinem Lehrstuhl danken. Herrn Professor Dr. Georg Caspers schulde ich Dank für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Desgleichen gilt Herrn Professor Dr. Bernhard W. Wegener ein besonderer Dank für meine Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht. Außerdem möchte ich mich bei meinen Lehrstuhlkollegen und bei Kollegen anderer Lehrstühle für die harmonische und kollegiale Arbeitsatmosphäre sowie für die notwendige Abwechslung bedanken. Hier zu nennen sind insbesondere Frau Louisa Brennecke, Frau Sonia Cloppenburg, Herr Frederic Glahe, Frau Petra Habekus, Herr Veit Kraus, Herr Dr. Christian Müller, Frau Nina Sperber und Herr Dr. Michael Stolzenberger. Ein ganz besonderer Dank gilt Frau Martina Rottmann für die sorgfältige redaktionelle Durchsicht dieser Dissertation. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch bei Herrn Fabian Giersdorf, Herrn Daniel Holler, Frau Elena Panzer, Herrn Moritz Scheffer, Frau Sonja Schöneberg und Herrn Florian Zeitner bedanken. München, im Mai 2017
Werner Thienemann
Inhaltsübersicht
Erstes Kapitel Einführung
27
A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
B. Das Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
C. Der Verlauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Zweites Kapitel Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
34
A. Die Redundanz des Umgehungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
B. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
C. Die Ausarbeitung eines eigenständigen Umgehungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
F. Die Ursache für die Entstehung von Gesetzesumgehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 G. Zusammenfassung der Ergebnisse zum zweiten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Drittes Kapitel Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
109
A. Die Besonderheiten im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 B. Die Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit . . . . . . 115 C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . 135 D. Die Auswirkungen der Besonderheiten des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum dritten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
10
Inhaltsübersicht Viertes Kapitel Die Umgehung des § 613a BGB
193
A. Die Betriebsübergangsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 B. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 C. Die Vermeidung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 E. Zusammenfassung zum vierten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Fünftes Kapitel Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Schlussbetrachtung 297 A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 B. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einführung
27
A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
B. Das Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
C. Der Verlauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Zweites Kapitel Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
34
A. Die Redundanz des Umgehungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
B. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Umgehung und die „Ergehung“ eines Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Umgehungsnorm und die umgangene Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das umgangene Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das abdingbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das zwingende Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das zwingende Recht und das Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 38 38 39 39 40 42
C. Die Ausarbeitung eines eigenständigen Umgehungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verwendung des Umgehungsbegriffs im Allgemeinen Zivilrecht . . . . . 1. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Umgehung des Vorkaufsfalles oder der pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Sicherungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Umgehung von Aufrechnungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Umgehungsbegriff im Verbraucherschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des allgemeinen Umgehungsbegriffs auf die Fallgruppen . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bedeutung der Auslegung für die Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sachverhaltsauslegung und die Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gesetzesumgehung als Problem der Sachverhaltsauslegung . . . .
43 43 43 43 44 45 45 46 47 48 48 48
12
Inhaltsverzeichnis b) Die Abgrenzung zum Scheingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gesetzesauslegung und die Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Trennung zwischen der Gesetzesauslegung und der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Unterscheidung zwischen dem Sinn und dem Ziel einer Norm . . c) Die rechtsfolgenspezifische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 51 52
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verschleierung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formen der Verschleierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Abschluss eines anderen Rechtsgeschäftes mit gleicher Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Umqualifizierung des Vertragstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Verbrauchsgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Umqualifizierung des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Beschaffenheitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Aufspaltung in mehrere Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Umgehung der Genehmigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Umgehung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Umgehung von verbraucherschützenden Vorschriften beim Darlehensvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Ausweich- und Korrekturgeschäft nach Gesamtplan . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gegenläufigen Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiel: Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Einschaltung von Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbraucherschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Agenturgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Strohmanngeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 57 58
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die verschiedenen Lösungsansätze in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . 1. Das Scheingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gesetzesumgehung als eigenes Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ansicht Mayer-Malys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70 71 71 72 72 74
52 53 54 55
58 59 60 60 61 61 62 62 63 63 64 64 64 64 65 66 66 67 67 68 69
Inhaltsverzeichnis
13
c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
3. Die Gesetzesumgehung und § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
4. Die Gesetzesumgehung und § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Umgehungsverbot als Verbot i. S. d. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . .
78 78
b) Die Unterscheidung zwischen Weg- und Erfolgsverbot . . . . . . . . . . . .
78
c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
5. Die Gesetzesumgehung und § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
a) Der individuelle und der institutionelle Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . b) Die Gesetzesumgehung als Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
c) Veranschaulichung anhand der Umgehung des § 393 BGB . . . . . . . .
82
d) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
1. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch Auslegung . . . . . . . . . .
85
a) Die Auslegung des Sachverhaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
aa) Die Verschleierung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Aufspaltung in mehrere Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . .
86 86
cc) Das Ausweich- und Korrekturgeschäft nach Gesamtplan . . . . . .
87
(1) Die Saldierungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
(2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Einschalten eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
(1) Der Zweck der Norm steht einer Zurechnung nicht entgegen
89
(2) Der Zurechnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Rechtsfolge der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89 90
ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
81
84
89
b) Die Auslegung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch Analogie . . . . . . . . . . . .
91
a) Die analoge Anwendung der umgangenen Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Unterschiede zwischen der Umgehung und der Analogie . . . . . .
92
c) Die Einschränkung der Rechtsformwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
3. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
93
95
b) Die Rechtsfortbildung als Methode Gesetzesumgehungen zu verhindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das methodische Mittel zur Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . .
98 99
14
Inhaltsverzeichnis b) Die Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Die abzulehnenden Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
F. Die Ursache für die Entstehung von Gesetzesumgehungen . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gesetzgebungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Methode der Rechtsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Berufung auf die Vertragsfreiheit als Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 102 103 104 105
G. Zusammenfassung der Ergebnisse zum zweiten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Drittes Kapitel Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
109
A. Die Besonderheiten im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gründe für die besondere Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Arbeitsmarktsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Arbeitsvertrag als Dauerschuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Eingliederung in eine fremde Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Folge der Schutzbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109 110 110 111 111 112 112 114
B. Die Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit . . I. Die Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts zu Kettenarbeitsverträgen . . II. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entscheidung des BAG vom 21.10.1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Urteilsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reaktion in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidung des BAG vom 12.10.1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der Umgehungsrechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unzulässiges Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Theorie der Verletzung der Fürsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Vertreter der Theorie der Verletzung der Fürsorgepflicht . . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Verhinderung der Umgehung durch Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertung der genannten Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtiger Ansatz: Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Folgen für die Umgehungsdogmatik im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .
115 115 117 117 117 118 119 120 120 122 122 123 124 125 127 128 128 130 132
Inhaltsverzeichnis
15
1. Die unmittelbaren Folgen aus der Umgehungsrechtsprechung des BAG
132 132 133 133
a) Der Verzicht auf die Umgehungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der sachliche Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechtsfolgen bei Vorliegen einer Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . 2. Die Folgen für den im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Umgehungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . I. Die Umgehung des Kündigungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Änderungskündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Umgehung durch Befristung einzelner Arbeitsbedingungen . . . .
135 135 135 135 136
aa) Die Umgehungskonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Entscheidung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Umgehung mittels einseitigen Leistungsbestimmungsrechts . . . . aa) Die Umgehungskonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Entscheidung des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Feststellen einer Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 136 137 137 138 138
bb) Die Verhinderung der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Notwendigkeit Gesetzesumgehungen zu verhindern . . . (2) Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . (3) Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Aufhebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der unbedingte Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags als Ausübung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der unbedingte Aufhebungsvertrag und der Kündigungsschutz . b) Der aufschiebend bedingte Aufhebungsvertrag und der unbedingte Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage . . . . . . . aa) Die Entscheidungen des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der aufschiebend bedingte Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . (2) Der unbedingte Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Argumentation des BAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Vergleichbarkeit der Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Kündigung als typische Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 139 139 140 141 142 142 142 143 145 145 145 146 147 147 148
c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Das Feststellen einer Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Die Mitwirkung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
16
Inhaltsverzeichnis 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Gesetzesumgehung und das Teilzeit- und Befristungsgesetz . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Umgehungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Einschaltung eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verhinderung der Umgehung durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . a) Die Einschaltung eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Ursache der Umgehung und das Mittel zur Umgehung . . . . . . . . . b) Die Verhinderung der Umgehung mittels § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechtsfolge der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Vorliegen einer Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Einsatz eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verhinderung der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Einschaltung eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das mittelbare Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Methodische Ansätze zur Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtiger Ansatz: Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Gesetzesumgehung und die Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz als Objekt der Umgehung . . . . . . . a) Die Umgehungskonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechtsfolge bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz als Mittel der Gesetzesumgehung a) Die Umgehungskonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Rechtsmissbrauchsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Rechtsfolge der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsmethodische Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
150 152 152 152 152 153 154 154 155 156 156 157 159 160 160 160 161 162 162 163 164 164 165 165 166 168 168 168 169 170 171 172 172 172 173 173 174 175 176
Inhaltsverzeichnis D. Die Auswirkungen der Besonderheiten des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Begünstigung zur Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beteiligung des Arbeitnehmers an der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die mangelnde einheitliche Kodifizierung des Arbeitsrechts . . . . . . . . . . II. Die Auswirkungen auf die Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die unionsrechtliche Verpflichtung zur Umgehungsverhinderung . . . . . . 2. Rechtsfolgen sui generis im Arbeitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung der Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht zur Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die besondere Notwendigkeit der Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht b) Der „sachliche Grund“ und die verfassungsrechtliche Relevanz . . . . c) Die Grenzen des Korrektivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Gesetzgebung im Arbeitsrecht gegen Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kodifizierung des TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 9 Nr. 2 AÜG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
178 178 178 179 180 180 182 182 183 184 185 188 189 189 190
E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum dritten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Viertes Kapitel Die Umgehung des § 613a BGB A. Die Betriebsübergangsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die legislatorischen Ziele des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vorgaben der Richtlinie 2001/23/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Schutzzwecke des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Schutz des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die weiteren Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das zwingende Recht und das Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 613a BGB als subjektiv halbzwingende Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 613a BGB und das Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die besondere Umgehungsanfälligkeit des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Tatbestand des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsfolgen des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Übernahmezwang und das Kündigungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Unterrichtungspflicht und das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193 193 193 194 194 194 196 196 196 199 199 199 200 201 201 202
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Inhaltsverzeichnis 3. Die Bedeutung der Rechtsfolge für die Auslegung des Tatbestandes . . . . a) Die betroffenen Grundrechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Folgen für die Auslegung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204 205 206 208
B. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Share Deal statt Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der grenzüberschreitende Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Gesetzesumgehung im Internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Umgehung des § 613a BGB durch Off-Shoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsübergang im Inland mit anschließender Verlagerung in das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlagerung des Betriebes in das Ausland mit anschließendem Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsübergang in das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208 208 208 209 210 210 211
C. Die Vermeidung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zulässigkeit der Vermeidung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs auf Tatbestandsseite . . . . . . . 1. Der Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Funktionsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Exklusivitätsverhältnis von Betriebsübergang und Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Schaffung und die Auflösung von Betriebsstrukturen durch den Veräußerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Erfordernis eines bereits bestehenden Betriebes/Betriebsteils beim Veräußerer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Zerschlagung der Betriebs- oder Betriebsteilstruktur durch den Betriebserwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Erfordernis der Aufrechterhaltung der organisatorischen Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sukzessive Übertragung von einzelnen Betriebsmitteln . . . . . . . . . . . .
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220 221 222 223 223 224 224 225 225 226 227 228
Inhaltsverzeichnis
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aa) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Umgehungsverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der rechtsgeschäftliche Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Zwangsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zwangsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhinderung einer Umgehung durch Normauslegung . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
228 228 229 229 230 232 233
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . 1. Die Kündigung wegen des Betriebsübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung des Kündigungsverbots anhand des Normzwecks . . . . . . . b) Das Kausalitätsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Abschluss von Aufhebungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Aufhebungsvertrags . . . . . . . . b) Der Aufhebungsvertrag verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Lösungsansätze in der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das endgültige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und das Risikogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Verhinderung der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot . . . . . . . . . . . . . . . (b) Anwendung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB auf Aufhebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB . (d) Drucksituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Die Anwendung des § 117 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigener Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die erste Stufe: Das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes (2) Die zweite Stufe: Die Verhinderung der Gesetzesumgehung im Wege der „Saldierungsmethode“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Unbeachtlichkeit der Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft . . . . a) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Reaktion der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Risikogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Mindestverweildauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Umgehung der Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die rechtlichen Gestaltungsmittel zur Umgehung . . . . . . . . . . . . .
234 236 236 236 237 238 238 239 239 240 240 241 241 242 242 243 243 244 244 246 247 247 248 250 250 251 252 254 254
20
Inhaltsverzeichnis bb) Die Feststellung des Umgehungsgeschäftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Kündigungen aufgrund eines Erwerberkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das eigene Sanierungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das fremde Sanierungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Erwerberkonzeptkündigung als Kündigung i. S. d. § 613a Abs. 4 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Argumente für die Zulässigkeit der Erwerberkonzeptkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die „künstliche Verlängerung des Arbeitsverhältnisses“ (b) Die fehlende Möglichkeit der Umsetzung des Konzepts (2) Argumente gegen die Zulässigkeit der Erwerberkonzeptkündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Umgehung des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Umgehung des Widerspruchsrechts . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verhinderung der Umgehung durch Auslegung . . . . . . . . . . . (1) Die rechtliche Absicherung des Betriebsübergangs . . . . . . . . (2) Die Betriebsveräußerung in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Änderung von individualvertraglichen Arbeitsbedingungen beim Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schutz des Inhalts des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Erlassvertrag mit dem Betriebsveräußerer vor Betriebsübergang . . . a) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die funktionelle Verknüpfung von Vereinbarung und Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der sachliche Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Erlassvertrag mit dem Betriebserwerber nach Betriebsübergang . . . a) Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Zuordnung der Arbeitnehmer zum Betrieb oder Betriebsteil . . . . . . . . . . 1. Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verhinderung der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Zuordnung des Arbeitnehmers nach objektiven Kriterien . . . . . . .
255 256 257 257 257 258 259 259 259 260 260 260 261 262 262 263 264 264 265 266 266 266 267 267 267 268 271 271 271 272 274 275 275 276 277 277
Inhaltsverzeichnis b) Die Unwirksamkeit der Versetzungsentscheidung nach § 106 S. 1 GewO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . IV. Die Vermeidung der Rechtsfolgen des § 613a BGB mittels Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verhinderung der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verhinderung der Umgehung durch Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Albron-Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Tatbestand und die Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verhinderung der Gesetzesumgehung im Wege der Sachverhaltsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verhinderung durch Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verhinderung der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Auslegung durch den EuGH und die Zurechnung . . . . . . . . . bb) Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ursache der Möglichkeit der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Folgen der Albron-Entscheidung auf die Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Folgen auf die nicht konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Auswirkungen auf die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
277 278 279 280 281 281 281 281 282 284 285 287 287 287 288 288 289 289 290 291
E. Zusammenfassung zum vierten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Fünftes Kapitel Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Schlussbetrachtung 297 A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Thesen zum zweiten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Thesen zum dritten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Thesen zum vierten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297 297 298 299
B. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forderungen an die arbeitsrechtliche Praxis und an den Gesetzgeber . . . . . 1. Rechtssicherheit durch Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auslegung von arbeitsrechtlichen Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Appell an eine einheitliche Kodifizierung des Arbeitsrechts . . . . . .
301 302 302 303 304
22
Inhaltsverzeichnis II. Forderungen an § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Neukodifizierung des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungen an den zukünftigen Umgang mit § 613a BGB . . . . . . . . . . . a) Die konjunkturunabhängige Auslegung des § 613a BGB . . . . . . . . . . b) Der sachliche Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
305 306 307 307 308
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AbzG AcP a. E. AEUV a. F. AGB AiB Alt. Anm. AO AP APS ArbG ArbGG ArbZG ARS Art. Artt. AT AuA Aufl. AuR AÜG BAG BAGE BB BBiG B/D/H BeckOK BeckRS Begr. Beil. BeschFG BetrVG
anderer Ansicht Absatz Abzahlungsgesetz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Arbeitsrecht im Betrieb Alternative Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitszeitgesetz Arbeitsrechtssammlung Artikel Artikel (Plural) Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Arbeit und Recht Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitsgerichtsentscheidung Betriebsberater Berufsbildungsgesetz Bernsau/Dreher/Hauck: Kommentar zu § 613a BGB Beck’scher Online Kommentar Beck-Rechtsprechung Begründer Beilage Beschäftigungsförderungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz
24 BFH BGB BGBl. BGH bspw. BT-Drs. BUrlG BVerfG bzw. DB ders. dies. Drs. DStR EG EGZPO Einf. Einl. ErfK etc. EU EuGH EUV EuZW EWiR EzA f./ff. FDP FS G gem. GewO GG ggf. GmbH GmbH & Co. KG GWR HGB HK-ArbR
h. L.
Abkürzungsverzeichnis Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof beispielsweise Bundestagsdrucksache Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer – Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht beziehungsweise Der Betrieb ders. dieselbe/dieselben Drucksache Deutsches Steuerrecht Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz-Zivilprozessordnung Einführung Einleitung Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Arbeitsrecht folgende Seite(n) Freie Demokratische Partei Festschrift Gesetz gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handelsgesetzbuch Handkommentar-Arbeitsrecht (Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath: Arbeitsrecht – Individualarbeitsrecht mit kollektivrechtlichen Bezügen herrschende Lehre
Abkürzungsverzeichnis h. M. Hrsg. i. d. F. i. d. R. insbes. i. S. i. S. v. i.V. m. IPR JA JR JurA JuS KR krit. KSchG LAG lit MD MDR m. E. MSchG MuSchG m.w. N. n. F. NJW Nr. NZA NZA-RR NZI RdA RL Rn. Rs. Rspr. S. SAE sog. TzBfG u. a.
25
herrschende Meinung Herausgeber in der Fassung in der Regel insbesondere im Sinne im Sinne von in Verbindung mit Internationales Privatrecht Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Analysen Juristische Schulung Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften kritisch Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Buchstabe (bei Paragraphen Angaben) Maunz/Düring (Kommentar zum Grundgesetz) Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mieterschutzgesetz Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) mit weiteren Nachweisen neue(r) Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht, seit 1993 Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungsreport Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Recht der Arbeit Richtlinie Randnummer Rechtssache Rechtsprechung Satz; Seite Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen so genannte/n/r Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeitund Befristungsgesetz) unter anderem
26 UmwG v. Var. vgl. Vor. VSSR WRP ZfA ZGR ZHR ZIP ZPO zust.
Abkürzungsverzeichnis Umwandlungsgesetz vom Variante vergleiche Vorbemerkung Vierteljahresschrift für Sozialrecht Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung zustimmend
Erstes Kapitel
Einführung A. Problemstellung Das Bestreben des Einzelnen, eine bestimmte unerwünschte Norm zu umgehen, besteht seitdem es Gesetze gibt1. Im Vordergrund steht in diesem Zusammenhang das Spannungsverhältnis zwischen dem grundsätzlichen Recht der Parteien, ihre Vertragsverhältnisse nach ihren Bedürfnissen auszugestalten und dem Anliegen, die Anwendung zwingender, als nachteilig empfundener Normen zu verhindern. Bei diesen Normen handelt es sich meist um Gesetze, die in die allgemeine Handlungsfreiheit des Einzelnen mit unbequemen Restriktionen eingreifen, indem sie dem Betroffenen eine steuerliche Last oder eine andere abgabenrechtliche Verpflichtung auferlegen. Namentlich dieser finanzielle Aspekt spielt bei der Umgehung als Motiv eine große Rolle2. Die Gesetzesumgehung zielt dann darauf ab, dem Anwendungsbereich der als nachteilig empfundenen gesetzlichen Bestimmung auszuweichen. Für den Normanwender3 stellt sich daher die Frage, wann der Privatautonomie Vorrang zu gewähren ist und in welchen Fällen die Rechtsordnung durch die rechtliche Gestaltung betroffen ist und judikativ durchgesetzt werden muss4. Die Gesetzesumgehung übt dabei sowohl auf dem Normunterworfenen als auch auf die Rechtswissenschaft eine Faszination aus. So widerstrebt es dem Rechtsgefühl ein Gesetz zu umgehen, das für alle gilt. Die Rechtsnormen sollen das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen untereinander regeln und daher dem Einzelnen gewisse Schranken setzen. Der Rechtsgestalter, der diese Grenzen als lästig empfindet, bricht im Falle der Gesetzesumgehung nicht unmittelbar das Gesetz, sondern überlistet es mit seinen eigenen Mitteln, indem er wiederum rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten wählt, um seine Anwendung auszuschließen5. Dadurch erreicht er das Erwünschte ohne formal den Wortlaut der Norm zu erfüllen. Dabei stellt die Gesetzesumgehung nicht ausschließlich ein
1
Westerhoff, S. 1. Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3218; Römer, S. 17, 30. 3 Normanwender meint in der vorliegenden Untersuchung den sich mit dem konkreten Fall befassende Richter. 4 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 164. 5 Kegel, IPR (7. Aufl.), S. 349; Schurig, FS Ferid, S. 375. 2
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1. Kap.: Einführung
rechtstheoretisches Problem dar6, sondern hat darüber hinaus auch Auswirkungen auf allgemein anerkannte Rechtsinstitute sowie auf die Gesetzgebung. Der zweckentfremdete gezielte Einsatz von bestimmten Rechtsnormen und Rechtsinstituten trägt vielmehr zur Rechtsentwicklung bei und stellt so sicher, dass die Rechtsordnung sich den ständig wandelnden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen und Bedürfnissen anpasst7. Die Gesetzesumgehung ist damit die Reaktion des Normunterworfenen auf eine zu starre und wenig flexible Gesetzgebung. So ist die GmbH & Co. KG daraus entstanden, um die Vorschriften für Kapitalgesellschaften zu umgehen. Das Rechtsinstitut des Sicherungseigentums hat sich aus dem Bedürfnis entwickelt, Kredite abzusichern, den Kreditschuldner aber im Besitz seines Eigentums zu belassen8. Der Gesetzgeber hat durch die Kodifizierung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) die von dem Bundesarbeitsgericht aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von befristeten und bedingten Arbeitsverträgen übernommen. Allerdings existieren auch Versuche von Gesetzesumgehungen, die nicht von Erfolg gekrönt sind. So stellen beispielsweise die §§ 393 ff. BGB Aufrechnungsverbote auf. Dementsprechend kann gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nach § 393 BGB nicht aufgerechnet werden. Der Schädiger könnte allerdings dem Anspruch des Geschädigten aus § 823 Abs. 1 BGB gestützt auf seine Gegenforderung das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB entgegenhalten, weil dieses nicht in den §§ 393 ff. BGB genannt ist. Würde man dieser Betrachtung folgen, so wäre der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB nicht durchsetzbar. Rein nach dem Wortlaut könnte daher die Geltendmachung des § 823 Abs. 1 BGB durch ein Zurückbehaltungsrecht verhindert werden. Das widerspricht aber dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, eine Privatstrafe durch den Schädiger zu verhindern9. Die Gesetzesumgehung wird daher durch die analoge Anwendung des § 393 BGB verhindert10. Diese Rechtsgestaltung hat sich also im Gegensatz zum Sicherungseigentum gewohnheitsrechtlich nicht durchgesetzt. Grundlegend befasste sich erstmals Teichmann im Jahre 1962 in seiner Monographie „Die Gesetzesumgehung“ mit diesem Thema. Aus jüngerer Zeit sind die Habilitationsschriften von Sieker (2001)11 und Benecke (2004)12 zu nennen. Während Sieker ihre Untersuchungen auf das Umgehungsrechtsgeschäft konzentrierte und dabei typische Formen der Ausweichgestaltung, Mechanismen zur 6
Looschelders/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, § 134 BGB Rn. 82. Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163; Huber, JurA 1970, 784, 812; Schurig, FS Ferid, S. 375. 8 Huber, JurA 1970, 784, 812. 9 Schlüter/Münchener Kommentar, § 393 BGB Rn. 1. 10 Gursky/Staudinger, § 393 BGB Rn. 2. 11 Sieker, Umgehungsgeschäfte, (2001). 12 Benecke, Gesetzesumgehung im Zivilrecht (2004). 7
A. Problemstellung
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Verhinderung einer Gesetzesumgehung und Anwendungsfälle von Umgehungsgeschäften näher beleuchtete, setzte sich Benecke mit der Gesetzesumgehung im Zivilrecht auseinander. In diesem Zusammenhang untersuchte sie das Phänomen der Gesetzesumgehung im allgemeinen Zivilrecht und im Internationalen Privatrecht. Mit dieser Schrift soll die bereits bestehende Tradition an Schriften zur Gesetzesumgehung im Zivilrecht nicht einfach fortgeführt werden, vielmehr soll der Fokus der vorliegenden Untersuchung auf dem Arbeitsrecht liegen. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob der Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht eine andere Bedeutung zuteilwird als im allgemeinen Zivilrecht. Es soll herausgearbeitet werden, ob im Arbeitsrecht andere Maßstäbe bei der Beurteilung gelten, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt und welche Rechtsfolge dieses nach sich zieht. Dies könnte deswegen von Relevanz sein, weil sich regelmäßig der Arbeitnehmer an der Gesetzesumgehung beteiligt und die meisten Arbeitsgesetze Schutzgesetze zugunsten des Arbeitnehmers sind. Insbesondere im Zusammenhang mit der Schutzvorschrift des § 613a BGB ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Umgehung ein weiterer Aspekt. Nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB tritt der Betriebserwerber bei Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Die Norm betrifft also nicht nur die Interessen im Zweipersonenverhältnis (Arbeitnehmer– Arbeitgeber), sondern auch die Interessen eines Dritten, dem Betriebserwerber. Auch kann sich in der Insolvenz oder im Fall der sanierenden Betriebsübernahme das Mehrpersonenverhältnis um ein weiteres Rechtssubjekt erweitern, wenn es darum geht, den Betrieb insgesamt oder zumindest einen Teil des Betriebes zu erhalten. So geht es dann auch um den Erhalt anderer Arbeitsplätze zu Lasten einzelner Arbeitsplätze. Der § 613a BGB kann in diesem Zusammenhang einer sanierenden Betriebsübernahme entgegenstehen, wenn es darum geht Personal rasch abzubauen, um den Betrieb in seiner Gesamtheit zu erhalten13. Aber auch außerhalb der Insolvenz trifft der Arbeitsrechtler im Rahmen von betrieblichen Umstrukturierungen14 auf § 613a BGB. So müssen selbst kleine und mittlere Unternehmen wirtschaftlich flexibel sein und dürfen sich der Möglichkeit der Umstrukturierung und Sanierung nicht verschließen15, um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben16. Das bedeutet, dass sich 13 Hanau, ZIP 1998, 1817; als Reaktion auf das Scattolon-Urteil des EuGH v. 6.9. 2011 – C-108/10 [Scattolon], vgl. Mückl, ZIP 2012, 2373 ff.; Neumann-Duesberg mit Verweis auf Galperin, BB 1971, 969, 971; Pietzko, S. 179 ff.; Thum, BB 2013, 1525. 14 Zum Begriff der Umstrukturierung, Sieg/Maschmann, Rn. 1. 15 Lipinski, NZA 2002, 75. 16 Henssler spricht von der „Lust am Fusionieren, Abspalten, Ausgliedern und erneuter Umstrukturierung“, ZfA 2000, 241, 242.
30
1. Kap.: Einführung
Unternehmen sowohl extern als auch intern auf den sich schnell verändernden Markt einstellen müssen17. Darüber hinaus kann Motiv für Umstrukturierungen das Erreichen arbeitsrechtlich relevanter Größenordnungen des Unternehmens oder des Betriebes sein18, um so kleinere, leichter steuerbare Einheiten zu gewinnen19. Daneben können auch wirtschaftliche Erwägungen dazu führen, dass bestimmte Betriebsteile ausgegliedert werden, um beispielsweise zur Anwendung günstigerer Tarifverträge zu kommen. Meist sind es diese finanziellen Motive, die den Betriebsinhaber schließlich dazu veranlassen, bestimmte unrentable Geschäftszweige abzustoßen, um profitablere Geschäftsbereiche zu erwerben. Auch kann eine berufliche Neuorientierung oder etwa das Bedürfnis sich in anderen Branchen, beruflichen Sparten oder an anderen Orten zu betätigen zu einer betrieblichen Umstrukturierung führen. Die Gründe der Umstrukturierung sind zahlreich und vielfältig20. Zwangsläufig sieht sich daher der Arbeitsrechtler im Fall eines Asset-Deals mit § 613a BGB konfrontiert21. § 613a BGB führt zu einer Polarisierung von widerstreitenden Interessen – auf der einen Seite steht der arbeitsrechtliche Individualschutz, auf der anderen Seite ist die Unternehmensautonomie und die sozialpolitisch erwünschte Flexibilität der Erwerber sanierungsbedürftiger Unternehmen zu beachten. Dabei wird der Schutz zugunsten des Arbeitnehmers vor allem durch das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 BGB verwirklicht. Danach ist eine von dem bisherigen oder neuen Betriebsinhaber ausgesprochene Kündigung wegen des Betriebsübergangs unwirksam. Als spezialgesetzliche Regelung des Umgehungsverbots22 soll die Norm verhindern, dass der in § 613a Abs. 1 BGB zwingend normierte Übergang des Arbeitsverhältnisses dadurch umgangen wird, dass der bisherige Betriebsinhaber oder der Erwerber wegen des Betriebsübergangs das Arbeitsverhältnis beendet und dass er dadurch die zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehenden Schutzmechanismen gem. § 613a Abs. 1 und Abs. 2 BGB aushebelt23. Diese vom Gesetz geregelte zwingende Übernahme aller betriebsangehörigen Arbeitnehmer zu unveränderten, teilweise nicht mehr wettbewerbsfähigen Arbeitsbedingungen kann einen potentiellen Erwerbsinteressenten abhalten, den Betrieb zu übernehmen24. Zudem sieht § 613a Abs. 2 BGB eine für den Arbeitnehmer
17
Pfefferle, Vorwort. § 23 KSchG; § 17 KSchG; § 71 SGB IX; §§ 111 ff. BetrVG. „Flucht aus arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften“, Henssler, ZfA 2000, 241, 242. 19 Sieg/Maschmann, Rn. 5. 20 Sieg/Maschmann, Rn. 4 f. 21 Im Gegensatz zum Share Deal, bei dem lediglich die Rechte des Unternehmensträgers veräußert werden. 22 Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 372 m.w. N. 23 Dreher/B/D/H, § 613a BGB Rn. 240. 24 Gaul/Otto, ZIP 2006, 644; Thum, BB 2013, 1525. 18
B. Das Ziel der Arbeit
31
günstige Anordnung einer zeitlich begrenzten gesamtschuldnerischen Haftung von Betriebsveräußerern und Betriebserwerbern vor. Zwar haftet der bisherige Arbeitgeber nur für die Verbindlichkeiten, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und noch innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nach dem Übergang fällig geworden sind. Der Betriebserwerber haftet jedoch zeitlich unbegrenzt. § 613a BGB kann mithin als Antagonist von Restrukturierungsmaßnahmen die Durchsetzung von ökonomisch fundierten Entscheidungen und Auswahlprozessen verhindern25. Aufgrund dieser für den Betriebserwerber und den Betriebsveräußerer nachteiligen Folgen sind die Versuche, entweder den Tatbestand des § 613a BGB zu vermeiden oder die Rechtsfolgen zu modifizieren, mannigfaltig26. An dieser Stelle wird schließlich das Umgehungsproblem virulent, wenn sich die Frage stellt, wann ein Rechtsgeschäft den Anwendungsbereich des § 613a BGB wirksam vermeidet und wann ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vorliegt. Bei der Suche der arbeitsrechtlichen Beratungspraxis nach rechtlich zulässigen Gestaltungsmitteln zur Vermeidung des § 613a BGB stößt man schließlich auf Rechtsunsicherheit. Es ist schwierig eine exakte Grenze zwischen zulässigen rechtlichen Gestaltungen, die schlicht den Tatbestand des § 613a BGB vermeiden, und der unzulässigen Umgehung zu ziehen. Dabei ist die Abgrenzung von großer praktischer Bedeutung. Dies gilt insbesondere deswegen, weil das Vorliegen des § 613a BGB den Kaufpreis für den Betrieb oder den Betriebsteil stark beeinflusst27 oder sogar den Erwerb des Betriebes oder des Betriebsteils zum Scheitern bringen kann („Dealbreaker“)28.
B. Das Ziel der Arbeit Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit und Transparenz in drei rechtlichen Bereichen leisten. Der erste Bereich betrifft das allgemeine Zivilrecht. Wie schon knapp angedeutet und wie noch zu zeigen ist, wird häufig im Rahmen der Rechtsanwendung von „Gesetzesumgehungen“ und „Umgehungsgeschäften“ gesprochen. So wird teilweise formuliert, dass ein Gesetz in einer bestimmten Art und Weise auszule-
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Willemsen, NZA 2013, 242. Birkholz, S. 71 ff.; Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449; Düwell/Wichert, Arens/Düwell/Wichert, S. 626; Fuhlrott/Salamon, BB 2012, 1793; Gaul/Jares, DStR 2013, 658; Gaul/Ludwig, DB 2011, 298, 300; Gaul/Mückl, DB 2011, 2318, 2323; Gaul/Strauf, DStR 2013, 595; Hausch, BB 2008, 1392; Kracht, S. 129; Kreitner, S. 179; „Wettlauf zwischen Rechtsprechung und Wirtschaftspraxis“, Loritz, Anmerkung zu BAG v. 3.7.1986 – 2 AZR 68/85, AP § 613a BGB Nr. 53; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645; Meyer, NZA-RR 2013, 225; Pfefferle, S. 48; Willemsen/W/H/S/S, G Rn. 107 ff. 27 Willemsen/W/H/S/S, G Rn. 21. 28 Fuhlrott/Salamon, BB 2012, 1793; Hausch, BB 2008, 1392. 26
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1. Kap.: Einführung
gen sei, um die Umgehung der Norm zu verhindern29. Daher soll die vorliegende Untersuchung in diesem Zusammenhang herausarbeiten und klarstellen, welche Bedeutung dem Umgehungsbegriff im Rahmen der Rechtsanwendung zuteilwird. Der zweite Bereich betrifft das Arbeitsrecht. Ausgehend von der Prämisse, dass das Arbeitsrecht als besonderes Zivilrecht Arbeitnehmerschutzrecht darstellt, soll die vorliegende Schrift klarstellen, inwiefern das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers bei der Rechtsfindung zu berücksichtigen ist. Dabei soll vor allem genauer dargelegt werden, wann der Arbeitnehmer wirksam auf seinen durch die Arbeitsgesetze gewährten Schutz verzichten kann und in welchen Fällen von einer unzulässigen Gesetzesumgehung gesprochen wird. Darüber hinaus kann diese Arbeit an den Gesetzgeber gerichtet verstanden werden, wenn sich das Problem stellt, wie arbeitsrechtliche Gesetze gefasst werden müssen, um diese soweit wie möglich „umgehungsfest“ zu machen. Die Arbeit wird methodische Schwächen bei der Anwendung arbeitsrechtlicher Gesetze aufzeigen und die schon häufig diskutierte Frage der einheitlichen Kodifikation des Arbeitsrechts30 in den Raum stellen. Der dritte Bereich betrifft die Betriebsübergangsnorm § 613a BGB und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit, die dadurch entsteht, dass die Rechtsprechung das Vorliegen eines Betriebsübergangs im Wege einer Gesamtbetrachtung beurteilt und damit schwer einschätzbar ist. So stand beispielsweise vor der Klarenberg-Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 200931 die Eingliederung eines Betriebsteils in einen Gesamtbetrieb der Anwendung des § 613a BGB entgegen32. Allerdings betont das BAG, dass rechtliche Gestaltungen, die zum Nichtvorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Norm führen, rechtlich zulässig sind und regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich sind33. Die vorliegende Arbeit unternimmt mithin den Versuch, die Grenzen zwischen zulässiger Vermeidung der Rechtsfolgen des § 613a BGB und unwirksamen Umgehungsgeschäften herauszuarbeiten, um damit bei zukünftigen rechtsgeschäftlichen Gestaltungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Dabei soll anhand der typischen rechtlichen Gestaltungsmittel, die auf den Ausschluss des Anwendungsbereichs des § 613a BGB abzielen, herausgearbeitet werden, unter welchen Voraussetzungen ein unzulässiges Umgehungsgeschäft besteht und wann von zulässiger Tatbestandsvermeidung gesprochen werden kann.
29 Bspw.: BGH vom 26.6.2000 – II ZR 21/99, NJW 2000, 3278; BGH vom 25.9. 1958 – VII ZR 85/57, NJW 1958, 2111. Siehe dazu auch Benecke, S. 82 ff. 30 Löwisch/Caspers/Klumpp, Rn. 91 ff.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 83, Fn. 71. 31 EuGH v. 12.2.2009 – C-466/07 [Klarenberg], NZA 2009, 251. 32 Dazu Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 657 f. 33 BAG v. 27.9.2007 – 8 AZR 941/06, NZA 2008, 1130 ff.
C. Der Verlauf der Untersuchung
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C. Der Verlauf der Untersuchung Nachdem im ersten Kapitel der vorliegenden Untersuchung in das Problem eingeführt und das Ziel der Arbeit dargelegt wurde, befasst sich das zweite Kapitel mit den Grundsätzen der Gesetzesumgehung im allgemeinen Zivilrecht. Erforderlich in diesem Kontext ist eine genaue Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten und eine genaue Umschreibung des Umgehungsbegriffs. Unter Berücksichtigung des derzeitigen Forschungsstands wird ein eigener Umgehungsbegriff herausgearbeitet, der der weiteren Untersuchung zugrunde gelegt wird. Liegt ein Umgehungsgeschäft vor, so stellt sich die Anschlussfrage, welche Rechtsfolge eintritt und wie dies rechtsdogmatisch zu begründen ist. Für die weitere Analyse ist darüber hinaus entscheidend, welche typischen rechtlichen Gestaltungsmittel zur Gesetzesumgehung im allgemeinen Zivilrecht existieren. Unter Bezugnahme der im zweiten Kapitel gefundenen Ergebnisse erfolgt eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Besonderheiten des Arbeitsrechts und den Auswirkungen jener auf die Behandlung von Gesetzesumgehungen. Daher wird im dritten Kapitel der Frage nachgegangen, ob der Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht eine andere rechtliche Beurteilung widerfährt als im allgemeinen Zivilrecht. Dabei werden zunächst die Rechtsprechung des BAG zu befristeten Arbeitsverträgen vor Inkrafttreten des TzBfG skizziert, die kontroversen und differenzierenden Auffassungen zu dieser Rechtsprechung bewertet und schließlich die damit zusammenhängenden Folgefragen in Bezug auf die Verwendung des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht behandelt. Zur Veranschaulichung werden daher typische arbeitsrechtliche Umgehungskonstruktionen vorgestellt und unter dem Aspekt der Gesetzesumgehung rechtsdogmatisch bewertet. Im vierten Kapitel der Untersuchung engt sich der Blickwinkel noch weiter ein. Es soll geprüft werden, warum § 613a BGB besonders umgehungsanfällig ist. So wird konkret der Fragen nachgegangen, welche rechtlichen Gestaltungen zur Vermeidung des § 613a BGB zulässig sind, bei welchen ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vorliegt und dies rechtsdogmatisch analysiert. Die vorliegende Arbeit schließt mit dem fünften Kapitel, in welchem die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst und die sich daraus ergebenen Konsequenzen für das Arbeitsrecht und für den zukünftigen Umgang mit § 613a BGB dargelegt werden.
Zweites Kapitel
Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht Im Folgenden soll näher dargelegt werden, was ein Umgehungsgeschäft bzw. eine Gesetzesumgehung (fraus legis1) ist. Dabei wird vorab auf den von der herrschenden Meinung verwendeten Begriff des Umgehungsgeschäftes eingegangen und erläutert, in welchem Kontext dieser Begriff verwendet wird. Dabei soll eine Neubewertung des Umgehungsbegriffs vorgenommen werden. In einem weiteren Schritt wird der Frage nachgegangen, welche rechtlichen Gestaltungsformen typisch bei Umgehungsgeschäften sind. Es sollen also die häufig verwendeten rechtlichen Gestaltungen skizziert, analysiert und rechtsmethodisch eingeordnet werden. Anschließend erfolgt eine Darstellung und Bewertung der Rechtsfolgen, die eintreten, wenn ein Umgehungsgeschäft vorliegt.
A. Die Redundanz des Umgehungsbegriffs Der Gesetzgeber hat sich weder im BGB noch in anderen Gesetzen eindeutig zum Begriff der Gesetzesumgehung geäußert. Nur vereinzelt spricht das Gesetz von der Umgehung und davon, dass Gesetzesumgehungen unzulässig seien2, ohne eine generelle Aussage darüber zu treffen, was ein Umgehungsgeschäft oder eine Gesetzesumgehung ist. Für die weitere Untersuchung erscheint es jedoch relevant, sich über eine Definition dieses Begriffes Gedanken zu machen. Nach aktuell vertretener Ansicht versteht man unter einer Gesetzesumgehung ein Rechtsgeschäft, das einer bestimmten zwingenden Norm „dem Buchstaben nach“ (Wortlaut) nicht unterfällt, jedoch gegen den Sinn und Zweck der Norm verstößt3. Auch trifft man häufig auf die Formulierung, dass es sich um ein Ge1 „Fraus legis“ wörtlich übersetzt als Betrug gegenüber dem Gesetz, Flume, S. 409; Heeder, S. 37. 2 §§ 306a BGB, 312k Abs. 1 S. 2 BGB, 475 Abs. 1 S. 2 BGB, 478 Abs. 4 S. 3 BGB, 487 S. 2 BGB, 511 S. 2 BGB, 655e Abs. 1 S. 2 BGB, § 42 AO, § 8 FernUSG, § 75d S. 2 HGB. Medicus, Rn. 661 f.; Müller hält die Regelung des § 475 Abs. 1 S. 2 BGB für überflüssig, vgl. NJW 2003, 1975. 3 BGH v. 23.9.1982 – VII ZR 183/80, NJW 1983, 109, 110; BAG v. 10.2.1999 – 2 AZR 422/98, NZA 1999, 657; Arnold/Erman, § 134 BGB Rn. 23; Ellenberger/Palandt, § 134 BGB Rn. 28; Gramlich/Zerres, ZIP 1998, 1299; Huber, JurA 1970, 784, 798. Huber spricht auch von einem Verstoß gegen eindeutige, systematisch durchgeführte Wertungen des Gesetzes, JurA 1970, 784, 800; Medicus, Rn. 660; Rehbinder, S. 113; Schick, S. 37 m.w. N. Ähnlich auch Armbrüster/Münchener Kommentar, § 134 BGB
A. Die Redundanz des Umgehungsbegriffs
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schäft handle, das zwar nicht gegen eine bestimmte gesetzliche Verbotsnorm verstoße, jedoch im Ergebnis den widerrechtlichen Erfolg eintreten lasse4. Der Normunterworfene nutzt bei Gesetzesumgehungen die Diskrepanz zwischen dem Wortlaut und dem Zweck einer Norm aus, damit der vorliegende Sachverhalt nicht vom Tatbestand einer ihm nachteiligen Norm erfasst wird5. Die Beschreibungen zeigen, dass das Phänomen der Gesetzesumgehung im Spannungsverhältnis zur zweckgerichteten Tatbestandsvermeidung und damit zur erlaubten Tatbestandsplanung steht6. Keiner wird gezwungen eine bestimmte Norm tatbestandlich zu erfüllen. Vielmehr wird durch die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gewährleistet, den Tatbestand so zu gestalten, dass das Eingreifen einer bestimmten für ihn nachteiligen Norm verhindert wird. Die Schwierigkeit für den Rechtsgestalter besteht darin, dass der zu konstruierende Sachverhalt einerseits nicht von der zu umgehenden Norm umfasst sein darf, andererseits dieser nicht zu weit von dem Sachverhalt entfernt sein kann, der von der Norm tatbestandlich erfasst wird, weil beide Sachverhalte einen gleichen oder annähernd gleichen wirtschaftlichen Erfolg erreichen müssen. Wo genau die Grenze zu ziehen ist, ist nach wie vor das Kernproblem und stellt damit den Mittelpunkt der Diskussion um die Gesetzesumgehung dar. Grundsätzlich soll bei der umgangenen Norm gefragt werden7, ob diese einen bestimmten Erfolg verhindern soll (Zielverbotsgesetz), oder ob sie lediglich einen bestimmten Weg oder ein bestimmtes Mittel zur Erreichung des Erfolges für unzulässig erklärt (Wegverbotsgesetz)8. Danach soll die Umgehung von Zielverbotsgesetzen unzulässig sein,
Rn. 11, der die Definition noch ergänzt, indem er darauf abstellt, dass nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen wird. Auch Ellenberger/Palandt erachtet den Zweck der Norm als zentrales Kriterium. Verbietet die Norm einen bestimmten Erfolg, so ist das Rechtsgeschäft dennoch unwirksam, wenn es den verbotenen Erfolg durch Verwendung von Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen sucht, die scheinbar nicht von der Norm erfasst sind, § 134 BGB Rn. 28. Damit definiert Ellenberger nicht nur das Umgehungsgeschäft, sondern geht auch zugleich von der Nichtigkeit als Rechtsfolge des Umgehungsgeschäftes aus. 4 Schick, S. 37; Schurig, FS Ferid, S. 375, 379. von Gamm spricht von einer Gesetzesumgehung, wenn auf Umwegen unter Benutzung einer anderen Rechtsform derselbe oder ein im Wesentlichen gleicher materieller Rechtserfolg erstrebt wird, wie derjenige, der auf dem gewöhnlichen Wege durch ein Gesetz versagt wird. Entscheidend sei daher, ob der eingetretene materielle Rechtserfolg von dem Verbotsgesetz erfasst wird. Es komme mithin darauf an, ob der sachliche Inhalt des vom Verbotsgesetz erstrebten Zwecks mit dem vom Umgehungsgeschäft erstrebten Zweck identisch ist, WRP 1961, 259, 260. 5 Huber, JurA 1970, 784, 797. 6 Schurig, FS Ferid, S. 375. 7 von Lackum, S. 57. 8 Kritisch dazu Schurig, FS Ferid, S. 375, 380, 400 f. Dieser will daran anknüpfen, ob die Nichtanwendung der umgangenen Norm wie die Anwendung der ergangenen Norm grob unangemessen wäre. Dies sei der Fall, wenn sie der Sachgerechtigkeit auf der Basis der gesetzlichen Wertung oder der Systemgerechtigkeit grob widerspricht.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
während die Umgehung von Wegverbotsgesetzen nur dann unwirksam ist, wenn das Ziel auf dem verbotenen Weg erreicht wird. Die Abgrenzung kann im Einzelfall allerdings schwierig sein, weil die Rechtsordnung nicht verbietet, den rechtlich vorteilhaftesten Weg anzuwenden und den wirtschaftlich günstigsten Erfolg zu suchen9. Das Problem mit dem Umgang des Begriffs „Gesetzesumgehung“ zeigt sich auch, wenn man eine Sache käuflich erwirbt und diese nicht stiehlt. Man kann schwer behaupten, dass derjenige den § 242 StGB umgeht10. Die Anwendung des Umgehungsbegriffs führt daher ad absurdum. Wird die „umgangene“ Norm auf einen bestimmten Sachverhalt angewendet, dann wird die fragliche Vorschrift nicht „umgangen“. Sie findet Anwendung. Es handelt sich dann lediglich um einen misslungenen „Umgehungsversuch“ 11. Umgekehrt liegt auch dann keine „Umgehung“ vor, wenn die Norm mangels Tatbestandserfüllung keine Anwendung findet. Aus diesem Grund wird behauptet, dass die Gesetzesumgehung „keine selbständige Kategorie“ 12 darstelle und dass diese entweder ein Problem der Auslegung oder der Analogie13 sei. Ob dies zutrifft, sei zunächst dahingestellt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsproblem der Gesetzesumgehung nicht deswegen redundant wird, weil dieses mit bereits vorhandenen rechtsmethodischen Mitteln behandelt werden kann14. So muss der Rechtsanwender die Rechtsgestaltung zunächst als Umgehung erkennen, um diese anschließend mit rechtsmethodischen Mitteln zu verhindern15. Es besteht daher ex ante zumindest ein „Umgehungsverdacht“, der sich jedoch ex post16 ausschließlich begrifflich auflöst. Wissenschaftlich bleibt indes die Frage, wann eine Gesetzesumgehung vorliegt, wie diese zu erkennen sind, welche Mittel der Normunterworfenen einsetzt, um ein Gesetz zu umgehen, wie Gesetzesumgehungen entstehen und welche Rechtsfolge bei Vorliegen einer Gesetzesumgehung eintritt.
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Schick, S. 38. Benecke, S. 154; „. . ., indem wir täglich den § 211 StGB ,umgehen‘, indem wir nicht morden.“, vgl. Kegel, IPR (7. Aufl.), S. 349. 11 Kegel/Schurig, IPR, S. 478; Schick, S. 48; Sieker, S. 10. 12 Flume, S. 350; Huber, JurA 1970, 784, 796; Teichmann, S. 67 ff. 13 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, 163, 169; Huber, JurA 1970, 784, 797; Medicus, Rn. 661 f.; Rehbinder, S. 113; Teichmann, S. 50 ff., 78 ff.; ders., JZ 2003, 761, 767. 14 Zu diesem Gedanken, Kegel/Schurig, IPR, S. 478; Schurig, FS Ferid, S. 375, 398. 15 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, geht davon aus, dass der schlichte Hinweis Gesetzesumgehungen der Auslegung zuzuordnen, nicht ausreiche, weil bei Gesetzesumgehungen mit spezifisch veränderten Interpretationsregelungen gearbeitet werden müsse, S. 163, 169 f.; Schick, S. 49. 16 Schurig, FS Ferid, S. 375, 384. 10
B. Begrifflichkeiten
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B. Begrifflichkeiten Für den weiteren Verlauf der Untersuchung ist es sinnvoll, einige Begriffe zum besseren Verständnis zu erläutern.
I. Die Umgehung und die „Ergehung“ eines Gesetzes Teilweise wird zwischen den Begriffen „Gesetzesergehung“ und „Gesetzesumgehung“ unterschieden17. Welcher Begriff Anwendung findet, hängt davon ab, ob die Rechtsfolgen einer nachteiligen Norm vermieden oder die Rechtsfolgen einer begünstigenden Norm angestrebt werden sollen. Insoweit wird bei begünstigenden Normen der Begriff der „Gesetzesergehung“ 18 oder auch „Tatbestandserschleichung“ 19 verwendet, weil es um Fälle geht, in denen die Parteien gezielt eine bestimmte Rechtsfolge erreichen wollen, die ihnen eigentlich nicht zusteht20. Während bei der „Gesetzesumgehung“ also der Tatbestand einer Norm vermieden werden soll, damit die ungünstigen Rechtsfolgen nicht eintreten, soll bei der „Gesetzesergehung“ der Tatbestand gezielt erfüllt werden, damit die für die Partei günstigen Rechtsfolgen eintreten können21. In diesen Fällen wird also nicht von „Gesetzesumgehung“, sondern von „Gesetzesergehung“ gesprochen, weil bei letzterem eher in den Tatbestand einer Norm gedrängt wird, als versucht wird, dieser auszuweichen22. Da der Begriff der „Gesetzesergehung“ sprachlich „wenig schön“ 23 ist, wird im Folgenden im Rahmen der weiteren Untersuchung auf die Verwendung dieses Begriffs verzichtet, zumal aus der Bezeichnung „Gesetzesergehung“ kein zusätz17 Benecke, S. 34 f.; Najdecki geht davon aus, dass der Begriff der „Gesetzesumgehung“ der Oberbegriff ist und diesem die Begriffe „Tatbestandsvermeidung“ und „Tatbestandserschleichung“ untergeordnet sind, S. 20. M. E. ist diese Unterscheidung begrifflich nicht genau. Wird der Tatbestand einer Norm erschlichen, dann wird diese Norm nicht umgangen. Es wird vielmehr versucht den Tatbestand zu erfüllen, a. A. Schick, S. 40. Rechtliche Folgen hat diese Unterscheidung freilich nicht. 18 Benecke, S. 34 f. 19 Huber, JurA 1970, 784, 797; Teichmann, S. 48. 20 Najdecki, S. 18; Römer S. 30; Teichmann mit Verweis auf Thöl, S. 48. 21 So ist beispielsweise nach § 475 Abs. 1 S. 1 BGB, der Gewährleistungsausschluss grundsätzlich nicht möglich, wenn ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, § 474 Abs. 1 S. 1 BGB. Liegt kein Verbrauchsgüterkauf vor, so können die Gewährleistungsansprüche in den Grenzen des § 444 BGB ausgeschlossen werden. Liegt bei einem Unternehmer-Unternehmer Geschäft ein wirksamer Gewährleistungsausschluss vor, so kann der Käufer diesen Ausschluss regelmäßig nur dann zu Fall bringen, wenn er nicht als Unternehmer agiert hat. Denn dann greift § 475 Abs. 1 S. 1 BGB. Der unternehmerische Käufer „ergeht“ also den Tatbestand des § 474 Abs. 1 S. 1 BGB, um die für ihn günstige Rechtsfolge des § 475 Abs. 1 S. 1 BGB herbeizuführen, Najdecki, S. 18. 22 Schick, S. 37; Teichmann spricht in diesem Zusammenhang auch von „Aufziehen eines Rechtssatzes“, S. 48 mit Hinweis auf Vetsch und Römer. 23 Benecke verwendet den Begriff dennoch, S. 35.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
liches Rechtsproblem24 resultiert. Es wird mithin einheitlich von „Gesetzesumgehung“ oder „Umgehungsgeschäft“ gesprochen.
II. Die Umgehungsnorm und die umgangene Norm Zudem wird zwischen der Umgehungsnorm und der umgangenen Norm unterschieden25. Erstere soll diejenige Vorschrift sein, die den von der umgangenen Norm missbilligten Erfolg unmittelbar herbeiführt und rechtfertigt26. Der Einzelne beruft sich also auf die Umgehungsnorm, um eine weitere Norm (umgangene Norm) zu umgehen. Umgehungsnorm und umgangene Norm verfolgen daher zwei diametral zueinanderstehende Ziele. Die Umgehungsnorm gestattet etwas, was die umgangene Norm verhindern will. Wird demnach der Tatbestand der Umgehungsnorm erfüllt und damit gleichzeitig eine andere Norm umgangen (umgangene Norm), so dient die Umgehungsnorm als Rechtfertigung für die vertragliche Gestaltung. So beruft sich bei der Umgehung des § 393 BGB der Schädiger auf die Umgehungsnorm § 273 Abs. 1 BGB, um § 393 BGB (die umgangene Norm) zu umgehen. Es muss allerdings nicht zwingend eine bestimmte Norm zur Rechtfertigung einer bestimmten vertraglichen Konstruktion herangezogen werden, weil der Abschluss von Rechtsgeschäften jeglicher Art wegen Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich zulässig ist. Als „Umgehungsnorm“ kann daher die allgemeine Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG herangezogen werden, ohne dass zwingend eine bestimmte einzelne Norm den Abschluss eines Rechtsgeschäftes rechtfertigen muss27.
III. Das umgangene Gesetz Das Phänomen der Gesetzesumgehung wird nur im Zusammenhang mit zwingendem Recht relevant28. Bei dispositivem Recht kann nicht von einer Gesetzesumgehung gesprochen werden, weil der Gesetzgeber diese Normen zur Disposition der Parteien stellt. Folglich kann nur zwingendes Recht umgangen werden. Grundsätzlich unterscheidet das BGB zwischen zwingenden oder unabdingbaren (ius cogens) und dispositiven oder abdingbaren29 Vorschriften (ius dispositivum)30.
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Benecke, S. 36. Römer, S. 37. 26 Römer mit Verweis auf Maday, S. 37. 27 Römer, S. 37. 28 Römer, S. 29. 29 Römer spricht von einem „nachgiebigen Gesetz“, S. 29. 30 Wolf/Neuner, § 3, Rn. 8. Nach Wolf/Neuner gibt es zudem auch noch halbzwingende Normen, § 3, Rn. 19. 25
B. Begrifflichkeiten
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1. Das abdingbare Recht Dass Vorschriften im BGB grundsätzlich abdingbar sein müssen, ergibt sich aus dem Grundsatz der Privatautonomie, wonach ein einzelner Bürger seine Lebensgestaltung und seine Beziehungen zu anderen grundsätzlich in eigener Verantwortung regeln kann. Dabei soll der Einzelne insbesondere nicht durch andere Bürger, aber auch nicht durch den Staat bevormundet werden31. Ob eine Norm dispositiv ist, kann sich zum einen aus dem Wortlaut einer Norm ergeben, wenn gesagt wird, dass etwas anderes „bestimmt“ werden könne oder wenn die Norm statuiert, dass andere „Vereinbarungen“ möglich seien. Zum anderen kann die Abdingbarkeit einer Norm auch aus dem Umkehrschluss resultieren, wenn die einschränkenden Voraussetzungen eines Verbots nicht vorliegen32. Ebenfalls kann sich der dispositive Charakter einer Vorschrift daraus ergeben, dass eine bestimmte Norm lediglich „im Zweifel“ gelten soll, weil dann diese Zweifel durch eindeutig vereinbarte Bestimmungen beseitigt werden können33. Äußert sich der Wortlaut nicht zur Abdingbarkeit einer Norm, so kann Sinn und Zweck einer Norm ergeben, dass diese nicht zur Disposition der Parteien steht34. Dispositives Recht kann allerdings nicht grenzenlos verändert werden. Dem dispositiven Recht sind auch Grenzen gesetzt, die sich in Treu und Glauben (§ 242 BGB), in den guten Sitten (§ 138 BGB), bei Verstoß gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) und in den Vorschriften zur Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) wiederfinden35. 2. Das zwingende Recht Im Gegensatz zum dispositiven Recht steht das zwingende Recht (ius cogens). Nur dieses kann bei der Frage von Gesetzesumgehungen eine Rolle spielen, weil zwingendes Recht nicht „umgangen“ werden darf 36. Eine zwingende Norm ist 31
Benecke, S. 94; Wolf/Neuner, § 3, Rn. 7. So etwa bei § 276 Abs. 3 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner gegenüber nicht im Voraus erlassen werden kann. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass im Nachhinein über einen Haftungsausschluss auch bei Vorliegen von Vorsatz eine Vereinbarung getroffen werden kann. 33 Wolf/Neuner, § 3, Rn. 10. 34 Das dispositive Recht hat zum einen die Funktion Lücken zu schließen, soweit die Parteien im Vertrag nicht alles geregelt haben und auch durch Auslegung nicht zu ermitteln ist, was die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wollten. Zum anderen hat dispositives Vertragsrecht Leitbildfunktion. Dies spielt insbesondere im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Rolle und bei der Aushandlung von sachgerechten vertraglichen Bedingungen, Wolf/Neuner, § 3, Rn. 8. 35 Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 32. 36 Enneccerus/Nipperdey, S. 1162; von Gamm geht davon aus, dass eine Umgehung nur bei gebietenden oder verbietenden Normen möglich sei, WRP 1961, 259, 260; Schurig, FS Ferid, S. 375, 380 spricht in diesem Zusammenhang von „bindenden“ Rechtsnormen; einschränkend Westerhoff, S. 167 f. mit Verweis auf § 181 BGB. 32
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
ein Rechtssatz, der die Bindung einer Rechtsfolge an einen Tatbestand abschließend festlegt. Dabei kann die Rechtsfolge nicht mehr durch Rechtsgeschäfte geändert werden, sobald der Tatbestand erfüllt ist37. Zwingendes Recht steht nicht zur Disposition der Parteien, sodass die Parteien an diese Norm gebunden sind. Dieses stellt damit einen entscheidenden Eingriff in die in Art. 2 Abs. 1 GG geregelte Privatautonomie der Parteien dar, der gerechtfertigt sein muss. Als legitimer Zweck der mit diesen Eingriffen verfolgt wird, steht regelmäßig ein anderes verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut, welches im Rahmen der Abwägung der Privatautonomie vorgeht. Ob eine zwingende Vorschrift vorliegt, kann sich durch die Formulierung des Gesetzestextes ergeben. So kann eine Vorschrift vorsehen, dass durch ein Rechtsgeschäft nichts anderes vereinbart werden „kann“ 38 oder „darf“ 39. Zudem kann sich aus einer Norm ausdrücklich ergeben, dass eine Umgehung nicht möglich ist. Gesetzliche Umgehungsverbote sind in den Gesetzen zahlreich40. Statuiert das Gesetz ein ausdrückliches Umgehungsverbot, so stellt das Umgehungsgeschäft ein verbotenes Rechtsgeschäft i. S. d. § 134 BGB dar. Das Umgehungsgeschäft ist damit nichtig. 3. Das zwingende Recht und das Verbotsgesetz Es ist nun der Frage nachzugehen, ob zwingende Gesetze auch immer Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB darstellen, weil häufig im Zusammenhang mit Umgehungsgeschäften auf § 134 BGB rekurriert wird41. Wenn ein Gesetz ein bestimmtes Verhalten verbietet, dann ist dieses Verhalten nicht zulässig und steht mithin nicht zur Disposition der Parteien. Somit stellen Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB immer zwingendes Recht dar42. Jedoch bleibt zu klären, ob das auch für die umgekehrte Konstellation gilt, also zwingendes Recht auch immer ein Verbotsgesetz darstellt. Kann Recht nicht abbedungen werden, so könnte dies zur Annahme verleiten, dass es verboten sei, ein Rechtsgeschäft zu gestalten, das diese zwingende Norm umgeht. Man könnte annehmen, dass durch zwingendes Recht gleichzeitig ein Verbot statuiert werde, abweichende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zu treffen43. Folge wäre dann die Nichtigkeit des Umgehungsgeschäftes nach § 134 BGB. Eine Vorschrift, die eine abweichende rechtliche Gestaltung ausschließt, stellt aber nicht in jedem Fall ein die Vornahme oder den 37
Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 2; Westerhoff, S. 167. § 137 S. 1 BGB. 39 § 612a BGB. 40 Vgl. Fn. 2. 41 Bspw.: BAG vom 18.3.2009 – 5 AZR 355/08, NZA 2009, 663. Vgl. auch Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 37 ff.; Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 144 ff. 42 Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 2. 43 Flume, S. 342 f. 38
B. Begrifflichkeiten
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Inhalt eines Rechtsgeschäftes verbietendes Gesetz dar44. So ergeben sich Unterschiede aus der unterschiedlichen Zielrichtung eines Verbotsgesetzes und von zwingendem Recht. Das zwingende Recht ist darauf gerichtet, ein bestimmtes Rechtsverhältnis direkt zu regeln45. Es wird also unmittelbar die Vertragsfreiheit ausgeschlossen, indem eine unabdingbare Vorschrift schlicht die Unwirksamkeit oder Unmöglichkeit einer abweichenden Vereinbarung festlegt46. Normen, die die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmöglichkeit begrenzen, „verbieten“ nicht solche Rechtsgeschäfte. Es ist schlicht nicht möglich, derartige Geschäfte abzuschließen47. Das zwingende Recht missbilligt nicht das Rechtsgeschäft als solches, sondern beschränkt allgemein die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht und damit die Kompetenz in Form der Privatautonomie des Einzelnen48. Wird entgegen dem zwingenden Recht gehandelt, so ist diese Maßnahme rechtsunwirksam, weil die Rechtsordnung bei zwingendem Recht die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften nur in den Grenzen zulässt, die sie der Gestaltungsfreiheit des Einzelnen durch ihre zwingenden Vorschriften setzt49. Auf § 134 BGB kommt es nicht an50. Das Verbotsgesetz dagegen zielt nicht darauf ab und lässt damit der Privatautonomie mehr Raum, indem dieses lediglich ein bestimmtes Verhalten verhindern will. Bei einem Verbotsgesetz steht mithin der gesetzliche Befehl des Verbots im Vordergrund und die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes tritt als Folge oder als Sanktion ein. Bei Verbotsnormen stellt sich die Frage, ob das Rechtsgeschäft, welches gegen die Verbotsnorm verstößt, nichtig ist. Bei Normen, welche die rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten begrenzen, ist es dagegen selbstverständlich, dass das Rechtsgeschäft nicht gelten kann51. Diese Unterscheidung wird anhand der Regelung des § 118 BGB deutlich52. Danach ist eine sogenannte Scherzerklärung zwingend nichtig. Die Abgabe einer solchen Erklärung ist aber nicht verboten. Die Nichtigkeit der Scherzerklärung ergibt sich auch schon aus § 118 BGB selbst und nicht erst über den „Umweg“ des § 134 BGB. In diesem Fall bedarf es daher § 134 BGB nicht53. Es besteht also kein Verbot eine Scherzerklärung abzugeben, sondern die Rechtsordnung 44 Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 2; Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar, § 134 BGB (2001) Rn. 46. 45 Beispiele: §§ 181, 276 Abs. 3, 719 Abs. 1 BGB. 46 Wolf/Neuner, § 45, Rn. 4. 47 Flume, S. 342 f. 48 Flume, S. 342 f.; Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 2, 13; Hübner, AT, Rn. 883; Wolf/Neuner, § 45, Rn. 3 ff. 49 Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 3. 50 Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 2. 51 Flume, S. 343; Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 2 f. 52 Weitere Beispiele bei Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 3. 53 Im Ergebnis auch Najdecki, S. 17 f.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
lässt eine solche Erklärung lediglich nicht gelten54, wodurch unmittelbar die Privatautonomie eingeschränkt wird55. 4. Zwischenergebnis Es bleibt festzustellen, dass dispositives Recht nie Gegenstand einer Gesetzesumgehung sein kann. Taugliches Objekt der Gesetzesumgehung ist ausschließlich zwingendes Recht56. Allerdings wird teilweise die Ansicht vertreten57, dass Gesetzesumgehungen nur dann möglich sein können, wenn eine zwingende Vorschrift zugleich eine Verbotsnorm darstelle. Bei Vorliegen einer zwingenden Norm, die kein Verbotsgesetz sei (z. B. § 118 BGB), ergebe sich die Nichtigkeitsfolge schon aus der Norm selbst. Eine Umgehung sei von vornherein ausgeschlossen, weil ein bestimmtes tatbestandliches Verhalten nichtig sei58. Daraus wird der Schluss gezogen, dass man § 118 BGB daher nicht umgehen könne59. Dieser Ansicht ist jedoch zu widersprechen60. So können auch Normen umgangen werden, die eine bloße Rechtsfolgenanordnung treffen, dabei aber weder Verbot noch Gebot darstellen61 wie es beispielsweise die Formvorschriften des 54 Enneccerus/Nipperdey, S. 1162 geht auch von einer Unterscheidung zwischen Verbotsgesetzen und zwingenden Normen aus. Flume (S. 342 f.) unterscheidet zu Recht zwischen zwingendem Recht und Verbotsgesetzen. Zwingendes Recht stellt nicht immer ein Verbot dar, ein bestimmtes Rechtsgeschäft vorzunehmen. Bei zwingendem Recht wird lediglich ein bestimmtes Rechtsgeschäft nicht zugelassen. Liegt ein Verbotsgesetz vor, so ist in einem weiteren Schritt zu fragen, ob ein Verstoß gegen dieses zu der Nichtigkeit führt, § 134, 2. Halbsatz BGB. 55 Enneccerus/Nipperdey, S. 1162 geht auch von einer Unterscheidung zwischen Verbotsgesetzen und zwingenden Normen aus. 56 Benecke kritisiert auf S. 94 f. diese These als zu pauschal: So gebe es Normen, die nur zwingend für bestimmte Personen sind, die also generell abbedungen werden können, aber nicht von demjenigen, der sie umgeht. § 181 BGB könne beispielsweise von dem Vertretenen außer Kraft gesetzt werden, jedoch nicht vom Vertreter. Das Verbot des Insichgeschäftes sei daher nicht zwingend für den Vertretenen, könne aber vom nicht befreiten Vertreter umgangen werden, Westerhoff, S. 168. Auch gebe es Normen, die zwar dispositiv seien, die aber dem Schutz einer Partei dienen. Auch diese können umgangen werden, wenn zum Beispiel ein Geschäft geschlossen wird, das die wirtschaftlichen Folgen eines Kaufs aufweist, aber kein Kaufvertrag ist. Durch die Umgehung der dispositiven §§ 437 ff. BGB werden die Gewährleistungsrechte des Käufers umgangen. 57 Najdecki, S. 18; Sieker geht unter Verweis auf Mayer-Maly davon aus, dass die besondere Bedeutung von Gesetzesumgehungen in der besonderen Absicherung von Verbotsnormen gegen Rechtsgeschäfte, denen eine Umgehungsfunktion zukomme, liege, S. 8 f. Sieker zieht damit den Schluss, dass eine Gesetzesumgehung nur dann vorliegen könne, wenn die Norm, die umgangen werden soll, zugleich ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB darstellt. 58 Najdecki, S. 18. 59 Das Reichsgericht stellte früher darauf ab, ob ein Verbotsgesetz umgangen wird oder nicht. Es war also nur möglich, Verbotsgesetze zu umgehen, dazu Benecke, S. 16. 60 Sieker, S. 10. 61 Etwa §§ 1205 ff. BGB; Schurig, FS Ferid, S. 375, 380.
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BGB zeigen62. Es ist nicht verboten mündlich einen Kaufvertrag über ein Grundstück abzuschließen; es ist einfach nicht möglich, § 125 S. 1 BGB. Davon ist aber die Frage zu trennen, ob man das Formerfordernis nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB umgehen kann. Unstreitig gibt es Fallkonstellationen63, die das nach § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Formerfordernis zu umgehen versuchen. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB stellt aber kein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB dar, ist jedoch zugleich zwingend. Damit kann sowohl das Verbotsgesetz als auch das übrige zwingende Recht Gegenstand von Gesetzesumgehungen sein. Beide Gesetzesarten sind daher der Umgehung zugänglich, weil auch das zwingende Verbotsgesetz einen bestimmten Zweck verfolgt, der durch bestimmte vertragliche Gestaltungen vereitelt werden kann64.
C. Die Ausarbeitung eines eigenständigen Umgehungsbegriffs Es soll nun in einem weiteren Schritt – ausgehend von der oben genannten Definition der Gesetzesumgehung – die genaue Verwendung und Bedeutung des Begriffs dargelegt werden und darauf aufbauend für die vorliegende Untersuchung ein eigenständiger Umgehungsbegriff entwickelt werden. Dabei muss zunächst herausgearbeitet werden, in welchem Zusammenhang die Rechtswissenschaft diesen Begriff verwendet.
I. Die Verwendung des Umgehungsbegriffs im Allgemeinen Zivilrecht Zur Erläuterung und näheren Konkretisierung bietet es sich an, Fallgruppen darzustellen, bei denen der Umgehungsbegriff verwendet wird, und anhand dieser das weitere methodische Vorgehen zu erläutern. 1. Fallgruppen a) Die Umgehung des Vorkaufsfalles oder der pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkung Zunächst fällt der Umgehungsbegriff im Zusammenhang mit dem Vorkaufsrecht. Nach § 463 BGB tritt der Vorkaufsfall ein, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat. Möchte 62
Benecke, S. 94. BGH v. 2.7.1986 – IV a ZR 102/85, NJW 1987, 54; Kanzleiter/Münchener Kommentar, § 311b BGB Rn. 8 f., 14. 64 Römer, S. 30. 63
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der Verkäufer dem Dritten allerdings die rechtliche Stellung eines Käufers einräumen, ohne mit ihm einen Kaufvertrag abzuschließen, so wäre denkbar, einen Vertrag abzuschließen, der dem Dritten käuferähnliche Rechte einräumt ohne ausdrücklich einen Kaufvertrag nach § 433 BGB abzuschließen. So ging der BGH in einem Urteil65 davon aus, dass Vertragsgestaltungen, die zur „Umgehung“ des Vorkaufsrechts ohne formellen Kaufvertrag in ihrer Gesamtheit einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seiner Erwerbs- und Abwehrinteressen „eintreten“ kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu beeinträchtigen, nach Treu und Glauben den Vorkaufsfall auslösen können. Hier wurde formal betrachtet kein Kaufvertrag geschlossen, der den Vorkaufsfall nach § 463 BGB hätte auslösen können. Dem Dritten wurde jedoch vom Vorkaufsverpflichteten ein unbefristetes, unwiderrufliches Kaufangebot mit Auflassungsvormerkung unterbreitet, eine unbefristete und unwiderrufliche Veräußerungs- und Belastungsvollmacht unter gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchs eingeräumt und eine Grundschuld mit sofortigem Besitzübergang und Zurechnung aller Lasten und Nutzungen des Kaufobjekts gegen Leistung des vorgesehenen Entgelts bestellt. Im Ergebnis wurde damit dem Dritten rein faktisch eine Eigentümerstellung zuteil, ohne dass er rechtlich Eigentümer wurde. Damit erlangt der Dritte die Position, die er durch Erfüllung des Kaufvertrags erlangt hätte66. Das Gleiche gilt bei der nach § 2325 Abs. 1 BGB pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkung. Möchte der Erblasser verhindern, dass die unentgeltliche Zuwendung zugunsten eines Dritten den Pflichtteilsergänzungsanspruch auslöst, so wäre es denkbar, den § 2325 Abs. 1 BGB dadurch zu umgehen, indem er dem Dritten wirtschaftlich die Stellung eines Beschenkten einräumt, ohne ausdrücklich einen Schenkungsvertrag i. S. d. § 516 BGB abzuschließen67. b) Das Sicherungseigentum Diese Fallgruppe betrifft einen „erfolgreichen“ Fall der Gesetzesumgehung. Nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB muss der Schuldner einer Forderung (Eigentümer der Sache) dem Gläubiger der Forderung die Sache übergeben, damit ein Pfandrecht an der Sache entsteht. Da dieses Übergabeerfordernis allerdings nicht den praktischen Bedürfnissen des Rechtsverkehrs gerecht wurde, insbesondere hier nämlich der Schuldner die verpfändete Sache weiterhin nutzen wollte, wurde das Sicherungseigentum „geschaffen“. Die dingliche Einigung nach § 929 S. 1 BGB erfolgt regelmäßig unbedingt. Im Sicherungsvertrag wurde jedoch vereinbart, dass im Falle der Befriedigung der Forderung der Gläubiger verpflichtet sein 65
BGH v. 11.10.1991 – V ZR 127/90, NJW 1992, 236. Schurig, Vorkaufsrecht, S. 151 ff.; Westermann/Münchener Kommentar, § 463 BGB Rn. 18; BGH v. 11.10.1991 – V ZR 127/90, NJW 1992, 236. 67 Koch/Münchener Kommentar, § 516 BGB Rn. 20 ff. 66
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soll, das Eigentum an den ehemaligen Schuldner der Forderung zurückzuübertragen. Auch hier wurde zunächst die Unwirksamkeit des Sicherungseigentums angenommen, weil diese Konstruktion eine Umgehung des Übergabeerfordernisses nach § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB darstellte68. c) Die Umgehung von Aufrechnungsverboten Zudem fällt der Umgehungsbegriff auch im Zusammenhang mit den in §§ 393 ff. BGB normierten Aufrechnungsverboten. Die §§ 393 ff. BGB erklären ausdrücklich die Aufrechnung gegen bestimmte Forderungen für unzulässig und auch aus der systematischen Stellung der Vorschriften unter dem Titel 3 des 4. Abschnitts des 2. Buches des BGB „Aufrechnung“ ergibt sich nach unbedarfter Lektüre des Gesetzestextes, dass das Verbot nur für die Aufrechnung und nicht für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gilt. Daher wird teilweise formuliert, dass das in § 393 BGB kodifizierte Aufrechnungsverbot nicht durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts „umgangen“ werden könne69. Dagegen soll dann keine „Umgehung“ vorliegen, wenn der Schädiger die gegen ihn gerichtete Forderung nach Erwirken eines Titels pfändet und sich überweisen lässt70. d) Der Umgehungsbegriff im Verbraucherschutzrecht Auch im Verbraucherschutzrecht wird der Umgehungsbegriff fruchtbar gemacht. So finden die verbraucherschützenden Vorschriften nach §§ 491a ff. BGB keine Anwendung, wenn der Nettodarlehensbetrag weniger als 200 A beträgt, § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Hier wird teilweise davon gesprochen, dass die §§ 491a ff. BGB aus „Umgehungsgesichtspunkten“ gleichwohl Anwendung finden, wenn ein wirtschaftlich einheitlicher Kredit vom Darlehensgeber in mehrere Einzelverträge aufgeteilt wird, von denen einige oder alle unter der Bagatellgrenze liegen71. Zudem stößt man im Zusammenhang mit dem dem Verbraucher zustehendem Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB auf den Umgehungsgedanken. So besteht nach § 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB nicht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Leistung bei Abschluss der Verhandlungen sofort erbracht und bezahlt wird und das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt 40 A nicht überschreitet. Wenn der Unternehmer mit dem Verbraucher mehrere Kaufverträge abschließt, 68 Erst seit der Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1904 ist das Sicherungseigentum anerkannt, RG v. 8.11.1904 – VII 173/04, RGZ 59, 146, 149. 69 RG v. 6.12.1928 – VI 229/28, RGZ 123, 6, 8; Gursky/Staudinger, § 393 Rn. 2; Schlüter/Münchener Kommentar, § 393 BGB Rn. 1. 70 Gursky/Staudinger, § 393 Rn. 2; Schlüter/Münchener Kommentar, § 393 BGB Rn. 1. 71 Schürnbrand/Münchener Kommentar, § 491 BGB Rn. 65.
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die diese Bagatellgrenze nicht überschreiten, mit der Folge, dass kein Widerrufsrecht besteht, eröffnen sich für den Unternehmer Möglichkeiten fernab von § 312g BGB72. 2. Anwendung des allgemeinen Umgehungsbegriffs auf die Fallgruppen Versteht man unter einem Umgehungsgeschäft ein Rechtsgeschäft, das nicht unter den Wortlaut einer Vorschrift fällt, allerdings dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderläuft, so hängt das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes entscheidend davon ab, wie weit der Sinn und Zweck der Vorschrift gefasst wird. Der Sinn und Zweck steht im Mittelpunkt bei der Beurteilung, ob ein Rechtsgeschäft als unzulässiges Umgehungsgeschäft oder als zulässige Tatbestandsvermeidung zu qualifizieren ist. Die Parteien versuchen bei der Fallgruppe a) dem Rechtsanwender eine Auslegung in eine bestimmte Richtung zu suggerieren73. Folgt man dem Subsumtionsvorschlag74 der Parteien, nimmt man also keinen Kaufvertrag und keine Schenkung an, so bestünde erneut das Problem, dass der Sinn und Zweck des § 463 BGB und des § 2325 BGB nicht erreicht werden könnte. Die Parteien könnten – vereinfacht gesprochen – lediglich durch Falschbezeichnung des Vertrags über die Anwendbarkeit einer Norm disponieren. Es ist eindeutig, dass dies nicht möglich sein kann. Orientiert am Sinn und Zweck einer Norm ist dem von den Parteien gemachte Subsumtionsvorschlag nicht zu folgen. Es liegt dann lediglich eine Subsumtionszumutung vor75. Bei dem Sicherungseigentum kann von einer „erfolgreichen“ Umgehung des Übergabeerfordernisses nach § 1205 BGB gesprochen werden. Der (potentielle) Normadressat greift auf ein anderes rechtliches Gestaltungsmittel in Form der unbedingten Übereignung in Verbindung mit einer schuldrechtlichen Rückgewährpflicht zurück und ist somit nicht mehr der Restriktion des § 1205 BGB unterworfen. Der Sinn und Zweck des Übergabeerfordernisses des § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB wird durch das Sicherungseigentum nicht berührt. Vergleicht man diesen Fall mit der Fallgruppe c), so steht auch hier bei der Beurteilung, ob ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vorliegt, der Sinn und Zweck im Mittelpunkt der Analyse. Das Aufrechnungsverbot nach § 393 BGB soll eine unzulässige Privatstrafe des Schädigers verhindern. Der Schädiger soll den Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB durch Leistung von Schadensersatz erfüllen und nicht auf ein Erfüllungssurrogat zurückgreifen. Dieser Zweck, der nur unzureichend vom Tatbestand des § 393 BGB erfasst wird, wird 72 73 74 75
Thüsing/Staudinger, § 312 BGB Rn. 178. Sieker, S. 11. Pestalozza zum Missbrauch einer Norm, S. 66 f., 79 ff.; Sieker, S. 11. Pestalozza zum Missbrauch einer Norm, S. 66 f., 79 ff.; Sieker, S. 11.
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vereitelt, wenn der Schädiger statt aufzurechnen ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen könnte. Durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wäre es nämlich möglich, die Durchsetzung des Anspruchs dauerhaft zu verhindern, sodass dies faktisch dem Erlöschen der Forderung durch Aufrechnung entspricht. Man könnte auch die Frage aufwerfen, ob das Verbot nach § 393 BGB noch Bestand hätte, wenn die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts möglich wäre. Diese Frage ist zu verneinen. Der Gesetzgeber könnte das von ihm verfolgte legislatorische Ziel, die Verhinderung einer Privatstrafe, nicht erreichen. Daher muss hier korrigierend eingegriffen und die Umgehung durch die analoge Anwendung der Vorschrift verhindert werden. Betrachtet man schließlich Fallgruppe d), so führe die Annahme der Wirksamkeit der einzelnen Kaufverträge von einem Kaufpreis unter 40 A zu dem Ergebnis, dass das Bestehen des Widerrufsrechts je nach Vertragsgestaltung variieren würde. Das Gleiche gilt bei mehreren Darlehensverträgen, bei denen sich der Nettodarlehensbetrag jeweils auf weniger als 200 A beziffert. Auch dies würde diametral zum Willen des Gesetzgebers stehen. Er könnte das durch die Kodifizierung des Widerrufsrechts verfolgte Ziel (Schutz des Verbrauchers) nicht mehr verfolgen und stellte damit das Verbraucherschutzrecht zur Disposition des Normanwenders. 3. Zwischenergebnis In den genannten Fallgruppen wird der Umgehungsbegriff in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. So wird dieser in Fallgruppe a) im Rahmen der Auslegung verwendet, während bei der Fallgruppe c) der Begriff zur Begründung einer analogen Anwendung herangezogen wird. Den exemplarisch genannten Fallgruppen ist zunächst gemeinsam, dass bei allen die Parteien auf rechtliche Gestaltungen zurückgreifen, die das Gesetz an sich zulässt und damit nicht verboten sind. Bei der Fallgruppe a) ist es nicht verboten einen Pachtvertrag für 100 Jahre abzuschließen und dem Pächter umfängliche dingliche Rechte an dem Grundstück einzuräumen. Es ist rechtlich zulässig, Eigentum zu übertragen und zugleich schuldrechtlich die Verpflichtung des Erwerbers zu begründen, das Eigentum bei Erfüllung der Forderung zurück zu übereignen (Fallgruppe b)). Das Gleiche gilt für die anderen beiden Fallgruppen. Darüber hinaus ist den genannten Fallgruppen gemein, dass bei einer am Wortlaut orientierten Gesetzesauslegung das jeweilige legislatorische Ziel nicht erreicht werden kann und damit die Rechtsordnung zur Disposition der Parteien gestellt wird, wenn man die Wirksamkeit dieser Rechtsgeschäfte annehmen würde76. Die beiden genannten Gemeinsamkeiten stehen damit diametral zueinander. Einerseits die Verwirklichung der Privatautonomie und andererseits die 76 Bei der Fallgruppe b) wurde allerdings die Wirksamkeit anerkannt, vgl. Schurig, FS Ferid, S. 375, 376.
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Verwirklichung des mit der Norm verfolgten Ziels und damit die Autorität des Gesetzgebers. Welchem Interesse der Vorzug zu geben ist, hängt ausschließlich von der in Frage stehenden Vorschrift und deren Sinn und Zweck ab. Wird dieser durch die von den Parteien vorgenommenen rechtlichen Gestaltung durchkreuzt, so liegt ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vor mit der Folge, dass das Interesse des Gesetzesumgehenden an der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes zurückstehen muss. Hier schließt sich die Frage an, inwiefern mit methodischen Mitteln der vermeintlich umgangenen Norm Geltung verschafft werden kann.
II. Die Bedeutung der Auslegung für die Gesetzesumgehung Aus obigen Ausführungen wird ersichtlich, dass der Auslegung im Zusammenhang mit der Gesetzesumgehung eine große Bedeutung zukommt. Auch wird teilweise behauptet, dass die Gesetzesumgehung ausschließlich der Gesetzesauslegung zuzuordnen sei77. Inwiefern die Auslegung und die Gesetzesumgehung zusammenhängen wird nun näher beleuchtet. Dabei ist zunächst zu unterscheiden zwischen der Auslegung des Sachverhaltes und der Auslegung der Norm. 1. Die Sachverhaltsauslegung und die Gesetzesumgehung a) Die Gesetzesumgehung als Problem der Sachverhaltsauslegung Teilweise wird behauptet, dass Gesetzesumgehungen dem Bereich der Sachverhaltsauslegung, also der Auslegung der Willenserklärungen der Parteien78, zuzuordnen sind79. Dabei wird bei der Gesetzesumgehung der (potentielle) Normadressat den Sachverhalt so gestalten, dass er den Tatbestand einer Norm vermeidet und gegebenenfalls den Tatbestand einer anderen Norm erfüllt. Es soll durch diese Änderung auf tatsächlicher Ebene eine bestimmte Auslegung suggeriert werden. Bei der Auslegung der Willenserklärungen sind die §§ 133, 157 BGB zu beachten. Schon § 133 BGB legt fest, dass der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen ist und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Wenn also nach dem Wortlaut der Erklärungen der Parteien das Rechtsgeschäft 77 Arnold/Erman, § 134 BGB Rn. 24; Flume verweist dabei auf S. 350 auf die Entstehungsgeschichte des BGB. Die zweite Kommission lehnte die Einführung einer allgemeinen Umgehungsnorm ab, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass an sich erlaubte Rechtsgeschäfte für nichtig erklärt werden würden, Flume, S. 350. Auch Medicus geht davon aus, dass die Gesetzesumgehung ausschließlich ein Problem der Gesetzesauslegung ist, Rn. 660. 78 Erhardt, S. 17; Sachverhaltsauslegung und Auslegung von Willenserklärungen sind identisch, Teichmann, S. 40. 79 Siecker, S. 95 ff.; Teichmann, S. 39 ff.; ders., JZ 2003, 761, 763 f.
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nicht in den Anwendungsbereich einer zwingenden Norm zu fallen scheint, dann kann sich durch Auslegung des echten Willens der Parteien ergeben, dass die Parteien das Rechtsgeschäft abschließen wollten, welches unter den Anwendungsbereich einer zwingenden Norm fällt. Das Problem der Gesetzesumgehung stellt sich dann nicht. Der subjektiv übereinstimmend gewollte Vertragsinhalt hat daher den Vorrang vor einer absichtlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio non nocet)80. Die durch die Auslegung ermittelte Rechtsfolge wird dann in einem zweiten Schritt rechtlich einem Vertragstyp zugeordnet81. Zwar gebietet es der Grundsatz der Privatautonomie, dass sich die Parteien grundsätzlich über den Inhalt ihres Rechtsgeschäftes einigen können, allerdings ist es ihrer Vertragsfreiheit entzogen zu bestimmen, um welche Art von Rechtsgeschäft es sich bei ihrer Vereinbarung handelt82. Es ist also immer die praktische Durchführung des Vertrags, also der objektive Inhalt eines Vertrags, entscheidend. Dafür werden zunächst die vereinbarten Leistungspflichten ermittelt und schließlich dem entsprechenden Vertragstyp zugeordnet83. Der wirklich ermittelte Wille bestimmt demnach den Geschäftsinhalt und folglich den Vertragstyp84. Die Grundsätze sind anhand der Umgehung des Vorkaufsfalls nach § 463 BGB zu konkretisieren85. Danach tritt der Vorkaufsfall ein, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat. Schließen die Parteien rechtlich gesehen einen Kaufvertrag, dann können die Parteien diesen Vertragstypus nicht durch eine Falschbezeichnung „Mietvertrag“ umqualifizieren. Es bleibt dann bei Abschluss eines Kaufvertrags86. Damit wird das Problem der Gesetzesumgehung schon im Ursprung durch Auslegung der Willenserklärungen unterbunden. Bei der Sachverhaltsauslegung ist jedoch zu beachten, dass den Parteien auch nicht einfach ein „vernünftiger“ Wille zu unterstellen ist87. Durch die Auslegung darf nicht vom eindeutig erklärten Willen abgewichen und ein „vernünftiger“ 80
Ellenberger/Palandt, § 133 Rn. 8. Erhardt, S. 18; Michaelis, FS Wieacker, S. 444, 458 f.; Sieker spricht in diesem Zusammenhang von „Qualifikation der vertraglichen Gestaltung“, S. 97. 82 BGH v. 25.6.2002 – X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3318; BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 325/03, NJW 2005, 973, 974; Huber, JurA 1970, 784, 796; Kindl/Erman, Vor. § 311 BGB Rn. 10; Michaelis, FS Wieacker, S. 459; Sieker, S. 98. 83 Weidenkaff/Palandt, Überbl. v. § 433 BGB Rn. 3. Zur Auslegung des Rechtsgeschäftes und Qualifikationsentscheidung, Sieker, S. 99 ff. 84 BAG v. 31.3.1993 – 7 AZR 338/92, NZA 1993, 1078; BGH v. 25.6.2002 – X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3318. 85 Vgl. S. 43. 86 Erhardt, S. 18; Michaelis, FS Wieacker, spricht hier vom „verkleideten Geschäft“. Die Parteien erklären offen die von ihnen angestrebte Rechtsfolge, geben aber dem Rechtsgeschäft eine Bezeichnung eines hierzu nicht passenden Rechtstypus, S. 458; Sieker, S. 97 f. 87 Erhardt, S. 19 f.; Müller, NJW 2003, 1975, 1976. 81
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Wille unterstellt werden88. Die Auslegung der Willenserklärungen kann daher nicht zu einem Ergebnis führen, das diametral zum ausdrücklich geäußerten Willen der Parteien steht89. Aus diesem Grund ist ein tatsächlich abgeschlossener Mietvertrag auch als Mietvertrag zu behandeln, selbst wenn die Parteien bezwecken den § 463 BGB zu umgehen. b) Die Abgrenzung zum Scheingeschäft Gesetzesumgehungen unter dem Gesichtspunkt der Auslegung des Sachverhaltes zu behandeln, muss von der Regelung des § 117 BGB abgegrenzt werden90. § 117 Abs. 1 BGB ordnet die Nichtigkeit des Scheingeschäftes an. Sachverhaltsauslegung und Scheingeschäft haben einige Gemeinsamkeiten. Bei beiden ist der Anknüpfungspunkt der Sachverhalt. Dieser wird so ausgelegt, um auf diese Art und Weise die vermeintlich umgangene Norm anzuwenden91. Ob ein Scheingeschäft vorliegt, erfolgt durch Auslegung der Willenserklärungen. Die Anwendung des § 117 BGB führt schließlich zum subjektiv übereinstimmend gewollten Vertragsinhalt92. Das Rechtsgeschäft, das sie nicht wollen, ist nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Für das Rechtsgeschäft, das sie beabsichtigen, gilt § 117 Abs. 2 BGB. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch darin, dass die Parteien bei einem Scheingeschäft ihre vertraglichen Bestimmungen nicht ernsthaft anstreben, während beim Umgehungsgeschäft die Parteien die ernst gemeinten Vertragsbedingungen wollen, um den Tatbestand einer bestimmten Norm vermeiden zu können93. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass bei der Anwendung des § 117 Abs. 1 BGB die Parteien ihrem nicht ernsthaft gewollten Rechtsgeschäft eine bestimmte Vertragsbezeichnung geben können. Die Parteien haben rechtlich einen Kaufvertrag abgeschlossen, sie wollen aber die Rechtsfolgen dieses Vertrags nicht auslösen. Äußern dagegen die Parteien, dass sie einen „Mietvertrag“ geschlossen haben, liegt aber rechtlich ein Kaufvertrag vor, dann ist § 117 BGB nicht einschlägig, weil den Parteien die Bestimmungsmacht hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation eines Rechtsgeschäftes fehlt. Es liegt schon durch Aus-
88 Benecke lehnt diese Qualifikation eines Rechtsgeschäftes entgegen dem ausdrücklich geäußerten Willen der Parteien mit Hinweis auf die Vertragsfreiheit ab, S. 39; Erhardt, S. 19 f.; Teichmann, S. 44. 89 Diese Qualifikation von Verträgen entgegen dem tatsächlichen und ausdrücklichen Willen der Parteien wurde im Absolutismus und dem Nationalsozialismus vorgenommen, ist aber heutzutage nicht mit dem Verständnis von Gesetz und Vertragsfreiheit vereinbar, Benecke, S. 39; Flume, S. 326 f.; Wolf/Neuner, § 35, Rn. 66. 90 Benecke, S. 38; Erhardt, S. 18 f.; Teichmann, S. 7 ff. 91 Schurig, FS Ferid, S. 375, 404. 92 Armbrüster/Münchener Kommentar, § 117 BGB Rn. 1. 93 Benecke, S. 39.
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legung der Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB ein Kaufvertrag vor. Eines Rückgriffs auf § 117 BGB bedarf es nicht94. c) Zwischenergebnis Vor dargestelltem Hintergrund wird die Gesetzesumgehung durch die Auslegung des Sachverhaltes verhindert. Eine absichtlich falsche Bezeichnung ist unschädlich und stellt keine echte Gesetzesumgehung dar. Zu kritisieren an dieser Ansicht ist jedoch, dass dennoch zunächst ein Geschäft vorliegt, das bei Wirksamkeit eine Gesetzesumgehung darstellen würde. Die Auslegung des Sachverhaltes beschreibt daher lediglich die Folge bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes. Das Umgehungsgeschäft wird durch Auslegung des Sachverhaltes verhindert. Allerdings setzt dieser Ansatz bereits das Bestehen eines Umgehungsgeschäftes voraus. Diese Ansicht ist daher nicht hilfreich bei der Suche nach einer Definition oder nach einer Beschreibung der Gesetzesumgehung. Auch ist zu bemängeln, dass bei der Auslegung des Sachverhaltes, also der Willenserklärungen, den Parteien nicht ein „richtiger“ Wille unterstellt werden kann, auch wenn dies vermutlich der Interessenlage der Parteien besser entsprechen würde. Die Auslegung der Willenserklärungen der Parteien kann nicht zu einer Bevormundung der Parteien führen95. Das Problem ergibt sich insbesondere dann, wenn das Gesetz mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung stellt und die Parteien in Ausübung ihrer Privatautonomie von einer bestimmten Möglichkeit Gebrauch machen. Hier kann den Parteien dann nicht im Wege der Auslegung der Willenserklärungen unterstellt werden, sie hätten sich für den anderen Weg entschieden. Dies würde der in Art. 2 Abs. 1 GG kodifizierten Vertragsfreiheit widersprechen. Die Auslegung des Sachverhaltes erfasst daher einen Teilbereich der Gesetzesumgehung, stößt aber an ihre Grenzen, sobald der Gesetzgeber verschiedene rechtliche Gestaltungsmittel zur Verfügung stellt, zwischen denen sich der Normunterworfene entscheiden kann. Die Auslegung des Sachverhaltes stellt daher ein Mittel zur Umgehungsverhinderung dar, wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich unterschiedliche rechtliche Wege aufzeigt, einen rechtlichen Erfolg herbeizuführen. Der Unterschied zum Scheingeschäft besteht insofern, als bei diesem die Parteien den Eintritt der rechtlichen Folgen nicht ernsthaft verfolgen. Dies ist bei einem Umgehungsgeschäft jedoch anders, da das Umgehungsgeschäft erst bei rechtlicher Anerkennung, also bei Annahme der Wirksamkeit, von Erfolg gekrönt ist.
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Michaelis, FS Wieacker, S. 459. Teichmann, S. 44.
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2. Die Gesetzesauslegung und die Gesetzesumgehung Eine andere Ansicht ordnet das Problem der Gesetzesumgehung der Gesetzesauslegung zu96. Es wird also nicht – wie bei der Sachverhaltsauslegung – der Sachverhalt ausgelegt, sondern vielmehr werden die Tatbestandsmerkmale einer Norm so weit interpretiert, sodass auch der festgestellte Sachverhalt darunter fällt. Ausgangspunkt dieser Vorgehensweise ist mithin ein feststehender Sachverhalt. Dieser wird als gegeben akzeptiert; erst auf der Stufe der Rechtsfindung, bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale, wird die Gesetzesumgehung verhindert97. a) Die Trennung zwischen der Gesetzesauslegung und der Gesetzesumgehung Die heute überwiegende Meinung unterscheidet jedoch zwischen Umgehung und Auslegung des Gesetzes98. Ziel der Gesetzesumgehung ist es, die für den Einzelnen als nachteilig empfundene Rechtsfolge einer bestimmten Norm nicht auszulösen. Die Rechtsfolge einer Norm tritt jedoch ein, wenn der Tatbestand erfüllt wird. Daher muss Ziel der Gesetzesumgehung sein, dies zu vermeiden99. Wie weit der Tatbestand gefasst wird, ist eine Frage der Auslegung. Die Auslegung bestimmt den Geltungsbereich einer Norm100. Allerdings sind der Auslegung eines Gesetzes Grenzen gesetzt. Diese Auslegungsgrenzen müssen beachtet werden101. Nach dieser Ansicht, die zwischen Umgehung und Auslegung des Gesetzes unterscheidet, soll die Umgehung des Gesetzes rechtsdogmatisch nicht möglich sein, solange durch Auslegung der Norm das fragliche Verhalten von dem Tatbestand erfasst werde102. Erst jenseits der Grenzen der Auslegung beginne der Bereich, der als „Umgehung“ bezeichnet werden könne. Eine Überschneidung sei somit nicht möglich103. Die Umgehung könne daher erst dort anfangen, wo der Geltungsbereich einer Norm, der durch einfache Auslegung ermittelt wurde, endet104. Lasse sich dagegen eine bestimmte Umgehungsgestaltung noch unter den Anwendungsbereich einer Norm subsumieren, so liege
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Erhardt, S. 20 ff.; Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 37; Schröder, S. 11 f. Erhardt, S. 20. 98 Benecke, S. 84 ff., 87; Gramlich/Zerres, ZIP 1998, 1299, 1303; Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, möchte die Auslegungsregelungen nur „spezifisch“ anwenden, S. 163, 169; Teichmann, S. 64 f.; ders., JZ 2003, 761, 765; Westerhoff, S. 64. 99 Benecke, S. 85. 100 Benecke, S. 85; Römer, S. 31. 101 Benecke, S. 85; Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 146. 102 Benecke, S. 85; Flume, S. 409; Gramlich/Zerres, ZIP 1998, 1299, 1303; Sack/ Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 146; Schröder, S. 12. 103 Gramlich/Zerres, ZIP 1998, 1299, 1303. 104 Benecke, S. 85. 97
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keine Gesetzesumgehung vor, sondern lediglich ein gescheiterter Umgehungsversuch105. b) Die Unterscheidung zwischen dem Sinn und dem Ziel einer Norm Benecke vermeidet die Kollision zwischen Gesetzesauslegung und Umgehung, indem sie zwischen Sinn eines Gesetzes und dem Ziel eines Gesetzes differenziert106. Sinn ist der Bereich des Gesetzes, der durch Auslegung zu ermitteln ist und betrifft seinen unmittelbaren Anwendungsbereich107. Davon zu unterscheiden ist das Ziel eines Gesetzes, welches auch durch Auslegung zu ermitteln ist. Die Ermittlung des Ziels einer Norm ist jedoch nicht an die Grenzen der Auslegung gebunden. So kann das Ziel über den Sinn eines Gesetzes hinausgehen, weil das Gesetz das Ziel tatbestandlich nicht erfassen kann. Zur Ermittlung des Ziels eines Gesetzes kann die wirtschaftliche Analyse einer Norm hilfreich sein108, indem geprüft wird, inwiefern sich Normen wirtschaftlich auswirken. Aufgrund des Ergebnisses dieser Prüfung der Norm kann dann ein bestimmtes Ziel der Vorschrift ermittelt werden, das allerdings nicht von dem Tatbestand erfasst wird. Die Ursache für diese Diskrepanz zwischen Ziel und Tatbestand einer Vorschrift ist darin begründet, dass der Tatbestand einer Norm lediglich einen typischen allgemeinen Sachverhalt regelt. Aufgrund der typischen Ausgestaltungen des Tatbestandes kann die Norm daher nie den gesamten Zweckgedanken oder das Ziel einer Vorschrift aussprechen109. Das Gleiche gilt bei begünstigenden Normen, also bei der sogenannten Tatbestandserschleichung. Der Sachverhalt wird so konstruiert, dass dieser tatbestandlich von der begünstigenden Norm umfasst wird. Die begünstigende Rechtsfolge wird ausgelöst. Widerspricht es allerdings dem Ziel des Gesetzes bei diesem konkreten Fall die Rechtsfolge eintreten zu lassen, so wurde der Tatbestand „erschlichen“ 110. Lasse sich also durch Auslegung der Norm der Sachverhalt nicht 105
Benecke S. 85; Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 146. Benecke, S. 91 ff. 107 Benecke, S. 92 f. 108 Benecke, S. 92; Sieker, S. 74 ff. 109 Römer, S. 48. 110 AG Rosenheim v. 11.4.2001 – 18 C 65/01, NJW 2001, 2030, 2031 f. In dem Urteil ging es um die Umgehung des nach § 15a Abs. 1 EGZPO obligatorischen Schlichtungsverfahrens, indem versucht wurde in den Ausnahmetatbestand des § 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EGZPO hineinzugelangen. Es wurde daher (unzulässigerweise) das Mahnverfahren eingeleitet, obwohl der Kläger einen Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB geltend machte. Der vorliegende Sachverhalt lässt sich zwar ohne Probleme unter § 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EGZPO subsumieren. Danach wäre kein obligatorisches Schlichtungsverfahren erforderlich. Allerdings zielt § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO darauf ab, die Zivilgerichte zu entlasten. Dieses gesetzgeberische Ziel wird nicht erreicht, wenn wahrheitswidrig Angaben gemacht werden, um in den Ausnahmetatbestand des § 15a Abs. 2 S. 1 106
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
mehr unter diese subsumieren, obwohl die eintretende Rechtsfolge dem Ziel des Gesetzes widerspreche, so liegt nach Ansicht Beneckes eine Gesetzesumgehung vor111. Die Unterscheidung zwischen Ziel und Zweck des Gesetzes ist allerdings schwer zu handhaben, weil es oft zu Überschneidungen kommen kann. Es handelt sich jedoch lediglich – auch nach Benecke selbst – um eine definitorische Frage, um eine Grenze zwischen Gesetzesauslegung und Umgehung ziehen zu können112. c) Die rechtsfolgenspezifische Auslegung Teilweise wird vertreten, dass Normen nicht tatbestandsspezifisch, sondern rechtsfolgenorientiert ausgelegt werden sollen113. Das bedeutet, dass bei der Auslegung des Umgehungsgeschäftes nicht der gewählte Tatbestand entscheidend sein soll. Vielmehr sei mittels einer „Rechtsfolgenteleologie“ das Umgehungsgeschäft allen einschlägigen Rechtssätzen (Tatbeständen) zu unterwerfen, die zu derselben Rechtsfolge führen114. Mit anderen Worten sei darauf abzustellen, welche Rechtsfolgen ein Rechtsgeschäft in der Summe auslöst. Diese Rechtswirkungen seien dann mit den Rechtswirkungen zu vergleichen, die eine bestimmte Norm anordnet. Wenn diese Norm zwingend sei, dann unterlägen alle Rechtsgeschäfte mit vergleichbarer Wirkung (Umgehungsgeschäfte) auch dieser Norm115. Es soll also nicht zu einem Vergleich des Sachverhaltes mit dem Tatbestand kommen, sondern zu einem Vergleich der Rechtsfolgen, die ein bestimmter Sachverhalt mit den normativ vorgeregelten rechtsgeschäftlichen Wirkungen auslöst. Entsprächen die angestrebten Wirkungen den Wirkungen normativ vorgeregelter Geschäfte, dann unterfiele der Sachverhalt unabhängig von der gewählten Rechtsform dem vorgeregelten Rechtsgeschäft. Diese Argumentation deckt sich mit der Definition des Umgehungsgeschäftes als Rechtsgeschäft, welches letztlich die gleichen oder annähernd gleichen wirtschaftlichen Folgen auslöst, welches ein vom Gesetz missbilligtes Rechtsgeschäft erzielt, ohne dass die Tatbestandsmerkmale der umgangenen Norm erfüllt werden116. Es wird hier mithin auf den wirtschaftlichen Erfolg eines RechtsgeschäfNr. 5 EGZPO zu gelangen. Daher sei § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EGZPO einschränkend dahingehend auszulegen, dass es nur zulässige Mahnverfahren (§ 688 ZPO) umfasst. Freilich ist hier problematisch, ob noch immer ein Fall der „Auslegung“ vorliegt, weil § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO nicht von „zulässig“ spricht. 111 Benecke, S. 92. 112 Benecke, S. 93. 113 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 170, 172 ff. 114 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 175. 115 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 174. 116 OLG Hamm v. 16.12.1982 – 28 U 198/82, NJW 1983, 2708.
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tes abgestellt. Zentral ist also die Frage, ob eine intendierte Wirkung einer privatautonomen Regelung schon durch den Gesetzgeber geregelt ist. Ist dies der Fall, so fällt diese Regelung unter diesen einschlägigen zwingenden Rechtssatz unabhängig von dem gewählten Tatbestand117. Der Tatbestand der (umgangenen) Norm stelle in diesem Zusammenhang dann lediglich eine Interpretationshilfe dar und hat somit keine ausgrenzende Funktion gegenüber dem „Umgehungssachverhalt“, der nicht vom Tatbestand der Norm umfasst ist118. Begründet wird dies damit, dass man mit der an einem Tatbestand der Norm anknüpfenden Auslegung und Analogie der flexiblen rechtsgeschäftlichen Gestaltung nicht nachkomme. Denn den Parteien komme es auf das Erreichen einer bestimmten Rechtsfolge an. Durch die Wahl eines bestimmten Tatbestandes oder einer bestimmten Rechtsfolge sei der Vertragsgestalter dem normtatbestandlich festgelegten Gesetzesrecht daher immer voraus und mache somit die Defizite der an einem Tatbestand anknüpfenden Rechtsfindung offenbar119. Eine rechtsfolgenorientierte Auslegung ist jedoch abzulehnen, weil die meisten Normen im Zivilrecht nicht an eine bestimmte Rechtsfolge, sondern an einen Tatbestand knüpfen120. Nur diese Inbezugnahme zu dem Tatbestand garantiere die Privatautonomie und die individuelle Freiheit121. Zudem bestehen Abgrenzungsprobleme, wenn nicht klar ist, welches die anzuwendende Norm und was genau die Rechtsfolge ist122. Auch ordnet der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gebunden nicht nur Rechtsfolgen an, sondern macht das Eintreten der Rechtsfolge von dem Erfüllen eines bestimmten Tatbestandes abhängig. Diese verfassungsrechtlichen Grenzen, die der Gesetzgeber einhält, kann man nicht durch eine rechtsfolgenspezifische Auslegung ausdehnen123.
III. Eigener Lösungsansatz Nach den oben genannten Lösungsansätzen, die Gesetzesumgehung entweder der Sachverhaltsauslegung oder der Gesetzesauslegung zuzuordnen, kann eine genaue Definition der Gesetzesumgehung nicht vorgenommen werden. Vielmehr setzen die Ansichten bereits das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes voraus und knüpfen erst in einem zweiten methodischen Schritt an, indem versucht wird, die Umgehung im Wege der Auslegung des Sachverhaltes oder der Norm zu verhindern. Zutreffend ist im Grundsatz, dass die Umgehung eines Gesetzes 117 118 119 120 121 122 123
Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 174. Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 175. Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 172 ff. Benecke, S. 81. Dies räumt Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, selbst ein, S. 174 f. Benecke, S. 81. Teichmann, JZ 2003, 761, 767.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
ausgeschlossen ist, sobald sich im Wege der Auslegung der Sachverhalt unter die in Frage stehende Norm subsumieren lässt. Nachvollziehbar ist auch die These, dass die Auslegung des Sachverhaltes Umgehungen dann verhindern könne, wenn die Parteien übereinstimmend eine Falschbezeichnung für einen Vertrag wählen. Die Falschbezeichnung sei dann unerheblich. Aber auch dieses Vorgehen antizipiert das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes, welches schließlich mittels der Auslegung der Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) verhindert wird. Erst nach entsprechender Auslegung des Rechtsgeschäftes ist klar, dass eine Gesetzesumgehung nicht vorliegt. Vor der Auslegung kann es aber dennoch Rechtsgeschäfte geben, die als Gesetzesumgehung erscheinen124. Für die Bestimmung eines brauchbaren Umgehungsbegriffs können daher die genannten Ansichten nicht überzeugen. Sie sind lediglich hilfreich, wenn es darum geht, ein Umgehungsgeschäft zu verhindern. Der Auslegung des Gesetzes kommt daher meiner Ansicht nach zunächst eine andere Bedeutung zu. Diese ist insofern wichtig, als dass der Anwendungsbereich der Norm (Ziel des Gesetzes) festgestellt werden muss. Das Ziel des Gesetzes ist im Wege der Auslegung der Vorschrift zu ermitteln und der Anwendungsbereich der Norm ist festzulegen. Die Bestimmung des Ziels der Norm ist dabei nicht an die Grenzen der Auslegung gebunden, sondern orientiert sich auch an den wirtschaftlichen Folgen einer Norm. Der durch Auslegung ermittelte Anwendungsbereich ist schließlich mit dem Subsumtionsvorschlag der Parteien zu vergleichen125. Ist nun eine Diskrepanz insofern feststellbar, dass bei Anwendung oder Nichtanwendung der Norm das Ergebnis diametral zum gesetzgeberischen Willen stehen würde, so liegt ein Umgehungsgeschäft vor. Es ist also erforderlich, dass bei Nichtanwendung der umgangenen Norm vor dem gesetzlichen Hintergrund und unter Berücksichtigung des allgemeinen Interesses an Kontinuität der Rechtsanwendung ein untragbarer Widerspruch zur Sach- und Systemgerechtigkeit besteht126. Das Umgehungsgeschäft oder die Gesetzesumgehung stellt daher einen methodischen Zwischenschritt im Rechtsfindungsprozess127 dar. Der Rechtsfindungsprozess ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Um dem Willen des Gesetzgebers und der Norm Geltung zu verschaffen, muss die Gesetzesumgehung verhindert („eliminiert“) werden. Gelingt die Verhinderung der Gesetzesumgehung mit den methodischen Mitteln, so löst sich das Umgehungsgeschäft ausschließlich begrifflich auf. Dass dieses jedoch im Rechtsfindungsprozess einmal bestand, steht außer Frage, auch wenn es nach Abschluss der Rechtsfindung lediglich eine
124
Erhardt, S. 19. Römer, S. 46. 126 Schurig, FS Ferid, S. 375, 407 f. 127 Die Umgehung als „Aufgabe im Prozeß der Rechtsfindung“, Kegel/Schurig, IPR, S. 478. Oder eine „Stufe im juristischen Denkvorgang“, Kegel, IPR (7. Aufl.), S. 349. 125
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung
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rechtliche Fiktion ist. Es bleibt daher festzuhalten, dass die Auslegung des Gesetzes bei der Feststellung, ob überhaupt eine Gesetzesumgehung vorliegt, eine entscheidende Rolle spielt. Ohne Auslegung des Gesetzes und damit zusammenhängend der Bestimmung des Ziels der Norm ist das Vorliegen einer Gesetzesumgehung nicht feststellbar. Da die Gesetzesumgehung oder das Umgehungsgeschäft daher lediglich eine (Zwischen-)Stufe im Rechtsfindungsprozess darstellt, ohne auszusagen, wann inhaltlich ein Umgehungsgeschäft vorliegt, erscheint es sinnvoll eine weitere Differenzierung zu treffen. Der Aspekt, dass das Umgehungsgeschäft einen Schritt im Rechtsfindungsprozess darstellt kann als formeller Umgehungsbegriff bezeichnet werden (formelle Bedeutung des Umgehungsbegriffs). Der inhaltliche Widerspruch zwischen Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen und dem Anwendungsbereich (Ziel) einer Vorschrift kann dagegen als materieller Umgehungsbegriff qualifiziert werden (materielle Bedeutung des Umgehungsbegriffs). Dem formellen Umgehungsbegriff kommt daher in jedem Rechtsgebiet die gleiche Bedeutung zu, während dem materiellen Umgehungsbegriff abhängig von der jeweiligen Norm eine dynamische Bedeutung zuteilwird. Es ist also bei jeder Norm zu untersuchen, wie weit der Anwendungsbereich zu fassen ist. Der Untersuchung ist daher im weiteren Verlauf diese Bedeutung der Gesetzesumgehung zugrunde zu legen.
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung Da zur Feststellung einer Gesetzesumgehung das Ziel einer Norm mit dem Subsumtionsvorschlag der Parteien verglichen wird, steht nun der sogenannte Subsumtionsvorschlag im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen. Es soll in diesem Abschnitt herausgearbeitet werden, welche allgemeinen Instrumentarien existieren, um Normen zu umgehen. Es wird also ausgehend von dem hier verwendeten Umgehungsbegriff dargelegt, mit welchen typischen rechtlichen Gestaltungen der Subsumtionsvorschlag, den der Normunterworfene dem Rechtsanwender unterbreitet, erfolgt128.
I. Die Verschleierung des Tatbestandes Zur Tatbestandsvermeidung bietet sich die sogenannte Verschleierung des Tatbestandes129 an. Dieses Gestaltungsmittel wird häufig verwendet, wenn der Tatbestand einer Norm an einen bestimmten Vertragstyp anknüpft. Diese Vertrags128 Heeder, S. 182; Najdecki, S. 37 ff.; Römer, S. 33 ff.; Schick, S. 42 ff.; grundlegend Sieker, S. 46 ff. 129 Sieker, S. 46 ff.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
art, die von der zu umgehenden Norm verlangt wird, muss „verschleiert“ werden130, damit die unerwünschte Rechtsfolge nicht eintritt. Dem Rechtsanwender soll also durch die Verschleierung eine andere causa suggeriert werden als diejenige, an die die unerwünschte Rechtsfolge anknüpft131. 1. Formen der Verschleierung Die Verschleierung des Tatbestandes ist auf zwei Wegen möglich132. Der eine besteht darin, materiell rechtlich einen anderen Vertrag abzuschließen, der aufgrund der wirtschaftlichen Begebenheiten zu der gleichen oder annähernd identischen Rechtsfolge führt, wie das zu vermeidende Rechtsgeschäft. Der andere besteht in der ausschließlich begrifflichen Umqualifizierung des Vertragstypen. a) Der Abschluss eines anderen Rechtsgeschäftes mit gleicher Rechtsfolge Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass der Bürger in Ausübung seiner Vertragsfreiheit bei dispositiven Normen diese frei ausgestalten kann133. Verlangt der Tatbestand einer Norm einen bestimmten Vertragstyp134, so sind die Regelungen dann nicht einschlägig, wenn dieser bestimmte Vertrag nicht vorliegt. Der Normunterworfene hat mithin die Möglichkeit sich eines modifizierten Vertragstypen zu bedienen. Bei dieser Verschleierung von Vertragstypen durch Modifizierung geht es um Vertragsgestaltungen, bei denen rechtlich ein anderer als der von der Norm verlangte Vertragstypus abgeschlossen wird, wirtschaftlich betrachtet aber derselbe Erfolg eintritt135. Durch eine Gesamtbetrachtung der rechtlichen Ausgestaltung und der Abänderung der typischerweise mit diesem Vertrag zusammenhängenden Elemente lässt sich jedoch dann feststellen, dass die rechtlichen Folgen wirtschaftlich betrachtet dieselben sind wie die des verbotenen oder zu vermeidenden Vertragstyps136. Die beabsichtigte vertragliche Leistung wird in Form eines untypischen Vertrags erzielt, um nicht die Rechtsfolgen auszulösen, die mit dem für die vertragliche Leistung typischen Vertrag verbunden sind137.
130
Westerhoff, S. 77. Sieker, S. 47. 132 Schick, S. 43. 133 Busche/Münchener Kommentar, Vor. § 145 BGB Rn. 24 ff. 134 Wie beispielsweise der Verbrauchsgüterkauf einen Kaufvertrag verlangt (§ 474 Abs. 1 S. 1 BGB). 135 BGH v. 12.12.1973 – VIII ZR 183/72, NJW 1974, 365, 366. 136 BGH v. 12.12.1973 – VIII ZR 183/72, NJW 1974, 365, 366; Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 168; Schick, S. 43. 137 Schick, S. 43; Sieker, S. 46. 131
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung
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b) Die Umqualifizierung des Vertragstypen Eine weitere Möglichkeit zur Verschleierung des Vertragstypen besteht darin, dem Vertrag ausschließlich begrifflich die rechtlich gewünschte Vertragsbezeichnung zu geben138. Während also bei der oben beschriebenen Anwendung eines modifizierten Vertragstypen durch den Abschluss eines anderen Vertrags mit gleicher wirtschaftlicher Folge der andere Vertragstypus auch materiell rechtlich vorliegt, wird bei der Tatbestandsverschleierung durch Umqualifizierung das zu vermeidende Rechtsgeschäft rechtlich objektiv betrachtet auch abgeschlossen, dieser Konstruktion allerdings ausschließlich begrifflich eine andere Bezeichnung gegeben. Die bewusste oder unbewusste unzutreffende Einordnung durch die Parteien ist unerheblich, weil die Qualifizierung eines Rechtsgeschäftes eine Sache rechtlicher Wertung aufgrund der Rechtsordnung ist (iura novit curia)139. Diese Einordnung ist der Privatautonomie und damit dem Parteiwillen entzogen, weil eine andere Betrachtung einer nicht zulässigen Verwahrung gegen den Eintritt von Rechtsfolgen gleichkommen würde. Wird materiell rechtlich offen eine bestimmte Rechtsfolge erklärt, so ist damit die Geltendmachung einer anderen Deutung nicht möglich140. Die Parteien können sich zwar entscheiden, ob sie einen Gegenstand mieten oder kaufen wollen. Haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass entgeltlich eine bestimmte Sache erworben werden soll, dann liegt ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) vor, auch wenn die Parteien diesen Vertrag als „Mietvertrag“ bezeichnen141. Es besteht mithin ein materieller Widerspruch142 zwischen dem nach außen objektiv Erklärten („Mietvertrag“) und dem rechtlich Gewollten. Die von den Parteien vorgenommene rechtliche Beurteilung ihrer Vereinbarung ist insoweit als bloße Rechtsauffassung unerheblich und muss folglich hinter dem tatsächlich verfolgten Geschäftszweck und der beabsichtigten Rechtsfolge zurückbleiben143. Es handelt sich lediglich um einen unverbindlichen Subsumtionsvorschlag144. Die unzutreffende Eigenqualifikation des Normumgehenden ist mithin typisches Mittel zur Gesetzesumgehung145.
138 Erhardt, S. 18; Heeder, S. 125 f.; Michaelis, FS Wieacker, S. 444, 458; Najdecki, S. 39; Schick, S. 43. 139 Flume, S. 406; Heeder, S. 125; Sieker, S. 97. 140 Erhardt, S. 18; Teichmann, S. 46 f. 141 Huber, JurA 1970, 784, 796; Najdecki, S. 39; Schulze-Osterloh, AcP 190 (1990), 139, 145. 142 Michaelis, FS Wieacker, S. 444, 458. 143 Erhardt, S. 18. 144 Michaelis, FS Wieacker, S. 444, 459. 145 Heeder, S. 125; Sieker, S. 98; a. A. Feuerborn/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, der jedoch einen anderen als den hier verwendeten Umgehungsbegriff zugrunde legt, § 117 BGB Rn. 29.
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Rechtsmethodisch betrachtet setzt der Normumgehende bei dieser Art der Verschleierung im Rechtsfindungsverfahren lediglich früher mit der Umgehungshandlung an, als bei dem Abschluss eines anderen Rechtsgeschäftes mit annähernd gleicher Rechtsfolge. Während bei diesem erst nach Feststellung des materiellen Erfolges des Rechtsgeschäftes festgestellt wird, dass der erzielte Erfolg normativ dem Ziel oder Anwendungsbereich einer Vorschrift widerspricht, kommt es bei der schlichten Falschbezeichnung eines Rechtsgeschäftes im methodischen Rechtsfindungsverfahren erst nicht so weit. Bei letzterem wird nämlich gleich zu Beginn bei der juristischen Bewertung des Rechtsgeschäftes festgestellt, dass die schlichte Bezeichnung der Parteien oder die Qualifikation des Rechtsgeschäftes durch die Parteien materiell rechtlich im Widerspruch zu der tatsächlichen Rechtslage steht. Die Umgehungshandlung erschöpft sich also hier schlicht in der Falschbezeichnung. 2. Fallgruppen Insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorkaufsrecht, im Verbraucherschutzrecht sowie im Erbrecht wird das rechtliche Gestaltungsmittel der Tatbestandsverschleierung eingesetzt. a) Das Vorkaufsrecht Im Vorkaufsrecht146 gibt es die Möglichkeit den Tatbestand durch die Anwendung eines modifizierten Vertragstyps zu verschleiern. Es geht konkret um die „Verschleierung“ des Tatbestandsmerkmals „Kaufvertrag“. So ist beispielsweise der Vorkaufsberechtige nach § 463 BGB berechtigt, sein Vorkaufsrecht auszuüben, wenn der Vorkaufsverpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den belasteten Gegenstand (i. d. R. ein Grundstück) abgeschlossen hat. Entscheidende Voraussetzung ist also der Abschluss eines Kaufvertrags. Erst dann kann der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht ausüben. Möchte der Vorkaufsverpflichtete also nicht, dass der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht ausübt, dann darf er keinen Kaufvertrag abschließen. Beabsichtigt er allerdings trotzdem einem Dritten die Sache zur Verfügung zu stellen, dann stellt sich die Frage, von welchen Vertragsgestaltungen er abseits des Kaufvertrags noch Gebrauch machen kann. So ist es – wie bereits erwähnt – möglich einen Pachtvertrag über ein Grundstück für die Dauer von 100 Jahren abzuschließen147, dem Pächter umfassende dingliche Nutzungsrechte an dem Grundstück einzuräumen und dieses zu Gunsten des Pächters mit Verwertungsrechten zu belasten148. Im Ergebnis kommt es dem Vorkaufsverpflichteten also darauf an, den Effekt eines Verkaufs 146 147 148
Hierzu umfassend Burbulla, S. 46 ff. Schick, S. 43. BGH v. 11.10.1991 – V ZR 127/90, NJW 1992, 236.
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung
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durch eine Vertragsgestaltung zu erreichen, die aber keinen Kauf darstellt. Das Rechtsgeschäft muss in ein anderes „Kleid gesteckt“ werden149. Werden allerdings dem Dritten durch Vertrag Rechte eingeräumt, die mit den Rechten eines Eigentümers vergleichbar sind oder kommt dem Dritten wirtschaftlich die Position zugute, die er hätte, wenn ein Kaufvertrag abgeschlossen und erfüllt worden wäre, so wird das Problem der Umgehung des § 463 BGB offensichtlich150. Bei dieser Konstellation wird also materiell rechtlich ein Pachtvertrag mit umfassenden Nutzungsrechten und gerade kein Kaufvertrag abgeschlossen. Davon ist die Tatbestandsverschleierung durch falsche Qualifizierung des Vertrags zu unterscheiden. In Bezug auf die Umgehung des § 463 BGB wird bei letztgenannter Form der Tatbestandsverschleierung inhaltlich ein Kaufvertrag abgeschlossen, dieser aber als „Pachtvertrag“ oder „Mietvertrag“ bezeichnet151. Der Subsumtionsvorschlag erschöpft sich mithin ausschließlich in der falschen Bezeichnung des Vertrags, hat darüber hinaus jedoch keine weitere Bedeutung. Bei der anderen Form der Tatbestandsverschleierung, bei der materiell rechtlich andere Verträge als der zu vermeidende Vertrag vorliegen, geht der Subsumtionsvorschlag über die ausschließlich begriffliche Falschbezeichnung hinaus, indem auch rechtlich objektiv der von dem Normunterworfenen bezeichnete Vertrag vorliegt. b) Der Verbrauchsgüterkauf Auch im Verbrauchsgüterkauf gibt es Bestrebungen, die verbraucherschützenden Vorschriften dadurch zu umgehen, indem der Tatbestand des § 474 Abs. 1 BGB verschleiert wird152. Konkret geht es darum, die Tatbestandsmerkmale „Verbraucher“ oder „Unternehmer“ formal zu vermeiden, sodass schon von vornherein die §§ 474 ff. BGB nicht zur Anwendung kommen. Auch ist es denkbar durch Abschluss einer Beschaffenheitsvereinbarung die Gewährleistungshaftung unschädlich zu machen, sodass dem besonderen Mängelgewährleistungsrecht nach §§ 434 ff. BGB, das durch die §§ 474 ff. BGB modifiziert wird, die Grundlage entzogen wird. aa) Die Umqualifizierung des Verbrauchers Eine vermeintliche Umgehungsoption könnte sich dann ergeben, wenn der Verbraucher auf Veranlassung des Verkäufers zum Unternehmer „umqualifiziert“ wird, indem bei Vertragsschluss eine Klausel vereinbart wird, wonach der Käufer 149
Westermann/Münchener Kommentar, § 463 BGB Rn. 18. BGH v. 11.12.1963 – V ZR 41/62, NJW 1964, 540; BGH v. 11.10.1991 – V ZR 127/90, NJW 1992, 236. 151 Probst, Anmerkung zu BGH v. 11.10.1991 – V ZR 127/90, JR 1992, 419, 421. 152 Erhardt, S. 86 ff.; dazu ausführlich Najdecki, Umgehung der Schutzvorschriften für den Verbrauchsgüterkauf. 150
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
Unternehmer ist oder er den Kaufgegenstand für gewerbliche Zwecke erwirbt153. Auch bei dieser Vorgehensweise geht es lediglich um die unerhebliche Bezeichnung oder Qualifizierung durch den potentiellen Normadressaten. Da allerdings die Verbrauchereigenschaft nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht, ist eine solche Klausel nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam154. Nichts anderes kann gelten, wenn der Unternehmer-Verkäufer sich als Verbraucher ausgibt. Unabhängig von § 475 Abs. 1 S. 2 BGB kann hier schon die Auslegung der tatsächlichen Gegebenheiten zu dem Ergebnis führen, dass kein Verbraucher, sondern ein Unternehmer als Verkäufer auftritt155. bb) Die Beschaffenheitsvereinbarung Ist eine Sache mangelhaft, so hat der Käufer grundsätzlich die Rechte aus § 437 BGB, die über §§ 474 ff. BGB im Falles eines Verbrauchsgüterkaufs modifiziert werden. Wird eine bestimmte Beschaffenheit vereinbart, so kann die Kaufsache als mangelfrei gelten, sodass die Gewährleistungsrechte nicht ausgelöst werden, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Mit dieser Konstruktion könnte es also möglich sein, die Rechte des Käufers zu umgehen156. Bei Verbrauchsgüterkäufen ist jedoch die Wirksamkeit der Beschaffenheitsvereinbarung im Hinblick auf § 475 Abs. 1 S. 2 BGB zu überprüfen. Beschaffenheitsvereinbarungen gänzlich im Rahmen der §§ 474 ff. BGB zu verbieten, würde einerseits die Privatautonomie zu sehr einschränken und andererseits auch nicht dem Interesse des Käufers entsprechen, der in bestimmten Fällen auch ein Interesse an einer Beschaffenheitsvereinbarung hat157. Damit bleibt grundsätzlich auch im Verbrauchsgüterkauf die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung und der subjektive Fehlerbegriff erhalten158. Allerdings dürfen derartige Vereinbarungen nicht dazu führen, dass der Verbraucherschutz gänzlich leer läuft. Daher hängt es von den Umständen des Einzelfalls, vor allem von dem von den Parteien verfolgten Zweck ab, ob die Vereinbarung wirksam ist oder nicht159. c) Die pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkung Nach § 2325 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben Ergänzung des Pflichtteilsanspruchs verlangen, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schen153 Erhardt, S. 125 ff.; Lorenz/Münchener Kommentar, § 474 BGB Rn. 23; Najdecki spricht hier vom „Rollenwechsel“, S. 132. 154 Erhardt, S. 125 ff.; Najdecki, S. 133 f.; Weidenkaff/Palandt, § 474 BGB Rn. 4. 155 Bruns, Anmerkung zu BGH v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, NJW 2007, 759, 761. 156 Najdecki, S. 41. 157 Müller, NJW 2003, 1975, 1976 ff. 158 Lorenz/Münchener Kommentar, § 475 BGB Rn. 8. 159 Lorenz/Münchener Kommentar, § 475 BGB Rn. 9; Müller, NJW 2003, 1975, 1976 ff.
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung
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kung gemacht hat. Der Pflichtteilsberechtige kann somit keine Ergänzung des Pflichtteils verlangen, wenn keine Schenkung vorliegt. Handelt es sich beispielsweise um einen Kaufvertrag, so greift § 2325 BGB nicht. Es besteht daher auch hier die Möglichkeit durch andere Vertragskonstruktionen den wirtschaftlichen Erfolg einer Schenkung herbeizuführen, ohne formal einen Schenkungsvertrag i. S. d. § 516 BGB abzuschließen. So ist es denkbar, eine Sache zu einem sehr geringen Kaufpreis zu veräußern. Bei solchen gegenseitigen Verträgen ist dann jedoch zu prüfen, ob nicht eine gemischte Schenkung oder überhaupt nur eine verschleierte Schenkung vorliegt160. Dabei kommt es auf eine objektive Bestimmung von Leistung und Gegenleistung an161.
II. Die Aufspaltung in mehrere Rechtsgeschäfte Darüber hinaus ist es auch möglich, einen vom Tatbestand geforderten Sachverhalt zu vermeiden, indem man diesen künstlich aufspaltet162. Dies geschieht dadurch, dass innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums durch Trennung eines einheitlichen Geschehens der Anschein erzeugt wird, dass kein geschlossener Vorgang besteht, sondern nur mehrere kleinere Sachverhalte. Wirtschaftlich werden die Parteien im Ergebnis aber genauso gestellt, als ob das Rechtsgeschäft nicht aufgespaltet worden wäre. Von dieser vertraglichen Gestaltung wird meist Gebrauch gemacht, um bestimmte Mindestgrößen oder Mindestwerte nicht zu überschreiten, an die der Tatbestand einer Norm anknüpft. Denkbar ist daher, diese Werte durch Aufspaltung eines Rechtsgeschäftes nicht zu überschreiten mit der Folge, dass der Tatbestand einer Norm nicht erfüllt ist. 1. Die Umgehung der Genehmigungspflicht Der BGH musste sich in einem älteren Urteil mit einer vermeintlichen Umgehung einer Genehmigungspflicht befassen163. Der Entscheidung lag eine Verordnung zugrunde, die vorsah, dass Rechtsgeschäfte über land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke bis zur Größe von 15 a keiner Genehmigung bedürfen. Der BGH ging davon aus, dass von einem Umgehungsgeschäft erst dann auszugehen sei, wenn jemand von einem Grundstückseigentümer nacheinander durch mehrere Verträge einzelne unterhalb der Mindestgröße liegende Grundflächen, die zusammen die Mindestgröße übersteigen, erwirbt, sofern die Verträge auf einem einheitlichen Plan beruhen und in der Absicht geschlossen werden, den Zweck des Gesetzes zu vereiteln164. Eine solche Vertragsgestaltung laufe dann dem 160 161 162 163 164
Olshausen/Staudinger, § 2325 BGB Rn. 12. Lange/Münchener Kommentar, § 2325 BGB Rn. 20. Schick, S. 44, 80. BGH v. 6.2.1962 – V BLw 27/61, BeckRS 1962, 31187212. BGH v. 6.2.1962 – V BLw 27/61, BeckRS 1962, 31187212.
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Zweck zuwider, den Erwerb eines Grundstücks behördlich zu kontrollieren und führe zu einer Umgehung des Gesetzes165. 2. Die Umgehung des Widerrufsrechts Nach § 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB besteht das Widerrufsrecht nach § 312g BGB nicht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Leistung bei Abschluss der Verhandlungen sofort erbracht und bezahlt wird und das vom Verbraucher zu zahlende Entgelt 40 A nicht überschreitet. Hier wäre eine Umgehung des § 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB dann denkbar, wenn der Unternehmer den Vertrag, der ein Entgelt in Höhe von mehr als 40 A vorsieht, in mehrere einzelne Verträge aufspaltet, die jeweils ein Entgelt von weniger als 40 A vorsehen. Mit dieser Vorgehensweise wäre es ein Leichtes, den gesetzgeberischen Willen zu konterkarieren. 3. Die Umgehung von verbraucherschützenden Vorschriften beim Darlehensvertrag Das Gleiche gilt für Verbraucherdarlehensverträge gemäß §§ 491 ff. BGB. Nach § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind solche Verträge keine Verbraucherdarlehensverträge, bei denen der Nettodarlehensbetrag weniger als 200 A beträgt. Die Folge ist, dass die verbraucherschützenden Vorschriften nach §§ 492 ff. BGB nicht greifen. Hier stellt sich die Frage, ob es nicht möglich ist, sich durch Abschluss von mehreren Darlehensverträgen von jeweils unter einem Betrag von 200 A den Tatbestand des § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu erschleichen166. Dabei ist das eindeutige Umgehungsverbot des § 511 S. 2 BGB zu beachten.
III. Das Ausweich- und Korrekturgeschäft nach Gesamtplan 1. Die gegenläufigen Gestaltungen Zudem sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen tatsächliche und rechtliche Auswirkungen eines Rechtsgeschäftes durch ein anderes Rechtsgeschäft wieder rückgängig gemacht werden. Dabei wird zunächst mittels eines Ausweichgeschäftes ein bestimmter rechtlicher und tatsächlicher Zustand geschaffen, der dann in einem weiteren Schritt durch ein Korrekturgeschäft wieder rückgängig gemacht wird167. Dadurch soll dem Rechtsanwender eine isolierte Betrachtung der einzelnen Rechtsgeschäfte suggeriert werden168, wobei beide Rechtsgeschäf165 166 167 168
BGH v. 6.2.1962 – V BLw 27/61, BeckRS 1962, 31187212. Kessal-Wulf/Staudinger, § 491 BGB Rn. 70. Böckli, FS Cagianut, S. 289, 298; Fischer, DB 1996, 644, 651 f. Sieker, S. 123.
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung
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te aufgrund eines vorher gefassten Gesamtplans durchgeführt werden. Kennzeichnend an diesen Geschäften ist, dass diese nur eine kurzfristige Lebensdauer und nur vorübergehende Bedeutung haben169. Die beiden scheinbar voneinander unabhängigen selbständigen Verträge stehen aber derart in Beziehung, dass der als erstes abgeschlossene Vertrag eine bestimmte Rechtsfolge auslöst, die aber durch den zweiten abgeschlossenen Vertrag ganz oder zum Teil wieder rückgängig gemacht wird. Aufgrund dieser sich widersprechenden Rechtsfolgen, die die Rechtsgeschäfte auslösen, werden diese auch als „gegenläufig“ bezeichnet170. Beide Verträge zielen also auf diametral zueinander stehende Vertragszwecke ab. Rechtlich betrachtet tritt im Vergleich zu der Ausgangssituation keine Änderung ein171. 2. Beispiel: Steuerrecht Insbesondere im Steuerrecht wird von der Möglichkeit, durch gegenläufige vertragliche Gestaltungen bestimmte steuerrechtliche Normen zu umgehen, häufig Gebrauch gemacht172. Im Prinzip geht es um die Verlagerung von Einkünften auf Dritte durch zivilrechtliche Gestaltungen, um dadurch die steuerliche Erfassung dieser Einkünfte zu verhindern oder um steuermindernde Aufwendungen zu schaffen. Die Konstruktionen zielen darauf ab, die Gesamtsteuerlast der Beteiligten insgesamt zu reduzieren173. Es wird also zunächst durch Abschluss eines Ausweichgeschäftes zivilrechtlich eine wechselseitige Zahlungsverpflichtung begründet, die formal betrachtet das Einkommen mindert und gegebenenfalls zu einem steuerlichen Abzug führen kann, §§ 4 Abs. 4, 9 EStG. Allerdings führen solche gegenläufigen Gestaltungen nach Abschluss des Korrekturgeschäftes im Ergebnis dazu, dass die jeweiligen Positionen der Beteiligten weder tatsächlich noch wirtschaftlich verändern werden174, weil das Korrekturgeschäft die Wirkung des Ausweichgeschäftes wieder rückgängig macht. Konsequenz ist, dass die Position der Beteiligten nach Abschluss dieser Verträge tatsächlich und wirtschaftlich nicht verändert wird175. Beliebt ist insbesondere die folgende Konstruktion: Die Eltern schenken ihrem Kind zunächst einen bestimmten Geldbetrag (Ausweichgeschäft). Im Anschluss stellt das Kind diesen Geldbetrag den Eltern sofort wieder als verzinsliches Darlehen zur Verfügung (Korrekturgeschäft)176. Die Zinsen sollen dann als Wer169
Böckli, FS Cagianut, S. 289 ff.; Fischer, DB 1996, 644, 651 f.; Siecker, S. 55. Böckli, FS Cagianut, S. 289, 299. 171 BFH v. 13.10.1993 – X R 86/89, DStR 1994, 902; Sieker, S. 54. 172 BFH v. 13.10.1993 – X R 86/89, DStR 1994, 902; Schick, S. 44; Sieker, S. 54. 173 Koenig/Pahlke/Koenig, § 42 AO Rn. 44. 174 BFH v. 13.10.1993 – X R 86/89; DStR 1994, 902; BFH v. 29.8.2007 – IX R 17/ 07, NJW 2008, 1615; Ratschow/Klein, § 42 AO Rn. 121. 175 Ratschow/Klein, § 42 AO Rn. 121. 176 BFH v. 4.6.1991 – IX R 150/85, NJW 1992, 391; BFH v. 12.2.1992 – X R 121/ 88, NJW 1993, 2556. 170
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
bungskosten oder Betriebsausgaben deklariert werden, wenn beispielsweise das Darlehen der Finanzierung einer zu vermietenden Wohnung dient. Der Geldbetrag wird also zunächst aus dem Vermögen der Eltern ausgegliedert, in einem weiteren Schritt jedoch wieder in das Vermögen der Eltern (als Darlehen) integriert. Die Zinsen, die die Eltern an das Kind zahlen müssen, können sie einkünftemindernd als Werbungskosten berücksichtigen, was zu einer geringeren Besteuerung führt177.
IV. Die Einschaltung von Dritten Auch durch das Einschalten von Dritten ist es möglich den Tatbestand einer Norm zu umgehen178. Dies gilt insbesondere für die Fälle, bei denen der Tatbestand einer Norm an eine bestimmte Eigenschaft der Vertragspartei knüpft. Denkbar ist dann eine weitere natürliche oder juristische Person zu veranlassen, im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Veranlassers, den Vertrag abzuschließen. Durch dieses Zwischenschalten einer dritten Person kann es entweder zu einer günstigeren rechtlichen Beurteilung bei dem Veranlasser kommen oder das Geschäft bringt der handelnden Person bestimmte Vorteile. 1. Steuerrecht Insbesondere im Steuerrecht kann die Einbeziehung eines weiteren Rechtssubjekts zu einer günstigen rechtlichen Beurteilung beim Hintermann führen. So könnte der Steuerberater beim Erwerb einer für seine Kanzlei bestimmten EDVAnlage Steuern sparen, wenn er seine zwei Monate alte Tochter einschaltet, die ihm die Anlage vermietet179. Allerdings liegt dann ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist180. Die rechtliche Gestaltung ist wiederum dann als unangemessen zu qualifizieren, wenn „verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhaltes und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären“ 181. Für die Einschaltung der Tochter für den Erwerb der EDV-Anlage gibt es keinen vernünftigen Grund. Sie kann keine rechtlich oder wirtschaftlich sinnvolle Funktion erfüllen. Die Einschaltung der Tochter dient ausschließlich der Minderung der steuerlichen Belastung des Steuerberaters, weil er die „Miete“, die er an seine Tochter zu zahlen 177 178 179 180 181
BFH v. 26.3.1996 – IX R 51/92, NJW 1996, 3167. Fischer, DB 1996, 644, 651; Schick, S. 43 f.; Sieker, S. 56. BFH v. 17.1.1991 – IV R 132/85, DStR 1991, 609. BFH v. 17.1.1991 – IV R 132/85, DStR 1991, 609. BFH v. 17.1.1991 – IV R 132/85, DStR 1991, 609.
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung
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hätte, als Betriebsausgaben steuermindernd angeben könnte. Diese Betriebsausgaben wären betragsmäßig höher als die AfA-Zahlungen (§ 7 EStG) bei Zuordnung der EDV-Anlagen zum Betriebsvermögen des Steuerberaters. Nur aus diesem Grund hat er sich für eine derartige vertragliche Konstruktion entschieden. Der BFH hielt daher diese Gestaltung für unzulässig182. 2. Verbraucherschutzrecht Auch das Verbraucherschutzrecht bietet Möglichkeiten die verbraucherschützenden Vorschriften durch Einschaltung einer anderen Person zu umgehen183. Insbesondere um den verbraucherschützenden Vorschriften nach §§ 475 ff. BGB auszuweichen, ist es notwendig, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 474 Abs. 1 BGB zu vermeiden. Der Unternehmer schaltet ein anderes Rechtssubjekt zwischen, das auf Rechnung des Unternehmers den Vertrag abschließt, dabei aber nicht die Unternehmereigenschaft i. S. d. § 14 BGB erfüllt184. Damit wird der Anwendungsbereich der §§ 474 ff. BGB vermieden, wenn an seiner Stelle ein Verbraucher formal als Verkäufer auftritt. a) Das Agenturgeschäft Ein Agenturgeschäft liegt dann vor, wenn der Unternehmer zwar handelt, jedoch ein Verbraucher Vertragspartner wird. Der Unternehmer schließt den Kaufvertrag nicht im eigenen Namen ab, sondern agiert als Vermittler in Stellvertretung für einen privaten Verkäufer185. Dieses Modell ist insbesondere bei Gebrauchtwagenverkäufen beliebt186. Zwischen dem privaten Verkäufer des Gebrauchtwagens und dem Unternehmer besteht in der Regel ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter (§ 675 BGB), während zwischen dem Unternehmer und dem privaten Käufer grundsätzlich keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen187. Daher unterliegt der Kaufvertrag aufgrund der mangelnden Unternehmereigenschaft des Verkäufers (§ 474 Abs. 1 BGB) nicht den strengeren Gewährleistungsrechten des Käufers nach §§ 475 ff. BGB. Die Frage ist, in welchen Fällen ein zulässiges Agenturgeschäft und in welchen Fällen ein unwirksames Umgehungsgeschäft vorliegt, da es durchaus wirtschaftliche Gründe geben kann, ein Agenturgeschäft abzuschließen188. 182 183 184 185 186 187
BFH v. 17.1.1991 – IV R 132/85, DStR 1991, 609. Vergleiche dazu Müller, NJW 2003, 1975 ff. Erhardt, S. 129 ff.; Najdecki, S. 57 ff. Matusche-Beckmann/Staudinger, § 475 BGB Rn. 48; Schmidt, JuS 2006, 1, 6. Katzenmeier, NJW 2004, 2632. Hofmann, JuS 2005, 8; Martinek/Staudinger, § 675 BGB Rn. B 6; Najdecki,
S. 59. 188 Interesse des Händlers sein Kapital bei Kauf binden zu müssen oder bei schwer verkäuflichen Wagen das Absatzrisiko zu übernehmen, Erhardt, S. 134.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
Die herrschende Meinung in der Literatur und die Rechtsprechung gehen davon aus, dass die Abgrenzung danach zu erfolgen hat, wer bei einem solchen Geschäft das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs des Gebrauchtwagens trägt189. Trägt der Privatverkäufer das Risiko, dann ist der Agenturvertrag wirksam und es besteht ein Kaufvertrag zwischen Verbrauchern. Trägt dagegen der handelnde Unternehmer das wirtschaftliche Risiko, dann ist von einer unzulässigen Gesetzesumgehung und daher von zwei Kaufverträgen auszugehen. Diese bestehen einerseits zwischen dem Privatverkäufer des Gebrauchtwagens und dem Unternehmer und andererseits zwischen dem Unternehmer und dem Privatkäufer des Gebrauchtwagens (Verbrauchsgüterkauf). Der Unternehmer ist somit als „QuasiVerkäufer“ anzusehen. b) Das Strohmanngeschäft Bei einem Strohmanngeschäft wird auch durch Einschaltung eines Dritten versucht, den Anwendungsbereich einer Norm zu umgehen. Dabei versteht man unter einem Strohmann im Allgemeinen jemanden, der im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung und im Interesse einer im Hintergrund stehenden Person Rechtsgeschäfte abschließt190. Dabei wird die Mittelsperson aus den von ihr abgeschlossenen Geschäften selbst unmittelbar berechtigt und verpflichtet. Sie ist jedoch ihrem Auftraggeber gemäß §§ 675, 667 BGB zur Herausgabe verpflichtet191. Beim Verbrauchsgüterkauf geht es konkret wieder darum, den Anwendungsbereich des § 474 Abs. 1 BGB dadurch zu vermeiden, dass nicht der Unternehmer als Verkäufer auftritt, sondern eine dritte Person mit Verbrauchereigenschaft den Vertrag abschließt192. Es wird also ein Verbraucher eingesetzt, der den Vertrag unmittelbar abschließt. Der Unternehmer bleibt bei Vorliegen eines Strohmanngeschäftes im Hintergrund und tritt nicht nach Außen in Erscheinung193. Vielmehr wird der Strohmann selbst Vertragspartner und aus dem Vertrag berechtigt und verpflichtet194. Der Einsatz eines Strohmanns ist allerdings nicht per se unzulässig. Ein solcher kann beispielsweise auch eingesetzt werden, um die Identität des Hinter-
189 OLG Stuttgart v. 19.5.2004 – 3 U 12/04, NJW 2004, 2169; BGH v. 26.1.2005 – VIII ZR 175/04, NJW 2005, 1039; Erhardt, S. 136 ff., 141 f.; Katzenmeier, NJW 2004, 2632, 2633; Matusche-Beckmann/Staudinger, § 475 BGB Rn. 50. 190 BGH v. 12.12.2012 – VIII ZR 89/12, NJW-RR 2013, 687; Singer/Staudinger, § 117 BGB Rn. 17. 191 BGH v. 6.12.1994 – XI ZR 19/94, NJW 1995, 727. 192 BGH v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, NJW 2007, 759. 193 BGH v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, NJW 2007, 759; BGH v. 12.12.2012 – VIII ZR 89/12, NJW-RR 2013, 687; Erhardt, S. 131; Matusche-Beckmann/Staudinger, § 475 Rn. 53. 194 Singer/Staudinger, § 117 BGB Rn. 17.
D. Die rechtstechnischen Mittel zur Gesetzesumgehung
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manns geheim zu halten195. Auch wird teilweise behauptet, dass dem Wortlaut des § 475 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu entnehmen ist, dass es dem Unternehmer verboten sei, sein Auto zunächst an einen Familienangehörigen zu veräußern und dass der Erwerber es dann an einen Verbraucher weiterveräußert196. Bei Vorliegen eines Strohmanngeschäftes soll daher bei der Abgrenzung zwischen Umgehungsgeschäft und zulässigem Einsatz eines Strohmanns die wirtschaftliche Risikoverteilung zwischen privatem Verkäufer und dessen unternehmerischem Hintermann maßgeblich sein. Trägt also der Hintermann die Chancen und Risiken aus dem Verkauf, so ist von einem Umgehungsgeschäft auszugehen197.
V. Bewertung Da der Gesetzgeber bei der Fassung des Tatbestandes regelmäßig an typische Lebenssachverhalte anknüpft, wird der Normunterworfene auf atypische und ungewöhnliche Gestaltungen zurückgreifen, die formal betrachtet, nicht unter den Tatbestand fallen (Subsumtionsvorschlag). Daher ist den oben genannten Gestaltungen grundsätzlich die Außergewöhnlichkeit der Konstruktion198 gemein. Die Parteien weichen zur Umgehung von einer wirtschaftlich und rechtlich üblichen Rechtsgestaltung ab. Dies kann in Form von typenfremden oder konstruierten Rechtsgeschäften erfolgen199. Diese Außergewöhnlichkeit stellt einen Indikator für ein Umgehungsgeschäft dar200. Allerdings kann die atypische Gestaltung nicht ausschlaggebendes Kriterium für die Unwirksamkeit eines Umgehungsgeschäftes sein, weil unter Beachtung der Vertragsfreiheit einer solchen Rechtsgestaltung nicht einfach die Wirksamkeit abgesprochen werden kann201. Vor allem kann eine unübliche Gestaltung ihren Grund in der besonderen Interessenlage beider Parteien haben, wie es beispielsweise beim Sicherungseigentum gegeben ist. Diese Interessenlage der Parteien ergibt sich wiederum aus individuellen tatsächlichen Gegebenheiten oder aus speziellen Bedürfnissen der Parteien. Diese besonderen Umstände in der Lebensgestaltung können es notwendig machen auf ungewöhnliche rechtsgestalterische Mittel zurückzugreifen202. Namentlich erlaubt die Privatautonomie eine solche individuelle Rechtsausprägung. Eine andere Beurteilung würde dazu führen, dass die Parteien gezwungen werden, 195
Singer/Staudinger, § 117 BGB Rn. 17. Najdecki, S. 100 mit Verweis auf May in DAR 2004, 561. 197 Erhardt, S. 146. 198 Benecke, S. 140 f.; Böckli, FS Cagianut, S. 289, 291; Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 164; Huber, JurA 1970, 784, 796; Römer, S. 17 f., 28; Schick, S. 75 ff.; Teichmann, S. 72. 199 Huber, JurA 1970, 784, 796; Teichmann, S. 72. 200 Schick, S. 76; Schurig, FS Ferid, Fn. 198 m.w. N. 201 Huber, JurA 1970, 784, 801; Schurig, FS Ferid, S. 375, 400. 202 Schick, S. 76; Teichmann, S. 72 f. 196
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
immer nur die gewöhnlichen, allgemein gebräuchlichen Gestaltungsformen zu wählen und auf individuelle Rechtsgestaltung komplett zu verzichten203. Die genannten rechtstechnischen Gestaltungsmittel zur Gesetzesumgehung sind jedoch von den Konstellationen zu unterscheiden, in denen die Parteien der rechtlichen Konstruktion ausschließlich begrifflich eine andere Bezeichnung geben (Umqualifizierung) ohne sonst materiell rechtlich auf die Rechtslage einzuwirken. Dazu gehört die Qualifizierung eines Kaufvertrags als „Mietvertrag“, die Bezeichnung des Verbrauchers als „Unternehmer“ und ähnliche Fallgestaltungen. Bei diesen Fallgruppen wird lediglich die Rechtsfolge des nach außen kundgegebenen Rechtsgeschäftes gewollt, obwohl materiell rechtlich, ein anderes Rechtsgeschäft vorliegt. Bei den anderen Fallgruppen intendieren die Parteien jedoch die Rechtsfolgen von dem ausdrücklich bezeichneten und objektiv-materiell auch vorliegenden Rechtsgeschäft. Der Normunterworfene wirkt aktiv auf die Rechtslage ein, indem ein anderes als das zu umgehende Rechtsgeschäft tatsächlich abgeschlossen wird. Die Frage ist hier jedoch, ob dem materiell-rechtlich vorliegenden und gewollten Rechtsgeschäft nicht deswegen die Wirksamkeit zu versagen ist, weil es sich nicht in den gesetzlichen Gesamtzusammenhang einordnen lässt204. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Verschleierung des Tatbestandes, die Aufspaltung von einem einheitlichen Rechtsgeschäft in einzelne kleinere Rechtsgeschäfte, das Ausweich- und Korrekturgeschäft sowie das Dazwischenschalten eines Dritten darauf abzielen, den Rechtsanwender dazu zu veranlassen, eine Subsumtion in eine bestimmte Richtung vorzunehmen. Dem Rechtsanwender soll mithin eine Auslegung zugunsten des Umgehenden suggeriert werden. Ob dieser Subsumtionsvorschlag schließlich von dem Rechtsanwender angenommen wird, hängt davon ab, ob dieser Vorschlag diametral zu dem Ziel einer Norm steht. Auf der nächsten methodischen Stufe wird also der Subsumtionsvorschlag mit dem Ziel einer Norm verglichen. Liegt ein normativer Widerspruch vor, so ist der Subsumtionsvorschlag gescheitert. Mit diesem Befund steht zugleich das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes oder einer Gesetzesumgehung fest.
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung Nachdem im methodischen Rechtsfindungsverfahren festgestellt wurde, dass ein Umgehungsgeschäft vorliegt, stellt sich die Frage, wie dieses verhindert werden kann. Die Notwendigkeit der Verhinderung der Gesetzesumgehung ergibt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber das mit dem Gesetz verfolgte Ziel materiell auch erreicht. Möchte der Gesetzgeber das mit dem zwingenden Gesetz verfolgte Ziel nicht zur Disposition des Rechtsunterworfenen stellen, müssen die 203 204
Schick, S. 77; Teichmann, S. 73. Huber, JurA 1970, 784, 800.
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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Gesetzgebung und die Rechtsprechung geeignete Maßnahmen treffen, die Umgehung zu verhindern. Eine andere Betrachtung würde die Autorität des Gesetzgebers in Frage stellen205. Könnte der Normunterworfene durch geschickte rechtliche Gestaltungen das vom Gesetzgeber intendierte Ziel vereiteln, so würde dies auf die Sinnlosigkeit von Gesetzen hinauslaufen. Man könnte schließlich gezielt Lücken des Gesetzes ausnutzen und die Rechtsordnung obsolet machen206. Der Bürger würde das in den Staat gesetzte Vertrauen, durch Gesetze Verhalten zu steuern, verlieren, wenn der Staat Gesetzesumgehungen hinnehmen würde. Der Normunterworfene könnte zur Annahme kommen, dass Gesetze nur für denjenigen Geltung beanspruchen, der die nötigen Mittel und Kenntnisse hat, rechtliche Konstruktionen zu entwerfen, um unliebsame Vorschriften zu vermeiden207. Auch wäre unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheit vor dem Gesetz) nicht zu rechtfertigen, warum demjenigen, der das Recht umgeht, eine andere Behandlung widerfahren soll, als demjenigen, der sich an Recht und Gesetz hält. Dies würde im Ergebnis zur sozialen Ungerechtigkeit führen208. Der Schwerpunkt bei der Beschäftigung mit dem Phänomen der Gesetzesumgehung liegt allerdings nicht bei dem „ob“ der Verhinderung der Gesetzesumgehung, sondern bei der Bestimmung der Grenze, also ab wann und wie die Umgehung zu verhindern ist209. Es bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Entweder wird dem Umgehungsgeschäft die Wirksamkeit versagt oder es kommt zur sogenannten Gleichstellung210, also zur Anwendung der „umgangenen Norm“ auf den vorliegenden Sachverhalt. Welche Rechtsfolge eintritt, hängt vor allem davon ab, welchem Rechtsinstitut man das Umgehungsgeschäft zuordnet211.
I. Die verschiedenen Lösungsansätze in der Rechtswissenschaft 1. Das Scheingeschäft Denkbar wäre es, die Gesetzesumgehung durch Anwendung des § 117 BGB zu verhindern. Allerdings ist das Umgehungsgeschäft vom Scheingeschäft abzugrenzen. Zutreffend ist, dass beide Konstruktionen zum Zwecke der Verschleierung eingesetzt werden212. Das Scheingeschäft findet seinen gesetzlichen Nieder205 Heeder, S. 186 f.; „Selbstaufgabe des Rechts“, Rehbinder, S. 113; Römer, S. 49; Schurig, FS Ferid, S. 388, 399. 206 Benecke, S. 191; Heeder, S. 186. 207 Heeder, S. 186 f. 208 Heeder, S. 186 f.; Römer, S. 49. 209 Schurig, FS Ferid, S. 375, 376, 384. 210 Römer, S. 50 ff.; Westerhoff, S. 86 ff. 211 Benecke, S. 98. 212 Erhardt, S. 16.
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schlag in § 117 BGB. Im Unterschied zum Umgehungsgeschäft ist beim Scheingeschäft der Erfolg nicht gewollt213. Die Parteien meinen beim Scheingeschäft ihre vertraglichen Bestimmungen nicht ernst. Im Gegensatz dazu wollen die Parteien beim Umgehungsgeschäft durch ernst gemeinte vertragliche Bestimmungen den Tatbestand einer Norm vermeiden214. Ist für die Parteien zur Erreichung des mit dem Rechtsgeschäft erstrebten Erfolgs ein Scheingeschäft genügend, dann findet § 117 BGB Anwendung. Dieser ist aber dann ausgeschlossen, wenn ein ernsthaft gewolltes Geschäft notwendig ist, um den beabsichtigten Erfolg eintreten zu lassen. Ist daher der erstrebte Zweck nur bei Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes möglich, so liegt kein Scheingeschäft vor215. Das Scheingeschäft ist dann nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig, während für das verdeckte (dissimulierte) Geschäft § 117 Abs. 2 BGB Anwendung findet. Ob das Scheingeschäft eine Gesetzesumgehung darstellt und nach welchen Regeln dieses zu beurteilen ist, ist daher unerheblich, weil es nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist. Nach § 117 Abs. 2 BGB sind die Vorschriften für das verdeckte Rechtsgeschäft anzuwenden. Hier ist dann zu prüfen216, ob das verdeckte Rechtsgeschäft an sich ein Umgehungsgeschäft darstellt. Ist das nicht der Fall, weil das verdeckte Rechtsgeschäft nicht mehr zur Umgehung geeignet ist, dann stellt dieses lediglich einen untauglichen Umgehungsversuch dar. Die Folgen der Gesetzesumgehung spielen in diesem Fall keine Rolle. Ist das dissimulierte Rechtsgeschäft noch zur Umgehung geeignet, dann ist der Frage nachzugehen, wie die Gesetzesumgehung rechtlich zu behandeln ist217. 2. Die Gesetzesumgehung als eigenes Rechtsinstitut a) Die Ansicht Mayer-Malys Die früher herrschende Meinung in der Literatur218 ging davon aus, dass die Gesetzesumgehung ein Rechtsinstitut sui generis darstelle, weil sie aufgrund ihrer eigenen Art eine besondere Erscheinung sei. Das ergibt sich insbesondere schon daraus, dass deren Vertreter eine Umgehungsabsicht forderten219. So ver-
213
BAG v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, NZA 2009, 1205, 1206; Benecke, S. 37, 42; Erhardt, S. 15 f.; Feuerborn/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, § 117 BGB Rn. 28; Flume, S. 408; Huber, JurA 1970, 784, 794. 214 Benecke, S. 38. 215 BGH v. 25.10.1961 – V ZR 103/60, NJW 1962, 295, 297. 216 Zur 2-Stufen-Prüfung, vgl. Benecke, S. 42. 217 Benecke, S. 42. 218 Heeder, S. 83 f.; Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 16; Schröder, S. 43, Fn. 149, 150; Teichmann, S. 12, Fn. 63 m.w. N. 219 Heeder, S. 78. Allerdings gilt dieses Erfordernis nicht uneingeschränkt. So soll auf eine Umgehungsabsicht verzichtet werden, wenn ein Schutzgesetz umgangen wird, Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 18.
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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trat Mayer-Maly die Ansicht, dass die Gesetzesumgehung sich nicht mit den bereits vorhandenen Normen wie §§ 242, 134, 138 BGB lösen lasse, weil es eines zusätzlichen Gedankens bedürfe, der in der Umgehungsabsicht begründet liege220. Danach soll eine ausgedehnte Anwendung von Verbotsgesetzen auf Handlungen vorgenommen werden, die direkt nicht vom Verbot umfasst sind, die aber ihrer Umgehung dienen. Dabei soll jedoch nicht lediglich eine extensive Interpretation der Norm vorgenommen werden, sondern es soll ein eigenständiges Rechtsinstitut begründet werden, mit dessen Hilfe Umgehungsgeschäfte für nichtig erklärt werden221. Dies wurde insbesondere von Mayer-Maly/Armbrüster222 befürwortet, die sich ausdrücklich gegen eine zu weite Auslegung aussprachen, weil man – unter Verweis auf den Grundrechtsschutz der Privatautonomie – damit die Grenzen der Gesetzesanwendung überschreite. Das Besondere an der Umgehung sei nämlich, dass durch eine gewählte Vertragskonstruktion der gesetzgeberische Wille durchkreuzt werde, ohne den Tatbestand einer bestimmten Norm zu verwirklichen223. Dort wo die Auslegung aufhöre, beginne die Umgehung einer Norm224. Daher müsse das Verbotsgesetz gegen Umgehungsgeschäfte abgesichert werden. Zudem zieht Mayer-Maly die Existenz von schon kodifizierten Umgehungsverboten225 als Argument hinzu, die dann obsolet wären, wenn die Umgehung tatsächlich nur ein Problem der Gesetzesauslegung wäre226. Die Gesetzesumgehung stelle daher kein Problem der Auslegung dar227. Die atypische Rechtsgestaltung oder die Umgehungsfunktion eines Rechtsgeschäftes lösen somit die Nichtigkeit aus.
220 Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 14, 18. Benecke lehnt dagegen die Begründung eines eigenständigen Rechtsinstituts ab, weil solche Besonderheiten der Gesetzesumgehung diese nicht zu einem eigenständigen Rechtsinstitut machen, S. 90. 221 Teichmann, S. 11. 222 Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 11 ff.; mit der gleichen Argumentation Schick, S. 58. Armbrüster vertritt seit der 5. Aufl. (2006) im Münchener Kommentar eine andere Ansicht, § 134 BGB Rn. 13, 15. 223 Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 12. 224 Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 15. 225 Mayer-Maly führt den § 6 SteueranpassungsG a. F. und § 6 AbzG a. F. an, Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 15. 226 Benecke überprüft diese These anhand des Verbraucherschutzrechts und kommt zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Umgehungsverbote eine Ausdehnung der gesetzlichen Tatbestände ermöglichen, obwohl die Voraussetzungen einer Analogie nicht vorliegen. Darüber hinaus sei eine zu weite Ausdehnung des Tatbestandes ausgeschlossen, weil die kodifizierten Umgehungsverbote ausdrücklich auf Umgehungsfälle begrenzt seien. Dem Umgehungsverbot im Verbraucherschutzrecht komme damit eine eigenständige Bedeutung hinzu, die sich aber aus den Besonderheiten des Verbraucherschutzrechts ergeben. Dies könne aber nicht auf das allgemeine Umgehungsverbot übertragen werden, S. 73 ff., 78, 86; Gramlich/Zerres, ZIP 1998, 1299, 1304; auch Teichmann, JZ 2003, 761, 767. 227 Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 12.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
Bei der Begründung der Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes bestehen allerdings Unterschiede. Teilweise wird die Unwirksamkeit mit Rekurs auf § 134 BGB begründet228, wobei diese Ansicht davon ausgeht, dass Gesetzesumgehungen nur bei Verbotsgesetzen möglich seien. Eine andere Ansicht will über eine Gesamtanalogie zu den gesetzlich geregelten Umgehungsverboten die Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes begründen229. b) Die Gegenansicht Die Gesetzesumgehung als eigenes Rechtsinstitut zu behandeln, wird teilweise jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass sich der historische Gesetzgeber im Jahre 1900 ausdrücklich gegen ein allgemeines Umgehungsverbot entschieden habe230. Ob man mit dieser Begründung immer noch die Gesetzesumgehung als eigenständiges Rechtsinstitut ablehnen soll, ist mit Blick auf die jetzt kodifizierten spezialgesetzlichen Umgehungsverbote zweifelhaft231. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass für die Lehre von dem eigenständigen Rechtsinstitut „Gesetzesumgehung“ die Umgehungsabsicht ein notwendiges und charakteristisches Kriterium ist232. Es kann also nur unter Berücksichtigung des Parteiwillens darauf geschlossen werden, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt oder ob von einer rechtlich zulässigen Gestaltung auszugehen ist233. Damit wird die Entscheidung, ob eine bestimmte Fallgestaltung rechtlich zulässig ist oder nicht, von einer Gesinnungsprüfung abhängig gemacht234, was unter Beweisgesichtspunkten praktisch schwer zu handhaben ist235.
228
Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 16. Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 151. 230 Auch Mayer-Maly/Armbrüster gestehen das ein, Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 15; Najdecki, S. 22; Zerres, MDR 2004, 1334, 1335. Flume, S. 350 mit dem Hinweis, dass ein eigenständiges Institut des Verbots der Gesetzesumgehung zu sehr in die Auslegungsfreiheit des Richters eingreifen würde und damit die Gefahr bestünde, dass Rechtsgeschäfte für nichtig erklärt werden, die jedoch erlaubt seien. Allerdings gehen Sack/Seibl/Staudinger davon aus, dass diese Ansicht aufgrund der zahlreichen ausdrücklich kodifizierten Umgehungsverbote nun überholt sei, § 134 BGB Rn. 151. 231 Die Vertreter der Ansicht, dass die Gesetzesumgehung ein eigenständiges Rechtsinstitut darstellt, fühlen sich durch diese besonderen Regelungen in ihrer Meinung bestärkt. Es sei eine „spezifische Reaktion“ auf ein „spezifisches Problem“ erforderlich, Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 15; so auch die deutsche Regierung in einem Verfahren vor dem EuGH, EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03 [SEVIC Systems AG], NJW 2006, 425, 426. 232 Looschelders/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, § 134 BGB Rn. 82; Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 18; Schröder, S. 43; Sieker, S. 39. 233 Schröder, S. 43. 234 Sieker, S. 40. 235 Najdecki, S. 23. 229
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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c) Stellungnahme Die Ansicht Mayer-Malys verdient nur teilweise Zustimmung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Kodifizierung der ausdrücklichen Umgehungsverbote. Ohne die besonders geregelten Umgehungsverbote können nicht alle möglichen Verhandlungssituationen erfasst werden, weil der Auslegung der vorhandenen Schutzvorschriften Grenzen gesetzt sind und eine Analogie nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Um hier eine Brücke zwischen dem Erreichen des Gesetzeszwecks und dem Anwendungsbereich einer Norm zu schlagen, gibt es die besonders geregelten Umgehungsverbote236, die einen umfassenden Verbraucherschutz gewährleisten. Meines Erachtens ist die Ansicht, die Gesetzesumgehung als eigenes Rechtsinstitut zu begreifen, dennoch abzulehnen, weil ihr Begründungsansatz außer Acht lässt, dass das Ziel einer Norm nicht ausschließlich durch Auslegung, sondern auch im Wege der Analogie oder unter Umständen durch gesetzesübersteigende Fortbildung des Rechts zu erreichen ist237. Zudem soll es bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes zwangsläufig zur Nichtigkeit238 desselben kommen. Dies pauschal anzunehmen, erscheint nicht sachgerecht. Vielmehr ist die umgangene Norm dahingehend zu untersuchen, ob als Rechtsfolge Nichtigkeit oder Gleichstellung in Betracht kommt. Daher ist weiter zu prüfen, inwiefern der Gesetzgeber bereits methodische Mittel zur Verfügung stellt, um die Gesetzesumgehung zu verhindern. 3. Die Gesetzesumgehung und § 138 Abs. 1 BGB § 138 Abs. 1 BGB statuiert, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Um zu der Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB zu kommen, muss daher der Fall der Gesetzesumgehung gegen die guten Sitten verstoßen. Die Rechtsprechung ging früher in einigen Urteilen ohne nähere Begründung von der Gesetzesumgehung als einem Fall von § 138 Abs. 1 BGB aus239. Dabei kann sich die Sittenwidrigkeit einerseits aus dem Inhalt der 236
Gramlich/Zerres, ZIP 1998, 1299, 1304. Schröder, S. 12. Auch Schurig geht in FS Ferid, S. 400, davon aus, dass man durch eine erweiternde Auslegung der Norm oder durch eine Analogie der Gesetzesumgehung entgegenwirken könne. Die Befürworter der Lehre des eigenständigen Instituts der Gesetzesumgehung vertreten jedoch die Ansicht, dass ein solches eine unnötige Vermischung von Analogie und ausufernder Gesetzesauslegung verhindert. Man würde ansonsten die rechtsstaatlichen Grenzen der Gesetzesanwendung überschreiten. Daher sei ein auf einen zusätzlichen Gedanken beruhendes eigenständiges Rechtsinstitut erforderlich, Mayer-Maly/Armbrüster/Münchener Kommentar (4. Aufl.), § 134 BGB Rn. 14. 238 Teichmann, S. 12. 239 BGH v. 23.4.1968 – VI ZR 217/65, NJW 1968, 2286, 2287; BGH v. 29.9.1977 – III ZR 164/75, NJW 1977, 2356, 2357; BGH v. 8.6.1983 – VIII ZR 77/82, NJW 1983, 2873; Sack/Seibl vertreten auch die Ansicht Gesetzesumgehungen mittels § 138 BGB 237
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
betreffenden Maßnahme und andererseits aus dem Gesamtcharakter ergeben. Bei letzterem ist der Beweggrund und der Zweck der Maßnahme maßgeblich240. Es ist jedoch zwingend zwischen der Gesetzesumgehung und § 138 Abs. 1 BGB zu unterscheiden241. Aus zwei Gründen verbietet sich eine Gleichstellung von § 138 Abs. 1 BGB und der Gesetzesumgehung: Zum einen muss der Begriff der Gesetzesumgehung unter den Begriff der „guten Sitten“ subsumiert werden. Unter „guten Sitten“ versteht man im Allgemeinen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden242. Dabei kann sich die Sittenwidrigkeit aus dem Inhalt oder dem Gesamtcharakter des Rechtsgeschäftes ergeben. Ein Rechtsgeschäft ist dann sittenwidrig, wenn sein Inhalt mit grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenwertung unvereinbar ist. Auf eine Gesamtwürdigung der Begleitumstände sowie auf die etwaige Kenntnis der Sittenwidrigkeit kommt es nicht an243. Zudem kann sich die Sittenwidrigkeit aus dem Gesamtcharakter des Rechtsgeschäftes ergeben. Dabei sind auf Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäftes abzustellen244. Auch hier sind Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und Schädigungsabsicht nicht erforderlich245. Aufgrund dieser sehr weiten Definition ergibt sich zwangsläufig, dass der Begriff der Sittenwidrigkeit restriktiv zu handhaben ist. Im Rahmen der Gesetzesumgehung gelangt man daher nur dann zu § 138 Abs. 1 BGB, wenn das Umgehungsgeschäft durch seinen Gesamtcharakter oder die Art und Weise ihres Zustandekommens das Gepräge der Sittenwidrigkeit erhält. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Rechtsgeschäft auf verwerflichen Beweggründen oder der Anwendung unlauterer Mittel beruht oder ausschließlich zu dem Zweck abgeschlossen wird, jemandem Schaden zuzufügen246. Es geht also nur um besonders drastische Fälle247, in denen noch weitere besondere Umstände hinzutreten müssen, damit das rechtsgeschäftliche Verhalten der Parteien als von der Rechtsordnung rechtsethisch nicht mehr hinnehmbar ist248.
die Wirksamkeit zu versagen, weil bei Gesetzesumgehungen Gesetzeslücken bestehen, die durch § 138 BGB geschlossen werden müssen, Staudinger, § 134 BGB Rn. 153. 240 Lutter, ZGR 1977, 195, 202. 241 Benecke, S. 43. 242 Ellenberger/Palandt, § 138 BGB Rn. 2. 243 Ellenberger/Palandt, § 138 BGB Rn. 7. 244 Ellenberger/Palandt, § 138 BGB Rn. 8. 245 BGH v. 7.1.1993 – IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1588. 246 So der BGH zum Vorkaufsrecht, Urteil vom 11.12.1963 – V ZR 41/62, NJW 1964, 540, 541. 247 So etwa der BGH, der davon ausgeht, dass bei der Umgehung von gesamtwirtschaftlichen oder gesamtstaatlichen Gesetzen oder Gesetzen, die sozialen Schutz durchsetzen wollen, von Sittenwidrigkeit auszugehen ist, Urteil vom 22.6.1972 – II ZR 113/ 70, NJW 1972, 1575, 1576; Armbrüster/Münchener Kommentar, § 138 BGB Rn. 53 m.w. N.; Schurig, Vorkaufsrecht, S. 153. 248 BGH v. 2.6.1981 – VI ZR 28/80, NJW 1981, 2184, 2185.
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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Auch ist zu beachten, dass die Gesetzesumgehung sich dadurch auszeichnet, dass eine „an sich“ zulässige und vom Gesetz gebilligte rechtliche Gestaltungsmöglichkeit lediglich wahrgenommen wird. Die Ausübung der Vertragsfreiheit kann jedoch ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zur Sittenwidrigkeit führen. Dies würde die in Art. 2 Abs. 1 GG niedergelegte Vertragsfreiheit bedenklich unverhältnismäßig einschränken. Vielmehr besteht außerhalb des Tatbestandes einer zwingenden Norm Vertragsfreiheit und damit Entscheidungsfreiheit entweder für die eine oder andere rechtliche Gestaltung. Der Beweggrund für die Wahl einer bestimmten rechtlichen Gestaltung spielt keine Rolle. Vielmehr kann der Vertragsgestalter dasjenige rechtliche Gestaltungsmittel wählen, welches ihm am zweckmäßigsten erscheint249. Damit kann die rein objektive Vermeidung eines Tatbestandes einer Norm nicht die Annahme der Sittenwidrigkeit rechtfertigen. Vielmehr müssen weitere besondere Umstände hinzutreten, die in einem signifikanten Widerspruch zu den herrschenden Grundanschauungen stehen250. Zum anderen ist für die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB notwendiger Bestandteil, dass demjenigen, der gegen die guten Sitten verstößt, ein persönlicher Vorwurf zu machen ist. Dies kann jedoch bei einer Gesetzesumgehung nicht der Fall sein251. Es ist nämlich zu beachten, dass die Beurteilung eines Sachverhaltes als fehlgeschlagener Umgehungsversuch ausschließlich auf der Anwendung der einschlägigen Norm beruht252. Diese Beurteilung ist aber unabhängig davon, ob einer der Parteien ihr Verhalten persönlich vorwerfbar ist. Folglich kann nicht alleine der Umgehungscharakter eines Rechtsgeschäftes, der sich aus dem Umstand des erfolglosen Einsatzes der Rechtsgestaltung zur Umgehung ergibt, die Sittenwidrigkeit begründen253. Darüber hinaus wird die absolute Nichtigkeitsfolge nach § 138 Abs. 1 BGB nicht immer einer Umgehung gerecht254. So kommt es auf den Einzelfall der Umgehung an, ob die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes eintritt oder es zur Gleichstellung kommen soll. Im Gegensatz zu § 134 BGB, bei dem der Zweck des verletzten Gesetzes zu berücksichtigen ist255, kann § 138 Abs. 1 BGB mit seiner starren Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht auf diese Feinheiten reagieren256. Umgehungsgeschäfte und sittenwidrige Rechtsgeschäfte sind im Ergebnis von-
249 OLG Naumburg v. 6.2.1997 – 7 U 236/96, NZA-RR 1997, 177, 179; Bayer, ZGR 1977, 173, 179. 250 BGH v. 2.6.1981 – VI ZR 28/80, NJW 1981, 2184, 2185; Henssler, ZfA 2000, 241, 245. 251 Teichmann, S. 71. 252 Sieker, S. 8. 253 Sieker, S. 134. 254 So Burbulla zur Umgehung des Vorkaufsfalles, S. 49. 255 Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 152. 256 Benecke, S. 45; Najdecki, S. 26 f.; Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 152.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
einander zu trennen257. Zwangsläufig schließen sich beide Rechtsinstitute jedoch nicht aus, weil durch das Hinzutreten weiterer Umstände die Umgehung sittenwidrig werden kann258. 4. Die Gesetzesumgehung und § 134 BGB a) Das Umgehungsverbot als Verbot i. S. d. § 134 BGB Schließlich wird bei Umgehungsfällen § 134 BGB angewendet259. Danach ist die Folge der Gesetzesumgehung die Nichtigkeit, § 134 BGB. Insbesondere von der Rechtsprechung wird angenommen, dass ein Nichtigkeitsgrund nach § 134 BGB besteht, wenn durch rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten ein vom Gesetz missbilligter Erfolg erreicht wird260. Es ist aber zu beachten, dass die Umgehung auch dann möglich ist, wenn ein zwingendes Gesetz umgangen wird, das kein Verbotsgesetz darstellt. In den Fällen, in denen eine zwingende Vorschrift umgangen wird, die aber kein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB darstellt, stellt sich die Frage, inwiefern dann § 134 BGB herangezogen werden kann. Es wird daher vertreten, dass die zwingende umgangene Norm zugleich ein Verbot beinhalte, diese Vorschrift nicht zu umgehen261. Dieses „Verbot der Umgehung“ wird durch Auslegung einer zwingenden Vorschrift ermittelt262. Folge sei daher, dass dem zwingenden Recht zugleich ein immanentes Verbot der Umgehung der zwingenden Vorschrift innewohne, das ein Verbot i. S. d. § 134 BGB darstelle. Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass sich die Feststellung, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt und damit Nichtigkeit eintritt, an dem Zweck einer Vorschrift orientiert und damit klare Grenzen gesetzt werden263. b) Die Unterscheidung zwischen Weg- und Erfolgsverbot Enneccerus/Nipperdey264 differenzieren zwischen Weg- und Erfolgsverbot. Sie gehen davon aus, dass das zur Umgehung eines Verbotsgesetzes vorgenommene Geschäft dann nichtig sei, wenn das Verbot nach dem Willen des Gesetzgebers 257 So auch Armbrüster/Münchener Kommentar, § 138 BGB Rn. 54, der dabei auf den Vorrang des § 134 BGB gegenüber § 138 BGB verweist; Henssler, ZfA 2000, 241, 245. 258 Lutter, ZGR 1977, 195, 202. 259 So etwa Enneccerus/Nipperdey, S. 1160 ff.; Heeder, S. 223; Schick, S. 154; Westerhoff, S. 100. 260 BGH v. 23.9.1982 – VII ZR 183/80, NJW 1983, 109, 110; BGH v. 6.12.1990 – IX ZR 44/90, NJW 1991, 1060, 1061. 261 Benecke, S. 184. 262 Benecke, S. 184; zur Auslegung, Sprau/Palandt, Einl., Rn. 40 ff. 263 Najdecki, S. 28. 264 Enneccerus/Nipperdey, S. 1160 ff.
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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und nach dem Zweck des Gesetzes die Verwirklichung des beabsichtigen praktischen Erfolges an sich verhindern wolle (Erfolgsverbot). Dagegen solle keine Nichtigkeit nach § 134 BGB eintreten, wenn das Verbotsgesetz nur eine bestimmte Geschäftsart oder Geschäftsform untersagen wolle (Wegverbot), nicht aber den Eintritt eines bestimmten Erfolges schlechthin. Wenn also nur eine bestimmte Art der Vornahme angeordnet oder verhindert werden soll, ist das Rechtsgeschäft, das den rechtlichen oder wirtschaftlichen Erfolg in anderer Weise herbeiführt, wirksam. Verbietet das Gesetz dagegen insgesamt den wirtschaftlichen oder rechtlichen Erfolg, so kann dieser Erfolg überhaupt nicht, auch nicht durch ein anderes Rechtsgeschäft, herbeigeführt werden265. Die Unterscheidung zwischen Weg- und Erfolgsverbot ist auch mit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB vereinbar, der die Nichtigkeit nur dann eintreten lässt, wenn sich aus dem Gesetz nicht ein anderes ergibt266. c) Stellungnahme Das eigenständige durch Auslegung zu ermittelnde Verbot der Gesetzesumgehung und § 134 BGB haben gemeinsam, dass beide die Privatautonomie einschränken267. Darüber hinaus kann man die Bekämpfung von Gesetzesumgehungen mit der Eigenart des § 134 BGB als Generalklausel begründen268. So haben Generalklauseln die Funktion, die rechtliche Ausnutzung einer formalen Position dort zu versagen, wo der Schutz höherwertiger Interessen geboten ist269. Bei der Gesetzesumgehung verhält es sich ähnlich. So muss das Interesse des Einzelnen an der Durchsetzung seiner Belange und der Gebrauch seiner Vertragsfreiheit gegenüber dem Interesse zurückstehen, welches durch die zu umgehende Norm geschützt werden soll. Mittels teleologischer Auslegung wird der Sinngehalt einer Vorschrift herausgearbeitet. Führt diese zu dem Ergebnis, dass die ausgelegte Norm den eingetretenen rechtlichen Erfolg verhindern will, so ist das Umgehungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig. Der Begründungsansatz, durch Auslegung von zwingendem Recht ein „Verbot der Umgehung“ zu konstruieren, zeigt jedoch, dass das primäre methodische Vorgehen hier schlicht die Interpretation des Gesetzes ist. Ausschließlich von dieser hängt es ab, ob das zwingende Recht Anwendung findet oder nicht. Ein zusätzliches Heranziehen des § 134 BGB ist nicht erforderlich, weil sich aus-
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Enneccerus/Nipperdey, S. 1161. Flume vertritt die Ansicht, dass § 134 BGB überflüssig sei und verweist damit auf das einzelne Verbotsgesetz, aus dem sich die Unwirksamkeit ergeben müsse, Flume, S. 341; Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 57. 267 Ellenberger/Palandt, § 134 BGB Rn. 1; Schick, S. 154. 268 Schick, S. 155. 269 Hübner, AT, Rn. 84. 266
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
schließlich durch Auslegung ergibt, ob einem Rechtsgeschäft die Unwirksamkeit zu versagen ist oder nicht. Im Ergebnis ist damit die generelle Begründung der Nichtigkeit bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes nach § 134 BGB abzulehnen, weil der Begründungsansatz nach § 134 BGB sich mit anderen methodischen Ansätzen überschneidet und daher keine klaren Konturen aufweist. Zudem ist mittels § 134 BGB die Rechtsfolge der „Gleichstellung“ nicht erklärbar, da § 134 BGB entweder die Nichtigkeit oder die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes vorsieht270. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass durch die Umgehungskonstruktion gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen werden kann, das dann unter Umständen nach § 134 BGB zur Unwirksamkeit führt. Zwingend ist diese Annahme jedoch nicht. 5. Die Gesetzesumgehung und § 242 BGB Bei der Gesetzesumgehung wird von einer bestimmten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, die objektiv formal betrachtet die Rechtsfolgen einer Norm vermeidet271. Es stellt sich daher die Frage, ob die Verwendung einer bestimmten rechtlichen Konstellation ein Missbrauch von Recht darstellen kann, wenn eine andere Norm die mit der rechtlichen Konstruktion angestrebte Rechtsfolge verhindern soll272. a) Der individuelle und der institutionelle Rechtsmissbrauch Es ist zwischen individuellem und institutionellem Rechtsmissbrauch zu unterscheiden273. Beim individuellen Rechtsmissbrauch wird durch die Ausübung eines individuellen Rechts treuwidrig gegen die Interessen eines anderen verstoßen, sodass sie als unzulässig zu beanstanden ist. Missbraucht wird also eine bestimmte Rechtsposition, die eine Person aufgrund des Gesetzes oder durch eine Vertragsregelung innehat274. Es wird auf ein bestimmtes Verhalten einer Person abgestellt, welches die sich aus dem konkreten Rechtsverhältnis und der jeweiligen Interessenlage der Beteiligten ergebenden Grenzen überschreitet275. Die individuellen Ausübungsschranken der schuldrechtlichen Rechtsposition ergeben sich also aus dem konkreten Rechtsverhältnis und der jeweiligen Interessenlage der 270
Benecke, S. 184. Bei belastenden Normen. Bei begünstigenden Normen soll die Anwendung dieser Norm ausgelöst werden (Tatbestandserschleichung), Sieker, S. 12. 272 Sieker, S. 12 f. 273 Grüneberg/Palandt, § 242 BGB Rn. 40; Roth/Schubert/Münchener Kommentar, § 242 BGB Rn. 205; Steudle, S. 23 f.; Teichmann, S. 76; ders., JA 1985, 497, 498. 274 von Lackum, S. 64; Rehbinder, S. 117. 275 Roth/Schubert/Münchener Kommentar, § 242 BGB Rn. 205; Sieker, S. 13; Steudle, S. 23. 271
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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Beteiligten276. Der individuelle Rechtsmissbrauch sanktioniert die Treuwidrigkeit des Verhaltens gegenüber einer anderen Person277. Davon zu unterscheiden ist der institutionelle Rechtsmissbrauch278. Darunter wird der Fehlgebrauch von Rechtsnormen oder Rechtsinstituten verstanden, der zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren und untragbaren Ergebnis führen würde279. Der Gebrauch von Rechten und Rechtspositionen widerspricht ihrem objektiven Sinn und Zweck280. Jede Norm und jedes Recht, das dem Einzelnen verliehen wird, steht diesem nur zu einem bestimmten vorgesehenen Zweck zu281. Dabei sollen der Rechtsausübung durch die beherrschenden, ordnungspolitischen Wertungen, die die Funktionsfähigkeit des Rechtsinstituts sichern, immanente Schranken gesetzt werden282. Aus den rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich mithin Schranken, die sich aus ihrer jeweiligen objektiven, ordnungspolitischen Funktion ergeben. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus einer generalisierenden Interessenabwägung in Bezug auf bestimmte Rechtsbeziehungen und Rechtsnormen und insbesondere auf die mit der Rechtsgestaltung verfolgten Ziele283. b) Die Gesetzesumgehung als Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs Diskussionswürdig ist die Überlegung, ob nicht die Gesetzesumgehung einen Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs (Institutsmissbrauchs) darstellt284. In der Tat ging die Rechtsprechung bei Vorliegen einer Gesetzesumgehung teilweise von institutionellem Rechtsmissbrauch aus285. Auch in der Literatur gibt es Stimmen, die annehmen, dass die Norm, die umgangen wird, missbraucht wird286. 276 277 278 279 280 281 282
Teichmann, JA 1985, 497, 498. Sieker, S. 13. Grüneberg/Palandt, § 242 BGB Rn. 40; Rehbinder, S. 119 f.; Steudle, S. 24. Grüneberg/Palandt, § 242 BGB Rn. 40; Sieker, S. 13. Wolf/Neuner, § 20, Rn. 81; Teichmann, S. 76. von Lackum, S. 62. Vgl. zu den Schranken der Rechtsausübung, Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, § 10
III. 283
Roth/Schubert/Münchener Kommentar, § 242 BGB Rn. 205. von Lackum lehnt eine Verhinderung der Gesetzesumgehung im Wege des individuellen Rechtsmissbrauchs ab, weil subjektive Elemente bei der Gesetzesumgehung grundsätzlich keine Rolle spielen. Daher sei ein ausschließlicher Rückgriff auf den individuellen Rechtsmissbrauch zur Verhinderung von Gesetzesumgehungen nicht geeignet, S. 64; Schurig, FS Ferid, S. 375, 406; Teichmann, S. 76. 285 Das LG Berlin ging in seinem Beschluss vom 17.9.1996 – 36 O 504/95, NJW-RR 1997, 378 davon aus, dass die Umgehung des Verbots, einen bestimmten Spruchkörper eines Gerichts zu vereinbaren, rechtsmissbräuchlich sei. Oder in BGH v. 28.4.1987 – VI ZR 1, 43/86, NJW 1987, 2997 wurde die „Erschleichung“ einer Aufrechnungslage als rechtsmissbräuchlich angesehen. 286 Römer, S. 39 ff.; Teichmann, S. 76. 284
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
Wird also festgestellt, dass das Ergebnis, das durch die ergangene Norm erreicht wird, unangemessen ist, dann lässt sich damit die Aussage verbinden, dass das objektive Recht „missbraucht“ worden ist287. Begründet wird dies vor allem mit der Erwägung, dass von einem Rechtsmissbrauch dann die Rede ist, wenn Grenzen eines Gesetzes, die sich aus seiner rechtsethischen und sozialen Funktion ergeben und die seinen Wortlaut einschränken, überschritten werden. Genauso verhält es sich bei der Gesetzesumgehung, bei der die Wortlautgrenze einer Norm nicht tangiert wird, der rechtsethische und soziale Anwendungsbereich derselben aber berührt wird. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide Rechtsinstitute ein bestimmtes Verhalten der Vertragsgestalter beschreiben, bei dem sich die Beteiligten oder der Beteiligte auf eine bestimmte Rechtsfolge berufen bzw. beruft, die aber die Rechtsordnung versagt288. Bei dem Rechtsmissbrauch geht es also um die zweckwidrige Instrumentalisierung von bestimmten Normen289. c) Veranschaulichung anhand der Umgehung des § 393 BGB Zur Veranschaulichung ist die oben genannte Fallgruppe c) heranzuziehen. Der Schädiger könnte einem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB entgegenhalten, weil § 393 BGB dies vom Wortlaut her nicht für unzulässig erklärt. Typisch für eine Gesetzesumgehung ist der Umstand, dass der Anwendungsbereich einer Norm unter Berufung auf eine andere Norm (Umgehungsnorm) vermieden wird290. Daher hinterfragt auch Römer, ob das Erfüllen des Tatbestandes der Umgehungsnorm und das Berufen auf diese Vorschrift nicht ein Fall des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten sei291. Römer will danach unterscheiden, ob sich die betreffende Rechtsgestaltung als echter Gebrauch oder als Missbrauch der Vertragsfreiheit darstellt292. Bei letzterem sei dem Einzelnen die Berufung auf die Vorschrift verwehrt. Er vertritt dabei die Ansicht, dass der Missbrauch von Rechtsgestaltungsmöglichkeiten sich in jedem Umgehungstatbestand wiederfinde. Der Rechtsmissbrauch sei notwendiges Merkmal einer jeden Gesetzesumgehung293. Der Normunterworfene berufe sich auf eine vertragliche Gestaltungsmöglichkeit. Dies könnten Gestaltungsrechte, Verträge, aber auch schlicht die Vertragsfreiheit sein. Das „umgangene“ Gesetz könne sich dabei nur 287
Schurig, FS Ferid, S. 375, 406. Sieker, S. 17. 289 Schurig, FS Ferid, S. 375, 406; Sieker, S. 15; Teichmann, S. 76 ff. 290 Vgl. S. 38. Die Umgehungsnorm ist die Norm, die Anwendung findet, um eine weitere Norm (die umgangene Norm) zu umgehen, Römer, S. 37. 291 Pfaff, S. 158 f.; Römer, S. 39 ff. 292 Römer, S. 39. 293 Römer, S. 41. 288
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dann durchsetzen, wenn feststünde, dass die Rechtsgestaltung, auf die sich der Einzelne berufe, die Umgehungshandlung nicht rechtfertige. Mit anderen Worten offenbart sich immer dann der Rechtsmissbrauch, wenn die verwendete Rechtsgestaltung als Rechtfertigung der Umgehung nicht mehr greift. Entscheidende Frage sei daher, inwieweit die legitimierende Kraft der Normen, auf die sich der Normunterworfene beruft (hier im Beispiel: § 273 Abs. 1 BGB), reicht. Die legitimierende Kraft der Normen ergebe sich aus dem jeweiligen Zweck der Vorschrift. Jede Vorschrift beinhalte eine Gestaltungsmöglichkeit, wie die Vorschrift anzuwenden sei. Eine Vorschrift könne mithin nicht beliebig verwendet werden. Vielmehr diene eine solche einem bestimmten praktischen Zweck. Vorschriften, die demnach ihrem normalen Zweck entsprechend benutzt werden, seien also zulässig und stellten keinen Missbrauch von Rechtsmacht dar. Rechtliche Gestaltungen jedoch, die ungewöhnlich oder zweckentfremdet gebraucht würden, könnten nicht in Anspruch nehmen von der Rechtsordnung legitimiert zu werden. Der Zweckgedanke der Vorschrift decke dann nicht die Gestaltung und genieße somit keinen Rechtsschutz, wenn mit dieser in die Rechte anderer eingegriffen werde. Die legitimierende Wirkung einer Norm, auf die sich der Einzelne beruft, falle schließlich weg, wenn die in diesen Normen beinhalteten Gestaltungsmöglichkeiten missbraucht worden sind. Wird die Umgehungshandlung zu einem Zweck vorgenommen, der von diesem Zweck abweicht, so liege ein Missbrauch der Rechtsmacht vor294. d) Kritik Durch die Verhinderung der Umgehung unter Berufung auf § 242 BGB vermischen sich allerdings Rechtsmissbrauch und teleologische Auslegung einer Norm295. Die teleologische Auslegung und Rechtsmissbrauch sind in diesem Fall identisch, sodass dem Begriff des Rechtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Umgehungskonstellationen keine eigene Bedeutung zukommt296. Die Behandlung der Gesetzesumgehung im Rahmen des institutionellen Rechtsmissbrauchs führt nur dazu, dass ein ungeklärtes Rechtsproblem durch ein weiteres umstrittenes Rechtsinstitut ersetzt wird297. Es ist darüber hinaus problematisch, den ordnungspolitischen Charakter der Privatautonomie in den einzelnen rechtsgeschäftlichen Befugnissen der Rechtssubjekte hineinzulesen. Konkrete Folgerungen und Grenzen lassen sich aus der regelnden Eigenschaft der einzelnen, in Ausübung der Vertragsfreiheit geschlossenen Rechtsgeschäfte, nicht entnehmen. Vielmehr sind die Grenzen eines 294 295 296 297
Römer, S. 54 ff. von Lackum, S. 63; Teichmann, S. 77. von Lackum, S. 63; Rehbinder, S. 114; Sieker, S. 14, 16; Teichmann, S. 77. Benecke, S. 48; Rehbinder, S. 113. Andere Ansicht vertritt Gaul, Schluss, Rn. 99.
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Rechtsinstituts durch den Gesetzgeber zu bestimmen298. Sind diese Grenzen nicht vorhanden, so darf der Vertrag in Ausübung der Privatautonomie lediglich in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB ausgeübt werden299. Zudem ergeben sich Unterschiede hinsichtlich des Gegenstandes des Missbrauchs. Beim Rechtsmissbrauch beschränkt sich der Missbrauch auf ein subjektives Recht und damit auf die unzulässige Ausübung eines Rechts. Es wird eine durch eine bestimmte Norm bestehende Rechtsposition ausgenutzt und danach gefragt, ob diese Norm, auf die sich der Normunterworfene beruft, das fragliche Verhalten legitimiert. Bei der Gesetzesumgehung wird dagegen eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit missbraucht. Durch rechtsgestaltende Tätigkeit wird die erstrebte Rechtsposition künstlich geschaffen, um eine bestimmte Norm anwendbar zu machen300. Die dann eintretende Rechtsfolge wird schließlich mit der umgangenen Norm verglichen. Diese steht im Mittelpunkt und es wird danach gefragt, ob der Zweck der umgangenen Norm durch einen bestimmten Sachverhalt vereitelt wird. Die Bezugsnorm bei Rechtsmissbrauch und Gesetzesumgehung unterscheiden sich somit. Übertragen auf die Fallgruppe c) bedeutet das, dass beim Rechtsmissbrauch problematisch ist, ob der Schädiger sich überhaupt auf § 273 Abs. 1 BGB berufen kann, während bei der Gesetzesumgehung zu fragen ist, ob der Zweck des § 393 BGB vereitelt wird, wenn sich der Schädiger auf § 273 Abs. 1 BGB beruft. Ob eine Norm zweckentfremdet wurde, ergibt sich wiederum ausschließlich durch Auslegung301. Rechtsmissbrauch und Auslegung werden dadurch vermischt und bilden somit nur ein Teilproblem der Gesetzesumgehung. Damit ist der rechtsmissbräuchliche Einsatz einer Norm zum Zwecke der Umgehung einer anderen Norm nur eine Vorfrage302. Der zentrale Grundgedanke bei der Umgehung ist, ob der Zweck des umgangenen Gesetzes tangiert ist. Auch lässt sich nicht erklären, warum es über das Rechtsinstitut des Rechtsmissbrauchs zur Gleichstellung oder zur Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäftes kommen kann303. Zu Recht ist daher die Gesetzesumgehung nicht dem Fall des Rechtsmissbrauchs unterzuordnen304.
II. Eigener Lösungsansatz Die oben genannten Lösungsansätze zur Verhinderung von Gesetzesumgehungen sind nicht schlechthin abzulehnen, allerdings weisen sie alle dogmatische 298 299 300 301 302 303 304
Rehbinder, S. 118 ff. Sieker, S. 15. Pfaff, S. 158 f.; Sieker, S. 17; Teichmann, S. 71 ff., 76 ff. Benecke, S. 91. Römer, S. 57. von Lackum, S. 65; Römer, S. 58. Im Ergebnis auch Henssler, ZfA 2000, 241, 245.
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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Defizite auf und sind daher nicht verallgemeinerbar. Zutreffend ist, dass eine Gesetzesumgehung wegen § 134 BGB unwirksam sein kann, wenn das vermeintlich umgangene Gesetz ein Verbotsgesetz ist. Notwendig ist dies jedoch nicht, da auch zwingende Normen umgangenen werden können, die kein Verbotsgesetz darstellen. Das Gleiche gilt für die Anwendung des § 138 BGB auf Umgehungsgeschäfte. So kann bei Vorliegen bestimmter Umstände das Umgehungsgeschäft nach § 138 BGB nichtig sein. Aber auch diese Rechtsfolge ist nicht verallgemeinerbar, da unter Umständen der Eintritt der Nichtigkeitsfolge nicht zu sachgerechten Ergebnissen führt. Abzulehnen ist allerdings der Lösungsansatz, Gesetzesumgehungen unter Berufung auf § 117 BGB oder auf § 242 BGB zu verhindern. § 117 BGB ist rechtsdogmatisch schon nicht anwendbar, während das Institut des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB keine eigenen klaren Grenzen zur Umgehungsverhinderung aufweist. Es soll daher unter Berücksichtigung der oben herausgearbeiteten Definition des Umgehungsgeschäftes als methodischer Zwischenschritt im Rechtsfindungsverfahren geprüft werden, inwiefern rechtsmethodisch der Sinn und Zweck der umgangenen Norm verwirklicht werden kann. Es kommt daher die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch Auslegung, Analogie und schließlich durch Rechtsfortbildung in Betracht305. 1. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch Auslegung Zunächst kann die Gesetzesumgehung durch Auslegung der Willenserklärungen der Parteien (Sachverhalt) oder durch Auslegung der Norm verhindert werden. a) Die Auslegung des Sachverhaltes Mit Blick auf die bereits oben geschilderten Grundsätze ist es möglich, schon auf Sachverhaltsebene die Umgehung durch Auslegung des Sachverhaltes zu eliminieren, §§ 133, 157 BGB. Die Grenze dieser Vorgehensweise ist jedoch dort zu ziehen, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich verschiedene rechtliche Wege aufzeigt, einen bestimmten rechtlichen Erfolg herbeizuführen. Hier kann nicht im Wege der Auslegung des Sachverhaltes den Parteien das eine Rechtsgeschäft aufoktroyiert werden, wenn die Parteien sich ausdrücklich für das andere Rechtsgeschäft entschieden haben. Unter Bezugnahme auf die oben genannten Mittel zur Gesetzesumgehung ist zu prüfen, inwiefern die Auslegung des Sachverhaltes bereits die Gesetzesumgehung verhindern kann. 305
Schurig, Vorkaufsrecht, S. 158; Teichmann, S. 64 f., 78 ff.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
aa) Die Verschleierung des Tatbestandes Der Verschleierung des Tatbestandes kann schon durch Auslegung des Sachverhaltes entgegengewirkt werden306. Der Sachverhalt wird ausgelegt und die rechtliche Qualifikation erfolgt nach objektiven Kriterien. Bei Verschleierung des Tatbestandsmerkmals „Kaufvertrag“ bei § 463 BGB kann daher eine Gesetzesumgehung dadurch verhindert werden, dass der Sachverhalt derart ausgelegt wird, dass sich dieser unter den Rechtsbegriff „Kaufvertrag“ subsumieren lässt307. Liegt materiell rechtlich bereits ein Kaufvertrag i. S. d. § 433 BGB vor, wird dieser jedoch als „Mietvertrag“ bezeichnet, so wird diese Falschbezeichnung korrigiert und die damit intendierte Umgehung des § 463 BGB schon durch Auslegung des Sachverhaltes unterbunden308. Bei der Verschleierung durch schlichte Falschbezeichnung ist mithin die Verhinderung der Umgehung insofern unproblematisch, als dass die Bezeichnung durch die Parteien als Rechtsansicht unerheblich ist und daher schlicht durch die materiell richtige ersetzt wird. bb) Die Aufspaltung in mehrere Rechtsgeschäfte Der Umgehung mittels Aufspaltung eines einheitlichen Rechtsgeschäftes wird durch Auslegung des Sachverhaltes begegnet. Rechtlich gesehen bestehen zwar mehrere einzelne Rechtsgeschäfte, die aber im Wege der Auslegung als ein einheitliches Rechtsgeschäft betrachtet werden müssen, um eine Umgehung zu verhindern. Im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung wird die künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs als Einheit behandelt. Das bedeutet im Hinblick auf den Ausschlussgrund nach § 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB, dass die einzelnen Beträge zusammengerechnet werden, wenn es sich wirtschaftlich betrachtet um eine einheitliche Gegenleistung handelt309. Dies ist freilich dann problematisch, wenn die einzelnen Verträge nicht auf einem Gesamtplan beruhen, sondern „zufällig“ nacheinander abgeschlossen worden. Solche Verträge
306
Römer, S. 38. So etwa Probst, Anmerkung zu BGH v. 11.10.1991 – V ZR 127/90, JR 1992, 419, 421. Dieser schlägt vor zu prüfen, ob die von den Parteien getroffene Vereinbarung unabhängig von deren Bezeichnung die materielle Struktur eines echten Kaufvertrags erfüllt. Folge wäre dann, dass § 504 BGB a. F. direkt Anwendung findet. Zudem hält er es für möglich, dass Vorkaufsberechtigter und Vorkaufsverpflichteter sich auch auf die Anwendung des Vorkaufsrechts auf Veräußerungs- oder Überlassungsverträge geeinigt haben können, die nicht dem Kaufrecht unterliegen. Dies ergebe sich aus der Privatautonomie und der Abdingbarkeit des § 505 BGB a. F. Damit könne der Vorkaufsberechtigte auch in den Fällen sein Vorkaufsrecht ausüben, in denen ein anderer als ein Kaufvertrag geschlossen wurde. 308 Heeder, S. 125. 309 Masuch/Münchener Kommentar, § 312 BGB Rn. 117; Thüsing/Staudinger, § 312 BGB Rn. 178. 307
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müssen im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG wirksam sein, wenn die Auslegung des Sachverhaltes ergibt, dass zwischen den einzelnen Verträgen keine auf einem Gesamtplan beruhende konditionale oder funktionelle Verknüpfung besteht. cc) Das Ausweich- und Korrekturgeschäft nach Gesamtplan Zu klären ist, welche rechtsmethodischen Mittel zur Verfügung stehen, um die eintretenden rechtlichen Wirkungen der gegenläufigen Gestaltung zu verhindern. (1) Die Saldierungsmethode Vorgeschlagen wird die im Zwischenschritt erreichte Veränderung der Sachund Rechtslage für die rechtliche Beurteilung des Gesamtvorgangs unberücksichtigt zu lassen310. Die durch das Ausweichgeschäft und das Korrekturgeschäft erzielten Rechtsfolgen müssen isoliert betrachtet werden und sind schließlich im Wege einer saldierenden Gesamtbetrachtung zu „neutralisieren“ 311. Das bedeutet, dass sich die Wirkungen der beiden Rechtsgeschäfte gegenseitig aufheben. Durch eine solche saldierende Gesamtbetrachtung wird damit einer getrennten Beurteilung von Ausweich- und Korrekturgeschäft und damit der Umgehung entgegengewirkt. Die Umgehungstechnik wird neutralisiert312. Voraussetzung dieses methodischen Vorgehens ist allerdings, dass die einzelnen Rechtsgeschäfte auf einem Gesamtplan beruhen und in einem objektiven und subjektiven Zusammenhang stehen313. Die beschriebene saldierende Gesamtbetrachtung stellt im Ergebnis eine besondere Form der Sachverhaltsaufbereitung und Sachverhaltsauslegung dar, die dazu führt, dass der Subsumtion ein rechtlich fiktiver Sachverhalt zugrunde zu legen ist314. (2) Bewertung An diesem Vorgehen ist freilich zu kritisieren, dass der ausdrücklich geäußerte Wille der Vertragsparteien dadurch missachtet wird, dass die mit den gegenläufigen Gestaltungen bezweckten Rechtsfolgen vollständig ignoriert werden und bei der Rechtsanwendung außer Betracht bleiben. Bei Abschluss des Ausweich- und des Korrekturgeschäftes wollen die Parteien unbedingt die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäftes auslösen, ansonsten würde die gewählte Konstruktion auch keinen Sinn für die Parteien ergeben. Zutreffend ist, dass nach dem Gesamtplan die Rechtsfolgen des Ausweichgeschäftes nicht endgültig eintreten und mittels des 310 311 312 313 314
Böckli, FS Cagianut, S. 289, 298, 310; Sieker, S. 122. Gaul, Schluss, Rn. 94; Sieker, S. 122. Sieker, S. 123, Fn. 345. Fischer, DB 1996, 644, 651 f.; Sieker, S. 124. Böckli, FS Cagianut, S. 289, 310.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
Korrekturgeschäftes wieder rückgängig gemacht werden sollen. Diese Möglichkeit ergibt sich jedoch aus der Vertragsfreiheit. Die Regelungen über Bedingungen und Befristungen (§§ 158 ff. BGB) zeigen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die Möglichkeit zur Verfügung stellt, seine Rechtsverhältnisse nur bedingt, also nicht endgültig, zu gestalten. Es liegt keine Simulation eines Sachverhaltes vor, sondern zwei Rechtsgeschäfte, deren Wirkungen unbedingt gewollt sind315. Im Wege einer saldierenden Gesamtbetrachtung diesen ausdrücklich geäußerten Willen für unbeachtlich zu erklären und im Wege der Sachverhaltsauslegung einfach einen „vernünftigen“ Willen zu unterstellen, ist im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG bedenklich. Eine Auslegung einer Erklärung gegen den Willen ist regelmäßig nicht möglich. Werden die Rechtswirkungen des Ausweich- und Korrekturgeschäftes ignoriert, so führt dies zu einer Änderung des ausdrücklich erklärten Willens und damit zu einer Vertragsinhaltsänderung316. Die Verhinderung der Umgehung durch ein Ausweich- und Korrekturgeschäft soll nach der hier vertretenen Ansicht auch im Wege der Sachverhaltsauslegung erfolgen, wobei die Grenze dieses methodischen Vorgehens bei Art. 2 Abs. 1 GG zu ziehen ist. Grundsätzlich können zwei Verträge, die die Parteien abschließen, nicht unbeachtlich sein. Der ausdrückliche geäußerte Wille der Parteien kann regelmäßig nicht ignoriert werden. Von diesem Grundsatz ist allerdings eine Ausnahme zu machen. So ist der ausdrücklich geäußerte Wille zum Abschluss von zwei Verträgen dann unbeachtlich, wenn die Ausweich- und Korrekturgeschäfte beruhend auf einem Gesamtplan konditional miteinander verknüpft sind. Zum einen wird aufgrund des Gesamtplans der Parteien und aus der konditionalen Verknüpfung der einzelnen Verträge deutlich, dass die Parteien eine bestimmte Rechtsfolge nur vorübergehend eintreten lassen wollen. Die mit dem Ausweichgeschäft verbundene Rechtswirkung soll nach dem Gesamtplan nicht endgültig eintreten und wird daher mit dem Abschluss des Korrekturgeschäftes revidiert317. Zum anderen verhalten sich die Parteien durch den Abschluss des Korrekturgeschäftes widersprüchlich mit der Konsequenz, dass die Rechtsfolgen der abgeschlossenen Rechtsgeschäfte unbeachtlich bleiben müssen318. Die Widersprüchlichkeit ergibt sich aus der funktionellen und zweckgerichteten Konnexität beider Rechtsgeschäfte, die sich in ihrer Rechtsfolge im Ergebnis aufheben319. Diese Widersprüchlichkeit rechtfertigt es, die Rechtswirkungen der einzelnen Transaktionen als unbeachtlich zu behandeln und der Subsumtion einen rechtlich fiktiven Sachverhalt zugrunde zu legen.
315 316 317 318 319
Zur Abgrenzung zum Scheingeschäft, Böckli, FS Cagianut, S. 289, 299. Teichmann, S. 44. Fischer, DB 1996, 644, 651. Teichmann, S. 46 f. Böckli, FS Cagianut, S. 289, 300 f.
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dd) Das Einschalten eines Dritten Während im Steuerrecht die Zwischenschaltung eines Dritten dadurch verhindert wird, dass unter Berufung auf § 42 Abs. 1 S. 1 AO die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte versagt wird, wird im Verbraucherschutzrecht 320, die Umgehung durch Einschaltung eines Dritten im Wege der Zurechnung eines bestimmten personenbezogenen Tatbestandsmerkmals verhindert321. Das fehlende Tatbestandsmerkmal in Form eines personenbezogenen Merkmals wird also durch Zurechnung dieses Merkmals, das ein anderes Rechtssubjekt verkörpert, substituiert322. Die Zurechnung ist eine Rechtstechnik, mit deren Hilfe Tatbestandsmerkmale, welche ein Rechtssubjekt verwirklicht, einem anderen Rechtssubjekt zugeordnet werden (z. B.: §§ 31, 278, 164 BGB). Die Zurechnung stellt damit eine besondere Form der Auslegung des Sachverhaltes dar. Voraussetzung einer Zurechnung sind folgende323: (1) Der Zweck der Norm steht einer Zurechnung nicht entgegen Der Normzweck darf einer Zurechnung nicht entgegenstehen. So kann eine Norm sogar eine Zurechnung fordern, um eine Gesetzesumgehung zu verhindern324. Es ist aber möglich, dass der Normzweck eine Zurechnung verbietet, wie es bei der Regelung des § 1 Abs. 2 KSchG der Fall ist. Danach ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers weiterbeschäftigt werden kann. Eine Erstreckung der Sozialwahl auf den Konzern ist nicht möglich mit der Folge, dass dem kündigenden Arbeitgeber keine freien Arbeitsplätze im Konzern zugerechnet werden können325. Auf der Stufe der Umgehungsverhinderung muss also festgestellt werden, dass die Vorschrift, die im Widerspruch zum Subsumtionsvorschlag des (potentiellen) Normadressaten steht, nicht einer Zurechnung entgegensteht. (2) Der Zurechnungsgrund Es muss ein Grund für die Zurechnung bestehen, da der Eintritt der Rechtsfolgen einer Norm, obwohl der Tatbestand formal nicht erfüllt ist, rechtfertigungs320 Lorenz, Entscheidungsbesprechung zu BGH v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, LMK 2007, 211667. 321 So schon Bork, ZGR 1994, 237, 240. Dagegen wendet der BGH ein, dass der § 475 Abs. 1 S. 2 BGB nicht darauf abziele, den Vertragspartner eines Verbrauchers, der selbst Verbraucher ist, als Unternehmer zu behandeln und den Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf zu unterwerfen, BGH v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, NJW 2007, 759. 322 Bork, ZGR 1994, 237, 238; Rehbinder, S. 115 ff. 323 Sieker, S. 126 ff. 324 BGH v. 9.1.1992 – IX ZR 165/91, NJW 1992, 1702, 1703. 325 BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 568/80, NJW 1984, 381.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
bedürftig ist. Der Grund besteht regelmäßig in der Instrumentalisierung des anderen Rechtssubjekts für die Zwecke des Hintermannes durch planmäßigen Einsatz in den Geschehensablauf326. Das Verhalten des anderen Rechtssubjekts muss vom Hintermann aufgrund einer vertraglich begründeten Abhängigkeit beherrschbar sein327. Dieser planmäßige kontrollierte Einsatz des Rechtssubjekts rechtfertigt es, das Verhalten des Vordermannes dem Hintermann zuzurechnen. (3) Die Rechtsfolge der Zurechnung Liegen die Voraussetzungen der Zurechnung vor, so ist der festgestellte Sachverhalt auf den Hintermann, der das Geschehen steuert, zu beziehen328. Die Zurechnung als besondere Form der Sachverhaltsauslegung hat zur Folge, dass beispielsweise beim unzulässigen Agenturgeschäft nicht der vertretene Verbraucher das Auto verkauft, sondern der Unternehmer, der ausschließlich formal als Vertreter auftritt, als Verkäufer anzusehen ist. Es wird also mit einer Fiktion gearbeitet, die aber auf der Sachverhaltsebene ansetzt, indem sie tatsächlich unterstellt, dass der Unternehmer als Verkäufer auftritt. Dies ist der Sachverhalt, der unter § 474 Abs. 1 S. 1 BGB zu subsumieren ist329. Erfüllt also der Hintermann einzelne Tatbestandsmerkmale nicht in eigener Person, so führt die Zurechnung der von dem beherrschten Rechtssubjekt verwirklichten Sachverhaltselemente zur Anwendung der Norm bei dem Hintermann330. Die umgangene Norm ist auf den Hintermann zu projizieren und es tritt die jeweilige Rechtsfolge ein. Zurechnung führt also im Wege einer Gesamtschau aller tatbestandsrelevanten Verhältnisse zu einer gleichzeitigen Zuordnung zu einem Rechtssubjekt331 und ermöglicht somit die Subsumtion und damit die Rechtsfindung. ee) Zusammenfassung Die Umgehung wird bei der Aufspaltung eines einheitlichen Sachverhaltes und bei dem Ausweich- und Korrekturgeschäft durch eine Gesamtbetrachtung des Sachverhaltes verhindert, wenn die Aufspaltung des Sachverhaltes und der Abschluss von Ausweich- und Korrekturgeschäft konditional, beruhend auf einem Gesamtplan, miteinander verknüpft sind. Die Umgehung durch Zwischenschaltung eines Dritten wird im Wege der Zurechnung als besondere Form der Sachverhaltsauslegung unmöglich gemacht. 326
Bork, ZGR 1994, 237, 240. Sieker, S. 128. 328 Rehbinder, S. 115; Sieker, S. 128. 329 Eines Rückgriffs auf § 474 Abs. 1 S. 2 BGB bedarf es nach der hier vertretenen Ansicht dann nicht. 330 Rehbinder, S. 115; Sieker, S. 128. 331 Bork, ZGR 1994, 237, 238. 327
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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b) Die Auslegung des Gesetzes Steht der Sachverhalt fest, so kann im Wege der Auslegung der Tatbestandsmerkmale das Umgehungsgeschäft verhindert werden. Der Auslegung des Gesetzes kommt dann eine zweifache Bedeutung zu. Zum einen muss bei der Bestimmung, ob überhaupt ein Umgehungsgeschäft vorliegt, das Ziel des Gesetzes durch Auslegung ermittelt werden (1. Stufe = Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes/1. Bedeutung der Auslegung). Zum anderen werden dann bei der Verhinderung der Umgehung die Tatbestandsmerkmale so weit ausgelegt, damit die Norm den Sachverhalt erfasst332 (2. Stufe = Umgehungsverhinderung/2. Bedeutung der Auslegung). Mittels der Auslegung des Gesetzes ist es dann auch möglich, Gesetzesumgehungen zu verhindern, die im Wege der Verschleierung des Tatbestandes erfolgen. Dabei wird insbesondere bei der Verschleierung des Vertragstyps eine wirtschaftliche Betrachtung der Rechtsfolgen vorgenommen und untersucht, inwiefern sich diese Rechtsfolge einer bestimmten typischen Vertragsart zuordnen lässt. Entsprechend wird die Norm zur Erfassung des Sachverhaltes weit ausgelegt333. Der Umgehungsbegriff dient in diesem Zusammenhang auch als Auslegungsargument, um eine extensive Auslegung zu ermöglichen334. So kann zur Verhinderung der Umgehung des § 463 BGB der Rechtsbegriff „Kaufvertrag“ so weit ausgelegt werden, dass dieser auch Rechtsgeschäfte erfasst, die wirtschaftlich betrachtet die gleichen Rechtsfolgen wie Kaufverträge335 auslösen336. 2. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch Analogie Eine weitere Möglichkeit, die Gesetzesumgehung rechtsmethodisch abzuwenden, besteht in der analogen Anwendung der zwingenden und umgangenen Norm337. Die Gesetzesumgehung durch die analoge Anwendung der umgangenen Norm zu verhindern, ergibt sich aus dem Umstand, dass sich sowohl bei der Gesetzesumgehung als auch bei der Analogie ein bestimmter Sachverhalt nicht unmittelbar unter den Tatbestand einer Norm subsumieren lässt338. Es besteht in
332
Benecke, S. 81 f. BGH v. 12.12.1973 – VIII ZR 183/72, NJW 1974, 365, 366; zust., Teichmann, JZ 2003, 761, 763 f. 334 Benecke, S. 87. 335 So etwa BGH v. 11.10.1991 – V ZR 127/90, NJW 1992, 236, 237. 336 Vgl. das obige Beispiel, S. 43. 337 Benecke, S. 111. Huber ordnet die Gesetzesumgehung grundsätzlich der Analogie zu (JurA 1970, 784, 797), lehnt aber im Ergebnis eine analoge Anwendung dann ab, wenn von zwei verschiedenen zulässigen Rechtsformen eine gewählt wird, JurA 1970, 784, 804; Teichmann, S. 78 ff.; ders., JZ 2003, 761, 765. 338 Benecke, S. 165. 333
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
beiden Fällen eine Gesetzeslücke. Auf der Ebene der Rechtsfindung beginnt die analoge Anwendung einer Norm dann, wenn die Auslegung an ihre Grenzen stößt. Mittels der Analogie können dann die Sachverhalte erfasst werden, die nicht unter den durch einfache Gesetzesauslegung ermittelten Geltungsbereich einer Norm fallen. Mithin dient die Analogie der Gesetzeslückenschließung. a) Die analoge Anwendung der umgangenen Norm Für eine Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage notwendig339. Dabei wird das Gesetz auf einen anderen, vom Wortsinn der Vorschrift augenscheinlich nicht erfassten Sachverhalt, angewandt340. Erforderlich ist allerdings eine Ähnlichkeit des gesetzlich geregelten Tatbestandes mit dem zu beurteilenden nicht geregelten Fall. Dabei ist die Ähnlichkeit anhand des Gesetzeszweckes zu beurteilen341. Zudem ist eine planwidrige Regelungslücke erforderlich342. Es ist zu fragen, ob das Gesetz nur auf bestimmte Sachverhalte Anwendung findet oder ob das Gesetz lediglich eine Auswahl von Sachverhalten trifft343. Dabei ist zu untersuchen, ob eine planwidrige unvollständige Regelung oder eine planmäßige punktuelle Anwendbarkeit einer Vorschrift vorliegt344. Erweisen sich die Unterschiede des vom Tatbestand erfassten Sachverhaltes und des zu beurteilenden Sachverhaltes als gering, so ist die Norm trotz entgegenstehenden Wortlauts auf den Sachverhalt anzuwenden345. Die Umgehung wird im Ergebnis dadurch verhindert, dass die umgangene Norm analog zur Anwendung kommt. Das Umgehungsgeschäft ist daher nicht unwirksam, sondern es tritt die Rechtsfolge der vermeintlich umgangenen Norm ein (Gleichstellung)346.
339
Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. Römer sieht keine wesentlichen Unterschiede zwischen Auslegung und Analogie. Während die Auslegung den im Wortlaut unvollkommenen ausgedrückten Gesetzeszweck zu Ende denkt, ermöglicht die Analogie das Weiterdenken des vom Wortlaut nicht erfassten Gesetzeswillens. Beide Methoden zielen also darauf ab, den Zweck der Norm durch Herbeiführung der Anwendbarkeit der Norm zu realisieren, S. 31; Sieker, S. 89. 341 Larenz, Methodenlehre, S. 381 f. 342 Larenz, Methodenlehre, S. 373. 343 So Lutter, ZGR 1977, 195, 200 zur Frage der Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes. 344 Lutter, ZGR 1977, 195, 201. 345 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 475 f. Zerres führt das Beispiel des „Haustürgeschäftes“ an und wirft die Frage auf, was noch „Bereich einer Privatwohnung“ sei, MDR 2004, 1334, 1336. 346 Benecke, S. 103 ff., 116. 340
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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b) Die Unterschiede zwischen der Umgehung und der Analogie Zerres347 und Benecke348 gehen allerdings davon aus, dass sich Gesetzesumgehung und Analogie rechtsmethodisch unterscheiden. So gehen Gesetzesumgehung und Analogie von unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen aus. Nach deren Ansicht sei eine Analogie nur dann möglich, wenn eine planwidrige Regelungslücke vorliege, die dadurch entsteht, dass der Gesetzgeber einen bestimmten Sachverhalt „übersehen“ und diesen daher planwidrig nicht geregelt habe349. Es besteht also ein Sachverhalt, der sich nicht durch Auslegung einer Norm unter diese subsumieren lässt (Regelungslücke). Ist diese Regelungslücke planwidrig und besteht eine vergleichbare Interessenlage, dann kommt es zur analogen Anwendung. Analogie bedeutet also die Erweiterung oder die Erstreckung des gesetzlichen Anwendungsbereichs einer Norm bei wertungsmäßig ähnlicher Fallgestaltung350. Bei Umgehungskonstellationen bestehe jedoch keine Gesetzeslücke. Es existiere bereits eine Regelung, die einen bestimmten Sachverhalt vom Schutzzweck her und von der Zielrichtung des Gesetzes bereits umfasse351, allerdings nicht unmittelbar vom Wortlaut der Norm umfasst sei. Der der Umgehung dienende Sachverhalt werde also von dem Anwendungsbereich einer bestimmten Norm abgedeckt, weil eine Nichterfassung der Umgehungsfälle ein Leerlaufen der Vorschrift zur Folge hätte352. Bei der Gesetzesumgehung soll also die Norm nach dem Willen des Gesetzgebers den Sachverhalt umfassen, der der Umgehung diene. Bei der Umgehung entsteht also nicht der Eindruck353, dass der Gesetzgeber den vorliegenden Sachverhalt nicht regeln wollte354. Vielmehr soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Sachverhalt von der Norm umfasst sein, wobei sich jedoch dieser nicht ohne weiteres unter den Tatbestand subsumieren lässt. Auch bestehe bei der Falllösung Unterschiede355: Bei der Analogie besteht zunächst eine Regelungslücke. In einem weiteren Schritt wird nach einer Norm gesucht, die aufgrund der vergleichbaren Interessenlage und aufgrund der Ähnlichkeit des vorliegenden Sachverhaltes mit dem unmittelbar von der Regelung erfassten Sachverhalt analog anzuwenden ist. Bei der Umgehung ist allerdings der Ausgangspunkt die umgangene Norm selbst. Es wird also zunächst festgestellt, 347
Zerres, MDR 2004, 1334, 1338. Benecke, S. 166. 349 Benecke, S. 166. 350 Gramlich/Zerres, ZIP 1998, 1299, 1304; Zerres spricht in diesem Zusammenhang von „Ausdehnungsfunktion“, MDR 2004, 1334, 1338. 351 Benecke, S. 166. 352 „Schutzfunktion“, Zerres, MDR 2004, 1334, 1338. 353 Westerhoff spricht in diesem Zusammenhang vom „psychischen Erlebnis“, S. 91. 354 Benecke, S. 166; Westerhoff, S. 92. 355 Benecke, S. 167. 348
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dass eine bestimmte Norm umgangen wurde; schließlich ist zu fragen, ob nicht die umgangene Norm analog auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist. Bei der Gesetzesumgehung stehe also bereits fest, dass eine bestimmte Norm umgangen werde. Die Ähnlichkeit zwischen dem von der Norm umfassten Sachverhalt und dem vorliegenden Sachverhalt liegt bereits vor. Während also bei der Analogie die Ähnlichkeit einer bestimmten Norm im Ausgangspunkt noch nicht feststeht, ist dies bei der Umgehung zu bejahen. c) Die Einschränkung der Rechtsformwahl Die analoge Anwendung einer Norm zur Verhinderung der Umgehung soll aber dann nicht möglich sein, wenn der Rechtsunterworfene die Wahl zwischen verschiedenen Rechtsformen hat. Eine andere Betrachtung würde dazu führen, dass durch die analoge Anwendung einer nicht einschlägigen Norm zu sehr in die Wahlfreiheit der Rechtsformwahl und damit in die Vertragsfreiheit eingegriffen wird356. Wenn die Parteien aus verschiedenen Rechtsformen eine bestimmte wählen können, um ihren angestrebten Zweck zu erreichen und so zugleich eine andere Rechtsform vermeiden, dann kann aufgrund der gesetzlichen Modellvorstellung nicht durch analoge Anwendung der minder geeigneten Rechtsform der Vorzug gegeben werden357. Das Gesetz müsste dann eindeutigere Regelungen aufstellen und es darf nicht die legislative Wahlfreiheit durch analoge Anwendungen konterkariert werden. So müssen die Wahl einer bestimmten Rechtsform anerkannt und die mit der gewählten Rechtsform verbundenen Rechtsfolgen akzeptiert werden358. d) Bewertung Die von Benecke und Zerres aufgezeigten methodischen Unterschiede zwischen Analogie und Gesetzesumgehung treffen zu. Allerdings führt die Unterscheidung in der Ursache der Analogie und der Gesetzesumgehung sowie die Differenzen in der Rechtsmethode nicht zu einer anderen Behandlungsweise Gesetzesumgehungen zu verhindern. Im Ergebnis ist mithin festzustellen359: Liegt ein Fall der Gesetzesumgehung vor, so kann diese nicht zwangsläufig durch analoge Anwendung der umgangenen Norm verhindert werden. Zunächst ist immer zu prüfen, ob im Wege der Auslegung der Norm der Sachverhalt unter die Norm subsumiert werden kann. Stehen die Grenzen der Auslegung einer extensiven Auslegung entgegen, so ist anschließend zu untersuchen, ob die Regeln der Analogie bei der umgangenen Norm Anwendung finden. Die analoge Anwendung 356 357 358 359
Huber, JurA 1970, 784, 804. Huber, JurA 1970, 784, 804. Huber, JurA 1970, 784, 806. Benecke, S. 168.
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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der Norm verhindert die Gesetzesumgehung. Die analoge Anwendung scheidet aber dann aus, wenn der Gesetzgeber zwei Rechtsinstitute zur Verfügung stellt, derer sich der Normunterworfene bedienen kann. 3. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung Die Rechtsfortbildung bildet das letzte methodische Mittel der Rechtsfindung und ist daher auch geeignet, Gesetzesumgehungen zu verhindern. a) Grundsätze Die Gerichte sollen das Recht fortbilden, §§ 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, 543 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 132 Abs. 4 GVG360. Zudem ergibt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG die Pflicht der Gerichte, das Recht weiterzubilden und somit zugleich das Rechtsverweigerungsverbot361. Das ungeschriebene Recht, das seine Quellen in der verfassungsmäßigen Ordnung als einem Sinnganzen hat, stellt ein Korrektiv zu dem geschriebenen Gesetz dar. Es ist Aufgabe der Rechtsprechung Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent sind, zu finden und in Entscheidungen zu realisieren362. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Norm aufgrund der sich schnell ändernden Lebensverhältnissen und Rechtsanschauungen363 immer im Zusammenhang mit den sozialen Verhältnissen und der gesellschaftlichen Anschauung steht364. Abhängig von diesen Umständen wandelt sich auch der Inhalt der Norm. Damit wächst zugleich die Freiheit des Richters zur schöpferischen Fortbildung des Rechts und zwingt ihn gleichsam die Rechtsnormen freier zu handhaben365. Mit dieser grundsätzlichen Anordnung bewegt sich die richterliche Rechtsfortbildung in einem Spannungsfeld zwischen legitimer Rechtsprechung und unzulässiger richterlicher Rechtsetzung, Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 97 Abs. 1 GG366. Der normunterworfene Bürger muss sein Verhalten auf den Inhalt der Rechtsordnung einstellen können, um entsprechend sein Verhalten lenken zu können. Besteht bereits eine eindeutige gesetzgeberische Entschei360
BVerfG v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, NJW 1954, 65; BVerfG v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221, 1225; Wiedemann, NJW 2014, 2407. 361 Grundlegend BVerfG v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221; „Pflicht, jeden Rechtsstreit sachgerecht zu entscheiden“, BVerfG v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85, NJW 1991, 2549, 2550; Peter, RdA 1985, 337, 341; Schick, S. 186. 362 BVerfG v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221, 1225; Kissel, RdA 1994, 323, 330. 363 BVerfG v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221, 1225; Schick, S. 188. 364 BVerfG v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221, 1225. 365 BVerfG v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221, 1225 f. 366 U. a. Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 298; Hübner, AT, Rn. 112; Peter, RdA 1985, 337, 340.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
dung, so ist es dem Richter verwehrt eigene rechtspolitische Vorstellungen an deren Stelle zu setzen367. Bei der richterlichen Rechtsfortbildung unterscheidet man zwischen der gesetzesimmanenten und gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung. Unter die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung fallen die Analogie und die teleologische Reduktion368. Stößt also aufgrund des Wortlauts einer Norm die Auslegung an ihre Grenzen369, so beginnt zunächst der Bereich der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung. Es sind die Voraussetzungen der Analogie zu prüfen. Die gesetzesübersteigende (gesetzesüberschreitende) Rechtsfortbildung kommt erst dann in Betracht370, wenn die Auslegung der Norm und die analoge Anwendung der Norm nicht mehr möglich sind und Abhilfe durch den Gesetzgeber nicht zu erwarten ist. Dabei muss sich die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung im Rahmen der Grundwertungen der Rechtsordnung halten und mit spezifischen rechtlichen Erwägungen in überzeugender Weise begründet werden. Es dürfen also nur die Grundgedanken der von der Verfassung geprägten Rechtsordnung mit systemimmanenten Mitteln weiterentwickelt werden371. Voraussetzung der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist also das Vorhandensein einer Rechtsfrage, die nicht mit den vorhandenen methodischen Mitteln wie Auslegung, Analogie und teleologischer Reduktionen gelöst werden kann, die aber eine rechtliche Antwort verlangt372. Für die Anwendung der Grundsätze der Rechtsfortbildung haben sich daher bestimmte Fallgruppen herausgebildet373. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ist mithin nur dann möglich, wenn sie entweder aus zwingenden Bedürfnissen des Rechtsverkehrs374, aus der Natur der Sache375 oder aus rechtsethischen Prinzipien376 gerechtfertigt ist. Bei letzterem wird die ergänzende Rechtsfortbildung durch ein grundlegendes Prinzip oder wichtiges Rechtsgut gerechtfertigt. Zu den rechtsethischen Prinzipien gehören richtungsgebende Maß367
BVerfG v.14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, NJW 1985, 2395, 2402. BVerfG v. 3.4.1990 – 1 BvR 1186/89, NJW 1990, 1593, 1594; Bachner, NZA 1999, 1241. 369 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 467 ff.; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 111. 370 Kissel, RdA 1994, 323, 330. 371 Kissel, RdA 1994, 323, 330. 372 Larenz, Methodenlehre, S. 426. 373 Larenz, Methodenlehre, S. 414 ff. 374 Bspw.: Anwartschaftsrecht, Einziehungsermächtigung, vgl. Benecke, S. 188; Hübner, AT, Rn. 114; Larenz, Methodenlehre, S. 414 ff. 375 Bspw.: Parteifähigkeit nicht rechtsfähiger Vereine, Beweislastumkehr bei der Arzthaftung; Produzentenhaftung, vgl. Benecke, S. 188. 376 Bspw.: Frühere Grundlagen der positiven Vertragsverletzung und der culpa in contrahendo, zivilrechtliche Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Schmerzensgeld für Verletzungen des Persönlichkeitsrechts. 368
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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stäbe rechtlicher Normierung, die aufgrund ihrer eigenen Überzeugungskraft rechtliche Entscheidungen „rechtfertigen“ können377. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung findet ihre Grenzen dort, wo eine rechtliche Lösung nicht allein aufgrund rechtlicher Erwägungen getroffen werden kann und wo die Gesetzeslücke nur durch eine an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte politische Entscheidung geschlossen werden kann378. Diese muss dann von der Legislative getroffen werden, wenn die Verfassung verschiedene Möglichkeiten offen lässt, von denen keine allein aus rechtlichen Gründen allen anderen vorzuziehen ist. In diesem Fall ist nur der Gesetzgeber dazu berufen, die Verfassungsgebote zu konkretisieren379. b) Die Rechtsfortbildung als Methode Gesetzesumgehungen zu verhindern Werden die rechtsmethodischen Grenzen der Auslegung und der Analogie überschritten, so kann es Aufgabe der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung sein, Gesetzesumgehungen zu verhindern380. Dies ist immer dann erforderlich, wenn der zu entscheidende Sachverhalt vom Gesetzgeber nicht bedacht wurde und er weder im Wege der Auslegung noch durch die analoge Anwendung der Vorschrift gelöst werden kann381. Damit stellt die Rechtsfortbildung lediglich eine andere Stufe desselben gedanklichen Verfahrens dar382. Hinsichtlich der Gesetzesumgehung sind die Fallgruppen „ethische Prinzipien“ und „Natur der Sache“ von praktischer Bedeutung, weil die Fallgruppe „Bedürfnisse des Rechtsverkehrs“ kaum für die Unwirksamkeit eines Umgehungsgeschäftes sprechen könnte383. So sind „ethische Prinzipien“ betroffen, wenn Gesetzesumgehungen durch eine Störung der Vertragsparität ermöglicht werden. Dies ist insbesondere bei der Umgehung von Schutzgesetzen der Fall. Auch die „Natur der Sache“ ist im Zusammenhang mit Gesetzesumgehungen eine wichtige Fallgruppe. So war die Rechtsprechung zur Beweislastumkehr im Arzthaftungsrecht aus der „Natur der Sache“ erforderlich, um die Rechte des Patienten gegenüber dem Arzt zu schützen384. Eine andere Beurteilung, also die Beweislast hinsichtlich der Pflicht377
Larenz, Methodenlehre, S. 421. Larenz, Methodenlehre, S. 426 ff. 379 Larenz, Methodenlehre, S. 427 f. 380 Benecke, S. 187 ff.; Schick, S. 186. 381 Benecke, S. 187; Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 196; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 122. 382 Larenz, Methodenlehre, S. 366. 383 Benecke, S. 189. Vielmehr wurde die früher als unzulässiges Umgehungsgeschäft qualifizierte Sicherungsübereignung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt und ist jetzt allgemein anerkannt, Larenz, Methodenlehre, S. 414 f. 384 Jetzt: § 630h BGB n. F. 378
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
verletzung und Kausalität für den eingetretenen Schaden dem Patienten aufzuerlegen, hätte den Patienten in Beweisnot geführt. Folge wäre, dass er seine Ansprüche nicht hätte durchsetzen können. c) Bewertung Werden durch die Anwendung des Rechts Gesetzesumgehungen ermöglicht, so ist primär der Gesetzgeber dazu berufen, diese Möglichkeit zu beseitigen, wenn die einfache Anwendung des Rechts eine Korrektur nicht zulässt385. Zulässig ist es jedoch, innerhalb der Grenzen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung die Umgehung zu verhindern. Diese Grenze ist dabei aus rechtsstaatlichen Gründen streng zu beachten, weil die Rechtsfortbildung nicht den Willen des Gesetzgebers missachten darf. Die Gesetze beruhen auf einer politischen Entscheidung, der wiederum ein Wahlakt der Bevölkerung zugrunde liegt, der dazu führte, dass bestimmte Parteien im Parlament sind, die die Regierungsmehrheit bilden386. Jene Entscheidung der Bevölkerung darf nicht im Wege der Rechtsfortbildung rückgängig gemacht werden387. Aufgeführter Aspekt ist bei der Bestimmung der Eingriffsschwelle zu berücksichtigen, wenn die Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung die Wirksamkeit eines Umgehungsgeschäftes versagen will oder diese von weiteren Voraussetzungen abhängig macht. Besteht allerdings eine Gesetzeslücke388, so hat der Gesetzgeber keine konkrete Wertentscheidung getroffen. Es gibt dann keine gesetzgeberische Entscheidung, die verfassungsrechtlich legitimiert und daher zu achten ist389. Wird schließlich das Recht unter Einhaltung der Grenzen und innerhalb der anerkannten Fallgruppen fortgebildet, so stellt dieses methodische Vorgehen ein geeignetes Mittel dar, den gesetzgeberischen Willen durchzusetzen und die Gesetzesumgehung zu verhindern. 4. Zusammenfassung Welche Rechtsfolge bei Vorliegen einer Gesetzesumgehung eintreten soll und die damit verbundene Frage, wie die Gesetzesumgehung zu verhindern ist, hängen zum einen von dem methodischen Mittel, mit dem die Umgehung verhindert werden soll, und zum anderen von der umgangenen Norm ab.
385
Schurig, FS Ferid, S. 375, 403. BVerfG v. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74, NJW 1979, 305, 306; Söllner, NZA 1992, 721; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 208. 387 Schick, S. 137; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 207 ff., 215 ff. 388 Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. 389 Nur im gesetzesfreien Raum sei eine richterliche Rechtsschöpfung zulässig, Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 196. 386
E. Die Verhinderung der Gesetzesumgehung
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a) Das methodische Mittel zur Umgehungsverhinderung Lässt sich die Umgehung schon im Wege der Sachverhaltsauslegung oder der Gesetzesauslegung verhindern, so findet die „umgangene“ Norm unmittelbar Anwendung. Der Auslegung des Gesetzes kommt in diesem Fall eine doppelte Bedeutung zu. Zunächst ist die Auslegung zur Ermittlung des Ziels des Gesetzes erforderlich, um überhaupt festzustellen, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt (erste Bedeutung). Dabei steht die Ermittlung des mit der Norm verfolgten legislatorischen Ziels im Vordergrund. In diesem Zusammenhang ist danach zu unterscheiden, ob der mit dem Rechtsgeschäft erreichte Erfolg alleine oder nur eine bestimmte Geschäftsart oder Geschäftsform als Mittel eines an sich gebilligten Erfolgs vereitelt werden soll. Ist letzteres der Fall, so ist jedes andere Geschäft, das auf einem anderen Weg den rechtlichen Erfolg herbeiführt, wirksam390. Verbietet dagegen das umgangene Gesetz nach seinem durch Auslegung zu ermittelnden Sinn und Zweck generell den mit dem Umgehungsgeschäft angestrebten Erfolg, so ist die Gesetzesumgehung zu verhindern391. Zur Umgehungsverhinderung wird wieder das Gesetz ausgelegt (zweite Bedeutung). Allerdings nicht zur Ermittlung des Sinns und Zwecks, sondern um die Tatbestandsmerkmale in einer bestimmten Art und Weise auszulegen, damit der feststehende Sachverhalt von der Norm erfasst wird und dadurch die Umgehung unterbunden wird. Wird die Umgehung im Wege der Auslegung des Sachverhaltes verhindert, so ist dann Vorsicht geboten, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich verschiedene rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten anbietet. Dann kann mittels Sachverhaltsauslegung den Parteien nicht einfach ein „vernünftiger“ Wille oktroyiert werden. Ist die Auslegung der Norm zur Umgehungsverhinderung nicht mehr möglich, so ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Analogie vorliegen. Mit der Feststellung, dass eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen, steht zugleich fest, dass bei Nichtanwendung der Norm, der Gesetzeszweck konterkariert wird. Die Umgehung wird schließlich durch Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm im Wege der Analogie verhindert. Es tritt die Rechtsfolge der „umgangenen“ Norm in analoger Anwendung ein. Als letzter methodischer Schritt kommt schließlich die gesetzesübersteigende Rechtsanwendung in Betracht, wenn die Voraussetzungen der Analogie nicht vorliegen, allerdings auf der methodischen Zwischenstufe feststeht, dass der Subsumtionsvorschlag der Parteien gegen das Ziel der Norm verstoßen würde. Unter strenger Beachtung des Gewaltenteilungsgrundsatzes ist dann zu prüfen, ob dem Umgehungsgeschäft im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung die Wirksamkeit zu versagen ist. Die Gesetzesumgehung stellt mithin als methodi-
390 391
OLG Hamm v. 16.12.1982 – 28 U 198/82, NJW 1983, 2708. OLG Hamm v. 16.12.1982 – 28 U 198/82, NJW 1983, 2708.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
sche Zwischenstufe im Rechtsfindungsverfahren eine rechtliche Fiktion dar, die sich schließlich begrifflich auflöst. b) Die Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes Die Gesetzesumgehung führt nur in folgenden Fällen zur Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes. Ist das vermeintlich umgangene Gesetz ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB, dann tritt unter den Voraussetzungen des § 134, 2. Halbsatz BGB die Unwirksamkeit ein392. Auch im Falle des § 138 BGB tritt die Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes ein. Grundsätzlich sind Gesetzesumgehung und Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) voneinander zu unterscheiden, weil der Umstand, dass der Tatbestand einer Norm nicht erfüllt wurde, rein objektiv zu bestimmen ist. Allerdings schließen sich Gesetzesumgehung und Sittenwidrigkeit nicht aus. So kann eine Gesetzesumgehung zugleich sittenwidrig sein393. Dies ist aber nicht zwingend. Zudem ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes nach § 138 Abs. 1 und 2 BGB nicht immer die geeignete Rechtsfolge bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes. c) Die abzulehnenden Ansichten Nicht vertretbar ist allerdings, die Gesetzesumgehung unter dem Aspekt des § 242 BGB zu behandeln, weil durch die Anwendung dieses Rechtsinstituts keine klaren Grenzen aufgezeigt werden und sich die Rechtsfolge bei Vorliegen einer Gesetzesumgehung nicht eindeutig aus § 242 BGB ableiten lässt. Zu trennen ist die Gesetzesumgehung auch vom Scheingeschäft. Bei einem Scheingeschäft wollen die Parteien das objektiv Erklärte tatsächlich nicht. Bei einem Umgehungsgeschäft ist das objektiv Erklärte allerdings unabdingbare Voraussetzung, um die von den Parteien erklärte Rechtsfolge zu erreichen. Auch eines eigenständigen Rechtsinstituts „Gesetzesumgehung“ bedarf es nicht, weil das Vorliegen einer Gesetzesumgehung entscheidend von dem Ziel eines Gesetzes abhängt, das im Wege der Normauslegung zu ermitteln ist.
F. Die Ursache für die Entstehung von Gesetzesumgehungen Für das weitere Vorgehen erscheint es zudem sinnvoll, sich über die Ursache der Entstehung von Gesetzesumgehungen Gedanken zu machen. Die Ursache der Gesetzesumgehung soll anhand des bereits erwähnten Beispiels der Sicherungsübereignung erläutert werden, die früher als Umgehung des 392 393
Schurig, FS Ferid, S. 375, 406. Schurig, FS Ferid, S. 375, 407.
F. Die Ursache für die Entstehung von Gesetzesumgehungen
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§ 1205 BGB behandelt wurde, jetzt jedoch allgemein anerkannt ist394. § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt, dass der Eigentümer der Sache dem Gläubiger die Sache übergibt. Der Eigentümer/Schuldner muss also den unmittelbaren Besitz verlieren. Wird dagegen das Eigentum an einer Sache übertragen, so kann die Übergabe durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses ersetzt werden, § 930 BGB. Dies hat zur Folge, dass der Schuldner im unmittelbaren Besitz der Sache bleiben kann. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Gesetz ungleichartige Tatbestände an die gleiche Rechtsfolge knüpft. Das Gesetz behandelt diese unterschiedlich, je nachdem, welche Rechtsform die Parteien wählen. Entscheiden sich Gläubiger und Schuldner dafür, die Forderung durch die Bestellung eines Faustpfandrechts abzusichern, so bleibt der Schuldner Eigentümer der Sache. Allerdings übergibt dieser die Sache dem Gläubiger (§ 1205 Abs. 1 BGB) mit der Folge des Verlustes des unmittelbaren Besitzes. Letzterer kann die Sache verwerten, sobald die Forderung fällig ist, § 1228 Abs. 2 S. 1 BGB. Möchte der Gläubiger seine Forderung absichern, der Schuldner jedoch die zu verwertende Sache so lange nutzen, wie der Verwertungsfall noch nicht eingetreten ist, so eignet sich das Faustpfandrecht nach §§ 1204 ff. BGB nicht, weil § 1205 Abs. 1 BGB die Erlangung des unmittelbaren Besitzes auf Seiten des Gläubigers verlangt395. Daher greift die Praxis hier auf das nicht ausdrücklich geregelte Sicherungseigentum zurück. Unterschiede bestehen allerdings darin, dass der Schuldner das Eigentum an der Sache auf den Gläubiger überträgt, mithin sein Eigentum verliert. Dies ist bei der Bestellung des Pfandrechts nicht der Fall. Damit jedoch der Gläubiger die Sache nur dann verwertet, wenn der Schuldner mit der Forderung ausfällt und daher das Eigentum wieder auf den Schuldner zurück überträgt, wenn er die Forderung ordnungsgemäß erfüllt hat, werden diese Verpflichtungen schuldrechtlich im Sicherungsvertrag geregelt. Wirtschaftlich betrachtet hat das Sicherungseigentum die gleichen rechtlichen Folgen wie das Faustpfandrecht; sie unterscheiden sich jedoch in den Voraussetzungen396. Die Parteien werden sich also für das Sicherungseigentum entscheiden, weil dieses Institut den Schuldner im unmittelbaren Besitz der Sache belässt. Da das Gesetz beide Möglichkeiten der Kreditsicherung anbietet, stellt die Wahl für die eine Rechtsform nicht die Umgehung der Voraussetzung der anderen Rechtsform dar397. Das Anknüpfen der gleichen Rechtsfolge an unterschiedliche Tatbestände stellt einen gesetzessystematischen Bruch dar, wenn der Rechtsunterworfene mit annähernd gleichen Mitteln dasselbe Ergebnis erzielen kann398. Das Gesetz stellt unterschiedliche rechtliche Gestaltungsmittel zur Verfügung, die aber rechtlich oder 394
Huber, JurA 1970, 784, 798. Damrau/Münchener Kommentar, § 1205 BGB Rn. 10. 396 Zur wirtschaftlichen Analyse einer Norm, vgl. S. 53. 397 Nach Huber soll dies nur dann der Fall sein, wenn die Wahl eindeutigen, systematischen Wertungen des Gesetzes widerspricht, JurA 1970, 784, 800. 398 Schurig spricht von einem „materiellen Wertungsgefälle“, FS Ferid, S. 375, 402 f. 395
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
wirtschaftlich zu demselben Ergebnis führen. Dieser Bruch hat seine Ursache zum einen in der Gesetzgebungstechnik399 und zum anderen in der Methode der Rechtsfindung. Zudem wird sich der Normunterworfene bei Wahl einer rechtlichen Gestaltung meist auf die Vertragsfreiheit berufen.
I. Die Gesetzgebungstechnik Der Gesetzgeber möchte durch die Kodifizierung von Normen typische Interessengegensätze in einer bestimmten Weise zum Ausgleich bringen400. Er baut Gesetze daher tatbestandlich auf, indem der Eintritt einer Rechtsfolge an das Erfüllen eines bestimmten Tatbestandes geknüpft wird, um zum einen typische Lebenssachverhalte zu regeln401 und um zum anderen eine gleichförmige Rechtsanwendung in parallelen oder sich wiederholenden Fällen zu gewährleisten402. Insbesondere aus Rechtssicherheitsgesichtspunkten muss der Gesetzgeber bei der Kodifizierung eine typisierende Betrachtungsweise wählen403. Durch die tatbestandliche Erfassung von typischen Sachverhalten entsteht allerdings die Gefahr, dass atypische Sachverhalte404 nicht erfasst werden oder dass Sachverhalte geregelt werden, die nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht einbezogen werden sollen. Bei Vorliegen solcher Sachverhalte ist die Regelung dann unfähig, das legislatorische Ziel in seiner ganzen Tragweite zum Ausdruck zu bringen405. Aber auch wenn sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des Tatbestandes sehr konkreter und bestimmter Voraussetzungen bedient, wird die Norm dadurch auch besonders umgehungsanfällig, weil der Normunterworfene durch gezielte Vermeidung der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale das Eintreten der Rechtsfolge verhindern kann406. Der Gesetzgeber kann jedoch dadurch gegensteuern, indem er den Tatbestand mit verallgemeinerungsfähigen Merkmalen und unbestimmten auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen ausstattet, um einerseits möglichst viele – auch atypische – Sachverhalte zu berücksichtigen und um andererseits eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen407. Daher verhindert eine gewisse Abstraktionshöhe der 399
Huber, JurA 1970, 784, 798; Römer, S. 18; Schurig, FS Ferid, S. 375, 402. Römer, S. 17; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 119 ff. 401 Römer, S. 17 f., 48; Sieker, S. 62. 402 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 172; Söllner, NZA 1992, 721; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 119 ff. 403 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 347; Erhardt, S. 51. 404 Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 121. 405 Römer, S. 18; Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 128 ff. 406 Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3220. Dabei sind insbesondere die Normen „umgehungsanfällig“, die an eine zeitliche oder betragsmäßige Grenze anknüpfen, Sieker, S. 65. 407 Zum Steuerrecht: Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3220. Vgl. auch Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 132 ff. 400
F. Die Ursache für die Entstehung von Gesetzesumgehungen
103
Tatbestände Umgehungsgestaltungen408, weil diese schon durch die Auslegung der Norm unterbunden werden können. Während also der Gesetzgeber bei der Formulierung von Gesetzen abstrakt und typisierend vorgeht, richtet sich bei der Vertragsgestaltung der Einzelne danach aus, was er erreichen und was er nicht bezwecken will. Dabei geht es dem Einzelnen um die Verwirklichung der Privatautonomie und um die Durchsetzung individueller zeit- und ortsgebundener Zwecke409. Der Einzelne denkt also nicht „tatbestandlich“ wie der Gesetzgeber, sondern rechtsfolgenorientiert. Konsequenz dieser Vorgehensweise ist, dass er einen atypischen, von dem Gesetz nicht ausdrücklich genannten Sachverhalt wählt, um entweder die Rechtsfolgen einer ihm nachteiligen Norm zu vermeiden oder um die Rechtsfolge einer ihm günstigen Norm gezielt auszulösen410. Stehen dem Normunterworfenen beispielsweise zwei Vorschriften zur Verfügung, die die von ihm begehrte Rechtsfolge tragen, so wird er den für ihn günstigeren Tatbestand – also die Norm, dessen Voraussetzungen für ihn leichter zu erfüllen sind – aussuchen, um die gewünschte rechtliche Folge auszulösen. Oder möchte der Normunterworfene eine bestimmte Rechtsfolge vermeiden, so kann sich eine Umgehungsmöglichkeit ergeben, wenn es dem Betroffenen gelingt, seine Interessen durch eine im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Gestaltung zu verwirklichen411.
II. Die Methode der Rechtsfindung Eine weitere zu nennende Ursache von Gesetzesumgehungen liegt in der Methode der Rechtsfindung. Die Anwendbarkeit einer Norm wird vom Erfüllen des Tatbestandes abhängig gemacht, der wiederum an bestimmte abstrakte Tatbestandmerkmale anknüpft412. Ob die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, hängt von der Gesetzesinterpretation ab. Die Tatbestandsmerkmale sind auszulegen413, der relevante Sachverhalt ist zu ermitteln und festzustellen414. In einem dritten und letzten Schritt wird schließlich der normative Tatbestand mit dem festgestellten Lebenssachverhalt verglichen415. Der Richter muss also seine Schlussfolgerun-
408
Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3220. Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 172. 410 Römer, S. 18. 411 Sieker, S. 62. 412 Hübner, AT, Rn. 92. 413 Larenz, Methodenlehre, S. 312 ff. 414 Larenz, Methodenlehre, S. 304 ff. 415 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 395 ff.; Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 170. 409
104
2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
gen und Wertungen auf eine Subsumtion zurückführen416. Berücksichtigt der Gesetzgeber einen bestimmten Sachverhalt in einem Gesetz nicht, so kann dies das Einfallstor der Gesetzesumgehung sein. Die frei gewählte vertragliche Gestaltung kann dann nicht unter eine einheitlich gefasste Norm subsumiert werden417. Der Normunterworfene kann daher durch Gestaltung des Sachverhaltes versuchen, den Tatbestand einer ihm ungünstig erscheinenden Norm zu vermeiden. Durch die Gestaltung des Sachverhaltes soll auf diese Art und Weise dem Rechtsanwender eine bestimmte Auslegung des Sachverhaltes suggeriert werden und zwar dahingehend, dass der Sachverhalt nicht von der Norm umfasst erscheint. Bei Normen, die begünstigend wirken, müssen daher die Tatsachen so gestaltet werden, dass ein bestimmter Sachverhalt unter den Anwendungsbereich der Norm fällt418, um im Ergebnis einen nicht unmittelbar einschlägigen Normtatbestand anwendbar zu machen oder zu adaptieren419. Bei ungünstigen Normen muss es dagegen Ziel des Normunterworfenen sein, den Sachverhalt so zu gestalten, dass dieser nicht in den Anwendungsbereich der (nachteiligen) Norm fällt420.
III. Die Berufung auf die Vertragsfreiheit als Rechtfertigung Ein weiterer Grund für Gesetzesumgehungen liegt darin, dass der Normunterworfene sich bei der Umgehungsgestaltung auf die Vertragsfreiheit berufen kann. Insbesondere, wenn der Gesetzgeber verschiedene rechtliche Gestaltungsmittel zur Verfügung stellt, ist der Einzelne grundsätzlich frei darin, welchem Rechtsinstitut er sich bedient. Die Umgehungshandlung zeichnet sich also dadurch aus, dass diese „an sich“ nicht zu beanstanden ist421. Die rechtlichen Gestaltungsmittel der Umgehung sind also „an sich“ rechtlich zulässig422. Der Gesetzesumgehende wird also unter Berufung auf die Vertragsfreiheit von rechtlichen Gestaltungsmitteln Gebrauch machen, die im Rechtsverkehr üblich sind und derer er sich auch bedienen darf 423. Die Vertragsfreiheit oder in bestimmten Fällen sogar einzelne Normen (Umgehungsnorm), die die vertraglichen Konstruktionen ausdrücklich billigen, dienen damit schlechterdings der Legitimierung des Verhaltens
416
Benecke, S. 187. Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 170 f. 418 Es geht darum, sich den Tatbestand zu erschleichen oder sich den Rechtssatz aufzuziehen, Römer, S. 34; Schick, S. 37. 419 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 171. 420 Römer, S. 33 f. 421 Römer, S. 36. 422 Römer, S. 19. 423 Römer, S. 19; Westerhoff, S. 89. 417
F. Die Ursache für die Entstehung von Gesetzesumgehungen
105
des Vertragsgestalters424. Die Berufung auf die Vertragsfreiheit wird wiederum dadurch verursacht, dass das Gesetz unterschiedliche Wertungen, die unvermittelt in einem unaufgehobenen Widerspruch zueinanderstehen, beinhaltet. Dieser systematische Bruch begünstigt mithin Gesetzesumgehungen425. Möchte der Einzelne also eine bestimmte Rechtsfolge auslösen, so kann er sich auf andere normativ gebildete Tatbestände beziehen, also von anderen Rechtsinstituten Gebrauch machen. Der Vertragsgestalter kann selbst über die Nähe seiner vertraglichen Gestaltung zu normativ vorgeformten typischen Rechtsgeschäften entscheiden426. Er kann frei wählen, ob er einen bestimmten Zweck durch die eine oder andere Rechtsform erreichen will427. Wird bei gleicher oder ähnlicher Interessenlage eine bestimmte Rechtsfrage von dem Gesetzgeber unterschiedlich geregelt, je nachdem welcher Rechtsform sich die Parteien bedienen, dann hat der Normunterworfene die Wahl, durch welche rechtliche Gestaltung er die Rechtsfrage gelöst haben möchte. Er ist also in der Entscheidung für eine bestimmte Regelung frei, so dass dadurch auch nicht gegen eine gesetzliche Wertung verstoßen wird428. In Bezug auf das Sicherungseigentum heißt das, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit anbietet, sich schuldrechtlich für den Fall der Befriedigung des Gläubigers zu verpflichten, das Eigentum zurück zu übereignen. Hinsichtlich der Umgehung des Aufrechnungsverbots nach § 393 BGB bedeutet das, dass der Umgehende sich ausdrücklich auf den Wortlaut des § 393 BGB beruft, der die „Aufrechnung“ für unzulässig erklärt. Der Umgehende rechtfertigt sein Vorgehen unter Berufung auf § 273 Abs. 1 BGB. Wenn der Gesetzgeber die rechtlichen Gestaltungsmittel anbietet, dann kann es dem Rechtsanwender nicht verwehrt sein, sich dieser zu bedienen.
IV. Bewertung Die aufgezeigten Ursachen für die Entstehung von Gesetzesumgehungen stützen die Definition der Gesetzesumgehung als methodischer Zwischenschritt im Rechtsfindungsverfahren. Da Tatbestände generell abstrakt formuliert werden und deren Erfüllung das Eintreten der Rechtsfolge zur Konsequenz hat, wird der Normunterworfene versuchen, den Tatbestand durch Manipulation des Sachverhaltes zu vermeiden. Ob dies gelingt, hängt ausschließlich davon ab, ob zwischen dem von den Parteien vorgelegten Subsumtionsvorschlag und dem Ziel der Norm eine Diskrepanz festzustellen ist. 424 425 426 427 428
Römer, S. 36 f. Huber, JurA 1970, 784, 798 f. Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 173. Huber, JurA 1970, 784, 806. Huber, JurA 1970, 784, 799.
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2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht
Auch das Berufen auf die Vertragsfreiheit durch den Gesetzesumgehenden hängt eng mit dem Begriff der Gesetzesumgehung zusammen. So macht der Normunterworfene unter Rekurs auf die Vertragsfreiheit dem Rechtsanwender einen Subsumtionsvorschlag. Dieser Subsumtionsvorschlag beruht regelmäßig auf der Vertragsfreiheit. So wird der Normunterworfenen dem Rechtsanwender bei Umgehung des § 393 BGB das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zur Subsumtion vorschlagen. Der Rechtsanwender wird jedoch diesem Vorschlag nicht folgen, weil die Anwendung des § 273 Abs. 1 BGB dem Sinn und Zweck des § 393 BGB widersprechen würde. Ein Sonderfall bei der Herausarbeitung der Ursachen von Gesetzesumgehungen stellt die Umgehung durch Tatbestandsverschleierung mittels schlichter Falschbezeichung dar. Die Ursache der Möglichkeit dieses Umgehungsmittels liegt weder in der Gesetzgebungstechnik noch in der Methode der Rechtsfindung begründet. Auch die Vertragsfreiheit ist keine Ursache für dieses Mittel der Umgehung, weil die schlichte falsche Qualifikation lediglich eine Rechtsansicht darstellt und dieser weder rechtsmethodisch noch rechtsdogmatisch ein eigener Bedeutungsgehalt zukommt. Insofern kann es auch bei dieser Form der Gesetzesumgehung keine „Ursache“ in diesem Sinne geben, da falsche Rechtsansichten nun einmal vertreten werden.
G. Zusammenfassung der Ergebnisse zum zweiten Kapitel Der allgemeinen Definition eines Umgehungsgeschäftes als rechtliche Gestaltung, die formal betrachtet nicht gegen ein bestimmtes Gesetz verstößt, jedoch die Verwirklichung des Ziels des Gesetzes vereitelt, ist zwar nicht entschieden zu widersprechen, allerdings wird durch diese Definition das Umgehungsgeschäft oder die Gesetzesumgehung nicht allumfassend beschrieben. Der vorliegenden Untersuchung ist daher eine andere Definition einer Gesetzesumgehung zu Grunde zu legen. Die Gesetzesumgehung oder das Umgehungsgeschäft stellt einen methodischen Zwischenschritt im Rechtsfindungsprozess dar (formelle Bedeutung des Umgehungsbegriffs). Dabei wird zunächst der von dem Normunterworfenen interpretierte Sachverhalt (Subsumtionsvorschlag) mit dem Ziel einer Norm, das im Wege der Auslegung der Norm ermittelt wird, verglichen (1. Stufe). Der Subsumtionsvorschlag stellt dabei die eigentliche Umgehungshandlung dar, die mit den oben aufgezeigten Rechtstechniken, wie der Verschleierung des Tatbestandes, der Aufspaltung von einheitlichen Rechtsgeschäften, der gegenläufigen Gestaltungen und der Einschaltung eines Dritten durchgeführt wird. Widerspricht der Subsumtionsvorschlag dem legislatorischen Ziel der Vorschrift, so liegt ein Umgehungsgeschäft oder eine Gesetzesumgehung vor (materielle Bedeutung des Umgehungsbegriffs). Nun ist in einem weiteren me-
G. Zusammenfassung der Ergebnisse zum zweiten Kapitel
107
thodischen Schritt (2. Stufe) die Gesetzesumgehung zu verhindern. Zu diesem Zweck ist zunächst der Sachverhalt durch den Rechtsanwender auszulegen. In diesem Verfahren werden also falsche rechtliche Bezeichnungen korrigiert, der Verschleierung des Tatbestandes entgegengewirkt, das Ausweich- und Korrekturgeschäft und mehrere künstlich aufgespaltene Rechtsgeschäfte als Einheit betrachtet und gegebenenfalls eine bestimmte tatbestandsbezogene persönliche Eigenschaft einem Rechtssubjekt im Wege der Zurechnung zugeordnet. Dieser dann feststehende Sachverhalt wird schließlich unter die vermeintlich umgangene Norm subsumiert und damit im Ergebnis die Umgehung eliminiert. Möglich ist es auch, der Tatbestandsverschleierung dadurch entgegenzuwirken, dass ein feststehender Sachverhalt durch extensive Auslegung des Gesetzes subsumiert wird. Ist dagegen eine Auslegung des Gesetzes nicht mehr möglich, so muss im Wege der Analogie oder unter Umständen im Wege der Rechtsfortbildung das legislatorische Ziel verwirklicht werden. Die Notwendigkeit im Wege der Rechtsfortbildung die Gesetzesumgehung zu verhindern, ergibt sich aus dem Umstand, dass aufgrund des Verfahrens der Normbildung der Gesetzgeber nicht jeden einzelnen Fall gesetzlich ausdrücklich regeln kann. Dadurch entstehen Brüche im gesetzlichen System, die zu einem materiell rechtlichen Wertungsgefälle führen können. Die Rechtsprechung ist berufen diesen Systembruch durch Fortbildung des Rechts aufzulösen und dadurch das legislatorische Ziel weiterzuverfolgen. Soll mittels Rechtsfortbildung eine Gesetzesumgehung verhindert werden, so darf die Rechtsprechung ausschließlich den legislatorischen Willen – das Ziel des Gesetzes – weiter umsetzen. Die Rechtsprechung kann also nur die zusätzlichen Anforderungen oder Voraussetzungen im Wege der Rechtsfortbildung schaffen, die geeignet sind, das Ziel des Gesetzes zu realisieren. Weitere Aspekte dürfen nicht berücksichtigt werden, weil ausschließlich der Gesetzgeber grundrechtsrelevante Eingriffe vornehmen darf, Art. 20 Abs. 3 GG. Verfolgt die Rechtsprechung also im Wege der Rechtsfortbildung lediglich das gesetzgeberische Ziel weiter, so stellt dies keinen Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes dar. Der vorläufige Zustand der Gesetzesumgehung wird damit am Ende des Rechtsfindungsprozesses verhindert. Insofern existiert das Umgehungsgeschäft ausschließlich als rechtliche Fiktion im juristischen Denkvorgang. Es stellt damit kein rechtlich selbständiges Institut, jedoch ein eigenständiges rechtlich methodisches Problem dar. Graphisch lässt sich der Gesamtkomplex „Gesetzesumgehung“ wie folgt darstellen, wobei immer zwischen dem Umgehungsgeschäft (1. Stufe) an sich und der Umgehungsverhinderung (2. Stufe) zu unterscheiden ist:
108
2. Kap.: Die Umgehungslehre im Allgemeinen Zivilrecht 1. Stufe: Liegt eine Gesetzesumgehung/ein Umgehungsgeschäft vor?
Ermittlung des Anwendungsbereichs einer Norm (Ziel) durch Auslegung
Vergleich
Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen
NEIN =
JA = Eine Gesetzesumgehung liegt
Diskrepanz
Es ist dem Subsumtionsvorschlag
vor
zu folgen
2. Stufe: Verhinderung der Gesetzesumgehung
Auslegung der Tatbestandsmerkmale
Analoge Anwendung der Norm
Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung
Drittes Kapitel
Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht Im weiteren Verlauf der Untersuchung ist nun zu begutachten, inwiefern sich die Gesetzesumgehung im allgemeinen Zivilrecht von der Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht unterscheidet. Insbesondere soll herausgearbeitet werden, ob im Arbeitsrecht bei der Beurteilung, ob eine Gesetzesumgehung vorliegt, andere Bewertungsmaßstäbe gelten. Dies könnte sich namentlich daraus ergeben, dass die meisten arbeitsrechtlichen Vorschriften Schutznormen zugunsten des Arbeitnehmers darstellen, die umgangen werden, um das Schutzniveau arbeitsrechtlicher Vorgaben zu senken1. Es werden daher zunächst die Besonderheiten des Arbeitsrechts dargestellt (A.). In einem weiteren Schritt wird dann untersucht, in welchem Zusammenhang die arbeitsrechtliche Rechtsprechung in der Vergangenheit den Begriff der Gesetzesumgehung verwendet hat (B.). Im Anschluss wird analysiert, inwiefern die Arbeitsgerichtsbarkeit aktuell den Umgehungsbegriff verwendet. Es werden dazu typische Umgehungskonstellationen im Arbeitsrecht untersucht (C.).
A. Die Besonderheiten im Arbeitsrecht Schon die Bestimmung des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB zeigt, dass das Arbeitsrecht eine Sonderstellung im Zivilrecht einnimmt. Genauso wie das Verbraucherschutzrecht vom schutzbedürftigen Verbraucher ausgeht, so ist auch im Arbeitsrecht das Bild des schutzbedürftigen Arbeitnehmers bestimmend2. So wird behauptet, dass das Arbeitsrecht als Sonderrecht zum Schutze der Arbeitnehmer3 den Arbeitnehmer vor der Übermacht des Arbeitgebers schützen soll4. Der Schutz des Arbeitnehmers wird dabei nicht nur einfachgesetzlich (z. B. Kündi1 Da die Arbeitsschutzgesetze regelmäßig den Arbeitgeber mit hohen Kosten belasten werden (Däubler, JA 1977, 561, 564; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 2), wird dieser ein großes Interesse haben, sich dem Anwendungsbereich solcher Gesetze zu entziehen. 2 Herschel, AuR 1982, 336. Wie das Arbeitsrecht ist auch das Verbraucherrecht Schutzrecht. Auch sieht Benecke zwischen Arbeits- und Verbraucherschutzrecht weitere Parallelen. So geht sie von einer gleichartigen Struktur aus, die darin begründet liegt, dass beide Rechtsgebiete Normen mit beschränktem und speziellem Geltungsbereich regeln, was beide Rechtsgebiete umgehungsanfällig macht, S. 205. 3 Richardi, FS Juristische Gesellschaft zu Berlin, S. 607, 612 f. 4 Gast, S. 84 ff.; ablehnend, Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 3.
110
3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
gungsschutz) gewährleistet, sondern auch verfassungsrechtlich5 durch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), durch Art. 12 Abs. 1 GG und durch die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)6 garantiert. Zudem stellt die Arbeit für den Arbeitnehmer auch eine Form von dessen Persönlichkeitsverwirklichung dar (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)7. Es ist vorab darzulegen, worauf die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers beruht.
I. Die Gründe für die besondere Schutzbedürftigkeit Die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ergibt sich aus rein tatsächlichen Befunden. So führt die Tatsache, dass die Arbeit der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz dient, die Arbeitsmarktsituation, der Umstand, dass der Arbeitsvertrag ein Dauerschuldverhältnis darstellt und die Eingliederung des Arbeitnehmers in eine fremde unternehmerische Organisation zur besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers. 1. Die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz Die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ergibt sich zunächst aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber8. Der Arbeitnehmer will den Arbeitsvertrag regelmäßig zur Befriedigung seiner wirtschaftlichen Bedürfnisse abschließen, während der Arbeitgeber grundsätzlich nicht auf den Vertragsschluss angewiesen ist9. Die Arbeit ist Grundlage der wirtschaftlichen und sozialen Existenz des Arbeitnehmers10. Von ihr sind wirtschaftlicher Status und gesellschaftliches Ansehen abhängig11. Der Arbeitnehmer stellt seine Arbeitskraft in den Dienst eines anderen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten12. Er ist mithin davon abhängig, ein angemessenes Gehalt zu erhalten und hat zudem ein großes Interesse daran, dass sein Arbeitsplatz erhalten bleibt.
5 Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245, 253; Oetker, RdA 2004, 8; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 39. 6 Die Privatautonomie als „Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung“, BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389, 390. 7 BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471; Junker, Rn. 8, 54; Kissel, RdA 1994, 323, 327. 8 BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471. 9 Wolf/Neuner, § 10, Rn. 62 ff. 10 BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470; Junker, Rn. 8; Preis/APS, Grundlagen B., Rn. 14; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 3, Rn. 34. 11 BVerfG v. 27.1.1998 – 1 BvL 15/87, NZA 1998, 470, 471. 12 Junker, Rn. 8; Löwisch/Caspers/Klumpp, Rn. 26.
A. Die Besonderheiten im Arbeitsrecht
111
2. Die Arbeitsmarktsituation Die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers hängt des Weiteren mit der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zusammen13. Steigt die Nachfrage an Arbeitskräften, so ist der Arbeitnehmer weniger schutzbedürftig. Denn dann stellen die Unternehmen Arbeitnehmer ein und das Risiko, aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung den Arbeitsplatz zu verlieren, ist niedrig. Die beste Gelegenheit für den Arbeitnehmer seine Interessen durchzusetzen besteht, wenn seine Leistung begehrt ist und er keine Konkurrenz befürchten muss14. Konträr stellt sich allerdings die Lage dar, wenn der Arbeitsmarkt angespannt ist, was heutzutage die Regel ist15. Aufgrund des Mangels an Arbeitsplätzen ist der Arbeitnehmer regelmäßig in einer ungünstigeren Position als der Arbeitgeber16. Der Arbeitnehmer, der auf den Arbeitsplatz angewiesen ist, ordnet sich daher schon bei Vertragsschluss dem diktierten Vertragsinhalt unter. Die Berufswahl und die Bereitschaft unter Umständen auch unter ungünstigeren Arbeitsbedingungen zu arbeiten, stehen daher in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zur Arbeitslosigkeit17. 3. Der Arbeitsvertrag als Dauerschuldverhältnis Das Arbeitsverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis, erschöpft sich mithin nicht in einem einmaligen Leistungsaustausch18. Es ist also auf dauernde wiederkehrende Leistungen gerichtet und es ergeben sich fortlaufend einzelne Rechte, Pflichten und Rechtspositionen19. Durch diese arbeitsvertragliche Bindung an seinen Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit, selbst am Markt unternehmerisch tätig zu werden20. Dadurch ergibt sich eine festgelegte dauerhafte Rollenverteilung des Bürgers als Arbeitnehmer.21 Während im Rechtsver-
13 Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 28 f.; Gast, S. 66 f.; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 48 f. Teilweise wurde auch vertreten, dass das Eigentum des Arbeitgebers an den Produktionsmitteln der Grund für die erhöhte Schutzbedürftigkeit sei, Wank mit Verweis auf Marx, S. 46, Fn. 8. 14 Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 413; Gast, S. 66; Herschel, AuR 1982, 336. 15 Laut http://statistik.arbeitsagentur.de/ hatte Deutschland im April 2017 rund 2.569.000 Arbeitslose (letzter Abruf am 16.5.2017). 16 Aus der Verknappung eines Gutes, nach welchem Bedarf besteht, resultiere eine einseitige Machtlage zugunsten desjenigen, der über das verknappte Gut verfügt, Flume, S. 11. 17 Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 29; Erhardt, S. 47 zur Rollenverteilung im Verbraucherschutzrecht; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 49. 18 Junker, Rn. 7; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 3, Rn. 28. 19 Junker, Rn. 7. 20 Junker, Rn. 7; Richardi, FS Juristische Gesellschaft zu Berlin, S. 607, 622 f. 21 Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 33; Wank, RdA 1999, 130, 131.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
kehr der Bürger sowohl als Verbraucher als auch als Unternehmer Sachen erwerben oder veräußern kann und dieser Leistungsaustausch regelmäßig einmalig erfolgt, ist im Arbeitsrecht der Bürger in seiner Rolle als Arbeitnehmer dauerhaft gebunden. Er ist grundsätzlich daran gehindert, einmal als Arbeitnehmer, ein andermal als Arbeitgeber aufzutreten, da der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber regelmäßig seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss22. Die vorgegebene dauerhafte Rolle als Arbeitnehmer führt somit auch zu seiner besonderen Schutzbedürftigkeit. 4. Die Eingliederung in eine fremde Organisation Die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers beruht ergänzend auf dem Umstand, dass der Arbeitnehmer sich den Weisungen des Arbeitgebers unterwirft. Er ist zur persönlichen Arbeitsleistung im Dienst seines Arbeitgebers verpflichtet23 und muss sich daher dessen Weisungen fügen24. Er gliedert sich in eine fremde Arbeitsorganisation ein und ordnet sich damit einer fremden Zielsetzung unter25. Der Arbeitgeber hat daher einen faktischen Vorsprung bei der Direktion, weil er die betriebliche Organisation zur Verfügung stellt26. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag vorlegen, der von Juristen im Interesse des Arbeitgebers ausgearbeitet wurde. Er kann ohne weiteres intellektuelle Qualifikation in Anspruch nehmen und hat damit gegenüber dem Arbeitnehmer einen Wissensvorsprung27. Diese intellektuelle Unterlegenheit, die auch auf der Eingliederung in eine fremde Organisation beruht, ist geeignet die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers zu beeinträchtigen 28. Der Arbeitnehmer, regelmäßig als juristischer Laie, wird meist den vorformulierten Arbeitsvertrag nicht nachvollziehen können und ihn trotzdem unterschreiben29.
II. Die Folge der Schutzbedürftigkeit Folge der besonderen Schutzbedürftigkeit ist, dass zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern von einem Machtungleichgewicht auszugehen ist, das zu einer
22
Lieb, RdA 1974, 257, 259; Preis, Grundfragen, S. 37 ff., 283 ff. Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 3, Rn. 32. 24 Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 29; Hueck/Nipperdey, S. 26. 25 Junker, Rn. 9; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 79 f. 26 Gast, S. 68. 27 Becker, NJW 1973, 1913, 1914; Erhardt, S. 48 f., zur intellektuellen Überlegenheit des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher; Gast, S. 68; Junker, Rn. 9. 28 Busche/Münchener Kommentar, Vor. § 145 BGB Rn. 8; Erhardt, S. 49; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 412; Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht (1989), S. 30. 29 Becker, NJW 1973, 1913, 1914; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 48. 23
A. Die Besonderheiten im Arbeitsrecht
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gestörten Vertragsparität führt30. Der Arbeitgeber kann sich die Arbeitnehmer aussuchen, die er für sein Unternehmen benötigt. Der Arbeitnehmer dagegen muss gegebenenfalls bei Arbeitsvertragsschluss Kompromisse eingehen, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Meist steht der Arbeitnehmer vor der Alternative entweder den Vertrag zu den Bedingungen des Arbeitgebers abzuschließen oder von dem Vertragsschluss Abstand zu nehmen und damit weiterhin arbeitssuchend zu sein. Der Arbeitnehmer steht somit insbesondere bei Arbeitsvertragsschluss unter dem Druck der Kontrahierung, weil er existenziell auf die Arbeit angewiesen ist und ein Abstandnehmen von dem Vertrag die wirtschaftliche und persönliche Existenz stark berührt31. Damit sind die Voraussetzungen der Privatautonomie, also der Ausgleich durch gleich starke Kräfte, dem Grunde nach nicht gegeben32. Es besteht eine Machtasymmetrie zugunsten des Arbeitgebers. Allerdings ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich (Artt. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG) dazu berufen, diese Machtasymmetrie zu beseitigen und das Machtgleichgewicht wiederherzustellen33. Im Arbeitsrecht hat der Gesetzgeber dies durch die Kodifizierung arbeitsrechtlicher zwingender Schutznormen vorgenommen34, was aber zugleich einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Grundrechte des Arbeitgebers darstellt. Der Eingriff in die Vertragsfreiheit zu Lasten des Arbeitgebers ist jedoch aufgrund der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers und der gestörten Vertragsparität gerechtfertigt35. Die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften knüpfen an die typischerweise unterlegene Stellung des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt an und neutralisieren somit gleichsam das Machtungleichgewicht36. Der durch die Schutznormen erfolgte Eingriff in die Vertragsfreiheit führt somit zur Materialisierung der Vertragsfreiheit, also zur tatsächlichen und nicht nur formalen Freiheit des Arbeitnehmers, Verträge abzuschließen37. Dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers
30 „Machtgefälle“, vgl. Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht (1989), S. 28 f.; ders., AcP 176 (1976), 197, 205; zur Ausnutzung der „schwächeren“ Partei im Zusammenhang mit Umgehungsgeschäften, Najdecki, S. 36; Sieker, S. 24 f.; a. A. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 3. 31 Busche/Münchener Kommentar, Vor. § 145 BGB Rn. 7; Erhardt, S. 47 zum Verbraucherschutzrecht, „take it or leave it“; Flume, S. 11; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 413; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 54. 32 Benecke, S. 127; a. A. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, S. 3. Letztere halten das Ungleichgewicht für eine „Metapher“. 33 Erhardt, S. 50; Flume, S. 11; Kissel, RdA 1994, 323, 328. 34 Auf kollektiver Ebene wird das Verhandlungsungleichgewicht durch die Möglichkeit sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen (Art. 9 Abs. 3 GG) ausgeglichen. 35 Benecke, S. 127; Wolf/Neuner zur ähnlichen Situation im Verbraucherschutzrecht, § 10, Rn. 73. 36 Im Ergebnis auch Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 197; Lieb, RdA 1974, 257, 262. 37 Busche/Münchener Kommentar, Vor. § 145 BGB Rn. 6; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 277 ff.; Lieb, RdA 1974, 257, 262.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
wird somit durch die Kodifikation arbeitsrechtlicher Schutznormen ausreichend Rechnung getragen und die Störung durch den Gesetzgeber neutralisiert. Daher ist im Folgenden im Rahmen der Auslegung oder Analogie beim Rückgriff auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers darauf zu achten, inwiefern der Arbeitnehmer tatsächlich schutzbedürftig ist und ob der Gesetzgeber dieser Schutzbedürftigkeit nicht schon legislatorisch Rechnung getragen hat. Hat er dies, so ist ein erneuter Rekurs auf die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers im Wege der Auslegung oder Rechtsfortbildung nicht zulässig, weil ansonsten die Gefahr bestünde, den Arbeitnehmer gerichtlich dort zu bevormunden, wo rechtlich betrachtet ein Gleichgewicht besteht38. Das gilt insbesondere auch bei der Frage, ob der Arbeitnehmer wirksam auf seine Rechte, die ihm das Gesetz gewährt, verzichten kann oder ob in diesen Fällen von einer Gesetzesumgehung auszugehen ist. Durch den legislatorisch typisierend gewährten Arbeitnehmerschutz werden als Reflex der Gesetzgebungstechnik freilich auch Arbeitnehmer39 geschützt, die materiell nicht schutzbedürftig sind40. Dies führt jedoch nicht zu einer Bevormundung von Arbeitnehmern41 und auch nicht zu einem Schutz des Menschen vor sich selbst42. Vielmehr hilft Arbeitnehmerschutz den Arbeitnehmern, denen tatsächlich die Freiheit fehlt43, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Bei den weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmern ist im Einzelfall aufgrund der Typisierung von Tatbeständen eine normative Reduktion geboten44.
III. Zusammenfassung Das Arbeitsrecht als Schutzrecht stellt eine Besonderheit im Zivilrecht dar. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ergibt sich vor allem aus zwei Gesichtspunkten: Zum einen ist der Arbeitnehmer wirtschaftlich auf seinen Arbeitsplatz angewiesen. Zum anderen hat der Arbeitnehmer aufgrund des angespannten Arbeitsmarktes regelmäßig bei Vertragsschluss eine schlechtere Verhandlungsposition als der Arbeitgeber. Dieses auf tatsächlichen Befunden beruhende Machtungleichgewicht hat der Gesetzgeber – verfassungsrechtlich nach 38
Kissel, RdA 1994, 323, 327. Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 33. Dieser weist zutreffend darauf hin, dass es den Stereotyp von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gibt. Zwischen dem ungelernten Hilfsarbeiter und dem leitenden Angestellten bestehen erhebliche Unterschiede, genauso wie es beim Arbeitgeber kleine, mittlere und große Arbeitgeber gibt. 40 Mohr, AcP 204 (2004), 660, 681 f. 41 Zum Verbraucherschutzrecht, Dreher, JZ 1997, 167, 173, 177. 42 Adomeit, JZ 2003, 1053, 1054; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 670 f. 43 Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 35. 44 Mohr, AcP 204 (2004), 660, 681 f. 39
B. Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit
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Artt. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG verpflichtet – durch die Kodifizierung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften beseitigt. Durch den legislatorischen Eingriff besteht somit materiell kein Verhandlungsungleichgewicht mehr. Ausgehend von dem im zweiten Kapitel herausgearbeiteten materiellen Umgehungsbegriff als normativer Widerspruch zwischen Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen und dem Ziel einer Vorschrift, bedeutet damit die Umgehung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, dass das durch Arbeitsschutzgesetze bestehende Machtgleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beseitigt wird und der Arbeitnehmer sich wieder in der ursprünglichen schwächeren Position befindet. Auf der Ebene der Umgehungsverhinderung durch Auslegung ist dabei folgendes zu beachten. Wird bei Auslegung eines arbeitsrechtlichen Gesetzes aufgrund der gestörten Vertragsparität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Auslegung in eine bestimmte Richtung favorisiert, so ist im Einzelfall immer zu prüfen, ob der Gesetzgeber diese bereits legislatorisch berücksichtigt hat. Insofern verbietet sich eine Doppelverwertung45.
B. Die Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit In einem weiteren Schritt ist die Behandlung der Gesetzesumgehung in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zu begutachten. Es ist zu untersuchen, welche Kriterien das BAG bei der Beurteilung von Gesetzesumgehungen in der Vergangenheit aufgestellt hat. So beschäftigte sich schon das Reichsarbeitsgericht (RAG) im Zusammenhang mit sogenannten Kettenarbeitsverträgen mit der Gesetzesumgehung.
I. Die Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts zu Kettenarbeitsverträgen Kettenarbeitsverträge sind Arbeitsverträge, die auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen und bei Zeitablauf jeweils wieder auf eine bestimmte Zeit verlängert werden46. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das TzBfG erst im Jahre 2001 in Kraft getreten ist47. Es ersetzte das Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG), 45
Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 53. Bötticher, BB 1955, 673; Hueck, RdA 1953, 85; Molitor, BB 1954, 504; Nikisch, BB 1955, 197. 47 Müller-Glöge/ErfK, § 1 TzBfG Rn. 1. Das TzBfG ist am 1.1.2001 in Kraft getreten und setzt die EG-Richtlinie 1997/81/EG vom 15.12.1997 über Teilzeitarbeit und 1999/70/EG vom 28.6.1999 über befristete Arbeitsverhältnisse in nationales Recht um. Allerdings wurde schon im Jahre 1985 die Rechtsprechung des BAG zu befristeten Arbeitsverträgen durch das Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG) vom 24.4.1985 46
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
welches in seinem § 1 regelte, unter welchen Voraussetzungen eine Befristung zulässig sein sollte. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen der Befristung noch nicht gesetzlich geregelt waren, galten Kettenarbeitsverträge als ein wirksames Mittel den Anwendungsbereich des KSchG zu vermeiden. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind (pacta sunt servanda)48. Allerdings soll es in bestimmten Fällen möglich sein, sich von seinem Arbeitsvertragspartner zu lösen. Gleichsam als Korrektiv zur einseitigen rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmacht, soll die Beendigung des Vertrags indes nur dann zulässig sein, wenn bestimmte Kündigungsgründe vorliegen. Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Arbeitsvertrag, der durch eine Kündigung sein Ende findet, sollte also der gesetzliche Regelfall sein49. Nach alter Rechtslage bedurfte es aber dann keines Kündigungsgrundes, wenn das Arbeitsverhältnis entweder durch Zeitablauf (§ 620 Abs. 1 BGB a. F.) oder durch den Eintritt einer Bedingung beendet wurde, § 158 Abs. 2 BGB. Im Ergebnis ging es um das Spannungsverhältnis zwischen dem Bestandsschutz eines Arbeitsverhältnisses, der durch das KSchG abgesichert wurde, und dem Gebrauch von zulässigen vertraglichen Gestaltungsmitteln. Das RAG hielt Kettenarbeitsverträge für unwirksam, wenn der Arbeitgeber versuchte die gesetzlichen Vorschriften über den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer zu umgehen50. Es war für das RAG vor allem entscheidend, ob der Arbeitgeber ausschließlich die Absicht hatte, zwingende Kündigungsvorschriften zu umgehen51. Eine nur objektive Ausschaltung der Kündigungsschutzvorschriften sollte daher nicht die Unwirksamkeit der Verträge rechtfertigen52. Verfolgte der Arbeitgeber auch andere Zwecke, dann sollte – so das RAG – der Kettenarbeitsvertrag seine Gültigkeit behalten53. Die Wirksamkeit der Kettenarbeitsverträge hing demnach davon ab, ob diese in der Absicht geschlossen wurden, zwingende Kündigungsschutzvorschriften zu umgehen. Die Unwirksamkeit wurde dabei im Wesentlichen mit § 134 BGB begründet54. und durch die §§ 57a und 57b Abs. 1 des Hochschulrahmengesetzes übernommen. Das BeschFG trat am 1.5.1985 in Kraft. Die Befristung eines Arbeitsvertrags war danach auch ohne Vorliegen sachlicher Gründe bis zur Maximaldauer von zwei Jahren zulässig, vgl. Koch, NZA 1985, 345. Das Gesetz galt bis zum 31.12.2000. 48 Hueck, RdA 1953, 85 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 552. 49 BAG v. 21.10.1954 – 2 AZR 25/53, NJW 1955, 78; BAG v. 21.10.1954 – 2 AZR 40/53, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 1. 50 RAG v. 19.5.1928 – 90/28, ARS 3, 3, 4; RAG v. 9.4.1930 – 470/29, ARS 9, 350, 351; RAG v. 4.3.1931 – 440/30, ARS 11, 233, 234; RAG v. 6.5.1931 – 564/30, ARS 12, 95; RAG v. 10.9.1931 – 136/31, ARS 13, 42, 47; RAG v. 2.7.1932 – 186/32, ARS 16, 66; RAG v. 5.1.1938 – 181/37, ARS 32, 174, 175 f. 51 RAG v. 19.5.1928 – 90/28, ARS 3, 3, 4; RAG v. 6.5.1931 – 564/30, ARS 12, 95, 97; RAG v. 2.7.1932 – 186/32, ARS 16, 66, 67. 52 RAG v. 10.9.1931 – 136/31, ARS 13, 42, 47. 53 RAG v. 2.7.1932 – 186/32, ARS 16, 66, 68.
B. Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit
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II. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Das BAG machte den Begriff der „Gesetzesumgehung“ erstmals im Jahr 1954 fruchtbar55. Auch hier ging es um die Bewertung von Kettenarbeitsverträgen. 1. Die Entscheidung des BAG vom 21.10.1954 Zu klären ist, wie das BAG die Umgehung des Kündigungsschutzes durch befristete Arbeitsverträge behandelte56. a) Die Urteilsbegründung Das BAG machte im Gegensatz zum RAG die Wirksamkeit der Arbeitsverträge nicht von dem Vorliegen subjektiver Momente abhängig57. Auch bemühte es zunächst nicht den Begriff der Gesetzesumgehung, um die Unwirksamkeit der Arbeitsverträge zu begründen. Vielmehr zog das BAG das Sozialstaatsprinzip heran, Art. 20 Abs. 1 GG. Nach Ansicht des BAG schütze das KSchG das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand vor Kündigungen. Zugleich verwirkliche es den Verfassungsgrundsatz des sozialen Rechtsstaats, Artt. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 54 RAG v. 10.9.1931 – 136/31, ARS 13, 42, 47. Nikisch, Arbeitsrecht, S. 553 m.V. a. die Rechtsprechung des RAG. Nikisch vertrat zunächst die Ansicht, dass ein vollständiger Verzicht auf subjektive Umstände zu weit gehen würde, weil ansonsten derartige Verträge nie statthaft seien. Das reine objektive Vorliegen einer Gesetzesumgehung könne nicht ausreichen, um die Unwirksamkeit eines Umgehungsgeschäftes anzunehmen. In BB 1955, 197 kritisiert er dann jedoch die Annahme des RAG, dass Kettenarbeitsverträge unzulässig seien, wenn sie in der Absicht abgeschlossen werden, zwingende Kündigungsschutzvorschriften zu umgehen. Denn nach Ansicht Nikischs schließt ein Arbeitgeber befristete Arbeitsverträge regelmäßig in der Absicht, um später nicht eine (unzulässige) Kündigung auszusprechen. Die Absicht würde daher grundsätzlich immer vorliegen, was nach der Rechtsprechung des RAG regelmäßig zur Unzulässigkeit des Kettenarbeitsvertrags führen würde. Dies stünde jedoch diametral zur Vorschrift des § 620 Abs. 1 BGB a. F. und der Vertragsfreiheit. Die Absicht des Arbeitgebers solle daher nicht entscheidend sein. Zu kritisieren ist hier freilich die Annahme, dass Verträge nur zur Umgehung des Kündigungsschutzes befristet abgeschlossenen werden, da es viele weitere Gründe gibt, nur befristet einzustellen (Ausfall von Festangestellten, Saisonarbeit, vorübergehender Mehrbedarf etc.). Hueck geht dagegen konsequent in RdA 1953, 85, 86 davon aus, dass der Begriff der objektiven Umgehung nicht haltbar sei, weil die Umgehung den Willen impliziere, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, also eine Absicht verlange. Da der Abschluss von befristeten Verträgen grundsätzlich zulässig sei, könne nur dann von einer unzulässigen Gesetzesumgehung gesprochen werden, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft zu einem von der Rechtsordnung missbilligten Erfolg benutzen wollten. Die Rechtswidrigkeit eines an sich zulässigen Geschäftes könne sich daher nur dann ergeben, wenn ein bewusster Wille der Parteien der Umgehung nachweisbar sei. Einschränkend führt Hueck jedoch weiter aus, dass die bloße Absicht, die ordentliche Kündigung redundant zu machen, nicht genüge, um eine unzulässige Gesetzesumgehung anzunehmen. 55 BAG v. 21.10.1954 – 2 AZR 25/53, NJW 1955, 78. 56 BAG v. 21.10.1954 – 2 AZR 25/53, NJW 1955, 78. 57 BAG v. 21.10.1954 – 2 AZR 25/53, NJW 1955, 78.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
S. 1, 79 Abs. 3 GG. Das Sozialstaatsprinzip verhindere eine grenzenlose Marktwirtschaft und damit eine rücksichtslose Ausbeutung des Produktionskapitals58. Der Befristung des Arbeitsverhältnisses sei deswegen entgegenzutreten59, weil das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes bei einer Kündigung in gleicher Weise betroffen sei wie bei Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags. Sowohl die Kündigung als auch der Ablauf der Zeit bei einem befristeten Arbeitsvertrag führe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Daher sei es erforderlich, dass der Verfassungsgrundsatz der Sozialstaatlichkeit, wie er im KSchG verwirklicht sei, auch bei sogenannten Kettenbefristungen greifen müsse. Der Arbeitnehmer erhalte nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) ein Recht auf seinen Arbeitsplatz. Dies sei von dem Grundsatz des sozialen Staates aus gesehen, ein allgemeiner Rechtsgedanke. Dieser Verfassungsgrundsatz der Sozialstaatlichkeit dürfe nicht an der zufälligen vertraglichen Gestaltung der Kettenbefristung scheitern. Zutreffend sei zwar, dass das KSchG nur den tatsächlichen Regelfall der Kündigung normiere. Auch enthalte das KSchG keine Regelungen zu aneinandergereihten befristeten Verträgen. Nichtsdestotrotz dürfe man dem Verfassungsgrundsatz der Sozialstaatlichkeit in seiner durch das KSchG ausgeprägten Gestalt der Bestandssicherung des Arbeitsplatzes nicht seinen Inhalt und seine Wirkung bei dem Vorliegen einer Kettenbefristung nehmen. Im Ergebnis ging der Senat in seinem Urteil davon aus, dass sich aus dem KSchG der Grundsatz des Bestandsschutzes ableitet, der ein Verbot i. S. d. § 134 BGB darstellt. Während die Befristung an sich also nichtig war, war der Arbeitsvertrag im Übrigen dagegen wirksam. Es lag daher ein unbefristeter Arbeitsvertrag vor. b) Reaktion in der Literatur Das Urteil des BAG stieß überwiegend auf Kritik in der Wissenschaft. So wurde angeführt, dass das Sozialstaatsprinzip als Staatszielbestimmung dem Gesetzgeber lediglich eine Aufgabe stelle. Wie diese Aufgabe zu erfüllen sei, obliege dem Gesetzgeber60. Dieser habe jedoch unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten im KSchG den Umfang und Inhalt des Bestandsschutzes bei Arbeitsverhältnissen geregelt und dabei die befristeten Arbeitsverträge nicht erwähnt. Auch zeige die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Mieterschutzgesetzes (MSchG) a. F., der befristete Mietverhältnisse den unbefristeten Mietverhältnissen gleichstellte, dass der Gesetzgeber für befristete Arbeitsverhältnisse den durch das KSchG gewährten Schutz nicht ausdehnen wollte61. Das Sozialstaatsprinzip 58
Junker, Rn. 15; Schmidt, BB 1971, 1199, 1200. BAG v. 21.10.1954 – 2 AZR 25/53, NJW 1955, 78, 80. 60 BVerfG v. 19.12.1951 – 1 BvR 220/51, NJW 1952, 297; Hueck, FS Apelt, S. 57, 65 ff.; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 6, Rn. 7. 61 Nikisch, BB 1955, 197, 198. 59
B. Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit
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könne somit weder geltendes Recht außer Kraft setzen noch einfaches Gesetzesrecht in verfassungsrechtlich gewährleistete Prinzipien umwandeln, weil dieser Grundsatz aufgrund seiner Unbestimmtheit keine handlungsrechtlichen Anweisungen an die Rechtsprechung stellen könne62. Das Sozialstaatsprinzip diene daher lediglich als Auslegungsgrundsatz und Rechtsfindungsmaxime. Bei der Auslegung von einfachem Recht führe dies dann dazu, dass von mehreren Interpretationsmöglichkeiten diejenige zu wählen sei, die den sozialen Ausgleich am besten gewährleistet63. Besteht jedoch eine gesetzliche Regelung, so können die Artt. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1, 79 Abs. 3 GG nicht herangezogen werden, um eine sozial vernünftige Regelung zu schaffen64. Das Sozialstaatsprinzip stelle zudem keine Generalklausel dar, mit der die Rechtsprechung zeitgemäße oder als zeitgemäß empfundene soziale Forderungen in geltendes Recht umwandeln könne65. Bötticher leitete daher aus dem Sinn und Zweck des KSchG ein Verbot der Verzichtbarkeit des Kündigungsschutzes ab und hielt auch eine Heranziehung des Sozialstaatsprinzips für nicht notwendig66. Seiner Ansicht nach lasse das KSchG erkennen, dass die Unverzichtbarkeit des darin normierten Schutzes höher zu werten sei, als die Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers. Eine Umgehungsabsicht sei daher nicht notwendig. Damit soll also das Verbot des Bestandsschutzverzichts zu einer Unwirksamkeit der Befristung führen. 2. Die Entscheidung des BAG vom 12.10.1960 Im Jahre 1960 entwickelte das BAG67 schließlich den Begriff der „objektiven Gesetzesumgehung“. Auch hier ging es um die Wirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrags. Die Klägerin arbeitete als Schreibkraft bei dem Beklagten. Der Arbeitsvertrag war vom 1.10.1954 bis zum 31.3.1955 befristet. Eine Verlängerung des Arbeitsvertrags lehnte der Beklagte ab, weil keine weiteren Haushaltsmittel für die Weiterbeschäftigung zur Verfügung standen. Der Beklagte stellte jedoch für die gleiche Beschäftigung zum 1.4.1955 fünf neue Kräfte ein. Nach Ansicht der Klä62 BVerfG v. 19.10.1983 – 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80, AP § 112 BetrVG 1972 Nr. 22; Schmidt, BB 1971, 1199, 1200 f. 63 BVerfG v. 19.10.1983 – 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80, AP § 112 BetrVG 1972 Nr. 22; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 3, Rn. 28; Schmidt, BB 1971, 1199, 1200. 64 BVerfG v. 19.10.1983 – 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80, AP § 112 BetrVG 1972 Nr. 22. 65 Säcker, RdA 1976, 91, 94. 66 Bötticher, BB 1955, 673, 674. 67 BAG v. 12.10.1960 – 3 AZR 65/59, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
gerin sei die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses wegen fehlender Haushaltsmittel nicht sachgemäß gewesen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. In der Berufungsinstanz gab das LAG der Klägerin Recht. Die Revision des Beklagten wurde vom BAG abgewiesen. Gleich zu Beginn der Entscheidungsgründe stellte das BAG klar, dass die Vertragsfreiheit dort ihre Grenzen finde, wo zwingende Bestimmungen des Kündigungsrechts umgangen würden. Nach Ansicht des Großen Senats liege eine Gesetzesumgehung dann vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt würde, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich verwendet würden68. Das BAG stellte damit ausdrücklich auf den Sinn und Zweck des KSchG ab, der darin besteht, dem Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz dadurch zu erhalten, dass das freie Kündigungsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt und an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird. Nach Ansicht des BAG seien daher befristete Arbeitsverträge darauf zu prüfen, ob sie eine Umgehung dieses Schutzes bedeuten. Allerdings sei eine Umgehungsabsicht nicht erforderlich, weil die Durchsetzung von Sinn und Zweck einer unabdingbar gestalteten Rechtsnorm nicht von subjektiven Umständen abhängig sein könne. Damit stellte das BAG ausschließlich auf die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäftes ab69. 3. Kritik an der Umgehungsrechtsprechung des BAG Das Urteil des BAG und insbesondere die Begründung der Unwirksamkeit der Befristung stießen im Schrifttum überwiegend auf Kritik. Das BAG führte allerdings die Umgehungsrechtsprechung in weiteren Urteilen fort70. a) Unzulässiges Richterrecht Bickel kritisierte die Möglichkeit einer Gesetzesumgehung in seiner Anmerkung zur BAG-Entscheidung vom 13.12.198471. Er wendete ein, dass das BAG 68 BAG v. 12.10.1960 – 3 AZR 65/59, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16. 69 Enneccerus/Nipperdey, S. 1161 ff. Die Autoren gehen dabei davon aus, dass die Umgehung eines Verbotsgesetzes ohne Rücksicht auf die Umgehungsabsicht zur Nichtigkeit führt, wenn das Verbot nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen des Gesetzgebers und nach dem Zweck des Gesetzes die Verwirklichung des beabsichtigen praktischen Erfolges verhindern will. 70 BAG v. 23.11.1963 – 2 AZR 140/63, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 26; BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3; BAG v. 26.4.1979 – 2 AZR 431/77, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 47; BAG v. 29.8.1979 – 4 AZR 863/77, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 50; BAG v. 9.7.1981 – 2 AZR 788/78, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 4; BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 8. 71 BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 8; Bickel, JuS 1987, 861, 864.
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sich immer mehr von den gesetzlichen Regelungen löse und dass die vermeintliche Problematik der Gesetzesumgehung der Gesetzesauslegung bzw. der Gesetzesanalogie zuzuordnen sei. Die Folge sei daher, dass die Rechtsprechung des BAG zu den befristeten Arbeitsverträgen unzulässig und mithin abzulehnen sei. Eine Auslegung der Regelungen des Kündigungsschutzes dahingehend, dass dieser auch befristete Arbeitsverträge umfasse, sei nicht möglich. Auch eine analoge Anwendung der kündigungsschutzrechtlichen Regelungen sei unzulässig, weil dies gegen die „rechtsstaatlichen Grenzen der Gesetzesanwendung“ verstoßen würde. Ferner führt Bickel aus, dass die Rechtsprechung des BAG zu den befristeten Arbeitsverhältnissen sich dogmatisch nicht richtig einordnen lasse und daher lediglich Richterrecht darstelle72. Dies könne jedoch im Hinblick auf die Vertragsfreiheit der Parteien in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden. Auch werde durch eine umfassende Kontrolle des Vorliegens eines „sachlichen Grundes“ die Freiheit des privatautonomen Handelns des Arbeitnehmers beseitigt73, der einem befristeten Arbeitsvertrag ausdrücklich zugestimmt hat. Darüber hinaus führt Bickel in der Anmerkung zum BAG-Urteil vom 19.12. 197474 aus, dass es die Voraussetzung einer Gesetzesumgehung sei, dass ein Gesetz bestehe, welches die Herbeiführung einer rechtsgeschäftlichen Wirkung (Erfolg) nicht erlaube. Dabei könne das Gesetz entweder eine bestimmte Art der Herbeiführung des Erfolges nicht dulden oder sogar generell die Verursachung des Erfolges verbieten. Welche dieser beiden genannten Varianten einschlägig sei, ergebe sich aus dem Inhalt des Gesetzes, was durch Auslegung zu ermitteln sei. Wäre die Herbeiführung des Erfolges generell ausgeschlossen, dann sei jede Art und Weise der Herbeiführung des Erfolges unwirksam. Eine Umgehung des Gesetzes sei dann ausgeschlossen. Führe die Auslegung zu dem Ergebnis, dass nur eine bestimmte Art der Herbeiführung einer rechtsgeschäftlichen Wirkung verboten sei, dann könne die Verursachung des Erfolges durch eine andere vertragliche Gestaltung nicht verboten sein. Auch hier wird das Gesetz nicht umgangen. Die Folge dieser Ansicht wäre demnach, dass nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Erfolg) durch Kündigung (Mittel) dem KSchG unterfiele. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf (Mittel) wäre nicht erfasst 72 Gangloff, Anmerkung zu BAG v. 23.11.1963 – 2 AZR 140/63, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 26. So auch Herschel, der das Richterrecht nur auf ungewöhnliche Ausnahmefälle beschränken möchte, weil ansonsten die Grundfesten der konstitutionellen Gewaltenteilung gefährdet seien, Anmerkung zu BAG v. 9.7.1981 – 2 AZR 788/78, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 4. Koller stimmt dem nur insoweit zu, als er darlegt, dass die Rechtsfortbildung durch das arbeitsrechtliche Schutzprinzip gerechtfertigt sei, Anmerkung zu BAG v. 26.4.1979 – 2 AZR 431/77, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 47. Wie Koller auch Kraft in Anmerkung zu BAG v. 29.8.1979 – 4 AZR 863/77, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 50. 73 Bickel, Anmerkung zu BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 8. 74 BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, SAE 1976, 115 ff.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
und wäre daher lediglich in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB überprüfbar. Nach Ansicht Bickels müsste man daher die Verträge als wirksam behandeln, weil der Arbeitnehmer mit dem Vertragsschluss einverstanden war75. b) Die Theorie der Verletzung der Fürsorgepflicht aa) Die Vertreter der Theorie der Verletzung der Fürsorgepflicht Hueck stellt schließlich dar, dass es auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ankomme. Schaltete der Arbeitgeber nämlich durch Kettenarbeitsverträge den Kündigungsschutz und Kündigungsfristen aus, dann verletze er damit seine Fürsorgepflicht, es sei denn, es lägen besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe vor, die die wiederholte Befristung rechtfertigen76. Die schuldhafte Verletzung dieser Fürsorgepflicht stelle wiederum eine positive Verletzung des Arbeitsvertrags dar. Diese Pflichtverletzung führe zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber müsse also den Arbeitnehmer so stellen, wie er ohne Pflichtverletzung stünde, § 249 Abs. 1 BGB. Der Arbeitsvertrag gelte daher auf unbestimmte Zeit geschlossen77. Die Verletzung der Fürsorgepflicht wird damit begründet, dass das KSchG dem Arbeitnehmer nach sechsmonatiger Beschäftigung insofern ein Recht auf seine Arbeitsstelle zugestehe, als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann möglich sein solle, wenn besondere Gründe vorlägen. Dieser Schutz, welcher dem Arbeitnehmer vom KSchG zugestanden wird, wird ihm durch den Abschluss automatisch endender Arbeitsverträge durch den Arbeitgeber genommen. Letzterer verletzt mithin seine Fürsorgepflicht, da er den Arbeitnehmer durch eine solche Vertragsgestaltung im Ungewissen über die Verlängerung des Arbeitsvertrags lässt. Hueck geht davon aus, dass die Rechtsordnung eine solche Ungewissheit nicht für sozial wünschenswert ansehe78. Die wiederholte Befristung von Arbeitsverträgen zeige, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit abschließen möchte, er sich jedoch im Falle des Rückgangs der Konjunktur die Option offen halten möchte, die Zahl seiner Arbeitnehmer zu reduzieren. Damit wälzt er – ohne Rücksicht auf die Interessen der Arbeitnehmer – ein typisch von ihm zu tragendes Risiko auf die Arbeitnehmer ab79.
75
Bickel, Anmerkung zu BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, SAE 1976, 115 ff. Zu der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Versagen des Vertrags als Steuerungsmittel, Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 207; Hueck/Nipperdey, S. 535. 77 Nikisch, Arbeitsrecht, S. 553 ff. 78 Hueck, RdA 1953, 85, 87. 79 So auch Nikisch, BB 1955, 197, 199; Wank, Arbeitnehmer und Selbständiger, zum Marktrisiko, das auf den Arbeitgeber zu verlagern ist, S. 76. 76
B. Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit
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Auch Nikisch80 stellt auf die Verletzung der Fürsorgepflicht ab, die sich daraus ergebe, dass der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers ungerechtfertigt missachtet habe. Es komme seiner Ansicht nach darauf an, ob die Befristung durch die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen der Vertrag oder die aneinandergereihten Verträge geschlossen wurden, gerechtfertigt sei. Wäre dies nicht der Fall, so sei die Befristung zu missbilligen, weil sie den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung in einem wichtigen Punkt ohne Rechtfertigung gegenüber einem Arbeitnehmer, der unbefristet eingestellt wird, benachteilige. bb) Kritik Die Fürsorgepflicht wird allgemein als Verpflichtung des Arbeitgebers verstanden, seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der Interessen der gesamten Belegschaft nach Treu und Glauben billigerweise möglich ist81. Die Fürsorgepflicht ist damit wichtigste Nebenpflicht des Arbeitgebers. Der Umfang dieser Verpflichtung lässt sich nicht allgemein festlegen, da sie in jedem Arbeitsverhältnis verschieden ist82. Die Fürsorgepflicht stellt daher lediglich eine Sammelbezeichnung für inhaltlich genau bestimmte oder bestimmbare Nebenpflichten des Arbeitgebers dar. Es ist daher nicht möglich aus dieser eine Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten, keine befristeten Arbeitsverträge mit dem Arbeitnehmer abzuschließen83. Aufgrund dieses doch begrenzten Umfangs der Fürsorgepflicht wurde gegen diese Theorie der Verletzung der Fürsorgepflicht eingewandt84, dass die positive Vertragsverletzung, also der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags und die späteren Verlängerungen, sich lediglich bei Vertragsschluss ereignete und daher nicht die Inhaltsgestaltung beträfe. Eine Fürsorgepflicht könne mithin erst entstehen, nachdem ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde85. Daher liege eine Überspannung der Fürsorgepflicht vor, die im Ergebnis die Vertragsfreiheit beschränken würde86. 80
Nikisch, BB 1955, 197 ff. BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 98/11, AP § 87 HGB Nr. 13. 82 Kreitner, Personalbuch, Fürsorgepflicht, Rn. 1, 3, 7. 83 Bickel, Anmerkung zu BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, SAE 1976, 115 ff.; vgl. auch seine Anmerkung zu BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 8; ders., JuS 1987, 861, 864. 84 Bickel, JuS 1987, 861, 864; Molitor, BB 1954, 504; Wolf/van Gelder, Anmerkung zu BAG v. 27.3.1969 – 2 AZR 302/68, SAE 1970, 122, 124. 85 Wolf/van Gelder, Anmerkung zu BAG v. 27.3.1969 – 2 AZR 302/68, SAE 1970, 122, 124. Selbst bei Ausdehnung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht kann die Pflicht jedoch nicht dahingehend gedeutet werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr gewährt als nach dem (befristeten) Vertrag vorgesehen ist, Säcker, RdA 1976, 91, 97. Zudem stellt das KSchG eine Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht dar, Bitter, DB 1999, 1214, 1217. Soweit der Gesetzgeber jedoch legislativ diese 81
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Auch das BAG stellt sich in seiner Grundsatzentscheidung vom 12.10.196087 ausdrücklich gegen die Theorie der Verletzung der Fürsorgepflicht, weil diese dadurch zu weit ausgedehnt werde, dass durch den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über eine Verlängerung seines Arbeitsvertrags im Ungewissen ließe. Das unter die Fürsorgepflicht zu subsumieren, würde dieser jegliche Kontur nehmen. Das BAG zweifelt daher schon an, ob der Abschluss eines solchen Vertrags überhaupt eine Verletzung darstellen könne. Zudem verlange die positive Vertragsverletzung ein Verschulden, was jedoch mit der zwingenden Wirkung von Normen und der Autorität des Gesetzgebers nicht vereinbar sei. Auch sei zu beachten, dass bei Abschluss eines befristeten Vertrags der Arbeitnehmer bei der „Vertragsverletzung“ mitwirke, sodass ein etwaiges Mitverschulden (§ 254 BGB) mit zu berücksichtigen sei88. c) Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB Zudem wurde vorgeschlagen über eine analoge Anwendung des § 315 BGB mittels einer generellen Billigkeitskontrolle Befristungen zu überprüfen89. Unbillig sei die Befristung, wenn sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Söllner zieht dabei eine Parallele zur AGB-Kontrolle, die zu dieser Zeit über umgesetzt hat, ist eine zusätzliche Berufung auf diese nicht möglich, Säcker, RdA 1976, 91, 97. 86 Molitor, BB 1954, 504, schlägt dagegen vor, darauf abzustellen, ob bei Kettenarbeitsverträgen davon auszugehen sei, ob der Arbeitnehmer unter den gegebenen Umständen mit einer Verlängerung rechnen konnte. Folge wäre, dass der Vertrag mindestens in der unwidersprochenen Vorstellung des Arbeitnehmers jetzt auf unbestimmte Zeit, zumindest auf die bestimmte Zeit der letzten Verlängerung laufen solle. Es soll also zu einer Umdeutung des befristeten Vertrags in einen unbefristeten Vertrag kommen, wenn durch die mehrfache Verlängerung des Kettenvertrags bei dem Arbeitnehmer der Eindruck erweckt wird, dass er nach den bisherigen Erfahrungen mit der Verlängerung auch in Zukunft mit weiteren Verlängerungen rechnen konnte, § 140 BGB. Molitor versucht demnach mit einer Art Gewohnheitsrecht einen durch den Arbeitgeber verursachten Rechtsschein einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, auf den sich der Arbeitnehmer verlassen darf. Wolf/van Gelder lehnen die Ansicht Molitors ab, weil die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 140 BGB nicht vorliegen, Anmerkung zu BAG v. 27.3.1969 – 2 AZR 302/68, SAE 1970, 122, 124. 87 BAG v. 12.10.1960 – 3 AZR 65/59, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16; vgl. S. 119. 88 Wolf/van Gelder bezweifeln schon das Vorliegen eines Schadens. Weder der freie Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags noch der freie Nichtabschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags stellen ein unfreiwilliges Vermögensopfer dar. Zudem müsse der Arbeitnehmer nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Daraus ergibt sich aber nicht die notwendige Folge, dass der Arbeitgeber einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hätte, Anmerkung zu BAG 27.3.1969 – 2 AZR 302/68, SAE 1970, 122, 123. 89 Säcker, RdA 1976, 91, 96 f.; Söllner, Anmerkung zu BAG v. 15.3.1966 – 2 AZR 211/65, SAE 1966, 255, 256.
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§ 315 BGB erfolgte. Diese Kontrolle erfolge immer dann, wenn ein Vertragspartner gezwungen werde, sich den AGB des anderen Teils zu unterwerfen. Daraus zieht Söllner den Schluss, dass § 315 BGB immer dann zur Anwendung komme, wenn ein Vertragspartner sich der einseitigen Rechtsgestaltungsmacht des anderen Teils unterwerfen müsse. Folge sei daher, dass eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB vorzunehmen sei, wenn sich der Arbeitnehmer einer vom Arbeitgeber vor Vertragsschluss festgelegten Befristung unterwerfe. Nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB könne dann durch Urteil das befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgestaltet werden. Der Grund für eine richterliche Billigkeitskontrolle wird mithin in der einseitigen Regelaufstellung gesehen und soll dadurch gerechtfertigt sein, dass zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags eine Machtungleichheit besteht90. d) Die Verhinderung der Umgehung durch Auslegung Wank vertritt die Ansicht91, dass der damals bestehende Wertungswiderspruch zwischen § 620 Abs. 1 BGB und dem KSchG im Wege der Auslegung hätte gelöst werden müssen. Legt man den § 620 Abs. 1 BGB a. F. nach seinem Wortlaut aus, so lässt sich hier keine Einschränkung der Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverträgen entnehmen. Nach der Wortlautauslegung hätte daher § 620 Abs. 1 BGB a. F. uneingeschränkt anwendbar sein müssen. Zu einem anderen Ergebnis führe aber nach Wank die systematische und die teleologische Auslegung des § 620 Abs. 1 BGB. Bei der Auslegung eines Gesetzes aufgrund seiner Systematik könne zwischen äußerer und innerer Systematik unterschieden werden. Während erstere die Feststellung betreffe, in welchem Abschnitt und in welchem Buch eine Vorschrift eingestellt sei92, beziehe sich letztere auf die innere Ordnung der Rechtsnormen im Sinne eines erstrebten widerspruchsfreien Wertgefüges93. Ein Gesetz sei immer so auszulegen, dass Widersprüche zwischen verschiedenen Gesetzen beseitigt werden. Nehme man eine generelle Zulässigkeit von befristeten Verträgen an, so würde dies dem legislatorischen Ziel des Schutzes des Arbeitnehmers aufgrund seiner unterlegenen Stellung zuwiderlaufen, weil der Arbeitnehmer eher einen befristeten Vertrag ab90 Bickel lehnt eine Anwendung des § 315 BGB aufgrund fehlender Tatbestandsmäßigkeit ab, Bickel, JuS 1987, 861, 864; Säcker, RdA 1976, 91, 96. 91 Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 76; ders., Arbeitnehmer und Selbständige, S. 192 f. So auch v. Hoyningen-Huene, v. Hoyningen-Huene/ Linck, KSchG, Einl., Rn. 62; Wiedemann/Palenberg gehen auch von einer einschränkenden Auslegung aus, vgl. RdA 1977, 85, 87. 92 Heck, S. 144 ff.; Molinero,Vernunft und Erfahrung im Rechtsdenken der Gegenwart, S. 339 ff. 93 Heck, S. 148 f.; Molinero,Vernunft und Erfahrung im Rechtsdenken der Gegenwart, S. 339 ff.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
schließen werde, als weiterhin arbeitssuchend zu sein. Es bestand also zwischen § 620 Abs. 1 BGB a. F. und dem KSchG ein systematischer Bruch, da die Wertungen zwischen § 620 Abs. 1 BGB a. F. und dem KSchG nicht aufeinander abgestimmt waren. Im Hinblick auf den Schutz des Arbeitnehmers war daher nach Wank der § 620 Abs. 1 BGB unter der Berücksichtigung der Wertungen des KSchG eingeschränkt zu interpretieren94. Wank legt schließlich § 620 Abs. 1 BGB a. F. nach dessen Sinn und Zweck aus. Es seien mithin die Gesetzesmaterialien, also die Präambel des Gesetzes oder die amtliche Begründung des Gesetzes heranzuziehen95. Es sei insbesondere eine Folgenbetrachtung anzustellen und danach zu fragen, welche Folgen bei einer bestimmten Auslegung im Rechtssystem aufträten und ob die eintretenden Folgen dem entsprächen, was der Gesetzgeber mit dem Gesetz beabsichtige96. Orientiert an dem Zweck des KSchG, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten, ergibt sich jedoch nicht zwingend, dass der Arbeitnehmer vor jeder Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschützt werden muss. Der Arbeitnehmer soll vor einseitigen Beendigungen des Arbeitsverhältnisses geschützt werden. Hier hilft die rechtsfolgenorientierte Rechtsauslegung weiter: Wären befristete Arbeitsverträge ohne Einschränkung zulässig (§ 620 Abs. 1 BGB a. F.), dann würde man dem KSchG jeglichen Anwendungsbereich berauben. Es würden nur noch befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden, was das KSchG zur Disposition des Arbeitgebers stellen würde, da aufgrund der unterlegenen Stellung des Arbeitnehmers dieser eher einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen würde, als überhaupt keinen. Diese Folge würde ersichtlich dem Sinn und Zweck des KSchG entgegenstehen, zumal das KSchG den generellen Normzweck des Leitbildes der sozialen Schutzfunktion verfolgt97. Die Wortlautauslegung einerseits und andererseits die Auslegung orientiert an der Gesetzessystematik und am Sinn und Zweck der Norm kommen daher zu unterschiedlichen Ergebnissen. Da der Zweck des Gesetzes das ausschlagende Kriterium ist98, kommt Wank hier durch reine Gesetzesauslegung zur teleologischen Reduktion des § 620 Abs. 1 BGB a. F.99. Unklar bleibt aber weiterhin, inwiefern sich das durch die Rechtsprechung geschaffene Kriterium des „sachlichen Grundes“ begründen lässt. Durch Auslegung lässt sich der „sachliche Grund“ nicht rechtfertigen. Das BAG ging nämlich nicht bei jeder Befristung davon aus, dass dieselbe unwirksam ist, sondern machte die Wirksamkeit davon abhängig, ob diese gerechtfertigt ist oder nicht. Dogmatisch 94 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 192 ff.; ders., Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 95, Rn. 5. 95 Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 84 f. 96 Wolf/Neuner, § 4, Rn. 41; Röhl/Röhl, S. 641 ff. 97 Zum generellen Normzweck als Auslegungskriterium, Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 85 f. 98 Larenz, Methodenlehre, S. 343 ff. 99 Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 86.
B. Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit
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korrekt lässt sich die damalige Rechtsprechung des BAG daher nicht mit einer teleologischen Einschränkung des § 620 Abs. 1 BGB a. F. begründen. e) Die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit Zudem wurde die Unwirksamkeit der Befristung damit begründet100, dass der Arbeitnehmer aufgrund mangelnder Entscheidungsfreiheit keine wirksame Willenserklärung abgeben konnte. Die Entscheidungsfreiheit sei bei dem Arbeitnehmer, der den befristeten Arbeitsvertrag nur deswegen abschließe, um die Arbeit zu erhalten, nicht gegeben. Er schließe den Vertrag nicht ab, weil er die Befristung für richtig erachte, sondern nur, weil er den Arbeitsplatz für seine Existenzsicherung benötige. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit solle dagegen nicht vorliegen, wenn einer sachgerechten Befristung zugestimmt werde. Da die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt sei, sei auch die Befristungsabrede unwirksam. Die Entscheidungsfreiheit stelle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal dar101. Es sei daher nicht nur notwendig, die bloße formelle Freiheit im Sinne einer liberalistischen Ordnungsvorstellung zu schützen, sondern darüber hinaus auch die materielle gleiche Ausübung dieser Freiheit. Jedem Vertragspartner müsse bei Ausübung der Vertragsfreiheit unter Beachtung der verschiedenen Ausgangspositionen die tatsächliche Chance gegeben werden, seine Interessen angemessen vertraglich durchzusetzen102. Da der Arbeitnehmer in seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sei, könne der Arbeitnehmer seine wirtschaftlichen Interessen im Rahmen des Arbeitsvertrags nur begrenzt Geltung verschaffen103. Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Position in einer unterlegenen Verhandlungsposition befindet, ist nicht zu bestreiten. Allerdings muss die Frage, ob der Arbeitnehmer sich wirtschaftlich und intellektuell in einer schwächeren Position befindet, von der Frage der Wirksamkeit einer Willenserklärung getrennt werden. Die strukturell unterlegene Position des Arbeitnehmers führt lediglich dazu, dass materielle Vertrags100 Wiedemann, Anmerkung zu BAG v. 4.2.1971 – 2 AZR 144/70, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 35; Wolf, Anmerkung zu BAG v. 22.3.1973 – 2 AZR 274/ 72, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 38. 101 Gegen die „vermeintlich gestörte Vertragsparität“ stellt sich Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 197 f.; a. A. Wiedemann, Anmerkung zu BAG v. 4.2.1971 – 2 AZR 144/70, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 35; wie Wiedemann auch Wolf, Anmerkung zu BAG v. 22.3.1973 – 2 AZR 274/72, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 38. 102 Wiedemann, Anmerkung zu BAG v. 4.2.1971 – 2 AZR 144/70, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 35; Wolf, Anmerkung zu BAG v. 22.3.1973 – 2 AZR 274/ 72, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 38. 103 BAG v. 4.2.1971 – 2 AZR 144/70, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 35.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
gerechtigkeit nicht besteht, lässt aber die Wirksamkeit der Willenserklärung im Übrigen unberührt. Der Gesetzgeber hat die Wirksamkeit einer Willenserklärung schon abschließend in den §§ 104 ff., 134, 138 BGB geregelt, sodass für eine weitere Wirksamkeitsvoraussetzung kein Raum mehr besteht104. Eine andere Betrachtung würde zu einer gerichtlichen Vormundschaft über den Arbeitnehmer führen105. Vielmehr ist ausschließlich der Gesetzgeber dazu berufen die in Art. 2 Abs. 1 GG kodifizierte Vertragsfreiheit auszugestalten. Dies gilt mit Blick auf § 620 BGB a. F. insbesondere deswegen, weil die nur unter bestimmten Voraussetzungen angenommene Wirksamkeit des befristeten Arbeitsvertrags einen grundrechtsintensiven Eingriff in den Wesensgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG bedeuten würde, zu dem jedoch nur der parlamentarische Gesetzgeber berechtigt ist (Artt. 20 Abs. 1 und 3 GG). Eine über die §§ 104 ff., 134, 138 BGB hinausgehende Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Willenserklärung aufzustellen, ist daher nicht überzeugend. Auch Wank beanstandet das pauschale Bild des „unmündigen Proletariers“ 106. Der Arbeitnehmer ist als mündiger Bürger zu verstehen, der im Rahmen der §§ 104 ff., 134, 138 BGB die Freiheit haben sollte, Verträge nach seinem Belieben zu schließen. Einer weiteren Korrektur durch staatlichen Eingriff bedarf es nicht und würde dem Bild des aufgeklärten mündigen Bürgers widersprechen, der vor sich selbst „geschützt“ werden muss. 4. Analyse a) Bewertung der genannten Lösungsansätze Analysiert man die oben dargestellten Meinungen, so lassen sich zwei grundsätzliche Standpunkte ausmachen. Auf der einen Seite ist die Ansicht Bickels zu nennen, der von der schlichten Anwendung des Gesetzes ausgeht und zum Ergebnis kommt, dass die befristeten Arbeitsverträge wirksam seien. Auf der anderen Seite sind die übrigen Ansichten zu nennen, die im Ergebnis das befristete Arbeitsverhältnis nicht als wirksam behandeln. Die Begründungen differieren allerdings. Die streng formale Betrachtung Bickels ist abzulehnen, weil die Annahme der generellen Wirksamkeit befristeter Arbeitsverträge vor Inkrafttreten des BeschFG und später des TzBfG zu einer Vereitelung des legislatorischen Zwecks des 104 So auch Bickel, Anmerkung zu BAG 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, SAE 1976, 115, 117. 105 Bickel, Anmerkung zu BAG 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, SAE 1976, 115, 116. Der Arbeitnehmer sei kein unmündiger Proletarier, Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 33; so auch Boemke, NZA 1993, 532, 534, 537. 106 Bengelsdorf, NZA 193, 199; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 34.
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KSchG geführt hätte und damit die ständige Befristung von Arbeitsverträgen das KSchG obsolet machen würde. Der Gesetzgeber hätte den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses nicht mehr legislativ gewährleisten können, wenn Befristungen uneingeschränkte Wirksamkeit entfalten würden. Der Vergleich des Ziels des KSchG mit dem Subsumtionsvorschlag der Arbeitgeber führt daher zu einer normativen Diskrepanz. Es lag daher eine Gesetzesumgehung vor. Die rechtliche Ursache für die Entstehung einer solchen Gesetzesumgehung lag nach alter Rechtslage zum einen in einem Widerspruch im gesetzlichen System. Dieser wurde dadurch begünstigt, dass der Kündigungsschutz in einem gesonderten Gesetz geregelt, während das BGB in § 620 Abs. 1 BGB a. F. nicht entsprechend angepasst wurde. Zum anderen wurde durch die generelle Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen ein Machtgefälle durch die Arbeitgeber ausgenutzt. Dieses ergab sich aus der bereits genannten Unterlegenheit des Arbeitnehmers107, da der Gesetzgeber dieses Machtungleichgewicht hinsichtlich des Abschlusses von befristeten Arbeitsverträgen zu dieser Zeit noch nicht gesetzlich geregelt hatte. Bei der Auflösung dieses Bruchs im System bestehen unterschiedliche dogmatische Möglichkeiten: Das BAG begegnete der gewählten Vertragskonstellation, indem es ein eigenständiges Rechtsinstitut „Die Gesetzesumgehung“ schuf. Dabei definierte es die Umgehung als Vereitelung des Zwecks einer zwingenden Norm durch missbräuchliche Verwendung anderer rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Dadurch ordnete das BAG die Gesetzesumgehung dem Bereich des Rechtsmissbrauchs zu108. Der Vorteil der gewählten Begründung lag darin, dass die Rechtsprechung sich einen weiten Beurteilungsspielraum in dem konkreten Einzelfall einräumte109. Wann ein sachlicher Grund vorlag, konnte das BAG bestimmen. Der Nachteil dieser Flexibilität war jedoch, dass das BAG mit Kreierung des „sachlichen Grundes“ keine Rechtssicherheit herstellte110. Die Lösung über die Verletzung der Fürsorgepflicht und § 315 BGB analog stellten letztlich auch methodische Begründungsansätze dar, die im Ergebnis aber dogmatisch nicht klar umrissen sind und auch nicht das Erfordernis des sachlichen Grundes rechtfertigen konnten. Der Umgehung des Kündigungsschutzes mittels Auslegung zu begegnen trifft auch auf Bedenken. Insbesondere blieb unklar, inwiefern sich aus einer teleologischen Reduktion des § 620 Abs. 1 BGB a. F. das 107
Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 28 f. Bickel kritisiert hieran in der Anmerkung zu BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 8, dass auch der Arbeitnehmer bei dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mitwirkt. Der Arbeitnehmer könne als freier Bürger jedoch nicht durch Abgabe einer Willenserklärung seine eigene Vertragsfreiheit zu seinen Lasten missbrauchen. 109 Säcker, RdA 1976, 91, 95. 110 Zum Nachteil der Rechtsfortbildung und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit, Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 197 ff., 204. 108
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Erfordernis des sachlichen Grundes ableiten ließ. Es sind die Grenzen der Auslegung zu beachten. b) Richtiger Ansatz: Rechtsfortbildung Im Ergebnis eröffnete sich die Möglichkeit der Umgehung des Kündigungsschutzes durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen durch einen Bruch im gesetzlichen System, der dadurch verursacht wurde, dass die Wertungen des BGB nicht mit denen des KSchG abgestimmt wurden. Der § 620 Abs. 1 BGB a. F. regelte aufgrund seiner Stellung im BGB und seines Wortlautes die Beendigung aller bürgerlich rechtlichen Dienstverhältnisse durch Zeitablauf 111 und damit nur unzureichend den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags. § 620 Abs. 1 BGB a. F. wurde seit dem 1.1.1900 bis auf eine redaktionelle Anpassung im Jahre 1969112 bis Ende 2000 nicht geändert. Dagegen wurde der Schutz des Arbeitnehmers gegen Kündigungen seit dem Ende des Ersten Weltkriegs ständig unmittelbar und mittelbar verstärkt113. Der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers vor ungerechtfertigten Beendigungen des Arbeitsverhältnisses wurde also nur innerhalb eines Arbeitsverhältnisses, also nach Abschluss eines Arbeitsvertrags, legislatorisch Rechnung getragen. Vor Kodifizierung des BeschFG und des TzBfG war daher fraglich, wie dieses Machtgefälle, das vor Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags bestand, wieder behoben werden konnte114. Das BAG machte die Wirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrags daher von dem Vorliegen eines „sachlichen Grundes“ abhängig. Die Aufstellung eines „sachlichen Grundes“ durch das BAG bei Abschluss eines befristeten Vertrags lässt sich nur durch Rechtsfortbildung begründen. Es war rechtsmethodisch weder durch Auslegung noch durch Analogie möglich den gesetzgeberischen Willen, der nur unvollkommen durch das KSchG zum Ausdruck gebracht wurde, umzusetzen. Daher war das BAG aufgrund der unzureichenden gesetzlichen Vorgaben dazu berufen im Wege der richterlichen Rechtsschöpfung und unter Berücksichtigung des in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegten Prinzips der Gesetzesbindung des Richters eine Korrektur vorzunehmen115. Insbesondere stand nach alter Rechtslage die Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers durch den Gesetzgeber einer richterlichen Rechtsfortbildung nicht entgegen. Der Gesetzgeber trug dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers durch die Kodifizierung des KSchG nur insofern Rechnung, als der 111
Koch, NZA 1985, 345. § 620 Abs. 2 BGB wurde durch das Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14.8. 1969 geändert, BGBl. I, S. 1106. 113 Koch, NZA 1985, 345. 114 Bei Machtungleichgewicht muss es dem Gericht erlaubt sein, korrigierend einzugreifen, Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 206. 115 BVerfG v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85, NZA 1991, 809, 810. 112
B. Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit
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Arbeitnehmer ausschließlich vor einseitigen Beendigungen innerhalb eines Arbeitsverhältnisses und damit nach Abschluss eines unbefristeten Vertrags geschützt wurde. Bei Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags greift das KSchG dagegen nicht ein, sodass vor Eintritt in ein befristetes Arbeitsverhältnis das Machtgefälle nicht legislatorisch neutralisiert wurde und das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers nach alter Rechtslage vor Abschluss des befristeten Vertrags nicht durch das KSchG „verbraucht“ wurde116. Vor Abschluss des befristeten Vertrags bestand daher keine materielle Vertragsfreiheit, sodass zur Wiederherstellung der Vertragsparität das BAG zur Fortbildung des Rechts nach Art. 20 Abs. 3 GG berufen war117. Nach der Ansicht Krafts118 handelte es sich dabei um eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung, weil das BAG das Erfordernis des sachlichen Grundes aus der „Entwicklung des Bestandsschutzes“ und aus den „Grundprinzipien des deutschen Arbeitsrechts“ herleitete119. Diese Grundsätze stellen Prinzipien der Gesamtrechtsordnung dar, auf denen die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung beruht120. Dagegen ist von gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung zu sprechen, wenn sich die richterrechtlich gebildete Rechtsfolge aus dem Gesetz ableiten lässt und sich damit noch im Rahmen der Teleologie des Gesetzes hält121. § 626 BGB und auch das KSchG statuieren zwar Kündigungsgründe, allerdings lässt sich daraus nicht zwingend der Schluss ziehen, die Befristung eines Arbeitsverhältnisses von einem sachlichen Grund abhängig zu machen. Das gilt insbesondere auch deswegen, weil das Erfordernis eines Grundes bei der Kündigung und bei der Befristung aus ganz unterschiedlichen Gründen verlangt wird. Während eine Kündigung ausgesprochen wird, um zukünftig eine Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen und der Gesetzgeber diese Beendigungsgründe abschließend geregelt hat, fordert das TzBfG einen sachlichen Grund schon bei Begründung des Arbeitsverhältnisses, weil bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses klar ist, dass der Bedarf an dem Arbeitnehmer nur vorübergehend besteht. 116 BVerfG v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85, NZA 1991, 809, 810; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 55; ders., Arbeitnehmer und Selbständige, S. 52 ff. 117 Gaul vertritt die Ansicht, dass sehr strenge Voraussetzungen an die Feststellung von rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu stellen sind, wenn der Gesetzgeber bestimmte Rechtsfolgen an konkrete Verhaltensvorgaben knüpft. Man müsse dann davon ausgehen, dass dem Gesetzgeber der Interessengegensatz bekannt war und er daher die Aufrechterhaltung einer bestimmten Arbeitnehmerschutzvorschrift (hier: KSchG) nur in den ausdrücklich geregelten Fällen (hier: Kündigung) vorgesehen hat, Gaul, Schluss, Rn. 94. Kritisch Säcker, RdA 1976, 91, 94, der davon ausgeht, dass das BAG seine Aufgabe, die Fortbildung des Rechts voranzutreiben, sehr ernst nahm (§ 45 Abs. 4 ArbGG). 118 Kraft, Anmerkung zu BAG v. 29.8.1979 – 4 AZR 863/77, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 50. 119 Larenz, Methodenlehre, S. 421. 120 Larenz, Methodenlehre, S. 421 f. 121 Larenz, Methodenlehre, S. 366.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
III. Die Folgen für die Umgehungsdogmatik im Arbeitsrecht 1. Die unmittelbaren Folgen aus der Umgehungsrechtsprechung des BAG Insgesamt kristallisierten sich hier drei wesentliche Lehren für die Behandlung von Gesetzesumgehungen im Arbeitsrecht heraus: a) Der Verzicht auf die Umgehungsabsicht Die erste Erkenntnis betrifft die Umgehungsabsicht. Nach Ansicht des BAG kann die Umgehungsabsicht bei der Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht keine Rolle spielen, weil der soziale Schutzzweck, insbesondere der Kündigungsschutz, dies nicht zulässt122. Es kann nicht berücksichtigt werden, ob den Parteien bewusst war, bei Abschluss eines befristeten oder bedingten Arbeitsvertrags den Kündigungsschutz zu umgehen. Damit trifft das BAG eine entscheidende Wertentscheidung, die sich vor allem aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) ableiten lässt. Der Kündigungsschutz stellt eine Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips dar. Dem Bestandsschutz wird hier eine so wichtige Stellung eingeräumt, sodass es unerheblich ist, ob die Parteien sich über die Umgehung Gedanken gemacht haben oder nicht. Zugleich entfernt sich das BAG von einer Art Sanktionswirkung bei Vorliegen von Gesetzesumgehungen. Die Anwendung der Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes erst dann eintreten zu lassen, wenn zumindest einem Beteiligten das Umgehungsgeschäft bewusst war, drängt die Gesetzesumgehung sehr nah in den Bereich von Sanktionen. Das BAG hat jedoch durch die Aufgabe des Erfordernisses des subjektiven Moments zugleich klargestellt, dass die Umgehung im Arbeitsrecht kein Verstoß gegen ein Gesetz darstellt, der mit einer Sanktion geahndet werden muss. Damit erteilt das BAG zugleich der Ansicht eine Absage, die Gesetzesumgehungen unter dem Gesichtspunkt des § 138 BGB zu behandeln, bei dem auch eine Gesinnungsprüfung erforderlich ist. Der Verzicht auf das Erfordernis einer Umgehungsabsicht ist auch unter Berücksichtigung des oben dargelegten Umgehungsmodells nur konsequent. Subjektive Momente können nur ein Indiz, aber nie das ausschlaggebende Kriterium für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes sein123.
122 Teilweise wurde dagegen vorgebracht, dass die Umgehungsabsicht erforderlich sei, jedoch dürfe auch nicht die Absicht alleine ausreichen, um eine unzulässige Gesetzesumgehung anzunehmen, Hueck, RdA 1953, 85 ff.; ders., FS Apelt, S. 57, 65 ff.; Hueck/Nipperdey, S. 535; Nikisch, Arbeitsrecht, S. 553; ders., BB 1955, 197 ff. 123 Böckli, FS Cagianut, S. 289, 304 f.; Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 40; Siecker, S. 44 f., 124; Schurig, FS Ferid, S. 375, 398, 403 f.
B. Entwicklung der Umgehungsdogmatik in der Arbeitsgerichtsbarkeit
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b) Der sachliche Grund Die zweite Erkenntnis betrifft das Erfordernis des „sachlichen Grundes“. Mit dem Umgehungsargument wurde durch diese Rechtsprechung die Vertragsfreiheit und damit der Anwendungsbereich des § 620 Abs. 1 BGB a. F. erheblich eingeschränkt124, der ausdrücklich statuiert, dass ein Arbeitsverhältnis mit der Zeit endet, für die es eingegangen wurde. § 620 Abs. 3 BGB n. F., der bei befristeten Arbeitsverhältnissen auf das TzBfG verweist, trat erst gute 40 Jahre später in Kraft. Auch im Übrigen sah das Gesetz im Jahre 1960 keine Normen vor, um die Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen zu regeln, sodass nicht die Gefahr bestand im Wege der Rechtsfortbildung eine gesetzgeberische Wertentscheidung rückgängig zu machen. Ausgangspunkt bei der Kreierung des sachlichen Grundes war dabei, den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses einerseits und den Grundsatz der Vertragsfreiheit andererseits „im Gefüge der Grundprinzipien des deutschen Arbeitsrechts“ in Einklang zu bringen. Das BAG erkannte also, dass der befristete Arbeitsvertrag als Vertragstyp nur zulässig sein darf, wenn sein Einsatz nicht den Zweck des Kündigungsschutzrechts vereitelt. Für den § 620 Abs. 1 BGB a. F. und die Vertragsfreiheit müssen nach Ansicht des BAG Grenzen bestehen, die sich aus dem Arbeitnehmerschutz ergeben. Um mithin die Vertragsfreiheit nicht zu sehr einzuschränken, jedoch ein Unterlaufen des Kündigungsschutzes zu verhindern, kreierte das BAG im Wege der Rechtsfortbildung eine Wirksamkeitsvoraussetzung für befristete Verträge. Mittels dieses Korrektivs sollten beide widerstreitende Interessen in Einklang gebracht werden. Bestand kein sachlicher Grund für die Befristung, so bestand auch kein schützenswertes Interesse für den Abschluss eines solchen Vertrags. Dies führte dann zur Funktionswidrigkeit des Vertrags, wenn dem Arbeitnehmer sein Bestandsschutz geraubt wurde, also der befristete Vertrag der „Funktion“ des KSchG zuwiderlief 125. c) Die Rechtsfolgen bei Vorliegen einer Gesetzesumgehung Die dritte Erkenntnis betrifft die Rechtsfolgen der Umgehung. Liegt eine Gesetzesumgehung vor, so führt dies nicht zur Nichtigkeit des abgeschlossenen befristeten Vertrags, weil die umgangenen Kündigungsbestimmungen Schutzvorschriften zu Gunsten der Arbeitnehmer sind126. Es wurden also auch bei der 124
Hueck, FS Apelt, S. 57, 69. BAG v. 12.10.1960 – 3 AZR 65/59, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16. 126 Anders sieht dies Wolf/van Gelder, Anmerkung zu BAG v. 27.3.1969 – 2 AZR 302/68, SAE 1970, 122, 123. Die Gesetzesumgehung habe die Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Ein Arbeitsverhältnis sei entweder befristet oder unbefristet. Die Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses könne man nicht in die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses und in die Vereinbarung einer Befristung des Arbeits125
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Bestimmung der Rechtsfolgen einer Gesetzesumgehung die Besonderheiten des Arbeitsrechts als Schutzrecht berücksichtigt, indem die Befristung und der Arbeitsvertrag aufgeteilt und die Befristung isoliert beurteilt wurde. Lag ein „sachlicher Grund“ für die Befristung vor, so war von einem wirksam befristeten Arbeitsverhältnis auszugehen. Andernfalls lag ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor. Das befristete Arbeitsverhältnis wurde also durch ein unbefristetes ersetzt, auf das die Kündigungsvorschriften schließlich Anwendung fanden127. Damit wurde letztlich die Gesetzesumgehung vereitelt. 2. Die Folgen für den im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Umgehungsbegriff Die Lehren, die sich aus der Umgehungsrechtsprechung des BAG ergeben, widersprechen nicht dem im zweiten Kapitel entwickelten Umgehungsbegriff, sondern bestätigen und ergänzen ihn sogar. Die Unwirksamkeit eines Umgehungsgeschäftes nur dann anzunehmen, wenn der Normunterworfene die Absicht hatte, das Gesetz zu umgehen, ist nicht überzeugend. Ob Unwirksamkeit als Rechtsfolge eines Umgehungsgeschäftes eintritt, hängt ausschließlich von der umgangenen Norm ab. Stellt diese ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB dar, dann tritt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 134, 2. Halbsatz BGB die Unwirksamkeit ein. Allerdings muss zwischen der gezielten Absicht, ein Gesetz zu umgehen, und sonstigen subjektiven Momenten unterschieden werden128. Letztere sind beispielsweise im Rahmen der Beurteilung, ob gegenläufige Gestaltungen funktionell miteinander verknüpft sind, zu beachten. Sie spielen also auf der Ebene der Umgehungsverhinderung insofern eine Rolle, als bei der Auslegung des Sachverhaltes geprüft werden muss, ob gegenläufige Gestaltungen oder mehrere einzelne Rechtsgeschäfte als Einheit zu betrachten sind. Denn dann kommt es auf eine auf einem Gesamtplan beruhende konditionale Konnexität der einzelnen Rechtsgeschäfte an, bei denen subjektive Momente nicht schlechthin unberücksichtigt werden können129. verhältnisses zerlegen. Ein befristeter Arbeitsvertrag sei – ihrer Ansicht nach – inhaltlich nicht teilbar. § 139 BGB sei damit nicht anwendbar, da dieser nur auf teilbare Rechtsgeschäfte anwendbar sei. Es sei daher nicht möglich die Befristungsabrede isoliert für nichtig zu erklären und den restlichen Arbeitsvertrag als unbefristeten Arbeitsvertrag zu deklarieren, auf den man die Kündigungsvorschriften anwenden könne. Befristung und Arbeitsvertrag stellen kein teilbares Rechtsgeschäft dar, weil beide nicht unabhängig voneinander Bestand haben können. 127 Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 40. 128 Zu der Unterscheidung zwischen Umgehungsabsicht und sonstiger subjektiver Umstände, Böckli, FS Cagianut, S. 289, 304 f.; Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 40; Siecker, S. 44 f., 124; Schurig, FS Ferid, S. 375, 398, 403 f. 129 Hefermehl/Soergel, § 134 BGB Rn. 40.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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Ausgehend von dem im zweiten Kapitel ausgearbeiteten Umgehungsbegriff fügt sich auch das Kriterium des „sachlichen Grundes“ nahtlos in das methodische Schema ein, wenn man die Ansicht vertritt, dass dieses Kriterium im Wege der Rechtsfortbildung geschaffen wurde, um die Gesetzesumgehung zu verhindern.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht Basierend auf den unter B. herausgearbeiteten Grundsätzen soll nun in einem weiteren Schritt dargelegt werden, in welcher Weise die Rechtsprechung und Literatur den Umgehungsbegriff im Arbeitsrecht verwenden. Dabei sollen exemplarisch einzelne Bereiche aus dem Individualarbeitsrecht untersucht werden. Ausgehend von dem Urteil des BAG aus dem Jahre 1960 soll unter Punkt (I.) vertieft dargestellt werden, in welchem Zusammenhang im Kündigungsschutz der Umgehungsbegriff verwendet wird. Im Anschluss wird das Phänomen der Gesetzesumgehung im Teilzeit- und Befristungsgesetz (II.) untersucht. Unter (III.) wird das mittelbare Arbeitsverhältnis begutachtet. Ferner wird darlegt, wie die Gesetzesumgehung bei Vorliegen eines solchen Arbeitsverhältnisses zu behandeln ist, sodass schließlich näher geprüft wird, inwiefern die Arbeitnehmerüberlassung ein Mittel zur Gesetzesumgehung darstellt und in welcher Weise die Arbeitnehmerüberlassung selbst Gegenstand von Gesetzesumgehungen sein kann (IV.).
I. Die Umgehung des Kündigungsschutzes Das Kündigungsschutzrecht als „Nervenzentrum“ des Arbeitsrechts130 ist immer wieder Gegenstand von Gesetzesumgehungen. Dabei werden zunächst unter (1.) Konstellationen dargestellt, die grundsätzlich geeignet sind, den Änderungskündigungsschutz nach § 2 KSchG zu umgehen. Im Rahmen von Gliederungsziffer (2.) wird die Verwendung des Umgehungsbegriffs im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen untersucht. 1. Der Änderungskündigungsschutz a) Allgemeine Überlegungen Mittels einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG kann der Arbeitgeber einzelne Bedingungen des Arbeitsvertrags ändern. So ist es beispielsweise denkbar die Arbeitszeit zu reduzieren oder andere einzelne Arbeitsbedingungen zu ändern. Voraussetzung einer solchen Änderungskündigung ist allerdings das Vor130
Preis, NZA 1997, 1073.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
liegen eines Änderungskündigungsgrundes, §§ 2 S. 1, 1 Abs. 2 und 3 KSchG. Rechtstechnisch ist es jedoch möglich, unabhängig vom Vorliegen eines Änderungskündigungsgrundes die Arbeitsbedingungen zu verändern. In Betracht kommt die anfängliche Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen und die Abänderung einzelner Arbeitsbedingungen durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB. b) Die Umgehung durch Befristung einzelner Arbeitsbedingungen aa) Die Umgehungskonstellation Möchte der Arbeitgeber unabhängig vom Vorliegen eines Kündigungsgrundes nach §§ 2 S. 1, 1 Abs. 2 und 3 KSchG die Arbeitsbedingungen einseitig ändern, so wäre es erwägenswert, einzelne Arbeitsbedingungen zu befristen oder zu bedingen. Die Arbeitsvertragsparteien könnten zum Beispiel vereinbaren, dass sich die Arbeitszeit automatisch reduziert, wenn ein gewisser Umsatz im Betrieb nicht mehr erreicht wird. Dabei ist zu beachten, dass sich die Zulässigkeit von Befristungen einzelner Arbeitsbedingungen aus der Vertragsfreiheit131 ergibt und auch nicht dem Anwendungsbereich des TzBfG132 unterliegt. Mithin ist es daher durch Befristung einzelner Arbeitsbedingungen grundsätzlich möglich den Änderungskündigungsschutz des § 2 KSchG zu umgehen133. Der Arbeitgeber könnte also unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG dem Rechtsanwender einen solchen Subsumtionsvorschlag unterbreiten. bb) Die Entscheidung des BAG In dem BAG-Urteil vom 4.6.2003134 ging es um die Befristung der Arbeitszeit. Die Klägerin übte zunächst eine Vollzeitbeschäftigung aus. Es kam dann zu einer unbefristeten Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte. Im Anschluss daran wurde sie teilweise voll und teilweise zu dreiviertel beschäftigt. Die Erhöhung
131 Hesse/Münchener Kommentar, § 3 TzBfG Rn. 7; Müller-Glöge/ErfK, § 3 TzBfG Rn. 16. 132 Grundlegend hierzu ist das Urteil des BAG v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, NZA 2004, 719; Müller-Glöge/ErfK, § 3 TzBfG Rn. 16; auch eine analoge Anwendung des TzBfG auf die Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen ist mit Blick auf den Wortlaut nicht möglich. So spricht der § 3 und § 14 TzBfG von dem „Arbeitsvertrag“, Backhaus/APS, § 3 TzBfG Rn. 37b. Zu beachten ist jedoch, dass die Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen ab dem 1.1.2002, die in Formulararbeitsverträgen i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB vereinbart worden sind, der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB unterworfen sind, Tillmanns/HK-ArbR, § 3 TzBfG Rn. 5 ff. 133 BAG v. 4.6.2003 – 7 AZR 406/02, AP § 17 Nr. 1 TzBfG; BAG v. 13.6.1986 – 7 AZR 650/84, AP § 2 KSchG 1969 Nr. 19. 134 BAG v. 4.6.2003 – 7 AZR 406/02, AP § 17 Nr. 1 TzBfG.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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der Arbeitszeit erfolgte allerdings nur befristet. Die Klägerin machte die Unzulässigkeit der nur befristeten Erhöhung ihrer Arbeitszeit geltend. Zunächst stellte das BAG fest, dass die Befristung einzelner Vertragsbedingungen den gesetzlichen Änderungskündigungsschutz objektiv umgehen könne, wenn diese Arbeitsbedingungen im Fall der unbefristeten Vereinbarung dem Änderungskündigungsschutz nach § 2 KSchG unterlägen. Könnte man demnach diese Vertragsbedingungen nur unter Berücksichtigung des § 2 KSchG modifizieren, dann stelle eine Befristung derselben eine Umgehung des § 2 S. 1 KSchG i.V. m. § 1 Abs. 1 S. 1 bis 3, Abs. 3 S. 1 und 2 KSchG dar. Das sei insbesondere bei solchen Arbeitsbedingungen der Fall, die die Arbeitspflicht nach Inhalt und Umfang in einer Weise ändern, die sich unmittelbar auf die Vergütung auswirken und damit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung maßgeblich beeinflussen (Kernbereich des Arbeitsverhältnisses). Es geht also um grundlegende Veränderungen im Bereich der synallagmatischen Hauptleistungspflichten135. Der Arbeitgeber könnte also durch fortlaufende Befristungen von einzelnen Arbeitsbedingungen (hier: Erhöhung der Arbeitszeit) den § 2 KSchG umgehen, sodass es keines Änderungskündigungsgrundes für die Reduzierung der Arbeitszeit bedarf. Bei einer Vollbeschäftigung könnte der Arbeitgeber die anschließende Reduzierung der Arbeitszeit auf beispielsweise dreiviertel der regulären Arbeitszeit regelmäßig nur durch Änderungskündigung (§ 2 KSchG) erreichen. Möchte der Arbeitgeber diese Hürde des Änderungskündigungsgrundes nicht überwinden, so könnte er einen Arbeitnehmer lediglich auf die Hälfte der Arbeitszeit beschäftigen und je nach Bedarf die Erhöhung der Arbeitszeit auf bestimmte Zeit befristen. Um diese Umgehungsmöglichkeit zu verhindern, macht das BAG die Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen auch von dem Vorliegen sachlicher Gründe abhängig136. c) Die Umgehung mittels einseitigen Leistungsbestimmungsrechts aa) Die Umgehungskonstellation Es ist schließlich der Frage nachzugehen, inwiefern es möglich ist, den Kündigungsschutz nach § 2 KSchG dadurch zu umgehen, dass im Arbeitsvertrag ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers (§ 315 BGB) zum Umfang der Arbeitszeit bei arbeitszeitabhängiger Vergütung vorgesehen wird. Nach § 2 KSchG ist eine einseitige Änderung des Arbeitsvertragsinhalts nur durch Änderungskündigung möglich. Der Wortlaut des § 2 KSchG umfasst dagegen nicht das Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB. Rein formal betrachtet wäre es 135 BAG v. 21.4.1993 – 7 AZR 297/92, AP § 2 KSchG 1969 Nr. 34; BAG v. 23.1.2002 – 7 AZR 563/00, NZA 2003, 104, 105; BAG v. 4.6.2003 – 7 AZR 406/02, AP § 17 Nr. 1 TzBfG. 136 BAG v. 4.6.2003 – 7 AZR 406/02, AP § 17 Nr. 1 TzBfG.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
daher grundsätzlich möglich, im Arbeitsvertrag die Vergütung von der Arbeitszeit abhängig zu machen und die Bestimmung der Arbeitszeit dem Arbeitgeber nach § 315 BGB zu überlassen. bb) Die Entscheidung des BAG Das BAG hielt in einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 eine derartige Vereinbarung nach § 134 BGB für nichtig, weil durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit in den kündigungsrechtlich geschützten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen werde137. Insbesondere sei deswegen von einem ungerechtfertigten Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses auszugehen, weil die Arbeitsvergütung nach Zeiteinheiten bemessen werde. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber je nach Bedarf den Arbeitnehmer einstellen könne und ihn auch nur dann bezahlen müsse. Damit werde das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens auf den Arbeitnehmer abgewälzt. Durch dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht werde gestaltend auf den Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses eingewirkt. Damit habe das einseitige Leistungsbestimmungsrecht die gleichen Rechtswirkungen wie eine Änderungskündigung. Letztere sei jedoch nach § 2 KSchG von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig, während das Leistungsbestimmungsrecht nicht solchen Grenzen unterliege. Durch eine einseitige Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit innerhalb eines zeitlichen Rahmens werde der Bestand des Arbeitsverhältnisses als Ganzes geändert und praktisch ein neues Arbeitsverhältnis begründet138. Im Ergebnis könne also der Arbeitgeber die Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf null reduzieren und damit zugleich den Lohnanspruch mindern. Eine solche dem Arbeitgeber eingeräumte Rechtsmacht widerspricht jedoch der Regelung des § 2 KSchG. Das BAG erachtete daher das Leistungsbestimmungsrecht wegen objektiver Umgehung des § 2 KSchG für unwirksam und berief sich dabei auf § 134 BGB139. d) Bewertung aa) Das Feststellen einer Gesetzesumgehung Ob eine Gesetzesumgehung vorliegt erfolgt im Wege eines wertenden Vergleichs zwischen Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen und dem Anwendungsbereich/Ziel des § 2 KSchG. Der Subsumtionsvorschlag des Arbeit137 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321, 322. Wird das Leistungsbestimmungsrecht in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag vereinbart, so erfolgt die Prüfung jetzt an den §§ 305 ff. BGB, BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 426. 138 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321, 323. 139 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321, 323.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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gebers hat den Inhalt, dass aufgrund des Wortlauts des § 2 S. 1 KSchG dieser weder Befristungen von einzelnen Arbeitsbedingungen noch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht umfasst. Zur Ermittlung des Ziels des § 2 S. 1, 1 Abs. 2 KSchG kann zunächst ein Rechtsfolgenvergleich vorgenommen werden. Die Rechtsfolgen, die sich durch Ausübung eines unbegrenzten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts oder durch Befristung einzelner Arbeitsbedingungen ergeben, sind identisch mit den Rechtsfolgen, die durch eine Änderungskündigung eintreten. Beide rechtlichen Gestaltungsmittel führen wirtschaftlich und faktisch zu derselben Rechtsfolge. Die Arbeitszeit und das Gehalt reduzieren sich. Beide Gestaltungsmittel knüpfen allerdings an unterschiedlich hohe Voraussetzungen an, was zu einem materiellen Wertungsgefälle führt. Auch ist aus §§ 2 S. 1, 1 Abs. 2 KSchG erkennbar, dass nach dem Willen des Gesetzgebers einseitige Änderungen, die den Bereich des arbeitsvertraglichen Synallagmas betreffen, nur möglich sein sollen, wenn ein Änderungskündigungsgrund vorliegt. Die Zulässigkeit der Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen ergibt sich zwar aus der Vertragsfreiheit140. Allerdings zeigen die Wertungen des § 2 KSchG, dass sich der Kündigungsschutz nicht nur auf das Arbeitsverhältnis insgesamt, sondern auch auf einzelne Arbeitsbedingungen bezieht. Durch § 2 KSchG wird der Inhalt eines Arbeitsverhältnisses geschützt141. Werden also Bestandteile des Arbeitsvertrags befristet, die sich unmittelbar auf die Vergütung auswirken und damit das Synallagma betreffen, so ist der Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses betroffen. Das Ziel des § 2 KSchG wird tatbestandlich also nicht vollumfänglich erfasst, da die Norm ausschließlich von Kündigungen spricht. Es ist also von einer normativen Diskrepanz zwischen Subsumtionsvorschlag des Arbeitgebers und dem Ziel/Anwendungsbereich des § 2 KSchG auszugehen (Gesetzesumgehung). bb) Die Verhinderung der Gesetzesumgehung Die im Rechtsfindungsverfahren ermittelte Gesetzesumgehung muss in einem weiteren methodischen Schritt verhindert werden. (1) Die Notwendigkeit Gesetzesumgehungen zu verhindern Das Erfordernis einer Korrektur ergibt sich aufgrund der Ähnlichkeit des Sachverhaltes und ist damit verfassungsrechtlich (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten. Eine ausdrücklich ausgesprochene Änderungskündigung im Laufe des Arbeitsverhältnisses und die von vornherein im Arbeitsvertrag gegebene Möglichkeit später eine Änderung der Arbeitszeit und damit verbunden eine Änderung des 140 141
Müller-Glöge/ErfK, § 3 TzBfG Rn. 17. Müller-Glöge/ErfK, § 3 TzBfG Rn. 17.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Gehalts herbeizuführen, sind vergleichbar. Auch letztere Sachverhaltskonstellation sollte mithin nach dem Willen des Gesetzgebers von § 2 KSchG erfasst sein, weil eine Änderung der wesentlichen arbeitsvertraglichen Pflichten den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses und damit das arbeitsvertragliche Synallagma betrifft. Darüber hinaus ergibt sich die Rechtfertigung der Verhinderung der Umgehung aus einer hypothetischen Überlegung: Ließe man die Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts oder die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen uneingeschränkt zu, so würde jeder Arbeitgeber dies im Arbeitsvertrag vereinbaren und der mit § 2 KSchG intendierte Schutz liefe ins Leere. Damit wird das legislatorische Ziel konterkariert. Die Wertung, die der Gesetzgeber hinsichtlich des Schutzes des Inhaltes des Arbeitsvertrags vor einseitigen Änderungen getroffen hat, darf allerdings nicht aufgehoben werden. (2) Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen Die Frage ist allerdings wie diese Lücke im KSchG zu schließen ist. Durch Auslegung des § 2 KSchG das Leistungsbestimmungsrecht oder die Befristung von Arbeitsbedingungen einzuschränken, würde an die Grenzen der Auslegung stoßen, weil dies einer am Wortlaut orientierten Auslegung entgegensteht. Das BAG reagierte hinsichtlich der Befristung von Arbeitsbedingungen weder mit einer Gleichstellung noch mit der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes. Eine Gleichstellung würde die Anwendung des §§ 2 S. 1, 1 Abs. 2 und 3 KSchG bedeuten. Damit würde man die Befristung der Arbeitszeiterhöhung von einem Änderungskündigungsgrund abhängig machen, was jedoch nicht möglich ist. Der Grund, jemandem befristet eine zeitlich höhere Beschäftigung zuzuteilen, unterscheidet sich von den Gründen, die Beschäftigungsdauer im Nachhinein zu reduzieren. Während eine Kündigung immer eine Prognose voraussetzt, also zukunftsgerichtet ist und sich die Kündigungsgründe entsprechend danach richten, steht bei einer Befristung schon fest, dass bestimme Umstände eintreten oder nicht eintreten werden, die zum Entfall des Bedarfs des Arbeitnehmers führen142. Auch die Annahme der Nichtigkeit der Befristung der Höherbeschäftigung mit der Folge, dass der Arbeitnehmer unbefristet auf Vollzeit beschäftigt wird, würde zu sehr in die unternehmerische Freiheit eingreifen. Das BAG macht daher die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig. Die Befristung ist dann wirksam, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ein solcher liegt beispielsweise vor, wenn ein lediglich zeitlich begrenzter Bedarf an der Arbeitskraft des Vertreters besteht143. Das BAG nahm demnach 142
Wiedemann/Palenberg, RdA 1977, 85, 87. Im Ergebnis knüpfte das BAG an die Rechtsprechung des BAG bezüglich der Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses an, modifizierte jedoch den Prüfungsmaß143
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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eine zweistufige Prüfung vor144: Zunächst prüfte es, ob die geänderten Arbeitsbedingungen dem kündigungsschutzrechtlichen Änderungsschutz unterlagen. Wurde dies bejaht, so bestand die Gefahr der objektiven Umgehung dieser Vorschriften. Daher wurde auf zweiter Stufe danach gefragt, ob ein sachlicher Grund für die Befristung der Arbeitsbedingungen bestand. Die Rechtsprechung versucht mit dem Erfordernis des „sachlichen Grundes“ beide kollidierenden Interessen in Ausgleich zu bringen. Einerseits das Interesse des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Erhöhung der Arbeitszeit, das zudem einen nachvollziehbaren Beweggrund darstellt, der durch Art. 2 Abs. 1 GG gerechtfertigt ist. Andererseits das Interesse des Arbeitnehmers nicht ständig darüber im Ungewissen zu bleiben, ob seine Beschäftigungsdauer regelmäßig oder nur vorübergehend erhöht wird. Dies spielt insbesondere bei Kernbereichen des Arbeitsverhältnisses, wie Gehalt und Arbeitszeit, im Hinblick auf die Existenzsicherung und wirtschaftlicher Absicherung eine große Rolle. Zutreffend ist auch die Annahme, die umgangene Vorschrift (§ 2 KSchG) nicht anzuwenden, also keine Gleichstellung vorzunehmen, weil sich Kündigungsgründe und Befristungsgründe typischerweise unterscheiden. Unklar bleibt hier allerdings die dogmatische Begründung des BAG. Durch Auslegung des § 2 KSchG ist das Ergebnis nicht begründbar, da der Wortlaut der Vorschrift einer solchen Auslegung entgegensteht und nach der hier vertretenen Auffassung die Auslegung ihre Grenzen im formalen Wortlaut des Gesetzes findet. Auch wäre damit nicht geklärt, warum die Befristung von dem Vorliegen eines „sachlichen Grundes“ abhängig sein soll. Vielmehr bildet auch hier das BAG das Recht fort, um eine Umgehung des § 2 KSchG zu verhindern. (3) Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht Hinsichtlich der Reduzierung der Arbeitszeit durch Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts reagierte das BAG nicht mit einer Gleichstellung, sondern mit der Nichtigkeit der Regelung nach § 134 BGB. Eine Gleichstellung könnte man dann annehmen, wenn die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nicht im Belieben des Arbeitgebers stehen würde, sondern von dem Vorliegen von bestimmten Gründen abhängig wäre. Das BAG begründet die Nichtigkeit dieses Leistungsbestimmungsrechts mit der objektiven Funktionswidrigkeit derartiger Klauseln. Die Nichtigkeit der Klausel ergebe sich daher aus § 134 BGB. Meines Erachtens ist der Rekurs auf § 134 BGB nicht zwingend notstab, weil der bloße Vertragsinhaltsschutz bei Fortbestand des unbefristeten Grundarbeitsverhältnisses zu einer geringeren sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers führe, BAG v. 13.6.1986 – 7 AZR 650/84, AP § 2 KSchG 1969 Nr. 19; BAG v. 4.6.2003 – 7 AZR 406/02, AP § 17 Nr. 1 TzBfG. A. A. vertritt dazu Bickel, JuS 1987, 861, 863. 144 Greiner/APS, Einf. § 14 TzBfG Rn. 42.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
wendig, weil § 315 Abs. 3 S. 1 BGB Raum für Wertungen lässt. Die getroffene Bestimmung entspricht also nur dann der Billigkeit, wenn sie mit wesentlichen Grundsätzen des Kündigungsschutzes vereinbar ist. 2. Die Aufhebungsverträge Im Zusammenhang mit der Umgehung des Kündigungsschutzes durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen ist zunächst der unbedingte von dem bedingten Aufhebungsvertrag zu unterscheiden145. a) Der unbedingte Aufhebungsvertrag aa) Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags als Ausübung der Vertragsfreiheit Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gebietet es, dass die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufheben können (Art. 2 Abs. 1 GG)146. Dabei können die Gründe für die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Vertragsauflösung vielfältig sein. So können sowohl die wirtschaftliche Unerfahrenheit, eine besondere Drucksituation147 als auch eine hohe Abfindungszahlung Motiv für die einvernehmliche Vertragsauflösung sein148. Die konsensuale Beendigung des Arbeitsvertrags ist Ausdruck seiner individuellen Freiheit. Die Parteien sollen selbst darüber verfügen, wie ihre Interessen auszugleichen sind149. Beim Aufhebungsvertrag ist ein Machtungleichgewicht abzulehnen, weil weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer rechtliche Instrumente besitzen, einen Vertragsschluss zu erzwingen150. Der Gesetzgeber hat den Schutz des Arbeitnehmers vor einseitigen Beendigungen des Arbeitsverhältnisses durch das KSchG legislatorisch geregelt und somit das Verhandlungsgleichgewicht wieder hergestellt. Durch den Kündigungsschutz hat der Arbeitnehmer daher bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine relativ starke Verhandlungsposition151. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer nur unter bestimmten Voraussetzungen kündigen. Es liegt ausschließlich in der freien Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er sich durch eine angemessene Bezahlung sein Arbeitsverhältnis abkaufen lässt152. 145 146 147 148 149
Bauer/Krieger/Arnold, A., Rn. 106. Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 194; Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245, 268. Benecke, S. 205; Ernst, S. 151. Bauer/Krieger/Arnold, C., Rn. 8 ff.; Benecke, S. 205. BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389, 390; Boemke, NZA 1993,
532. 150 151 152
Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 198. Nägele, BB 1992, 1274. Boemke, NZA 1993, 532, 537.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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bb) Der unbedingte Aufhebungsvertrag und der Kündigungsschutz Zu untersuchen bleibt, inwiefern der unbedingte Aufhebungsvertrag den Kündigungsschutz umgehen kann153. Durch Aufhebungsverträge wird das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Dabei sind die Aufhebungsverträge weder an § 1 KSchG noch an § 626 Abs. 1 BGB gebunden, weil keine Kündigung i. S. d. Vorschriften vorliegt. Grundsätzlich könnte man also die Anwendung des KSchG dadurch vermeiden, dass die Arbeitsvertragsparteien einen Aufhebungsvertrag schließen. Nach Rechtsprechung des BAG stellen allerdings unbedingt abgeschlossene Aufhebungsverträge regelmäßig keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes dar154, weil durch den Abschluss solcher Verträge der Arbeitnehmer lediglich von seiner in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Vertragsfreiheit Gebrauch macht155. Diese stellen ein zulässiges Gestaltungsmittel zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen dar156. Begründet wird dies mit dem Zweck des Kündigungsschutzes, der darin besteht, den Arbeitnehmer vor einer einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen157. Dem Arbeitgeber wird zwar das grundsätzliche Recht eingeräumt sich vom Arbeitnehmer zu lösen, das Gesetz macht dies jedoch von dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig. Diese Voraussetzungen sind die in § 1 Abs. 1 KSchG oder in § 626 Abs. 1 BGB genannten Gründe, die der Gesetzgeber aufgestellt hat, um den Arbeitsplatz in seinem Bestand zu schützen. Dieser Schutz gilt aber nicht bei Aufhebungsverträgen, weil hier das Mitwirken des Arbeitnehmers erforderlich ist und daher das Korrektiv in Form der Kündigungsgründe entbehrlich ist. Vielmehr soll der Arbeitnehmer selbst darüber befinden, ob er auf den ihm gewährten legislatorischen Schutz verzichtet oder nicht. Diese Entbehrlichkeit des Schutzes einer Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags ist nicht selbstverständlich. So hat der Gesetzgeber im Verbraucherschutzrecht (§§ 312 ff. BGB) durch die Kodifizierung eines Widerrufsrechts (§§ 312g, 355 BGB) dem Verbraucher die Möglichkeit eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen. Im Arbeitsrecht findet sich eine solche (nachträgliche) Loslösung von dem Aufhebungsvertrag nicht158.
153
Schacht, S. 102 ff. BAG v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, AP § 620 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 22. 155 Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245, 268 f. Anders war es im Nationalsozialismus unter der Geltung der Arbeitsplatzverordnung aus dem Jahre 1942. Danach bedurfte es der Zustimmung des Arbeitsamtes für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Hueck/ Nipperdey, S. 528, Fn. 2. 156 Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245, 268 f.; Schacht, S. 114 f. 157 Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 197; Ernst, S. 153. 158 Anders LAG Hamburg v. 3.7.1991 – 5 Sa 20/91, NZA 1992, 309 ff. 154
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Es ist demnach zwischen zwei grundverschiedenen Möglichkeiten der Arbeitsvertragsbeendigung auszugehen. Die Beendigung des Arbeitsvertrags mittels Kündigung einerseits und mittels Aufhebungsvertrags andererseits, § 623, 1. Halbsatz BGB. Entscheidet sich der Arbeitgeber für die eine Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dann kann dies nicht die Umgehung der anderen Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellen159. Aufgrund dieser legislatorischen Trennung von zwei verschiedenen Arten der Beendigung von Arbeitsverträgen kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag „kündigungsähnlich“ sei, weil sich beide Formen der Beendigung unterscheiden. Es müssen vielmehr weitere Umstände dazukommen, damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag rechtstechnisch einer Kündigung ähnelt160. Bei dem unbedingten Abschluss eines Aufhebungsvertrags bleibt der Arbeitnehmer also nicht im Unklaren, weil er an der unmittelbaren Beendigung des Vertragsverhältnisses direkt beteiligt wird. Der Vertrag verschafft ihm Rechtsklarheit und ist daher zulässig161. Damit sind Kündigung und Aufhebungsvertrag streng voneinander zu unterscheiden162. Beide Rechtsinstitute sind ungleichartig und unterliegen daher unterschiedlichen Voraussetzungen. Anknüpfend daran lässt sich zunächst der gesetzgeberische Wille feststellen, dass die einseitige Loslösung von Arbeitsverträgen von bestimmten Umständen abhängig gemacht werden soll, während die einvernehmliche Beendigung eines Vertrags grundsätzlich unabhängig von bestimmten Umständen möglich sein soll163. Zudem kann der Wirksamkeit eines unbedingt abgeschlossenen Aufhebungsvertrags nicht entgegen gehalten werden, dass der Arbeitnehmer unzulässig auf den Kündigungsschutz verzichtet164. Der Verlust des Kündigungsschutzes ist lediglich die mittelbare Rechtsfolge des Vertrags, aber nicht der Inhalt der abgegebenen Willenserklärungen. Der Verlust des Kündigungsschutzes stellt daher nur
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Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 197. Schacht, S. 116. 161 Schacht, S. 116. 162 Huber, JurA 1970, 784, 806. Er wirft dann aber die Frage auf, ob der Grundsatz der freien Wahl und damit die rechtsgeschäftliche Privatautonomie nicht dazu führe, dass sich immer der wirtschaftlich stärkere durchsetzt. Diese Frage ist insbesondere im Arbeitsrecht von großer Bedeutung. Im Ergebnis lehnt Huber dies jedoch ab, weil durch diese Freiheit auch die Freiheit der vermeintlich unterlegenen Partei erweitert wird, weil diese dann „Fähigkeiten und Güter über das herkömmliche Maß hinaus aktivieren“ kann. Huber verweist damit auf die Sicherungsübereignung und die GmbH & Co. KG, JurA 1970, 784, 811 f. 163 Auch Huber geht bezogen auf das allgemeine Zivilrecht davon aus, dass zwischen zwei verschiedenen Rechtsformen, die auf dieselbe Rechtsfolge abzielen, der Grundsatz der freien Wahl herrscht, Huber, JurA 1970, 784, 806. 164 So das BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3 zum auflösend bedingten Arbeitsvertrag. 160
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einen „Reflex“ des Aufhebungsvertrags dar165. Der Arbeitgeber muss bei Abschluss des unbedingten Aufhebungsvertrags weder seine Gründe für den Vertragsschluss angeben noch bedarf es eines sachlichen Grundes für die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags. Unbedingt abgeschlossene Aufhebungsverträge sind daher als zulässige Ausübung der Vertragsfreiheit zu qualifizieren166. b) Der aufschiebend bedingte Aufhebungsvertrag und der unbedingte Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage Es ist zu prüfen, inwiefern der aufschiebend bedingte Aufhebungsvertrag und der unbedingte Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage geeignet sind, das KSchG zu umgehen. Dabei werden zunächst die Entscheidungen des BAG dargestellt. aa) Die Entscheidungen des BAG (1) Der aufschiebend bedingte Aufhebungsvertrag Das BAG entschied in einem Urteil aus dem Jahr 1974167, dass ein aufschiebend bedingter Aufhebungsvertrag unwirksam sein könne, wenn damit zwingende Bestimmungen des Kündigungsrechts umgangen werden. In dem zu entscheidenden Fall ging es um eine einzelvertragliche Vereinbarung, nach welcher das Arbeitsverhältnis ohne weiteres endet, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ende seines Urlaubs die Arbeit an dem vereinbarten Tag nicht wiederaufnehme. Das BAG entschied, dass diese Bestimmung rechtsunwirksam sei, wenn dadurch der nach dem Kündigungs- und Kündigungsschutzrecht gewährleistete Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses vereitelt werde. Das BAG führte aus, dass der bedingte Aufhebungsvertrag nur deswegen geschlossen wurde, damit der Arbeitnehmer pünktlich nach Beendigung seines Urlaubs wieder mit der Arbeit beginnt. Durch diese Vereinbarung werde nicht nur die außerordentliche Kündigung ersetzt. Es würden auch die Rechte des Betriebsrats umgangen sowie dem Arbeitnehmer jeglicher Schutz genommen, den er bei Ausspruch einer Kündigung genießen würde (gerichtliche Nachprüfung). Der nicht pünktliche Wiederantritt bei der Arbeit könne jedoch viele Ursachen haben, die an sich nicht einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellten. Da der Arbeitnehmer in bestimmten Fällen also nicht die pünktliche Rückkehr an seinen Arbeitsplatz beeinflussen könne, werde er durch diese Bestimmung in Unsicherheit über die 165
Ernst, S. 153. BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3; Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 197; Hueck/Nipperdey, S. 528. 167 BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3; vgl. auch BAG v. 5.12.1985 – 2 AZR 61/85, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 10. 166
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Fortsetzung oder Beendigung seines Arbeitsverhältnisses versetzt. Damit werde das Interesse des Kündigungsgegners an einer klaren Rechtslage beeinträchtigt. (2) Der unbedingte Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage Die arbeitsrechtliche Praxis reagierte auf das Urteil des BAG vom 19.12. 1974168 und „schuf“ den unbedingten Aufhebungsvertrag mit einer bedingten Wiedereinstellungszusage. Im Einzelnen ging es darum, dass das Arbeitsverhältnis zum Urlaubsende unbedingt aufgelöst werden sollte. Gleichzeitig wurde dem Arbeitnehmer die Wiedereinstellung unter den gleichen Arbeitsbedingungen, aber unter der Bedingung zugesagt, dass der Arbeitnehmer die Wiedereinstellung spätestens an einem bestimmten, nach dem Urlaubsende liegenden Termin beantragt. Auch diese Konstellation erachtete das BAG169 für unwirksam, weil diese vertragliche Gestaltung zwingende Kündigungsschutzbestimmungen umgehe. Einziger Grund für die gewählte Vereinbarung war es, den Arbeitnehmer unter dem Druck, seinen Arbeitsplatz endgültig zu verlieren, zu einer pünktlichen Rückkehr aus dem Urlaub zu veranlassen. Nach Ansicht des BAG, sei dies jedoch mit den unabdingbaren Grundsätzen des Kündigungsschutzrechts unvereinbar und nehme dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, eine ohne diese Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderliche fristlose Kündigung gerichtlich auf ihre Rechtfertigung nachprüfen zu lassen. Letztlich gehe es den Parteien darum, das Arbeitsverhältnis unbedingt fortzusetzen. Dies wird zudem dadurch bestätigt, dass eine Anrechnungsklausel vereinbart wurde, wonach die rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bei Wiedereinstellung unerheblich ist170. Es wird also lediglich die Kündigung vorweggenommen, ohne eine nach § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Interessenabwägung vorzunehmen. Zudem bestünden zwischen bedingter Auflösung des Vertrags und unbedingter Auflösung in Verbindung mit einer bedingten Wiedereinstellungszusage lediglich formale Unterschiede. Bei einem bedingten Aufhebungsvertrag werde der Arbeitsvertrag fortgesetzt und der Arbeitsvertrag nur dann beendet, wenn die Bedingung171 eintrete. Die Interessen der Vertragsparteien seien also darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen und das Arbeitsverhältnis nur dann zu beenden, wenn die Bedingung eintrete, also der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkehre. Die gleiche Situation liege aber 168
BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3. BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 8; BAG v. 25.6.1987 – 2 AZR 541/86, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 14. 170 BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 294/83, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 8. 171 Rechtzeitige Rückkehr aus dem Urlaub. 169
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vor, wenn das Arbeitsverhältnis unbedingt aufgelöst werde und dem Arbeitnehmer nur für den Fall der pünktlichen Rückkehr aus dem Urlaub ein Wiedereinstellungsanspruch eingeräumt werde. Der Wiedereinstellungsanspruch sollte also nur dann nicht mehr gelten, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkehre. bb) Die Argumentation des BAG Vorliegend lässt sich das BAG wesentlich durch zwei Aspekte leiten172. Der eine Aspekt ergibt sich aus der Vergleichbarkeit der Situationen, in der sich der Arbeitnehmer befindet, wenn er einerseits einen bedingten Aufhebungsvertrag oder einen unbedingten Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage abschließt und andererseits eine Kündigung erhält (1). Der andere Aspekt besteht darin, dass der Gesetzgeber für den hier in Frage stehenden Sachverhalt dem Arbeitgeber bereits ein typisches rechtliches Gestaltungsmittel zur Verfügung stellt, um auf derartiges Verhalten des Arbeitnehmers zu reagieren (2). (1) Die Vergleichbarkeit der Situationen Durch den Abschluss der oben genannten Verträge befinde sich der Arbeitnehmer in derselben ungewissen Situation wie bei einer Kündigung. Dem Arbeitnehmer fehle jegliche hinreichende sichere Erwartungsgrundlage für Dispositionen, weil er nicht wisse, ob und wann das Arbeitsverhältnis enden würde173. Damit sei die Ungewissheit, die bei Abschluss eines bedingten Aufhebungsvertrags oder eines unbedingten Aufhebungsvertrags mit bedingter Wiedereinstellungszusage entsteht, vergleichbar mit der Kündigungssituation, in der auch Unklarheit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht. Die Ungewissheit bestehe auch deswegen, weil der Arbeitnehmer den Bedingungseintritt nicht steuern könne. Nichts anderes ergebe sich aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer bei Vereinbarung der Bedingung mitwirke174. Mit Abschluss des bedingten Aufhebungsvertrags oder des unbedingten Aufhebungsvertrags mit bedingter Wiedereinstellungszusage gebe er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus seiner Hand. Aufgrund dieser Ungewissheit und der mangelnden Kontrollmöglichkeit durch den Arbeitnehmer seien diese Vertragskonstellationen eher mit einer Kündigung vergleichbar als mit einem unbedingt abgeschlossenen Aufhebungsvertrag, bei dem er die Beendigung gezielt kontrollieren könne. Das gelte insbesondere deswegen, weil diese vertraglichen Gestaltungen dazu führen, dass die Qualifizierung eines bestimmten Sachverhaltes als wichtiger Grund i. S. d. § 626 172 BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3; BAG v. 5.12.1985 – 2 AZR 61/85, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 10. 173 BAG v. 9.7.1981 – 2 AZR 788/78, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 4. 174 Schacht, S. 117.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Abs. 1 BGB zur Disposition gestellt wird175. Zudem zeigen diese Vereinbarungen, dass die Parteien grundsätzlich zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit bereit sind. Nur bei Eintritt der Bedingung solle das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden, was den Beendigungsvorgang sehr nah in den Bereich der Kündigung drängt176. Die Situation für den Arbeitnehmer bei Abschluss eines bedingten Aufhebungsvertrags oder eines unbedingten Aufhebungsvertrags mit bedingter Wiedereinstellungszusage sei damit mit der Situation vergleichbar, in der dem Arbeitnehmer eine Kündigung zugeht. (2) Die Kündigung als typische Reaktion Der Unterschied zwischen den oben beschriebenen Beendigungsmöglichkeiten und der Kündigung besteht hinsichtlich der Rechtsfolge darin, dass es bei Eintritt der Bedingung zur endgültigen Beendigung kommt, während die Kündigung noch die Ausübung voraussetzt. Das Gleiche gilt auch bei dem unbedingten Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage. Insgesamt betrachtet soll die endgültige Beendigung erst dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer nicht pünktlich aus dem Urlaub zurückkehrt. Durch die Vereinbarung der Bedingung wird die Kündigung lediglich „vorweggenommen“, ohne Rücksicht auf die Begleitumstände und einer erforderlichen Interessenabwägung177. Der Fall der zu späten Wiederaufnahme der Arbeit nach Rückkehr aus dem Urlaub ist allerdings ein typischer Anwendungsfall der Kündigung. Für den Fall der Störung des Arbeitsverhältnisses durch verspäteten Antritt bei der Arbeit hat der Gesetzgeber die Kündigung als geeignetes Mittel geschaffen, um auf eine solche Störung zu reagieren. c) Bewertung Im Folgenden ist die Argumentation des BAG hinsichtlich der bedingten Aufhebungsverträge und der unbedingten Aufhebungsverträge mit bedingter Wiedereinstellungszusage zu prüfen. Dabei soll vorab dargelegt werden, ob überhaupt eine normative Diskrepanz zwischen dem Subsumtionsvorschlag der Arbeitsvertragsparteien und dem Ziel des § 626 Abs. 1 BGB und des § 1 Abs. 2 und 3 KSchG (Gesetzesumgehung) besteht.
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Schacht, S. 117. Hueck, Anmerkung zu BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3. 177 Ernst, S. 155; Hueck, Anmerkung zu BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP § 620 BGB Bedingung Nr. 3. Hueck führt allerdings weiter aus, dass dieses Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Die Unzulässigkeit eines bedingten Aufhebungsvertrags solle nur für den Fall der Urlaubsüberschreitung gelten. Auch sei keine Umgehung des Kündigungsschutzes gegeben, wenn die bedingte Auflösung im Interesse des Arbeitnehmers liegt oder wenn besondere sachliche Gründe vorliegen. 176
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aa) Das Feststellen einer Gesetzesumgehung Zunächst ist festzustellen, dass sowohl die Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 2 und 3 KSchG als auch der Abschluss eines bedingten Aufhebungsvertrags oder eines unbedingten Aufhebungsvertrags mit bedingter Wiedereinstellungszusage zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Allerdings sind die Voraussetzungen, um diese Rechtsfolge eintreten zu lassen, unterschiedlich hoch. Bei § 626 Abs. 1 BGB ist nicht nur ein wichtiger Grund, sondern auch eine Interessenabwägung erforderlich. Auch muss die Kündigung ausgesprochen werden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eintritt der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Bedingung tritt dagegen unmittelbar ein. Auch bei dem unbedingten Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage soll nach dem Willen der Parteien das Arbeitsverhältnis nur dann endgültig beendet werden, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkehrt. Die unterschiedlichen Anforderungen auf Tatbestandsseite zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses lassen sich jedoch damit rechtfertigen, dass bei den Aufhebungsverträgen in Kombination mit den Bedingungen der Arbeitnehmer mitwirkt. Die Mitwirkung des Arbeitnehmers führt also dazu, dass auf Tatbestandsseite die Anforderungen zur Beendigung geringer sind als bei einer Kündigung, die durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden muss. Es liegt daher schon kein materielles Wertungsgefälle zwischen der Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 2 und 3 KSchG und dem bedingten Aufhebungsvertrag oder dem unbedingten Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage vor, weil die geringeren Voraussetzungen auf Tatbestandsseite, die zur Beendigung führen, durch die Mitwirkung des Arbeitnehmers kompensiert werden. Anders ist die Situation zu behandeln, wenn schon bei Arbeitsvertragsschluss der aufschiebend bedingte Aufhebungsvertrag geschlossen wird. Der Arbeitnehmer handelt in dieser Position als strukturell Unterlegener, der nur den Arbeitsvertragsbedingungen zustimmt, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Im Ergebnis handelt es sich aber bei einem Arbeitsvertrag, der zugleich mit einem bedingten Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird, um einen bedingten Arbeitsvertrag, für den nach § 21 TzBfG die Vorschriften des TzBfG anwendbar sind, so dass bei Arbeitsvertragsschluss der Arbeitnehmer schon ausreichend durch das Gesetz geschützt wird. bb) Die Mitwirkung des Arbeitnehmers Durch Kodifizierung des KSchG hat der Gesetzgeber der wirtschaftlich strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Wirtschaftsleben Rechnung getragen und dadurch materielle Vertragsfreiheit hergestellt. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer aus einer rechtlich gleich starken Position rechtliche Erklärungen abgibt, solange er durch das KSchG vor einseitigen Beendigungen durch den Arbeitgeber geschützt ist.
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Bei einseitigen Beendigungen durch den Arbeitgeber realisiert sich die Machtstellung des Arbeitgebers, da durch den Ausspruch der Kündigung der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert, was mit einem notwendigen Übel verbunden ist178. Daher hat der Gesetzgeber den Kündigungsschutz kodifiziert, der das Machtgleichgewicht wiederherstellt. Schließt der Arbeitnehmer im Schutze des KSchG einen bedingten Aufhebungsvertrag oder einen unbedingten Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage ab, dann agiert er aus einer gleichberechtigen Position heraus179. Die Aufhebungsverträge mit Auslauffrist als unwirksam zu behandeln ist verfassungsrechtlich mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG problematisch, weil in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung unter Gleichgeordneten die Selbstbestimmung und somit die Vertragsfreiheit den Vorrang genießen sollte. Eine andere Betrachtung würde zu einer geistigen Beaufsichtigung des Arbeitnehmers führen, obwohl er in voller Freiheit handelt. Der damit verbundene aufgedrängte Schutz würde dazu führen, dass ihm die selbstverantwortliche Abwägung seiner Interessen unmöglich gemacht werden würde180. Auch kann nicht generell angenommen werden, dass durch derartige atypische Gestaltungen, wie die Verbindung eines Aufhebungsvertrags mit einer Bedingung oder einer Befristung, ausschließlich der Arbeitgeber begünstigt wird. Die Kreierung derartiger rechtlicher Gestaltungsformen wird durch die Vertragsfreiheit gewährleistet, was allerdings auch dem Arbeitnehmer zugutekommt, der in die Lage versetzt wird, seinem wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse bei Abschluss eines solchen atypischen Aufhebungsvertrags Ausdruck zu verleihen181. Die Aufhebungsverträge sind daher unabhängig davon wirksam, ob diese bedingt oder unbedingt abgeschlossen werden, weil der Arbeitnehmer aus einer gleichberechtigen Verhandlungsposition heraus die Aufhebungsverträge abschließt. Es ist daher das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes zu verneinen. Es wäre mithin dem Subsumtionsvorschlag der Arbeitsvertragsparteien zu folgen gewesen. 3. Zusammenfassung Der Änderungskündigungsschutz kann durch Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts oder einer Bedingung einzelner Arbeitsvertragsbestandteile (z. B. Arbeitszeit) bei Vertragsschluss umgangen werden. Die Möglichkeit der Umgehung resultiert aus der fehlenden wertungsmäßigen Abstimmung des KSchG und des BGB. Während die §§ 2 S. 1, 1 Abs. 2 und 3 KSchG die Änderung von Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung von dem Vorlie178
Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 408. Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 35. 180 Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 414. 181 Huber spricht von der Aktivierung von Fähigkeiten und Gütern über das herkömmliche Maß hinaus, JurA 1970, 784, 811. 179
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gen von Gründen abhängig machen, ergibt sich aus der Privatautonomie, dass die Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen möglich ist. Auch räumt § 315 BGB dem Arbeitgeber das grundsätzliche Recht ein, die Leistung einseitig zu bestimmen. Der Arbeitgeber könnte daher auf einem anderen zulässigen gesetzlichen Weg (Befristung von Arbeitsbedingungen oder Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts) als den Ausspruch einer Änderungskündigung den gleichen Erfolg (Änderung von Arbeitsbedingungen) herbeiführen. Die Gesetzesumgehung wird somit dadurch ermöglicht, dass das BGB rechtliche Gestaltungsmittel zur Verfügung stellt, die jedoch nicht mit den Wertungen des KSchG abgestimmt sind. Unter Berufung auf die Vertragsfreiheit kann der Arbeitgeber dem Rechtsanwender den Subsumtionsvorschlag unterbreiten. Das materielle normative Gefälle zwischen diesen Gesetzen ist im Wege der Rechtsfortbildung oder durch Ablehnung der Billigkeit i. S. d. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB zu beheben. Der Aspekt, dass bei einer Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts oder einer Bedingung im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer selbst mitwirkt, steht einer unzulässigen Umgehung nicht entgegen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass aufgrund tatsächlicher Befunde der Arbeitnehmer bestimmten Vertragsbedingungen zustimmen muss, um überhaupt einen Arbeitsvertrag abzuschließen182. Der Arbeitnehmer stimmt damit den Arbeitsbedingungen aus einer strukturell unterlegenen Stellung zu. Daher besteht bei Vereinbarung einer Bedingung oder eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bei Abschluss des Arbeitsvertrags keine materielle Vertragsfreiheit, sodass es irrelevant ist, dass der Arbeitnehmer bei der Umgehung der Gesetze, die ihn schützen sollen, mitwirkt. Das KSchG soll das Machtgefälle zu seinen Lasten aufheben, was allerdings nicht erreicht wird, wenn er schon bei Arbeitsvertragsschluss aus einer schwächeren Position heraus den Arbeitsvertrag mit der Bedingung oder einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht abschließt. Der Kündigungsschutz kann dagegen weder durch einen bedingten Aufhebungsvertrag noch durch einen unbedingten Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage umgangen werden, weil der Arbeitnehmer bei dieser Vertragsgestaltung mitwirkt. Diese Mitwirkung ist auch wirksam, weil der Arbeitnehmer aus einer rechtlich gleichrangigen Position heraus im Schutze des KSchG den Vertrag abschließt. Geht man davon aus, dass das KSchG dieses Machtgefälle beseitigen soll, dann steht der Anwendungsbereich des KSchG dem Abschluss eines bedingten Aufhebungsvertrags oder eines unbedingten Aufhebungsvertrags mit bedingter Wiedereinstellungszusage nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer diese Verträge im Schutze des KSchG abschließt. Da im zuletzt genannten Fall keine normative Diskrepanz zwischen KSchG und dem Subsumtionsvorschlag der Arbeitsvertragsparteien feststellbar ist, ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes in diesem Fall abzulehnen. 182
Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 411.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
II. Die Gesetzesumgehung und das Teilzeit- und Befristungsgesetz Es soll in einem weiteren Schritt untersucht werden, inwiefern Regelungen im TzBfG umgehungsanfällig sind und inwiefern eine Verhinderung der Umgehung rechtsdogmatisch möglich ist. Im Einzelnen geht es um die Umgehung des Anschlussverbotes nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. 1. Allgemeines Nach § 14 Abs. 2 S. 1, 1. Halbsatz TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren zulässig. Dies gilt aber nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, vgl. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. War also ein Arbeitnehmer bereits bei einem Arbeitgeber beschäftigt und endet dieses Beschäftigungsverhältnis, so ist eine anschließende sachgrundlose befristete Beschäftigung mit diesem Arbeitgeber nicht möglich. Es muss dann zur Befristung des Arbeitsverhältnisses ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegen. Allerdings ist eine weitere sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG möglich, wenn das Beschäftigungsverhältnis nicht mit demselben Arbeitgeber i. S. d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG besteht. Entscheidend ist daher, inwiefern man das Tatbestandsmerkmal „derselbe Arbeitgeber“ verhindern oder vermeiden kann. 2. Die Umgehungskonstellationen Im Folgenden werden die von der Rechtsprechung behandelten Umgehungsmodelle im Zusammenhang mit § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vorgestellt. a) Die Einschaltung eines Dritten Um die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „derselbe Arbeitgeber“ zu verhindern, bietet es sich an unter Einbeziehung eines Dritten die Personenidentität zu vermeiden. So musste sich schon vor Inkraftreten des TzBfG im Jahr 2001 das BAG mit der Umgehung der Vorgängerregelung des § 1 Abs. 3 BeschFG beschäftigen183. Nach § 1 Abs. 3 BeschFG a. F. war eine Befristung ohne Sachgrund ausgeschlossen, wenn sie in einem „engen sachlichen Zusammenhang“ zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag oder einem anderen befristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber stand. In dem Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde lag, ging es um eine Arbeitnehmerin, die zunächst befristet bei einem Unternehmen (U) angestellt war. U und das Ingenieurbüro K waren auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig, wobei der Geschäftsführer der U zugleich 183
BAG v. 25.4.2001 – 7 AZR 376/00, NZA 2001, 1384.
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Inhaber des Ingenieurbüros gewesen ist. Die Arbeitnehmerin war zunächst zwei Jahre befristet bei der U angestellt und im Anschluss befristet beim K. Die gesamte Zeit war sie auf demselben Arbeitsplatz mit derselben Tätigkeit beschäftigt. Die Arbeitnehmerin machte geltend, dass die Vertragsgestaltung und die Arbeitgeberspaltung nur der Umgehung des BeschFG dienen. Allerdings war nach rein formaler Betrachtung der Wortlaut des § 1 Abs. 3 BeschFG a. F. nicht erfüllt, sodass eine erneute sachgrundlose Befristung hätte möglich sein müssen. In einem anderen aktuellen und ähnlich gelagerten Fall184 ging es auch um eine Arbeitnehmerin, die für eine Gesamtdauer von 2 Jahren durchgehend auf Grundlage zwei aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge mit der Bundesagentur für Arbeit im Jobcenter am selben Arbeitsplatz eingesetzt wurde. Die Bundesagentur für Arbeit betrieb dieses Jobcenter zusammen mit der Stadt. Nach Ablauf des letzten befristeten Vertrags wurde die Arbeitnehmerin erneut auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrags, diesmal aber mit der Stadt, auf demselben Arbeitsplatz beschäftigt. Auch hier war problematisch, dass orientiert an dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG das Anschlussverbot formal nicht erfüllt war. In zwei weiteren Entscheidungen des BAG185 wurde versucht, das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch Einsatz eines Leiharbeitsunternehmens zu vermeiden. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt schlossen die Arbeitnehmerin und ihr erster Arbeitgeber einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag für die Dauer von zwei Jahren ab, § 14 Abs. 2 S. 1, 1. Halbsatz TzBfG. Nach Beendigung des Arbeitsvertrags wurde die Arbeitnehmerin bei einem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen auch befristet eingestellt, welches sie an ihren ersten Arbeitgeber zu unveränderten Bedingungen an ihrem bisherigen Arbeitsplatz überließ. Auch hier war die Frage, ob diese vertragliche Konstruktion nicht gegen das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verstößt. b) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist Eine weitere Möglichkeit, das Anschlussverbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu verhindern, besteht in dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Auslauffrist. Während der Aufhebungsvertrag darauf abzielt das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden, tritt die Beendigungswirkung bei einem Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist erst mit dem Ablauf der Frist ein. Denkbar wäre es daher mit demselben Arbeitgeber i. S. d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG kurz vor Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, dessen Beendigungswirkung aber zeitlich hinausgeschoben ist. Die rechtliche Wirkung, die mit einem 184
BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840. BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443; BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. 185
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solchen Vertrag erzielt wird, ist somit identisch mit der einvernehmlichen Aufhebung eines Vertrags und gleichzeitigem Abschluss eines neuen befristeten Vertrags. Für den Abschluss des letzteren ist jedoch nach § 14 Abs. 1 TzBfG ein sachlicher Grund erforderlich, wenn man davon ausgeht, dass bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG wäre damit eine Befristung nicht möglich. Liegt tatsächlich kein sachlicher Grund vor und möchte der Arbeitgeber dennoch den bereits beschäftigten Arbeitnehmer nachträglich nur befristet weiterbeschäftigen, so bietet sich die Möglichkeit an, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen und diesen mit einer Auslauffrist zu kombinieren (Subsumtionsvorschlag). 3. Die Verhinderung der Umgehung durch die Rechtsprechung Es ist nun darzulegen, inwiefern das BAG den oben dargestellten Umgehungsgestaltungen die Wirksamkeit versagte. a) Die Einschaltung eines Dritten Bei den Umgehungskonstruktionen, bei denen sich der Normumgehende eines Dritten bediente, wurde die Gesetzesumgehung unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs geprüft, § 242 BGB. Im Einzelnen verneinte das BAG im Urteil vom 25.4.2001186 zunächst dieselbe Arbeitgebereigenschaft i. S. d. § 1 Abs. 3 BeschFG a. F. des K, weil U und K rechtlich betrachtet unterschiedliche Arbeitgeber waren. Es muss mit derselben natürlichen oder juristischen Person ein Arbeitsvertrag bestanden haben. Dies solle auch bei konzernverbundenen Arbeitgebern gelten187. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift wurde abgelehnt. Das BAG diskutierte schließlich eine vermeintliche Umgehung des § 1 Abs. 3 BeschFG a. F. im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)188. Das BAG definierte schließlich, wann eine missbräuchliche, dem Zweck des BeschFG 1996 widersprechende Vertragsgestaltung vorliegt. Nach Ansicht des BAG könne dieser Grundsatz subjektive Rechte, Rechtsinstitute und Normen beschränken. Verwendet ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise, um sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind, so ist eine solche Vertragsgestaltung unzu186
BAG v. 25.4.2001 – 7 AZR 376/00, NZA 2001, 1384. BAG v. 10.11.2004 – 7 AZR 101/04, NZA 2005, 514; Müller-Glöge/ErfK, § 14 TzBfG Rn. 93. 188 BAG v. 25.4.2001 – 7 AZR 376/00, NZA 2001, 1384; BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840, 841. 187
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lässig. Dabei soll immer dann Rechtsmissbrauch vorliegen, wenn Vertragsgestaltungen gewählt werden, die dem Zweck des BeschFG widersprechen. Der Arbeitgeber muss sich durch die Vertragsgestaltung also einen Vorteil verschaffen, der ihm nach dem BeschFG nicht zusteht. Ein Rechtsmissbrauch sei jedoch dann ausgeschlossen, wenn für die Wahl des rechtlichen Gestaltungsmittels rechtlich nicht zu missbilligende Gründe maßgeblich waren. Auch in dem Urteil des BAG vom 19.3.2014189 lehnte das BAG zunächst die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 S. 1, 1. Halbsatz TzBfG ab, weil beide Arbeitgeber verschieden waren. In einem zweiten Schritt wurde schließlich auch hier geprüft, ob die gewählte Vertragskonstellation rechtsmissbräuchlich sei190. Dies sei jedoch dann zu verneinen, wenn die Parteien in einer rechtlich nicht zu beanstandenden Weise von einer gesetzlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht haben. Rechtsmissbrauch liege aber dann vor, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken abwechselnd mit demselben Arbeitnehmer befristete Arbeitsverträge schließen, eine Befristung des Arbeitsvertrags ohne Sachgrund nach dem TzBfG ohne Auswechslung des Arbeitgebers nicht mehr möglich gewesen wäre und der Arbeitgeberwechsel ausschließlich deshalb erfolgt, um auf diese Weise über die gesetzlich vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können191. Ebenfalls im Zusammenhang mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern bezieht sich das BAG auf den Rechtsmissbrauchsgedanken192. Das BAG entschied, dass die Ausnutzung der durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sein könne, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Arbeitnehmer aufeinanderfolgende sachgrundlos befristete Arbeitsverträge ausschließlich deshalb schließen, um das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu umgehen. Die Rechtsmissbrauchskontrolle habe sich dabei an allen Umständen des Einzelfalls zu orientieren193. b) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist Zunächst stellt das BAG klar, dass Aufhebungsverträge, die auf eine alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet seien, nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig seien. Auch müsse der Arbeitgeber weder einen Grund für sein Angebot auf vorzeitige Beendigung der arbeitsvertraglichen 189 190 191 192 193
BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840, 841. BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840, 842. BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840, 842. BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443, 444. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Beziehung benennen, noch sei die Wirksamkeit der daraufhin getroffenen Vereinbarung von dem Vorliegen eines Sachgrunds im Sinne des Befristungsrechts abhängig. Der Aufhebungsvertrag sei vielmehr Ausdruck der freien Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er an seinem Dauerarbeitsverhältnis festhalten soll oder dem Aufhebungsangebot des Arbeitsgebers zustimmt194. Das BAG führt dann aber aus, dass ein Aufhebungsvertrag, dessen Regelungsgehalt nicht auf die Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichtet sei, zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes bedürfe. Er unterliege wie die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsvertrags der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle, um eine funktionswidrige Verwendung des Rechtsinstituts des befristeten Arbeitsvertrags in der Form eines Aufhebungsvertrags auszuschließen195. Ob ein Aufhebungsvertrag oder tatsächlich eine nachträgliche Befristung des Arbeitsvertrags vorliegt, ermittelt das BAG im Wege der Sachverhaltsauslegung. So stellt es auf den Regelungsgehalt der getroffenen Vereinbarung ab und prüft, ob die Vereinbarung, die für einen typischen Aufhebungsvertrag erforderlichen Merkmale aufweist196. Ist dies zu verneinen, so liegt materiell rechtlich ein Aufhebungsvertrag mit anschließender neuer befristeter Anstellung vor. Es ist dann wegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zur Wirksamkeit der Befristung ein sachlicher Grund i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG erforderlich. 4. Bewertung Die oben beschriebenen vertraglichen Gestaltungen sind nun näher zu begutachten. In diesem Zusammenhang sollen zunächst die Ursache der Umgehung und das Mittel, das zur Umgehung eingesetzt wird, herausgearbeitet werden. Im Anschluss ist die Umgehungsverhinderung des BAG unter Berufung auf § 242 BGB näher zu analysieren. a) Die Ursache der Umgehung und das Mittel zur Umgehung Die Umgehungsanfälligkeit des Anschlussverbots ergibt sich aus dem Umstand, dass die Vorschrift § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG an eine personengebundene Eigenschaft anknüpft. Der Begriff „derselbe Arbeitgeber“ wird in einer bestimmten 194
BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718. BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718; BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614, 616. 196 Der gewählte Beendigungszeitpunkt überschreitet die jeweilige Kündigungsfrist um ein Vielfaches und es fehlen an weiteren Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie sie im Aufhebungsvertrag regelmäßig getroffen werden (Freistellungen, Urlaubsregelungen, Abfindungen u. ä.), BAG v. 12.1. 2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718, 719. 195
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Art und Weise definiert, sodass es möglich ist, unter Ausschaltung dieses personenbezogenen Merkmals nicht unter das Anschlussverbot zu fallen. Um also diese Vorschrift zu umgehen, bietet sich als Mittel zur Umgehung vor allem das Einschalten eines Dritten an, der diese Eigenschaft nicht verkörpert. Besonders gut eignet sich dann der Einsatz des ursprünglich befristet eingestellten Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz197. Die Umgehung wurde mithin nicht nur dadurch begünstigt, dass § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG eine personengebundene Eigenschaft fordert, sondern auch durch die fehlende Abstimmung der Wertungen des TzBfG mit denen des AÜG, was zu einem rechtstechnischen Bruch im arbeitsgesetzlichen Gesamtkontext führt. Als weiteres Mittel zur Umgehung wird zudem von den sogenannten gegenläufigen Gestaltungen Gebrauch gemacht. Durch Fristablauf wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt (Ausweichgestaltung), die durch den Einsatz als Leiharbeitnehmer (faktisch) wieder rückgängig gemacht wird (Korrekturgestaltung). In diesem Fall werden also mehrere typische Umgehungsmittel miteinander kombiniert, derer sich der Normunterworfene bedient, um einen Subsumtionsvorschlag zu unterbreiten. Die Ursache der Gesetzesumgehung und das Mittel zur Umgehung bedingen sich gegenseitig. Beruft sich der Normunterworfene zur Gesetzesumgehung beispielsweise auf ein ausdrücklich kodifiziertes Rechtsinstitut (z. B. Arbeitnehmerüberlassung = Einsatz des Leiharbeitnehmers als Mittel), so liegt der Ursprung der Gesetzesumgehung in einem Systembruch, also in der fehlenden wertungsmäßigen Abstimmung unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Gesetze. Schaltet der Normunterworfene zur Gesetzesumgehung dagegen einen Dritten ein, so liegt die Ursache der Gesetzesumgehung in dem Umstand begründet, dass die Norm an ein personenbezogenes Merkmal anknüpft. b) Die Verhinderung der Umgehung mittels § 242 BGB Das BAG198 geht in seinen Urteilen zunächst davon aus, dass die Befristung wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht unwirksam ist. Vielmehr stellt es fest, dass sich der Arbeitgeber lediglich nicht auf die Befristung berufen könne. Rechtlich betrachtet besteht also ein befristeter Arbeitsvertrag weiter, während dem Arbeitgeber jedoch die Berufung auf die Befristung versagt wird, § 242 BGB199. Im Ergebnis führt die Anwendung des § 242 BGB dazu, dass die Parteien so gestellt werden, als ob die Befristung unwirksam wäre. Dann käme es zur Anwendung des § 16 S. 1, 1. Halbsatz TzBfG. Letztlich wird damit der vom Gesetzgeber durch die Kodifizierung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG beabsichtigte 197 198 199
BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. vom Stein, NJW 2015, 369, 370.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Zweck dadurch verwirklicht, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angenommen wird. Das BAG bezieht sich auf den § 242 BGB (Rechtsmissbrauch), um die rechtliche Gestaltung auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfen. Dadurch verschafft sich das BAG einen weiten Beurteilungsspielraum, weil die Begriffe „missbilligende Gründe“ und „Treu und Glauben“ ausfüllungsbedürftig sind. Während das BAG im Jahre 1960 bei der Versagung der Wirksamkeit von befristeten Verträgen den Umgehungsbegriff als Begründung heranzog, um die Unwirksamkeit zu rechtfertigen, wird dieser im Zusammenhang mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz lediglich im Rahmen der Argumentation verwendet200. Zur Begründung der Rechtsfolge bei Feststellung einer unzulässigen Konstruktion wird auf § 242 BGB verwiesen. Beide Begründungsansätze sind in ihrem methodischen Vorgehen jedoch identisch, weil es sowohl bei § 242 BGB als auch bei Annahme eines eigenen Rechtsinstituts „Gesetzesumgehung“ ausschließlich auf die Vereitelung des gesetzgeberischen Willens durch eine bestimmte rechtliche Konstruktion ankommt. Das zeigt die von dem BAG verwendete Definition des „Rechtsmissbrauchs“ und der „Gesetzesumgehung“. Die Definition des Begriffs „Rechtsmissbrauch“ ist nahezu identisch mit dem vom BAG verwendeten Umgehungsbegriff. Rechtsmissbrauch soll danach dann vorliegen, wenn ein Vertragspartner die an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Normzweck nicht vorgesehen sind201. Formuliert man diese Definition um, so liegt dann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung dazu verwendet, um sich Vorteile zu verschaffen, die nach dem Normzweck nicht vorgesehen sind. Dagegen ist nach der Rechtsprechung des BAG202 dann von einer Umgehung die Rede, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich verwendet werden. Beide Definitionsansätze sind nahezu identisch. Der Vertragspartner ist nach beiden Definitionen daran gehindert von den an sich rechtlich bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, wenn dies zum Nachteil des anderen Vertragspartners gereicht und so ein Ergebnis erzielt wird, welches mit dem Ziel der Norm unvereinbar ist203. Im Hinblick auf das TzBfG ist dies zu bejahen, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Vertragsarbeitgeber in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem
200 BAG v. 25.4.2001 – 7 AZR 376/00, NZA 2001, 1384, 1386; BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840, 841. 201 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06, NZA 2007, 443, 444. 202 BAG v. 12.10.1960 – 3 AZR 65/59, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16. 203 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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Arbeitnehmer aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise den § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu umgehen204. c) Die Rechtsfolge der Umgehung In dem BAG-Urteil vom 15.5.2013 wurden besonders die Rechtsfolgen der Umgehung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG begründet205. Grundsätzlich kommen zwei verschiedene Rechtsfolgen in Betracht: Entweder ist das Umgehungsgeschäft unwirksam oder die umgangene Vorschrift wird angewendet. Nach § 16 S. 1, 1. Halbsatz TzBfG führt die Unwirksamkeit der Befristungsabrede dazu, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet gilt, § 16 S. 1, 1. Halbsatz TzBfG. Der Gesetzgeber trifft also bei Unwirksamkeit der Befristung eine eindeutige Regelung. Problematisch war in dem genannten Urteil allerdings, ob der unbefristete Vertrag zu dem ursprünglichen Arbeitsvertragspartner (Entleihunternehmen) oder zum jetzigen Arbeitsvertragspartner (Verleihunternehmen) bestehen sollte206. Zur Beantwortung dieser Frage stellt das BAG auf den Schutzzweck der umgangenen Norm ab207. Bezweckt die umgangene Norm die Begründung eines Arbeitsverhältnisses (z. B. § 613a BGB), so tritt als Rechtsfolge der Umgehung die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses ein. Möchte die umgangene Vorschrift verhindern, dass einzelne Ansprüche verkürzt oder gänzlich verhindert werden, so soll als Rechtsfolge die Wiederherstellung des Anspruchs eintreten208. Der Zweck des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG besteht nicht darin einen Vertragsschluss an sich zu verbieten, sondern er ist darin zu sehen, dass ein Arbeitsverhältnis ohne Begründung erneut befristet wird. Die Norm möchte also verhindern, dass der arbeitsrechtliche Bestandsschutz ohne Rechtfertigung verkürzt wird209. Demzufolge ist erforderlich, dass die erneute Befristung mit demselben Arbeitgeber sachlich gerechtfertigt ist. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zielt dagegen nicht darauf ab ein Arbeitsverhältnis zu einem Dritten zu begründen. Folge ist daher nicht, dass ein Arbeitsverhältnis zum ersten Arbeitgeber (Entleiher) begründet wird210. Es be204
BAG v. 9.3.2011 – 7 AZR 657/09, NZA 2011, 1147, 1149. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. 206 Greiner, NZA 2014, 284, 286. 207 So auch ausdrücklich Rehbinder, S. 115. 208 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. 209 BAG v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905, 907. 210 Anders die Vorinstanz (LAG Köln v. 25.3.2011 – 4 Sa 1399/10), die davon ausging, dass die umgangene Norm auf den angewendet werden müsse, der die Umgehung begehe und veranlasse, BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214. Dies ist jedoch zu Recht abzulehnen, weil die Befristung zum ursprünglichen Arbeitgeber (Entleiher) auch wirksam vereinbart wurde und die Arbeitnehmerin unter Gebrauch ihrer Privatautonomie den Vertrag mit dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen geschlossen hat. Folge dieser wirksamen Vereinbarung ist das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum ersten Arbeitgeber (später: Entleiher). Ein Arbeitsverhältnis zu diesem zu 205
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
steht folglich weiterhin ein wirksamer Arbeitsvertrag zu dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen. Zu dem ersten Arbeitgeber besteht kein Arbeitsverhältnis. Rechtsfolge bei Umgehung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG kann mithin nicht das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher sein. 5. Eigener Lösungsansatz Es soll abschließend unter Berücksichtigung der im zweiten Kapitel herausgearbeiteten Grundsätze vorab dargelegt werden, inwiefern der Einsatz eines Dritten oder der Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine Gesetzesumgehung darstellt. Im Anschluss soll geprüft werden, ob der vom BAG eingeschlagene Weg zur Verhinderung der Gesetzesumgehung rechtsdogmatisch vertretbar ist. a) Das Vorliegen einer Gesetzesumgehung Eine Gesetzesumgehung im materiellen Sinne liegt vor, wenn zwischen dem Subsumtionsvorschlag des Gesetzesumgehenden und dem Ziel des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG eine wertungsmäßige Diskrepanz festzustellen ist. aa) Der Einsatz eines Dritten Der normative Widerspruch zwischen dem Subsumtionsvorschlag des Arbeitgebers und dem § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG liegt in dem Umstand begründet, dass bei Wirksamkeit der in Frage stehenden Gestaltungen der Gesetzgeber das von ihm intendierte Ziel, das mit dem § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfolgt wird, nicht erreichen kann. Es sollen dauerhafte sachgrundlose Befristungen verhindert werden. Dieses Ziel wird konterkariert, wenn es zulässig wäre unter gezielter Einschaltung eines Dritten den Arbeitnehmer auf denselben Arbeitsplatz erneut sachgrundlos befristet einzustellen. Der § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG liefe dann leer. Der von dem Arbeitgeber gemachte Subsumtionsvorschlag und das Ziel des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG widersprechen sich, sodass eine Gesetzesumgehung vorliegt. Auch ist die Mitwirkung des Arbeitnehmers unerheblich, weil ihm sowohl bei Abschluss des ersten sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags als auch bei den anschließenden Arbeitsverträgen mit dem Dritten keine echte Handlungsalternative bleibt, als den befristeten Arbeitsverträgen zuzustimmen. Der Arbeitnehmer gibt also seine Willenserklärungen nicht aus einer gleichstarken Verhandlungsposition heraus ab. konstruieren, würde zudem einen unzulässigen Eingriff in die Privatautonomie beider Parteien bedeuten. A. A. Greiner, NZA 2014, 284, 286 f., der davon ausgeht, dass durch die vertragliche Verengung des Einsatzzwecks bei dem Verleiher und die damit erleichterte Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung die Rechtsstellung des jetzigen Leiharbeitnehmers deutlich geschwächt werde.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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bb) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist Die Rechtsprechung des BAG zu den Aufhebungsverträgen mit Auslauffrist ist näher zu begutachten. Vor allem ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt das Ziel des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG tangiert ist, das darin zu sehen ist, den Arbeitnehmer vor sachgrundlosen Kettenbefristungen zu schützen und somit den Arbeitnehmer nicht im Ungewissen hinsichtlich der Fortführung des Arbeitsverhältnisses zu lassen. Für eine normative Diskrepanz zwischen Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist und § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG und damit gegen die Zulässigkeit eines solchen Vertrags spricht ein rechtsfolgenorientierter Vergleich der zwei Konstellationen. Wird ein Aufhebungsvertrag und dann im Anschluss ein neuer befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen, so ist in Bezug auf letzteren nach § 14 Abs. 2, S. 2 TzBfG i.V. m. § 14 Abs. 1 TzBfG ein Sachgrund für die Befristung notwendig. Im Ergebnis liegen also zwei Verträge vor: Ein Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis sofort beendet und der Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags, der sachlich gerechtfertigt werden muss, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Wird ein Aufhebungsvertrag geschlossen, der nicht auf die sofortige Beendigung, sondern auf die erst in Zukunft eintretende Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, dann treten rechtstechnisch betrachtet genau dieselben Rechtsfolgen ein, wie bei der ersten Konstellation211. Nach dem Wortlaut ist aber § 14 TzBfG nicht anwendbar, weil dieser nur für die Befristung von Arbeitsverträgen und nicht der von Aufhebungsverträgen gilt. An vergleichbare Sachverhalte werden also unterschiedlich strenge Voraussetzungen geknüpft, obwohl beide die gleiche Rechtsfolge auslösen. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht gerechtfertigt, warum die eine Vertragsgestaltung anders als die andere Konstellation zu beurteilen ist, sodass schon aus verfassungsrechtlichen Gründen die Wirksamkeit dieser Gestaltung zu versagen ist. Darüber hinaus rechtfertigt eine hypothetische Betrachtung die Versagung der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes. Würde man dieser Gestaltung nicht die Wirksamkeit versagen, so stünde die Vorschrift des § 14 Abs. 1 TzBfG zur Disposition der Parteien. Der legislatorische Wille wäre damit konterkariert. Es würde zu einer unzulässigen Umgehung der Wertungen des TzBfG kommen, weil der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist in der Rechtsfolge identisch mit einem Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags ist, für den nach § 620 Abs. 3 BGB das TzBfG einschlägig ist. Es kann aber auch bei dieser Gestaltung nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass der Arbeitnehmer an dieser Vertragsgestaltung mitwirkt. Es ist daher genau zu prüfen, ob der Arbeitnehmer aus einer strukturell unterlegenen Position 211 Zur rechtsfolgenspezifischen Norminterpretation, Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 172.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
heraus die Aufhebungsverträge mit Auslauffrist abschließt oder ob er im Schutze des KSchG einer solchen Vereinbarung zustimmt. Dieser Umstand ist auf der Ebene der Feststellung eines Umgehungsgeschäftes bei dem Vergleich zwischen Subsumtionsvorschlag und Ziel des § 14 Abs. 1 TzBfG unbedingt miteinzubeziehen. Ziel des § 14 Abs. 1 und 2 S. 2 TzBfG ist es nicht, die vom freien Willen getragene Entscheidung des Arbeitnehmers erneut zu korrigieren. So wird nur bei einem von Anfang an befristeten Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer dem Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist zustimmen, wenn die Auslauffrist das Ende seiner ersten Befristung zeitlich überschreiten wird. Denn in dieser Konstellation wäre er länger beschäftigt. Nur in diesem Fall ist von einem Umgehungsgeschäft auszugehen. Schließt der Arbeitnehmer bei Vorliegen eines unbefristeten Arbeitsvertrags einen Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist ab, so tut er dies im Schutze des KSchG. Er muss den Aufhebungsvertrag nicht abschließen. Er selbst kann darüber befinden, was ihm der Abschluss des Aufhebungsvertrags wert ist. Lehnt der Arbeitnehmer den Abschluss des Aufhebungsvertrags mit Auslauffrist ab, dann bleibt dem Arbeitgeber nur die einseitige Änderung des Arbeitsverhältnisses, die jedoch dann an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, § 2 KSchG. b) Die Verhinderung der Umgehung Die im Rechtsfindungsverfahren festgestellte Gesetzesumgehung ist nun zu verhindern. aa) Die Einschaltung eines Dritten Dem BAG ist im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings überzeugt nicht die Begründung der Versagung der Wirksamkeit der Konstruktion unter Berufung auf § 242 BGB, weil diese Generalklausel keine klaren Abgrenzungskriterien zur Verfügung stellt. Maßgeblich ist auch hier der Anwendungsbereich oder das Ziel des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Die Verhinderung der Umgehung durch Einschaltung eines Dritten ist vielmehr im Wege der Zurechnung möglich. Die Zurechnung als besondere Form der Sachverhaltsauslegung führt dazu, dass das fehlende Tatbestandsmerkmal „derselbe Arbeitgeber“, das der erste Arbeitgeber verwirklicht, dem zweiten Arbeitgeber (Entleiher) zugerechnet wird. Unter Bezugnahme der oben dargestellten Grundsätze zur Zurechnung von fehlenden Tatbestandsmerkmalen, müsste eine Zurechnung überhaupt zulässig sein. Dafür ist erforderlich, dass der Sinn und Zweck der umgangenen Norm einer Zurechnung von Tatbestandmerkmalen nicht entgegensteht, was vorliegend zu verneinen ist. Vielmehr kann diese Vorschrift sogar eine Zurechnung fordern, wenn eine andere Betrachtung zu einem Ergebnis führen würde, welches dem gesetzgeberischen Willen widerspricht. Die Zurechnung von personenbezogenen Tatbestandsmerkmalen an einem Dritten ist allerdings rechtfertigungsbedürftig. Dabei ist der Zu-
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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rechnungsgrund vorliegend darin zu sehen, dass das Verleihunternehmen oder der andere Dritte planmäßig für die Zwecke des ursprünglichen Arbeitgebers (Entleihunternehmen) eingesetzt wird. Hier kommt es darauf an, ob das Ausscheiden des Arbeitnehmers durch Zeitablauf (Ausweichgestaltung) und der Einsatz als Leiharbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz (Korrekturgestaltung), beruhend auf einem Gesamtplan, konditional miteinander verknüpft sind. Die Zurechnung führt dann dazu, dass das Tatbestandsmerkmal „derselbe Arbeitgeber“, welches der Entleiher verwirklicht, dem Verleiher zugerechnet wird. Folge ist damit ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG mit der Konsequenz des § 16 S. 1, 1. Halbsatz TzBfG. Unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG kommt es im Wege der Zurechnung zu dogmatisch sauberen Ergebnissen ohne auf die Generalklausel des § 242 BGB zurückgreifen zu müssen. bb) Der Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist Das BAG verhindert die Umgehung des § 14 Abs. 2, S. 2 und Abs. 1 TzBfG212 mittels Aufhebungsvertrags mit Auslauffrist durch Auslegung des Sachverhaltes. Es legt dabei zunächst die Anforderungen eines „echten“ Aufhebungsvertrags dar, der auf eine alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet sein muss213. Ob ein solcher Vertrag vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Vertrag zeitnah beendet wird und ob weitere Vereinbarungen über Rechte und Pflichten aus Anlass der vorzeitigen Vertragsbeendigung zum Ausdruck gekommen sind. Ergibt die Auslegung, dass der als „Aufhebungsvertrag“ bezeichnete Vertrag nicht auf eine alsbaldige Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses abzielt, so liegt materiell rechtlich ein Aufhebungsvertrag und ein Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags vor, der nach § 14 Abs. 1 TzBfG eines sachlichen Grundes bedarf 214. Die Gesetzesumgehung durch Auslegung des Sachverhaltes zu verhindern, kann verfassungsrechtlich problematisch (Art. 2 Abs. 1 GG) sein, wenn die Parteien ausdrücklich eine Vertragsgestaltung wählen, die das BGB zulässt. Die Einschränkung der Vertragsfreiheit ist aber deswegen gerechtfertigt, weil ansonsten der Gesetzgeber sein mit § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfolgtes Ziel nicht erreichen kann. Die fehlende wertungsmäßige Abstimmung zwischen den Vorschriften des 212 Vor Inkrafttreten des TzBfG ging es um die Umgehung der Grundsätze, die das BAG bei der Befristung von Arbeitsverträgen aufstellte, BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/ 99, NZA 2000, 718. 213 BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718; BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614, 616. 214 BAG v. 26.8.1998 – 7 AZR 349/97, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 203; BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718; BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614, 616.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
BGB und dem TzBfG führen zu einem materiellen Gefälle zwischen den Gesetzen, das eine Umgehung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ermöglicht. So können die Arbeitsvertragsparteien unter Rückgriff auf die Vorschriften des BGB das von dem Gesetzgeber mit § 14 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 TzBfG intendierte Ziel vereiteln. Der Vorgehensweise des BAG zur Umgehungsverhinderung ist daher zuzustimmen.
III. Das mittelbare Arbeitsverhältnis Auch das mittelbare Arbeitsverhältnis stand bereits in der Diskussion im Zusammenhang mit Gesetzesumgehungen. Von einem mittelbaren Arbeitsverhältnis ist dann zu sprechen, wenn ein Mittelsmann, der selbst Arbeitnehmer eines Dritten (Hintermann) ist, im eigenen Namen Hilfskräfte einstellt, die mit Wissen des Dritten für diesen Arbeitsleistungen erbringen215. So kann durch Einschaltung eines Dritten die „echte“ Arbeitgebereigenschaft verschleiert werden. Mit Hilfe dieser Konstruktion könnte schließlich der Hintermann von der Arbeitskraft des Arbeitnehmers mittelbar profitieren, ohne jedoch den damit zusammenhängenden Arbeitnehmerschutz tragen zu müssen, während hinsichtlich der Anwendung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften ausschließlich auf den Mittelsmann abgestellt werden müsste. Dies hätte zur Folge, dass der Arbeitnehmer regelmäßig einen niedrigeren Arbeitnehmerschutz genießen würde, wenn beispielsweise beim Mittelsmann das KSchG nicht anwendbar wäre. 1. Die Rechtsprechung In dem einem BAG-Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt216 stellte der Arbeitgeber (Hintermann) die für Reinigungsarbeiten erforderlichen Arbeitskräfte nicht selbst ein, sondern wies seinen Hausmeister (Mittelsmann) an, im eigenen Namen auf fremde Rechnung und nach bestimmten Richtlinien Arbeitsverträge mit Reinemachefrauen abzuschließen. Aufgrund dieser vertraglichen Gestaltung war die arbeitsrechtliche Stellung der Reinemachefrauen schwächer, als sie gewesen wäre, wenn die arbeitsvertraglichen Beziehungen nicht zu dem Schulhausmeister, sondern unmittelbar zu dem Hintermann bestanden hätten. Nach Ansicht des BAG gilt dies insbesondere für den Kündigungsschutz, der nur dann eingreife, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt, § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG. Auch hinsichtlich der nach § 1 Abs. 3 KSchG erforderlichen Sozialauswahl bestehen für den Arbeitnehmer Nachteile, der bei einem Arbeitgeber eingestellt ist, der nur wenige Arbeitnehmer beschäftigt217. 215 BAG v. 12.12.2001 – 5 AZR 253/00, NZA 2002, 787, 788; Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 62; Röller, Personalbuch, Mittelbares Arbeitsverhältnis, Rn. 1. 216 BAG v. 20.7.1982 – 3 AZR 446/80, AP § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis Nr. 5. 217 Bader/KR, § 23 KSchG Rn. 51; Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 63.
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Darin könne nach Ansicht des BAG ein Missbrauch der Rechtsform des mittelbaren Arbeitsverhältnisses und eine Umgehung von Gesetzen und Tarifverträgen gesehen werden, wenn die Mittelsmänner unternehmerische Entscheidungen nicht treffen und keinen Gewinn erzielen können. Die Rechtsprechung ging daher von einem Missbrauch der Rechtsform und der Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Grundsätze aus218. Das BAG vertritt die Rechtsansicht, dass in dem Fall, in welchem sich dem Arbeitgeber verschiedene arbeitsvertragliche Gestaltungsformen anbieten, die für den Arbeitnehmer zu einem unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Schutz führen, der Arbeitgeber nicht willkürlich die ihm günstigere auswählen dürfe. Es bezieht sich dabei auf die Grundsatzentscheidung des BAG aus dem Jahre 1960 und führt aus, dass die vertragliche Gestaltungsform nicht willkürlich gewählt werden könne, sondern es eines sachlichen Grundes bedürfe. So lehnte das BAG in einer anderen Entscheidung219 einen Missbrauch der Vertragsgestaltung ab, weil der mittelbare Arbeitgeber tatsächlich Gewinne erzielte und unternehmerische Entscheidungen traf. Dabei führte das BAG aus, dass das KSchG keinen Anspruch auf Eingehung eines Arbeitsverhältnisses begründe, sondern es vielmehr ein solches voraussetze. Es sei daher unerheblich, dass der Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer stärker gewesen wäre, wenn er Arbeitnehmer des mittelbaren Arbeitgebers gewesen wäre. Eine Korrektur mit Hilfe des § 242 BGB sei in diesem Fall daher nicht erforderlich, weil der mittelbare Arbeitgeber tatsächlich die wirtschaftlichen Entscheidungen traf und das arbeitgeberrechtliche Risiko trug. 2. Bewertung a) Methodische Ansätze zur Umgehungsverhinderung Auch in der Literatur stieß das Urteil auf Zustimmung220. Dabei sollte dann ein Missbrauch der Gestaltungsform vorliegen, wenn der Einfluss des mittelbaren Arbeitgebers so stark sei, dass der unmittelbare Arbeitgeber keine unternehmerischen Entscheidungen mehr treffe und keinen Gewinn erwirtschaften könne, sondern nur verlängerter Arm des mittelbaren Arbeitgebers sei221.
218 Das BAG spricht allgemein von „Grundsätzen des deutschen Arbeitsrechts“, BAG v. 10.5.1962 – 5 AZR 452/61, AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 22. Es ist nicht notwendig, dass sich das umgangene Gesetz genau benennen lässt. So kann auch ein gesamtes Normgefüge oder ein ganzes Rechtsgebiet umgangen werden, Benecke, S. 125, 128. 219 BAG v. 11.12.1990 – 7 AZR 534/89, BeckRS 1990, 30735850. 220 Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 63; Koller, Anmerkung zu BAG v. 20.7.1982 – 3 AZR 446/80, AP § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis Nr. 5; Röller, Personalbuch, Mittelbares Arbeitsverhältnis, Rn. 4. 221 Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 63; Röller, Personalbuch, Mittelbares Arbeitsverhältnis, Rn. 4.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Fraglich ist, wie die Umgehung rechtsmethodisch zu verhindern ist. Die Fallgestaltung im Wege der extensiven Gesetzesauslegung zu lösen, ist nicht möglich, weil unklar ist, welches Gesetz hier ausgelegt werden soll. Das BAG gibt beispielhaft den § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG an, wonach der Kündigungsschutz bei Betrieben mit vielen Arbeitnehmern stärker ausgeprägt ist, als bei kleineren Betrieben. Im Wege der Gesetzesauslegung das KSchG auf den nicht vertraglichen Arbeitgeber anzuwenden ist dogmatisch allerdings nicht begründbar, weil das KSchG ausschließlich auf den unmittelbaren vertraglichen Arbeitgeber abstellt. Koller222 bevorzugt dagegen eine analoge Anwendung der arbeitsrechtlichen Schutzgesetze gegenüber Personen, die mit den schutzbedürftigen Arbeitnehmern unmittelbar keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Dies rechtfertige die ratio legis des Arbeitnehmerschutzrechts. Der Gesetzgeber habe vorgesehen, dass nur derjenige mit dem Arbeitnehmerschutz belastet werden solle, der sich die vertraglichen Ansprüche auf Arbeitsleistung gesichert habe. Gleichsam als Korrelat zur Aufbürdung von Pflichten, soll der Arbeitgeber die Arbeitsleistungen erhalten223. Demnach soll derjenige mit den arbeitsrechtlichen Schutzpflichten belastet werden, der den gesamten Arbeitsablauf plant und die Arbeitskonditionen beim Vertragsarbeitgeber detailliert plant, steuert und damit die faktische Rolle des Arbeitgebers übernimmt224. Die Übernahme der Rolle des faktischen Arbeitgebers soll also den Vertragsschluss zwischen den Arbeitsvertragsparteien entbehrlich machen. Letztlich ist jedoch die analoge Anwendung des KSchG auf den Hintermann abzulehnen. Die analoge Anwendung eines Gesetzes ist dann möglich, wenn bereits vertragliche Beziehungen bestehen. Es stellt aber einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar, wenn durch analoge Anwendung erst die vertragliche Beziehung begründet werden soll. Auch stellt die fehlende Arbeitgeberstellung des Hintermannes keine Regelungslücke dar, die der direkten Anwendbarkeit des KSchG entgegensteht, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich einen Arbeitsvertrag mit dem Mittelsmann abschließt. Die genannten methodischen Ansätze zur Umgehungsverhinderung überzeugen daher nicht. b) Richtiger Ansatz: Zurechnung Die Ursache für die Gesetzesumgehung liegt auch hier in dem Umstand begründet, dass das KSchG an die Eigenschaft des „Arbeitgebers“ und damit an eine personenbezogene Eigenschaft anknüpft. Dieses Tatbestandsmerkmal kann man dadurch umgehen, indem ein drittes Rechtssubjekt zwischengeschaltet wird.
222 Koller, Anmerkung zu BAG v. 20.7.1982 – 3 AZR 446/80, AP § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis Nr. 5. 223 Konzen, ZfA 1982, 259, 295. 224 Koller, Anmerkung zu BAG v. 20.7.1982 – 3 AZR 446/80, AP § 611 BGB Mittelbares Arbeitsverhältnis Nr. 5.
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Die Gesetzesumgehung wird mithin durch die Anknüpfung des Tatbestandes an eine bestimmte Eigenschaft ermöglicht. Rechtsmethodisch lösbar ist die Konstellation im Wege der Zurechnung225. Die Arbeitnehmerschutzgesetze wie das KSchG stehen nach ihrem Sinn und Zweck einer Zurechnung nicht entgegen, sodass grundsätzlich eine Zurechnung von Tatbestandsmerkmalen möglich ist. Allerdings bedarf es eines besonderen Zurechnungsgrundes, weil der Hintermann regelmäßig nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn ein besonderer rechtsgeschäftlicher Verpflichtungsgrund besteht226. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Freiheit in der Wahl des Vertragspartners und gehört damit zum Kernbestand der Privatautonomie. Ausnahmen müssen daher besonders begründet werden227. Der Grund für die Zurechnung besteht vorliegend darin, dass der unmittelbare Arbeitgeber nur deswegen zwischengeschaltet wird, um das Arbeitnehmerschutzniveau zu reduzieren. Der Mittelsmann wurde nur aus dem Grund zwischengeschaltet, um die echte Arbeitgeberstellung des Hintermannes zu verschleiern. Die §§ 164 ff. BGB sind zwar unmittelbar nicht anwendbar. Auch ist zutreffend, dass sich die Arbeitsvertragsparteien eindeutig dahingehend geeinigt haben, dass nur der Mittelsmann Arbeitgeber sein soll. Nur der Vertragsarbeitgeber hat regelmäßig die Bürde des Kündigungsschutzes zu tragen228. Allerdings darf das mittelbare Arbeitsverhältnis nicht dazu genutzt werden, zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften zu umgehen, was zu einer Verkürzung des Arbeitnehmerschutzes führen würde229. Richtig ist daher, dass darauf abgestellt wird, ob der unmittelbare Arbeitgeber tatsächlich Gewinne erzielt und unternehmerische Entscheidungen trifft. Ist wirtschaftlich betrachtet jedoch der Hintermann der Arbeitgeber, so muss ihn auch im Wege der Zurechnung die Belastung mit dem Kündigungsschutz treffen. Daher ist hier genau zu prüfen, wem wirtschaftlich betrachtet der Gewinn zufließt und ob eine unmittelbare Kontrolle des Vordermanns durch den Hintermann vorliegt. Nur dies kann eine Zurechnung der Arbeitgebereigenschaft mit dem Ergebnis rechtfertigen, dass bei der Bestimmung des Kündigungsschutzes auf den faktischen Arbeitgeber abzustellen ist. Wichtig in diesem Zusammenhang ist also, dass die Entscheidung des Arbeitnehmers zu einem bestimmten Arbeitgeber ein Vertragsverhältnis einzugehen, nicht im Wege der Zurechnung revidiert werden kann. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer die Wahl hat entweder mit dem einen oder mit dem anderen ein Arbeitsverhältnis einzugehen. In diesen Fällen kann die Ent225 Vgl. zum Strohmanngeschäft und dem arbeitsrechtlichen Durchgriff, Schüren, BB 2007, 2346, 2348. 226 BAG v. 8.8.1958 – 4 AZR 173/55, BAGE 6, 232. 227 Seiter, VSSR 1976 (Band 4), 179, 204. 228 Konzen, ZfA 1982, 259, 296. 229 Konzen, ZfA 1982, 259, 296.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
scheidung zur Eingehung mit einer Vertragspartei nicht die Umgehung der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses mit der anderen Partei bedeuten. Meist wird jedoch der Arbeitnehmer auch keine Wahl haben den Vertrag mit einem bestimmten Arbeitgeber abzuschließen. Er wird nicht vor die Entscheidung gestellt, entweder mit dem einen oder mit dem anderen Arbeitgeber den Arbeitsvertrag abzuschließen. Aus diesem Grund ist eine Korrektur geboten, sodass die Zurechnung bewirkt, dass der Schutz des Arbeitnehmers derjenige zu tragen hat, dem auch wirtschaftlich die Arbeitsleistung zufließt.
IV. Die Gesetzesumgehung und die Arbeitnehmerüberlassung Der Begriff der Gesetzesumgehung taucht auch häufig im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerüberlassung auf. So sind zunächst zwei Konstellationen zu unterscheiden. Zum einen die Fallgestaltung, in der das AÜG Gegenstand der Gesetzesumgehung ist (1.) und zum anderen die Fälle, in denen die Arbeitnehmerüberlassung als Mittel zur Umgehung eingesetzt wird (2). Im Anschluss ist herauszuarbeiten, inwiefern sich rechtsmethodisch die unterschiedlichen Rechtstechniken zur Gesetzesumgehung unterscheiden (3). 1. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz als Objekt der Umgehung Es soll zunächst die Konstellation begutachtet werden, in der das AÜG selbst Objekt der Gesetzesumgehung ist. Das AÜG wird oft dadurch versucht zu umgehen, indem (Schein-)Werkverträge abgeschlossen werden230. a) Die Umgehungskonstruktion Liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, so finden die Vorschriften des AÜG Anwendung. Dies ist dann zu bejahen, wenn ein Arbeitgeber als Verleiher einem Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung vorübergehend überlässt (§ 1 Abs. 1 S. 1 und 2 AÜG)231. Will der Rechtsanwender nicht den Konditionen des AÜG unterfallen, so muss er den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG verschleiern.
230 Maschmann, NZA 2013, 1305; vgl. hierzu allerdings nun die Änderungen u. a. im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, die zum 1. April 2017 in Kraft getreten sind (BT-Drs. 18/9232). Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher im Wesentlichen auf die Zeit vor Inkrafttreten dieser Änderungen. 231 Vgl. nun aber die Änderungen im AÜG, die zum 1.4.2017 in Kraft getreten sind, insbesondere die Definition, wann ein Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen wurde (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F.).
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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So kann phänotypisch der Einsatz eines fremden Arbeitnehmers im Betrieb auch durch einen Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) des Werkunternehmers erfolgen. Der Arbeitgeber kann daher in zulässiger Weise auf einen vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Vertragstyp zurückgreifen, um einen bestimmten arbeitstechnischen Erfolg herbeizuführen. Dies wird durch die Vertragsfreiheit sichergestellt. In letzter Zeit232 wurde allerdings häufig versucht mittels Scheinwerkverträgen die Anwendbarkeit des AÜG auszuschließen, indem der tatsächliche Entleiher mit dem Arbeitgeber (Verleiher) keinen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, sondern einen vermeintlichen Werkvertrag schloss. Die Erstellung des Werkes erfolgt dann durch seine Arbeitnehmer als „Erfüllungsgehilfen“ des Arbeitgebers, die aber materiell rechtlich als Leiharbeitnehmer zu qualifizieren sind. Durch formale Werkvertragskonstruktionen soll also tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung betrieben werden. Die Umgehung erfolgt mithin durch Tatbestandsverschleierung, die dadurch ermöglicht wird, dass das AÜG normativ an auslegungsbedürftige Merkmale (Verleiher, Entleiher, Leiharbeitnehmer) anknüpft. Die Gründe, sich dem Anwendungsbereich des AÜG zu entziehen, können mannigfaltig sein. So können es reine unternehmensstrategische Ursachen233, wie die Vermeidung von Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat (§ 14 Abs. 3 S. 1 AÜG i.V. m. § 99 BetrVG), Unvereinbarkeit mit der Unternehmensphilosophie oder lediglich die Senkung von Personalkosten sein234. Zudem bedarf es nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Der Antrag muss schriftlich gestellt (§ 2 Abs. 1 AÜG) und kann unter den in § 3 Abs. 1 AÜG genannten Gründen abgelehnt werden. Dieses Verfahren ist bei Beauftragung eines Werkunternehmens nicht erforderlich. b) Die Abgrenzungskriterien Problematisch ist daher, wann echte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt und wann von einem Erfüllungsgehilfen eines Werkunternehmers auszugehen ist. Bei der Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung kommt es im Wesentlichen auf die Eingliederung des Arbeitnehmers und auf die Ausübung des Weisungsrechts an235. In diesem Zusammenhang ist die Qualifikation des 232 Vgl. hierzu allerdings nun die Änderungen im AÜG, die zum 1.4.2017 in Kraft getreten sind (BT-Drs. 18/9232). 233 Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 114. 234 Greiner, NZA 2013, 697; Maschmann, NZA 2013, 1305; Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drs. 18/14, S. 7. 235 BAG v. 13.8.2008 – 7 AZR 269/07, AP § 10 AÜG Nr. 19. Maschmann will die Abgrenzung danach vornehmen, nach welchem Prinzip der arbeitsteilige Prozess gesteuert wird. Wird er durch Konsens gesteuert, dann liege ein Werkvertrag vor. Wird er dagegen hierarchisch durch Macht gesteuert, dann komme Arbeitnehmerüberlassung in Betracht, NZA 2013, 1305, 1309.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Vertrags in der konkreten Situation entscheidend, wobei die tatsächliche Durchführung des Vertrags erheblich ist236. Die rechtliche Qualifizierung erfolgt also nach objektiven Kriterien. Möchten die Beteiligten daher die Anwendung des AÜG ausschließen, so müssen sie auf tatsächlicher Ebene die Vertragsdurchführung so gestalten, dass das arbeitsvertragliche Weisungsrecht nicht auf den Inhaber des Einsatzbetriebes übergeht. Zum einen kann dies durch die Zwischenschaltung einer Aufsichtsperson geschehen237. Der Inhaber des Einsatzbetriebes übt dann nicht mehr selbst das Weisungsrecht gegenüber den bei ihm eingesetzten Arbeitnehmern aus, sondern überträgt es auf eine Aufsichtsperson. Dabei muss genau untersucht werden, ob das Weisungsrecht tatsächlich von einem Dritten ausgeht oder ob lediglich Weisungen des Inhabers des Einsatzbetriebes weitergeleitet werden238. Zum anderen können die arbeitsrechtlichen Weisungen in den Werkvertrag verlagert werden. Bei dieser Konstellation wird der Vertragsarbeitgeber selbst als „Erfüllungsgehilfe“ des Inhabers des Betriebes eingesetzt239. Dabei werden die zum Arbeitseinsatz notwendigen Weisungen schon im Vertrag zwischen Vertragsarbeitgeber und Inhaber des Einsatzbetriebes in allen Details geregelt240, sodass es schon nicht mehr notwendig ist, das Weisungsrecht zu übertragen, da der Arbeitsprozess bereits „vorprogrammiert“ ist241. In diesem Fall liegt regelmäßig keine Arbeitnehmerüberlassung vor242. Das ist jedoch eine Einzelfallentscheidung und hängt davon ab, ob das arbeitsvertragliche Weisungsrecht tatsächlich übertragen wurde oder nicht243. Da die rechtliche Bewertung eines Sachverhaltes objektiv erfolgt und die Rechtsansicht des Umgehenden insofern unerheblich ist, erschöpft sich bei der Umgehung des AÜG durch Scheinwerkverträge der Subsumtionsvorschlag in der ausschließlichen bewussten oder unbewussten Falschbezeichnung des Vertrags. c) Die Rechtsfolge bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes Handelt es sich rechtlich nicht um einen Werkvertrag, sondern um einen Fall der Arbeitnehmerüberlassung, dann kommt es zur Gleichstellung, also zur An236 LAG Baden-Württemberg, v. 1.8.2013 – 2 Sa 6/13, NZA 2013, 1017; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 111. Die Bewertung dieses Problems dürfte sich nun mit den Änderungen des AÜG zum 1.4. 2017 geändert haben (BT-Drs. 18/9232). 237 Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 185; Maschmann, NZA 2013, 1305, 1309. 238 LAG Berlin-Brandenburg, v. 5.3.2013 – 12 Sa 1624/12, NZA-RR 2013, 466; Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 185. 239 Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 187. 240 Maschmann, NZA 2013, 1305, 1309. 241 Maschmann, NZA 2013, 1305, 1309. 242 BAG v. 18.1.2012 – 7 AZR 723/10, NZA-RR 2012, 455, 459. 243 Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 197.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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wendung des AÜG244. Liegt ein Fall der illegalen Arbeitnehmerüberlassung vor, so kommt es nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG zum Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher. Die Anwendung des AÜG ist zwingend und steht nicht zur Disposition der Parteien. Unerheblich ist daher auch, ob die Parteien bewusst die Anwendung des AÜG ausschließen wollten oder ob sie den Anwendungsbereich des AÜG schlicht verkannt haben245. Sind die Parteien sich dagegen einig von dem bezeichneten Vertrag tatsächlich abzuweichen, so ist das Scheingeschäft (Werkvertrag) nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig und es gilt das AÜG, § 117 Abs. 2 BGB246. Der Gesetzgeber kodifizierte im AÜG ausdrücklich keine Regelung, die die Umgehung des AÜG verbietet, allerdings sieht § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG eine Fiktion vor, die sogar über die Rechtsfolgen der Gleichstellung hinausgeht. So würde eine Gleichstellung vorliegen, wenn das AÜG Anwendung findet und der Leiharbeitnehmer weiterhin in vertraglicher Beziehung zu dem Verleiher steht. Im Fall der Umgehung des AÜG durch Werkverträge und für den Fall, dass keine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG vorliegt, ordnet das Gesetz jedoch nach § 9 Nr. 1 AÜG i.V. m. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zu dem Entleiher an. Der Arbeitsvertrag zwischen „Werkunternehmer“ und seinem Mitarbeiter ist dagegen nichtig, § 9 Nr. 1 AÜG. Durch das Zusammenspiel von §§ 1 Abs. 1 S. 1, 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG wird daher die schlichte Gleichstellung verhindert und ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. d) Zusammenfassung Die Umgehung des AÜG durch Werkverträge erfolgt durch Tatbestandsverschleierung in Form der schlichten falschen Qualifizierung des Vertragstypen. Keine Umgehung des AÜG liegt vor, wenn auf tatsächlicher Ebene die Vertragsdurchführung so gestaltet wird, dass das Weisungsrecht des Vertragsarbeitgebers nicht auf den Inhaber des Einsatzbetriebes übergeht247. Ist dies jedoch zu verneinen, so liegt materiell rechtlich Arbeitnehmerüberlassung vor. Die Qualifizierung durch die Parteien und deren Rechtsansicht ist insofern unerheblich. Es ist mithin eine Frage der Auslegung des Sachverhaltes und des Gesetzes, ob ein bestimmter Sachverhalt noch unter das AÜG zu subsumieren ist.
244 Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 194; vgl. hierzu nun die Änderungen des AÜG, die zum 1.4.2017 in Kraft getreten sind (BT-Drs. 18/9232). 245 Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 194. 246 Hamann/Schüren, § 1 AÜG Rn. 195; Maschmann, NZA 2013, 1305, 1310. 247 Zur Abgrenzung, Greiner, NZA 2013, 697.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
2. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz als Mittel der Gesetzesumgehung Es sind nun Fallgestaltungen zu begutachten, in denen die Arbeitnehmerüberlassung das Mittel zur Gesetzesumgehung darstellt248. Die Arbeitnehmerüberlassung wird also eingesetzt, um bestimmte Arbeitnehmerschutzrechte zu umgehen. a) Die Umgehungskonstruktion Vor der Kodifizierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG („vorübergehend“)249 bestand für den Arbeitgeber die Möglichkeit Arbeitsplätze dauerhaft nur mit Leiharbeitnehmern zu besetzen. Der Vorteil des Arbeitgebers (Entleihers) bestand darin, nie Stammarbeitnehmer einzustellen und so nie mit dem Kündigungsschutz belastet zu werden250. Zwischen dem Entleiher und dem Verleiher wird lediglich ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen, der nicht den strengen Voraussetzungen des KSchG unterliegt. Eine Kündigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist somit wesentlich einfacher möglich als die Kündigung eines Stammarbeitnehmers251. So ist der Entleiher völlig frei darin den Überlassungsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes zu kündigen und sich bei einem anderen Verleiher neue kostengünstigere Leiharbeitnehmer zu beschaffen252. Der Arbeitgeber (Entleiher) konnte also in Kooperation mit einem Verleiher sich dadurch den üblichen Arbeitgeberpflichten entledigen, dass er sein Personal dauerhaft von einem Verleiher bezog. Auf diese Art und Weise war es möglich den Abschluss eines Arbeitsvertrags und damit die bei ihm anzuwendenden Arbeitsbedingungen von Vertragsarbeitnehmern zu umgehen. b) Die Rechtsprechung Es ist zunächst darzulegen, wie die Rechtsprechung den dauerhaften Einsatz eines Leiharbeitnehmers vor der Einfügung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG behandelte253. 248 Däubler, AiB 2008, 524, 525; Schüren, BB 2007, 2346. Vgl. schon oben die Konstellation der Umgehung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch Arbeitnehmerüberlassung, S. 152. 249 Einführung durch das „Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung“ vom 28.4.2011, BGBl. I, S. 642. 250 LAG Berlin v. 7.1.2005 – 6 Sa 2008/04, NZA-RR 2005, 353; LAG Niedersachsen v. 28.2.2006 – 13 TaBV 56/05, BB 2007, 2352; Schüren, BB 2007, 2346. 251 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270; Däubler, AiB 2008, 524, 525; Greiner, NZA 2014, 284, 287; Schüren, BB 2007, 2346, 2349. 252 Däubler, AiB 2008, 524, 525; Schüren, BB 2007, 2346, 2347. 253 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Zeit vor Inkrafttreten der Änderungen im AÜG zum 1.4.2017.
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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aa) Der Rechtsmissbrauchsgedanke In einem Urteil vom 15.5.2013254 verwendete das BAG den Umgehungsbegriff im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut des Rechtsmissbrauchs, § 242 BGB. Im maßgeblichen Zeitraum vor dem 3.5.2011 war der § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. noch nicht kodifiziert, sodass sich die Frage stellte, ob durch die dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung Arbeitnehmerschutzvorschriften umgangen wurden. Das BAG spricht von der Umgehung von Schutzvorschriften als Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs255. Danach müsse ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung nur dazu verwenden, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht vorgesehen sind256. Das BAG beabsichtigte demnach einem vermeintlichen Umgehungsgeschäft unter Berufung auf § 242 BGB die Wirksamkeit zu versagen. Das BAG konkretisiert schließlich seine Ausführungen dahingehend, dass beim institutionellen Missbrauch sich der Vorwurf der treuwidrigen Vorteilsverschaffung aus dem Sinn und Zweck der Norm ergebe257. Der institutionelle Rechtsmissbrauch sei aber nur dann zu bejahen, wenn die gewählte Gestaltungsmöglichkeit gravierend von den Gestaltungsmöglichkeiten abweicht, die nach der Konzeption des Gesetzes noch gebilligt werden258. Mit dieser Definition des Rechtsmissbrauchs bringt das BAG erneut zum Ausdruck, dass es zwischen dem institutionellen Rechtsmissbrauch und dem von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit befristeten Verträgen verwendeten Rechtsinstitut der Gesetzesumgehung materiell keine Unterschiede sieht, da inhaltlich ein und dasselbe Problem beschrieben wird. bb) Die Rechtsfolge der Umgehung Unter der Randnummer 33 des Urteils259 nimmt das BAG zunächst allgemein Stellung zu den Rechtsfolgen bei Vorliegen einer Umgehung von zwingenden sozialen Schutzrechten. Danach soll die umgangene Vorschrift angewendet werden und die vertragliche Gestaltung, die die Umgehung bezweckt, nichtig sein260.
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BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270. Der Rückgriff auf das Institut der unzulässigen Rechtsausübung ist dann problematisch, wenn kein eigenes Recht geltend gemacht wird, sondern der Arbeitgeber sich lediglich auf die objektive Rechtslage beruft. Es handelt sich dann vielmehr um eine unzulässige Rechtsgestaltung, Söllner, Anmerkung zu BAG v. 15.3.1966 – 2 AZR 211/65, SAE 1966, 255, 256. 256 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270. 257 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270. 258 BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351, 1357; BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270. 259 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270. 260 BGH v. 23.6.1971 – VIII ZR 166/70, NJW 1971, 1658. 255
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Durch die Anwendung der umgangenen Vorschrift kommt das BAG somit zur Gleichstellung. Das BAG führt schließlich erneut aus, dass auf den Schutzzweck der umgangenen Norm abzustellen sei. Bestehe die Umgehung in der Verhinderung der gesetzlich an sich vorgesehenen Begründung eines Rechtsverhältnisses zu einem Dritten, so soll ein Rechtsverhältnis zum Dritten entstehen. Wird die Umgehung beispielsweise mittels eines „Strohmanns“ begangen, so könne auch die Rechtsfolge eintreten, dass sich die umgangenen Rechte dann gegen einen Dritten richten261. Dies solle insbesondere dann der Fall sein, wenn mehrere Personen bewusst und gewollt an dem Rechtsmissbrauch mitwirken262. Zielt die Umgehung jedoch darauf ab, einzelne Ansprüche zu verkürzen oder zu vermeiden, so trete als Rechtsfolge das Entstehen dieser Ansprüche ein263. Auf Grundlage dieser Erkenntnis lehnte das BAG in dem zu entscheidenden Fall das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer ab, weil bei der Umgehung der beim Entleiher geltenden Arbeitnehmerschutzvorschriften durch den dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmer, dies höchstens zu Leistungspflichten gegenüber dem Entleiher, aber nicht zum Entstehen eines Stammarbeitsverhältnisses – wie vom Kläger begehrt – führen könne. Darüber hinaus ging das BAG davon aus, dass aufgrund der damaligen Rechtslage der dauerhafte Einsatz eines Leiharbeitnehmers zulässig war und daher kein Missbrauch, mithin keine Umgehung arbeitsrechtlicher Vorschriften, vorgelegen habe264. c) Bewertung Die Verneinung des Rechtsmissbrauchs und damit einer Gesetzesumgehung durch das BAG überzeugt nicht. Vielmehr war vor Kodifizierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG eine Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften dann anzunehmen, wenn ein entleihendes Konzernunternehmen mit einer von ihm kontrollierten verleihenden Gesellschaft insofern eine „symbiotische Beziehung“ einging, dass der konzerneigene Verleiher seine Leiharbeitnehmer ausschließlich bei dem Entleiher, einer Konzernschwester, einsetzte und der Überlassende auch sonst keine Möglichkeit hatte, seine Arbeitnehmer selbst bei einem anderen Entleiher einzusetzen265. Denn in diesem Fall stellt der Entleiher wirtschaftlich und faktisch den Arbeitgeber dar, der den arbeitsrechtlichen Ablauf kontrolliert. Dagegen kann bei dem Verleiher nur dann als Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer die 261
BGH v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, NJW 2007, 759, 760. BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351, 1357. 263 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270. 264 BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270. 265 Däubler, AiB 2008, 524, 525; Dörner, FS Wissmann, S. 286, 297; Schüren, BB 2007, 2346, 2348. 262
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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Rede sein, wenn dieser das Risiko der Nichteinsatzzeiten der Leiharbeitnehmer regelmäßig abdeckt und durch eigene Marktteilnahme begrenzt266. Bei einer „symbiotischen Beziehung“ zwischen Ent- und Verleiher dient letzterer jedoch lediglich als Zahlstelle, der nur zwischengeschaltet wurde, um den Bestandsschutz aufheben zu können. Wurde also der Verleiher von dem Entleiher kontrolliert und von diesem der Arbeitsprozess faktisch gelenkt, dann fungierte der Verleiher lediglich als Strohmann. Folge der fehlenden Marktaktivität des Verleihers wäre, dass er seinen Leiharbeitnehmern sofort betriebsbedingt kündigen könnte, wenn bei der entleihenden Konzernschwester kein Bedarf mehr besteht, mithin der Verleiher nicht mehr mit der Überlassung beauftragt wird267. Damit würde der Arbeitnehmer schutzlos gestellt werden und folglich das Ziel des KSchG und anderer arbeitnehmerschützenden Vorschriften nicht mehr erreicht werden können. Aus diesem Grunde hätten ihn auch im Wege der Zurechnung oder eines Durchgriffs268 die arbeitsvertraglichen Pflichten unmittelbar treffen müssen269. Entgegen der Auffassung des BAG war daher in dieser Konstellation eine Gesetzesumgehung zu sehen, die durch die fehlende normative Abstimmung unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Gesetze begünstigt wurde und mithin im Wege der Zurechnung hätte verhindert werden müssen. Durch die Einfügung des Satzes 2 in § 1 Abs. 1 AÜG wird der nicht vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung jedoch de lege lata ein Riegel vorgeschoben und der rechtlich systematische Bruch im Gesetz aufgehoben. Unklar ist allerdings weiterhin, was unter dem Begriff „vorübergehend“ zu verstehen ist und welche Rechtsfolge eintritt, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht vorübergehend erfolgt270. 3. Rechtsmethodische Unterschiede Es soll schließlich die konkrete Umgehungshandlung (Subsumtionsvorschlag) begutachtet werden. Dabei ist zwischen der Umgehungshandlung zu unterscheiden, die in dem Fall eingesetzt wird, in dem das AÜG Objekt der Umgehung ist, 266 BAG v. 24.3.2004 – 5 AZR 303/03, NZA 2004, 971, 973; Schüren, BB 2007, 2346, 2348. 267 BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 412/05, AP § 9 AÜG Nr. 7. 268 Däubler, AiB 2008, 524, 526; Schüren, BB 2007, 2346, 2348. 269 A. A. BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 494/11, NZA 2013, 1267, 1270; BAG v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196; Hamann, RdA 2014, 271, 274, der sich allerdings auf die aktuelle Rechtslage bezieht und ein Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher ablehnt. 270 Für einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG sehe der Gesetzgeber nicht das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher vor, BAG v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196, 198. Beachte nun allerdings die Änderungen des AÜG, die zum 1.4.2017 in Kraft getreten sind. Das AÜG sieht nun vor, dass Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam sind, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht vorübergehend erfolgt, § 9 Nr. 1b AÜG n. F.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
und derjenigen, die in der Konstellation zum Einsatz kommt, in der das AÜG das Mittel zur Gesetzesumgehung darstellt. Bei der ersten Fallgestaltung negiert der Normunterworfene das materiell rechtliche Bestehen des zu umgehenden Gesetzes (AÜG), in dem er der vertraglichen Konstruktion die Bezeichnung „Werkvertrag“ gibt. Insofern unterscheidet sich diese Konstruktion von der zweiten Fallgestaltung, in der das AÜG Mittel zur Gesetzesumgehung ist und sich der Normumgeher explizit auf das AÜG beruft, um sein gewünschtes rechtliches Ziel (Vermeidung der Eingehung eines Stammarbeitsverhältnisses) zu erreichen. Die Möglichkeit einer Gesetzesumgehung im Sinne eines normativen Widerspruchs zwischen Subsumtionsvorschlag und Ziel einer Vorschrift ergibt sich also bei der ersten Fallkonstellation dadurch, dass das AÜG unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Aufgrund dieser ausfüllungsbedürftigen normativen Tatbestandsmerkmale (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG) kann der Normunterworfene unter Rückgriff auf die in dem BGB geregelten Vertragstypen Gestaltungsspielräume nutzen und so dem Normanwender eine Auslegung in eine bestimmte Richtung suggerieren (Subsumtionsvorschlag). Die Qualifizierung eines Vertragstypus durch die Parteien ist jedoch irrelevant (iura novit curia). Ergibt die Auslegung des Sachverhaltes und der Norm daher, dass Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, so ist die Bezeichnung dieses Vertrags als „Werkvertrag“ unerheblich. Würde man bei materiell rechtlich vorliegender Arbeitnehmerüberlassung dem Subsumtionsvorschlag „Werkvertrag“ des Normunterworfenen folgen, so führe dies zu einem normativen Widerspruch, weil nach der Vorstellung des Umgehenden dann das AÜG nicht anwendbar wäre, obwohl materiell rechtlich dieses nach dem Willen des Gesetzgebers zur Anwendung gelangen muss. Daher wird im Wege der Sachverhaltsauslegung die falsche Bezeichnung für unerheblich erachtet und die Anwendung des AÜG fruchtbar gemacht. Der Subsumtionsvorschlag des Umgehenden erschöpft sich bei der ersten Fallgestaltung in der schlichten Falschbezeichnung eines Rechtsgeschäftes. Bei der zweiten Konstellation, in der das AÜG das Mittel zur Umgehung darstellt, beinhaltet der Subsumtionsvorschlag nicht lediglich die falsche Bezeichnung eines Rechtsgeschäftes. Vielmehr muss der Normunterworfene materiell rechtlich auch das AÜG anwendbar machen, damit sein Subsumtionsvorschlag zum Erfolg führt. Dasselbe Problem stellt sich im Übrigen auch bei der Abgrenzung von Dienstund Arbeitsvertrag. Ob der Beschäftigte weisungsgebunden tätig wird oder – im Falle der Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge – wem das Weisungsrecht zusteht, ist unabhängig vom Willen der Parteien nach rein objektiven Kriterien zu bestimmen.
V. Zusammenfassung Bei der Umgehung des Änderungskündigungsschutzes durch Befristung einzelner Arbeitsbedingungen oder mittels eines einseitigen Leistungsbestimmungs-
C. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht
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rechts steht das materiell rechtliche Vorliegen dieser Gestaltungsmittel nicht in Frage. Das Gleiche gilt bei der Umgehung des Kündigungsschutzes durch Abschluss eines aufschiebend bedingten Aufhebungsvertrags oder bei Abschluss eines unbedingten Aufhebungsvertrags mit bedingter Wiedereinstellungszusage. Diese Gemeinsamkeit besteht sowohl bei Umgehung des TzBfG, bei der Umgehung von Arbeitnehmerschutzrechten durch den Einsatz eines mittelbaren Arbeitgebers, als auch bei der Umgehung, die durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern erfolgt. Bei diesen Fallgruppen ist das materiell rechtliche Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen rechtlichen Gestaltungsmittel unstreitig. Das Umgehungsmoment liegt daher in der Frage begründet, ob sich der Betroffene auf eine bestimmte Norm oder ein bestimmtes Rechtsinstitut berufen kann, dessen Voraussetzungen auch vorliegen (bspw.: Berufung auf § 315 BGB oder §§ 158 ff. BGB). Diese genannten Fallgruppen sind abzugrenzen von der Umgehungskonstellation, in der die Qualifikation eines Rechtsgeschäftes durch den Normunterworfenen und die materielle Rechtslage im Widerspruch zueinander stehen. Hier wird der Umgehungsbegriff im Rechtsfindungsprozess schon bei der Qualifizierung eines Rechtsgeschäftes, also bei der Entscheidung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm überhaupt erfüllt sind, verwendet. Bei der Umgehungskonstellation, in der sich die Frage stellt, ob der Arbeitnehmer durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB den § 2 KSchG umgehen kann, ist problematisch, ob sich der Arbeitgeber überhaupt auf § 315 BGB berufen kann. In diesem Fall ist aber unstreitig, dass die Tatbestandsmerkmale des § 315 BGB erfüllt sind. Bei den Umgehungen, die durch Tatbestandsverschleierung in Form der Falschbezeichnung begangen werden, geht es also nicht darum, ob sich die Parteien auf den Dienstvertrag oder den Werkvertrag berufen können. Vielmehr wird überhaupt die Frage aufgeworfen, ob ein Dienstvertrag (bei der Umgehung des Arbeitnehmerschutzrechts) oder ein Werkvertrag (bei der Umgehung des AÜG) abgeschlossen wurde. Gesetzesumgehungen, die durch Tatbestandsverschleierung in Form der Falschbezeichnung begangen werden, werden daher nicht durch einen systematischen Bruch im Gesetz verursacht, wie es beispielsweise der Fall ist, wenn sich der Normunterworfene zur Umgehung von Arbeitnehmerschutzrecht auf Vorschriften des BGB beruft. Die unzutreffende rechtliche Qualifikation des Normunterworfenen stellt lediglich seine Rechtsansicht dar und ist insofern unerheblich. Zusammenfassend ist klarzustellen, dass der Umgehungsbegriff in unterschiedlichen Phasen im Rechtsfindungsprozess verwendet wird. Bei der falschen Bezeichnung eines Rechtsgeschäftes wird der Umgehungsbegriff schon im Stadium der rechtlichen Qualifikation verwendet. In den übrigen Fällen setzt die Gesetzesumgehung in einem späteren Stadium der Rechtsfindung, und zwar bei der Frage ein, ob sich nach Abschluss der rechtlichen Qualifikation eines Rechtsgeschäftes der Normunterworfene überhaupt auf dieses berufen kann.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
D. Die Auswirkungen der Besonderheiten des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre Die oben genannten Fallbeispiele der Gesetzesumgehung aus dem Arbeitsrecht zeigen, dass die an sich zulässigen vertraglichen Konstruktionen durch die Auswahl des Gestaltungsmittels, die zeitliche Abfolge oder die Festlegung der Organisationsstruktur aufgrund des damit verbundenen Absinkens des arbeitsrechtlichen Schutzniveaus zu einer unzulässigen Gesetzesumgehung werden271. Ausgehend von den analysierten Fallbeispielen sollen nun die Auswirkungen der Besonderheiten des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre dargestellt werden.
I. Die Begünstigung zur Gesetzesumgehung Das Arbeitsrecht ist eine besonders umgehungsanfällige Rechtsmaterie. Das bedeutet, dass es dem Normunterworfenen leicht gemacht wird, dem Normanwender Subsumtionsvorschläge zu unterbreiten. Diese besondere Umgehungsanfälligkeit beruht maßgeblich auf zwei Faktoren, die im Folgenden erläutert werden. 1. Die Beteiligung des Arbeitnehmers an der Umgehung Damit die Umgehungskonstruktion formal betrachtet den erwünschten rechtlichen Erfolg erzielt, bedarf es regelmäßig der Mitwirkung des Arbeitnehmers, die grundsätzlich auch vorliegen wird272. Bei der Umgehung im Zusammenhang mit einem Vorkaufsrecht, versuchen Käufer und Verkäufer (Vorkaufsverpflichteter) den Vorkaufsfall zu verhindern, indem sie auf Tatbestandsebene einen Kaufvertrag vermeiden wollen. Benachteiligt wird hier der Vorkaufsberechtigte. Im Arbeitsrecht ist dagegen bei vielen Umgehungskonstellationen der Arbeitnehmer an der Umgehung beteiligt. Er wirkt aktiv bei dem Subsumtionsvorschlag mit, sodass es grundsätzlich für den Arbeitgeber einfacher als in anderen Rechtsgebieten sein wird, dem Rechtsanwender einen Subsumtionsvorschlag zu unterbreiten. So muss berücksichtigt werden, dass der Arbeitnehmer mitwirken muss, damit der Arbeitnehmer überhaupt beim Leiharbeitsunternehmen eingestellt wird. Auch muss der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag, der nicht auf die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auf eine befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, unterschreiben. Ohne die Mitwirkung des Arbeitnehmers wäre also die Umgehung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht möglich. Daher könnte man das Vorliegen eines unzulässigen Umgehungsgeschäftes mit der Begründung verneinen, dass die Privatautonomie und die Verwirklichung der Interessen sowohl von Arbeitgeber als auch von Arbeitnehmer Vorrang haben 271 272
Gaul, Schluss, Rn. 82. Benecke, S. 205.
D. Die Auswirkungen des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre
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sollten273. Man könnte die Frage aufwerfen, ob es nicht zulässig sein soll, dass der Arbeitnehmer durch die Mitwirkung an der Gesetzesumgehung aufgrund eines für ihn bestehenden Vorteils auf den von dem Gesetz vorgesehen Schutz verzichtet. So kann man diskutieren, ob die Umgehung einer zwingenden arbeitsrechtlichen Schutzvorschrift wegen des einvernehmlichen Zusammenwirkens der Vertragsparteien zulässig ist, wenn dem Arbeitnehmer im Gegenzug ein etwaiger Vorteil gewährt wird274. Bei Beantwortung dieser Fragen ist darauf abzustellen, aus welcher Situation heraus der Arbeitnehmer agiert. Oben wurde bereits herausgearbeitet, dass aufgrund tatsächlicher Umstände der Arbeitnehmer generell typisierend als schutzbedürftig zu betrachten ist. Das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird nur dadurch wiederhergestellt, dass der Gesetzgeber legislatorisch eingegriffen hat. Die bestehenden Arbeitnehmerschutzgesetze gewährleisten also unter anderem ein Kräftegleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Könnte der Arbeitnehmer auf den durch das Gesetz gewährleisteten Schutz von vornherein verzichten, so würde dies den Zustand vor dem legislativen Eingriff wiederherstellen. Es bestünde also wieder ein Machtgefälle. Aus diesem Grund kann mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe an dem Umgehungsgeschäft mitgewirkt, nicht generell die Wirksamkeit einer vertraglichen Umgehungskonstruktion angenommen werden. Anders ist dies zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer im Schutz des KSchG und damit in einer strukturell gleichberechtigten Lage Aufhebungsverträge abschließt und andere rechtsgeschäftliche Erklärungen abgibt. Hier ist regelmäßig von der Wirksamkeit der Erklärungen auszugehen, es sei denn, das Rechtsgeschäft zielt darauf ab, den gesetzgeberischen Willen zu konterkarieren. Das ist aber bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Auslauffrist nicht der Fall, weil es Ziel des § 14 Abs. 1 und 2 S. 2 TzBfG ist, den Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten sachgrundlosen Befristungen zu schützen und nicht vor seinem eigenen Handeln. Die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Vertragsgestaltung spricht zudem gegen das methodische Vorgehen, Gesetzesumgehungen mit Hilfe des § 242 BGB zu verhindern. Es kann dann kein Rechtsmissbrauch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer an der in Frage stehenden Gestaltung mitwirkt. Der Arbeitnehmer kann nicht selbst zu seinen eigenen Lasten ein Recht missbrauchen. 2. Die mangelnde einheitliche Kodifizierung des Arbeitsrechts Die Gesetzesumgehung wird im Arbeitsrecht zudem durch den Umstand begünstigt, dass es an einer einheitlichen Kodifizierung des Arbeitsrechts fehlt275. 273 274 275
Najdecki, S. 36. Najdecki, S. 36. Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 201 f.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Die Bemühungen, arbeitsrechtliche Vorschriften in einem Gesetz zu vereinheitlichen, konnten sich bis heute nicht durchsetzen276. Folge ist, dass das Arbeitsrecht in verschiedenen Gesetzen geregelt ist. Die Diversität und Pluralität an Gesetzen kann zu systematischen Brüchen und zu materiellen Wertungsgefällen der arbeitsrechtlichen Vorschriften führen und mithin Gesetzesumgehungen begünstigen. So zielt das KSchG darauf ab, den Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Kündigungen zu schützen. Dabei wurde allerdings nicht berücksichtigt, dass das BGB rechtliche Gestaltungsmittel zur Verfügung stellt (Bedingungen, Befristungen, Aufhebungsverträge), die auch zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen können. Im Hinblick auf § 2 KSchG sieht das BGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB vor. Zudem entsteht dadurch ein materielles Wertungsgefälle, dass § 2 KSchG seinem Wortlaut nach nur Kündigungen umfasst, während das TzBfG ausschließlich die Befristung des gesamten Arbeitsvertrags regelt. Dagegen lässt das BGB grundsätzlich die Bedingung und Befristung einzelner Arbeitsbedingungen zu, §§ 158, 163 BGB. Die Wertungen der einzelnen Vorschriften aus den verschiedenen Gesetzen sind isoliert betrachtet überzeugend und in sich schlüssig. Werden die Vorschriften aus den unterschiedlichen Gesetzen jedoch zusammenhängend angewendet, so entsteht aufgrund der mangelnden legislatorischen Abstimmung ein normativer Widerspruch, der auf dem systematisch materiellen Bruch der verschiedenen Gesetze beruht. Dies ist eine typische arbeitsrechtliche Besonderheit, die das Arbeitsrecht insgesamt umgehungsanfällig macht.
II. Die Auswirkungen auf die Umgehungsverhinderung Sowohl die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Umgehungsgestaltung als auch die mangelnde einheitliche Kodifizierung des Arbeitsrechts führen dazu, dass Gesetzesumgehungen in manchen Fällen nicht im Wege der Gesetzes- oder Sachverhaltsauslegung zu verhindern sind. Ausgehend von dem Standpunkt, das Ziel des Gesetzes mit methodischen Mitteln soweit wie möglich umzusetzen, ist namentlich im Arbeitsrecht die Rechtsprechung besonders gefordert, den Willen des Gesetzgebers zu realisieren277. Daher kommt die Rechtsprechung im Arbeitsrecht häufig zu Ergebnissen, die sich dogmatisch und gesetzessystematisch schwer begründen lassen. 1. Die unionsrechtliche Verpflichtung zur Umgehungsverhinderung Die Umgehungsverhinderung im Arbeitsrecht erfährt zunächst dadurch eine Besonderheit, dass viele arbeitsrechtliche Regelungen lediglich Umsetzungen von 276
So schon Peter, RdA 1985, 337; Söllner, NZA 1992, 721. Der Richter als der eigentliche Herr im Arbeitsrecht, Gamillscheg, AcP 164 (1964), 386, 388. 277
D. Die Auswirkungen des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre
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EU-Richtlinien sind278. Die Richtlinie gibt dabei das erstrebte Ziel vor, während die Art und Weise der Umsetzung den Mitgliedstaaten überlassen wird, Art. 288 Abs. 3 AEUV. Damit die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft bestehen kann, muss die einheitliche Wirksamkeit des Unionsrechts (effet utile) in den Mitgliedstaaten gewährleistet werden, Art. 4 Abs. 3 EUV279. Daher muss das Unionsrecht dem mitgliedstaatlichen Recht vorgehen280. Aufgrund dieses Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ergeben sich im Zusammenhang mit Gesetzesumgehungen weitere Besonderheiten. Wird durch eine Vertragsgestaltung primäres oder sekundäres Unionsrecht umgangen oder wird durch diese Konstruktion die praktische Wirksamkeit von Unionsrecht vereitelt, so sind die Mitgliedstaaten gegenüber der Union verpflichtet, unionswidrige Bestimmungen aus Verträgen zu entfernen oder für nichtig zu erklären, Art. 4 Abs. 3 EUV281. Nach dem effet utile-Grundsatz haben die Union und die Mitgliedstaaten sich gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, zu unterstützen und zu achten. Ferner führt Art. 4 Abs. 3 EUV aus, dass die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, zu ergreifen haben. Im Zusammenhang mit Gesetzesumgehungen bedeutet das, dass die Rechtsprechung282 bei der Auslegung von arbeitsrechtlichen Normen, die europäische Richtlinien umsetzen, der Durchsetzbarkeit von Unionsrecht einen besonderen Vorrang einräumen müssen (Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung)283. Das hat zur Folge, dass die deutschen Arbeitsgerichte die deutschen arbeitsrechtlichen Umsetzungsnormen so auslegen müssen, dass das von der Richtlinie vorgegebene Ziel auch erreicht wird. In die Interpretationsspielräume des nationalen Rechts fließen auf diese Weise die Wertungen des Unionsrechts hinein284. Wird also eine nationale arbeitsrechtliche Regelung umgangen, dann wird damit zugleich die weitgehende Wirkung von Unionsrecht gemindert. Der Richtlinie wird mithin deren Wirksamkeit genommen. Das hat zur Folge, dass der Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus den Verträgen verstößt, wenn er 278
Wank, RdA 1999, 130, 131. EuGH v. 15.7.1964 – 6/64 [Flaminio Costa gegen E.N.E.L.], NJW 1964, 2371; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 6, Rn. 29 ff. 280 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06, NZA 2010, 995; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 10, Rn. 22. 281 Maschmann, Maschmann/Sieg/Göpfert, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 32. 282 von Bogdandy/Schill, Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 4 EUV Rn. 94. 283 EuGH v. 14.7.1994 – C-91/92 [Paola Faccini Dori gegen Recreb SRL.], NJW 1994, 2473; Greiner, NZA 2014, 284, 287; Herresthal, EuZW 2007, 396; Krause, ZfA 2001, 67, 79; Looschelders/Dauner-Lieb/Heidel/Ring, § 134 BGB Rn. 84; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 6, Rn. 30; Wank, RdA 1999, 130, 132. 284 Forst, RdA 2011, 228, 231; Weth/Kerwer, JuS 2000, 425, 427. 279
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
zulässt, dass durch bestimmte vertragliche Gestaltungen der umgesetzten Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit genommen wird. Um dies wiederum zu verhindern, muss das nationale Gericht bei der Anwendung des Rechts mittels seiner rechtsmethodischen Möglichkeiten der Umgehung entgegenwirken. 2. Rechtsfolgen sui generis im Arbeitsrecht? Es lässt sich festhalten, dass sich die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht und dabei insbesondere die Rechtsfolge der Gesetzesumgehung nicht einfach kategorisieren lässt wie die Gesetzesumgehung im allgemeinen Zivilrecht. Die Rechtsfolgen der Gesetzesumgehung lassen sich nicht schematisch lösen, sondern sind grundsätzlich von der umgangenen Norm abhängig. So ist beispielsweise eine Gleichstellung mit der umgangenen Arbeitnehmerschutzvorschrift entweder nicht möglich oder führt zu unbilligen Ergebnissen. Das Gleiche gilt für die Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes, wenn dies diametral zum Arbeitnehmerschutz stehen würde. Daher ist der Frage nachzugehen, ob es im Arbeitsrecht bei Feststellung einer Umgehungskonstellation eine Rechtsfolge eigener Art gibt, die je nach Einzelfall anders ausfallen kann. Ausgangspunkt der Überlegung soll erneut das Urteil des BAG aus dem Jahre 1960 sein. Bei der Umgehung von kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften durch befristete Arbeitsverträge, erachtete das BAG den befristeten Arbeitsvertrag nicht für unwirksam285, weil die Annahme der Unwirksamkeit des befristeten Arbeitsvertrags dem Sinn und Zweck des KSchG zuwider liefe. Nähme man eine Gleichstellung an, so wäre zum einen die Frage zu klären, inwiefern der eigentlich befristete Arbeitsvertrag gleichzustellen sei und zum anderen welches Gesetz jetzt zur Anwendung käme. Das BAG entschied sich daher für eine weitere Rechtsfolge. Es machte die Wirksamkeit des befristeten Arbeitsvertrags von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig. Das Kriterium des sachlichen Grundes wurde zudem auch im Zusammenhang mit dem mittelbaren Arbeitsverhältnis und der Umgehung des Anschlussverbotes nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch Arbeitnehmerüberlassungskonstruktionen verwendet. Im Arbeitsrecht gibt es also neben den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit des Umgehungsgeschäftes und der Gleichstellung ein zusätzliches Korrektiv, das zu Ergebnissen führt, welches den Besonderheiten des Arbeitsrechts Rechnung trägt. 3. Die Bedeutung der Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht zur Umgehungsverhinderung Die Schaffung des Korrektivs „sachlicher Grund“ ist nur im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung möglich286. Anders lässt sich dieses Kor285 BAG v. 12.10.1960 – 3 AZR 65/59, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16.
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rektiv rechtsdogmatisch weder durch Auslegung noch im Wege der Analogie begründen. Daraus ergibt sich im Arbeitsrecht die besondere Bedeutung der Rechtsfortbildung zur Umgehungsverhinderung. a) Die besondere Notwendigkeit der Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht Da die Auslegung und die analoge Anwendung eines Gesetzes insbesondere im Arbeitsrecht an ihre Grenzen stoßen, kommt namentlich im Arbeitsrecht der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung zur Verhinderung von Gesetzesumgehungen eine große Bedeutung zu287. Die Rechtsfortbildung ist notwendig, um den gesetzgeberischen Willen so weit wie möglich zu realisieren. Verfassungsrechtlich ergibt sich dies aus dem Rechtsverweigerungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG288 und einfachgesetzlich aus § 45 Abs. 4 ArbGG. Voraussetzung einer solchen Rechtsfortbildung ist, dass die Rechtsfrage nicht im Wege einfacher Gesetzesauslegung gelöst werden kann. Dabei muss sich die Rechtsfortbildung an bestimmte Grenzen halten. So ist Rechtsfortbildung nur dann möglich, wenn ein unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs besteht und wenn sie aus praktischen Gründen und Rechtssicherheitsgründen gefordert wird289. Auch bedeutet ein Unterlassen des Gesetzgebers oder eine Nichtregelung eines Sachverhaltes nicht, dass dieser die sich daraus ergebenden Folgen akzeptiert290. Vielmehr muss beachtet werden, dass es nicht möglich und auch nicht Aufgabe des Gesetzgebers ist, jeden denkbaren Sachverhalt gesetzlich zu erfassen. Kann der Gesetzgeber aufgrund der Methode der Rechtsfindung und Rechtssetzung das Ziel des Gesetzes nicht vollständig zum Ausdruck bringen, muss die Rechtsprechung daher durch Rechtsfortbildung das Ziel des umgangenen Gesetzes weiter verfolgen und so den gesetzgeberischen Willen verwirklichen291. Dies gilt insbesondere aufgrund des schnellen gesellschaftlichen Wandels im Arbeitsrecht und der damit verbundenen Unfähigkeit des Gesetzgebers, in der gebotenen Zügigkeit auf diesen Wandel zu reagieren292. Die besondere Notwendigkeit der Rechtsfortbildung liegt auch darin begründet, dass der Gesetzgeber entweder überhaupt nicht (Arbeitskampfrecht), nur lückenhaft oder systematisch nicht mit anderen Gesetzen abgestimmt tätig wurde293. 286
Benecke, S. 100, 107. Wank, RdA 1999, 130. 288 Kissel, RdA 1994, 323, 330; Söllner, NZA 1992, 721, 722. 289 Larenz, Methodenlehre, S. 426 f. 290 So aber Schurig, FS Ferid, S. 375, 402. 291 Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 119 ff., 128 ff. 292 Kissel, RdA 1994, 323, 327. 293 Gamillscheg zur Bedeutung des Richterrechts im Arbeitsrecht, AcP 176 (1976), 197, 208; es fehle an einem einheitlichen Gesamtkonzept, vgl. Kissel, RdA 1994, 323, 327; Söllner, NZA 1992, 721 f. 287
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Das materielle Wertungsgefälle entsteht hauptsächlich im Arbeitsrecht durch die Möglichkeit des Rückgriffs auf allgemeine Gestaltungsmittel, die das BGB294 explizit vorsieht (Aufhebungsverträge, Bedingungen und Befristungen), obwohl zu dem BGB ständig neue arbeitsrechtliche Gesetze erlassen werden (AÜG, TzBfG etc.). Diese normative Diskrepanz zwischen den einzelnen arbeitsrechtlichen Gesetzen ist meist nur im Wege der Rechtsfortbildung behebbar. Daher ist die Rechtsprechung unter Beachtung der Grenzen des Art. 20 Abs. 3 GG dazu berufen, Gesetze entsprechend fortzubilden, wenn entweder der Gesetzgeber nicht schnell legislatorisch reagieren oder wenn er sein verfolgtes Ziel durch Normen nicht umfassend zum Ausdruck bringen kann. In diesen Fällen, in denen das Gesetz an seine Grenzen stößt, ist die Rechtsprechung verpflichtet, dem gesetzgeberischen Willen durch Rechtsfortbildung im Urteil so weit wie möglich Geltung zu verschaffen. b) Der „sachliche Grund“ und die verfassungsrechtliche Relevanz Das Erfordernis des sachlichen Grundes findet in der Rechtsprechung meist über § 242 BGB Eingang in die Urteilsbegründung295, wobei es sich tatsächlich immer dann um Rechtsfortbildung handelt, wenn die Rechtsprechung weitergehende Voraussetzungen an die Wirksamkeit einer vertraglichen Gestaltung knüpft, als es das Gesetz vorsieht. Dabei wird formuliert, dass eine missbräuchliche Gestaltung dann nicht vorliege, wenn ein sachlicher Grund für die in Frage stehende Gestaltung bestehe. Es wird mithin danach gefragt, ob eine bestimmte vertragliche Gestaltung sachlich gerechtfertigt sei. Dieses Kriterium bedarf allerdings einer strengen verfassungsrechtlichen Prüfung. Entwickelt die Rechtsprechung daher das Kriterium des „sachlichen Grundes“ im Wege der Rechtsfortbildung296, so ist in einem weiteren Schritt danach zu fragen, was für Anforderungen an die Qualität des sachlichen Grundes zu stellen sind, weil dieses Erfordernis im Hinblick auf die in Art. 2 Abs. 1 GG niedergelegte Vertragsfreiheit verfassungsrechtlichen Grenzen unterliegt297. Durch die Statuierung eines solchen Erfordernisses (sachlicher Grund) wird aber nicht nur in die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber eingegriffen. Auch weitere verfassungsrechtlich geschützte Rechte des Arbeitgebers werden durch das Kriterium des „sachlichen Grundes“ berührt298. So ist zum einen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfrei-
294
Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 203, 220. BAG v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012, 1351; BAG v. 15.5.2013 – 7 AZR 525/11, NZA 2013, 1214; BAG v. 19.3.2014 – 7 AZR 527/12, NZA 2014, 840. 296 Beim Verhältnis Mitbestimmungsgesetz und Gesellschaftsrecht, Wiedemann, ZGR 1977, 160, 166 ff. 297 Di Fabio/MD, Art. 2 GG Rn. 80. 298 Gaul, Schluss, Rn. 90. 295
D. Die Auswirkungen des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre
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heit betroffen. Diese garantiert dem Einzelnen nicht nur das Recht, jede Arbeit, für die er sich geeignet glaubt, als „Beruf“ zu ergreifen, also zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen299, sondern auch die „Unternehmerfreiheit“ 300. Dies umfasst auch das Recht zu entscheiden, ob er Leiharbeitnehmer einstellt oder lediglich befristet Arbeitnehmer beschäftigt (Freiheit der Personalplanung)301. Aufgrund dieser Freiheiten wird dem jeweiligen Grundrechtsträger ein weitgehender Gestaltungs- und Prognosespielraum zuerkannt302. Genauso kann sein Handeln durch Art. 9 Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit) und durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt sein303. c) Die Grenzen des Korrektivs Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Positionen, die durch das Erfordernis des „sachlichen Grundes“ berührt sind, ergeben sich als Kehrseite aber zugleich auch die Grenzen304. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG besagt, dass alles vertraglich vereinbart werden kann, es sei denn, der Gesetzgeber hat der Privatautonomie durch zwingendes Recht Grenzen gesetzt. Die Grenzen sind deswegen erforderlich, weil die Annahme einer absoluten Vertragsfreiheit verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Wertentscheidungen in Frage stellen würden. Denn mit einer unternehmerischen Entscheidung und deren Umsetzung sind auch immer Eingriffe in die Rechte des Arbeitnehmers verbunden305. Die Einschränkung der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers ist regelmäßig aber nur durch den Gesetzgeber möglich306. Nur dieser ist dazu befugt grundrechtsintensive Eingriffe in die Privatautonomie durch Gesetz vorzunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der grundrechtsintensive Eingriff in die Privatautonomie so erheblich ist, dass die Vertragsfreiheit überhaupt nicht mehr ausgeübt werden kann. So gebietet es der
299
BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699,
707. 300 BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699, 708; Papier/MD, Art. 14 GG Rn. 222. 301 Beuthien, ZfA 1988, 1, 16; Scholz/MD, Art. 12 GG Rn. 59, 64 f., 94. 302 Beuthien, ZfA 1988, 1, 15 f. 303 Beuthien, ZfA 1988, 1. 304 Gaul, Schluss, Rn. 92. Es stellt sich die provozierende Frage, ob nicht ein hinreichender Grund vorliegt, wenn der Unternehmer arbeitsrechtliche Vorschriften umgehen möchte, nur um arbeitstechnische Verfahren zu beschleunigen. Sind wirtschaftliche Gründe, wie Modernisierung, Verbesserung, Erneuerung der Produktion und damit verbunden der Personalabbau keine sachlichen Gründe? Vgl. dazu Henssler, ZfA 2000, 241, 244 f. 305 BVerfG v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70, 25/71, NJW 1972, 1561 ff.; Gaul, Schluss, Rn. 87; Preis, NZA 1995, 241, 242. 306 Boemke, NZA 1993, 532, 533 f.
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz, dass der Gesetzgeber bestimmte Sachverhalte umso genauer regeln muss, je intensiver in ein bestimmtes Grundrecht eingegriffen wird307. Auch der von Art. 12 Abs. 1 GG für den Arbeitnehmer und für den Arbeitgeber zugesicherte Freiraum darf allein durch ein Gesetz oder auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung eingegrenzt werden308. Dies ist zu beachten, wenn durch das Erfordernis des sachlichen Grundes die Ausübung der Berufs- und unternehmerischen Freiheit so erheblich eingeschränkt wird, dass der Arbeitgeber diese im Kern nicht mehr nutzen kann. Ebenfalls ist zu bedenken, dass eine Überprüfung des sachlichen Grundes, also warum von einer bestimmten rechtlichen Konstruktion Gebrauch gemacht wurde, nicht dazu führen darf, dass die den arbeitsrechtlichen Maßnahmen vorgelagerte unternehmerische Maßnahme auf ihre Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit überprüft wird309. Denn selbst § 1 Abs. 2 KSchG sieht das nicht vor. Es wird zwar teilweise die Ansicht vertreten, dass unternehmerische Entscheidungen uneingeschränkt überprüfbar seien310. Die Rechtsprechung geht dagegen zutreffend davon aus, dass die der arbeitsrechtlichen Maßnahme vorgelagerte unternehmerische Entscheidung lediglich dahingehend überprüfbar sei, ob sie sachlich und nicht willkürlich ist311. Als unsachlich werden beispielsweise rechtliche Gestaltungen qualifiziert, die nur dazu bestimmt sind, ein Gesetz zu umgehen312. Das Korrektiv darf also bei der Beurteilung der Wirksamkeit rechtlicher Konstruktionen inhaltlich ausschließlich zur Weiterentwicklung des legislatorischen Willens eingesetzt werden, wenn das Gesetz diesen nur unvollkommen abgebildet hat. Aus den bereits vorhandenen Gesetzen sind daher Wertungen zu entnehmen und ausschließlich diese sind im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung weiterzuentwickeln313.
307
Grzeszick/MD, Art. 20 GG Rn. 58; Henssler, ZfA 2000, 241, 245. Bengelsdorf, NZA 1994, 193, 196. 309 Beuthien geht in ZfA 1988, 1, 15 f. von einem Kernbereich der Unternehmensautonomie aus, der alles, was zur letztverantwortlichen Steuerung des Kapitalwirtschaftsrisikos gehört, umfasst. Vgl. auch Eberl, BB 1954, 447; Galperin, BB 1954, 1114, 1117 f.; Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 521 ff. 310 Galperin mit Verweis auf diese Ansicht, BB 1954, 1114, 1115. A. A. Eberl, der davon ausgeht, dass die Unternehmerentscheidung nur auf Ermessensmissbrauch überprüfbar ist, BB 1954, 447. 311 BAG v. 7.12.1978 – 2 AZR 155/77, AP § 1 KschG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 6; BAG v. 30.4.1987 – 2 AZR 184/86, AP § 1 KschG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 42; BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98, AP § 1 KschG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 103. 312 BAG v. 23.4.2008 – 2 AZR 1110/06, NZA 2008, 939, 941; Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 524. 313 Classen, JZ 2003, 693, 700; von dem Verbot die eigenen Wertungen (des Richters) an die Stelle der Wertung des Gesetzes zu heben, Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 397. 308
D. Die Auswirkungen des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre
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Eine weitere Grenze bei Anwendung des „sachlichen Grundes“ resultiert aus dem „Verbot der Doppelverwertung von Arbeitnehmerschutzinteressen“314. Durch die Schaffung des Korrektivs „sachlicher Grund“ darf nicht eine isolierte Abwägung von Grundrechtspositionen vorgenommen werden315. So ist mit Blick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz zu beachten, dass der Gesetzgeber im Arbeitsrecht bereits legislatorisch eingegriffen hat und damit dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers insoweit Rechnung getragen hat. So wiegt beispielsweise das BAG im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen nicht isoliert gegeneinander ab, sondern orientiert sich dabei streng an den gesetzgeberischen Vorgaben nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG316. Es kann daher nicht mit dem Argument der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers die Privatautonomie317 der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers eingeschränkt werden, wenn der Gesetzgeber bereits durch Gesetze dem besonderen Schutzbedürfnis Rechnung getragen hat318. Das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers im Wege der Rechtsfortbildung über den legislatorischen Willen hinaus zu berücksichtigen, stünde also einer bereits durch den Gesetzgeber durchgeführten Interessenabwägung entgegen und wäre im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG bedenklich. Dies würde dazu führen, dass die vom Gesetzgeber getroffenen Wertentscheidungen in den Gesetzen, die schon Ergebnis einer Interessenabwägung sind, völlig unberücksichtigt bleiben würden. Diese gesetzgeberischen Grundentscheidungen, die strengere oder mildere Anforderungen aufstellen können, dürfen daher bei der Statuierung eines sachlichen Grundes nicht außer Acht gelassen werden319. Hat der Gesetzgeber jedoch eine Interessenabwägung in Form einer konkreten legislatorischen Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Sachverhaltes noch nicht getroffen, so ist die Rechtsfortbildung möglich, weil insofern eine gesetzgeberische Entscheidung und damit eine konkrete Interessenabwägung fehlt. In diesen Fällen besteht nicht die Gefahr einer Doppelverwertung von Arbeitnehmerschutzinteressen. Aus diesem Grund war die Rechtsprechung zu den befristeten Arbeitsverträgen vor Kodifizierung des TzBfG zulässig, weil dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers vor Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags zu diesem Zeitpunkt noch nicht Rechnung getragen wurde. Liegt ein sachlicher Grund, der diesen Anforderungen entspricht, für die in Frage stehende Maßnahme vor, so ist die gewählte vertragliche Konstruktion uneingeschränkt wirksam320. 314
Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 53. Gaul, Schluss, Rn. 93; Preis, NZA 1995, 241, 243. 316 BAG v. 29.3.1990 – 2 AZR 369/89, NZA 1991, 181, 183 f. 317 Abschluss- und Inhaltsfreiheit, vgl. Boemke, NZA 1993, 532, 534. 318 Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 76. 319 Preis, NZA 1995, 241, 243; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 55. 320 Gaul, Schluss, Rn. 88. 315
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3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
III. Die Gesetzgebung im Arbeitsrecht gegen Umgehung Gesetzesumgehungen haben zudem zur Folge, dass der Gesetzgeber regelmäßig dazu gezwungen ist, durch Schaffung von Gesetzen Rechtssicherheit herzustellen321, möchte er verhindern, dass sich eine bestimmte Anwendung eines Gesetzes etabliert. Damit stellen Gesetzesumgehungen nicht nur ein rechtlich methodisches, sondern ein durchaus praxisrelevantes Problem im Hinblick auf die Kodifizierung von Normen dar. Das gilt insbesondere im Arbeitsrecht, da es aufgrund des schnellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels und durch die ständig fortschreitende Globalisierung als eine scheinbar nicht zu bewältigende Aufgabe erscheint, jeden einzelnen arbeitsrechtlichen Fall gesetzlich zu erfassen. Die auf dem Privatrecht beruhende Flexibilität der vertraglichen Gestaltungen ist groß und kann durch die Gerichte, aber auch durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden322. Dabei soll eine Vorschrift grundsätzlich möglichst wenig Spielraum bieten, derselben auszuweichen. Besteht allerdings ein solcher Systembruch im Gesetz, so ist die Legislative verpflichtet hier korrigierend einzugreifen323. Dieser Aufgabe wird der Gesetzgeber dadurch gerecht, indem Normen erlassen werden, die umgehungsfest sind oder die normenrechtliche Ergänzungen aufweisen, die eine Umgehung verhindern. Er kann Gesetzestatbestände ausdehnen oder den Tatbestand um weitere Handlungsweisen ergänzen324. Das Problem des Normgebers besteht jedoch darin, dass er schon im Gesetzgebungsverfahren aufgrund der sozial und ökonomisch heterogenen Abhängigkeit unter den Bürgern zunehmend viele Gestaltungen gesetzlich berücksichtigen und bei der Abfassung von zwingenden Regelungen geeignete Vorkehrungen treffen muss325. Dieser Diversität an Lebenssachverhalten kann der Gesetzgeber dadurch gerecht werden, indem er auslegungsbedürftige weit gefasste Begriffe in den Tatbestand einbaut. Der Vorteil von weit gefassten, abstrakten Tatbeständen ist, dass die Rechtsprechung im Wege der einfachen Auslegung einer Gesetzesumgehung entgegenwirken kann. Der Nachteil ist darin zu sehen, dass solche Tatbestände den Charakter einer Generalklausel erhalten und damit Rechtsunsicherheit entsteht326. 321 Teilweise wird auch behauptet, dass es ein ständiger Verfassungsverstoß sei, wenn ganze Rechtsgebiete wie das Arbeitsrecht aus praktischen Gründen nicht ausreichend kodifiziert sind, Classen, JZ 2003, 693, 701. 322 Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 173; Schurig, FS Ferid, S. 375, 403. 323 Schick, S. 59; „Gebot an den Gesetzgeber“, Sieker, S. 60. 324 Westerhoff, S. 188 f. 325 Sieker, S. 60. 326 So auch Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 177 zur Insolvenzanfechtung durch die Verwendung des Begriffs „Rechtshandlung“. Vgl. auch Schurig, FS Ferid, S. 375, 383; Westerhoff, S. 198.
D. Die Auswirkungen des Arbeitsrechts auf die Umgehungslehre
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Auch kann der Gesetzgeber in bestimmten Rechtsgebieten spezielle Umgehungsverbote kodifizieren, die einer Umgehung entgegenwirken sollen327. Wenn jedoch durch konkrete Regelungen gezielt die Vertragsfreiheit beschränkt wird und damit bestimmte Umgehungskonstellationen unschädlich gemacht werden, so birgt dies freilich die Gefahr, dass mit jeder explizit getroffenen Regelung das Missverständnis entstehen kann, dass außerhalb der ausdrücklich getroffenen Regelung voller privatautonomer Spielraum besteht328. In diesem Fall ist es dann schwierig, rechtsdogmatisch eine Erweiterung des Tatbestandes zu begründen, sodass die Gesetzesumgehung nur noch im Wege der Analogie oder durch Rechtsfortbildung verhindert werden kann. Im Folgenden werden einzelne gesetzgeberische Reaktionen auf Gesetzesumgehungen im Arbeitsrecht dargestellt. 1. Die Kodifizierung des TzBfG Als Paradebeispiel für die Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BAG war die Kodifizierung des TzBfG, das zum 1.1.2001 in Kraft trat. Nach § 620 Abs. 3 BGB i.V. m. §§ 1 ff. TzBfG gilt das TzBfG für befristete Arbeitsverträge. Das TzBfG stellt nun die Voraussetzungen der Befristung auf eine rechtliche Grundlage, § 14 TzBfG. Aber schon vor Geltung des TzBfG war durch die Kodifizierung des BeschFG ein Rückgriff auf das durch Rechtsfortbildung geschaffene Recht nicht mehr erforderlich329. Die Kodifizierung des TzBfG stellt damit als Reaktion der Rechtsprechung auf die Umgehung des Kündigungsschutzes einen notwendigen Bestandteil der Rechtsentwicklung dar. Da sich die Rechtsprechung zu befristeten Arbeitsverträgen vor dem 1.1.2001 in der Praxis bewährte, konnte der Gesetzgeber auf die richterlichen Grundsätze zurückgreifen und damit Rechtssicherheit schaffen. 2. § 9 Nr. 2 AÜG a. F. Die Kodifizierung des § 9 Nr. 2, 4. Halbsatz AÜG a. F. stellte eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Umgehung der Arbeitnehmerschutzgesetze durch Arbeitnehmerüberlassungskonstruktionen dar330. Leiharbeitnehmer und Stammarbeitnehmer werden nach dem Equal-PayGrundsatz gleich vergütet, §§ 10 Abs. 4 S. 1; 9 Nr. 2; 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG a. F. Den Leiharbeitnehmern sind die gleichen Arbeitsbedingungen zu gewähren wie 327 328
Schurig, FS Ferid, S. 375, 383. Häsemeyer, FS Juristische Fakultät Heidelberg, S. 163, 173; Römer, S. 19; Sieker,
S. 61. 329
Lipke/KR, § 620 BGB Rn. 77 ff. Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Zeit vor dem Inkrafttreten der Änderungen des AÜG zum 1.4.2017 (BT-Drs. 18/9232). 330
190
3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
vergleichbaren, im Einsatzbetrieb beschäftigten Arbeitnehmern des Entleihers331. Jedoch sind Ausnahmen von diesem Equal-Pay-Grundsatz möglich. So kann in einem Tarifvertrag für die Leiharbeitsbranche oder auch in einem Haustarifvertrag ein niedrigeres Entgelt für Leiharbeitnehmer vereinbart werden. Dabei darf allerdings nicht die in § 3a AÜG festgelegte Grenze unterschritten werden. In der Wirklichkeit ist jedoch der Ausnahmefall nach § 9 Nr. 2, 2. Halbsatz AÜG a. F. die Regel332. Vor der Kodifizierung des § 9 Nr. 2, 4. Halbsatz AÜG a. F. war es daher möglich, Arbeitnehmer zu entlassen, diese aber wieder als Leiharbeitnehmer zu niedrigeren Tariflöhnen am selben Arbeitsplatz wiedereinzustellen. Um dieser Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften entgegenzuwirken, wurde in § 9 Nr. 2 AÜG a. F. ein vierter Halbsatz eingefügt. Dieser bestimmt, dass eine abweichende tarifliche Regelung nicht für Leiharbeitnehmer gelte, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind. Damit ist ein fließender Übergang vom Stammarbeitnehmer zum anschließenden Einsatz als Leiharbeitnehmer nicht mehr möglich. Bei der Kodifizierung des § 9 Nr. 2 AÜG a. F. hat der Gesetzgeber ganz konkret auf eine bestimmte Rechtsgestaltung reagiert. Die Entlassung aus der Stammbelegschaft und der erneute Einsatz als Leiharbeitnehmer, um die Personalkosten zu senken, erachtete der Gesetzgeber als nicht legitim. Um genau dieses Vorgehen zu unterbinden, wurde der § 9 Nr. 2 AÜG a. F. um einen weiteren Halbsatz ergänzt, der diese gegenläufigen Gestaltungen zwar nicht unterbindet, jedoch dem Rechtsanwender die Attraktivität dieser Gestaltung nimmt. Der Leiharbeitnehmer ist wie ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer zu vergüten. Eine abweichende tarifliche Regelung gilt für ihn nicht, § 9 Nr. 2, 4. Halbsatz AÜG a. F.. Dadurch ist eine Personalkostensenkung durch Entlassung des Arbeitnehmers und eine Rückkehr als Leiharbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr möglich. 3. Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze333 Ein aktuelles Beispiel ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze der Bundesregierung vom 1. Juni 2016. Dabei geht es um den oben bereits genannten missbräuchlichen Einsatz von Werkverträgen zur Umgehung des AÜG durch Verschleierung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG. Bei dem Entwurf der Bundesregierung soll konkret die Gesetzesumgehung, die durch Tatbestandsverschleierung begangen wird, vermieden werden. 331 332 333
Schüren/Schüren, § 9 AÜG Rn. 97. Krieger/Kruchen, NZA 2014, 393, 394. Das Gesetz ist nun zum 1.4.2017 in Kraft getreten (BT-Drs. 18/9232).
E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum dritten Kapitel
191
Um zukünftig einer Verschleierung des § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG entgegenzuwirken, sieht § 9 Nr. 1a und 1b AÜG n. F. nun vor, dass Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam sind, wenn der Verleiher bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung des Leiharbeitnehmers nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich macht und als solche bezeichnet oder die Arbeitnehmerüberlassung nicht vorübergehend erfolgt. Durch diese gesetzgeberische Maßnahme wird unter dem Gesichtspunkt der Gesetzesumgehung Folgendes erreicht: Wie bereits oben erwähnt, wird einer Umgehung durch Tatbestandsverschleierung dadurch entgegengewirkt, dass der Sachverhalt und das Gesetz ausgelegt wird. Die rechtliche Qualifikation des Vertragstyps ist also den Parteien entzogen. Es wird objektiv beurteilt, welche Art von Vertrag einschlägig ist. Durch den § 9 Nr. 1a AÜG n. F. wird der Rechtsanwender im Prinzip gezwungen die vertragliche Konstruktion zu qualifizieren. Denn macht er dies nicht und liegt dennoch materiell rechtlich Arbeitnehmerüberlassung vor, dann sanktioniert das Gesetz diesen Fall auch dann, wenn er eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „auf Vorrat“ beantragt hat, § 9 Nr. 1a AÜG n. F. Dem Normunterworfenen wird damit von vornherein die Attraktivität genommen, überhaupt einen Subsumtionsvorschlag zu unterbreiten, indem das Gesetz dem Arbeitgeber ein „Outing“ des Vertragstyps auferlegt und damit nicht dem Normanwender die Beurteilung überlässt. Nach de lege lata wird somit die Gesetzesumgehung dort verhindert, wo sie entsteht und zwar bei dem Subsumtionsvorschlag durch den Gesetzesumgehenden. Macht nämlich dieser einen falschen Subsumtionsvorschlag, dann soll dies dadurch sanktioniert werden, dass ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher entsteht, vgl. § 9 Nr. 1a AÜG n. F., § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG. Damit wird zum einen die Tatbestandsverschleierung verhindert und zum anderen Rechtssicherheit geschaffen. Dem Subsumtionsvorschlag, der sich in der schlichten Falschbezeichnung eines Vertrags erschöpft, wird mit dieser Gesetzesänderung die Grundlage entzogen.
E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum dritten Kapitel Die Gesetzesumgehung wird im Arbeitsrecht zum einen dadurch begünstigt, dass der Arbeitnehmer regelmäßig an der Umgehungsgestaltung (Subsumtionsvorschlag) mitwirken wird. Dieser Umstand steht allerdings der Annahme einer Gesetzesumgehung regelmäßig nicht entgegen, weil der Arbeitnehmer typisierend betrachtet dem Arbeitgeber gegenüber wirtschaftlich unterlegen ist. Diesem strukturellen Ungleichgewicht wurde durch den Gesetzgeber durch Kodifizierung arbeitsrechtlicher Schutzgesetze (KSchG, TzBfG) in bestimmten Bereichen Rechnung getragen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine Gesetzesumgehung dann abzulehnen ist, wenn der Arbeitnehmer aus einer rechtlich starken
192
3. Kap.: Die Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht
Position heraus rechtsgeschäftliche Handlungen vornimmt. Dies ist beispielsweise innerhalb eines Arbeitsverhältnisses der Fall, wenn der Bestand des Arbeitsverhältnisses durch das KSchG geschützt wird. Aus dieser Position heraus handelt der Arbeitnehmer nicht in einer schutzbedürftigen Lage, sodass mit Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Auslauffrist nicht § 14 Abs. 1 TzBfG umgangen wird, weil das Ziel dieser Vorschrift nicht tangiert wird. Es ist daher dem Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen zu folgen. Anders ist jedoch zu entscheiden, wenn der Arbeitnehmer schon bei Arbeitsvertragsschluss keine andere Wahl hat, als den aufoktroyierten Bedingungen des Arbeitsvertrags zuzustimmen. So handelt der Arbeitnehmer im Falle des mittelbaren Arbeitsverhältnisses oder der Umgehung des Anschlussverbotes nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch Arbeitnehmerüberlassung aus einer wirtschaftlich und rechtlich schwachen Situation heraus. Möchte er nicht arbeitslos sein, so wird er dem mittelbaren Arbeitsverhältnis und dem befristeten Arbeitsverhältnis mit anschließender Einstellung als Leiharbeitnehmer zustimmen. In diesen Fällen steht der Annahme einer Gesetzesumgehung die Mitwirkung des Arbeitnehmers nicht entgegen. Zum anderen ist das Arbeitsrecht besonders umgehungsanfällig, weil es nicht einheitlich, sondern in vielen verschiedenen Gesetzen kodifiziert ist. Dadurch entsteht ein besonders starkes materielles Wertungsgefälle zwischen den unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Gesetzen. Diese Diskrepanz kann von dem Normunterworfenen zur Unterbreitung des Subsumtionsvorschlages dadurch ausgenutzt werden, dass er sich zur Umgehung einer bestimmten Vorschrift auf die Regelungen eines anderen Gesetzes beruft, was typisch für eine Gesetzesumgehung ist. Teilweise kann der Normanwender die Gesetzesumgehung im Wege der Sachverhaltsauslegung verhindern. Dies erfordert allerdings in bestimmten Fällen erhöhten Begründungsaufwand, wenn es darum geht, tatbestandsbezogene persönliche Merkmale einem Dritten zuzurechnen oder im Wege einer Gesamtbetrachtung verschiedene Rechtsgeschäfte lediglich als ein Rechtsgeschäft zu behandeln. Dass unter Umständen mittels dieser Sachverhaltsauslegung der ausdrücklich geäußerte Wille der Parteien missachtet wird, ist hinzunehmen, da der Gesetzgeber ansonsten das legislatorische Ziel, das er mit den Arbeitsschutzgesetzen verfolgt, nicht erreichen könnte. Das Bundesarbeitsgericht geht bei Verwendung des Umgehungsbegriffs rechtsmethodisch wie im zweiten Kapitel beschrieben vor. Inhaltlich unterscheidet sich der im Jahre 1960 verwendete Umgehungsbegriff nicht von dem heute im Zusammenhang mit der Umgehung des TzBfG oder des AÜG verwendeten Rechtsmissbrauchsbegriffs. Insofern handelt es sich bei der unterschiedlichen Formulierung einmal im Zusammenhang mit § 242 BGB, ein andermal unter dem eigenständigen Rechtsinstitut „Gesetzesumgehung“ um „alten Wein in neuen Schläuchen“. Im Mittelpunkt steht nach wie vor ein Widerspruch zwischen dem Subsumtionsvorschlag des Gesetzesumgehenden und dem Ziel oder dem Anwendungsbereich einer bestimmten Norm.
Viertes Kapitel
Die Umgehung des § 613a BGB Während im dritten Kapitel die Besonderheiten der Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht dargestellt wurden, soll nun im vierten Kapitel aufgezeigt werden, inwiefern rechtliche Gestaltungen, die die Anwendung des § 613a BGB vermeiden, als zulässig oder als unwirksame Gesetzesumgehung zu qualifizieren sind. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die im dritten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse bezüglich einer Umgehung des § 613a BGB anwendbar sind und bestätigt werden können. Da das Vorliegen einer Gesetzesumgehung entscheidend vom Sinn und Zweck einer Norm abhängt, ist eine Bewertung der Zulässigkeit nur möglich, wenn geklärt ist, welche Ziele § 613a BGB verfolgt1. Daher wird zunächst die Vorschrift § 613a BGB vorgestellt. Dabei soll nicht einfach die Kommentarliteratur oder die Rechtsprechung wiedergegeben werden, sondern die Aspekte des § 613a BGB dargestellt werden, die für die Beurteilung rechtlicher Gestaltungsmittel, die die Vorschrift vermeiden, wesentlich sind.
A. Die Betriebsübergangsnorm I. Die legislatorischen Ziele des § 613a BGB Es ist zunächst die mit § 613a BGB umgesetzte Richtlinie 2001/23/EG zu begutachten, weil die Auslegung des § 613a BGB vom Inhalt der Richtlinie abhängt. Die Interpretation dieser Vorschrift darf aufgrund des in Art. 4 Abs. 3 EUV kodifizierten effet utile nicht die praktische Wirksamkeit der Richtlinie in Frage stellen. Die Auslegung von nationalem Recht muss sich mithin eng an dem Ziel orientieren, das mit der umgesetzten Richtlinie verfolgt wird, Art. 288 Abs. 3 AEUV2.
1 Seiter, S. 29 ff.; Sieg/Maschmann, Rn. 20; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 19; ders./ HWK, § 613a BGB Rn. 6. 2 Forst, RdA 2011, 228, 231; Grau, RdA 2005, 367, 371; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 1.
194
4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
1. Die Vorgaben der Richtlinie 2001/23/EG Der europäische Gesetzgeber wurde erst 5 Jahre nach Inkrafttreten des § 613a BGB auf nationaler Ebene aktiv3. So regelte die EG-Richtlinie 77/187 EWG vom 14.2.1977 die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen. Im Jahre 1998 wurde diese durch die Richtlinie 98/50 EG vom 29.6.1998 novelliert4, die schließlich durch die Richtlinie 2001/23/EG vom 12.3.2001 neu kodifiziert wurde. Dabei legt der Erwägungsgrund (3) der Richtlinie fest, dass Bestimmungen notwendig seien, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten. Der konkrete Schutz der Arbeitnehmer und damit zusammenhängend die Wahrung ihrer Rechte und Ansprüche erfolgt durch die Artt. 3 bis 6 der Richtlinie 2001/23/EG. Hier ist insbesondere Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zu erwähnen, der ausdrücklich festlegt, dass die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Übergangs auf den Erwerber übergehen. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie statuiert ein Verbot von Kündigungen, die wegen des Betriebsübergangs erfolgen. Danach soll der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung darstellen, wobei diese Bestimmung etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegensteht. 2. Die Schutzzwecke des § 613a BGB Der Gesetzgeber setzt die Richtlinie 2001/23/EG mit § 613a BGB um. Dabei stimmen die Schutzzwecke der Richtlinie mit denen des § 613a BGB überein. a) Der Schutz des Arbeitsverhältnisses Ohne den gesetzlich vorgesehenen Übergang nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, könnte der Betriebsveräußerer dem Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen, wenn er keine Verwendung mehr für den Arbeitnehmer und der Betriebserwerber kein Interesse an der Übernahme hat5. Veräußert der Inhaber eines Betriebes oder 3 § 613a BGB wurde anlässlich der Novellierung des BetrVG in das BGB mit Wirkung zum 19.1.1972 aufgenommen, Seiter, S. 26 ff. Dabei wurde der deutsche Gesetzgeber tätig, bevor er von dem europäischen Gesetzgeber dazu aufgefordert wurde. Erst durch den Erlass der Richtlinie 77/187/EWG vom 14.2.1977 machte der europäische Gesetzgeber der deutschen Rechtsordnung konkrete Vorgaben. 4 Zur Richtlinie 98/50/EG, Franzen, RdA 1999, 361. 5 Fischer, Betriebsübergang, S. 9; Seiter, S. 25. Zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des § 613a BGB im Jahr 1972, ders., S. 23 ff.
A. Die Betriebsübergangsnorm
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eines Betriebsteils seinen Betrieb, so führt er ihn nicht fort. Er ist berechtigt nach § 1 Abs. 2 KSchG eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen6. Der Erwerber ist dagegen nicht verpflichtet, den dem Betrieb angehörenden Arbeitnehmer zu übernehmen, weil der Arbeitsvertrag nur im Verhältnis zum Betriebsveräußerer abgeschlossen wird. Es bestünde also bei Fehlen der Regelung des § 613a BGB keine Übernahmepflicht des Betriebserwerbers7. Diese Schutzlücke wird durch diese Norm geschlossen, indem sie den Gleichlauf von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis sichert und somit den „Gefährdungszustand“ für das einzelne Arbeitsverhältnis bei einem Betriebsübergang überbrückt8. Daher dient § 613a BGB letztlich dem Schutz der Arbeitsverhältnisse vor Kündigungen, die vom Betriebsübergang betroffen sind9. Es soll also das Arbeitsverhältnis sowohl in seinem Bestand als auch inhaltlich geschützt und damit der materielle und der soziale Besitzstand erhalten werden10. Verliert der Arbeitnehmer mit dem Übergang des Betriebes seinen alten Arbeitgeber, so soll er nicht zugleich seinen Arbeitsplatz verlieren. Um dieses legislatorische Ziel zu erreichen, wird durch § 613a Abs. 1 S. 1 BGB das Arbeitsverhältnis von der Person des bisherigen Arbeitgebers gelöst und an den Fortbestand der betrieblichen Organisation beim Erwerber geknüpft. Dem Arbeitnehmer kommt es nämlich in der Regel nicht auf die konkrete Person des Arbeitgebers, sondern vielmehr auf den Arbeitsplatz an11. Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers wird durch § 613a BGB „verdinglicht“. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht. Allerdings hat § 613a BGB zur Folge, dass der personelle Bezug des Arbeitsverhältnisses mit der Folge aufgehoben wird, dass es zu einem gesetzlich angeordneten Vertragspartnerwechsel kommt12. Zugleich statuiert § 613a Abs. 4 S. 1 BGB, dass eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs unwirksam ist. Durch diese Regelung wird somit verhindert, dass die Betriebsveräußerung zum Anlass eines Sozialabbaus der Belegschaft des Veräußererbetriebs genommen wird13. Diese gesetzlich angeordnete Sonderrechtsnachfolge des Betriebserwerbers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse führt dazu, dass dieser sich seine Arbeitnehmer nicht aussuchen kann. Er muss die bestehenden Arbeitsverhältnisse mit ihrem bestehenden Inhalt und unter voller Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit übernehmen14. Folge ist, 6
BAG v. 2.10.1974 – 5 AZR 504/73, AP § 613a BGB Nr. 1. Seiter, S. 25. 8 Fischer, Betriebsübergang, S. 9; Pietzko, S. 36, 53, 109; Posth, S. 42 f.; Willemsen, RdA 1993, 133, 134. 9 Besgen, AiB 1986, 131; Posth, S. 42; Seiter, S. 30. 10 Fischer, Betriebsübergang, S. 8; Posth, S. 42; Seiter, S. 30. 11 Seiter, S. 21; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 20. 12 Besgen, AiB 1986, 131; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 2. 13 BAG v. 12.5.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080, 1081. 14 Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 8. 7
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
dass der Betriebsveräußerer nicht das Recht hat, Arbeitnehmern wegen des Betriebsübergangs zu kündigen15. Zusammengefasst soll § 613a BGB den Arbeitnehmer vor den Gefahren einer nachteiligen Veränderung seines Arbeitsverhältnisses schützen, die dadurch entstehen, dass der Arbeitgeber seinen Betrieb veräußern möchte. Es geht mithin um den Schutz vor betriebsübergangsspezifischen Gefahren. b) Die weiteren Schutzzwecke Ein weiterer Schutzzweck liegt in der Sicherung der Kontinuität des amtierenden Betriebsrates16. Ferner soll die Norm die Haftung des alten und des neuen Betriebsinhabers für Ansprüche der Arbeitnehmer regeln, § 613a Abs. 2 BGB17. Als weiterer (vierter) Schutzzweck kam im Jahre 1980 durch das EG-Anpassungsgesetz die Aufrechterhaltung der kollektivrechtlich geregelten Arbeitsbedingungen hinzu18. Da sich die vorliegende Untersuchung mit der Umgehung der individualarbeitsrechtlichen Folgen des § 613a BGB befasst, ist hier vor allem das erst genannte legislatorische Ziel, der Schutz der bestehenden Arbeitsverhältnisse, von Bedeutung. Die weiteren Schutzzwecke des § 613a BGB werden daher im Folgenden unberücksichtigt bleiben.
II. Das zwingende Recht und das Verbotsgesetz 1. § 613a BGB als subjektiv halbzwingende Norm Gesetzesumgehungen sind ausschließlich bei zwingenden Normen möglich, weil dispositive Normen durch die Parteien abbedungen werden können und somit das Umgehungsproblem nicht virulent wird. Eine zwingende Norm ist ein Rechtssatz, der die Bindung der Rechtsfolge an einen Tatbestand abschließend festlegt, sodass die Rechtsfolge nicht mehr durch ein Rechtsgeschäft geändert werden kann19. Das bedeutet, dass hinsichtlich der Erfüllung des Tatbestandes des § 613a BGB Vertragsfreiheit besteht und nur bezüglich des Eintritts der Rechtsfolgen, wenn der Tatbestand erfüllt ist, die Vertragsfreiheit eingeschränkt ist20. 15
BAG v. 2.10.1974 – 5 AZR 504/73, AP § 613a BGB Nr. 1. Dreher/B/D/H, § 613a BGB Rn. 6. 17 Art. 3 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2001/23/EG. 18 Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz vom 13.8.1980, BGBl. I, S. 1308; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 19. 19 Westerhoff, S. 167; Wolf/Neuner, § 10, Rn. 38. 20 Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 218. 16
A. Die Betriebsübergangsnorm
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§ 613a BGB stellt eine subjektiv halbzwingende Norm dar, die allgemein zum Schutz des Arbeitnehmers unabdingbar ist21. Mit der Einordnung des § 613a BGB als zwingende Schutznorm zugunsten des Arbeitnehmers22 folgt, dass die Rechtsfolgen des § 613a BGB zwingend eintreten, sofern der Tatbestand des § 613a BGB erfüllt ist. Die eintretenden Rechtsfolgen können mithin nicht durch Vereinbarung zwischen Betriebserwerber und Betriebsveräußerer ausgeschlossen oder modifiziert werden23. Vereinbarungen, die für den Fall des Betriebsübergangs den Übergang des Arbeitsverhältnisses ausschließen, sind daher unwirksam24. Zu Lasten des nicht schutzbedürftigen Betriebserwerbers und des Betriebsveräußerers kann dagegen § 613a BGB abgeändert werden25. Diese Einschränkung der Privatautonomie zu Lasten der an der Betriebsveräußerung beteiligten Parteien rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer ohne § 613a BGB mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen müsste. Der Gesetzgeber verhindert durch Kodifizierung dieser Vorschrift diese Möglichkeit. Könnten Betriebserwerber und Betriebsveräußerer über den durch § 613a BGB gewährten Schutz disponieren, so würde die gesetzgeberische Wertentscheidung zugunsten des Erhalts des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang rückgängig gemacht werden. Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer wirksam über den ihm gewährten Schutz disponieren kann. Wichtig in diesem Zusammenhang ist zunächst, dass der Gesetzgeber mit § 613a BGB kein rechtliches und wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmern einerseits und Betriebserwerber und Betriebsveräußerer andererseits ausgleichen wollte26. § 613a BGB soll nicht die Vertragsfreiheit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber herstellen, sondern den Übergang des Arbeitsverhältnisses im Falle einer Betriebsveräußerung sicherstellen27. Der Gesetzgeber verfolgt also mit § 613a BGB das Ziel den Arbeitnehmer vor Gefahren zu 21 § 613a BGB stelle insoweit dispositives Recht dar, als die Wirkung des § 613a BGB aufgrund der Vertragsfreiheit unter Zustimmung des geschützten Personenkreises einvernehmlich abbedungen werden kann, Posth, S. 62. Zum dispositivem Recht, Wolf/ Neuner, § 3, Rn. 8. 22 BAG v. 29.10.1975 – 5 AZR 444/74, AP § 613a BGB Nr. 2; BAG v. 12.5.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080, 1081; BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1093; BAG v. 20.3.2014 – 8 AZR 1/13, NZA 2014, 1095; Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 33; Müller-Glöge/Münchener Kommentar, § 613a BGB Rn. 10; Posth, S. 62; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 2, 82; Seiter, S. 97. 23 Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 33; Birkholz, S. 72 f.; Müller-Glöge/Münchener Kommentar, § 613a BGB Rn. 10; Pietzko, S. 38; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 247. 24 Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 33 ff.; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 82; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 247. 25 Willemsen, W/H/S/S, G, Rn. 190. 26 Zu den unterschiedlichen Motiven arbeitsrechtlicher Gesetze, Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 390. 27 Karthaus/Richter/HK-ArbR, 613a BGB Rn. 236.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
schützen, die sich aufgrund des Betriebsübergangs und nicht durch die unterlegene Stellung des Arbeitnehmers im Wirtschaftsleben realisieren. Während also das KSchG und das TzBfG auf die strukturell unterlegene Stellung des Arbeitnehmers bei Vertragsschluss oder während des Arbeitsverhältnisses reagieren und damit das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers befriedigen, zielt § 613a BGB nicht darauf ab, Vertragsparität wiederherzustellen28. Diese Differenzierung ist deswegen wichtig, weil von dem legislatorischen Zweck abhängt, ob der Arbeitnehmer auf den Schutz, den die Norm gewährt, wirksam verzichten kann. Wird demnach die Vereinbarung, an der der Arbeitnehmer beteiligt wird, losgelöst von einem konkreten Betriebsübergang bei Arbeitsvertragsschluss getroffen, so können – nach überzeugender Ansicht – jedenfalls zu Lasten des Arbeitnehmers die nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB angeordneten Rechtsfolgen nicht durch Vereinbarung zwischen Betriebsveräußerer und dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer ausgeschlossen oder modifiziert werden29. Eine andere Betrachtung würde den § 613a BGB gänzlich zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien stellen30: Aufgrund der typischen unterlegenen Position des Arbeitnehmers bei Arbeitsvertragsschluss würde dieser einem Verzicht auf § 613a BGB von vornherein zustimmen, um überhaupt den Arbeitsplatz zu erhalten31. Auch ist sich bei solchen von einem Betriebsübergang unabhängigen Vereinbarungen der Arbeitnehmer über die Tragweite und Auswirkungen nicht immer im Klaren32. Besteht dagegen aufgrund des Schutzes des KSchG keine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, so kann der Arbeitnehmer in dieser Position auf den Schutz des § 613a BGB verzichten, weil der Arbeitnehmer im Moment des Verzichts durch das KSchG geschützt ist33. Anlässlich eines konkreten Betriebsübergangs ist daher der Verzicht auf § 613a BGB, der im Schutz des KSchG erklärt wird, regelmäßig wirksam. Von einem solchen echten Verzicht auf den Schutz des § 613a BGB ist ein Rechtsgeschäft zu unterscheiden, das ausschließlich darauf abzielt, die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten des Bestandsschutzes rückgängig zu machen (unechter Verzicht)34. Aus § 613a BGB ist die gesetzgeberische Grundwertung 28
Zu der Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Zwecken von arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen, Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 53. 29 Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 35; Seiter, S. 98; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 190. Zur Ausnahme, Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 82 bei Wunsch des Arbeitnehmers im Falle eines Betriebsübergangs bei dem alten Arbeitgeber zu bleiben unter gleichzeitigem Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung. A. A. Posth, S. 62 f. 30 Seiter, S. 98; undifferenziert Birkholz, S. 72 f. 31 Sieg/Maschmann, Rn. 245. 32 Willemsem/W/H/S/S, G Rn. 189. 33 Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, S. 35. A. A. Karthaus/Richter/ HK-ArbR, 613a BGB Rn. 106. 34 Vgl. S. 247.
A. Die Betriebsübergangsnorm
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zu entnehmen, dass bei einem Betriebsübergang der Erwerber die Arbeitsverhältnisse übernehmen soll, weil der Betriebsübergang an sich kein Grund ist, das Arbeitsverhältnis zu kündigen oder es zu Lasten des Arbeitnehmers zu ändern. Über diese legislatorische Grundentscheidung kann der Arbeitnehmer nicht disponieren35. 2. § 613a BGB und das Verbotsgesetz Ob § 613a Abs. 1 S. 1 BGB ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB darstellt, ist zweifelhaft. Satz 1 spricht davon, dass der Erwerber in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Der Gesetzgeber sieht diese Rechtsfolge zwingend vor. Wird eine Regelung abweichend von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB getroffen, so ist diese Abweichung schlicht nicht möglich. § 613a BGB setzt damit der Vertragsfreiheit unbedingte Grenzen. Es ist nicht verboten, sondern rechtlich ausgeschlossen eine andere als die in § 613a Abs. 1 S. 1 BGB getroffene Rechtsfolge zu vereinbaren. Daher ergibt sich die Unwirksamkeit einer abweichenden Regelung aus den allgemeinen Grundsätzen36. Eines Rückgriffs auf § 134 BGB bedarf es nicht37. Auch das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist kein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB, weil sich die Unwirksamkeit der Kündigung schon aus § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ergibt. Ein Rekurs auf § 134 BGB ist nicht möglich und auch nicht notwendig.
III. Die besondere Umgehungsanfälligkeit des § 613a BGB In einem weiteren Schritt ist zu untersuchen, inwiefern § 613a BGB besonders umgehungsanfällig ist. Unter Bezugnahme auf die oben gewonnenen Erkenntnisse, ist eine Norm dann besonders umgehungsanfällig, wenn zum einen die Norm abstrakt formulierte und damit auslegungsbedürftige Tatbestandsmerkmale verwendet und wenn zum anderen eine Vorschrift besonders gravierend in die Rechte eines Rechtssubjekts eingreift. 1. Der Tatbestand des § 613a BGB Die Anwendung der Norm knüpft an einen abstrakt beschriebenen Sachverhalt an. Tatbestandlich verlangt § 613a BGB den Übergang eines Betriebes oder eines 35
Vgl. S. 244. Benecke, S. 184; a. A. BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, AP § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung Nr. 4; BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422; BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866; Sack/Seibl/Staudinger, § 134 BGB Rn. 217. 37 A. A. BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091. 36
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Betriebsteils durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber. Diese Begriffe sind sehr unscharf und daher auslegungsbedürftig38. Auch ergibt sich aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB nicht, was für eine Art von Rechtsgeschäft vorliegen muss. Das Gesetz knüpft terminologisch – im Gegensatz zu § 613 Abs. 4 S. 1 BGB – nicht an einen bestimmten zivilrechtlichen Vertragstyp an. Aufgrund dessen wurde teilweise dem Gesetzgeber bei Fassung des Tatbestandes ungenaues Arbeiten vorgeworfen39. Dies führt dazu, den Tatbestand des § 613a BGB je nach Interessenlage unterschiedlich zu interpretieren40. Andererseits hat die Formulierung eines derart weiten Tatbestandes auch zur Folge, dass der Übergang von vielen unterschiedlichen Betriebsformen von § 613a BGB erfasst wird41, was eine Verhinderung der Umgehung schon im Wege der Auslegung des Gesetzes ermöglicht. Es soll hier nicht die Entwicklung der Auslegung des Tatbestandes des § 613a BGB dargestellt werden. Dafür wird auf die gängige Gesetzeskommentierung hingewiesen42. Festgehalten werden sollte jedoch, dass aufgrund des weit formulierten Tatbestandes des § 613a BGB, der Normunterworfene geradezu dazu aufgefordert wird, Subsumtionsvorschläge zu seinen Gunsten zu unterbreiten43. 2. Die Rechtsfolgen des § 613a BGB Der Grund, Normen zu umgehen, liegt in den von der Vorschrift angeordneten Rechtsfolgen, wenn diese in das Privatleben des Einzelnen mit unbequemen Beschränkungen eingreifen. Da insbesondere abgabenrechtliche Vorschriften wie Steuergesetze, die dem Normunterworfenen eine hohe finanzielle Belastung auferlegen, besonders umgehungsanfällig sind44, kann daher § 613a BGB aufgrund der finanziellen Belastung im Rahmen der Insolvenz als Sanierungshindernis empfunden werden45. Im Folgenden ist daher darzulegen, inwiefern die durch § 613a BGB angeordneten Rechtsfolgen gravierend in die Rechte von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber eingreifen.
38
Pietzko, S. 2. Fischer, Betriebsübergang, S. 22, 23, Fn. 2. 40 Pietzko, S. 2. 41 Pietzko, S. 3. 42 Vgl. statt vieler, Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 5 ff. 43 Römer spricht davon, dass die nachlässige Arbeit des Gesetzgebers Anlass zur Umgehung gebe, S. 31. 44 Heeder, S. 321; Römer, S. 31; Sieker, S. 60. 45 Bernsau/B/D/H, InsO, Rn. 180; Birkholz, S. 43 ff.; Arbeitsrecht als Kostenfaktor, Däubler, JA 1977, 561, 564; Mückl, ZIP 2012, 2373; Neumann-Duesberg mit Verweis auf Galperin, BB 1971, 969, 971. 39
A. Die Betriebsübergangsnorm
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a) Der Übernahmezwang und das Kündigungsverbot Nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB ist der Betriebserwerber verpflichtet die Arbeitnehmer, die im Betrieb des Veräußerers beschäftigt waren, zu übernehmen und zu gleichen Arbeitsbedingungen zu beschäftigen. Darüber hinaus ist es nicht möglich, Kündigungen wegen des Betriebsübergangs auszusprechen, § 613a Abs. 4 S. 1 BGB. Kündigungen und inhaltliche Änderungen des Arbeitsverhältnisses sind nur in den Grenzen des § 613a Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 S. 2 BGB möglich. Dieser Übernahmezwang kann sich bei dem Erwerber insbesondere bei sanierenden Betriebsübernahmen finanziell erheblich auswirken, wenn er gesetzlich gezwungen ist, Arbeitnehmer zu übernehmen, für die er in seinem Betrieb keine Verwendung mehr hat. b) Die Unterrichtungspflicht und das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers Nach § 613a Abs. 5 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der Erwerber des Betriebes die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten. Der Arbeitnehmer soll in die Lage versetzt werden eine sachgerechte und die eigenen Belange wahrende Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeberwechsel zu treffen46. Für die Ausübung des Widerspruchsrechts wird dem Arbeitnehmer eine Frist von einem Monat eingeräumt, die nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 zu laufen beginnt, § 613a Abs. 5 S. 1 BGB. Durch diese Regelung wird das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers mit der Unterrichtungspflicht des Arbeitnehmers verknüpft47. Die Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 S. 1 BGB beginnt danach nur dann zu laufen, wenn die Unterrichtung des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 5 BGB ordnungsgemäß erfolgte48. Das hat zur Folge, dass ein rückwirkender Wegfall des Arbeitsverhältnisses zum Betriebserwerber auch nach längerer Zeit noch möglich ist. Dem Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers wird dann nur durch das Institut der Verwirkung Grenzen gesetzt49. Schon mit Einführung der Absätze 5 und 6 durch Art. 4 46
BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268; Grau, S. 17 f. Krit. dazu Bauer/v. Steinau-Steinrück, ZIP 2002, 457, 458; Franzen spricht in RdA 2002, 258, 263 von einem Vehikel zur Durchsetzung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Informationspflicht. 48 BAG v. 22.4.1993 – 2 AZR 50/92, NZA 1994, 360; BAG v. 24.5.2005 – 8 AZR 398/04, NZA 2005, 1302; BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268, 1270; Grau, S. 227 ff.; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 100. 49 Bauer/v. Steinau-Steinrück, ZIP 2002, 457, 464; Wellhöner, Anmerkung zu BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 449/06, BB 2007, 1849, 1850 f. Nach dem Inkrafttreten von § 613a Abs. 5 und Abs. 6 BGB reichte der Freistaat Bayern beim Bundesrat einen Gesetzentwurf ein, welcher vorsah, dem Absatz 6 einen Satz 3 mit folgendem Inhalt hinzuzufügen: „Das Widerspruchsrecht erlischt drei Monate nach Betriebsübergang.“ Durch diese Regelung sollte dem „unerwünschten Ergebnis“ eines unbefristeten Widerspruchs entgegengewirkt werden, BT-Drs. 15/406, S. 13. Die Bundesregierung lehnte jedoch diese 47
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
und 5 des Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23.3.2002 wurde dahingehend Kritik geäußert, dass die Informationsverpflichtungen des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers „Haftungsfallen“ seien und nur das Auslagern von Betriebsteilen erschweren50. Grund für diese Annahme ist, dass die inhaltlichen Anforderungen an die Informationspflicht nach dem Gesetzeswortlaut zu unbestimmt sind51. Dadurch entstehen unzutreffende oder lückenhafte Angaben im Informationsschreiben, die auch auf Kommunikationsdefizite zwischen Veräußerer und Erwerber oder auf Geheimhaltungsinteressen beruhen52. Auch würde man die Unternehmen nur noch mit mehr Bürokratie und Regulierung belasten53, die zwangsläufig auch mit mehr Kosten verbunden sind54. c) Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Auch wenn die vorliegende Untersuchung den Fokus auf die Umgehung der individualvertraglichen Folgen des § 613a BGB richtet, soll ein Blick auf die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Rechtsnormen von Kollektivverträgen geworfen werden, § 613a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB. Nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB werden die Rechte und Pflichten, die durch Normen einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrags geregelt sind, Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer. Jedoch hat § 613a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB lediglich subsidiären Charakter55. Für Betriebsvereinbarungen bedeutet dies, dass § 613a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB keine Anwendung finden, wenn bei einem Übergang des Betriebes die Identität des Betriebes gewahrt bleibt56 und dadurch die Betriebsvereinbarung als kollektive Regelung (§ 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG) schon normativ fortwirkt57. Hinsichtlich der Tarifverträge, die bei dem Veräußerer anwendbar sind, ist entscheidend, ob der Erwerber des Betriebes schon nach § 3 TVG an die geltenden Tarifnormen geAusschlussfrist ab, weil zu befürchten sei, dass sich die Arbeitgeber ihrer Unterrichtungspflicht einfach durch Abwarten entledigen. Das Widerspruchsrecht sei bei mangelhafter Unterrichtung durch das Institut der Verwirkung wirksam eingegrenzt, vgl. zur Stellungnahme BT-Drs. 15/406, S. 17. 50 Grau, RdA 2005, 367 f. 51 Bauer/v. Steinau-Steinrück, ZIP 2002, 457, 461 ff. 52 Grau, RdA 2005, 367 f. 53 Bauer/v. Steinau-Steinrück, ZIP 2002, 457, 458. 54 Dazu Satz 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung der Rechtssicherheit beim Betriebsübergang, BT-Drs. 14/8496. 55 BAG v. 26.8.2009 – 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238, 241; Bepler, RdA 2009, 65, 67. 56 Gaul, § 25, Rn. 6; Kreft, FS Wissmann, S. 347, 351 f. 57 Kreft, FS Wissmann, S. 347, 351 f.
A. Die Betriebsübergangsnorm
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bunden ist58 oder ob der Tarifvertrag, der schon bei dem Betriebsveräußerer galt, anderweitig normativ nach § 5 TVG bei dem Betriebserwerber gilt. Wirken die kollektiven Regelungen bei dem Erwerber nicht normativ fort, so kommt es zur Anwendung der § 613a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB. Der Inhalt der kollektiven Normen wird in das Individualarbeitsverhältnis transformiert59. Der Betriebserwerber ist dann regelmäßig an den Inhalt dieser Regelungen gebunden und darf diese auch nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil der Arbeitnehmer abändern, § 613a Abs. 1 S. 2, 2. Halbsatz BGB. Der Inhalt eines Kollektivvertrags, der bei dem Veräußerer Anwendung fand, kann für den Betriebserwerber nachteilig sein. So können Regelungen einer Gesamtbetriebsvereinbarung, die die betriebliche Altersversorgung zum Gegenstand haben, und die damit verbundenen wirtschaftlich bedeutsamen Versorgungszusagen durch den geplanten Übergang auf weitere Betriebe ausgedehnt werden60. Auch kann die bei dem Betriebsveräußerer geltende kollektive Regelung hohe Löhne vorsehen, die sich wirtschaftlich belastend bei dem Betriebserwerber auswirken können61. So sind es regelmäßig die tarifvertraglich geregelten hohen Löhne und der damit verbundene Kostendruck, die beim Betriebsveräußerer das Bedürfnis nach einer Ausgliederung bestimmter Bereiche im Wege des Betriebsübergangs auslösen. Zudem kann es zu Tarifpluralitäten kommen, die die Personalverwaltung erschweren, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil in einen vorhandenen Betrieb aufgenommen wird. Dies ist der Fall, wenn der Erwerber und seine 58 BAG v. 26.8.2009 – 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238, 241; Bepler, RdA 2009, 65, 66; a. A. Sagan, RdA 2011, 163, 170, der davon ausgeht, dass § 613a Abs. 1 S. 2 BGB eine Tarifbindung des Erwerbers kraft Gesetzes begründe, die auf einer rechtsgeschäftlichen Betriebsübernahme beruhe. Im Falle, dass der Erwerber auf Grund eigener Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an dieselben Tarifverträge gebunden ist wie der Veräußerer solle es zu einer doppelten Tarifbindung kommen. Der Erwerber sei dann nach § 3 Abs. 1 TVG und nach § 613a Abs. 1 S. 2 bis 4 BGB an den Tarifvertrag gebunden. 59 Umstritten ist, wie die Rechtsnatur der überführten Normen einzuordnen ist. Das BAG vertritt die Ansicht, dass die transformierten Normen ihren kollektiven Charakter behalten, BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41; BAG v. 12.2.2014 – 4 AZR 317/12, NZA 2014, 613, 615. Vertritt man dagegen die Ansicht, dass die nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB überführten Normen arbeitsvertraglich fortwirken, dann hat eine Änderung des Tarifvertrags nach dem Betriebsübergang keinen Einfluss auf die in den Arbeitsvertrag transformierten Normen. Bei Annahme einer kollektiv-rechtlichen Fortwirkung ist jedoch zu unterscheiden: Grundsätzlich hat eine nach Betriebsübergang erfolgte Änderung des Tarifvertrags keine Auswirkungen auf die nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB transformierten Normen. Die transformierten Normen wirken lediglich statisch, BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41, 49, Rn. 83; Bepler, RdA 2009, 65, 67. Anders jedoch, wenn in dem Bestand der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Tarifverträge eine Veränderung bereits unbedingt vereinbart worden ist. In diesem Fall geht deren Inhalt auch dann auf den Erwerber über, wenn der Zeitpunkt der Veränderung erst nach dem Betriebsübergang eintreten soll, BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41, 49, Rn. 84. 60 Hohenstatt/W/H/S/S/, E, Rn. 1; Mückl, ZIP 2012, 2373, 2374. 61 Mückl, ZIP 2012, 2373, 2374.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
bisherigen Arbeitnehmer aufgrund von beiderseitiger Tarifgebundenheit an einen anderen als den transformierten Tarifvertrag gebunden sind62. Dann gilt im Erwerberbetrieb für die bisherigen Arbeitnehmer weiterhin der „alte“ Tarifvertrag und für die übernommenen Arbeitnehmer die transformierten Regelungen nach § 613 Abs. 1 S. 2 BGB. Oft kann diese Rechtsfolge einer geplanten Betriebsveräußerung im Wege stehen, wenn der potentielle Erwerber unter Umständen nur einen Teil der Belegschaft übernehmen will oder er die Arbeitsbedingungen der zu übernehmenden Arbeitnehmer an diejenigen seines Unternehmens angleichen will63. Freilich sehen die Sätze 3 und 4 des § 613a Abs. 1 BGB Ausnahmen von der Transformation nach Satz 2 und dem Verschlechterungsverbot vor. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG war im Verhältnis zwischen (transformierten) Veräußerer- und (neuem) Erwerberkollektivvertrag das Günstigkeitsprinzip nicht anwendbar. Das Günstigkeitsprinzip wurde bisher durch die Spezialregelung des § 613a Abs. 1 S. 3 BGB ausgeschlossen. Es galt das Ablöseprinzip64. Allerdings ist nach dem Urteil des EuGH vom 6.9.201165 fraglich, ob eine Ablösung des Kollektivvertrags des Veräußerers durch den Kollektivvertrag des Erwerbers nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB auch zu Lasten des Arbeitnehmers möglich ist66. Gilt der im bisherigen Betrieb anwendbare Tarifvertrag oder die im Betrieb anwendbare Betriebsvereinbarung nicht mehr, so ist eine Änderung nach § 613a Abs. 1 S. 4 BGB grundsätzlich möglich. Allerdings ist eine einseitige Änderung zu Lasten des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 1 S. 4 BGB nur unter Beachtung des § 2 KSchG möglich. Erforderlich ist demnach die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen. 3. Die Bedeutung der Rechtsfolge für die Auslegung des Tatbestandes Mit der Feststellung, dass auf Rechtsfolgenseite der § 613a BGB gravierend den wirtschaftlichen Handlungsspielraum des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers beschränkt67, muss nun untersucht werden, inwiefern dieser Umstand bei der Auslegung des Tatbestandes zu berücksichtigen ist68.
62
Bepler, RdA 2009, 65, 69. Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 188. 64 Mückl, ZIP 2012, 2373, 2374. 65 EuGH v. 6.9.2011 – C-108/10 [Scattolon], NZA 2011, 1077. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass das „Scattolon“-Urteil keine Abkehr vom Ablöseprinzip zum Günstigkeitsprinzip bedeutet, Willemsen, RdA 2012, 291, 301 f.; Winter, RdA 2013, 36. 66 Mückl, ZIP 2012, 2373, 2374. 67 Neumann-Duesberg, BB 1971, 969, 971; Posth, S. 44. Allgemein zu arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften als Kostenfaktor, Däubler, JA 1977, 561, 564. 68 Zur Folgenberücksichtigung bei der Auslegung, Wolf/Neuner, § 4, Rn. 41. 63
A. Die Betriebsübergangsnorm
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a) Die betroffenen Grundrechtspositionen Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB erfüllt, so muss der Erwerber zwingend die Arbeitnehmer, die im Betrieb beschäftigt sind, übernehmen. Für den Veräußerer bedeutet diese Belastung des Betriebes mit den Arbeitsplätzen einen Eingriff in seine verfassungsrechtlich geschützten Rechte aus Art. 14 GG, Art. 17 GR-Charta, wenn die Arbeitsverhältnisse den wirtschaftlichen Wert des Betriebes mindern69. Art. 14 GG und Art. 17 GR-Charta schützen sowohl das „Haben“, als auch das Ausnutzen der Eigentumsposition70. Darüber hinaus ist der Betriebsveräußerer in seiner Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)71, seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 15 GR-Charta) und seiner Unternehmerfreiheit nach Art. 16 GR-Charta betroffen. Insofern kommt dem § 613a BGB eine schrankenziehende Funktion i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu72. Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums ist jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Es sind daher die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen73. Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen, Art. 14 Abs. 2 GG. So können Eigentumsnutzungen auch die Belange der Allgemeinheit und anderer Rechtssubjekte tangieren. Je intensiver dieser Dritt- oder Allgemeinbezug der Eigentumsnutzung ist, je elementarer diese mitbetroffenen Drittinteressen sind, desto mehr hat der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG auf diese Belange Rücksicht zu nehmen und desto stärker sind diese Fremd- oder Allgemeinbelange im Abwägungsprozess zu gewichten74. Dabei ist aber auch die Eingriffsschranke der Wesensgehaltsgarantie zu wahren, Art. 19 Abs. 2 GG75. Der Betrieb als wirtschaftlich organisatorische Einheit weist einen hohen Drittoder Allgemeinbezug auf, weil der Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer seine wirtschaftliche Grundlage und Existenz sichert. Der Arbeitnehmer ist in hohem Maße auf diesen Arbeitsplatz angewiesen. Für den Arbeitnehmer sichert § 613a BGB nach Betriebsübergang seinen Arbeitsplatz und die Ausübung seines Berufes (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 15 GR-Charta) und damit einem legitimen Zweck. Zudem wird der Schutz seines Arbeitsplatzes durch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) gewährleistet76. 69
Birkholz, S. 27; Pietzko, S. 27; Posth, S. 44; Seiter, S. 37. BVerfG v. 25.5.1993 – 1 BvR 345/83, NJW 1993, 2599. 71 Schreiber zur Verletzung des Arbeitnehmers in Art. 2 Abs. 1 GG durch § 613a BGB, RdA 1982, 137, 141 f.; Schmidt, BB 1971, 1199, 1202. 72 Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 15; Pietzko, S. 27; Seiter, S. 37; Willemsen/ W/H/S/S, G, Rn. 24. 73 Papier/MD, Art. 14 GG Rn. 310. 74 BVerfG v. 14.2.1989 – 1 BvR 1131/87, NJW 1989, 972. 75 Papier/MD, Art. 14 GG Rn. 312; Posth, S. 44 f. 76 Pietzko, S. 36; Posth, S. 44; Schmidt, BB 1971, 1199, 1200; Seiter, S. 37. 70
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Der Erwerber kann dagegen den Betrieb nur um den Preis einer Haftung für sämtliche rückständige, noch nicht erfüllte wie auch für alle künftig noch entstehenden Verpflichtungen aus den laufenden Arbeitsverhältnissen erwerben. Diese Haftung gilt ohne jede zeitliche Begrenzung für die Zukunft77. Er tritt mithin zwangsläufig in die Rolle des neuen Arbeitgebers ein. Dies bedeutet für ihn wiederum einen Eingriff in seine Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und in seine Unternehmensautonomie (Art. 12 GG, Art. 16 GR-Charta). Entscheidet er sich den Betrieb zu übernehmen, so hat er hinsichtlich einzelner Arbeitnehmer kein Wahlrecht78. Dieser Übernahmezwang wirkt bei der Übernahme des Betriebes wie eine Hypothek79, die den wirtschaftlichen Wert des Betriebes stark reduzieren kann80. Allerdings steht es dem Erwerber frei den Betrieb zu übernehmen81. Auch kann er in den Grenzen des § 613a Abs. 4 S. 2 BGB und des KSchG sich von den übergegangenen Arbeitnehmern trennen82. b) Die Folgen für die Auslegung des Tatbestandes Durch die Darlegung der betroffenen Grundrechtspositionen kristallisiert sich der Konflikt zwischen dem Grundrecht der Arbeitnehmer aus Art. 12 GG, Art. 15 GR-Charta auf ungestörte Berufsausübung und das aus Art. 12 GG und Art. 16 GR-Charta abgeleitete Grundrecht der Unternehmerfreiheit heraus. Dadurch, dass auf Rechtsfolgenseite der § 613a BGB bestimmt, dass der Betriebserwerber zwingend neuer Arbeitgeber wird, müssen schon auf Tatbestandsseite bei der Bestimmung der einzelnen Tatbestandsmerkmale die für den Betriebserwerber gravierenden verfassungsrechtlichen Auswirkungen berücksichtigt werden83. Für den Veräußerer stellt § 613a BGB mithin dann einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine grundrechtlich geschützten Positionen dar, wenn er durch § 613a BGB auch an der Stilllegung des Betriebes und der anschließenden Verwertung des Betriebsvermögens gehindert wird84. Verfassungsrechtlich nicht vertretbar wäre es, wenn auch nur die reine Substanz des Betriebsvermögens durch diese Vorschrift belastet wäre, ohne dass der Erwerber den dem Betrieb innewohnenden Funktionszusammenhang nutzen würde85. Macht sich allerdings der Erwerber die vom bisherigen Betriebsinhaber geschaffene, konkrete funktionelle Verknüpfung der materiellen Betriebsmittel mit dem Personal zu Eigen und hält er 77 78 79 80 81 82 83 84 85
Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 21. BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, AP § 613a BGB Nr. 34. So bereits Seiter, S. 37. Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 21. Posth, S. 44. Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 16; Seiter, S. 37. Krause, ZfA 2001, 67, 85 f.; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 27. Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 523; Krause, ZfA 2001, 67, 84 f.; Pietzko, S. 27. Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 28.
A. Die Betriebsübergangsnorm
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ihre Widmung für den bisherigen Betriebszweck aufrecht86, dann rechtfertigt dieser Vorteil es auch, den Erwerber dazu zu verpflichten, die Arbeitnehmer des übergehenden Betriebes zu übernehmen87. Der Erwerber muss sich mithin die Vorteile aus einem bereits laufenden betrieblichen Prozess nutzbar machen, den er sich ohne die Übernahme durch die Investition von Zeit und Kosten erst hätte aufbauen müssen88. Die Belastung mit den Arbeitsplätzen ist dann das Korrelat für die Übertragung der durchaus vorteilhaften und vermögensrechtlich bewertbaren Position des Betriebsveräußerers, da der übernommene Wertschöpfungsprozess es den Betriebserwerber erst ermöglicht, die sozialen Folgelasten zu tragen89. Die zwangsweise Fortführung der Arbeitsverhältnisse durch den Erwerber erscheint damit nur dann als verhältnismäßig, wenn dem Erwerber ein Vorteil in Form der Nutzbarmachung des organisatorischen und funktionellen Zusammenhangs zufließt. Die Übertragung des funktionellen betrieblichen Zusammenhangs wird dann an den gleichzeitigen Übergang aller an den Betrieb gebundenen Arbeitsverhältnisse verknüpft. Der Betriebserwerber kann sich also dann uneingeschränkt auf Artt. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG berufen, wenn er einen neuen Betrieb und neue Arbeitsplätze schafft. Tritt er allerdings lediglich die Rechtsnachfolge hinsichtlich der Verfügungs- und Leitungsbefugnis bezüglich einer bereits existierenden und auch in Zukunft bestehenden wirtschaftlichen Einheit an90, dann überwiegen die Rechte des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die reine Veräußerung der Betriebsmittel ohne Nutzbarmachung des funktionellen Zusammenhangs zwischen Betriebsmittel und Tätigkeit rechtfertigt es dagegen nicht, diese mit der zwangsweisen Fortführung der Arbeitsverhältnisse durch den Erwerber zu belasten91. Ein Betriebsübergang scheidet daher aus, wenn die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und die gegenseitige Ergänzung zwischen den Produktionsfaktoren beim Erwerber verloren gehen92. Bei der Auslegung des Tatbestandes des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB ist daher mit Blick auf die Rechtsfolgen der Norm und die damit verbundenen verfassungs-
86 BAG v. 10.5.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1161, 1165; Generalanwältin Trstenjak, Schlussantrag v. 26.10.2010, EuGH – C-463/09 [CLECE, SA], Rn. 68; Krause, ZfA 2001, 67, 85; Müller-Bonanni, NZA-Beil. 2009, 13, 14 „Kern des zur wirtschaftlichen Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhang“; Willemsen/ HWK, § 613a BGB Rn. 9; ders., RdA 1991, 204, 211; ders., FS Richardi, S. 475, 477 f.; Willemsen/Annuß, Anmerkung zu BAG 17.7.1997 – 8 AZR 156/95 (B), DB 1997, 1875, 1876 f. 87 Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 9. 88 Krause, ZfA 2001, 67, 85. 89 Krause, ZfA 2001, 67, 85. 90 Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 9. 91 Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 29. 92 BAG v. 10.5.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1161, 1165, 1168.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
relevanten Eingriffe Vorsicht geboten93. Die oben aufgezeigten Grundsätze sind mithin im Rahmen der Abgrenzung zwischen zulässiger Tatbestandsvermeidung und unwirksamer Gesetzesumgehung von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
IV. Zusammenfassung § 613a BGB ist eine subjektiv-halbzwingende Norm, die Rechtsfolgen anordnet, die gravierend in die Rechte des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers eingreifen. § 613a BGB kann daher die Übernahme eines Betriebes erschweren oder sogar zum Scheitern bringen. Zudem eröffnet der Tatbestand des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB durch Verwendung abstrakt-genereller Begriffe einen sehr weiten Auslegungsspielraum. Durch den Gebrauch von unbestimmten und damit ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen wird es einerseits dem Normunterworfenen erleichtert, einen Subsumtionsvorschlag zu unterbreiten. Andererseits kann eine etwaige Umgehung schon durch Auslegung des Tatbestandes oder des Sachverhaltes verhindert werden. Die Verbindung eines abstrakt formulierten Tatbestandes mit Rechtsfolgen, die gravierend in die Rechte von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber eingreifen, führt dazu, dass § 613a BGB besonders umgehungsanfällig ist und den Normunterworfenen zu Subsumtionsvorschlägen herausfordern wird.
B. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 613a BGB Es sollen zunächst die Umgehungsstrategien aufgezeigt werden, die nicht auf Tatbestandsebene ansetzen, sondern bereits bei der generellen Anwendbarkeit einer Norm auf einen bestimmten Sachverhalt anknüpfen. Im Zusammenhang mit § 613a BGB ist hier der Share Deal und der Betriebsübergang mit Auslandsbezug zu nennen. Im Folgenden wird dargelegt, inwiefern diese beiden Gestaltungsmöglichkeiten schon den Anwendungsbereich des § 613a BGB vermeiden und wie dies im Hinblick auf die Verwendung des Umgehungsbegriffs zu beurteilen ist.
I. Share Deal statt Asset Deal 1. Die Umgehungsgestaltung Zu unterscheiden sind der Asset Deal, also der Erwerb der Vermögensgegenstände des Zielunternehmens94, und der Share Deal, der Erwerb der Anteile an 93 Birkholz kritisiert die Bestrebungen des BAG einen möglichst lückenlosen Schutz des Arbeitnehmers bei Betriebsübergang auf Kosten der Rechtssicherheit zu schaffen, S. 23. 94 Dazu umfassend Beck/Klar, DB 2007, 2819.
B. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 613a BGB
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dem Zielunternehmen95. Bei dem letzteren handelt es sich lediglich um einen gesellschaftsrechtlichen Vorgang. Bei diesem werden Anteile an einem Rechtsträger, wie die Veräußerung von Aktien einer AG (Share Deal), übertragen96. Diese Transaktion von Anteilen an einen Rechtsträger lässt seine rechtliche Selbständigkeit unberührt. Es wechseln nur die hinter dem Arbeitgeber stehenden Anteilsinhaber. Das gilt auch bei Austausch aller Gesellschafter97. Für die Mitarbeiter des Zielunternehmens ergeben sich mithin keine Änderungen. Insbesondere bleibt der Arbeitsvertrag vor und auch nach dem Übergang mit demselben Arbeitgeber und mit demselben Inhalt bestehen98. Während sich also beim Betriebsübergang nach § 613a BGB durch Übergang eines Betriebes als Organisationseinheit mit allen materiellen oder immateriellen Betriebsmitteln (assets) die Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers ändert, die Arbeitnehmer also einem neuen Arbeitgeber gegenüberstehen, bleibt bei einem Share Deal der Arbeitgeber derselbe99. § 613a BGB kommt nicht zur Anwendung100. 2. Bewertung Mit der Entscheidung eines Unternehmensverkaufs im Wege des Share Deals wird die Anwendbarkeit des § 613a BGB schon von vornherein unterbunden, ohne dass es der Verschleierung von Tatbestandsmerkmalen bedarf. Der Gesetzgeber stellt dem Normunterworfenen zwei Möglichkeiten zur Verfügung einen Betrieb zu erwerben. Wird statt der Übertragung eines Betriebes durch Asset Deal der Share Deal gewählt, so stellt dies keine Umgehung dar, weil die Wahl des einen Weges nicht die unzulässige Vermeidung des anderen Weges darstellen kann. Es wird somit der rechtliche Weg beschritten, der am zweckmäßigsten erscheint. Warum die eine und nicht die andere Möglichkeit des Unternehmenserwerbs gewählt wurde, ist unerheblich und bedarf keiner Rechtfertigung. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht vertretbar einen sachlichen Grund zu verlangen, weil die unternehmerische Entscheidung grundsätzlich nicht überprüfbar ist, 95 Beck/Klar, DB 2007, 2819; Semler, Hölters, Unternehmenskauf, Teil 7, Rn. 79 ff., 100 ff. 96 Sieg/Maschmann, Rn. 12. 97 Gaul, § 7, Rn. 36 f. 98 Beck/Klar, DB 2007, 2820; Semler, Hölters, Unternehmenskauf, Teil 7, Rn. 103. 99 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 803/06, NZA 2007, 1428, 1430; Gaul, § 7, Rn. 36 f.; Willemsen/W/H/S/S, B, Rn. 6. 100 BAG v. 12.7.1990 – 2 AZR 39/90, NZA 1991, 63. Teilweise wird aber eine analoge Anwendung des § 613a BGB angenommen, wenn die Rechtsfolgen für eine Konzernbetriebsvereinbarung betroffen sind. Begründet wird dies mit der Gefahr, die bestünde, wenn die Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung ersatzlos entfallen, wenn die Konzernbetriebsvereinbarung nach der Übertragung an konzernfremde Dritte nicht mehr zur Anwendung kommt. In dieser Konstellation soll auch bei einem Share Deal der § 613a BGB zumindest analog zur Anwendung kommen, Gaul, § 7, Rn. 37.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
wenn der Gesetzgeber zwei rechtliche Optionen anbietet und die Entscheidung des Unternehmers verfassungsrechtlichen Schutz genießt, Artt. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG. Es ist mithin von einer zulässigen vortatbestandlichen Vermeidung auszugehen, weil der Sinn und Zweck der Vorschrift, also der Schutz des Arbeitnehmers vor Verlust seines Arbeitsplatzes wegen eines Betriebsübergangs, nicht berührt wird. Der Arbeitnehmer steht im Falle eines Share Deals weiterhin in ein und demselben Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber, sodass durch die Betriebsveräußerung im Wege des Share Deals schon keine Lücke im Kündigungsschutz entsteht und damit das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers nicht aktiviert wird. Im Hinblick auf die Vermeidung des Übergangs der Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber kann die Entscheidung zwischen Asset oder Share Deal allerdings keine Rolle spielen, weil auch beim Share Deal die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer erhalten bleiben. Meist werden daher für den Erwerber steuerliche Aspekte bei der Entscheidung zwischen Asset oder Share Deal eine Rolle spielen101. Im Ergebnis kann daher eine unternehmerische Entscheidung (Share Deal oder Asset Deal) gezielt dazu eingesetzt werden, um bestimmte und beabsichtigte arbeitsrechtliche Folgen herbeizuführen oder zu vermeiden102.
II. Der grenzüberschreitende Betriebsübergang Schließlich ist der Frage nachzugehen, ob eine Verlagerung des Betriebes in das Ausland (sog. Off-Shoring) den Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB ausschließt103. So war schon im Mittelalter das Problem einer Umgehung einer Norm durch Ausweichen in eine andere Rechtsordnung bekannt104. Die Anwendbarkeit des § 613a BGB bei grenzüberschreitenden Betriebsübergängen richtet sich nach den Regelungen des internationalen Kollisionsrechts und ist somit nach der Verordnung 593/2008 (Rom I-Verordnung105) zu beurteilen106. 1. Die Gesetzesumgehung im Internationalen Privatrecht Die Verwendung des Umgehungsbegriffs wurde bereits im Zusammenhang mit dem Internationalen Privatrecht diskutiert107. Die Umgehung einer Norm durch 101 Nach Beck/Klar, DB 2007, 2820, 2826 ist in der Gesamtschau der Share Deal steuerlich günstiger. 102 Willemsen/W/H/S/S, B, Rn. 116. 103 Olbertz/Fahrig, ZIP 2012, 2045; Pietzko, S. 208 ff.; Salamon/Fuhlrott, BB 2012, 1793, 1794. 104 Römer, S. 11. 105 Im Folgenden „VO“. 106 Olbertz/Fahrig, ZIP 2012, 2045.
B. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 613a BGB
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Ausweichung in eine andere Rechtsordnung ist deswegen für den Rechtsgestalter interessant, weil zwischen den verschiedenen Normen unterschiedlicher Rechtsordnungen ein Wertungsgefälle bestehen kann108. Das bedeutet, dass entweder der Tatbestand einer Norm leichter oder schwerer zu verwirklichen ist oder die eintretenden Rechtsfolgen unterschiedlich sind. Zudem begünstigt scheinbar das IPR durch die Anknüpfung an bestimmte Tatbestandsmerkmale wie Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Erfüllungsort die Umgehung109. Die einzige Besonderheit bei grenzüberschreitenden Betriebsübergängen ist lediglich, dass neben der Übernahme von Arbeitnehmern und/oder Betriebsmitteln eine Verlagerung der Produktion oder Dienstleistung in das Ausland hinein oder innerhalb des Auslands erfolgt110. Allerdings stellt sich die Frage, ob ein solcher Betriebsübergang dazu missbraucht werden kann, die durch § 613a BGB gesicherten Arbeitnehmerschutzrechte zu umgehen, wenn § 613a BGB bei einem Betriebsübergang mit Auslandsbezug keine Anwendung findet. Es ist daher denkbar den § 613a BGB dadurch zu vermeiden, dass von vornherein die Anwendbarkeit der deutschen Rechtsordnung ausgeschlossen wird. 2. Die Umgehung des § 613a BGB durch Off-Shoring Bei der Verlagerung eines Betriebes in das Ausland sind regelmäßig zwei arbeitsrechtliche Vorgänge zu unterscheiden. Der Betriebsübergang und die Betriebsverlagerung111. Ausgehend von diesen zwei arbeitsrechtlichen Vorgängen, bestehen drei verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. Der Betriebsübergang findet im Inland statt und wird im Anschluss in das Ausland verlagert (a)), es erfolgt als erstes die Betriebsverlagerung in das Ausland und dann der Betriebsübergang innerhalb des Auslands (b)) und schließlich die Konstellation in der die Betriebsverlagerung in das Ausland zugleich den Betriebsübergang in das Ausland darstellt (c)). a) Betriebsübergang im Inland mit anschließender Verlagerung in das Ausland Geht der Betrieb im Inland erst auf den ausländischen Erwerber über und erfolgt im Anschluss die räumliche Verlagerung, dann findet § 613a BGB uneingeschränkt auf den ersten Vorgang Anwendung. Das gilt selbst dann, wenn die
107 Benecke, S. 219 ff., 223 ff.; Kegel/Schurig, IPR, S. 475 ff.; Römer, Gesetzesumgehungen im deutschen Internationalen Privatrecht; Schurig, FS Ferid, S. 375, 376 f. 108 Kegel/Schurig, IPR, S. 477; Schurig, FS Ferid, S. 375, 377, 402. 109 Benecke, S. 227 f.; Schurig, FS Ferid, S. 375, 385. 110 Gaul/Mückl, DB 2011, 2318, 2322. 111 Gaul/Mückl, DB 2011, 2318; Wisskirchen/Goebel, DB 2004, 1937.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Arbeitsvertragsparteien in Deutschland die Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung vereinbart haben, Art. 3 Abs. 3 VO112. Es ist unerheblich, ob der Erwerber ein deutsches Unternehmen ist oder nicht. Ein Rechtsträgerwechsel von einem deutschen Unternehmen auf ein ausländisches Unternehmen im Inland steht daher der Anwendung des § 613a BGB zunächst nicht entgegen113. Es ist nur entscheidend, ob die Verlagerung auf einen ausländischen Rechtsträger einen Betriebsübergang darstellt oder nicht114. Diese Beurteilung richtet sich nach deutschem Recht. Liegt ein solcher vor und wird aufgrund dessen eine Kündigung ausgesprochen, so ist die Kündigung wegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam115. Das Verbot gilt auch für den ausländischen Erwerber im Inland116. Insofern kann man den Anwendungsbereich des § 613a BGB nicht dadurch vermeiden, indem man den Betrieb im Inland auf ein ausländisches Unternehmen überträgt. Wurde keine Vereinbarung nach Art. 8 Abs. 1 VO getroffen (objektive Anknüpfung), so führt die anschließende Verlagerung des Betriebes in das Ausland zu einem Statutenwechsel nach Art. 8 Abs. 2 VO. Kania vertritt die Ansicht, dass bei einem solchen Statutenwechsel weder das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB noch die entsprechende ausländische Vorschrift anwendbar sei. Er begründet dies mit der Unanwendbarkeit der ausländischen Betriebsübergangsnorm117. Die jeweilige ausländische Betriebsübergangsnorm sei nämlich nur dann anwendbar, wenn der Betriebsübergang unter Geltung des ausländischen Status stattgefunden habe118. Das sei aber in der Konstellation, dass erst der Betriebsübergang im Inland erfolgt und dann im Anschluss der Betrieb in das Ausland verlagert werde, nicht der Fall. Die ausländische Betriebsübergangsnorm finde keine Anwendung, weil der Betriebsübergang unter einem deutschen Arbeitsstatut und so zu einem Zeitpunkt stattgefunden habe, als die ausländische Norm noch keine Anwendung gefunden habe119. Veräußerer und Erwerber haben es mithin in der Hand über den Arbeitnehmerschutz zu disponieren120. Daher sei es möglich § 613a BGB durch Verlagerung des Betriebes in das Ausland nach erfolgtem Betriebsübergang im Inland zu umgehen. Kania vertritt folglich die
112 Art. 3 Abs. 3 VO ist dann anwendbar, wenn der Sachverhalt überhaupt keinen Auslandsbezug hat, was bei einem rein im Inland erfolgenden Betriebsübergang der Fall ist. 113 BAG v. 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143; Gaul/Mückl, DB 2011, 2318; Wisskirchen/Goebel, DB 2004, 1937. 114 Wisskirchen/Goebel, DB 2004, 1937. 115 BAG v. 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143. 116 Wisskirchen/Goebel, DB 2004, 1937, 1939. 117 Kania, S. 105. 118 Kania, S. 105 f. 119 Kania, S. 105 f. 120 Kania, S. 131.
B. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 613a BGB
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Ansicht, die Umgehung des § 613a BGB dadurch zu verhindern, indem § 613a BGB als Eingriffsnorm (Art. 9 Abs. 1 VO) ausgelegt werde, die unabhängig vom Vertragsstatut Anwendung findet121. Meines Erachtens ist jedoch ein Rückgriff auf Art. 9 VO deswegen nicht erforderlich, weil bei der vorliegenden Konstellation der Schutzzweck des § 613a BGB nicht berührt ist. Dieser liegt darin den Arbeitnehmer vor nachteiligen Veränderungen des Arbeitsvertrags zu schützen, die unmittelbar mit dem Betriebsübergang im Zusammenhang stehen. Der Arbeitnehmer wird aber nicht vor den Risiken geschützt, die durch eine Betriebsverlagerung in das Ausland entstehen. Ist daher der Betriebsübergang im Inland abgeschlossen und erfolgt im Anschluss eine Verlagerung in das Ausland mit der Folge einer Kündigung, so realisiert sich nicht eine betriebsübergangsspezifische Gefahr, sondern ausschließlich das Risiko, das durch eine Betriebsverlagerung in das Ausland entsteht. Auch ist eine Qualifizierung des § 613a BGB als Eingriffsnorm nicht notwendig, da die ausländische Rechtsordnung bei objektiver Anknüpfung (Art. 8 Abs. 2 VO) regelmäßig selbst Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers vorsieht, die eine einseitige für den Arbeitnehmer nachteilige ungerechtfertigte Änderung des Arbeitsvertrags verhindern. b) Verlagerung des Betriebes in das Ausland mit anschließendem Betriebsübergang Erfolgt zunächst die Betriebsverlagerung in das Ausland und im Anschluss erst der Rechtsträgerwechsel, dann hängt die Anwendbarkeit von § 613a BGB davon ab, ob die Parteien die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben, Art. 8 Abs. 1 VO122. Der ausländische Erwerber ist in diesem Fall dann nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis wegen des Betriebsübergangs zu kündigen. Wurde im Arbeitsvertrag keine Rechtswahl getroffen, dann findet auf den Arbeitsvertrag das Recht des Staates Anwendung, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, Art. 8 Abs. 2 S. 1 VO. Folglich wird sich grundsätzlich das Arbeitsvertragsstatut, also die Anwendbarkeit einer Rechtsordnung, infolge einer Standortverlagerung ändern123.
121 Kania, S. 232. A. A. BAG v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92, NZA 1993, 743, 748; Schönbohm/Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, Art. 9 VO (EG) 593/2008 Rn. 11; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 46a. 122 BAG v. 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143, 1146; Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 41; Kania, S. 83 f. 123 BAG v. 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143; Gaul/Mückl, DB 2011, 2318, 2319; Kania, S. 129 f.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
c) Betriebsübergang in das Ausland Stellt die Betriebsverlagerung von Deutschland in das Ausland zugleich den Betriebsübergang dar, so richtet sich die Anwendbarkeit des § 613a BGB auch nach Art. 8 VO124. Wurde das Arbeitsvertragsstatut nicht vereinbart, so ist nach Art. 8 Abs. 2 VO, die Rechtsordnung des Landes anwendbar, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Das bedeutet, dass bei einem Betriebsübergang aus Deutschland heraus zunächst § 613a BGB anwendbar ist. Es ist unerheblich, dass der Erwerber seinen Sitz im Ausland hat, solange ein inländischer Betrieb veräußert wird und deutsches Recht anwendbar ist125. Der grenzüberschreitende Sachverhalt schließt eine Anwendbarkeit des 613a BGB mithin nicht aus. Das deutsche Arbeitsrecht gilt somit auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, weil das Territorialitätsprinzip im IPR verdrängt ist126. Der Betriebserwerber, der im EU-Ausland seinen Sitz hat, kann zwar nicht zur Einhaltung deutschen Rechts gezwungen werden, allerdings steht dies nicht der Anwendbarkeit des § 613a BGB auf den Betriebsveräußerer, der seinen Sitz in Deutschland hat, entgegen. Die Frage der Rechtsfolge darf also nicht mit der vorgelagerten Frage der generellen Anwendbarkeit der Regelung vermengt werden127. Diese Argumentation wird auch von dem Schutzzweck des § 613a BGB getragen, weil eine andere Betrachtung dazu führt, dass Betriebsveräußerer und Betriebserwerber die Arbeitnehmer durch eine geschickte Standortwahl bezüglich der neuen Betriebsstätte schutzlos stellen könnten128. Das Arbeitsvertragsstatut ändert sich somit regelmäßig nach einem grenzüberschreitenden Betriebsübergang nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 VO, allerdings tritt diese Änderung erst mit bzw. nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses ein. Vor Übertragung des Betriebes in das Ausland ist daher § 613a BGB uneingeschränkt anwendbar129. Die übergehenden individualvertraglich geregelten Rechte und Pflichten werden durch den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den ausländischen Erwerber nicht geändert. Der ausländische Erwerber ist somit zunächst an die individuell vereinbarten Vertragsinhalte gebunden, weil die Arbeitsverträge nach § 613a 124
Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 46a. Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 46a. 126 Olbertz/Fahrig, ZIP 2012, 2045; nach dem im öffentlichen Recht geltenden Territorialitätsprinzip endet die Geltung des deutschen Arbeitsrechts an den deutschen Grenzen. Das Territorialitätsprinzip findet aber im Gesetz keinen Anhaltspunkt und wird zudem durch die Regelungen des IPR verdrängt, Rossa/Fuhlrott, Anmerkung zu BAG 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, EWiR 2011, 699, 700. 127 Olbertz/Fahrig, ZIP 2012, 2045, 2046. 128 Olbertz/Fahrig, ZIP 2012, 2045, 2046. 129 Rossa/Fuhlrott, Anmerkung zu BAG 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, EWiR 2011, 699, 700. 125
B. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 613a BGB
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Abs. 1 S. 1 BGB unverändert übergehen. Da es nach Art. 8 Abs. 2 VO zu einem Wechsel des Rechtsstatuts kommt, gelten bezüglich der die individuell vereinbarten Vertragsinhalte flankierenden Regelungen (z. B. BUrlG, ArbZG) die entsprechenden Gesetze des Erwerberlandes130. Ob also eine Änderung der Arbeitsvertragsinhalte möglich ist, richtet sich nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Daher ist es letztlich möglich, dass bei einem Betriebsübergang in das Nicht-EUAusland die durch die Richtlinie 2001/23/EG gewährleisteten Rechte und Pflichten ersatzlos wegfallen können131. 3. Zusammenfassung Welches Arbeitsvertragsstatut Anwendung findet, hängt zunächst vom gewählten Arbeitsvertragsstatut ab, Art. 8 Abs. 1 S. 1 VO. Die Rechtswahl kann allerdings nicht zu einem geringeren Schutz als der durch § 613a BGB gewährte führen, Art. 8 Abs. 1 S. 2 VO132. Durch Betriebsübergänge im Inland kann also der Schutz des § 613a BGB nicht umgangen werden, Art. 3 Abs. 3 VO133. Wurde kein Arbeitsvertragsstatut nach § 8 Abs. 1 VO gewählt, so gelten die Absätze 2 bis 4 des Art. 8 VO. Ist somit der Betriebsübergang innerhalb von Deutschland im Zeitpunkt der Standortverlagerung abgeschlossen, dann ist vor der Verlagerung in das Ausland § 613a BGB anwendbar. Nach der Standortverlagerung kommt es jedoch regelmäßig zur objektiven Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2 VO. Kommt es dagegen erst zur Standortverlagerung mit der Folge des Statutenwechsels (Art. 8 Abs. 2 VO) und im Anschluss zum Betriebsübergang, dann ist ausschließlich das ausländische Recht anwendbar134. Damit gehen die Arbeitsverhältnisse nur dann über, wenn das neue Recht dies vorsieht135. Bei einer Verlagerung des Betriebes innerhalb der Europäischen Union ist dabei ein vergleichbarer Schutz gewährleistet, weil § 613a BGB die Richtlinie 2001/23/EG umsetzt und die anderen Mitgliedstaaten entsprechende Schutzvorschriften haben136. Damit wird im Ergebnis innerhalb der Europäischen Union der Schutz der Richtlinie 2001/23/EG gewahrt137. Bei Betriebsübergängen, die im Zusammenhang mit Drittstaaten stehen, ist zu differenzieren. So ist die Richtlinie 2001/23/EG auch dann anwendbar, wenn die Verlegung des Betriebes aus einem Drittstaat in die EU erfolgt und im Anschluss 130
Olbertz/Fahrig, ZIP 2012, 2045, 2049. BAG v. 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, NZA 2011, 1143; Gaul/Mückl, DB 2011, 2318, 2320. 132 Olbertz/Fahrig, ZIP 2012, 2045, 2046. 133 Pietzko, S. 225. 134 Kania, S. 104. 135 Kania, S. 130. 136 Deinert, RdA 2001, 368, 374; Kania, S. 130; Salamon/Fuhlrott, BB 2012, 1793, 1794. 137 Kania, S. 134. 131
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
erst der Erwerber die Leitungsmacht über den Betrieb übernimmt, der Betriebsübergang also der Verlagerung nachfolgt138. Dagegen ist die Anwendbarkeit der Richtlinie dann ausgeschlossen, wenn sich der Betrieb bei Übergang noch im Drittstaat befindet und erst im Anschluss die Verlagerung in die EU erfolgt139. Im Ergebnis können daher Erwerber und Veräußerer über die Anwendbarkeit der Richtlinie disponieren, je nachdem welchen Zeitpunkt sie für den Betriebsübergang wählen140. Die Möglichkeit der Umgehung der Anwendbarkeit der Richtlinie ergibt sich somit zum einen aus dem Umstand, dass der europäische Gesetzgeber keine Sachverhalte regulieren kann, die sich außerhalb seines Territoriums ereignen141. Zum anderen kann der Normunterworfene durch die Manipulation von Anknüpfungsmerkmalen durch tatsächliches Handeln142 gezielt die Anwendbarkeit einer bestimmten für ihn günstiger erscheinenden Rechtsordnung hervorrufen, indem er die Anknüpfung an den Erfüllungsort nach Art. 8 Abs. 2 VO beeinflusst.
III. Zusammenfassung Die „vortatbestandliche“ Vermeidung des § 613a BGB ist auf zwei unterschiedlichen Wegen möglich. Der eine umfasst die Option, den Betrieb im Wege eines Share Deals zu veräußern. Bei diesem ändert sich nicht die Rechtspersönlichkeit des Arbeitgebers, sodass das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers nicht aktiviert wird. Mangels Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers ist § 613a BGB schon „vortatbestandlich“ ausgeschlossen. Der andere Weg zur „vortatbestandlichen“ Vermeidung liegt in dem Ausweichen in eine andere Rechtsordnung. Verliert in diesem Zusammenhang der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz, dann realisiert sich damit jedoch nicht die Gefahr, die aus einem Betriebsübergang resultiert, sondern ausschließlich das arbeitsrechtliche Risiko, das mit einer Verlagerung in das Ausland zusammenhängt. Es wurde bereits festgestellt, dass Gesetzesumgehungen dadurch begünstigt werden, dass verschiedene Gesetze innerhalb eines Rechtssystems wertungsmäßig nicht aufeinander abgestimmt sind. Dies wird bei Gesetzesumgehungen im Zusammenhang mit dem IPR noch deutlicher, wenn es darum geht das materielle Wertungsgefälle unterschiedlicher Rechtssysteme auszunutzen. Innerhalb der Europäischen Union wird diese Normdiskrepanz nicht besonders hoch sein, weil die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Richtlinie 2001/23/EG umzusetzen. Allerdings kann im Verhältnis zu Drittstaaten das Schutzniveau arbeitnehmerschützen138
Kania, S. 135. Kania, S. 134. 140 So auch schon Feudner zur Umgehung des § 613a BGB durch Rechtswahl, NZA 1999, 1184, 1186. 141 Kania, S. 135; nach Schurig kann das materiell rechtliche Wertungsgefälle zwischen unterschiedlichen Rechtsordnungen nicht beseitigt werden, FS Ferid, S. 375, 402. 142 Benecke, S. 227. 139
C. Die Vermeidung des Tatbestandes
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der Vorschriften bei Vorliegen eines Betriebsübergangs sehr unterschiedlich ausfallen. Das Wertungsgefälle ist jedoch hinzunehmen, weil der europäische Gesetzgeber nur die Harmonisierung von Arbeitnehmerschutzvorschriften innerhalb der Europäischen Union regeln kann. Wird der Anwendungsbereich des § 613a BGB schon durch „vortatbestandliche“ Gestaltungsmittel wie dem Asset Deal oder durch Betriebsverlagerungen in das Ausland und anschließendem Betriebsübergang vermieden, so wird der Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen Erfolg haben, weil mangels Aktivierung einer betriebsübergangsspezifischen Gefahr kein Widerspruch zu dem Anwendungsbereich des § 613a BGB ersichtlich ist. Auch wenn der Gesetzgeber dem Normunterworfenen zwei Möglichkeiten anbietet, seinen Betrieb zu veräußern, so stellt die Wahl der einen Möglichkeit nicht die Umgehung der anderen Veräußerungsoption dar. Auch die Entscheidung des Betriebsinhabers die Produktion in das Ausland zu verlagern, ist nicht rechtsmissbräuchlich, weil diese von seiner verfassungsrechtlich garantierten Unternehmer- und Berufsfreiheit geschützt ist (Artt. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der anderen Rechtsordnung zugunsten des Arbeitnehmers greifen wird. Da der Subsumtionsvorschlag von dem Rechtsanwender angenommen wird, ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes abzulehnen.
C. Die Vermeidung des Tatbestandes Um das Eintreten der Rechtsfolgen des § 613a BGB zu verhindern, bestehen neben der „vortatbestandlichen“ Vermeidung grundsätzlich zwei weitere Vorgehensweisen. Zunächst kann versucht werden den Tatbestand der Vorschrift zu vermeiden. Mit Blick auf § 613a BGB muss es dann Ziel der Vertragsgestaltung sein, zu verhindern, dass ein „Betrieb“ oder ein „Betriebsteil“ oder ein „rechtsgeschäftlicher Übergang auf einen anderen Inhaber“ vorliegt. Ist dies aber nicht möglich, also liegt kumulativ ein Betrieb/Betriebsteil und ein rechtsgeschäftlicher Übergang auf einen anderen Inhaber vor, dann müssen die Rechtsfolgen abgemildert oder modifiziert werden. Im Folgenden werden daher zunächst die gängigen Gestaltungsmittel zur Vermeidung des Tatbestandes dargelegt. Im Anschluss soll erörtert werden, inwiefern hier von einer Gesetzesumgehung gesprochen werden kann und welche Bedeutung dem Umgehungsbegriff hier zukommt. Diesen Punkten vorangestellt soll vorab dargelegt werden, warum es grundsätzlich zulässig ist, den Tatbestand des § 613a BGB gezielt zu vermeiden.
I. Die Zulässigkeit der Vermeidung des Tatbestandes Wird der Tatbestand des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB vermieden, so besteht keine Verpflichtung zur Übernahme von Personal des Betriebes oder des Betriebsteils, keine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingun-
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
gen und keine Haftung für bereits entstandene Ansprüche. Der zwingende Charakter des § 613a BGB erstreckt sich ausschließlich auf den Eintritt der Rechtsfolgen, jedoch nicht auf die Auslösung der tatbestandlichen Voraussetzungen143. Es ist daher in diesem Zusammenhang zu beachten, dass Betriebserwerber und Betriebsveräußerer regelmäßig frei darin sind, die tatbestandlichen Voraussetzungen zu vermeiden144. Dies wird durch die Vertragsfreiheit sichergestellt. Eine andere Ansicht, also jeglichen Erwerb von Betriebsteilen oder jeder denkbare Erwerb eines Betriebes den Rechtsfolgen des § 613a BGB zu unterwerfen, wäre verfassungsrechtlich nicht haltbar. Auch auf unionsrechtlicher Ebene verbietet die Richtlinie 2001/23/EG keine rechtlichen Gestaltungen von wirtschaftlichen Prozessen, die den Tatbestand des § 613a BGB nicht erfüllen145. Weder § 613a BGB noch die Richtlinie 2001/23/EG verpflichten den Erwerber einen Betrieb oder einen Betriebsteil unter Aufrechterhaltung der funktionellen Verknüpfung zu übernehmen. § 613a BGB wird nicht umgangen, wenn der Tatbestand gezielt vermieden wird146. In diesem Zusammenhang stellte auch das BAG fest147, dass § 613a BGB nicht die Gestaltung von wirtschaftlichen Prozessen verbiete, die darauf abzielen, dem Tatbestand des § 613a BGB auszuweichen. Das bedeutet, dass nicht jede Veräußerung einer wirtschaftlichen Einheit einen Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB darstellt und dass es durchaus Möglichkeiten gibt, dem Tatbestand zulässig auszuweichen. Der Erwerber von Betriebsmitteln kann daher bewusst und gezielt darauf hinwirken, möglichst wenige Kriterien des Sieben-Punkte-Katalogs148 zu erfüllen. Es muss der unternehmerischen Freiheit des Erwerbers überlassen werden, ob er den Tatbestand des § 613a BGB erfüllt oder gezielt vermeidet149. Von einem Gestaltungsmissbrauch kann nicht gesprochen werden150, da § 613a BGB nicht schlechthin eine Veräußerung eines Betriebes erschweren oder verhindern möchte151. Nur wenn ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB vorliegt, sollen die Rechtsfolgen der Norm eintreten. Teilweise wird geäußert, dass es der Betriebserwerber dann in der Hand habe, einen Betriebsübergang herbeizuführen. Dies sei jedoch bedenklich, weil damit 143
Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 218. Birkholz, S. 27; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 218. 145 Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 92. 146 Birkholz, S. 27; Pietzko, S. 27; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 10a. 147 BAG v. 27.9.2007 – 8 AZR 941/06, NZA 2008, 1130, 1134; BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, NZA-RR 2013, 179, 185; BAG v. 10.5.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1161, 1168. 148 Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 11 ff. 149 Willemsen/W/H/S/S, G, 112. 150 Fuhlrott/Salamon, BB 2012, 1793, 1794; Hausch, BB 2008, 1392, 1393; Willemsen/W/H/S/S, G, 112. 151 Birkholz, S. 27; Pietzko, S. 27. 144
C. Die Vermeidung des Tatbestandes
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der Zweck des § 613a BGB, den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu sichern, in sein Gegenteil verkehrt werde152. Diese Bedenken greifen jedoch zu kurz, weil die Nutzung eines rechtlichen Gestaltungsspielraums durch die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) abgesichert ist und der Gesetzgeber nur bestimmte Vorgänge dem § 613a BGB unterwirft. Übertragungsvorgänge, die keinen Betriebs- oder Betriebsteilübergang i. S. d. § 613a BGB darstellen, lösen nicht die Rechtsfolge des § 613a BGB aus153. § 613a BGB schreibt keine von ihren Tatbestandsvoraussetzungen losgelöste, unbedingte Verpflichtung eines bestimmten Rechtsträgers vor, das Personal eines Auftragnehmers weiter zu beschäftigen154. Das BAG diskutierte in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 613a BGB, lehnte dies aber mangels Regelungslücke und Vergleichbarkeit der Interessenlage ab155. Erwähnenswert ist zudem eine Begegnung der Umgehung des § 613a BGB durch entsprechende Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB. Es sollen dann die Rechtsfolgen des § 613a BGB fingiert werden, wenn jemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten möchte156. Das BAG verneint allerdings eine entsprechende Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB, wenn bei unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten diejenigen gewählt werden, bei der ein Betriebsübergang vermieden wird. Vielmehr sei der Arbeitgeber befugt, Rechtsgeschäfte so zu gestalten, dass § 613a BGB keine Anwendung findet157.
II. Die Anwendungsfälle des Umgehungsbegriffs auf Tatbestandsseite Es sollen zunächst die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 613a BGB begutachtet werden und die in der Praxis gängigen Modelle vorgestellt werden, die an die Verschleierung dieser Tatbestandsmerkmale anknüpfen. 1. Der Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils § 613a Abs. 1 S. 1 BGB verlangt auf Tatbestandsseite den Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils. Zur Umgehung dieser Merkmale sind in der Praxis die Funktionsnachfolge, die Betriebsstilllegung, die Schaffung und Auflösung von Betriebsstrukturen durch den Veräußerer, die Zerschlagung der Betriebs152 Hanau, Anmerkung zu EuGH-Urteil v. 14.4.1994 – C-392/92 [Christel Schmidt], ZIP 1994, 1038, 1039; Preis/Steffan, DB 1998, 309, 315. 153 Birkholz, S. 27; Pietzko, S. 27. 154 BAG v. 10.5.2012 – 8 AZR 434/11, NZA 2012, 1161, 1168. 155 BAG v. 27.9.2007 – 8 AZR 941/06, NZA 2008, 1130, 1134. 156 BAG v. 20.9.1957 – 1 AZR 136/56, AP § 1 KSchG Nr. 34. 157 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147; Treber/KR, § 613a BGB Rn. 200.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
oder Betriebsteilstruktur durch den Betriebserwerber und die sukzessive Übertragung von einzelnen Betriebsmitteln zu nennen. a) Die Funktionsnachfolge Von einer Funktionsnachfolge spricht man, wenn ein Unternehmen eine betriebliche Aufgabe nicht mehr durch die eigenen Arbeitnehmer ausführt, sondern die Erbringung dieser Tätigkeit von einer Fremdfirma durchführen lässt158. Funktionsnachfolge bedeutet also die schlichte Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen betrieblichen Tätigkeit durch einen anderen Rechtsträger ohne den Übergang von Betriebsmitteln oder Personal159. Nach überzeugender Ansicht160 ist § 613a BGB auf die Funktionsnachfolge nicht anwendbar, weil der Erwerber sich in diesem Fall nicht die funktionelle Verknüpfung von Betriebsmitteln und Personal nutzbar macht, was das Auslösen der Rechtsfolgen des § 613a BGB rechtfertigen könnte. Ist allerdings mit der Auftragsnachfolge noch die Übernahme von wesentlichen Ressourcen verbunden, dann kann die Gesamtwürdigung der Umstände ergeben, dass eine wirtschaftliche Einheit übergegangen ist161. Der Betriebserwerber könnte daher durch eine scheinbare Funktionsnachfolge den Tatbestand des § 613a BGB unzulässig umgehen. Durch Veränderung des Sachverhaltes soll dem Rechtsanwender eine simulierte Funktionsnachfolge suggeriert werden (Subsumtionsvorschlag). Ob allerdings lediglich eine Funktionsnachfolge oder ein Betriebsübergang vorliegt, ist objektiv durch Sachverhaltsanalyse zu ermitteln. Stellt sich heraus, dass materiell rechtlich keine Funktionsnachfolge vorliegt, so ist der Subsumtionsvorschlag gescheitert. Die Gesetzesumgehung wird schließlich durch Auslegung des Sachverhaltes verhindert. Auch hier erschöpft sich also der Subsumtionsvorschlag ausschließlich in der begrifflichen Falschbezeichnung eines objektiv zu beurteilenden rechtlichen Vorgangs. b) Die Betriebsstilllegung aa) Das Exklusivitätsverhältnis von Betriebsübergang und Betriebsstilllegung Der Begriff der „Umgehung“ fällt auch oft im Zusammenhang mit der Betriebsstilllegung und § 613a BGB162. So könnte es möglich sein, den § 613a BGB dadurch zu umgehen, dass der Betrieb stillgelegt und nach einer bestimm158
Sieg/Maschmann, Rn. 79; Willemsen, FS Richardi, S. 475, 478 f. BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, NZA-RR 2013, 179, 182. 160 Willemsen, FS Richardi, S. 475, 478 f. 161 EuGH v. 20.1.2011 – C-463/09 [CLECE SA], NZA 2011, 148, 149 f.; Gaul/ Strauf, DStR 2013, 595, 597. 162 Birkholz, S. 77 ff.; Pietzko, S. 60 ff. 159
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ten Zeit übertragen wird163. Nach der Rechtsprechung des BAG ist von einer Betriebsstilllegung auszugehen, wenn die Organisation, die die Einheit des Betriebes oder Betriebsteils gestaltet und die dem Betriebszweck dient, aufgelöst wird. Dabei soll die Auflösung darauf beruhen, dass der Unternehmer den mit dem Betrieb oder Betriebsteil verfolgten Zweck endgültig einstellt164. Die Umgehungsmöglichkeit ergibt sich somit aus dem Umstand, dass sich Betriebsübergang und Betriebsstilllegung per Definition gegenseitig ausschließen. Ein stillgelegter Betrieb kann nicht übergehen, da nur etwas Bestehendes übertragen werden kann165. Während die Betriebsstilllegung somit lediglich die Rechte des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG auslöst, durch die die wirtschaftlichen Nachteile des Arbeitsplatzverlustes ausgeglichen werden sollen, hat die Veräußerung des Betriebes die Rechtsfolgen des § 613a BGB zur Folge. Wurde also ein Betrieb stillgelegt, dann kann dieser nur noch neu eröffnet werden166. § 613a BGB findet in diesem Fall keine Anwendung. bb) Die Umgehungsgestaltung Das beschriebene Exklusivitätsverhältnis von Betriebsübergang und Betriebsstilllegung wird von Kautelarjuristen genutzt, um durch eine Betriebsstilllegung die Anwendung des § 613a BGB auszuschließen. Betriebsveräußerer und Betriebserwerber werden also den Sachverhalt so gestalten, dass der Rechtsanwender eine Betriebsstilllegung annimmt und in der Folge einen Betriebsübergang verneinen wird. Ob dies der Fall ist, hängt allerdings von der materiellen Rechts163
Vergleiche zu dieser Möglichkeit schon Kracht, S. 129 ff., und Kreitner, S. 179 ff. BAG v. 17.9.1957 – 1 AZR 352/56, AP § 13 KSchG Nr. 8; bestätigt durch BAG v. 6.11.1959 – 1 AZR 329/58, AP § 13 KSchG Nr. 15; BAG v. 23.4.1980 – 5 AZR 49/ 78, AP § 15 KSchG 1969 Nr. 8; BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 568/80, AP § 1 KSchG 1969 Konzern Nr. 1; BAG 27.9.1984 – 2 AZR 309/83, AP § 613a BGB Nr. 39; BAG v. 20.5.2010 – 8 AZR 1011/08, AP § 613a BGB Widerspruch Nr. 22; BAG v. 14.3.2013 – 8 AZR 154/12, AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 199. Wichtig ist auch das zeitliche Moment des Stilllegungsbegriffs. Die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft muss für eine unbestimmte und nicht unerhebliche Zeitspanne erfolgen. Objektiv wird also verlangt, dass die betrieblichen Aktivitäten für eine gewisse Zeitspanne eingestellt werden. Erfolgt die Stilllegung dagegen nur vorübergehend oder auf eine bestimmbare Zeit, dann liegt lediglich eine Betriebspause oder eine Betriebsunterbrechung vor, BAG v. 27.9.1984 – 2 AZR 309/83, AP § 613a BGB Nr. 39. 165 BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 273/08, NZA 2009, 1267, 1269; BAG v. 16.2.2012 – 8 AZR 693/10, NZA-RR 2012, 465, 468. Annuß vertritt dagegen die Ansicht, dass es auch nach einer Betriebsstilllegung zu einem Betriebsübergang kommen kann, wenn Betriebsmittel oder Arbeitnehmer auf einen anderen Inhaber übergehen und dieser den bisherigen Wertschöpfungszusammenhang im Wesentlichen fortführt, Staudinger, § 613a BGB Rn. 85 f. Die Frage der Betriebsstilllegung sei daher im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang nur deswegen relevant, ob der Betriebsinhaber wirksam betriebsbedingte Kündigungen aussprechen kann. Kracht spricht davon, dass nur ein „lebender“ Betrieb übergehen kann, S. 137; Pietzko, S. 60 ff. 166 BAG v. 20.5.2010 – 8 AZR 1011/08, AP § 613a BGB Widerspruch Nr. 22; BAG v. 14.3.2013 – 8 AZR 154/12, AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 199. 164
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
lage ab. Insofern wird der Subsumtionsvorschlag regelmäßig nicht über eine lediglich falsche rechtliche Qualifizierung hinausgehen. Die Tatbestandverschleierung erfolgt mithin nur in Form einer unzutreffenden Bezeichnung eines rechtlichen Vorgangs. Bei der Vermeidung des § 613a BGB durch Betriebsstilllegung ist rechtsmethodisch auf das Tatbestandsmerkmal „Betrieb“ oder „Betriebsteil“ abzustellen. Ist ein Betrieb/Betriebsteil stillgelegt, dann existiert dieser nicht mehr. Das Tatbestandsmerkmal „Betrieb/Betriebsteil“ wird also durch Betriebserwerber und Betriebsveräußerer verschleiert, indem versucht wird, dem Rechtsanwender eine Auslegung dahingehend zu suggerieren, dass schon kein Betrieb oder Betriebsteil besteht (Subsumtionsvorschlag). Der scheinbar stillgelegte Betrieb wird im Anschluss auf den Erwerber übertragen. Der Unternehmer plant also von vornherein, seinen Betrieb zu veräußern. Die Betriebsstilllegung dient dann ausschließlich der Erleichterung der Veräußerung des Betriebes, um alle Mitarbeiter unter Berufung auf die Betriebsstilllegung zu kündigen (§ 1 Abs. 2 und 3 KSchG) und den arbeitnehmerlosen Betrieb an einen Dritten zu veräußern. Die Betriebsstilllegung wird folglich nur „zwischengeschaltet“. Das eigentliche Ziel ist die Veräußerung des Betriebes. cc) Die Umgehungsverhinderung Die Gesetzesumgehung durch Betriebsstilllegung wird in diesem Fall mittels Sachverhalts- und Gesetzesauslegung verhindert. Es muss dabei ermittelt werden, ob die Stilllegung tatsächlich erfolgte oder ob diese lediglich simuliert wurde. Die Anwendbarkeit des § 613a BGB hängt mithin von dem Begriff der Betriebsstilllegung und von der Ermittlung und Analyse des Sachverhaltes ab. Eine falsche rechtliche Qualifizierung durch den Normunterworfenen ist unerheblich, da die juristische Bewertung eines Sachverhaltes losgelöst von der Rechtsansicht der Betroffenen vorgenommen wird (iura novit curia). Wird also festgestellt, dass materiell-rechtlich keine Betriebsstilllegung vorliegt, so sind die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Scheinstilllegung standen, unwirksam167 und § 613a BGB anwendbar. 167 Zum Beispiel betriebsbedingt ausgesprochene Kündigungen. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Unwirksamkeit der Kündigungen zu begründen. Regelmäßig stellt die Betriebsstilllegung einen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar, § 1 Abs. 2 KSchG. Ein solcher liegt aber nicht vor, wenn der Betriebsinhaber von Anfang an plant, den Betrieb weiter zu veräußern. Damit würde die Kündigung schon an § 1 Abs. 1 KSchG scheitern, weil die Kündigung bereits sozialwidrig ist, § 1 Abs. 2 KSchG, BAG v. 27.9.1984 – 2 AZR 309/83, NZA 1985, 493. Die Unwirksamkeit der Kündigung lässt sich aber auch begründen, wenn man darauf abstellt, dass die Kündigung nur deswegen erfolgte, um den Betriebsübergang zu ermöglichen. Denn dann scheitert die Kündigung an § 613a Abs. 4 S. 1 BGB, LAG Berlin v. 25.4.1983 – 9 Sa 131/82 als Vorinstanz, NZA 1985, 493, 494. Zust. Kreitner, der von einem Nebeneinander der Unwirksamkeitsgründe spricht, S. 182.
C. Die Vermeidung des Tatbestandes
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c) Die Schaffung und die Auflösung von Betriebsstrukturen durch den Veräußerer aa) Das Erfordernis eines bereits bestehenden Betriebes/Betriebsteils beim Veräußerer Eine weitere Möglichkeit auf tatbestandlicher Seite einen Betriebsübergang zu vermeiden, besteht in der Zerschlagung oder auch in der Schaffung von Betriebsstrukturen durch den Veräußerer vor Betriebsübergang168. Der Tatbestand des § 613a BGB verlangt den Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils. Unter Betrieb i. S. d. § 613a BGB wird eine wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit mit eigenem Zweck, der hinreichend strukturiert und selbständig ist, verstanden169. Ein Betriebsteil liegt vor, wenn eine selbständig abgrenzbare organisatorische Einheit vorhanden ist, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein eigener Teilzweck verfolgt wird. Der Betriebsinhaber muss also mit dieser abgrenzbaren organisatorischen Einheit einen eigenen Teilzweck verfolgen und die hierfür eingesetzten Betriebsmittel und das Personal müssen alleine ausreichen, um diesen Teilzweck zu erreichen170. Dabei ist vor allem entscheidend, dass die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine bereits einsatzbereite Gesamtheit darstellen. Diese muss an sich ausreichen, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen (Dienst-)Leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können171. Sind also die übernommenen organisatorischen Einheiten nur im Zusammenwirken mit anderen, nicht übernommenen Betriebsmitteln, in der Lage den bisherigen wirtschaftlichen Zweck zu verfolgen, dann liegt schon kein eigenständiger Betriebsteil vor, der übergehen kann172. § 613a BGB kommt also nur dann bei einem Betriebsteilübergang zur Anwendung, wenn diese organisatorische Einheit schon beim Veräußerer die Qualität eines Betriebsteils besitzt173. 168 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 450; Kreitner, S. 189, Fn. 71; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 656. 169 Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 6. 170 EuGH v. 6.3.2014 – C-458/12 [Lorenzo Amatori u. a.], NZA 2014, 423; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 71; ders., NZA 2014, 1010. 171 EuGH v. 13.9.2007 – C-458/05 [Jouini u. a.], NZA 2007, 1151; EuGH v. 6.3.2014 – C-458/12 [Lorenzo Amatori u. a.], NZA 2014, 423; BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 455/ 10, NZA 2012, 504; Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 450; Salamon, NZA 2012, 482. 172 Die übergehende Einheit muss „identitätsprägend“ sein, BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 455/10, NZA 2012, 504, 508; Salamon, NZA 2012, 482. 173 BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 455/10, NZA 2012, 504; EuGH v. 6.3.2014 – C458/12 [Lorenzo Amatori u. a.], NZA 2014, 423, 425. Der EuGH betont dabei, dass die wirtschaftliche Einheit bereits vor dem Übergang über eine ausreichende funktionelle Autonomie verfügen müsse.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
bb) Die Umgehungsgestaltung Der Betriebsinhaber kann gezielt organisatorische Einheiten schaffen, wenn diese übergehen sollen oder diese zerschlagen, damit diese Einheiten nicht vom Betriebsteilübergang betroffen sind. Es besteht damit die Möglichkeit kontrolliert durch Schaffung und Zerstörung von betrieblichen Strukturen auf die tatbestandliche Verwirklichung Einfluss zu nehmen und so die Struktur dahingehend abzuändern, dass ein Betrieb oder Betriebsteil nicht vorliegt174. Der Betriebsveräußerer kann somit im Vorfeld eines Betriebsübergangs durch geschickte Gestaltung seiner betrieblichen Organisation bestimmte Betriebsteile schaffen oder herauslösen, die dann kontrolliert der Rechtfolge des § 613a BGB entzogen oder unterworfen werden. Durch Aufhebung der funktionellen Verknüpfung im Hinblick auf den bisherigen Betriebszweck, können demnach Einheiten zerschlagen und damit aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 613a Abs. 1 BGB herausgenommen werden175. Besondere Vorsicht ist bei einem zeitlich engen Zusammenfallen einer Auflösung oder Bildung einer Teilbetriebsstruktur mit einem Betriebsübergang geboten. Zur Vermeidung des § 613a BGB wird daher empfohlen, dass man eine enge zeitliche Nähe zwischen der Veräußerung des Betriebsteils und Schaffung/Auflösung des Betriebsteils vermeiden sollte, um nicht den Verdacht einer Umgehung des § 613a BGB auf sich zu ziehen176. Es wird mithin nahe gelegt, die tatsächliche Veräußerung des Betriebsteils nach Schaffung oder Auflösung von Teilbetriebsstrukturen noch ein wenig hinauszuzögern, um jedenfalls in der Zeit bis zum Betriebsübergang nachweisbar dokumentieren zu können, dass tatsächlich eine von der ursprünglich vorhandenen Betriebs- oder Betriebsteilstruktur abweichende Arbeitsorganisation beim bisherigen Betriebsinhaber existent war177. So kann der Betriebsveräußerer nachweisen, dass notwendige Strukturveränderungen im Betrieb durchgeführt werden mussten178. cc) Die Umgehungsverhinderung Der Subsumtionsvorschlag des Betriebsveräußerers erfolgt auch bei diesem Gestaltungsmittel durch Tatbestandsverschleierung. Dieser wird zum Inhalt haben, dass schon kein übergangsfähiger Betrieb oder Betriebsteil vorliege. Ob dies materiell-rechtlich der Fall ist, ist im Wege der Sachverhaltserforschung und Ana174 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 450; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 114 f. 175 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 450; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 71. 176 Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 656. 177 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 451. 178 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 450; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 656.
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lyse zu ermitteln. Bei Subsumtion des feststehenden Sachverhaltes ist bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „Betrieb“, „Betriebsteil“ und „Übergang“ der mit § 613a BGB verbundene Eingriff in die Grundrechte des Veräußerers und des Erwerbers zu beachten, der nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich der Erwerber die funktionelle Verknüpfung der Betriebsmittel und des Personals auch zu eigen macht. Dies ist aber dann abzulehnen, wenn schon bei dem Veräußerer kein Betrieb- oder Betriebsteil vorhanden war. Eines Rückgriffs auf das Rechtsinstitut des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) bedarf es nicht, weil sich auch hier das Vorliegen eines Betriebes oder eines Betriebsteils im Wege der Auslegung des Sachverhaltes ermitteln lässt. Durch dieses Vorgehen kann man mittels einer Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Vorgänge einer Manipulation entgegenwirken, wenn feststeht, dass die Auflösung einer betrieblichen Struktur nur deswegen erfolgte, um den § 613a BGB zu vermeiden. Eines Rekurses auf ein eigenständiges Rechtsinstitut „Gesetzesumgehung“ bedarf es daher nicht. Zu beachten ist allerdings, dass die Auslegung des Sachverhaltes nicht dazu führen darf, dass ein Betriebsinhaber nicht mehr die Möglichkeit hat, bestimmte Betriebsteile zu schaffen oder solche aufzulösen. Dies wäre mit Artt. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Die Grenze ist nur da zu ziehen, wo ausschließlich zur unzulässigen Vermeidung des § 613a BGB ein Betriebsteil aufgelöst oder geschaffen wird. Dabei kann der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen Auflösung eines Betriebsteils und Übergang ein Indiz für eine unzulässige Umgehung des § 613a BGB sein. Ist jedoch eine Umstrukturierung bei dem Betriebsveräußerer schon vollzogen worden und wird aufgrund dieser der Betrieb auch geführt, so kann diese tatsächliche Umstrukturierung bei der Beurteilung, ob § 613a BGB vorliegt, nicht unberücksichtigt bleiben. Die Motive und die Art und Weise der Umstrukturierung, also warum ein Betriebsteil aufgelöst oder geschaffen wurde, sind nur bezüglich der tatsächlichen Umsetzung gerichtlich prüfbar und relevant179. Das Gericht kann allerdings nicht darüber urteilen, ob die unternehmerische Entscheidung wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. d) Die Zerschlagung der Betriebs- oder Betriebsteilstruktur durch den Betriebserwerber aa) Das Erfordernis der Aufrechterhaltung der organisatorischen Einheit Darüber hinaus liegt auch dann kein Betriebsübergang vor, wenn der Betriebserwerber die organisatorische Einheit nicht wie übernommen weiterführt180. Ein Betriebsübergang i. S. d. Vorschrift ist nur dann zu bejahen, wenn die bereits be179
Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 453. Erstmals BAG v. 18.3.1999 – 8 AZR 159/98, NZA 1999, 704. Zu dem Erfordernis der tatsächlichen Betriebsfortführung, Krause, ZfA 2001, 67 ff.; andere Ansicht noch BAG v. 27.4.1995 – 8 AZR 197/94, NZA 1995, 1155. 180
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stehende organisatorische Einheit bei dem Erwerber weitergenutzt wird181. Da die Statik hinsichtlich des Transaktionsobjektes den eigentlichen Kern des Betriebsübergangs ausmacht182, ist erforderlich, dass die spezifische Verknüpfung der konkreten Betriebsmittel zu einem konkreten Betriebszweck bei dem Erwerber aufrechterhalten bleibt183. Der Erwerber muss die funktionelle Verknüpfung der Betriebsmittel und des Personals genauso nutzbar machen wie der Veräußerer. Nur dann liegt ein „Übergang“ der wirtschaftlichen Einheit vor. Nicht ausreichend ist es, wenn der Übernehmer die Betriebsmittel lediglich besitzt ohne sich die konkrete funktionelle Verknüpfung, die durch den Veräußerer hergestellt wurde, nutzbar zu machen. Auch reicht es nicht aus, wenn er eine im Vergleich zum Vorgänger gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausübt184. bb) Die Umgehungsgestaltung Ausgehend von den oben beschriebenen Grundsätzen kann daher der Erwerber durch bloße Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit, durch wesentliche Veränderungen der Art der betrieblichen Aktivität, des Betriebszwecks oder des Produktionskonzepts die Identität des Betriebes zerschlagen185. Eine wesentliche Umgestaltung der organisatorischen Einheit löst dann nicht die Rechtsfolgen des § 613a BGB aus186, weil dadurch die Weiternutzung der beim Veräußerer vorhandenen betrieblichen Organisation unmöglich gemacht wird. Vielmehr kommt es dann zu einer Gründung einer geänderten oder neuen betrieblichen Struktur187. Für den Erwerber bieten sich dadurch Gestaltungsspielräume, dass die bisherige betriebliche Organisation umgeändert und damit die Identität des Betriebes oder des Betriebsteils zerstört wird. Es liegt dann ein Umgehungsgeschäft vor, wenn man trotz tatsächlicher gleicher Fortführung des Betriebes dem Subsumtionsvorschlag des Betriebserwer181 Düwell/Wichert, Arens/Düwell/Wichert, S. 627; Krause, ZfA 2001, 67, 116; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 88. 182 Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 88. 183 Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 89. 184 EuGH v. 18.3.1986 – 24/85 [Spijkers], BeckRS 2004, 72554; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 89. 185 Hausch, BB 2008, 1392, 1393. 186 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 455; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 647, 657. 187 Commandeur/Kleinebrink, NZA-RR 2004, 449, 455; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 658. Es ist jedoch zu beachten, dass der EuGH in seinem Urteil vom 12.2.2009 – C-466/07 [Klarenberg], NZA 2009, 251 trotzdem von einem Betriebsteilübergang ausgegangen ist, obwohl der übertragene Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit nicht bewahrte. Nach Ansicht des EuGH sei lediglich entscheidend, dass die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten werde und sie es dem Erwerber erlaube, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.
C. Die Vermeidung des Tatbestandes
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bers folgen und die Anwendbarkeit des § 613a BGB ablehnen würde. Das Nichteintreten der Rechtsfolge wäre dann nicht gerechtfertigt, wenn dem Betriebserwerber tatsächlich ein Vorteil in Form einer funktionierenden organisatorischen Einheit zufließt und er sich diesen auch in der konkreten Form wie der Betriebsveräußerer nutzbar macht ohne die damit verbundenen Folgen zu tragen. cc) Die Umgehungsverhinderung Ob tatsächlich eine Zerschlagung der betrieblichen Identität durch den Erwerber vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Eine unzulässige Umgehung wird somit durch Sachverhaltsanalyse und Auslegung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB verhindert, wobei die tatsächlichen Gegebenheiten ermittelt und bewertet werden müssen. So reicht es nicht aus, nur vorübergehend die Umstrukturierung zu praktizieren, um eine geänderte betriebliche Organisation lediglich vorzutäuschen188. Das Gericht hat im Wege der Auslegung des Sachverhaltes zu ermitteln, ob auch materiell eine Zerstörung der betrieblichen Identität vorliegt. Im Anschluss ist der feststehende Sachverhalt unter den Tatbestand des § 613a BGB zu subsumieren, dessen Tatbestandsmerkmale auch auszulegen sind. So hängt im Ergebnis die Anwendung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB davon ab, wie „Übergang“ und „Betrieb“ oder „Betriebsteil“ ausgelegt werden und wie der zugrundeliegende Sachverhalt zu interpretieren ist. Rechtsdogmatisch ist die Verneinung des Tatbestandes zudem konsequent. Der Betriebs- oder Betriebsteilerwerber soll nur dann mit den Arbeitsplätzen des Betriebsveräußerers belastet werden, wenn er auch als Ausgleich die betrieblichen Strukturen weiternutzt. Durch die Weiternutzung der bereits vorhandenen betrieblichen Strukturen spart sich der Erwerber Zeit und Kosten, die er sonst bei dem Aufbau einer eigenen betrieblichen Struktur hätte aufwenden müssen. Nur dieser Gewinn an Zeit und Kosten rechtfertigt es, den Erwerber mit den Arbeitsplätzen des Veräußerers zu belasten189. Eine andere Betrachtung wäre daher verfassungsrechtlich nicht vertretbar. Zu bedenken ist, dass diese Methode zur Vermeidung des Tatbestandes nicht oft gewählt wird, weil es häufig nicht dem Interesse des Erwerbers entspricht, die betrieblichen Strukturen zu verändern, da es meist die bisherigen Abläufe sind, die der neue Inhaber übernehmen will190. Das bedeutet, dass der Anreiz, den § 613a BGB durch Veränderung der betrieblichen Struktur zu umgehen, als nicht hoch einzuschätzen ist.
188 Lunk empfiehlt mindestens sechs Monate lang die tatsächliche Umgestaltung zu praktizieren, FS Arbeitsrecht, S. 645, 658. 189 Krause, ZfA 2001, 67, 85. 190 Hausch, BB 2008, 1392, 1393; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 658.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
e) Sukzessive Übertragung von einzelnen Betriebsmitteln aa) Die Umgehungsgestaltung Eng verknüpft mit der Zerschlagung der Betriebs- oder Betriebsteilstruktur ist die schrittweise Übertragung von einzelnen Betriebsmitteln191. Die gesamte organisatorische wirtschaftliche Einheit wird daher nicht auf einmal, sondern lediglich einzeln und sukzessive übertragen. Es wird demnach zur Unterbreitung des Subsumtionsvorschlages das Gestaltungsmittel der Aufteilung eines einheitlichen Rechtsgeschäftes in viele kleine Rechtsgeschäfte verwendet. Dadurch soll dem Betrachter eine isolierte rechtliche Beurteilung jedes einzelnen Rechtsgeschäftes suggeriert werden. Das Ergebnis einer solchen isolierten Betrachtung führt dazu, dass § 613a BGB mangels Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils im Sinne einer organisatorischen Einheit nicht einschlägig wäre. bb) Die Umgehungsverhinderung Einer künstlichen Aufspaltung des Übertragungsvorgangs kann man durch eine Gesamtbetrachtung und Gesamtbewertung der Vorgänge entgegentreten. Dabei werden mehrere Übertragungsvorgänge als Einheit betrachtet, wenn „die einzelnen Rechtsgeschäfte in einem inneren Zusammenhang mit einem nach einheitlichem Plan angelegten und durchzuführenden Zerstückelungsgeschäft stehen“ 192. Die Anwendung des § 613a BGB wird durch den einheitlichen Plan, der von Anfang an vorsieht, die Betriebsmittel getrennt zu übertragen und der dazu führt, dass die verschiedenen Rechtsgeschäfte als Gesamtheit zu bewerten sind, gerechtfertigt193. Die Einzelverträge sind mithin für die Sachverhaltsfeststellung zusammenzufassen und die Gesamtgestaltung ist unter den § 613a BGB zu subsumieren194. Es wird somit im Wege der Auslegung des Sachverhaltes ermittelt, ob die einzelnen Übertragungsvorgänge tatsächlich als ein Übergang eines Betriebes anzusehen sind. Die schrittweise Veräußerung einzelner Betriebsmittel an einen Erwerber, der die übernommenen Betriebsmittel wieder zu einer funktionsfähigen wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst und sich damit die funktionelle Verknüpfung der einzelnen Produktionsfaktoren wie der Veräußerer zu nutzen macht, stellt daher kein Aliud, sondern lediglich eine Unterform der Betriebsveräußerung dar195. 191
Kreitner, S. 188. So der BGH zu der Veräußerung von mehreren kleinen Grundstücken, die nur gesamt betrachtet die in der Befreiungsvorschrift bestimmte Größe überschreiten, Beschluß v. 9.7.1956 – V BLw 2/56, NJW 1956, 1637, 1638. 193 Sieker, S. 120. 194 Sieker, S. 120. 195 Derleder, AuR 1976, 129, 135. 192
C. Die Vermeidung des Tatbestandes
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2. Der rechtsgeschäftliche Übergang Im Folgenden soll nun dargestellt werden, welche rechtliche Möglichkeit denkbar ist, die Anwendung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB dadurch auszuschließen, dass die Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal „durch Rechtsgeschäft“ vereitelt wird. In diesem Zusammenhang wird in der Rechtswissenschaft der Betriebsinhaberwechsel im Wege der Zwangsvollstreckung als Umgehungsmodell genannt196. Der Tatbestand des § 613a BGB verlangt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebes oder eines Betriebsteils auf den Erwerber. Darunter wird im Allgemeinen die Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher und sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen verstanden, ohne dass unmittelbar Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen197. Nicht unter § 613a BGB fällt der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge oder durch Hoheitsakt198. Zu letzterem gehört insbesondere der Erwerb eines Grundstücks durch Zwangsvollstreckung, auf dem ein Betrieb geführt wird. Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist nicht der Betrieb, sondern sind lediglich die Mittel, die im Betrieb zu einer einheitlichen Organisation zusammengefasst sind199. Dabei ist die Zwangsversteigerung von der Zwangsverwaltung zu unterscheiden, §§ 866 Abs. 1, 869 ZPO i.V. m. §§ 15 ff., 146 ff. ZVG. a) Die Zwangsversteigerung Durch Übertragung des Eigentums an dem Grundstück, auf dem der Betrieb liegt, erwirbt der Käufer das Eigentum kraft staatlichem Hoheitsakt, § 90 Abs. 1 ZVG. Es fehlt daher an dem Tatbestandsmerkmal „rechtsgeschäftlicher Übergang200. Dabei bezieht sich der Zuschlag i. S. d. § 90 Abs. 1 ZVG nicht auf den Betrieb als Wirtschaftseinheit, sondern nur auf das Grundstück und die nach § 90 Abs. 2 ZVG miterfassten Gegenstände. Nicht erfasst von dem Zuschlag sind das Know-how, der Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill), Warenvorräte, Geschäftsbücher und damit die sonstige betriebliche Organisation in Verbindung
196 Birkholz, S. 101 ff.; Kreitner, S. 200; Mohrbutter, NZA 1985, 105, 107; Pietzko spricht vom „Schlupfloch“, S. 199. 197 Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 58. 198 Der Erbfall ist der wichtigste Fall der Gesamtrechtsnachfolge. Das Vermögen und damit der Betrieb gehen ipso iure auf den Erben über, § 1922 BGB. Auch die Unternehmensumwandlung nach dem UmwG gehört zur Gesamtrechtsnachfolge. Allerdings findet bei dieser über § 324 UmwG der § 613a BGB Anwendung, BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10, NZA 2012, 267, 268; Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 116; Schreiber, RdA 1982, 137, 142; Sieg/Maschmann, Rn. 14 ff. 199 Richardi, RdA 1976, 56, 58. 200 Birkholz, S. 102; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 64; Seiter, S. 140.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
mit dem betrieblichen Zweck201. § 613a BGB ist damit hinsichtlich der Eigentumsübertragung an dem Grundstück nicht anwendbar. Führt der Erwerber den Betrieb jedoch fort, so ist zu unterscheiden: Wird auf dem Betriebsgrundstück der Betrieb ohne Zusammenwirken mit dem bisherigen Inhaber fortgeführt, dann handelt es sich um eine Neueröffnung202. In diesem Fall nutzt der neue Inhaber lediglich die durch Zwangsversteigerung erworbenen Gegenstände, um einen eigenen Betrieb zu führen. Er macht sich nicht die funktionelle Verknüpfung der materiellen und immateriellen Betriebsmittel zu Nutzen. Der Ersteher ist damit in seiner Personalwahl frei203. Dieses Ergebnis ist auch verfassungsrechtlich geboten, da der Erwerber nur dann mit den Arbeitsplätzen belastet werden kann, wenn er gleichsam als Korrelat einen funktionierenden Betrieb erwirbt, den er nicht erst aufbauen muss204. Auch kann der Erwerber sich dafür entscheiden, die betriebliche Tätigkeit überhaupt nicht fortzusetzen. Dies wird der Erwerber machen, wenn er das Grundstück mit den erworbenen Gegenständen anderweitig nutzen möchte oder er nicht über die notwendigen fachlichen Qualifikationen verfügt, um den Betrieb weiterzuführen205. Benötigt der Ersteher jedoch zusätzliche sachliche oder immaterielle Betriebsmittel, um den Betrieb fortzuführen, die aber nicht von der Beschlagnahme umfasst sind, so kann er diese lediglich rechtsgeschäftlich von dem Vollstreckungsschuldner als bisherigem Betriebsinhaber oder vom dem Zwangsverwalter erwerben. § 613a BGB findet dann unmittelbar Anwendung206, da § 613a BGB nicht voraussetzt, dass der gesamte Betriebsübergang rechtsgeschäftlich vollzogen wird207. b) Die Zwangsverwaltung Bei der Zwangsverwaltung wird der Zwangsverwalter regelmäßig das Betriebsgrundstück an einen Dritten vermieten oder verpachten. Dieser Vorgang löst die Rechtsfolgen des § 613a BGB aus208. Möchte der Zwangsverwalter dagegen selbst den Betrieb weiterbetreiben, der sich auf dem Grundstück befindet, so ist zunächst zu prüfen, ob die Mittel, die
201 Birkholz, S. 102 f.; Kracht, S. 71; Kreitner, S. 200 m.w. N.; Pietzko, S. 200; Richardi, RdA 1976, 56, 59; Seiter, S. 140. 202 Seiter, S. 140; abweichend Kracht, S. 71 f. 203 Kreitner, S. 201. 204 Birkholz, S. 122. Der Ersteigerer „begnüge“ sich mit den ersteigerten Vermögenswerten. 205 Pietzko, S. 201. 206 BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 811/79, AP § 613a BGB Nr. 36; Pietzko, S. 201. 207 Birkholz, S. 104 f.; Pietzko, S. 201. 208 Kreitner, S. 202; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 65.
C. Die Vermeidung des Tatbestandes
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zur Betriebsfortführung notwendig sind, von der Zwangsverwaltung bereits durch Gesetz umfasst sind209. Der Umfang der Zwangsverwaltung über ein Grundstück ist gegenständlich begrenzt worden. Nach §§ 146 Abs. 1, 20 ZVG umfasst die Beschlagnahmung das Grundstück und die Gegenstände, auf welche sich bei einem Grundstück die Hypothek erstreckt, vgl. §§ 1120 ff. BGB. Nach §§ 148 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 2 ZVG umfasst die Beschlagnahmung sowohl die land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse des Grundstücks als auch die Forderungen aus einer Versicherung solcher Erzeugnisse, die Miet- und Pachtforderungen sowie die Ansprüche aus einem mit dem Eigentum an dem Grundstück verbundenen Recht auf wiederkehrende Leistungen. Die betriebliche Organisation ist von der Zwangsverwaltung damit nicht umfasst, sodass eine Betriebsfortführung durch den Zwangsverwalter nicht möglich ist210. Möchte der Zwangsverwalter also selbst den Betrieb weiterführen, der sich auf dem Grundstück befindet, dann muss er die zur Betriebsfortführung notwendige Nutzungsbefugnis hinsichtlich der Betriebsmittel vom ehemaligen Betriebsinhaber durch Rechtsgeschäft erwerben. § 613a BGB ist dann erfüllt211. Eine andere Ansicht lehnt die Anwendung des § 613a BGB ab, wenn der Gewerbebetrieb nur auf dem Grundstück ausgeübt werden kann212. In diesem Fall soll dann die sich aus § 152 Abs. 1 ZVG ergebende Pflicht der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung das Recht umfassen, einen mit dem Grundstück eng verbundenen Gewerbebetrieb fortzusetzen213. § 152 Abs. 1 ZVG statuiere die Pflicht des Zwangsverwalters, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich seien, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten. Dies umfasse auch das Recht und die Pflicht das Grundstück gemäß der bereits vorhandenen Zwecksetzung zu verwenden, also den Betrieb fortzuführen214. Die Nutzung des Grundstücks und die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit müsse daher voneinander abhängig sein215. Folglich erlange der Zwangsverwalter schon durch Hoheitsakt die Befugnis den Betrieb weiterzuführen216. Die Anwendung des § 613a BGB wäre in diesem Fall ausgeschlossen.
209
Schreiber, RdA 1982, 137, 142. BAG v. 9.1.1980 – 5 AZR 21/78, AP § 613a BGB Nr. 19; BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 811/79, AP § 613a BGB Nr. 36; Birkholz, S. 108; Drasdo, NZA 2012, 239, 240; Pietzko, S. 201. 211 BAG v. 9.1.1980 – 5 AZR 21/78, AP § 613a BGB Nr. 19; Birkholz, S. 110; Drasdo, NZA 2012, 239, 242; Kracht, S. 73; Pietzko, S. 205; Richardi, RdA 1976, 56, 60 f.; ablehnend Schreiber, RdA 1982, 137, 142. 212 Grundstück mit Parkhaus, Camping- oder Tennisplatz, Birkholz, S. 113, Fn. 57. 213 Birkholz, S. 113; Mückl/Krings, GWR 2011, 531; Pietzko, S. 202. 214 Pietzko, S. 202 m.w. N. 215 Drasdo, NZA 2012, 240. 216 Birkholz, S. 109; Pietzko, S. 203. 210
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
c) Verhinderung einer Umgehung durch Normauslegung Schließt man sich der zuletzt genannten Ansicht an, so stellt sich die Frage, ob man § 613a BGB dadurch umgehen könnte, dass bewusst die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück eingeleitet wird, das eng mit dem Gewerbebetrieb verbunden ist217. Da § 613a BGB das Arbeitsverhältnis sowohl in seinem Bestand als auch seinem Inhalt nach im Falle einer Betriebsveräußerung schützen soll, so wird dieses Schutzbedürfnis auch im Falle der Betriebsübertragung durch Zwangsverwaltung akut. Nimmt man nämlich an, dass das in § 152 Abs. 1 ZVG kodifizierte Recht auch das Recht zur Betriebsfortführung umfasst, dann entsteht durch die Zwangsverwaltung die Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes. Einer möglichen Umgehung des § 613a BGB im Wege der Zwangsverwaltung kann man jedoch dadurch die Grundlage entziehen, dass der Begriff des „rechtsgeschäftlichen Übergangs“ weit ausgelegt wird218. Bei der Auslegung der Begriffe „rechtsgeschäftlicher Übergang“ ist erneut der Sinn und Zweck dieses konkreten Tatbestandsmerkmals heranzuziehen219. Dieses soll nämlich lediglich die Gesamtrechtsnachfolge und die Übertragung aufgrund Hoheitsaktes aus dem Anwendungsbereich der Norm herausnehmen. Damit kommt diesem Merkmal lediglich eine negative Abgrenzungsfunktion zu220. So hat das LAG Bremen gänzlich auf das Erfordernis eines Rechtsgeschäftes verzichtet, weil sonst die Gefahr der Umgehung bestünde221. Da jedoch die Anordnung der Zwangsverwaltung nach § 146 Abs. 1 ZVG gerade einen Hoheitsakt darstellt, kann man durch Auslegung des § 613a BGB eine Umgehung nicht verhindern. Vielmehr ist daher § 152 Abs. 1 ZVG einschränkend auszulegen und zwar dahingehend, dass die Aufgabe des Verwalters nicht die Betriebsfortführung umfasst. Aufgrund der daraus resultierenden gegenständlichen Beschränkung der Zwangsverwaltung ist damit die Zustimmung des Schuldners für die Betriebsfortführung durch den Zwangsverwalter erforderlich222. Auf diesen Fall ist dann
217
Zu diesem Gedanken, Birkholz, S. 120. Nach Besgen ist überhaupt keine rechtliche Beziehung erforderlich. Auch müsse das zugrundeliegende Rechtsgeschäft nicht wirksam sein, AiB 1986, 131, 133. Dazu auch Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 184. 219 Schreiber, RdA 1982, 137, 142 f. 220 BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 230/10, NZA 2012, 267; Birkholz, S. 118; Willemsen/ HWK, § 613a BGB Rn. 186. 221 LAG Bremen v. 6.2.1987 – 4 Sa 328/85, BeckRS 1987 30456820. A. A. LAG Köln v. 11.5.1999 – 10 Sa 14/99, NZA 2000, 36; LAG Niedersachsen v. 25.2.2010 – 5 Sa 1567/09, BeckRS 2010, 72275. 222 BAG v. 9.1.1980 – 5 AZR 21/78, AP § 613a BGB Nr. 19; BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 811/79, AP § 613a BGB Nr. 36; Drasdo, NZA 2012, 239, 243; Vollkommer, Anmerkung zu BAG v. 9.1.1980 – 5 AZR 21/78, AP § 613a BGB Nr. 19; Willemsen/ HWK, § 613a BGB Rn. 209. 218
C. Die Vermeidung des Tatbestandes
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§ 613a BGB anwendbar223. Eine Umgehung des § 613a BGB im Wege der Zwangsverwaltung wird damit unterbunden.
III. Zusammenfassung Der Tatbestand des § 613a BGB ist immer mit Blick auf die mit dieser Vorschrift verbundenen Rechtsfolgen auszulegen. Entscheidend ist also auf der Ebene der Tatbestandsvermeidung, dass die erheblichen wirtschaftlichen Belastungen, die mit der Überleitung der Arbeitsverhältnisse verbunden sind, nur dann gerechtfertigt sind, wenn der Erwerber als Kompensation die Vorteile aus einem laufenden betrieblichen Prozess zieht, den er sich sonst durch Investition von Zeit und Kosten selbst hätte aufbauen müssen224. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit des Erwerbers in Gestalt der Übernahme der Arbeitnehmer muss sich also dadurch finanzieren lassen225, dass er sich die vom Betriebsveräußerer bisher erbrachte „Koordinierungsleistung“ zu Eigen macht226. Unter Zugrundelegung des im zweiten Kapitel herausgearbeiteten materiellen Umgehungsbegriffs (normativer Widerspruch zwischen dem Anwendungsbereich oder Ziel einer Norm und dem Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen) ist bei der Abgrenzung von zulässiger Vermeidung des Tatbestandes des § 613a BGB und unzulässiger Umgehung demnach von letzterem auszugehen, wenn sich der Betriebserwerber diese funktionelle Verknüpfung von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln tatsächlich nutzbar macht, ohne die Arbeitnehmer zu übernehmen. Ihm wird also dieser Vorteil in Form einer betrieblichen Organisation zur Verfügung gestellt, dessen Früchte er auch zieht, ohne allerdings die damit im Zusammenhang stehenden arbeitsrechtlichen Pflichten zu tragen. Fließt somit dem Betriebserwerber ein solcher Vorteil zu, ohne dass er zugleich die Arbeitnehmer übernimmt, so stellt dies eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Bereicherung dar. Die Vorteilsgewährung in Form der Übernahme einer funktionierenden organisatorischen Einheit ohne die gleichzeitige Übernahme der damit zusammenhängenden Arbeitsplätze stellt einen normativen Widerspruch, mithin eine Gesetzesumgehung dar. Wird also im Zusammenhang mit § 613a BGB auf Tatbestandsebene von „Gesetzesumgehung“ gesprochen, so umschreibt auch hier der Begriff einen Widerspruch zwischen dem Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen und der materiellen Rechtlage. Dieser rechtsmethodisch vorliegende Widerspruch würde dann perpetuiert werden, wenn man bei materiell-rechtlichem Vorliegen eines 223 Birkholz räumt der Vorschrift § 152 ZVG Vorrang ein und lehnt aus diesem Grund eine Umgehung des § 613a BGB ab, S. 121. 224 Krause, ZfA 2001, 67, 85. 225 Krause, ZfA 2001, 67, 85; Preis, RdA 2000, 257, 277. 226 Annuß, BB 1998, 1582, 1585; Willemsen/Annuß, Anmerkung zu BAG v. 17.7. 1997 – 8 AZR 156/95 (B), DB 1997, 1875, 1877.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Betriebsübergangs dem Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen folgen und die Anwendbarkeit des § 613a BGB ablehnen würde. Aufgrund der Konzeption des Tatbestandes durch Anknüpfung an abstrakte ausfüllungsbedürftige Begriffe, ist eine Umgehung auf Tatbestandsebene nur durch Verschleierung der Tatbestandsmerkmale möglich. Die Mittel zur Tatbestandsverschleierung sind die Funktionsnachfolge, die Betriebsstilllegung, die Veränderung und Auflösung von Betriebsstrukturen durch den Erwerber oder Veräußerer und die sukzessive Übertragung von Betriebsmitteln. Der Subsumtionsvorschlag erschöpft sich daher auch hier lediglich in der schlichten unzutreffenden Qualifizierung eines rechtlichen Vorgangs. Dieser ist jedoch unverbindlich und daher für die objektiv vorzunehmende rechtliche Beurteilung unerheblich (iura novit curia). Freilich können die Betriebsveräußerungsparteien den Sachverhalt so konstruieren, dass eine Subsumtion in einer für sie günstigen Art und Weise erfolgt. Ob der Rechtsanwender ihrem Subsumtionsvorschlag folgen wird, hängt jedoch ausschließlich von der materiellen Rechtslage und von dem auszulegenden Sachverhalt ab. Rechtsmethodisch erfolgt die Gesetzesumgehung hier gleich zu Beginn des Rechtsfindungsprozesses und zwar bei der Frage, ob der Tatbestand einer Norm erfüllt ist oder nicht. Es geht hier also nicht um die Umgehungsfälle, in denen sich der Normunterworfene auf das materiell rechtlich auch vorliegende Rechtsgeschäft beruft und die Frage im Raum steht, ob die Anwendung einer Norm im Widerspruch zu dem gesetzlichen Gesamtkontext steht. Die eben behandelten Fälle beschreiben Umgehungskonstellationen, in denen schon von vornherein problematisch ist, ob der Tatbestand des § 613a BGB erfüllt ist. Allerdings unterscheidet sich die Verschleierung des Tatbestandes des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB insofern von der Verschleierung des Vorkaufsfalles, als dass § 613a BGB keinen konkreten Vertragstyp verlangt, sondern an einen rechtlichen Vorgang anknüpft, den der Normumgeher zu verschleiern versucht, indem er einen bestimmten Sachverhalt rechtlich zu seinen Gunsten qualifiziert. Die Gesetzesumgehung wird jedoch gleich im Wege der Auslegung des Sachverhaltes und der Norm entlarvt und rechtlich zutreffend qualifiziert. Ein Rückgriff auf §§ 117, 134, 138, 242 BGB ist nicht möglich und auch nicht notwendig227.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen Bei Unternehmensumstrukturierungen wird das Problem der Anwendbarkeit des § 613a BGB meist nicht eindeutig zu beantworten sein228. Das hängt damit zusammen, dass der Tatbestand des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB – wie bereits festge-
227 228
Gaul, Schluss, Rn. 94, 104 ff. Birkholz, S. 23; Pietzko, S. 17, 27; Willemsen/W/H/S/S, G Rn. 83.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
235
stellt – weit gefasst ist und die Auslegung der Begriffe maßgeblich durch den EuGH geprägt ist. Eine eindeutige Linie der Rechtsprechung des EuGH ist allerdings nicht erkennbar. Damit besteht Rechtsunsicherheit, sodass es bei nicht eindeutigen Fallgestaltungen schwierig sein kann, die Situation arbeitsrechtlich richtig zu beurteilen und durch aktive Einflussnahme die gewünschten Rechtsfolgen herbeizuführen229. Es müssen mögliche Konfliktlagen erkannt werden und die Entscheidung der Arbeitsgerichte oder des EuGH zuverlässig prognostiziert werden. Dies stellt trotz der umfangreichen Judikatur zu § 613a BGB eine scheinbar nicht zu bewältigende Aufgabe dar. Auch ist nie eindeutig erkennbar, an welchem Merkmal der Betriebsübergang in einem bestimmten Fall scheitert, weil die Ablehnung des Tatbestandes meist kumulativ erfolgt. Grund dafür ist die vom BAG geforderte „Sieben-Punkte-Prüfung“ an die sich eine Gesamtbetrachtung anschließt230. Dies hat zur Folge, dass der Tatbestand des § 613a BGB lediglich zu einer Generalklausel geworden ist, mit der Betriebsübergänge bejaht oder verneint werden können, was für den Vertragsgestalter mit einem erheblichen Prozessrisiko verbunden ist231. Die gezielte zulässige Vermeidung des Tatbestandes ist nur in wenigen Fällen eindeutig (Share Deal)232. Daher soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob nicht die individualarbeitsrechtlich eintretenden Rechtsfolgen des § 613a BGB zulässig vermieden oder abgemildert werden können. Der § 613a Abs. 1 S. 1 BGB ordnet auf individualvertraglicher Ebene das Eintreten des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Es existieren damit zwei grundsätzliche Möglichkeiten, die Rechtsfolgen zu modifizieren. Entweder ist der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Übergangs nicht mehr im übergehenden Betrieb oder Betriebsteil beschäftigt oder es bestehen einzelne Rechte des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Übergangs des Betriebes oder des Betriebsteils nicht mehr. Bei Ersterem wird das Arbeitsverhältnis also vor Betriebsübergang aufgelöst, während bei Letzterem lediglich bestimmte Rechte nicht mehr vorhanden sind, die übergehen können. Auch hier ist daher zu untersuchen, wo die Grenze zwischen zulässiger Rechtsfolgenvermeidung und unzulässiger Umgehung liegt. Da – wie bereits festgestellt – die Rechtsfolgen des § 613a BGB bei Erfüllung des Tatbestandes zwingend eintreten, können Betriebserwerber und Betriebsveräußerer diese nicht zu Lasten des betroffenen Arbeitnehmers abbedingen233. Bei 229 Kissel, RdA 1994, 323, 331; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 83. 230 Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 10 f. 231 Fischer, Betriebsübergang, S. 23; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 85; ders./HWK, § 613a BGB Rn. 217. 232 Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 646. 233 Davon unberührt bleiben freilich interne zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber getroffene Regelungen, Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 190.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
der Modifizierung der zwingend eintretenden Rechtsfolgen hängt daher der Erfolg der Konstruktion wegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB maßgeblich von der wirksamen Beteiligung des Arbeitnehmers ab.
I. Das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis Es sollen zunächst die Möglichkeiten dargestellt werden, das Arbeitsverhältnis trotz der Regelung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB aufzuheben. Scheidet der Arbeitnehmer vor dem Betriebsübergang aus dem Betrieb aus, so fällt er aus der von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB angeordneten Rechtsfolge heraus. Die Rechtsfolge des Eintretens des neuen Arbeitgebers in das Arbeitsverhältnis entfaltet somit hinsichtlich des einen konkreten Arbeitsverhältnisses keine Wirkung. 1. Die Kündigung wegen des Betriebsübergangs Nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist eine von dem bisherigen oder neuen Betriebsinhaber ausgesprochene Kündigung wegen des Betriebsübergangs unwirksam. Dies schließt aber nicht das Recht aus, eine Kündigung aus anderen Gründen auszusprechen, § 613a Abs. 4 S. 2 BGB. Als spezialgesetzliche Regelung des Umgehungsverbots234 soll die Norm verhindern, dass der in § 613a Abs. 1 S. 1 BGB zwingend normierte Übergang des Arbeitsverhältnisses dadurch umgangen wird, dass der bisherige Betriebsinhaber oder der Erwerber wegen des Betriebsübergangs das Arbeitsverhältnis beendet und dadurch die zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehenden Schutzmechanismen gem. § 613a Abs. 1 und 2 BGB aushebelt235. Das BAG236 sieht in dem Kündigungsverbot einen selbständigen Unwirksamkeitsgrund i. S. d. § 13 Abs. 3 KSchG. Danach finden die §§ 1 bis 3 KSchG und §§ 8 bis 14 KSchG keine Anwendung, wenn eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs erfolgt237. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich dann unmittelbar aus § 613a Abs. 4 S. 1 BGB. a) Auslegung des Kündigungsverbots anhand des Normzwecks Um den Begriff der „Kündigung . . . wegen des Übergangs . . .“ auslegen zu können, ist erneut ein Blick auf den Normzweck zu werfen. Der § 613a BGB 234
Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 372 m.w. N.; Gaul, FS Schwerdtner, S. 653,
655. 235
Dreher/B/D/H, § 613a BGB Rn. 240. BAG v. 31.1.1985 – 2 AZR 530/83, NZA 1985, 593; BAG v. 26.8.1999 – 8 AZR 827/98, NZA 2000, 371, vgl. dazu auch Annuß/Lembke, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung in der Insolvenz, S. 44. 237 Gaul, FS Schwerdtner, S. 653, 654 f. 236
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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soll unter anderem den Bestand des Arbeitsverhältnisses als solchen schützen238. Es würde diesem Schutzzweck zuwiderlaufen, wenn man dem Betriebserwerber ein Ablehnungsrecht in Bezug auf einzelne Arbeitnehmer mit der Konsequenz der Kündigung durch ihn oder den Veräußerer zubilligen würde239. Dem Kündigungsverbot in § 613a Abs. 4 BGB kommt daher insoweit eine Komplementärfunktion zu240. In Ergänzung zu dem in § 613a Abs. 1 BGB angeordneten Bestandsschutz soll § 613a Abs. 4 BGB verhindern, dass dieser durch eine Kündigung umgangen wird241. Das in diesem Absatz kodifizierte Kündigungsverbot dient also dem Arbeitnehmer den Bestand und den Inhalt seines Arbeitsverhältnisses zu sichern242. b) Das Kausalitätsproblem Unter Berücksichtigung dieses Normzwecks ist nun herauszuarbeiten, wie weit das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 BGB reicht. Dabei kommt es entscheidend auf die Kausalitätsbeziehung zwischen Kündigung und Betriebsübergang an. Eine Kündigung fällt dann unter § 613a Abs. 4 BGB, wenn die Motivation für die Kündigung ausschließlich in dem bevorstehenden Betriebsübergang liegt, also wesentlich durch den Betriebsinhaberwechsel bedingt war243. Eine reine Ursächlichkeit des Betriebsübergangs für die Kündigung reicht dagegen nicht aus, um einen Verstoß gegen § 613a Abs. 4 BGB annehmen zu können244. Vielmehr ist die subjektive Seite des Arbeitgebers entscheidend, also seine Motive für den Ausspruch der Kündigung245. Jenes schließt eine Berücksichtigung objektiver Umstände freilich nicht aus, da das Motiv des Arbeitgebers regelmäßig nur aus objektiven Umständen erschlossen werden kann. Dabei muss der Betriebsübergang das allein ursächliche Motiv für den Kündigungsentschluss sein246. Zum einen ergibt sich eine solche Begründung aus dem Wortlaut der Richtlinie 2001/23/EG, deren Art. 4 Abs. 1 bestimmt, dass der Übergang als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung darstellt. Zum anderen ist eine solche enge Betrachtung erforderlich, um eine klare 238
BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091. BAG v. 2.10.1974 – 5 AZR 504/73, AP § 613a BGB Nr. 1. 240 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091. 241 Willemsen/W/H/S/S, H, Rn. 89. 242 Sieg/Maschmann, Rn. 20, 23. 243 BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, AP § 613a BGB Nr. 34; Gaul, FS Schwerdtner, S. 653, 655 f. 244 BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, AP § 613a BGB Nr. 34. 245 Lipinski, NZA 2002. 75, 77. Lipinski begründet den subjektiven Ansatz mit den Formulierungen in §§ 611a Abs. 1 S. 1, 612 Abs. 3 BGB a. F. (jetzt §§ 7 Abs. 1, 1 AGG), bei denen ein subjektiver Maßstab anerkannt ist. Aufgrund der sich ähnelnden Formulierungen liege es nahe, einen solchen auch bei einer Kündigung wegen des Betriebsübergangs in § 613a Abs. 4 S. 1 BGB zu Grunde zu legen. 246 Gaul, FS Schwerdtner, S. 653, 657. 239
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Abgrenzung zu der Kündigung nach § 613a Abs. 4 S. 2 BGB zu ermöglichen247. Würde man das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB im Falle der Mitursächlichkeit greifen lassen, so würden sich die Grenzen zwischen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB und § 613a Abs. 4 S. 2 BGB verlieren248. 2. Der Abschluss von Aufhebungsverträgen Aufgrund der Regelung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB wird der Betriebsveräußerer anders als durch Arbeitgeberkündigung das Arbeitsverhältnis beenden müssen, wenn er nicht will, dass das Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber übergeht. Es wird daher abweichend von dem Wortlaut des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB versucht entweder durch Eigenkündigung der Arbeitnehmer oder durch Aufhebungsvertrag249 den Anwendungsbereich des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB zu vermeiden (Lemgoer Modell)250. Zunächst ist darzulegen, warum der Abschluss eines Aufhebungsvertrags auch im Rahmen eines Betriebsübergangs eine grundsätzlich zulässige Möglichkeit ist, den Eintritt der Rechtsfolgen des § 613a BGB in Bezug auf einen bestimmten Arbeitnehmer zu verhindern. a) Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Aufhebungsvertrags Der § 613a BGB verbietet nicht grundsätzlich den Abschluss von Aufhebungsverträgen, sondern ist aufgrund der Vertragsfreiheit zulässig251. Dabei wird teilweise vertreten, dass es eines sachlichen Grundes bedarf, um die Wirksamkeit des Vertrags anzunehmen252. Dieses Erfordernis hat das BAG jedoch zu Recht abgelehnt. Wenn der Vertrag auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers gerichtet sei, dann bedürfe es keiner sachlichen Berechtigung für den Abschluss des Vertrags253. Insbesondere, wenn der Arbeitnehmer den Übergang seines Ar247
Lipinski, NZA 2002, 75, 77 f. Willemsen, ZIP 1983, 411, 413. 249 Im Folgenden wird ausschließlich von „Aufhebungsvertrag“ gesprochen, da bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitnehmerkündigung keine andere rechtliche Beurteilung erfolgt. 250 Dies zeigt Keller-Stoltenhoff in einer Studie, Keller-Stoltenhoff, S. 56. Nach dieser stellt der Abschluss von Aufhebungsverträgen für Konkursverwalter die entscheidende Maßnahme dar, um die Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB zu vermeiden, dazu auch Pietzko, S. 183 ff. 251 BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZI 2013, 313, 315; Birkholz, S. 73; Hanau, ZIP 1998, 1817, 1821; Kracht, S. 149; Posth, S. 64; Seiter, S. 98. Für die Kündigung durch den Arbeitnehmer ergibt sich das aus Artt. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG und einfachgesetzlich aus §§ 620 Abs. 2, 622 BGB. Die Privatautonomie gewährleistet ihm das grundsätzliche Recht eine Eigenkündigung auszusprechen. 252 Falkenberg, DB 1980, 783, 784; Kracht, S. 152. 253 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422; der Abschluss eines Aufhebungsvertrags als solcher sei nicht funktionswidrig, Willemsen, NZA 2013, 242, 244. 248
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beitsverhältnisses durch Ausübung des Widerspruchs (§ 613a Abs. 6 BGB) verhindern kann, bestehen gegen Vereinbarungen, die auch auf die Verhinderung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses gerichtet sind, keine Bedenken254. Das Erfordernis eines sachlichen Grundes besteht bei dem Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB auch nicht. Ferner kann die Motivation des Arbeitnehmers, an einer solchen Konstruktion mitzuwirken, in einer hohen Abfindungszahlung bestehen255. Einer solchen Vereinbarung steht daher § 613a Abs. 4 S. 1 BGB grundsätzlich nicht entgegen. Der Arbeitnehmer kann frei durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und damit „bedingungslos“ auf seine erworbenen Anwartschaften und Rechte verzichten, solange der Aufhebungsvertrag auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers gerichtet ist256. b) Der Aufhebungsvertrag verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage Von einem endgültigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb ist nicht auszugehen, wenn mit Abschluss des Aufhebungsvertrags dem Arbeitnehmer zugleich vertraglich zugesichert wird, bei dem Betriebserwerber wieder eingestellt zu werden257. Aber auch ohne ausdrückliche Wiedereinstellungszusage, kann der Abschluss eines Aufhebungsvertrags rechtlich bedenklich sein, wenn im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang ein neuer Arbeitsvertrag mit dem Betriebserwerber geschlossen wird. In diesem Fall wird das Problem der Umgehung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB virulent258, weil durch diese Vorgehensweise der Übergang der Rechte der Arbeitnehmer nach § 613a Abs. 1 BGB, die gesamtschuldnerische Haftung nach § 613a Abs. 2 BGB und das Entstehen der mit dem Widerspruchsrecht verbundenen Rechte und Verpflichtungen nach § 613a Abs. 5 und 6 BGB verhindert werden. c) Analyse Es ist daher zu prüfen, warum der Aufhebungsvertrag, der auf das endgültige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet ist, als wirksam behandelt wird, während der mit einer Wiedereinstellungszusage verbundene Aufhebungsvertrag regelmäßig unwirksam ist. 254 BAG v. 29.10.1975 – 5 AZR 444/74, AP § 613a BGB Nr. 2; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 191. 255 Gaul, § 20, Rn. 203; Kreitner, S. 190; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 191; „Vergoldung“ der Arbeitnehmerentscheidung aus dem Betrieb auszuscheiden, Willemsen, NZA 2013, 242, 245. 256 BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152, 154; Willemsen, NZA 2013, 242, 244. 257 Birkholz, S. 88 ff. 258 BAG v. 28.4.1987 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Der Sinn und Zweck des Kündigungsverbotes besteht darin, die Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 und 2 BGB abzusichern, indem angeordnet wird, dass der Betriebserwerber in die Haftungsposition des Betriebsveräußerers tritt259. Der von § 613a Abs. 1 und 2 BGB angeordnete Bestandsschutz würde leerlaufen, wenn der Betriebserwerber oder Betriebsveräußerer wegen des Betriebsübergangs kündigen dürfte. Nach dem oben dargestellten Unterschied zwischen Ziel und Zweck einer Norm, lässt sich bei § 613a BGB feststellen, dass das Ziel des § 613a Abs. 4 BGB über den Zweck der Norm hinausgeht. Während die Ermittlung des Zwecks des § 613a Abs. 1 und 2 BGB noch aus dem Wortlaut der Norm abgeleitet werden muss („Kündigung“), unterliegt die Bestimmung des Ziels nicht der Wortlautgrenze. Ziel des § 613a Abs. 4 BGB ist es grundsätzlich jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern, die ausschließlich darauf gerichtet ist, die Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 und 2 BGB zu vereiteln. Indes muss auch berücksichtigt werden, dass der Arbeitnehmer unter Berufung auf seine Vertragsfreiheit die Möglichkeit haben muss, sich vom Arbeitsverhältnis zu lösen. Es bestehen also zwei diametral zueinanderstehende Interessen. Auf der einen Seite existiert der von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB angeordnete Bestandsschutz und damit das Interesse des Gesetzgebers den Arbeitnehmer in einer bestimmten Situation zu schützen. Auf der anderen Seite steht die Vertragsfreiheit des Schutzsubjektes, also des Arbeitnehmers. Dieser hat grundsätzlich unter Berufung auf seine Vertragsfreiheit das Recht einen Aufhebungsvertrags abzuschließen. Da die Versagung der Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG darstellt, ist dieser rechtfertigungsbedürftig. aa) Die Lösungsansätze in der Rechtswissenschaft (1) Das endgültige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und das Risikogeschäft Die Rechtsprechung geht dann von der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags260 aus, wenn mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags ausschließlich die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bezweckt wird, wobei gleichzeitig der Arbeitsplatz dadurch erhalten bleibt, dass ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber vereinbart wird261. Das BAG macht somit die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags von dem endgültigen Ausscheiden aus dem Betrieb abhängig262. Ob ein endgültiges Ausscheiden vorliegt, hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer und der Betriebserwerber zum Zeitpunkt des Abschlusses
259 260 261 262
Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 153. Das Gleiche gilt für Eigenkündigungen. BAG v. 27.9.2012 – 8 AZR 826/11, NZA 2013, 961, 964. BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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des Aufhebungsvertrags bereits ein neues Arbeitsverhältnis begründet haben oder dem Arbeitnehmer ein solches verbindlich in Aussicht gestellt worden ist. In diesem Fall sei der Aufhebungsvertrag ausschließlich auf die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses gerichtet und habe darüber hinaus keine eigenständige Funktion263. Die Frage ist daher, wann eine verbindliche Einstellungszusage anzunehmen ist, die zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags führt. Eine verbindliche Einstellungszusage soll nach der Rechtsprechung des BAG jedenfalls dann nicht vorliegen, wenn der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung für den Arbeitnehmer ein sogenanntes „Risikogeschäft“ darstellt, also für ihn nicht sicher sei, dass er einen Arbeitsplatz bei dem Betriebserwerber erhält264. Eine unzulässige Gesetzesumgehung sei aber dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers und unter Hinweis auf eine geplante Betriebsveräußerung und auf bestehende Arbeitsplatzangebote des Betriebserwerbers die Kündigung ausspricht oder den Aufhebungsvertrag abschließt. In diesem Fall liege für den Arbeitnehmer kein Risikogeschäft vor265. Der Ansicht des BAG ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Kriterien des endgültigen Ausscheidens und des Risikogeschäftes zu unbestimmt sind. Problematisch sind nämlich die Fälle, in denen der Arbeitnehmer in Kenntnis des Betriebsübergangs zunächst einen Aufhebungsvertrag abschließt, sich im Anschluss einem regulären Bewerbungsverfahren bei dem Betriebserwerber stellt und eingestellt wird. Sehr zweifelhaft ist es hier den Aufhebungsvertrag mit dem Betriebsveräußerer als unwirksam zu behandeln266. (2) Die Verhinderung der Gesetzesumgehung Wird festgestellt, dass der Aufhebungsvertrag für den Arbeitnehmer kein Risikogeschäft darstellt und damit lediglich der künstlichen Unterbrechung des Arbeitsvertrags dient, so wird der Aufhebungsvertrag als unwirksam behandelt. Dazu werden in der Rechtswissenschaft unterschiedliche Ansätze vertreten. (a) Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot Bei der Umgehung des § 613a BGB stellt die Arbeitsgerichtsbarkeit als Rechtsfolge häufig auf § 134 BGB ab, kommt also zur Nichtigkeit des Rechtsge263
BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147. BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152, 153; BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203. Willemsen hält dieses „Kriterium“ nicht für tauglich, um Rechtssicherheit zu schaffen, NZA 2013, 242, 243. 265 BAG v. 28.4.1987 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147. 266 Willemsen, NZA 2013, 242, 244 f. 264
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
schäftes267. Das BAG268 geht davon aus, dass die Aufhebungsverträge gegen ein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB verstoßen. Nach den oben gewonnen Erkenntnissen ist diese Begründung dogmatisch nicht überzeugend, da sich die Unwirksamkeit einer Kündigung schon selbst aus § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ergibt, es also nicht auf § 134 BGB ankommt. (b) Anwendung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB auf Aufhebungsverträge § 613a Abs. 4 BGB regelt ausschließlich die Unwirksamkeit von „Kündigungen“ und nicht von Aufhebungsverträgen. Denkbar ist jedoch die Norm über ihren Wortlaut („Kündigung“) hinaus teleologisch erweiternd auszulegen. Dabei ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu fragen, der darin liegt, durch ein Kündigungsverbot den Übergang der Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübertragungen sicherzustellen269. Daraus folgt, dass auch Aufhebungsverträge aus Anlass des Betriebsübergangs verboten sind, wenn sie vom Betriebsveräußerer oder Betriebserwerber allein deswegen veranlasst werden, um dem bestehenden Kündigungsverbot auszuweichen. Es ist jedoch zu beachten, dass der Wortlaut des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB nur „Kündigungen“ umfasst und keine „Aufhebungsverträge“. Die Grenze der Auslegung ist der Wortlaut270. Auch ergibt sich aus § 623 BGB, dass der Gesetzgeber zwischen diesen beiden Formen der Vertragsbeendigung differenziert. Zudem geht die Rechtsprechung auch davon aus, dass ein Aufhebungsvertrag grundsätzlich wirksam ist, wenn dieser auf das endgültige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet ist. Dies gilt auch dann, wenn er wegen des Betriebsübergangs abgeschlossen wurde, wenn beispielsweise der Arbeitnehmer nicht bei dem neuen Arbeitgeber arbeiten möchte. Eine extensive Auslegung des Begriffs „Kündigung“ i. S. d. § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ist daher nicht möglich271. (c) Die analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB Mangels direkter Anwendbarkeit des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB wäre eine analoge Anwendung denkbar. Problematisch in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass der Arbeitnehmer bei Abschluss des Aufhebungsvertrags mitwirkt. Dies steht der vergleichbaren Interessenlage entgegen. Während der § 613a Abs. 4 S. 1 BGB den Arbeitnehmer vor einseitigen Beendigungen schützt, wird bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags auch der Arbeitnehmer aktiv und wirkt bei sei267
BAG v. 28.4.1987 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198; Kracht, S. 157. BAG v. 28.4.1987 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198, 199. 269 BAG v. 28.4.1987 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198, 199 m.w. N. 270 Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 467 f., 472 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 366. 271 Sieker geht von einer teleologischen Extension des § 613a Abs. 4 BGB aus, S. 93. 268
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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nem eigenen Ausscheiden mit. Die Interessenlagen bei einer Kündigung wegen eines Betriebsübergangs und der Abschluss eines Aufhebungsvertrags wegen eines Betriebsübergangs sind grundlegend verschieden. Mangels vergleichbarer Interessenlage ist damit eine Analogie nicht möglich. Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags in Verbindung mit einer verbindlichen Einstellungszusage bei dem Betriebserwerber wird weder gegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB in direkter noch in analoger Anwendung verstoßen. (d) Drucksituation Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass der Arbeitnehmer – unabhängig von den §§ 104 ff., 119 ff., 134, 138, 242 BGB – entgegen seinem ausdrücklich geäußerten Willen geschützt werden muss272. Eine Drucksituation, die den Arbeitnehmer in seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, liegt jedoch nicht vor, weil der Arbeitnehmer vor einseitigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen durch das KSchG ausreichend geschützt ist. Der legislatorische Eingriff durch den Gesetzgeber in Form der Kodifizierung von Arbeitnehmerschutzgesetzen beseitigt die ursprünglich bestehende Machtasymmetrie und stellt im Ergebnis wieder ein Machtgleichgewicht her. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrags besteht damit kein strukturelles Ungleichgewicht, weil der Arbeitgeber rechtlich keine Möglichkeit besitzt das Arbeitsverhältnis einseitig zu beenden. (e) Die Anwendung des § 117 BGB Teilweise wird die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags mit § 117 Abs. 1 BGB begründet273. So wird behauptet, dass sich Betriebserwerber und Betriebsveräußerer lediglich der von dem Arbeitnehmer erworbenen Rechte entledigen wollen und daher „eigentlich“ keine Auflösung der Arbeitsverhältnisse anstreben. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei damit nur ein Scheingeschäft und somit nach § 117 Abs. 1 BGB unwirksam274. Dem ist allerdings nicht zuzustimmen, da es dem Betriebsveräußerer bei dem Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitnehmer darauf ankommt, das Arbeitsverhältnis auch tatsächlich (zunächst) zu beenden. Ohne Auflösung des Arbeitsverhältnisses wäre eine Vermeidung der Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB nicht denkbar. Genauso verhält es sich mit dem Neuabschluss eines Arbeitsvertrags 272 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147 f.; BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZI 2013, 313, 315; andeutend, Karthaus/Richter/HK-ArbR, 613a BGB Rn. 106, 233 f.; Kracht, S. 152; Treber/KR, § 613a BGB Rn. 202. 273 Ernst, S. 143. 274 Ernst, S. 143. Zugleich steht er aber der Lehre von der Gesetzesumgehung nicht abgeneigt gegenüber, da diese sachgerechte Ergebnisse gewährleistet.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber. Auch letzterem geht es darum, den Arbeitnehmer einzustellen. bb) Eigener Lösungsansatz Da in bestimmten Fällen das Kriterium des „endgültigen Ausscheidens“ und des „Risikogeschäftes“ nicht immer zu billigen Ergebnissen führt, ist zu untersuchen, ob gegebenenfalls unter Berücksichtigung des rechtstechnischen Mittels, das zur Umgehung eingesetzt wird, ein zweckmäßigeres Unterscheidungskriterium herausgearbeitet werden kann. Es ist daher aufgrund der im zweiten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse ein eigener Lösungsansatz zu entwickeln, mit dem eine praxistauglichere Abgrenzung zwischen zulässiger Rechtsgestaltung und Umgehungsgeschäft vorgenommen werden kann. Dabei ist auf der ersten Stufe zu prüfen, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt. (1) Die erste Stufe: Das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes Zur Ermittlung eines Umgehungsgeschäftes ist zunächst ein Vergleich zwischen dem Subsumtionsvorschlag und dem Ziel der Norm vorzunehmen. Der Subsumtionsvorschlag von Betriebserwerber, Betriebsveräußerer und betroffenem Arbeitnehmer geht dahingehend, dass zunächst ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird, der das Arbeitsverhältnis beendet und schließlich ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber eingegangen wird. Bei der Ermittlung des Ziels des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB ist Ausgangspunkt § 613a Abs. 4 S. 1 BGB. Bei der Auslegung des in § 613a Abs. 4 S. 1 BGB statuierten Kündigungsverbotes ist zunächst zwischen Weg- und Erfolgsverbot zu unterscheiden. Es muss der Frage nachgegangen werden, ob eine andere Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Betriebsübergangs generell unzulässig sein soll. Der Gesetzgeber kann nämlich durch eine Norm entweder generell den Erfolg (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) oder lediglich eine bestimmte Geschäftsart verhindert haben wollen275. Der § 613a Abs. 4 S. 1 BGB verbietet allerdings nur arbeitgeberseitige Kündigungen und damit nur eine bestimmte Geschäftsart. § 613a Abs. 4 S. 1 BGB steht damit grundsätzlich arbeitnehmerseitigen Kündigungen und Aufhebungsverträgen nicht entgegen. In einem weiteren Schritt muss sodann geprüft werden, ob die fehlende Anwendbarkeit des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB bei arbeitnehmerseitigen Kündigungen oder Aufhebungsverträgen mit dem Normzweck vereinbar ist. In diesem Zusammenhang ist erneut die Unterscheidung zwischen dem Ziel und dem Sinn/Zweck einer Norm hilfreich. § 613a Abs. 4 BGB soll nicht nur vor arbeitgeberseitigen Kündigungen schützen, sondern vor jeglicher Beendigung des Arbeitsverhältnis275
Enneccerus/Nipperdey, S. 1161.
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ses, die ausschließlich zum Zweck der Verhinderung des Übergangs der Rechte und Pflichten nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist zu akzeptieren. Durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder Ausspruch einer arbeitnehmerseitigen Kündigung mit verbindlicher Wiedereinstellungszusage wird dieses Ziel konterkariert. Das ausschließliche Abstellen auf den Abschluss dieser beiden Verträge, reicht allerdings nicht aus, um der Konstruktion die Wirksamkeit wegen unzulässiger Gesetzesumgehung zu versagen, weil diese auch unabhängig voneinander hätten abgeschlossen werden können. Mit Blick auf die Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers bedarf es daher eines weiteren Korrektivs276. Der Umgehungscharakter der beiden Verträge und der damit verbundene Wertungswiderspruch folgt aus der anfänglichen und finalen oder zweckgerichteten Verknüpfung von Aufhebungsvertrag und Wiedereinstellungszusage bei dem Betriebserwerber im Rahmen eines dreiseitigen Vertrags277. Das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (Ausweichgeschäft) und die Neueinstellung durch den Betriebserwerber (Korrekturgeschäft) bezwecken den Eintritt von sich diametral zueinanderstehenden Rechtsfolgen278. Dieser Vertrag oder ein vorher gefasster Plan, auf dem das Gesamtkonzept beruht, verbindet die einzelnen rechtlichen Transaktionen miteinander279. Die an sich isoliert zu betrachtenden Rechtsgeschäfte werden also durch die auf einem Gesamtplan beruhende anfängliche konditionale Verknüpfung von Aufhebungs- und Neuanstellungsvertrag280 zu einem unzulässigen Umgehungsgeschäft. Durch die finale Konnexität des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer mit dem anschließendem Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber wird ausschließlich die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses unterbrochen. Einer über die künstliche Unterbrechung hinausgehende Bedeutung kommt dem Aufhebungsvertrag mit anschließendem Neuabschluss eines Arbeitsvertrags dann nicht zu, weil das Arbeitsverhältnis sowieso nach § 613a Abs. 1 BGB übergehen würde281. Der einzige Grund für die Verwendung dieser gegenläufigen Gestaltungen liegt in der Vermeidung der zwingenden Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB282. Es liegt damit eine unzulässige Umgehung des § 613a Abs. 1 und 4 BGB vor, die rechtsmethodisch verhindert werden muss. 276 Böckli verweist in FS Cagianut auf die Vielgestaltigkeit menschlicher Handlungsziele und Handlungsformen hin, S. 289, 303. 277 Kracht, S. 197; zu dem Erfordernis der subjektiven Verknüpfung, Schurig, FS Ferid, S. 375, 403 f. 278 Böckli, FS Cagianut, S. 289, 299. 279 Sieker, S. 124. 280 Zu dem subjektiven Moment bei Vorliegen von gegenläufigen Gestaltungen, Böckli, FS Cagianut, S. 289, 304; Willemsen, NZA 2013, 242, 245. 281 Kreitner, S. 197; Willemsen, NZA 2013, 242, 244; a. A. Pietzko S. 183 f. 282 Ernst, S. 143.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
(2) Die zweite Stufe: Die Verhinderung der Gesetzesumgehung im Wege der „Saldierungsmethode“ Zu prüfen ist nun, wie dem Umgehungsgeschäft (oder besser: den Umgehungsgeschäften) rechtsdogmatisch die Wirksamkeit zu versagen ist. Unter Bezugnahme auf die im zweiten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse, hängt die Umgehungsverhinderung auch davon ab, mit welchem rechtlichen Gestaltungsmittel der Subsumtionsvorschlag unterbreitet wird. Im Falle des „Lemgoer“-Modells bedient sich hier der Normunterworfene der sogenannten gegenläufigen Gestaltung. Einerseits kommt es zu der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer (Ausweichgestaltung)283 und andererseits wird der Arbeitnehmer durch den Betriebserwerber (Korrekturgestaltung) wieder eingestellt284. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags wird der Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB dadurch ausgewichen, dass der Arbeitnehmer zunächst aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Übernimmt dann ein Betriebserwerber den Betrieb, so hat das keine Auswirkungen auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis wird durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit dem Betriebserwerber revidiert und damit korrigiert. Nach dem Betriebsübergang stellt also der Betriebserwerber die ehemaligen Arbeitnehmer neu ein und führt den alten Betrieb fort285. Die Rechtsfolge des § 613a BGB würde im Hinblick auf dieses Arbeitsverhältnis nicht eintreten. Würde man dieser Konstruktion nicht die Wirksamkeit versagen, so würde das erzielt werden, was der Gesetzgeber mit der Kodifizierung des § 613a BGB vermeiden wollte: Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses ohne gleichzeitigen Übergang von Rechten und Pflichten286. Diese legislatorische Grundentscheidung ist jedoch nicht revidierbar. Der suggerierten isolierten Betrachtung ist im Wege einer Gesamtbetrachtung entgegenzuwirken, sodass im Wege der „Saldierungsmethode“ 287 ein rechtlich fiktiver Sachverhalt der Subsumtion zugrunde zu legen ist. Es wird daher so getan, als ob der Arbeitnehmer noch immer im übergehenden Betrieb beschäftigt ist. Folglich findet § 613a BGB unmittelbar Anwendung und der Arbeitnehmer ist so zu behandeln, als ob er nie den Betrieb verlassen hätte.
283 Wird kein Aufhebungsvertrag, sondern eine arbeitnehmerseitige Kündigung ausgesprochen, so stellt diese die Ausweichgestaltung dar. 284 Ernst, S. 143; Kreitner, S. 197. 285 Kracht sieht in der Eigenkündigung und in der späteren Wiedereinstellung durch den Betriebserwerber sachlich einen einheitlichen Vorgang. Die Spaltung dieses Vorgangs erfolgt ausschließlich zum Zwecke der Vermeidung des automatischen Übergangs aller Arbeitsverhältnisse einschließlich aller Rechte und Pflichten, S. 155. 286 Ernst, S. 143. 287 Gaul, Schluss, Rn. 94; Sieker, S. 123.
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(3) Die Unbeachtlichkeit der Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Umgehungsgestaltung Der Umstand, dass der Arbeitnehmer regelmäßig an dieser Umgehungskonstruktion mitwirken wird, ist unerheblich. Zutreffend ist, dass es dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Vertragsfreiheit nicht verwehrt ist, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen oder eine Eigenkündigung auszusprechen. Jedoch ist der Arbeitnehmer im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG auch dann zu schützen, wenn er zugleich einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Betriebserwerber abschließt. Durch den Abschluss dieser beiden Verträge, die auf diametral gegensätzliche Rechtsfolgen abzielen, verhält sich der Arbeitnehmer widersprüchlich. Es besteht kein berechtigtes Interesse für den Abschluss des Aufhebungsvertrags, weil das Arbeitsverhältnis schon ipso iure nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergegangen wäre. Die Vertragsfreiheit muss in diesem Fall zurückstehen, weil der Aufhebungsvertrag dann ausschließlich der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses dient288. Es ist unerheblich, dass der Arbeitnehmer möglicherweise eine Abfindung erhält, weil der Gesetzgeber mit § 613a BGB zum Ausdruck bringt, dass die Verknüpfung des Arbeitsplatzes mit dem Betrieb im Falle eines Betriebsübergangs höhere Priorität genießt als ein möglicher finanzieller Ausgleich. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist zu respektieren, sodass auch der Arbeitnehmer über diese legislatorisch getroffene Grundwertung nicht verfügen kann. Die Unerheblichkeit der Mitwirkung des Arbeitnehmers führt auch nicht zu einem legislatorischen Zwangsschutz. Zutreffend ist, dass die Vorschrift ausschließlich den Schutz vor Fremdgefährdung bei Vorliegen eines Betriebsübergangs intendiert und somit regelmäßig eine mögliche Selbstbenachteiligung nicht ausschließt289. Daher ist es auch nach der hier vertretenen Ansicht möglich, vor Betriebsübergang aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden (echter Verzicht). Die Grenze ist nur dort zu ziehen, wo es ausschließlich darum geht, den gesetzgeberischen Willen zu konterkarieren. Dies ist immer dann zu bejahen, wenn die Arbeitsvertragsparteien in der Gesamtschau zum Ausdruck bringen, dass ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht das Ziel der Vereinbarung ist (unechter Verzicht). 3. Der Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Eine weitere Möglichkeit, die Rechtsfolgen des § 613a BGB durch vorzeitiges Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb zu modifizieren, besteht in dem Einsatz einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG)290. Durch 288
Im Ergebnis so auch Kreitner, S. 197. Birkholz, S. 72; Pietzko, S. 38, 180; Posth, S. 62; Seiter, S. 98. A. A. Karthaus/ Richter/HK-ArbR, 613a BGB Rn. 106. 290 Oder „Beschäftigungsgesellschaft“, „Qualifizierungsgesellschaft“, „Transfer- und Personalentwicklungsgesellschaft“. Annuß/Lembke, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung in der Insolvenz, S. 49 ff.; Birkholz, S. 97 ff.; Gaul/Ludwig, DB 2011, 298, 300; von 289
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
den Einsatz einer BQG wird die Komplexität des Umgehungsproblems erhöht, weil nicht nur das Gestaltungsmittel des Ausweich- und Korrekturgeschäftes eingesetzt wird, sondern darüber hinaus noch ein Dritter (hier: die BQG) zwischengeschaltet wird. Die BQG hat das Ziel, Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber in Zukunft aus betriebsbedingten Gründen kündigen muss, bei der Suche nach einer Folgebeschäftigung zu unterstützen291. Zu diesem Zweck werden die Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (§ 111 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III) zusammengefasst, in welcher die Eingliederungschancen der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt durch Qualifizierungsmaßnahmen verbessert werden292. a) Die Umgehungsgestaltung Insgesamt erfolgt die Vermeidung des § 613a BGB in vier Schritten293. Zunächst werden mit den Arbeitnehmern Aufhebungsverträge abgeschlossen mit dieser Option wird vor allem bei der Übertragung von insolvenzgefährdeten Betrieben Gebrauch gemacht, Lembke, BB 2004, 773 ff.; Thum, BB 2013, 1525. 291 Andres, Andres/Leithaus, Vor. § 113 InsO Rn. 6; „Alternative zur Arbeitslosigkeit“, Kania, Personalbuch, Beschäftigungsgesellschaft, Rn. 1; Schweibert/W/H/S/S, C, Rn. 250a; Sieg/Maschmann, Rn. 602 ff.; Stück, MDR 2005, 361. 292 Der Arbeitnehmer erhält zudem unter den Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 S. 1 SGB III Transferkurzarbeitergeld, aber nur für eine Dauer von maximal 12 Monaten, § 111 Abs. 1 S. 2 SGB III. Der Vorteil für den Arbeitgeber liegt darin, dass er durch Überleitung der Belegschaft sein Personal abbauen kann. Zudem scheiden bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags die betroffenen Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt einheitlich trotz unterschiedlicher Dauer der Betriebszugehörigkeit aus. Dabei werden Auslauflöhne eingespart, die sonst bei ordentlichen Kündigungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist angefallen wären, Pils, NZA 2013, 125; Schweibert/W/H/S/S, C, Rn. 250a. Auch besteht bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags keine Verpflichtung zur Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG, Stück, MDR 2005, 361, 362. Die Personalkosten, die allerdings über die Zahlungen der Agentur für Arbeit hinausgehen (Sozialversicherungsbeiträge, Vergütung an Urlaubs- und Feiertagen) muss der Arbeitgeber tragen, der die Arbeitnehmer an die BQG abgegeben hat (Remanenzkosten), Gaul/Otto, NZA 2004, 1301, 1306; Däubler/Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 258; Kania, Personalbuch, Beschäftigungsgesellschaft, Rn. 4; Krieger/Fischinger, NJW 2007, 2289, 2290; Stück, MDR 2005, 361, 364; Thum, BB 2013, 1525. 293 Ob durch den Einsatz einer BQG der Tatbestand des § 613a BGB vermieden oder lediglich die Rechtsfolgen modifiziert werden, hängt davon ab, ob ein betriebsmittelarmer oder betriebsmittelreicher Betrieb vorliegt. Bei einem betriebsmittelarmen oder personalintensiven Betrieb besteht schon tatbestandlich kein Betriebsübergang, weil der ursprüngliche Betrieb und die BQG einen unterschiedlichen Betriebszweck verfolgen (Tatbestandsvermeidung). Liegt ein betriebsmittelreicher Betrieb vor, so wird der Tatbestand des § 613a BGB durch die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel durch den Betriebserwerber (Auffanggesellschaft/Investor) erfüllt. Allerdings geht ein Betrieb ohne Personal über, weil dieses vorher durch die BQG eingestellt wurde (Rechtsfolgenmodifizierung). Vorliegend soll von einem betriebsmittelintensiven Betrieb ausgegangen werden, bei dem sich die Betriebsstruktur durch Ausscheiden der Arbeitnehmer nicht ändert.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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der Folge, dass die Arbeitnehmer aus dem Betrieb scheiden. Als zweiter Schritt erfolgt die Einstellung der ausgeschiedenen Arbeitnehmer in die BQG. Der Übergang des Arbeitnehmers von dem alten Arbeitgeber zur BQG erfolgt regelmäßig durch dreiseitige Vereinbarung294. Dazu kann der Arbeitgeber mit einem externen Dienstleister295 einen Kooperationsvertrag schließen. Mit dem Arbeitgeber wird das einvernehmliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vereinbart und gleichzeitig tritt der Arbeitnehmer – teilweise auch nur befristet296 – in die BQG ein297. Dann geht der ursprüngliche Betrieb ohne Arbeitnehmer auf den Erwerber (Auffanggesellschaft/Investor) über. Als Letztes erfolgt die Übernahme der Belegschaft durch die Auffanggesellschaft aus der BQG. Wechselt der Arbeitnehmer von dem zu veräußernden Betrieb zur BQG und dann von der BQG zu dem zwischenzeitlich veräußerten Betrieb, so stellen diese Vorgänge keinen Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB dar. Tatbestandlich verlangt der § 613a BGB, dass eine eigenständige organisatorische wirtschaftliche Einheit des Veräußerers auf den Erwerber übertragen wird und dieser diese Einheit unverändert tatsächlich fortführt298. Meist fehlt es jedoch in Fällen eines betriebsmittelreichen Betriebes schon an der Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit, wenn nur das Personal übergeht.299 Auch mangelt es häufig an der unveränderten Fortführung der wirtschaftlichen Einheit, weil der Betriebszweck der BQG sich im Wesentlichen von dem des vorherigen Arbeitgebers unterscheiden wird. In der BQG werden die Arbeitnehmer qualifiziert und vermittelt und damit ihre Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert, während bei dem bisherigen Arbeitgeber regelmäßig produziert oder Dienstleistungen angeboten wurden300. Aufgrund des unterschiedlichen Betriebszwecks liegt daher weder bei 294 Fischer, NZA 2002, 536, 539; Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 645; Raif/Ginal, GWR 2013, 1; Stück, MDR 2005, 361, 362 f.; Thum, BB 2013, 1525. 295 Bei einer externen BQG gehört diese nicht zum bisherigen Arbeitgeber. Vielmehr stellt diese einen eigenständigen Rechtsträger dar. Dagegen gehört die interne BQG zum Unternehmen des Arbeitgebers, Krieger/Fischinger, NJW 2007, 2289; Stück, MDR 2005, 361, 362. 296 Das Transferkurzarbeitergeld der Agentur für Arbeit, mit dem die BQG hauptsächlich finanziert wird, wird nur für maximal 12 Monate gezahlt, § 111 Abs. 1 S. 2 SGB III. Daher wird der Vertrag nur für diese Dauer befristet. Auch steht § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht entgegen, weil keine Vorbeschäftigung besteht. 297 Dabei ist umstritten, ob es sich um einen Arbeitsvertrag handelt. Lembke (BB 2004, 773, 775) vertritt die Ansicht, es handle sich um einen Arbeitsvertrag. A. A. Pils, NZA 2013, 125, Fn. 12. 298 EuGH v. 11.3.1997 – C-13/95 [Ayse Süzen], NZA 1997, 433; BAG v. 18.9.2014 – 8 AZR 733/13, NZA 2015, 97, 99. 299 Däubler/Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 263; Gaul/ Kliemt, NZA 2000, 674, 675; Krieger/Fischinger, NJW 2007, 2289; Stück/Volker, MDR 2005, 361, 362. 300 Gaul/Kliemt, NZA 2000, 674, 675; Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 645; Krieger/ Fischinger, NJW 2007, 2289; Lembke, BB 2004, 773, 776; Stück/Volker, MDR 2005, 361, 362 f.
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dem Übergang der Arbeitnehmer in die BQG noch bei dem Übergang der Arbeitnehmer von der BQG in den Betrieb des Erwerbers ein Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB vor. Dagegen wird die Übernahme der materiellen Betriebsmittel und gegebenenfalls immateriellen Betriebsmitteln durch die Auffanggesellschaft regelmäßig einen Betriebsübergang darstellen301. Allerdings wird sich der Betriebsübergang nicht auf die bereits in die BQG transferierten Arbeitnehmer auswirken, da zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Auffanggesellschaft kein Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitnehmern und dem Veräußerer mehr besteht302. b) Die Reaktion der Rechtsprechung Die schlichte Anwendung des Gesetzestextes steht einer solchen Konstruktion nicht entgegen. Die Rechtsprechung hat jedoch erkannt, dass der gesetzgeberische Zweck, die Sicherung des Arbeitsplatzes trotz Betriebsübergangs, nicht erreicht wird, wenn das BQG-Modell ausschließlich zur Umgehung des § 613a BGB eingesetzt wird. Das BAG303 hat daher folgenden Kriterien aufgestellt, die erfüllt sein müssen, um eine unzulässige Gesetzesumgehung zu verhindern. aa) Das Risikogeschäft Auch bei Zwischenschaltung einer BQG macht das BAG die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags davon abhängig, ob aus der Sicht des Arbeitnehmers ein sogenanntes Risikogeschäft vorliegt304. Dem Arbeitnehmer dürfe bei Abschluss des Aufhebungsvertrags305 nicht verbindlich ein Arbeitsverhältnis bei dem Betriebserwerber in Aussicht gestellt oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber begründet werden306. Der 301
Gaul, § 20, Rn. 208; Lembke, BB 2004, 773, 776. Lembke, BB 2004, 773, 777. 303 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145; BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866. 304 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97, NZA 1999, 422, 424; Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 646; Krieger/Fischinger, NJW 2007, 2289, 2291; Pils, NZA 2013, 125, 126; Raif/ Ginal, GWR 2013, 1, 2. Dem Kriterium ablehnend gegenüber steht Karthaus/Richter/ HK-ArbR, § 613a BGB Rn. 236. 305 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147. Teilweise wird vertreten, die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags mit der Begründung zu verneinen, dass die Entscheidung des Arbeitnehmers, nicht mehr an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterarbeiten zu wollen, nicht autonom erfolgte. Der Arbeitnehmer will seinen Arbeitsplatz tatsächlich nicht verlieren, Karthaus/Richter/HK-ArbR, 613a BGB Rn. 236; Steffan/APS, § 613a BGB Rn. 198. Dies ist allerdings abzulehnen, weil die vom Arbeitnehmer abgegebene Willenserklärung im Rahmen der §§ 104 ff., 119 ff., 134, 138 BGB wirksam ist. 306 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147; BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866; BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152 302
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Arbeitnehmer müsse nicht mehr als eine „Hoffnung“ haben, bei dem Betriebserwerber eingestellt zu werden307. Scheidet der Arbeitnehmer also endgültig aus dem Betrieb aus, so nehmen die Vertragsparteien durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags lediglich ihre verfassungsrechtlich abgesicherte Vertragsfreiheit wahr308. bb) Die Mindestverweildauer Des Weiteren wird die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags auch von der Zeit, die der Arbeitnehmer in der BQG verbracht hat, abhängig gemacht309. Verweilt beispielsweise der Arbeitnehmer nach Abschluss des Aufhebungsvertrags nur eine sehr kurze Zeit in der BQG und wird im Anschluss in dem übergegangenen Betrieb eingestellt, dann hat es den Anschein, dass der Arbeitnehmer nur in der BQG „zwischengeparkt“ wurde310. Dieses Kriterium ist jedoch bei der Beurteilung, ob § 613a BGB umgangen wurde, nicht sachgerecht, weil es letztlich darauf ankommt, ob die Parteien die Aufnahme der Qualifizierungsmaßnahmen durch die BQG überhaupt ernsthaft beabsichtigt haben311. Auch Pils312 geht davon aus, dass das Kriterium der Mindestverweildauer nicht brauchbar sei, um eindeutig zu entscheiden, ob § 613a BGB umgangen wurde. Eine starre Mindestverweildauer in der BQG als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Aufhebungsvertrag anzunehmen, ist nicht handhabbar, vor allem wenn man berücksichtigt, dass die Arbeitnehmer verschieden qualifiziert sind und daher unterschiedlich lange brauchen, um in der BQG einen bestimmten Qualifikationsstatus zu erreichen313. verneint das BAG ein Risikogeschäft, wenn die Chance, eingestellt zu werden, bei 77,9% liegt. Krieger/Fischinger, NJW 2007, 2289, 2291. 307 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 148; Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 647. 308 Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 646. 309 Fuhlrott, NZA 2012, 549, 552; Raif/Ginal, GWR 2013, 1, 2; Thum, BB 2013, 1525, 1527. 310 Teilweise wird bei Aufhebungsverträgen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Insolvenz stehen, als Mindestverweildauer auf die Kündigungsfrist nach § 113 InsO abgestellt. Bei einer Kündigung, die vom Insolvenzverwalter ausgesprochen wird, hat dieser grundsätzlich eine dreimonatige Kündigungsfrist einzuhalten, § 113 S. 2 InsO. Erfolgt der Abschluss des Aufhebungsvertrags nicht im Zusammenhang mit einer Insolvenz, so soll die Verweildauer des Arbeitnehmers in der BQG über der für den Veräußerer zu beachtenden Kündigungsfrist liegen, Fuhlrott, NZA 2012, 549, 552; Pils, NZA 2013, 125, 129; Raif/Ginal, GWR 2013, 1, 3; so teilweise auch die Rechtsprechung, BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866, 868. 311 Schweibert/W/H/S/S, C, Rn. 250a. 312 NZA 2013, 125, 129. 313 Fuhlrott, NZA 2012, 549, 552; Thum, BB 2013, 1525, 1527. Auch ist auf den Sinn und Zweck der §§ 111, 112 SGB III abzustellen, der darin liegt die Arbeitnehmer möglichst schnell auszubilden und auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Dies würde der These widersprechen, dass eine möglichst lange Verweildauer in der BQG gegen eine
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Jedoch kann nach Ansicht des BAG314 eine relativ kurze Verweildauer in der BQG ein Indiz darstellen, dass die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses lediglich künstlich unterbrochen wurde, um § 613a BGB zu umgehen. Die Dauer der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses und damit verbunden die Dauer der Beschäftigung in der BQG kann aber nicht allein entscheidend sein. Im Ergebnis ist dem BAG zuzustimmen, wenn es nicht ausschließlich auf die Verweildauer abstellt, sondern eine Art Gesamtbetrachtung vornimmt. Eine kurze Verweildauer kann ein Indiz für eine Schein-BQG und damit für die unzulässige Umgehung des § 613a BGB sein. Ergibt sich für den Arbeitnehmer kurzfristig doch eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung oder erfolgt die Qualifizierungsmaßnahme innerhalb eines kurzen Zeitraums, so ist nicht einzusehen, den Arbeitnehmer in der BQG zu belassen, nur um dem Anschein der Umgehung entgegenzuwirken. cc) Die Umgehung der Sozialauswahl Teilweise315 wurde die Wirksamkeit der Aufhebungsverträge bei Zwischenschaltung einer BQG auch davon abhängig gemacht, ob der Betriebserwerber die Arbeitnehmer aus der BQG unter Berücksichtigung der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einstellt. Mache er das nicht, dann werde nicht nur § 613a BGB316, sondern auch § 1 Abs. 3 KSchG umgangen, wenn der Betriebserwerber sich unabhängig von § 1 Abs. 3 KSchG sein eigenes Personal zusammenstellen könne317. Daher müsse der Betriebserwerber bei der Auswahl seiner Arbeitnehmer aus der BQG an die Kriterien nach § 1 Abs. 3 KSchG gebunden sein318. Die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags davon abhängig zu machen, ob der Betriebserwerber unter Beachtung des § 1 Abs. 3 KSchG sein Personal zusamunzulässige Umgehung des § 613a BGB spricht. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwangsläufige Aufenthaltsdauer eines Arbeitnehmers in der BQG die erfolgreiche Fortführung des Unternehmens gefährden könnte. Der Betriebserwerber könnte die Produktion nicht wiederaufnehmen. Eine Mindestverweildauer würde eine sanierende Betriebsübernahme unmöglich machen, Pils, NZA 2013, 125, 129; Rolfs/ErfK, § 111 SGB III Rn. 1; Thum, BB 2013, 1525, 1527. 314 BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152, 155. 315 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145; BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866; Steffan/APS, § 613a BGB Rn. 198; Kania, Personalbuch, Beschäftigungsgesellschaft, Rn. 7. 316 BAG v. 11.12.2008 – 2 AZR 395/07, NZA 2009, 556, 557 f. § 613a BGB solle auch verhindern, dass der Übernehmer bei der Übernahme der Belegschaft eine Auslese treffe; er solle sich insbesondere nicht von den besonders schutzbedürftigen älteren, schwerbehinderten, unkündbaren oder sonst sozial schwächeren Arbeitnehmern trennen können. 317 Karthaus/Richter/HK-ArbR, 613a BGB Rn. 236; Steffan/APS, § 613a BGB Rn. 198. 318 Fuhlrott, NZA 2012, 549, 552; Pils, NZA 2013, 125, 129; Steffan/APS, § 613a BGB Rn. 198.
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menstellt, ist nicht überzeugend. § 1 Abs. 3 KSchG regelt unmittelbar nur die Sozialwahl, die der Arbeitgeber bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zu treffen hat. So muss er bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers die in § 1 Abs. 3 KSchG kodifizierten Grundsätze beachten. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt dagegen freiwillig, sodass der Arbeitnehmer seinen gesetzlichen Kündigungsschutz selbst aufgibt319. Der Arbeitnehmer ist nicht gezwungen den Aufhebungsvertrag abzuschließen. Verweigert er den Abschluss, dann bleibt er im übergehenden Betrieb und geht so auf den Erwerber über. Zudem kann er sich mittels der Anfechtungsvorschriften (§§ 119 ff. BGB) von dem Aufhebungsvertrag lösen, falls er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde320. Zudem wird die unterschiedliche Motivation bei einer Kündigung und bei einer Einstellung verkannt. Da bei einer betriebsbedingten Kündigung die Störung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung von Arbeitnehmern beseitigt werden soll, ist § 1 Abs. 3 KSchG zu beachten, der darauf abstellt, dass erst die Arbeitnehmer gekündigt werden sollen, die die besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, weil sie beispielsweise noch jung und ledig sind. § 1 Abs. 3 KSchG geht also davon aus, dass der Schaden bei Arbeitnehmern, der durch eine Kündigung entsteht, unterschiedlich hoch ausfallen kann. Bei einer Einstellung jedoch sucht sich der Arbeitgeber regelmäßig (spiegelbildlich zu § 1 Abs. 3 KSchG) möglichst sozial starke Arbeitnehmer aus. Aufgrund dieser unterschiedlichen Schutzzweckrichtung des § 1 Abs. 3 KSchG kann bei einem Aufhebungsvertrag und anschließender Einstellung der Arbeitnehmer aus der BQG nicht von einer Umgehung des § 1 Abs. 3 KSchG gesprochen werden321. Auch ist es rechtsdogmatisch nicht vertretbar die Aufhebungsverträge und die Neueinstellungen aus der BQG an § 1 Abs. 3 KSchG zu messen, weil § 1 Abs. 3 KSchG nicht den Abschluss von Aufhebungsverträgen verbietet, sondern nur dann greift, wenn betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden müssen und eine Auswahl zu treffen ist, welchem Arbeitnehmer zu kündigen ist322. Der Vorteil für den Betriebserwerber besteht freilich darin, dass er in seinem neu erworbenen Betrieb unabhängig von § 1 Abs. 3 KSchG die betriebliche Alters- und Leistungsstruktur verbessern kann. Allerdings sind dann die Vorgaben des AGG zu beachten. Übernimmt beispielsweise der Betriebserwerber aus der BQG nur jüngere Arbeitnehmer, dann besteht die Möglichkeit der Benachteili319
Fuhlrott, NZA 2012, 549, 552, Thum, BB 2013, 1525, 1528. Fuhlrott, NZA 2012, 549, 553; Raif/Ginal, GWR 2013, 1, 3. 321 Raif/Ginal, GWR 2013, 1, 3, der zutreffend davon ausgeht, dass § 1 Abs. 3 KSchG den Arbeitnehmer vor einseitigen Maßnahmen des Arbeitgebers schützen soll und nicht vor rechtlichen Gestaltungen, an denen der Arbeitnehmer mitwirkt. 322 Zutreffend daher Fuhlrott, NZA 2012, 549, 552 f.; ders., GWR 2013, 97; Thum, BB 2013, 1525, 1528. 320
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gung wegen des Alters nach §§ 7, 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG. In diesem Fall trägt der Erwerber das Risiko, Schadensersatzansprüchen nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG ausgesetzt zu sein323. Zu Recht hat daher das BAG in zwei neueren Entscheidungen nicht mehr auf dieses Kriterium abgestellt324. c) Bewertung aa) Die rechtlichen Gestaltungsmittel zur Umgehung Durch die Einschaltung eines Dritten und durch die Aufspaltung des Betriebsübergangs in mehrere Stufen, eignet sich der Einsatz einer BQG zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 613a BGB. Da bei betriebsmittelarmen Betrieben325 zwischen Betriebsveräußerer und BQG einerseits und Betriebserwerber und BQG andererseits aufgrund der unterschiedlichen betrieblichen Zwecke kein Betriebsübergang vorliegt, kann § 613a BGB dadurch zulässig vermieden werden, dass die Arbeitnehmer zunächst bei der BQG „geparkt“ werden, der Betrieb ohne Arbeitnehmer auf den Erwerber übergeht und schließlich der neue Arbeitgeber seine bevorzugten Arbeitnehmer aus der BQG übernimmt326. Er ist dabei nicht in seiner Auswahl beschränkt und kann daher auch die Löhne selbst bestimmen und gegebenenfalls befristete Arbeitsverträge abschließen. Er ist damit nicht an die Veränderungssperre nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB oder an das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 BGB gebunden. Das BQG-Modell kombiniert mithin verschiedene typische Umgehungsmodelle. Zum einen wird durch den Einsatz einer BQG ein dritter Rechtsträger zwischengeschaltet. Der Einsatz eines Dritten eignet sich zur Tatbestandvermeidung immer dann, wenn der Tatbestand an ein bestimmtes personenbezogenes Merkmal anknüpft. Die BQG als dritter Rechtsträger erfüllt aufgrund des mangelnden identischen betrieblichen Zwecks bei Übernahme des Personals nicht das Merkmal des Betriebserwerbers. Zum anderen wird durch das Ausscheiden aus dem Veräußererbetrieb und der Neueinstellung bei dem Erwerber der Betriebsmittel 323 Krieger/Fischinger, NJW 2007, 2289, 2292. Zu beachten ist darüber hinaus, dass bei Einschaltung einer externen BQG und wenn eine erhebliche Anzahl von Arbeitnehmern betroffen ist, der Betriebsrat gegebenenfalls nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG zu beteiligen ist. Dagegen scheidet im Fall einer externen BQG eine Mitbestimmung nach §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG aus, weil diese nur die Zuweisung innerhalb des Unternehmens betrifft. 324 BAG v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10, NZA 2012, 152; BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203. 325 Bei Übertragung eines betriebsmittelintensiven Betriebes geht die wirtschaftliche Einheit ohne Arbeitnehmer auf den Betriebserwerber über, weil diese vor dem Übergang bei der BQG eingestellt werden. 326 BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866; Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 645; Kania, Personalbuch, Beschäftigungsgesellschaft, Rn. 5; Krieger/Fischinger, NJW 2007, 2289; Raif/Ginal bezeichnen dies als „simplen Trick“, GWR 2013, 1.
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das Mittel der gegenläufigen Gestaltung verwendet. Die Ausweichgestaltung umfasst das Ausscheiden aus dem Betrieb unter gleichzeitiger Neueinstellung in die BQG, während das Korrekturgeschäft die Wiedereinstellung durch den Betriebserwerber aus der BQG zum Gegenstand hat, das die Wirkungen der ersten Maßnahme wieder rückgängig macht. Der Betriebsübergang wird dadurch aufgeteilt und ein einheitlicher Lebensvorgang aufgespaltet. Lediglich in einer Gesamtschau verwirklichen die beteiligten Parteien den Tatbestand des § 613a BGB327. bb) Die Feststellung des Umgehungsgeschäftes Während bei der sukzessiven Übertragung von Betriebsmitteln die Gesetzesumgehung im Wege einer Gesamtbetrachtung und Bewertung des Sachverhaltes verhindert wird, ist eine solche wertende Betrachtung bei dem Einsatz einer BQG nicht ohne weiteres möglich. Beide Konstellationen unterscheiden sich. Der Grund, Betriebsmittel sukzessive zu übertragen, besteht ausschließlich darin, eine isolierte Betrachtung der einzelnen Rechtsgeschäfte zu suggerieren, um den Betriebsübergang zu vermeiden, sodass bei dieser Konstellation eine Gesamtbetrachtung geboten ist. Dies ist bei dem Einsatz einer BQG anders. Der Gesetzgeber sieht nämlich ausdrücklich die Möglichkeit der Ausgliederung von Personal in eine BQG vor. Eröffnet der Gesetzgeber dem Normunterworfenen die Möglichkeit von einem rechtlich zulässigen Institut Gebrauch zu machen, so ist dies im Grunde zu respektieren. Zulässig ist es aus dem Arbeitsverhältnis einvernehmlich auszuscheiden (Artt. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Zudem wird verfassungsrechtlich durch Artt. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG gewährleistet, die Betriebsmittel an einen Investor zu veräußern. Auch die anschließende Einstellung der Arbeitnehmer aus der BQG durch den Investor, genießt verfassungsrechtlichen Schutz (Artt. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Isoliert betrachtet sind die einzelnen Vorgänge verfassungsrechtlich legitim und daher nicht zu beanstanden, sodass es nicht möglich ist, im Wege einer Gesamtbetrachtung den aufgespalteten Übergang des Betriebs über einen Dritten als Einheit zu behandeln. Richtiger dogmatischer Anknüpfungspunkt ist daher erneut der von dem Arbeitnehmer und dem Betriebsveräußerer abgeschlossene Aufhebungsvertrag. Um eine praxistaugliche Abgrenzung zwischen zulässiger Rechtsgestaltung und echter Gesetzesumgehung zu ermöglichen, macht die Rechtsprechung die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags von den bereits oben genannten Voraussetzungen abhängig328. Es kommt somit auch hier darauf an, ob das Ausscheiden aus dem Betrieb aus der Sicht der Arbeitnehmer ein Risikogeschäft darstellt, die Arbeitnehmer also nicht davon ausgehen konnten, von dem Investor wieder eingestellt zu werden. 327 328
Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 646. BAG v. 25.10.2012 – 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Das Abstellen auf das endgültige Ausscheiden eines Arbeitnehmers ist jedoch – wie bereits erwähnt – nicht auf alle Fallgestaltungen übertragbar und damit nicht zu verallgemeinern. Man stelle sich den Fall vor, dass der Arbeitnehmer ausscheidet, von der BQG eingestellt wird und im direkten Anschluss von dem Erwerber übernommen wird, ohne dass dies von vornherein beabsichtigt war. Dies könnte den Erwerber veranlassen, bewusst Abstand von der Einstellung von Arbeitnehmern aus der BQG zu nehmen. Vielmehr ist auf die zweckgerichtete Verknüpfung der einzelnen Rechtsgeschäfte abzustellen. Erst aus der konditionalen Verknüpfung der einzelnen Transaktionen, die auf einem Gesamtplan beruht, wird das Problem der Gesetzesumgehung virulent, wenn das Zwischenschalten einer BQG nur zum Zwecke der unzulässigen Umgehung des § 613a BGB erfolgt. Wenn die einzelnen Vorgänge beruhend auf einem Gesamtplan von Anfang an final miteinander verknüpft sind, um das mit § 613a BGB verfolgte Ziel zu vereiteln, dann ist von einem unzulässigen Umgehungsgeschäft auszugehen. Indizien für einen solchen Gesamtplan329 sind eine verbindliche Zusage zur Übernahme durch den Betriebserwerber und eine kurze Verweildauer in der BQG330. Das endgültige Ausscheiden und die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen stellen mithin lediglich Indizien im Rahmen einer Gesamtbeurteilung dar, führen aber nicht zwingend zur Annahme einer unzulässigen Gesetzesumgehung. 4. Die Kündigungen aufgrund eines Erwerberkonzepts Bei den Kündigungen aufgrund eines Erwerberkonzepts (Erwerberkonzeptkündigung) handelt es sich um eine weitere Möglichkeit, die Rechtsfolgen des § 613a BGB zu vermeiden. Dabei geht es auch hier nicht um die Vereitelung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 613a BGB, sondern um die Abänderung der eintretenden Rechtsfolge des § 613a BGB. Es gehen nicht mehr alle Arbeitnehmer auf den Erwerber nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB über, sondern nur diejenigen, bei denen das Arbeitsverhältnis nicht wirksam vor dem Übergang beendet wurde. Es soll zunächst die Konstruktion der Erwerberkonzeptkündigung dargestellt werden. In einem weiteren Schritt wird § 613a Abs. 4 BGB und die Erwerberkonzeptkündigung unter dem Aspekt der Gesetzesumgehung begutachtet. Dabei soll dargelegt werden, inwiefern die Erwerberkonzeptkündigung als Mittel zur zulässigen Vermeidung des § 613a BGB in Betracht kommt und welche Möglichkeiten bestehen, eine unzulässige Umgehung zu verhindern.
329 330
Sieker, S. 124. Däubler/Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, §§ 112, 112a BetrVG Rn. 270.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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a) Grundlagen Während nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist, bleibt nach § 613a Abs. 4 S. 2 BGB das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen unberührt. Je nach Fallgestaltung lässt sich der Sachverhalt entweder unter § 613a Abs. 4 S. 1 BGB oder unter § 613a Abs. 4 S. 2 BGB subsumieren. Liegt eine Kündigung aus anderen Gründen i. S. d. § 613a Abs. 4 S. 2 BGB vor, dann wird nicht § 613a Abs. 4 S. 1 BGB umgangen, weil schon tatbestandlich keine Kündigung wegen des Betriebsübergangs i. S. d. § 613a Abs. 4 S. 1 BGB erfolgt. aa) Das eigene Sanierungskonzept Unstreitig ist die Konstellation zu bewerten, in der der Betriebsveräußerer aufgrund eines eigenen Sanierungskonzepts, welches auf selbst gewonnenen wirtschaftlichen Erkenntnissen beruht – unabhängig von einem Betriebsübergang – Kündigungen ausspricht331. Vor Betriebsübergang kann der Betriebsveräußerer unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG Personal abbauen, wenn sein Sanierungskonzept auf eigenen wirtschaftlichen Erkenntnissen und der Personalabbau nicht auf den Vorgaben des potentiellen Betriebserwerbers beruht332. Denn dann liegt ein eigenes betriebliches Erfordernis des Betriebsinhabers vor333. § 613a Abs. 4 S. 1 BGB wird nicht tangiert. § 613a Abs. 4 BGB schützt nicht vor solchen Risiken, die sich jederzeit unabhängig von einem Betriebsübergang realisieren können. Der Betriebsinhaber kann aufgrund seiner Unternehmerfreiheit grundsätzlich nach eigenem Ermessen entscheiden, inwiefern er den Betrieb sanieren oder effizienter gestalten möchte, wobei freilich die Grenzen des § 1 Abs. 2 und 3 KSchG zu beachten sind. bb) Das fremde Sanierungskonzept Bei der Kündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts spricht der Betriebsveräußerer eine betriebsbedingte Kündigung nicht aus eigener Initiative, sondern aufgrund der Veranlassung des Erwerbers nach seinem (des Erwerbers) unternehmerischen Konzept aus334. Bei Zugrundelegung eines fremden Erwerberkonzepts 331 Annuß/Lembke, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung in der Insolvenz, S. 44; Hanau, ZIP 1984, 141, 143; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 168. 332 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387. 333 Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 168. 334 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387; Schmädicke, NZA 2014, 515.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
erfolgt also die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Veräußerer vor Betriebsübergang aus betriebsbedingten Gründen, die jedoch der Sphäre des Erwerberbetriebs entstammen (Erwerberkonzept)335. Es geht also um Kündigungen des Betriebsveräußerers, deren Rechtfertigung sich daraus ergibt, dass der potentielle Erwerber zugleich mit der Betriebsübernahme aus dringenden betrieblichen Gründen (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG) die Belegschaft verringern will336. Bei der Erwerberkonzeptkündigung kann man danach unterscheiden, ob der Betriebsveräußerer die Kündigungen unabhängig von den Gegebenheiten im Erwerberbetrieb hätte erklären können („das selbst tragende Erwerberkonzept“) oder ob sich die Rechtfertigung der Kündigung aus den betrieblichen Gegebenheiten beim Erwerber ergibt („das nicht selbst tragende Erwerberkonzept“)337. Selbstragend ist das Erwerberkonzept also dann, wenn die Kündigungen sozial gerechtfertigt auch vom Veräußerer aus dringenden betrieblichen Gründen hätten ausgesprochen werden können338. Dem steht nicht entgegen, wenn sich der Veräußerer das auf einer Idee des Erwerbers beruhende Konzept zu Eigen macht und dieses umsetzt339. Nicht selbsttragende Kündigungsgründe liegen dagegen vor, wenn der Betriebsinhaber nicht selbst betriebsbedingt hätte kündigen können340. Namentlich bei der sanierenden Betriebsübernahme werden Kündigungen aufgrund eines nicht selbsttragenden Erwerberkonzepts erklärt341, weil sanierungsbedürftige Betriebe meist selbst nicht die Mittel haben, um ein fremdes Sanierungskonzept umzusetzen. b) Die Umgehungsgestaltung Für den Erwerber ist eine schon bei dem Betriebsveräußerer ausgesprochene Kündigung deswegen vorteilhaft, weil er mit etwaigen weiteren Personalkosten nicht belastet und er auch nicht die Kosten für einen etwaigen Interessenausgleich und Sozialplan tragen muss, wenn die Entlassung des Personals zugleich eine Betriebsänderung darstellt342. 335 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027; BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387, 389; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 170; Steffan/APS, § 613a BGB Rn. 189. 336 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027. 337 Schmädicke, NZA 2014, 515; Zwanziger/Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, § 613a BGB Rn. 204. 338 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387, 389; Sieg/Maschmann, Rn. 571. 339 Annuß/Lembke, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung in der Insolvenz, S. 45; Sieg/ Maschmann, Rn. 571. 340 BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, AP § 613a BGB Nr. 34; Zwanziger/Kittner/ Däubler/Zwanziger, KSchR, § 613a BGB Rn. 204. 341 Hanau, ZIP 1984, 141, 143. 342 Lipinski, NZA 2002, 75, 79. Der Vorteil für den Erwerber besteht also darin, dass er beim Personalabbau Zeit gewinnt, wenn die Kündigungsfristen bereits bei dem Be-
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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Die Umgehungsoption ergibt sich aus der Möglichkeit nach § 613a Abs. 4 S. 2 BGB aus betriebsübergangsunabhängigen Gründen eine Kündigung auszusprechen. Ob die Erwerberkonzeptkündigung eine Kündigung i. S. d. § 613a Abs. 4 S. 1 oder S. 2 BGB darstellt, ist eine Frage der Auslegung der Norm. aa) Die Erwerberkonzeptkündigung als Kündigung i. S. d. § 613a Abs. 4 S. 2 BGB Früher wurde noch vertreten, dass eine Erwerberkonzeptkündigung nur dann nicht gegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB verstößt, wenn ein selbsttragendes Konzept vorliegt, der Betriebsveräußerer das Sanierungskonzept auch selbst hätte durchführen können343. Die h. M. und die Rechtsprechung gehen allerdings jetzt davon aus, dass auch eine Kündigung aufgrund eines nicht selbst tragenden Erwerberkonzepts nicht gegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB verstößt344. (1) Argumente für die Zulässigkeit der Erwerberkonzeptkündigung Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Kündigung aufgrund eines fremden Erwerberkonzepts mit § 613a Abs. 4 S. 1 BGB vereinbar ist und nennt dabei unter anderem folgende Argumente: (a) Die „künstliche Verlängerung des Arbeitsverhältnisses“ Nach der Rechtsprechung des BAG ist § 613a Abs. 4 BGB nicht tangiert, weil es nicht Sinn und Zweck des § 613a Abs. 4 BGB sei, den Erwerber auch bei einer aufgrund betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten voraussehbar fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit zu verpflichten, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer noch einmal künstlich zu verlängern, bis er selbst die Kündigungen aussprechen könne345. Nach Ansicht der Rechtsprechung ergibt sich also im triebsveräußerer anfangen zu laufen. Auch trägt bei Ausspruch der Kündigung durch den Veräußerer dieser das Prozessrisiko und die Kosten, Fuhlrott, BB 2013, 2042; Karthaus/Richter/HK-ArbR, § 613a BGB Rn. 252; Schmädicke, NZA 2014, 515, 516; Willemsen W/H/S/S, H, Rn. 107. 343 BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, AP § 613a BGB Nr. 34; Hanau vertritt die Ansicht, dass dies realitätsfern sei. Die betriebswirtschaftlichen Begebenheiten und Überlegungen eines Betriebserwerbers seien nur ganz selten mit denen des Veräußerers identisch, ZIP 1984, 141, 143. Zwanziger ist jedoch der Meinung, dass eine Erwerberkonzeptkündigung dann nicht zulässig sei, wenn das Konzept des Erwerbers Planungen beinhaltet, die organisatorisch beim Veräußerer gar nicht durchführbar wären, Kittner/ Däubler/Zwanziger, KSchR, § 613a BGB Rn. 204. 344 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027; Gaul, FS Schwerdtner, S. 653, 657. 345 BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, AP § 613a BGB Nr. 34; BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027, 1029; BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Wege der Auslegung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB, dass der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet ist. (b) Die fehlende Möglichkeit der Umsetzung des Konzepts Zudem wird für die Zulässigkeit der Erwerberkonzeptkündigung angeführt, dass der Betriebsveräußerer regelmäßig nicht in der Lage sei, selbst notwendige Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen, wie die Anschaffung moderner und leistungsfähiger Anlagen346. Meist fehle ihm auch der Zugang zu dem Absatzmarkt, der wiederum nur dem Erwerber zugänglich sei. Notleidende Unternehmen seien regelmäßig aus sich heraus nicht mehr sanierungsfähig347. Daher bestehe für den Betriebsinhaber nur die Möglichkeit zwischen Stilllegung oder Umstrukturierung durch die finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten des Erwerbers348. Die fehlende Möglichkeit der Umsetzung des Konzepts soll also die Zulässigkeit der Kündigung aufgrund eines fremden Sanierungskonzepts rechtfertigen. (2) Argumente gegen die Zulässigkeit der Erwerberkonzeptkündigung Dabei wird insbesondere gegen die Erwerberkonzeptkündigung eingewandt, dass diese den von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB kodifizierten Bestandsschutz und auch das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 5 BGB umgehe349. (a) Die Umgehung des Bestandsschutzes So wird kritisiert, dass die betriebsbedingten Gründe nicht im Betrieb des Veräußerers liegen, sondern der Sphäre des Erwerbers entstammen350. Eine Übertragung von Kündigungsgründen in ein Arbeitsverhältnis von außen sei insbesondere dann nicht zulässig, wenn diese Gründe bei dem kündigenden Betriebsveräußerer gar nicht auftreten können351. Da sich der kündigende Arbeitgeber bei 346
Zwanziger/Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, § 613a BGB Rn. 204. Hanau, ZIP 1984, 141, 143. 348 Edenfeld/Erman, § 613a BGB Rn. 113. 349 M. w. N., vgl. Zwanziger/Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, § 613a BGB Rn. 204. 350 Gegen das Argument, dass der Betriebserwerber sich fremde Kündigungsgründe zu Eigen macht, kann man einwenden, dass der Betriebserwerber nach Betriebsübergang und auf Grundlage des Erwerberkonzepts die Arbeitnehmer ohnehin kündigen wird. Die Kündigung beruht daher auf einer Prognoseentscheidung. Der Betriebsveräußerer prognostiziert auf Grundlage des Erwerberkonzepts, dass ein bestimmter Arbeitsplatz wegfallen wird. Er kann daher gestützt auf dieser Prognose die Kündigung vornehmen, Fuhlrott, BB 2013, 2042; Karthaus/Richter/HK-ArbR, § 613a BGB Rn. 251. 351 Trittin/Backmeister/Trittin/Mayer, § 613a BGB Rn. 177, der von einer unzulässigen Erweiterung des Kündigungsrechts spricht. Zwanziger geht davon aus, dass die 347
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Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung schon nicht auf eine Konzernentscheidung berufen könne352, dürfe es erst recht nicht zulässig sein, dass sich der Arbeitgeber auf die Kündigungsgründe eines Dritten beruft353. Zudem wird vorgetragen, dass es sich lediglich um Kündigungen aufgrund von noch nicht vorhandenen Gründen und damit um eine Fiktion zu Lasten der Arbeitnehmer handle354. Letztlich werde nämlich der § 613a BGB durch solche Erwerberkonzeptkündigungen umgangen, soweit der Erwerber die Bedingungen des Übergangs festlegen könne355. So werden Bedenken dahingehend geäußert, dass das Erwerberkonzept auch Änderungskündigungen zur Arbeitsentgeltsenkung oder eine Auslese von Arbeitnehmern vorsehen könne. Damit werde der Schutzzweck des § 613a BGB konterkariert356. Dies gelte vor allem deswegen, weil der Erwerber auf diesem Weg über die Bedingungen der Übernahme disponieren könne. Er könne das Entgelt der Arbeitnehmer bestimmen und eine individuelle Auslese der Belegschaft nach Leistungskriterien vornehmen357. (b) Die Umgehung des Widerspruchsrechts Überzeugend ist weiterhin das Argument von Karthaus/Richter358, welches sich auf § 613a Abs. 5 BGB bezieht. Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers zielt darauf ab, den Arbeitnehmer vor einem Vertragspartner zu schützen, den er sich nicht ausgesucht hat. Folglich können aber auch nicht Kündigungsgründe, die bei dem Betriebserwerber bestehen, herangezogen werden, um eine Kündigung bei dem Betriebsveräußerer zu rechtfertigen. Würde beispielsweise der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht ordnungsgemäß ausüben, dann würde er im Betrieb des Betriebsveräußerers bleiben. Freilich müsste er dann mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen. Durch Ausspruch einer Kündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts wird dem Arbeitnehmer allerdings dadurch sein Widerspruchsrecht genommen359, dass ihm gleich gekündigt wird. Für den Arbeitnehmer stellt dies nicht nur eine „künstliche Verlängerung“ des Arbeitsverhältnisses dar, sondern kann für ihn einige Monate mehr an Existenzsicherung beArbeitsverhältnisse dem Arbeitgeber bestandssichernd zugeordnet werden müssen, der auch die maßgeblichen Unternehmerentscheidungen trifft, Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, § 613a BGB Rn. 204. 352 BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148, 151 f. 353 Karthaus/Richter/HK-ArbR, § 613a BGB Rn. 256. 354 Karthaus/Richter/HK-ArbR, § 613a BGB Rn. 251. 355 Trittin/Backmeister/Trittin/Mayer, § 613a BGB Rn. 177. 356 Trittin/Backmeister/Trittin/Mayer, § 613a BGB Rn. 177; so früher noch BAG v. 26.5.1983 – 2 AZR 477/81, AP § 613a BGB Nr. 34. 357 Trittin/Backmeister/Trittin/Mayer, § 613a BGB Rn. 177. 358 Karthaus/Richter/HK-ArbR, § 613a BGB Rn. 254 f. 359 Müller-Glöge geht im Münchener Kommentar (§ 613a BGB Rn. 12) davon aus, dass § 613a Abs. 5 und 6 BGB nicht zwingend sei.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
deuten360. § 613a Abs. 4 BGB dient dem Schutz des Arbeitnehmers, für den es von großer Bedeutung ist, ob er schon bei dem Betriebsveräußerer oder erst Monate später bei dem Erwerber gekündigt wird. bb) Die Verhinderung der Umgehung durch Auslegung Ob eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 4 S. 1 BGB) erfolgte, ist eine Frage der Auslegung des Gesetzes. Entweder wurde eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen mit der Folge der Unwirksamkeit (§ 613a Abs. 4 S. 1 BGB) oder es wurde eine Kündigung aus anderen Gründen ausgesprochen (§ 613a Abs. 4 S. 2 BGB). Wird also beabsichtigt den § 613a BGB durch eine Erwerberkonzeptkündigung zu umgehen, so hängt der Erfolg ausschließlich von der Auslegung des Sachverhaltes und der Norm ab. Die Umgehungsgestaltung erschöpft sich daher auch hier in der schlichten falschen Qualifizierung eines Rechtsgeschäftes, die als unverbindlicher Subsumtionsvorschlag unerheblich ist, weil auf die materielle Rechtslage abzustellen ist. Damit dieses Gestaltungsmittel allerdings nicht zur unzulässigen Umgehung verwendet wird, stellt das BAG – wie bei dem Einsatz einer BQG – bestimmte Voraussetzungen auf, um eine Abgrenzung zu ermöglichen. Diese Kriterien geben der Rechtsprechung einen bestimmten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen entschieden werden kann, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so geht die Rechtsprechung von keiner unzulässigen Umgehung, sondern von einer Kündigung nach § 613a Abs. 4 S. 2 BGB aus. (1) Die rechtliche Absicherung des Betriebsübergangs Die Rechtsprechung fordert zunächst, dass die Kündigungen, die der Betriebsveräußerer ausspricht, aufgrund eines verbindlichen Sanierungsplans des Betriebserwerbers erfolgen. Dieser Sanierungsplan muss also so konkret wie möglich sein und es müssen bereits rechtsverbindliche Vereinbarungen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber über den Betriebsübergang vorliegen361. Der Betriebserwerber muss schon an diesen Plan und auch an den Erwerb des Betriebes gebunden sein. Dies kann beispielsweise durch Abschluss eines Vorvertrags, der den Betriebsübergang selbst und die Anzahl der zu übernehmenden Arbeitnehmer festlegt, oder in Form eines aufschiebend bedingten Übernahmevertrags erfolgen362. Die Rechtsprechung formuliert, dass die Durchführung des Sanierungskonzepts zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs schon greifbare Formen 360
Karthaus/Richter/HK-ArbR, § 613a BGB Rn. 254. BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027; Gaul, FS Schwerdtner, S. 653, 658; Lipinski, NZA 2002, 75, 79; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 171. 362 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027; Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 577. 361
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angenommen haben muss363. Dagegen ist es nicht ausreichend, wenn der Erwerber ohne Konzept oder ohne Sanierungsplan die Verkleinerung der Belegschaft fordert364. Durch dieses Erfordernis wird verhindert, dass der Betriebsveräußerer lediglich aufgrund der Drohung des Betriebserwerbers Kündigungen ausspricht, dieser werde den Betrieb nicht erwerben, wenn nicht bestimmten Mitarbeitern gekündigt würde. Denn dann widersprechen diese Kündigungen dem Schutzzweck des § 613a Abs. 1 und 4 BGB. Im Ergebnis muss also sicher sein, dass der Erwerber den Betrieb nach einem vorher festgelegten Konzept sanieren wird. (2) Die Betriebsveräußerung in der Insolvenz Unklar ist derzeit, ob die Kündigung aufgrund eines Erwerberkonzepts nur dann zulässig sein soll, wenn sich der Betrieb in der Insolvenz befindet. Fraglich bleibt daher, wie es sich verhält, wenn der Betriebsveräußerer nicht insolvent ist. Es ist dann problematisch, ob er auch Kündigungen aussprechen kann, die auf einem Sanierungskonzept des Erwerbers beruhen. Fuhlrott geht davon aus, dass auch außerhalb der Insolvenz ein selbsttragendes Konzept nicht zwingend notwendig sei365 und verweist dabei auf die Begründung eines Urteils366, in der kein spezifischer Bezug zu den Besonderheiten der Insolvenzsituation zu erkennen ist367. Auch wird teilweise formuliert, dass keine zwingenden Gründe erkennbar seien, Erwerberkonzeptkündigungen nur innerhalb der Insolvenz zuzulassen368. Zudem gelte § 613a BGB in der Insolvenz hinsichtlich des Bestandsschutzes uneingeschränkt369, sodass das Vorliegen eines Betriebsübergangs und der damit verbundene Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB insolvenzunabhängig beurteilt werden müssten. Der Sinn und Zweck des § 613a BGB sei in der Insolvenz kein anderer als außerhalb der Insolvenz370. Auch ist bei § 613a BGB zu beachten, dass der Aspekt der Insolvenz dieser Vorschrift nicht als Wertung zugrunde liegt, sodass die Zahlungsunfähigkeit eine 363 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027; Griebeling/KR, § 1 KSchG Rn. 577; Treber/KR, § 613a BGB Rn. 189a. 364 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387, 389. 365 Fuhlrott, BB 2013, 2042, 2043. 366 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027, 1029. 367 Annuß/Lembke, Arbeitsrechtliche Umstrukturierungen in der Insolvenz, S. 45; Fuhlrott, BB 2013, 2042, 2043; Schmädicke, NZA 2014, 515, 516. 368 Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 384; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 314. 369 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027, Annuß/Lembke, Arbeitsrechtliche Umstrukturierung in der Insolvenz, S. 4. 370 Schmädicke, NZA 2014, 515, 516 mit weiteren Nachweisen, Fn. 14. Wank vertritt dagegen die Ansicht, dass § 613a BGB einschränkend ausgelegt werden muss, so dass er mit den Wertungen der Insolvenzordnung vereinbar ist, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 77.
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andere Auslegung nicht rechtfertigen kann. Daher ist die Erwerberkonzeptkündigung auch dann möglich, wenn der übergehende Betrieb nicht insolvent ist. c) Zusammenfassung Die Umgehungsmöglichkeit durch den Ausspruch einer Erwerberkonzeptkündigung ergibt sich aus dem Umstand, dass Kündigungen, die aus betriebsübergangsfremden Gründen ausgesprochen werden, zulässig sind, § 613a Abs. 4 S. 2 BGB. Durch Auslegung der Norm wird deren Anwendungsbereich festgelegt und der ermittelte Sachverhalt unter die Norm subsumiert. Zur Erreichung des von dem Gesetzgeber verfolgten Ziels des Bestandsschutzes stellt die Rechtsprechung an die Wirksamkeit der Erwerberkonzeptkündigung bestimmte Voraussetzungen (Sanierungsplan), die erfüllt sein müssen, um den Sinn und Zweck des § 613a BGB nicht zu konterkarieren. Rechtsunsicherheit besteht deswegen, weil die Rechtsprechung beabsichtigt, die sanierungshemmende Wirkung des § 613a BGB im Wege der Auslegung zu beseitigen. Aus diesem Grund wird § 613a Abs. 4 S. 1 BGB eingeschränkt und § 613a Abs. 4 S. 2 BGB erweiternd ausgelegt. Problematisch ist, dass bei der Auslegung Erwägungen zugrunde gelegt werden, die dem § 613a BGB fremd sind371. § 613a BGB soll den Arbeitnehmer im Falle eines Betriebsübergangs schützen. Dieser Schutz gilt auch in der Insolvenz. Der Gesetzgeber hat zwar durch die Vorschriften in der InsO die Anwendbarkeit des § 613a BGB ausdrücklich bejaht. Eine einschränkende Auslegung des Schutzzwecks wird in der InsO aber nicht vorgesehen, sodass die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Erwerberkonzeptkündigung berechtigt sind372. 5. Zusammenfassung Hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung und anschließender Neueinstellung ergibt sich der Umgehungstatbestand aus der zweckgerichteten Verbindung von dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und der Wiedereinstellung durch den neuen Arbeitgeber, die auf einem Gesamtplan beruht. Das Ausscheiden und die Wiedereinstellung stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Der Arbeitnehmer scheidet nur deswegen aus, weil er weiß, dass er durch den neuen Arbeitgeber wieder eingestellt wird. Durch das Kriterium der zweckgerichteten Verknüpfung von Ausweichgeschäft und Korrekturgeschäft wird also verhindert, dass an sich zulässigen vertraglichen Gestaltungen zu Unrecht die Wirksamkeit abge371
Zu der Unzulässigkeit konjunkturabhängiger Auslegung, Kissel, RdA 1994, 323,
328. 372 Vgl. zu diesem Themenkomplex, Döpner, Die Veräußerung auf Erwerberkonzept beim Betriebsübergang (2013).
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sprochen wird und damit ein unzulässiger Eingriff in Artt. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG vorliegt. Im Wege einer Gesamtbetrachtung werden die Rechtsfolgen von Ausweich- und Korrekturgeschäft neutralisiert, sodass die mit dem Ausweichgeschäft erzielte Rechtsfolge unberücksichtigt bleibt373. Der Arbeitnehmer hat also bei Vorliegen einer zweckgerichteten Verknüpfung der gegenläufigen Gestaltungen, rechtlich fiktiv betrachtet, nie den Betrieb verlassen. In der Folge ist § 613a BGB uneingeschränkt anwendbar. Die gleichen Grundsätze sind bei dem Einsatz einer BQG anzuwenden. Hier wird die Komplexität der Gestaltung allerdings durch das Einschalten eines Dritten erhöht. Jedoch kommt es auch hier auf die planmäßige funktionelle Verknüpfung der einzelnen rechtlichen Transaktionen an. Bei der Umgehung des § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 BGB mittels solcher gegenläufiger Gestaltungen wird diese durch Sachverhaltsauslegung verhindert. Der Subsumtion wird also ein rechtlich fiktiver Sachverhalt zugrunde gelegt, mit dem Inhalt, dass der Arbeitnehmer nie den übergehenden Betrieb verlassen hat (Saldierungsmethode). Hinsichtlich der Vermeidung der Rechtsfolgen des § 613a BGB durch eine Erwerberkonzeptkündigung eröffnet sich die grundsätzliche Möglichkeit einer Umgehung durch die Anerkennung einer Erwerberkonzeptkündigung durch die Rechtsprechung und Literatur. Um einer unzulässigen Umgehung des § 613a BGB entgegenzuwirken, wird für die Wirksamkeit einer Erwerberkonzeptkündigung die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen gefordert. Schließlich wird eine unzulässige Erwerberkonzeptkündigung unter § 613a Abs. 4 S. 1 BGB subsumiert, was die Unwirksamkeit der vermeintlichen Umgehungsgestaltung zur Folge hat.
II. Die Änderung von individualvertraglichen Arbeitsbedingungen beim Betriebsübergang Es ist nun zu untersuchen, inwiefern Vereinbarungen, die vor oder nach dem Betriebsübergang zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebsveräußerer oder dem Betriebserwerber getroffen werden, unter dem Gesichtspunkt der Gesetzesumgehung zu bewerten sind374. Dabei erfolgt die Umgehung nicht durch Verhinderung der Erfüllung des Tatbestandes, sondern durch die Modifizierung der eintretenden Rechtsfolgen. Der Betriebserwerber wird regelmäßig ein Interesse an solchen Vereinbarungen haben, weil mit Hilfe dieser die Arbeitsbedingungen der übergehenden Arbeitnehmer mit den Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, die bereits bei dem 373 374
Sieker, S. 123. Dazu schon Kracht, S. 149 ff.
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Betriebserwerber arbeiten, vereinheitlicht werden können375. Die Änderung von Arbeitsbedingungen ist dann problematisch, wenn dadurch der Sinn und Zweck des § 613a BGB berührt wird (dazu 1.). Dabei ist zwischen Änderungen von Arbeitsbedingungen, die vor dem Betriebsübergang mit dem Betriebsveräußerer (dazu 2.) und solchen, die nach dem Betriebsübergang mit dem Betriebserwerber getroffen werden (dazu 3.), zu unterscheiden. 1. Der Schutz des Inhalts des Arbeitsverhältnisses Bei der Beurteilung, ob eine unzulässige Gesetzesumgehung vorliegt, muss wiederum auf den Sinn und Zweck des § 613a BGB rekurriert werden. Dabei geht es nicht – wie unter I. dargestellt – um den Erhalt des Arbeitsplatzes an sich, sondern um die inhaltliche Veränderung der Arbeitsbedingungen. § 613a BGB schützt nicht nur das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand, sondern auch seinen Inhalt376. Das Arbeitsverhältnis soll zu den bisherigen Bedingungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber fortbestehen. Es sollen also alle bestehenden Rechte und Pflichten vom Betriebserwerber übernommen werden377. Aus diesem Schutzzweck folgt, dass eine inhaltliche Veränderung des Arbeitsverhältnisses zu Lasten des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht möglich ist378. 2. Der Erlassvertrag mit dem Betriebsveräußerer vor Betriebsübergang a) Die Umgehungsgestaltung Durch den Abschluss eines Erlassvertrags hinsichtlich etwaiger noch nicht erfüllter Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Betriebsveräußerer können die Rechtsfolgen des § 613a BGB unzulässig umgangen werden. Das Gesetz ordnet als Rechtsfolge nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB den Eintritt des Erwerbers in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis an, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen. Die Erlassverträge, die mit dem Betriebsveräußerer geschlossen werden, lassen das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand unberührt, zielen aber darauf ab, den Übergang der Rechte und Pflichten auszuhöhlen, indem der Arbeitnehmer durch Vertrag auf diese Rechte und Pflichten zu seinem alten Arbeitgeber vollständig verzichtet. Dadurch gehen also „inhaltsleere“ Rechte und Pflichten über. Waren also „im Zeitpunkt des Übergangs“ keine Rechte und 375
Sieg/Maschmann, Rn. 239. BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 481/07, NZA 2009, 144; BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1093; so auch Bunte, NZA 2010, 319, 320. 377 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1093; Kracht, S. 149. 378 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1093; Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 33 ff. 376
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Pflichten des Betriebsveräußerers begründet, dann können diese auch nicht auf den Betriebserwerber übergehen. b) Die Rechtsprechung Zu den Rechten und Pflichten, die nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergehen, gehören auch die vom Veräußerer erteilten Versorgungszusagen und die daraus erwachsenen Anwartschaften379. Diese gehen daher zwingend auf den Erwerber über. Die Rechtsprechung geht mithin zutreffend davon aus380, dass Erlassverträge hinsichtlich erdienter Versorgungsanwartschaften unwirksam sind, wenn Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf eine geplante Betriebsveräußerung dazu veranlasst werden, um dann im Anschluss mit dem neuen Erwerber neue Arbeitsverträge ohne Zusage einer betrieblichen Altersversorgung abzuschließen. Eine Vereinbarung zwischen Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer ist unwirksam, wenn diese darauf abzielt, dem Erwerber einen altlastenfreien Betriebserwerb zu ermöglichen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Erlassvertrag unter der aufschiebenden Bedingung des Zustandekommens eines Betriebsübergangs steht381. Durch den Erlassvertrag wird dann nämlich der von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB angeordnete Übergang der Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers auf den Betriebserwerber verhindert. c) Bewertung aa) Die funktionelle Verknüpfung von Vereinbarung und Betriebsübergang Der Rechtsprechung ist im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings stellt sich die Frage, ob jede Art von Erlassvertrag oder Verzichtsvereinbarung vor dem Betriebsübergang unzulässig ist. Der Gesetzgeber möchte mit § 613a BGB verhindern, dass der Betriebsübergang zum Anlass genommen wird, den Besitzstand des Arbeitnehmers zu reduzieren. Es ist daher zu klären, wann der Schutzzweck des § 613a BGB tangiert wird. Schließt der Arbeitnehmer einen Erlassvertrag hinsichtlich erdienter Versorgungsanwartschaften kurz vor dem Betriebsübergang ab, erhält aber im Gegenzug einen höheren Lohn, so stellt sich die Frage, ob diese Vereinbarung den Schutzzweck des § 613a BGB berührt und damit eine unzulässige Umgehung vorliegt. Auch ist klärungsbedürftig, ob diese Frage anders zu beantworten ist, 379
Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 73; Rolfs, NZA-Beil. 2008, 164 f. BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/75, AP § 613a BGB Nr. 4; BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, AP § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung Nr. 4; BAG v. 28.4.1987 – 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198; BAG v. 12.5.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080; BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091. 381 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091. 380
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wenn es ein oder zwei Jahre vor dem bereits geplanten Betriebsübergang zu einer solchen Vereinbarung kommt382. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass § 613a Abs. 1 S. 1 BGB nicht generell einer nachteiligen Änderung der Arbeitsbedingungen entgegensteht, die vor dem Betriebsübergang aus anderen Gründen als wegen des Betriebsübergangs vereinbart wird383. Der Arbeitnehmer ist ein freier, mündiger, also informierter, abwägender und selbstverantwortlich handelnder Bürger384. Das Umgehungsmoment ergibt sich allerdings auch hier aus der zweckgerichteten Verknüpfung von Erlassvertrag und Betriebsübergang, die auf einem Gesamtplan der Beteiligten beruht385. Wird der Erlassvertrag zu dem Zweck abgeschlossen, dem Betriebserwerber einen lastenfreien Erwerb zu ermöglichen386, so beabsichtigt der Betriebsveräußerer das zu erreichen, was der Gesetzgeber verhindern will. Das Ziel des § 613a BGB wird durch den Erlassvertrag konterkariert. Dabei kann sich die finale Verknüpfung einerseits ausdrücklich aus der Vereinbarung ergeben387, andererseits kann auch aufgrund der Gesamtumstände der Schluss gezogen werden, dass Erlassvertrag und Betriebsübergang voneinander abhängig sind. Die Wirksamkeit dieser vertraglichen Konstruktion hängt also auch davon ab, ob zwischen den vertraglichen Vereinbarungen eine zweckgerichtete Konnexität besteht. Die Umgehung muss dadurch verhindert werden, dass dem Erlassvertrag seine Wirksamkeit versagt wird. Wird dagegen die Erlassvereinbarung unabhängig von dem Betriebsübergang getroffen, dann geht die Vertragsfreiheit vor und § 613a BGB steht nicht entgegen388. bb) Der sachliche Grund Teilweise wurde die Wirksamkeit der Vereinbarung davon abhängig gemacht, ob ein sachlicher Grund für den Abschluss der Vereinbarung vorlag389. So wurde 382 Greiner, Anmerkung zu BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, EWiR 2009, 709. Zum Zeitmoment, Sieg/Maschmann, Rn. 251. 383 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1094; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 248. 384 Greiner spricht von einem paternalistischen Schutz, den § 613a BGB gewährt, wenn man der Ansicht des BAG folgen würde, Anmerkung zu BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, EWiR 2009, 709, 710. 385 Eine funktionelle Verknüpfung fehlt dann, wenn der Erlassvertrag unbedingt abgeschlossen wird. Dieser Änderungsvertrag ist dann wirksam, auch wenn ein geplanter Betriebsübergang der Anlass des Abschlusses war, Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 195. 386 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1094. 387 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091, 1094; Greiner, Anmerkung zu BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, EWiR 2009, 709, 710. 388 A. A. Greiner, Anmerkung zu BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, EWiR 2009, 709, 710. 389 BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/75, AP § 613a BGB Nr. 4; Treber/KR, § 613a BGB Rn. 102.
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ein sachlicher Grund angenommen, wenn durch den Verzicht auf bereits entstandene Ansprüche ein Betriebsübergang ermöglicht werden konnte390. Das war insbesondere bei insolvenzgefährdeten Betrieben der Fall. Das BAG391 ging davon aus, dass die wirtschaftlich schwierige Lage des Betriebes als sachlicher Grund geeignet sei, den Anwendungsbereich des § 613a BGB zu beschränken und damit eine Rechtsfolgenmodifizierung zu ermöglichen392. Es führte aus, dass ein sachlicher Grund dann vorliege, wenn sich der Betrieb in einer schwierigen Lage befinde. Dann sollen derartige Vereinbarungen wirksam sein. Das BAG nimmt also eine Interessenabwägung vor393. Es wiegt dabei das Interesse des Arbeitnehmers an der Zahlung seines bisherigen Lohns mit dem Interesse der Gesamtheit an dem Erhalt der Arbeitsplätze gegeneinander ab. Fällt die Interessenabwägung zu Gunsten von Letzterem aus, so besteht ein sachlicher Grund und die Verzichtsvereinbarung ist wirksam. Auch wurde teilweise behauptet, dass die Versagung der Wirksamkeit der Verzichtsvereinbarung, um den Arbeitnehmer allumfassend zu schützen, dazu führe, dass der Arbeitnehmer im Ergebnis arbeitslos wird, wenn die Versagung der Wirksamkeit der Vereinbarung eine übertragende Sanierung unmöglich mache und der Betrieb stillgelegt werden müsse. Dieser absolute Schutz des Arbeitnehmers unter Ausschluss der Vertragsfreiheit solle daher dann nicht gelten, wenn sachliche Gründe eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen oder eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen394. Dieser Ansicht ist jedoch zu widersprechen. Sobald eine konditionale Verknüpfung zwischen Erlassvertrag und Betriebsübergang besteht, ist von der Unwirksamkeit dieses Rechtsgeschäftes auszugehen. Das gilt unabhängig davon, ob ein „sachlicher Grund“ besteht oder nicht. Der Gesetzgeber hat sich durch den § 613a BGB dafür entschieden, das wirtschaftliche Risiko der Betriebsüber-
390 BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/75, AP § 613a BGB Nr. 4; Treber/KR, § 613a BGB Rn. 102. 391 BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/75, AP § 613a BGB Nr. 4. 392 Bejahend Greiner, Anmerkung zu BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, EWiR 2009, 709, 710. Durch das generelle Verbot einer Vereinbarung zu Lasten des Arbeitnehmers im Rahmen eines Betriebsübergangs werde dem Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen durch Zugeständnisse hinsichtlich bestehender Ansprüche den Betriebsübergang zu ermöglichen und auf diese Weise einer betriebsbedingten Kündigung vorzubeugen. Bunte verlangt daher bei Abschluss derartiger Vereinbarungen einen Übereilungsschutz. Ansonsten könnten die Arbeitnehmer aus Angst vor einem Arbeitsplatzverlust zu Zugeständnissen bereit sein, die sie langfristig bereuen, NZA 2010, 319, 321. Gaul/ Otto hält dagegen eine den Anforderungen des § 613a BGB genügende Information und Aufklärung für ausreichend, ZIP 2006, 644, 647. 393 BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/75, AP § 613a BGB Nr. 4. 394 Kissel, RdA 1994, 323, 328. Feudner spricht von „Gerichtsfürsorge“, DB 1996, 830.
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nahme dem Betriebserwerber zuzuschreiben395. Der betroffene Arbeitnehmer soll geschützt werden, wenn ein Betrieb oder ein Betriebsteil übergeht. Die zugunsten des Arbeitnehmers getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, die sich durch Kodifizierung des § 613a BGB konkretisiert hat, wird dadurch rückgängig gemacht, wenn das Insolvenzrisiko auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird. Der Arbeitnehmer müsste sich dann entscheiden, ob er auf seinen Lohn verzichtet oder ob er auf seine Ansprüche besteht und damit riskiert, dass der gesamte Betrieb untergeht. Der Arbeitnehmer müsste also auf seine Ansprüche verzichten, um einen Betriebsübergang zu ermöglichen396. Nach der in § 613a Abs. 1 und 2 BGB getroffenen Risikoverteilung zu Lasten des Betriebserwerbers, soll jedoch nur dieser dafür haften, wenn der Betrieb in eine wirtschaftlich schwierige Situation gerät397. So hat der Betriebserwerber bei Erwerb Einfluss auf die Verkaufsgespräche und kann gegebenenfalls den Kaufpreis gering halten, falls die noch auszugleichenden Lohnrückstände zu hoch sind oder gänzlich vom Erwerb Abstand nehmen. Der Arbeitnehmer hat dagegen keinen Einfluss auf den Betriebserwerb. Diese gesetzgeberische Wertung wird durch eine erneute Interessenabwägung revidiert und in Frage gestellt, was aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 20 Abs. 3 GG) bedenklich erscheint. Daher ist auch bei Abschluss eines Änderungsvertrags vor Betriebsübergang mit dem Betriebsveräußerer auf das Erfordernis des sachlichen Grundes zu verzichten. Der Abschluss eines Änderungsvertrags ist daher unabhängig vom Vorliegen eines sachlichen Grundes unwirksam, wenn von einer konditionalen Konnexität zwischen Erlassvertrag und Betriebsübergang auszugehen ist. Liegt keine derartige Verknüpfung zwischen Betriebsübergang und Änderungsvertrag vor, so ist ebenfalls vor Betriebsübergang eine einvernehmliche Vertragsänderung auch zu Lasten des Arbeitnehmers möglich. Diese Argumentation wird zudem durch das in § 613a Abs. 6 BGB kodifizierte Widerspruchsrecht gestützt, da durch Ausübung des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer den vollständigen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber verhindern kann. Die Ausübung des Widerspruchsrechts wird auch nicht von dem Vorliegen sachlicher Gründe abhängig gemacht. Dies muss erst recht für die Änderung von einzelnen Vertragsinhalten gelten398.
395 Diese gesetzgeberische Grundentscheidung ist zu akzeptieren, auch wenn diese volkswirtschaftlich fragwürdig ist, Willemsen, ZIP 1983, 411, 414 f. 396 Greiner, Anmerkung zu BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, EWiR 2009, 709, 710; Kracht, S. 152 f. 397 Im Ergebnis so auch Mayer-Maly, Anmerkung zu BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/ 75, AP § 613a BGB Nr. 4. 398 Sieg/Maschmann, Rn. 245.
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3. Der Erlassvertrag mit dem Betriebserwerber nach Betriebsübergang a) Die Umgehungsgestaltung Gehen nach dem Betriebsübergang die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, dann wäre eine Umgehung dann denkbar, wenn nach Betriebsübergang der Erwerber die übergegangenen Rechte zu Lasten des Arbeitnehmers einseitig oder einvernehmlich abändert. Hinsichtlich der Veränderung von Ansprüchen zu Lasten des Arbeitnehmers, die sich aus Kollektivverträgen ergeben, besteht nach § 613a Abs. 1 S. 2 BGB eine Veränderungssperre von einem Jahr nach dem Zeitpunkt des Übergangs. Satz 4 sieht zwei Ausnahmen von dieser einjährigen Veränderungssperre vor. Bezüglich Vereinbarungen, die eine Verschlechterung von individualvertraglichen Ansprüchen zum Inhalt haben und die mit dem Betriebserwerber nach dem Betriebsübergang getroffen werden, regelt § 613a Abs. 1 S. 1 BGB dagegen keine Veränderungssperre399. Es ist daher zu klären, ob eine Vereinbarung mit dem Betriebserwerber, die die nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergehenden Rechte zum Nachteil des Arbeitnehmers verändert, eine Umgehung des § 613a BGB darstellt. b) Die Rechtsprechung Die Rechtsprechung400 ging früher davon aus, dass ein Erlass von rückständigem Lohn gegenüber dem Betriebserwerber wirksam sei, wenn es hierfür sachliche Gründe gebe401. Das Kriterium des sachlichen Grundes sollte also den Umgehungsverdacht widerlegen. Das BAG führte aus, dass der Schutzzweck des § 613a BGB solche Vereinbarungen nicht schlechthin ausschließe. Grundsätzlich sei aber eine Vereinbarung zwischen dem neuen Arbeitgeber und dem von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer unwirksam, wenn dem Arbeitnehmer dadurch der Schutz des § 613a BGB genommen werde. Dies sei aber dann nicht der Fall, wenn sachliche Gründe für die Wirksamkeit des Vertrags sprechen, in denen Arbeitsbedingungen geändert werden oder teilweise auf rückständige Löhne verzichtet werde. Begründet wurde das Erfordernis des sachlichen Grundes zudem mit der fehlenden erforderlichen rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit des Arbeitneh399
Bunte, NZA 2010, 319, 321. BAG v. 18.8.1976 – 5 AZR 95/75, AP § 613a BGB Nr. 4; BAG v. 26.1.1977 – 5 AZR 302/75, AP § 613a BGB Nr. 5; BAG v. 17.1.1980 – 3 AZR 160/79, AP § 613a BGB Nr. 18; BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, AP § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung Nr. 4; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147, Rn. 29; Besgen, AiB 1986, 131. 401 Anders noch BAG v. 29.10.1975 – 5 AZR 444/74, AP § 613a BGB Nr. 2. Das BAG ging hier noch davon aus, dass Vereinbarungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber unabhängig vom Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam sind, weil der Schutzzweck des § 613a BGB nicht tangiert sei. 400
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mers402. Die Arbeitnehmer müssten entweder die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinnehmen oder ihren Arbeitsplatz ganz verlieren403. Diese Drucksituation, in der sich der Arbeitnehmer befindet, solle eine richterliche Kontrolle rechtfertigen404. In einer späteren Entscheidung405 verzichtete das BAG jedoch auf das Erfordernis eines sachlichen Grundes. Danach hindere § 613a BGB den Arbeitnehmer und Betriebserwerber nicht daran, nach einem Betriebsübergang einzelvertraglich die mit dem Betriebsveräußerer vereinbarte Vergütung abzusenken. Aus § 613a BGB lasse sich keine weitergehende Einschränkung der Privatautonomie ableiten406. Bei Vereinbarungen über zukünftige Ansprüche, die nach dem Betriebsübergang getroffen werden, werde der Schutzzweck des § 613a BGB nicht tangiert, der darin bestehe, den vorhandenen Besitzstand des Arbeitnehmers zu schützen407. Bei Verträgen, die nach dem Betriebsübergang geschlossen werden, greift daher nicht mehr der Schutz des § 613a BGB. c) Bewertung Zu Recht hat das BAG bei Vereinbarungen, die nach dem Betriebsübergang mit dem Betriebserwerber getroffen werden, auf das Erfordernis des sachlichen Grundes verzichtet408. Macht man die Wirksamkeit dieser Vereinbarung von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig, dann wird der Anwendungsbereich des § 613a BGB über den Betriebsübergang hinaus erweitert. Arbeitnehmer und Betriebsübernehmer werden durch § 613a BGB nicht daran gehindert, nach einem Betriebsübergang einzelvertraglich eine Änderung der nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB übergegangenen Arbeitsbedingungen durchzuführen409. Die Wirksamkeit einer Vereinbarung zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer, die nach 402 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, NZA 2006, 145, 147; BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866, 868; Kracht, S. 150, 152 f. 403 Pfeiffer/KR (9. Aufl.), § 613a BGB Rn. 102. 404 BAG v. 12.5.1992 – 3 AZR 247/91, NZA 1992, 1080, 1081. 405 BAG v. 7.11.2007 – 5 AZR 1007/06, NZA 2008, 530, 531. 406 BAG v. 7.11.2007 – 5 AZR 1007/06, NZA 2008, 530. So auch Gaul/Otto, ZIP 2006, 644, 647. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB stehe einer Veränderung vertraglicher Ansprüche nicht entgegen. Eine Rechtfertigung der Vertragsänderung hinsichtlich einzelvertraglich begründeter Ansprüche durch einen sachlichen Grund sei nicht möglich, weil es die Gestaltungsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien über § 613a Abs. 1 S. 1 BGB hinaus zu weit einschränke. 407 Unklar bleibt nach dem Urteil weiterhin, ob der Verzicht auf den sachlichen Grund auch für solche Rechtsgeschäfte gilt, die den Erlass rückständiger Arbeitnehmeransprüche und Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung betreffen, Dzida/Wagner, NZA 2008, 571, 573; Sieg/Maschmann, Rn. 248; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 194. 408 Zust. Pietzko, S. 182; a. A. Treber/KR, § 613a BGB Rn. 102. 409 Müller-Glöge/Münchener Kommentar, § 613a BGB Rn. 11; Sieg/Maschmann, Rn. 252.
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dem Übergang getroffen wird, von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig zu machen, stellt eine Einschränkung der Privatautonomie dar. Diese bedarf einer gesetzlichen Grundlage. § 613a BGB kann hier jedoch nicht herangezogen werden, weil der Schutzzweck der Norm bei Vereinbarungen, die nach dem Betriebsübergang zwischen Erwerber und Arbeitnehmer getroffen werden, nicht berührt ist. § 613a BGB legt dem Betriebserwerber über den Betriebsübergang hinaus kein Verschlechterungsverbot für die Zukunft auf410. Dieser möchte lediglich gewährleisten, dass der Arbeitnehmer so gestellt wird, wie er auch gegenüber dem Veräußerer gestanden hätte. Der Arbeitnehmer soll allerdings im Falle der einvernehmlichen Änderung nicht in seiner Vertragsfreiheit gegenüber dem Erwerber eingeschränkt werden411. Auch aus dem Vergleich mit den Sätzen 2 bis 4 des § 613a BGB ergibt sich, dass hinsichtlich individualvertraglicher Ansprüche kein Verschlechterungsverbot für die Zukunft vorgesehen ist412. Möchte der Betriebserwerber die Arbeitsvertragsbedingungen ändern, so kann er dies im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer oder mittels einer Änderungskündigung erreichen413. Verzichtsvereinbarungen, die also unabhängig von dem Betriebsübergang414 zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer getroffen werden, sind daher wirksam. § 613a BGB soll ausschließlich die Kontinuität und nicht die ewige Unabänderbarkeit der Arbeitsverhältnisse sicherstellen415. Darüber hinaus wäre es problematisch zu bestimmen, welcher Zeitraum vor und nach einem Betriebsübergang maßgeblich sein soll, wenn es um das Erfordernis eines sachlichen Grundes geht416. Insbesondere besteht bei Abschluss des Erlassvertrags keine Drucksituation oder eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers, weil diese Unterlegenheit durch Kodifizierung des KSchG behoben wurde. Der Arbeitnehmer befindet sich vor und nach dem Betriebsübergang in einem Arbeitsverhältnis. Ist der Arbeitnehmer mit einer Änderung des Arbeitsverhältnisses zu seinen Lasten nicht einverstanden, so muss er nicht einwilligen. Der Betriebserwerber oder auch der 410 EuGH v. 10.2.1988 – 324/86 [Foreningen af Arbejdsledere i Danmark], BeckRS 2004, 70807, Rn. 16 f.; Pietzko, S. 182. 411 EuGH v. 10.2.1988 – 324/86 [Foreningen af Arbejdsledere i Danmark], BeckRS 2004, 70807, Rn. 16 f.; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 193. 412 Kracht, S. 149 f.; Müller-Glöge/Münchener Kommentar, § 613a BGB Rn. 89; Seiter, Anmerkung zu BAG v. 26.1.1977 – 5 AZR 302/75, AP § 613a BGB Nr. 5; Sieg/ Maschmann, Rn. 245. 413 Sieg/Maschmann, Rn. 245, 253. 414 Blomeyer, Anmerkung zu BAG v. 29.10.1985 – 3 AZR 485/83, AP § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung Nr. 4. 415 Seiter, Anmerkung zu BAG v. 26.1.1977 – 5 AZR 302/75, AP § 613a BGB Nr. 5. Im Ergebnis so auch Sieg/Maschmann, der allerdings nicht zwischen Vereinbarungen vor und nach Betriebsübergang differenziert, Rn. 245. 416 Feudner, DB 1996, 830, 832; Kreitner, S. 191 f.; Seiter, Anmerkung zu BAG v. 26.1.1977 – 5 AZR 302/75, AP § 613a BGB Nr. 5; ders., S. 99.
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Betriebsveräußerer kann dann im Wege der Änderungskündigung die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durchsetzen. Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall der Weg über § 2 KSchG i.V. m. § 4 S. 2 KSchG offen417. Auch kann der Arbeitnehmer seiner Ansicht nach gute Gründe haben, einer Änderungsvereinbarung zu seinen Lasten zuzustimmen. So können dem Arbeitnehmer freiwillige Optionen, Gegenleistungen, Abfindungen, wie eine einmalige sofortige Zahlung418 für den Verzicht auf oder den Erlass von arbeitsrechtlichen Rechten angeboten werden419. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer durch die §§ 119 ff., 134, 138, 242 BGB ausreichend geschützt. Eines Sonderschutzes bedarf es nicht420. 4. Zusammenfassung Vereinbarungen, die zu Lasten des Arbeitnehmers mit dem Betriebsveräußerer vor dem Betriebsübergang getroffen werden, sind dann unwirksam, wenn der Erlass und die Abänderung der Arbeitsvertragsbedingungen mit einem Betriebsübergang funktionell verknüpft sind. Diese zweckgerichtete Verknüpfung führt zu der Annahme eines Umgehungsgeschäftes, weil sich mit dem Erlass von Forderungen vor dem Betriebsübergang die betriebsübergangsspezifische Gefahr einer nachteiligen Veränderung des Arbeitsvertragsinhalts wegen des Betriebsübergangs realisiert. Der legislatorische Wille, der auf die Erhaltung der Rechte des Arbeitnehmers bei Betriebsübergang gerichtet ist, wird mit einer derartigen Konstruktion vereitelt. Die Unwirksamkeit des Erlassvertrags ergibt sich unmittelbar aus § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, der zwingend den Übergang von Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vorsieht. Eine abweichende Vereinbarung ist schlicht nicht möglich. Bei Vorliegen einer funktionellen Verknüpfung ist die Vereinbarung selbst dann unwirksam, wenn ein „sachlicher Grund“ für die Vereinbarung besteht. Durch das Kriterium des sachlichen Grundes kann nicht die gesetzgeberische Entscheidung in Form des § 613a BGG zugunsten des Arbeitnehmers rückgängig gemacht werden. Fehlt dagegen diese auf einem Gesamtplan beruhende Verknüpfung, dann ist die Vereinbarung wirksam. Individualvertragliche Vereinbarungen, die nach dem Betriebsübergang mit dem Betriebserwerber getroffen werden, sind unabhängig von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam. § 613a BGB steht nicht entgegen, weil dieser nur vor betriebsübergangsspezifischen Gefahren und nicht vor Gefahren, die sich jederzeit unabhängig von dem Betriebsübergang realisieren können, schützen soll. Insofern enthält § 613a BGB keine Arbeitsplatzgarantie 421. Bei individual417 Seiter, Anmerkung zu BAG v. 26.1.1977 – 5 AZR 302/75, AP § 613a BGB Nr. 5; a. A. Kracht, S. 152. 418 So bei BAG v. 7.11.2007 – 5 AZR 1007/06, NZA 2008, 530. 419 Feudner, DB 1996, 830, 831. 420 Feudner, DB 1996, 830, 831. 421 Willemsen, ZIP 1983, 411, 413.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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vertraglichen Vereinbarungen zu Lasten des Arbeitnehmers, die nach dem Betriebsübergang getroffen werden, ist das Ziel oder der Anwendungsbereich des § 613a BGB nicht berührt, sodass das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes abzulehnen ist.
III. Die Zuordnung der Arbeitnehmer zum Betrieb oder Betriebsteil Zudem ist es auch möglich durch eine bestimmte Zuordnung der Arbeitnehmer zu einem Betriebsteil den Übergang der Arbeitsverhältnisse zu kontrollieren422. Welchem Betriebsteil der Arbeitnehmer zugeordnet ist, wird zunächst nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien beurteilt423. Entscheidend ist, was individualrechtlich oder kollektivrechtlich vereinbart wurde (Versetzungsklauseln)424. Fehlt eine kollektive oder individualvertragliche Regelung, so kann die Zuordnung zu einem Betriebsteil im Wege des Direktionsrechts (§ 106 GewO i.V. § 315 BGB) vorgenommen werden, dessen Grenzen gewahrt werden müssen425. Fehlt es auch an einer einseitigen Zuordnung zu einem Betriebsteil, so erfolgt die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einem Betriebsteil nach objektiven Kriterien426. 1. Die Umgehungsgestaltung Nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB gehen nur die Arbeitsverhältnisse über, die dem übertragenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen sind. Der Arbeitnehmer muss dabei in dem übergehenden Betriebsteil eingegliedert, also rechtlich dem 422 Umfassend dazu Elking, NZA 2014, 295 ff.; Kreitner, S. 197 ff.; ders., FS Küttner, S. 399, 413 ff. 423 BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 763/12, NZA-RR 2014, 175. 424 Kreitner, FS Küttner, S. 399, 409 f.; Müller/Thüsing, ZIP 1997, 1872 ff.; Preis/ ErfK, § 613a BGB Rn. 72. 425 BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 877/11, NZA 2013, 617; BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 763/12, NZA-RR 2014, 175; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 72. 426 BAG v. 21.2.2013 – 8 AZR 877/11, NZA 2013, 617; Kreitner, FS Küttner, S. 399, 411 ff.; Müller-Glöge/Münchener Kommentar, § 613a BGB Rn. 86; Preis/ ErfK, § 613a BGB Rn. 72. Allerdings ist es freilich nicht möglich, vertraglich eine Zuordnung zu vereinbaren, diese aber tatsächlich nicht durchzuführen. In diesem Fall erfolgt dann die Zuordnung nach objektiven Maßstäben, Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 72; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 227. Lunk schlägt bei Versetzungen i. S. d. §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG vor, den Prüfungsmaßstab des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG anzulegen, FS Arbeitsrecht, S. 645, 653. Die Versetzung sei daher dann möglich, wenn betriebliche Gründe den damit verbundenen Nachteil für die Nichtversetzung rechtfertigen. Problematisch sind auch die Fälle des abteilungsübergreifenden Einsatzes von Arbeitnehmern, wenn also nicht eindeutig ist, welchem Betriebsteil der Arbeitnehmer zuzuordnen ist. Wenn eine Regelung fehlt, dann ist auf den Schwerpunkt der Tätigkeit des Mitarbeiters abzustellen, BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 350/03, NZA 2004, 1383, 1389; Annuß/ Staudinger, § 613a BGB Rn. 145. Durch eindeutige Zuordnungsregelungen lässt sich eine solche Ungewissheit vermeiden.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Betriebsteil zugeordnet sein.427 Während bei den oben besprochenen Gestaltungen der Arbeitnehmer entweder völlig aus dem Arbeitsverhältnis herausgenommen wurde oder die übergehenden Rechte und Pflichten ausgehöhlt wurden, geht es bei diesem Gestaltungsmittel darum, den Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts (§ 106 GewO i.V. § 315 BGB) einem anderen Betriebsteil zuzuordnen und auf diese Art und Weise die Rechtsfolgen des § 613a BGB zu steuern. Der Arbeitgeber kann also bei Fehlen einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag im Vorfeld des Betriebsübergangs Arbeitnehmer, die nicht übergehen sollen, aus dem übergehenden Betriebsteil herausnehmen und in einem anderen Betriebsteil einsetzen428. Das Gleiche gilt für den umgekehrten Fall, dass der Erwerber einen bestimmten Arbeitnehmer (Leistungsträger) haben möchte, der aber in einem nicht übergehenden Betriebsteil arbeitet429. Die Zuordnungsentscheidung per Direktionsrecht könnte daher ein wirksames Mittel sein, willkürlich bestimmte Arbeitnehmer vom übergehenden Betrieb zu separieren, um so ihren Übergang zu verhindern430. Weiß der Arbeitgeber beispielsweise schon, dass er einen bestimmten Betriebsteil veräußern will, dann kann er bei der Neueinstellung von Arbeitnehmern gezielt auf eine Zuordnung durch Vereinbarung im jeweiligen Arbeitsvertrag Einfluss nehmen. Dadurch kann der Arbeitgeber kontrollieren, in welchem Betriebsteil der Arbeitnehmer tätig sein soll. Damit hat die Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers/Betriebsveräußerers das Potenzial den mit § 613a BGB intendierten Schutz zu vereiteln und damit die Norm zu umgehen. 2. Abgrenzung Zu klären sind die Grenzen derartiger Maßnahmen. Wird die Versetzungsentscheidung nach § 106 GewO unabhängig von dem Betriebsübergang getroffen, dann wird der Anwendungsbereich des § 613a BGB nicht berührt. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Sachverhaltes zu ermitteln. So muss nachgewiesen werden, dass eine Notwendigkeit einer solchen Versetzung aufgrund einer Organisationsänderung bestand431. Es muss ein tatsächlicher Bedarf einer solchen Versetzung bestehen, wobei der Prüfungsmaßstab hinsichtlich der unterneh-
427 BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 556/05, AP § 613a BGB Nr. 315; BAG v. 7.4.2011 – 8 AZR 730/09, NZA 2011, 1231; BAG v. 21.6.2012 – 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6, 14; BAG v. 17.10.2013 – 8 AZR 763/12, NZA-RR 2014, 175, 176; Hausch, BB 2008, 1392, 1394; Kreitner, S. 198; Preis/ErfK, § 613a BGB Rn. 71; Sieg/Maschmann, Rn. 136; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 227. 428 Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 146; Kreitner, S. 198; Sieg/Maschmann, Rn. 138. 429 Salamon/Fuhlrott, BB 2012, 1793, 1796. 430 Elking, NZA 2014, 295. 431 Annuß spricht in diesem Zusammenhang von „Ernst gemeinten“ Umsetzungen, Staudinger, § 613a BGB Rn. 146; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 653.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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merischen Entscheidung eingeschränkt ist. Das Gericht darf nicht seine eigene wirtschaftliche Entscheidung an die Stelle der Entscheidung des Betriebsveräußerers setzen (Art. 14 Abs. 1 GG). Richtig ist es daher auch hier auf eine konditionale Verknüpfung von Versetzungsentscheidung und Betriebsübergang abzustellen. Der Betriebsübergang darf also nicht Anlass für die Versetzungsentscheidung sein432. Dabei ist in tatsächlicher Hinsicht insbesondere das zeitliche Moment entscheidend, wann die Umsetzungsentscheidung getroffen wird. Wird daher die Versetzungsentscheidung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang getroffen, so ist dies ein Indiz für eine Umgehungsgestaltung. Es kommt also auch hier auf eine zweckgerichtete Konnexität zwischen Versetzungsentscheidung und Betriebsübergang an. 3. Die Verhinderung der Umgehung Ergibt die Auslegung des Sachverhaltes, dass eine Versetzungsentscheidung nur deswegen getroffen wurde, um den Arbeitnehmer gezielt der Rechtsfolge des § 613a BGB zu entziehen, stellt sich die Frage, wie die beabsichtigte Umgehung verhindert werden kann. a) Die Zuordnung des Arbeitnehmers nach objektiven Kriterien Annuß möchte bei kurzfristigen Versetzungen vor Übergang eines Betriebes der Umgehung dadurch entgegenwirken, dass auf die regelmäßige Beschäftigung eines Arbeitnehmers abgestellt wird. Es ist daher zu fragen, ob der Arbeitnehmer auch normalerweise in dem übergehenden Betriebsteil beschäftigt ist. Mit dieser Vorgehensweise wird die Versetzungsentscheidung unberücksichtigt gelassen und nach objektiven Kriterien bestimmt, in welchem Betriebsteil der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet433. Letztlich erfolgt die Verhinderung der Gesetzesumgehung durch Sachverhaltsauslegung, indem ein bestimmter Sachverhalt der Rechtsanwendung zugrunde gelegt wird. Problematisch ist allerdings, dass auch kurz vor Betriebsübergang betriebsübergangsneutrale Versetzungen ausgesprochen werden können. b) Die Unwirksamkeit der Versetzungsentscheidung nach § 106 S. 1 GewO Es wird auch die Ansicht vertreten, der Versetzungsentscheidung deswegen die Wirksamkeit zu versagen, weil die Versetzungsentscheidung nicht „billigem Ermessen“ entspricht, wenn sie nur deswegen erfolgt, um den § 613a BGB zu ver432 433
Elking, NZA 2014, 295, 298. Annuß/Staudinger, § 613a BGB Rn. 146.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
meiden434. Auch in diesem Fall bleibt die Versetzungsentscheidung mangels Wirksamkeit unberücksichtigt. c) Die analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB Vorzugswürdig ist es jedoch die Versetzungsentscheidung an § 613a Abs. 4 S. 1 BGB analog scheitern zu lassen. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob die unmittelbare Anwendung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB auf die Versetzungsentscheidung möglich ist. Nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 4 BGB umfasst dieser nicht mehr eine Versetzungsentscheidung des Arbeitgebers wegen eines Betriebsübergangs. Die Gesetzesumgehung kann nicht mehr durch Auslegung des § 613a Abs. 4 BGB verhindert werden. Allerdings ist die Sicherung des Bestands der Arbeitsverhältnisse eines der vier legislatorischen Ziele des § 613a BGB. Eine Zuordnung eines Arbeitnehmers in einen bestimmten Betriebsteil anlässlich eines Betriebsübergangs würde diametral dem Schutzzweck der Norm entgegenstehen435, da der Betriebsveräußerer auf diese Art und Weise eine Auslese der Arbeitnehmer vornehmen könnte. Es muss daher geprüft werden, ob die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 613a BGB vorliegen. Von der Planwidrigkeit der Regelungslücke ist auszugehen, weil weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus dem Regelungszusammenhang ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber den § 613a Abs. 4 S. 1 BGB nicht auf das Direktionsrecht anwenden wollte. Zudem ist die Vergleichbarkeit der Interessenlage zu bejahen. Die Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers ist wie die Kündigung eine einseitige rechtliche Einwirkung. Ein Unterschied besteht nur insoweit, als die Versetzungsentscheidung das Arbeitsverhältnis dem Grunde nach unberührt lässt. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die Versetzungsentscheidung dazu führt, dass der betroffene Arbeitnehmer in einen stillzulegenden Betriebsteil versetzt wird und ihm daher im Anschluss eine betriebsbedingte Kündigung droht. Dann dient die Versetzungsentscheidung nur der Vorbereitung der Kündigung. Die Zuordnungsentscheidung stellt dann eine Hilfsmaßnahme zu einer Kündigung dar und hätte als Teil der geplanten betriebsbedingten Kündigung mittelbar beendigende Wirkung436. Die Zuordnungsentscheidung kann daher hinsichtlich eines bestimmten Arbeitsverhältnisses die Kündigungsgefahr erhöhen und so künstlich Gründe einer betriebsbedingten Kündigung schaffen437. In diesem Fall ist die Vergleichbarkeit der Interessenlage
434
Kreitner, FS Küttner, S. 399, 414, 416. Hausch, BB 2008, 1392, 1394. 436 Mit dieser Begründung will Elking den § 613a Abs. 4 BGB extensiv ausdehnen, NZA 2014, 295, 298. Dadurch verwischen jedoch die Grenzen der Auslegung zur Analogie. 437 Kreitner, S. 198. 435
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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zu bejahen438. Die analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 BGB auf die Versetzungsentscheidung, die lediglich eine Kündigung vorbereitet, ist damit zu bejahen. Die Versetzungsentscheidung ist nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB analog unwirksam.
IV. Die Vermeidung der Rechtsfolgen des § 613a BGB mittels Arbeitnehmerüberlassung Schließlich ist zu prüfen, ob der dauerhafte Einsatz von Leiharbeitnehmern geeignet ist, die Rechtsfolgen des § 613a BGB zugunsten des Betriebserwerbers zu modifizieren439. Leiharbeitnehmer sind nach gewöhnlichem Verständnis dem Betrieb des Verleihers zuzuordnen, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG. Ausschließlich zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher besteht ein Arbeitsverhältnis440. Geht mithin der Entleihbetrieb über, so sind von dem Betriebsübergang die Leiharbeitnehmer nicht betroffen441, weil sie nicht in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis zu dem veräußernden Entleiher, sondern ausschließlich zum Verleiher stehen. Der Erwerber kann nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB nur in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen des Veräußerers treten. Arbeitsverhältnisse zu anderen Rechtsträgern als dem Veräußerer des Betriebes oder des Betriebsteils werden nicht von § 613a BGB erfasst. Da der deutsche Gesetzgeber diese Annahme für selbstverständlich erachtete, findet dies in § 613a Abs. 1 S. 1 BGB nicht ausdrücklich Erwähnung. Dagegen spricht die Richtlinie 2001/23/EG in Art. 3 Abs. 1 ausdrücklich von den „Rechten und Pflichten des Veräußerers aus einem (. . .) Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis“ und bringt damit zum Ausdruck, dass nur die Rechte und Pflichten des veräußernden Arbeitgebers übergehen, die aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis stammen.
438 Elking wendet jedoch auch dann § 613a Abs. 4 BGB auf Zuordnungsentscheidungen an, wenn diese nicht mittelbar zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, NZA 2014, 295, 298. Eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 BGB auch auf diese Konstellation ist dann zu bezweifeln, weil eine Vergleichbarkeit der Interessenlage nicht vorliegt. Die Zuordnungsentscheidung führt nicht, auch nicht mittelbar zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Damit wären Zuordnungsentscheidung und Kündigung nicht vergleichbar und eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 BGB nicht möglich. 439 Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 107; Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 663. 440 Elking, S. 36 f.; Thüsing, Anmerkung zu EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], ZESAR 2009, 487 f. Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer entsteht nur bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis, § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG. 441 Bauer/von Medem, NZA 2011, 20; Elking, S. 37 f.; Forst, RdA 2011, 228; Preis/ ErfK, § 613a BGB Rn. 67; Willemsen/HWK, § 613a BGB Rn. 225.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
1. Die Umgehungsgestaltung Diese Grundannahme kann zur folgenden Möglichkeit der Modifizierung der Rechtsfolgen führen. Ein Arbeitgeber kann als Entleiher ausschließlich Leiharbeitnehmer einstellen, um eine etwaige Betriebsveräußerung zu erleichtern. Wird der Betrieb des Entleihers veräußert, so ist der Erwerber nicht nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, die bei ihm eingesetzten Leiharbeitnehmer als Stammarbeitnehmer zu übernehmen. Vielmehr ist lediglich eine Kündigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags durch den Entleiher als Betriebsveräußerer oder durch den Betriebserwerber nach Betriebsübergang möglich. Damit wäre eine Umgehung des § 613a BGB grundsätzlich in den Fällen denkbar, in denen der Verleiher den Leiharbeitnehmer dauerhaft bei einem einzigen Entleiher einsetzt und im Übrigen keine weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt442. In diesem Fall könnte die Beendigung des Einsatzes bei dem Entleiher wegen eines Betriebsübergangs, zur betriebsbedingten Kündigung bei dem Verleiher führen, wenn er nicht über anderweitige Einsatzmöglichkeiten verfügt443. Genau vor dieser Gefahr soll § 613a BGB schützen, sodass das Ziel der Norm durch eine solche Konstellation berührt wird. Bei Konzernsachverhalten kann diese Konstruktion noch weiter ausgebaut werden. So kann der Konzern durch den Einsatz einer zentralen Personaldienstleistungsgesellschaft als Verleiher die Rechtsfolgen des § 613a BGB dadurch vermeiden, dass die Leiharbeitnehmer alle bei der Personaldienstleistungsgesellschaft als Verleiher eingestellt werden. Ein Konzern kann daher mehrere arbeitnehmerlose Betriebe (Entleihbetriebe) unterhalten und diese mit den Leiharbeitnehmern des Verleihbetriebes ausstatten. Da zum Entleiher grundsätzlich keine arbeitsvertraglichen Beziehungen bestehen, können diese bei Veräußerung des Entleihbetriebes auch nicht übergehen. Bei Veräußerung eines betriebsmittelintensiven Entleihbetriebes wird dann zwar der Tatbestand des § 613a BGB erfüllt. Da allerdings keine unmittelbaren arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer bestehen, geht die Rechtsfolge des § 613a BGB in das Leere, da Leiharbeitnehmer dem Verleihbetrieb zuzuordnen sind444. Der Konzern könnte daher finanziell unattraktive konzernangehörige Betriebe oder Betriebsteile einfach „abstoßen“ ohne die Hürden des § 613a BGB überwinden zu müssen445. Der Schutz, der durch die Übergangsrichtlinie und den § 613a BGB gewährt werden soll, wäre damit zur Disposition der Unternehmen gestellt446. 442
Lunk, FS Arbeitsrecht, S. 645, 663; Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 107. Thüsing, Anmerkung zu EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], ZESAR 2009, 487, 488. 444 Elking, S. 37 f. 445 Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 21. 446 Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 21. 443
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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2. Die Verhinderung der Umgehung Mit der oben dargestellten Konstruktion wäre der durch § 613a BGB gewährte Schutz durch Arbeitnehmerüberlassungskonstruktionen abdingbar. Es ist daher zu klären, inwiefern diese Umgehungskonstruktion verhindert werden kann. a) Die Verhinderung der Umgehung durch Auslegung Dabei ist zunächst darzulegen, ob die Umgehung des § 613a BGB durch Auslegung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB oder mittels Auslegung des Sachverhaltes verhindert werden kann. aa) Die Albron-Entscheidung des EuGH Der EuGH wich in einer Entscheidung447 zur Verhinderung der Umgehung der Richtlinie 2001/23/EG von dem Grundsatz, dass bei einem Übergang des Entleihbetriebes die Leiharbeitnehmer nicht übergehen, ab448. (1) Der Tatbestand und die Gründe In der hiesigen Entscheidung ging es um eine Personalführungsgesellschaft (Verleiher), bei denen die Leiharbeitnehmer eingestellt waren. Diese setzte die Leiharbeitnehmer bei einem Cateringbetrieb (Entleiher) ein. Verleiher und Entleiher gehörten demselben Konzern an. Der Cateringbetrieb übertrug den Tätigkeitsbereich schließlich auf einen externen Dienstleister (Albron Catering). Problematisch war, ob durch diesen Übergang auf den externen Dienstleister, die Leiharbeitnehmer mitübergegangen sind. Der Generalanwalt plädierte in seinem Schlussantrag für einen Übergang des Leiharbeitnehmers auf den Erwerber und begründete dies mit dem Sinn und Zweck der Richtlinie. Zudem stünde auch der Wortlaut der Richtlinie nicht entgegen. Ein Arbeitnehmer, der dauerhaft für eine andere Konzerngesellschaft (Entleiher) arbeite, sei mit einem Arbeitnehmer vergleichbar, der bei dieser festangestellt sei449. Durch die Dauerhaftigkeit des Einsatzes verliere der betroffene Arbeitnehmer den Status eines Leiharbeitnehmers i. S. d. Richtlinie. Schließlich dürfe, so der Generalanwalt, die Anwendbarkeit der Betriebsübergangsrichtlinie nicht dadurch umgangen werden, dass eine zentrale Personalführungsgesellschaft eingesetzt werde450. 447
EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], NZA 2010, 1225. Dazu Elking: Der „Nichtvertragliche Arbeitgeber“ – Leiharbeit im Betriebsübergang auf Entleiherseite (2013). 449 Schlussanträge des Generalanwalts Bot – 03.06.2010 – C-C024/09, Rn. 42. 450 Schlussanträge des Generalanwalts Bot – 03.06.2010 – C-C024/09, Rn. 49 ff.; zu diesem Gedanken auch Thüsing, Anmerkung zu EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], ZESAR 2009, 487, 488. 448
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Der EuGH schloss sich im Ergebnis der Ansicht des Generalanwalts an, allerdings trifft der EuGH die Unterscheidung zwischen vertraglichem (Verleiher) und nichtvertraglichem Arbeitgeber (Entleiher)451. Da auch die Richtlinie 2001/23 nicht zwingend einen Arbeitsvertrag, sondern lediglich ein Arbeitsverhältnis verlangt, kann auch der Entleiher nichtvertraglicher Arbeitgeber und damit Veräußerer i. S. d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG sein. Nach dem Willen des Unionsgesetzgebers ist daher nach dem EuGH eine vertragliche Beziehung der Leiharbeitnehmer zum Veräußerer (Entleiher) nicht zwingend erforderlich452. (2) Bewertung Der EuGH möchte im Ergebnis verhindern, dass die Richtlinie 2001/23/EG durch Arbeitnehmerüberlassungskonstruktionen umgangen wird. Es geht ihm vorrangig um den Arbeitnehmerschutz und damit um die größtmögliche Durchsetzung von Unionsrecht (effet utile). Ausgangspunkt der Überlegung des EuGH ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG, wonach die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Übergangs auf den Erwerber übergehen. Wer Veräußerer i. S. d. Vorschrift ist, bestimmt Art. 2 Abs. 1 a) der Richtlinie. „Veräußerer“ ist jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Übergangs im Sinne von Art. 1 Abs. 1 als Inhaber aus dem Unternehmen, dem Betrieb oder dem Unternehmens- bzw. Betriebsteil ausscheidet oder – so der EuGH – die Arbeitgebereigenschaft verliert453. Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist jedoch der Verleiher. Nur dieser ist durch einen Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer verbunden. Der EuGH jedoch konstruiert die Figur des „nichtvertraglichen Arbeitgebers“. Dieser ist das Unternehmen, zu dem die Arbeitnehmer ständig entsandt werden, ohne jedoch mit diesem durch einen Arbeitsvertrag verbunden zu sein (Entleiher)454. Die Frage ist also, ob auch der nichtvertragliche Arbeitgeber „Veräußerer“ i. S. d. Art. 2 Abs. 1 a) der Richtlinie sein kann. Dies nimmt der EuGH an, indem er formuliert, dass für die Eigenschaft als Veräußerer keine vertragliche Beziehung zum Leiharbeitnehmer erforderlich sei. Vielmehr reiche aus, wenn zwischen Veräußerer und Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis (und damit kein Arbeitsvertrag) i. S. d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestehe.
451 Nach Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 21 greift der EuGH durch diese Differenzierung in die Definitionshoheit der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Arbeitsvertrags und Arbeitsverhältnisses ein, Art. 2 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie 2001/23 EG; Thüsing, Anmerkung zu EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], ZESAR 2009, 487, 488; Willemsen, NJW 2011, 1546, 1548. 452 EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], NZA 2010, 1225. 453 EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], NZA 2010, 1225, 1226. Dies solle sich aus der Richtlinie „ergeben“. 454 EuGH v. 21.10.2010 – C-242/09 [Albron Catering], NZA 2010, 1225, 1226.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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Der EuGH eröffnet daher durch extensive Auslegung des Begriffes „Arbeitsverhältnis“ den Anwendungsbereich der Richtlinie. Der EuGH weitet die Auslegung also zugunsten des effet utile aus und kommt so zur Anwendung der Richtlinie auf diesen Sachverhalt. Auch im deutschen Recht spricht der § 613a Abs. 1 S. 1 BGB von „Arbeitsverhältnissen“. Mit dieser Argumentation könnte man freilich auch den § 613a Abs. 1 S. 1 BGB weit ausgelegen und durch extensive Auslegung die Umgehung verhindern. Unklar ist allerdings die genaue Rechtsfolge, die sich daraus ergibt, den Entleiher als „Veräußerer“ i. S. d. Richtlinie zu qualifizieren455. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie und § 613a Abs. 1 S. 1 BGB müsste der Erwerber in die Rechte und Pflichten des Entleihers aus dem Arbeitsverhältnis treten, die zum Leiharbeitnehmer bestehen. Das bedeutet, dass nur die Eigenschaft „Entleiher“ auf den Erwerber übergehen würde und dass der Leiharbeitnehmer diesen Status auch bei dem Erwerber nicht verliert456. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der EuGH im Fall der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung im Konzern bei Übergang des Entleihbetriebes ein vertragliches Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert457 und dass der Erwerber genau diese rechtliche Position erhält. Damit würde der Verleiher aus seinem Vertragsverhältnis zu seinem Leiharbeitnehmer herausgedrängt und der Leiharbeitnehmer würde diesen Status bei dem Erwerber verlieren und wäre als Stammarbeitnehmer des Erwerbers zu behandeln458. Zusammenfassend wird also die Umgehung des § 613a BGB mittels dauerhaften Einsatzes von Leiharbeitnehmern dadurch verhindert, dass bei Übergang des Entleihbetriebes die Leiharbeitnehmer auf den Erwerber übergehen, allerdings bei dem Erwerber den Status eines Stammarbeitnehmers erhalten459. Diese Aus455
Elking, S. 62 f. Elking, S. 199. 457 Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 22; Elking, S. 199; auch Willemsen interpretiert das EuGH-Urteil in diesem Sinne, hält es allerdings hinsichtlich der Begründung für dogmatisch falsch, „Scheinbegründung“, NJW 2011, 1546, 1548 f. 458 Welchen Status der Leiharbeitnehmer nach dem Übergang bei dem Erwerber innehat, ist umstritten und rechtlich nicht eindeutig geklärt, Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 22; Elking geht von einem Sprung des Leiharbeitnehmers in die Stammbelegschaft des Erwerbers aus, S. 199 ff.; Forst, RdA 2011, 228, 232; Willemsen, NJW 2011, 1546, 1548 f. Willemsen kritisiert in NJW 2011, 1546 die Differenzierung zwischen vertraglichem und nicht vertraglichem Arbeitgeber, weil diese nicht die vom EuGH angestrebte Rechtsfolge trägt. Der Kläger strebte nämlich die Zahlung der zuletzt vom Verleiher erhaltenen Vergütung an. Dazu müsste es aber zu einem Betriebsübergang zwischen Verleiher und Erwerber kommen und dieser lag hier nicht vor. Die Differenzierung zwischen vertraglichem und nicht vertraglichem Arbeitgeber nützt also nur dann etwas, wenn der Kläger die tatsächliche Weiterbeschäftigung durch den Erwerber begehrt. Die Albron, als Erwerberin, übernahm aber den Kläger und beschäftigte diesen weiter. 459 Dem Verleiher wird dadurch „sein“ Leiharbeitnehmer entzogen, Gaul, DB 2011, 298, 300. 456
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
legung des Art. 3 der Richtlinie ist höchst fragwürdig und mit dogmatischen Friktionen verbunden460. bb) Die Verhinderung der Gesetzesumgehung im Wege der Sachverhaltsauslegung Willemsen461 schlägt dagegen zur Verhinderung der Umgehung des § 613a BGB durch konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung einen anderen Weg ein. Ausgangspunkt seiner Überlegung ist, dass der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers weiterhin der Inhaber des Verleihbetriebes ist. Wird der Entleihbetrieb veräußert und fällt dadurch bei dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung die einzige Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers weg, so droht die Gefahr der betriebsbedingten Kündigung durch den Inhaber des Verleihbetriebes, wenn der Entleiher als Veräußerer vor Betriebsübergang oder der Erwerber nach Betriebsübergang den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem Verleiher rechtmäßig kündigt und der Leiharbeitnehmer daher nicht mehr bei dem Entleiher eingesetzt werden kann. Vor dieser Gefahr soll § 613a BGB den Arbeitnehmer schützen. Zur Verhinderung dieser Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes ist notwendig, dass der Leiharbeitnehmer Stammarbeitnehmer bei dem Erwerber wird. Dies wird er allerdings nur, wenn der Verleihbetrieb auf den Erwerber übergeht und nicht, wenn der Entleihbetrieb veräußert wird. Daher ist der „Sprung in die Stammbelegschaft“ zur Verhinderung des Arbeitsplatzverlustes nur dann möglich, wenn die tatsächliche Veräußerung des Entleihbetriebes rechtlich betrachtet dem Inhaber des Verleihbetriebes zugerechnet werden kann. Eine solche Zurechnung soll aber nur dann möglich sein, wenn der Verleiher seine Leiharbeitnehmer dauerhaft in einem anderen (Konzern-)Unternehmen (Entleiher) einsetzt, ohne für diese entweder eigene Arbeitsplätze im eigenen Betrieb/Unternehmen vorzuhalten oder im Falle der Beendigung der Entsendung über gesicherte Einsatzmöglichkeiten in anderen (Konzern-)Unternehmen zu verfügen. Der Inhaber des Verleihbetriebes muss sich dann bei Übertragung des Einsatzbetriebes (Entleiher) auf einen außenstehenden Dritten so behandeln lassen, als hätte er die dortige Beschäftigungsmöglichkeit im Wege der Betriebsveräußerung zu Fall gebracht. Denn Sinn und Zweck des § 613a BGB sei es, eine fehlende Lücke im Kündigungsschutz zu schließen, die dadurch entsteht, dass der Betriebsveräußerer aufgrund des Betriebsübergangs keine weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten hat und daher zur betriebsbedingten Kündigung berechtigt wäre462. Diese Möglichkeit soll jedoch durch § 613a Abs. 1, Abs. 4 BGB verhindert werden. Die Ent-
460 Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 22; Forst, RdA 2011, 228, 232; Willemsen, NJW 2011, 1546, 1548 f. 461 Willemsen, NJW 2011, 1546, 1548; a. A. Elking, S. 214. 462 Willemsen/W/H/S/S, G, Rn. 20.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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scheidung, ob eine Beschäftigungsmöglichkeit wegfällt, trifft regelmäßig der Arbeitgeber als Vertragspartei. Bei der Arbeitnehmerüberlassung fällt jedoch die Arbeitgeberstellung auseinander. Der vertragliche Arbeitgeber bleibt der Verleiher, während dem Entleiher jedoch dauerhaft die betriebliche Leitungsmacht zufällt. Letzterer entscheidet dann über den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit durch Betriebsveräußerung. Dem Leiharbeitnehmer würde damit der tatsächliche Einsatz im Entleihbetrieb entzogen und damit eine dortige Beschäftigungsmöglichkeit genommen. Willemsen führt weiterhin aus, dass das „Bedrohungspotenzial“ der Leiharbeitsverhältnisse dasselbe sei, wie im unmittelbaren Anwendungsbereich der Richtlinie und des § 613a BGB. Im Ergebnis nimmt er an, dass die Betriebsveräußerung durch den Betriebsinhaber (Entleiher) wie eine solche des Verleihers zu behandeln sei, wenn im Falle einer dauerhaft gespaltenen Arbeitgeberfunktion den entsandten Arbeitnehmern der Arbeitsplatzverlust drohen würde. Wird die Veräußerung durch den Entleiher dem Verleiher zugerechnet, dann lässt sich erklären, warum der Erwerber des Entleihbetriebes in die arbeitgebervertragliche Stellung des Verleihers tritt. Das bei dem Verleiher fehlende Tatbestandsmerkmal des Betriebsveräußerers wird diesem durch den Entleiher zugerechnet mit der Folge, dass der Erwerber des Entleihbetriebes den vormals beschäftigten Leiharbeitnehmer als Stammarbeitnehmer erhält. Im Wege der Zurechnung wird mithin das Ziel des § 613a BGB gewahrt und der legislatorische Wille im Wege dieser besonderen Form der Sachverhaltsauslegung durchgesetzt. b) Die Verhinderung durch Gesetzgebung Seit dem 1.12.2011 wurde in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG a. F. klargestellt, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher vorübergehend erfolgt. Inwiefern diese Gesetzesänderung die Umgehung des § 613a BGB unmöglich macht, ist im Folgenden zu klären463. Das BAG vertritt die Ansicht, dass die nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung mit Einführung des Satzes 2 nun verboten sei464. Auch die Literatur geht teilweise davon aus465, dass das Merkmal zwingend sei, mit der Folge, dass bei nicht vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung, diese unzulässig ist. Das ergebe sich aus der Formulierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, der davon spricht, dass die Arbeitnehmerüberlassung „vorübergehend erfolgt“ und nicht „vorübergehend erfolgen soll“.
463 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Zeit vor dem Inkrafttreten der Änderungen im AÜG zum 1.4.2017 (BT-Drs. 18/9232). 464 BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296. 465 Wank/ErfK, § 1 AÜG Rn. 37a; a. A. Kock/Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, § 1 AÜG Rn. 49, der lediglich von einer Klarstellung spricht.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Ist der Einsatz der Leiharbeitnehmer daher dauerhaft466 und damit nicht „vorübergehend“ i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, dann stellt sich die Frage, wie sich dies rechtlich auswirkt, da der Gesetzgeber für den Fall der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung bis jetzt keine Rechtsfolge angeordnet hat. Das BAG hat lediglich entschieden, dass eine analoge Anwendung der §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ausscheidet467 und dass dem Betriebsrat in diesem Fall ausschließlich ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zukommt468. Darüber hinaus ist ein Widerruf (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 AÜG) möglich und ein Versagungsgrund für die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG anzunehmen469. Zwingend zur Versagung der Überlassungserlaubnis kann ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG aber nicht führen. Vielmehr steht der Behörde aufgrund der nicht abschließend geklärten Rechtslage ein Beurteilungsspielraum bezüglich der Zuverlässigkeit des Verleihers sowie ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite zu. Einzelne Verstöße können daher regelmäßig nicht zu einem Widerruf der Überlassungserlaubnis führen470. Weitere Sanktionen sieht das Gesetz bis jetzt nicht vor. Nichtsdestotrotz wird dadurch die dauerhafte Überlassung von Leiharbeitnehmern unmöglich, sodass die Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB durch dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung kein probates Mittel mehr darstellt. Durch das – bis jetzt leider noch unvollständige – Eingreifen des Gesetzgebers wird damit die Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB durch dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr möglich sein. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG führt zwar nicht zu den Rechtsfolgen des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG, allerdings müssen Verleiher und Entleiher sich mit dem Risiko abfinden, dass ihr Verstoß gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG zum Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und damit zu den Rechtsfolgen des §§ 5 Abs. 2 S. 1, 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG führt. Zudem wurde durch die Kodifizierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG der Umgehung des § 613a BGB durch Leiharbeitnehmer jegliche Attraktivität genommen. Laut Koalitionsvertrag soll die Überlassungsdauer auf 18 Monate beschränkt werden471. Denkbar ist dann freilich, den Leiharbeitnehmer nur für die Dauer von 18 Monaten einzusetzen und sich danach anderer Leiharbeitnehmer zu be466 Mit der AÜG-Reform 2017, deren Änderungen zum 1.4.2017 in Kraft getreten sind, wurde nun (wieder) eine Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten eingeführt (§ 1 Abs. 1b S. 1 und 2 AÜG n. F.). 467 BAG v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13, NZA 2014, 196. 468 BAG v. 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, NZA 2013, 1296; BAG v. 30.9.2014 – 1 ABR 79/12, NZA 2015, 240. 469 Hamann, RdA 2014, 271, 272; Kock/Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, § 1 AÜG Rn. 57. 470 Nießen/Fabritius, NJW 2014, 263, 266. 471 Koalitionsvertrag v. 16.12.2013, S. 69.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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dienen. Ob es für den Entleiher dann noch ein Anreiz ist, nur zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 613a BGB, ausschließlich Leiharbeitnehmer einzusetzen, ist sehr fraglich. Denn der Leiharbeitnehmer muss zum einen immer wieder neu eingearbeitet werden und zum anderen ist auch der Verwaltungsaufwand, der wiederholt mit der Neueinstellung verbunden ist, nicht zu vernachlässigen. Jedoch bietet sich diese Konstruktion dann an, wenn absehbar ist, dass der Betrieb in Zukunft veräußert werden soll. Die natürliche Arbeitnehmerfluktuation kann in diesem Fall ausgenutzt werden, um beispielsweise auslaufende Verträge nicht mehr zu verlängern und nur noch Leiharbeitnehmer einzustellen, die vom Betriebsübergang nicht erfasst sind. Dies stellt aber dann keine Umgehung des § 613a BGB dar, sondern der zulässige Gebrauch der Vertragsfreiheit. Der Verleiher und der Entleiher müssen sich allerdings de lege ferenda zukünftig an der Überlassungszeit von 18 Monaten ausrichten, um nicht zu riskieren, dass die Überlassungserlaubnis entzogen wird. 3. Bewertung a) Die Verhinderung der Umgehung aa) Die Auslegung durch den EuGH und die Zurechnung Die Frage, ob Leiharbeitnehmer bei Einsatz im Entleihbetrieb bei Veräußerung desselben übergehen, ist nach Ansicht des EuGH eine Frage der Auslegung. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB spricht davon, dass der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Allerdings besteht zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kein Arbeitsvertrag. Der Begriff „Arbeitsverhältnis“ muss daher ausgelegt werden. Um eine vermeintliche Umgehungsoption zu vereiteln, wird das Tatbestandsmerkmal „Arbeitsverhältnis“ bzw. der in der Richtlinie 2001/23/EG verwendete Begriff weit ausgelegt. Der EuGH beabsichtigt mit diesem Verfahren die Geltung der Richtlinie sicherzustellen und den Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten. Dabei ist Ausgangspunkt der Verhinderung der Umgehung das mit § 613a BGB verfolgte Ziel. Das Arbeitsverhältnis muss in seinem Bestand geschützt werden, wenn der Betrieb/Betriebsteil, in welchem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, übergeht. Ist daher der Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer dauerhaft in einem Betrieb/Betriebsteil eingesetzt, ohne dass der Verleiher weitere Einsatzmöglichkeiten des Leiharbeitnehmers hat, dann droht ihm die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes durch Veräußerung des Entleihbetriebes. Der Leiharbeitnehmer muss mit dem Entleihbetrieb auf den Erwerber und bei diesem in die Stammbelegschaft übergehen. Ein anderes rechtstechnisches Mittel zur Umgehungsverhinderung stellt die Zurechnung dar. Mittels dieser wird das beim Inhaber des Verleihbetriebes fehlende Tatbestandsmerkmal des Betriebsveräußerers ersetzt. Dem Verleiher werden mithin die Veräußerung und damit der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
zugerechnet. Folge dieser Betrachtung ist, dass der Leiharbeitnehmer als Stammarbeitnehmer auf den Erwerber des Entleihbetriebes übergeht. bb) Einschränkungen Sowohl bei der erweiternden Auslegung durch den EuGH als auch bei der Zurechnungstechnik sind allerdings bestimmte Grenzen zu wahren, wenn der Schutzzweck des § 613a BGB nicht tangiert ist. Die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes besteht jedenfalls dann nicht, wenn es sich um „echte“ Arbeitnehmerüberlassung handelt, bei der der Verleiher den Leiharbeitnehmer nicht dauerhaft bei dem Entleiher einsetzt. In diesem Fall wird der Anwendungsbereich des § 613a BGB nicht berührt. Der Leiharbeitnehmer wird durch Veräußerung des Entleihbetriebes seinen Arbeitsplatz nicht verlieren, weil er von dem Verleiher in einem anderen Betrieb als dem veräußerten Entleihbetrieb eingesetzt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die Leiharbeitnehmer nur „vorübergehend“ im Entleihbetrieb eingesetzt werden. Das Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher besteht dann losgelöst von dem Bestehen einer Beschäftigungsmöglichkeit in dem Betrieb eines Dritten (Entleiher). Der Verleiher zahlt dem Leiharbeitnehmer außerdem während der Zeiten des Nichtverleihs die Vergütung weiter, vgl. § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG. § 613a BGB ist daher bei Übergang des Betriebes des Entleihers hinsichtlich der dort eingesetzten Leiharbeitnehmer in diesem Fall nicht anwendbar. Der von der Richtlinie 2001/23/EG intendierte Schutz (Erwägungsgrund 3: Kontinuität des Arbeitsverhältnisses) wird schon durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum Verleiher gewährt472. b) Die Ursache der Möglichkeit der Umgehung Die Möglichkeit der Umgehung des § 613a BGB durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern ergibt sich hier aus den nicht abgestimmten gesetzlichen Wertungen des § 613a BGB einerseits und des AÜG andererseits. § 613a BGB sieht vor, dass die Arbeitnehmer des veräußernden Arbeitgebers auf den Erwerber übergehen. Das AÜG sieht dagegen vor, dass der Leiharbeitnehmer keine arbeitsvertrag472 Kritisch zu dieser Betrachtungsweise, Gaul DB 2011, 298, 300. Der Arbeitnehmer soll durch den Betriebsübergang nicht bessergestellt werden als ohne diesen. Zu einer Besserstellung kommt es aber, wenn im Falle der Veräußerung des Betriebes des Entleihers, der Leiharbeitnehmer ipso iure in ein Stammarbeitsverhältnis zu diesem eintritt, das nicht auf den Einsatz bei vielen verschiedenen Betrieben gerichtet ist wie das Leiharbeitsverhältnis. Zudem könnte sich der Arbeitnehmer in zweifacher Hinsicht auf die Richtlinie 2011/23 EG und damit auf § 613a BGB berufen: Zum einen würde der Schutz des § 613a BGB greifen, wenn der Verleihbetrieb übertragen wird (so der gesetzliche Regelfall) und zum anderen würde der Leiharbeitnehmer (unter bestimmten Voraussetzungen) auch dann in den Genuss des § 613a BGB kommen, wenn der Entleihbetrieb veräußert wird, Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 22; Gaul, DB 2011, 298, 299 f.
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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liche Beziehung zum Entleiher hat, sodass dieser grundsätzlich nicht von § 613a Abs. 1 S. 1 BGB betroffen ist, wenn der Betrieb des Entleihers übergeht. Vorliegend ist es jedoch durch Auslegung des Begriffs „Arbeitsverhältnis“ oder im Wege der Zurechnung möglich, die unterschiedlichen Wertungen des § 613a BGB und des AÜG aufeinander abzustimmen und dem mit § 613a BGB verfolgten Zweck trotz der Anordnung des § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG Geltung zu verschaffen. Der Gesetzgeber sieht die Umgehungsgefahr durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht nur hinsichtlich der Umgehung des § 613a BGB, sondern auch bezüglich der Umgehung einer Eingehung eines Stammarbeitsverhältnisses473. Nach der gesetzlichen Konzeption soll daher die Arbeitnehmerüberlassung nicht dauerhaft erfolgen. Dies wurde bereits in Satz 2 des § 1 Abs. 1 AÜG klargestellt. Um allerdings Rechtssicherheit zu schaffen, ist es wichtig zu klären, wann „vorübergehende“ Arbeitnehmerüberlassung vorliegt und welche Folgen eintreten, wenn gegen § 1 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen wird. c) Die Folgen der Albron-Entscheidung auf die Arbeitnehmerüberlassung Schließlich ist darzulegen, welche Auswirkungen die oben aufgezeigten Grundsätze zur Verhinderung der Umgehung auf die Arbeitnehmerüberlassung und dem Betriebsübergang haben. Es ist zu unterscheiden zwischen konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitnehmerüberlassung, die außerhalb des Konzerns durchgeführt wird. aa) Die Folgen auf die nicht konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des EuGH und damit die Aussage, dass bei Veräußerung des Entleihbetriebes die Leiharbeitnehmer auf den Erwerber übergehen, nur bei konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung Anwendung findet, wenn die formale Arbeitgeberstellung im vertraglichen Sinne und die Ausübung der betrieblichen Leitungsmacht im tatsächlich-wirtschaftlichen Sinne dauerhaft auseinander fällt474. Außerhalb der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Übertragung des Entleihbetriebes auf die dort eingesetzten 473
Vgl. S. 174. Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 22; Willemsen, NJW 2011, 1546, 1549, auch Schlussanträge des Generalanwalts Bot – 3.6.2010 – C-C024/09, Rn. 45, der in seinem Schlussantrag ausdrücklich auf „Konzerne“ Bezug nimmt; a. A. Kühn, NJW 2011, 1408, 1409 und Forst, RdA 2011, 228, 230. Letzterer geht davon aus, dass der EuGH wohl diese Rechtsprechung auch auf konzernexterne Arbeitnehmerüberlassung anwenden will, weil dieser die Unterscheidung zwischen konzerninternen und konzernexternen Sachverhalten, wie sie der Generalanwalt vorgenommen hat, nicht aufgreift. Wie Kühn auch Heuchemer/Schielke, BB 2011, 758, 763. 474
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
Leiharbeitnehmer keinen Einfluss hat. Während bei einem normalen Arbeitsverhältnis im Falle eines Betriebsübergangs der Wegfall des Arbeitsplatzes droht, ist dies im Falle der Arbeitnehmerüberlassung außerhalb des Konzernbereichs anders: Der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit im Entleihbetrieb berechtigt den Verleiher nicht eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Das Risiko der Nichtbeschäftigung trägt der Verleiher, § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG. Regelmäßig hat daher der Wegfall der Einsatzmöglichkeit im Entleihbetrieb keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer475, mit der Folge, dass schon der Anwendungsbereich des § 613a BGB mangels Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers nicht tangiert wird. bb) Die Auswirkungen auf die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung Eine generelle Anwendbarkeit der Albron-Grundsätze ist auch bei der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung nicht geboten. Es muss auch hier erneut differenziert werden476. So ist die Albron-Entscheidung bei Personalservicegesellschaften, die nicht das gesamte Personal des Konzerns stellen, sondern lediglich nur einige Leiharbeitnehmer für den Einsatz in mehreren Konzernunternehmen bereithalten, nicht anwendbar. Es soll sich dann um „normale“ Leiharbeit handeln, weil keine feste Zuordnung zu einem bestimmten Konzernunternehmen vorliegt. Im Gegensatz dazu soll bei Konzernen, bei denen alle Arbeitnehmer bei einem konzerneigenen Personalunternehmen eingestellt sind, die dann wiederum diese als Leiharbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei anderen konzerneigenen Unternehmen dauerhaft einsetzen, § 613a BGB auch dann anwendbar sein, wenn nur der Entleihbetrieb übergeht. Damit soll die Umgehung des § 613a BGB durch scheinbar arbeitnehmerlose Konzernunternehmen unterbunden werden477. Bei konzerninterner dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung ist daher § 613a BGB auf die Leiharbeitnehmer bei Übergang des Entleihbetriebes anwendbar. Die Umgehung wird durch Zurechnung der Veräußerereigenschaft des Entleihers an den Verleiher verhindert, mit der Folge, dass der Erwerber des Entleihbetriebes den ursprünglichen Leiharbeitnehmer als Stammarbeitnehmer beschäftigen muss. Diese Unterscheidung ergibt sich aus dem mit § 613a BGB intendierten Schutz des Arbeitnehmers. Wird der Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns an mehrere unterschiedliche Konzerne vorübergehend überlassen, dann besteht durch Übergang des Entleihbetriebes keine Gefahr für den Verlust des Arbeitsplatzes des Leiharbeitnehmers. Er kann weiterhin an andere Konzernunterneh475 476 477
Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 22. Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 23; Willemsen, NJW 2011, 1546, 1549. Bauer/von Medem, NZA 2011, 20, 23.
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men überlassen werden. Anders ist dagegen die Lage bei dauerhafter konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung an einen einzigen Entleihbetrieb zu beurteilen. Hier droht im Falle des Übergangs des Entleihbetriebes der Verlust des Arbeitsplatzes. Hier wird der Schutzzweck des § 613a BGB tangiert, sodass im Wege der Zurechnung die Umgehung verhindert wird.
V. Zusammenfassung Bei der Modifizierung der eintretenden Rechtsfolgen nach § 613a Ab. 1 S. 1 BGB kann man danach unterscheiden, ob der Arbeitnehmer unmittelbar mitwirkt (Ausscheiden aus dem Arbeitsvertrag, Erlassverträge) oder nicht mitwirkt (Zuordnung zu einem Betriebsteil, Arbeitnehmerüberlassung). Hinsichtlich des Ausscheidens von Arbeitnehmern aus dem Arbeitsvertrag vor dem Betriebsübergang ergibt sich der Widerspruch zwischen dem Subsumtionsvorschlag der Parteien und dem Ziel des § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 4, S. 1 BGB aus der Verknüpfung von dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und dem Wiedereintritt bei dem Erwerber (Lemgoer Modell) ausschließlich zum Zweck der Vereitelung der gesetzgeberischen Grundentscheidung. Letztere hat zum Inhalt, dass ein Betriebsübergang an sich kein Grund für den Sozialabbau ist. Die daraus resultierende Gesetzesumgehung ist im Wege der Sachverhaltsauslegung zu verhindern. Rechtlich fiktiv betrachtet hat der Arbeitnehmer nie den Betrieb verlassen. Auf Grundlage dieses Sachverhaltes ist der § 613a Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar anwendbar. Die Mitwirkung des Arbeitnehmers ist hier insofern unerheblich, weil in die Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers gerechtfertigt eingegriffen wird. § 613a BGB möchte zwar nicht eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Wirtschaftsleben kompensieren, allerdings soll nach dem gesetzgeberischen Willen der Betriebsübergang kein Grund sein, das Arbeitsverhältnis in irgendeiner Weise zum Nachteil des Arbeitnehmers zu verändern. Der Gesetzgeber ordnet das Risiko bei Betriebsveräußerungen den Betriebsveräußerungsparteien zu. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung könne dadurch entwertet werden, wenn es möglich wäre, durch den Einsatz gegenläufiger Gestaltungen § 613a BGB zu umgehen. Insofern wird also der Normdurchsetzung bei § 613a BGB ein höherer Rang zuteil als der Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers, der bei gegenläufigen Gestaltungen mitwirkt. Hier ist jedoch schon fraglich, ob die Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers überhaupt berührt ist. Es geht nämlich nicht um die Verwirklichung von Vertragsfreiheit, wenn der Arbeitnehmer sich widersprüchlich verhält (Abschluss von Ausweich- und Korrekturgeschäft) und das ausschließlich dem Zweck dient, der Rechtsfolge des § 613a BGB zu entgehen. Der Einsatz einer BQG erhöht die Komplexität der Umgehungsgestaltung, ist jedoch im Ergebnis wie das Lemgoer Modell zu lösen. Die rechtlichen Transak-
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tionen werden durch die zweckgerichtete Verknüpfung zur Gesetzesumgehung, die auch im Wege der Saldierungsmethode zu verhindern ist. Bei den Erwerberkonzeptkündigungen ergibt sich die Möglichkeit zur Gesetzesumgehung aus den verschiedenen Anwendungsbereichen des § 613a Abs. 4 S. 1 und S. 2 BGB und der einschränkenden Auslegung des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB zur Ermöglichung von sanierenden Betriebsübernahmen. Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich, weil der Gesetzgeber eindeutige Regelungen im Falle der Insolvenz geschaffen hat, die jedoch keine Auswirkungen auf den Schutzzweck des § 613a BGB haben. Der Subsumtionsvorschlag des Normumgehenden erschöpft sich in diesem Fall in der schlichten falschen Zuordnung der Kündigung zu dem Anwendungsbereich des § 613a Abs. 4 S. 2 BGB. Die Zulässigkeit von Änderungen individualvertraglicher Arbeitsbedingungen beim Betriebsübergang ist davon abhängig, ob sich durch diese Vereinbarung die betriebsübergangsspezifische Gefahr realisiert. Diese liegt darin, dass der Betriebserwerber ohne diese Regelung das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigen oder inhaltlich zum Nachteil des Arbeitnehmers ändern könnte, um den Betrieb zu veräußern. Aus diesem Grund sind Erlassverträge mit dem Betriebsveräußerer vor Betriebsübergang dann unwirksam, wenn beide konditional miteinander verbunden sind. Durch diese Konnexität soll der gesetzgeberische Wille vereitelt werden, sodass derartige Vereinbarungen von vornherein nicht möglich sind, § 613a Abs. 1 S. 1 BGB. Da sich bei dem Abschluss von Erlassverträgen nach dem Betriebsübergang kein betriebsübergangsspezifisches Risiko verwirklicht, sind diese Verträge unabhängig vom Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam. Bei der Zuordnung zu einem bestimmten Betriebsteil hängt die Wirksamkeit der Zuordnungsentscheidung auch davon ab, ob die Zuordnung ausschließlich deswegen erfolgte, um der Rechtsfolge aus § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 BGB auszuweichen. Schwieriger sind Konstellationen zu beurteilen, wenn sich der Normunterworfene auf ein gesondert kodifiziertes Rechtsinstitut beruft. So erschien es vor Kodifizierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. als scheinbar leicht, der Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB durch den dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmern zu entgehen. Wird der Entleihbetrieb, in dem dauerhaft Leiharbeitnehmer eingesetzt sind, veräußert, dann besteht für diese die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes, wenn der Verleiher keine anderen Einsatzmöglichkeiten bereithält. Diese sich aus der Veräußerung des Betriebes resultierende Gefahr stellt einen Wertungswiderspruch zu § 613a BGB dar, weil die Norm verhindern soll, dass wegen der Veräußerung eines Betriebes Arbeitsplätze verloren gehen. Es liegt also ein Umgehungsgeschäft vor, das dadurch ermöglicht wird, dass die Wertungen des § 613a BGB nicht mit denen des AÜG abgestimmt sind. Die Umgehung wird durch Zurechnung des Tatbestandsmerkmals „Veräußerer“ an den Verleiher verhindert mit der Folge, dass die Leiharbeitnehmer in ein Stammarbeitsverhältnis zu dem
D. Die Vermeidung des Eintritts der Rechtsfolgen
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Erwerber des Entleihbetriebes wechseln. Der Gesetzgeber hat nun mit der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. der dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung einen Riegel vorgeschoben, allerdings ist nach de lege lata weder eindeutig, was „vorübergehend“ bedeutet noch welche Rechtsfolge eintritt, wenn die Arbeitnehmerüberlassung dauerhaft betrieben wird. Darüber hinaus erfährt die Umgehungslehre im Zusammenhang mit § 613a BGB durch die Albron-Entscheidung auch insofern eine Modifikation, als der EuGH die der Norm zugrundliegende Richtlinie 2001/23/EG zur Verhinderung von Umgehungen zumindest im Albron-Catering Fall auf eine Art und Weise auslegt, die nicht mit dem deutschen Rechtsverständnis von Arbeitnehmerüberlassung übereinstimmt478. Wegen Art. 4 Abs. 3 EUV479 ist die Richtlinie 2001/23/EG bei der Verhinderung von Gesetzesumgehungen durch Auslegung besonders zu beachten. Das hat zur Folge, dass die deutschen Arbeitsgerichte § 613a BGB so auslegen müssen, dass das von der Richtlinie 2001/23/EG vorgegebene Ziel auch erreicht wird und so in die Interpretationsspielräume des nationalen Rechts die Wertungen des Unionsrechts hineinfließen480. Dieser europarechtliche Aspekt macht die Anwendung des § 613a BGB noch unkalkulierbarer, wie es das Urteil in der Sache Albron gezeigt hat481. Zusammenfassend ist also bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsgeschäften, die die Rechtsfolge des § 613a BGB modifizieren, darauf abzustellen, ob sich bei unterstellter Wirksamkeit des Subsumtionsvorschlages eine betriebsübergangsspezifische Gefahr realisieren würde oder nicht. Die Mitwirkung des Arbeitnehmers ist insoweit unerheblich, als diese nur darauf abzielt, eine Rechtsfolge herbeizuführen, die der Gesetzgeber durch § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 BGB verhindern will. Durch diese Unbeachtlichkeitserklärung der Arbeitnehmermitwirkung wird verhindert, dass das Risiko des Scheiterns einer Betriebsveräußerung auf den Arbeitnehmer verlagert wird, da nach dem legislatorischen Willen Betriebserwerber und Betriebsveräußerer dieses Risiko tragen müssen. Auch lässt sich im Vergleich zur Vermeidung des Tatbestandes feststellen, dass bei der Modifizierung der Rechtsfolgen subjektive Momente insoweit erheblich 478 „Wenn der EuGH neue Entscheidungen verkündet, brechen für deutsche Juristen – und nicht nur für diese – mitunter die buchstäblichen Welten zusammen.“, so Willemsen mit Verweis auf die Urteile „Christel Schmidt“, „Mangold“ und „Kücükdeveci“, NJW 2011, 1546. 479 EuGH v. 15.7.1964 – 6/64 [Flaminio Costa gegen E.N.E.L.], NJW 1964, 2371; Richardi, Münchener Handbuch Arbeitsrecht I, § 6, Rn. 29 ff. 480 Forst, RdA 2011, 228, 231; Weth/Kerwer, JuS 2000, 425, 427. 481 Im Verhältnis Entleiher und Erwerber stellt der Sprung des Leiharbeitnehmers in die Stammbelegschaft des Erwerbers einen Rechtsmangel i. S. d. § 435 BGB dar, der grundsätzlich zu Schadensersatzansprüchen führt, §§ 280 ff. BGB. Jedoch wird es an einem Verschulden des Entleihers/Veräußerers fehlen, wenn der Entleiher/Veräußerer davon ausging, dass Leiharbeitnehmer nicht nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB auf den Erwerber übergehen. Er befand sich also in einem beachtlichen Rechtsirrtum, Forst, RdA 2011, 228, 235.
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4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
sind, als sie bei den gegenläufigen Gestaltungen die einzelnen rechtlichen Transaktionen planmäßig konditional miteinander verknüpfen.
E. Zusammenfassung zum vierten Kapitel § 613a BGB zielt darauf ab, das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand und seinem Inhalt nach vor betriebsübergangsspezifischen Veränderungen zu Lasten des Arbeitnehmers zu schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Arbeitsplatz im Falle der Betriebsveräußerung an den Betrieb geknüpft, mit der Folge des gesetzlichen Übergangs. Dieser Zwangseintritt des Erwerbers ist mit verfassungsrechtlich relevanten Eingriffen in die Grundrechte des Erwerbers verbunden, die nur dann gerechtfertigt sind, wenn sich der Betriebserwerber als Ausgleich eine bereits bestehende funktionelle Verknüpfung von immateriellen und materiellen betrieblichen Faktoren nutzbar machen kann. Ausgehend von diesen Grundannahmen lassen sich die Umgehungskonstellationen im Zusammenhang mit § 613a BGB konsistent lösen. Bei der vortatbestandlichen Vermeidung des § 613a BGB entsteht kein normativer Widerspruch zwischen Subsumtionsvorschlag und Anwendungsbereich des § 613a BGB, weil sowohl bei der Veräußerung im Wege des Share Deals als auch bei Betriebsübergängen mit Auslandsbezug kein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers entsteht, dem durch § 613a BGB Rechnung getragen werden müsste. Bei Betriebsveräußerungen im Wege des Share Deals entsteht keine Kündigungsschutzlücke, weil der Arbeitgeber derselbe bleibt. Es wechseln lediglich die Anteilseigner. Bei Betriebsveräußerungen im Ausland oder in das Ausland hinein ist auch ein betriebsübergangsspezifisches Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers abzulehnen, weil die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes durch den Erwerber im Ausland unmittelbare Folge der Betriebsverlagerung in das Ausland ist, jedoch nicht Konsequenz des Betriebsübergangs. Zudem genießt der Arbeitnehmer den Arbeitnehmerschutz der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung. Auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den rechtlichen Gestaltungsmitteln des Share Deals und der Option seinen Betrieb im Ausland unter Geltung einer anderen Rechtsordnung zu veräußern, Möglichkeiten geschaffen hat, die dem Rechtsunterworfenen alternativ zur Verfügung stehen. Bei vortatbestandlicher Vermeidung des § 613a BGB kann nicht von einer unzulässigen Umgehung der Vorschrift ausgegangen werden, weil bei Ausweichen auf alternativ bestehende rechtliche Gestaltungsmittel der Gesetzgeber entweder andere Schutzmechanismen zugunsten des Arbeitnehmers eingebaut hat oder der Arbeitnehmer in diesem Fall keines Schutzes bedarf, weil beispielsweise kein Arbeitsplatzverlust oder keine Änderung von Arbeitsbedingungen zu Lasten des Arbeitnehmers droht. Bei Beurteilung des Vorliegens des Tatbestandes des § 613a BGB ist die verfassungsrechtliche Position des Erwerbers streng zu beachten. Bei Umgehungs-
E. Zusammenfassung zum vierten Kapitel
295
konstellationen, die die Vermeidung des Tatbestandes zum Gegenstand haben, richtet sich daher der Erfolg des Subsumtionsvorschlages ausschließlich daran, ob dem Erwerber eine bestehende, funktionierende betriebliche Organisation zur Verfügung gestellt wird. Nur dieser Zufluss in Form der Nutzbarmachung der einzelnen funktionell miteinander verknüpften Produktionsfaktoren rechtfertigt es, den Erwerber in die Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers treten zu lassen. Aus diesem Grund ist eine gezielte Vermeidung des Tatbestandes des § 613a BGB in jeglicher Hinsicht verfassungsrechtlich legitim und schafft zudem Rechts- und Planungssicherheit482. Umgehungsgeschäfte werden im Wege der Sachverhalts- und Gesetzesauslegung verhindert. Die rechtlich unzutreffende Qualifikation des Normumgehenden ist insofern unerheblich, da das materiell rechtliche Vorliegen des Tatbestandes des § 613a BGB objektiv beurteilt wird. Ist der Tatbestand erfüllt, so rückt die verfassungsrechtliche Position des Arbeitnehmers in den Fokus der Betrachtung. Der Erwerber tritt in die Rechte und Pflichten der im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Der Erfolg dieser Rechtsfolge hängt entscheidend davon ab, ob der Arbeitnehmer sich noch in einem Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsveräußerer befindet und welche Rechte aus diesem Arbeitsverhältnis für den Arbeitnehmer resultieren. Rechtsgeschäfte, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis beenden oder inhaltlich zum Nachteil des Arbeitnehmers abändern, stellen dann unzulässige Umgehungsgeschäfte dar, wenn sich durch die Beendigung oder durch die Änderung die unmittelbar betriebsübergangsspezifische Gefahr realisiert, weil § 613a BGB den Schutz vor solchen Gefahren intendiert. Vor betriebsübergangsunabhängigen Gefahren soll § 613a BGB nicht schützen. Anhand dieses Kriteriums richtet sich die Qualifizierung von Aufhebungsverträgen oder Eigenkündigungen als Umgehungsgeschäft, die im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang abgeschlossen oder ausgesprochen werden. Tritt der Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer im Anschluss in ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber, dann realisiert sich durch diese Verknüpfung der gegenläufigen Gestaltungen die Gefahr, vor der § 613a BGB schützen soll. Die Vorschrift möchte verhindern, dass ein Betriebsübergang zum Anlass genommen wird, Arbeitsplätze abzubauen. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist zu akzeptieren und rechtsmethodisch durchzusetzen. Daran kann auch die Mitwirkung des Arbeitnehmers nichts ändern. Dies darf indes aber nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer nicht auf diesen Schutz verzichten kann. Der Arbeitnehmer ist nur in der betriebsübergangsspezifischen Situation zu schützen. Ein von dem Betriebsübergang losgelöster Schutz ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar. So ist das einvernehmliche Ausscheiden des Arbeitnehmers kurz vor 482
86.
Zu dem Aspekt der Steuerbarkeit von Betriebsübergängen, Krause, ZfA 2001, 67,
296
4. Kap.: Die Umgehung des § 613a BGB
einem Betriebsübergang durch Artt. 12, 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich zulässig. Die Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers kann aber dann zulässig eingeschränkt werden, wenn die Ausübung dieser Freiheit ausschließlich das Ziel hat, den gesetzgeberischen Willen zu konterkarieren. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, um im unmittelbaren Anschluss bei dem Betriebserwerber eingestellt zu werden. Zwingend ist diese Annahme jedoch nicht. Vielmehr müssen Ausweich- und Korrekturgeschäfte im Sinne einer zweckgerichteten Konnexität zueinander stehen. Ist dies zu bejahen, so realisiert sich die betriebsübergangsspezifische Gefahr und der Normzweck des § 613a BGB wird mit der Folge tangiert, dass die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit zurückstehen muss. Die Umgehung des § 613a BGB oder die Unterbreitung eines Subsumtionsvorschlages wird durch drei Umstände begünstigt. Zunächst ist die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe auf Tatbestandsseite, die die Tatbestandsverschleierung begünstigt, zu nennen. Die Modifizierung der Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Betriebsübergangs wird dagegen zum einen durch die Mitwirkung des Arbeitnehmers bei Abschluss von Aufhebungs- und Erlassverträgen und zum anderen durch die mangelnde einheitliche Kodifizierung des Arbeitsrechts begünstigt. So kann der Gesetzesumgehende auf die rechtlichen Gestaltungsmittel des BGB (§§ 158, 163, 311 Abs. 1, 315, 623, 1. Halbsatz, etc. BGB) zurückgreifen, eine gesetzlich ausdrücklich zugelassene BQG einsetzen (§ 111 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III), im Falle einer Sanierungskonzeptkündigung die fehlende Abstimmung zwischen § 613a BGB und der InsO ausnutzen oder sich der Arbeitnehmerüberlassung bedienen, um das betreffende Arbeitsverhältnis der Rechtsfolge des § 613a BGB zu entziehen. Die Gesetzesumgehungen, als methodischer Zwischenschritt im Rechtsfindungsverfahren, werden durch die im zweiten Kapitel dargestellten methodischen Mittel verhindert mit der Folge, dass sich der gesetzgeberische Wille durchsetzen kann.
Fünftes Kapitel
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse und Schlussbetrachtung A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Thesen zum zweiten Kapitel Das Umgehungsgeschäft oder die Gesetzesumgehung stellt einen methodischen Zwischenschritt im Rechtsfindungsprozess dar (formelle Bedeutung des Umgehungsbegriffs). In materieller Hinsicht ist von einem Umgehungsgeschäft oder von einer Gesetzesumgehung auszugehen, wenn zwischen Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen und dem Anwendungsbereich (Ziel) einer Vorschrift inhaltlich ein Widerspruch besteht (materielle Bedeutung des Umgehungsbegriffs). Der Subsumtionsvorschlag des Normunterworfenen stellt eine Anregung zur Auslegung des Sachverhaltes oder der Norm in eine für ihn begünstigende Richtung dar. Zur Unterbreitung eines Subsumtionsvorschlages kann sich der Normunterworfene verschiedener rechtstechnischer Mittel bedienen, wie der Verschleierung des Tatbestandes, der Aufspaltung eines einheitlichen Rechtsgeschäftes, der gegenläufigen Gestaltungen und der Einschaltung eines Dritten. Die Verschleierung des Tatbestandes erschöpft sich in der schlichten falschen Qualifizierung eines rechtlichen Vorgangs durch den Normunterworfenen, die für den Normanwender unverbindlich ist, weil ausschließlich die materielle Rechtslage über die Einordnung eines Rechtsgeschäftes entscheidet. Die Auslegung einer Vorschrift steht insofern im Zusammenhang mit der Gesetzesumgehung, als durch diese sowohl das Ziel der Norm ermittelt als auch die Gesetzesumgehung verhindert wird. Besteht in materieller Hinsicht eine Gesetzesumgehung, so ist diese durch Auslegung des Sachverhaltes, Auslegung der Norm, analoge Anwendung der Norm oder im Wege der Rechtsfortbildung zu verhindern. Gesetzesumgehungen sind sowohl vom Scheingeschäft nach § 117 BGB als auch von dem institutionellen Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) zu unterscheiden.
298
5. Kap.: Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Gesetzesumgehungen sind nicht zwingend nach § 138 BGB oder nach § 134 BGB nichtig. Die Sittenwidrigkeit und der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz einerseits und die Gesetzesumgehung andererseits schließen sich aber nicht aus. Welche Rechtsfolge bei Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes eintritt, hängt grundsätzlich von der umgangenen Norm ab. Gesetzesumgehungen sind Bestandteil unserer Rechtsordnung und beruhen sowohl auf der tatbestandsorientierten Gesetzgebungstechnik als auch auf der Methode der Rechtsfindung. Die Gesetzesumgehung ist nicht lediglich dem Bereich der Auslegung oder der Analogie zuzuordnen, sondern stellt ein rechtsmethodisch komplexes Rechtsanwendungsproblem dar.
II. Thesen zum dritten Kapitel Arbeitnehmerschutzgesetze heben grundsätzlich die ursprünglich bestehende strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Wirtschaftsleben auf und stellen somit Vertragsparität her. Die Umgehung von Arbeitnehmerschutzgesetzen bedeutet, den Arbeitnehmer wieder in die Lage der strukturellen Unterlegenheit hineinzuversetzen. Vor der Kodifizierung des TzBfG verhinderte das BAG die Umgehung des KSchG durch befristete Arbeitsverträge im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung. Der Änderungskündigungsschutz wird dann umgangen, wenn bei Abschluss des Arbeitsvertrags in diesem wesentliche Arbeitsbedingungen, die das arbeitsvertragliche Synallagma betreffen, befristet werden oder wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart wird. Weder der aufschiebend bedingte Aufhebungsvertrag noch der unbedingte Aufhebungsvertrag mit bedingter Wiedereinstellungszusage können das KSchG oder § 626 Abs. 1 KSchG umgehen, weil der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses aus keiner strukturell unterlegenen Position heraus den Verträgen zustimmt. Insofern hat die Vertragsfreiheit Vorrang. Das in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG kodifizierte Anschlussverbot kann durch den Einsatz eines Dritten umgangen werden, wenn das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis und die befristete Einstellung bei einem anderen Arbeitgeber bei Einsatz auf demselben Arbeitsplatz beruhend auf einem Gesamtplan final miteinander verknüpft sind. Schließt der Arbeitnehmer, der sich bereits in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet, einen Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist ab, so wird § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG nicht umgangen. Anders ist zu entscheiden, wenn der Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat und kurz vor Ablauf
A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
299
der Befristung einem solchen Aufhebungsvertrag mit Auslauffrist zustimmt. Die Umgehung ist im Wege der Sachverhaltsauslegung zu verhindern. Bei dem mittelbaren Arbeitsverhältnis können Arbeitnehmerschutzgesetze durch die Einschaltung eines Dritten umgangen werden. Die Verhinderung der Umgehung erfolgt im Wege der Zurechnung. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz kann durch Scheinwerkverträge umgangen werden. Der Subsumtionsvorschlag des Normumgehenden erschöpft sich insofern ausschließlich in der falschen Qualifizierung des Vertrags. Da die materielle Rechtslage für die Einordnung des Vertrags entscheidend ist, wird die Umgehung durch Auslegung des Sachverhaltes und des Gesetzes verhindert. Die Arbeitnehmerüberlassung konnte auch vor Kodifizierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. selbst als Mittel zur Umgehung von Arbeitnehmerschutzvorschriften eingesetzt werden. Die Umgehung arbeitsrechtlicher Gesetze wird insbesondere dadurch ermöglicht, dass der Arbeitnehmer regelmäßig an der Umgehungsgestaltung mitwirken wird und arbeitsrechtliche Gesetze nicht einheitlich kodifiziert sind. Letzteres führt zu einem materiellen Wertungsgefälle zwischen den einzelnen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Umgehungsgestaltung steht grundsätzlich der Annahme einer Gesetzesumgehung nicht entgegen. Vielmehr ist immer zu prüfen, ob zum einen das betreffende Gesetz die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Wirtschaftsleben beseitigen soll und ob zum anderen der Arbeitnehmer bei Mitwirkung an der Umgehung sich auch tatsächlich in einer unterlegenen Stellung befindet. Der Rechtsfortbildung kommt insofern im Arbeitsrecht eine besondere Bedeutung zu, als diese notwendig ist, den gesetzgeberischen Willen in den Fällen durchzusetzen, in denen die Gesetzesumgehung aus einem gesetzlich systematischen Bruch entsteht, was grundsätzlich dann der Fall ist, wenn sich der Normunterworfene zur Gesetzesumgehung auf eine Regelung in einem anderen Gesetz beruft. Gesetzesumgehungen führen dazu, dass der Gesetzgeber legislatorisch eingreifen muss, möchte er verhindern, dass Gesetzesumgehungen im Wege der Rechtsfortbildung abgewendet werden. Damit schafft der Gesetzgeber Rechts- und Planungssicherheit.
III. Thesen zum vierten Kapitel § 613a BGB ist aufgrund des weit formulierten Tatbestandes und der Rechtsfolgen, die gravierend in die Rechte von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber eingreifen, besonders umgehungsanfällig.
300
5. Kap.: Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Bei vortatbestandlicher Vermeidung des § 613a BGB ist eine Gesetzesumgehung nicht möglich, weil beim Asset Deal und bei der Veräußerung mit Auslandsbezug kein betriebsübergangsspezifisches Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers besteht. Bei der Beurteilung, ob der Tatbestand des § 613a BGB zulässig vermieden oder unzulässig umgangen wurde, kommt es darauf an, ob der Betriebserwerber eine bereits bestehende organisatorische Einheit erwirbt und er sich die funktionelle Verknüpfung der einzelnen betrieblichen Faktoren genauso nutzbar macht, wie der Betriebsveräußerer. Nur dieser Vorteil rechtfertigt es, den Betriebserwerber mit den Arbeitsplätzen des Betriebsveräußerers zu belasten. Die Gesetzesumgehung beschreibt insofern einen Wertungswiderspruch, der besteht, wenn dem Betriebserwerber eine rechtlich vorteilhafte Position zugebilligt wird, ohne dass er die damit verbundenen Verpflichtungen übernehmen muss (Art. 14 Abs. 2 GG). Bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang kommt es darauf an, ob sich in diesen Rechtsgeschäften die betriebsübergangsspezifische Gefahr vor der § 613a BGB schützen soll, realisiert. Ausgehend von dieser Prämisse ist das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Betriebsübergang selbst dann rechtlich zulässig, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss in ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber tritt. Es ist nur dann ein unzulässiges Umgehungsgeschäft anzunehmen, wenn das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und der Wiedereintritt in ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber konditional miteinander verbunden sind. In diesen Fällen macht der Arbeitnehmer nicht mehr in zulässigerweise von seiner Vertragsfreiheit Gebrauch. Die Umgehung des § 613a BGB durch Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis mit anschließender Wiederaufnahme der Arbeit beim Betriebserwerber wird im Wege der „Saldierungsmethode“ und damit mittels besonderer Auslegung des Sachverhaltes verhindert. Der Arbeitnehmer wird so behandelt, als ob er nie den Betrieb verlassen hat. Der Subsumtion wird damit ein rechtlich fiktiver Sachverhalt zugrunde gelegt. Tritt der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem zu veräußernden Betrieb zunächst in eine BQG und im Anschluss in den übergegangenen Betrieb ein, so ist dann von einer unzulässigen Gesetzesumgehung auszugehen, wenn die einzelnen Transaktionen, beruhend auf einem Gesamtplan, zweckgerichtet miteinander verbunden sind. Auch diese Umgehung wird im Wege der „Saldierungsmethode“ verhindert. Dabei ist eine relativ kurze Mindestverweildauer in der BQG lediglich ein Indiz für eine Umgehungsgestaltung, jedoch kein ausschlaggebendes Kriterium. Rechtlich problematisch ist die Einordnung der Erwerberkonzeptkündigung als Kündigung i. S. d. § 613a Abs. 4 S. 2 BGB, weil dieser Einordnung Erwägungen
B. Schlussbetrachtung
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zugrunde liegen, die sich nicht aus den Wertungen des § 613a BGB ableiten lassen, sondern sich aus der sanierungshemmenden Wirkung dieser Schutzvorschrift ergeben. Zur Vermeidung unzulässiger Umgehungen des § 613a BGB wird verlangt, dass der Betriebsübergang rechtlich abgesichert ist und dass der Erwerber ein feststehendes Sanierungskonzept verfolgt. Die Umgehung wird im Wege der Auslegung des Sachverhaltes und der Norm verhindert. Bei Änderungen von individualvertraglichen Arbeitsbedingungen zum Nachteil des Arbeitnehmers mit dem Betriebsveräußerer, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betriebsübergang stehen, ist immer dann von einer Umgehung zu sprechen, wenn die Änderung und der Betriebsübergang funktionell miteinander verknüpft sind. Die Mitwirkung des Arbeitnehmers steht der Annahme einer Gesetzesumgehung nicht entgegen, weil der Gesetzgeber den Arbeitnehmer nicht nur vor betriebsübergangsspezifischen Gefahren schützt, sondern auch das Risiko des Scheiterns einer Betriebsveräußerung den Betriebsveräußerungsparteien zuweist. Die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einem bestimmten Betriebsteil stellt dann eine unzulässige Gesetzesumgehung dar, wenn die Versetzungsentscheidung und der Betriebsübergang funktionell miteinander verknüpft sind. Die Umgehung wird durch analoge Anwendung des § 613a Abs. 4 BGB verhindert. Eine unzulässige Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB war vor Kodifizierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG n. F. dann möglich, wenn der Verleiher den Leiharbeitnehmer dauerhaft bei einem Entleiher einsetzte, ohne über weitere Einsatzmöglichkeiten verfügt zu haben und wenn er bei Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Entleiher durch Veräußerung des Entleihbetriebes zur betriebsbedingten Kündigung berechtigt gewesen wäre. Die Umgehung konnte im Wege der Zurechnung verhindert werden. Schon durch die Kodifizierung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG wurde diese Umgehungskonstellation legislatorisch verhindert.
B. Schlussbetrachtung Gesetzesumgehungen, Gesetzesanwendung und Gesetzgebung stehen in einem gegenseitigen Wechselwirkungsverhältnis. Wird ein Gesetz umgangen, so ist die Rechtsprechung dazu berufen, diese rechtsmethodisch zu verhindern. Der Gesetzgeber kann insofern Gesetzesumgehungen vorbeugen, als er entweder von vornherein einer etwaigen Umgehungskonstruktion legislatorisch die Wirksamkeit versagt oder im Nachhinein zur Herstellung von Rechtssicherheit geeignete Maßnahmen trifft, um beispielsweise materielle Wertungsgefälle zwischen den einzelnen arbeitsrechtlichen Gesetzen zu verhindern. Folge von derartigem judikativen oder legislatorischen Eingreifen ist die Reaktion des Normunterworfenen, der sich veranlasst fühlt, erneut nach anderen Konstellationen zu suchen, um das Eingreifen einer Norm zu verhindern oder die Anwendung einer begünstigenden
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5. Kap.: Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Norm fruchtbar zu machen. Daraus resultiert ein Wettlauf zwischen Rechtsprechung und Praxis, den ausschließlich der Gesetzgeber regulieren kann, indem er entweder ausdrücklich eine vertragliche Gestaltung durch Gesetz zulässt oder einem bestimmten rechtlichen Weg die Wirksamkeit versagt. Was man unter einer Gesetzesumgehung versteht und wann man von einer zulässigen Vermeidung eines Gesetzes spricht, ist in der Rechtswissenschaft noch immer nicht umfassend geklärt. Die vorliegende Arbeit soll daher einen Beitrag zur Verwendung des Umgehungsbegriffs im Arbeitsrecht und insbesondere einen Beitrag zur Beseitigung von Rechtsunsicherheit im Umgang mit § 613a BGB leisten. Daraus ergeben sich zum einen Forderungen sowohl an die arbeitsrechtliche Praxis als auch an den Gesetzgeber und zum anderen Forderungen an den Umgang mit § 613a BGB.
I. Forderungen an die arbeitsrechtliche Praxis und an den Gesetzgeber 1. Rechtssicherheit durch Transparenz Die Aufgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung sollte nicht nur darin bestehen, inhaltlich „richtige“ Urteile zu fällen, sondern darüber hinaus durch Kontinuität, die sich in den Urteilen widerspiegeln sollte, für Rechtssicherheit zu sorgen. Rechtsprechung muss verlässlich sein und dem Einzelnen die Möglichkeit verschaffen, sein Verhalten entsprechend zu koordinieren1. Dieses Postulat kann teilweise mit Blick auf die Realität sehr zweifelhaft sein, wenn es darum geht vertraglichen Konstruktionen die Wirksamkeit zu versagen, obwohl das Gesetz diese ausdrücklich zulässt. Dabei zeigt die Analyse der oben genannten Urteile, dass immer dann ein höherer methodischer Begründungsaufwand erforderlich ist, wenn die Umgehung dadurch ermöglicht wird, dass der potentielle Normadressat sich einen normativen Bruch im gesetzlichen System zu Eigen macht und sich auf ein rechtlich zulässiges Gestaltungsmittel beruft. In diesen Fällen ist meist eine kontinuierliche Argumentation des BAG nicht erkennbar, insbesondere dann, wenn das BAG sich entweder allgemein auf die „Gesetzesumgehung“ bezieht oder die Unwirksamkeit bzw. Wirksamkeit einer vertraglichen Konstruktion unter Bezugnahme auf § 242 BGB bejaht. In diesem Zusammenhang wird ersichtlich, dass das BAG sowohl bei der Verhinderung von unzulässigen befristeten Arbeitsverträgen vor Kodifizierung des TzBfG als auch im Zusammenhang mit der Umgehung von Vorschriften aus dem TzBfG oder dem AÜG rechtsmethodisch den gleichen Weg beschreitet, ohne dies ausdrücklich klarzustellen. Die Berufung auf ein Rechtsinstitut der Gesetzesumgehung oder das Heranziehen des § 242 BGB beruhen auf dem gleichen gedanklichen Vorgang. Das BAG 1
Kissel, RdA 1994, 323, 331.
B. Schlussbetrachtung
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vergleicht zunächst den Subsumtionsvorschlag des Gesetzesumgehenden mit dem Ziel der Vorschrift und erkennt einen Wertungswiderspruch (Gesetzesumgehung im materiellen Sinn). Dann wird in einem zweiten Schritt dieser Wertungswiderspruch aufgehoben. Dieser Gedankengang liegt dem BAG sowohl bei der Umgehung des KSchG durch befristete Verträge vor Inkrafttreten des TzBfG als auch bei der Umgehung des AÜG oder des TzBfG zugrunde. Rechtssicherheit wird nicht dadurch geschaffen, dass unter allgemeiner Berufung auf § 242 BGB oder auf den Umgehungsgedanken ein billiges Ergebnis gefunden wird. Auch sollte die Rechtsprechung bei Verhinderung von Gesetzesumgehungen durch Statuierung eines zusätzlichen Korrektivs (sachlicher Grund) sich eindeutig zur Rechtsfortbildungen bekennen, anstatt diese methodisch unter dem Deckmantel der erweiterten Auslegung oder des § 242 BGB zu verschleiern. Vielmehr entsteht bei der Rechtsanwendung Transparenz dadurch, dass Gedankengänge und Wertungsentscheidungen offengelegt werden. Diese Offenlegung der einzelnen rechtsmethodischen Schritte schafft nicht nur in der arbeitsrechtlichen Praxis Rechtsklarheit und Kontinuität, sondern überall dort, wo Recht gesprochen wird. 2. Die Auslegung von arbeitsrechtlichen Gesetzen Insbesondere was die Auslegung arbeitsrechtlicher Vorschriften betrifft, ist Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Arbeitnehmerschutzvorschriften arbeitnehmerfreundlich weit auszulegen. Eine einseitige Auslegung von Gesetzen zugunsten des Arbeitnehmers kann nicht vorgenommen werden, wenn der Gesetzgeber durch die Kodifizierung bestimmter arbeitsrechtlicher Bereiche bereits eine Interessenabwägung vorgenommen hat, die sich durch das Gesetz ausdrückt. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf nicht durch eine arbeitnehmerfreundliche Auslegung unterlaufen werden2. So wurde die besondere Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der einseitigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen vom Gesetzgeber erkannt und dieser durch das KSchG Rechnung getragen3. Eine weitere arbeitnehmerfreundliche Auslegung würde den Arbeitnehmerschutz überdehnen, so wie es beispielsweise der Fall ist, wenn das BAG die Unwirksamkeit von bedingten Aufhebungsverträgen wegen Umgehung des KSchG annimmt. Es muss in diesen Fällen immer geprüft werden, ob überhaupt noch trotz Eingreifens des Gesetzgebers ein Schutzbedürfnis besteht. Werden daher Arbeitsgesetze ausgelegt, dann gilt auch hier wie im allgemeinen Zivilrecht das „Gebot gleicher Distanz“ zu beiden kontrahierenden Parteien4. Es gibt keine arbeitnehmerfreund2 Boemke, NZA 1993, 532, 533 f.; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 55; ders., Arbeitnehmer und Selbständige, S. 52 ff.; ders., Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 207 ff. 3 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 52 ff. 4 Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 76; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, S. 65.
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5. Kap.: Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
lichere Auslegung von deutschen arbeitsvertraglichen Gesetzen, weil das Argument der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bereits durch die Kodifizierung arbeitsrechtlicher Schutzgesetze „verbraucht“ wurde5. Eine andere Betrachtung würde zu einer doppelten Verwertung der Schutzbedürftigkeit im Wege der Rechtsfindung führen6 und damit die Entscheidung des Gesetzgebers, dem Arbeitnehmerschutzinteresse nur in dem Umfang Rechnung zu tragen, wie er in dem Gesetz zum Ausdruck kommt, missachten. Das Gleiche gilt für die Analogie und Rechtsfortbildung. 3. Der Appell an eine einheitliche Kodifizierung des Arbeitsrechts Der Gesetzgeber abstrahiert bei der Formulierung des Tatbestandes von dem Einzelfall, indem die Rechtsfolge an einen typischen Lebenssachverhalt anknüpft. Dennoch ist es auch bei hoher Abstraktion des Tatbestandes nicht möglich, jede denkbare Konstellation zu erfassen, sodass der Tatbestand den gesetzgeberischen Willen nicht immer vollständig abbilden kann. Hier wird die Gesetzesumgehung jedoch regelmäßig durch die analoge Anwendung der Norm verhindert werden können. Problematischer ist jedoch, wenn die Gesetzesumgehung unter Rückgriff auf ein anderes Gesetz ermöglicht wird. Die Untersuchung führt daher auch zu dem schon häufig diskutierten Ansatz, das gesamte Arbeitsrecht in einem Gesetzbuch einheitlich zu kodifizieren7, um einerseits die materiellen Wertungsgefälle zwischen den einzelnen Gesetzen von Anfang an zu unterbinden und andererseits den Rückgriff auf das BGB zu verhindern8. Das Arbeitsrecht braucht eine eigene Begriffsbildung. Es verbietet sich eine Anknüpfung von arbeitsrechtlichen Gesetzen an außerarbeitsrechtliche Rechtsinstitute und Begriffe9, da in manchen Fällen die wörtliche Anwendung des Gesetzes namentlich im Arbeitsrecht zu sozial untragbaren Ergebnissen führen würde10. Daher müsste bei Rückgriff auf die Vorschriften des BGB immer vorher die Frage gestellt werden, ob das mit dieser Norm zu erzielende Ergebnis mit dem Wesen des Arbeitsrechts vereinbar ist11. Freilich könnte man auch die Ansicht vertreten, dass die Anwendung der Vorschriften des BGB im Arbeitsrecht im Wege der 5
Boemke, NZA 1993, 532, 534; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 76; Herschel, AuR 1982, 336; Lieb, RdA 1974, 257, 262. Wank zieht den Gedanken des Doppelverwertungsverbots heran, § 46 Abs. 3 StGB, vgl. Arbeitnehmer und Selbständige, S. 53. 6 Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, S. 53. 7 Vgl. dazu umfassend Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation und allgemeines Zivilrecht; Löwisch/Caspers/Klumpp, Rn. 91 ff. 8 Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation und allgemeines Zivilrecht, S. 6 f. 9 Zum Steuerrecht, Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3221. 10 Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 201. Dieser verweist auf die Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB und den Umstand, dass die Schwangerschaft einer Frau sehr wohl eine wesentliche Eigenschaft sei. 11 Gamillscheg, AcP 176 (1976), 197, 202.
B. Schlussbetrachtung
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juristischen Methodenlehre zu beantworten sei12. Diese stößt aber schnell an ihre Grenzen, wie der Fall der Kettenbefristung vor Kodifizierung des TzBfG zeigt, was das BAG dazu veranlasste das Recht fortzubilden. Die Rechtsfortbildung sollte jedoch aus Rechtssicherheitsgründen13 keinen Regelfall darstellen und nur in äußerst seltenen Fällen das Mittel sein, den gesetzgeberischen Willen durchzusetzen. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung wird allerdings de lege lata auch in Zukunft das Arbeitsrecht dominieren, wenn es darum geht normative Diskrepanzen zwischen dem BGB und anderen arbeitsrechtlichen Gesetzen zu verhindern. Die Rechtsprechung begnügt sich zwar häufig in diesen Fällen von Rechtsmissbrauch zu sprechen, wobei allerdings in den Urteilen, in denen das BAG einen sachlichen Grund verlangt, das Recht tatsächlich fortgebildet wird. Hier ist dann Vorsicht geboten, da der Richter nicht seine eigenen Wertvorstellungen von sozialer Gerechtigkeit in das Urteil einbringen darf, sondern ausschließlich die der Norm oder den Normen zugrunde liegenden Wertungen. Das Risiko, das unzulässiges Richterrecht dauerhaft Bestand haben wird, kann nur der Gesetzgeber reduzieren, indem er ein inhaltlich konsistentes und kohärentes Arbeitsgesetzbuch schafft, das arbeitsrechtlich autonome Begriffe beinhaltet. Die Einheit der Rechtsordnung fordert eine widerspruchsfreie, aber nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand differenzierte Gesetzesordnung14.
II. Forderungen an § 613a BGB Abschließend soll nun dargelegt werden, welche Konsequenzen sich in Zukunft für die Anwendung des § 613a BGB ergeben, wenn es darum geht Gesetzesumgehungen zu verhindern. Während sich die Umgehungsverhinderung auf Tatbestandsseite danach zu orientieren hat, ob sich der Betriebserwerber die funktionelle Verknüpfung der einzelnen betrieblichen Faktoren nutzbar machen kann, richtet sich die Umgehungsverhinderung auf Rechtsfolgenseite danach, den Arbeitnehmer vor dem betriebsübergangsspezifischen Verlust seines Arbeitsplatzes zu schützen. Diese Betrachtungsweise ist auch verfassungsrechtlich konsistent. Aufgrund der grundrechtsintensiven Eingriffe in die unternehmerische Freiheit, die § 613a BGB vorsieht, muss dem Betriebserwerber als Kompensation eine organisatorische Einheit zur Verfügung gestellt werden. Nur dieser Ausgleich rechtfertigt einen Eingriff in Artt. 14 Abs. 1; 12 Abs. 1; 2 Abs. 1 GG. Auf Rechtsfolgenseite soll der Arbeitnehmer dagegen nicht vor jeder nachteiligen Veränderung seines Arbeitsplatzes geschützt werden, sondern nur vor solchen, die sich konkret aus dem Betriebsübergang ergeben. An diesen zwei Maximen hat sich die Feststellung, ob überhaupt ein Umgehungsgeschäft vorliegt, zu orien12 13 14
Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation und Allgemeines Zivilrecht, S. 60. Wank, Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, S. 197 ff., 204. So Kirchhof zum Steuerrecht, NJW 1987, 3217, 3221.
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5. Kap.: Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
tieren. Dabei kann zunächst die Frage aufgeworfen werden, ob der Umgang mit § 613a BGB durch eine Neukodifizierung erleichtert werden könnte (1.). Die Antwort zu dieser Frage wird vorweggenommen. Eine Neufassung des § 613a BGB wird die Anwendung nicht erleichtern. Aufbauend darauf, sind Forderungen an den zukünftigen Umgang mit § 613a BGB zu stellen (2.). 1. Die Neukodifizierung des Tatbestandes Die mit dem Rechtsstaatsprinzip assoziierte Forderung, das Gesetz solle möglichst wenig Spielräume bieten, stellt ein generelles Gebot an den Gesetzgeber dar15 und gilt somit uneingeschränkt auch für § 613a BGB. Bei § 613a BGB ist das insoweit verfassungsrechtlich problematisch, dass nicht jegliche Übertragung von Betriebsmitteln dem § 613a BGB unterliegen kann16. Ein Ausweichen auf eine andere Form der Übertragung eines Betriebes kann daher regelmäßig nicht die Rechtsfolge des § 613a BGB auslösen. Auch ist zu beachten, dass eine Enumeration von Vorgängen, die einen Betriebsübergang i. S. d. Vorschrift darstellen sollen, die Gefahr einer Umgehung erhöht. Je konkreter ein Tatbestand gefasst ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Ausweichgestaltungen17. Abzulehnen ist daher eine Enumeration von Tatbeständen, die als Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB zu werten sind. Dies würde zum einen dazu führen, dass die arbeitsrechtliche Praxis schnell weitere Umgehungsstrategien entwerfen würde18 und dass zum anderen durch eine Aufzählung von Betriebsübergangssachverhalten nicht alle verschiedenen Typen von Betrieben erfasst werden würden. Denkbar wäre darüber hinaus den Umgehungskonstellationen schon gleich legislatorisch die Wirkung zu nehmen, indem unmittelbar der Eintritt der Rechtsfolge des § 613a BGB an diese Gestaltung geknüpft wird19. Im Hinblick auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zur Umgehung des § 613a BGB wird dies beispielsweise de lege ferenda der Fall sein, wenn das AÜG nicht nur statuiert, dass Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend erfolgt (§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG a. F.), sondern auch zugleich festlegt, welche Rechtsfolge eintritt, wenn dies nicht der Fall ist20. Damit wird die Attraktivität, sich bestimmter Gestaltungsmitteln zu bedienen, schon von vornherein gemindert. Teilweise wird dann eine Norm für weitgehend umgehungsfest gehalten, sofern diese nicht nur abstrakt formuliert ist, sondern zugleich auch den Regelungs15
Sieker, S. 60. Allgemein zur gesetzlichen Erweiterung des Tatbestandes zur Umgehungsverhinderung, von Gamm, WRP 1961, 259. 17 Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3220; Sieker, S. 6. 18 Kirchhof, NJW 1987, 3217, 3220. 19 Ähnlich, von Gamm, WRP 1961, 259; Westerhoff zum Steuerrecht, S. 189. 20 Dies galt freilich für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Änderungen im AÜG zum 1.4.2017 (BT-Drs. 18/9232). 16
B. Schlussbetrachtung
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zweck erkennen lässt21. Bei § 613a BGB ist dies jedoch nicht erforderlich, weil sich das Ziel des § 613a BGB unter Bezugnahme der Gesetzesmaterialien ermitteln lässt. Auch bestünde dann wiederum das Risiko, den ausdrücklich kodifizierten Normzweck je nach Fallgestaltung weit oder eingeschränkt auszulegen. Damit wäre einer richtigen Anwendung des § 613a BGB nicht geholfen. Das Gesetz ist ausreichend verfasst. Entscheidend ist vielmehr sowohl eine verfassungskonforme als auch eine kontinuierliche Anwendung des § 613a BGB. 2. Forderungen an den zukünftigen Umgang mit § 613a BGB Es stellt sich daher die Frage, welche Konsequenzen bei dem zukünftigen Umgang mit § 613a BGB zu ziehen sind, um bei der Anwendung dieser Norm mehr Rechtssicherheit zu schaffen. a) Die konjunkturunabhängige Auslegung des § 613a BGB Die erste Forderung an die Rechtsprechung bei der zukünftigen Anwendung des § 613a BGB besteht darin, diese Vorschrift unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Betriebes auszulegen. So ist es bei Vorliegen eines Betriebsübergangs rechtlich problematisch die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, die das Arbeitsverhältnis betreffen, davon abhängig zu machen, ob der Betrieb sich in der Insolvenz befindet. So wird teilweise die Ansicht vertreten die Erwerberkonzeptkündigung nur dann als wirksam zu behandeln, wenn sich der Betrieb in einer finanziellen Notlage befindet22. Es soll also nur in diesem Fall eine Erwerberkonzeptkündigung wirksam sein. Auch wird zum Teil im Zusammenhang mit den Vereinbarungen über den Erlass von rückständigem Lohn der Erlassvertrag selbst bei zweckgerichteter Konnexität von Rechtsgeschäft und Betriebsübergang für wirksam erachtet, um eine sanierende Betriebsübernahme nicht zu gefährden. Begründet wird die unterschiedliche Auslegung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Argument, dass im Falle des Scheiterns der sanierenden Betriebsübernahme es zur Betriebsstilllegung und damit zum Verlust aller Arbeitsplätze kommen könne23. Die Auslegung des § 613a Abs. 4 BGB soll also je nachdem unterschiedlich ausfallen, ob sich der Betrieb in einer finanziellen Schieflage befindet oder nicht. Liegt eine solche Schieflage vor, so soll nach teilweise vertretener Ansicht die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder der Erlass von Lohnansprüchen wirksam sein, weil dann ein „sachlicher Grund“ vorliegt.
21
Sieker, S. 61 f.; Westerhoff, S. 199. Vgl. S. 263. 23 § 613a BGB kann selbst dann nicht überwunden werden, wenn die Rettung von 99 999 Arbeitsplätzen daran scheitere, dass ein möglicher Erwerber einen bestimmten Arbeitnehmer nicht übernehmen will, Willemsen, ZIP 1983, 411, 414 f. 22
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5. Kap.: Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Eine von der Konjunktur abhängige Auslegung des § 613a BGB ist allerdings nicht zulässig, weil sich die Anwendung des § 613a BGB ausschließlich an dem Ziel der Vorschrift zu orientieren hat, das darin besteht, den Arbeitnehmer vor betriebsübergangsspezifischen Gefahren zu schützen. Es ist nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten24. Richter haben die Gesetze ausschließlich gemäß ihrer zugrundeliegenden Wertung auszulegen. Der § 613a BGB kann daher nur unter Zugrundelegung dieses Schutzzwecks interpretiert werden25. Das gilt auch dann, wenn ein anderes Auslegungsergebnis unter wirtschaftspolitischen oder betriebswirtschaftlichen Aspekten wünschenswerter wäre. Bei der Verhinderung der Gesetzesumgehung durch Auslegung kann daher die Insolvenz des übergehenden Betriebes oder Betriebsteils keine andere Auslegung rechtfertigen als außerhalb der Insolvenz. Das bedeutet, dass eine Beurteilung, ob ein Erlassvertrag vor dem Betriebsübergang oder eine Erwerberkonzeptkündigung wirksam ist, nicht von der Insolvenz des Betriebes abhängig gemacht werden kann. Dieser Aspekt ist systemfremd und dem § 613a BGB nicht immanent. Auch ist bei der Auslegung des § 613a BGB zu bedenken, dass der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten zwar die Option eingeräumt hat von der Anwendbarkeit des § 613a BGB in der Insolvenz abzusehen (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG). Allerdings traf der deutsche Gesetzgeber durch die Kodifizierung des § 128 InsO die Entscheidung zugunsten der Anwendbarkeit26. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich die Schutzzwecke des § 613a BGB ändern, sodass die Auslegung insolvenzneutral oder konjunkturunabhängig erfolgen muss27. b) Der sachliche Grund Das letzte Gebot, das bei der Anwendung des § 613a BGB beachtet werden muss, besteht darin, durch ein zusätzlich durch Richterrecht geschaffenes Korrektiv (der sachliche Grund) gesetzgeberische Grundentscheidungen nicht zu revidieren. Dieses Kriterium darf keinesfalls als „Allzweck-Waffe“ verstanden werden, um vertraglichen Konstruktionen die Wirksamkeit zu versagen, die die Anwendung des § 613a BGB ausschließen. Durch die Statuierung eines solchen Erfordernisses wird nämlich nicht nur in die Vertragsfreiheit der Arbeitgeber eingegriffen28, sondern auch in weitere verfassungsrechtlich geschützte Rechte der 24
Feudner, DB 1996, 830. Bereits Neumann-Duesberg erkannte dies und plädierte schon mit Einführung des § 613a BGB für eine Sonderregelung in Fällen der sanierenden Betriebsübernahme, BB 1971, 969, 971. 26 Mückl, ZIP 2012, 2373. 27 Feudner, DB 1996, 830; Kissel, RdA 1994, 323, 328. 28 Di Fabio/MD, Art. 2 GG Rn. 80. 25
B. Schlussbetrachtung
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beteiligten Unternehmen29. So ist zum einen die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit betroffen. Diese gewährleistet auch die „Unternehmerfreiheit“ im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen30. Diese „Unternehmerfreiheit“ umfasst sowohl die Freiheit der Personalplanung31, die Freiheit des Risikokapitaleinsatzes32 als auch die Freiheit des Kapitalabzugs, also die Freiheit zu entscheiden, einen Betrieb oder ein Unternehmen stillzulegen oder diesen zu veräußern33. Aufgrund dieser Freiheiten wird dem jeweiligen Grundrechtsträger ein weitgehender Gestaltungs- und Prognosespielraum zuerkannt34. Die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG umfasst allerdings auch die teilweise oder vollständige Aufgabe der beruflichen Tätigkeit sowie das Recht zum Wechsel der Tätigkeit oder der Kombination bestimmter Tätigkeiten35. Dazu gehören aber auch unvernünftige Unternehmerentscheidungen, wie die Stilllegung eines florierenden Betriebes36. Unterstützend kann sich der Unternehmer auf Art. 9 Abs. 1 GG berufen, der das Recht zur Gründung und Betätigung in Form von Gesellschaften garantiert. Genauso kann sein Handeln durch Art. 9 Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit) und durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt sein37. Zum anderen sind freilich die verfassungsrechtlich gesicherten Rechte des Arbeitnehmers zu beachten38, die der Gesetzgeber bei der Kodifizierung von Normen schon wegen Art. 12 Abs. 1 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) berücksichtigen muss39. Die Abwägung dieser betroffenen Grundrechtspositionen bei Vorliegen eines Betriebsübergangs hat der Gesetzgeber bereits vorgenommen und dem Ergebnis dieses Abwägungsprozesses in Form des § 613a BGB Ausdruck verliehen. Bei Verwendung eines „sachlichen Grundes“ als Korrektiv zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 613a BGB darf daher die vom Gesetzgeber bereits getroffene Interessenabwägung zwischen den einzelnen Grundrechtspositio-
29
Gaul, Schluss, Rn. 90. BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699, 708; Scholz/MD, Art. 14 GG Rn. 222. 31 Beuthien, ZfA 1988, 1, 16; Gast, S. 100; Scholz/MD, Art. 12 GG Rn. 59, 64 f., 94. 32 Beuthien, ZfA 1988, 1, 16; Gast, S. 100. 33 Beuthien, ZfA 1988, 1, 16; Gast, S. 100; Gaul, Schluss, Rn. 91. 34 Beuthien, ZfA 1988, 1, 16. 35 BVerfG v. 21.10.1981 – 1 BvR 52/81, NJW 1982, 323; BVerfG v. 4.11.1992 – 1 BvR 79/85 u. a., NJW 1993, 317. 36 Quecke, NZA 1999, 1247, 1250. 37 Beuthien, ZfA 1988, 1. 38 Preis, NZA 1995, 241, 242. 39 BVerfG v. 18.7.1972 – 1 BvL 32/70, 25/71, NJW 1972, 1561 ff.; vgl. dazu auch Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245 ff. 30
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5. Kap.: Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
nen, die sich in Form des § 613a BGB legislatorisch konkretisiert, nicht in Frage gestellt werden. Wird auch dieser Aspekt bei der Kreierung eines sachlichen Grundes beachtet, so wird dies den zukünftigen Umgang mit § 613a BGB in der arbeitsrechtlichen Praxis erleichtern und im Ergebnis für mehr Rechtssicherheit sorgen.
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Stichwortverzeichnis Agenturgeschäft 67, 90 Albron-Entscheidung 281, 289–290, 293, 322 Analogie 36, 55, 73, 75, 85, 91–94, 96– 97, 99, 107, 114, 130, 183, 189, 243, 278, 298, 304 Anwendungsbereich 27, 31, 49, 52–53, 56–57, 60, 67–68, 75, 82, 93, 104, 109, 116, 126, 133, 136, 138–139, 151, 162, 169, 171, 192, 208, 212, 217, 224, 232–233, 238, 260, 264, 269, 272, 275–276, 283, 285, 288, 290, 292, 294, 297, 311–312, 316–317 Arbeitnehmerschutz 32, 114, 133, 164, 166, 182, 212, 282, 287, 294, 303 Arbeitnehmerüberlassung 23, 135, 157, 168–173, 175–176, 191–192, 279, 283– 286, 288–291, 293, 296, 299, 306, 315, 318 Asset Deal 208–210, 217, 300, 311, 315 Asset-Deal 30 Aufhebungsvertrag 142–151, 153, 155– 156, 161–163, 178, 238–239, 241–247, 251, 253, 255, 264, 298, 320
Befristung 116, 118–120, 122–127, 129, 131, 133–134, 136–137, 139–141, 150– 152, 154–157, 159, 161–163, 176, 180, 189, 299, 322 Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft 247, 317 Betriebserwerber 29, 31, 194, 197, 200– 201, 203, 206–208, 214, 218, 220–222, 225, 227, 233, 235, 237–248, 250, 252–256, 260–262, 265–268, 270–274, 280, 287, 292–295, 299–300, 305 Betriebsstilllegung 219–222, 234, 307 Betriebsveräußerer 31, 194, 196–198, 200, 203, 205, 208, 214, 218, 221–222, 224–225, 227, 233, 235, 238, 240–246, 254–255, 257–263, 265–268, 270, 272, 274, 278, 280, 284, 292–293, 295, 299–301 Dealbreaker 31, 319 dispositiv 39, 42 Dritten 29, 43–44, 49, 60, 62, 66, 68, 70, 89–90, 106, 152, 154, 157, 159–160, 162, 164, 168, 170, 174, 192, 222, 230, 254–255, 261, 265, 284, 288, 297–299
Aufrechnung 45, 47, 105 Aufspaltung 63, 70, 86, 90, 106, 228, 254, 297
Erlassvertrag 266–271, 273, 307–308 Europäische Union 24, 181
Ausland 210–217, 294, 322 Auslegung 36, 39, 46–57, 62, 70, 73, 75, 78–79, 83–86, 88–89, 91–94, 96–97, 99, 103–104, 106, 110–111, 114–115, 119–121, 125–126, 128–131, 134, 140– 141, 163, 171, 176, 181, 183, 187–188, 193, 200, 204, 206–208, 220, 222, 225, 227–228, 232, 234–236, 242, 244, 259–260, 262–264, 276–278, 281, 283– 284, 287–289, 292–293, 297–301, 303, 307–308, 314, 321
Funktionsnachfolge 219–220, 234 Fürsorgepflicht 122–124, 129 gegenläufig 64–65 Gesetzesauslegung 47–48, 52–55, 73, 75, 92, 99, 121, 126, 166, 183, 222, 295, 320 Gesetzesergehung 37 Gesetzgebungstechnik 102, 106, 114, 298
324
Stichwortverzeichnis
Gestaltungsmittel 32–33, 46, 51, 57, 60, 70, 77, 101, 104–105, 139, 143, 147, 151, 177, 180, 184, 193, 217, 224, 228, 246, 248, 254, 262, 276, 294, 296, 302, 315 Gestaltungsmöglichkeit 41, 77, 80, 82– 84, 155, 173 grenzüberschreitend 210 Grundrecht 186, 205–206 Grundschuld 44 Haftung 24, 31, 39, 196, 206, 218, 239 Insolvenz 25, 29, 200, 236, 247, 251, 257–258, 263–264, 292, 307–308, 311– 312, 317–318 ius cogens 38–39 ius dispositivum 38 Kaufvertrag 42–44, 46, 49–50, 58–61, 63, 67–68, 86, 91, 178, 311 Kettenarbeitsverträge 115–117, 122 Kodifikation 32, 114 Kodifizierung 28, 47, 75, 102, 113, 115, 130, 143, 149, 157, 172, 174, 179–180, 187–191, 197, 243, 246, 270, 273, 286, 292, 296, 298–299, 301–305, 308–309 Korrekturgeschäft 64–65, 70, 87–88, 90, 107, 245, 255, 264, 291 Kündigungsverbot 30, 199, 201, 212, 236–237, 242, 254, 316 Leiharbeitnehmer 157, 163, 168–169, 171–172, 174, 185, 189–190, 192, 279–284, 286–290, 292–293, 301, 313 Leistungsbestimmungsrecht 137–141, 151, 177, 180, 298 mittelbare Arbeitsverhältnis 135, 164, 167 Normunterworfen 27 Off-Shoring 210–211, 314, 322
Privatautonomie 27, 39–42, 47, 49, 51, 55, 59, 62, 69, 73, 79, 83, 86, 103, 110, 113, 144, 151, 159, 167, 178, 185, 187, 197, 238, 272–273, 312, 315 Privatrecht 25, 29, 188, 210–211, 316, 319–320 Rechtsanwendung 31, 56, 87, 99, 102, 277, 303 Rechtsfortbildung 85, 95–99, 102, 107, 110–111, 114, 121, 125–126, 128–131, 133, 135, 151, 182–184, 186–187, 189, 263, 297–299, 303–305, 315, 321 Rechtsgestalter 27, 35, 211 Rechtsinstitut 28, 71–75, 83–84, 104, 129, 157, 173, 177, 192, 225, 292, 302 Rechtsmissbrauch 80–84, 155, 158, 173– 174, 179, 297, 305 Rechtsordnung 27–28, 36, 41, 47, 59, 71, 76, 82–83, 95–96, 117, 122, 194, 210–214, 216–217, 294, 298, 305 Rechtssicherheit 31–32, 129, 188–189, 191, 202, 208, 241, 289, 301–302, 307, 310 Rechtsunsicherheit 31–32, 129, 188, 235, 264, 302 Restrukturierung 31 Richtlinie 25, 115, 181, 193–194, 196, 215–216, 218, 237, 279, 281–285, 287–288, 293, 308, 314 sachlicher Grund 126, 133, 184, 268, 308 Sachverhaltsauslegung 48–50, 52, 55, 87–88, 90, 99, 156, 162, 176, 180, 192, 265, 277, 284–285, 291, 299 Saldierung 246 Scheingeschäft 50–51, 71, 88, 100, 171, 243, 297, 317 Schenkung 43–44, 46, 62–63 Schutzbedürftigkeit 110–112, 114, 130, 141, 187, 303, 317 Schutzgesetz 72 Share Deal 30, 208–210, 235, 311 Sicherungseigentum 28, 44–46, 69, 101, 105
Stichwortverzeichnis Sitte 39, 75 Steuerrecht 24, 65–66, 89, 102, 304– 306, 320 Strohmanngeschäft 68, 167 Tatbestand 31, 35, 37–38, 40, 46, 48, 50, 52–55, 57–58, 60–61, 63–64, 66, 69, 72–73, 89, 91–93, 100, 102–105, 168, 188, 196–197, 199–200, 208, 211, 217–218, 220, 223, 227, 229, 233–234, 248, 254, 280–281, 295, 300, 304, 306, 318–319 Tatbestandserschleichung 37, 53, 80 TzBfG 25, 28, 33, 115, 128, 130–131, 133, 136–137, 139, 141, 149, 152–163, 172, 177–180, 182, 184, 187, 189, 191–192, 198, 249, 298, 302, 305 Umgehungsabsicht 72, 74, 119–120, 132, 134 Umgehungsbegriff 32–33, 43, 45, 47, 57, 59, 91, 109, 115, 134–135, 158, 173, 177, 192, 217 Umgehungsgeschäft 29, 31–35, 38, 40, 46, 48, 50–51, 54, 56–57, 63, 67, 69– 71, 74, 76, 78–79, 85, 91–92, 97, 99– 100, 106–107, 132, 159, 162, 173, 179, 226, 244–246, 256, 292, 295, 297, 300, 305 Umgehungsnorm 38, 48, 82, 104 Umgehungsverbot 40, 64, 73–74, 78 Unterlegenheit 112, 129, 149, 198, 273, 291, 298–299 Unternehmen 29–30, 111, 113, 152, 194, 202, 212, 220, 249, 260, 280, 282, 284, 290, 309, 313, 315, 317, 322 Verbot 35, 40–42, 45, 47, 73, 78–80, 118–120, 186–187, 194, 212, 241–242, 269 Verbotsgesetz 35, 39–43, 73, 78–79, 85, 100, 134, 196, 199, 298 Verbotsnorm 41–42
325
Verbraucher 45, 61, 64, 67–69, 89–90, 109, 112, 143, 313 Verbraucherschutz 45, 62, 75, 314 Verschleierung 57–60, 70–71, 86, 91, 106, 190–191, 209, 219, 234, 297 Vertragsfreiheit 35, 38, 41, 49–51, 58, 69, 77, 79, 82–83, 88, 94, 102, 104, 106, 110, 113, 117, 119–121, 123, 127–129, 131, 133, 136, 139, 142–143, 145, 149–151, 155, 163, 169, 184–185, 189, 196–197, 199, 205–206, 218–219, 238, 240, 245, 247, 251, 268–269, 273, 287, 291, 296, 298, 300, 308, 315 Vertragstyp 49, 57–59, 133, 169, 200, 234 Vorkaufsfall 43, 49, 178, 312 Vorkaufsrecht 43–44, 60, 76, 85–86, 178, 320 Wirtschaft 28 wirtschaftlich 29, 36, 44–45, 53, 58, 61, 65–66, 69, 86, 91, 102, 114, 127, 139, 144, 149, 167–168, 174, 191, 203, 205, 225, 269–270 Wortlaut 27–28, 34, 39, 46–48, 69, 82, 92–93, 105, 125, 136–137, 140–141, 153, 161, 180, 200, 237–238, 240, 242, 278, 281 Ziel 28, 31, 33, 36, 47, 52–54, 56–57, 60, 66, 70, 75, 91, 99–100, 102, 104– 106, 115, 117, 125, 138–140, 148, 158, 160–163, 175–176, 179–181, 183–184, 192–193, 195–197, 217, 222, 233, 240, 244, 247–248, 256, 268, 275, 280, 285, 287, 291, 293–294, 296–297, 303, 307–308 Zurechnung 44, 89–90, 107, 162, 166– 167, 175, 284, 287, 289–292, 299, 301, 312 Zwangsversteigerung 229–230 Zwangsverwaltung 229–232