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German Pages 1510 [1514] Year 2010
Groeger (Hrsg.)
Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst
Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst herausgegeben von
Axel Groeger bearbeitet von
Christian Betz-Rehm Fachanwalt für Arbeitsrecht, München
Dr. Martin Brock Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Dr. Detlef Grimm Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Axel Groeger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
Dr. Ronald Pahlen Vorsitzender Richter am LAG, Berlin
Prof. Dr. Reinhard Richardi Präsident des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs der deutschen Bischofskonferenz, em. Universitätsprofessor, Regensburg
Dr. Stefan Sasse Fachanwalt für Arbeitsrecht, Magdeburg
Dr. Peter Hauck-Scholz
Dr. Anja Schlewing
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Marburg
Richterin am BAG, Erfurt
Dr. Heinz-Jürgen Kalb Vizepräsident des LAG, Köln
Dr. Jörg Laber Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
Dr. Nathalie Oberthür Fachanwältin für Arbeitsrecht, Fachanwältin für Sozialrecht, Köln
Dr. Wienhold Schulte Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Münster
Dr. Marc Steffek Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
Dr. Jörg Vogel Fachanwalt für Arbeitsrecht, Freiburg
Prof. Dr. Christoph Weber Universitätsprofessor, Würzburg
2010
Vorwort Die Vielfalt von Rechtsquellen, die es zum Teil, wie den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und die betriebliche Übung, nur im Arbeitsrecht gibt, sowie die Säumnis des Gesetzgebers bei der Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts verleihen der Rechtsprechung und der Wissenschaft im Arbeitsrecht ein besonderes Gewicht. Dieser, das Arbeitsrecht im Allgemeinen kennzeichnende Befund hat für das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst nur bedingt Aussagekraft. Das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst gilt gemeinhin als schwer zugänglich. Das liegt zum einen an den Besonderheiten, durch die es sich vom allgemeinen Arbeitsrecht unterscheidet. Ferner hat das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst, das über viele Jahre durch zahlreiche Tarifverträge umfangreich und unübersichtlich geworden war, den Zugang erschwert. Schließlich haben viele Privatisierungen und Umstrukturierungen innerhalb des öffentlichen Dienstes in den vergangenen Dekaden dazu geführt, dass die Grenze zwischen öffentlichem Dienst und privaten Arbeitgebern kaum und vor allem nicht allgemeingültig zu bestimmen ist. Die Praxis muss sich nicht nur mit dieser „Gemengelage“ abfinden, sondern hat sich darin zurechtzufinden. Die Bedeutung des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst ist nicht an der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer, die nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes seit der Wiedervereinigung kontinuierlich zurückgegangen ist und sich nun bei gut 2,4 Mio. (Stand: 30. Juni 2008) bewegt, zu ermessen. Dieser quantitativen Betrachtung steht eine Vielfalt an Erscheinungsformen des öffentlichen Dienstes gegenüber, von der klassischen staatlichen und kommunalen Verwaltung über Mischformen öffentlicher Verwaltung sowie öffentlicher und privater Unternehmen bis hin zu unterstaatlichen Selbstverwaltungskörperschaften, öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten, Wissenschaftseinrichtungen und Theatern, die das Bedürfnis nach einer praxisorientierten Darstellung des Arbeitsrechts in diesem breiten Spektrum des öffentlichen Dienstes nahezu von selbst erklärt. Der öffentliche Dienst ist für die Entwicklung von Staaten von großer Bedeutung, dies hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Ausrufung eines „Public Service Day“, der seit 2003 an jedem 23. Juni „gefeiert“ wird, gewürdigt. Äußere wie innere Bedrohungen, Erschütterungen der volkswirtschaftlichen Grundlagen und Umweltkatastrophen haben jüngst schlaglichtartig die hohe Verantwortung, die der Staat mit seinen Organen auch in liberalen Gemeinwesen hat, (wieder) ins Bewusstsein gerückt. Ziel des vorliegenden Buches ist es, allen, die mit arbeitsrechtlichen Fragestellungen im Bereich des öffentlichen Dienstes und der öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaften zu tun haben, Hilfestellung zu leisten, um Probleme zu erkennen und Lösungen zu finden. Dabei gilt es, zwei Ziele vor Augen zu haben: das Buch ist kein Kompaktkommentar für die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, denn einerseits geht es inhaltV
Vorwort
lich darüber hinaus und andererseits sind für Detailfragen die großen Kommentare unverzichtbar. Allgemeine arbeitsrechtliche Fragen werden nur so weit dargestellt, wie es unerlässlich ist, um die Besonderheiten des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst verständlich zu machen und deutlich hervortreten zu lassen. Um diese Ziele zu erreichen und den Bedürfnissen der Praxis nach einem schnellen Zugriff Rechnung zu tragen, mussten die Ausführungen insgesamt auf das Wesentliche beschränkt werden. Dennoch wurde auf wissenschaftliche Gründlichkeit Wert gelegt und wurden zum Teil auch neue Ansätze herausgearbeitet. Mein herzlicher Dank gilt allen Autorinnen und Autoren für ihr Engagement, ihren vorbildlichen Einsatz und ihre teilweise nachsichtige Geduld, ohne die dieses Buch nicht hätte erstellt werden können, sowie dem Lektorat und dem Verlag, die den Anstoß für das Buch gegeben und sein Erscheinen realisiert haben. Für Anregungen und Verbesserungsvorschläge sind alle Autoren und der Herausgeber sehr dankbar. Bonn, im Juni 2010
VI
Axel Groeger
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII
Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIX
Teil 1 Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst I. Definition des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst (Weber) . . II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst (Weber) . . . . . . . . . . . . .
2 5
III. Arbeitgeber im öffentlichen Dienst (Weber) . . . . . . . . . . . . . . .
12
IV. Rechtsquellen (Weber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfassungsrechtliche Grundlagen (Groeger) . . . . . . . . . . . . . .
14 47
VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen (Groeger) . . . . . . . . . . . . . . .
75
Teil 2 Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses I. Überblick (Hauck-Scholz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
II. Stellenausschreibungen (Hauck-Scholz) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG (Hauck-Scholz) . . . .
93
IV. Beteiligung des Personalrats (Pahlen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122
89
Teil 3 Durchführung des laufenden Arbeitsverhältnisses A. Gegenseitige Grundpflichten (Grimm) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
II. Verpflichtungen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
B. Möglichkeiten der Vertragsgestaltung (Grimm) . . . . . . . . . . . .
156
I. Gesetzliche und normative Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechts- und Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
162
III. Gestaltung von Standardklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167
IV. Besondere Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
157
VII
Inhaltsübersicht Seite
C. Moderne Vergütungsregelungen (Brock) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten und -vorgaben . . . . . . .
197 197
II. Instrumente leistungsorientierten Entgelts . . . . . . . . . . . . . .
204
III. Methoden der Leistungsfeststellung und -bewertung . . . . . . .
206
IV. Verteilung und Auszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Direktionsrecht (Laber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214 218
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
E. Betriebliche Übung (Laber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
254
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . .
255 260
F. Entgeltfortzahlung (Grimm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung, § 21 TVöD
271 272
III. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 TVöD . . . . . . . . .
275
G. Arbeitnehmerhaftung (Grimm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
I. Begriff und Haftungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
II. Abkoppelung vom Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
H. Dienstliche Beurteilung (Grimm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282 282
II. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
283
III. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beurteilungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284 286
V. Beurteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287
VI. Beurteilungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290
VII. Besondere Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
291
I. Personalakte (Grimm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293 293
II. Rechtsgrundlage/Tarifliche Regelung (§ 3 Abs. 5 TVöD) . . . .
294
III. Inhalt der Personalakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
IV. Generelles Einsichtsrecht in die Personalakte . . . . . . . . . . . .
296 299
V. Ausübung des Einsichtsrechts durch einen Bevollmächtigten . VI. Recht des Beschäftigten auf Auszüge und Kopien . . . . . . . . .
300
VII. Abmahnung und Beschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
301
VIII. Entfernung von Vorgängen aus der Personalakte . . . . . . . . . .
302
J. Beförderung (Laber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
305
VIII
305
Inhaltsübersicht Seite
307
II. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . K. Arbeitnehmerschutz (Laber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
II. Durchführung und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
321
III. Pflichten des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . .
324 329
V. Nichtraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
330
VI. Sexuelle Belästigung und Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
331
VII. Tarifvertragliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
332
L. Arbeitszeitrecht (Brock) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
333 334
II. Dauer der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit . . .
338
III. Verteilung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ruhepausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341 344
V. Flexible Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
VI. Arbeitszeitkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
350
VII. Öffnungsklausel, § 6 Abs. 4 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355
VIII. Sonderformen der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
360
IX. Teilzeitbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M. Urlaub (Grimm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
I. Erholungsurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385
II. Arbeitsbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
391 394
IV. Sonderurlaub ohne Fortzahlung des Entgelts . . . . . . . . . . . . .
395
V. Sonstige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
396
385
Teil 4 Beendigung des Arbeitsverhältnisses 399
A. Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen (Schulte) . . . I. Aufklärungs- und Hinweispflichten beim Abschluss von Beendigungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
400
II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern . . . . . . . .
409
B. Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst (Schulte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
422
I. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
423
II. Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
450 IX
Inhaltsübersicht Seite
III. Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung (Schulte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
451
I. Erreichen der Altersgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
453
II. Beendigung aufgrund Rentenleistungen, § 33 Abs. 2 TVöD/ TV-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
453
D. Beteiligung des Personalrates (Pahlen) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
457 459
I. Gegenstand der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
459
II. Art der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
464
III. Ausübung des Beteiligungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470
IV. Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
507
Teil 5 Das Teilzeitarbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst (einschließlich Altersteilzeit) (Laber) A. Teilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
515
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . .
517 528
III. Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
554
B. Altersteilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
558 559
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
566
Teil 6 Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst (Groeger) I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
606
II. Die Befristung durch tarifvertragliche Altersgrenzen . . . . . . . III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG . . . . . . . . .
607 615
IV. Die Vertretung als sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644
V. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TVöD/TV-L . . . .
648
VI. Besondere tarifvertragliche Regelungen §§ 31, 32 TVöD/TV-L VII. Befristung nach dem WissZeitVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X
653 660
Inhaltsübersicht Seite
666
VIII. Befristung nach dem ÄArbVtrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TV-Ärzte . . . . . .
668
X. Personalvertretungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . .
668
Teil 7 Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung (Schlewing) I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
677
II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage . . . . . . III. Die Grundsätze der Eingruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
678 689
IV. Die Höhergruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
713
V. Die Herabgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
722
VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale und Begriffe der Anlage 1a zum BAT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
725
VII. Die Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 1 . . . . . . . . . . VIII. Die Beteiligung des Personalrats bei der Ein- und Umgruppierung und der korrigierenden Rückgruppierung . . . . . . . . . IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . .
738 742 749 759
Teil 8 Überleitungstarifverträge (Groeger) I. Einführung in die Systematik der Überleitungstarifverträge .
777
II. Das Vergleichsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
783
III. Kinderbezogene Entgeltbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konsequenzen und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht .
787 788
V. Stufenzuordnung nach Beförderung, Stufenaufstieg . . . . . . . .
796
VI. Strukturausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
798
VII. Ausschlussfrist § 37 TVöD/TV-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
799
XI
Inhaltsübersicht
Teil 9 Grundlagen des Personalvertretungsrechts (Sasse) Seite
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
803 807
III. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit . . . . . . . . .
837
IV. Art der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
842 856
V. Katalog der Beteiligungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Teil 10 Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten der Beschäftigung im öffentlichen Dienst (Oberthür) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten in der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung (Gesetzliche Rentenversicherung) . . . . . . . . . III. Besonderheiten in der Versorgung bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (Gesetzliche Krankenversicherung) . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten in der Versorgung bei Arbeitslosigkeit (Gesetzliche Arbeitslosenversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Besonderheiten in der Versorgung bei Pflegebedürftigkeit (Gesetzliche Pflegeversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Besonderheiten der Unfallfürsorge (Gesetzliche Unfallversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
883 885 912 932 935 941
Teil 11 Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst (Betz-Rehm) I. Stellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im System der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . II. Versorgungsträger und historische Entwicklung . . . . . . . . . .
951
III. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
964
IV. Überblick über die Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
950
V. Das Beteiligungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
977 982
VI. Die Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1014
VII. Die freiwillige Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1081
VIII. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1091
XII
Inhaltsübersicht
Teil 12 Restrukturierung und Privatisierung, Betriebsübergang (Steffek/Dietzel) Seite
1097
A. Restrukturierung und Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1099
II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . .
1135
B. Betriebsübergang im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . .
1145
I. Kein Betriebsübergang bei behördeninterner Verlagerung hoheitlicher Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1145
II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs . . . . . . . . . . . . . . . .
1146
III. Kündigungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1154
IV. Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers und Rechtsfolgen . . . . .
1155
V. Fortgeltung von Tarifverträgen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1158
Teil 13 Sparten- und berufsgruppenspezifische Regelungen im öffentlichen Dienst A. Hintergrund, Rechtsgrundlagen und Systematik berufsgruppenspezifischer Regelungen im öffentlichen Dienst (Vogel) . . .
1161
I. Die Situation vor Inkrafttreten des TVöD . . . . . . . . . . . . . . . .
1161
II. Berufsgruppenspezifische Regelungen der neuen Tarifverträge im öffentlichen Dienst (TVöD, TV-L) . . . . . . . . . . . . . . . B. Verwaltung (Vogel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1168
I. Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes – Besonderer Teil Verwaltung (TVöD-BT-V) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1168
II. Sonderregelungen für die Beschäftigten der Länder (TV-L) . . . .
1174
C. Entsorgungsbetriebe und Flughäfen (Vogel) . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelung für Beschäftigte von Entsorgungsbetrieben (TVöD-BT-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1176 1176
II. Regelungen für Beschäftigte der Verkehrsflughäfen . . . . . . . . .
1178
D. Sparkassen (Vogel/Strolka) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1180
I. Rechtsgrundlagen/Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1180
III. Bankgeheimnis/Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1196
E. Hochschulen (Vogel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1198
1164
1182
XIII
Inhaltsübersicht Seite
1198
I. Grundgesetzliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . .
1199
III. Tarifvertragliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1201
F. Krankenhäuser (Vogel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1207
I. Grundlagen und Besonderheiten von Arbeitsverhältnissen in Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berufs- und verfassungsrechtliche Aspekte der ärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1212
III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte . . . . . . .
1214
IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten (leitenden Krankenhausärzten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1241
V. Arbeitsrechtliche Besonderheiten nichtärztlicher Berufsgruppen im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Bühnenarbeitsverhältnisse (Kalb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arbeitsverträge mit künstlerischem Personal und Musikern auf der Grundlage des Normalvertrags Bühne und des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern . . . . . . . . . . . . .
1209
1263 1266
II. Sonstige Arbeitsverhältnisse im Bühnenbereich . . . . . . . . . .
1266 1276
III. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1277
Teil 14 Besonderheiten des kirchlichen Dienstes (Richardi) I. Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche . . . . . . . .
1287
II. Organisationsstruktur der Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1291
III. Gestaltungsformen des kirchlichen Dienstes . . . . . . . . . . . . .
1296
IV. Besonderheiten des kirchlichen Dienstes im Arbeitsvertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1304
V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1314
VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche . . . . . .
1325
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche . . . . . . . VIII. Strukturveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1335 1349
IX. Gerichtsschutz bei Rechtsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . .
1356
XIV
Inhaltsübersicht
Teil 15 Verfahrensrecht (Hauck-Scholz) Seite
1365
I. Abgrenzung Arbeits-/Verwaltungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . II. Urteils-/Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1371
III. Konkurrentenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1372
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1393
XV
Abkürzungsverzeichnis aA ÄArbVtrG ABl. abl. ABM Abs. AE aE AEntG AEUV aF AFG AG AGB AGG AiB AKA AKA-MS AktG aM Anh. Anm. AnwBl. AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei ArbPlSchG ArbRB ArbRGegw. ArbSchG ArbStättVO ArbuR ArbZG ARRG
anderer Ansicht Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung Amtsblatt ablehnend Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Absatz Arbeitsrechtliche Entscheidungen am Ende Arbeitnehmer-Entsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft; Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V. Mustersatzung der AKA Aktiengesetz anderer Meinung Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung; Anordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechtsblattei Arbeitsplatzschutzgesetz Der Arbeitsrechtsberater (Zeitschrift) Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsschutzgesetz Verordnung über Arbeitsstätten Arbeit und Recht (Zeitschrift) Arbeitszeitgesetz Arbeitsrechtsregelungsgesetz XVII
Abkürzungsverzeichnis
Art. ASiG AsylbLG ATV ATV-K ATZG AuA AÜG AufenthG
Aufl. AVR AZO BA BaFin BAG BAGE BAnz. BArbBl. BAT/BAT-O BayObLG BB BBesG BBG BBiG Bd. Bdb. BDSG BeamtStG BeamtVG BEEG bej. BeschFG BesG betr. BetrAV BetrAVG BetrR XVIII
Artikel Arbeitssicherheitsgesetz Asylbewerberleistungsgesetz Tarifvertrag Altersversorgung Altersvorsorge-Tarifvertrag-Kommunal Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Auflage Arbeitsvertragsrichtlinien (Caritas, Diakonie) Arbeitszeitordnung Bundesagentur für Arbeit Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Bundesarbeitsblatt Bundes-Angestelltentarifvertrag Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Berufsbildungsgesetz Band Brandenburg Bundesdatenschutzgesetz Beamtenstatusgesetz Beamtenversorgungsgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bejahend Gesetz zur Förderung der Beschäftigung Besoldungsgesetz betreffend Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Der Betriebsrat (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
BetrVG BfA BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BGleiG BHO BKGG Bln.-Bbg. BlStSozArbR BLV BMF BMI BMT-G BNotO BPersVG BRAGO BR-Drucks. BRG BRRG BRTV-Bau BSchG BSchGO BSG BSHG bspw. BT BT-Drucks. BUrlG BuW BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerfSchG BVerwG BVerwGE
Betriebsverfassungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesgleichstellungsgesetz Bundeshaushaltsordnung Bundeskindergeldgesetz Berlin-Brandenburg Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundeslaufbahnverordnung Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium des Inneren Bundesmanteltarifvertrag für Gemeindearbeiter Bundesnotarordnung Bundespersonalvertretungsgesetz Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrats-Drucksache Betriebsrätegesetz Beamtenrechtsrahmengesetz Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bezirksschiedsgericht Bühnenschiedsgerichtsordnung – Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz beispielsweise Bundestag; Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Bundesurlaubsgesetz Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverfassungsschutzgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts XIX
Abkürzungsverzeichnis
BVG BW bzgl. bzw.
Bundesversorgungsgesetz Baden-Württemberg bezüglich beziehungsweise
can. cc. CIC
canon canones Codex Iuris Canonici
DA DB DGB d. Gr. dh. Diss. DRK Drucks. DVO
Durchführungsanweisung Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Gewerkschaftsbund der Entscheidungsgründe das heißt Dissertation Deutsches Rotes Kreuz Drucksache Durchführungsverordnung
EBRG EFZG EG EGBGB EGV
Gesetz über Europäische Betriebsräte Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Entwicklungshelfergesetz Einführung Einleitung Evangelische Kirche in Deutschland Europäisches Patentübereinkommen Ergänzungsband Europäische Sozialcharta Einkommensteuergesetz et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Einigungsvertrag Europäischer Wirtschaftsraum Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht
EhfG Einf. Einl. EKD EPÜ Erg.-Bd. ESC EStG etc. EU EuGH EuGRZ EuZW EV EWR EzA
XX
Abkürzungsverzeichnis
EzAÜG
Entscheidungssammlung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
f., ff. FA FEVS
folgende(r); fortfolgende Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte Fußnote Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern Festschrift
Fn. FreizügG/EU FS GBl. GefStoffV gem. GemSOGB
GS GVBl. GVG
Gesetzblatt Gefahrstoffverordnung gemäß Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Genossenschaftsgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse Großer Senat Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz
HAG Halbs. HATG HGrG HeimG HG HGB HGlG hM HRG HRGÄndG
Heimarbeitsgesetz Halbsatz Hausarbeitstagsgesetz (Ländergesetze) Haushaltsgrundsätzegesetz Heimgesetz Haushaltsgesetz Handelsgesetzbuch Hessisches Gleichberechtigungsgesetz herrschende Meinung Hochschulrahmengesetz Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
GenG GewArch GewO GG ggf. GKG GmbH GmbHG GrOkathK
XXI
Abkürzungsverzeichnis
HwB-AR HwO HzA
Handwörterbuch zum Arbeitsrecht Handwerksordnung Handbuch zum Arbeitsrecht
idR iE IfSG ILO InsO IRWAZ iS iSd. iSv. iVm.
in der Regel im Einzelnen Infektionsschutzgesetz International Labour Organisation Insolvenzordnung Individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit
JArbSchG JFDG JZ
Jugendarbeitsschutzgesetz Jugendfreiwilligendienstegesetz Juristenzeitung
KAGO Kap. KAPOVAZ KG KgaG KHG KHEntgG
KomBG KostO KrW-/AbfG KSchG KWG
Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kindergartengesetz Krankenhausfinanzierungsgesetz Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen Entscheidungen in Kirchensachen Konkursordnung Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts Kommunalbeamtengesetz Kostenordnung Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kündigungsschutzgesetz Kreditwesengesetz
LAG LAGE LFZG LG LGG
Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lohnfortzahlungsgesetz Landgericht Landesgleichstellungsgesetz
KirchE KO KODA
XXII
Abkürzungsverzeichnis
LHO LohnFG LPVG Ls. LSG LStR
Landeshaushaltsordnung Lohnfortzahlungsgesetz Landespersonalvertretungsgesetz Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuerrichtlinien
MAVO MBG MDR mE MiArbG
MTV MuSchG MV MVG mwN
Mitarbeitervertretungsordnung Mitbestimmungsgesetz Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) meines Erachtens Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder Manteltarifvertrag Mutterschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern Mitarbeitervertretungsgesetz mit weiteren Nachweisen
NachwG Nds. nF NJW NJW-RR Nr. n.rkr. NRW nv. NV-Bühne NVwZ NZA NZA-RR NZS
Nachweisgesetz Niedersachen, niedersächsisch neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Nummer nicht rechtskräftig Nordrhein-Westfalen nicht veröffentlicht Normalvertrag Bühne Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Sozialrecht
OHG OLG OVG OWiG
Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
MitbestG MTArb /MTArb-O
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
ParlKSch PatG PEMG PersR PersV PersVG PflegeZG PflVG PR PSVaG
Kündigungsschutz für Parlamentarier Patentgesetz Gesetz über das Personaleinsatzmanagement Der Personalrat (Zeitschrift) Die Personalvertretung (Zeitschrift) Personalvertretungsgesetz Pflegezeitgesetz Pflichtversicherungsgesetz Personalrat Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit
RatSchTV Ang
Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder Recht der Arbeit (Zeitschrift) Runderlass Rundschreiben Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsräte-Kommentar Rheinland-Pfalz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) rechtskräftig Richtlinie Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspflegergesetz Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes Rechtsprechung Reichsversicherungsordnung Randziffer Rechtsprechung zum Kündigungsrecht
RatSchTV Arb RdA RdErl. Rdschr. RG RGBl. RGRK Rh.-Pf. RIW rkr. RL Rpfleger RpflG RSpEinhG Rspr. RVO Rz. RzK S./s. s.a. Sa.-Anh. Sächs. SAE Schl.-Holst.
XXIV
Seite; siehe siehe auch Sachsen-Anhalt Sächsisches Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Schleswig-Holstein
Abkürzungsverzeichnis
SchwarzArbG
Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung SG Sozialgericht SGB Sozialgesetzbuch SGb Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) SGG Sozialgerichtsgesetz SH Schleswig-Holstein SigG Signaturgesetz SigV Signaturverordnung s.o. siehe oben sog. so genannte/r SozPlG; SozplKonkG Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren SozVers Die Sozialversicherung (Zeitschrift) SprAuG Sprecherausschussgesetz SR (BAT) Sonderregelung (Bundesangestelltentarifvertrag) StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung st. Rspr. ständige Rechtsprechung stv. stellvertretend s.u. siehe unten SvEV Sozialversicherungsentgeltverordnung TdL TOA TSG TV ATZ TVG TVK TV-L TVöD TVsA TVÜ TzBfG
Tarifgemeinschaft deutscher Länder Tarifordnung für Angestellte Transsexuellengesetz Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Tarifvertrag öffentlicher Dienst Tarifvertrag zur sozialen Absicherung Tarifvertrag zur Überleitung Teilzeit- und Befristungsgesetz
u.a. uam. UKlaG UmwG Urt. uU UVEG
und andere; unter anderem und andere mehr Unterlassungsklagengesetz Umwandlungsgesetz Urteil unter Umständen Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz XXV
Abkürzungsverzeichnis
UVV UWG
Unfallverhütungsvorschriften Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VAG VBG
Versicherungsaufsichtsgesetz Unfallverhütungsvorschriften der Verwaltungsberufsgenossenschaften Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Vereinsgesetz Vergütungsgruppe Vergleichsordnung Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Verpflichtungsgesetz Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Verordnung Verordnungsblatt Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung RVG-Vergütungsverzeichnis Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz
VBL VBLS VereinsG VergGr. VerglO VermBG VerPflG VersR vgl. VKA VO VOBl. VV BHO VV RVG VVaG VVG VwGO VwVfG WahlO; WO wg. WissZeitVG WM WRV zB ZDG ZfA ZfS ZGR
XXVI
Wahlordnung wegen Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel Zivildienstgesetz Zeitschrift für Arbeitsrecht Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
Abkürzungsverzeichnis
ZHR ZIP ZPO ZRP zT ZTR zust. ZZP
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend Zeitschrift für Zivilprozess
XXVII
Allgemeines Literaturverzeichnis Literaturhinweise zu Einzelproblemen finden sich jeweils am Anfang der einzelnen Kapitel. Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl. 2004/6. Aufl. 2008 (zit. Altvater, BPersVG) Ambs/Feckler u.a., Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsrecht, Loseblatt (zit. Bearbeiter in GK-SGB III ) Annuß/Thüsing, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2. Aufl. 2006 APS siehe Ascheid/Preis/Schmidt Ascheid, Urteils- und Beschlussverfahren im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 1998 Ascheid/Bader/Dörner/Leinemann/Mikosch/Schütz/Vossen/Wenzel, Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz, Loseblatt (zit. GKArbGG/Bearbeiter) Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007 (zit. APS/Bearbeiter) Bader/Creutzfeldt/Friedrich, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2008 Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 8. Aufl. 2007 Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2008 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 67. Aufl. 2009 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, TVöD, Kommentar zum Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes und der VKA, Loseblatt BK siehe Dolzer/Vogel/Graßhoff Böhm/Spiertz/Steinherr/Sponer, BAT, Bundesangestelltentarifvertrag, Kommentar, Loseblatt Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, TVöD/TV-L, 3. Aufl. 2007 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD – Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Kommentar zum Tarif- und Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, Loseblatt Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen, TV-L, Tarif- und Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst der Länder, Kommentar, Loseblatt Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag, Loseblatt Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), Loseblatt Conze, Personalbuch Tarifrecht öffentlicher Dienst, 2. Aufl. 2008 Dassau/Langenbrinck, TVöD, Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, 2. Aufl., 2006 (zit. Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg) Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT-Kompaktkommentar, 4. Aufl. 2004 Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD Kompaktkommentar, 5. Aufl. 2006 Däubler, Tarifvertragsrecht: ein Handbuch, 3. Aufl. 1993 Däubler/Hjort/Hummel/Wolmerath, Arbeitsrecht, Handkommentar, 2008 XXIX
Allgemeines Literaturverzeichnis
Däubler/Kittner/Klebe (Hrsg.), BetrVG – Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung und EBR-Gesetz, 11. Aufl. 2008 (zit. DKK/Bearbeiter) DFL siehe Dornbusch/Fischermeier/Löwisch DKK siehe Däubler/Kittner/Klebe Dolzer/Vogel/Graßhoff (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblatt (zit. BK/Bearbeiter) Dornbusch/Fischermeier/Löwisch (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009 (zit. DFL/Bearbeiter) Dorndorf/Weller/Hauck/Kriebel/Höland/Neef, Heidelberger Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 4. Aufl. 2001 Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2009 (zit. DLW/Bearbeiter) Dörring/Kutzki (Hrsg.), TVöD-Kommentar, 2007 Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band I (Präambel, Art. 1-19), 2. Aufl. 2004, Band II (Art. 20-82), 2. Aufl. 2006 Düwell, BetrVG, Handkommentar, 3. Aufl. 2010 Düwell/Lipke, ArbGG, Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar für die Praxis, 2. Aufl. 2005 ErfK siehe Müller-Glöge/Preis/Schmidt Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl. 2008 Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 8. Aufl. 2002 Etzel/Bader/Fischermeier/Friedrich/Griebeling/Lipke/Pfeiffer/Rost/Spilger/Vogt/Weigand/Wolff, KR – Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 9. Aufl. 2009 (zit. KR/Bearbeiter) Fabricius (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Mitbestimmungsgesetz, Loseblatt Fiebig/Gallner/Nägele, Kündigungsschutzrecht, Handkommentar, 3. Aufl. 2007 (zit. HaKo/Bearbeiter) Fischer/Goeres/Gronimus, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, in: Fürst (Hrsg.), Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht (GKÖD), Bd. V, Loseblatt Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz, 25. Aufl. 2010 (zit. Fitting) Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2006 Gagel (Hrsg.), SGB III-Arbeitsförderung, Loseblatt Galperin/Löwisch, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl. 1982 mit Nachtrag 1985 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I 1997, Bd. II 2008 Gaul, B., Aktuelles Arbeitsrecht, Band 1/2000 ff. Gaul, B., Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, 2002 Germelmann/Binkert, PersVG, 2. Aufl. 2002 Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2009 Gitter/Schmitt, Sozialrecht, 5. Aufl. 2001 GK-ArbGG siehe Ascheid/Bader u.a. XXX
Allgemeines Literaturverzeichnis
GK-BetrVG siehe Kraft/Wiese u.a. GKÖD siehe Fischer/Goeres/Gronimus GK-SGB III siehe Ambs/Feckler u.a. GK-SGB VI siehe Ruland/Försterling Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt Gräfl/Arnold, TzBfG – Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2005 Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl. 1995 HaKo siehe Fiebig u.a. Hanau/Steinmeyer/Wank, Handbuch des Europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002 Hauck/Haines, SGB VI – Gesetzliche Rentenversicherung, Loseblatt Hauck/Helml, Arbeitsgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2006 Hauck/Noftz, SGB III – Arbeitsförderung, Loseblatt Hennig/Henke/Schlegel/Teuerkauf/Estemann, SGB III – Arbeitsförderung, Kommentar mit Nebenrecht, Loseblatt Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 4. Aufl. 2010 (zit. HWK/Bearbeiter) Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 7. Aufl. 2008 (zit. HSWG/Bearbeiter) Hindahl/Schart/Slawik/Vesper, Erläuterungen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – TVöD Heft 2 –, Loseblatt von Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 14. Aufl. 2007 HSWG siehe Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwaltKommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010 HWK siehe Henssler/Willemsen/Kalb HzA siehe Leinemann Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008 Jacobs/Oetker/Krause, Tarifvertragsrecht, 2007 Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009 Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, Entgeltfortzahlungsgesetz, 5. Aufl. 2000 Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, hrsg. von Leitherer, Loseblatt (zit. KassKomm/Bearbeiter) Kempen/Zachert, Tarifvertragsgesetz, 4. Aufl. 2006 Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl. 2008 Kittner/Zwanziger (Hrsg.), Arbeitsrecht, Handbuch für die Praxis, 5. Aufl. 2009 Klebe/Ratayczak/Heilmann/Spoo, Betriebsverfassungsgesetz, 16. Aufl. 2010 KR siehe Etzel/Bader u.a. Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker/Raab/Weber/Franzen, Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 9. Aufl. 2010 (zit. GK-BetrVG/ Bearbeiter) Kreikebohm, Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung SGB VI, 2. Aufl. 2003 XXXI
Allgemeines Literaturverzeichnis
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Allgemeines Literaturverzeichnis
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XXXIII
Allgemeines Literaturverzeichnis
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XXXIV
Teil 1 Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst Rz. I. Definition des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst (Weber) . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zum Beamtenrecht . 3. Abgrenzung zum kirchlichen Arbeitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst (Weber) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitnehmerbegriff und Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kriterien des Arbeitnehmerbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leistung von Arbeit aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags . . . . . . . . . . bb) Unselbständigkeit . . . . . . . (1) Unselbständigkeit und persönliche Abhängigkeit . . . . . . . . (2) Einzelfragen . . . . . . . . . 2. Einzelne Arbeitnehmergruppen . a) Arbeiter und Angestellte . . . . . b) Leitende Angestellte . . . . . . . . c) Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Arbeitgeber im öffentlichen Dienst (Weber) . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsquellen (Weber) . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten und Bedeutung . . . . . . . . . . a) Europäisches Recht . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . bb) Einzelne Rechtsquellen . . (1) Primärrecht . . . . . . . . . (2) Sekundärrecht . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetz, Rechtsverordnung und Dienstordnung . . . . . . . . . aa) Grundlagen. . . . . . . . . . . . . bb) Überblick über die arbeitsrechtlichen Gesetze. . . . . . cc) Richterliche Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . (1) Zustandekommen . . . . (2) Inhalt. . . . . . . . . . . . . . . (3) Wirkung . . . . . . . . . . . . (4) Bindung an den Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . .
1 1 5 8 10 10 10 14 14 15 15 17 20 20 21 26 27 33 33 35 35 35 40 40 47 59 68 68 77 81 85 85 85 89 94
Rz. (5) Verhältnis zu anderen Rechtsquellen des Arbeitsrechts . . . . . . . . . . 108 bb) Bedeutung von Tarifverträgen im öffentlichen Dienst . . 109 (1) Neugestaltung des Tarifrechts für Bund, Länder und Kommunen . . . . . . . . 109 (2) Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und ergänzende Tarifverträge . 110 (aa) Überblick . . . . . . . . . 110 (bb) Regelungskonzept . . 114 (cc) Überleitungstarifverträge . . . . . . . . . . . 118 e) Dienstvereinbarung . . . . . . . . . . . 119 aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Zustandekommen und Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 dd) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 ee) Verhältnis zu anderen Rechtsquellen des Arbeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 f) Arbeitsvertrag und Allgemeine Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . 132 aa) Individualarbeitsvertrag . . . . 132 bb) Allgemeine Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Arbeitsvertragliche Einheitsregelungen . . . . . . . . 138 (2) Gesamtzusage . . . . . . . . . 139 (3) Betriebliche Übung . . . . . 140 g) Direktionsrecht . . . . . . . . . . . . . . 145 V. Verfassungsrechtliche Grundlagen (Groeger). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Gesetzgebungszuständigkeiten . . . . 149 a) Zuständigkeit für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Konkurrierende Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Gesetzgeberische Freiräume für die Länder . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Abgrenzung vom bürgerlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Zuständigkeiten für das öffentliche Dienstrecht . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Bundesbedienstete iwS . . . . . 159
97
Weber/Groeger
1
Teil 1
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst Rz.
bb) Bedienstete anderer öffentlicher Rechtsträger . . . cc) Folgerungen für das Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes . . . . . . . . . 2. Freiheit, Bindungen und Gestaltungsspielräume der Gesetzgeber a) Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . b) Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . c) Bindungen an Grundrechte . . . aa) Art. 9 Abs. 3 GG – Tarifautonomie . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 3 Abs. 1 GG – Allgemeiner Gleichheitssatz. . . d) Weitere verfassungsimmanente Bindungen . . . . . . . . . . . aa) Art. 33 Abs. 5 GG – Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums . . . . . bb) Art. 20 Abs. 2 GG – Demokratieprinzip . . . . . . e) Organisationsformen des öffentlichen Dienstes . . . . . . . aa) Errichtung und Schließung von Behörden . . . . . . bb) Gesetzliche Regelung der inneren Organisation . . . . cc) Art. 33 Abs. 4 GG – Funktionsvorbehalt . . . . . . . . . . dd) Einrichtung von Behörden
160 161 169 170 172 175 176 181 185 185 188 193 197 202 203 206
Rz. ee) Einrichtung von besonderen Rechtsverhältnissen . . . . . . . 210 3. Vertretung des Rechtsträgers und Zuständigkeit von Behörden . . . . . . 214 a) Vertretung des Rechtsträgers. . . . 214 aa) Rechtsgeschäftliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Zurechenbarkeit von Handeln natürlicher Personen . . . 221 b) Zuständigkeit von Behörden . . . . 227 c) Organe und leitende Angestellte im öffentlichen Dienst. . . . . . . . . 229 VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen (Groeger). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Grundlagen des Haushaltsrechts – der Haushaltskreislauf . . . . . . . . . . . 235 3. Die einzelnen Phasen des Haushaltskreislaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Das Aufstellungsverfahren . . . . . 237 aa) Die Personalbedarfsermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . 241 bb) Gebot linearer Stelleneinsparungen . . . . . . . . . . . . . 243 cc) Abgrenzung des Stellenplans von anderen Plänen . . . 245 b) Haushaltsgesetz und Haushaltsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Haushaltsvollzug . . . . . . . . . . . . . 253 d) Rechnungslegung und -prüfung; Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . 257
Schrifttum: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl. 2007; Fischer/Goeres/Gronimus, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, in: Fürst (Hrsg.), Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Bd. V, Loseblatt, 1974 ff.; Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2006; Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Loseblatt, Stand: 2009; Hanau/Steinmeyer/Wank, Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008; Jacobs/ Krause/Oetker, Tarifvertragsrecht, 2007; Krimphove, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2001; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, Loseblatt, 1975 ff.; Pfohl, Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes, 2002; Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008; Schiek, Europäisches Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2007; Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht, 2008; Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 6. Aufl. 2007.
I. Definition des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst 1. Allgemeines Das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst regelt die arbeitsrechtlichen Beziehungen von Arbeitnehmern mit juristischen Personen des öffentlichen 2 Weber
I. Definition des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Rz. 3
Teil 1
Rechts, also Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) oder sonstigen Personen des öffentlichen Rechts (Anstalten, Stiftungen und Körperschaften)1. Es ist der privatrechtliche Teil des Rechts des öffentlichen Dienstes, welches in seiner Gesamtheit auch die öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse von Beamten, Richtern und Soldaten betrifft (zur Abgrenzung siehe unten Rz. 5)2. Das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst umfasst individual- und kollek- 1 tivarbeitsrechtliche Regelungen und beruht auf den Grundsätzen des allgemeinen Arbeitsrechts. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst in gleicher Weise wie Beamte an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und Ziele mitwirken, häufig sogar trotz des unterschiedlichen Status identische Funktionen ausüben und bei ihrer Tätigkeit wie alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes den Grundsätzen des Haushaltsrechts unterworfen sind3. Traditionell waren deshalb die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst durch eine gewisse Annäherung von Arbeitnehmer- und Beamtenstatus geprägt, die zum Teil in ausdrücklichen Verweisungen auf das Beamtenrecht ihren Ausdruck fand (vgl. etwa §§ 11, 14 BAT)4. Die neueren Tarifverträge für den öffentlichen Dienst (vor allem TVöD und TV-L) sind insofern deutlich zurückhaltender und sollen gerade im Gegenteil eine Entflechtung der beiden Regelungsbereiche bewirken. Gleichwohl sind auch heute noch die besonderen Interessen des öffentlichen Dienstes zu beachten. Hervorzuheben sind insofern etwa Art. 33 Abs. 2 GG, der bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zum Maßstab macht, die bereits erwähnten Grundsätze des Haushaltsrechts oder auch die Sonderregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst. Die Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses zum öffentlichen Dienst erfolgt 2 nach formalen Kriterien (siehe auch unten Rz. 31). Maßgeblich ist allein, dass der Arbeitgeber eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Bedient sich der Staat privatrechtlicher Organisationsformen, so gelten (vorbehaltlich nicht selten anzutreffender besonderer Vereinbarungen5) die allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts auch dann uneingeschränkt, wenn dabei öffentliche Aufgaben und Zielsetzungen verwirklicht werden6. Für den Bereich der Abgrenzung zwischen Personal- und Betriebsverfassungsrecht ergibt sich diese formale Betrachtungsweise aus § 130 BetrVG7. Zu beachten ist allerdings, dass in Fällen der Privatisierung Fortschreibun- 3 gen bisheriger auf den öffentlichen Dienst zugeschnittener Schutzregelungen oder jedenfalls Übergangsmodelle zu beobachten sind (vgl. Teil 12). 1 2 3 4 5 6 7
MünchArbR/Freitag, § 187 Rz. 1. Müller/Preis, Rz. 5. Schaub/Koch/Linck, ArbRHdb, § 15 Rz. 5. Pfohl, Rz. 12; Wichmann/Langer, Rz. 421. MünchArbR/Freitag, § 187 Rz. 1; Schaub/Koch/Linck, ArbRHdb, § 15 Rz. 7. MünchArbR/Freitag, § 187 Rz. 1; Müller/Preis, Rz. 5. Schaub/Koch/Linck, ArbRHdb, § 15 Rz. 6; hierzu HWK/Hohenstatt/Dzida, § 130 BetrVG Rz. 1 f.; sowie ausführlich GK-BetrVG/Weber, § 130 Rz. 2 ff. Weber
3
Teil 1
Rz. 4
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Auch aus der Perspektive des europäischen Rechts ist eine rein formale Betrachtungsweise nicht in allen Bereichen tragfähig, da der EuGH Richtlinien die sog. vertikale Direktwirkung, also eine unmittelbare Wirkung im Verhältnis von Bürger und Staat, auch dann zuspricht, wenn der Staat sich in privatrechtlichen Handlungsformen bewegt (dazu näher unten Rz. 49 f.). 2. Abgrenzung zum Beamtenrecht 4
Die Bediensteten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts können Beamte, Richter, Soldaten, Zivildienstleistende oder aber Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sein. Beamte, Richter, Soldaten und Zivildienstleistende stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, ebenso Laufbahnbewerber im Vorbereitungsdienst. Im Gegensatz dazu beruht die Beschäftigung von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes auf einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis (näher unten Rz. 10 ff.).
5
Das Beamtenverhältnis wird durch einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt begründet: die Aushändigung einer Ernennungsurkunde bei gleichzeitiger, gegebenenfalls konkludenter Zustimmung des zu berufenden Beamten1. Begründung und Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses sind in Art. 33 GG, dem Bundesbeamtengesetz (BBG), dem Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) bzw. dem Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und den Beamtengesetzen der Länder geregelt. Die Grundsätze des Arbeitsrechts und namentlich tarifvertragliche Regelungen (vgl. § 191 BBG) finden keine Anwendung. Zu beachten ist allerdings, dass der EuGH im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV2 und mit dem Lohngleichheitsgebot nach Art. 157 AEUV3 Beamte als Arbeitnehmer bezeichnet hat4. Der Gerichtshof beansprucht insofern das Recht, einen europäischen Arbeitnehmerbegriff zu definieren, und überlässt die Definitionshoheit nicht den nationalen Rechtsordnungen. Der auf dieser Basis entwickelte europäische Arbeitnehmerbegriff ist weiter als der deutsche: Der EuGH stellt nicht auf die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Form des Beschäftigungsverhältnisses ab, sondern darauf, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält5. 1 BVerwG v. 6.11.1969 – II C 110.67, BVerwGE 34, 168 (171); Müller/Preis, Rz. 8. 2 EuGH v. 12.2.1974 – Rs. 152/73, Slg. 1974, 153 (Rz. 5) (Sotgiu); v. 3.7.1986 – Rs. 66/85, Slg. 1986, 2121 (Rz. 16 f.) = NVwZ 1987, 41 (Lawrie-Blum); v. 31.5.1989 – Rs. 344/87, Slg. 1989, 1621 (Rz. 16) (Bettray); v. 24.3.1994 – Rs. C-71/93, Slg. 1994, I-1101 (Rz. 14) (Van Poucke). 3 EuGH v. 21.5.1985 – Rs. 248/93, Slg. 1985, 1459 (Rz. 16) (Kommission/Bundesrepublik Deutschland); v. 2.10.1997 – Rs. C-1/95, Slg. 1997, I-5253 (Rz. 17 ff.) = NZA 1997, 1277 (Gerster). 4 Zur Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit im Bereich der öffentlichen Verwaltung durch Art. 45 Abs. 4 AEUV vgl. Fuchs/Marhold, S. 36 f. sowie unten Rz. 45. 5 Vgl. dazu Fuchs/Marhold, S. 28 ff.; Hanau/Steinmeyer/Wank, § 14; Krimphove, Rz. 169 ff.
4 Weber
II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Rz. 9
Teil 1
Für Richter ergeben sich die wesentlichen Inhalte des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses aus Art. 92, 97 und 98 GG, aus §§ 1 bis 45a Deutsches Richtergesetz (DRiG) und den Richtergesetzen der Länder. Für Soldaten sind die Bestimmungen des Soldatengesetzes (SG) sowie Art. 35 Abs. 2 und 3, 87a GG maßgeblich, für Zivildienstleistende das Zivildienstgesetz (ZDG).
6
3. Abgrenzung zum kirchlichen Arbeitsrecht1 Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 5 WRV können Religionsgesellschaf- 7 ten Körperschaften des öffentlichen Rechts sein (näher Teil 14). Soweit dies der Fall ist, können Dienstverhältnisse im Bereich der evangelischen und katholischen Kirche öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden. Das gilt vor allem, aber nicht nur, für geistliche Amtsträger. In der Praxis hat das kirchliche Beamtenverhältnis vor allem im Bereich der evangelischen Kirche Bedeutung (näher Teil 14). Soweit kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis begründet wird, ist die 8 Basis eines Beschäftigungsverhältnisses mit einer kirchlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer der Kirche zuzuordnenden Einrichtung ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag. Dieser unterliegt zunächst den Grundsätzen des staatlichen Arbeitsrechts. Das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Kirchen eröffnet diesen aber auch bei der Wahl privatrechtlicher Gestaltungsformen weitgehenden Freiraum, der von den Kirchen mit Blick auf das Leitbild einer Dienstgemeinschaft sowohl im Individual- als auch im Kollektivarbeitsrecht durchaus wahrgenommen wird (näher Teil 14).
II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst 1. Arbeitnehmerbegriff und Arbeitsverhältnis a) Grundlagen Im öffentlichen Dienst gilt der allgemeine Arbeitnehmerbegriff. Danach ist 9 Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags unselbständige Dienstleistungen zu erbringen hat2. Diese Definition ist im Grundsatz im deutschen Arbeitsrecht seit Jahrzehnten geläufig und im vorliegenden Sachzusammenhang ungeachtet der Tatsache maßgeblich, dass auch der EuGH zu Art. 45 und 157 AEUV einen eigenen europäischen Arbeitnehmerbegriff formuliert hat und dabei namentlich auf das Erfordernis eines privatrechtlichen Vertrags verzichtet. Arbeitnehmer ist nach der Rechtsprechung des EuGH, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält3. Diese Definition beansprucht aber Geltung 1 Ausführlich zu den Besonderheiten des kirchlichen Dienstes in Teil 14. 2 Vgl. stellvertretend HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 24 mwN. 3 Vgl. u.a. EuGH v. 6.11.2003 – Rs. C-413/01, Slg. 2003 I-13187 = NZA 2004, 87 (Ninni-Orasche). Weber
5
II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Rz. 9
Teil 1
Für Richter ergeben sich die wesentlichen Inhalte des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses aus Art. 92, 97 und 98 GG, aus §§ 1 bis 45a Deutsches Richtergesetz (DRiG) und den Richtergesetzen der Länder. Für Soldaten sind die Bestimmungen des Soldatengesetzes (SG) sowie Art. 35 Abs. 2 und 3, 87a GG maßgeblich, für Zivildienstleistende das Zivildienstgesetz (ZDG).
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3. Abgrenzung zum kirchlichen Arbeitsrecht1 Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 5 WRV können Religionsgesellschaf- 7 ten Körperschaften des öffentlichen Rechts sein (näher Teil 14). Soweit dies der Fall ist, können Dienstverhältnisse im Bereich der evangelischen und katholischen Kirche öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden. Das gilt vor allem, aber nicht nur, für geistliche Amtsträger. In der Praxis hat das kirchliche Beamtenverhältnis vor allem im Bereich der evangelischen Kirche Bedeutung (näher Teil 14). Soweit kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis begründet wird, ist die 8 Basis eines Beschäftigungsverhältnisses mit einer kirchlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts oder einer der Kirche zuzuordnenden Einrichtung ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag. Dieser unterliegt zunächst den Grundsätzen des staatlichen Arbeitsrechts. Das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Kirchen eröffnet diesen aber auch bei der Wahl privatrechtlicher Gestaltungsformen weitgehenden Freiraum, der von den Kirchen mit Blick auf das Leitbild einer Dienstgemeinschaft sowohl im Individual- als auch im Kollektivarbeitsrecht durchaus wahrgenommen wird (näher Teil 14).
II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst 1. Arbeitnehmerbegriff und Arbeitsverhältnis a) Grundlagen Im öffentlichen Dienst gilt der allgemeine Arbeitnehmerbegriff. Danach ist 9 Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags unselbständige Dienstleistungen zu erbringen hat2. Diese Definition ist im Grundsatz im deutschen Arbeitsrecht seit Jahrzehnten geläufig und im vorliegenden Sachzusammenhang ungeachtet der Tatsache maßgeblich, dass auch der EuGH zu Art. 45 und 157 AEUV einen eigenen europäischen Arbeitnehmerbegriff formuliert hat und dabei namentlich auf das Erfordernis eines privatrechtlichen Vertrags verzichtet. Arbeitnehmer ist nach der Rechtsprechung des EuGH, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält3. Diese Definition beansprucht aber Geltung 1 Ausführlich zu den Besonderheiten des kirchlichen Dienstes in Teil 14. 2 Vgl. stellvertretend HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 24 mwN. 3 Vgl. u.a. EuGH v. 6.11.2003 – Rs. C-413/01, Slg. 2003 I-13187 = NZA 2004, 87 (Ninni-Orasche). Weber
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Teil 1
Rz. 10
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
nur für den Sachzusammenhang des Freizügigkeitsrechts und des Gebots der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen. Für die Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses nach nationalem Arbeitsrecht enthält die Rechtsprechung des EuGH keine Vorgaben. 10 Die Definition des Arbeitnehmerbegriffs knüpft an das Dienstvertragsrecht der §§ 611 ff. BGB an und enthält mit dem Erfordernis des privatrechtlichen Vertrags ein Unterscheidungsmerkmal zu öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen und mit dem der Unselbständigkeit das Differenzierungskriterium zwischen Arbeitsvertrag und freiem Dienstvertrag. Abgrenzungsfragen zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit ergeben sich zwar vor allem im Bereich der Privatwirtschaft, haben aber auch im Rahmen des öffentlichen Dienstes die Gerichte häufig beschäftigt. Namentlich im Medien- und im Bildungsbereich ist nicht selten problematisch, ob ein Arbeitsverhältnis oder lediglich ein Dienstverhältnis eines freien Mitarbeiters vorliegt (dazu unten Rz. 17 ff.). Die Abgrenzung ist von großer Bedeutung, da nur die Qualifikation als Arbeitnehmer den Zugang zum kompletten arbeitsrechtlichen Schutzsystem eröffnet. 11 Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist zunächst anhand der vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten zu prüfen. Maßgeblich ist aber letztlich die einverständlich praktizierte tatsächliche Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses1. 12 Die Qualifikation eines Beschäftigungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder selbständiges Dienstverhältnis kann inzident im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung um Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag, im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses oder aber auch im Wege der Feststellungsklage (Statusklage) erfolgen. Dabei ist eine reine Statusklage für die Vergangenheit mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn sich aus der Feststellung keine Folgen für Gegenwart und Zukunft ergeben2. Begehrt ein Beschäftigter im Rahmen einer Statusklage die Feststellung seiner Arbeitnehmereigenschaft, wehrt er sich gegen die Kündigung eines „Arbeitsverhältnisses“ oder macht er arbeitsrechtliche Ansprüche geltend, so ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, auch wenn das für die Bestimmung des Rechtswegs erforderliche Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses noch nicht feststeht3. b) Kriterien des Arbeitnehmerbegriffs aa) Leistung von Arbeit aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags 13 Arbeitnehmer ist nur, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags beschäftigt ist. Keine Arbeitnehmer sind deshalb Beamte, Soldaten, Zivildienstleistende und Richter (dazu oben Rz. 5 f.). Mit der Ernennung zum 1 BAG v. 30.9.1998 – 5 AZR 563/97, NZA 1999, 374. 2 BAG v. 15.12.1999 – 5 AZR 457/98, NZA 2000, 775; v. 17.4.2002 – 5 AZR 458/00, NZA 2002, 760. 3 Vgl. u.a. BAG v. 19.12.2000 – 5 AZB 16/00, NZA 2001, 285.
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II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Rz. 14
Teil 1
Beamten erlischt ein Arbeitsverhältnis und es lebt auch im Falle der späteren Rücknahme der Ernennung nicht wieder auf1. Lehrbeauftragte an Hochschulen2 oder Professorenvertreter3 sind nach der Rechtsprechung des BAG ebenfalls keine Arbeitnehmer, sondern werden in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besonderer Art tätig. Keine Arbeitnehmer sind Strafgefangene, die in einer Justizvollzugsanstalt Arbeitsleistungen erbringen, da dies im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses erfolgt4. Keine Arbeitnehmer sind Asylbewerber, die Tätigkeiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausüben, vgl. § 5 Abs. 5 Satz 1 AsylbLG5. Ein-Euro-Jobber üben ihre Tätigkeit nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aus, § 16 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. SGB II. Es handelt sich vielmehr um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis6. ABM-Beschäftigte nach §§ 260 ff. SGB III sind hingegen Arbeitnehmer7. Keine Arbeitnehmer sind Entwicklungshelfer iSv. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Entwicklungshelfergesetz (EhfG)8. Im Verhältnis zu dem ausländischen Projektträger kann aber ein Arbeitsvertrag vereinbart werden9. Außerdem sind die Beschäftigungsbedingungen von Entwicklungshelfern weithin arbeitsrechtlichen Grundsätzen nachgebildet10. bb) Unselbständigkeit (1) Unselbständigkeit und persönliche Abhängigkeit Nach ständiger Rechtsprechung des BAG bedeutet Unselbständigkeit per- 14 sönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers11, die wiederum ihren Grund typischerweise in der Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers findet12. Dabei ist Weisungsunterworfenheit nicht allein im Sinne einer Bindung an 1 BAG v. 24.4.1997 – 2 AZR 241/96, NZA 1997, 1045. 2 BAG v. 15.4.1982 – 2 AZR 1111/79, DB 1982, 2707; v. 23.5.2001 – 5 AZR 370/99, NZA 2002, 168. 3 BAG v. 30.11.1984 – 7 AZR 511/83, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 43; v. 25.2.2004 – 5 AZR 62/03, NZA 2004, 751. 4 BAG v. 24.4.1969 – 5 AZR 438/68, DB 1969, 1514; v. 3.10.1978 – 6 ABR 46/76, DB 1979, 1186. 5 Vgl. HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 30. 6 BAG v. 8.11.2006 – 5 AZB 36/06, NZA 2007, 53 m. zust. Anm. Joussen, SAE 2007, 207; BAG v. 17.1.2007 – 5 AZB 43/06, NZA 2007, 644; v. 19.11.2008 – 10 AZR 658/07, NZA 2009, 269; vgl. auch Kirchlicher Arbeitsgerichtshof v. 30.11.2006 – M 01/06, zu § 34 MAVO, ZMV 2007, 79 einerseits, BVerwG 21.3.2007 – 6 P 4/06, ZTR 2007, 404 andererseits; aA Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 A Rz. 79a (privatrechtliches Rechtsverhältnis eigener Art); zur Problematik vgl. auch Engels, NZA 2007, 8; Schulze, NZA 2005, 1332; Zwanziger, AuR 2005, 8. 7 BAG v. 13.10.2004 – 7 AZR 6/04, NZA 2005, 480; HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 32. 8 BAG v. 27.4.1974 – 5 AZR 129/76, BB 1977, 1304. 9 HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 32. 10 Vgl. MünchArbR/Freitag, § 191 Rz. 6. 11 BAG v. 28.2.1962 – 4 AZR 141/61, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 1, seitdem ständige Rechtsprechung. 12 Vgl. u.a. BAG v. 13.12.1962 – 2 AZR 128/62, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 3. Weber
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Teil 1
Rz. 15
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
fachliche oder auftragsbezogene Weisungen zu verstehen. Maßgeblich ist vielmehr die sich daraus ergebende Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation. Im Wege einer typologischen Gesamtbetrachtung zieht die Rechtsprechung deshalb eine Reihe weiterer organisatorischer Kriterien heran, etwa die aus einem Umkehrschluss zu § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB abgeleitete zeitliche und örtliche Festlegung der Arbeitszeit und Arbeitsweise für den Auftraggeber, die Einbeziehung in festgelegte Arbeitsprozesse, Produktions- und Dienstpläne, das Angewiesensein auf technische und organisatorische Hilfsmittel des Dienstgebers und die Zusammenarbeit mit dessen anderen Arbeitnehmern1. Nicht relevant für die Qualifikation als Arbeitnehmer ist hingegen wirtschaftliche Abhängigkeit. Ausmaß und Dauer einer Beschäftigung haben dementsprechend allenfalls geringe Indizwirkung2. 15 In der Literatur folgt man dem BAG ganz überwiegend3. Zum Teil akzentuiert man allerdings stärker die Schutzfunktion des Arbeitsrechts, zu der die Qualifikation als Arbeitnehmer den Zugang eröffnet. Dementsprechend wird darauf abgestellt, dass der Arbeitnehmer nicht wie der Selbständige eigenverantwortlich am Marktgeschehen teilnehme und dementsprechend nicht wie dieser Chancen des Marktes nutzen könne und umgekehrt dessen Risiken tragen müsse. Vielmehr stelle der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung, der seinerseits darüber zur Verwirklichung seiner unternehmerischen Aktivitäten disponiere. Deshalb entlaste ihn das Arbeitsrecht bis zu einem gewissen Grad von den Marktrisiken und bürde diese dem Arbeitgeber auf4. In den Ergebnissen stimmt diese Literaturmeinung aber weitgehend mit denen der Rechtsprechung überein, da regelmäßig die als arbeitsorganisatorische Einbindung des Arbeitnehmers verstandene persönliche Abhängigkeit zugleich die Verlagerung der Disposition über die Arbeitskraft auf den Arbeitgeber und damit das Bedürfnis für die Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Schutzsystems indiziert5.
1 BAG v. 28.2.1962 – 4 AZR 141/61, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 1; in jüngerer Zeit etwa BAG v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02, NZA 2004, 39. 2 Wichmann/Langer, Rz. 465. 3 Vgl. aus der neueren Literatur: Boemke, ZfA 1998, 285; Buchner, NZA 1998, 1145; Griebeling, NZA 1998, 1137; Griebeling, RdA 1998, 208 ff.; Hanau/Strick, DB 1998 Beil. Nr. 14, S. 1; Maschmann, NZA 2001 Sonderbeilage zu Heft 24, S. 21 ff.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 57; Reinecke, NZA 1999, 729; Rieble, ZfA 1998, 327; Reiserer/Freckmann, NJW 2003, 180 ff.; Wichmann/Langer, Rz. 459 ff. 4 Lieb, RdA 1974, 259; Wank, Arbeitnehmer und Selbständige, 1988, S. 128; Wank, RdA 1992 91; Wank, RdA 1999, 271; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966, S. 15; Ch. Weber, Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, 1992, S. 259; vgl. auch HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 56 ff. 5 Ch. Weber, Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, S. 294 ff.
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II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Rz. 18
Teil 1
(2) Einzelfragen Im öffentlichen Dienst ist die Frage der Arbeitnehmereigenschaft von Be- 16 schäftigten vor allem im Medienbereich bei öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten und im Bildungsbereich relevant geworden. Bei öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten ist der Status 17 von Mitarbeitern häufig umstritten1, da hier ein besonderes, nicht allein durch wirtschaftliche Gesichtspunkte motiviertes Bedürfnis nach der Beschäftigung freier Mitarbeiter festzustellen ist. Diesem Bedürfnis räumt das BVerfG mit Blick auf Art. 5 GG einen hohen Rang ein und verlangt vom BAG, darauf bei der Einordnung von Beschäftigungsverhältnissen Rücksicht zu nehmen2. Das BAG tut dies, indem es zunächst zwischen programmgestaltenden und sonstigen Tätigkeiten im Medienbereich unterscheidet: Für sonstige Tätigkeiten, also betriebstechnische Aufgaben oder Verwaltungsaufgaben, geht das Gericht regelmäßig von einer Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses aus3. Bei programmgestaltenden Tätigkeiten wendet das BAG im Grundsatz die allgemeinen Kriterien zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft auch weiterhin an und stellt vor allem auf das Erfordernis einer ständigen Dienstbereitschaft oder der Einbeziehung in vorgegebene Dienstpläne ab4. Den Vorgaben des BVerfG versucht die Rechtsprechung vor allem dadurch gerecht zu werden, dass die Anforderungen an die Befristung eines Arbeitsverhältnisses heruntergeschraubt werden5. Im Bildungsbereich ist zunächst anerkannt, dass Lehrkräfte an allgemein- 18 bildenden Schulen regelmäßig als Arbeitnehmer einzuordnen sind6. Bei 1 Vgl. dazu Bruns, RdA 2008, 135; Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 A Rz. 42 ff.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 90 ff.; MünchAnwaltsHandb ArbR/Reiserer, § 4 Rz. 33 ff.; HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 62 ff. (jew. mwN). 2 BVerfG v. 13.1.1982 – 1 BR 848/77 u.a., NJW 1982, 1477; v. 18.2.2000 – 1 BVR 491, 562/93 und 1 BVR 624/88, NZA 2000, 653; v. 22.8.2000 – 1 BvR 2121/94, NZA 2000, 1097. 3 BAG v. 20.7.1994 – 5 AZR 627/93, NZA 1995, 161; v. 30.11.1994 – 5 AZR 704/93, NZA 1995, 622; v. 11.3.1998 – 5 AZR 522/96, NZA 1998, 705; v. 22.4.1998 – 5 AZR 191/97, NZA 1998, 1275 (1276). 4 BAG v. 23.4.1980 – 5 AZR 426/97, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 34; v. 13.1.1983 – 5 AZR 149/82, NJW 1984, 1985; v. 2.10.1990 – 4 AZR 106/90, NZA 1991, 239; v. 27.2.1991 – 5 AZR 107/90, EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 43; v. 29.1.1992 – 7 ABR 25/91, NZA 1992, 835; v. 9.6.1993 – 5 AZR 123/92, NZA 1994, 169; v. 16.2.1994 – 5 AZR 402/93, NZA 1995, 21; v. 20.7.1994 – 5 AZR 627/93, NZA 1995, 161; v. 30.11.1994 – 5 AZR 704/93, NZA 1995, 622; v. 22.4.1998 – 5 AZR 191/97, NZA 1998, 1275; v. 22.4.1998 – 5 AZR 432/97, NZA 1998, 1336; v. 16.6.1998 – 5 AZN 154/98, NZA 1998, 839; v. 26.5.1999 BGB – 5 AZR 469/98, NZA 1999, 983; v. 19.1.2000 – 5 AZR 644/98, NZA 2000, 1102; v. 20.9.2000 – 5 AZR 61/99, NZA 2001, 551; v. 9.2.2005 – 5 AZR 175/04, NZA 2005, 814; v. 8.11.2006 – 5 AZR 706/05, NZA 2007, 321. 5 BAG v. 22.4.1998 – 5 AZR 342/97, NZA 1998, 1336; toleriert durch BVerfG v. 22.8.2000 – 1 BvR 2121/94, NZA 2000, 1097; vgl. dazu HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 64. 6 BAG 9.7.2003 – 5 AZR 595/02, NZA-RR 2004, 9 (11); Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 A Rz. 46 f.; ErfK/Preis, § 611 Rz. 87 ff.; MünchAnwaltsHandb ArbR/Reiserer, § 4 Rz. 28 ff.; HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 69. Weber
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Teil 1
Rz. 19
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Lehrkräften an Abendgymnasien, Volkshochschulen und Musikschulen wendet das BAG die allgemeinen Kriterien an und stellt dementsprechend etwa auf die Intensität der organisatorischen Eingliederung des Dozenten in den Lehrbetrieb, die Einbindung in Vorgaben hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung und der Arbeitszeit oder auch auf die Einbeziehung des Dozenten in Tätigkeiten außerhalb der eigentlichen Unterrichtserteilung (Fortbildungsverpflichtungen, Aufsichtsaufgaben) ab1. Soweit hier wie nicht selten nebenberufliche Tätigkeiten vorliegen, kann dies für das Fehlen einer persönlichen Abhängigkeit im Sinne des BAG sprechen, auch wenn im Allgemeinen unerheblich ist, ob eine Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird2. Tendenziell neigt dabei der 5. Senat zu einer typisierenden Betrachtungsweise, die Lehrkräfte außerhalb schulischer Lehrgänge aufgrund der weniger starken Reglementierung eher als freie Mitarbeiter ansieht, während der 7. Senat stärker einzelfallbezogen entscheidet3. 2. Einzelne Arbeitnehmergruppen a) Arbeiter und Angestellte 19 Das Arbeitsrecht war lange durch die Aufteilung der Arbeitnehmer in die Gruppen der Arbeiter und der Angestellten geprägt. Die Unterscheidung, die sich etwa bei der Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall, beim Kündigungsschutz, in Tarifverträgen oder im Bereich der Mitbestimmung manifestierte, hat heute rechtlich ihre Bedeutung verloren. Rechtspolitisch und verfassungsrechtlich motivierte Bestrebungen, die Differenzierung aufzugeben4, haben sich durchgesetzt. Nachdem zunächst die Unterschiede im Bereich der individualarbeitsrechtlichen Gesetze beseitigt worden waren5, ist im Jahr 2005 auch im Personalvertretungsrecht das Gruppenprinzip jedenfalls für die Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten
1 BAG v. 30.10.1991 – 7 ABR 19/91, NZA 1992, 407; v. 13.11.1991 – 7 AZR 31/91, NZA 1992, 1125; v. 24.6.1992 – 5 AZR 384/91, NZA 1993, 174; v. 26.7.1995 – 5 AZR 22/94, NZA 1996, 477; v. 12.9.1996 – 5 AZR 104/95, NZA 1997, 600; v. 11.4.1997 – 5 AZB 33/93, NZA 1998, 499; v. 19.11.1997 – 5 AZR 21/97, NZA 1998, 595; v. 29.5.2002 – 5 AZR 161/01, NZA 2002, 1232; v. 9.7.2003 – 5 AZR 595/02, NZA-RR 2004, 9; v. 9.3.2005 – 5 AZR 493/04, NZA-RR 2005, 560; v. 25.5.2005 – 5 AZR 347/04, AP BGB § 611 Nr. 117 – Abhängigkeit; v. 17.1.2006 – 9 AZR 61/06, NZA-RR 2006, 616. 2 Vgl. dazu DLW/Dörner, A Rz. 47. 3 Vgl. etwa BAG v. 12.9.1996 – 5 AZR 104/95, NZA 1997, 600 (602); v. 19.11.1997 – 5 AZR 21/97, NZA 1998, 595 (597) einerseits, BAG v. 30.10.1991 – 7 ABR 19/91, NZA 1992, 407 ff.; v. 13.11.1991 – 7 AZR 31/91, NZA 1992, 1125 ff. andererseits; vgl. dazu Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 A Rz. 47; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 88. 4 Vgl. dazu Hromadka (Hrsg.), Gleichstellung von Arbeitnehmern und Angestellten, 1989; Hromadka, ZfA 1994, 251; Wank, Arbeiter und Angestellte, 1992; BVerfG v. 16.11.1982 – 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79, DB 1983, 450; v. 30.5.1990, – 1 BvL 2/83, DB 1990, 1565. 5 Kündigungsfristengesetz v. 7.10.1993 (BGBl. I, 1668); Entgeltfortzahlungsgesetz v. 26.5.1994 (Art. 53–68 PflegeVG, BGBl. I, 1065–1070).
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II. Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst
Rz. 21
Teil 1
aufgegeben worden1. Auch in der Rentenversicherung ist die früher getrennte Zuständigkeit von Arbeiter- und Angestelltenversicherung (LVA bzw. BfA) mit Wirkung vom 1.1.2005 entfallen. Zuständig für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind heute die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See bzw. die auf Landes- und Regionalebene angesiedelten Regionalträger (§§ 125 ff. SGB VI)2. Zuletzt sind auch die Tarifvertragsparteien im Bereich des öffentlichen Dienstes auf diese Linie eingeschwenkt und haben die überkommene Differenzierung des BAT in den neuen TVöD und TV-L aufgegeben (vgl. dazu noch unten Rz. 117). Jedenfalls im Bereich des öffentlichen Dienstes ist damit eine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten obsolet, wie sie früher noch mit der Formel des manuell tätigen Arbeiters und des vorwiegend geistig tätigen Angestellten3 und später unter Berufung auf § 133 Abs. 2 SGB VI aF und den darin in Bezug genommenen Berufsgruppenkatalog4 sowie letztlich die Verkehrsanschauung5 vorgenommen wurde. b) Leitende Angestellte Auch im öffentlichen Dienst gibt es den „leitenden Angestellten“, selbst 20 wenn dessen praktische Bedeutung geringer ist als im privaten Sektor, da Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst tendenziell eher Beamten zugewiesen werden. Eine einheitliche Definition des leitenden Angestellten kennt das öffentliche Dienstrecht ebenso wenig wie das allgemeine Arbeitsrecht6. Maßgeblich ist vielmehr der Sachzusammenhang der einzelnen gesetzlichen Regelungen. Dabei taucht in den speziell auf den öffentlichen Dienst bezogenen Regelungen nicht einmal der Begriff des leitenden Beschäftigten auf. In der Sache beziehen sich namentlich die §§ 7, 14 Abs. 3 und 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG jedoch auf leitende Angestellte. Zu beachten sind daneben §§ 14 und 17 Abs. 5 KSchG und § 18 Abs. 1 Nr. 1, 2 ArbZG7. Nach § 1 Abs. 2 Buchst. a TVöD gilt der Tarifvertrag nicht für leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG8, wenn ihre Arbeitsbedingungen besonders vereinbart sind, sowie ebenfalls nicht für Chefärztinnen/Chefärzte.
1 Vgl. Art. 8 G. v. 14.9.2005 (BGBl. I, 2765). 2 Zum Dienstrecht der sog. Dienstordnungsangestellten, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu dem jeweiligen Sozialversicherungsträger stehen, vgl. §§ 143 f. SGB VI, §§ 144 ff. SGB VII. 3 BAG v. 30.9.1954 – 2 AZR 65/53, AP HGB § 59 Nr. 1 (Bl. 1 R). 4 Vgl. die Rechtsverordnung des Reichsarbeitsministers v. 8.3.1924 (RGBl. I, 274), abgeändert am 4. 2. und 15.7.1927 (RGBl. I, 58 und 222). 5 Vgl. Müller/Preis, Rz. 43; HWK/Thüsing, Vor § 611 BGB Rz. 106. 6 Schaub/Koch/Linck, ArbRHdb, § 14 Rz. 1. 7 Zur Berücksichtigung der Sonderstellung leitender Angestellter in einzelnen Entscheidungen des BAG vgl. Schaub/Koch/Linck, ArbRHdb, § 15 Rz. 32 ff. 8 Vgl. zu § 5 Abs. 3 BetrVG HWK/Gaul, § 5 BetrVG Rz. 47 ff.; ausf. GK-BetrVG/ Raab, § 5 Rz. 93 ff. Weber
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Teil 1
Rz. 22
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
22 Im Personalvertretungsrecht schließen zunächst §§ 7, 14 Abs. 3 BPersVG und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen Dienststellenleiter sowie Beschäftigte, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind, vom passiven Wahlrecht zur Personalvertretung aus1. Das aktive Wahlrecht ist allerdings jedenfalls auf Bundesebene nicht eingeschränkt2. Darüber hinaus schränkt § 77 Abs. 1 BPersVG die Mitbestimmungsrechte in Personalangelegenheiten für leitende Beschäftigte durch den Verweis auf § 14 Abs. 3 BPersVG ein und verlangt einen entsprechenden Antrag des Beschäftigten3. Eine eigene Vertretung leitender Beschäftigter im öffentlichen Dienst wie nach dem Sprecherausschussgesetz gibt es nicht, vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 SprAuG. 23 Im Kündigungsrecht greift auch für den Bereich des öffentlichen Dienstes § 14 KSchG, der in Abs. 1 Nr. 1 die Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes für Vertreter von juristischen Personen (auch des öffentlichen Rechts4) nach dem Ersten Abschnitt des KSchG insgesamt ausschließt und in Abs. 2 für leitende Angestellte besondere Bestimmungen für den Kündigungseinspruch nach § 3 KSchG und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG trifft5. 24 Im Arbeitszeitrecht ist das Arbeitszeitgesetz nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nicht anwendbar auf Chefärzte und nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG nicht auf Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind. c) Sonstige 25 Zu Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst siehe Teil 3 L Rz. 206 ff., Teil 5 A; zu befristeten Arbeitsverhältnissen siehe Teil 6; zu sparten- und berufsgruppenspezifischen Besonderheiten im öffentlichen Dienst vgl. Teil 13.
III. Arbeitgeber im öffentlichen Dienst 26 Der Arbeitgeber wird als die Person definiert, welche die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgegennimmt und Partner des Arbeitsvertrags ist6. 1 Näher zur Umschreibung des in § 14 Abs. 3 BPersVG angesprochenen Personenkreises: RDW/Dörner, PersVR, § 14 Rz. 20 ff. 2 Vgl. RDW/Dörner, PersVR, § 13 Rz. 7, dort auch Rz. 51, 52 zum Ausschluss der Wahlberechtigung für die Dienststellenleitung in Rheinland-Pfalz und im Saarland. 3 Näher hierzu RDW/Kaiser, PersVR, § 77 Rz. 2 ff. 4 BAG v. 17.1.2002 – 2 AZR 719/00, NZA 2002, 854; BGH v. 25.7.2002 – III ZR 207/01, NZA 2002, 1040; ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rz. 3; HWK/Thies, § 14 KSchG Rz. 4; KR/Rost, § 14 KSchG, Rz. 7. 5 Zur Stellung des Chefarztes vgl. BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 903/98, NZA 2000, 427; Pfohl, Rz. 17. 6 Vgl. stv. Schaub/Koch/Linck, ArbRHdb, § 17 Rz. 1 f.
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Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
22 Im Personalvertretungsrecht schließen zunächst §§ 7, 14 Abs. 3 BPersVG und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen Dienststellenleiter sowie Beschäftigte, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind, vom passiven Wahlrecht zur Personalvertretung aus1. Das aktive Wahlrecht ist allerdings jedenfalls auf Bundesebene nicht eingeschränkt2. Darüber hinaus schränkt § 77 Abs. 1 BPersVG die Mitbestimmungsrechte in Personalangelegenheiten für leitende Beschäftigte durch den Verweis auf § 14 Abs. 3 BPersVG ein und verlangt einen entsprechenden Antrag des Beschäftigten3. Eine eigene Vertretung leitender Beschäftigter im öffentlichen Dienst wie nach dem Sprecherausschussgesetz gibt es nicht, vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 SprAuG. 23 Im Kündigungsrecht greift auch für den Bereich des öffentlichen Dienstes § 14 KSchG, der in Abs. 1 Nr. 1 die Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes für Vertreter von juristischen Personen (auch des öffentlichen Rechts4) nach dem Ersten Abschnitt des KSchG insgesamt ausschließt und in Abs. 2 für leitende Angestellte besondere Bestimmungen für den Kündigungseinspruch nach § 3 KSchG und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG trifft5. 24 Im Arbeitszeitrecht ist das Arbeitszeitgesetz nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nicht anwendbar auf Chefärzte und nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG nicht auf Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind. c) Sonstige 25 Zu Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst siehe Teil 3 L Rz. 206 ff., Teil 5 A; zu befristeten Arbeitsverhältnissen siehe Teil 6; zu sparten- und berufsgruppenspezifischen Besonderheiten im öffentlichen Dienst vgl. Teil 13.
III. Arbeitgeber im öffentlichen Dienst 26 Der Arbeitgeber wird als die Person definiert, welche die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgegennimmt und Partner des Arbeitsvertrags ist6. 1 Näher zur Umschreibung des in § 14 Abs. 3 BPersVG angesprochenen Personenkreises: RDW/Dörner, PersVR, § 14 Rz. 20 ff. 2 Vgl. RDW/Dörner, PersVR, § 13 Rz. 7, dort auch Rz. 51, 52 zum Ausschluss der Wahlberechtigung für die Dienststellenleitung in Rheinland-Pfalz und im Saarland. 3 Näher hierzu RDW/Kaiser, PersVR, § 77 Rz. 2 ff. 4 BAG v. 17.1.2002 – 2 AZR 719/00, NZA 2002, 854; BGH v. 25.7.2002 – III ZR 207/01, NZA 2002, 1040; ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rz. 3; HWK/Thies, § 14 KSchG Rz. 4; KR/Rost, § 14 KSchG, Rz. 7. 5 Zur Stellung des Chefarztes vgl. BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 903/98, NZA 2000, 427; Pfohl, Rz. 17. 6 Vgl. stv. Schaub/Koch/Linck, ArbRHdb, § 17 Rz. 1 f.
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III. Arbeitgeber im öffentlichen Dienst
Rz. 31
Teil 1
Die Grundlage für die Arbeitgeberposition bildet der Arbeitsvertrag. Das gilt auch beim Vollzug von Verträgen, denen ein Abschlussmangel zugrunde liegt. Eine juristische Person ist selbst Arbeitgeber. Ihre Organe üben die Arbeitgeberfunktionen nur aus. Rechtlich durch den Arbeitsvertrag verpflichtet und berechtigt wird allein die juristische Person. Soweit man mit dem sog. „funktionellen Arbeitgeberbegriff“ auf die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen durch Organe juristischer Personen und sonstige Vertretungsberechtigte hinweist1, ist dies nur als Beschreibung der Ausübung von Arbeitgeberbefugnissen akzeptabel, nicht aber als rechtliche Grundlegung einer eigenen Arbeitgeberstellung der Organe juristischer Personen2.
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Als Arbeitgeber im öffentlichen Dienst kommen zunächst Gebietskörper- 28 schaften in Betracht, also juristische Personen des öffentlichen Rechts, durch die Menschen, die sich in dem betreffenden Gebiet dauerhaft aufhalten, mitgliedschaftlich erfasst und unter einer hoheitlichen Leitung zu einer Einheit verbunden werden3. Gebietskörperschaften sind Bund, Länder und Gemeinden. Sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts können Anstalten, Stiftungen und Nicht-Gebietskörperschaften wie Industrie- und Handelskammern, Ärzte- und Rechtsanwaltskammern, Landwirtschaftskammern, Ortskrankenkassen und Sparkassen sein.
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Erfolgt die Beschäftigung bei einer juristischen Person des Privatrechts, so 30 handelt es sich auch dann nicht um ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst, wenn sich der Staat lediglich privatrechtlicher Handlungsformen bedient: Die Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses zum öffentlichen Dienst erfolgt nach formalen Kriterien. Dabei kann für den öffentlichen Dienst insgesamt auf die Abgrenzung zwischen Personal- und Betriebsverfassungsrecht abgestellt werden, wo aus § 130 BetrVG eine solche formale Betrachtungsweise abzuleiten ist4. Wird demnach ein Verkehrs- oder Energieversorgungsbetrieb in Form einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH betrieben, dann sind die dort bestehenden Arbeitsverhältnisse nicht dem öffentlichen Dienst zuzurechnen, auch wenn etwa eine Gemeinde die Aktien bzw. Geschäftsanteile innehat. Betreibt umgekehrt die Kommune als Rechtsträger den gleichen Betrieb unmittelbar selbst als Eigen- oder Regiebetrieb, dann gehören die Arbeitsverhältnisse dem öffentlichen Dienst an. Zu besonderen Gestaltungen im Zusammenhang mit Privatisierungsvorgängen vgl. unten Teil 12.
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Vgl. Mehrhoff, Veränderung des Arbeitgeberbegriffs. 1984, S. 60 ff. Vgl. u.a. Heinze, ZfA 1976, 179 ff.; Konzen, ZfA 1982, 265. Müller/Preis, Rz. 2. Zu § 130 BetrVG vgl. BAG v. 7.11.1975 – 1 AZR 74/74, DB 1976, 248; HWK/Hohenstatt/Dzida, § 130 BetrVG Rz. 1 f.; ausführlich GK-BetrVG/Weber, § 130 Rz. 2 ff. Weber
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Teil 1
Rz. 32
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
IV. Rechtsquellen 1. Überblick 32 Zwar wird das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet, es wird inhaltlich jedoch durch zahlreiche weitere in ihrer Art und Wirkung unterschiedliche Normen und Gestaltungsfaktoren beeinflusst. Die verschiedenen Rechtsgrundlagen stehen dabei in einer gewissen Rangfolge zueinander („arbeitsrechtliche Normenpyramide“), wobei grundsätzlich die ranghöhere die rangniedere Norm verdrängt. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings wichtige Ausnahmen wie das Günstigkeitsprinzip oder die Dispositivität der höherrangigen Regelung. 33 An der Spitze der Rangfolge der Rechtsgrundlagen steht das europäische Recht, das Vorrang selbst gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht genießt (Rz. 35 ff.), das seinerseits die oberste Rechtsquelle auf nationaler Ebene darstellt (Rz. 59 ff.). Der Verfassung untergeordnet sind Gesetze, die in aller Regel, da sie den Schutz des Arbeitnehmers bezwecken, zwingende Wirkung haben und damit den nachfolgenden Rechtsgrundlagen übergeordnet sind (Rz. 68 ff.). Für den Bereich des Arbeitsrechts ist dabei kennzeichnend, dass es bis heute kein einheitliches Arbeitsgesetzbuch gibt, sondern dass die Rechtsmaterie auf eine Fülle von Einzelgesetzen verteilt ist. Als arbeitsrechtliche Besonderheit folgen ferner die kollektivrechtlichen Gestaltungsmittel Tarifvertrag und Dienstvereinbarung, die mit ihren normativen Bestimmungen für die ihnen Unterworfenen wie Gesetze wirken, aber nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch die Tarif- und Dienststellenpartner autonom vereinbart werden (Rz. 85 ff., 119 ff.). Zentrales Gestaltungsmittel des Arbeitsverhältnisses ist schließlich der Arbeitsvertrag selbst, da er das Arbeitsverhältnis erst begründet und die Beschäftigung des Arbeitnehmers der Art nach festlegt (Rz. 132 ff.). Auf gleicher Ebene wie der Arbeitsvertrag stehen die Allgemeinen Arbeitsbedingungen wie Formulararbeitsvertrag, Gesamtzusage und betriebliche Übung. Sie werden nicht individuell mit dem einzelnen Arbeitnehmer ausgehandelt, sondern gelten kollektiv für alle Arbeitnehmer oder eine bestimmte Arbeitnehmergruppe (Rz. 137 ff.). Keine Rechtsquelle im engeren Sinne ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers, welches die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers in Ergänzung insbesondere zum Einzelarbeitsvertrag konkretisiert (Rz. 145 ff.). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz schließlich bestimmt als subsidiärer Gestaltungsfaktor den Inhalt des Arbeitsverhältnisses nur dann mit, wenn der Arbeitgeber bei der kollektiven Gewährung von Leistungen einzelne Arbeitnehmer willkürlich gegenüber anderen benachteiligt.
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IV. Rechtsquellen
Rz. 36
Teil 1
2. Arten und Bedeutung a) Europäisches Recht aa) Allgemeines Das nationale Arbeitsrecht – auch das des öffentlichen Dienstes – wird zu- 34 nehmend durch das supranationale Arbeitsrecht der Europäischen Union beeinflusst. Von Bedeutung sind zunächst die Regelungen des AEU-Vertrags selbst (sog. primäres Unionsrecht, Rz. 40 ff.) sowie die aufgrund der Ermächtigungen im AEU-Vertrag ergehenden Verordnungen und Richtlinien iSd. Art. 288 AEUV (sog. sekundäres Unionsrecht, Rz. 47 ff.). Das Unionsrecht insgesamt hat Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht, auch vor dem Grundgesetz1. Nationales Recht, das dem Unionsrecht entgegensteht, ist zwar nicht nichtig, aber nicht anwendbar2. Das BVerfG akzeptiert dies in Hinblick auf einen effektiven Grundrechtsschutz durch den EuGH in seiner „Solange-Rechtsprechung“3.
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Von Bedeutung für das europäische Arbeitsrecht sind weiterhin die am 36 9.12.1989 verabschiedete Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer4 sowie die am 7.12.2000 in Nizza proklamierte EUGrundrechtecharta5. Die Gemeinschaftscharta enthält einen Katalog sozialer Grundrechte, unter anderem auf Freizügigkeit, Gleichbehandlung, gerechtes Entgelt, auf Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmer, das Recht der Koalitionsfreiheit und auf Tarifverhandlungen6. Sie begründet aber keine einklagbaren Rechte von Individuen, sondern verbindet lediglich die Akzentuierung bereits existenter Grundrechtspositionen mit einem rechtspolitischen Forderungskatalog an die Kommission und die Mitgliedstaaten, den die Kommission als solchen durchaus angenommen hat. Auch die sozialen Gewährleistungsrechte in der EU-Grundrechtecharta7 entfalteten zunächst noch keine Bindungskraft für die Mitgliedstaaten 1 Vgl. dazu Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rz. 22 ff.; Grabitz/ Hilf/Pernice/Mayer, EUV/EGV, Art. 220 EGV Rz. 28 ff. 2 Vgl. dazu Calliess/Ruffert/Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rz. 24; Grabitz/Hilf/ Pernice/Mayer, EUV/EGV, Art. 220 EGV Rz. 29. 3 BVerfG v. 29.5.1974 – 2 BvL 52/71, NJW 1974, 1697 (Solange I); v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, NJW 1987, 577; v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, NJW 1993, 3047 (Maastricht); v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, NJW 2000, 3124 (Bananenmarktordnung). Vgl. zum Problemkreis weiterhin BVerfG v. 22.1.1997 – 2 BvR 1915/91, NJW 1997, 2871 (Tabak-Etikettierungsrichtlinie); v. 18.7.2005 – 2 BvR 2236/04, NJW 2005, 2289 (EU-Haftbefehl); sowie auch BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08 und 2 BvR 182/09, NJW 2009, 2267. 4 KOM (89) 248 endg. Ergänzt wird die Sozialcharta durch das Aktionsprogramm der Kommission zu Anwendung der Gemeinschaftscharta vom 29.11.1989 (BRDrucks. 717/89). 5 ABl. EG C 80 v. 10.3.2001, S. 1. 6 Vgl. zur Sozialcharta Heinze, FS Wlotzke, 1996, S. 669; Krimphove, Rz. 44 ff. 7 Zu den sozialen Grundrechten in der Charta vgl. Blank (Hrsg), Soziale Grundrechte in der Europäischen Grundrechtecharta, 2002; Hanau/Steinmeyer/Wank, § 13 Rz. 129. Weber
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Teil 1
Rz. 37
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
oder gar deren Bürger. Das hat sich mit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags geändert. Zwar wird anders als im gescheiterten Verfassungsvertrag von 20041 die EU-Grundrechtecharta nicht mehr in den Vertragstext integriert, sie wird aber doch durch einen Verweis rechtsverbindlich2. 37 Ein wichtiger Akteur im Bereich des europäischen Arbeitsrechts ist auch der EuGH, der innerhalb der Union für eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu sorgen hat, Art. 251 ff. AEUV. Der EuGH ist unter anderem zuständig für Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Mitgliedstaaten, wenn diese etwa dem Gebot zur Umsetzung einer Richtlinie innerhalb der vorgegebenen Frist nicht oder nicht hinreichend nachkommen, Art. 258 ff. AEUV3. Das auch für den öffentlichen Dienst wichtige allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist beispielsweise erst zustande gekommen, nachdem der EuGH mehrfach die fehlende Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien moniert hatte4. Wichtig für das Arbeitsrecht ist aber vor allem das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV5. Hier entscheidet der Gerichtshof unter anderem über die Auslegung von Richtlinien und wirkt so jedenfalls mittelbar auch auf das nationale Arbeitsrecht der Mitgliedstaaten ein, die bei ihrer Umsetzung an die Vorgaben der Richtlinie in ihrer Interpretation durch den EuGH gebunden sind. Jedes nationale Gericht ist zur Vorlage befugt, wenn über die Auslegung des Unionsrechts Unsicherheit besteht und das Gericht meint, Unionsrecht sei für die Entscheidung eines nationalen Streits erheblich6. Unter diesen Voraussetzungen ist ein nationales letztinstanzliches Gericht sogar zur Vorlage an den EuGH verpflichtet7. 38 Der EuGH versteht sich nicht nur als Hüter der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts, sondern als Motor des europäischen Einigungsprozesses. Oberstes Auslegungsprinzip ist die Verwirklichung der Ziele einer Richtlinie und damit letztlich der Harmonisierungsgedanke (sog. „effet utile“)8. Gerade im Arbeitsrecht, wo es nur lückenhafte Regelungen auf europäischer Ebene gibt, hat der EuGH den dadurch entstandenen Handlungsspielraum vielfach genutzt. Besonders wichtige Beispiele mit Bedeutung auch für den öffentlichen Dienst sind die Auslegung der Richtlinie zum Be1 Vertrag über eine Verfassung für Europa, ABl. EU C 310 v. 16.12.2004, S. 1. 2 Art. 6 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union (konsoldierte Fassung ABl. EU C 115/13 v. 9.8.2008). Allerdings haben Polen und das Vereinigte Königreich sowie später dann noch die Tschechische Republik Protokollvorbehalte erklärt (ABl. EU C 115/313 v. 9.8.2008); Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rats – Rat in Brüssel 29./30.10.2009 „Klaus-Klausel“ (15265/1/09 REV 1 Anlage I). 3 Vgl. dazu etwa Calliess/Ruffert/Cremer, EUV/EGV, Art. 226 EGV Rz. 2 f.; Grabitz/ Hilf/P.Karpenstein/U.Karpenstein, EUV/EGV, Art. 226 EGV Rz. 19. 4 EuGH v. 28.4.2005 – Rs. C-329/4, EuzW 2005, 444; v. 23.2.2006 – Rs. C-43/05, EuZW 2006, 216. 5 Vgl. dazu Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/EGV, Art. 234 EGV Rz. 7 ff. 6 Vgl. Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/EGV, Art. 234 EGV Rz. 16 ff. 7 Vgl. Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/EGV, Art. 234 EGV Rz. 23 f. 8 Vgl. dazu Calliess/Ruffert/Calliess, EUV/EGV, Art. 5 EGV Rz. 15 ff.; Grabitz/Hilf/ Pernice/Mayer, EUV/EGV, Art. 220 EGV Rz. 46.
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IV. Rechtsquellen
Rz. 41
Teil 1
triebsübergang1, der unterschiedlichen Gleichbehandlungsrichtlinien2 oder der Arbeitszeitrichtlinie3. bb) Einzelne Rechtsquellen (1) Primärrecht Der AEU-Vertrag selbst enthält nur wenige arbeitsrechtliche Regelungen. 39 Die ursprüngliche Konzeption der Gründungsverträge, nach der die Gemeinschaft primär eine Wirtschaftsgemeinschaft sein sollte, wirkt bis heute nach, auch wenn seit Mitte der siebziger Jahre die „soziale Dimension“ der Gemeinschaft zunehmend in den Blickpunkt des Interesses gerückt ist4. Von Bedeutung sind neben den Kompetenzgrundlagen für ein Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers in Art. 19, 153, 157 Abs. 3 AEUV vor allem die Grundfreiheiten, die der Vertrag mit dem Ziel der Herstellung des Binnenmarkts garantiert (Rz. 41 ff.), sowie das Gebot der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen nach Art. 157 AEUV (Rz. 46 ff.). Unter den Grundfreiheiten kann für den Bereich des öffentlichen Dienstes vor allem die Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV relevant werden, auch wenn Art. 45 Abs. 4 AEUV die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung gerade aus dem Schutzbereich des Freizügigkeitsrechts ausnimmt.
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Nach Art. 45 Abs. 1 und 2 AEUV können Beschäftigte aus einem Mitglied- 41 staat der EU ihren Arbeitsplatz frei im gesamten Unionsgebiet wählen und dürfen dabei weder gegenüber den jeweiligen inländischen Arbeitnehmern des Aufnahmestaates diskriminiert noch überhaupt in der Wahrnehmung von Arbeitnehmermobilität beschränkt werden5. Die weite Deutung des Schutzbereichs der Freizügigkeit im Sinne eines Beschränkungs- und nicht 1 EuGH v. 18.3.1986 – Rs. 24/85, Slg. 1986, 1119 (Spijkers); v. 14.4.1994 – Rs. C-392/92, Slg. 1994, I-1311 = NZA 1994, 545 (Christel Schmitt); v. 11.3.1997 – Rs. C-13/95, Slg. 1997, I-1259 = NZA 1997, 433 (Ayse Süzen); v. 20.11.2003 – Rs. C-340/01, Slg. 2003, I-14023 = NZA 2003, 1385 (Carlito Abler); v. 15.12.2005 – Rs. C-232, 233/04, NZA 2006, 29 (Güney-Görres); v. 12.2.2009 C 466/07, NZA 2009, 251 (Klarenberg); ausführliche Zusammenfassung bei Joussen, Betriebsübergangsrichtlinie, EAS B 7200, Rz. 4 ff. 2 EuGH 10.4.1984 – Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 = NJW 1984, 2021 (von Colson und Kamann); v. 13.5.1986 – Rs. C-170/84, Slg. 1986, 1607 = NZA 1986, 599 (Bilka); v. 17.5.1990 – Rs. C-262/88, Sgl. I 1990, 1889 = NZA 1990, 775 (Barber); v. 8.11.1990 – Rs. C-177/88, Slg. 1990, 3941 = NZA 1991, 171 (Dekker); v. 17.10.1995 – Rs. C-450/93, Slg. 1995, I-3051 = NZA 1995, 1095 (Kalanke); v. 22.4.1997 – Rs. C-180/95, Slg. I 1997, 2195 = NZA 1997, 645 (Draempaehl); v. 3.2.2000 – Rs. C-207/98, Slg. 2000, 549 = NZA 2000, 255 (Mahlburg). 3 EuGH v. 3.10.2000 – Rs. C-303/98, Slg. 2000, I-7963 = NZA 2000, 1227 (SIMAP); v. 9.9.2003 – Rs. C-151/02, Slg. 2003, I-8389 = NZA 2003, 1019 (Jaeger); v. 5.10.2004 – Rs. C-397/01 bis C 403/01, Slg. 2004, I-8835 = NZA 2004, 1145 (Pfeiffer); v. 20.1.2009 – Rs. C 350/06, Slg. 2009, I-00179 = NZA 2009, 135 (Schultz-Hoff). 4 Zur Entwicklung vgl. Hanau/Steinmeyer/Wank, § 11; Krimphove, Rz. 21 ff.; Schiek, S. 53 ff. 5 Zur Arbeitnehmerfreizügigkeit vgl. Fuchs/Marhold, S. 25 ff.; Hanau/Steinmeyer/ Wank, § 15; Krimphove, S. 105 ff.; Runggaldier, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im EG-Vertrag, EAS B 2000; Schiek, S. 220 ff.; Thüsing, § 2. Weber
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Teil 1
Rz. 42
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
nur eines Diskriminierungsverbots beruht auf der Rechtsprechung des EuGH und entspricht der aktuellen allgemeinen Dogmatik der Grundfreiheiten1. Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten sind nur zulässig, sofern sie durch vertraglich vorgesehene Ausnahmen oder zwingende Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt sind und dabei das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt bleibt2. Konkretisiert wird Art. 45 AEUV auf der Ebene des Sekundärrechts durch die Freizügigkeitsverordnung (VO 1612/68/EWG3). 42 Im Zusammenhang mit Art. 45 AEUV hat der EuGH einen weiten Arbeitnehmerbegriff entwickelt, der für das öffentliche Dienstrecht insofern von Bedeutung ist, als auch Beamte Arbeitnehmer sein können. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des EuGH lediglich, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Ob das Beschäftigungsverhältnis öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet ist, ist unerheblich4. 43 Unter Berufung auf Art. 45 AEUV (und Art. 7 VO 1612/68/EWG) hat der EuGH etwa eine Regelung im BAT verworfen, die einen Zeitaufstieg nach achtjähriger Tätigkeit in einer bestimmten Vergütungsgruppe vorsah, dabei aber Beschäftigungszeiten außer Betracht ließ, die zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind5. Fremdsprachenlektoren aus EUMitgliedstaaten darf der Zugang zu regulären Beschäftigungsverhältnissen an Universitäten nicht im Verhältnis zu solchen aus dem Inland erschwert werden6. Andererseits hat der EuGH es zugelassen, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Gewährung einer Beihilfe vom Erfordernis des Wohnorts im die Beihilfe gewährenden Mitgliedstaat abhängig gemacht wird7. 44 Allerdings ist zu beachten, dass Art. 45 Abs. 4 AEUV eine Bereichsausnahme für die öffentliche Verwaltung enthält8. Als Ausnahme von dem für den Binnenmarkt und die Entwicklung der Union zentralen Grundsatz der 1 EuGH v. 15.12.1995 – Rs. C-415/93, Slg. 1995, 4921, 5069 = NZA 1996, 191 (Bosman). 2 Vgl. dazu bezogen auf die Freizügigkeit Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/EGV, Art. 39 EGV Rz. 52 ff. 3 ABl. EG Nr. L 257 v. 19.10.1968, S. 2. 4 EuGH v. 21.5.1985 – Rs. 248/93 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1985, 1459 (Rz. 16); v. 2.10.1997 – Rs. C-1/95, Slg. 1997, I-5253 (Rz. 17 ff.) = NZA 1997, 1277 (Gerster), außerdem v. 6.11.2003 – Rs. C-413/01, Slg. 2003, I-13187 = NZA 2004, 87 (Ninni-Orasche); vgl. dazu Fuchs/Marhold, S. 28 ff.; Hanau/Steinmeyer/Wank, § 14; Krimphove, Rz. 169 ff. 5 EuGH v. 15.1.1998 – Rs. C-15/96, Slg. 1998, I-47 = NZA 1998, 205 (Schöning – Kougebetopoulou). 6 Vgl. EuGH v. 30.5.1989 – Rs. 33/88, Slg. 1989, 1591 = NVwZ 1990, 851 (Allué I); v. 2.8.1993 – Rs. C-259/91 u.a., Slg. 1993, I-4309 = JZ 1994, 94 (Allué II u.a.); v. 20.10.1993 – Rs. C-272/92 u.a., Slg. 1993, I-5185 = NZA 1994, 115 (Spotti); v. 26.6.2001 – Rs. C-212/99, Slg. 2001, I-4923 = NZA 2001, 1193 (Kommission/Italien). 7 Vgl. EuGH v. 23.3.2004 – Rs. C-138/02, Sgl. 2004, I-2703 = EuZW 2004, 507 (Collins). 8 Vgl. dazu Fuchs/Marhold, S. 36 f.; Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/EGV, Art. 39 EGV Rz. 100 ff.; Thüsing § 2 Rz. 17.
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IV. Rechtsquellen
Rz. 45
Teil 1
Arbeitnehmerfreizügigkeit ist Art. 45 Abs. 4 AEUV jedoch eng auszulegen1. Der EuGH interpretiert deshalb den Begriff der öffentlichen Verwaltung funktionell, nicht institutionell2. Es kommt also nicht (wie bei der Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses zum öffentlichen Dienst, dazu oben Rz. 3, 31) darauf an, dass der Arbeitgeber eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Öffentliche Verwaltung nach Art. 45 Abs. 4 AEUV liegt nach der Rechtsprechung des EuGH vielmehr nur vor, wenn hoheitliches Handeln gegeben ist und es um Aufgaben geht, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates und anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind3. In der Tendenz gilt daher die Bereichsausnahme des Art. 45 Abs. 4 AEUV vor allem für die Justiz oder für die Verwaltung, sofern hier hoheitliche Tätigkeiten betroffen sind. Im Bereich der Daseinsvorsorge hingegen bleibt es bei der Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit4. In diese Richtung geht die Rechtsprechung des EuGH beispielsweise für die Beschäftigten in den Versorgungssystemen für Wasser, Gas und Elektrizität, im Forschungs- und Bildungsbereich, im Gesundheits- und Verkehrswesen oder auch im Bereich von Post- und Fernmeldewesen sowie bei Rundfunk und Fernsehen5. Von Bedeutung für den öffentlichen Dienst ist weiterhin das Gebot der 45 Entgeltgleichheit von Männern und Frauen6, das in Gestalt des Art. 119 EWGV bereits in den Verträgen von Rom aus dem Jahr 1957 enthalten war. Für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist gleiches Entgelt zu zahlen. Die Interpretation und Bedeutung dieser Regelung sind entscheidend durch die Rechtsprechung des EuGH geprägt. Das Gebot der Entgeltgleichheit hat unmittelbare Wirkung, so dass sich der Einzelne gegenüber staatlichen Behörden und vor den nationalen Gerichten darauf berufen kann7. Das be1 EuGH v. 12.2.1974 – Rs. 152/73, Slg. 1974, 153 (Rz. 4) (Sotgiu); v. 3.7.1986 – Rs. 66/85, Slg. 1986, 2121 (Rz. 26) = NVwZ 1987, 41 (Lawrie-Blum); Fuchs/Marhold, S. 36 f. 2 Vgl. dazu Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/EGV, Art. 39 EGV Rz. 104. 3 EuGH v. 17.12.1980 – Rs. 149/79, Slg. 1980, 3881 (Rz. 10 f.) = NJW 1981, 2635 (Kommission/Belgien); v. 3.6.1986 – Rs. 307/84, Slg. 1986, 1725 (Rz. 12) (Kommission/Frankreich); v. 3.7.1986 – Rs. 66/85, Slg. 1986, 2121 (Rz. 16) = NVwZ 1987, 41 (Lawrie-Blum); v. 16.6.1987 – Rs. C-225/85, Slg. 1987, 2625 (Rz. 9) = NVwZ 1989, 347 (Komission/Italien); v. 27.11.1991 – Rs. C-4/91, Sgl. 1991, I-5627 = NVwZ 1992, 1181 (Bleis); v. 2.7.1996 – Rs. C-473/93, Slg. 1996, I-3207 (Rz. 2) = NJW 1996, 3199 (Kommission/Luxemburg); v. 2.7.1996 – Rs. C-173/94, Slg. 1996, I-3265 (Rz. 2) = EuZW 1996, 768 (Kommission/Belgien); v. 2.7.1996 – Rs. C-290/94, Slg. 1996, I-3285 (Rz. 2) = EuZW 1997, 128 (Kommission/Griechenland); dazu und zur Kritik in der Literatur Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/EGV, Art. 39 EGV Rz. 102 ff. 4 Pfohl, Rz. 24. 5 Vgl. die Zusammenstellung bei Calliess/Ruffert/Brechmann, EUV/EGV, Art. 39 EGV Rz. 104 m.N. zur Rechtsprechung des EuGH. 6 Vgl. dazu, jew. mwN, Fuchs/Marhold, S. 119 ff.; Hanau/Steinmeyer/Wank, § 16, S. 541 ff.; Krimphove, S. 186 ff.; Schiek, S. 227 ff.; Schlachter, Grundsatz des gleichen Entgelts nach Art. 119 EG-Vertrag und der Richtlinie 76/207/EWG, EAS B 4100. 7 EuGH v. 8.4.1976 – Rs. 43/75, Slg. 1976, 455 = NJW 1976, 2068 (Defrenne II); v. 17.5.1990 – Rs. C-262/88, Sgl. I 1990, 1889 = NZA 1990, 775 (Barber). Weber
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Teil 1
Rz. 46
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
trifft nicht nur gesetzliche Regelungen, sondern auch Tarifverträge, Dienstvereinbarungen und Arbeitsverträge1. Der Entgeltbegriff ist weit: Unter Art. 157 AEUV fallen alle Zahlungen des Arbeitgebers, die im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis geleistet werden, vgl. Art. 157 Abs. 2 AEUV, namentlich also auch freiwillige Leistungen und Leistungen im Zusammenhang mit einer Altersversorgung2. Ebenso wie im Bereich der Freizügigkeit (dazu oben Rz. 43) vertritt der EuGH auch bei Art. 157 AEUV einen weiten Arbeitnehmerbegriff, der Beamte einbezieht3. Auch andere wesentliche Bausteine der Antidiskriminierungsdogmatik sind im Zusammenhang mit Art. 119 EWGV/Art. 141 EGV entwickelt oder weiterentwickelt worden, vor allem die Einbeziehung der Fälle mittelbarer Diskriminierung in den Schutzbereich des Lohngleichheitsgebots4. Untersagt sind also nicht nur Entgeltunterschiede, die unmittelbar an das Geschlecht anknüpfen, sondern auch Regelungen, die dem Anschein nach neutral sind, tatsächlich aber Frauen oder Männer in besonderer Weise benachteiligen können. Das klassische Beispiel ist das Teilzeitarbeitsverhältnis, das auch mit Bezug auf den öffentlichen Dienst die Gerichte mehrfach beschäftigt hat. Der europäische Gesetzgeber hat das Lohngleichheitsgebot schon früh in seine Richtliniengebung einbezogen5. Auf nationaler Ebene sind heute §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 7 AGG zu beachten. (2) Sekundärrecht 46 Die Umsetzung und Konkretisierung der Bestimmungen des AEU-Vertrags erfolgen durch sekundäres Unionsrecht. Verordnungen gelten unmittelbar, bedürfen also keines innerstaatlichen Umsetzungsakts, Art. 288 Abs. 2 AEUV. Im Bereich des Arbeitsrechts sind sie vor allem als Mittel zur Durchsetzung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer von Bedeutung, etwa durch Regelungen zum Aufenthaltsrecht, zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis, aber auch zum Sozial- und Sozialversicherungsrecht6. 47 Richtlinien hingegen regeln die jeweilige Materie nicht selbst mit unmittelbarer Wirkung, sondern sind an die Mitgliedstaaten gerichtet und verpflichten diese innerhalb einer bestimmten Frist zur Verwirklichung der in
1 Vgl. EuGH v. 15.12.1994 – Rs. C-399/92 u.a., Slg. 1994, I-5727 = NZA 1995, 218 (Stadt Lengerich/Angelika Helmig, u.a.). 2 Vgl. Calliess/Ruffert/Krebber, EUV/EGV, Art. 141 EGV Rz. 23 ff. 3 EuGH v. 21.5.1985 – Rs. 248/93, Slg. 1985, 1459 (Rz. 16) (Kommission/Bundesrepublik Deutschland); v. 2.10.1997 – Rs. C-1/95, Slg. 1997, I-5253 (Rz. 17 ff.) = NZA 1997, 1277 (Gerster); v. 13.1.2004 – Rs. C-256/01, Slg. 2004, I-873 (Rz. 66 f.) = EuZW 2004, 210 (Allonby); dazu Calliess/Ruffert/Krebber, EUV/EGV, Art. 141 EGV Rz. 17. 4 Vgl. u.a. EuGH v. 31.3.1981 – Rs. C-96/80, Slg. 1981, 911 = NJW 1981, 2639 (Jenkins); v. 13.5.1986 Rs. C-170/84, Slg. 1986, 1607 = NZA 1986, 599 (Bilka). 5 RL 75/117/EWG v. 10.2.1975 (ABl. EG Nr. L 45/19); vgl. heute Art. 7–13 RL 2006/54/EG v. 5.7.2006 (ABl. EG Nr. L 204/23). 6 Vgl. dazu Coester/Denkhaus, Die Verordnungen zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer, EAS B 2100; Fuchs/Marhold, S. 27 f.
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IV. Rechtsquellen
Rz. 49
Teil 1
der Richtlinie vorgegebenen Ziele. Erst dann wird der Richtlinieninhalt Teil der nationalen Rechtsordnung, Art. 288 Abs. 3 AEUV1. Allerdings können sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH Bürger von EU-Mitgliedstaaten unmittelbar auf ihnen günstige Richtlinienbestimmungen berufen, sofern diese hinreichend konkret formuliert wurden („self-executing“) und der jeweilige nationale Gesetzgeber die in der Richtlinie gesetzte Frist zur Umsetzung in nationales Recht ergebnislos hat verstreichen lassen. Diese unmittelbare Wirkung besteht aber nur im Verhältnis zum jeweiligen Mitgliedstaat, also in Form einer vertikalen Direktwirkung2. Eine sog. horizontale Wirkung, also in Rechtsverhältnissen zwischen einzelnen Bürgern, lehnt der EuGH ab3.
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Für den öffentlichen Dienst ist diese Unterscheidung in jüngerer Zeit im 49 Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Zuordnung des Bereitschaftsdienstes zur Arbeitszeit relevant geworden. Nachdem der EuGH unter Berufung auf die RL 93/104/EG4 Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit qualifiziert hatte5 und im Gefolge dieser Rechtsprechung das deutsche Arbeitszeitrecht nicht als richtlinienkonform gewertet worden war6, stand zur Debatte, ob sich etwa Ärzte in einem deutschen Krankenhaus unmittelbar auf die Richtlinie berufen konnten oder nicht. Das BAG differenzierte mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, verneinte die Frage in privaten Krankenhäusern oder ähnlichen Gesundheitseinrichtungen und -organisationen, bejahte sie aber für solche in staatlicher Trägerschaft (vertikale Direktwirkung)7. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der EuGH die vertikale Direktwirkung nicht etwa nur dann zum Tragen kommen lässt, wenn der Staat als Hoheitsträger handelt, sondern auch dann, wenn er als Arbeitgeber auftritt, entweder unmittelbar bei Arbeitsverhältnissen mit dem Staat, aber auch, wie in den Krankenhausfällen, bei öffentlichen Unternehmen in Privatrechtsform und sogar bei bloßer Mehrheitsbeteiligung des Staates an einem privaten Unternehmen8. 1 Vgl. dazu Hanau/Steinmeyer/Wank, § 10 Rz. 70 ff.; Krimphove, Rz. 96 ff.; Schiek, S. 91 ff.; umfassend Kerwer, Das europäische Gemeinschaftsrecht und die Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte, 2003, S. 85 ff. 2 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. C-41/74, Slg. 1974, 1337 (van Dyun); v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325 = NJW 1994, 2473 (Facini Dori); v. 5.10.2004 – Rs. C-397/01 bis C 403/01, Slg. 2004, I-8835 = NZA 2004, 1145 (Pfeiffer). 3 EuGH v. 26.2.1986 – Rs. C-152/84, Slg. 1986, 723 = NJW 1986, 2178 (Marshall); v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325 = NJW 1994, 2473 (Facini Dori); v. 5.10.2004 – Rs. C-397/01 bis C 403/01, Slg. 2004, I-8835 = NZA 2004, 1145 (Pfeiffer). 4 Arbeitszeitrichtlinie v. 23.11.1993 (ABl. EG Nr. L 307/18); jetzt: RL 2003/88 v. 4.11.2003 (ABl. EG Nr. L 299/9). 5 EuGH v. 3.10.2000 – Rs C-303/98, Slg. 2000, I-7963 = NZA 2000, 1227 (SIMAP). 6 EuGH v. 9.9.2003 – Rs C-151/02, Slg. 2003, I-8389 = NZA 2003, 1019 (Jaeger); v. 5.10.2004 – C-397/01 bis C 403/01, Slg. 2004, I-8835 = NZA 2004, 1145 (Pfeiffer); BAG v. 18.2.2003 -1 ABR 2/02, NZA 2003, 742. 7 BAG v. 18.2.2003 – 1 ABR 2/02, NZA 2003, 742 (749 f.); vgl. auch LAG Niedersachsen v.16.9.2003 – 9 Sa 650/02, NZA-RR 2004, 183. 8 EuGH v. 12.7.1990 Rs. C-188/89, Slg. 1990, I-3313 = NJW 1991, 3086 (Foster); v. 14.9.2000 – Rs. C-343/98, Slg. I 2000, 6659 = NZA 2000, 1279 (Collino und ChiapWeber
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Teil 1
Rz. 50
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
50 Zusätzlich wirken Richtlinien durch den vom EuGH propagierten Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung auf die Interpretation nationalen Rechts. In Umsetzung des Gebots der Unionstreue nach Art. 4 Abs. 3 AEUV ist das nationale Recht im Sinne einer größtmöglichen Wirksamkeit des unionsrechtlichen Regelungsziels auszulegen1. Wenn das nationale Recht Auslegungsspielräume lässt, dann ist eine Interpretation im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie geboten. Das gilt jedenfalls, wenn der Gesetzgeber bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist nicht tätig geworden ist2. Außerdem darf nicht der klare Wortlaut der jeweiligen Vorschrift entgegenstehen3. Das hatte nach Ansicht des BAG etwa einer richtlinienkonformen Auslegung des Arbeitszeitgesetzes im Sinne einer Einbeziehung des Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit Grenzen gesetzt4. Inzwischen zeigt sich das BAG allerdings gegenüber einer richtlinienkonformen Auslegungspraxis mutiger5 und verweist dafür auf die Vorgabe des EuGH, der von den nationalen Gerichten verlangt, das nationale Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt, soweit wie möglich richtlinienkonform auszulegen und alles zu unternehmen, um die volle Wirksamkeit einer Richtlinie zu gewährleisten6. Zuletzt hat das BAG bei der Frage der Abgeltung krankheitsbedingt nicht rechtzeitig genommenen Urlaubs im Wege richtlinienkonformer Rechtsfortbildung eine teleologische Reduktion des nationalen Rechts vorgenommen7.
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pero); dazu ausführlich Kerwer, Das europäische Gemeinschaftsrecht und die Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte, 2003, S. 101 f., 126 ff. mwN. Vgl. u.a. EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891 = NJW 1984, 2021 (von Colson und Kamann); v. 10.4.1984 – Rs. 79/83, Slg. 1984, 1921 = AP BGB § 611a Nr. 2 (Harz); v. 8.11.1990 – Rs. C-177/88, Slg. 1990, 3941 = NZA 1991, 171 (Dekker); v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89, Slg. 1990, I-4135 (Marleasing); v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92, Slg. 1994, I-3325 = NJW 1994, 2473 (Facini Dori); v. 5.10.2004 – Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 = NZA 2004, 1145 (Pfeiffer); v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NZA 2006, 909 (Adeneler); vgl. dazu u.a. Birk, FS Tomandl, 1998, S. 33; Colneric, ZEuP 2005, 225; Hergenröder, FS Zöllner, 1999, S. 1139; Krimphove, Rz. 100 ff.; umfassend Kerwer, Das europäische Gemeinschaftsrecht und die Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte, 2003, S. 171 ff. EuGH v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NZA 2006, 909 (Adeneler); dazu Hofmann, ZIP 2006, 2113; Junker/Aldea, EuZW 2007, 13, zur umstrittenen Rechtssache Mangold (EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-144/04, Slg. 2005, I-9981 = NZA 2005, 1345); vgl. u.a. Annuß, BB 2005, 325; Bauer/Arnold, NJW 2006, 6; Hailbronner, NZA 2006, 811; Preis, NZA 2006, 401; Reichold, ZESAR 2006, 55; Schiek, ArbuR 2006, 145. Vgl. etwa EuGH v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04, Slg. 2006, I-6057 = NZA 2006, 909 (Adeneler). BAG v. 18.2.2003 – 1 ABR 2/02, NZA 2003, 742 (747 ff.); Neufassung des Arbeitszeitgesetzes durch Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I, 3002). Vgl. BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, NZA 2006, 971. EuGH v. 5.10.2004 – Rs. C-397/01 bis C 403/01, Slg. 2004, I-8835 Rz. 117 = NZA 2004, 1145 (Pfeiffer). BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538–547; in Umsetzung von EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C 350/06, Slg. 2009, I-00179 = NZA 2009, 135 (Schultz-Hoff).
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IV. Rechtsquellen
Rz. 55
Teil 1
Schließlich hat der EuGH in mehreren Fällen die Wirkung von Richtlinien durch einen Amtshaftungsanspruch verstärkt, der dem Bürger eines EUMitgliedstaats zustehen soll, wenn und soweit dieser Staat eine Richtlinie nicht oder unzureichend umgesetzt hat und dem Bürger deswegen ein Schaden entstanden ist1.
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Inzwischen existieren Richtlinien zu fast allen Bereichen des Arbeitsrechts, auch wenn bis heute von einer flächendeckenden Regelungsbreite noch längst nicht gesprochen werden kann. Allerdings betreffen die arbeitsrechtlichen Richtlinien bedeutsame Gegenstände:
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Im Bereich des technischen Arbeitsschutzrechts gibt es neben einer Rah- 53 menrichtlinie2 eine Reihe konkretisierender Einzelrichtlinien mit Vorgaben zur Ausgestaltung des Arbeitsplatzes3. Hinzu kommen der soziale Arbeitsschutz (Mutterschutz4, Jugendarbeitsschutz5) sowie der Arbeitszeitschutz6. Die Arbeitsbedingungen betreffen etwa Richtlinien zum Gebot eines 54 schriftlichen Nachweises der Arbeitsbedingungen bei Abschluss des Arbeitsverhältnisses7, zu Voraussetzungen für den Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse8, zum Verbot der Schlechterstellung von Teilzeit- gegenüber Vollzeitarbeitsverhältnissen9 oder zur Arbeitszeit10. Besonders groß ist die Regelungsdichte in Bezug auf die Antidiskriminie- 55 rung. Zunächst dominierte hier die Gleichstellung von Frauen und Männern. Geregelt wurden Fragen des Zugangs zum Arbeitsverhältnis und der Gleichbehandlung bei den Arbeitsbedingungen, beim Entgelt und bei der betrieblichen Alterversorgung11. Heute hat die Antidiskriminierungsgesetzgebung auf der Basis von Art. 19 AEUV (früher: Art. 13 EGV) auch die Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung sowie des Alters erfasst12. Neben Fragen der 1 EuGH v. 19.11.1991 – Rs. C-6/90, 9/90, Slg. 1991, I-5357 = NJW 1992, 165 (Francovich I); v. 16.12.1993 – Rs. C-334/92, Slg. 1993, I-6911 = NJW 1994, 921 (Miret). 2 Richtlinie 89/391/EWG v. 12.6.1989 (ABl. EG Nr. L 183/1). 3 Vgl. u.a. Richtlinie 91/383/EWG v. 25.6.1991 (ABl. EG Nr. L 206/19); Richtlinie 92/85/EWG v. 19.10.1992 (ABl. EG Nr. L 348/1). 4 Richtlinie 86/613/EWG v. 11.12.1986 (ABl. EG Nr. L 359/56). 5 Richtlinie 94/33/EG v. 22.6.1994 (ABl. EG Nr. L 216/12). 6 Richtlinie 2003/88/EG v. 4.11.2003 (ABl. EG Nr. L 299/9). 7 Richtlinie 91/533/EWG v. 14.10.1991 (ABl. EG Nr. L 288/32) und Richtlinie 2002/14/EG v. 11.3.2002 (ABl. EG Nr. L 80/29). 8 Richtlinie 1999/70/EG v. 28.6.1999 (ABl. EG Nr. L 175/43). 9 Richtlinie 97/81/EG v. 15.12.1997 (ABl. EG Nr. L 14 v. 20.1.1998, S. 9). 10 Richtlinie 2003/88/EG v. 4.11.2003 (ABl. EG Nr. L 299/9). 11 Richtlinie 76/207/EWG v. 9.2.1976 (ABl. EG Nr. L 39/40); Richtlinie 75/117/EWG v. 10.2.1975 (ABl. EG Nr. L 45/19); Richtlinie 86/378/EWG v. 24.7.1986 (ABl. EG Nr. L 225/40); Richtlinie 97/80/EG v. 15.12.1997 (ABl. EG Nr. L 14 v. 20.1.1998, S. 6). Diese Richtlinien sind nunmehr zusammengefasst in Richtlinie 2006/54/EG v. 5.7.2006 (ABl. EU Nr. L 204/23). 12 Richtlinie 2000/43/EG v. 29.6.2000 (ABl. EG Nr. L 180/22); Richtlinie 2000/78/EG v. 27.11.2000 (ABl. EG Nr. L 303/16). Weber
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Teil 1
Rz. 56
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Lohngleichheit sind unter dem Einfluss des europäischen Rechts im öffentlichen Dienst vor allem Fragen des gleichen Zugangs zur Beschäftigung Gegenstand von Auseinandersetzungen gewesen. Hervorzuheben ist hier zunächst ein Urteil des EuGH, das Frauen grundsätzlich auch den Zugang zu Beschäftigungen in der Bundeswehr einschließlich bewaffneter Einheiten einräumt und das zu einer Neufassung von Art. 12a GG geführt hat1. Umstritten waren und sind bis heute ferner Quotenregelungen, durch die verschiedene Landesgesetzgeber den Beschäftigtenanteil von Frauen im öffentlichen Dienst erhöhen möchten. Der EuGH akzeptiert solche Quotenregelungen nur, wenn sie sich nicht auf eine schematische Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation beschränken, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung unter Berücksichtigung der persönlichen Situation aller Bewerber vorsehen2. 56 Von enormer praktischer Bedeutung für den Arbeitnehmerschutz sind schließlich Richtlinien zum Verfahren bei Massenentlassungen3 sowie zum Schutz der Arbeitnehmer bei Betriebsübergängen4. 57 Auch den Bereich des kollektiven Arbeitsrechts hat die europäische Gesetzgebung inzwischen erreicht5: Für den öffentlichen Dienst relevant ist hier allerdings bislang nur die im Jahr 2002 verabschiedete Rahmenrichtlinie zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer6, die von den Mitgliedstaaten die Schaffung zumindest rudimentärer Strukturen der Arbeitnehmerbeteiligung in Form von Information und Konsultation verlangt. Die Richtlinie gilt nach Art. 2 Buchst. a RL für öffentliche oder private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit verfolgen7. Nach dem Maßstab des § 130 BetrVG greifen hier entweder das BetrVG oder das BPersVG bzw. die Landespersonalvertretungsgesetze. b) Verfassungsrechtliche Grundlagen 58 Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung enthält das Grundgesetz keinen eigenständigen Abschnitt über die Arbeits- und Sozialordnung. Auch 1 EuGH v. 11.1.2000 – Rs. C-285/98, Slg. 2000, I-69 = NZA 2000, 137 (Kreil); vgl. aber auch EuGH v. 15.5.1986 – Rs. C-222/84, Slg. 1986, 1651 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 18 (Johnston); v. 26.10.1999 – Rs. C-273/97, Slg. 1999, I-7403 = NZA 2000, 25 (Sirdar). 2 EuGH v. 17.10.1995 – Rs. C-450/93, Slg. 1995, I-3051 = NZA 1995, 1095 (Kalanke); v. 11.11.1997 – Rs. C-409/95, Slg. 1997, I-6363 = NZA 1997, 1337 (Marschall); v. 28.3.2000 – Rs. C-158/97, Slg. 2000, I-1875 = NZA 2000, 473 (Badeck); v. 6.7.2000 – Rs. C-407/98, Slg. 2000, I-5539 = NJW 2000, 2653 (Abrahamsson, Anderson/Fogelqvist); v. 19.3.2002 – Rs. C-476/99, Slg. 2002, I-2891 = NJW 2002, 1859 (Lommers); vgl. dazu Fuchs/Marhold, S. 97 ff. 3 Richtlinie 98/59/EG v. 20.7.1998 (ABl. EG Nr. L 225/16). 4 Richtlinie 2001/23/EG v. 12.3.2001 (ABl. EG Nr. L 82/16). 5 Richtlinie 94/45/EG v. 22.9.1994 (ABl. EG Nr. L 254/64); Richtlinie 2001/86/EG v. 8.10.2001 (ABl. EG Nr. L 294/22); Richtlinie 2003/72/EG v. 22.7.2003 (ABl. EU Nr. L 207/25); Richtlinie 2005/56/EG v. 26.10.2005 (ABl. EU Nr. L 310/1). 6 Richtlinie 2002/14/EG v. 11.3.2002 (ABl. EG Nr. L 80/29). 7 Vgl. dazu Schneider, PersV 2003, 50.
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IV. Rechtsquellen
Rz. 62
Teil 1
eine bestimmte Wirtschaftsordnung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht explizit vorgegeben1. Allerdings existieren für den Bereich des Arbeitsrechts im Allgemeinen und damit auch für den des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst durchaus verfassungsrechtliche Vorgaben, vor allem in Gestalt der Grundrechte. Das sind neben der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), das allgemeine Freiheitsrecht und daraus abgeleitet der Grundsatz der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG), der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), die Religionsfreiheit (Art. 4 GG), die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG), der Schutz der Familie (Art. 6 GG), die Garantie der Berufsfreiheit (Art. 12 GG), die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Von großer Bedeutung für Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst ist schließlich Art. 33 Abs. 2 GG. Die Verfassungen der Länder sind für das öffentliche Dienstrecht nur insoweit relevant, als sie in Übereinstimmung mit Art. 1–18 GG Grundrechte gewährleisten. Ansonsten gilt nach Art. 31 GG der Grundsatz, dass Bundesrecht Landesrecht bricht.
59
Arbeitsrecht ist – sieht man von dem öffentlich-rechtlich ausgeformten Ar- 60 beitsschutzrecht ab – Privatrecht. Auch der öffentliche Arbeitgeber wird nicht hoheitlich tätig und ist deshalb im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses wie ein Privatrechtssubjekt zu behandeln2. Da Grundrechte in erster Linie als Abwehr- und Freiheitsrechte des Individuums im Verhältnis zum Staat konzipiert sind, bedarf ihre Wirkung in Privatrechtsverhältnissen einer eigenständigen Begründung (Drittwirkung der Grundrechte). Anderes gilt nur für die Koalitionsfreiheit, bei der Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG explizit eine unmittelbare Drittwirkung festschreibt: Abreden, welche die positive oder negative Koalitionsfreiheit beeinträchtigen, sind nichtig. Das BAG ging früher noch davon aus, dass die Grundrechte als „Ordnungs- 61 grundsätze für das soziale Leben“ die rechtlichen Beziehungen der Parteien des Arbeitsverhältnisses unmittelbar mitgestalten (sog. unmittelbare Drittwirkung)3. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die Wirkung hingegen mittelbar4. 62 Zwar sei Adressat der Grundrechte unmittelbar der Staat. Aber der Grundrechtsabschnitt enthalte eine objektive Wertentscheidung, die für alle Be-
1 BVerfG v. 20.7.1954 – 1 BvR 459/52, NJW 1954, 1235; v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, u.a., NJW 1979, 699. 2 Zur Rechtsprechung des EuGH im Zusammenhang mit der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien vgl. aber oben Rz. 49 f. 3 BAG v. 3.12.1954 – 1 AZR 249/56, AP KSchG § 13 Nr. 2 = DB 1955, 147; grundlegend Nipperdey, RdA 1950, 121; vgl. ferner Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, 1961; Gamillscheg, AcP 164 (1964), 386; Gamillscheg, Grundrechte im Arbeitsverhältnis (1989). 4 BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, NJW 1958, 257 (sog. Lüth-Urteil); aus neuerer Zeit etwa BVerfG v. 23.4.1986 – 2 BvR 487/80, NJW 1987, 827. Weber
25
Teil 1
Rz. 63
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
reiche des Rechts – also auch das Privatrecht – Geltung beanspruche1. Die Grundrechte wirken demnach auf die Rechtsbeziehung der Privatrechtssubjekte mittelbar über die auslegungsfähigen und ausfüllungsbedürftigen Begriffe und Generalklauseln des Privatrechts ein, also etwa über §§ 138, 242, 626 BGB, 106 GewO. Das BAG hat zwar bis heute die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung nicht explizit aufgegeben, argumentiert aber seit längerem faktisch auf der Basis der mittelbaren Drittwirkung2. 63 In neuerer Zeit wird die Wirkung der Grundrechte im Privatrecht zunehmend mit der Schutzfunktion der Grundrechte im Privatrecht begründet3. Danach erlegen die Grundrechte unmittelbar nur der staatlichen Gewalt Pflichten auf. Diese Pflichten umfassen allerdings auch Schutzpflichten gegenüber den Inhabern der Grundrechte. Gesetze, auch solche im Bereich des Privatrechts, müssen diesen Anforderungen gerecht werden und den Schutz von Grundrechten garantieren. Im Arbeitsrecht ist der Gesetzgeber diesem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag weitgehend nachgekommen. Das Arbeitsrecht präsentiert sich als umfassendes Arbeitnehmerschutzrecht. Aber nicht nur der Gesetzgeber, sondern die öffentliche Gewalt insgesamt (also auch die Justiz) ist dem Schutzgebot der Grundrechte unterworfen4. Sie hat in Privatrechtsverhältnissen sowohl die Privatautonomie als grundgesetzlich geschützt zu beachten, als auch dafür Sorge zu tragen, dass weniger durchsetzungsfähigen Privatrechtssubjekten der Grundrechtsschutz nicht entzogen wird, sog. „Untermaßverbot“5. 64 Im Arbeitsleben spielt die Schutzgebotslehre deshalb eine besondere Rolle, weil hier aufgrund einer gesetzgeberischen Prognose jedenfalls typischerweise von einem Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auszugehen ist6. Damit ist eine Grundvoraussetzung für ein Eingreifen der öffentlichen Gewalt zur Gewährleistung des Grundrechtsschutzes gegeben. Schutzbedürftig sind hier insbesondere die Grundrechte aus Art. 1, 2, 3, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 und 12 GG7. 65 Bei Tarifverträgen und Dienstvereinbarungen könnte zwar für eine unmittelbare Wirkung der Grundrechte sprechen, dass die Vertragsparteien hier Regelungen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung für Dritte treffen
1 BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, NJW 1958, 257. 2 Seit BAG GS v. 27.2.1985 – GS 1/84, DB 1985, 2197 (2199). 3 BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NZA 1990, 389; v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36; grundlegend Canaris, AcP 184 (1984), 201 ff.; vgl. ferner Badura, FS Molitor, 1988, S. 9; Bleckmann, DVBl. 1988, 938; Hermes, NJW 1990, 1764 ff.; Jarass, AöR 110 (1985), 378 ff.; Klein, NJW 1989, 1639 f.; Lerche, FS Steindorff, 1990, S. 903; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 37 ff.; MünchArbR/Richardi, § 12 Rz. 13 ff., aus der verfassungsrechtlichen Kommentarliteratur vgl. Dreier/Dreier, GG, Vorbemerkungen, Rz. 98 ff. 4 Canaris, AcP 184 (1984), 225 ff. 5 Canaris, JuS 1989, 163; Canaris, AcP 184 (1984), 228 (245). 6 Hierzu Konzen, ZfA 1991, 388 (394). 7 Zu der zahlreichen Judikatur vgl. Nw. etwa bei MünchArbR/Richardi, § 12 Rz. 38 ff.
26 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 68
Teil 1
(§ 4 Abs. 1 TVG, zur Dienstvereinbarung siehe unten Rz. 126)1. Andererseits handelt es sich jedenfalls bei Tarifverträgen um privatrechtliche Verträge2. Dementsprechend tendiert das BAG in neueren Entscheidungen zu einer mittelbaren Drittwirkung und beruft sich zum Teil auch auf die Schutzgebotslehre3. Dienstvereinbarungen werden als öffentlich-rechtliche Verträge bezeichnet4, so dass sich hier eine unmittelbare Grundrechtswirkung eher begründen ließe5. In den praktischen Ergebnissen wird dies aber jedenfalls für Dienstvereinbarungen keine Rolle spielen. Zur Bedeutung des Art. 33 Abs. 2 GG vgl. unten Teil 2 Rz. 16 ff.
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c) Gesetz, Rechtsverordnung und Dienstordnung aa) Grundlagen Wichtige Gestaltungsfaktoren des Arbeitsverhältnisses sind Gesetze und 67 Rechtsverordnungen. Das Arbeitsrecht fällt grundsätzlich in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Im Arbeitsrecht besteht aus Gründen der sozialen Gleichbehandlung das Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung. Dementsprechend sind die meisten arbeitsrechtlichen Gesetze Bundesgesetze. Ausnahmsweise landesgesetzlich geregelt ist zB das Recht des Bildungsurlaubes. Für die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen weist Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG dem Bund sogar ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu. Die frühere Rahmenkompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG ist mit der Föderalismusreform gefallen, so dass es für Beschäftigte der Länder, Kommunen und nicht bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts in Zukunft bei der Regelung des Art. 74 GG verbleibt (vgl. auch Rz. 162 ff.). Seit dem 3.10.1990 gilt nach Art. 8 EinigungsV das Arbeitsrecht der Altbundesländer im Bereich der ehemaligen DDR unmittelbar, soweit keine besonderen Ausnahme- oder Überleitungsvorschriften bestehen6. 1 So die frühere Rechtsprechung des BAG vgl. u.a. BAG v. 15.1.1955 – 1 AZR 305/54, NJW 1955, 684; v. 20.4.1977 – 4 AZR 732/75, NJW 1977, 1742; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl. 1977, Einl. Rz. 57; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 72 f.; Lerche, FS Steindorff, 1990, S. 906. 2 Vgl. stv. HWK/Henssler, Einl. TVG Rz. 15. 3 BAG v. 25.2.1998 – 7 AZR 641/96, NZA 1998, 715; v. 30.8.2000 – 4 AZR 563/99, NZA 2001, 613; v. 24.4.2001 – 3 AZR 329/00, NZA 2002, 912; v. 27.5.2004 – 6 AZR 129/03, NZA 2004, 1399; bislang offen gelassen vom BVerfG, vgl. BVerfG v. 30.5.1990 – 1 BvL 2/83 u.a., NZA 1990, 721 (723); vgl. auch Boemke, FS 50 Jahre BAG, 2004, 613 ff.; Dreier/Dreier, GG, Art. 1 III Rz. 41; HWK/Henssler, Einl. TVG Rz. 15 f.; MünchArbR/Richardi, § 12 Rz. 19 ff.; Waltermann, RdA 1990, 138; Wiedemann/Wiedemann, TVG, Einl. Rz. 197 ff.; Einzelfälle bei HWK/Henssler, Einl. TVG Rz. 18. 4 Vgl. stv. RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 4. 5 Bei der Betriebsvereinbarung hat das BVerfG eine mittelbare Drittwirkung angenommen, vgl. BVerfG v. 23.4.1986 – 2 BvR 487/80, NJW 1987, 827. 6 BGBl. II (1990), 885 ff., vgl. dazu Hanau/Langanke/Preis/Widlak (Hrsg.), Das Arbeitsrecht der neuen Bundesländer, 1991. Weber
27
68
Teil 1
Rz. 69
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
69 Bis heute fehlt trotz des entsprechenden Auftrags in Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 EinigungsV eine einheitliche Kodifikation des Arbeitsrechts1. Die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften finden sich verstreut in vielen Einzelgesetzen wieder (Überblick unten bei Rz. 77 ff.). Zuletzt ist aus dem Kreis der Wissenschaft noch einmal ein Diskussionsentwurf zu einem Arbeitsvertragsgesetz vorgelegt worden2. 70 Im Rang stehen Gesetze unter der Verfassung (zur Wirkung von primärem und sekundärem Unionsrecht Rz. 40 ff.; zur Grundrechtswirkung oben Rz. 61 ff.). Zwingende Gesetze gehen ihrerseits Tarifverträgen, Dienstvereinbarungen und dem Einzelarbeitsvertrag vor. Es gilt das Rangprinzip, jedenfalls im Verhältnis zu nachteiligen Regelungen durch die niederrangige Rechtsquelle. Günstigere Regelungen sind möglich, solange nicht ausnahmsweise das Gesetz beiderseitig zwingend ist (zB das Beschäftigungsverbot nach § 6 Abs. 1 MuSchG oder das Bundespersonalvertretungsrecht, vgl. § 3 BPersVG3). Das Günstigkeitsprinzip ist zwar ausdrücklich nur in § 4 Abs. 3 TVG für das Verhältnis von Tarifvertrag und Arbeitsvertrag niedergelegt (vgl. dazu unten Rz. 95). Vor dem Hintergrund, dass Arbeitsrecht weitgehend Arbeitnehmerschutzrecht ist, rechtfertigt sich aber eine generelle und auch den Bereich des öffentlichen Dienstes erfassende Anwendung des Günstigkeitsprinzips, wenn auf der Basis der an sich niederrangigen Rechtsquelle noch bessere Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer bestehen als nach dem Mindestmaßstab des Gesetzes4. 71 Gesetze können jedoch auch tarifdispositiv sein. In diesem Fall sind Abweichungen zwar nicht durch Einzelarbeitsvertrag, wohl aber durch Tarifvertrag möglich, und zwar auch mit gegenüber dem Gesetz verschlechternder Wirkung. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei Tarifverträgen jedenfalls insgesamt ein die Interessen beider Seiten berücksichtigender Ausgleich zustande kommt, so dass es des gesetzlich vorgegebenen Mindestschutzes nicht bedarf (zB § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB, § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG). Meist enthält das Gesetz in solchen Fällen dann auch eine Bestimmung, wonach die Dispositivität auch Regelungen auf der Basis einer einzelvertraglichen Inbezugnahme erfasst (vgl. zB § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG, § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB, § 4 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Da im Falle der einzelvertraglichen Inbezugnahme sachlich eine identische Regelung wie im Tarifvertrag getroffen wird (vgl. Rz. 105 sowie Teil 3 B Rz. 32 ff.), ist es gerechtfertigt, in diesem Ausnahmefall auch den Arbeitsvertrag von der Tarifdispositivität des Gesetzes profitieren zu lassen.
1 Vgl. dazu Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 A Rz. 1 ff. 2 Henssler/Preis, Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG) – Stand: November 2007, NZA – Beil. 1/2007 (zu Heft 21/2007); http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-F9FB8F19-69621510/bst/ xcms_bst_dms_23218__2.pdf. 3 Vgl. RDW/Richardi, PersVR, Einl. Rz. 89 ff., Erl. zu § 3. 4 Vgl. BAG v. 3.10.1969 – 3 AZR 400/68, AP AZO § 15 Nr. 12; Müller/Preis, Rz. 25.
28 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 75
Teil 1
Das Gesetz kann schließlich auch schlechthin dispositiv sein oder nur ein 72 Modell für den Fall vorgeben, dass die Parteien keine eigenständige Regelung getroffen haben (vgl. etwa § 612 BGB1). Ob es sich um zwingendes oder um dispositives Recht handelt, wird, so- 73 fern das Gesetz nicht schon eine ausdrückliche Regelung enthält (§ 619 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG), durch die Funktion der jeweiligen Regelungen bestimmt: Dispositivität reicht dort aus, wo das Gesetz fehlende vertragliche Bestimmungen nur ergänzen will (zB §§ 6142, 616 BGB3) oder ein gewisses Grundgefüge für das Arbeitsverhältnis vorgibt. Wenn die Norm jedoch entsprechend der eigentlichen Aufgabe des Arbeitsrechts notwendige Schutzfunktionen gegenüber dem Arbeitnehmer wahrnimmt, ist sie zwingend. Die Rechtsverordnung steht im Rang unter dem formellen Gesetz und kann nur aufgrund einer den Anforderungen des Art. 80 GG genügenden Ermächtigungsnorm erlassen werden. Sie spielt im materiellen Arbeitsrecht keine bedeutsame Rolle, wohl aber im Arbeitsschutzrecht. Zu erwähnen sind beispielsweise die aufgrund von § 115 BPersVG erlassene Wahlordnung zum BPersVG4, die aufgrund von § 18 ArbSchG erlassene Arbeitsstättenverordnung5, welche Mindestvoraussetzungen für Arbeits- und Ruheräume enthält, oder die aufgrund der gleichen Ermächtigungsgrundlage erlassene Gefahrstoffverordnung über die Verwendung gefährlicher Arbeitsstoffe6. Die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften sind keine Rechtsverordnungen, sondern autonomes Satzungsrecht.
74
Der Begriff der Dienstordnung wird unterschiedlich verwendet. Es kann 75 sich dabei um einen besonderen Fall der Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers handeln, bei dem eine innerdienstliche, generelle Regelung für alle Mitarbeiter getroffen wird (dazu unten Rz. 145 ff.). Für die sog. Dienstordnungs-Angestellten, also Beschäftigte bei den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung, ergibt sich etwa für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung aus § 144 SGB VII, dass die Sozialversicherungsträger als juristische Personen des öffentlichen Rechts Dienstordnungen erlassen dürfen, in denen die Arbeitsbedingungen der Dienstordnungsangestellten ausgestaltet werden und die im Rang über Tarifverträgen stehen7. 1 Vgl. zum Rechtscharakter des § 612 Abs. 1 BGB etwa HWK/Thüsing, § 612 BGB Rz. 3 ff. 2 Vgl. stv. HWK/Krause, § 614 BGB Rz. 5. 3 Vgl. BAG GS v. 17.12.1959 – GS 2/59, AP BGB § 616 Nr. 21 = NJW 1960, 738; v. 20.6.1995 – 3 AZR 857/94, NZA 1996, 383; aus der Literatur stv. HWK/Krause, § 616 BGB Rz. 49 mwN. 4 Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 1.12.1994 (BGBl. I, 3653). 5 Verordnung über Arbeitsstätten v. 12.8.2004 (BGBl. I, 2179), zuletzt geändert durch Art 9 der Verordnung vom 18.12.2008 (BGBl. I, 2768). 6 Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11.1999 (BGBl. I, 2233, ber. BGBl. I, 739), zuletzt geändert durch Art. 16 Satz 2 GefahrstoffVO-AnpassungsVO v. 23.12.2004 (BGBl. I, 3758). 7 Vgl. Müller/Preis, Rz. 129; Wiedemann/Wiedemann, TVG, Einl. Rz. 419. Weber
29
Teil 1
Rz. 76
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
bb) Überblick über die arbeitsrechtlichen Gesetze 76 Individualrechtliche Schutzgesetze betreffen nicht nur den einzelnen Arbeitnehmer schlechthin, sondern manchmal auch nur einzelne schützenswerte Gruppen wie etwa beim Jugendarbeitsschutz-, Mutterschutz-, Schwerbehinderten- oder Heimarbeitsgesetz. Sie schränken regelmäßig die im Arbeitsleben nicht voll funktionsfähige Vertragsfreiheit ein und begrenzen insbesondere die Inhalts- und Beendigungsfreiheit. Zum Teil begründen sie aber überhaupt erst Rechtspositionen. 77 Besonders zu erwähnen sind für den Bereich des öffentlichen Dienstes neben den Regelungen der §§ 611 ff. BGB und den gem. § 6 GewO inzwischen für alle Arbeitnehmer geltenden §§ 105–110 GewO etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Arbeitszeitgesetz, das Berufsbildungsgesetz, das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, das Bundesurlaubsgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz (dazu Teil 3 F) und das Kündigungsschutzgesetz. 78 Um kollektivrechtliche Schutzgesetze handelt es sich beim Bundespersonalvertretungsgesetz und den Landespersonalvertretungsgesetzen sowie dem Tarifvertragsgesetz. 79 Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist im Arbeitsgerichtsgesetz geregelt (zu verfahrensrechtlichen Fragen im öffentlichen Dienst vgl. Teil 15). cc) Richterliche Rechtsfortbildung 80 Der teilweise lückenhafte Charakter des Arbeitsrechts und die technische und gesellschaftliche Entwicklung in vielen Bereichen des Arbeitslebens veranlassen die Arbeitsgerichte nicht selten zu richterlicher Rechtsfortbildung1. Rechtsfortbildung liegt vor, wenn die Gerichte Gesetzeslücken ausfüllen oder eine fehlende gesetzliche Norm ersetzen (gesetzesimmanente und -übersteigende Rechtsfortbildung)2. Die rechtliche Legitimation ergibt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG, ihre Grenzen aus Art. 97 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG (Gewaltenteilung)3.
1 Vgl. dazu Dieterich, RdA 1986, 2; Krey, JZ 1978, 361; Picker, JZ 1984, 153; Picker, JZ 1988, 1 (62); Preis, RdA 1989, 327; Th. Raiser, ZRP 1985, 111; Reuter, RdA 1985, 321; Rüthers, FS Molitor, 1988, S. 293. 2 Zu beiden Begriffen näher Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 472 ff., 496 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 370 ff., 413 ff. 3 BVerfG v. 16.6.1959 – 1 BvR 71/57, NJW 1959, 1579; v. 14.2.1973 – 1 BvR 112/65, NJW 1973, 1221 (1225); v. 11.10.1978 – 1 BvR 84/74, NJW 1979, 305 (306); v. 19.10.1983 – 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80, NJW 1984, 475; v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, NJW 1985, 2395 (2402); v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85, NZA 1991, 809 (810); v. 2.3.1993 – 1 BvR 1213/85, NJW 1993, 1379 (1380); v. 15.5.1995 – 2 BvL 19/91, u.a., NJW 1995, 1811 (1817 ff.); v. 8.10.1996 – 1 BvR 875/92, NJW 1997, 447 (448).
30 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 85
Teil 1
Richterliche Rechtsfortbildung ist keine Rechtsquelle im engeren Sinne1. Sie entfaltet für die Instanzgerichte keine rechtliche, sondern allenfalls eine faktische Bindungswirkung und unterscheidet sich insofern entscheidend vom Gesetz.
81
Eine langjährige Rechtsprechung kann allerdings zu Gewohnheitsrecht er- 82 starken, wenn sie eine tatsächliche, nicht bloß vorübergehende, gleichmäßige Übung darstellt und diese Übung auf der Überzeugung ihrer rechtlichen Verbindlichkeit beruht2. Beispiele richterlicher Rechtsfortbildung sind etwa der aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleitete Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis (Teil 3 A Rz. 46)3 und in dessen Gefolge der Weiterbeschäftigungsanspruch nach gerichtlich festgestellter Unwirksamkeit einer Kündigung4, ferner die Sonderregelungen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich mit weitergehender Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers (Teil 3 G)5 oder die inzwischen durch § 615 Satz 3 BGB gesetzgeberisch anerkannte Verlagerung des Betriebsrisikos auf den Arbeitgeber bei Produktionsstörungen6. Schließlich wurde das Arbeitskampfrecht in Ableitung aus Art. 9 Abs. 3 GG ausschließlich durch das BVerfG und das BAG gestaltet7.
83
d) Tarifvertrag aa) Allgemeines (1) Zustandekommen Tarifverträge sind privatrechtliche Verträge kollektiven Rechts, die zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband (Verbandstarifvertrag) oder einem einzelnen Arbeitgeber (Firmentarifvertrag) abgeschlossen werden, § 2 Abs. 1 TVG.
84
Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen müssen beim Abschluss des Tarifvertrags alle Merkmale einer tariffähigen Koalition erfüllen, andernfalls ist der Tarifvertrag unwirksam8: Erforderlich ist ein freiwilliger privatrechtlicher Zusammenschluss mit körperschaftlicher Struktur zum Zweck
85
1 BAG v. 10.6.1980 – 1 AZR 822/79, NJW 1980, 1642; v. 10.6.1980 – 1 AZR 168/79, NJW 1980, 1653. 2 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 356 f., 433. 3 Vgl. BAG v. 10.11.1955 – 2 AZR 591/54, AP BGB § 611 Nr. 2 Beschäftigungspflicht; dazu stv. Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 697 f.; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 168 ff. 4 Vgl. BAG GS v. 27.2.1985 – GS 1/84, DB 1985, 2197; dazu stv. Rolfs, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 5 A Rz. 159 ff. 5 Vgl. dazu HWK/Krause, § 619a BGB Rz. 11 ff. 6 Vgl. dazu HWK/Krause, § 615 BGB Rz. 112 ff. 7 Vgl. dazu stv. HWK/Hergenröder, Art. 9 GG Rz. 164 ff. 8 Vgl. zuletzt BAG v. 28.3.2006 – 1 ABR 58/04, NZA 2006, 112 (Rz. 34); v. 14.12.2004 – 1 ABR 51/03, NZA 2005, 697 (Rz. 29); zur Tariffähigkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung im Besonderen vgl. stv. HWK/Henssler, § 2 TVG Rz. 3. Weber
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Teil 1
Rz. 86
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
der Wahrung der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Die Vereinigung muss durch ihre Gegnerfreiheit und ihre Gegnerunabhängigkeit gekennzeichnet sein: Sie darf nur entweder ein Arbeitnehmer- oder ein Arbeitgeberverband (und kein Harmonieverband) sein, und sie darf – insbesondere in finanzieller Hinsicht – nicht vom sozialen Gegenspieler abhängen. Erforderlich sind weiterhin die Unabhängigkeit von Staat, Kirche und Parteien sowie schließlich eine demokratische Binnenstruktur1. Zu diesen allgemeinen Merkmalen des Koalitionsbegriffs nach Art. 9 Abs. 3 GG kommen für die tariffähige Koalition noch die nach dem Satzungszweck zu ermittelnde Tarifwilligkeit2 und vor allem (auf Arbeitnehmerseite) das Erfordernis der Durchsetzungsfähigkeit („soziale Mächtigkeit“) hinzu, also eine hinreichende Organisationsstruktur, Mitgliederzahl und Finanzkraft, um im Arbeitskampf gegebenenfalls Druck ausüben zu können3. 86 Neben der Tariffähigkeit ist weitere Wirksamkeitsvoraussetzung für den Abschluss eines Tarifvertrags die Tarifzuständigkeit der vertragschließenden Tarifpartei nach Maßgabe der Verbandssatzung4. Auf dieser Grundlage wird der tarifliche Geltungsbereich des Tarifvertrags festgelegt5. 87 Tarifverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, §§ 1 Abs. 2 TVG, 125 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Arbeitgeber hat die für seinen Betrieb maßgeblichen Tarifverträge an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen, § 8 TVG. Dies ist allerdings keine Wirksamkeitsvoraussetzung6. (2) Inhalt 88 Die Regelungszuständigkeit der Tarifparteien und damit der mögliche Inhalt eines Tarifvertrags ergeben sich zunächst aus Art. 9 Abs. 3 GG: Sie umfassen die „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“. Im Einzelnen bestimmt sich der Inhalt eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1 TVG: Jeder Tarifvertrag enthält einen schuldrechtlichen sowie einen normativen Teil. Der schuldrechtliche Teil des Tarifvertrags regelt 1 Zu den Merkmalen eines tariffähigen Verbandes vgl. Däubler/Peter, TVG, § 2 Rz. 5 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 394 ff.; HWK/Henssler, § 2 TVG Rz. 4 ff.; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rz. 199 ff. 2 BAG v. 25.11.1986 – 1 ABR 22/85, NZA 1987, 492; HWK/Henssler, § 2 TVG Rz. 15. 3 BAG v. 6.6.2000 – 1 ABR 10/99, NZA 2001, 160 (zum Interessenverband Bedienstete der technischen Überwachung); vgl. weiterhin BAG v. 14.12.2004 – 1 ABR 51/03, NZA 2005, 317 (Rz. 29 ff.); v. 28.3.2006 – 1 ABR 58/04, NZA 2006, 112 (Rz. 34 ff.); zur Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsprechung vgl. BVerfG v. 20.10.1981 – 1 BvR 404/78, NJW 1982, 815; aus der Literatur ErfK/Franzen, § 2 TVG Rz. 11 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rz. 35 ff.; Wiedemann/Oetker, TVG, § 2 Rz. 357 ff.; Jacobs/Krause/Oetker/Oetker, Tarifvertragsrecht, § 2 Rz. 88 ff.; Däubler/Peter, TVG, § 2 Rz. 10 ff. 4 Vgl. aus jüngerer Zeit BAG v. 18.7.2006 – 1 ABR 36/05, NZA 2006, 1225 (Rz. 38); v. 27.9.2005 – 1 ABR 41/04, NZA 2006, 273 (Rz. 36 ff.). 5 BAG v. 22.11.1988 – 1 ABR 6/87, NZA 1989, 561; v. 12.11.1996, – 1 ABR 33/96, NZA 1997, 609; v. 14.12.1999 – 1 ABR 74/98, NZA 2000, 949; v. 29.9.2005 – 1 ABR 41/04, NZA 2006, 273; vgl. dazu Ricken, Autonomie und tarifliche Rechtssetzung, 2006. 6 Vgl. stv. HWK/Henssler, § 8 TVG Rz. 8.
32 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 91
Teil 1
das Verhältnis der Tarifparteien zueinander und umfasst neben möglichen ausdrücklichen Regelungen (zB Schlichtungsvereinbarungen) auch ungeschriebene Rechte und Pflichten beider Tarifvertragsparteien (Friedenspflicht, Durchführungs- und Einwirkungspflicht)1. Der normative Teil eines Tarifvertrags regelt die Arbeitsbedingungen tarifgebundener Arbeitnehmer, gegebenenfalls aber auch betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Schuldrechtlicher und normativer Teil des Tarifvertrags unterscheiden sich außer durch ihren Regelungsgegenstand durch ihre Wirkung. Während der schuldrechtliche Teil nur das Verhältnis der beiden tarifschließenden Parteien betrifft und insofern mit der Wirkungsweise eines privatrechtlichen Vertrags übereinstimmt, reicht der normative Teil in seiner Rechtswirkung weiter: Er bindet im Geltungsbereich des Tarifvertrags die beiderseits Tarifgebundenen, d.h. vor allem auch die Mitglieder der jeweiligen Verbände, vgl. dazu Rz. 94 ff., 97 ff. Innerhalb der Rechtsnormen des Tarifvertrags bilden die Inhaltsnormen 89 die größte und wichtigste Gruppe. Inhaltsnormen sind etwa Regelungen über die Vergütungshöhe, den Zeitpunkt und die Art der Zahlung der Vergütung, über die Arbeitszeit oder den Urlaub (Beispiele aus dem TVöD: §§ 6 ff. zur Arbeitszeit, §§ 12 ff. zur Vergütung). Abschlussnormen sind Regelungen über das Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen, zB Formvorschriften oder Abschlussverbote und -gebote (Beispiel aus dem TVöD: Schriftformerfordernis nach § 2 Abs. 1). Beendigungsnormen betreffen alle mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusammenhängenden Fragen, also vor allem die Kündigung (Beispiel aus dem TVöD: Kündigungsfristen nach § 34)2. Die betrieblichen Normen3 zeichnen sich durch die Notwendigkeit einer von der Sache her unumgänglichen einheitlichen Anwendung auf alle Arbeitnehmer des Betriebs aus4. Dabei werden auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer der Rechtssetzungsbefugnis der Tarifpartner unterworfen. Aus diesem Grund ist ihr Anwendungsbereich eng zu bestimmen. Beispiele sind Rauchverbote und Eingangs- oder Anwesenheitskontrollen, aber auch Regelungen über Arbeitsschutzeinrichtungen oder die Errichtung von Sozialeinrichtungen.
90
Betriebsverfassungsrechtliche Normen, die in § 1 und § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG ebenfalls genannt werden, spielen für den öffentlichen Dienst bislang
91
1 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 625 ff.; HWK/Henssler, § 1 TVG Rz. 60 ff.; Wiedemann/Oetker, TVG, § 1 Rz. 866 ff.; Däubler/Reim, TVG, § 1 Rz. 966 ff. 2 Vgl. dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 577 ff.; HWK/Henssler, § 1 TVG Rz. 45 ff.; Däubler/Reim, TVG, § 1 Rz. 290 ff.; Wiedemann/Thüsing, TVG, § 1 Rz. 409 ff. 3 Vgl. dazu ErfK/Franzen, § 1 TVG Rz. 45 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 588 ff.; HWK/Henssler, § 1 TVG Rz. 51 f.; Jacobs/Krause/Oetker/Krause, Tarifvertragsrecht, § 4 Rz. 53 ff.; Däubler/Reim, TVG, § 1 Rz. 316 ff.; Löwisch/Rieble, TVG § 1 Rz. 105 ff.; Wiedemann/Thüsing, TVG, § 1 Rz. 712 ff. 4 BAG v. 26.4.1990 – 1 ABR 84/87, NZA 1990, 850; v. 17.6.1997 – 1 ABR 3/97, NZA 1998, 213. Weber
33
Teil 1
Rz. 92
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
keine Rolle1. Nach § 130 BetrVG kommt hier das Personalvertretungsrecht zur Anwendung (vgl. dazu oben Rz. 31). Dessen Regelungen sind nach Maßgabe des § 3 BPersVG und der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen (vgl. § 97 BPersVG) zwingender Natur, so dass eine tarifliche Regelung nicht in Betracht kommt (vgl. oben Rz. 71). Allerdings könnten in Zukunft wegen des Wegfalls der Rahmenkompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG im Zuge der Föderalismusreform Landespersonalvertretungsrechte etwas anderes regeln. Einstweilen gelten nach der Übergangsregelung des Art. 125a GG die in Ausfüllung der Rahmenkompetenz erlassenen Regelungen, also hier §§ 94, 97 BPersVG, weiter, bis der Landesgesetzgeber von seiner neu gewonnenen Kompetenz Gebrauch macht2. 92 Darüber hinaus nennt § 4 Abs. 2 TVG noch Normen über Gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, die zB die Schaffung von Lohnausgleichskassen regeln und damit Aufgaben erfüllen, die über das einzelne Unternehmen hinausgehen. Im öffentlichen Dienst gibt es bislang keine derartigen Regelungen3. (3) Wirkung 93 Während der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrags nur das Verhältnis der Tarifparteien zueinander betrifft und wie jede schuldrechtliche Vereinbarung wirkt (Rz. 89), haben Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsregelungen sowie betriebliche Regelungen nach Maßgabe von §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG Rechtsnormcharakter. Im normativen Teil wirkt der Tarifvertrag unmittelbar und zwingend auf die ihm unterfallenden Arbeitsverhältnisse ein, dh. seine Regelungen gelten ohne weiteren Transformationsakt (unmittelbar) und unabdingbar (zwingend). 94 Abweichungen sind nach § 4 Abs. 3 TVG nur wirksam, wenn sie durch den Tarifvertrag selbst gestattet werden (Öffnungsklausel) oder, im Falle einer individualvertraglichen Abweichung, für den Arbeitnehmer günstiger als die tarifliche Regelung sind (Günstigkeitsprinzip4). Für den Günstigkeitsvergleich stellt das BAG auf einen Sachgruppenvergleich ab, bei dem nur gleiche Regelungsbereiche miteinander verglichen werden5. 95 Flankiert wird die zwingende Wirkung durch § 4 Abs. 4 TVG: Ein Verzicht auf tarifliche Rechte ist nur durch einen von den Tarifparteien gebilligten Vergleich möglich, die Verwirkung tariflicher Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für deren Geltendmachung können nur im Tarifvertrag selbst vereinbart werden. 1 2 3 4
Vgl. auch Müller/Preis, Rz. 121; Pfohl, Rz. 513. Vgl. dazu RDW/Kersten, PersVR, § 94 Rz. 3 ff. Müller/Preis, Rz. 122. Vgl. dazu Däubler/Deinert, TVG, § 4 Rz. 573 ff.; ErfK/Franzen, § 4 TVG Rz. 31 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 835 ff.; HWK/Henssler, § 4 TVG Rz. 29 ff.; Jacobs/Krause/Oetker/Jacobs, Tarifvertragsrecht, § 7 Rz. 15 ff.; Löwisch/ Rieble, TVG, § 4 Rz. 253 ff.; Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rz. 381 ff. 5 BAG v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/98, NZA 1999, 887.
34 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 101
Teil 1
(4) Bindung an den Tarifvertrag Die normative Wirkung des Tarifvertrags erfasst ein Arbeitsverhältnis nur, wenn es in den vereinbarten Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt und – jedenfalls bei Inhalts-, Abschluss und Beendigungsnormen – der Arbeitnehmer tarifgebunden ist, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG.
96
Der räumliche Geltungsbereich betrifft beim Verbandstarifvertrag das gesamte Gebiet (Bund, Land, Landesteile, Kreise, einzelne Gemeinden), beim Firmentarifvertrag den Betrieb oder das Unternehmen.
97
Der zeitliche Geltungsbereich hängt von den Bestimmungen im Tarifvertrag über dessen Beendigung ab. In Betracht kommen Befristungsregelungen, bei einem unbefristeten Tarifvertrag dessen Kündigung oder eine einvernehmliche Aufhebung durch beide Tarifvertragsparteien. Eine Rückwirkung kommt nur nach Maßgabe der für Gesetze entwickelten Grundsätze in Betracht1. Tarifverträge wirken gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach ihrem Ende nach, bis sie durch Einzelvereinbarung, Dienstvereinbarung oder einen neuen Tarifvertrag ersetzt werden2. Der nachwirkende Tarifvertrag verliert also seinen zwingenden Charakter. Darüber hinaus ist die Nachwirkung auch als solche abdingbar3. Im Nachwirkungszeitraum begründete Arbeitsverhältnisse werden von dem nachwirkenden Tarifvertrag nicht erfasst4.
98
Der betriebliche Geltungsbereich beschränkt die Geltung des Tarifvertrags 99 auf bestimmte Arten von Betrieben. Tarifverträge erfassen grundsätzlich vollständig die Betriebe eines ganzen Wirtschaftszweiges5. Im öffentlichen Dienst gelten neben dem allgemeinen Teil des TVöD Spartentarifverträge (siehe unten Rz. 114). Der fachliche Geltungsbereich grenzt die Anwendbarkeit des Tarifvertrags 100 nach der Art der Tätigkeit ab (zB § 1 Abs. 2 Buchst. n, o TVöD), der persönliche Geltungsbereich nach Merkmalen persönlicher Art (zB § 1 Abs. 2 Buchst. a, b TVöD)6. Für Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen entfaltet ein Tarifvertrag 101 seine Wirkung nur für tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Tarifgebunden sind die Mitglieder der tarifschließenden Parteien, beim Firmentarifvertrag auch der einzelne Arbeitgeber, §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG. 1 BAG 5.3.1957 – 1 AZR 420/56, AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 1 = DB 1957, 431; zuletzt BAG v. 11.10.2006 – 4 AzR 522/05, AiB 2007, 418; ausf. Däubler/Deinert, TVG, § 4 Rz. 11 ff.; Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rz. 236 ff. 2 Zur Nachwirkung Däubler/Deinert, TVG, § 4 Rz. 805 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 872 ff.; HWK/Henssler, § 4 TVG Rz. 5 ff., Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rz. 320 ff. 3 BAG v. 3.9.1986 – 5 AZR 319/85, NZA 1987, 178; v. 8.10.1997 – 4 AZR 87/96, NZA 1998, 492; HWK/Henssler, § 4 TVG Rz. 5. 4 BAG v. 11.6.2002 – 1 AZR 390/01, NZA 2003, 570. 5 Vgl. näher Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rz. 135 ff.; zum Problem Tarifeinheit im Betrieb s.u. Rz. 108. 6 Vgl. dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 758 f. Weber
35
Teil 1
Rz. 102
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Für die Geltung betrieblicher Normen (dazu oben Rz. 91) lässt § 3 Abs. 2 TVG die einseitige Tarifgebundenheit des Arbeitgebers genügen. 102
Verbandsaustritt oder Verbandswechsel vor dem Ablauf des Tarifvertrags befreien den Arbeitgeber nicht von der Tarifwirkung, die Tarifgebundenheit bleibt nach § 3 Abs. 3 TVG bis zum Ablauf des Tarifvertrags bestehen (sog. Nachbindung)1.
103
Durch eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG kann die normative Wirkung eines Tarifvertrags unter bestimmten Voraussetzungen auch auf bisher nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt werden. Im öffentlichen Dienst ist davon bisher nicht Gebrauch gemacht worden2.
104
Die Anwendung eines Tarifvertrags kann auch im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Im öffentlichen Dienst ist eine solche Klausel üblich3. Auf diese Weise erstreckt sich der Inhalt eines Tarifvertrags auch auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer oder Arbeitgeber (einzelvertragliche Bezugnahme). Der Tarifvertrag gilt dann aber nur kraft Vereinbarung, nicht normativ. Dementsprechend unterliegt eine Änderung der Inbezugnahme auch den üblichen Regeln für die Änderung von Arbeitsverträgen (Änderungskündigung, Änderungsvertrag). Eine einzelvertragliche Inbezugnahme, die auch durch betriebliche Übung (zu dieser unten Rz. 140 ff. sowie ausführlich Teil 3 E Rz. 33 ff. sowie Teil B Rz. 32 ff.) entstehen kann, kann sich auf einen konkreten Tarifvertrag oder aber auf einen Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung beziehen. Im zweiten Fall handelt es sich um eine dynamische Inbezugnahme4. Solche Klauseln wurden von der Rechtsprechung des BAG früher als sog. Gleichstellungsklauseln interpretiert, die dazu dienten, einheitliche Arbeitsbedingungen im Betrieb eines verbandsangehörigen Arbeitgebers sicherzustellen. Dementsprechend verloren Inbezugnahmeklauseln mit einem Verbandsaustritt des Arbeitgebers ihren dynamischen Charakter5. Diese Rechtsprechung hat das BAG nunmehr aufgegeben und hält unter Berufung auf allgemeine Auslegungsgrundsätze und insbesondere auch bei formularvertraglichen Inbezugnahmeklauseln an der dynamischen Wirkung einer Gleichstellungsklausel auch nach Verbandsaustritt fest, sofern sich nicht aus der Klausel eindeutig etwas ande-
1 Vgl. dazu BAG v. 18.3.1992 – 4 AZR 339/91, NZA 1992, 700; v. 7.11.2004 – 4 AZR 703/00, NZA 2002, 748; v. 1.12.2004 – 4 AZR 55/04, NZA 2005, 645; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, S. 724 ff.; HWK/Henssler, § 3 TVG Rz. 41 ff.; Däubler/ Lorenz, TVG, § 3 Rz. 58 ff.; Wiedemann/Oetker, TVG, § 3 Rz. 50 ff. 2 Müller/Preis, Rz. 130; Wichmann/Langer, Rz. 447. 3 Müller/Preis, Rz. 114; Wichmann/Langer, Rz. 447. 4 Die Umstellung von BAT auf TVöD und TV-L mit den entsprechenden Ergänzungs- und Überleitungstarifverträgen erfasst in diesem Fall auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer, vgl. v. Steinau-Steinrück/Schmidt, NZA 2006, 518 (518 f.). 5 BAG v. 21.8.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442; v. 19.3.2003 – 4 AZR 331/02, NZA 2003, 1207.
36 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 107
Teil 1
res ergibt1. Für ältere Inbezugnahmeklauseln aus der Zeit vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1.1.2002 gewährt das BAG aber Vertrauensschutz2 (zum Ganzen näher Teil 3 B Rz. 32 ff.). Eine Dienstvereinbarung kann keine allgemeine Inbezugnahmeklausel enthalten. Tarifvorbehalt (§ 75 Abs. 5 BPersVG) und Tarifvorrang (§ 75 Abs. 3 Einls. und § 76 Abs. 2 Einls. BPersVG) schließen dies aus (vgl. dazu noch Rz. 119, 125)3.
105
Beim Betriebsübergang gilt der Tarifvertrag nach § 613a Abs. 1 Satz 2–4 BGB individualrechtlich zwingend weiter4. Die zwingende Wirkung ist aber zeitlich begrenzt und kann durch einen Tarifvertrag wegfallen, dem der neue Betriebsinhaber unterworfen ist.
106
(5) Verhältnis zu anderen Rechtsquellen des Arbeitsrechts Zum Verhältnis von Tarifvertrag und Gesetz siehe oben Rz. 71 f.; zum Ver- 107 hältnis von Tarifvertrag und Dienstvereinbarung siehe unten Rz. 129; zum Verhältnis von Tarifvertrag und Einzelarbeitsvertrag siehe oben Rz. 95. Erfassen zwei unterschiedliche Tarifverträge, die sich nicht ergänzen oder ablösen sollen, ein Arbeitsverhältnis, kommt es zu einer Tarifkonkurrenz, die das BAG nach dem Spezialitätsprinzip löst5. Das Gleiche galt bislang nach Ansicht des BAG auch dann, wenn in einem Betrieb mehrere Tarifverträge zur Anwendung kommen könnten (Tarifpluralität). Das BAG operierte hier mit dem Grundsatz der Tarifeinheit im Betrieb, um ein Nebeneinander mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb zu verhindern6. Diese langjährige gefestigte Rechtsprechung ist in Bewegung geraten, nachdem der 4. Senat erklärt hat, nicht mehr an ihr festhalten zu wollen7. Aktuell war das Problem in jüngerer Zeit auch im öffentlichen Dienst, wo Spartengewerkschaften wie der Marburger Bund oder die Gewerkschaft der Lokomotivführer eigene Tarifverträge zu erkämpfen suchten8. 1 BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607; v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; vgl. zur Auslegung einer Inbezugnahmeklausel auch BAG v. 13.9.2006 – 4 AZR 803/05, ZTR 2007, 151. 2 BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323; v. 10.12.2008 – 4 AZR 881/07 – juris – (Rz. 18). 3 Vgl. aber Müller/Preis, Rz. 117, der die Inbezugnahme einzelner Klauseln des Tarifvertrags für zulässig erklärt. 4 Statt aller HWK/Willemsen, § 613a BGB Rz. 246 ff. 5 BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 113/02, NZA 2003, 432; v. 23.3.2005 – 4 AZR 203/04, NZA 2005, 1003; vgl. dazu Däubler/Deinert, TVG, § 4 Rz. 923 ff.; Wiedemann/ Wank, TVG, § 4 Rz. 264 ff. 6 BAG v. 20.3.1991 – 4 AZR 455/90, NZA 1991, 736; v. 4.12.2002 – 10 AZR 113/02, NZA 2003, 632; dazu LAG Sachsen v. 2.11.2007 – 7 SaGa 19/07, NZA 2008, 59; Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rz. 278 ff., 293 ff.; Däubler/Deinert, TVG, § 4 Rz. 940 ff.; Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, 1998; Jacobs/Krause/Oetker/ Jacobs, Tarifvertragsrecht, § 7 Rz. 190 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rz. 127 ff. 7 BAG v. 27.1.2010 – 4 AZR 549/08 (A). 8 Vgl. dazu etwa Bayreuther, NZA 2006, 642; Bispinck, WSI-Mitteilungen 2006, 374; Buchner, BB 2003, 2121; Jacobs, NZA 2008, 325; Jacobs/Krause/Oetker/JaWeber
37
Teil 1
Rz. 108
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
bb) Bedeutung von Tarifverträgen im öffentlichen Dienst (1) Neugestaltung des Tarifrechts für Bund, Länder und Kommunen 108
Im öffentlichen Dienst wird der Inhalt der Beschäftigungsverhältnisse weitgehend durch Tarifverträge bestimmt, die entweder für die beiderseits Tarifgebundenen normativ gelten oder aber üblicherweise in den Arbeitsverträgen in Bezug genommen werden1. Nachdem über Jahrzehnte der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) im Verbund mit einigen Ergänzungstarifverträgen maßgeblich war, ist mit der Tarifreform im öffentlichen Dienst in den Jahren 2005 und 2006 ein neues Tarifwerk in Kraft getreten2. (2) Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und ergänzende Tarifverträge (aa) Überblick
109
Für den Bereich des Bundes und der kommunalen Arbeitgeber gilt seit dem 1.10.2005 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)3. Seit 1.11.2006 ist für den Bereich der Länder der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Kraft4. Ausgenommen sind hier gegenwärtig Berlin und Hessen, die nicht mehr der Tarifgemeinschaft deutscher Länder angehören5. In Berlin gelten durch Verweisungen im sog. Berliner Tarifvertrag aus dem Jahr 2003 (Anwendungs-TV Land Berlin) noch die Regeln des alten Bundesangestellen-Tarifvertrag (BAT). In Hessen trat am 1.1.2010 der TV-H in Kraft6.
110
Ergänzende Tarifverträge betreffen Teilbereiche des öffentlichen Dienstes (Spartentarifverträge für den Bereich des Bundes und der kommunalen Arbeitgeber, vgl. unten Rz. 114), weiterhin besondere Regelungsbereiche (zB Tarifvertrag über das Leistungsentgelt für die Beschäftigten des Bundes [LeistungsTV-Bund], Tarifvertrag zur sozialen Absicherung [TVsA, TV-SozAb-L], Tarifvertrag Entgeltumwandlung [TV-Entgelt-U-L]) sowie besondere Beschäftigtengruppen (zB Tarifverträge für die Kraftfahrer und
1 2 3
4 5 6
cobs, Tarifvertragsrecht, § 7 Rz. 235 f.; Litschen, ZTR 2007, 230; Rieble, BB 2003, 1227; Schneider/Sittard, DÖD 2006, 244. Vgl. etwa MünchArbR/Freitag, § 187 Rz. 13. Überblick bei Müller/Preis, Rz. 130 ff. Der Tarifvertrag sowie ergänzende Tarifverträge sind abrufbar unter www.bmi.bund.de in der Rubrik „Öffentlicher Dienst“ sowie, insbesondere für die Besonderen Teile des TVöD, unter www.vka.de. Vgl. dazu etwa Bredendiek/ Fritz/Tewes, ZTR 2005, 230; Böhle/Posche, ZTR 2005, 286; Dahl, DVP 2007, 45; Fritz, ZTR 2006, 2; Guth, PersR 2008, 313; Kutzki, FA 2005, 194; Kutzki, FA 2009, 7; Schaub, FS Leinemann, 2006, S. 449; Schaub, PersV 2007, 278; v. Steinau-Steinrück/Schmidt, NZA 2006, 518; Tamm, PersV 2006, 44; Tamm, PersV 2009, 12; Zetl, ZMV 2005, 231; Zetl, ZMV 2008, 63; Zetl, ZMV 2008, 239. Der Tarifvertrag sowie ergänzende Tarifverträge für die Länder sind abrufbar unter www.tdl.bayern.de. Vgl. dazu Hoffmann, KommunalPraxis spezial 2006, 112; Zetl, ZMV 2006, 169; Zetl, ZMV 2006, 281. Berlin seit dem Ausschluss am 30.6.1994, Hessen seit dem Austritt zum 31.3.2004. Vgl. http://oeffentlicher-dienst.info/tv-h/.
38 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 115
Teil 1
Kraftfahrerinnen des Bundes [KraftfahrerTV-Bund] oder der Länder [PkwFahrer-TV-L], Tarifvertrag Beschäftigte Ausland). Hinzu kommen Tarifverträge für Auszubildende des Öffentlichen Dienstes (TVAöD, TVA-L BBiG). Für TVöD und TV-L gibt es Überleitungstarifverträge zur Überleitung der 111 Beschäftigungsverhältnisses aus den bisherigen Vergütungs- und Lohngruppen in die neue Entgeltstruktur (vgl. Rz.118). Tarifvertragsparteien auf Seiten der Arbeitnehmer sind bei den genannten Tarifverträgen die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (zugleich als Vertreterin für weitere Einzelgewerkschaften) sowie die dbb tarifunion. Auf der Seite der Arbeitgeber agieren, je nach Vertrag, die Bundesrepublik Deutschland, die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) als Spitzenverband iSd. § 2 Abs. 2 TVG sowie die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Eigenständige Tarifverträge auf Länderebene (einschließlich eigener Tarifverträge in Berlin und Hessen) und auf Kommunalebene hat die Ärztegewerkschaft Marburger Bund abgeschlossen1.
112
(bb) Regelungskonzept Der TVöD besteht aus einem Allgemeinen Teil (TVöD AT), der für alle Be- 113 schäftigten mit Ausnahme des in § 1 Abs. 2 Buchst. a–t TVöD genannten Personenkreises gilt (zB leitende Angestellte, Auslandsbeschäftigte, Theaterpersonal) und einem Besonderen Teil, bei dem in eigenen Tarifverträgen Beschäftigungsbedingungen für die Sparten Verwaltung (BT-V), Krankenhäuser (BT-K), Pflege- und Betreuungseinrichtungen (BTB), Sozial- und Erziehungsdienst (BV-SUE), Sparkassen (BT-S), Flughäfen (BT-F) und Entsorger (BT-E) gesondert geregelt werden. Dabei übernimmt der TVöD BT-V für die anderen Spartentarifverträge eine Auffangfunktion, indem seine Regelungen vorbehaltlich einer speziellen Bestimmung in einem anderen Spartentarifvertrag für alle in § 1 TVöD genannten Beschäftigten gelten, vgl. § 40 BT-V. Redaktionell sind für den Bereich der Kommunen die sechs Spartentarif- 114 verträge noch einmal mit dem Allgemeinen Teil zusammengefasst worden. An der für eine Kündigung oder auch die Friedenspflicht bedeutsamen rechtlichen Selbständigkeit der jeweiligen Verträge ändert sich dadurch aber nichts2. Auf Länderebene ist die Struktur ähnlich, Allgemeiner und Besonderer Teil sind aber von vornherein im TV-L zusammengefasst. Hinzu treten Sonderregelungen etwa für Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken und außerhalb von Universitätskliniken, für die nichtärztlichen Beschäftigten, Lehrkräfte, Beschäftigte an Theatern und Bühnen, für Beschäftigte auf Schiffen, im Justizvollzugsdienst und im forstlichen Außendienst.
1 Die Tarifverträge sind abrufbar unter www.marburgerbund.de. 2 Vgl. Müller/Preis, Rz. 132. Weber
39
115
Teil 1
116
Rz. 116
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Inhaltlich ist zunächst die Aufgabe der überkommenen Unterscheidung von Angestellten- und Arbeitertarifverträgen (BAT, MTArb, BMT-GII1) von Bedeutung. Die neuen Tarifverträge gelten einheitlich für die Beschäftigten des Bundes, der Kommunen oder der Länder (vgl. etwa § 1 Abs. 1 TVöD). Zugleich ist eine deutliche Abkehr von der früheren engen Anlehnung an die gesetzlichen Regelungen für Beamte zu beobachten (Abkoppelung der Gehaltshöhe von persönlichen Faktoren wie Kinderzahl und Familienstand, Abschaffung von Bewährungs-, Zeit- und Tätigkeitsaufstiegen2). Wichtige Neuerungen betreffen Möglichkeiten flexibler Arbeitszeitregelungen (vgl. §§ 6 ff. TVöD) und leistungs- und erfahrungsorientierte Entgeltsysteme (vgl. § 18 TVöD); ausführlich dazu Teil 3 C. Im Entgeltbereich wird schrittweise die Angleichung der Vergütung von alten und neuen Bundesländern angestrebt und ist inzwischen etwa auf Bundesebene verwirklicht3. (cc) Überleitungstarifverträge
117
Die neuen Tarifverträge für den öffentlichen Dienst betreffen uneingeschränkt nach deren jeweiligem Inkrafttreten eingestellte Beschäftigte. Für Altbeschäftigte gelten Überleitungstarifverträge (TVÜ-Bund, TVÜ-VKA, TVÜ-Länder), die einerseits vor allem das Problem der Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den neuen Entgeltgruppen regeln (vgl. etwa §§ 4 ff. TVÜ-Bund iVm. Anlage 2 TVÜ Bund), zum anderen aber eine Reihe von Bestimmungen zur Besitzstandswahrung enthalten (vgl. etwa §§ 8 ff. TVÜ-Bund)4. Zu Überleitungstarifverträgen siehe ausführlich Teil 8. e) Dienstvereinbarung aa) Grundlagen
118
Die Dienstvereinbarung ist für den öffentlichen Dienst das der Betriebsvereinbarung entsprechende Regelungsinstrument. Im Unterschied zur Betriebsvereinbarung, die ein umfassendes Instrument zur Gestaltung des Arbeitslebens im Betrieb darstellt, räumt das Gesetz der Dienstvereinbarung nur einen begrenzten Anwendungsbereich ein. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ist die Dienstvereinbarung nur in den Fällen zulässig, in denen dies vom Gesetz vorgesehen ist. Das ist nur in § 75 Abs. 3 und § 76 Abs. 2 BPersVG der Fall. Damit ist die Dienstvereinbarung lediglich eine Form für die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts5.
119
Wie im Betriebsverfassungsrecht können zwar Dienststellenleiter und Personalrat auch Vereinbarungen treffen, die keine Dienstvereinbarung sind. 1 2 3 4
Zu diesen etwa noch MünchArbR/Freitag, § 187 Rz. 13 ff. Vgl. v. Steinau-Steinrück/Schmidt, NZA 2006, 518. Vgl. http://oeffentlicher-dienst.info/tvoed/. Vgl. dazu etwa Beckerle/Hock/Schlappenroth, TVöD – Die Überleitungstarifverträge, 2005; v. Steinau-Steinrück/Schmidt, NZA 2006, 518 (522 ff.); Zetl, ZMV 2005, 178. 5 RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 1 f.
40 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 124
Teil 1
Solche Dienstabsprachen, mit deren Hilfe auch das Mitbestimmungsrecht ausgeübt werden kann, wirken aber lediglich im Verhältnis zwischen Dienststelle und dem Personalrat, sie haben anders als die Dienstvereinbarung (unten Rz. 126) keine normative Wirkung1. bb) Zustandekommen und Beendigung Die Dienstvereinbarung ist ebenso wie die Betriebsvereinbarung eine 120 rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen dem durch den Dienststellenleiter repräsentierten Träger der Dienststelle und dem Personalrat als dem Repräsentanten der Belegschaft, die nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre zustande kommt. Mit Rücksicht auf die Beteiligten spricht man von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag2. Die Dienstvereinbarung kann auch im Einigungsstellenverfahren zustande 121 kommen, wenn in den Fällen des § 75 Abs. 3 BPersVG ein Spruch der Einigungsstelle vorliegt. Dieser ersetzt dann die fehlende Einigung zwischen Hauptpersonalrat und oberster Dienstbehörde und hat damit die Bedeutung einer Dienstvereinbarung3. Die Dienstvereinbarung bedarf der Schriftform. Wird diese nicht gewahrt, 122 kommt keine Dienstvereinbarung zustande. Die vom Gesetz angeordnete Bekanntmachung der Dienstvereinbarung etwa durch Hausmitteilung oder Aushang am schwarzen Brett ist hingegen keine Wirksamkeitsvoraussetzung4. Eine Dienstvereinbarung endet mit Ablauf der Zeit, für die sie eingegangen ist, gegebenenfalls auch bei Erreichung des mit der Dienstvereinbarung verfolgten Zwecks, ferner durch Aufhebungs- oder Änderungsvereinbarung, schließlich durch Kündigung5. Ist in der Dienstvereinbarung eine Kündigungsfrist nicht vereinbart, so kann jeder Teil jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Eine Dreimonatsfrist wie in § 77 Abs. 5 BetrVG gibt es nicht6.
123
cc) Inhalt Da eine Dienstvereinbarung nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig ist, kommen als ihr Inhalt nur die in §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 2 BPersVG genannten Angelegenheiten in Betracht7. Voraussetzung ist wei1 Fischer/Goeres/Gronimus, PersVG, § 73 Rz. 7a; RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 54. 2 Altvater, BPersVG, § 73 Rz. 2; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 73 Rz. 4. 3 BVerwG v. 17.12.2003 – 6 P 7/03, ZTR 2004, 215; Altvater, BPersVG, § 73 Rz. 8; Fischer/Goeres/Gronimus, BPersVG, § 73 Rz. 5a und § 71 Rz. 25a; RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 8. 4 RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 15. 5 Zur Weitergeltung und Nachwirkung einer Dienstvereinbarung nach deren Ablauf vgl. RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 49 ff. 6 BAG v. 5.5.1988 – 6 AZR 521/85, DB 1989, 633; RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 45. 7 BVerwG v. 12.7.1984 – 6 P 14/83, ZBR 1985, 28; vgl. auch BAG v. 18.10.1994 – 1 AZR 503/93, NZA 1995, 1064; RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 1 f., 17 ff. Weber
41
124
Teil 1
Rz. 125
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
ter, dass die Mitbestimmung sich auf eine normative Regelung bezieht, also etwa nicht eine konkrete Einzelfallentscheidung bei der Auswahl von Kandidaten zu einer Fortbildungsveranstaltung nach § 75 Abs. 3 Buchst. g BPersVG oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen Beschäftigten nach § 76 Abs. 2 Nr. 9 BPersVG1. dd) Wirkung 125
Obwohl das BPersVG anders als das BetrVG die Rechtswirkungen einer Dienstvereinbarung nicht ausdrücklich regelt, ist man sich einig, dass § 77 Abs. 4 BetrVG entsprechend anzuwenden ist2. Auch den Bestimmungen einer Dienstvereinbarung kommt deshalb normative Wirkung zu. Sie gelten demnach unmittelbar, dh. ohne weiteren Transformationsakt, und zwingend, so dass eine anderweitige (verschlechternde) individuelle Vereinbarung nicht getroffen werden kann.
126
Wie beim Tarifvertrag (§ 4 Abs. 4 TVG) und der Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 4 BetrVG) ist eine unabdingbare Regelung für den Beschäftigten unverzichtbar. Wie dort ist auch hier ein Verzicht nur mit Zustimmung der zuständigen Personalvertretung zulässig3.
127
Die Dienstvereinbarung gilt grundsätzlich für die Dienststelle, für die sie vom zuständigen Personalrat und Dienststellenleiter abgeschlossen wurde, und erfasst grundsätzlich alle Beschäftigten in der entsprechenden Dienststelle. Dies gilt jedenfalls, solange nicht eine Beschränkung auf die Angehörigen einer Gruppe oder bestimmter Beschäftigungsarten vorgenommen wird. ee) Verhältnis zu anderen Rechtsquellen des Arbeitsrechts
128
Die Bedeutung der Dienstvereinbarung im öffentlichen Dienst wird abgesehen von der erwähnten Beschränkung auf gesetzlich vorgegebene Fälle noch dadurch reduziert, dass – insofern wie bei der Betriebsvereinbarung – eine Regelung nur zulässig ist, sofern nicht bereits die Tarifpartner von ihrer Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht oder eine Öffnungsklausel vorgesehen haben (Tarifvorbehalt, § 75 Abs. 5 BPersVG4).
129
Im Verhältnis zum Individualarbeitsvertrag gilt das Günstigkeitsprinzip5, allerdings nur bei Arbeitnehmern. Bei Beamten gelten die gesetzlichen Bestimmungen6. 1 2 3 4
Vgl. RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 18. Müller/Preis, Rz. 248 ff. RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 23. Vgl. dazu RDW/Kaiser, PersVR, § 75 Rz. 219 ff.; Müller/Preis, Rz. 27, 250; Pfohl, Rz. 650. 5 Vgl. Altvater, BPersVG, § 73 Rz. 10; Fischer/Goeres/Gronimus, BPersVG, § 73 Rz. 16; Lorenzen/Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold u.a., BPersVG, § 73 Rz. 16; RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 24; aA Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 73 Rz. 18. 6 RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 24.
42 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 134
Teil 1
Unter mehreren konkurrierenden Dienstvereinbarungen haben nach der 130 Bestimmung des § 73 Abs. 2 BPersVG die für einen größeren Bereich geltenden Vorrang gegenüber den Dienstvereinbarungen für einen kleineren Bereich. Das Gesetz löst das Konkurrenzproblem also anders als im Tarifvertragsrecht, wo die Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsgrundsatz geregelt wird. Im Personalvertretungsrecht hingegen gilt das Ordnungsprinzip1. f) Arbeitsvertrag und Allgemeine Arbeitsbedingungen aa) Individualarbeitsvertrag Durch den Arbeitsvertrag wird das Arbeitsverhältnis begründet. Aus ihm 131 ergeben sich Art und Umfang der Beschäftigung des Arbeitnehmers. Der Arbeitsvertrag ist eine besondere Art des Dienstvertrags und damit ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag, in dem sich ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber zur entgeltlichen, unselbständigen Arbeitsleistung verpflichtet. Mit Hilfe des Arbeitnehmerbegriffs sind Arbeits- und Dienstvertrag voneinander abzugrenzen (siehe Rz. 10 ff.). Die Vertragsfreiheit ist im Arbeitsrecht aus Gründen des Arbeitnehmer- 132 schutzes durch zahlreiche Abschluss- und Privilegierungsgebote einerseits sowie Abschluss-, Beschäftigungs- und Diskriminierungsverbote andererseits eingeschränkt (siehe auch Teil 2, 3 A). Im öffentlichen Dienst ist dabei zusätzlich zu den allgemeinen Regeln Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten (näher Teil 2 Rz. 16 ff.). Der Abschluss des Arbeitsvertrags erfolgt nach den allgemeinen zivilrecht- 133 lichen Regeln. Er ist grundsätzlich formfrei, es sei denn, in Gesetz oder Tarifvertrag sind Schriftformerfordernisse vorgesehen. Das betrifft etwa den befristeten Arbeitsvertrag, § 14 Abs. 4 TzBfG, bei dem allerdings zu beachten ist, dass eine Missachtung des Formerfordernisses nach § 16 TzBfG nicht etwa zur Unwirksamkeit des Arbeitsverhältnisses führt, sondern zur Unwirksamkeit der Befristung (näher Teil 6). Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer nach Maßgabe der Regelungen des Nachweisgesetzes über die wesentlichen Regelungen des Arbeitsverhältnisses zu informieren. Bei der Einstellung des Arbeitnehmers ist der Personalrat nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG zu beteiligen (ausführlich Teil 2 Rz. 79 ff.). Durch den Arbeitsvertrag werden für beide Seiten die jeweiligen Haupt- 134 und Nebenpflichten festgelegt. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zu persönlicher Arbeitsleistung (§§ 611, 613 Satz 1 BGB, näher Teil 3 A Rz. 1) und übernimmt gleichzeitig eine Reihe von Nebenleistungspflichten und Schutzpflichten (Teil 3 A Rz. 2 ff.). Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur Zahlung der Vergütung (Teil 3 A Rz. 1, 3 C). Daneben obliegen ihm gesetzliche (§ 618 BGB) und aus § 242 BGB abgeleitete Schutzpflichten gegenüber dem Arbeitnehmer (Teil 3 A Rz. 47 ff.).
1 RDW/Weber, PersVR, § 73 Rz. 36 f. Weber
43
Teil 1
135
Rz. 135
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Leidet der Arbeitsvertrag an Mängeln, die zu seiner Nichtigkeit führen (insbesondere Anfechtung), ist das Arbeitsverhältnis aber durch Arbeitsleistung in Vollzug gesetzt, so wird es nicht von Anfang an, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft aufgelöst1. Ansonsten endet das Arbeitsverhältnis durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung (zu den Besonderheiten im öffentlichen Dienst Teil 4 B), Zeitablauf (zur Zulässigkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst Teil 6), Aufhebungsvertrag (dazu Teil 4 A) oder Tod des Arbeitnehmers. bb) Allgemeine Arbeitsbedingungen
136
In der Praxis bedeutsam sind Sonderformen arbeitsvertraglicher Vereinbarungen mit kollektivrechtlichem Bezug. Sie gelten zwar für alle Beschäftigten des Arbeitgebers, kommen aber dennoch nach den Regeln des Vertragsrechts bzw. nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes zustande und sind deshalb als Gestaltungsfaktoren dem Arbeitsvertrag zuzuordnen. (1) Arbeitsvertragliche Einheitsregelungen
137
Häufig wird aus Gründen der Gleichbehandlung und Rationalisierung der Inhalt des Arbeitsvertrags nicht individuell ausgehandelt, sondern durch Verwendung von durch den Arbeitgeber vorformulierten Einheitsarbeitsverträgen einheitlich festgelegt. Seit der Schuldrechtsreform unterliegen Formulararbeitsbedingungen der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, vgl. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB (siehe unten Teil 3 B Rz. 15 ff.). (2) Gesamtzusage
138
Bei der sog. Gesamtzusage verspricht der Arbeitgeber, etwa durch Aushang am schwarzen Brett, Rundschreiben oder mündliche Bekanntgabe, einseitig festgelegte Leistungen an alle Beschäftigten oder aber einen Teil von ihnen zu erbringen2. Das BAG betrachtet die Gesamtzusage als Vertragsangebot des Arbeitgebers, welches von den Arbeitnehmern stillschweigend nach § 151 BGB angenommen wird3. Da die Gesamtzusage dem Einzelarbeitsvertrag zugerechnet wird, kann der Arbeitgeber sie nicht einseitig ändern, sofern er sich dies nicht vorbehalten hat4. Es bleiben dann nur Änderungskündigung oder Änderungsvertrag. Eine auf einer Gesamtzusage beruhende Regelung kann nach der Rechtsprechung des BAG darüber hinaus allerdings auch durch eine Dienstvereinbarung zu Lasten der Arbeitnehmer abgelöst werden, solange nur nach Maßgabe eines kollektiven Günstigkeitsvergleichs die Dienstvereinbarung die Gesamtleistung des Arbeitgebers insgesamt nicht verringert, sondern lediglich umstrukturiert5. 1 Vgl. dazu HWK/Thüsing, § 119 BGB Rz. 15 ff. 2 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174 (Rz. 31); v. 1.11.2005 – 1 AZR 355/04, PersV 2006, 274 (276); vgl. dazu MünchArbR/Richardi, § 7 Rz. 44 ff. 3 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174 (Rz. 31). 4 BAG v. 14.6.1995 – 5 AZR 126/94, NZA 1995, 1194. 5 BAG GS v. 16.9.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168; vgl. dazu HWK/Gaul, § 77 BetrVG Rz. 62 ff.; Pfohl, Rz. 81.
44 Weber
IV. Rechtsquellen
Rz. 142
Teil 1
(3) Betriebliche Übung Eine betriebliche Übung liegt vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Verhal- 139 tensweisen regelmäßig wiederholt, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, dass ihnen Leistungen oder Vergünstigungen auf Dauer gewährt werden sollen1. Praktisch bedeutsam sind auch hier Gratifikationen oder etwa die Gewährung und Vergütung arbeitsfreier Tage. Seine frühere Rechtsprechung, wonach auch den Arbeitnehmern ungünstige Übungen zur Verkürzung der Arbeitszeit oder zur Ausübung des Direktionsrechts möglich seien2, hat das BAG jetzt aufgegeben3. Nach Ansicht des BAG beruht die rechtliche Wirkung der betrieblichen Übung auf einer stillschweigenden Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Das Angebot des Arbeitgebers ergibt sich aus dessen fortgesetztem gleichförmigem Verhalten, die Annahme der Arbeitnehmer aus der Entgegennahme günstiger oder aus der widerspruchslosen Hinnahme ungünstiger Regelungen4. Im Schrifttum verweist man für die Bindung des Arbeitgebers häufig auf das Vertrauen des Arbeitnehmers auf die Fortsetzung der bisherigen Übung5.
140
Ein Anspruch aus betrieblicher Übung setzt voraus, dass eine freiwillige Leistung wiederholt – bei gegenüber der Belegschaft gewährten Gratifikationen in der Regel mindestens in drei aufeinander folgenden Jahren6 – vorbehaltlos gewährt wird. Der Vorbehalt kann bei Gewährung ausdrücklich oder konkludent erklärt werden7.
141
Diese Grundsätze gelten im öffentlichen Dienst nach der Rechtsprechung des BAG nicht uneingeschränkt. Im öffentlichen Dienst kann ein Arbeitnehmer nicht ohne weiteres auf einen entsprechenden Bindungswillen des Arbeitgebers vertrauen. Ein öffentlicher Arbeitgeber ist durch haushaltsrechtliche Vorgaben gebunden (näher dazu Rz. 231 ff.). Ein Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass der Arbeitgeber im Zweifel nur Normen vollziehen will und keine Leistungen gewähren will, zu denen er nicht verpflich-
142
1 Vgl. aus jüngerer Zeit etwa BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174 (Rz. 34 ff.); v. 1.11.2005 – 1 AZR 355/04, PersV 2006, 274 (277); Müller/Preis, Rz. 21; Pfohl, Rz. 84 ff.; MünchArbR/Richardi, § 8; Waltermann, RdA 2006, 257. 2 Vgl. dazu Waltermann, RdA 2006, 257 (258 f.). 3 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601. 4 Vertragstheorie, st. Rspr., aus jüngerer Zeit etwa BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174 (Rz. 35); aus der Literatur ausführlich Waltermann, RdA 2006, 257 (259 ff.). 5 Vertrauenstheorie, vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 388 ff., 405 ff.; Hanau, AcP 165 (1965), 260 ff.; MünchArbR/Richardi, § 8 Rz. 19; Seiter, Die Betriebsübung, 1967, S. 89 f., 92; weitere Ansätze aus jüngerer Zeit: Bepler, RdA 2004, 226; Bepler, RdA 2005, 323; Henssler, FS 50 Jahre BAG, 2004, S. 683. 6 Vgl. aus jüngerer Zeit etwa BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174 (Rz. 36). 7 Vgl. dazu etwa BAG v. 16.4.1997 – 10 AZR 705/96, NZA 1998, 423; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, NZA 2003, 337; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 230; MünchArbR/Richardi, § 8 Rz. 23 ff. Weber
45
Teil 1
Rz. 143
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
tet ist1. Hinzu kommt im öffentlichen Dienst noch, dass dort häufig in Tarifverträgen konstitutive Schriftformklauseln bestehen, vgl. etwa § 2 Abs. 3 TVöD. Da die betriebliche Übung gerade nicht schriftlich fixiert ist, kann sie in solchen Fällen keine Ansprüche begründen2. Näher zu den Besonderheiten der betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst Teil 3 E Rz. 14 ff. 143
Eine einmal entstandene betriebliche Übung gilt, solange nicht für die Zukunft ein entsprechender Vorbehalt gemacht wird, auch für neu in den Betrieb eintretende Arbeitnehmer3. Sie kann nur durch Änderungskündigung oder Änderungsvertrag beseitigt werden. Denkbar ist auch eine nachfolgende Dienstvereinbarung, für die, wenn sie verschlechternd wirkt, die Grundsätze des kollektiven Günstigkeitsvergleichs gelten (vgl. oben Rz. 139). g) Direktionsrecht
144
Durch das Direktionsrecht konkretisiert der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer zu erbringende Arbeit und ihre Modalitäten in Hinblick auf Art und Weise sowie Zeit und Ort4. Gesetzlich geregelt ist das Weisungsrecht in § 106 GewO, der nach § 6 GewO für alle Arbeitnehmer gilt.
145
Da durch das Weisungsrecht die Leistungspflicht im Rahmen des Arbeitsvertrags konkretisiert wird, ergeben sich seine Grenzen in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag selbst. Je genauer die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Vertrag bereits umschrieben ist, desto weniger Spielraum verbleibt dem Arbeitgeber bei der Ausübung des Weisungsrechts. Weitere Grenzen ergeben sich aus dem Gesetz, insbesondere den Grundrechten, Arbeitsschutzgesetzen und dem Personalvertretungsrecht, sowie aus Tarifverträgen und Dienstvereinbarungen.
146
Da es sich bei der Ausübung des Weisungsrechts um eine einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers handelt, unterliegt sie einer Billigkeitskontrolle nach § 106 GewO, § 315 BGB5. Ist die vom Arbeitgeber geforderte Tätigkeit nicht mehr vom Weisungsrecht gedeckt, kann der Arbeitnehmer die Arbeit ohne nachteilige Folgen ablehnen6. Es bedarf dann seitens des Arbeitgebers zur Durchsetzung seiner Anordnung entweder einer Änderungskündigung, oder er muss versuchen, eine einvernehmliche Vertragsänderung zu erreichen.
147
Ausführlich unter Berücksichtigung der Besonderheiten im öffentlichen Dienst unten Teil 3 D. 1 BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, NZA 2003, 337; v. 1.11.2005 – 1 AZR 355/04, PersV 2006, 274 (277); vgl. MünchArbR/Richardi, § 8 Rz. 27 f.; Waltermann, RdA 2006, 257 (267). 2 Vgl. zB BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, NZA 2003, 337 (338); dazu MünchArbR/Richardi, § 8 Rz. 28. 3 Vgl. etwa BAG v. 17.4.2002 – 5 AZR 89/01, NZA 2002, 1096 (1097). 4 Vgl. dazu Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 32 ff.; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 293 ff. 5 HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 115 ff. 6 Vgl. MünchArbR/Reichold, § 36 Rz. 29; HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 116.
46 Weber
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 150
Teil 1
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen Schrifttum: Dolzer/Vogel/Graßhoff (Hrsg.), Bonner Kommentar, Loseblatt (zit.: BK); Dornbusch/ Fischermeier/Löwisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009 (zit.: DFL/Bearbeiter); Jarass/ Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009; Sachs, GG, 5. Aufl. 2009; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008.
1. Gesetzgebungszuständigkeiten a) Zuständigkeit für das Arbeitsrecht aa) Konkurrierende Gesetzgebung Das Arbeitsrecht gehört seit Inkrafttreten des GG zu den Gegenständen der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG).
148
Die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz 149 durch den Bund setzte nach der ursprünglichen Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG lediglich voraus, dass ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung bestand. Die Anforderungen wurden 1994 verschärft, um den Verlust von Gesetzgebungskompetenzen der Länder in den vorangegangenen Jahrzehnten auszugleichen und damit die Kompetenzen der Länder wieder zu stärken1. Seitdem durfte der Bund nur noch dann von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch machen, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich machte2. Durch die Föderalismusreform 2006 ist die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz in mehrere Unterarten aufgeteilt und gehören die Gegenstände des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG der sog. Kern- oder Vorrangkompetenz an3. Die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Gesetzgebung des Bundes ist seit dem 1.9.2006 von einer Erforderlichkeitsprüfung, wie sie Art. 72 Abs. 2 GG vorsieht, ausgenommen. Nach Auffassung von Bund und Ländern bedarf es in diesem Bereich keiner Prüfung der Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelungen mehr4. Das mag damit zusammenhängen, dass das Arbeitsrecht seit der Weimarer Republik5 traditionell Bundesrecht ist6 und das Arbeitsrecht somit weniger durch föderative Vielfalt, sondern mehr durch bundesrechtliche Uniformität geprägt wird7. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG begründet eine umfassende Kompetenz für die Regelung der Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 1 Jarass/Pieroth/Pieroth, GG, Art. 72 Rz. 1. 2 BVerfG v. 9.6.2004 – 1 BvR 636/02, NJW 2004, 2363 (Ladenschlussgesetz). 3 Überblick bei Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Sannwald, GG, Art. 72 Rz. 1 ff. 4 BK/Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 14. 5 BK/Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 4 f. 6 Aufzählung bei Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 74 Rz. 134. 7 BK/Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 13. Groeger
47
150
Teil 1
Rz. 151
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
und erstreckt sich sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlichrechtliche Bestimmungen über abhängige Arbeitsverhältnisse1. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte, der in Verbindung mit der Staatspraxis bei der Auslegung der Art. 70 ff. GG besondere Bedeutung zukommt2. Zwar ist das Arbeitsrecht weitgehend Bundesrecht, aber der Bund hat seine Gesetzgebungsbefugnis nicht vollständig ausgeschöpft und das Arbeitsrecht ist bislang nicht erschöpfend kodifiziert3. bb) Gesetzgeberische Freiräume für die Länder 151
Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat4. Die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat, beantwortet sich in erster Linie aus dem jeweiligen Bundesgesetz selbst, in zweiter Linie aus dem hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck und schließlich aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien. Das gilt auch bei einem absichtsvollen Regelungsverzicht, der im Gesetz selbst keinen unmittelbaren Ausdruck finden kann5, oder einem beredten Schweigen des Gesetzes6. Ob der Gebrauch, den der Bund von seiner Kompetenz gemacht hat, abschließend ist, muss aufgrund einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes festgestellt werden7.
152
Damit rechtfertigt das Bestehen eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand für sich allein noch nicht die Annahme, dass die Länder von eigener Gesetzgebung über denselben Gegenstand ausgeschlossen wären; denn das Bundesgesetz kann noch Bereiche übrig lassen, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist8. Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist bzw. nach dem aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Nur dann tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für Regelungen der Länder mit der Folge ein, dass sie unwirksam sind, unabhängig
1 BVerfG v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BGBl. I, 4410 (Altenpflegegesetz); vgl. Jarass/ Pieroth/Pieroth, Art. 74 Rz. 28a. 2 BK/Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 16; BVerfG v. 12.3.2008 – 2 BvF 4/03, DVBl 2008, 507 (Hess. PrivatrundfunkG); BAG v. 21.6.2006 – 7 AZR 234/05, AP § 57a HRG Nr. 5. 3 BVerfG v. 11.4.2000 – 1 BvL 2/00, AP § 26 ArbGG 1979 Nr. 2; Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 74 Rz. 141. 4 BVerfG v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65 und 1 BvR 259/66, NJW 1975, 1265 (Arbeitnehmerkammern Bremen und Saarland). 5 ZB beim Unterlassen des Bundes zur Schaffung eines Arbeitsvertragsgesetzbuches, s. Gaul/Gaul, Aktuelles Arbeitsrecht, 2007, S. 363. 6 Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 72 Rz. 6. 7 Leibholz/Rinck, GG, Art. 72 Rz. 24. 8 Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 72 Rz. 10.
48 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 154
Teil 1
davon, ob sie den bundesrechtlichen Bestimmungen widersprechen oder sie nur ergänzen1. Ähnliche Abgrenzungsfragen stellen sich dann, wenn die Länder in dem ih- 153 nen ausschließlich vorbehaltenen Bereichen Gesetze erlassen, die auch für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Auswirkungen haben. Als Beispiele sind das Gaststättenrecht mit Rauchverboten sowie das Ladenschlussrecht mit der Regelung von Sonn- und Feiertagsarbeit zu nennen2. Beide Bereiche sind ausdrücklich in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG von der konkurrierenden Gesetzgebung ausgenommen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn zum Anliegen eines Landesnichtraucherschutzgesetzes auch der Schutz der Gesundheit des Gaststättenpersonals gemacht wird. Von dem Ziel des Schutzes der Gesamtbevölkerung durch ein Rauchverbot in Gaststätten müssen die Landesgesetzgeber die im Gastronomiegewerbe Beschäftigten nicht ausnehmen. Maßgebend für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern in Art. 74 GG ist der Gegenstand des Gesetzes und nicht das vom Gesetzgeber in den Blick genommene Gemeinwohlziel. Wirkt daher der angestrebte Schutz aller vor den Gefahren des Passivrauchens in Gaststätten auch zugunsten der dort Beschäftigten, so berührt dies hinsichtlich der Arbeitnehmer nicht die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Arbeitsschutz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Auch wenn insoweit die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG nicht eingreift, muss der Landesgesetzgeber allerdings den Vorrang des Bundesrechts nach Art. 31 GG beachten, wenn Regelungen des Bundesund des Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen3. cc) Abgrenzung vom bürgerlichen Recht Da der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG auch für das bürgerliche Recht 154 die konkurrierende Gesetzgebung hat, erkennt Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG das Arbeitsrecht als eine eigenständige Rechtsmaterie an. Kompetenzrechtlich steht das Arbeitsrecht selbständig neben dem bürgerlichen Recht4. Zwar enthält auch das BGB in den §§ 611 ff. einige wesentliche arbeitsrechtliche Regelungen, dennoch ist das Arbeitsrecht ganz überwiegend in Spezialgesetzen kodifiziert. Dies erklärt, warum das aus Art. 3, 55 und 218 EGBGB abgeleitete, für das bürgerliche Recht Geltung beanspruchende Kodifikationsprinzip5 für das Arbeitsrecht keine Bedeutung hat6. Nach diesem Prinzip besteht grundsätzlich die Vermutung der abschlie1 BVerfG v. 29.3.2000 – 2 BvL 3/96, BGBl. I 2000, 1000 (AbfG NW 1988); Leibholz/ Rinck, Art. 72 Rz. 21; Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 72 Rz. 11. 2 Löwisch, FS Otto, S. 317 ff. 3 BVerfG v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u.a., BGBl. I 2008, 1686. 4 BK/Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 17. 5 Vgl. MünchKomm/Säcker, BGB, 3. Aufl. 1999, Art. 124 EGBGB Rz. 1; Staudinger/ Merten, Vorbem. Art. 55–152 EGBGB Rz. 4. 6 BVerfG v. 22.4.1958 – 2 BvL 32/56, 2 BvL 34/56, 2 BvL 35/56, NJW 1958, 1179; BK/ Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 17. Groeger
49
Teil 1
Rz. 155
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
ßenden Kodifizierung eines Rechtsbereichs durch den Bund und sind privatrechtliche Vorschriften der Länder schlechthin, also nicht nur soweit sie dem BGB widersprechen, außerhalb der ausdrücklichen Vorbehalte des EGBGB unzulässig. Mithin entfaltet das im BGB ohnehin nur bruchstückhaft geregelte Arbeitsvertragsrecht einschließlich der gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB auch auf Arbeitsverträge anwendbaren §§ 305 ff. BGB keine Sperrwirkung zu Lasten landesrechtlicher Gesetze. Folglich kann, soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, nach Art. 72 Abs. 1 GG eines oder mehrere Länder auf dem Gebiet des Arbeitsrechts gesetzgeberisch tätig werden1. 155
Zum Beispiel waren die Länder nicht gehindert, Regelungen über die Wirksamkeit der Befristung von Arbeitsverträgen zu erlassen, durch die die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers eingeschränkt wurde2. Ob § 23 TzBfG, wonach besondere Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen nach anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben, neuen landesrechtlichen Regelungen entgegensteht, dürfte als offen anzusehen sein. Anders als Art. 1 Abs. 2 EGBGB lässt jedenfalls der Wortlaut von § 23 TzBfG den Erlass von (neuen) Regelungen gerade nicht zu3.
156
Auch das Kündigungsschutzrecht ist durch das KSchG und Regelungen zum besonderen Kündigungsschutz nicht abschließend kodifiziert. Den Ländern ist es daher nicht verwehrt, Personengruppen, bei denen sie einen weitergehenden Regelungsbedarf erkennen, einem besonderen Kündigungsschutz durch Landesgesetz zu unterstellen4. b) Zuständigkeiten für das öffentliche Dienstrecht
157
Neben der Abgrenzung des Arbeitsrechts iSv. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gegenüber dem bürgerlichen Recht ist auch die Abgrenzung gegenüber den Gesetzgebungszuständigkeiten für das öffentliche Dienstrecht erforderlich. aa) Bundesbedienstete iwS
158
Der Bund hat nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG die ausschließliche Gesetzgebung über die Rechtsverhältnisse der in seinem Dienst und im Dienst der bundesunmittelbaren Körperschaften5 des öffentlichen Rechts stehenden Personen. Die Gesetzgebungskompetenz erstreckt sich nicht lediglich auf Beamtenverhältnisse, sondern umfasst auch die Regelung arbeitsrecht-
1 BVerfG v. 15.12.1987 – 1 BvR 563/95, AP Art. 12 GG Nr. 62 (BildungsurlaubsG NW); Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 72 Rz. 34. 2 BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 707/00, AP § 72 LPVG NW Nr. 23. 3 Zur Bedeutung sog. „Unberührtklauseln“ s. Leibholz/Rinck, GG, Art. 72 Rz. 47, sowie Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 72 Rz. 38 jew. mwN. 4 BVerfG v. 11.4.2000 – 1 BvL 2/00, AP § 26 ArbGG 1979 Nr. 2; Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 74 Rz. 141 mwN. 5 Das Merkmal „Körperschaften“ ist extensiv auszulegen und umfasst auch bundesunmittelbare Anstalten und Stiftungen; vgl. BK/Höfling, Art. 73 Nr. 8 Rz. 39 ff.
50 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 161
Teil 1
licher Aspekte1. Auf dieser Grundlage war der Bund legitimiert, im Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen2 auch Regelungen für Arbeiter und Angestellte zu treffen (§§ 1, 3 Nr. 1 und 6). bb) Bedienstete anderer öffentlicher Rechtsträger Der Bund hatte darüber hinaus bis zum 31.8.2006 gemäß Art. 75 Abs. 1 159 Nr. 1 GG auch das Recht, Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen zu erlassen3. Ihm steht seit dem 1.9.2006 nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG nur noch das Recht zu, die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern zu regeln4. cc) Folgerungen für das Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 und Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG waren weitgehend spiegel- 160 bildlich konzipiert5. Auch zu den Rechtsverhältnissen der im öffentlichen Dienst stehenden Personen iSv. Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG gehörten daher nach allgemeiner Ansicht6 auch die Arbeitsverhältnisse der Arbeiter und Angestellten. Die ersatzlose Aufhebung der Rahmengesetzgebungskompetenz erfasst auch die Rahmengesetzgebungskompetenz für die Arbeitsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen7. Sofern der Bund insoweit nicht eine geschriebene oder ungeschriebene8 Gesetzgebungskompetenz hat, steht sie nach Art. 70 Abs. 1 GG den Ländern zu. Dem reinen Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nach lässt sich eine Ge- 161 setzgebungskompetenz des Bundes für die Arbeitsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Arbeitnehmer unschwer dieser Bestimmung entnehmen. Dabei bliebe aber die bei der Auslegung der Kompetenzbestimmungen wichtige Entstehungsgeschichte9 außer Betracht. Die für 1 BK/Höfling, Art. 73 Nr. 8 Rz. 7, zur Entstehungsgeschichte Rz. 2; Sachs/Degenhart, GG, Art. 73 Rz. 43; Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 73 Rz. 28; aA Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 73 Rz. 108, der sich auf BVerfGE 51, 43, 55 und 38, 281, 299 beruft. 2 BGBl. I 1950, 207. 3 Zu den Grenzen der Rahmengesetzgebungskompetenz allgemein s. BVerfG v. 27.7.2004 – 2 BvF 2/02, NJW 2004, 2803 Rz. 136 ff. (Juniorprofessur). 4 Dazu Sachs/Degenhart, GG, Art. 74 Rz. 112 ff.; Bochmann, ZBR 2007, 1. 5 BK/Höfling, Art. 73 Nr. 8 Rz. 6. 6 Dreier/Stettner, GG, 1998, Art. 75 Rz. 19; Bothe in: AK-GG, Art. 75 Rz. 5; v. Mangoldt/Klein/Starck/Rozek, GG, Art. 75 Rz. 30; von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2003, Art. 75 Rz. 15; Maunz/Dürig/Maunz, GG, Art. 75 Rz. 62. 7 BK/Degenhart, Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 Rz. 14. 8 Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 70 Rz. 5. 9 Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 70 Rz. 6. Groeger
51
Teil 1
Rz. 162
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
die freigewordenen Kompetenztitel des Art. 75 GG notwendige Umverteilung war Auslöser für eine umfassende Neuordnung der Kompetenzkataloge der konkurrierenden und der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes1. Da Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG den Bund nur noch zu Regelungen der Statusrechte von Beamten iSv. Art. 33 Abs. 4 GG2 und Richtern legitimiert, liegt darin sowohl eine personelle als auch eine sachlich inhaltliche Einschränkung der bisherigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Verhältnis zur früheren Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG, auch wenn der Bund in dem in dieser Hinsicht eingeschränkten Bereich nunmehr nicht mehr nur Rahmen-, sondern Vollregelungen schaffen kann. Nach der systematischen Auslegung spricht der Vergleich von Art. 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 27 GG mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG, wonach der Bund nach wie vor die Gesetzgebungskompetenz für alle Rechtsverhältnisse der in seinem Dienst stehenden Personen hat, dafür, dass das Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes der Länder in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder verlagert worden ist3. Dass dem Bund über Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG statt der bisherigen Rahmen- nunmehr eine Vollgesetzgebungskompetenz auch für die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienstes der Länder, Gemeinden und sonstigen öffentlichen Körperschaften stehenden Arbeitnehmer zustehen soll, ist fern liegend. Für das Personalvertretungsrecht, das von der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ausdrücklich erwähnten Betriebsverfassung zu unterscheiden ist, ist der Entfall der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht zweifelhaft4. 162
Gesetze, die nur für den von Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG erfassten Personenkreis gelten, sind auch dann, wenn es sich um Gesetze des Privat- oder des Arbeitsrechts handelt, nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 oder 12 GG zu stützen, sondern allein auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG5. Kompetenzrechtlich ist also zwischen dem allgemeinen Arbeitsrecht und dem speziell auf die Belange des öffentlichen Dienstes zugeschnittenen Arbeitsrecht6 zu unterscheiden7. Dies gilt auch umgekehrt für die Einordnung eines unter eine 1 2 3 4 5
Dazu allg. J. Ipsen, NJW 2006, 2801; Mayen, DRiZ 2007, 51. BK/Degenhart, Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 Rz. 15. Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 74 Rz. 28. RDW/Richardi, Einl. Rz. 16. Eindeutig v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl. 1996, Art. 74 Rz. 812, Art. 73 Rz. 522, Art. 75 Rz. 189; wohl auch BK/Höfling, Art. 73 Nr. 8 Rz. 7; BK/Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 19, jew. mwN; v. Mangoldt/Klein/Starck/ Oeter, GG, Art. 74 Rz. 113; aA (Vorrang von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12) v. Mangoldt/ Klein/Starck/Heintzen, Art. 73 Rz. 79. 6 BK/Axer, Art. 74 Nr. 12 Rz. 19; Maunz/Dürig/Maunz, Art. 75 Rz. 62, Art. 74 Rz. 166; ebenso Isensee/Kirchhof/Rengeling, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1990, § 100 Rz. 264; Benda/Hesse/Heyde/Isensee, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 32 Rz. 77, zieht daraus sogar den Schluss, dass der Gesetzgeber durch Art. 75 Nr. 1 GG gegenüber den Tarifvertragsparteien berechtigt ist, die Entscheidung über dienstrechtliche Angelegenheiten über ein ius evocandi an sich zu ziehen; einschränkend Adam, ZTR 2006, 185 ff. 7 DFL/Hofmann/Wahlhäuser, 2008, Art. 72, 74 GG Rz. 9; aA jedoch Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 73 Rz. 108, der ohne Berücksichtigung der
52 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 164
Teil 1
Kompetenznorm zu subsumierenden Gesetzes. Insoweit ist danach zu fragen, ob es sich um ein allgemeines, für alle Arbeitnehmer geltendes Gesetz oder um ein den Belangen des öffentlichen Dienstes Rechnung tragendes Gesetz handelt1. Diese Unterscheidung ist zwar in erster Linie für die Gesetzgebungspraxis 163 entscheidend, sie hat aber auch Bedeutung für die Rechtsanwendung. Der Bund hat sich der Schaffung gesetzlicher Regelungen auf der Grundlage von Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG für eigene Arbeitnehmer bislang weitgehend enthalten und das Feld den Tarifvertragsparteien überlassen. § 191 BBG bestimmt, dass die Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes und bundesunmittelbarer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts stehenden Angestellten und Arbeiter durch Tarifvertrag geregelt werden. Diese vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 3 GG (dazu unten Rz. 176 ff.) deklaratorische Regelung ist eine bewusste Abgrenzung gegenüber dem Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen, das sowohl für Beamte als auch für Arbeitnehmer des Bundes galt2. Der Bund ist aber weder durch § 191 BBG noch durch Art. 9 Abs. 3 GG daran gehindert, auf der Grundlage seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG spezielle gesetzliche Regelungen, zumindest für einzelne Bereiche des öffentlichen Dienstes, zu erlassen. Diese können von allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen abweichen3. Die Länder, für die insoweit nichts anderes gilt, haben bereits mehrfach von der ihnen zustehenden Gesetzgebungskompetenz für die Bediensteten des öffentlichen Dienstes Gebrauch gemacht4. § 168 UmwG ermöglicht den Ländern, in einem speziellen Privatisierungsgesetz die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Ausgliederung abweichend von den ansonsten zwingenden Regelungen des Umwandlungsgesetzes zu bestimmen5.
1
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Änderungen der Kompetenztitel durch die Föderalismusreform 2006 die Rechtsverhältnisse der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes des Bundes als nicht von Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 erfasst ansieht und den vom BVerfG in BVerfGE 38, 281, 299 verwendeten Begriff des „öffentlichen Arbeitsrechts“ mit dem Begriff des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst gleichsetzt. Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 70 Rz. 7; nach Ansicht des BAG soll Art. 75 Nr. 1 GG nur den „Teilbereich“ des Rechts erfasst haben, den „die nichtbeamteten Behördenbediensteten mit den Beamten gemeinsam haben“ BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245 (249 f.). BGBl. I 1950, 207, §§ 1, 3 Nr. 1, 6; vgl. Battis, BBG, 3. Aufl. 2004, § 191 Rz. 2. So sieht bspw. das Förderbankenneustrukturierungsgesetz (BGBl. I 2003, S. 1657), mit dem die DtA ohne Abwicklung aufgelöst und das gesamte Vermögen ohne Abwicklung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die KfW übertragen worden ist, in § 4 Abs. 1 nur eine entsprechende Anwendung des § 613a Abs. 1–4 BGB, nicht aber der Abs. 5 und 6 vor. BAG v. 8.5.2001 – 9 AZR 95/00, AP § 613a BGB Nr. 219; v. 28.9.2006 – 8 AZR 441/05, AP § 419 BGB Funktionsnachfolge Nr. 26; v. 10.5.2007 – 2 AZR 263/06, AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; § 10 des 2. Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in NRW v. 30.10.2007, GVBl. NW 2007, 482, dazu VG Düsseldorf v. 16.11.2007 – 34 L 1750/07.PVL, juris. WHSS/Willemsen, Kap. B Rz. 85a; HWK/Willemsen, § 613a BGB Rz. 193 kritisch demgegenüber Kamm/Trümner, ArbuR 2007, 336; Kirmse, NJW 2006, 3325 (StifGroeger
53
164
Teil 1
Rz. 165
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
165
Nachdem der Bund seine Rahmengesetzgebungskompetenz insgesamt, also auch für das Hochschulrecht, eingebüßt hat und die Länder auch insoweit eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz haben, als das GG dem Bund nicht punktuell Gesetzgebungszuständigkeiten verleiht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 und 33 GG), sind durch das WissZeitVG die Befristungsregelungen aus dem HRG herausgelöst und in diesem Bundesgesetz verankert worden1. Dass ihm hierfür die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zusteht, wird überwiegend, zumeist ohne nähere Begründung, bejaht; dagegen bestehen Bedenken2.
166
Das WissZeitVG regelt die Rechtsverhältnisse des wissenschaftlichen und künstlerischen sowie bei der Drittmittelfinanzierung auch des sonstigen Personals von Einrichtungen, die weit überwiegend in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen und damit dem öffentlichen Dienst im engeren Sinne (dazu oben Rz. 3, 28 ff.) angehören3. Es verdrängt nach § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze über befristete Arbeitsverträge, soweit diese den §§ 2 bis 6 widersprechen4. Diesen gegenüber ist es lex specialis. Umstritten ist, ob es auch für die nach Landesrecht staatlichen Hochschulen eigene Personalkategorien bildet, jedenfalls ist unklar, ob den jeweiligen Landesgesetzgebern noch das Recht zusteht, diese Kategorien zu modifizieren oder zu ergänzen5.
167
Für die Einordnung eines Gesetzes kommt es auf den unmittelbaren oder den Hauptzweck, den Kern, das Spezifische bzw. Spezielle der Regelung an6. Teilweise wird auf den Schwerpunkt der gesetzlichen Regelung abge-
1 2
3 4 5
6
tungen des öffentlichen Rechts als Träger von Wissenschafts- und Kultureinrichtungen). Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, Vorbem. WissZeitVG Rz. 5. Vgl. BK/Degenhart, Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 Rz. 17; Jarass/Pieroth, Art. 74 Rz. 28; krit. auch Löwisch, NZA 2004, 1065 ff.; unklar jedoch DFL/Löwisch, Einl. WissZeitVG Rz. 1 und § 1 WissZeitVG Rz. 3; bejahend BAG v. 21.6.2006 – 7 AZR 234/05, AP § 57a HRG Nr. 5 für das vor Inkrafttreten der Föderalismusreform ergangene Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich (HdaVÄndG) v. 27.12.2004, v. 30.3.1994 – 7 AZR 229/93, AP § 57a HRG Nr. 1 für das Hochschulrahmengesetz v. 14.6.1985; Preis, WissZeitVG, 2008, Einl. Rz. 40 („kann niemand ernsthaft als unzulässigen Übergriff in landesrechtliche Kompetenzen begreifen“) und § 1 Rz. 7; APS/Schmidt, § 1 WissZeitVG Rz. 33; ErfK/Müller-Glöge, § 1 WissZeitVG Rz. 2; DFL/Schüren, § 23 TzBfG Rz. 10; Lindner, NVwZ 2007, 180; ArbG Freiburg v. 9.12.2008 – 3 Ca 379/08, ZTR 2009, 335; vgl. auch Dieterich/Preis, NZA 2004, 1240. Lindner, NVwZ 2007, 180, spricht von „wissenschaftsspezifische(m) Arbeitsrecht“. DFL/Löwisch, § 1 WissZeitVG Rz. 3, bezeichnet es treffend als „arbeitsrechtsfest“. Vgl. Preis, WissZeitVG, § 1 Rz. 7, 9 f., 22, deutlich im Vorwort: „Diese Personalkategorien müssen unter ein Bundesgesetz, das WissZeitVG, subsumiert werden. Wer dies für falsch hält, muss vertreten, dass auch die arbeitsrechtliche Bundeskompetenz nach Art. 74 Nr. 12 GG auf die Länder übertragen worden sei.“; ArbG Freiburg v. 9.12.2008 – 3 Ca 379/08, ZTR 2009, 335. Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 70 Rz. 7 mwN auf die Rspr. d. BVerfG.
54 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 167
Teil 1
stellt1. Kommt die Zugehörigkeit eines Regelungskomplexes, der aus unterschiedlichen Teilregelungen besteht, zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, so ist aus dem Regelungszusammenhang zu erschließen, wo sie ihren Schwerpunkt haben. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und ein dementsprechend geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung spricht regelmäßig für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung2. Allein weil §§ 3–5 WissZeitVG für wissenschaftliches Personal, das nicht im Dienst eines Landes steht, die §§ 1, 2 und 6 für entsprechend anwendbar erklärt, erhält das WissZeitVG nicht den Charakter eines allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetzes. Vielmehr sprechen sowohl die Regelung dieser Materie außerhalb des TzBfG als auch die durch § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitVG normierte Verdrängung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze über befristete Arbeitsverträge und schließlich die Verweisungstechnik innerhalb des WissZeitVG dafür, dass es sich seinem Hauptzweck nach um ein spezifisch den Belangen der nach Landesrecht staatlichen Hochschulen Rechnung tragendes Gesetz handelt3. Zwar handelt es sich um arbeitsrechtliche Regelungen, jedoch für Einrichtungen des Bildungswesens, die nach der föderalen Struktur weit überwiegend Einrichtungen der Länder sind4. Das BVerfG stellt für die kompetenzrechtliche Zuordnung neben dem unmittelbaren Regelungsgegenstand und dem Normzweck auf die Wirkung und den Adressaten der zuzuordnenden Norm ab5. Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs, die lediglich eine punktuelle Inanspruchnahme „fremder“ Gesetzgebungskompetenz erlaubt6, wird aus den genannten Gründen argumentativ kaum vertretbar sein7. Insoweit kommt es darauf an, ob der Bund nach Art. 125a Abs. 1 GG eine Änderungskompetenz für das als Bundesrecht fortgeltende HRG idF des HdaVÄndG hat8 und, bejahendenfalls, ob sich die Änderungen im zulässigen Rahmen halten9. Letzteres ist deswegen zweifelhaft, weil in den Kommentierungen einhellig betont wird, dass das WissZeitVG das bisherige Recht nicht unwesentlich10 bzw. gravierend11 geändert hat.
1 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Sannwald, Art. 70 Rz. 29 mwN auf die Rspr. d. BVerfG. 2 BVerfG v. 17.2.1998 – 1 BvF 1/91, NJW 1998, 1627. 3 AA Kortstock, ZTR 2007, 2 (3 f.). 4 Dies übersehen Preis/Ulber, FS Otto, S. 391 (394 f.). 5 BVerfG v. 12.3.2008 – 2 BvF 4/03, DVBl 2008, 507. 6 Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 70 Rz. 9 mwN zur Rspr. des BVerfG. 7 Bejahend jedoch Lindner, NVwZ 2007, 180 für die „Aufhebungkompetenz des Bundes kraft zeitlichen Annexes“. 8 Dazu einerseits Maunz/Dürig/Uhle, GG, 2006, Art. 125a Rz. 27; andererseits Sachs/Degenhart, GG, Art. 125a Rz. 7. 9 Dazu Maunz/Dürig/Uhle Art. 125a Rz. 28; zum insoweit nicht unmittelbar einschlägigen Art. 125a Abs. 2 GG vgl. BVerfG v. 9.6.2004 – 1 BvR 636/02, NJW 2004, 2363. 10 ErfK/Müller-Glöge, § 1 WissZeitVG Rz. 3. 11 DFL/Löwisch, Einl. WissZeitVG Rz. 1. Groeger
55
Teil 1
Rz. 168
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
2. Freiheit, Bindungen und Gestaltungsspielräume der Gesetzgeber 168
Die Gesetzgebung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Die verfassungsmäßige Ordnung iSv. Art. 20 Abs. 3 GG umfasst lediglich die Gesamtheit der gültigen Bestimmungen des GG und ggf. der Landesverfassungen1 und ist daher abzugrenzen von dem in Art. 2 Abs. 1 GG verwandten Begriff, worunter der Inbegriff aller formell und materiell verfassungsmäßigen Rechtssätze, also die gesamte verfassungsmäßige Rechtsordnung verstanden wird2. Die Gesetzgebung ist bei der Ausübung ihrer Befugnis somit nicht an bestehende einfache Gesetze, die unter dem immanenten Vorbehalt ihrer auch rückwirkenden Änderung stehen, sondern nur an höherrangiges Recht gebunden3. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung spielt bei der Auslegung von Normen eine Rolle, er bindet aber nicht den Gesetzgeber, auch wenn Richtschnur seines Handelns sein sollte, Gesetze zu erlassen, die sich widerspruchsfrei in die bestehende Rechtsordnung einfügen. Die Landesgesetzgeber haben freilich auch Art. 31 GG zu beachten (siehe oben Rz. 60, 154). a) Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers
169
Im Rahmen der Zuständigkeit (siehe oben Rz. 149 ff.) ist die Gesetzgebung insoweit grundsätzlich frei, als für sie kein Vorbehalt der Verfassung gilt. Gesetzgebung besteht zwar auch, aber nicht nur im Vollzug oder der Umsetzung verfassungsrechtlicher – und gemeinschaftsrechtlicher – Vorgaben. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Begrenzungen (Vorrang der Verfassung) und der Vorgaben des Europarechts ist die Gesetzgebung jedoch zu freier Gestaltung berufen, auch weil sie sich auf die demokratische Legitimation der Gesetzgebungsorgane stützen kann4.
170
Aus Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG folgt, dass es den Ländern verwehrt ist, bei Fortbestand einer bundesrechtlichen Regelung einzelne Vorschriften zu ändern. Die andernfalls entstehende Mischlage aus Bundes- und Landesrecht für ein und denselben Regelungsgegenstand im selben Anwendungsbereich wäre im bestehenden System der Gesetzgebung ein Fremdkörper5. b) Gestaltungsverpflichtung des Gesetzgebers
171
Andererseits kann der Gesetzgeber auch verpflichtet sein, von einer Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch zu machen.
172
Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG darf nicht dazu führen, dass eine sachlich gebotene oder politisch gewollte Neuregelung nur deshalb unterbleibt, weil der 1 2 3 4
Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rz. 101. Sachs/Murswiek, GG, Art. 2 Rz. 89. Sachs/Siekmann, GG, Art. 109 Rz. 38. Sachs/Sachs, GG, Art. 20 Rz. 99 unter Hinweis auf BVerfG v. 14.7.1998 – 1 BvR 1640/97, NJW 1998, 2515. 5 BVerfG v. 9.6.2004 – 1 BvR 636/02, NJW 2004, 2363; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 125a Rz. 8; aA Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Maiwald, Art. 125a Rz. 7 (Teilersetzung möglich).
56 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 175
Teil 1
Bund sie nicht vornehmen darf, er aber nicht bereit ist, die Materie den Ländern durch Freigabe zur Regelung zu überlassen. Das in Art. 125a Abs. 2 Satz 2 GG dem Bund eingeräumte Ermessen ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes bundes- und länderfreundlichen Verhaltens entsprechend eingeschränkt. Reicht die bloße Modifikation der Regelung aufgrund sachlicher Änderungen nicht mehr aus oder hält der Bund aus politischen Erwägungen eine Neukonzeption für erforderlich, so verengt sich der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers beim Fehlen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG dahingehend, dass er die Länder zur Neuregelung zu ermächtigen hat1. Der Staat als tariffähiger Arbeitgeber kann sich nicht ohne gesetzliche Re- 173 gelung mit dem zwangsweise angeordneten Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen eines Mittels bedienen, das ihm nur als Hoheitsträger zu Gebote steht. Soll der Staat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber mit Hilfe des Beamtenrechts mit besonderen Kampfmitteln gegenüber den Gewerkschaften ausgestattet werden, so muss dies in einem offenen, durch entsprechende Verfahrensgarantien flankierten Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich geregelt werden2. c) Bindungen an Grundrechte Zu den Bindungen des Gesetzgebers gehören vor allem die Grundrechte3, insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 34 und Art. 12 Abs. 1 GG. Sie schützen nicht nur vor unzulässigen Eingriffen, sondern können auch gesetzgeberische Maßnahmen gebieten5. Bei der Auslegung von Rechtsvorschriften ist die Schutzfunktion von Grundrechten zu berücksichtigen6.
174
aa) Art. 9 Abs. 3 GG – Tarifautonomie Das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG schützt zum einen den Einzel- 175 nen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder sie zu verlassen. Geschützt ist zum anderen auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese 1 BVerfG v. 9.6.2004 – 1 BvR 636/02, NJW 2004, 2363; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 125a Rz. 11. 2 BVerfG v. 2.3.1993 – 1 BvR 1213/85, NJW 1993, 1379; vgl. aber auch BVerfG v. 7.11.1994 – 2 BvR 1117/94 u.a., AP Art. 9 GG Nr. 144. 3 Oetker, RdA 2004, 8 ff. 4 BVerfG v. 29.2.2004 – 1 BvR 2582/03 u.a., AP § 3 AEntG Nr. 2; v. 3.4.2001 – 1 BvL 32/97, AP § 10 BUrlG Kur Nr. 2; BVerG v. 27.4.1999 – 1 BvR 2203/93, AP Art. 9 GG Nr. 88; s. auch Anm. von Ehmann/Lambrich zu BAG v. 17.11.2000 – 1 AZR 175/00, AP § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt Nr. 14; ferner Waltermann, RdA 2007, 257. 5 Näher Sachs/Sachs, GG, vor Art. 1 Rz. 35 ff.; Sachs/Murswiek, GG, Art. 2 Rz. 24 ff. 6 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, AP § 307 BGB Nr. 27; v. 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 1. Groeger
57
Teil 1
Rz. 176
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen1. Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht. Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht etwa von vorneherein auf den Bereich des Unerlässlichen beschränkt. Der Grundrechtsschutz erstreckt sich vielmehr auf alle Verhaltensweisen, die koalitionsspezifisch sind. Ob eine koalitionsspezifische Betätigung für das Wahrnehmen der Koalitionsfreiheit unerlässlich ist, kann erst bei Einschränkungen dieser Freiheit Bedeutung erlangen2. 176
Die Koalitionsfreiheit ist auch den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst gewährleistet, und zwar unabhängig davon, ob sie hoheitliche oder andere Aufgaben erfüllen. Art. 33 Abs. 4 GG steht dem nicht entgegen. Er sichert die Kontinuität hoheitlicher Funktionen des Staates, indem er als Regel vorsieht, dass ihre Ausübung Beamten übertragen wird, verbietet jedoch nicht generell, dafür auch Arbeitnehmer einzusetzen. Mit der grundrechtlichen Garantie der Tarifautonomie wird ein Freiraum gewährleistet, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegensätze in eigener Verantwortung austragen können. Diese Freiheit findet ihren Grund in der historischen Erfahrung, dass auf diese Weise eher Ergebnisse erzielt werden, die den Interessen der widerstreitenden Gruppen und dem Gemeinwohl gerecht werden, als bei einer staatlichen Schlichtung. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit kann sich unter diesen Umständen aber nicht darauf beschränken, den einzelnen Grundrechtsträger vor staatlichen Eingriffen in individuelle Handlungsmöglichkeiten zu schützen; es hat vielmehr darüber hinaus die Beziehung zwischen Trägern widerstreitender Interessen zum Gegenstand und schützt diese auch insoweit vor staatlicher Einflussnahme, als sie zum Austrag ihrer Interessengegensätze Kampfmittel mit beträchtlichen Auswirkungen auf den Gegner und die Allgemeinheit verwenden. Soweit es um das Verhältnis der Kampfparteien als gleichgeordnete Grundrechtsträger geht, muss die notwendige Ausformung des Arbeitskampfrechts durch die Rechtsordnung nicht zwingend durch gesetzliche Regelungen erfolgen. Für die Zulässigkeit des Einsatzes von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen ist hingegen eine gesetzliche Regelung zwingend erforderlich. Soll mit Hilfe des Beamtenrechts auch der Staat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber mit besonderen Kampfmitteln gegenüber den Gewerkschaften ausgestattet werden, so muss dies in einem offenen, durch entsprechende Verfahrensgarantien flankierten Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich geregelt werden3.
177
Art. 9 Abs. 3 GG verleiht den Tarifvertragsparteien in dem für tarifvertragliche Regelungen zugänglichen Bereich zwar ein Normsetzungsrecht, aber kein Normsetzungsmonopol. Deshalb bleibt auch der Gesetzgeber befugt, das Arbeitsrecht zu regeln. Damit verbundene Beeinträchtigungen der Ta1 BVerfG v. 6.2.2007 – 1 BvR 978/05, NZA 2007, 394. 2 Zustimmend BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 396/06, NZA 2007, 2038. 3 BVerfG v. 2.3.1993 – 1 BvR 1213/85, NJW 1993, 1379.
58 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 180
Teil 1
rifautonomie sind verfassungsgemäß, wenn der Gesetzgeber mit ihnen den Schutz der Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Belange bezweckt und wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren1. Beispielsweise hat das Ziel, die Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen, auf- 178 grund des Sozialstaatsprinzips Verfassungsrang, weil der Abbau von Arbeitslosigkeit auch den zuvor Arbeitslosen ermöglicht, von ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG Gebrauch zu machen und sich durch Arbeit in ihrer Persönlichkeit zu entfalten und darüber Achtung und Selbstachtung zu erfahren2. Der Gesetzgeber darf auch die Ordnungsfunktion der Tarifverträge dadurch unterstützen, dass er Regelungen schafft, die bewirken, dass die von den Tarifparteien ausgehandelten Löhne und Gehälter auch für Nichtverbandsmitglieder zur Anwendung kommen. Indem den Tarifentgelten zu größerer Durchsetzungskraft verholfen wird, wird die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch Koalitionen abgestützt3. Soweit der Gesetzgeber Gesetze erlässt, ist er vor dem Hintergrund des 179 Art. 9 Abs. 3 GG selbstverständlich auch befugt, den Tarifvertragsparteien Regelungsspielräume entweder ganz zu belassen (zB § 191 BBG) oder zu eröffnen (zB § 22 Abs. 2 TzBfG) oder die Kontrolle tarifvertraglicher Regelungen zurückzunehmen (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB). Daher ist auch § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 WissZeitVG, wonach durch Tarifvertrag für bestimmte Fachrichtungen und Forschungsbereiche von den in § 2 Abs. 1 WissZeitVG vorgesehenen Fristen abgewichen und die Anzahl der zulässigen Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge festgelegt werden kann, verfassungsrechtlich unbedenklich, auch wenn damit genuin hochschulrechtliche Fragen berührt werden4. Umstritten ist, ob durch ein Gesetz die Vergütungen für Tarifbeschäftigte geregelt werden können oder ob damit in die Tarifautonomie eingegriffen wird5. bb) Art. 3 Abs. 1 GG – Allgemeiner Gleichheitssatz Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt in der Tatsache allein, dass ein 180 Landesgesetz von verwandten Regelungen in anderen Ländern oder des Bundes abweicht. Mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland ist ein Landesgesetzgeber nur gehalten, in seinem Herrschaftsbereich den allgemeinen Gleichheitssatz zu wahren. Steht 1 BVerfG v. 24.4.1996 – 1 BvR 712/86, AP § 57a HRG Nr. 2; v. 29.12.2004 – 1 BvR 2283/03, 1 BvR 2504/03 und 1 BvR 2582/03, AP § 3 AEntG Nr. 2. 2 BVerfG v. 29.2.2004 – 1 BvR 2582/03 u.a., NZA 2005, 153 (154); v. 3.4.2001 – 1 BvL 32/97, AP § 10 BUrlG Kur Nr. 2; s. auch die Anm. von Ehmann/Lambrich zu BAG v. 17.11.2000 – 1 AZR 175/00, AP § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt Nr. 14. 3 BVerfG v. 20.3.2007 – 1 BvR 1047/05, MDR 2007, 959. 4 Vgl. Löwisch, FS Otto, S. 317 (321 f.). 5 Zum Gesetz über Einkommensverbesserungen für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst des Landes Hessen (GEVerbTöD) v. 15.11.2007 (GVBl. I S. 751) s. Rieble/Leitmeier, ZTR 2008, 237 sowie Weiss/Schmidt, NZA 2008, 18. Groeger
59
Teil 1
Rz. 181
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
einem Land die Gesetzgebungsbefugnis zu, so hängt die Gültigkeit einer von ihm erlassenen Vorschrift nicht davon ab, ob andere Landesgesetzgeber oder der Bund eine gleichartige Regelung getroffen haben1. Eine Verpflichtung eines Bundeslandes, seine Arbeitnehmer mit vergleichbaren Arbeitnehmern anderer Bundesländer gleich zu behandeln, wird auch vom BAG abgelehnt2. Die Kompetenzverteilung als solche, die Ausdruck des Bundesstaatsprinzips ist, rechtfertigt unterschiedliche Regelungen, zumal Adressat des Art. 3 GG nur der jeweilige Normgeber in seinem Zuständigkeitsbereich ist3. 181
Darauf, dass die Länder über unterschiedliche Finanzkraft verfügen4, hat das BVerfG entscheidend abgestellt zur Rechtfertigung unterschiedlicher tariflicher Regelungen in den alten Bundesländern und im Beitrittsgebiet.
182
Der in § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG erwähnte und dem Privatrecht zuzuordnende5 arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist demgegenüber, auch wenn seine Herleitung im Einzelnen unklar ist6, kein höherrangiges Recht. Auch er bindet den Träger eines Ordnungs- und Regelungsbereiches lediglich in dessen eigenem Zuständigkeitsbereich und enthält kein Gebot zur einheitlichen Behandlung von Arbeitnehmergruppen in unterschiedlichen Ordnungs- oder Regelungsbereichen. Ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungs- und Regelungsbereichen brauchen auch unter der Geltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht gleich geregelt zu werden7. Daraus folgt bspw., dass er im Verhältnis zwischen Beamten und Arbeitnehmern desselben Dienstherrn bzw. Arbeitgebers nicht anwendbar ist. Er gebietet auch nicht, dass Beamte und Angestellte, die die gleiche Tätigkeit ausüben, in gleicher Weise besoldet bzw. vergütet werden8.
183
Mit dieser Rechtsprechung verträgt sich nicht die Entscheidung des Großen Senats des BAG, wonach Art. 75 Nr. 1 GG nur den „Teilbereich“ des Rechts erfasst habe, den „die nichtbeamteten Behördenbediensteten mit den Beamten gemeinsam haben“9. Ist es den Tarifvertragsparteien und dem Gesetzgeber einerseits gestattet, auf beamtenrechtliche Bestimmungen arbeitsrechtlich Bezug zu nehmen, so sind sie dazu andererseits nicht verpflichtet. Ferner sprechen bereits die unterschiedlichen Gesetzgebungszuständigkeiten dafür, dass das allgemeine Arbeitsrecht und das Arbeits1 BVerfG v. 26.10.2005 – 1 BvR 396/98, BGBl. I 2005, 3726; v. 30.5.1972 – 2 BvL 41/71, BVerfGE 33, 224. 2 BAG v. 15.11.2005 – 9 AZR 209/05, AP § 50 BAT Nr. 18; v. 29.1.1986 – 4 AZR 465/84, AP §§ 22, 23 BAT 1975 Nr. 115. 3 ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rz. 15 ff.; HWK/Hergenröder, 3. Aufl., Art. 3 GG Rz. 19. 4 BVerfG v. 9.8.2000 – 1 BvR 514/00, NJW 2000, 3555. 5 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 572. 6 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 181; DFL/Kamanabrou, § 611 BGB Rz. 285. 7 DFL/Kamanabrou, § 611 BGB Rz. 303. 8 BAG v. 17.6.1993 – 6 AZR 620/92, AP § 2 BeschFG 1985 Nr. 32; v. 20.3.2002 – 4 AZR 90/01, AP §§ 22, 23 BAT 1975 Nr. 289; v. 3.4.2003 – 6 AZR 633/01, AP § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 185; LAG Hamburg v. 5.9.2002 – 7 Sa 39/02, juris. 9 BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245 (249 f.).
60 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 185
Teil 1
recht des oder für Teile des öffentlichen Dienstes inhaltlich nicht gleich geregelt werden müssen. Ihnen ist die Möglichkeit eigenständiger gesetzlicher Regelungen für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes immanent. Abweichungen vom allgemeinen Arbeitsrecht bedürfen lediglich einer verfassungsrechtlich haltbaren Rechtfertigung, bspw. dass sie durch Besonderheiten des öffentlichen Dienstes gerechtfertigt sind. Die Gesetzgeber von Bund und Ländern haben insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum. Für die Gesetzgebung gilt kein Vorbehalt, sondern nur der Vorrang der Verfassung. Daraus folgt, dass speziell für den öffentlichen Dienst geltende arbeitsrechtliche Regelungen höherrangigem Recht entsprechen müssen. Soweit jedoch für die im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer keine speziellen gesetzlichen Vorschriften gelten, gelten die auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erlassenen allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetze. d) Weitere verfassungsimmanente Bindungen aa) Art. 33 Abs. 5 GG – Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Be- 184 rücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Die für den Kerngehalt der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums geltende Pflicht versperrt dem Gesetzgeber den Weg für tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Solange jedoch eine strukturelle Veränderung an den für das Erscheinungsbild und die Funktion des Berufsbeamtentums wesentlichen Regelungen nicht vorgenommen wird, steht Art. 33 Abs. 5 GG einer Weiterentwicklung des Beamtenrechts nicht entgegen. In der Pflicht zur Berücksichtigung ist vielmehr eine Entwicklungsoffenheit angelegt, die den Gesetzgeber in die Lage versetzt, die Ausgestaltung des Dienstrechts den jeweiligen Entwicklungen der Staatlichkeit anzupassen und das Beamtenrecht damit „in die Zeit“ zu stellen1. Soweit sich der Dienstherr der Möglichkeit bedient, Bedienstete im Ar- 185 beitsverhältnis einzustellen, ist er diesen besonderen institutionellen Vorgaben nicht unterworfen, die das Grundgesetz mit der Einrichtung des Berufsbeamtentums verbindet2. Da Arbeitnehmer und Beamte unterschiedlichen Ordnungs- und Regelungsbereichen angehören und ihre Beschäftigungsverhältnisse derart wesentliche Unterschiede aufweisen, dass sie nicht miteinander verglichen werden können, besteht auch nicht mittelbar über den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz eine Verpflichtung zur Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums oder einfachgesetzlicher beamtenrechtlicher Regelungen3. Umgekehrt ist auch der Besoldungsgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht
1 BVerfG v. 19.9.2007 – 2 BvF 3/02, BGBl. I, 2379. 2 BVerfG v. 19.9.2007 – 2 BvF 3/02, BGBl. I, 2379. 3 BAG v. 15.11.2005 – 9 AZR 209/05, AP § 50 BAT Nr. 18 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 197; DFL/Kamanabrou, § 611 BGB Rz. 303; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 600. Groeger
61
Teil 1
Rz. 186
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
verpflichtet, bei Anpassungen der Bezüge eine strikte Parallelität zu den Tarifergebnissen des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten1. 186
Das Recht des öffentlichen Dienstes iSv. Art. 33 Abs. 5 GG erfasst nach herrschender Meinung nicht das Recht der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes2. Die Rechtsprechung des BVerfG hebt allerdings zur Begründung, warum der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gleich zu behandeln, auf die nach derzeitigem Recht bestehenden Unterschiede ab3. Das lässt aber zumindest den Schluss zu, dass, solange auf der Ebene des einfachen Rechts diese Unterschiede bestehen, die Gesetzgeber auch weiterhin bei der gesetzlichen Regelung von Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht an die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gebunden sind. bb) Art. 20 Abs. 2 GG – Demokratieprinzip
187
Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf, stellt sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar. Es kommt nicht darauf an, ob es unmittelbar nach außen wirkt oder nur behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schafft. Will der Gesetzgeber die Beschäftigten an Entscheidungen über innerdienstliche Maßnahmen mit Rücksicht auf deren spezifische Interessen als Dienst- und Arbeitnehmer beteiligten, so sind ihm durch das Erfordernis hinreichender demokratischer Legitimation Grenzen gesetzt. Je weniger eine zu treffende Entscheidung typischerweise die verantwortliche Wahrnehmung des Amtsauftrages und je nachhaltiger sie die Interessen der Beschäftigten berührt, desto weiter kann die Beteiligung einer Personalvertretung reichen4. So verstieß die in § 62 Abs. 5 PersVG Sachsen-Anhalt (aF) festgelegte Bindungswirkung der Entscheidung der Einigungsstelle ohne Letztentscheidungsrecht des Leiters der obersten Dienstbehörde bei Kündigungen von Angestellten und Arbeitern gegen das Demokratieprinzip und war verfassungskonform auszulegen5.
188
Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung sowie der gemeindlichen Selbstverwaltung ist das Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 GG offen für Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt, die vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entschei1 BVerfG v. 24.9.2007 – 2 BvR 1673/03 u.a., DVBl. 2007, 1435. 2 Sachs/Battis, GG, Art. 33 Rz. 69, 50; gleichwohl hat sich der Bund beim Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen, BGBl. I 1950, 207 auf Art. 33 Abs. 5 GG gestützt. 3 BVerfG v. 24.9.2007 – 2 BvR 1673/03 u.a., DVBl. 2007, 1435. 4 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, BGBl. I, 1502; Jarass/Pieroth, Art. 20 Rz. 9 ff. 5 BAG v. 21.6.2006 – 2 AZR 300/05, AP § 62 LPVG Sachsen-Anhalt Nr. 1; vgl. auch BVerfG v. 20.7.2001 – 2 BvL 8/00, AP § 72 LPVG Brandenburg Nr. 1; BVerwG v. 24.4.2002 – 6 P 3/01, AP § 86 LPVG Hamburg Nr. 6; I. Schmidt, PersR 1996, 472; Battis, PersV 2005, 286; Flintrop/Leuze, PersV 2005, 298.
62 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 191
Teil 1
dungsbefugten abweichen. Es erlaubt, für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben durch Gesetz besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. Verbindliches Handeln mit Entscheidungscharakter ist den Organen dieser Träger funktioneller Selbstverwaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht allerdings nur gestattet, weil und soweit auch insoweit das Selbstbestimmungsrecht des Volkes gewahrt ist. Das erfordert, dass die Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt sind und ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell demokratisch legitimierter Amtswalter unterliegt1. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 9.5.19722 ist die Verleihung von Sat- 189 zungsautonomie für juristische Personen des öffentlichen Rechts insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil gesellschaftliche Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, in den für sie überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können und so der Abstand zwischen Normgeber und Normadressat verringert wird. Gleichzeitig aber setzt die grundgesetzliche Ordnung der Verleihung und Ausübung von Satzungsgewalt Grenzen. Diese lassen sich nicht aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG herleiten. Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass bei der Abgabe der Normsetzungsbefugnis an eine Stelle der bürokratisch-hierarchisch organisierten Exekutive die Gefahr bestehen kann, praktisch-effiziente Regelungen auf Kosten der Freiheit der Bürger durchzusetzen. Hiermit ist es allerdings nicht vergleichbar, wenn der Gesetzgeber innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der betreffenden Körperschaft begrenzten Bereichs einen bestimmten Kreis von Bürgern ermächtigt, durch demokratisch gebildete Organe ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Allerdings verlangt das Prinzip des Rechtsstaats und der Demokratie, dass sich der Gesetzgeber auch im Rahmen einer an sich zulässigen Autonomiegewährung seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußert. Das gilt besonders, wenn der Akt der Autonomieverleihung auch zu Eingriffen in den Grundrechtsbereich ermächtigt. Diese sind nur wirksam, wenn sie ihrerseits mit höherrangigem Recht, vor allem mit dem Grundgesetz, in Einklang stehen3. Auch Sparkassen sind aufgrund ihres besonderen Status als öffentlichrechtliche Anstalten und aufgrund des ihnen gesetzlich zugewiesenen öffentlichen Auftrages Teil der öffentlichen Verwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände und damit dem Demokratieprinzip unterworfen4.
190
Art. 143b Abs. 3 GG lässt es zu, dass für die bei den privatisierten Unternehmen Deutsche Bundespost (Deutsche Post AG) und Bundesbahn (Deutsche Bahn AG) beschäftigten Beamten auf die sonst für den öffentlichen
191
1 BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98 und 2 BvL 6/98, BGBl. I 2003, 853; Jarass/Pieroth/ Jarass, Art. 20 Rz. 10a. 2 BVerfG v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62 und 1 BvR 308/64, BVerfGE 33, 125. 3 BVerfG v. 13.7.2004 – 1 BvR 1298/94 u.a., BGBl. I 2004, 2931; zustimmend BAG v. 12.12.2006 – 1 AZR 96/06, NZA 2007, 453. 4 VerfGH Nordrhein-Westfalen v. 15.9.1986 – VerfGH 17/85, AP Art. 20 GG Nr. 14. Groeger
63
Teil 1
Rz. 192
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Dienst geforderte Kette demokratischer Legitimation verzichtet wird. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und die Kompetenz der Einigungsstelle müssen deshalb nicht aus Rücksicht auf das Erfordernis einer solchen demokratischen Legitimation eingeschränkt werden1. e) Organisationsformen des öffentlichen Dienstes 192
Nach Art. 86 GG regelt die Bundesregierung, soweit der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes ausführt und das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Einrichtung der Behörden. Der Begriff der Einrichtung erfasst sowohl die Errichtung als auch die sachliche, personelle und finanzielle Ausstattung2. Behörden oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten können aber nach Art. 87 Abs. 3 GG auch durch Gesetz errichtet werden.
193
Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie grundsätzlich nach Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG die Einrichtung3 der Behörden. Es liegt allein in der Organisationshoheit der Länder, ob sie das Bundesgesetz im Rahmen der staatsunmittelbaren Verwaltung ausführen oder auf die Möglichkeit zurückgreifen, mit dem Gesetzesvollzug eine öffentlich-rechtliche Körperschaft zu beauftragen4. Wer innerhalb des Landes für die Organisation zuständig ist, richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht.
194
Art. 86 GG regelt nicht die Zulässigkeit bestimmter Organisations- und Verwaltungsformen. Er besagt nichts darüber, ob die angesprochenen Verwaltungstypen bundeseigener und mittelbarer Bundesverwaltung jeweils zulässig sind; er bietet keine Grundlage, um die Zulässigkeit sonstiger, nicht genannter Typen von Bundesverwaltung zu beurteilen5. Art. 84 GG enthält zur Ausübung der Organisationsgewalt durch die Länder keine Aussage. Maßgeblich ist das Landesrecht, das für die Regelung des Verwaltungsaufbaus und der Behördenzuständigkeiten überwiegend eine gesetzliche Regelung fordert6.
195
Soweit nicht der Gesetzgeber selbst Organisationsentscheidungen zu treffen hat7, stellt sich im Bund wie in den Ländern die Frage, ob eine Organisationsentscheidung der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs (Bundeskanzler/Ministerpräsident) unterfällt oder nach dem Kollegialprinzip in
1 BAG v. 10.12.2002 – 1 ABR 27/01, AP § 95 BetrVG 1972 Nr. 42; v. 12.8.1997 – 1 ABR 7/97, AP § 99 BetrVG 1972 Versetzung Nr. 15; v. 12.12.1995 – 1 ABR 23/95, AP § 99 BetrVG 1972 Versetzung Nr. 8. 2 AK-GG/Bull, Art. 86 Rz. 21, Art. 84 Rz. 7 ff.; Sachs/Sachs, GG, Art. 86 Rz. 31. 3 Auch hier ist der Begriff weit zu verstehen, Sachs/Dittmann, GG, Art. 84 Rz. 7. 4 BVerwG v. 21.7.2000 – 11 BN 3/00, NJW 2000, 3150. 5 Sachs/Sachs, GG, Art. 86 Rz. 48. 6 Sachs/Dittmann, GG, Art. 84 Rz. 4. 7 Vgl. zum Diskussionsstand BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 208/03, ZTR 2005, 160.
64 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 197
Teil 1
die Zuständigkeit der Regierung bzw. nach dem Ressortprinzip in die Zuständigkeit des einzelnen Ministers fällt1. aa) Errichtung und Schließung von Behörden Neben den bekannten Organisationsformen, also bundes- bzw. landes- 196 unmittelbaren und kommunalen Behörden sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, sind auch Verwaltungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts als Organisationsform anerkannt. So betreiben die Landesrundfunkanstalten, das Deutschlandradio und das ZDF für die Abwicklung des Gebühreneinzugs als gemeinsames Rechenzentrum im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen nichtrechtsfähigen Verwaltungsgemeinschaft die GEZ2. Die Arbeitsverträge werden zwischen allen die GEZ tragenden Rundfunkanstalten und den Mitarbeitern geschlossen3. Auf der Grundlage von Landesgesetzen können in einigen Ländern Gemeinden rechtsfähige Verwaltungsgemeinschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Dienstherrenfähigkeit gründen4. Dadurch dürfen allerdings die identitätsbestimmenden Merkmale gemeindlicher Selbstverwaltung nicht beseitigt werden. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Verwaltungsgemeinschaft keine der Mitgliedsgemeinde übergeordnete Organisationsstufe im Verwaltungsaufbau ist und die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden grundsätzlich nur in dem Sinne besorgt, dass sie als „Dienstleister“ im Namen und im Auftrag der Mitgliedsgemeinden tätig wird und dabei an die Beschlüsse und Weisungen der Organe der Mitgliedsgemeinden gebunden ist5. Die Verwaltungen des Bundes und die der Länder, zu denen auch die 197 Kommunen gehören, sind organisatorisch und funktionell im Sinne von in sich geschlossenen Einheiten prinzipiell voneinander getrennt. Das GG schließt daher, von begrenzten Ausnahmen abgesehen, eine so genannte Mischverwaltung aus6. Ob damit die Einrichtung von gemeinsamen Betrieben, an denen öffentliche Arbeitgeber als Träger beteiligt sind, ebenfalls unzulässig sind, bleibt abzuwarten. Nach bisheriger Rechtsprechung können an einem gemeinschaftlichen Betrieb sowohl eine juristische Person des Privatrechts als auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts beteiligt sein7.
1 Beispiele: OVG Sachsen-Anhalt v. 30.7.2003 – 5 L 6/02, PersR 2003, 506; VG Berlin v. 27.8.2002 – 72 A 3/02, PersR 2003, 424. 2 BAG v. 3.9.1991 – 3 AZR 369/90, AP § 1 BetrAVG Überversorgung Nr. 3. 3 Hahn/Vesting/Ohliger, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 7 RGebStV Rz. 19. 4 Beispiele: BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 70; v. 26.6.1997 – 8 AZR 426/95, AP § 613a BGB Nr. 165. 5 BVerfG v. 19.11.2002 – 2 BvR 329/97, DVBl. 2003, 919. 6 BVerfG v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04, BGBl. I 2008, 27; s. auch BVerfG v. 12.1.1983 – 2 BvL 23/81, BGBl. I, 451. 7 BAG v. 24.1.1996 – 7 ABR 10/95, AP § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb Nr. 8; BVerwG v. 13.6.2001 – 6 P 8/00, AP § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb Nr. 14. Groeger
65
Teil 1
Rz. 198
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
198
Die für eine betriebsbedingte Kündigung erforderliche unternehmerische Entscheidung kann auch in einer Entscheidung des Gesetzgebers, einen Betrieb stillzulegen, liegen. Sie kann dann von den Gerichten nicht nachgeprüft werden; sie ist vielmehr als gegeben hinzunehmen1. Welche Auswirkungen dies auf die Rechtsprechung zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung tarifvertraglich ordentlich nicht mehr kündbarer Arbeitnehmer2 hat, wenn die unternehmerische Entscheidung unmittelbar durch ein Gesetz erfolgt, insbesondere ob auch der Gesetzgeber bereits bei Erstellung eines „unternehmerischen Konzepts“ die in Form von vereinbarten Kündigungsausschlüssen bestehenden arbeitsvertraglich übernommenen Garantien ebenso wie andere schuldrechtliche Bindungen berücksichtigen muss3 und ob die hinreichende Berücksichtigung der Überprüfung durch die Gerichte unterliegt, musste das BAG bislang nicht entscheiden.
199
Restriktiver in dieser Hinsicht ist die Ansicht des BayVerfGH, wonach dem Gesetzgeber bei Organisationsakten regelmäßig ein weiter Ermessensund Gestaltungsspielraum zusteht; mit Blick auf das Willkürverbot genügt es, dass sich für seine Entscheidung ein sachlich vertretbarer Grund von einigem Gewicht anführen lässt. Die Einsparung von Haushaltsmitteln in nicht vernachlässigbarem Umfang ist generell ein sachlich vertretbarer Grund von einigem Gewicht, der gesetzliche Regelungen, auch auf dem Gebiet der Gerichtsorganisation, rechtfertigen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Gesamtsystem des politischen Konzepts Maßnahmen enthalten sind, die – isoliert betrachtet – keinen signifikanten Beitrag zur Zielerreichung liefern. Einzelmaßnahmen sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Sparmaßnahmen zu sehen4.
200
So kann durch Landesgesetz ein Zentrales Personalüberhangmanagement als Behörde und Dienststelle errichtet werden, zu dem Bedienstete, deren Beschäftigung durch den Wegfall von Aufgaben oder die Verlagerung von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer Dienstbehörde nicht mehr möglich ist und die deswegen dem Personalüberhang zugeordnet sind, versetzt werden können, damit sie von dort entsprechend ihrem bisherigen statusrechtlichen Amt oder ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarung durch Vermittlung auf freie Stellen anderweitig eingesetzt werden5. Neben dem Land Berlin hat beispielsweise auch das Land Nordrhein-Westfalen eine organisatorisch verselbständigte Behörde für diese Aufgabe errichtet6. 1 BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 263/06, AP § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165; v. 24.6.2004 – 2 AZR 208/03, ZTR 2005, 160. 2 BAG v. 27.6.2002 – 2 AZR 367/01, AP § 55 BAT Nr. 4. 3 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 64/05, AP § 2 KSchG 1969 Nr. 84. 4 BayVerfGH v. 29.9.2005 – Vf.3-VII-05, Vf.7-VIII-05, NJW 2005, 3699; ähnlich in anderem Zusammenhang BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 139/07, NZA 2008, 1182 (betriebsbedingte Änderungskündigung). 5 BVerwG v. 2.8.2005 – 6 P 11/04, ZTR 2005, 606; BAG v. 27.10.2005 – 6 AZR 123/05, AP § 256 ZPO 1977 Nr. 90; v. 15.8.2006 – 9 AZR 571/05, AP § 84 LPVG Berlin Nr. 1; v. 13.3.2007 – 9 AZR 362/06, AP § 1 StPG Berlin Nr. 1. 6 Gesetz über das Personaleinsatzmanagement – PEMG NW v. 19.6.2007, GV NW 2007, 242; ausführlich Elmar Braun, Stellenpools und Personalvermittlungsstellen in der öffentlichen Verwaltung, 2009.
66 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 203
Teil 1
bb) Gesetzliche Regelung der inneren Organisation Sofern durch Gesetz die innere Organisation von Behörden geregelt wird, 201 sind auch diese Regelungen von den Arbeitsgerichten als gegeben hinzunehmen und unterliegen nicht der gerichtlichen Nachprüfung. Die Willkürkontrolle, der unternehmerische Entscheidungen der vollziehenden Gewalt kraft ihrer Bindung an Gesetz und Recht1 unterliegen2, ist insoweit auf eine verfassungsrechtliche Willkürkontrolle anhand der Maßstäbe des Art. 3 GG beschränkt mit der Folge, dass bei nachkonstitutionellem Recht den Fachgerichten keine Verwerfungskompetenz zusteht, sondern eine Vorlagepflicht nach Art. 100 GG besteht. Der Entscheidung des Stadtrats einer Gemeinde gebührt unter dem Gesichtspunkt des kommunalen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG) ebenfalls besondere rechtliche Achtung. Der Beschluss, die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten wegfallen zu lassen und die nach der GemO vorgeschriebene Funktion in Zukunft durch eine ehrenamtliche Kraft wahrnehmen zu lassen, bedingt eine Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG3. cc) Art. 33 Abs. 4 GG – Funktionsvorbehalt Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe ge- 202 mäß Art 33 Abs. 4 GG in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Zum Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG gehören jene Aufgaben, deren Wahrnehmung die besonderen Verlässlichkeits-, Stetigkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Beamtentums erfordert4. Die Beurteilung einer Aufgabe als hoheitlich iSv. Art. 33 Abs. 4 GG bestimmt sich nicht nach der zuständigen Organisationseinheit, sondern nach ihrem Inhalt und dem Umfang des zur Verfügung stehenden ordnungsbehördlichen Instrumentariums5. Der Funktionsvorbehalt begründet keine Individualrechte. Er dient nicht 203 dem Schutz oder den Interessen des Einzelnen, sondern stellt lediglich ein Strukturprinzip für die Organisation des öffentlichen Dienstes sicher6. Art. 33 Abs. 4 GG sichert die Kontinuität hoheitlicher Funktionen des Staates, indem er als Regel vorsieht, dass ihre Ausübung Beamten übertragen wird, verbietet jedoch nicht generell, dafür auch Arbeitnehmer einzusetzen7. Ein Arbeitnehmer hat deswegen auch dann, wenn er auf seinem Dienstposten hoheitliche Befugnisse ausübt, keinen Anspruch auf Umwandlung des Dienstpostens in eine Beamtenstelle und Übernahme in ein Beamtenverhältnis8. 1 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 20 Rz. 38, Art. 1 Rz. 38; DFL/Kramer, Art. 3 GG Rz. 17. 2 Bspw. im Rahmen von § 8 TzBfG, BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, NJW 2004, 386. 3 BAG v. 18.9.2008 – 2 AZR 560/07, NZA 2009, 142. 4 BVerfG v. 19.9.2007 – 2 BvF 3/02, BGBl. I 2007, 2379. 5 BAG v. 11.8.1998 – 9 AZR 155/97 AP Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45. 6 BAG v. 21.10.2003 – 3 AZR 84/03, ZTR 2004, 377. 7 BVerfG v. 2.3.1993 – 1 BvR 1213/85, NJW 1993, 1379. 8 BVerwG v. 26.10.2000 – 2 C 31/99, ZTR 2001, 191. Groeger
67
Teil 1
204
Rz. 204
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Der Funktionsvorbehalt schließt es andererseits auch nicht aus, die Wahrnehmung von Aufgaben, die die Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfordert, auf eine juristische Person des Privatrechts zu übertragen1. Die Aufgaben zu bestimmen, die von Nichtbeamten wahrgenommen werden dürfen, ist Sache des Gesetzgebers. Dieser hat das verfassungsrechtlich gebotene Regel-Ausnahme-Verhältnis als eine Art „Wesensgehaltsgarantie für den Aufgabenbereich der Beamten“ zu beachten. Die funktionale Privatisierung von Hoheitsaufgaben muss deshalb durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein, die das Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht in Frage stellen. Ob eine gesetzlich normierte Übertragung von Hoheitsaufgaben auf Private diesem Erfordernis genügt, ist entsprechend dem Zweck des Art. 33 Abs. 4 GG, die Kontinuität hoheitlicher Funktionen des Staates mittels des Prinzips ihrer Wahrnehmung durch Beamte zu sichern, im Wege der verhältnismäßigen Zuordnung des die Privatisierung rechtfertigenden Sachgrunds und der Intensität der damit verbundenen Beeinträchtigung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Strukturprinzips zu beurteilen2. dd) Einrichtung von Behörden
205
Es obliegt allein dem jeweiligen Haushaltsgesetzgeber, darüber zu bestimmen, wie viele Planstellen im öffentlichen Dienst geschaffen bzw. erhalten werden oder einzusparen sind. Dem Haushaltsgesetzgeber kommt bei der Ausbringung von Planstellen im Haushaltsplan eine ausschließlich an den Bedürfnissen der Verwaltung orientierte organisatorische Gestaltungsfreiheit zu. Er entscheidet, in welchem Umfang und für welche Dauer Mittel für die Beschäftigung von Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden. Nach dieser Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers richtet sich der Arbeitskräftebedarf im öffentlichen Dienst3. Der Haushaltsgesetzgeber entscheidet im Haushaltsplan bzw. in den Erläuterungen dazu nicht nur über die Anzahl der Planstellen/Stellen insgesamt, sondern auch über deren Verteilung auf einzelne Dienststellen4. Nur scheinbar abweichend davon vertritt das BAG die Ansicht, dass ein Mehrbedarf iSd. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005, der die Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG rechtfertigen kann, dann nicht mehr vorliege, wenn der öffentliche Arbeitgeber zwar von einem dauerhaften Anstieg der Arbeitsmenge ausgeht, jedoch auf organisatorische Maßnahmen zur Anpassung der Stellenausstattung an den Bedarf, wie zB das Einwerben von neuen Stellen, die Verlagerung von Stellen von anderen Dienststellen oder die Umorganisation der Arbeitsabläufe verzichtet5. Wenn der öffentliche Arbeitgeber (als Verwaltung) – richtigerweise – berechtigt ist, Arbeitsverträge aus „haushaltsrechtlichen Gründen“ zu befristen, dann ist es die „Kehrseite derselben Medaille“, wenn das BAG damit die Erwartung verbindet, dass 1 2 3 4
Zur Grundrechtsbindung vgl. Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 1 Rz. 39 f. BVerwG v. 28.9.2005 – 7 BN 2/05, NVwZ 2006, 829. BAG v. 7.7.1999 – 7 AZR 609/97, NZA 2000, 591. BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, EzA Art. 33 GG Nr. 31; vgl. auch Nds. OVG v. 19.12.1995 – 5 M 7168/95, NdsVBl. 1996, 133. 5 BAG v. 18.4.2007 – 7 AZR 316/06, AP § 14 TzBfG Nr. 3.
68 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 208
Teil 1
die Verwaltung auch von den – eingeschränkten – haushaltsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch macht, um einen dauerhaft höheren Arbeitskräftebedarf zu decken. Die Verwaltung hat innerhalb des Rahmens, der durch das Haushaltsgesetz 206 gezogen wird, als vollziehende Gewalt zu entscheiden, ob und wie die Stellen besetzt werden sollen1. Die Schaffung und die Besetzung von Planstellen des öffentlichen Dienstes dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgen nicht in Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Bediensteten. Planstellen werden im Haushaltsplan durch den Haushaltsgesetzgeber gemäß dessen organisatorischer Gestaltungsfreiheit entsprechend den Bedürfnissen der staatlichen Verwaltung ausgebracht2. Daher ist es der Verwaltung grundsätzlich auch verwehrt, eine Planstelle/ Stelle von einer Dienststelle zu einer anderen zu verlagern. Nach § 50 Abs. 2 BHO darf eine Planstelle nur dann in eine andere Verwaltung umgesetzt werden, wenn dort ein unvorhergesehener und unabweisbarer vordringlicher Personalbedarf besteht, und auch dann nur mit Einwilligung des BMF. Das gilt nach § 50 Abs. 4 BHO für Stellen für Arbeitnehmer entsprechend3. Nur soweit nicht bereits durch den Haushaltsgesetzgeber Festlegungen er- 207 folgt sind, kommt dem Dienstherrn die gleiche Dispositionsfreiheit im Rahmen der Stellenplanbewirtschaftung zu4. Die rechtliche Bewertung von Dienstposten, ihre Zuordnung zu statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe, erfolgt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und des Haushaltsrechts durch den Dienstherrn gemäß dessen organisatorischer Gestaltungsfreiheit5. Die Verpflichtung des Dienstherrn zur Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gemäß Art. 33 Abs. 2 GG geht nicht so weit, dass Beförderungsstellen stets derjenigen Dienststelle zugewiesen werden müssen, an der die am besten bewerteten Bediensteten tätig sind. Eine „Vorwirkung“ des Anspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG auf den Inhalt einer Entscheidung der zuständigen Behörde im Rahmen der Personalbewirtschaftung gibt es nicht6. Erst wenn nach vorangegangener Ausschreibung ein Dienstposten, der mit einer vom Haushaltsgesetzgeber geschaffenen Planstelle „hinterlegt“ ist, zu besetzen ist, hat der Dienstherr nach Art. 33 Abs. 2 GG die Ernennung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Der Dienstherr darf daher auch ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit beenden und von einer ursprünglich geplanten Besetzung oder Beförderung absehen. Als eine aus dem Organisationsrecht des Dienstherrn erwachsende verwaltungspolitische 1 2 3 4 5 6
BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, AP Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 56. BVerwG v. 22.7.1999 – 2 C 14/98, ZTR 1999, 576. Vgl. auch § 50 Abs. 2 LHO NW, § 6 Abs. 7 PEMG NW, 8 Abs. 1 PEMG NW. BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, EzA Art. 33 GG Nr. 31. BVerwG v. 22.7.1999 – 2 C 14/98, ZTR 1999, 576. BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, EzA Art. 33 GG Nr. 31. Groeger
69
208
Teil 1
Rz. 209
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Entscheidung berührt der Abbruch des Auswahlverfahrens grundsätzlich nicht die Rechtsstellung von Bewerbern. Das für den Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen ist ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen1. ee) Einrichtung von besonderen Rechtsverhältnissen 209
Die Bediensteten der juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind in der Regel entweder Beamte, Richter, Soldaten, Zivildienstleistende oder aber Arbeitnehmer. Dem Staat steht es aber frei, besondere Rechtsverhältnisse zu regeln. Ein Vorbereitungsdienst, dessen erfolgreiche Absolvierung Voraussetzung sowohl für den Staatsdienst im Beamtenverhältnis als auch für einen freien Beruf ist, kann allgemein so organisiert werden, dass er in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Verhältnis außerhalb des Beamtenverhältnisses abzuleisten ist2.
210
Lehrbeauftragte stehen nach Maßgabe der jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis eigener Art, das weder ein Beamtenverhältnis noch ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis ist3.
211
In einigen Ländern sieht das Hochschulrecht die Beschäftigung nebenberuflicher Professoren oder Vertretungsprofessoren in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis eigener Art vor4.
212
Das BAG ist in einer neueren Entscheidung – allerdings ohne nähere Begründung – von einem durch das Hochschulrecht vorgegebenen Typenzwang für das hauptberufliche Personal ausgegangen und hat lediglich dahingestellt sein lassen, ob dieser Typenzwang auch für nebenberufliche Vertreter gilt5. Jedenfalls würde auch insoweit die Rechtsnatur als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis einer Umdeutung in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund dürfte im Hinblick auf Vorschläge zur Einführung von Lecturern oder Lehrprofessoren6 weniger fraglich sein, ob die Landesgesetzgeber aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz sowohl für das Hochschulrecht als auch für die in ihrem Dienst stehenden Personen zur Schaffung neuer Typen berechtigt sind, sondern allenfalls die Frage Bedeutung erlangen, ob es sich dabei
1 BVerwG v. 22.7.1999 – 2 C 14/98, ZTR 1999, 576; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, EzA Art. 33 GG Nr. 36; LAG Hamm v. 14.8.2003 – 11 Sa 1743/02, juris. 2 BVerfG v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73, AP Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 2. 3 ZB § 43 HG NW v. 31.10.2006, GVBl. 2006, 474, § 56 Bbg. HG v. 18.12.2008, GVBl. I 318; aus der Rechtsprechung BAG v. 23.5.2001 – 5 AZR 370/99, ZTR 2002, 140. 4 ZB § 29 Nds. HG v. 26.2.2007, GVBl. 2007, 69; aus der Rechtsprechung BAG v. 25.2.2004 – 5 AZR 62/03, ZTR 2004, 499. 5 BAG v. 18.7.2007 – 5 AZR 854/06, AP § 611 BGB Lehrer, Dozenten Nr. 181. 6 http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2007/Lecturer_und_Lehrprofessur.pdf; http://www.wissenschaftsrat.de/presse/pm_0207.html.
70 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 216
Teil 1
um wissenschaftliches Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG handelt1. 3. Vertretung des Rechtsträgers und Zuständigkeit von Behörden a) Vertretung des Rechtsträgers Nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland bestehen die Arbeitsver- 213 hältnisse der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht zur Behörde oder Dienststelle, sondern zum jeweiligen Träger öffentlicher Verwaltung2. Die Vielzahl möglicher Träger und ihre Vielgestaltigkeit sowie die nicht immer leicht zugänglichen Rechtsgrundlagen erfordern besondere Aufmerksamkeit, wenn es um die Vertretung des Rechtsträgers durch natürliche Personen und um die Frage geht, welches Handeln/Unterlassen natürlicher Personen dem Rechtsträger zugerechnet werden kann. aa) Rechtsgeschäftliche Handlungen Die Vertretungsregeln, insbesondere § 174 BGB, findet auch im öffentlichen Dienst Anwendung. Beruht die Vertretungsmacht nicht auf der Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen, sondern auf gesetzlicher Grundlage, scheidet eine Zurückweisung nach § 174 BGB jedoch aus. Das Recht zur Zurückweisung besteht im Falle der organschaftlichen Vertretung grundsätzlich nicht3.
214
Der Ärztliche Direktor eines Universitätsklinikums in Bayern kann so- 215 wohl das Klinikum als Anstalt des öffentlichen Rechts als auch den Freistaat Bayern vertreten. Es liegt ein Fall der sog. Doppelvertretung vor4. Die in § 104 Abs. 2 Satz 1 GemO NW enthaltene Regelung, nach der die 216 Bestellung und Abberufung von Prüfern des Rechnungsprüfungsamtes durch den Rat der Gemeinde zu erfolgen hat, stellt eine Einschränkung der dem Gemeindedirektor nach § 63 Abs. 1 (früher: § 54 Abs. 1 Satz 3) GemO NW zustehenden umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht in arbeitsund tarifrechtlichen Angelegenheiten von Arbeitern und Angestellten dar. Aufgrund dieser Einschränkung ist der Gemeindedirektor jedenfalls dann nicht vertretungsberechtigt, einseitige Rechtsgeschäfte im Namen der Gemeinde vorzunehmen, wenn diese darauf abzielen, einem angestellten Prüfer unter gleichzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses die ihm vom Rat übertragene Funktion zu entziehen (zB durch Änderungs- bzw. Beendigungskündigung) und wenn das Rechtsgeschäft auf Gründe gestützt wird, die sachlich mit der Tätigkeit des Rechnungsprüfers in untrennbarem Zusammenhang stehen5.
1 2 3 4 5
Ablehnend Preis/Ulber, FS Otto, S. 391 (397). BAG v. 26.6.1997 – 8 AZR 426/95, AP § 613a BGB Nr. 165. BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, AP § 174 BGB Nr. 19. BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, AP § 174 BGB Nr. 20. BAG v. 15.3.1990 – 2 AZR 440/89, AP § 101 GemeindeO NW Nr. 1. Groeger
71
Teil 1
Rz. 217
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
217
Auch im Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG handelt für den Arbeitgeber derjenige, der ihn gerichtlich zu vertreten hat1. Das Gestaltungsklagerecht nach § 58 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 NdsPersVG bzw. § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 iVm. § 107 Satz 2 BPersVG kann auch der zum ständigen Vertreter des Präsidenten bestimmte hauptamtliche Vizepräsident einer Hochschule ausüben2.
218
Die Einstellung und die Versetzung von Beamten in den Landesdienst bedürfen nach § 48 Abs. 1 LHO RP der Einwilligung des für Finanzen zuständigen Ministeriums, wenn der Bewerber ein von diesem Ministerium allgemein festzusetzendes Lebensjahr bereits vollendet hat3.
219
Der zuständige Minister ist nach hessischem Landesrecht für die Auswahl und Ernennung von Beamten sachlich nur zuständig, wenn dies gesetzlich bestimmt oder ihm die entsprechende Befugnis von der Landesregierung übertragen worden ist4. bb) Zurechenbarkeit von Handeln natürlicher Personen
220
Der Eintritt der in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordneten Fiktion setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bewusst und in der Bereitschaft fortsetzt, die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiter zu erfüllen. Die Weiterarbeit des Arbeitnehmers muss mit Wissen des Arbeitgebers selbst oder eines zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreters erfolgen. Im Hochschulbereich ist Arbeitgeber iSd. § 15 Abs. 5 TzBfG grundsätzlich (siehe aber § 3 WissZeitVG) nicht der Institutsleiter oder ein sonstiger Vorgesetzter des Arbeitnehmers, sondern allein die für die Universität zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigte Stelle5.
221
Schließen die Parteien nach Zustellung einer Befristungskontrollklage beim Arbeitgeber einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag und treffen sie keine Vereinbarungen darüber, welche Auswirkungen der neue Vertragsschluss auf den bereits anhängigen Rechtsstreit haben soll, ist davon auszugehen, dass der neue Vertrag unter dem Vorbehalt abgeschlossen ist, dass er das Arbeitsverhältnis nur regeln soll, wenn nicht bereits auf Grund des vorangegangenen Arbeitsvertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Dann ist auch für die in dem vorherigen Vertrag vereinbarte Befristung die gerichtliche Kontrolle weiterhin eröffnet. Dies gilt jedoch nicht, wenn der weitere befristete Arbeitsvertrag auf Seiten des Arbeitgebers von einer anderen Dienststelle abgeschlossen wird als der vorherige Vertrag und der Arbeitnehmer deshalb bei Vertragsschluss davon ausgehen muss, dass die Vertreter des Arbeitgebers von der Rechtshängigkeit der Befristungskontrollklage keine Kenntnis haben. Dann kann der Arbeitnehmer dem Vertragsangebot des Arbeitgebers nicht ohne Weiteres den zusätzlichen Inhalt entnehmen, dass dieser Vertrag für die künftige Rechtsbezie1 2 3 4 5
BVerwG v. 1.11.2005 – 6 P 3/05, AP § 9 BPersVG Nr. 17. Nds. OVG v. 15.8.2007 – 18 LP 9/06, juris. OVG Rh.-Pf. v. 10.8.2007 – 2 A 10294/07, juris. VGH Hessen v. 28.8.1995 – 1 TG 1608/95, NVwZ-RR 1996, 339. BAG v. 11.7.2007 – 7 AZR 197/06, juris.
72 Groeger
V. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 224
Teil 1
hung nur maßgeblich sein soll, wenn nicht bereits auf Grund des vorangegangenen Vertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Er muss vielmehr wegen der ihm erkennbaren fehlenden Kenntnis der Vertreter des Arbeitgebers von der anhängigen Befristungskontrollklage davon ausgehen, dass diese ausschließlich den neuen Vertrag als Grundlage für die zukünftige Rechtsbeziehung ansehen1. Die von einem schriftlichen Vertrag abweichende tatsächliche Durchfüh- 222 rung eines Vertrages ist nur unter zwei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, rechtlich relevant und kann zur Einordnung des Vertrages als (unerlaubte) Arbeitnehmerüberlassung führen: bei einzelnen Vorgängen darf es sich nicht lediglich um untypische Einzelfälle, sondern muss es sich um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handeln; ferner muss diese abweichende Vertragspraxis den auf Seiten der Vertragspartner zum Vertragsabschluss berechtigten Personen bekannt gewesen und von ihnen zumindest geduldet worden sein2. Ob es sich um für den Abschluss von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen berechtigte Personen handeln muss, hat das BAG bislang nicht ausdrücklich entschieden3. Auch bei der Abgrenzung eines freien Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag 223 ist, wenn der Unternehmer nicht selbst tätig wird, die praktische Handhabung nur dann maßgebend, wenn ihm das Verhalten der unmittelbar Handelnden zugerechnet werden kann. Das ist zunächst dann der Fall, wenn zum Vertragsschluss berechtigte Personen die von den ausdrücklichen Vereinbarungen abweichende Handhabung kennen und zumindest billigen4. Allerdings sind auch insoweit die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Duldungs- und der Rechtsscheinvollmacht anzuwenden. Auf die Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle 224 eines öffentlichen Arbeitgebers kommt es auch bei der Eingruppierung eines Arbeitnehmers an, wenn diesem von den in seinem Arbeitsumfeld tätigen Kollegen und ggf. auch von seinem unmittelbaren Fachvorgesetzten höherwertige Tätigkeiten zugewiesen werden5. Die medizinische Verantwortung, die für eine Eingruppierung als Oberarzt (in die Entgeltgruppe Ä 3 in § 12 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 – TV-Ärzte) vorausgesetzt wird, setzt die Übertragung von Aufsichtsfunktionen über ärztliches und nichtärztliches Personal voraus. Die Übertragung der eingruppierungsrelevanten Aufgaben durch den Chefarzt muss sich der Krankenhausträger zurechnen lassen, wenn sie mit sei-
1 BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 214/07, NZA 2009, 35. 2 BAG v. 6.8.2003 – 7 AZR 180/03, AP § 9 AÜG Nr. 6. 3 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZN 197/08 nv.; vgl. aber LAG Köln v. 13.12.2007 – 6 Sa 1347/07, nv. 4 BAG v. 20.7.1994 – 5 AZR 627/93, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 73. 5 BAG v. 26.3.1997 – 4 AZR 489/95, AP §§ 22, 23 BAT 1975 Nr. 223. Groeger
73
Teil 1
Rz. 225
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
ner Kenntnis erfolgt und der Arzt die Tätigkeit über einen erheblichen Zeitraum ausübt, so dass bei ihm ein schützenswertes Vertrauen entsteht1. 225
Für die Kenntnis von Umständen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, kommt es grundsätzlich auf die Mitglieder der Organe von juristischen Personen und Körperschaften als unmittelbar Kündigungsberechtigte sowie auf die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat, an. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Frist des § 626 Abs. 2 BGB grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss nach der Rechtsprechung des BAG der Arbeitgeber sich die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Diese Personen müssen allerdings eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder der Verwaltung haben und tatsächlich sowie rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt – der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet – so umfassend klären zu können, dass mit ihrer Meldung der Kündigungsberechtigte ohne weitere Erhebungen und Ermittlungen seine (Kündigungs-)Entscheidung treffen kann. Dementsprechend muss der Mitarbeiter in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers. Hinzu kommen muss weiter, dass die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten in diesen Fällen auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht, obwohl eine andere betriebliche Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Beide Voraussetzungen – ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel – müssen kumulativ vorliegen2. b) Zuständigkeit von Behörden
226
Wer eine Partei gesetzlich vertritt, ergibt sich aus dem materiellen Recht. Geht es um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, ist auf die jeweils einschlägige Organisationsnorm abzustellen. Eine nicht ordnungsgemäße Vertretung führt zur Unzulässigkeit einer Klage3.
227
Die Landesregierung Niedersachsen ist in Eilverfahren, in denen um die ihr vorbehaltene Ernennung eines Beamten gestritten wird, zwar selbst Partei, ihre prozessuale Vertretung liegt aber bei dem Ministerium, in dessen Geschäftsbereich die Angelegenheit fällt4.
1 LAG München v. 14.8.2008 – 3 Sa 410/08, juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 26.8.2008 – 3 Sa 768/07, juris (Rev. eingelegt 4 AZR 836/08); Sächs. LAG v. 4.6.2008 – 9 Sa 658/07, juris; ArbG Düsseldorf v. 12.7.2007 – 14 Ca 669/07, juris; a.A. ArbG Krefeld v. 16.8.2007 – 1 Ca 1540/07, juris; LAG Sachsen-Anhalt v. 17.6.2008 – 8 Sa 15/08, juris; demnächst BAG v. 9.12.2009, 4 AZR 841/08 u.a., PM 114/09. 2 BAG v. 23.10.2008 – 2 AZR 388/07, juris. 3 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 559/01, juris. 4 Nds. OVG v. 26.10.2006 – 5 ME 254/06, ZBR 2007, 392.
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VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen
Rz. 231
Teil 1
c) Organe und leitende Angestellte im öffentlichen Dienst § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt auch für nicht beamtete organschaftliche Ver- 228 treter juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Eine gegenständliche Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis steht der Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen. Das BAG hat daher den Werkleiter eines Eigenbetriebes einer bayerischen Gemeinde als Organ iSv. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG angesehen1. Der zum ständigen Vertreter des Hauptgeschäftsführers bestellte Ge- 229 schäftsführer einer Handwerkskammer ist ebenfalls Organvertreter iSv. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Eine Befristung seines Anstellungsvertrags war daher, ohne Rücksicht darauf, ob ein Arbeitsverhältnis vorlag, jedenfalls vor Inkrafttreten des TzBfG ohne sachlichen Grund zulässig2.
VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen Schrifttum: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Loseblatt (September 2009) (zit. Heuer/Bearbeiter); Dittrich, Kommentar zur Bundeshaushaltsordnung, Loseblatt (Mai 2009).
1. Einleitung Das Haushaltsrecht ist Arbeitsrechtlern gemeinhin wenig vertraut. Das 230 mag zum einen an der scheinbar „spröden“ Materie liegen. Nach dem schönen Bild des Saarbrücker Staatsrechtslehrers Gröpl drohen die haushaltsrechtlichen Begrifflichkeiten und Grundlagen als „unverdauliche Monolithen im Raum stehen zu bleiben, wenn sie nicht organisch zusammengefügt werden“3. Ein weiterer Grund für Arbeitsrechtler, sich mit dem Haushaltsrecht allenfalls sporadisch zu befassen, mag in der überkommenen Erkenntnis des Großen Senats des BAG liegen, dass das Haushaltsrecht nicht unmittelbar in die Rechte Dritter und damit in das Arbeitsverhältnis eingreifen kann4. Hiervon ausgehend hat das BAG immer wieder betont, dass haushaltsrechtliche Erwägungen für den auf den verschiedenen arbeitsrechtlichen Gesetzen beruhenden Arbeitnehmerschutz, von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, keine Rolle spielten5. Ein Blick auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG genügt, um zu erkennen, dass das Haushaltsrecht für die Befristung von Arbeitsverträgen durchaus eine Rolle spielt (siehe auch Teil 6). Betrachtet man überdies allein die zahlreichen Entscheidungen des BAG, die sich mit der Bedeutung des Haus-
1 2 3 4 5
BAG v. 17.1.2002 – 2 AZR 719/00, AP § 14 KSchG 1969 Nr. 8. BGH v. 25.7.2002 – III ZR 207/01, NJW 2002, 3104. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 68. BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245. BAG v. 29.8.1979 – 4 AZR 863/77, NJW 1980, 1766; für das Befristungsrecht auch heute so APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 239. Groeger
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VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen
Rz. 231
Teil 1
c) Organe und leitende Angestellte im öffentlichen Dienst § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt auch für nicht beamtete organschaftliche Ver- 228 treter juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Eine gegenständliche Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis steht der Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen. Das BAG hat daher den Werkleiter eines Eigenbetriebes einer bayerischen Gemeinde als Organ iSv. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG angesehen1. Der zum ständigen Vertreter des Hauptgeschäftsführers bestellte Ge- 229 schäftsführer einer Handwerkskammer ist ebenfalls Organvertreter iSv. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Eine Befristung seines Anstellungsvertrags war daher, ohne Rücksicht darauf, ob ein Arbeitsverhältnis vorlag, jedenfalls vor Inkrafttreten des TzBfG ohne sachlichen Grund zulässig2.
VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen Schrifttum: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Loseblatt (September 2009) (zit. Heuer/Bearbeiter); Dittrich, Kommentar zur Bundeshaushaltsordnung, Loseblatt (Mai 2009).
1. Einleitung Das Haushaltsrecht ist Arbeitsrechtlern gemeinhin wenig vertraut. Das 230 mag zum einen an der scheinbar „spröden“ Materie liegen. Nach dem schönen Bild des Saarbrücker Staatsrechtslehrers Gröpl drohen die haushaltsrechtlichen Begrifflichkeiten und Grundlagen als „unverdauliche Monolithen im Raum stehen zu bleiben, wenn sie nicht organisch zusammengefügt werden“3. Ein weiterer Grund für Arbeitsrechtler, sich mit dem Haushaltsrecht allenfalls sporadisch zu befassen, mag in der überkommenen Erkenntnis des Großen Senats des BAG liegen, dass das Haushaltsrecht nicht unmittelbar in die Rechte Dritter und damit in das Arbeitsverhältnis eingreifen kann4. Hiervon ausgehend hat das BAG immer wieder betont, dass haushaltsrechtliche Erwägungen für den auf den verschiedenen arbeitsrechtlichen Gesetzen beruhenden Arbeitnehmerschutz, von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen, keine Rolle spielten5. Ein Blick auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG genügt, um zu erkennen, dass das Haushaltsrecht für die Befristung von Arbeitsverträgen durchaus eine Rolle spielt (siehe auch Teil 6). Betrachtet man überdies allein die zahlreichen Entscheidungen des BAG, die sich mit der Bedeutung des Haus-
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BAG v. 17.1.2002 – 2 AZR 719/00, AP § 14 KSchG 1969 Nr. 8. BGH v. 25.7.2002 – III ZR 207/01, NJW 2002, 3104. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 68. BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245. BAG v. 29.8.1979 – 4 AZR 863/77, NJW 1980, 1766; für das Befristungsrecht auch heute so APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 239. Groeger
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Teil 1
Rz. 232
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
haltsrechts für das Arbeitsrecht befassen1, wird deutlich, dass das Haushaltsrecht nicht nur bei der Befristung von Arbeitsverträgen relevant ist, sondern in ganz unterschiedlichem Zusammenhang – bei der Einstellung bzw. Beförderung2 und der Befristung des Arbeitsvertrages3 wie bei dessen Kündigung4 sowie im bestehenden Arbeitsverhältnis bei der Eingruppierung5, der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit6 und bei der Frage nach dem Bestehen einer betrieblichen Übung7 – eine sehr unterschiedliche Bedeutung für die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes haben kann. 232
Höchstrichterlich nur teilweise geklärt ist die Bedeutung des Haushaltsrechts für sog. Zuwendungsempfänger8, die überwiegend außerhalb des öffentlichen Dienstes stehen. Hier spielt insbesondere die Bedeutung des sog. Besserstellungsverbots eine Rolle, zB bei den Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG9, bei der Dotierung von Sozialplänen10 und bei der Wirksamkeit von Tarifverträgen11.
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Öffentliches Haushaltsrecht ist nicht erst im gerichtlichen Verfahren nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges, also auch die Gerichte für Arbeitssachen, den Rechtsstreit unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat, zu beachten. Primärer Adressat des Haushaltsrechts ist die Exekutive, die durch ihre Bediensteten handelt, die zum großen Teil Arbeitnehmer sind und je nach ihren Arbeitsaufgaben Haushaltsrecht zu vollziehen haben und an die haushaltsrechtlichen Vorgaben gebunden sind. Ein Handbuch zum Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst wäre lückenhaft, wenn es die Sichtweise nicht in das Zentrum stellen oder gar ganz unberücksichtigt ließe, dass das Haushaltsrecht sowohl den mit dem Vollzug des Haushalts unmittelbar befassten Be-
1 In Juris waren am 31.12.2007 insgesamt 154 Entscheidungen des BAG seit 1971 zum Stichwort „Haushaltsrecht“ verzeichnet und die Zahl ist bis 31.1.2010 auf 162 gestiegen. 2 S. unten Teil 3 J Rz. 10; BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, NZA 1998, 882. 3 S. unten Teil 6; BAG v. 29.8.1979 – 4 AZR 863/77, NJW 1980, 1766. 4 S. unten Teil 4 B Rz. 24 ff.; BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245. 5 S. unten Teil 7; BAG v. 19.7.1978 – 4 AZR 31/77 u. 21.3.1984 – 4 AZR 76/82, AP §§ 22, 23 BAT 1975 Nr. 8, 89. 6 S. unten Teil 3 D Rz. 59 ff.; BAG v. 2.5.1979 – 4 AZR 515/77, BAGE 32, 1. 7 S. unten Teil 3 E Rz. 28 ff.; BAG v. 3.8.1982 – 3 AZR 503/79, BAGE 39, 271; v. 5.2.1986 – 5 AZR 632/84, NZA 1986, 605. 8 BAG v. 20.1.2004 – 9 AZR 43/03, AP § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 65; v. 5.4.2006 – 4 AZR 390/05, AP § 1 AVR Diakonisches Werk Nr. 3; v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NJW 2007, 2279; BVerwG v. 3.5.1999 – 3 B 91/98, Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 64. 9 BAG v. 27.1.1987 – 1 ABR 66/85, AP § 99 BetrVG 1972 Nr. 42; v. 1.2.1989 – 4 ABR 77/88, ZTR 1989, 325; LAG Berlin v. 4.4.2003 – 13 TaBV 68/03, ZTR 2003, 529; v. 6.6.2003 – 13 TaBV 68/03, juris. 10 S. LAG München v. 6.7.2004 – 6 TaBV 40/03, juris; nachgehend BAG v. 6.5.2006 – 1 ABR 63/04, AP § 81 ArbGG 1979 Nr. 61. 11 BAG v. 26.9.1984 – 4 AZR 343/83, AP § 1 TVG Nr. 21.
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VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen
Rz. 235
Teil 1
diensteten1 als auch den Bediensteten von Aufsichtsbehörden2, aber auch Gerichten bei der Regelung der Geschäftsverteilung3 bindende Handlungsund Unterlassungspflichten4 auferlegt, deren Verletzung arbeits- sowie disziplinar- und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Diese Bindung vor allem der für den Haushaltsvollzug zuständigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes an das jeweilige Haushaltsrecht ist einer der Schlüssel für die Beantwortung der Frage, ob haushaltsrechtliche Bestimmungen die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis prägen können. Wenn und soweit Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in ihrer Tätigkeit Personal einstellen, versetzen, befördern und zu entlassen haben, sind sie bei Wahrnehmung dieser Aufgaben an das Haushaltsrecht gebunden. Eine Rechtsprechung, die über diese Personalmaßnahmen zu urteilen hat, ist gut beraten, die manchmal einer Fahrt zwischen Skylla und Charybdis entsprechende Situation des rechtsanwendenden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Blick zu behalten. 2. Grundlagen des Haushaltsrechts – der Haushaltskreislauf Auf der Grundlage von Art. 109 Abs. 3 GG hat der Bund mit dem Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht aufgestellt. Die Landesgesetzgeber sind an diese Grundsätze jedenfalls über Art. 31 GG gebunden. Ob auch der Bundesgesetzgeber an das HGrG gebunden ist, ist streitig5.
234
Die Jährlichkeit der staatlichen Haushaltswirtschaft wird dabei treffend 235 als „rhythmisches Leitmotiv“ bezeichnet6. Damit ist gemeint, dass das Haushaltsverfahren jährlich bestimmte, immer wiederkehrende Entwicklungsstadien durchläuft. Dabei werden vier Stadien unterschieden. Nach der Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs durch die Verwaltung folgen die parlamentarische Beratung und die Feststellung des Haushaltsplans durch das Haushaltsgesetz. Daran schließt sich der Vollzug durch die Verwaltung an. Am Ende der Haushaltsperiode erfolgt die Rechnungslegung und die darauf basierende Finanzkontrolle durch die parlamentarischen Gremien und durch die Rechnungshöfe von Bund oder Ländern bis hin zur Entlastung der Exekutive durch die Legislative7. Dieser sog. Haushaltskreislauf bestimmt nicht nur Chronologie der immer, zumeist jährlich, 1 S. bspw. BGH v. 26.4.2006 – 2 StR 515/05, wistra 2006, 307; v. 9.12.2004 – 4 StR 294/04, wistra 2005, 178; v. 17.6.2003 – XI ZR 195/02, NJW 2003, 2451; v. 14.12.2000 – 5 StR 123/00, NJW 2001, 2411; jedoch auch BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, juris (Vergütung bei Beratervertrag); v. 23.5.2002 – 1 StR 372/01, NJW 2002, 2801 (Drittmitteleinwerbung durch Ärztl. Direktor einer Abteilung einer Universitätsklinik). 2 S. BGH v. 12.12.2002 – III ZR 201/01, NJW 2003, 1318. 3 S. BGH v. 11.7.1985 – VII ZB 6/85, NJW 1985, 2337. 4 S. BGH v. 26.4.2007 – VII ZR 152/06, NJW 2007, 3277. 5 Sachs/Siekmann, GG, Art. 109 Rz. 38 ff. 6 BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 68. 7 BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 68; Sachs/Siekmann, Art. 110 Rz. 4; Heuer/Domnach, Vorbem. zu Teil II BHO Rz. 1. Groeger
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Teil 1
Rz. 236
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
wiederkehrenden Etappen der Haushaltswirtschaft, sondern spiegelt sich auch rechtssystematisch in der Gliederung des HGrG und der diesem inhaltlich weitgehend entsprechenden Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder wider. 3. Die einzelnen Phasen des Haushaltskreislaufs a) Das Aufstellungsverfahren 236
Da der Haushaltsplan nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festzustellen ist, sieht § 30 BHO vor, dass der Entwurf des Haushaltsgesetzes mit dem Entwurf des Haushaltsplans in der Regel spätestens in der ersten Sitzungswoche des Bundestages nach dem 1. September von der Bundesregierung in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren einzubringen ist. Zuvor sind die Entwürfe nach § 29 Abs. 1 BHO von der Bundesregierung zu beschließen. Federführend für die Aufstellung der Entwürfe ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF). Es prüft nach § 28 Abs. 1 BHO die Voranschläge und kann diese nach Benehmen mit den beteiligten Stellen ändern1. Nur soweit es sich um Angelegenheiten von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung handelt, haben einzelne Bundesminister das Recht, eine Beschlussfassung der Bundesregierung herbeizuführen; entscheidet die Bundesregierung gegen oder ohne die Stimme des BMF, steht diesem gem. §§ 28 Abs. 2, 29 Abs. 2 BHO ein Widerspruchsrecht zu.
237
Die Erstellung der Voranschläge wird regelmäßig ein Jahr vor Beginn des betreffenden Haushaltsjahres durch das sog. Haushaltsführungsschreiben des BMF eingeleitet. Dieses enthält eine Darstellung der allgemeinen haushaltspolitischen Ausgangslage und gibt Hinweise für die Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben sowie für den Umfang des Personalhaushalts2. Das BMF verlangt dabei auf der Grundlage von § 27 Abs. 1 Satz 2 BHO regelmäßig die Übersendung von Organisations- und Stellenplänen3. Die Voranschläge sind dem BMF nach § 27 Abs. 1 BHO von der für den Einzelplan zuständigen Stelle zu übersenden.
238
Die für den Einzelplan zuständigen Stellen sind nach dem Ressortprinzip die einzelnen Bundesminister, ferner der Bundespräsident, der Bundestag und Bundesrat sowie der Bundeskanzler4. Sie bedürfen zur Ermittlung ihres Voranschlags der Mitwirkung aller nachgeordneten Dienststellen, die mit der Bewirtschaftung der Haushaltsmittel betraut sind. Die Ministerien 1 Nach Agenturmeldungen (zB Reuters v. 10.4.2008) hat Anfang April 2008 der Bundesfinanzminister mit seinem Veto gegen Haushaltsanmeldungen verschiedener Bundesministerien gedroht. 2 Heuer/Domnach, Vorbem. zu Teil II BHO Rz. 3; das – umfangreiche – Rundschreiben des BMF v. 20.12.2006 für den Haushalt 2007 ist nebst Anlagen 1 bis 8 einschließlich der Anlage 2 (Ausführungsregelungen zur Stelleneinsparung gemäß § 20 Abs. 7 HG 2007) abgedruckt bei Heuer/Hugo, Vorbem. zu Teil III BHO (Anhang 2). 3 Heuer/Domnach, § 27 BHO Rz. 2. 4 Übersicht der Einzelpläne bei Heuer/Hugo, § 13 BHO Rz. 3.
78 Groeger
VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen
Rz. 240
Teil 1
fordern von den mittelbewirtschaftenden Stellen des nachgeordneten Bereichs Beiträge zur Erfassung des für das Ressort zu ermittelnden Gesamtbedarfs an. Jede mittelbewirtschaftende Stelle ermittelt ihre voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben und legt ihre Wünsche mit den entsprechenden Unterlagen der vorgesetzten Behörde vor. In den meisten Bereichen der Bundesverwaltung werden die Haushaltsunterlagen über eine Ressortdatenbank durch Dialogeingabe übermittelt. Die nächsthöhere Behörde prüft, ändert und ergänzt die Beiträge der unteren Instanzen, fasst sie unter Berücksichtigung der eigenen Bedürfnisse zu einem Gesamtbeitrag zusammen und legt diesen der nächsthöheren Behörde vor. Dieser Vorgang wiederholt sich auf jeder Ebene bis zum Fachressort (sog. Bottom-upVerfahren1), das schließlich den Voranschlag für seinen Geschäftsbereich formuliert und dem BMF vorlegt, das dann mit der Prüfung nach § 28 BHO beginnen kann2. In den Haushaltsverhandlungen diskutieren die Haushaltsreferenten bzw. -referatsleiter der Ministerien für den jeweiligen Geschäftsbereich mit den jeweiligen Referenten bzw. Referatsleitern der sog. „Spiegelreferate“ des BMF über die grundsätzliche Berechtigung, den genauen Zweck und vor allem über den Ansatz (den Betrag) der in den Voranschlägen angeforderten Haushaltsmittel3. Nachdem die Bundesregierung den Entwurf des Haushaltsgesetzes und 239 -plans im Bundestag eingebracht hat, stellt der Bundestag am Ende der üblichen drei Lesungen den Haushaltsplan durch Verabschiedung des Haushaltsgesetzes fest. Zuvor wird aber im Haushaltsausschuss, in dem seinerseits spiegelbildlich Berichterstatter der jeweiligen Fraktionen für ein Ressort zuständig sind, der Entwurf nochmals geprüft, auch wenn er in der wesentlichen Struktur nicht mehr verändert wird4. aa) Die Personalbedarfsermittlung Nach VV Nr. 4.6.1 zu § 17 BHO dürfen Planstellen nur ausgebracht wer- 240 den, soweit sie unter Anwendung angemessener Mittel in der Personalbedarfsermittlung sachgerecht und nachvollziehbar begründet sind. Nach VV Nr. 4.6.3 zu § 17 BHO gilt dies auch für die Stellen von Arbeitnehmern. Im Übrigen muss der Bedarf der bislang genehmigten Planstellen und Stellen regelmäßig überprüft werden. Die VV Nr. 4.6.1 gilt ohne Differenzierungen für die gesamte Bundesverwaltung, also auch für oberste Bundesbehörden5. Entsprechend einem Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2004 verlangt das BMF in den jährlichen Haushaltsaufstellungsschreiben, dass den Voranschlägen Unterlagen beizufügen sind, die mindestens Angaben zu Ergebnissen, zur angewandten Methode, zum Umfang des untersuchten Bereichs sowie zur mit der Personalbedarfsermittlung beauftragten Stelle enthalten. 1 2 3 4 5
BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 69. Heuer/Domnach, § 27 BHO Rz. 3. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 70. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 71. Dittrich, BHO, § 17 Rz. 13. Groeger
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Teil 1
241
Rz. 241
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Die Verpflichtung zur Personalbedarfsermittlung beruht auf einem Bericht des Bundesrechnungshofes vom 19.12.1994, in dem erhebliche Defizite bei der Art der Personalbedarfsermittlung in der Bundesverwaltung festgestellt worden waren1. Grundlagen und Verfahren für die Personalbedarfsermittlung sind in einem vom BMI herausgegebenen „Handbuch für Organisationsuntersuchungen und Personalbedarfsermittlung“2 dargestellt3. Da die Personalbedarfsermittlung im geistig-kreativen und politisch-konzeptionellen Bereich auf Schwierigkeiten stößt, ist für den Bereich der obersten Bundesbehörden die sog. Personalmengenplanung (PMP) entwickelt worden. Für den Zeitraum des Bestehens linearer Stellenkürzungen hat sich der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages mit der PMP als angemessener Methode iSd. VV Nr. 4.6.1 einverstanden erklärt. Für die Begründung neuer Stellen soll es aber nach dem Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses bei den klassischen Methoden bleiben4. Diese Position hat das BMF in seinem Aufstellungsschreiben auch für den Haushalt 2008 übernommen5. bb) Gebot linearer Stelleneinsparungen
242
Sämtliche Haushaltsgesetze des Bundes seit Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts enthalten das Gebot, Stellen linear einzusparen6. Angesichts dieser seit fast 20 Jahren erfolgten linearen Stellenkürzungen sieht sich die Praxis in einer Situation, in der eine Personalbedarfsermittlung in der Regel nur den durch die kontinuierlichen Stellenkürzungen entstandenen Fehlbedarf bestätigen könnte, ohne dass eine realistische Chance auf Ausbringung neuer Stellen bestünde. Der mit einer formalisierten Personalbedarfsermittlung verbundene Untersuchungsaufwand stünde in keinem angemessenen Verhältnis zu den gewonnenen Erkenntnissen, solange der ermittelte Bedarf durch pauschale Stellenkürzungen konterkariert würde7.
243
Es kann nicht Aufgabe eines Handbuchs zum Arbeitsrecht sein, diese schon fatalistische Einschätzung zu bewerten. Es genügte, wenn diese Entwicklung in das Bewusstsein der Organe der Rechtspflege gelangte, die im Bereich des Bundes von den linearen Stellenkürzungen jeweils ausdrücklich ausgenommen waren.
1 2 3 4
Dittrich, BHO, § 17 Rz. 13.1. http://www.orghandbuch.de. Dittrich, BHO, § 17 Rz. 13.2. Beschluss v. 1.12.2006, http://www.orghandbuch.de/cln_115/nn_471160/OrganisationsHandbuch/DE/5__Personalbedarfsermittlung/51__Grundlagen/512__Verfahren/ExkursPersonalmengenplanung/Rechnungspr_C3_BCfungsausschuss__Bericht__PMP.html?__nnn=true. 5 Dittrich, BHO, § 17 Rz. 13.4. 6 §§ 22 Abs. 1 HG 1993, …20 Abs. 1 HG 2009. 7 Dittrich, BHO, § 17 Rz. 13.5.
80 Groeger
VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen
Rz. 249
Teil 1
cc) Abgrenzung des Stellenplans von anderen Plänen Die Organisations- und Stellenpläne, die von den einzelnen Ressorts mit den Voranschlägen übermittelt werden, sind von anderen Plänen zu unterscheiden.
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Die im Haushaltsplan ausgebrachten Planstellen bilden den sog. Stellen- 245 plan. Er ist der vom Parlament verbindlich festgelegte Handlungsspielraum der Verwaltung auf personellem Gebiet, den die Verwaltung grundsätzlich nicht überschreiten darf1. Nach § 17 Abs. 5 BHO sind Planstellen nach Besoldungsgruppen und Amtsbezeichnungen im Haushaltsplan auszubringen. Sie dürfen nur für Aufgaben eingerichtet werden, zu deren Wahrnehmung die Begründung eines Beamtenverhältnisses zulässig ist und die in der Regel Daueraufgaben sind. Andere Stellen als Planstellen sind gemäß § 17 Abs. 6 BHO in den Erläuterungen auszuweisen. Von der in § 17 Abs. 1 Satz 2 BHO vorgesehenen Möglichkeit, Erläuterungen für verbindlich zu erklären, ist in den Haushaltsgesetzen des Bundes seit 1972 Gebrauch gemacht worden. Unter einem Organisationsplan einer Dienststelle (Behörde) versteht man 246 im Allgemeinen eine innerbetriebliche Zuständigkeitsordnung. In ihr wird festgelegt, welche Aufgaben und welche Zuständigkeiten welchen einzelnen Behördenteilen als behördeninternen Verwaltungseinheiten zugewiesen werden. Er lässt grundsätzlich offen, welche Personen (Amtswalter) für die Erledigung welcher Aufgaben zuständig sind. Diese Festlegung ist Gegenstand des Geschäftsverteilungsplans. In ihm 247 wird weiter konkretisierend festgelegt, welche Personen den behördenintern gebildeten Verwaltungseinheiten (im Sinne des Organisationsplanes) zugeordnet sind2. b) Haushaltsgesetz und Haushaltsplan Nach Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG wird der Haushaltsplan durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Hierdurch erhält er die parlamentarisch-demokratische Legitimationsfunktion3. Ferner kommt ihm eine Kontrollfunktion zu, da der Staat mit den ihm zukommenden Finanzmitteln treuhänderisch über fremdes Geld verfügt, das er zuvor zumeist durch Abgaben erhoben hat4.
248
Diese Norm bildet die Grundlage der für das parlamentarische Budgetrecht 249 wesentlichen verfassungsrechtlichen Haushaltsgrundsätze der Vollständigkeit und Wahrheit, der Ausgeglichenheit und der Vorherigkeit des Haushaltsgesetzes iVm. dem Haushaltsplan. Der Grundsatz der Vollständigkeit einschließlich des in diesem Grundsatz aufgehobenen Grundsatzes der 1 Dittrich, BHO, § 17 Rz. 11.2. 2 BVerwG v. 27.8.1997 – 6 P 10/95, BVerwGE 105, 161; vgl. auch BAG v. 5.2.1971 – 4 AZR 66/70, AP § 1 TVG Auslegung Nr. 120. 3 BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 43. 4 BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 41. Groeger
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Teil 1
Rz. 250
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Wahrheit, nach dem alle zu erwartenden Einnahmen und alle Ausgaben, die der Bund voraussichtlich leisten wird, im Haushaltsplan anzuführen sind, zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen und so das Haushaltsbewilligungsrecht als eines der wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle wirksam auszugestalten1. Der wirksamen Ausgestaltung des parlamentarischen Budgetrechts dient auch das Gebot der Vorherigkeit gemäß Art. 110 Abs. 2 GG, wonach der Haushaltsplan vor Beginn des Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festzustellen ist. Dieses Gebot zielt auf die Sicherung der Budgethoheit des Parlaments in zeitlicher Hinsicht und will insbesondere die Leitungsfunktion des Haushalts für das gesamte Haushaltsjahr gewährleisten. Alle am Gesetzgebungsverfahren mitwirkenden Verfassungsorgane sind verpflichtet, an der Erfüllung des Vorherigkeitsgebots mitzuwirken, auch die Regierung, der die ausschließliche haushaltsgesetzliche Initiativkompetenz zukommt. Diese Kompetenz umfasst das Recht und die Pflicht zur rechtzeitigen Einbringung; im Funktionsbereich der Regierung sind die aufwendigen Vorbereitungsarbeiten zu den Entwürfen der Einzelpläne und des Gesamthaushaltsplans zu leisten, deren rechtzeitiger Abschluss notwendige Voraussetzung für die rechtzeitige Feststellung durch das Haushaltsgesetz ist2. 250
Materiell bestimmt Art. 109 Abs. 2 GG, dass Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben. Die Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund Art. 126 AEUV (ex Art. 104 EGV) zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin eingegangen ist („Stabilitäts- und Wachstumspakt“), findet in Art. 109 Abs. 5 GG Erwähnung und sind bei der Haushaltsaufstellung ebenfalls zu berücksichtigen3. Der Richter des BVerfG Landau hat in seiner abweichenden Auffassung zur Entscheidung des BVerfG zum Bundeshaushaltsgesetz 2004 und Nachtragshaushaltsgesetz 2004 die Ansicht vertreten, dass das Demokratieprinzip eine staatliche Verschuldung zwar nicht verbietet, jedoch gebietet, sie zu begrenzen, um die Handlungsspielräume künftiger Haushaltsgesetzgeber zu wahren. Die für den Regelfall vorgesehene Begrenzung der Neuverschuldung durch die öffentlichen Investitionsausgaben müsse daher gewährleisten, dass einer Belastung zukünftiger Generationen ein Ertrag bringender Vermögenszuwachs oder ein positiver Wachstumseffekt gegenübersteht4.
251
Das Haushaltsgesetz und der Haushaltsplan bilden eine Einheit. Es ist ein Parlamentsgesetz. Als formelles Gesetz steht es im Rang gleichrangig neben anderen formellen Gesetzen5. Eine Besonderheit liegt allein darin, dass seine Rechtsfolgen im organschaftlichen Rechtskreis zwischen Parlament 1 2 3 4 5
BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04, DÖV 2007, 789. BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04, DÖV 2007, 789. Ausführlich BK/Rodi, Art. 109 Rz. 527 ff. (562 ff.). BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04, DÖV 2007, 789. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 57.
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VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen
Rz. 254
Teil 1
und Regierung auftreten, es somit keine (echte) Außenwirkung entfaltet1. Im Verhältnis von Exekutive und Legislative ist es dennoch bindendes Recht, ebenso wie die mit dem Haushaltsvollzug befassten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes an die haushaltsrechtlichen Bestimmungen gebunden sind. Haushaltsplan und Haushaltsgesetz sind aber auch für die Gerichte verbindlich; allerdings ist die Beschränkung auf den organschaftlichen Rechtskreis zu beachten2. Die fehlende echte Außenwirkung wird allgemein aus § 3 BHO abgeleitet, wonach durch den Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten weder begründet noch aufgehoben werden. c) Haushaltsvollzug Auf die Feststellung des Haushaltsplans durch das Haushaltsgesetz folgt 252 seine Ausführung. Dabei „schwingt die Haushaltskompetenz gleich einem Pendel von der Legislative an die Exekutive zurück“3. Nach der Feststellung „verteilt“ zunächst das BMF die Einnahmen, Ausgaben, Verpflichtungsermächtigungen, Planstellen und andere Stellen auf die für den Einzelplan zuständigen Dienststellen4. Technisch erfolgt dies durch Übersendung von beglaubigten Abdrucken der jeweiligen Einzelpläne an die Ministerien5. Soweit diese die Bewirtschaftung nicht selbst vornehmen, übertragen sie die Bewirtschaftung durch Übersendung der entsprechenden Teile des Einzelplans in beglaubigter Form an die ihnen unterstehenden Ober-, Zentral- und Mittelbehörden, die damit die entsprechenden Bewirtschaftungsbefugnisse erhalten (sog. Upside-down-Verfahren). Das Ausmaß der Delegation und Subdelegation bestimmt sich im Zweifel nach dem Grundsatz der Sachdienlichkeit6. Nach § 9 Abs. 1 BHO ist bei jeder Dienststelle, die Einnahmen oder Ausgaben bewirtschaftet, ein Beauftragter für den Haushalt (BfdH) zu bestellen, soweit nicht der Leiter der Dienststelle diese Aufgabe selbst wahrnimmt. Der Beauftragte soll dem Leiter der Dienststelle unmittelbar unterstellt sein7. Dem BfdH obliegen die Ausführung des Haushaltsplans sowie die Aufstellung der Unterlagen für die Finanzplanung und der Unterlagen für den Entwurf des Haushaltsplans (Voranschläge). Er kann nach § 9 Abs. 2 BHO Aufgaben bei der Ausführung des Haushaltsplans übertragen.
253
Der BfdH ist nach VV Nr. 3.3.4 zu § 9 BHO u.a. auch zuständig für die Führung der Stellenbesetzungsliste8. Nach VV Nr. 3.1.1 zu § 49 BHO führen die obersten Bundesbehörden und die nachgeordneten Dienststellen, denen Planstellen zur Bewirtschaftung zugewiesen sind, Nachweisungen zur
254
1 2 3 4 5 6 7 8
Sachs/Siekmann, GG, Art. 110 Rz. 24; zurückhaltend BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 55. Sachs/Siekmann, GG, Art. 110 Rz. 26. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 72. Heuer/Domnach, § 9 BHO Rz. 6. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 72. BK/Gröpl, Art. 110 Rz. 72; Heuer/Domnach, § 9 BHO Rz. 6. Zur Stellung des BfdH s. Heuer/Domnach, § 9 BHO Rz. 1–5. Dittrich, BHO, § 49 Rz. 9.1 und 9.2; Heuer/Flöer, § 49 BHO Rz. 9; BMF-Rundschreiben v. 2.1.1973 idF v. 8.10.1993, abgedruckt bei Heuer/Flöer, Anm. 8. Groeger
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Teil 1
Rz. 255
Grundlagen des Arbeitsrechts im öffentlichen Dienst
Planstellenüberwachung, und zwar getrennt nach einzelnen Dienststellen. Darin sind nach VV Nr. 3.1.2 zu § 49 BHO einzutragen (1.) zu Beginn eines jeden Haushaltsjahres die der Dienststelle zur Bewirtschaftung zugewiesenen Planstellen getrennt nach den einzelnen Besoldungsgruppen, (2.) während des Haushaltsjahres laufend sämtliche Änderungen (zB. Zuweisungen, Einsparungen und Umsetzungen) der Zeitfolge nach. Außerdem sind die obersten Bundesbehörden und die nachgeordneten Dienststellen, denen Planstellen zur Bewirtschaftung zugewiesen sind, nach VV Nr. 3.2.1 zu § 49 BHO verpflichtet, Aufzeichnungen über die Besetzung der von ihnen selbst bewirtschafteten Planstellen zu führen. In diese Aufzeichnungen sind sämtliche Änderungen laufend aufzunehmen, so dass jederzeit die Zahl der besetzten bzw. der in Anspruch genommenen Planstellen und der freien Planstellen festgestellt werden kann. Nach Ziff IV. des BMF-Rundschreibens v. 2.1.1973 idF v. 8.10.19931 sind für die Überwachung der Stellen die für die Überwachung von Planstellen geltenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden. 255
Das in vielen Behörden des Bundes und der Länder praktizierte2 System der sog. „Topfwirtschaft“ ist dadurch gekennzeichnet, dass Planstellen (Beförderungsstellen) nicht bindend bzw. abstrakt einem bestimmten Dienstposten und damit einer bestimmten Dienststelle zugeordnet sind, sondern je nach Beförderungsfall innerhalb des Gesamtbereichs in Anspruch genommen werden können3. In diesen Fällen kann die Rechtsprechung zu den Standardfällen der Planstellenbewirtschaftung nicht greifen4. d) Rechnungslegung und -prüfung; Finanzkontrolle
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Nach Art. 114 Abs. 1 GG hat der BMF dem Bundestag und dem Bundesrat über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden im Laufe des nächsten Rechnungsjahres zur Entlastung der Bundesregierung Rechnung zu legen. Nach Art. 114 Abs. 2 GG prüft der Bundesrechnungshof die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Die sachlichen, räumlichen und inhaltlichen Grenzen der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes können hier nicht dargestellt werden5. In § 90 Nr. 1 BHO erstreckt sich die Prüfung insbesondere darauf, ob das Haushaltsgesetz und der Haushaltsplan eingehalten worden sind.
257
Nach § 96 Abs. 1 BHO teilt der Bundesrechnungshof das Prüfungsergebnis den zuständigen Dienststellen zur Äußerung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist mit. Er kann es auch anderen Dienststellen und dem 1 Abgedruckt bei Dittrich, BHO, § 49 vor Rz. 1. 2 Vgl. die Nachweise auf die Rechtsprechung im Beschluss des VGH Hess. v. 17.1.2008 – 1 TG 1899/07, juris. 3 OVG NW v. 6.9.2007 -1 B 754/07, juris; OVG Berlin-Brandenburg v. 11.7.2007 – 62 PV 10.05, juris; OVG Rh.-Pf. v. 19.12.2002 – 5 A 11147/02, PersR 2003, 206. 4 BVerwG v. 7.7.2008 – 6 P 13/07, ZTR 2008, 574; v. 8.12.1999 – 6 P 10/98, AP § 76 BPersVG Nr. 13; v. 9.9.1999 – 6 P 5/98, BVerwGE 109, 295. 5 S. Heuer/v. Mutius/Nawrath, Art. 114 GG Rz. 28 ff.
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VI. Haushaltsrechtliche Grundlagen
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Teil 1
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mitteilen, soweit er dies aus besonderen Gründen für erforderlich hält. Offen ist, ob der betroffene Bedienstete der geprüften Dienstste#lle, deren Verhalten negativ dargestellt ist, gegen die Prüfungsmitteilung vorgehen kann. Insoweit dürfte kein unmittelbarer Anspruch des Bediensteten gegenüber dem Bundesrechnungshof, sondern ein Recht, dass eine Stellungnahme des Bediensteten von der Dienststelle bei ihrer Stellungnahme berücksichtigt wird, in Betracht kommen1. Nach § 97 Abs. 1 BHO fasst der Bundesrechnungshof das Ergebnis seiner Prüfung jährlich dem Bundestag und dem Bundesrat in Bemerkungen zusammen, die er den beiden Parlamenten und der Bundesregierung zuleitet. Darin ist insbesondere mitzuteilen, in welchen Fällen von Bedeutung die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze nicht beachtet worden sind und welche Maßnahmen für die Zukunft empfohlen werden. Gemäß § 98 BHO macht der Bundesrechnungshof der zuständigen Stelle unabhängig hiervon unverzüglich Mitteilung, wenn nach seiner Auffassung ein Schadensersatzanspruch geltend zu machen ist.
1 Heuer/Nawrath/Doetschmann, § 96 BHO Rz. 14. Groeger
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Teil 2 Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
I. Überblick (Hauck-Scholz) . . . . . . II. Stellenausschreibungen (Hauck-Scholz). . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Regelungen der Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tarifvertragliche Regelungen der Ausschreibung . . . . . . . . . . . . III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG (Hauck-Scholz). . . . . . 1. Rechtsanspruch auf Einstellung/Beförderung . . . . . . . . . . . . . 2. Der Bewerbungsverfahrensanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliches Amt . . . . . . . . . . . b) Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . c) Umsetzungs-/Versetzungsbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Grundlagen der Bewerberbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Grenzen des Auswahlermessens des Dienstherrn . . . . . . . . f) Bindung an die Rechtsauffassung des Gerichts bei Wiederholungsentscheidung des Dienstherrn . . . . . . . . . . . . . . . g) „Erschöpfung“ des Bewerbungsverfahrensanspruches . . h) Verfahrensanforderungen . . . . aa) Aufstellung eines Anforderungsprofils vor der Auswahlentscheidung . . . bb) Benachrichtigung über das Auswahlergebnis und Wartepflicht des Dienstherrn . . . . . . . . . . . . cc) Dokumentationspflicht . . dd) Zulässigkeit eines Abbruchs des Auswahlverfahrens . . . . . . . . . . . . . . ee) Gesetzliche Regelungen für besondere Bewerbergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . i) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . .
Rz.
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1
IV. Beteiligung des Personalrats (Pahlen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Gegenstand der Beteiligung . . . . . . . 79 a) Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . 79 aa) Verpflichtung zur Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . 79 bb) Grenzen der Ausschreibungspflicht . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Beispielsfälle. . . . . . . . . . . . . . 91 c) Eingruppierung . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Art der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Mitbestimmung/Mitwirkung . . . 95 aa) Bedeutung der Organisations- und Personalhoheit . . . . 96 bb) Reichweite des Mitbestimmungsrechts . . . . . . . . . . 97 b) Entscheidungsvarianten . . . . . . . 101 c) Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Ausübung des Beteiligungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Beteiligte Personen . . . . . . . . 108 cc) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 ee) Grenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 ff) Vorlage von Unterlagen . . . . . 116 c) Stellungnahme des Gremiums . . 117 aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Inhalt der Stellungnahme . . . 119 d) Durchführung der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Wahrung der Rechte des Personalrats . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Verletzung der Rechte des Personalrats . . . . . . . . . . . . . . 122 cc) Vorläufige Durchführung der Maßnahme . . . . . . . . . . . . 123 4. Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Verwaltungsgericht . . . . . . . . . . . 127
3 3 8 15 16 16 18 19 22 37 39 41
47 48 54 56
60 64 65 66 73
I. Überblick Gilt im Arbeitsrecht – wie allgemein im Privatrecht – der Grundsatz der Privatautonomie, zu dem vor allem das Prinzip der Vertragsfreiheit gehört, so erfährt dieses Prinzip für das Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes erHauck-Scholz
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1
Teil 2
Rz. 2
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
hebliche Einschränkungen. Zur Vertragsfreiheit im Allgemeinen gehört auch die Vertragsabschlussfreiheit, also das Recht, nach Belieben und ohne jede Begründungspflicht ein Arbeitsverhältnis mit derjenigen Person zu begründen, die sich der private Arbeitgeber – gleich nach welchen Kriterien – ausgesucht hat. Allerdings ist auch die Willkür des nichtöffentlichen Arbeitgebers aufgrund der neueren Gesetzgebung zur Vermeidung der Geschlechterdiskriminierung, zur Verbesserung der Chancen von behinderten Arbeitnehmern und schließlich zum allgemeinen Diskriminierungsverbot auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht mehr schrankenlos. Alle diese Regelungen sind gesetzliche Ausprägungen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und des grundrechtlichen Gleichbehandlungsprinzips1. Der Einzug dieser Prinzipien in das Privatrecht dokumentiert eindrucksvoll die wertprägende Kraft der Grundrechte des Grundgesetzes, deren Wirkungsmacht nicht zuletzt der Rechtsprechung des BVerfG zu verdanken ist. War es doch das BVerfG, das die zunächst in der Lehre entwickelte Dogmatik von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte in seine Rechtsprechung übernommen und später mit der Lehre von den Schutzpflichten weiterentwickelt hat2. 2
Gesetzgebung und Rechtsprechung haben dem öffentlichen Arbeitgeber zusätzlich zu den genannten Regelungen weitere Pflichten bereits bei Anbahnung und Abschluss eines Arbeitsvertrages auferlegt. Das beginnt mit der Frage, ob der Arbeitgeber seine Absicht, eine Einstellung vorzunehmen, gegenüber der Öffentlichkeit bekannt geben muss (Ausschreibung)3. Dem schließt sich die weitere Frage an, ob er rechtlich verpflichtet ist, das Auswahlverfahren in einer bestimmten Weise zu gestalten, jedenfalls wenn sich schwerbehinderte Personen beworben haben (§ 82 SGB IX) oder wenn eine Stelle in einem Bereich zu besetzen ist, in dem Frauen unterrepräsentiert sind. Der weitestgehende Eingriff in die Entscheidungsmacht des öffentlichen Arbeitgebers erfolgt allerdings durch Art. 33 Abs. 2 GG, der den öffentlichen Arbeitgeber durch die Vorgabe von Auswahlkriterien für die Besetzung einer Stelle im öffentlichen Dienst bindet. Hier hatte die Rechtsprechung die Frage zu klären, ob dieses grundrechtsgleiche Recht4 nicht nur bei der Besetzung von Beamtenstellen, sondern auch bei Stellen für Angestellte und Arbeiter zu beachten ist. Weitere Besonderheiten ergeben sich durch die bundes- und landesgesetzlichen Regelungen zur Beteiligung von Personalräten am Einstellungsverfahren.
1 Zur Abgrenzung dieser beiden inhaltlich weitestgehend identischen Rechtsprinzipien und ihrer Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis vgl. ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rz. 29. 2 Vgl. hierzu Sachs/Sachs, GG, vor Art. 1 Rz. 32, Art. 1 Rz. 111, mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 3 ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 1; ErfK/Kania, § 93 BetrVG Rz. 2. 4 So § 90 BVerfGG, der die Verfassungsbeschwerde nicht nur für die Grundrechte der Art. 1 bis 19 GG, sondern auch für weitere Rechte außerhalb des Grundrechtskatalogs, so auch Art. 33 GG, ermöglicht.
88 Hauck-Scholz
II. Stellenausschreibungen
Rz. 4
Teil 2
II. Stellenausschreibungen 1. Grundsätze Eine allgemeine Ausschreibungspflicht von zu besetzenden Stellen kennt 3 das Arbeitsrecht nicht. Im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsrechts kann der Betriebsrat gem. § 93 BetrVG die Ausschreibung von Arbeitsplätzen innerhalb des Betriebs verlangen1. Daneben gibt es lediglich Bestimmungen, welchen Anforderungen eine Stellenausschreibung genügen muss, wenn sich der Arbeitgeber dafür entscheidet, die Stelle auf der Grundlage einer Ausschreibung zu besetzen. Zu nennen ist in erster Linie § 11 AGG. Hiernach darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden. § 7 Abs. 1 AGG enthält das allgemeine Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1 AGG). Es ist umstritten, ob für den Bereich des öffentlichen Dienstes eine all- 4 gemeine Ausschreibungspflicht besteht. Die Befürworter einer allgemeinen Ausschreibungspflicht entnehmen diese unmittelbar Art. 33 Abs. 2 GG2. Sie berufen sich dabei auf das Prinzip, dass die Effektivierung grundrechtlicher Positionen auch eine entsprechende Verfahrensgestaltung erfordert3. Wenn der gleiche Zugang zu jedem öffentlichen Amt effektiv gewährleistet werden soll, ist die Information der Öffentlichkeit über eine zu besetzende Stelle geboten, weil nur so interessierte Personen die Möglichkeit einer Bewerbung erhalten, die Voraussetzung für den Zugang zu der zu besetzenden Stelle ist.
1 Eine so weit gehende Regelung findet sich im Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, das auf die öffentlichen Arbeitgeber anwendbar ist, nicht. § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG bestimmt lediglich, dass die Personalvertretung mitzubestimmen hat, wenn der Arbeitgeber von der Ausschreibung von Dienstposten, die besetzt werden sollen, absehen möchte. Dies setzt aber eine nach anderen Bestimmungen begründete Ausschreibungspflicht für den öffentlichen Arbeitgeber voraus (vgl. BVerwG v. 13.10.1978 – 6 P 6/78, BVerwGE 56, 324). Diese Rechtsprechung hat das BVerwG in der Folgezeit dahingehend modifiziert, dass das Mitbestimmungsrecht jedenfalls dann zur Anwendung kommt, wenn der Dienststellenleiter von einer dienststelleninternen Ausschreibung absehen möchte (vgl. BVerwG v. 8.3.1988 – 6 P 32.85, BVerwGE 79, 101; v. 29.1.1996 – 6 P 38.93, PersR 1996, 239). 2 OVG Sachs. v. 11.4.2001 – 3 BS 83/01, ZBR 2001, 372 und v. 11.4.2001 – 3 BS 84/01, ZBR 2001, 368; Bremischer StGH v. 22.12.1992 – St 5/91, DÖV 1993, 300 = NVwZ-RR 1993, 417, gestützt auf Art. 128 Bremische Landesverfassung, der mit dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 2 GG weitgehend übereinstimmt; Sachs/Battis, GG, Art. 33 Rz. 40 mwN; Höfling, ZBR 1999, 73 (74) mit zahlreichen Nachweisen zur älteren Literatur. 3 Ähnlich bereits das BVerfG v. 18.6.1986 – 1 BvR 787/80, BVerfGE 73, 280 (286), das bei der Besetzung von Notarstellen aus Art. 12 Abs. 1 GG das Gebot einer dem Grundrechtsschutz angemessenen Verfahrensgestaltung und hieraus eine Pflicht des Gesetzgebers zur Gewährleistung der Ausschreibung von Notarstellen abgeleitet hat. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 5
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
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Die gegenteilige Auffassung wird vor allem vom BVerwG1 vertreten. Dieses lehnt in seiner Entscheidung vom 16.10.19752 die vorstehende Argumentation mit dem Hinweis ab, dass die Art und Weise der Gewährleistung des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt dem Gesetzgeber obliege. Äußerungen des BVerfG zur Problematik gibt es nach seiner Entscheidung vom 18.6.19863 nicht mehr. Es spricht jedoch sehr viel dafür, dass das BVerwG heute an seiner Rechtsprechung nicht mehr festhalten wird, weil das BVerfG, wenn auch in anderen Zusammenhängen, seine Rechtsprechung zum Prinzip der effektiven Rechtsdurchsetzung als Bestandteil des Grundrechtsschutzes, wozu auch Organisation und Verfahren als Mittel der Grundrechtsverwirklichung gehören, weiter ausgebaut hat4.
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Lässt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG eine allgemeine Ausschreibungspflicht „öffentlicher Ämter“ ableiten, dann gilt dies auch für Stellen, die durch Angestellte (oder früher: Arbeiter5) besetzt werden sollen. Denn auch diese sind „öffentliche Ämter“6.
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Allerdings lässt sich Art. 33 Abs. 2 GG nicht mit der notwendigen Präzision entnehmen, wie eine Ausschreibung im Einzelnen zu erfolgen hat, insbesondere welchen regionalen Bezug sie haben muss7. Denn dies hängt von der Art der zu besetzenden Stelle, den wahrzunehmenden Aufgaben sowie dem anzusprechenden Bewerberkreis ab – Umstände, die nur für den Einzelfall Bedeutung haben. Insofern ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Ausschreibungspflicht näher zu konkretisieren, wie dies teilweise geschehen ist. Fehlt eine konkretisierende gesetzliche Regelung, bleibt es der Rechtsprechung im Einzelfall überlassen, die Anforderungen an die Erfüllung der Ausschreibungspflicht festzulegen8. Dies kann dazu führen, dass das Unterlassen einer Ausschreibung nicht zu beanstanden ist, wenn nämlich wegen des sehr speziellen Anforderungsprofils der Stelle der potenzielle Bewerberkreis sehr eingeschränkt ist und sich der Dienstherr stattdessen darauf beschränkt, die potenziellen Stellenbewerber von der zu besetzenden Stelle direkt zu informieren, sofern ihm diese bekannt sind9. Stets aber 1 BVerwGE 49, 232 (243); 56, 324 (327). Ihr ist die überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gefolgt, in der Regel durch bloßen Verweis auf die Entscheidungen des BVerwG, vgl. zB OVG Münster v. 11.9.2006 – 6 B 1739/06, NVwZ-RR 2007, 178. 2 BVerwGE 49, 232 (243). 3 BVerfG v. 18.6.1986 – 1 BvR 787/80, BVerfGE 73, 280 (286). 4 BVerfGE 52, 380 (389 f.); 53, 30 (65); 56, 216 (236); 63, 131 (143);65, 76 (94); 69, 315 (355); 73, 280 (296). Grundlegend Hesse, EuGRZ 1978, 427 (434 ff.); weitere Nachweise bei Sachs/Sachs, GG, vor Art. 1 Rz. 34. S.a. Höfling, ZBR 1999, 73. 5 Das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst (TVöD und TV-L) hat die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern aufgehoben. 6 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, BAGE 87, 165 = NZA 1998, 884; v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = ZTR 2003, 146; v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. 7 Höfling, ZBR 1999, 73 (75). 8 AA offenbar Höfling, ZBR 1999, 73 (75) für Beförderungsämter. 9 Der Bremische StGH fordert für das Absehen von einer Ausschreibung eine entsprechende gesetzliche Regelung (Bremischer StGH v. 22.12.1992 – St 5/91, DÖV
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II. Stellenausschreibungen
Rz. 11
Teil 2
ist ein sachlicher Grund für das Unterlassen der öffentlichen Ausschreibung erforderlich1. 2. Gesetzliche Regelungen der Ausschreibung Die bekanntesten gesetzlichen Regelungen der Stellenausschreibung, näm- 8 lich § 11 AGG und § 93 BetrVG, sind in ihrem Anwendungsbereich nicht auf den öffentlichen Dienst beschränkt, so dass insoweit auf das hierzu vorliegende Schrifttum und die ergangene Rechtsprechung verwiesen werden kann2. Ebenso wenig interessieren für den vorliegenden Zusammenhang beamten- 9 rechtliche Regelungen der Ausschreibung, die es in den Beamtengesetzen und Laufbahnverordnungen des Bundes (§ 8 Abs. 1 BBG; § 4 BLV) und der Länder3 gibt, es sei denn, der öffentliche Arbeitgeber will eine Stelle ohne Bindung an den Beamtenstatus, also gegebenenfalls mit einem Beamten oder einem Angestellten besetzen. Denn in einem solchen Fall kann sich auch ein nichtbeamteter Bewerber auf die beamtenrechtlichen Regelungen zur Ausschreibung berufen. Für den Bereich der Bundesverwaltung ist auf die Bestimmung des § 6 10 Abs. 2 BGleiG hinzuweisen, der die Ausschreibung als Sollbestimmung vorsieht, wenn Frauen in dem betreffenden Bereich unterrepräsentiert sind. In einem solchen Falle soll die Ausschreibung öffentlich erfolgen, wenn mit einer hausinternen oder dienststellenübergreifenden Ausschreibung eine Erhöhung der Zahl der Bewerberinnen nicht erreicht werden kann. § 8 Abs. 2 BBG, der nach der Rechtsprechung des BVerwG so ausgelegt wird, dass die Ausschreibungspflicht für Beförderungsämter nicht besteht4, soll gem. § 6 Abs. 2 Satz 3 BGleiG anwendbar sein. Wie sich aus §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BGleiG ergibt, gelten die Regelungen über die Ausschreibungspflicht für alle Beschäftigten, also auch für Angestellte. Bezüglich des Inhalts der Stellenausschreibung bestimmt § 6 Abs. 1 11 BGleiG, dass die Dienststelle einen Arbeitsplatzes weder nur für Männer noch nur für Frauen ausschreiben darf. Außerdem müssen gem. § 6 Abs. 3 BGleiG Arbeitsplatzausschreibungen mit den Anforderungen der zu besetzenden Arbeitsplätze übereinstimmen und im Hinblick auf mögliche zukünftige Funktionen der Bewerberinnen und Bewerber auch das vorausgesetzte Anforderungs- und Qualifikationsprofil der Laufbahn oder der
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4
1993, 300 = NVwZ-RR 1993, 417). Wie hier OVG Sachs. v. 11.4.2001 – 3 BS 83/01, ZBR 2001, 372 und v. 11.4.2001 – 3 BS 84/01, ZBR 2001, 368, das von einer einzelfallangemessenen Ausschreibungspflicht spricht. OVG Sachs. v. 11.4.2001 – 3 BS 83/01, ZBR 2001, 372 und v. 11.4.2001 – 3 BS 84/01, ZBR 2001, 368. ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 1; ErfK/Kania, § 93 BetrVG Rz. 2, jeweils mwN. Das Statusrecht für Landesbeamte, das bundesgesetzlich durch das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) vom 17.6.2008 (BGBl. I S. 1010) neu geregelt worden ist, kennt keine Ausschreibungspflicht mehr; diese ist den ergänzenden Beamtengesetzen der Länder vorbehalten (vgl. zB § 8 Abs. 2 HBG). BVerwGE 49, 232 (235 ff.). Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 12
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Funktionsbereiche enthalten. Aus dieser gesetzlichen Regelung lässt sich zum einen das Verbot einer auf eine bestimmte Person bezogenen Ausschreibung1 und zum anderen das Gebot ableiten, dass das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung feststehen muss2. Außerdem sind die Arbeitsplätze auch in Teilzeit auszuschreiben, soweit zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen3. Eine Verpflichtung zur Stellenausschreibung als Teilzeitarbeitsplatz ergibt sich aus § 7 Abs. 1 TzBfG4. Voraussetzung ist hier allerdings, dass der Arbeitgeber die Stelle im Ausschreibungswege besetzen will. Entscheidet er sich gegen eine Stellenausschreibung, kommt § 7 Abs. 1 TzBfG nicht zur Anwendung. Nur in den Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht frei zwischen Ausschreibung oder Nichtausschreibung wählen kann, in denen also für den Arbeitgeber eine Ausschreibungspflicht besteht, somit vorrangig für den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, kommt die Bestimmung des § 7 Abs. 1 TzBfG demgemäß zum Tragen. 12 Ähnliche Regelungen enthalten die landesrechtlichen Gleichstellungsgesetze. So bestimmt § 8 Abs. 1 HGlG, dass zu besetzende Personalstellen „grundsätzlich“ in allen Bereichen auszuschreiben sind, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Jedoch haben sich Art und Inhalt der Ausschreibung ausschließlich an den Anforderungen der zu besetzenden Personalstelle zu orientieren. Außerdem soll in der Ausschreibung darauf hingewiesen werden, dass die Bewerbung von Frauen besonders erwünscht ist. Soll hiervon abgewichen werden, ist die Zustimmung der Frauenbeauftragten erforderlich, § 8 Abs. 3 HGlG.
1 Das BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507 (510), stellt auf die für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen ab und verlangt in seinem Leitsatz 2 zu dieser Entscheidung, dass der öffentliche Arbeitgeber das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien festzulegen hat; es leitet dieses Erfordernis aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch ab (s. Orientierungssatz 4 zu dieser Entscheidung). 2 Ebenso HessVGH v. 19.9.2000 – 1 TG 2902/00, NVwZ-RR 2001, 255 = ZBR 2001, 413, der dieses Erfordernis jedoch aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch herleitet. Vgl. auch BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32, 33/07, NVwZ 2008, 69; in dieser Entscheidung hebt das BVerfG die Bedeutung des Anforderungsprofils der Stelle hervor und legt fest, dass seine Rechtmäßigkeit der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, „weil mit der Festlegung des Anforderungsprofils ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen wird.“ Für die Besetzung von Stellen des öffentlichen Dienstes durch Arbeitnehmer leitet das BAG aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch lediglich das Erfordernis ab, vor der Auswahlentscheidung ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festzulegen, fordert aber nicht, dass dies bereits mit der Ausschreibung erfolgen müsste, vgl. BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP GG Art. 33 Nr. 59. 3 Entsprechende Regelungen finden sich in den Gleichstellungsgesetzen der Länder, zB § 8 HGlG, § 8 Chancengleichheitsgesetz Baden-Württemberg, § 8 LGG Nordrhein-Westfalen. 4 Zu den stark eingeschränkten Realisierungsmöglichkeiten dieses gesetzlichen Gebotes vgl. ErfK/Preis, § 7 TzBfG Rz. 2 bis 4 mwN.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 16
Teil 2
Eine gesetzliche Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung besteht auch 13 für Hochschullehrerstellen1; dies ergibt sich aus § 45 des noch geltenden2 Hochschulrahmengesetzes. Diese rahmenrechtliche Ausschreibungspflicht haben die Länder durch entsprechende Regelungen in ihren Landeshochschulgesetzen umgesetzt. Beispielhaft soll auf § 78 Abs. 1 ThürHG und auf § 72 Abs. 1 HHG hingewiesen werden. In beiden Bestimmungen wird nicht nur die öffentliche Ausschreibung, sondern sogar eine internationale Ausschreibung gefordert. Ein Absehen von Ausschreibung soll im Einzelfall möglich sein, wenn ein Professor oder eine Professorin der betreffenden Hochschule einen Ruf einer anderen Hochschule auf eine höherwertige Stelle erhalten hat oder wenn eine Juniorprofessorin oder ein Juniorprofessor der betreffenden Hochschule als Professorin oder Professor berufen werden soll. Da Hochschullehrerstellen auch mit Angestellten besetzt werden können, gelten die betreffenden Regelungen auch in diesem Falle. Weitere spezifische gesetzlich geregelte Ausschreibungspflichten, zum Beispiel für Richterstellen3, spielen im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, weil Richterstellen nicht mit Angestellten besetzt werden dürfen.
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3. Tarifvertragliche Regelungen der Ausschreibung Solche Regelungen bestehen nicht. Sie finden sich weder im TVöD noch im TVL.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG 1. Rechtsanspruch auf Einstellung/Beförderung Ein Rechtsanspruch auf Einstellung in den öffentlichen Dienst sowie auf 16 Beförderung oder Höhergruppierung innerhalb des öffentlichen Dienstes lässt sich weder aus Art. 33 Abs. 24 noch aus Art. 12 Abs. 1 GG5 herleiten. Art. 33 Abs. 2 GG begründet einen Anspruch auf Einstellung bzw. Beförderung nur, wenn sich nach den Verhältnissen im Einzelfall jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft darstellt und mithin die Berücksichtigung dieses Bewerbers die einzig rechtmäßige Entscheidung darstellt, weil er absolut und im Verhältnis zu den Mitbewer-
1 Eine weitergehende Ausschreibungspflicht bestimmt § 94 BerlHG, der regelhaft mit Ausnahmevorbehalt die öffentliche Ausschreibung für alle Stellen für hauptberufliches wissenschaftliches Personal vorschreibt. 2 S. Art. 125a Abs. 1 GG. Der Bund hat sein ursprüngliches Vorhaben, das HRG ersatzlos aufzuheben, bisher nicht realisiert. 3 Die betreffenden Regelungen finden sich in den Landesrichtergesetzen, vgl. zB § 3 LRiG Baden-Württemberg, § 2 LRiG Rh.-Pfalz, § 19 LRiG Schleswig-Holstein. 4 BVerfGE 39, 334 (354); BVerwGE 68, 109 (110); 75, 133 (135). 5 Nach Auffassung des BVerfG begründet Art. 12 Abs. 1 GG keine weitergehenden Ansprüche als Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 7, 377 [398]; 17, 371 [377]; 73, 3 101 [315]). Hauck-Scholz
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Rz. 17
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bern der in jeder Hinsicht am besten geeignete ist1. Ebenso wenig folgt aus Art. 33 Abs. 2 GG ein Anspruch auf Einrichtung oder Besetzung von Dienstposten im öffentlichen Dienst2. 17 Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedoch jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt der Anspruch eines Bewerbers um ein öffentliches Amt auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung3. Dieser Anspruch wird auch Bewerbungsverfahrensanspruch genannt4. Seine Verletzung ist Voraussetzung für den Anspruch des unterlegenen Bewerbers auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung5 und auf Unterlassung anderweitiger Stellenbesetzung durch den Dienstherrn bzw. öffentlichen Arbeitgeber6. 2. Der Bewerbungsverfahrensanspruch 18 Rechtsgrundlage für den Bewerbungsverfahrensanspruch ist Art. 33 Abs. 2 GG. Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder enthalten vergleichbare Regelungen (vgl. § 9 BeamtStG, § 9 BBG). Sie sind jedoch auf Beschäftigungsverhältnisse von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst nicht, auch nicht analog, anwendbar. Etwas anderes gilt für die Regelungen der Eignungsauswahl in den Gleichstellungsgesetzen von Bund und Ländern, die auf Beschäftigungsverhältnisse des öffentlichen Dienstes aller Art anwendbar sind (vgl. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BGleiG; § 2 Abs. 5 HGlG).
1 BAG v. 5.3.1996 – 1 AZR 590/92 (A), BAGE 82, 211 = NZA 1996, 751 = AP Nr. 226 zu Art. 3 GG; v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, AP Nr. 41 zu Art. 33 Abs. 2 GG; v. 20.3.2003 – 8 AZR 77/02, AP Nr. 23 zu § 565 ZPO); v. 27.7.2005 – 7 AZR 508/04, AP Nr. 63 zu Art. 33 GG; v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. 2 BVerwGE 101, 112 (114); Sachs/Battis,GG, Art. 33 Rz 21. 3 BVerfGE 39, 334 (354); BVerwGE 80, 123 (124); 101, 112 (115); 124, 99 (102); BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, BAGE 87, 165 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 40; v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, BAGE 87, 165 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 41. 4 BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02, ZBR 2002, 427 = NVwZ 2003, 200; BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, BAGE 87, 165 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 40; v. 23.1.2007 – 9 AZR 492/06, NZA 2007, 1450 = ZTR 2007, 462 = AP ZPO 1977 § 233 Nr. 83; BVerwG v. 21.8.2003 – 2 C 14.02, BVerwGE 118, 370 (372) = ZBR 2004, 101 = NJW 2004, 870 = DVBl. 2004, 317. 5 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, BAGE 87, 165 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 41; v. 11.8.1998 – 9 AZR 155/97, AP GG Art. 33 Nr. 45. Weitere Voraussetzung ist, dass die Stelle noch nicht anderweit endgültig besetzt ist; zu dieser Voraussetzung vgl. insb. BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146. 6 BAG v. 22.6.1999 – 9 AZR 541/98, AP GG Art. 33 Nr. 49; v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57. Den Unterlassungsanspruch leitet das BAG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG aus dem Prinzip der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ab, das eine analoge Anwendung des § 1004 BGB gebiete. Wie der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB im Allgemeinen, setzt auch der Unterlassungsanspruch in analoger Anwendung des § 1004 BGB eine Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr voraus.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
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Teil 2
a) Öffentliches Amt Öffentliche Ämter iSd. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können1.
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Ist eine freie Stelle, insbesondere eine Beförderungsstelle, zu besetzen, 20 kann sich das Problem ergeben, dass sich für sie sowohl Arbeitnehmer als auch Beamte bewerben. Vielfach versuchen öffentliche Arbeitgeber das Problem dadurch zu umgehen, dass sie im Ausschreibungstext eine Beschränkung des Bewerberkreises nur auf Arbeitnehmer oder nur auf Beamte vornehmen. Eine Einschränkung des Bewerberkreises auf Beamte durch die Ausschreibung oder die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens ist jedoch unzulässig, es sei denn, der Aufgabenbereich der zu besetzenden Stelle bezieht sich auf hoheitliche Funktionen iSd. Art. 33 Abs. 4 GG (Funktionsvorbehalt)2. Es ist allerdings umstritten, wie der Begriff der „hoheitsrechtlichen Befugnisse“ iSd. Art. 33 Abs. 4 GG auszulegen ist. Eine extensive Interpretation umfasst die gesamte obrigkeitliche Tätigkeit des Staates zuzüglich aller Funktionen öffentlicher Verwaltung, einschließlich der Leistungsverwaltung, ausgenommen die reine Fiskalverwaltung, die privatrechtlichen Beschaffungsgeschäfte der öffentlichen Verwaltung, die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand sowie rein mechanische Hilfsgeschäfte3. Die Gegenmeinung beschränkt die hoheitliche Tätigkeit auf die Wahrnehmung obrigkeitlicher Funktionen des Staates4. Indem das BAG bei seiner Interpretation des Funktionsvorbehalts auf den Inhalt der staatlichen Aufgabe und den Umfang des zur Verfügung stehenden ordnungsbehördlichen Instrumentariums abstellt5, scheint es mehr der engeren Auslegung des Funktionsvorbehalts des Art. 33 Abs. 4 GG zuzuneigen. Allerdings darf der Dienstherr auch Stellen, die dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG unterliegen, mit Arbeitnehmern statt mit Beamten besetzen6, er muss es aber nicht. Auch wenn Arbeitnehmer nur unter den genannten Voraussetzungen vom 21 Zugang zu einem öffentlichen Amt in Konkurrenz mit Beamtenbewerbern ausgeschlossen werden können, stellt sich das weitere Problem, wie sie zu vergüten sind, wenn die Stelle nur als Beamtenstelle unter Angabe einer bestimmten Besoldungsgruppe ausgeschrieben ist. Denn die Kriterien für die Einstufung von Beamten und die Eingruppierung von Angestellten sind unterschiedlich. In der Praxis hat man sich mit einer analogen Anwendung 1 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 40; v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146; v. 19.2.2003 – 7 AZR 67/02, AP GG Art. 33 Nr. 58. 2 BAG v. 11.8.1998 – 9 AZR 155/97, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 45; v. 18.9.2001 – 9 AZR 410/00, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 52; v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57). 3 Sachs/Battis, GG, Art. 33 Rz. 55 mwN. 4 Sachs/Battis, GG, Art. 33 Rz. 56 mwN. 5 BAG v. 11.8.1998 – 9 AZR 155/97, AP GG Art. 33 Nr. 45; v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57. 6 BAG v. 11.8.1998 – 9 AZR 155/97, AP GG Art. 33 Nr. 45. Hauck-Scholz
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des § 11 Satz 2 BAT/BAT-O beholfen, der eine „Umsetzungstabelle“ für beamtenrechtliche Besoldungsgruppen in tarifrechtliche Vergütungsgruppen enthält. Allerdings ist diese Regelung mit Inkrafttreten des TVöD bzw. TV-L entfallen, so dass insoweit eine Lücke entstanden ist1. Im vorliegenden Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Frage nach dem Zugang zu einem öffentlichen Amt von der Frage nach der Besoldung bzw. Vergütung des ausgewählten Bewerbers zu trennen ist. Die in einer Ausschreibung angegebene Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppe spielt allenfalls eine Rolle für das Anforderungsprofil der Stelle, indem sich von ihr Indizien für die notwendige Qualifikation eines Bewerbers ableiten lassen2. b) Auswahlkriterien 22 Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat die Bewerberauswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu erfolgen (siehe auch § 10 Abs. 1 HGlG). 23 Dabei ist davon auszugehen, dass der Begriff der Befähigung auf die Vorbildung nach Maßgabe des Laufbahnrechtes, aber auch auf fachrelevantes Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und Begabung abstellt, der Begriff der fachlichen Leistung auf die berufliche Erfahrung, die Bewährung in der jeweiligen Berufssparte, auf das fachliche Wissen und fachliche Können, und der Begriff der Eignung auf die Person selbst mit ihren körperlichen, geistigen, seelischen und charakterlichen Eigenschaften3. Diese drei Kriterien werden zusammenfassend als Leistungsprinzip bezeichnet4. 24 Die Geltung dieses Grundsatzes wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet5. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem be1 Diese Lücke besteht jedoch nicht für angestellte Lehrkräfte, da die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte fortgelten; diese knüpfen aber bezüglich der Eingruppierung an die Einstufung entsprechender Beamter an und enthalten ihrerseits eine entsprechende „Umsetzungstabelle“. 2 Das BAG hat aber zu Recht betont, dass ein bloßer Hinweis auf die vorgesehene Vergütungsgruppe nicht ausreicht, wenn sich die konkreten Anforderungen der zu besetzenden Stelle aus ihr nicht feststellen lassen, vgl. v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP GG Art. 33 Nr. 59. 3 BAG v. 5.3.1996 – 1 AZR 590/92 (A), BAG 82, 211 = AP Nr. 226 zu Art. 3 GG; v. 29.10.1998 – 7 AZR 676/96, AP BPersVG § 46 Nr. 22; BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102); BVerfG v. 20.4.2004 – 1 BvR 838/01 u.a., NJW 2004, 1935 (1936). Das LAG Hamm v. 9.10.2008 – 17 Sa 927/08, LAGE § 1 WissZeitVG Nr. 1, hält zu Unrecht die Befristbarkeit des Beschäftigungsverhältnisses für ein Eignungskriterium. 4 BVerwGE 122, 147 (149); Sachs/Battis, GG, Art. 33 Rz. 27 mwN. 5 BVerfG v. 2.4.1996 – 2 BvR 169/93 –, NVwZ 1997, 54 (55); BVerwGE 122, 147 (149).
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
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rechtigten Interesse der Beamten (und Arbeitnehmer) an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet1. Art. 33 Abs. 2 GG gibt somit die entscheidenden Beurteilungsgesichtspunkte für die Bewerberauswahl zur Besetzung von öffentlichen Ämtern abschließend vor2. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Anderen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich anhand von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt3. Eine gleiche Eignung von konkurrierenden Bewerbern ist also Voraussetzung für die Anwendung sog. Hilfskriterien. Was gleiche Eignung konkret bedeutet, kann nur nach den Gegebenheiten 25 des Einzelfalls beurteilt werden. Hierfür ist insbesondere maßgeblich, auf welcher Grundlage die Eignung der Bewerber ermittelt wurde. Beruht das Eignungsurteil des Dienstherrn beispielsweise auf einem Vergleich dienstlicher Beurteilungen der konkurrierenden Bewerber und schließen diese mit einer Gesamtnote ab, kann von gleicher Eignung der Bewerber nur gesprochen werden, wenn die Gesamtnote identisch ist, vom selben Beurteiler stammt und die konkurrierenden Bewerber auch gleichartige Dienstposten bzw. statusmäßige Ämter innehaben. Werden Bewerber im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung mit derselben Gesamtnote beurteilt, so sind aus den Einzelkriterien abgeleitete Durchschnittsnoten von 2,46 und 2,56 nach Auffassung des BAG als gleiche Bewertung anzusehen4. Gleiche Eignung hat das BAG auch für den Fall angenommen, dass die Note eines Bewerbers, der ein höheres Amt innehat, eine Notenstufe niedriger liegt als die Note des Bewerbers mit dem niedrigeren Amt5. Ordnet ein Beurteilungssystem anstelle verbaler Binnendifferenzierung den Gesamtnoten einen Bereich jeweils mehrerer Punktwerte zu, sollen hierdurch nach der maßgeblichen Einschätzung des Dienstherrn messbare und beachtliche Bewertungsunterschiede zum Ausdruck gebracht werden. Dies ist gerade der Sinn des statt verbaler Differenzierungen gewählten Punktsystems, das 1 BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 –, NVwZ 2003, 200 (201); v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69; BVerwG v. 25.8.1988 – 2 C 51/86, BVerwGE 80, 123 (124); v. 25.4.1996 – 2 C 21/95, BVerwGE 101, 112 (114); 122, 147 (149); 124, 99 (102); BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. 2 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69; BVerwGE 122, 147 (149); 124, 99 (102). 3 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69; BVerwGE 122, 147 (149); 124, 99 (102). 4 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 307/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 60. 5 BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 573/03, BAGE 112, 13 = AP GG Art. 33 Nr. 61 = NZA 2005, 879; differenzierend BVerfG v. 20.3.2007 – 2 BvR 2470/06, NZA 2007, 607 = NVwZ 2007, 691 = ZBR 2008, 35. In seiner Entscheidung hat das BAG auch das Abstellen auf das Ergebnis eines Vorstellungsgespräches, das seinerseits mit Hilfe einer Punkteskala bewertet wurde, im Falle dienstlich gleich beurteilter Konkurrenten gebilligt. Hauck-Scholz
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Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Abstufungen innerhalb des vergebenen Gesamturteils zum Zwecke eines Leistungsvergleichs ermöglichen soll1. 26 Betrachtet man den Trend in der Rechtsprechung, ist festzustellen, dass die Anforderungen an eine rechtmäßige Auswahlentscheidung – nicht zuletzt aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG – immer strenger geworden sind. Infolgedessen wird auch bei der Feststellung, ob eine gleiche Eignung der konkurrierenden Bewerber vorliegt, mit einem zunehmend strengeren Maßstab gemessen und die frühere Rechtsprechung, die dazu neigte, das Wort „gleich“ mit „im Wesentlichen gleich“ zu interpretieren, stillschweigend modifiziert2. 27 Die starke, sich aus dem Verfassungsrecht ergebende Bindung des Dienstherrn bzw. öffentlichen Arbeitgebers an leistungsbezogene Auswahlkriterien hat die frühere beliebte Praxis, sich insbesondere am Dienst- oder Lebensalter der Bewerber für eine Beförderung zu orientieren, stark eingeschränkt. Das Dienst- oder Lebensalter eines Bewerbers ist kein unmittelbar leistungsbezogener Gesichtspunkt, auch wenn eine gewisse Vermutung dafür spricht, dass ein dienstälterer Bewerber über eine umfassendere Berufserfahrung verfügt. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass von einem höheren Dienstalter auf einen höheren Leistungsstand und bessere Bewährungsvoraussetzungen geschlossen werden kann. Dementsprechend ist die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar3.
1 BVerwG v. 27.2.2003 – 2 C 16/02, NVwZ 2003, 1397 = ZBR 2003, 420. Im Übrigen hat das BVerwG verbalen Zusätzen bei der Gesamtnote enge Grenzen gesetzt: Sie sind nur zulässig, wenn sie einheitlich verwendet werden und einen eindeutigen Aussagegehalt haben, die auch für den Beurteilten zweifelsfrei erkennbar Zwischenstufen innerhalb einer Gesamtnote bezeichnet. Zusätze wie „uneingeschränkt“ oder „insgesamt“ hat das BVerwG verworfen und sie als rechtswidrig und unbeachtlich bezeichnet. 2 Vgl. einerseits BVerwGE 80, 123 (126), andererseits BVerwGE 118, 370 (377), wo im Gegensatz zur vorzitierten Entscheidung die Anwendung des Hilfskriteriums Lebens- oder Dienstalter erst zugelassen wird, wenn auch eine Heranziehung zurückliegender dienstlicher Beurteilungen als Grundlage für eine Nachzeichnung der Leistungsentwicklung der konkurrierenden Bewerber zu keinem Eignungsvorsprung eines der Bewerber führt. Dies wird ungeachtet des Gebotes, den Leistungsvergleich auf eine aktuelle Beurteilung zu stützen, damit begründet, dass ältere Beurteilungen bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn frühere Beurteilungen positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten. Derartige Äußerungen, insbesondere über erkennbare positive oder negative Entwicklungstendenzen, können vor allem bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen von Bewerbern den Ausschlag geben (BVerwG v. 19.12.2002 – 2 C 31/01, NVwZ 2003, 1398 = ZBR 2003, 359; v. 27.2.2003 – 2 C 16/02, NVwZ 2003, 1397 = ZBR 2003, 420). 3 BVerwGE 122, 147 (151); 124, 99 (103).
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
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Im Falle gleicher Eignung konkurrierender Bewerber räumt die Rechtspre- 28 chung dem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber ein Ermessen bei der Frage ein, nach welchen weiteren Kriterien (Hilfskriterien) er seine Auswahlentscheidung trifft. Dieses Ermessen ist jedoch bei bestimmten Fallkonstellationen gesetzlich begrenzt. So bestimmt § 8 Satz 1 BGleiG1, dass in unterrepräsentierten Bereichen Frauen bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen, Einstellung, Anstellung und beruflichem Aufstieg bei Vorliegen von gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, die der Gesetzgeber mit „Qualifikation“ legaldefiniert, bevorzugt zu berücksichtigen sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen2. § 9 TzBfG begründet den Anspruch eines teilzeitbeschäftigten Mitarbeiters auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung eines entsprechend freien Arbeitsplatzes, wenn er dem Arbeitgeber den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, gleiche Eignung vorliegt und dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nicht entgegenstehen3. Weitere Einschränkungen des Auswahlermessens des Arbeitgebers ergeben sich aus dem hochschulrechtlichen sog. Hausberufungsverbot bei der Besetzung von Professorenstellen4.
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§ 9 Abs. 1 Satz 2 BGleiG enthält das Gebot, Dienstalter, Lebensalter und den Zeitpunkt der letzten Beförderung nur insoweit zu berücksichtigen, als ihnen für die Eignung, Leistung und Befähigung der Bewerberinnen und Bewerber Bedeutung zukommt. Spezifische, durch Betreuungs- und Pflegeaufgaben erworbene Erfahrungen und Fähigkeiten sind zu berücksichtigen, soweit sie für die Ausübung der jeweiligen Tätigkeit von Bedeutung sind. Außerdem benennt § 9 Abs. 2 BGleiG eine Reihe verbotener Auswahlkriterien wie geringere aktive Dienst- oder Beschäftigungsjahre, die
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1 Vergleichbare Regelungen enthalten die Gleichstellungsgesetze der Länder; vgl. zum Beispiel § 10 Abs. 6 HGlG, § 7 Abs. 2 LGG NW, § 7 Abs. 1 LGG Rh.-Pf. 2 Mit dieser Regelung wurde den Bedenken gegen eine uneingeschränkte Bevorzugung von Frauen bei gleicher Eignung mit konkurrierenden Männern Rechnung getragen. Vgl. BAG v. 5.3.1996 – 1 AZR 590/92 (A), BAGE 82, 211 = NZA 1996, 751 = NJW 1996, 2529 = AP GG Art. 3 Nr. 226; v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, BAGE 87, 171 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 41; v. 21.1.2003 – 9 AZR 307/02, BAGE 104, 264 = AP GG Art. 33 Nr. 60. 3 Vgl. hierzu BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 874/06, NZA 2007, 1349 = NJW 2007, 3664. 4 So bestimmt zB § 72 Abs. 3 HHG, dass Mitglieder der eigenen Hochschule bei der Berufung auf eine Professur, die auch im Angestelltenverhältnis besetzt werden kann, nur in begründeten Ausnahmefällen berücksichtigt werden können. Ist der Bewerber ein Juniorprofessor, kann er in einem solchen Fall berücksichtigt werden, wenn er nach der Promotion die Hochschule gewechselt hat oder mindestens drei Jahre außerhalb der berufenden Hochschule wissenschaftlich tätig war. Ähnliche Regelungen enthalten auch die anderen Hochschulgesetze der Länder. Offenkundig liegt dem Hausberufungsverbot eine besondere Ausprägung des Leistungsprinzips zugrunde; darin findet es seine Legitimation, aber auch seine verfassungsrechtliche Grenze. Auf weitere Einzelheiten ist hier nicht einzugehen. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 31
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Einkommenssituation des Ehepartners oder zeitliche Belastungen durch die Betreuung von Kindern1. 31 Eine weitreichende Beschränkung des Auswahlermessens des Arbeitgebers ergibt sich auch aus den Regelungen des AGG, gleichgültig ob es sich um eine bereits eingestellte Person oder um die Bewerberin oder den Bewerber auf eine zu besetzende Stelle handelt2. § 7 AGG definiert ein umfassendes Benachteiligungsverbot, das – wegen der Legaldefinition des „Beschäftigten“ in § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG – auch für die Einstellungssituation gilt. Das Benachteiligungsverbot umfasst den gesamten Katalog des § 1 AGG einschließlich des Verbots der mittelbaren Diskriminierung (§ 3 Abs. 2 AGG). Ausnahmen zum strengen Benachteiligungsverbot ergeben sich aus den §§ 8 bis 10 AGG. Die Regelungen des AGG begrenzen nicht nur das Auswahlermessen des Arbeitgebers, sondern auch die Vorgehensweise des Arbeitgebers beim Auswahlverfahren. Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots nach dem AGG begründet einen immateriellen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, allerdings auf den Nichteinstellungsfall beschränkt3. 32 Eine Einschränkung des Arbeitgeberermessens kann auch durch Richtlinien bzw. Verwaltungsvorschriften des Arbeitgebers erfolgen, sofern diese ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar sind4. Hierzu gehören beispielsweise die Richtlinien zur Eingliederung und Förderung von Schwerbehinderten, die alle öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften für ihren Bereich erlassen haben. Dort findet sich vielfach die Regelung, dass Schwerbehinderte bei der Besetzung freier Arbeitsplätze oder Dienstposten bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen sind5. 33 Art. 33 Abs. 2 GG hindert den Dienstherrn, ein Mindestdienstalter für Beförderungsmöglichkeiten und die damit verbundene Wartezeit aus anderen als unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten vorzuschreiben. Werden Beförderungsmöglichkeiten innerhalb einer Laufbahn von einem Mindestdienstalter abhängig gemacht, so erlangt dieses Merkmal einen Stellenwert, der weit über den ihm von Art. 33 Abs. 2 GG zugewiesenen Rang eines ergänzenden Hilfskriteriums hinausgeht. Denn durch eine altersbedingte Wartezeit, die keine Bewährungszeit darstellt, wird eine Voraus1 Ähnliche Regelungen enthalten die Gleichstellungsgesetze der Länder; vgl. zB § 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 HGlG. 2 Dies ergibt sich aus der Legaldefintion des „Beschäftigten“ in § 6 Abs. 1 AGG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG sind Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. 3 Zum materiellen Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG vgl. unten Rz. 78. 4 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 492/06, AP ZPO 1997 § 233 Nr. 83 = NZA 2007, 1450 = NJW 2007, 3742. 5 Schwerbehinderung ist ein in der Person eines Bewerbers liegender Grund, der gem. § 8 Satz 1 BGleiG zu berücksichtigen ist. Das Benachteiligungsverbot für Behinderte ist grundrechtlich geschützt (Art. 3 Abs. 2 GG); s. hierzu BVerwG v. 21.6.2007 – 2 A 6/06, Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35; BVerfG v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571/07, NVwZ 2009, 389 = ZBR 2009, 125.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 35
Teil 2
wahl der für eine Beförderung laufbahnrechtlich in Betracht kommenden Beamten nach dem Anciennitätsgrundsatz getroffen. Dadurch werden Beamte, die nicht das erforderliche Dienstalter aufweisen, ungeachtet des Leistungsstands von Beförderungen ausgeschlossen. Die Beschränkung des Leistungswettbewerbs auf einen nach Dienstalter zusammengestellten Bewerberkreis trägt dem von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten unbeschränkten und vorbehaltlosen Geltungsanspruch des Leistungsgrundsatzes nicht Rechnung1. Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Besetzung von Stellen des öf- 34 fentlichen Dienstes durch Arbeitnehmer. Soweit solche Wartezeiten mit dem Gesichtspunkt begründet werden, sie 35 würden der Sicherung einer angemessenen Altersstruktur der Bediensteten dienen, handelt es sich um einen nicht leistungsbezogenen Auswahlgesichtspunkt. Solchen Gesichtspunkten darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist2. Soweit es nicht um die Abwendung einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung geht, also nur um Fragen des optimierenden Ausgleichs mit anderen verfassungsgeschützten Interessen, bedarf es zudem einer gesetzlichen Grundlage. Diese muss ihrerseits dem Zweck des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung tragen, dh. ernsthaften Gefährdungen der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes vorbeugen3. Das personalpolitische Interesse an ausgewogenen Altersstrukturen hat keinen verfassungsrechtlichen Stellenwert, der eine Einschränkung des Leistungsgrundsatzes bei der Besetzung der Beförderungsämter einer Laufbahn rechtfertigen könnte. Ein ausgewogener Altersaufbau in den einzelnen Laufbahnen wird zwar in aller Regel personalpolitisch wünschenswert sein; er gehört jedoch nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt werden. Insbesondere besteht ein entscheidender Unterschied zu Höchstaltersgrenzen, etwa für die Einstellung in den öffentlichen Dienst oder für die Übernahme in ein Dienstverhältnis anderer Art. Solche Altersgrenzen sind geeignet, den Leistungsgrundsatz einzuschränken, weil sie im Lebenszeitprinzip als einem von Art. 33 Abs. 5 GG erfassten Strukturprinzip angelegt sind. Ihr Zweck besteht vor allem darin, in Anbetracht der Dauerhaftigkeit des Beamtenverhältnisses ein angemessenes Verhältnis von Arbeitsleistung und Ansprüchen auf Versorgung während des Ruhestandes sicherzustellen4.
1 BVerwGE 122, 147 (152). 2 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69; BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102). 3 BVerfG v. 2.4.1996 – 2 BvR 169/93 –, NVwZ 1997, 54 (55); BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102). 4 BVerwGE 122, 147 (153). Solche Erwägungen sind aber auf Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht übertragbar. Denn deren Altersversorgung beruht auf Beiträgen zur Rentenversicherung und zur Zusatzversorgung (VBL), zu denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Anteilen Beiträge leisten. Daher spielen Altersgrenzen für Arbeitnehmer in der Praxis auch keine Rolle. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 36
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
36 Auch die Einstufung des Dienstpostens, den der Beamte oder Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung innehat, stellt kein leistungsbezogenes Auswahlkriterium dar. Zwar sind bei der Beurteilung des Leistungsvermögens eines Beamten oder Arbeitnehmers und seiner voraussichtlichen Bewährung in einem höheren Amt die Anforderungen in den Blick zu nehmen, die sein Dienstposten stellt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Inhaber höherwertiger Dienstposten leistungsstärker sind als Inhaber niedriger bewerteter Dienstposten. Die unterschiedliche Einstufung der Dienstposten von Bewerbern rechtfertigt nicht, von einem Leistungsvergleich zwischen ihnen abzusehen1. Demzufolge steht die Beförderung des Inhabers eines höherwertigen Dienstpostens ohne Bewerberauswahl allenfalls dann mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang, wenn der Beförderungsdienstposten seinerseits aufgrund einer Bewerberauswahl in Anwendung des Leistungsgrundsatzes vergeben worden ist. Nur wenn den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG bereits bei der Besetzung des Dienstpostens genügt worden ist, kann der ausgewählte Beamte oder Arbeitnehmer nach erfolgreichem Abschluss einer Bewährungszeit ohne nochmalige Bewerberauswahl befördert oder höher gruppiert werden2. c) Umsetzungs-/Versetzungsbewerber 37 Art. 33 Abs. 2 GG ist auch in den Fällen anzuwenden, wenn mit der Stellenbesetzung für den Bewerber keine höhere Vergütung verbunden ist, allerdings nur dann, wenn der Versetzungsbewerber nach öffentlicher Ausschreibung vom Dienstherrn ohne Einschränkung am Auswahlverfahren beteiligt wird3. Denn aus der Organisationsfreiheit des Dienstherrn folgt sein Recht, zwischen Umsetzung, Versetzung und Beförderung zu wählen. Die Ausübung dieses Rechts steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn4. Das BAG hat zu dieser Frage ursprünglich eine andere Auffassung vertreten, nämlich die, dass die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG einschränkungslos auch dann anzuwenden sind, wenn der Bewerber bereits die Vergütung erhält, die mit der zu besetzenden Stelle verbunden ist5. Nachdem das BVerwG allerdings moniert hatte, dass das BAG von der Rechtsprechung des BVerwG abgewichen ist, ohne das nach § 10 RSpEinhG iVm. § 11 Abs. 2 VwGO gebotene Verfahren eingeleitet zu haben6, hat das BAG seine Rechtsprechung geändert und sich der Rechtsprechung des BVerwG angeschlossen7. 1 BVerwGE 124, 99 (103). 2 BVerwGE 115, 58 (59); 124, 99 (103). 3 BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21.92, BVerwGE 95, 73, 84; HessVGH v. 23.4.1996 – 1 TG 298/96, NVwZ-RR 1998, 121. 4 BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94 (95); st. Rspr. des BVerwG, s. zB BVerwGE 122, 237 (240). 5 BAG v. 11.8.1998 – 9 AZR 155/97, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 45 = NZA 1999, 767; v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, BAGE 103, 212 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57 = NZA 2003, 798. 6 BVerwGE 122, 237 (240). 7 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 492/06, AP ZPO 1997 § 233 Nr. 83 = NZA 2007, 1450 = NJW 2007, 3742.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 39
Teil 2
Entschließt sich der Dienstherr im Rahmen seines Organisationsermes- 38 sens für ein Auswahlverfahren, an dem sowohl Beförderungsbewerber als auch „reine“ Umsetzungs- oder Versetzungsbewerber unterschiedslos teilnehmen, beschränkt er durch diese „Organisationsgrundentscheidung“ seine Freiheit, die Stellen durch Versetzungen oder Umsetzungen zu besetzen, und ist aus Gründen der Gleichbehandlung gehalten, die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Auswahlkriterien nicht nur auf die Beförderungsbewerber, sondern auf sämtliche Bewerber anzuwenden. Ein unter den Bedingungen des Art. 33 Abs. 2 GG in Gang gesetztes Auswahlverfahren darf nachträglichen Einschränkungen nur aus Gründen unterworfen werden, die den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werden1. Solche Anforderungen müssen wie Art. 33 Abs. 2 GG Verfassungsrang haben2. Hierzu gehört zB die Infragestellung der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Ein verstärkter Personalbedarf bei einer einzelnen Dienststelle stellt die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsbereichs in aller Regel jedoch nicht in Frage3, womit der häufigste Grund für eine Abordnung oder Versetzung bzw. deren Ablehnung ausgeschlossen ist. Dies hat zur Folge, dass dem Bewerbungsverfahrensanspruch des Versetzungsbewerbers keine dienstlichen Interessen des Arbeitgebers im Hinblick auf eine Unabkömmlichkeit vom bisherigen Dienstposten entgegengehalten werden kann (negatives Versetzungsermessen). Denn mit der Zulassung von Versetzungsbewerbern zu einem Auswahlverfahren hat der Arbeitgeber seine Organisationsfreiheit beschränkt, so dass auch Versetzungsbewerber am Leistungsgrundsatz zu messen sind4. d) Grundlagen der Bewerberbewertung Eine Auswahl nach den Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher 39 Leistung setzt als Entscheidungsgrundlage eine Bewertung der Bewerber im Hinblick auf ihre Eignung für die zu besetzende Stelle voraus. Diese kann durch dienstliche Beurteilungen5, Zeugnisse6 oder aktuelle Leistungsberichte vorgenommen werden. Nur auf dieser Grundlage ist es dem Arbeitgeber möglich, eine Auswahlentscheidung zu treffen, die den verfas1 BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94 (95); BVerwGE 122, 237 (242). 2 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69; BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102). 3 BVerwGE 122, 237 (243). 4 BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94 (95); BVerwGE 122, 237 (243). 5 Allgemein zur gerichtlichen Überprüfung dienstlicher Beurteilungen (von Beamten) BVerfG v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/99, NJW 2003, 127 = ZTR 2002, 451. Werden Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst „dienstlich beurteilt“ und sind sie mit dieser Beurteilung nicht einverstanden, haben sie beim Vorliegen von Beurteilungsfehlern einen Anspruch auf Neuvornahme der Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts analog der arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage, BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, AP BAG § 2 SR 2l Nr. 20; v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08, NZA 2010, 115, oder auf Entfernung aus der Personalakte, BAG v. 18.11.2008 – 9 AZR 865/07, NZA 2009, 206. 6 Zur Notwendigkeit der Vorlage eines Arbeitszeugnisses bei externen Bewerbern aus der Privatwirtschaft vgl. HessVGH v. 26.11.2008 – 1 B 1870/08, LKRZ 2009, 110. Hauck-Scholz
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Rz. 40
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
sungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht wird. Der Leistungsvergleich unter den konkurrierenden Bewerbern muss aber nicht über dienstliche Beurteilungen erfolgen, es sei denn, dass die Erstellung dienstlicher Beurteilungen verfahrensmäßig vorgeschrieben ist1. Die Bestenauslese und Chancengleichheit sämtlicher Bewerber verlangen allerdings ein Mindestmaß an verfahrensrechtlichen Vorkehrungen. Dazu gehören für die Bewertung der Leistungen ein einheitlicher Bewertungsmaßstab sowie ein möglichst gemeinsamer Stichtag für die Durchführung der Bewertung2. Ferner muss der Leistungsvergleich zeitnah zur Auswahlentscheidung erfolgen, so dass noch eine sachgerechte Prognoseentscheidung, wer von den Bewerbern für die künftigen Aufgaben am besten geeignet sein wird, getroffen werden kann3. 40 Im Rahmen seines Auswahlermessens darf der öffentliche Arbeitgeber nach eigenem Ermessen das durchzuführende Auswahlverfahren ausgestalten. Dazu gehört auch das Recht zur Vorauswahl, wodurch der Teilnehmerkreis für die Endauswahl begrenzt wird. Dies gilt jedoch nur, wenn auch für die Vorauswahl eignungsbezogene Kriterien zugrunde gelegt werden4.
1 Bei Beamten ist dies regelmäßig der Fall. Für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gibt es das Instrument der dienstlichen Beurteilung nicht. Die „dienstliche Beurteilung“ eines Arbeitnehmers kommt daher nur in Betracht, wenn sie etwa durch Auswahlrichtlinien des öffentlichen Arbeitgebers vorgeschrieben ist. In einem solchen Fall sind die für die dienstl. Beurteilung für Beamte entwickelten Grundsätze auch auf Angestellte anwendbar, BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, BAGE 121, 91 = NZA-RR 2007, 608. Fehlt es an einer dienstlichen Beurteilung eines Beamten zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung, so ist der Dienstherr dennoch an der beabsichtigten Auswahlentscheidung nicht gehindert. Er ist jedoch verpflichtet, die eignungs-, leistungs- und befähigungsrelevanten Merkmale des Bewerbers zu ermitteln; auch dabei ist – wie bei der dienstlichen Beurteilung – die originäre, durch die Gerichte nicht ersetzbare Beurteilungskompetenz des Dienstherrn zu beachten (BVerwGE 118, 370 [378]). Vgl. auch HessVGH v. 26.11.2008 – 1 B 1870/08, LKRZ 2009, 110. 2 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59; BVerwG 18.7.2001 – 2 C 41/00, DRiZ 2003, 49. 3 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59; v. 7.9.2004 – 9 AZR 537/03, BAGE 112, 13 = AP GG Art. 33 Nr. 61 = NZA 2005, 879; v. 14.8.2007 – 9 AZR 1086/06, PersR 2008, 158. Das BAG hat den Aktualitätsbezug bisher dahin konkretisiert, dass eine Regelbeurteilung aus dem Vorjahr ausreicht. In seiner Entscheidung vom 14.8.2007 hat es Eignungsfeststellungen, die achtzehn Monate zurücklagen, noch als aktuell bezeichnet. Vgl. aber HessVGH v. 28.3.2006 – 1 UE 981/05, ZBR, 2007, 271 = NVwZ-RR 2007, 42 („Der für die Auswahlentscheidung erforderliche aktuelle Leistungsvergleich setzt voraus, dass der der letzten Beurteilung zugrunde liegende Beurteilungszeitraum nicht länger als zwölf Monate zurückliegt“; gemeint ist: „vor der Auswahlentscheidung“.); ähnlich OVG Nds. v. 14.1.2008 – 5 ME 317/07, juris. Andere Oberverwaltungsgerichte stellen weniger strenge Anforderungen an das Aktualitätsgebot (VGH Mannheim, NVwZ-RR 2004, 120; OVG Koblenz, ZBR 1994, 83; VGH Bay., BayVBl. 2004, 664; OVG Münster, NVwZ-RR 2003, 373). 4 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 1086/06, PersR 2008, 158 (160).
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 42
Teil 2
e) Grenzen des Auswahlermessens des Dienstherrn Aus der Organisationsfreiheit des Dienstherrn folgt sein Recht, auf die 41 Schaffung von Planstellen durch den Haushaltsgesetzgeber hinzuwirken und diese zu besetzen; hieraus erwachsen einem Stellenbewerber keine einklagbaren individuellen Rechte. Vielmehr dient die Schaffung und Besetzung von Planstellen des öffentlichen Dienstes allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben1. Die gleiche Dispositionsfreiheit (Ermessen) kommt dem Dienstherrn bzw. öffentlichen Arbeitgeber im Rahmen der Stellenbewirtschaftung zu. Dazu gehört insbesondere die Bewertung von Dienstposten, also ihre Zuordnung zu statusrechtlichen Ämtern einer Besoldungsgruppe oder Stellen einer bestimmten Vergütungsgruppe2. Erst wenn sich der Dienstherr dazu entschließt, wofür ihm ebenfalls ein Ermessen zusteht, eine freie Stelle zu besetzen, unterliegt er den Bindungen des Art. 33 Abs. 2 GG3. Ebenso folgt aus der Organisationsfreiheit des Dienstherrn das Recht, zwischen Umsetzung, Versetzung und Beförderung zu wählen. Die Ausübung dieses Rechts steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn4. Bei der Feststellung der Qualifikation eines Bewerbers nach den Kriterien 42 des Art. 33 Abs. 2 GG steht dem öffentlichen Arbeitgeber ein weiter Beurteilungsspielraum5 zu. Die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich 1 BVerwGE 101, 112 (114); dieser Rechtsprechung hat sich das BAG angeschlossen (s. BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, BAGE 121, 91 = NZA-RR 2007, 608). 2 BVerwGE 101, 112 (114). Dies gilt allerdings nicht für die Aufstellung des Anforderungsprofils der zu besetzenden Stelle (s. unten Rz. 57). Als Ausdruck der Organisationsfreiheit sieht das LAG Hamm v. 9.10.2008 – 17 Sa 927/08, LAGE § 1 WissZeitVG Nr. 1, die Entscheidung des Dienstherrn an, eine Stelle nur befristet zu besetzen. Die „Befristungsfähigkeit“ eines Bewerbers soll danach ein Eignungskriterium sein und zur Folge haben, dass der Bewerber seine Befristungsfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber darzulegen hat. Das LAG Hamm verkennt hierbei, dass die Einrichtung nur befristet besetzbarer Stellen dem Haushaltsgesetzgeber vorbehalten ist, nicht jedoch der Exekutive. Die gesetzlichen Bestimmungen, die die Befristung von Arbeitsverhältnissen zulassen, sind arbeitsrechtliche (Schutz-)Regelungen zu Gunsten der Arbeitnehmer, jedoch keine Ermächtigung zur organisatorischen Regelungen an den Arbeitgeber. Sie setzen daher eine haushaltsrechtliche Festlegung für eine nur befristete Stellenbesetzung voraus. Fehlt es hieran, findet Art. 33 Abs. 2 GG mit der Folge uneingeschränkte Anwendung, dass die Befristbarkeit der Stellenbesetzung in der Person des Bewerbers kein Eignungskriterium ist. 3 BVerwGE 101, 112 (114). Die vom BVerwG ebenfalls vertretene Auffassung, dass die Durchführung einer Stellenausschreibung den Dienstherrn nicht zwinge, den Dienstposten mit einem Auswahlbewerber zu besetzen, dürfte nach der Entscheidung des BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94, so nicht mehr aufrechterhalten werden können. Denn das BVerfG hat aus der besonderen Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruches abgeleitet, dass die konkrete Stellenausschreibung nicht nur als bloße Probe-Ausschreibung zur Sichtung von Bewerbern verwendet werden dürfe. 4 BVerwGE 122, 237 (240) mwN. S. oben Rz. 37. 5 In der Verwaltungsrechtslehre wird zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum unterschieden. Die Einräumung von Ermessen durch eine Rechtsnorm stellt eine Handlungsermächtigung an die Verwaltung dar, die die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der betreffenden Rechtsnorm voraussetzt. Liegen diese vor, beHauck-Scholz
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Rz. 43
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat1. Ist das der Fall, können die Gerichte die angegriffene Entscheidung nicht durch eine eigene Beurteilung ersetzen2. In diesem Rahmen unterliegt die Gewichtung der einzelnen Qualifikationsmerkmale dem Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers. Es liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen, welchen einzelnen sachlichen Umständen bei der Auswahlentscheidung eine größere Bedeutung beigemessen wird und in welcher Weise der Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem öffentlichen Amt verwirklicht werden soll, sofern nicht das Prinzip selbst in Frage gestellt wird. Eine Selbstbindung des Dienstherrn durch rechtmäßige Verwaltungsvorschriften ist zulässig; die Verwaltungsvorschriften binden dann auch den Dienstherrn gegenüber dem Bewerber. Dieser hat einen Anspruch darauf, innerhalb einer so gesteuerten Einstellungspraxis gleichmäßig nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung berücksichtigt zu werden3. 43 Maßgeblicher Zeitpunkt für die – eingeschränkte – Rechtskontrolle der Auswahlentscheidung des Dienstherrn durch das Gericht ist der Zeitpunkt der Auswahlentscheidung4. 44 Die strenge Bindung an das Leistungsprinzip als Grundlage für eine Eignungsauswahl beschränkt das Ermessen des Dienstherrn bei der Auswahl von Hilfskriterien. So sind ältere Beurteilungen als Erkenntnisquelle, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung Aufschluss geben, vor
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wirkt das der Verwaltung eingeräumte Ermessen, dass sie entscheiden darf, ob sie die Rechtsfolge eintreten lassen will oder nicht. Der Beurteilungsspielraum, der der Verwaltung eingeräumt wird, bezieht sich dagegen auf sog. unbestimmte Rechtsbegriffe, die es sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite einer Rechtsnorm geben kann. Die Einräumung eines Beurteilungsspielraums durch die Rechtsprechung bezieht sich in der Regel auf komplexe Regelungsmaterien, bei denen der Verwaltung die größere Sachkunde zuerkannt wird, und beschränkt die sog. richterliche Kontrolldichte (vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts I, 2006, § 10 Rz. 83 ff. (90 ff.) mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 537/03, BAGE 112, 13 = AP GG Art. 33 Nr. 61 = NZA 2005, 879; v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07 –, NZA 2008, 1016; BVerwG v. 19.12.2002 – 2 C 31/01, NVwZ 2003, 1398 = ZBR 2003, 359. BVerfG v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/99, NJW 2003, 127 = NVwZ 2002, 1368, speziell für die dienstliche Beurteilung; BAG v. 5.3.1996 – 1 AZR 590/92 (A), AP GG Art. 3 Nr. 226 = NZA 1996, 751 = NJW 1996, 2529 = BAGE 82, 211; v. 21.1.2003 – 9 AZR 307/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 60; v. 19.2.2003 – 7 AZR 67/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 58; v. 7.9.2004 – 9 AZR 537/03, BAGE 112, 13 = AP GG Art. 33 Nr. 61 = NZA 2005, 879. BAG v. 19.2.2003 – 7 AZR 67/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 58. BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 226/05, AP BAT-O § 24 Nr. 6; v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 46
Teil 2
Hilfskriterien heranzuziehen1. Dies wird ungeachtet des Gebotes, den Leistungsvergleich auf eine aktuelle Beurteilung zu stützen, damit begründet, dass ältere Beurteilungen bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn frühere Beurteilungen positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten. Derartige Äußerungen, insbesondere über erkennbare positive oder negative Entwicklungstendenzen, können vor allem bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen von Bewerbern den Ausschlag geben2. Eine Einschränkung des Auswahlermessens des Dienstherrn bzw. öffent- 45 lichen Arbeitgebers ergibt sich aus den Gleichstellungsgesetzen von Bund und Ländern bezüglich des Vorrangs von Frauen bei gleicher Eignung mit einem männlichen Mitbewerber sowie hinsichtlich der bevorzugten Berücksichtigung von Schwerbehinderten bei gleicher Eignung mit nicht behinderten Mitbewerbern (oben Rz. 28 und 32). Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, insbesondere des Hess. VGH 46 hat inzwischen ungeachtet des anerkannten Beurteilungsspielraums des Dienstherrn hohe Anforderungen an eine einwandfreie Auswahlentscheidung herausgearbeitet. Mit dem Kriterium des „Gebotes rationaler Abwägung“ und dem Anspruch, effektiven Rechtsschutz gewähren zu wollen, wird eine minutiöse schriftliche Darlegung der maßgeblichen Auswahlgründe durch den Dienstherrn verlangt (zur „Dokumentationspflicht“ unten Rz. 64). Dabei spielt der Akteninhalt, insbesondere die sog. Auswahlakte, eine maßgebliche Rolle, die vor allem daraufhin überprüft wird, ob sie alles enthält, was von der Rechtsprechung für eine fehlerfreie Auswahlentscheidung verlangt wird, und ob das, was in der Akte enthalten ist, den Anforderungen genügt. Andere Oberverwaltungsgerichte sind bei der Handhabung der Anforderungen aus Art. 33 Abs. 2 GG weniger streng. Das BAG bewegt sich auf einer mittleren Linie, versucht seine Rechtsprechung aber an die des BVerfG und des BVerwG anzupassen. Das BVerfG und das BVerwG haben ihre Rechtsprechung eher an dem vom Hess. VGH entwickelten strengen Maßstab orientiert3.
1 BVerwG v. 19.12.2002 – 2 C 31/01, NVwZ 2003, 1398 = ZBR 2003, 359; v. 27.2.2003 – 2 C 16/02, NVwZ 2003, 1397 = ZBR 2003, 420. 2 BVerwG v. 19.12.2002 – 2 C 31/01, NVwZ 2003, 1398 = ZBR 2003, 359; v. 27.2.2003 – 2 C 16/02, NVwZ 2003, 1397 = ZBR 2003, 420. 3 Als Warnschuss an den HessVGH, von seiner bisherigen Linie nicht abzuweichen, kann der Kammerbeschluss des BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = ZTR 2007, 707, aufgefasst werden, mit dem eine Eilentscheidung des Hess. VGH mit der Begründung aufgehoben wurde, seine Rechtsprechung, wonach Auswahlerwägungen auch erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens dargelegt werden dürften, sei mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 47
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
f) Bindung an die Rechtsauffassung des Gerichts bei Wiederholungsentscheidung des Dienstherrn 47 Dem nicht ausgewählten Bewerber steht ein Anspruch auf eine erneute Auswahlentscheidung und Beurteilung seiner Bewerbung zu, wenn sich die getroffene Auswahlentscheidung als rechtsfehlerhaft erweist und die ausgeschriebene Beförderungsstelle noch nicht besetzt ist. Bei dieser erneut zu treffenden Auswahlentscheidung ist der Arbeitgeber an die Rechtsauffassung des Gerichtes gebunden, so dass er verpflichtet ist, die vom Gericht festgestellten Auswahlfehler zu unterlassen1. Dies ergibt sich für Verwaltungsprozesse aus § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Der Zivilprozess und das arbeitsgerichtliche Verfahren kennen aber keine entsprechende Rechtsnorm. Das BAG hat seine Lehre von der Bindung an die Rechtsauffassung des Gerichts bei der Konkurrentenklage nicht näher begründet2. Vom Ergebnis her ist sie jedoch zu begrüßen. Die dogmatische Ableitung macht aber Schwierigkeiten3. g) „Erschöpfung“ des Bewerbungsverfahrensanspruches 48 Mit der endgültigen Besetzung einer Stelle kann vom übergangenen Bewerber keine neue Auswahlentscheidung wegen Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Auswahlentscheidung mehr verlangt werden. Der Bewerbungsverfahrensanspruch geht mit der endgültigen Besetzung der streitbe-
1 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 41; v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57; v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59. 2 Die Verurteilung zur Erstellung einer neuen dienstlichen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hat das BAG mit der Begründung für zulässig erachtet, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, die vom Gericht festgestellten Fehler zu unterlassen. Der dem Arbeitnehmer zustehende – materiell-rechtliche – Anspruch auf fehlerfreie Beurteilung sei erst dann erfüllt, wenn die gesamte dienstliche Beurteilung rechtlich nicht zu beanstanden sei (BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08, NZA 2010, 119). 3 Das vom BAG erzielte Ergebnis kann nicht mit der Rechtskraft der ersten gerichtlichen Entscheidung begründet werden. Denn in Rechtskraft erwächst die Entscheidung über den Streitgegenstand (vgl. statt vieler Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 322 Rz. 31). Dieser wird aber durch den Anspruch des Klägers auf Wiederholung der Entscheidung über seine Bewerbung bestimmt. Hingegen betreffen die in der gerichtlichen Entscheidung getroffenen konkreten Feststellungen zur Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs lediglich Vorfragen, die bekanntlich nicht zum Streitgegenstand gehören (Zöller/Vollkommer, vor § 322 Rz. 34), so dass gerichtliche Entscheidungen insoweit nicht in Rechtskraft erwachsen. Will der Kläger eine Bindung des Dienstherrn an die gerichtliche Entscheidung über die Gründe, warum die Auswahlentscheidung rechtswidrig war, erreichen, so muss er dies ausdrücklich – etwa in Form eines entsprechenden Feststellungsantrags – mit beantragen. Denn materiell-rechtlich dürfte die Bindung an die Rechtsauffassung des Gerichts ohne weiteres aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch herleitbar sein. Dasselbe Ergebnis lässt sich über eine Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO erzielen (vgl. BAG v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576).
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 49
Teil 2
fangenen Stelle unter, er „erschöpft“ sich1. Ein Rechtsstreit zur Durchsetzung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers erledigt sich in der Hauptsache2, weil Beförderung und Besetzung der Stelle nicht mehr rückgängig gemacht werden dürfen. Dies ergibt sich bei Beamten unmittelbar aus den beamtenrechtlichen Bestimmungen über die Ernennung, die nämlich auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit – etwa wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Mitkonkurrenten – rechtswirksam bleibt und nicht angefochten werden kann3. Eine solche Stabilität hat ein Arbeitsverhältnis nicht. Arbeitnehmer sind kündbar, versetzbar und umsetzbar. Dennoch vertritt das BAG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass auch Stellen von Arbeitnehmern in der Weise besetzt werden können, dass dies zum Untergang des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Mitbewerbers führt4. Nach Auffassung des BAG ist ein öffentliches Amt dann besetzt, wenn dem ausgewählten Bewerber eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt ist, die der Ausgestaltung des Amtes entspricht5. Dies soll auch dann gelten, wenn die Auswahlentscheidung rechtswidrig war und der Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers dadurch verletzt worden ist. Bei seinen Überlegungen berücksichtigt das BAG nicht, dass die recht- 49 lichen Beziehungen zwischen dem Dienstherrn und dem ausgewählten Bewerber schuldrechtlicher Art und daher nicht geeignet sind, die verfassungsrechtlichen Ansprüche des unterlegenen Bewerbers gegen den 1 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = NZA 2008, 324 = ZTR 2003, 146; v. 27.7.2005 – 7 AZR 508/04, BAGE 115, 296 = NZA 2005, 1243 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 63; v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576; v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. 2 BVerwGE 118, 370; st. Rspr. Dem folgt auch das BVerfG in st. Rspr.; vgl. BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = ZTR 2007, 707. 3 Vgl. §§ 11 und 12 BeamtStG, §§ 12 bis 15 BBG, die so ausgelegt werden, dass nur die dort genannten Nichtigkeitsgründe bzw. Gründe für die Rücknahme einer Ernennung zu einer Beendigung eines Beamtenverhältnisses führen können. Andere Gründe, die eine Beamtenernennung rechtswidrig machen können, sind in den genannten Bestimmungen nicht aufgezählt. 4 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = NZA 2003, 324 = ZTR 2003, 146. 5 Welcher Art diese Rechtsposition ist (vertraglicher Art oder nicht widerrufbare oder bindende Zusage des Dienstherrn), hat das BAG nicht näher dargelegt. Im konkreten Fall hat es unter anderem ausgeführt, dass die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit auf den ausgewählten Bewerber nur noch im Rahmen billigen Ermessens nach § 315 BGB rückgängig gemacht werden könne; dies lässt auf eine einseitig bindende Zusage des Dienstherrn schließen, die aber doch – wenn auch nur eingeschränkt, nämlich im Rahmen billigen Ermessens – änderbar ist. Ergänzend hat das BAG darauf hingewiesen, dass der Dienstherr zusätzlich verpflichtet sei, dem ausgewählten Bewerber die höhere Vergütung einzuräumen. Dem könnte sich der Dienstherr nicht entziehen, ohne sich widersprüchlich zu verhalten (BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = NZA 2003, 324 = ZTR 2003, 146). An anderer Stelle spricht das BAG von vorvertraglichen Bindungen des Dienstherrn. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 50
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Dienstherrn aus Art. 33 Abs. 2 GG, also eines anderen Rechtsverhältnisses, im Falle einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung in Frage zu stellen. Der grundlegende Unterschied zwischen einem Angestelltenarbeitsverhältnis und dem Beamtenverhältnis kommt hier zum Tragen; denn die Erledigung der Hauptsache nach Aushändigung einer beamtenrechtlichen Ernennungsurkunde ist eine beamtenrechtliche und keine arbeitsrechtliche Spezifik. Insofern ist die Situation mit derjenigen vergleichbar, in der der Arbeitgeber die durch Kündigung freigemachte Stelle vor rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzprozesses anderweit besetzt. Hier kann sich der Arbeitgeber auf die Tatsache der inzwischen besetzten Stelle gegenüber dem Wiedereinstellungsbegehren des gekündigten Arbeitnehmers nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess nicht berufen. Dies gilt auch für den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes. 50 Soweit das BAG zusätzlich darauf abhebt, dass das öffentliche Interesse an einer effizienten Verwaltung sowie das Gebot der Herstellung praktischer Konkordanz mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip einer Realisierung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers entgegenstünden, ist darüber die Rechtsprechung des BVerwG und des BVerfG hinweggegangen1. Diese haben das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung als Schranke des Art. 33 Abs. 2 GG nur für den Fall anerkannt, dass es um die Abwendung einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung geht; andere Formen der Gefährdung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung können Art. 33 Abs. 2 GG nur auf gesetzlicher Grundlage einschränken2. 51 Nach Auffassung des BAG setzt eine Realisierung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers im Falle einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung und nach endgültiger Besetzung der Stelle voraus, dass ein Anspruch darauf besteht, dass die fehlerhaft besetzte Stelle wieder „freigemacht“ wird. Allein wegen des Umstandes, dass die in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien objektiv fehlerhaft angewandt worden sind, besteht nach Auffassung des BAG noch kein Anspruch darauf, eine Stellenbesetzung rückgängig zu machen. Ein Freimachen der Stelle komme nur in Betracht, wenn dem übergangenen Bewerber die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes genommen worden wäre3. In allen anderen Fällen würde ein Freimachen der Stelle dazu führen, dass der ausgewählte Bewerber auf eine andere Stelle gesetzt werden müsste, ohne dass zur Besetzung dieser Stelle die Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG beachtet wären4. 1 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69; BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102). 2 BVerfG v. 2.4.1996 – 2 BvR 169/93, NVwZ 1997, 54 (55); BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102). 3 BAG v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576; v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. 4 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146. Das BAG hat an seiner Rechtsprechung festgehalten (Urt. v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016 [1018]), obwohl es seine Rechtspre-
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 53
Teil 2
Die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, die vor allem 52 in der Möglichkeit des unterlegenen Bewerbers besteht, in einem gerichtlichen (Eil-)Verfahren überprüfen zu lassen, ob er durch die Auswahlentscheidung in seinem Recht auf fehlerfreie Auswahl verletzt worden ist1, ist Ausprägung der Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruches (dazu Rz. 54), nicht aber dessen Voraussetzung oder Schranke. Tritt daher – richtigerweise – nach Besetzung der streitbefangenen Stelle mit einem Angestellten keine Erledigung der Hauptsache ein, dann geht der Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers auch nicht etwa deswegen unter, weil dieser vorher vergeblich um Eilrechtsschutz nachgesucht hatte. Auch wenn – wegen der Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruches – nach Auffassung des BVerfG die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers im gerichtlichen Eilverfahren genauso umfassend nachgeprüft werden muss wie in einem Hauptsacheverfahren, bestehen dennoch substantielle Verfahrensunterschiede zwischen der einstweiligen Verfügung und dem Hauptsacheprozess; man denke nur an die Unterschiede beim Zeugenbeweis. Der objektiv rechtswidrig handelnde öffentliche Arbeitgeber verdient daher 53 keinen weitergehenden Schutz dagegen, vor den Folgen seines Tuns bewahrt zu werden, als der private Arbeitgeber. Immerhin gesteht das BAG dem unterlegenen Bewerber nach endgültiger Besetzung der Stelle einen Schadensersatzanspruch zu, so dass – auch nach Auffassung des BAG – die Haftung des öffentlichen Arbeitgebers nicht gänzlich entfällt. Warum dann aber nicht auch der Primärrechtsschutz erhalten bleibt, kann wohl nur damit erklärt werden, dass das BAG in seiner Rechtsprechung darum bemüht ist, die arbeitsrechtliche Konkurrentenklage mit der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage auf Gleichstand zu bringen.
chung, wonach sich auch sog. Versetzungsbewerber auf den Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG berufen dürfen, aufgegeben hat (vgl. BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 492/06, AP ZPO 1997 § 233 Nr. 83 = NZA 2007, 1450 = NJW 2007, 3742); zum anderen hat das BVerfG (v. 24.9.2007 – 2 BvR 1586/07, NVwZ 2008, 70 [71]) im Falle eines Konkurrentenschutzverfahrens um eine Beamtenstelle unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerwG v. 21.8.2003 (BVerwGE 118, 370 [374]) klargestellt, dass eine Verfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruches im Hauptsacheverfahren möglich bleibt, wenn der unterlegene Bewerber vom Ausgang der Stellenbesetzung erst nach der Ernennung des Mitbewerbers erfährt oder wenn sich der Dienstherr mit der Ernennung des Konkurrenten über eine einstweilige Anordnung des Gerichts hinweggesetzt hat. Mit diesen Beispielsfällen ist gleichzustellen, wenn der Dienstherr den unterlegenen Bewerber zwar vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers über das Ergebnis des Auswahlverfahrens unterrichtet, dies aber ohne Berücksichtigung einer angemessenen Überlegungsfrist (ca. zwei Wochen) tut oder die Beschwerdefrist im Eilverfahren bzw. die Frist für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde nach erfolglosem Eilverfahren nicht abwartet (ebenso BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502). 1 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 54
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
h) Verfahrensanforderungen 54 Anders als der private unterliegt der öffentliche Arbeitgeber bei der Besetzung einer freien Stelle bestimmten Verfahrensregeln, die von der Rechtsprechung insbesondere des BVerfG entwickelt und zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruches aus dem Prinzip effektiver Rechtsschutzgewährung1 abgeleitet werden2. Das BVerfG spricht geradezu von der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts3 und leitet hieraus Vorwirkungen für das Stellenbesetzungsverfahren ab. Das dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren vorgelagerte Verwaltungsverfahren dürfe nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitele oder unzumutbar erschwere4. Die Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruches erfordere eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens, um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können5. Dies wird damit begründet, dass durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens unmittelbar Einfluss auf den Bewerberkreis und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen werde6. 55 Regelungen für das Auswahlverfahren sind teils aus der Verfassung abgeleitetes Rechtsprechungsrecht (nachfolgend Rz. 56 bis 65), teils vom Gesetzgeber erlassene Rechtsnormen (nachfolgend Rz. 66 bis 72). aa) Aufstellung eines Anforderungsprofils vor der Auswahlentscheidung 56 Schon das Auswahlverfahren muss eine materiell-rechtlich korrekte Entscheidung über die Bewerbungen nach dem Bestenausleseprinzip gewährleisten. Dies wird nicht zuletzt durch die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens bewirkt7. Daher ist vor der Besetzung einer Stelle zwingend ein Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle festzulegen. Denn dieses bestimmt den Auswahlmaßstab für die anschließend zu treffende Auswahlentscheidung8. Das Anforderungsprofil allein ermöglicht eine sachgerechte Prognose über die Eignung der Bewerber für die zu besetzende Stelle; es konkretisiert die Leistungskriterien für die Auswahl. Mit der Festlegung 1 Das Prinzip effektiver Rechtsschutzgewährung wird vom BVerfG bei öffentlichrechtlichen Streitigkeiten aus Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfGE 93, 1) und bei privatrechtlichen bzw. arbeitsrechtlichen Streitigkeiten aus Art. 2 Abs. 1 iVm. dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG (BVerfGE 85, 373) abgeleitet (vgl. auch BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146). 2 Höfling, ZBR 1999, 73 (75). 3 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178. 4 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178; BVerwGE 118, 370 (374). 5 BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94 (95); BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP GG Art. 33 Nr. 59. 6 BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94 (95). 7 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59; v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, BAGE 126, 26 = NZA 2008, 1016 (1018). 8 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 59
Teil 2
des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen1. Obwohl die Einrichtung und Besetzung von Stellen des öffentlichen Diens- 57 tes grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dienen und ein subjektives Recht eines Bewerbers auf Ausbringung einer bestimmten Planstelle nicht besteht2, wird das organisatorische Ermessen des Dienstherrn, wie er einen Dienstposten zuschneiden will und welche Anforderungen demgemäß der Bewerberauswahl zugrunde zu legen sind, durch Art. 33 Abs. 2 GG begrenzt. Eine Einengung des Kreises der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches Amt kann deshalb nur aufgrund sachlicher Erwägungen erfolgen3. Es unterliegt der gerichtlichen Kontrolle, ob ein rechtmäßiges Anforderungsprofil aufgestellt wurde4. Das Anforderungsprofil muss so dokumentiert sein, dass die Auswahlent- 58 scheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann5. Dies folgt aus dem Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung (Justizgewährungsanspruch), das für die Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit aus Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird6. Dieses Gebot hat auch Vorwirkungen auf das Verwaltungsverfahren vor einer Auswahlentscheidung. Denn dieses darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert7. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich beim Zugang zum öffentlichen Dienst um die Besetzung einer Arbeitnehmer- oder einer Beamtenstelle handelt. Es ist streitig, zu welchem Zeitpunkt während eines Auswahlverfahrens 59 das Anforderungsprofil aufgestellt werden muss. Das BAG vertritt die Auffassung, dass das Anforderungsprofil nicht zeitgleich mit der Stellenausschreibung erstellt werden muss8. Insbesondere muss das Anforderungsprofil noch nicht zum Zeitpunkt der Stellenausschreibung vorliegen9. 1 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69 (70) mwN aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. 2 BVerwGE 101, 112 (114); 115, 58 (59); dem folgt BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, BAGE 121, 91 = NZA-RR 2007, 608. 3 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69 (70), st. Rspr. 4 BVerfG v. 8.10.2007 – 2 BvR 1846/07, 1853/07, 2 BvQ 32/07, 33/07, NVwZ 2008, 69 (70). 5 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59; HessVGH v. 26.10.1993 – 1 TG 1585/93, ZBR 1994, 347 (348); OVG Schl.-Holst. v. 2.12.1996 – 3 M 94/96, NVwZ-RR 1997, 373 (374); OVG Rh.-Pf. v. 14.3.1994 – 13 B 10166/94, DÖD 1994, 294. 6 BVerfGE 85, 337; BAGv. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = NZA 2003, 324 = AP Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 56. 7 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178. 8 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59. 9 HessVGH v. 17.6.1997 – 1 TG 2183/97, ZTR 1997, 526. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 60
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Maßgeblich sei allein dessen Festlegung und Dokumentation vor der Auswahlentscheidung. Demgegenüber vertritt der Hessische Verwaltungsgerichtshof1 die Auffassung, dass das Anforderungsprofil der Stelle bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung vorliegen muss. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Denn sie verhindert Missbrauch. Der Arbeitgeber hätte andernfalls erleichterte Möglichkeiten, das Anforderungsprofil mit den Qualifikationsmerkmalen des von ihm favorisierten Bewerbers in Einklang zu bringen. bb) Benachrichtigung über das Auswahlergebnis und Wartepflicht des Dienstherrn 60 Der Dienstherr bzw. Arbeitgeber ist verpflichtet, nach Abschluss eines Auswahlverfahrens den unterlegenen Bewerber so rechtzeitig über das Ergebnis zu informieren und dieses zu erläutern, dass er noch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine vermeintliche Beeinträchtigung seiner Rechte vorgehen kann2. Dies wird aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes3 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG abgeleitet. Insbesondere das BVerfG betont in ständiger Rechtsprechung die Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruches, die auch Vorwirkungen auf das Verwaltungsverfahren hat. Dieses darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert. Dies wäre aber der Fall, wenn der unterlegene Mitbewerber erst nach der Ernennung des Mitbewerbers vom Ausgang des Stellenbesetzungsverfahrens erführe. 61 Bei der Besetzung von Hochschullehrerstellen, die in der Regel in einem mehrstufigen Berufungsverfahren erfolgt, ist zweifelhaft, wann spätestens die Benachrichtigung zu erfolgen hat. Davon hängt auch ab, wer für die Erfüllung der Benachrichtigungspflicht zuständig ist. Dieser Zeitpunkt ist gegeben, wenn das Verwaltungsverfahren (Stellenbesetzungsverfahren) bis auf die Ernennung (den Abschluss des Dienstvertrages) vollständig abgeschlossen ist4. Dieser Zeitpunkt liegt nach dem Abschluss der Berufungsverhandlungen, die zwischen dem ausgewählten Bewerber und dem Dienstherrn (Arbeitgeber) geführt werden. Daher obliegt die Erfüllung der Benachrichtigungspflicht der für die Ernennung (den Abschluss des Dienstvertrages) zuständigen Stelle5. 1 HessVGH v. 19.9.2000 – 1 TG 2902/00, NVwZ-RR 2001, 255 = ZBR 2001, 413. 2 BVerfG v. 19.9.1989 – 2 BvR 1576/88, NJW 1990, 501, und v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178; BVerwGE 80, 127 (129); 118, 370 (374); BAG v. 22.6.1999 – 9 AZR 541/98, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 49; v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146. 3 Art. 19 Abs. 4 GG, soweit es um hoheitliche Maßnahmen wie Beamtenernennungen geht, bzw. Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG, soweit es um privatrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Entscheidungen geht, die von den Zivilgerichten bzw. Arbeitsgerichten zu überprüfen sind. 4 OVG Münster v. 3.4.2008 – 6 B 159/08, ZBR 2009, 60 = WissR 2008, 173. 5 Dies war früher stets das zuständige Ministerium. Neuerdings kann dies der Rektor oder der Präsident der Hochschule sein, wenn diese Dienstherrnfähigkeit bzw.
114 Hauck-Scholz
III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 63
Teil 2
Zur Erfüllung der Benachrichtigungspflicht gehört es, dem unterlegenen 62 Bewerber den Namen des ausgewählten Bewerbers sowie die wesentlichen Auswahlgründe mitzuteilen1. In der Praxis hat sich bisher nicht durchgesetzt, dass die Erfüllung der Benachrichtigungspflicht auch die Gewährung von Akteneinsicht in die das Auswahlverfahren betreffenden Vorgänge, zu denen auch die Personalakten der konkurrierenden Bewerber gehören, umfasst2. Eine vollständige Akteneinsicht einschließlich der Erlaubnis, Aktenauszüge durch Herstellung von Kopien zur Weitergabe an den anwaltlichen Vertreter zu erstellen, wird in der Praxis in der Regel unter Hinweis auf die Datenschutzrechte des ausgewählten Bewerbers verweigert. Eine Durchsetzung des Akteneinsichtsanspruchs würde daher ein weiteres Eilverfahren erfordern und damit die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers auf einen Nebenschauplatz verschieben. Das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes führt zu der Ver- 63 pflichtung, vor der endgültigen Stellenbesetzung einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde3 zu erheben, weil nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes besteht4. Ähnliche Erwägungen hat das BAG in seiner Grundsatzentscheidung vom
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Arbeitgeberfähigkeit besitzt, vgl. zB § 3 Abs. 2 TUD-Gesetz, § 88 HHG; § 2 Abs. 3 HG NW. BVerfG v. 19.9.1989 – 2 BvR 1576/88, NJW 1990, 501; BGHZ 129, 226. Vgl. HessVGH v. 17.10.1993 – 1 TJ 1705/03, NVwZ 1994, 398 = DÖV 1994, 127 = DVBl. 1994, 592, der jedoch zum Akteneinsichtsrecht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§§ 99, 100 VwGO) ergangen ist und dieses aus Gründen des Datenschutzes beschränkt. Das BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = ZTR 2007, 707, vertritt offenbar von Verfassungs wegen die Auffassung, dass zur Benachrichtigungspflicht auch die Gewährung von Akteneinsicht gegenüber dem unterlegenen Bewerber gehört, damit dieser sachgerecht darüber befinden kann, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Die Ausdehnung des Zeitraums der Wartepflicht auch auf die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde, für die eine Frist von einem Monat besteht, ist neu und könnte geradezu als Einladung an unterlegene Bewerber gewertet werden, nach erfolglosem Eilverfahren durch zwei Instanzen noch eine Verfassungsbeschwerde zu versuchen und dadurch den Vollzug der Auswahlentscheidung durch den Dienstherrn noch weiter hinauszuschieben. Dies hat das BVerfG offenbar bemerkt und mit B. v. 24.9.2007 – 2 BvR 1586/07, NVwZ 2008, 70, diese Möglichkeit unter Hinweis auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde und die neuere Rechtsprechung des BVerwG zur Nichterledigung der Hauptsache trotz Urkundenaushändigung in bestimmten Fällen (BVerwGE 118, 370) versperrt. Trotz dieser Rechtsprechung scheint das BVerfG an seiner Rechtsprechung zur Wartepflicht unter Einbeziehung der Frist für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde festhalten zu wollen (BVerfG v. 9.7.2009 – 2 BvR 706/09, NVwZ 2009, 1430), obwohl das wenig Sinn macht, wenn die Einlegung eines unzulässigen Rechtsbehelfs abgewartet werden soll. BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = ZTR 2007, 707; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 64
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
28.5.20021 angestellt2. Auch nach Stellung eines Eilantrages ist der Dienstherr verpflichtet, bis zum Abschluss des Eilverfahrens jede Maßnahme zu unterlassen, die geeignet ist, vollendete Tatsachen zu schaffen3. cc) Dokumentationspflicht 64 Der Leistungsvergleich und die wesentlichen Auswahlerwägungen sind wegen des Prinzips des effektiven Rechtsschutzes schriftlich zu dokumentieren4. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen wird der abgelehnte Bewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will5. dd) Zulässigkeit eines Abbruchs des Auswahlverfahrens 65 Vielfältige Gründe können dafür sprechen, dass der öffentliche Arbeitgeber ein begonnenes Auswahlverfahren sei es vor, sei es nach einer gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung abbricht. Dies darf er nur aus sachlichen Gründen tun, will er nicht den Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerber verletzen6. Dies wird vom BVerwG mit der Organisationsfreiheit des Dienstherrn begründet: Als eine aus dem Organisationsrecht des Dienstherrn erwachsende verwaltungspolitische Entscheidung berühre der Abbruch des Auswahlverfahrens 1 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146; v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576. 2 Die später ergangene Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 118, 370), die das BVerfG bestätigt hat (BVerfG v. 24.9.2007 – 2 BvR 1586/07, NVwZ 2008, 70), konnte das BAG in seiner Entscheidung vom 28.5.2002 nicht mehr berücksichtigen. Es hat seine Rechtsprechung zur Versagung eines Neubescheidungsanspruches nach – wenigstens teilweise gewährtem einstweiligem Rechtsschutz – bereits korrigiert (U. v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576). In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber seiner Wartepflicht bis zur endgültigen Besetzung der streitbefangenen Stelle nicht genügt; nach der Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178) besteht diese nämlich, um dem unterlegenen Bewerber die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben, wozu auch eine angemessene Überlegungsfrist gehört. 3 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146; v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502; HessVGH v. 31.3.1994 – 1 TG 479/94, NVwZ 1994, 1231 = ZBR 1995, 310; v. 18.2.1991 – 1 TG 85/91, NVwZ-RR 1992, 34 = DÖD 1992, 211 = ArbuR 1992, 123. 4 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178; BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59; v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576; LAG Thür. v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZA-RR 1997, 234; VGH Bay. v. 21.1.2005 – 3 CE 04.2899, BayVBl. 2006, 91; HessVGH v. 17.6.1997 – 1 TG 2183/97, ZTR 1997, 526 (527). 5 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178. 6 BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94; BVerwGE 101, 112 (115); BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502.
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 67
Teil 2
grundsätzlich nicht die Rechtsstellung von Bewerbern. Das für den Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen sei ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen1. Diese Begründung kann angesichts der neuen Rechtsprechung des BVerfG keine Geltung mehr beanspruchen. Da der Entscheidung über den Abbruch eines Auswahlverfahrens die Entscheidung des Dienstherrn bzw. öffentlichen Arbeitgebers vorausging, eine freie Stelle zu besetzen, ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der Bewerber entstanden, wodurch die Organisationsfreiheit des Dienstherrn beschränkt wird2. Daraus ergeben sich für die Ermessensausübung und die Ermessenskontrolle andere Kriterien als diejenigen, als würde es sich um eine uneingeschränkte organisationspolitische Entscheidung des Dienstherrn handeln. Wie bei jeder Ermessensausübung hat diese den Zweck der Ermessenseinräumung zu beachten (§ 114 Satz 1 VwGO). Somit ist die Ermessensausübung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, so dass nur solche Ermessenserwägungen relevant sein können, die sich darauf beziehen, dem Leistungsprinzip Geltung zu verschaffen3. Der zulässige Abbruch bewirkt, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch des Bewerbers untergeht. Als Abbruch ist auch die Neuausschreibung der Stelle anzusehen4. ee) Gesetzliche Regelungen für besondere Bewerbergruppen Für Schwerbehinderte und unterrepräsentierte Frauen hat der Gesetzgeber bestimmte Anforderungen für das Stellenbesetzungsverfahren festgelegt.
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Zum Schutz und zur Förderung von Schwerbehinderten im Stellenbesetzungsverfahren begründet § 81 SGB IX für jeden Arbeitgeber bestimmte Pflichten, insbesondere zur frühzeitigen Einschaltung der Agentur für Arbeit zwecks Vermittlung schwerbehinderter Menschen, zur frühzeitigen Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung über eingegangene Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen, zur Erörterung der Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers mit der Schwerbehindertenvertretung
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1 BVerwGE 101, 112 (115). 2 BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94; a.A. BVerfG v. 19.12.2008 – 2 BvR 627/08, NVwZ-RR 2009, 344. 3 Dies wäre etwa der Fall, wenn der Abbruch dazu dient, den Bewerberkreis zu verbreitern. Ein solches Beispiel nennt auch das BVerwG (BVerwGE 101, 112 [115]), obwohl es die Auffassung vertritt, dass durch den Abbruch des Auswahlverfahrens die Rechtsstellung der Bewerber nicht berührt werde. Hierbei wird aber die Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruches verkannt, die auch Vorwirkungen für das Auswahlverfahren hat, das vor der eigentlichen Auswahlentscheidung stattfindet. Ein unter den Bedingungen des Art. 33 Abs. 2 GG in Gang gesetztes Auswahlverfahren darf nachträglichen Einschränkungen nur aus Gründen unterworfen werden, die den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werden (BVerwGE 122, 237 [242]; BVerfG v. 28.2.2007 – 2 BvR 2494/06, ZBR 2008, 94 [95]). 4 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 68
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
und zur Unterrichtung aller Beteiligten durch den Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe. 68 Für öffentliche Arbeitgeber begründet § 82 SGB IX darüber hinaus besondere Pflichten. Sie haben in jedem Fall einer zu besetzenden freien Stelle diese Tatsache der Agentur für Arbeit zu melden. Haben sich schwerbehinderte Menschen für eine solche Stelle beworben oder sind sie von der Agentur für Arbeit vorgeschlagen worden, muss sie der öffentliche Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Eine Einladung ist nur entbehrlich, wenn die fachliche Eignung des schwerbehinderten Menschen offensichtlich fehlt. Das bedeutet, dass der öffentliche Arbeitgeber einem schwerbehinderten Bewerber die Chance eines Vorstellungsgesprächs gewähren muss, wenn seine fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist1. Bereits die Verletzung der Meldepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit begründet die Vermutung einer Benachteiligung wegen Schwerbehinderung iSd. §§ 1, 7, 22 AGG2. Dasselbe gilt für die Verletzung der Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch3 und die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung4. In einem solchen Fall steht dem schwerbehinderten Menschen zumindest ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens im Umfang von bis zu drei Monatsgehältern der zu besetzenden Stelle gem. § 15 Abs. 2 AGG zu. 69 Geht es um eine Stellenbesetzung in Bereichen, in denen Frauen im öffentlichen Dienst unterrepräsentiert sind, gibt es ebenfalls gesetzliche Rege1 BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507 (510), noch zu § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF.; v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08, NJW 2009, 3319 = NZA 2009, 1087. Maßstab ist das Anforderungsprofil der Stelle gem. Stellenausschreibung. 2 BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507 (510). 3 BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507 (510). 4 BAG v. 15.2.2005 – 9 AZR 635/03, NZA 2006, 870 (872). Im Ergebnis hat das BAG jedoch den geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit der Erwägung zurückgewiesen, dass der Arbeitgeber die Vermutung der Benachteiligung wegen Schwerbehinderung mit der Tatsache entkräftet habe, dass die nicht ausgewählte Klägerin das Anforderungsprofil der Stelle nicht erfüllt habe (fehlende Schreibmaschinenkenntnisse). Dies überzeugt nicht; denn der Schadensersatzanspruch wird auch für den Fall zuerkannt, dass der schwerbehinderte Bewerber auch bei beanstandungsfreier Auswahl nicht ausgewählt worden wäre. Anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist allein die Verletzung der Verfahrensvorschriften zum Schutze der schwerbehinderten Bewerber. Schon dies stellt die Benachteiligung dar, weil die weniger günstige Behandlung des schwerbehinderten Bewerbers, als sie das Gesetz zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen Bewerbern für erforderlich hält (positive Diskriminierung), die Bewerbungschancen eines schwerbehinderten Bewerbers mindert und ihn hierdurch benachteiligt (so BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05, NZA 2007, 507 [510] für den Fall der unterlassenen Einladung zum Vorstellungsgespräch). Ob dann noch eine Berufung auf § 8 AGG möglich ist, wovon offenbar das BAG ausgeht, dürfte jedenfalls bei unterlassener Einladung zum Vorstellungsgespräch zu verneinen sein, weil § 82 Satz 3 SGB IX abschließend regelt, wann die Einladung zum Vorstellungsgespräch entbehrlich ist (aA offenbar BAG v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08, NJW 2009, 3319 = NZA 2009, 1087, das aber für den Entschädigungsanspruch ausreichend sein lässt, dass die Behinderung mitursächlich für die Entscheidung des Arbeitgebers war).
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III. Auswahlentscheidung, Art. 33 Abs. 2 GG
Rz. 73
Teil 2
lungen, die darauf abzielen, die Bewerbungschancen von Frauen gegenüber Männern zu verbessern. So bestimmt § 7 Abs. 3 BGleiG allgemein, dass Auswahlkommissionen zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern zu besetzen sind. Wenn dies aus triftigen Gründen nicht möglich ist, sind die Gründe aktenkundig zu machen. Es handelt sich hierbei um eine typische Verfahrensvorschrift, deren Einhaltung im Konkurrentenschutzeilverfahren zu überprüfen ist und zur Fehlerhaftigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung führt, wenn unterlassen wurde, die geltend gemachten triftigen Gründe aktenkundig zu machen, oder aber wenn diese vom Gericht nicht anerkannt werden. § 7 Abs. 1 BGleiG legt fest, dass zu Vorstellungsgesprächen oder besonderen Auswahlverfahren mindestens ebenso viele Frauen wie Männer einzuladen sind, die die in der Ausschreibung vorgegebene Qualifikation aufweisen, sofern Bewerbungen von Frauen in ausreichender Zahl vorliegen.
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§ 7 Abs. 2 BGleiG bestimmt, dass in Vorstellungs- und Auswahlgesprächen Fragen nach dem Familienstand, einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft sowie der Sicherstellung der Betreuung von Kindern, behinderten oder pflegebedürftigen Angehörigen neben der Berufstätigkeit unzulässig sind.
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Ähnliche Regelungen enthalten die landesrechtlichen Gleichstellungsgesetze. So bestimmt § 9 Abs. 1 HGlG, dass in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, ebenso viele Frauen wie Männer oder alle Bewerberinnen zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind, wenn sie die gesetzlich oder sonst vorgesehenen Voraussetzungen für die Besetzung der Personalstelle oder des zu vergebenden Amtes erfüllen. Gemäß § 9 Abs. 2 HGlG sind Fragen nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft und danach, wie die Betreuung von Kindern neben der Berufstätigkeit gewährleistet werden kann, unzulässig.
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i) Schadensersatz Ist die streitbefangene Stelle endgültig anderweitig vergeben, soll dem zu 73 Unrecht abgelehnten Bewerber ein Schadensersatzanspruch zustehen können1. Dies setzt allerdings voraus, dass ihm ohne den Auswahlfehler die Stelle hätte übertragen werden müssen2. Aus welcher Rechtsgrundlage sich dieser Schadensersatzanspruch ergibt, war der Rechtsprechung des BAG bisher nicht eindeutig zu entnehmen3. Die von ihm selbst zitierte Entscheidung des BGH4 prüfte den Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung und bürdete dem Arbeitgeber wegen der fehlenden Informa1 Zum Schadensersatzanspruch eines unterlegenen Bewerbers um eine Beamtenstelle vgl. Leppin, NVwZ 2007, 1241. 2 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 40; v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = ZTR 2003, 146; v. 20.3.2003 – 8 AZR 77/02, AP ZPO § 565 Nr. 23 = NZA 2004, 344. 3 Vgl. jetzt aber BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, BAGE 126, 26 = NZA 2008, 1016. 4 BGH v. 6.4.1995 – III ZR 183/94, BGHZ 129, 226 = NJW 1995, 2344. Hauck-Scholz
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Rz. 74
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tionen über die Auswahlgründe die Darlegungs- und Beweislast dafür auf, dass die Behauptung des Klägers, er hätte am besten abgeschnitten, unzutreffend sei1. Das BVerwG, das aufgrund der Bestimmung des Art. 34 Satz 3 GG für Amtshaftungsansprüche nicht zuständig ist, entnimmt die Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Beförderung unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis2. Dieser Schadensersatzanspruch entspricht hinsichtlich seiner Anspruchsvoraussetzungen vollständig dem Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB iVm. Art. 34 GG. Demgemäß muss der Dienstherr den Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers schuldhaft verletzt haben; diesem wäre die Stelle ohne den Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden, und der unterlegene Bewerber darf es nicht schuldhaft unterlassen haben, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren3. Von einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast spricht in diesem Zusammenhang auch das BVerwG4, allerdings auf den Fall bezogen, dass sich der Arbeitgeber über eine rechtskräftige gerichtliche einstweilige Anordnung mit Verbot der Stellenbesetzung hinweggesetzt hat. In diesem Falle trägt der Dienstherr die materielle Beweislast dafür, dass der nicht ernannte Bewerber auch nach einem fehlerfreien Auswahlverfahren ohne Erfolg geblieben wäre. Gleiches muss aber gelten, wenn der Arbeitgeber durch Verletzung der ihm obliegenden Benachrichtigungs- bzw. Wartepflicht die Einholung einstweiligen Rechtsschutzes durch den unterlegenen Bewerber vereitelt hat. 74 Ob der auf Geld gerichtete Schadensersatzanspruch aus dem Arbeitsvertrag oder aus Deliktsrecht herzuleiten ist, hat das BAG offen gelassen5. Es hat jedoch als Anspruchsgrundlage für den deliktischen Schadensersatzanspruch auch § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 33 Abs. 2 GG (als Schutzgesetz) herangezogen6, was dazu führt, dass der Rechtsweg auch insoweit zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist, jedenfalls dann, wenn das ursprüngliche Ziel des unterlegenen Bewerbers auf die Erreichung einer Angestelltenstelle 1 Im Streitfall war die Stelle ohne vorherige Benachrichtigung des abgelehnten Bewerbers besetzt worden. 2 BVerwGE 80, 123 (124); 107, 29 (31); 124, 99 (102). 3 Nach Auffassung des BVerwG gehört dazu, gegen die Ablehnung Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls Klage zu erheben, BVerwG v. 28.5.1998 – 2 C 22.97, BVerwGE 107, 29 (32); v. 3.12.1998 – 2 C 22.97, NVwZ 1999, 542 = ZTR 1999, 199 (zusätzlich wird die Stellung eines Eilantrags für erforderlich gehalten); v. 9.12.1999 – 2 C 38.98, DVBl. 2000, 208; v. 18.4.2002 – 2 C 19.01, NVwZ-RR 2002, 620 = ZBR 2003, 137 (zumindest ist eine Bewerbung trotz offenen Streits über die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung erforderlich). 4 BVerwGE 118, 370 (378); 124, 99 (109). 5 BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 77/02, AP ZPO § 565 Nr. 23 = NZA 2004, 344. Das war im konkret entschiedenen Fall auch möglich, weil das BAG von einer schuldhaften Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches des Klägers ausgegangen ist. Im Urt. v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, BAGE 126, 26 = NZA 2008, 1016 hat das BAG sowohl den vertraglichen als auch den deliktischen Schadensersatzanspruch für möglich gehalten. Auch das BVerwG leitet den öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch des unterlegenen (Beamten-)Bewerbers unmittelbar aus einer Verletzung des Leistungsprinzips ab, vgl. BVerwGE 80, 123 (125); 107, 29 (31). 6 BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, BAGE 126, 26 = NZA 2008, 1016.
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Rz. 77
Teil 2
oder auf Höhergruppierung auf einer solchen gerichtet war. Das LAG Berlin hat als Anspruchsgrundlage die positive Forderungsverletzung wegen Verletzung des Beförderungsanspruches genannt1. Nach der Schuldrechtsreform handelt es sich um einen Schadensersatz- 75 anspruch wegen der Verletzung von Nebenpflichten gem. § 280 Abs. 1 iVm. § 283 BGB. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Art. 33 Abs. 2 GG sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Handlungs- und Unterlassungspflichten des öffentlichen Arbeitgebers lassen sich bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis als Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen. Besonders deutlich wird dies bei der Benachrichtigungspflicht über das Ergebnis des Auswahlverfahrens und der Wartepflicht zur Ermöglichung der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz (einschließlich Einlegung einer Verfassungsbeschwerde). Die dogmatische Begründung des Schadensersatzanspruches wegen Ver- 76 letzung des Bewerbungsverfahrensanspruches ist wegen der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und der sich daraus ergebenden Darlegungs- und Beweislasten bedeutsam. Zwar erfordern sowohl der vertragliche als auch der Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung Verschulden auf Seiten des Arbeitgebers, dieses ist jedoch beim vertraglichen Schadensersatzanspruch seitens des Geschädigten nicht darzulegen; vielmehr hat sich der öffentliche Arbeitgeber gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entlasten. Wird dagegen Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung beansprucht, hat der Gläubiger das Verschulden des Schuldners wie auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen darzulegen. Wegen der Haftungsüberleitung durch Art. 34 GG findet die Bestimmung des § 831 BGB jedoch keine Anwendung, so dass die haftende Anstellungskörperschaft ebenso für ihre Bediensteten einzustehen hat wie der öffentliche Arbeitgeber im Rahmen des Vertragsverhältnisses gem. § 278 BGB. Die unterschiedliche Anspruchsgrundlage hat auch Auswirkungen auf den 77 einzuschlagenden Rechtsweg. Wegen Art. 34 Satz 3 GG besteht für Amtshaftungsansprüche eine ausschließliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, während der vertragliche Anspruch als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis vor die Arbeitsgerichte gehört. Nichts anderes gilt für den auf § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 33 Abs. 2 GG gestützten Schadensersatzanspruch, sofern das Begehren des unterlegenen Bewerbers darauf gerichtet war, auf einer Angestelltenstelle eingestellt oder auf einer solchen höher gruppiert zu werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c, d ArbGG). Strebt der unterlegene Bewerber hingegen Schadensersatz wegen unterlassener Einstellung in das Beamtenverhältnis an, bleibt ihm nur der Amtshaftungsanspruch und der Weg zu den ordentlichen Gerichten, weil er sich nicht auf eine quasi-vertragliche öffentlich-rechtliche Rechtsposition im Sinne der Recht-
1 LAG Berlin v. 15.2.2002 – 6 Sa 2099/01, AP SchwbG 1986 § 26 Nr. 4 = NZA-RR 2003, 110; das LAG Bdb. v. 3.11.2005 – 9 Sa 379/05 – leitet den Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB ab. Hauck-Scholz
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Teil 2
Rz. 78
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
sprechung des BVerwG1 berufen kann, weil diese das Bestehen eines Beamtenverhältnisses voraussetzt. 78 Einen Schadensersatzanspruch eigener Art enthält § 15 Abs. 1 AGG, der zum Zuge kommt, wenn die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers in einer Verletzung des Benachteiligungsverbots besteht (hierzu oben Rz. 28, 32, 68). Aufgrund dieses Schadensersatzanspruches steht dem unterlegenen Bewerber ein Anspruch auf entgangenen Verdienst zu2. Außerdem stellt § 15 Abs. 6 AGG klar, dass die Verletzung des Benachteiligungsverbots keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses begründet3. Im Gegensatz zum Amtshaftungsanspruch, zu dem die Obliegenheit des unterlegenen Bewerbers gehört, den drohenden Schaden durch die Einlegung von Rechtsbehelfen abzuwehren, hat die Fristenregelung des § 15 Abs. 4 AGG zur Folge, dass der unterlegene Bewerber binnen zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung den Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend machen muss. Eine Klageerhebung ist jedoch nicht erforderlich. Im Übrigen bleiben gemäß § 15 Abs. 5 AGG Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt. Dies ist wegen der einschränkenden Rechtsfolgen des § 15 Abs. 6 AGG von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung.
IV. Beteiligung des Personalrats 1. Gegenstand der Beteiligung a) Ausschreibung aa) Verpflichtung zur Ausschreibung 79 Der erste Schritt auf dem Weg zur Besetzung eines freien Arbeitsplatzes ist regelmäßig die Ausschreibung der zu besetzenden Stelle (vgl. oben Rz. 3 ff.). Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind dazu gesetzlich verpflichtet, wobei zwischen interner und externer Ausschreibung zu unterscheiden ist. 80 Die Verpflichtung zur internen Ausschreibung folgt meist unmittelbar aus dem jeweils zu beachtenden Personalvertretungsrecht (Ausnahmen: Bayern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt), das entweder eine ausdrückliche entsprechende Verpflichtung beinhaltet (zB § 90 Nr. 6 PersVG Bln) oder ihr Bestehen jedenfalls zwingend voraussetzt. Wollte man es nämlich der freien Entschließung der Verwaltung überlassen, ob sie freie Stellen ausschreibt, fehlte es an einer gesicherten Grundlage für eine Einflussnahme des Personalrats auf die Ausschreibung zur Besetzung vorgesehener Stellen. Für den Anwendungsbereich des BPersVG (§ 75 Abs. 3 Nr. 14) hat 1 BVerwGE 80, 123 (125). 2 Str.; zum Meinungsstand vgl. ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rz. 3. 3 Der damit gesetzlich geregelte Ausschluss der Naturalrestitution erstreckt sich nicht nur auf die Einstellungs-, sondern auch auf die Beförderungs-/Höhergruppierungssituation.
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Teil 2
Rz. 78
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
sprechung des BVerwG1 berufen kann, weil diese das Bestehen eines Beamtenverhältnisses voraussetzt. 78 Einen Schadensersatzanspruch eigener Art enthält § 15 Abs. 1 AGG, der zum Zuge kommt, wenn die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers in einer Verletzung des Benachteiligungsverbots besteht (hierzu oben Rz. 28, 32, 68). Aufgrund dieses Schadensersatzanspruches steht dem unterlegenen Bewerber ein Anspruch auf entgangenen Verdienst zu2. Außerdem stellt § 15 Abs. 6 AGG klar, dass die Verletzung des Benachteiligungsverbots keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses begründet3. Im Gegensatz zum Amtshaftungsanspruch, zu dem die Obliegenheit des unterlegenen Bewerbers gehört, den drohenden Schaden durch die Einlegung von Rechtsbehelfen abzuwehren, hat die Fristenregelung des § 15 Abs. 4 AGG zur Folge, dass der unterlegene Bewerber binnen zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung den Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend machen muss. Eine Klageerhebung ist jedoch nicht erforderlich. Im Übrigen bleiben gemäß § 15 Abs. 5 AGG Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt. Dies ist wegen der einschränkenden Rechtsfolgen des § 15 Abs. 6 AGG von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung.
IV. Beteiligung des Personalrats 1. Gegenstand der Beteiligung a) Ausschreibung aa) Verpflichtung zur Ausschreibung 79 Der erste Schritt auf dem Weg zur Besetzung eines freien Arbeitsplatzes ist regelmäßig die Ausschreibung der zu besetzenden Stelle (vgl. oben Rz. 3 ff.). Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind dazu gesetzlich verpflichtet, wobei zwischen interner und externer Ausschreibung zu unterscheiden ist. 80 Die Verpflichtung zur internen Ausschreibung folgt meist unmittelbar aus dem jeweils zu beachtenden Personalvertretungsrecht (Ausnahmen: Bayern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt), das entweder eine ausdrückliche entsprechende Verpflichtung beinhaltet (zB § 90 Nr. 6 PersVG Bln) oder ihr Bestehen jedenfalls zwingend voraussetzt. Wollte man es nämlich der freien Entschließung der Verwaltung überlassen, ob sie freie Stellen ausschreibt, fehlte es an einer gesicherten Grundlage für eine Einflussnahme des Personalrats auf die Ausschreibung zur Besetzung vorgesehener Stellen. Für den Anwendungsbereich des BPersVG (§ 75 Abs. 3 Nr. 14) hat 1 BVerwGE 80, 123 (125). 2 Str.; zum Meinungsstand vgl. ErfK/Schlachter, § 15 AGG Rz. 3. 3 Der damit gesetzlich geregelte Ausschluss der Naturalrestitution erstreckt sich nicht nur auf die Einstellungs-, sondern auch auf die Beförderungs-/Höhergruppierungssituation.
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IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 84
Teil 2
das BVerwG diese bisher von ihm vertretene Ansicht allerdings aufgegeben, weil es inzwischen eine ausreichende Anzahl einfachgesetzlicher Ausschreibungsgebote gibt, die ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung entbehrlich macht. Es reicht aus, die Mitbestimmung an außerhalb des BPersVG liegenden Regelungen anzubinden und den Personalrat zu ermächtigen, eine Abweichung von der regelmäßigen Ausschreibung auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit zu prüfen1. Angesichts des Regelungszwecks der Bestimmungen des Personalvertre- 81 tungsrechts, die für einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Dienststellenleitung und der dort Beschäftigten sorgen sollen, bedarf es einerseits keiner über diese Vorschriften hinausgehenden besonderen Regelungen, um die Pflicht zur internen Ausschreibung zu begründen2, andererseits folgt daraus gleichzeitig, dass eine Verpflichtung zur externen Ausschreibung dem Personalvertretungsrecht nicht zu entnehmen ist. Rechtsvorschriften, die dem Arbeitgeber eine solche Verpflichtung auferle- 82 gen, haben keinen unmittelbaren Bezug zu den Beschäftigten der Dienststelle, sondern konkretisieren lediglich das Verfassungsgebot des Art. 33 Abs. 2 GG, nach dem jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ein gleicher Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleistet sein muss3. Dies hat gleichzeitig aber auch zur Folge, dass von einer in einer anderen gesetzlichen Bestimmung (zB § 8 Abs. 1 Satz 2 BBG) vorgesehenen Pflicht zur externen Ausschreibung auch dann nicht abgesehen werden darf, wenn der Personalrat seine Zustimmung dazu erteilt hat4. bb) Grenzen der Ausschreibungspflicht Die Beteiligung des Personalrats an der Ausschreibung findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Auswahl des Mitarbeiters, mit dem die freie Stelle besetzt wird, üblicherweise das berufliche Fortkommen oder sonstige berufliche Belange und Vorstellungen der anderen Beschäftigten der Dienststelle berühren wird, so dass ein kollektives Interesse an der Sicherung der Möglichkeit der Bewerbung für jeden interessierten Mitarbeiter besteht.
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Die Ausschreibungspflicht besteht auch, wenn es sich um Stellen außerhalb der Beschäftigungsdienststelle handelt, etwa im Falle einer Abordnung zu einer anderen Dienststelle, bei einer Zuweisung zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung oder einem Privatunternehmen, sofern der
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1 BVerwG v. 14.1.2010 – 6 P 10/09, n.v. 2 BVerwG v. 8.3.1988 – 6 P 32/85, BVerwGE 79, 101 unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung, zB BVerwG v. 13.10.1978 – 6 P 6/78, BVerwGE 56, 324; so auch Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 485; aA Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 BPersVG Rz. 106 (106c). 3 BVerwG v. 8.3.1988 – 6 P 32/85, BVerwGE 79, 101. 4 Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 485. Pahlen
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Teil 2
Rz. 85
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Dienststelle die Auswahlentscheidung zukommt1. Betroffen sind davon nicht nur die Modalitäten der Ausschreibung, sondern vor allem die Entscheidung darüber, ob eine dienststelleninterne Ausschreibung erfolgen soll. Sie bestimmt nämlich darüber, ob eine offene Konkurrenz ermöglicht oder die Stelle auf andere Weise vergeben werden soll. Das Interesse der Beschäftigten im Zusammenhang mit der Besetzung einer freien Stelle lässt sich daher nur dann gleichmäßig und zweckentsprechend sichern, wenn es nicht der freien Entscheidung des Arbeitgebers des öffentlichen Dienstes überlassen bleibt, ob er eine zu besetzende Stelle ausschreibt und erst danach ein Beteiligungsrecht des Personalrats entsteht, oder ob ihn zur Vermeidung des weitgehenden Leerlaufens des Beteiligungsrechts des Personalrats eine unmittelbare Verpflichtung zur internen Stellenausschreibung trifft. Soweit das BVerfG dazu in seiner Entscheidung zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein2 kritische Anmerkungen gemacht und ein bloßes Empfehlungsrecht der Einigungsstelle angenommen hat, entspricht dies nicht der Bedeutung dieses Mitbestimmungstatbestandes. Hier käme eher eine analoge Anwendung des § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG im Einzelfall in Betracht3. 85 Aus dieser Zweckbestimmung folgt gleichzeitig aber auch die Grenze der Ausschreibungsverpflichtung. Mit Rücksicht auf die weitgehende Freiheit der Gestaltung der Organisation und des Personaleinsatzes durch die Dienststellenleitung besteht eine Pflicht zur Ausschreibung zum Beispiel nicht, wenn die beabsichtigte Maßnahme von ihrem Anlass her darauf gerichtet ist, einen oder mehrere Beschäftigte generell mit anderen Aufgaben zu betrauen, das Aufgabenspektrum zu vergrößern oder es einzuschränken. Auch muss stets eine dienststelleninterne Auswahl unter verschiedenen persönlich und fachlich geeigneten Kandidaten dem Grunde nach möglich sein4. Ist dies der Fall, steht dem Personalrat auch ein Initiativrecht zu5. 86 Allerdings hat der Dienststellenleiter aufgrund seiner Organisations- und Personalhoheit die Befugnis, mitbestimmungsfrei festzulegen, welchen Anforderungen der künftige Stelleninhaber genügen muss6. Dies kann im Einzelfall, wenn es nämlich nicht mehrere diesen Anforderungen genügende Bewerber gibt, zum Wegfall der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur internen Stellenausschreibung führen7. Bedarf das Absehen von einer Aus1 Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 489; Lorenzen/ Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 75 Rz. 185b; Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peisler, BPersVG, § 75 Rz. 69. 2 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37. 3 Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 486. 4 BVerwG v. 29.1.1996 – 6 P 38/93, NZA-RR 1996, 398. 5 BVerwG v. 8.3.1988 – 6 P 32/85, BVerwGE 79, 101; aA Richardi/Dörner/Weber/ Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 492. 6 BVerwG v. 5.9.1990 – 6 P27.87, ZTR 1991, 36; BVerwG v. 29.1.1996 – 6 P 38/93, NZA-RR 1996, 398; Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 490; Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 173. 7 BVerwG v. 8.3.1988 – 6 P 32/85, BVerwGE 79, 101; BVerwG v. 29.1.1996 – 6 P 38/93, NZA-RR 1996, 398; Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 490; Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 Rz. 106a; Ilbertz/Widmaier,
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IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 90
Teil 2
schreibung nicht der Zustimmung des Personalrats, berechtigt die grundsätzlich anzuerkennende Organisations- und Personalhoheit den Dienststellenleiter andererseits aber auch nicht, die Besetzung bestimmter Positionen generell von der Verpflichtung zur Ausschreibung auszunehmen1. b) Einstellung aa) Begriff Einstellung ist die Eingliederung einer neuen Dienstkraft in die Dienststelle, dh. die Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Sinne eines konkreten Arbeitsbereichs2. Sie muss in einer Weise in die Organisation einer Dienststelle einbezogen werden, dass die Interessen der Belegschaft iSd. § 77 Abs. 2 BPersVG betroffen werden können3.
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Die Eingliederung erfolgt zunächst durch die tatsächliche Aufnahme der vorgesehenen Tätigkeit im Rahmen der Arbeitsorganisation der Dienststelle; darüber hinaus bedarf es jedoch auch einer rechtlichen Verknüpfung, die sowohl ein mit entsprechenden Schutzpflichten verbundenes Weisungsrecht der Dienststelle als auch die mit entsprechenden Schutzrechten verbundene Weisungsgebundenheit der Dienstkraft entstehen lässt. Dies erfolgt gegenüber Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes üblicherweise durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages, allerdings sind auch mehrseitige Konstruktionen vorstellbar4.
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Fallen abweichend vom Regelfall der tatsächliche Einsatz der Dienstkraft in der Dienststelle und der Abschluss des Arbeitsvertrages zeitlich auseinander, setzt das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bereits bei der zeitlich ersten Maßnahme ein, um es nicht leer laufen zu lassen5, auch wenn Abschluss und Inhalt des Arbeitsvertrages sich eigentlich dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats entziehen6 und es auch nicht auf die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages ankommt, sofern wenigstens ein rechtliches Band existiert, aus dem Weisungsrecht und Weisungsgebundenheit entstehen7.
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Dieser Gedanke rechtfertigt auch die Vorverlegung des Einsetzens des Mitbestimmungsrechts des Personalrats auf noch vor den genannten Hauptkonstellationen gelegene Zeitpunkte8. Dies gilt etwa für die Erteilung von
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§ 75 Rz. 173; widersprüchlich: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, § 75 Rz. 184 bzw. 185d. BVerwG v. 29.1.1996 – 6 P 38/93, NZA-RR 1996, 398. BVerwG v. 25.9.1995 – 6 P 44/93, BVerwGE 99, 230. BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12/01, PersR 2002, 467. BVerwG v. 12.4.2006 – 6 PB 1/06, NZA-RR 2006, 389. Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 87 Rz. 13; ähnlich BVerwG v. 26.1.2000 – 6 P 2/99, BVerwGE 110, 287. BVerwG v. 3.2.1993 – 6 P 28/91, BVerwGE 92, 47. BVerwG v. 3.2.1993 – 6 P 28/91, BVerwGE 92, 47; BVerwG v. 20.5.1992 – 6 P 4/90, BVerwGE 90, 194. Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 87 Rz. 14. Pahlen
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Teil 2
Rz. 91
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Einstellungszusagen, trifft aber auch auf vorbereitende Maßnahmen zB bei der dem tatsächlichen Einsatz vorausgehenden Schaffung von Arbeitsgelegenheiten für Sozialhilfeempfänger zu1. bb) Beispielsfälle 91 Nach diesen Maßstäben sind als Einstellung angesehen worden – die Aufnahme eines Leiharbeitnehmers in eine Dienststelle zur Arbeitsleistung2; – der Einsatz einer Honorarkraft als Musiklehrer, wenn diese Arbeitnehmer ist3; – die Aufnahme der Tätigkeit einer Pflegekraft aufgrund eines mit der DRK-Schwesternschaft abgeschlossenen Gestellungsvertrages4; – die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten für Sozialhilfeempfänger5; – die nicht nur vorübergehende und geringfügige Aufstockung eines TeilZeitarbeitsverhältnisses6; – die vertragslose Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters nach Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses7; – die Aufnahme der Tätigkeit des Mitarbeiters einer Drittfirma in der Dienststelle, wenn dies als Arbeitnehmerüberlassung anzusehen ist8; – die Versetzung9; – die nicht nur vorübergehende Umwandlung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses in ein Vollzeitarbeitsverhältnis10; – der Einsatz von ABM-Kräften in einer Dienststelle des Bundes, wenn im Anschluss an die Eignungsbeurteilung dieser Dienststelle ein Arbeitsverhältnis mit einem Bundesland begründet wird, dessen Zweck die Ermöglichung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Einrichtung des Bundes ist11; – die Entfristung eines Arbeitsverhältnisses12;
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BVerwG v. 26.1.2000 – 6 P 2/99, BVerwGE 110, 287. BVerwG v. 20.5.1992 – 6 P 4/90, BVerwGE 90, 194. BVerwG v. 12.4.2006 – 6 PB 1/06, NZA-RR 2006, 550. BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12/01, NZA-RR 2003, 340. BVerwG v. 26.1.2000 – 6 P 2/99, BVerwGE 110, 287. BVerwG v. 23.3.1999 – 6 P 10/97, BVerWGE 108, 347. BVerwG v. 15.11.1995 – 6 P 2/94, PersR 1996, 278. BVerwG v. 6.9.1995 – 6 P 9/93, BVerwGE 99, 214. BVerwG v. 16.9.1994 – 6 P 33/93, PersR 1995, 20. BVerwG v. 21.7.1994 – 6 PB 8/94, PersR 1994, 419; BVerwG v. 23.3.1999 – 6 P 10/97, BVerwGE 108, 347. 11 BVerwG v. 15.3.1994 – 6 P 24/92, PersR 1994, 288. 12 BVerwG v. 2.6.1993 – 6 P 3/92, BVerwGE 92, 295.
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IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 92
Teil 2
– der Einsatz von „Ein-Euro-Kräften“, sofern sie der Weisungsbefugnis des Dienststellenleiters unterliegen1; – die Verlängerung eines beendeten Arbeitsverhältnisses2; – die Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis3; – die Aufnahme von Abrufkräften in eine Liste bei der Vereinbarung von Rahmenverträgen, jedoch nicht der Einsatz im Einzelfall4. Keine Einstellung stellt dagegen dar:
92
– die Weiterbeschäftigung eines gekündigten Arbeitnehmers nach zwischenzeitlicher Beseitigung der Rechtswirkungen der Kündigung durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs5; – der Einsatz von Mitarbeitern eines externen Krankentransportunternehmens in einem Krankenhaus aufgrund eines Werkvertrages6; – die Abordnung eines Angestellten7; – die Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis8; – der Einsatz von Reinigungskräften in einem Krankenhaus aufgrund eines Dienstleistungsvertrages mit einem Reinigungsunternehmen9; – die Beschäftigung eines Religionslehrers an einer staatlichen Schule auf der Grundlage eines mit der Kirche geschlossenen Gestellungsvertrages10; – die kurzzeitige Ferienvertretung durch Schüler oder Studenten11; – die Wiederaufnahme der Tätigkeit im Anschluss an einen die Beendigungswirkung einer Kündigung beseitigenden Vergleich, nicht jedoch bei rechtskräftiger Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses12; – ein Statuswechsel13. 1 BVerwG v. 21.3.2007 – 6 P 4.06, PersR 2007, 301; v. 21.3.2007 – 6 P 8.06, PersR 2007, 309; Hessischer VGH v. 22.6.2006 – 22 TL 2779/05, PersR 2006, 433; aA OVG Rheinland-Pfalz v. 17.5.2006 – 5 A 11752/05, PersR 2006, 431: Eichenhofer, RdA 2008, 32. 2 Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 13. 3 LAG Hamm v. 14.7.1982 – 12 TaBV 27/82, DB 1982, 2303. 4 BVerwG v. 3.2.1993 – 6 P 28/91, BVerwGE 92, 47. 5 BVerwG v. 25.8.1988 – 6 P 36/85, ZTR 1989, 39. 6 BVerwG v. 13.4.2004 – 6 PB 2/04, ZTR 2004, 383; BVerwG v. 8.1.2003 – 6 P 8/02, PersR 2004, 148. 7 BVerwG v. 29.1.2003 – 6 P 19/01, NZA-RR 2003, 503. 8 BVerwG v. 12.6.2001 – 6 P 11/00, NZA 2001, 1091. 9 BVerwG v. 4.9.1995 – 6 P 32/93, PersR 1995, 525. 10 BVerwG v. 23.8.1993 – 6 P 14/92, ZTR 1994, 37. 11 Bis zu zwei Monaten: BVerwG v. 27.11.1991 – 6 P 15/90, PersR 1992, 198; bis zu drei Monaten: in Anlehnung an § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 11. 12 BVerwG v. 25.8.1988 – 6 P 36/85, PersR 1988, 298. 13 Begründung eines Arbeitsverhältnisses eines Beamten im Wege der sog. Insichbeurlaubung, BAG v. 10.12.2002 – 1 ABR 27/01, BAGE 104, 187; Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 10. Pahlen
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Teil 2
Rz. 93
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
c) Eingruppierung 93 Als Eingruppierung wird die Zuordnung einer Dienstkraft zu einem nach Tätigkeitsmerkmalen festgelegten Vergütungssystem verstanden1. Sie ist als „Ersteingruppierung“ notwendiger Bestandteil der Einstellung2, so dass etwa das PersVG Berlin anders als das BPersVG (§ 75 Abs. 1 Nr. 2) insoweit keinen ausdrücklich normierten Mitbestimmungstatbestand enthält. Dessen bedarf es auch nicht, wie sich daraus ergibt, dass § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG durch das Bundesverwaltungsgericht lediglich „klarstellende“ Bedeutung beigemessen wurde3. In § 78 Abs. 2 Nr. 1 NdsPersVG sind Einstellung und Eingruppierung aus diesem Grunde zu einem gemeinsamen Tatbestand zusammengefasst worden4. 94 Die Eingruppierung ist kein Akt rechtlicher Gestaltung, es handelt sich vielmehr um die strikte Anwendung vorgegebener Regelungen5. Dies können Rechtsnormen, Tarifverträge oder auch interne Verwaltungsrichtlinien sein, die über den Gleichbehandlungsgrundsatz verbindlich werden können6. Die Mitbestimmung erschöpft sich in einer an dieselben rechtlichen Vorgaben gebundenen Kontrolle der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Eingruppierung7. Der Personalrat hat also nicht die Möglichkeit, rechtliche Gestaltungsspielräume zu nutzen, seine Aufgabe besteht allein darin, denselben Sachverhalt wie die Dienststelle auf der Grundlage derselben rechtlichen bzw. tariflichen Vorgaben zu beurteilen. Ihm kommt damit die Befugnis zu, prüfend darüber zu wachen, ob die beabsichtigte Eingruppierung mit dem anzuwendenden Tarifrecht in Übereinstimmung steht. Gleichzeitig hat er damit auch die Möglichkeit, darauf zu achten, dass das Tarifgefüge innerhalb der Dienststelle gewahrt wird und damit der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verwirklicht wird. Es geht dabei im Wesentlichen um die Sicherung der dienststelleninternen Vergütungsgerechtigkeit8. Haben die Urheber einer Vergütungsordnung eine Stelle mit bindender Wirkung für den Arbeitgeber in ihr abstraktes Vergütungsschema eingereiht, ist daran auch die Beschäftigtenvertretung gebunden9. Der Personalrat hat nicht das Recht, die Aufstellung einer neuen oder die Änderung einer vorhandenen Vergütungsstruktur zu verlangen10.
1 BVerwG v. 21.3.2005 – 6 PB 8/04, NZA-RR 2005, 447, BVerwG v. 8.12.1999 – 6 P 3/98, NZA-RR 2000, 234. 2 OVG Berlin v. 23.6.1999 – 60 PV 3.99, PersR 2000, 249. 3 BVerwG v. 18.12.1979 – 6 P 15/79, PersV 1981, 290. 4 BVerwG v. 8.12.1999 – 6 P 3/98, NZA-RR 2000, 234; BVerwG v. 18.12.1979 – 6 P 15/79, PersV 1981, 290. 5 BVerwG v. 21.3.2005 – 6 PB 8/04, NZA-RR 2005, 447. 6 BVerwG v. 14.6.1995 – 6 P 43/93, PersR 1995, 428; BVerwG v. 13.2.1976 – 7 P 4.75, BVerwGE 50, 186; BVerwG v. 13.12.1976 – 7 P 9.74, BVerwGE 50, 176. 7 BVerwG v. 14.6.1995 – 6 P 43/93, PersR 1995, 428; BVerwG v. 12.9.1983 – 6 P 1/82, PersV 1985, 163. 8 BVerwG v. 14.6.1995 – 6 P 43/93, PersR 1995, 428; BAG v. 3.12.1985 – 4 ABR 60/85, BAGE 50, 258. 9 BAG v. 3.5.2006 – 1 ABR 2/05, DB 2006, 27 (46). 10 BVerwG v. 14.6.1995 – 6 P 43/93, PersR 1995, 428.
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IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 98
Teil 2
2. Art der Beteiligung a) Mitbestimmung/Mitwirkung Umfang und Intensität des dem Personalrat im Zusammenhang mit der Einstellung eines Arbeitnehmers zukommenden Beteiligungsrechts sind einerseits von dem jeweils betroffenen Teilakt als auch der im Einzelfall zu beachtenden Regelung abhängig.
95
aa) Bedeutung der Organisations- und Personalhoheit Während sich die Beteiligung des Personalrats an der Stellenausschreibung 96 mit Rücksicht auf die der Dienststelle zukommende Organisations- und Personalhoheit allein auf ein der Wahrung der Transparenz des Besetzungsverfahrens und der Herstellung von Chancengleichheit bei der Stellenbesetzung dienendes Mitwirkungsrecht beschränkt, das zudem wegen des Erfordernisses der möglichen Konkurrenz von mindestens zwei Bewerbern auch nicht bei jeder Stellenbesetzung realisiert werden kann1, gilt dies für die weiteren Phasen des Gesamtvorganges „Einstellung“ nicht. Insoweit besteht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats, das jedoch ebenfalls Beschränkungen unterliegt. bb) Reichweite des Mitbestimmungsrechts Der Personalrat ist nicht der Interessenvertreter der für eine Einstellung in 97 Betracht kommenden Dienstkraft. Ihm kommt vielmehr die Aufgabe zu, die kollektiven Belange der Angehörigen der Dienststelle zu wahren. Dies hat zur Folge, dass er seine Zustimmung zu der beabsichtigten Einstellung nicht etwa mit Blick auf die dem Bewerber angebotenen Vertragsbedingungen verweigern kann. Dies folgt im Bereich des Bundes und einiger Länder bereits daraus, dass das jeweils einschlägige Personalvertretungsgesetz nur einen beschränkten Katalog von Zustimmungsverweigerungsgründen enthält, ergibt sich im Übrigen (zB für den Bereich des PersVG Berlin) aus der Rollenverteilung zwischen Dienststelle und Personalrat. Diesem kommt der Sache nach allein ein Recht zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu2. Denn der Einstellungsbehörde kommt von Verfassung wegen ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu, in den die Personalvertretungen nicht eindringen können. Die Beurteilung der fachlichen Eignung und Leistung steht allein dem Dienststellenleiter zu3. Dies hat zur Folge, dass der Personalrat keine Gegenvorstellungen geltend machen kann, sondern zur Verweigerung der beantragten Zustimmung nur berechtigt ist, wenn der Dienststellenleiter bei seiner Auswahlentscheidung gesetzliche Bestimmungen nicht beachtet 1 BVerwG v. 29.1.1996 – 6 P 38/93, NZA-RR 1996, 398; BVerwG v. 5.9.1990 – 6 P 27.87, ZTR 1991, 36. 2 Vgl. BVerwG v. 7.11.2006 – 6 PB 15/06; BVerwG v. 24.2.2006 – 6 P 4/05, PersR 2006, 255. 3 BVerwG v. 27.9.1993 – 6 P 4/93, BVerwGE 94, 178; BVerwG v. 20.6.1986 – 6 P 4/83, BVerwGE 74, 273. Pahlen
129
98
Teil 2
Rz. 99
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
oder das ihm zukommende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, indem er etwa von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Maßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat1. Keinen tauglichen Zustimmungsverweigerungsgrund stellt dabei allerdings der Hinweis auf die faktische Einbuße an Beförderungschancen der bereits in der Dienststelle beschäftigten Mitarbeiter dar2, jedoch können nicht an die Eignungsbeurteilung anknüpfende sonstige Bedenken durchaus erhoben werden3. 99 Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts des Personalrats können sich jedoch aus den jeweils zu beachtenden Personalvertretungsgesetzen ergeben; selbst die bis zur Föderalismusreform 2006 als Rahmenvorschrift zu beachtende Regelung des § 104 BPersVG verpflichtete die Länder lediglich dazu, einen Kernbestand echter Mitbestimmungsfälle vorzusehen4. Dies hatte zur Folge, dass etwa der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts des Personalrats bei der unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung erfolgenden Einstellung von Lehrern nach § 67 Abs. 6 des SächsPersVG rechtlich nicht zu beanstanden war5. Dieser Gedanke traf auch auf den Ausschluss des Mitbestimmungsrechts bei der Besetzung von Stellen leitender Angestellter von Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit nach § 84 Abs. 1 Satz 1 MBG SH6 bzw. die Reduzierung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats auf den Fall einer entsprechenden Antragstellung durch den für die Besetzung einer leitenden Position vorgesehenen Bewerber gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG7, seinen Ausschluss bei der Besetzung von Schulleiterpositionen gemäß § 13 Abs. 3 Nr. 2 PersVG Berlin8, auch derjenigen der Stellvertreter bei Übertragung der Befugnis zur Erstellung dienstlicher Beurteilungen9 sowie von Stellen mit künstlerischem Charakter zu, wobei dies auch für den Referenten für Öffentlichkeitsarbeit eines Kulturorchesters nach § 72 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 Nr. 3 NW PersVG10 oder bei entsprechender Vertragsgestaltung gemäß § 95 BaWü PersVG sogar den Bühneninspektor eines Schauspielhauses galt11. 100
Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Eingruppierung ist ebenfalls nicht umfassend. Es beinhaltet keine Gestaltungsmöglichkeiten, sondern beschränkt sich auf ein bloßes Mitbeurteilungsrecht (s.o. Rz. 94).
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 87 Rz. 37. BVerwG v. 23.9.1992 – 6 P 24.91, PersR 1993, 24. BVerwG v. 27.9.1993 – 6 P 4/93, BVerwGE 94, 178. BVerwG v. 28.7.2006 – 6 P 3/06, ZTR 2006, 675. BVerwG v. 7.11.2006 – 6 PB 15/06. BVerwG v. 22.3.2006 – 6 P 10/05, NZA-RR 2006, 255. BVerwG v. 20.3.2002 – 6 P 6/01, PersR 2002, 302. BVerwG v. 22.6.2005 – 6 P 2/05, PersR 2005, 464. BVerwG v. 22.6.2005 – 6 P 8/04, PersR 2005, 414. BVerwG v. 7.10.2003 – 6 P 4/03, PersR 2004, 30. BVerwG v. 7.12.1994 – 6 P 2/92, BVerwGE 97, 159.
130 Pahlen
IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 105
Teil 2
b) Entscheidungsvarianten Die dem Personalrat zukommenden Entscheidungsmöglichkeiten orientie- 101 ren sich am Umfang des ihm jeweils zukommenden Beteiligungsrechts. Handelt es sich wie bei der Beteiligung an der Ausschreibung nach § 90 Nr. 6 PersVG Bln lediglich um ein Mitwirkungsrecht, ist die Angelegenheit in der im jeweiligen Personalvertretungsgesetz geregelten Weise zu behandeln, dh. nach Information und Anhörung des Personalrats hat die Dienststelle im Anschluss an form- und fristgerecht erhobene Einwendungen des Personalrats die Möglichkeit, selbst abschließend zu entscheiden. In den Fällen der echten Mitbestimmung kommt der Dienststelle dagegen kein Alleinentscheidungsrecht zu.
102
c) Konfliktlösung Anders als im Fall der bloßen Mitwirkung entscheidet bei Meinungsver- 103 schiedenheiten im Bereich der Mitbestimmung die Einigungsstelle. Dies setzt die Ordnungsgemäßheit ihrer Anrufung durch den Personalrat voraus, die nach dem im Einzelfall anzuwendenden Personalvertretungsgesetz an unterschiedliche Voraussetzungen im Hinblick auf die Wahrung von Fristen und Förmlichkeiten geknüpft ist. Bestehen insoweit keine Bedenken, entscheidet die Einigungsstelle im Rahmen der gestellten Anträge, ohne jedoch unmittelbar an sie gebunden zu sein. Dabei hat sie die im Einzelfall für den Umfang des Mitbestimmungsrechts geltenden Beschränkungen zu beachten (s.o. Rz. 93). Zudem ist ihr Votum mit Rücksicht auf das Demokratieprinzip (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 iVm. Art. 20 Abs. 2 GG) nicht bindend1. Ihr kommt kein verbindliches Letztentscheidungsrecht zu. 3. Ausübung des Beteiligungsrechts a) Zuständigkeit Die Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten liegt jeweils bei dem Personalrat der Dienststelle, von der eine bestimmte Maßnahme beabsichtigt wird. Im Falle einer Einstellung ist also im Regelfall der Personalrat der Dienststelle zu beteiligen, in die der künftige Mitarbeiter eingegliedert werden soll.
104
Eine Ausnahme gilt für den Fall. Dass die Auswahlentscheidung nicht von der Einstellungsbehörde getroffen wird. Trifft also in einem solchen Fall die Mittelbehörde die für die Einstellung maßgebliche Entscheidung, ist die Stufenvertretung zu beteiligen2.
105
1 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37. 2 BVerwG v. 13.9.2002 – 6 P 4/02, PersR 2002, 515; BVerwG v. 8.10.1980 – 6 P 16.79, BVerwGE 61, 51. Pahlen
131
Teil 2
106
Rz. 106
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
Die Wahrnehmung der Rechte obliegt dem Gremium. Es handelt sich dabei nicht um ein laufendes Geschäft, das wirksam durch den Vorsitzenden oder den Vorstand des Personalrats erledigt werden könnte1. b) Unterrichtung aa) Allgemeines
107
Der erste Schritt zur Beteiligung des Personalrats ist stets dessen Information. Dies gilt für die Mitwirkung im Rahmen der Stellenausschreibung ebenso wie die Mitbestimmung bei der Einstellung im engeren Sinne einschließlich der erstmaligen Eingruppierung. Die Unterrichtungspflicht ist spiegelbildlicher Bestandteil des dem Personalrat jeweils zukommenden konkreten Beteiligungsrechts, findet seine Grundlage aber auch in dem allgemeinen Informationsanspruch, der in der Regel im jeweils anzuwendenden Personalvertretungsgesetz konkret normiert ist, jedenfalls aber aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit abzuleiten ist. Einer besonderen Aufforderung des Personalrats bedarf es nicht. Es handelt sich um eine der Dienststelle gesetzlich zugewiesene Aufgabe, deren Erfüllung zu ihren originären Verpflichtungen gehört. bb) Beteiligte Personen
108
Die Unterrichtung erfolgt durch die Dienststelle. Ihre Ausführung obliegt deren Leiter bzw. dessen Stellvertreter. Soweit dies im Einzelfall gesetzlich zugelassen ist, kann auch eine Vertretung durch eine andere Dienstkraft erfolgen2. Dabei wird allerdings vorausgesetzt, dass dieser entweder allgemein oder jedenfalls im konkreten Fall dieselben personalvertretungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse übertragen werden, die an sich dem Dienststellenleiter zukommen und sie diese auch tatsächlich wahrnimmt3.
109
Die Unterrichtungspflicht besteht gegenüber dem Personalrat. Zur Entgegennahme der Erklärung ist im Rahmen der laufenden Geschäfte jedenfalls dessen Vorstand berechtigt. Ob dies auch für den Vorsitzenden gilt, wie dies zum Beispiel in § 26 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vorgesehen ist, richtet sich nach der jeweiligen Regelung des einschlägigen Personalvertretungsgesetzes. Ist eine solche Kompetenzzuweisung nicht ausdrücklich erfolgt, geht eine dem Vorsitzenden erteilte Information erst dann beim Personalrat ein, wenn sie in den Machtbereich des Vorstands gelangt ist. Allerdings kann die Geschäftsordnung des Personalrats eine abweichende Regelung vorsehen4.
1 Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 87 Rz. 6. 2 BVerwG v. 6.4.1989 – 2 C 26/88, PersV 1989, 531; OVG Mecklenburg-Vorpommern v. 14.12.1998 – 2 L 204/98, ZBR 2000, 102. 3 OVG Berlin v. 12.5.1998 – 60 PV 1.96, PersR 1999, 231. 4 Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 29 Rz. 46.
132 Pahlen
IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 114
Teil 2
cc) Zeitpunkt Die Unterrichtung des Personalrats hat bereits nach allgemeinen Grundsätzen so früh zu erfolgen, dass eine Willensbildung innerhalb des Gremiums noch möglich ist und die Entscheidung der Dienststelle zu diesem Zeitpunkt noch beeinflusst werden kann (s.o. Rz. 83).
110
dd) Umfang Die Information muss so umfassend erfolgen, dass der Personalrat auf ihrer 111 Grundlage zur Wahrnehmung seiner gesetzlichen Befugnisse in der Lage ist. Er hat einen Anspruch auf Überlassung aller Informationen, die der Dienststelle zur Verfügung stehen. Es sind also die Personalien aller Bewerber mitzuteilen. Eine Vorauswahl ist unzulässig. Die Dienststelle hat dem Personalrat daher die Unterlagen sämtlicher Bewerber zu übermitteln. Dies schließt auch jene ein, die nach Ansicht der Dienststellenleitung für die beabsichtigte Einstellung nicht in Betracht kommen, und gilt auch für die Fälle, in denen eine Ausschreibung der Stelle nicht stattgefunden hat1. Allerdings betrifft dies nur (noch) aktuelle Bewerbungen, so dass im Falle 112 der Rücknahme durch den Bewerber oder der bereits erfolgten Zurückweisung einer Bewerbung durch die Dienststelle eine Unterrichtung grundsätzlich nicht erforderlich ist. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass das Mitbestimmungsrecht des Personalrats unterlaufen wird. Diese Ausnahme betrifft daher nur die Fallkonstellationen, in denen ein Bezug zu der aktuellen Stellenbesetzung ausgeschlossen werden kann. Dies ist etwa der Fall, wenn die Ablehnung bereits zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem eine Stelle, von der die Bewerbung betroffen sein könnte, noch gar nicht vorhanden war2. Die Mitteilungspflicht der Dienststelle umfasst neben der Angabe der Per- 113 sonalien der Bewerber sämtliche persönlichen Daten und Tatsachen, die für die Einstellung von Bedeutung sein können. Da der Personalrat einen Anspruch auf Informationen besitzt, die der Dienststelle vorliegen, beschränkt sich die Unterrichtungspflicht auch nur auf der Dienststelle bekannte Umstände. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Bewerber der Dienststelle die Weitergabe konkret bezeichneter Daten an den Personalrat untersagt hat. Zu den erforderlichen Informationen gehören auch solche persönlichen Umstände (zB Schwerbehinderteneigenschaft, Schwangerschaft, Vorstrafen), die für die Besetzung der Stelle von Bedeutung sein können3. Ein Anspruch auf Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch lässt sich daraus allerdings nicht ableiten; denn dies ist erst Teil des Willensbildungsprozesses der Einstellungsbehörde, an dem der Personalrat nicht beteiligt ist. Etwas anderes gilt nur, wenn in dem jeweils anwendbaren Personalver1 BVerwG v. 11.2.1981 – 6 P 44/79, BVerwGE 61, 325. 2 Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 87 Rz. 38. 3 Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 87 Rz. 40. Pahlen
133
114
Teil 2
Rz. 115
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
tretungsgesetz dazu eine besondere Regelung vorhanden ist1. Allerdings besteht auch kein rechtliches Hindernis an der Teilnahme eines Personalratsmitgliedes an einem solchen Gespräch, wenn der Dienststellenleiter dies gestattet hat oder eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde2. ee) Grenzen 115
Die Grenzen des Informationsanspruchs des Personalrats werden einerseits durch seine Zuständigkeit, andererseits aber auch durch einen etwaigen Rechtsmissbrauch gezogen. Allgemeine Schwierigkeiten wie etwa ein besonderer Verwaltungs- oder Kostenaufwand oder sonstige tatsächliche Probleme spielen demgegenüber keine Rolle, entscheidend ist die mit dem Unterrichtungsanspruch verfolgte Sicherung der sachgerechten Wahrnehmung der Rechte des Personalrats3. Datenschutzrechtliche Beschränkungen bestehen nicht; denn der Personalrat ist nicht Dritter im Sinne des BDSG, sondern selbst Teil der speichernden Stelle4. ff) Vorlage von Unterlagen
116
Auch die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen ist am Normenzweck ausgerichtet. Um dem Personalrat die Möglichkeit der Prüfung zu geben, welche sonstigen Mitarbeiter ggf. als Mitbewerber in Betracht kämen, und ihm damit die Möglichkeit zur Geltendmachung eines Zustimmungsverweigerungsrechts gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG zu geben, hat der Personalrat sogar einen Anspruch auf dauerhafte Überlassung von Stellenplan und Personalbedarfsberechnungen5. Außerdem sind ihm die üblichen Bewerbungsunterlagen wie Bewerbungsschreiben, Personalfragebögen, Zeugnisse, Lebenslauf, ggf. auch das Ergebnis einer psychologischen Eignungsuntersuchung einschließlich der Testunterlagen zur Verfügung zu stellen6. c) Stellungnahme des Gremiums aa) Form
117
Hat die Dienststelle ihrer Informationsverpflichtung – ggf. nach Aufforderung zu ergänzender Begründung des Antrages – genügt, entscheidet der Personalrat über den Antrag der Dienststelle durch Beschluss. Es handelt sich nicht um ein laufendes Geschäft, so dass eine Entscheidung des Gremiums in einer ordnungsgemäß einberufenen und durchgeführten Sitzung erforderlich ist.
1 BVerwG v. 2.6.1993 – 6 P 23/91, PersR 1993, 444; BVerwG v. 21.12.2001 – 6 P 1/01, PersR 2002, 168. 2 Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 87 Rz. 43. 3 BVerwG v. 16.10.1964 – VII P 7.63, BVerwGE 19, 325. 4 Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, § 73 Rz. 13. 5 BVerwG v. 23.1.2002 – 6 P 5/01, PersR 2002, 201. 6 VGH Baden-Württemberg v. 2.3.1982 – 15 S 1235/81, ZBR 1983, 137 [LS].
134 Pahlen
IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 122
Teil 2
Die Stellungnahme bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Erforder- 118 lich ist die Unterschrift des Vorsitzenden bzw. des Stellvertreters, ggf. auch die eines der Gruppe der betroffenen angehörenden weiteren Vorstandsmitglieds. bb) Inhalt der Stellungnahme Die Stellungnahme kann entweder zustimmend oder ablehnend erfolgen, sie kann aber auch eine Modifizierung des Antrags enthalten. In diesem Fall ist sie als Ablehnung zu werten. Erfolgt keine ausdrückliche Stellungnahme, wird nach Ablauf einer in dem jeweiligen Personalvertretungsgesetz normierten Frist die Zustimmung des Personalrats fingiert.
119
Eine den Eintritt der Fiktionswirkung verhindernde ablehnende Stellungnahme (einschließlich der Annahme in abändernder Form) bedarf der Begründung. Sie muss entweder die Erfüllung eines in dem jeweiligen PersVG näher bezeichneten Zustimmungsverweigerungsgrundes möglich erscheinen lassen oder aber bei einer weitergehenden Gesetzesfassung (wie etwa in § 79 PersVG Berlin) einen sachbezogenen Ablehnungsgrund enthalten. Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn der geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund sich dem Mitbestimmungstatbestand „Einstellung“ nicht mehr zuordnen lässt und daher rechtsmissbräuchlich ist1.
120
d) Durchführung der Einstellung aa) Wahrung der Rechte des Personalrats Hat der Personalrat dem Einstellungsantrag der Dienststelle zugestimmt oder ist mit Rücksicht auf das Fehlen einer (ordnungsgemäßen) Zustimmungsverweigerung die Zustimmungsfiktion eingetreten, kann die Einstellung durchgeführt werden.
121
bb) Verletzung der Rechte des Personalrats Liegt eine form- und fristgerecht erhobene Zustimmungsverweigerung vor, 122 richtet sich das weitere Vorgehen nach den Regelungen des jeweils anwendbaren PersVG. Regelmäßig bedarf es in einem solchen Fall weiterer Verhandlungen der Beteiligten im Rahmen eines Einigungsgesprächs. Führt dies zu einer Einigung, darf die Dienststelle nunmehr die beabsichtigte Einstellung durchführen. Bleibt die Einigungsverhandlung dagegen erfolglos, kann die Dienststelle an ihrer Entscheidung festhalten oder aber von ihr absehen. Bleibt die Verwaltung bei ihrer Entscheidung, kann der Personalrat dagegen unter nach dem jeweils anwendbaren Personalvertretungsgesetz unterschiedlichen Voraussetzungen die Einigungsstelle anrufen. In Betracht kommt ggf. auch die Einleitung eines Beschlussverfahrens vor dem Verwaltungsgericht. 1 BVerwG v. 27.9.1993 – 6 P 4/93, BVerwGE 94, 178. Pahlen
135
Teil 2
Rz. 123
Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses
cc) Vorläufige Durchführung der Maßnahme 123
Ob die Dienststelle auch ohne das Vorliegen der Zustimmung des zuständigen Personalrats zur vorläufigen Durchführung der Einstellung berechtigt ist, richtet sich ebenfalls nach dem Inhalt des jeweils anwendbaren PersVG. Während § 69 Abs. 5 BPersVG der Dienststelle in Eilfällen das Recht zur vorläufigen Regelung überträgt, ist dies in anderen Personalvertretungsgesetzen (zB im PersVG Berlin) nicht der Fall. Hier dürfte eine Einstellung nicht vorgenommen werden.
124
Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ist die vorherige Zustimmung des Personalrats Wirksamkeitsvoraussetzung für die jeweilige Maßnahme. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass ein vom Dienststellenleiter und der Dienstkraft abgeschlossener Arbeitsvertrag nichtig wäre, jedoch darf der Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden, solange nicht die Zustimmung des Personalrats vorliegt1.
125
Eine abschließende Stellungnahme des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Frage liegt noch nicht vor. Es hat allerdings in einer früheren Entscheidung die Frage aufgeworfen, ob nicht die Bindung der öffentlichen Verwaltung an das Haushaltsrecht und der Grundrechtsschutz des eingestellten Bewerbers es nahe legen, in einem solchen Fall ein Gebot zur Beendigung des wegen fehlerhafter Beteiligung des Personalrats kündbaren Beschäftigungsverhältnisses anzunehmen, wobei dieses Beendigungsgebot erst eingreifen und ein Kündigungsgrund auch erst dann entstehen soll, wenn sich der Standpunkt des Personalrats beim Abschluss des fortgeführten Beteiligungsverfahrens durchsetzt2. 4. Streitigkeiten a) Einigungsstelle
126
Hat das nach ordnungsgemäß erfolgter Zustimmungsverweigerung durch den Personalrat durchgeführte Einigungsgespräch nicht zu einer Lösung des Problems geführt und hat der Dienststellenleiter an seiner Einstellungsentscheidung festgehalten, kann der Personalrat nunmehr unter in den verschiedenen Personalvertretungsgesetzen unterschiedlich geregelten Voraussetzungen die Einigungsstelle anrufen (s.o. Rz. 122), der allerdings keine Letztentscheidungsbefugnis zukommt3.
1 BAG v. 2.7.1980 – 5 AZR 1241/79, NJW 1981, 703. 2 BVerwG v. 7.12.1994 – 6 P 35/92, PersR 1995, 296 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BAG zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, BAGE 48, 122; vgl. auch Hantl-Unthan, „Einzelvertragliche Rechtsfolgen der kollektivrechtswidrig durchgeführten Arbeitnehmereinstellung im öffentlichen Dienst“, 1993, S. 279 ff. 3 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37 (73); BVerfG v. 20.7.2001 – 2 BvL 8/00, NZA-RR 2002, 334.
136 Pahlen
IV. Beteiligung des Personalrats
Rz. 130
Teil 2
b) Verwaltungsgericht Hat der Dienststellenleiter nach Auffassung des Personalrats bei der Einstellung eines Bewerbers sein Mitbestimmungsrecht verletzt, kann er im Beschlussverfahren, das nach den Regelungen des Arbeitsgerichtsgesetzes durchgeführt wird, bei dem Verwaltungsgericht eine entsprechende Feststellung begehren.
127
Das dafür erforderliche Interesse ergibt sich aus den oben (Rz. 124) dargestellten Folgen einer solchen Entscheidung für die tatsächliche Beschäftigung bzw. den Fortbestand des unter Verstoß gegen die Rechte des Personalrats eingestellten Arbeitnehmers.
128
Dies gilt auch für den Fall, dass die Maßnahme bereits durchgeführt wurde, 129 jedoch fortwirkt, jederzeit geändert oder für die Zukunft rückgängig gemacht werden könnte1. Insoweit wird sogar eine auf Feststellung des Bestehens eines entsprechenden Rechtes gerichtete einstweilige Anordnung für möglich gehalten2. Gegebenenfalls kommt auch ein Unterlassungsanspruch in Betracht3. Einen Anspruch des Personalrats auf Rückgängigmachung der personalvertretungswidrig erfolgten Maßnahme hat das Bundesverwaltungsgericht zwar verneint4, allerdings eine einstweilige Anordnung mit der Verpflichtung der Dienststelle zur Einleitung oder Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens für möglich gehalten5. Nach der rechtskräftigen Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungs- 130 rechts des Personalrats bei der Einstellung muss der Dienstellenleiter mit Rücksicht auf eine ihn nach Art. 20 Abs. 3 GG treffende öffentlich – rechtliche Verpflichtung die mitbestimmungswidrig durchgeführte Maßnahme rückgängig machen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann er im Wege der Dienstaufsicht dazu gezwungen werden6. Vorausgesetzt wird auch hier, dass die Maßnahme noch rückgängig gemacht werden kann; denn anderenfalls liefe das Beteiligungsrecht des Personalrats ins Leere7.
1 2 3 4 5
BVerwG v. 4.6.1993 – 6 P 33/91, PersV 1994, 467. Hessischer VGH v. 17.3.1994 – TL 2668/93, PersR 1994, 74. OVG Rheinland-Pfalz v. 22.6.1995 – 5 B 11743/95, PersR 1995, 348. BVerwG v. 29.10.1991 – 6 PB 19/91, PersR 1993, 24. BVerwG v. 27.7.1990 – 6 PB 12/89, PersR 1990, 297; so auch OVG Berlin v. 18.7.1991 – Bv. Bln 9/91, PersR 1991, 422; OVG Niedersachsen v. 24.2.1993 – 18 M 6302/92, PersR 1994, 30; OVG Sachsen-Anhalt v. 26.5.1999 – A 5 S 5/99, PersR 2000, 163; aA OVG Nordrhein-Westfalen v. 6.9.1994 – 1 B 1548/94.PVB, PersR 1994, 571. 6 BVerwG v. 20.1.1993 – 6 P 18/90, PersR 1993, 307. 7 Richardi/Dörner/Weber/Kaiser, Personalvertretungsrecht, § 75 Rz. 228. Pahlen
137
Teil 3 Durchführung des laufenden Arbeitsverhältnisses A. Gegenseitige Grundpflichten Rz. I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verpflichtung zur Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Bedeutung . . . . bb) Geltungsdauer . . . . . . . . . . cc) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsfolgen der Verletzung von Nebenpflichten . b) Einzelne Nebenpflichten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. . . . . . . . . . . . . aa) Belohnungen und Geschenke . . . . . . . . . . . . . bb) Verschwiegenheitspflicht . cc) Nebentätigkeit . . . . . . . . . . (1) Abkopplung vom Beamtenrecht . . . . . . . . (2) Schriftliche Anzeige entgeltlicher Nebentätigkeit mit Verbotsvorbehalt . . . . . . . . (3) Geltung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze . . . . . . . . . .
1 1 2 2 2 3 4 5 6 6 19 25 25
26 28
Rz. dd) Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses . . . . (1) Rechtsgrundlage. . . . . . . . (2) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abwerbung . . . . . . . . . . . . . . . ff) Schutz der betrieblichen Ordnung und der Betriebsmittel. . . . . . . . . . . . . gg) Informationspflichten . . . . . . hh) Loyalitätspflicht . . . . . . . . . . . ii) Außerdienstliches Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verpflichtungen des Arbeitgebers . . 1. Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschäftigungspflicht und Betätigungsanspruch. . . . . . . . . . . . . 3. Fürsorgepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz von Leben und Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz wirtschaftlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers . . . . . . 4. Weiterbildung und Qualifizierung . 5. Gleichbehandlung und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz . . . . .
30 31 32 34 35 36 37 42 45 45 46 47 48 50 51 52 53
Schrifttum: Braun, Das Nebentätigkeitsrecht der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst, ZTR 2004, 69; Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD – Das neue Tarifrecht im öffentlichen Dienst, 2005; Kissel, Arbeitsrecht und Meinungsfreiheit, NZA 1998, 145; Reinecke, Herausgabe von Schmiergeldern im öffentlichen Dienst, ZTR 2007, 414; Schlenzka, Prinzipienwechsel im Nebentätigkeitsrecht des öffentlichen Dienstes durch den TVöD, PersR 2006, 63; Schmiedl, Mitarbeiterabwerbung durch Kollegen während des laufenden Arbeitverhältnisses, BB 2003, 1120; Stiller, Neues Nebentätigkeitsrecht nach dem TVöD, ZfPR 2006, 61; Tamm, TVöD und BAT: Was hat sich geändert und was bleibt?, PersV 2006, 44; Weber/Weber, Zur Dogmatik eines allgemeinen Beschäftigungsanspruchs im Arbeitsverhältnis, RdA 2007, 344.
Grimm
139
Teil 3 A
Rz. 1
Gegenseitige Grundpflichten
I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers 1. Verpflichtung zur Arbeitsleistung 1
Hauptpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 611 Abs. 1 BGB ist die Pflicht zur Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer im Zweifel in Person zu erbringen hat, § 613 Satz 1 BGB. Der Inhalt dieser Pflicht wird hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung maßgeblich durch den Arbeitsvertrag und das aus § 106 GewO folgende Direktionsrecht des Arbeitgebers bestimmt (siehe hierzu Teil 3 D). 2. Nebenpflichten a) Grundlagen aa) Begriff und Bedeutung
2
In jedem Schuldverhältnis werden die Hauptleistungspflichten durch eine Vielzahl von Nebenpflichten ergänzt, welche auch die Parteien eines Arbeitsverhältnisses zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners und zum Schutz und zur Förderung des Vertragszwecks verpflichten1. Nebenpflichten stehen insofern nicht isoliert neben den Hauptleistungspflichten, sondern dienen der Förderung, Vorbereitung und Sicherung des Leistungserfolgs und der Erhaltung der Leistungsmöglichkeit2. Rechtsgrundlagen dieser Nebenpflichten sind das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben und die seit der Schuldrechtsreform in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich normierte Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils3. bb) Geltungsdauer
3
Diese Nebenpflichten entstehen bereits vorvertraglich mit der Vertragsanbahnung, §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB und können auch nach Beendigung des Schuldverhältnisses als nachvertragliche Pflichten fortwirken4. So ist in § 4 Abs. 1 TVöD eine Nachwirkung der Verschwiegenheitspflicht über das Vertragsende hinaus ausdrücklich normiert. cc) Umfang
4
Aufgrund der Natur des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis mit einer besonderen persönlichen Bindung der Vertragspartner5 sind die Nebenpflichten im Arbeitsrecht besonders ausgeprägt. Auf Seiten des Arbeitnehmers wird dieses Bündel von Nebenpflichten in ständiger Recht1 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 707; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 347. 2 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 708. 3 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 707; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 179 f. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 749–757; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 183 (184); Palandt/Grüneberg, BGB, § 241 Rz. 7. 5 BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637 (638).
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I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers
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Teil 3 A
sprechung unter dem Begriff der „arbeitsrechtlichen Treuepflicht“ zusammengefasst, die den Arbeitnehmer verpflichtet, sich aufgrund seines Arbeitsvertrages für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebs einzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich ist1. In neueren Entscheidungen konkretisiert das BAG dies dahingehend, dass der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren hat, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann, wobei sich der konkrete Inhalt aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis ergebe2. dd) Rechtsfolgen der Verletzung von Nebenpflichten Neben den typischen arbeitsrechtlichen Sanktionen der Abmahnung, ver- 5 haltensbedingten ordentlichen und uU auch außerordentlichen Kündigung kommen bei Nebenpflichtverletzungen des Arbeitnehmers Schadensersatzansprüche nach den allgemeinen Regelungen der §§ 280 ff. oder §§ 823 ff. BGB in Betracht. Bei entsprechender arbeitsvertraglicher Regelung können Nebenpflichtverletzungen auch zur Verwirkung einer Vertragsstrafe führen (siehe Teil 3 B Rz. 80). Gerade im öffentlichen Dienst ist die Verletzung einiger Nebenpflichten zusätzlich auch durch das StGB mit Strafe bedroht, worauf bei den einzelnen Pflichten näher einzugehen ist. b) Einzelne Nebenpflichten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aa) Belohnungen und Geschenke Das allgemein im Arbeitsrecht geltende Verbot der Annahme von Schmiergeldern3 ist im öffentlichen Dienst durch § 3 Abs. 2 TVöD bzw. § 3 Abs. 3 TV-L konkretisiert. Zweck dieser Tarifnormen ist die Sicherstellung der durch Korruption bedrohten Integrität des öffentlichen Dienstes4.
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Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 TVöD bzw. § 3 Abs. 3 Satz 1 TV-L dürfen Beschäftig- 7 te Belohnungen, Geschenke, Provisionen oder sonstige Vergünstigungen in Bezug auf ihre Tätigkeit nicht annehmen. Ausnahmen von diesem Verbot sind nach Satz 2 nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Satz 3 statuiert darüber hinaus eine Pflicht der Beschäftigten, bereits das Angebot derartiger Vergünstigungen dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen.
1 Seit BAG v. 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, DB 1970, 497; kritisch zu dieser sehr weiten Formulierung ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 709. 2 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 53/05, NZA-RR 2006, 636 (638). 3 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 722; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 236. 4 BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 605/00, AP Nr. 175 zu § 626 BGB; Conze, Rz. 1546; KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 9; Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Wendl, TVöD, § 3 TVöD-AT Rz. 4. Grimm
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Teil 3 A
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Ein „Bezug“ zur Tätigkeit besteht, wenn objektiv ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Vergünstigung und Tätigkeit besteht. Ob dies von den Beteiligten subjektiv beabsichtigt wird, ist hingegen unbeachtlich1.
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Während die Vorgängervorschrift § 10 BAT lediglich die Annahme von „Belohnungen“ und „Geschenken“ untersagte, wurde das Verbot auf „Provisionen“ und „sonstige Vergünstigungen“ erweitert.
10 Oberbegriff ist nunmehr die „sonstige Vergünstigung“, worunter jede Art von Zuwendung, also alle materiellen oder immateriellen Vorteile zu verstehen sind, die dem Beschäftigten unmittelbar oder nur mittelbar zugutekommen2. „Belohnung“ ist jeder Vorteil, den Dritte freiwillig gewähren und mit Dankbarkeit für eine Leistung verbinden3. „Geschenk“ ist jede freiwillige unentgeltliche Zuwendung mit Vermögenswert ohne Erwartung einer Gegenleistung und erfasst nicht nur Schenkungen iSd. §§ 516 ff. BGB4. Unter einer „Provision“ können in Anlehnung an § 87 HGB nach dem Umfang vergütungspflichtiger Geschäfte bemessene Zahlungen als Gegenleistung für erbrachte Dienste verstanden werden5. 11 Nach dieser Verschärfung der Vorschriften durch den weiten Auffangtatbestand und Oberbegriff „sonstige Vergünstigungen“ ist zweifelhaft geworden, ob noch tatbestandliche Ausnahmen für kleinere Zuwendungen möglich sind. Das BAG hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 zu einer mit § 10 BAT vergleichbaren Tarifvorschrift kleinere Aufmerksamkeiten, die sich im Rahmen sozial üblicher Dankbarkeitsgesten halten und deren Zurückweisung als Unhöflichkeit oder Pedanterie erschiene, aus den Begriffen „Belohnung“ und „Geschenk“ ausgenommen6. Daran wird man nach Einbeziehung des Begriffs „sonstige Vergünstigungen“, der gerade keinerlei Wertgrenze impliziert und ein möglichst breites Spektrum von Zuwendungen erfassen soll7, nicht mehr festhalten können8. Solange sich die Vergünstigung aber im Rahmen der vom BAG gesteckten Grenzen des Üblichen hält und ersichtlich nicht zum Zwecke einer Begünstigung gewährt wird, wird man aber zumindest auf arbeitsvertraglicher Ebene idR von einer stillschweigenden Zustimmung des Dienstherren ausgehen können9. In Anlehnung an das Rundschreiben des BMI zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken in der Bundesverwaltung vom 1 BAG v. 17.6.2003 – 2 AZR 62/02, ZTR 2004, 25; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 364; Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 3 Rz. 11; KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 11. 2 Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 3 Rz. 8; KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 10. 3 KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 10. 4 BAG v. 17.4.1984 – 3 AZR 97/82, AP Nr. 1 zu § 10 BAT; KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 10; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 3 Rz. 24. 5 Baumbach/Hopt, HGB, § 87 HGB Rz. 2. 6 BAG v. 17.6.2003 – 2 AZR 62/02, ZTR 2004, 25. 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 28. 8 Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 3 Rz. 10; KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 10. 9 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, S. 25; KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 10, 13; Hamer, Basiskommentar TVöD, § 3 Rz. 18; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 31; Sponer/Steinherr, TVöD-GA Kommentar, § 3 Rz. 79.
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Teil 3 A
8.11.20041 darf eine Wertgrenze von 25 Euro nicht überschritten werden. Neben solchen geringwertigen Sachzuwendungen (zB Werbekalender oder -kugelschreiber) kann auch bei geringfügigen Dienstleistungen (zB Abholen vom Bahnhof, kostenlose Bewirtung bei dienstlichen Anlässen) von einer stillschweigenden Zustimmung ausgegangen werden2. Teilweise wird geäußert, die Zustimmung zur Annahme von Vergünstigungen könne vom Arbeitgeber nur vor deren Annahme und nur ausdrücklich erteilt werden3. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass für die Zustimmung als Willenserklärung in § 3 TVöD gerade keine besondere Form angeordnet ist, so dass sie nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen auch konkludent erteilt werden kann4. Der Begriff „Zustimmung“ umfasst sowohl die vorherige Einwilligung (§ 183 BGB) als auch die nachträgliche Genehmigung (§ 184 BGB)5.
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Überschreitet die Vergünstigung die oben genannten Grenzen, ziehen Ver- 13 stöße gegen das Schmiergeldverbot Konsequenzen nach sich. Fortgesetzte Verstöße gegen § 3 Abs. 2 TVöD rechtfertigen nicht nur eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung, sondern können auch einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB darstellen6. Bei mehrfachen Verstößen wird dann auch die notwendige umfassende Interessenabwägung nur in besonderen Ausnahmefällen zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung führen7. Im Einzelfall kann selbst die Annahme einer nur geringwertigen Vergünstigung (Montagestunde für 36,90 DM statt 44,00 DM8) eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Da die Annahme von Schmiergeldern den Vertrauensbereich betrifft, ist auch eine vorherige Abmahnung grundsätzlich entbehrlich9. Auch Verstöße gegen die Anzeigepflicht des § 3 Abs. 2 Satz 3 TVöD können eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen: So hat das ArbG Paderborn die außerordentliche Kündigung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Technikers nicht wegen der Annahme von Werbegeschenken, 1 Bei Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3, Anhang 1, S. 84. 2 Sponer/Steinherr, TVöD-GA Kommentar, § 3 Rz. 80, vgl. Rundschreiben des BMI v. 8.11.2004. 3 Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 3 Rz. 13. 4 Hamer, Basiskommentar TVöD, § 3 Rz. 18; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 3 Rz. 30. 5 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 31; Hamer, Basiskommentar TVöD, § 3 Rz. 18; vgl. Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 3 Rz. 31. A.A. HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 365. 6 Zu § 10 BAT: BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 605/00, juris; BAG v. 17.6.2003 – 2 AZR 62/02, ZTR 2004, 25; LAG Schleswig-Holstein v. 14.12.2008 – 6 Sa 272/08, NZARR 2009, 397 zu § 3 Abs. 2 TVöD. Auf damit einhergehende Amtspflichtverletzungen kommt es nicht an. 7 BAG v. 17.3.2005 – 2 AZR 245/04, NZA 2006, 101 (104); LAG Hessen v. 3.11.2006 – 3 Sa 287/05, juris. Rechtsprechungsübersicht: Steinkühler/Kunze, RdA 2009, 367 ff. 8 LAG Hamburg v. 26.9.1990 – 4 Sa 77/88, juris. 9 BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 30/00, NZA 2002, 232; Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/ Wendl, TVöD, § 3 TVöD-AT Rz. 6; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 366. Grimm
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Gegenseitige Grundpflichten
sondern wegen der beharrlichen Verletzung seiner Anzeigepflicht aus § 10 Abs. 2 BAT bestätigt1. 15 Auch der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann die erlangte Vergünstigung gemäß §§ 687 Abs. 2 Satz 1, 681 Satz 2, 667 BGB herausverlangen2. 16 Neben den arbeitsrechtlichen Konsequenzen sind Vorteilsannahme und Bestechlichkeit in §§ 331, 332 StGB mit Strafe bedroht. Bei diesen Tatbeständen handelt es sich um Sonderdelikte, die nur von Amtsträgern und von für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten begangen werden können. Beide Begriffe werden in § 11 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB legaldefiniert. 17 Amtsträger sind nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht nur Beamte (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB), sondern auch Personen, die dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB). Die „Bestellung“ bedarf keines förmlichen Bestellungsaktes, sondern setzt nur voraus, dass der Betreffende über den Einzelfall hinaus mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut und in die behördliche Organisation eingebunden wird3. Entscheidend ist eine funktionale Betrachtung; es ist also zu fragen, ob der Bestellte Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt, wozu nicht nur die Bereiche der Eingriffs- und Leistungsverwaltung, sondern auch die fiskalische Verwaltung und die Aufgaben der Daseinsvorsorge gehören4. „Unbeschadet der Organisationsform“ bedeutet, dass auch juristische Personen des Privatrechts „sonstige Stellen“ sein können, wobei die ständige Rechtsprechung bei diesen verlangt, dass sie bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie sich als ein verlängerter Arm des Staates darstellen5. Der BGH hat deshalb den Geschäftsführer einer FernwärmeGmbH, die sich in städtischem Alleinbesitz befindet, als Amtsträger eingeordnet6, während die Frankfurter Flughafen-AG trotz Anteilseignerschaft der öffentlichen Hand nicht als „sonstige Stelle“ angesehen wurde7. 18 Viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes werden deshalb schon unter den Amtsträgerbegriff fallen, ohne dass eine Verpflichtung nach dem Ver1 ArbG Paderborn v. 27.3.2003 – 1 Ca 91/03, juris. 2 LAG Berlin v. 30.11.2004 – 3 Sa 1634/04, ZTR 2005, 332; LAG Niedersachsen v. 14.9.2005 – 15 Sa 1610/03, juris; Müller/Preis, Rz. 550; Reinecke, Herausgabe von Schmiergeldern im öffentlichen Dienst, ZTR 2007, 414 (416); HWK/Thüsing § 611 BGB Rz. 366. 3 BGH v. 15.5.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034; BGH v. 29.8.2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87; Fischer, StGB, § 331 Rz. 4. 4 BGH v. 10.3.1983 – 4 StR 375/82, NJW 1983, 2509; BGH v. 19.1.1992 – 5 StR 338/91, NJW 1992, 847; Fischer, StGB, § 11 Rz. 22. 5 BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693; BGH v. 18.4.2007 – 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932; Fischer, StGB, § 11 Rz. 22a und § 331 Rz. 4b. 6 BGH v. 14.11.2003 – 2 StR 164/03, NJW 2004, 693. 7 BGH v. 3.3.1999 – 2 StR 437/98, NJW 1999, 2378.
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I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers
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Teil 3 A
pflichtungsgesetz v. 2.3.19741 notwendig ist. Dem Verpflichtungsgesetz unterliegen nur Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die – ohne selbst Amtsträger zu sein – bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VerPflG), oder bei einem Verband, einem Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VerPflG), beschäftigt oder für sie tätig sind. Wer bei diesen Stellen selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, ist bereits Amtsträger iSd. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB und bedarf daher keiner Verpflichtung nach § 1 VerPflG. Für die förmliche Verpflichtung verbleibt damit ein Anwendungsbereich zB für Schreibkräfte, Boten, Auszubildende, Praktikanten, Putzfrauen oder Zivildienstleistende2 wenn sie bei oben genannten Stellen beschäftigt oder für diese tätig sind. Da die Abgrenzung aber schwierig sein kann, empfiehlt es sich für die oben genannten mit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betrauten Stellen, Beschäftigte im Zweifel auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten. Die Verpflichtung wird mündlich und unter Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung vorgenommen, § 1 Abs. 2 VerPflG. Über die Verpflichtung ist nach Abs. 3 eine vom Verpflichteten unterzeichnete Niederschrift aufzunehmen. bb) Verschwiegenheitspflicht Die Verpflichtung, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht zu offen- 19 baren, ist Inhalt jedes Arbeitsverhältnisses und Ausfluss der arbeitsrechtlichen Treuepflicht3. Insofern hat die in § 3 Abs. 1 TVöD und § 3 Abs. 2 TV-L normierte Geheimhaltungspflicht lediglich deklaratorische Bedeutung4. Nach § 3 Abs. 1 TVöD und § 3 Abs. 2 TV-L haben die Beschäftigten über 20 Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus Verschwiegenheit zu wahren. § 46 Satz 2 TVöD BT-S konkretisiert die Verschwiegenheitspflicht für Beschäftigte der Sparkassen für das Bankgeheimnis, das so auch ohne Anordnung des Arbeitgebers zu beachten ist. Das in der Vorgängervorschrift in § 9 Abs. 2 und 3 BAT enthaltene ausdrückliche Verbot, Schriftstücke, Zeichnungen, bildliche Darstellungen usw. zu kopieren und auf Verlangen des Arbeitgebers herauszugeben, gilt auch ohne Normierung im TVöD als allgemeine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, dienstliche Schriftstücke nur im dienstlichen, nicht jedoch im privaten Interesse zu verwenden. Zur Klarstellung kann diese Pflicht mit 1 BGBl. I 469, 547; III 453-17, abgedruckt als Anh. 19 in Fischer, StGB. 2 Fischer, StGB, § 11 Rz. 25; aber anders Müller/Preis, Rz. 548. 3 BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 710; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 250. 4 Conze, Rz. 1207; Tamm, PersV 2006, 44 (51). Grimm
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Gegenseitige Grundpflichten
einer Formulierung in Anlehnung an § 9 Abs. 2, 3 BAT ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden1. 22 Zu den gesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften zählt neben §§ 17, 18 UWG, § 10 BPersVG, § 35 SGB I (Sozialgeheimnis) und § 30 AO (Steuergeheimnis) insbesondere das allgemeine Datengeheimnis des § 5 BDSG, aus dem für den öffentlichen Dienst ein Verbot der Weitergabe von Einzelangaben persönlicher und sachlicher Verhältnisse von Bürgern folgt. 23 Prozessuale Folge der Verschwiegenheitspflicht ist nach überwiegender Auffassung, dass Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in gerichtlichen Prozessen (§ 376 ZPO, § 54 StPO, § 118 SGG, § 98 VwGO) für Aussagen hinsichtlich solcher Angelegenheiten, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, eine Aussagegenehmigung des Arbeitgebers benötigen2. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut der genannten Vorschriften, der „andere Personen des öffentlichen Dienstes“ ausdrücklich mit einbezieht, sondern auch der Schutz der als Zeugen aussagenden Bediensten vor den empfindlichen Konsequenzen der Verletzung ihrer Verschwiegenheitspflicht. 24 Neben den typischen arbeitsvertraglichen Folgen ist die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nämlich durch § 17 UWG und § 353b StGB auch strafrechtlich sanktioniert, wobei es sich bei letzterer Vorschrift auch hier um ein Sonderdelikt für Amtsträger und die nach dem Verpflichtungsgesetz für den öffentlichen Dienst besonders verpflichteten Beschäftigten handelt. cc) Nebentätigkeit (1) Abkopplung vom Beamtenrecht 25 Während § 11 BAT3 für die Nebentätigkeit von Angestellten im öffentlichen Dienst noch auf die für Beamte geltenden Bestimmungen verwies, ist das Nebentätigkeitsrecht der Beschäftigten im Rahmen des TVöD und des TV-L nunmehr vollständig vom Beamtenrecht abgekoppelt. (2) Schriftliche Anzeige entgeltlicher Nebentätigkeit mit Verbotsvorbehalt 26 § 65 BBG und die entsprechenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze sehen für die Nebentätigkeit von Beamten einen Genehmigungsvorbehalt vor. Im öffentlichen Dienst besteht nunmehr gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 TVöD bzw. § 3 Abs. 4 Satz 1 TV-L lediglich eine schriftliche Anzeigepflicht für Nebentätigkeiten, die zudem auf entgeltliche Nebentätigkeiten beschränkt ist. Dem Arbeitgeber bleibt aber vorbehalten, die Nebentätigkeit zu unter1 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 183a. 2 LG Göttingen v. 22.10.2002 – 10 T 57/02, NJW-RR 2003, 117; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 376 Rz. 5; Zöller/Greger, ZPO, § 376 Rz. 4; Müller/Preis, Rz. 549; Conze, Rz. 1209; aA aber BayObLG v. 21.3.1990 – BReg 1a Z 1/90, NJW 1990, 1857; KomTVöD/Dahlen, § 3 Rz. 6. 3 Zu § 11 BAT: Braun, ZTR 2004, 69.
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I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers
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Teil 3 A
sagen oder mit Auflagen zu versehen, wenn diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen, § 3 Abs. 3 Satz 2 TVöD bzw. § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L. Nur der TV-L sieht in § 3 Abs. 4 Satz 3 für Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst noch die Möglichkeit vor, eine Ablieferungspflicht zur Auflage zu machen. Aufgrund einer solchen Auflage kann der Arbeitgeber einen Teil der vom Beschäftigten im öffentlichen Dienst erzielten Nebentätigkeitsvergütung herausverlangen. Solche Ablieferungspflichten für Nebentätigkeitsvergütungen im öffentlichen Dienst sind nach der Rechtsprechung des BAG mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar1.
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(3) Geltung der allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze Damit entsprechen die tarifvertraglichen Regelungen den allgemeinen ar- 28 beitsrechtlichen Grundsätzen zur Zulässigkeit von Nebentätigkeiten. Auch außerhalb des öffentlichen Dienstes sind Nebentätigkeiten im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG grundsätzlich zulässig und können vom Arbeitgeber nur unter Darlegung eines berechtigten Interesses untersagt werden2. Ein solches berechtigtes Interesse an der Untersagung der Nebentätigkeit besteht insbesondere in folgenden Fallgruppen: – bei Nebentätigkeiten, durch die die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung in Mitleidenschaft gezogen wird3; – bei Nebentätigkeiten im Urlaub unter Verstoß gegen § 8 BUrlG4; – bei Verletzung von Vorschriften des Arbeitszeitrechts, wenn durch die Nebentätigkeit die tägliche Höchstarbeitszeit überschritten wird5; – bei Verletzung berechtigter Interessen des Arbeitgebers durch Konkurrenztätigkeit6; – bei Nebentätigkeiten, die die Wahrnehmung des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit beeinträchtigen können, zB wenn ein bei der Caritas be-
1 BAG v. 25.7.1996 – 6 AZR 683/95, NZA 1997, 320; vgl. zum Beamtenrecht BVerfG v. 8.12.2006 – 2 BvR 385/05, NVwZ-RR 2007, 185; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 728. 2 BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, AP Nr. 8 zu § 611 BGB; BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 343/00, NZA 2002, 98; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 724 (725); HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 368. 3 BAG, 18.1.1996 – 6 AZR 314/95, NZA 1997, 41 (42); ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 725; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 42 Rz. 5. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 727; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 42 Rz. 9. 5 LAG Rh.-Pf. v. 30.1.1997 – 5 Sa 1055/96, NZA-RR 1997, 324; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 727; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 373, dort auch zur allgemeinen Erlaubnispflicht des Teilzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst. 6 BAG v. 28.2.2002 – 6 AZR 33/01, ZTR 2002, 429; LAG Schl.-Holst. v. 19.12.2006 – 5 Sa 288/06, NZA-RR 2007, 240 (242); ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 727; Schaub/ Linck, ArbRHdb, § 42 Rz. 8. Grimm
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Rz. 30
Gegenseitige Grundpflichten
schäftigter Krankenpfleger einer Nebenbeschäftigung als Leichenbestatter nachgeht1. dd) Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses 30 In vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes, insbesondere im Kernbereich der Verwaltung, ist das Wettbewerbsverbot mangels privater Konkurrenz für den öffentlichen Arbeitgeber naturgemäß von geringer Bedeutung. Im Bereich der Daseinsvorsorge, als früher klassischer Domäne der öffentlichen Hand, entwickelt sich u.a. als Folge der Subsidiaritätsklauseln in den Gemeindeordnungen der Länder (zB § 107 Abs. 3 GO NRW) eine zunehmende Konkurrenz durch private Anbieter, u.a. private Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen, so dass das allgemeine arbeitsrechtliche Wettbewerbsverbot auch im öffentlichen Dienst zunehmend an Bedeutung gewinnt. (1) Rechtsgrundlage 31 Das Wettbewerbsverbot wird aus § 60 HGB abgeleitet, der unmittelbar nur Handlungsgehilfen iSd. HGB Konkurrenztätigkeiten zum Nachteil ihres Prinzipals untersagt. Der Rechtsgedanke der Vorschrift ist aber auf alle Arten von Arbeitsverhältnissen übertragbar, da eine Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers nicht mit den sich aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB ergebenden Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers vereinbar ist2. (2) Inhalt 32 Im bestehenden Arbeitsverhältnis verbietet das Wettbewerbsverbot dem Arbeitnehmer, ohne die Zustimmung des Arbeitgebers in dessen Marktbereich im eigenen Namen und Interesse Dritten Leistungen anzubieten3. Die Interessenwahrungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber verbietet jegliche Konkurrenztätigkeit unabhängig von der gewählten Rechtsform4. Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot kann neben kündigungsrechtlichen Folgen zu Schadensersatzansprüchen und einem Eintrittsrecht des Arbeitgebers nach § 61 HGB führen. 33 Das Wettbewerbsverbot endet grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn nicht ausdrücklich und formgerecht ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gemäß §§ 74 ff. HGB, § 110 Satz 2 GewO vereinbart wird (siehe hierzu Teil 3 B Rz. 78). 1 BAG v. 28.2.2002 – 6 AZR 357/01, DB 2002, 1560. 2 BAG v. 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, DB 1970, 497; BAG v. 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, NJW 1977, 646; BAG 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, NZA 1991, 141 (142); BAG v. 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, NZA 1992, 212 (213); ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 720; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 358; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, II W 10 Rz. 2 ff. 3 BAG v. 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, NJW 1977, 646; BAG v. 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, NZA 1991, 141 (142). 4 BAG v. 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, NZA 1991, 141 (142); ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 720; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 361.
148 Grimm
I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers
Rz. 37
Teil 3 A
ee) Abwerbung Als weitere Ausprägung des Wettbewerbsverbots stellt auch die Einwirkung auf andere Arbeitskollegen mit dem Ziel, diese zur Aufgabe ihres bisherigen Arbeitsverhältnisses und zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses mit dem Abwerbenden oder einem Dritten zu veranlassen, eine Nebenpflichtverletzung dar1.
34
ff) Schutz der betrieblichen Ordnung und der Betriebsmittel Auch im öffentlichen Dienst obliegt es den Beschäftigten als allgemeine 35 Nebenpflicht, die betriebliche Ordnung des Arbeitgebers zu wahren2. Zur betrieblichen Ordnung können beispielsweise ein Rauch- und Alkoholverbot im Betrieb zählen. Es ergibt sich hieraus auch eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, in Bezug auf Arbeitskollegen Rücksicht zu üben und Störungen des Betriebsfriedens durch Mobbing zu unterlassen3. Ausgehend von der in § 241 Abs. 2 BGB statuierten Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des Vertragspartners bestehen zudem Schutzpflichten des Arbeitnehmers für die Betriebsmittel des Arbeitgebers: Fehler an Maschinen und sonstigen Betriebsmitteln müssen dem Arbeitgeber angezeigt werden4. Im Rahmen des Möglichen besteht ferner die Pflicht des Arbeitnehmers, Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden5. gg) Informationspflichten Zu den Nebenpflichten zählen auch Auskunftspflichten, die nach § 242 36 BGB entstehen, wenn der Arbeitgeber in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Arbeitnehmer unschwer Auskunft erteilen kann6. Die wichtigste Informations- und Nachweispflicht ist für den Fall der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers in § 5 EFZG ausdrücklich geregelt. hh) Loyalitätspflicht Die Rücksichtnahmepflichten aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB verpflichten den 37 Arbeitnehmer in jedem Arbeitsverhältnis zu einem Mindestmaß an Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber7. 1 BAG v. 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, NJW 1963, 1420; LAG BW v. 28.3.2002 – 20 Sa 75/01, juris; LAG Düsseldorf v. 12.1.2007 – 9 Sa 1637/05, juris; ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rz. 62; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 386; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 55 Rz. 11a: umfassend Schmiedl, BB 2003, 1120 ff. 2 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 738. 3 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 354. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 742. 5 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 744; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 55 Rz. 44. 6 BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 96, 637 (638); BAG v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95, NZA 1997, 41 (42); ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 736. 7 BAG v. 13.10.1977 – 2 AZR 387/76, DB 1978, 641; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 734; Schaub/Linck, ArbRHdb § 55 Rz. 6 (29 ff.). Grimm
149
Teil 3 A
Rz. 38
Gegenseitige Grundpflichten
38 Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT hatten sich die Angestellten so zu verhalten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird. Diese Vorschrift wurde in der Rechtsprechung u.a. als Schranke für gegen den Arbeitgeber gerichtete rufschädigende Meinungsäußerungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst herangezogen, indem § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT als die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG einschränkendes allgemeines Gesetz iSd. Art. 5 Abs. 2 GG angewandt wurde1. So wertete die Rechtsprechung das Tragen einer Anti-Atomkraft-Plakette während des Schuldienstes2 und den gegen den Dienstvorgesetzten gerichteten Vorwurf der „Rechtsbeugung“3 auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit als Verstoß gegen die Pflicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT. § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT ist im TVöD jedoch ersatzlos weggefallen. Die Nachfolgeregelung in § 41 Abs. 1 Satz 1 TVöD BT-V und § 3 Abs. 1 Satz 1 TV-L verlangt nun nur noch eine gewissenhafte und ordnungsgemäße Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, also eine arbeitsrechtliche Selbstverständlichkeit4. Der Wegfall der besonderen Regelung in § 8 Abs. 1 Satz BAT führt aber in der Sache zu keinen Änderungen, da rufschädigende Meinungsäußerungen in jedem Arbeitsverhältnis die aus § 241 Abs. 2 BGB folgende Pflicht zur Rücksichtnahme verletzen können, wobei im Einzelfall eine Abwägung mit dem Grundrecht des Beschäftigten auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG stattfinden muss5. Eine Abwägung ist nur bei bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen, Schmähkritik und Formalbeleidigungen entbehrlich, da solche Äußerungen von vornherein nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz GG fallen6. Im Übrigen findet das Recht der freien Meinungsäußerung seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), wozu nach der Rechtsprechung des BAG auch die Grundregeln über das Arbeitsverhältnis gehören7, insbesondere auch das Pflichtengebot, sich so zu verhalten, dass der Betriebsfrieden nicht ernstlich und schwer gefährdet wird und dass die Zusammenarbeit im Betrieb mit den übrigen Arbeitnehmern, aber auch mit dem Arbeitgeber, für diese zumutbar bleibt8. Auch die aus § 241 Abs. 2 BGB fol-
1 BVerfG v. 16.10.1998 – 1 BvR 1685/92, NZA 1999, 77; BAG v. 2.3.1982 – 1 AZR 694/79, NJW 1982, 2888; BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 177/02, ZTR 2004, 261; Kissel, NZA 1998, 145 (146). 2 BAG v. 2.3.1982 – 1 AZR 694/79, NJW 1982, 2888. 3 BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 177/02, ZTR 2004, 261. 4 Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD-BT-V, § 41 Rz. 2. 5 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 378. Zum Meinungsstand Rieble/Wiebauer, ZfA 2010, 63 ff. mwN. 6 BAG v. 11.8.1982 – 5 AZR 1089/79, NJW 1983, 1220; BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 927/98, juris; BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 177/02, ZTR 2004, 261; BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 21/05, NZA 2006, 917. 7 BAG v. 3.12.1954 – 1 AZR 150/54, BAGE 1, 185; BAG v. 28.9.1972 – 2 AZR 469/71, NJW 1973, 77; BAG v. 11.8.1982 – 5 AZR 1089/79, NJW 1983, 1220; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 379; Staudinger/Richardi, § 611 BGB Rz. 513. 8 BAG v. 3.12.1954 – 1 AZR 150/54, BAGE 1, 185 (194); HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 379; Staudinger/Richardi, BGB, § 611 Rz. 513.
150 Grimm
I. Verpflichtungen des Arbeitnehmers
Rz. 41
Teil 3 A
gende Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Vertragspartners ist also allgemeines Gesetz iSd. Art. 5 Abs. 2 GG1. Als weitere Ausprägung der Loyalitätspflicht enthielt § 8 Abs. 1 Satz 2 39 BAT für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine politische Treuepflicht. Eine vergleichbare Regelung ist nun nur noch in § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L für die Beschäftigten der Länder und in § 41 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-V für die Beschäftigten der Verwaltung enthalten, wobei die politische Treuepflicht im Anwendungsbereich des TVöD BT-V zusätzlich auf Beschäftigte des Bundes und solcher Arbeitgeber beschränkt ist, in deren Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden. Die Auffassungen über die Bedeutung des Begriffs „hoheitlich“ bzw. ho- 40 heitsrechtlich iSd. Art. 33 Abs. 4 GG gehen aber weit auseinander, insbesondere darüber, ob neben dem Kern der Eingriffsverwaltung auch die Daseinsvorsorge hierzu zählt2. Man wird der Formulierung eine Begrenzung der Treuepflicht auf den klassischen Bereich der Eingriffsverwaltung entnehmen können3, da die Einschränkung funktionslos wäre, wenn die Tarifvertragsparteien unter „hoheitlich“ die Wahrnehmung aller öffentlichen Aufgaben verstanden hätten. Die freiheitlich demokratische Grundordnung ist eine Ordnung, die unter 41 Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien zählen mindestens die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition4. Im Unterschied zum Beamtenrecht (vgl. § 35 BRRG bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG) wird von den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dabei kein aktives Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung verlangt. Die konkret aus der politischen Treuepflicht abzuleitenden Anforderungen sind vielmehr nach der vom Beschäftigten im Einzelfall ausgeübten Funktion und dem konkreten Aufgabengebiet abzustufen5. Nach dieser sog. Funktionstheorie stellt das BAG zB bei einem angestellten
1 BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 63/03, NZA 2005, 158; BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 584/04, NZA 2006, 650; BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 21/05, NZA 2006, 917; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 243. 2 S. hierzu Dreier/Masing, GG, Art. 33 Rz. 64. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 3 TVöD BT-V Rz. 14. 4 BVerfG v. 23.10.1952 – 1 BvB 1/51, BVerfGE 2, 1 (12 f.). 5 BAG v. 6.6.1984 – 7 AZR 456/82, NJW 1985, 507; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD BT-V, § 41 Rz. 2; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 3 TVöD BT-V Rz. 22 f.; Müller/Preis, Rz. 541. Grimm
151
Teil 3 A
Rz. 42
Gegenseitige Grundpflichten
Lehrer höhere Anforderungen an die Verfassungstreue als bei einem bei der Post beschäftigen Fernmeldehandwerker1. Zweifel an der Verfassungstreue können sich insbesondere aus der Mitgliedschaft und Betätigung in einer verfassungsfeindlichen Partei oder in einer Organisation ergeben, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt2. Daneben kann aber zB auch die Verbreitung einer menschenfeindlichen Witzesammlung3 oder die Billigung der Terroranschläge vom 11.9.2001 in einer Pressemitteilung4 die politische Treuepflicht verletzen. Auch die politische Treuepflicht stellt sich insofern als Schranke der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit der Beschäftigten dar. ii) Außerdienstliches Verhalten 42 Die politische Treuepflicht gilt natürlich auch im außerdienstlichen Bereich, wobei Verstöße hier aber erst eine Kündigung rechtfertigen, wenn sie in den dienstlichen Bereich hineinwirken und entweder die allgemeine Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers oder das konkrete Arbeitsgebiet des Arbeitnehmers berühren5. 43 Ansonsten sind außerdienstliche Verhaltenspflichten auch im öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG nur zurückhaltend anzuerkennen6. Die Verpflichtungen des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber enden grundsätzlich dort, wo sein privater Bereich beginnt7. Unter Geltung des BAT wurde für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT noch eine besondere Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten abgeleitet, die auch auf den außerdienstlichen Bereich ausstrahlte und die Beschäftigten u.a. auch zu einer anständigen, das Ansehen des öffentlichen Dienstes nicht beeinträchtigenden privaten Lebensführung verpflichten sollte8. Trotzdem konnte der Angestellte des öffentlichen Dienstes sein Privatleben frei gestalten, sofern er nur nicht grob gegen seine Pflichten zu
1 Vgl. zB BAG v. 31.3.1976 – 5 AZR 104/74, NJW 1976, 1708 zu den gesteigerten Anforderungen an die Verfassungstreue von Lehrern und BAG v. 20.7.1989 – 2 AZR 114/87, NZA 1990, 614 zur nur „einfachen politischen Loyalitätsobliegenheit“ eines Fernmeldehandwerkers. 2 BAG v. 20.7.1977 – 4 AZR 142/76, NJW 1978, 69; BAG v. 2.7.1980 – 5 AZR 1241/79, NJW 1981, 703; BAG v. 12.3.1985 – 7 AZR 20/83; NJW 1987, 1100; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 3 TVöD BT-V Rz. 26. 3 LAG Köln, 10.8.1999 – 13 Sa 220/99, juris. 4 LAG Schl.-Holst. v. 6.8.2002 – 2 Sa 150/02, NZA-RR 2004, 351. 5 BAG v. 6.6.1984 – 7 AZR 456/82, NJW 1985, 507; BAG v. 20.7.1989 – 2 AZR 114/87, NZA 1190, 614; KomTVöD/Dahlen, § 41 TVöD BT-V Rz. 4. 6 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 730; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 55 Rz. 7; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 219. 7 BAG 23.6.1994 – 2 AZR 617/93, NZA 1994, 1082; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 55 Rz. 7; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 376 f. 8 BAG v. 20.11.1997 – 2 AZR 643/96, NJW 1998, 2157; BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282; BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 177/02, ZTR 2004, 261; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, BAT-Kommentar, Stand 6/2007, § 8 S. 5 f.
152 Grimm
II. Verpflichtungen des Arbeitgebers
Rz. 46
Teil 3 A
achtungswürdigem Verhalten verstieß1. Mit dem ersatzlosen Wegfall des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT in TVöD und TV-L ist nunmehr jeder Anknüpfungspunkt dafür entfallen, an Angestellte des öffentlichen Dienstes besondere außerdienstliche Verhaltensanforderungen zu stellen. Auch in diesem Bereich ist also eine Abkehr vom Beamtenrecht festzustellen, die dazu führt, dass an das außerdienstliche Verhalten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nur noch die gleichen Anforderungen wie an Arbeitnehmer der Privatwirtschaft zu stellen sind2. Dass dies in der Sache idR zu keinen großen Änderungen führen wird, zeigt 44 eine Entscheidung des BAG vom 2.3.20063, welche die außerordentliche Kündigung eines Beschäftigten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen wegen eines Skiurlaubs bei bestehender Arbeitsunfähigkeit auf die Verletzung der Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB stützte, ohne wie die Vorinstanz4 dabei auf besondere Pflichten zu „achtungswürdigem Verhalten“ abzustellen. So wird auch nach Wegfall des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT ein vorsätzliches Tötungsdelikt eines Angestellten des öffentlichen Dienstes eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn wie in einem vom BAG zur alten Rechtslage entschiedenen Fall5 der Angestellte einer Behörde auch Außenkontakte wahrnimmt und deshalb durch die außerdienstliche Straftat das Ansehen der Behörde gefährdet wird6.
II. Verpflichtungen des Arbeitgebers 1. Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts Im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitspflicht des Arbeitnehmers steht die Vergütungspflicht als Hauptpflicht des Arbeitgebers, § 611 Abs. 1 BGB. Hier stellen sich in der Praxis des öffentlichen Dienstrechts insbesondere Fragen der Eingruppierung, für die auf Teil 7 verwiesen wird.
45
2. Beschäftigungspflicht und Betätigungsanspruch Wie sonst auch, besteht im öffentlichen Dienst nicht nur ein Beschäf- 46 tigungsrecht, sondern auch eine Beschäftigungspflicht für den Arbeitgeber, die aus §§ 611, 613 iVm. 242 BGB iVm. Art. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird7. Grundlage der Beschäftigungspflicht ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 1, 2 Abs. 1 GG), der aufgrund der Be1 BAG v. 20.11.1997 – 2 AZR 643/96, NJW 1998, 2157; LAG RP v. 7.10.2004 – 4 Sa 491/04, ZTR 2006, 154. 2 Tamm, PersV 2006, 44 (51). 3 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 53/05, NZA-RR 2006, 636. 4 LAG Rh.-Pf. v. 7.10.2004 – 4 Sa 491/04, ZTR 2006, 154. 5 BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282. 6 Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 3 Rz. 12. 7 St. Rspr. seit BAG v. 10.11.1955 – 2 AZR 591/54, BAGE 2, 221; BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 563; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 168; kritisch Weber/Weber, RdA 2007, 344 ff. Grimm
153
Teil 3 A
Rz. 47
Gegenseitige Grundpflichten
deutung der Arbeit für die Persönlichkeitsentfaltung grundsätzlich ein schutzwürdiges Beschäftigungsinteresse hat. Die Beschäftigungspflicht kann aber hinter überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers zurücktreten, insbesondere bei Wegfall der Vertrauensgrundlage, fehlender Einsatzmöglichkeit, Gefahr des Geheimnisverrats, unzumutbarer wirtschaftlicher Belastung und bei sonstigen Gründen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden1. Selbst in solchen Fällen einer berechtigten einseitigen Suspendierung behält der Arbeitnehmer jedoch seinen Vergütungsanspruch2. Zur Frage, inwieweit ein Suspendierungsrecht des Arbeitgebers vertraglich vereinbart werden kann, siehe Teil 3 B Rz. 62 ff. 3. Fürsorgepflicht 47 Unter dem Begriff der Fürsorgepflicht werden die den Arbeitgeber treffenden Schutz- und Rücksichtspflichten aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB zusammengefasst. a) Schutz von Leben und Gesundheit 48 Die Nebenpflicht des Arbeitgebers zum Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers wird dabei durch § 618 BGB und zahlreiche Arbeitsschutzgesetze (u.a. Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung, Arbeitssicherheitsgesetz) konkretisiert. 49 Bei Verstößen gegen die Schutzpflichten des § 618 Abs. 1 BGB hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB und behält auch bei Ausübung dieses Zurückbehaltungsrechts seinen Vergütungsanspruch aus § 615 BGB3. Die Verletzung der Pflichten aus § 618 Abs. 1 BGB kann zudem zu Schadensersatzansprüchen aus § 280 Abs. 1 und § 823 BGB führen, wobei nach hM § 618 BGB jedoch kein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB ist4. Zu beachten ist in diesem Bereich aber ein möglicher Haftungsausschluss durch § 104 SGB VII. b) Schutz wirtschaftlicher Interessen 50 Den Arbeitgeber treffen darüber hinaus Obhuts- und Verwahrungspflichten hinsichtlich der von den Beschäftigten in die Dienststelle eingebrachten Vermögensgegenstände. Es gelten die auch sonst üblichen Grundsätze5.
1 BAG v. 10.11.1955 – 2 AZR 591/54, BAGE 2, 221; BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 563; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 701. 2 BAG v. 4.6.1964 – 2 AZR 310/63, NJW 1964, 1918; BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 307/00, NZA 2002, 268; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 174; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 567. 3 ErfK/Wank, § 618 BGB Rz. 26 (28); HWK/Krause, § 618 BGB Rz. 38. 4 Vgl. zum Streitstand ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 618 mwN. 5 Im Einzelnen Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 724 ff.
154 Grimm
II. Verpflichtungen des Arbeitgebers
Rz. 53
Teil 3 A
c) Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers Auch der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers zählt zu den Neben- 51 pflichten des Arbeitgebers1, so dass beispielsweise die sexuelle Belästigung des Arbeitnehmers2, die Einholung graphologischer Gutachten ohne Einwilligung des Arbeitnehmers3 oder das heimliche Mithören von Telefongesprächen durch den Arbeitgeber4 unzulässig sind. Der Arbeitgeber hat das Persönlichkeitsrecht nicht nur selbst zu wahren, sondern muss den Arbeitnehmer auch vor Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts durch andere Beschäftigte, insbesondere durch das sog. „Mobbing“, schützen und die hierzu notwendigen organisatorischen Maßnahmen ergreifen5. Zulässigkeit und Grenzen einer Videoüberwachung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber sind höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt6. Bedeutung wird der Arbeitnehmerdatenschutz erlangen, der über § 32 BDSG hinaus fortentwickelt werden wird. 4. Weiterbildung und Qualifizierung Als Neuerung enthalten § 5 TVöD und TV-L eine Vorschrift zur Qualifizierung der Beschäftigten, die jedoch gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 TVöD ausdrücklich keinen Rechtsanspruch auf Weiterbildungsmaßnahmen einräumt und insofern den Charakter einer reinen Rahmenvorschrift hat7. Auch aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht lassen sich keine Qualifizierungsansprüche ableiten8. Notwendig sind daher Detailregelungen in freiwilligen Betiebs- oder Dienstvereinbarungen. Ein Anspruch besteht lediglich auf ein regelmäßiges Gespräch über den Qualifizierungsbedarf, § 5 Abs. 4 TVöD. Ein solches Gespräch sollte jährlich stattfinden und im Rahmen eines Ergebnisprotokolls dokumentiert werden9.
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5. Gleichbehandlung und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Zu den Nebenpflichten des Arbeitgebers zählt schließlich auch die Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Einhaltung der Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
1 HWK/Thüsing, § 611 BGB, Rz. 255 ff.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 619; Schmalenberg in Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 735. 2 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 623. 3 LAG BW v. 26.1.1972 – 8 Sa 109/71, NJW 1976, 310. 4 BAG v. 29.10.1997 – 5 AZR 508/96, NZA 1998, 307. 5 BAG v. 16.6.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1154; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 256; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 623; Schaub/Koch, ArbRHdb, § 107 Rz. 59; s. zu Persönlichkeitsschutz und „Mobbing“ außerdem Teil 3 K Rz. 44. 6 Vgl. dazu BAG v. 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, NZA 2003, 1193; BAG v. 29.6.2004 – 1 ABR 21/03, NZA 2004, 1278; dazu Grimm/Brock/Windeln, ArbRB 2006, 179 ff.; Schlewing, NZA 2005, 1071 ff. mwN. Zu BAG v. 26.8.2008 – 1 ABR 16/07, NZA 2008, 1187: Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 ff. 7 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 195. 8 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 5 Rz. 15. 9 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Berends, § 5 TVöD-AT Rz. 12. Grimm
155
53
B. Möglichkeiten der Vertragsgestaltung Rz. I. Gesetzliche und normative Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsvertrag, § 2 Abs. 1 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nebenabreden, § 2 Abs. 3 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendiger Inhalt (NachwG) . . 3. Grenzen der Gestaltungsmacht .
1 1 2 4 7 9
II. Rechts- und Inhaltskontrolle . . . 1. Zwingendes Gesetzesrecht . . . . . 2. Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . b) Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Grundsätze. . . . . . d) Klauselkontrolle nach §§ 307 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . e) Folgen der Unwirksamkeit . . . 3. Checkliste zur Inhaltskontrolle .
13 14
23 30 31
III. Gestaltung von Standardklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezugnahmeklausel . . . . . . . . . . . 2. Beginn und Probezeit . . . . . . . . . . 3. Tätigkeit und Versetzung. . . . . . . 4. Wohnsitzklauseln . . . . . . . . . . . . . 5. Arbeitszeit und Vergütung. . . . . .
32 32 46 49 50 51
15 16 17 20
Rz. 6. Dienstverhinderung und Arbeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 7. Urlaub. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Freistellung und Folgen . . . . . . . . . . 10. Ausschlussfristen . . . . . . . . . . . . . . . 11. Schriftformklausel . . . . . . . . . . . . . . 12. Salvatorische Klausel . . . . . . . . . . . .
52 53 54 62 66 69 73
IV. Besondere Gestaltungen . . . . . . . . . . 74 1. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Überstunden, Mehrarbeit und Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4. Schutz von Know-how und Betriebsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . 79 5. Vertragsstrafen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 6. Internet- und E-Mail-Nutzung. . . . . 81 7. Dienstwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 8. Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten . . . . . . . . . . . . . . 83 9. Änderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . 92 a) Widerrufsvorbehalt. . . . . . . . . . . . 93 b) Freiwilligkeitsvorbehalt. . . . . . . . 97 c) Anrechnungsvorbehalt. . . . . . . . . 100 10. Tarifvertrags- und Betriebs-/ Dienstvereinbarungsöffnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Schrifttum: Bauer, „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmern, NZA 2007, 409; Bauer/Krieger, Das Orakel von Luxemburg: Altersgrenzen für Arbeitsverhältnisse zulässig – oder doch nicht?, NJW 2007, 3672; Behrendt/Gaumann/Liebermann, Zulässigkeit arbeitsvertraglicher Verweisungen auf das Beamtenrecht, ZTR 2007, 522; Bieder, Zur Verwendung „qualifizierter“ Schriftformklauseln in Formulararbeitsverträgen, SAE 2007, 379; Bronhofer, Aus für Freistellungsklauseln?, AuA 2008, 20; Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2008; Düwell/Ebeling, Rückzahlung von verauslagten Bildungsinvestitionen, DB 2008, 406; Ernst, Tarifverträge und ihre Transparenzkontrolle bei arbeitsvertraglichen dynamischen Globalverweisungen, NZA 2007, 1405; Fieberg, TVöD – ohne Tarifwechselklausel ade – oder doch nicht?, NZA 2005, 122; Freihube, Neue Spielregeln für arbeitsvertragliche Vereinbarungen von Sonderzahlungen, DB 2008, 124; Gaul/Süßbrich/Kulejewski, Verschlechterung einzelvertraglicher Ansprüche durch Betriebsvereinbarung, ArbRB 2004, 346; Grimm/Brock, Neue Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung und Altersgrenzenvereinbarungen, ArbRB 2007, 210; Hanau, Die Rechtsprechung des BAG zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge, NZA 2005, 489; Hromadka, Schriftformklauseln in Arbeitsverträgen, DB 2004, 1261; Hromadka/Schmitt-Rolfes, Die AGB-Rechtsprechung zu Tätigkeit, Entgelt und Arbeitszeit, NJW 2007, 1777; Hümmerich/Mäßen, TVöD – ohne Tarifwechselklausel ade!, NZA 2005, 961; Hümmerich, Anwendbarkeit des § 308 Nr. 4 BGB auch bei freiwilligen Leistungen?, BB 2005, 1498; Hunold, Kontrolle arbeitsrechtlicher
156 Grimm
I. Gesetzliche und normative Vorgaben
Rz. 2 Teil 3 B
Absprachen nach der Schuldrechtsreform, NZA-RR 2007, 113; Leder, Aktuelles zur Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen, RdA 2010, 93; Lembke, Die Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen, NJW 2010, 257, 321; Möller/Welkoborsky, Bezugnahmeklausel bei Wechsel vom BAT zum TVöD, NZA 2006, 2382; Mues, Die Betriebsvereinbarung als flexibles Gestaltungsmittel materieller Arbeitsbedingungen, ArbRB 2003, 57; Nicolai, Zulässigkeit von tarifvertraglichen „Zwangspensionierungsklauseln“ nach der Gleichbehandlungsrichtlinie, BB 2007, 2634; Olbertz, Gleichstellungsabrede – Gestaltungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten für die betriebliche Praxis, BB 2007, 2737; Preis/Greiner, Vertragsgestaltung bei Bezugnahmeklauseln nach der Rechtsprechungsänderung, NZA 2007, 1073; Preis/Roloff, Die neueste Entwicklung der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht – Zwischenbilanz und Ausblick, ZfA 2007, 44; Richardi, Formzwang im Arbeitsverhältnis, NZA 2001, 57; Rieble/Schul, Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen, RdA 2006, 339; Roloff, Vertragsänderungen und Schriftformklauseln, NZA 2004, 1191; Schlegel, Versicherungs- und Beitragspflicht bei Freistellung von der Arbeit, NZA 2005, 972; Schmidt, Die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Kosten der beruflichen Bildung, NZA 2004, 1002; Schramm, Die Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, NZA 2007, 1325; Stoffels, Grundfragen der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, ZfA 2009, 861; Temming, Der Fall Palacios: Kehrtwende im Recht der Altersdiskriminierung?, NZA 2007, 1193; Thüsing, AGBKontrolle im Arbeitsrecht, 2007; Werthebach, Tarifreform im öffentlichen Dienst – Zur Erheblichkeit einer Tarifwechselklausel, NZA 2005, 1224; v. Steinau-Steinrück, Wann liegt eine ausreichende Bezugnahme auf den TVöD vor?, NJW-Spezial 2005, Heft 12, 561; Ulrici, Betriebliche Übung und AGB-Kontrolle, BB 2005, 1902; Wedde, Internet und E-Mail am Arbeitsplatz, PersR 2007, 107; Worzalla, Die Wirksamkeit einzelner Arbeitsvertragsklauseln nach der Schuldrechtsreform, NZA Beilage 3/2006, 122; Wulfers/Hecht, Altersdiskriminierung durch Tarifbestimmungen – Eine Analyse des TVöD und TV-L, ZTR 2007, 475.
I. Gesetzliche und normative Vorgaben 1. Form Die Schriftformerfordernisse des § 4 BAT sind nun in § 2 TVöD/TV-L geregelt. Gemäß § 2 Abs. 1 TVöD/TV-L wird der Arbeitsvertrag schriftlich geschlossen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 TVöD/TV-L sind Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.
1
a) Arbeitsvertrag, § 2 Abs. 1 TVöD § 2 Abs. 1 TVöD wirft die Frage auf, ob nach dem Willen der Tarifvertragsparteien das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses von der schriftlichen Fixierung des Arbeitsvertrags abhängig sein soll. Tarifvertragliche Formvorschriften können sowohl konstitutive oder aber lediglich beweissichernde, also deklaratorische Bedeutung haben1. Vergleicht man die Formulierung in § 2 Abs. 1 TVöD mit der des § 2 Abs. 3 TVöD, der die Wirksamkeit von Nebenabreden ausdrücklich von der Einhaltung der Schriftform abhängig macht, wird die lediglich deklaratorische Natur des 1 BAG v. 7.7.1955 – 2 AZR 27/53, BAGE 2, 58; BAG v. 24.6.1981 – 7 AZR 197/79, DB 1982, 1576; ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rz. 32; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 40; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 35 Rz. 57. Grimm
157
2
Teil 3 B
Rz. 3
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
Schriftformerfordernisses in Absatz 1 deutlich1. Der Arbeitsvertrag kann also auch im öffentlichen Dienst wirksam mündlich abgeschlossen und später formlos ergänzt oder geändert werden, da auch spätere Änderungen des Arbeitsvertrages unter § 2 Abs. 1 TVöD fallen, sofern es sich nicht um Nebenabreden iSd. § 2 Abs. 3 TVöD handelt (zur Abgrenzung siehe unten Rz. 6). 3
Kommunale Arbeitgeber haben daneben kommunalrechtliche Vorschriften zu beachten, die wie zB § 64 Abs. 1 GO NRW für Erklärungen, welche die Gemeinde verpflichten, die Schriftform voraussetzen. Vorschriften dieser Art werden jedoch wegen Art. 55 EGBGB nicht als Formvorschriften mit der Nichtigkeitsfolge des § 125 Satz 1 BGB, sondern als Zuständigkeitsund Vertretungsregeln ausgelegt, so dass die Wirksamkeit nicht formentsprechender Arbeitsverträge dann gemäß § 177 BGB von einer Genehmigung abhängig ist2. b) Nebenabreden, § 2 Abs. 3 TVöD
4
Dagegen ist für Nebenabreden nach der eindeutigen Formulierung des § 2 Abs. 3 Satz 1 TVöD/TV-L die Einhaltung der Schriftform konstitutiv, so dass mündliche Nebenabreden gemäß § 125 BGB nichtig sind3. Die Nichtigkeitsfolge ergibt sich bei beiderseitiger Tarifgebundenheit wegen der normativen Wirkung des Tarifvertrags aus § 125 Satz 1 BGB und bei einzelvertraglicher Bezugnahme auf den TVöD aus § 125 Satz 2 BGB4. Die Formnichtigkeit kann nur in Ausnahmefällen durch den Einwand unzulässiger Rechtsausübung iSd. § 242 BGB durchbrochen werden, wenn das Ergebnis der Formnichtigkeit für die Parteien schlechthin untragbar ist5.
5
In beiden Konstellationen stellt sich die Frage, ob der Formzwang durch einzelvertragliche Abreden, uU auch stillschweigend durch betriebliche Übung, aufgehoben werden kann. Soweit § 2 Abs. 3 TVöD im tarifgebundenen Arbeitsverhältnis als gesetzliche Formvorschrift iSd. § 125 Satz 1 BGB gilt6, ist eine einzelvertragliche Aufhebung des Formzwangs auch unter 1 BAG v. 9.2.1972 – 4 AZR 149/71, AP Nr. 1 zu § 4 BAT; BAG v. 6.9.1972 – 4 AZR 422/71, AP Nr. 2 zu § 4 BAT; BAG v. 26.8.1997 – 9 AZR 761/95, NZA 1998, 548; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40 (noch zu § 4 BAT); Bredemeier/ Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 2 Rz. 10; Breier/Dassau/Kiefer/ Lang/Langenbrinck, TVöD, § 2 Rz. 113; KomTVöD/Bettenhausen, § 2 TVöD Rz. 9; Müller/Preis, Rz. 313. 2 BAG v. 15.7.1992 – 7 AZR 337/91, juris; ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rz. 4. 3 BAG v. 9.2.1972 – 4 AZR 149/71, AP Nr. 1 zu § 4 BAT, Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 2 Rz. 127; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 2 Rz. 20; Müller/Preis, Rz. 314; KomTVöD/Bettenhaisen, § 2 TVöD Rz. 40. 4 Vgl. ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rz. 6, 11. 5 BAG v. 15.11.1957 – 1 AZR 189/57, AP Nr. 2 zu § 125 BGB; BAG v. 27.3.1987 – 7 AZR 527/85, DB 1987, 1996; zu einzelnen Fallgruppen s. ErfK/Preis, §§ 125–127 Rz. 53 ff. 6 BAG v. 9.12.1981 – 4 AZR 312/79, DB 1982, 112; BAG v. 28.10.1987 – 5 AZR 518/85, NZA 1988, 425.
158 Grimm
I. Gesetzliche und normative Vorgaben
Rz. 7 Teil 3 B
Heranziehung des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) nicht möglich, da das Günstigkeitsprinzip der Natur der Sache nach nicht auf tarifvertragliche Formvorschriften anwendbar ist1. Aber auch bei nur einzelvertraglicher Bezugnahme auf den TVöD kann dieser rechtsgeschäftlich begründete Formzwang iSd. § 125 Satz 2 BGB im öffentlichen Dienst nicht durch formlose betriebliche Übung aufgehoben werden, da es gerade der Sinn des Schriftformerfordernisses ist, abweichende betriebliche Übungen zu verhindern2 (ausführlicher Rz. 72; Teil 3 E zur betrieblichen Übung als solcher). Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen von Formverstößen ist die Ab- 6 grenzung der Anwendungsbereiche von § 2 Abs. 1 und Abs. 3 TVöD besonders relevant. Nach der Rechtsprechung des BAG zur Vorgängervorschrift in § 4 BAT sind Nebenabreden nur solche Vereinbarungen, die sich nicht auf die gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag, dh. auf die Erbringung der Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt, beziehen3. Dieser Kern des Arbeitsverhältnisses wird vielmehr von § 2 Abs. 1 TVöD erfasst, so dass zB die Zusage einer übertarifvertraglichen Vergütung auch mündlich wirksam vereinbart werden kann4. Auch die Vereinbarung einer Schicht- und Wechselschichtzulage5 oder einer übertariflichen Ballungsraumzulage6 ist als Hauptabrede formfrei wirksam. Formbedürftige Nebenabreden sind zB die Vereinbarung eines Fahrtkostenersatzes7, eines Essenszuschusses8 oder einer Trennungsentschädigung9. 2. Notwendiger Inhalt (NachwG) Neben der tarifvertraglichen Vorschrift ist der Arbeitgeber auch nach dem Nachweisgesetz zur schriftlichen Fixierung der Arbeitsbedingungen verpflichtet. Die vom Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 1 NachwG anzufertigende und auszuhändigende Niederschrift hat zwar keine konstitutive Bedeutung10. Bei Verletzung der Nachweispflicht drohen jedoch Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 286 BGB. Hinsichtlich nicht nachgewiesener Arbeitsbedingungen greift zwar nach hM keine Beweislastumkehr, aber eine
1 BAG v. 28.1.1981 – 4 AZR 869/78, AP TV Arb Bundespost § 19 Nr. 3; ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rz. 36. 2 BAG v. 27.3.1987 – 7 AZR 527/85, DB 1987, 1996. 3 BAG v. 9.2.1972 – 4 AZR 149/71, AP Nr. 1 zu § 4 BAT; BAG v. 18.5.1977 – 4 AZR 47/76, AP Nr. 4 zu § 4 BAT; BAG v. 7.5.1986 – 4 AZR 556/83, AP Nr. 12 zu § 4 BAT; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; Breier/Dassau/Kiefer/ Lang/Langenbrinck, § 2 TVöD Rz. 134; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/ Neffke, TVöD/TV-L, § 2 Rz. 20; Preis, Arbeitsvertrag, II S 30 Rz. 5, Müller/Preis, Rz. 314. 4 BAG v. 9.9.1981 – 4 AZN 213/81, AP Nr. 7 zu § 4 BAT. 5 BAG v. 3.8.1982 – 3 AZR 503/79; BAGE 39, 271. 6 BAG v. 25.7.1996 – 6 AZR 179/95, NZA 1997, 620. 7 BAG v. 9.2.1972 – 4 AZR 149/71, AP Nr. 1 zu § 4 BAT. 8 BAG v. 7.12.1977 – 4 AZR 383/76, AP Nr. 5 zu § 4 BAT. 9 BAG v. 7.9.1982 – 3 AZR 5/80, BB 1983, 1032. 10 Erfk/Preis, Einführung NachweisG Rz. 7; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 34 Rz. 45. Grimm
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7
Teil 3 B
Rz. 8
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
Beweiserleichterung für den Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung1. 8
Den Nachweispflichten kann gemäß § 2 Abs. 4 NachwG bereits im schriftlichen Arbeitsvertrag nachgekommen werden, wenn dieser die nach § 2 Abs. 1–3 NachwG notwendigen Angaben enthält. Der Mindestinhalt des Arbeitsvertrages ergibt sich somit aus dem Katalog des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–10 NachwG. Der Pflicht zur Aufnahme einer kurzen Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG) kann der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst regelmäßig durch eine Arbeitsplatz- oder Stellenbeschreibung nachkommen, wobei nach der Rechtsprechung des BAG hierfür die Stellenausschreibung genügen kann und die Angabe des Eingruppierungsmerkmals nicht erforderlich ist. Ungeachtet der komplexen Tarifstruktur bedarf es keiner präzisen Eingruppierung nach Vergütungs- und Tätigkeitsmerkmalen2. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG muss der Arbeitsvertrag einen in allgemeiner Form gehaltenen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen enthalten. Hierfür reicht die Formel „Im Übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge sowie Betriebsvereinbarungen Anwendung.“3 Nach der Rechtsprechung des BAG4 und der herrschenden Literaturmeinung5 wird durch diesen Hinweis der Inhalt dieser Kollektivvereinbarungen auch dann hinreichend nachgewiesen, wenn diese selbst „wesentliche Vertragsbedingungen“ iSd. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG enthalten. Da diese Auffassung nicht unumstritten ist6, empfiehlt es sich aus Gründen des sichersten Weges und zur Klarstellung für die Arbeitsvertragsparteien, über den Mindestkatalog des § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG hinaus auch die für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses relevantesten Regelungen des TVöD/TV-L bzw. einschlägiger Betriebsvereinbarungen in den Arbeitsvertrag ausdrücklich aufzunehmen. Dies gilt jedenfalls für solche Bestimmungen in Tarifverträgen, bei denen eine Verletzung des Nachweisgesetzes zu Schadensersatzpflichten führen könnte, namentlich für die Ausschlussfrist aus § 37 TVöD/TV-L.
1 Zuletzt LAG Köln v. 18.1.2010 – 5 SaGa 23/09 – juris im einstweiligen Verfügungsverfahren; HWK/Kliemt, Vorbemerkung NachwG Rz. 44; ErfK/Preis, Einführung NachwG Rz. 23. 2 BAG v. 8.6.2005 – 4 AZR 406/04, NZA 2006, 53, Müller/Preis, Rz. 304; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 2 Rz. 115; aA aber für den öffentlichen Dienst ErfK/Preis, § 2 NachwG Rz. 16. 3 ErfK/Preis, § 2 NachwG Rz. 23. 4 BAG v. 23.1.2002 – 4 AZR 56/01, NZA 2002, 800; BAG v. 17.4.2002 – 5 AZR 89/01, NZA 2002, 1096; BAG v. 29.5.2002 – 5 AZR 105/01, NZA 2002, 1360. 5 HWK/Kliemt, § 2 NachwG Rz. 41 f. mwN. 6 ErfK/Preis, § 2 NachwG Rz. 25 ff. mwN; kritisch auch Bepler, ZTR 2001, 241 (243 ff.).
160 Grimm
I. Gesetzliche und normative Vorgaben
Rz. 12 Teil 3 B
3. Grenzen der Gestaltungsmacht Die Möglichkeiten zur Vertragsgestaltung finden ihre Grenze, soweit höherrangige Rechtsquellen eine abweichende Gestaltung ausschließen (vgl. § 105 GewO). Die dem Arbeitsvertrag vorgehenden höherrangigen Rechtsquellen sind in absteigender Reihenfolge das Recht der Europäischen Union, das Grundgesetz, das nationale Gesetzesrecht, untergesetzliche Normen, Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen (siehe Teil 1).
9
Als Besonderheit des öffentlichen Dienstes ist der vertragsgestalterische 10 Handlungsspielraum öffentlicher Arbeitgeber insbesondere im Vergütungsbereich zusätzlich durch deren Bindung an das Haushaltsrecht eingeschränkt (vgl. auch Teil 1 Rz. 231 ff.). Die haushaltsrechtlichen Vorgaben treten im öffentlichen Dienst an die Stelle der in der Privatwirtschaft maßgeblichen unternehmerischen Entscheidung, welche Aufgaben in welchen Zeitraum und in welchem Umfang durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern erfüllt werden sollen1. Der öffentliche Arbeitgeber hat insbesondere die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (zB § 7 BHO) zu beachten. Die vom Arbeitgeber zu wahrenden haushaltsrechtlichen Vorgaben greifen jedoch nicht unmittelbar in den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein, sondern wirken grundsätzlich nur verwaltungsintern2. Dass im Bereich des öffentlichen Dienstes in vielen Fällen das Haushaltsrecht günstigeren einzelarbeitsvertraglichen Vereinbarungen entgegensteht, ändert an deren arbeitsrechtlichen Zulässigkeit also unmittelbar nichts3. Mittelbar hat das Haushaltsrecht dennoch Einfluss auf den Inhalt der Ar- 11 beitsverhältnisse, u.a. indem die Bindung an das Haushaltsrecht als ausreichender sachlicher Grund für eine Befristung angesehen wird4 oder die Grundsätze der betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst nur eingeschränkt wirken, da Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes aufgrund des Haushaltsrechts erkennbar grundsätzlich nur Leistungen gewähren wollen, die sie nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen auch gewähren dürfen5. Ebenfalls nur verwaltungsintern wirken die im öffentlichen Dienst anzu- 12 treffenden Verwaltungsvorschriften, wie zB Eingruppierungsrichtlinien und Vergütungserlasse. Sie gestalten weder unmittelbar den Inhalt des Arbeitsverhältnisses, noch können sie Rechte oder Pflichten für die Beschäftigten begründen, außer die Geltung des Erlasses ist zwischen den Parteien
1 BAG v. 27.1.1988 – 7 AZR 292/87, AP Nr. 116 zu § 620 BGB; BAG v. 7.7.1999 – 7 AZR 609/97, NZA 2000, 591. 2 BAG v. 5.2.1986 – 5 AZR 632/84, NZA 1986, 605; BAG v. 27.1.1988 – 7 AZR 292/87, AP Nr. 116 zu § 620 BGB; BAG v. 7.7.1999 – 7 AZR 609/97, NZA 2000, 591. 3 Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 2 Rz. 2. 4 BAG v. 7.7.1999 – 7 AZR 609/97, NZA 2000, 591. 5 BAG v. 5.2.1986 – 5 AZR 632/84, NZA 1986, 605; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, NZA 2003, 337. Grimm
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Teil 3 B
Rz. 13
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
arbeitsvertraglich vereinbart1. Arbeitsvertraglich in Bezug genommene Erlasse unterliegen nach früherer Rechtsprechung des BAG einer Billigkeitskontrolle2 und einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB3.
II. Rechts- und Inhaltskontrolle 13 Die in der Praxis wichtigsten Schranken für die Vertragsgestaltung ergeben sich aus dem zwingenden Gesetzesrecht und der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. 1. Zwingendes Gesetzesrecht 14 Eine Vertragsinhaltskontrolle erfolgte vor Einbeziehung des Arbeitsrechts in den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB über die Generalklauseln des BGB. Auch jetzt ergeben sich zwingende Grenzen für die Vertragsgestaltung u.a. aus dem Verbot der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB), dem Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) und insbesondere aus § 134 BGB iVm. den zahlreichen arbeitsrechtlichen Verbotsgesetzen (zB im JArbSchG, MuSchG, BUrlG, ArbZG). 2. Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB 15 Seit der Schuldrechtsreform sind die §§ 305 ff. BGB in den Mittelpunkt der Vertragskontrolle gerückt. a) Anwendungsbereich 16 Gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB sind die §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge anwendbar, wobei die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen unterliegen dagegen nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keiner Inhaltskontrolle. Inwieweit dass auch für einzelvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gilt, wird unter Rz. 35 erörtert. b) Allgemeine Geschäftsbedingungen 17 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Von einer „Vielzahl“ kann
1 BAG v. 25.11.1970 – 4 AZR 69/69, BAGE 23, 83; BAG v. 29.1.1975 – 4 AZR 196/74, AP Nr. 3 zu § 18 MTB II; BAG v. 21.7.1993 – 4 AZR 489/92, ZTR 1994, 204; BAG v. 12.12.2002 – 8 AZR 37/02, ZTR 2003, 403; Sponer/Steinherr, § 2 TVöD Rz. 651. 2 BAG v. 11.2.1987 – 4 AZR 145/86, ZTR 1987, 144. 3 Sponer/Steinherr, § 2 TVöD Rz. 665; noch offen gelassen von BAG v. 5.7.2006 – 4 AZR 555/05, ZTR 2007, 192.
162 Grimm
II. Rechts- und Inhaltskontrolle
Rz. 21 Teil 3 B
erst ab mindestens drei beabsichtigten Verwendungen gesprochen werden1. Laut BAG kann sich aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen aber ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass diese zur Mehrfachverwendung vorformuliert sind2. Im Arbeitsrecht wird der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle zusätz- 18 lich durch § 310 Abs. 3 erweitert, da auch der Arbeitnehmer Verbraucher iSd. § 13 BGB ist3. Dies hat zum einen die Vermutung des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB zur Folge, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Arbeitgeber als Verwender gestellt wurden, wenn sie nicht vom Arbeitnehmer in den Vertrag eingeführt wurden. Außerdem finden gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB die wichtigsten Vorschriften der Inhaltskontrolle auch schon dann Anwendung, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen gemäß § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt sind, § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB. Vom „Aushandeln“ einer Klausel kann erst die Rede sein, wenn der Arbeitgeber den gesetzesfremden Kern der Klausel deutlich und ernsthaft zur Disposition des Arbeitnehmers gestellt und diesem die Möglichkeit eingeräumt hat, den Inhalt der fraglichen Klausel zu beeinflussen4.
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c) Allgemeine Grundsätze Da die speziellen Einbeziehungsvorschriften des § 305 Abs. 2 und 3 BGB 20 im Arbeitsrecht wegen § 310 Abs. 4 Satz 2 aE BGB nicht anwendbar sind, werden die vorformulierten Klauseln nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 145 ff. BGB durch übereinstimmende Willenserklärungen Vertragsbestandteil. Bei der Gestaltung von Formulararbeitsverträgen ist auf das Verbot überraschender Klauseln gemäß § 305c BGB zu achten. Überraschenden Charakter haben solche Vertragsklauseln, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweichen und mit denen dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht5. Die Erwartungen wer1 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 1111; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NJW 2006, 746. 2 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NJW 2006, 746; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 937/07, DB 2008, 66. 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 1111; HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 2; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 182; Palandt/Grüneberg, BGB, § 13 Rz. 3; aA MünchKommBGB/Basedow, § 310 Rz. 26 mwN. 4 BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NJW 2006, 746; ErfK/ Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 24. 5 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06, DB 2008, 133; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 29. Grimm
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Teil 3 B
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Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
den dabei von den Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Hierzu zählen u.a. der Gang und der Inhalt der Vertragsverhandlungen einerseits sowie der äußere Zuschnitt des Vertrags andererseits1. So sind zB Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen üblich und damit generell nicht überraschend2, können aber im Einzelfall als Überraschungsklausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB zu werten sein, wenn sie im Formulararbeitsvertrag an unerwarteter Stelle (ggf. unter irreführenden Überschriften) versteckt werden3. 22 Ferner gilt auch für Formulararbeitsverträge der Vorrang der Individualabrede gemäß § 305b BGB. d) Klauselkontrolle nach §§ 307 ff. BGB 23 Der Prüfungsumfang der Inhaltskontrolle wird durch § 307 Abs. 3 BGB begrenzt. Eine Inhaltskontrolle nach §§ 307, 308, 309 BGB findet demnach nur bei Klauseln statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden. Also nicht bei nur den Gesetzeswortlaut wiederholenden, sog. deklaratorischen Klauseln, und insbesondere nicht bei Leistungsbeschreibungen und Entgeltregelungen. In Arbeitsverträgen unterliegen insbesondere die Tätigkeitsbeschreibung und die Entgelthöhe keiner Angemessenheitskontrolle, sondern gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB lediglich der Transparenzkontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB4. Voll kontrollfähig sind dagegen sog. Preisnebenabreden, die sich zwar mittelbar auf den Preis auswirken, an deren Stelle aber bei Unwirksamkeit der Klausel eine dispositive gesetzliche Regelung treten kann5. Kontrollfähig sind so u.a. Klauseln zu Verzugszinsen6, die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen7 und einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Bereich der Hauptleistungspflichten8. 24 Die Inhaltskontrolle beginnt mit einer objektiven Auslegung der vorformulierten Vertragsbedingungen. Objektive Auslegung bedeutet, dass eine AGB-Klausel nach objektiven Maßstäben, losgelöst von der zufälligen Gestaltung des Einzelfalls und den individuellen Vorstellungen der Vertrags1 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06, DB 2008, 133. 2 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149. Zu Einzelfällen HWK/Gotthardt, § 305c, Rz. 5 mwN. 3 BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 4 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45. 5 BGH v. 7.5.1991 – XI ZR 244/90, BGHZ 114, 330 (333); BGH v. 30.11.1995 – XI ZR 80/93, BGHZ 124, 254 (256); BGH v. 12.5.2004 – VIII ZR 159/03, NJW-RR 2004, 1206; MünchKommBGB/Kieninger, § 307 Rz. 16; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 40. 6 BGH v. 31.1.1985 – III ZR 105/83, NJW 1985, 376. 7 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40. 8 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 40.
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II. Rechts- und Inhaltskontrolle
Rz. 28 Teil 3 B
parteien unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise zu ermitteln ist1. Wegen der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, nach der Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen, müssen mehrdeutig vorformulierte Arbeitsbedingungen in ihrer arbeitnehmerfeindlichsten Auslegung der Inhaltskontrolle unterworfen werden2. Die Inhaltskontrolle erfolgt dann zunächst anhand der Klauselverbote oh- 25 ne Wertungsmöglichkeit in § 309 BGB und den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit in § 308 BGB. Hierbei sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigen, so dass zB das Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB auf Arbeitsverträge keine Anwendung findet3. Hält die vorformulierte Vertragsbedingung den besonderen Klauselver- 26 boten stand, ist sie der Angemessenheitsprüfung des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zu unterziehen. Maßstab ist zunächst eine typisierende und generalisierende Wertung. Wegen der Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers kann sich die Unangemessenheit einer Klausel aber gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch aus den konkret individuellen Umständen des Vertragsschlusses ergeben4. Hierzu zählen u.a. persönliche Eigenschaften des Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, Besonderheiten der konkreten Abschlusssituationen, wie zB Überrumpelung oder Belehrung, und untypische Sonderinteressen eines Vertragspartners5. Nach § 307 Abs. 2 BGB liegt bei einer Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und bei der vertragsgefährdenden Einschränkung von wesentlichen Rechten oder Pflichten (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung vor.
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Greifen diese Regelbeispiele nicht ein, ist eine Klausel entgegen den Gebo- 28 ten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligend iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Arbeitnehmer durch die Klausel in seinen rechtlich anerkannten Interessen beeinträchtigt wird, ohne dass dies durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird6. So hängt zB die Wirksamkeit der im öffentlichen Dienst üblichen Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten vom Ergebnis einer Abwägung der widerstreitenden Inte1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 31; MünchKommBGB/Basedow, § 305c Rz. 22; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer, § 305c BGB Rz. 73. 2 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 31; MünchKommBGB/Basedow, § 305c Rz. 35; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer, § 305c BGB Rz. 91. 3 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 728. 4 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 42. 5 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; Ulmer/Brandner/Hensen/ Fuchs, § 307 BGB Rz. 407 ff. 6 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229. Grimm
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Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
ressen ab: Der Arbeitgeber verfolgt mit solchen Klauseln das Ziel, die vom Beschäftigten erworbene Qualifikation möglichst langfristig nutzen zu können, damit sich seine Investition amortisiert. Dieses grundsätzlich berechtigte Interesse ist abzuwägen mit dem durch Art. 12 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit einer Erstattungspflicht frei wählen zu können1. Zu den hieraus folgenden Wirksamkeitsvoraussetzungen für Rückzahlungsklauseln siehe Rz. 83 ff. 29 Die Unangemessenheit einer Klausel kann sich gemäß § 307 Abs. 1 Satz BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, sog. Transparenzgebot. So muss zB eine Rückzahlungsklausel Angaben zur Größenordnung der Rückzahlungsverpflichtung enthalten, damit der Beschäftigte das mit ihr verbundene Kostenrisiko erkennen kann2. e) Folgen der Unwirksamkeit 30 Die Unwirksamkeit einzelner Klauseln berührt nicht die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags im Übrigen, § 306 Abs. 1 BGB. An die Stelle unwirksamer Klauseln tritt das dispositive Gesetzesrecht, § 306 Abs. 2 BGB. Hieraus folgt auch für das Arbeitsrecht ein grundsätzliches Verbot geltungserhaltender Reduktion, so dass die durch eine unwirksame Klausel entstandene Lücke nur ausnahmsweise über den Weg ergänzender Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB gefüllt werden kann3. Von der verbotenen geltungserhaltenden Reduktion zu unterscheiden ist die Möglichkeit, Teile einer Klausel im Wege der sprachlichen und inhaltlichen Trennung aufrechtzuerhalten, wenn nach Streichung der unwirksamen Passagen eine Regelung verbleibt, die aus sich heraus weiterhin verständlich und sinnhaft ist, sog. „blue pencil“-Test4.
3. Checkliste zur Inhaltskontrolle 31 1. Anwendung der §§ 305 ff. im Arbeitsrecht: § 310 IV fi Anwendung auf Arbeitsverträge unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten fi keine Anwendung auf normativ wirkende Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, aber ggf. Anwendung bei einzelvertraglicher Bezugnahme!
1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, ArbRB 2007, 347; LAG Schl.-Holst. v. 23.5.2007 – 3 Sa 28/07, NZA-RR 2007, 514; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 333 f. 2 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004. 3 BAG v. 5.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2006, 1111; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; ErfK/ Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 104. 4 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 103.
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III. Gestaltung von Standardklauseln
Rz. 32 Teil 3 B
2. Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen: §§ 305 I, 310 III Nr. 1, 2 fi vorformulierte Vertragsbedingungen, § 305 I fi vom Unternehmer „gestellt“ fi wird vermutet gemäß § 310 III Nr. 1 fi auch wenn nur zur einmaligen Verwendung bestimmt, § 310 III Nr. 2 fi kein Aushandeln im Einzelnen, § 305 I Satz 3 3. Wirksame Einbeziehung in den Vertrag? fi § 305 II nicht anwendbar wegen § 310 IV 2 fi allgemeine Regeln 4. Keine Überraschungsklausel? (§ 305c) 5. Keine Verdrängung durch Individualabrede? (§ 305b) 6. Inhaltskontrolle, §§ 307 ff. a) Prüfungsumfang? fi § 307 III – nur Transparenzgebot bei gesetzeswiederholenden Klauseln und Preisabreden b) Prüfungsgegenstand: Objektive und kundenfeindlichste Auslegung der Klausel, § 305c II c) Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 d) Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 e) Unangemessene Benachteiligung gem. § 307 I? – hierbei Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände, § 310 III Nr. 3 – Verstoß gegen Transparenzgebot, § 307 I 2? – im Zweifel unangemessene Benachteiligung, wenn fi Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, § 307 II Nr. 1 fi Gefährdung des Vertragszwecks durch Einschränkung von Rechten und Pflichten, § 307 II Nr. 2 – Interessenabwägung, § 307 I 1 7. Rechtsfolgen: § 306 BGB fi Unwirksamkeit der Klausel ohne geltungserhaltende Reduktion fi aber Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen
III. Gestaltung von Standardklauseln 1. Bezugnahmeklausel Die einzelvertragliche Verweisung auf einen Tarifvertrag hat in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen während der ohnehin unmittelbaren und zwingenden Geltung des Tarifvertrags gemäß § 4 Abs. 1 TVG lediglich deklaraGrimm
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Rz. 33
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
torische Bedeutung und erfüllt die Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG. Relevanter ist die Möglichkeit durch Verweisungsklauseln die Anwendung tarifvertraglicher Normen auch gegenüber nicht gewerkschaftsangehörigen Beschäftigten auf schuldrechtlicher Ebene zu ermöglichen, um gerade im öffentlichen Dienst einheitliche Arbeitsbedingungen herbeizuführen. Hierbei werden verschiedene Arten von Verweisungsklauseln unterschieden: 33 Mit einer im öffentlichen Dienst unüblichen rein statischen Verweisungsklausel wird die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrages in der zurzeit der Bezugnahme geltenden Fassung vereinbart. Unter den sog. dynamischen Verweisungsklauseln werden die sog. kleine dynamische Verweisung als Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung und die große dynamische Verweisung als Bezugnahme auf die jeweilige Fassung des jeweils einschlägigen Tarifvertrags unterschieden1. Letztere wird auch als Tarifwechselklausel bezeichnet, da durch die große dynamische Verweisung erreicht werden soll, dass ein etwaiger Tarifwechsel des Arbeitgebers auch gegenüber den Nichtgewerkschaftsmitgliedern schuldrechtliche Wirkung entfaltet2. 34 Erfolgt in einem vorformulierten Arbeitsvertrag eine Bezugnahme auf Tarifverträge, unterliegt die Bezugnahmeklausel selbst der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Bezugnahmeklauseln auf die Tarifwerke des öffentlichen Dienstes sind nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB, sondern entsprechen geradezu der Erwartung der im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer3. Dagegen wäre eine Verweisung auf einen branchenfremden- oder ortsfremden Tarifvertrag wohl nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam4. Von besonderer Bedeutung ist auch die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB, die dazu führt, dass eine zweifelhafte Tragweite der Verweisung zu Lasten des Arbeitgebers geht5. 35 Der in Bezug genommene Tarifvertrag unterliegt dagegen wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB grundsätzlich keiner Inhaltskontrolle. Dies gilt dann, wenn der Arbeitsvertrag eine Globalverweisung auf den einschlägigen Tarifvertrag enthält, da in diesem Fall für den einbezogenen Tarifvertrag die gleiche Richtigkeitsvermutung greift wie für den normativ geltenden Tarifvertrag selbst6. In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass auch ein per Globalverweisung einbezogener Tarifvertrag wegen des Verweises in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB auf § 307 Abs. 3 BGB einer Transparenzkontrolle 1 ErfK/Franzen, § 3 TVG Rz. 36; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 178 ff.; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 D Rz. 132. 2 BAG 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390; Hanau, NZA 2005, 489 (492); Olbertz, BB 2007, 2737. 3 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049. 4 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 30. 5 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202; BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607; BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965. 6 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14; Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, § 310 BGB Rz. 44.
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Rz. 37 Teil 3 B
nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu unterziehen ist1. Das BAG hat dagegen zutreffend entschieden, dass wegen der Gefahr einer mittelbaren Tarifzensur jedenfalls dann keine Transparenzkontrolle des einbezogenen Tarifvertrages stattfinde, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist2. Die Richtigkeitsgewähr greift nicht mehr, wenn branchenfremde Tarifverträge oder nur einzelne Regelungen oder Regelungskomplexe eines Tarifvertrags in Bezug genommen werden. Die derart in Bezug genommenen Tarifvorschriften unterliegen einer unbegrenzten Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB3. Nimmt der Arbeitsvertrag auf ein einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenes Regelungswerk (zB auf eine „Arbeits- und Sozialordnung“) Bezug und erklärt gleichzeitig deren „jeweils gültige Fassung“ (auch nur bis „zur Vereinbarung einer jeweils neuen Fassung“) zum Bestandteil des Arbeitsvertrags, liegt hierin ein einseitiges Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers gem. § 308 Nr. 4 BGB. Dieses ist unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Änderung ein triftiger und in der Änderungsklausel detailliert beschriebener Grund vorliegt4. Ein einseitig vorbehaltener Abänderungsvorbehalt, der nahezu alle Bedingungen des Arbeitsverhältnisses bis auf Arbeitszeit und Arbeitsgrundvergütung einer möglichen Änderung unterstellt, benachteiligt unangemessen5. Die BAT-Musterverträge enthielten folgende dynamische Verweisungsklausel:
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„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes/TdL/ VKA jeweils geltenden Fassung“6
Die Verwendung einer solch weiten Verweisungsklausel kann für den Arbeitgeber zu nicht beabsichtigten Wirkungen führen, wie ein Urteil des BAG v. 12.12.20067 zeigt. Wegen der Bezugnahme auf „ergänzende Tarifverträge“ wurden der Klägerin im entschiedenen Fall Ansprüche aus dem den BAT ergänzenden Versorgungstarifvertrag zugesprochen, obwohl beim Vertragsschluss über eine Zusatzversorgung nicht gesprochen worden war. Die Verweisung auf die den BAT „ersetzenden Tarifverträge“ führt für Altverträge, die unter Geltung des BAT mit oben genannter Bezugnahmeklausel geschlossen wurden, zur unproblematischen Ablösung des BAT durch 1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 15. 2 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049; zustimmend Ernst, NZA 2007, 1405 ff.; Stoffels, ZfA 2009, 861 (886). 3 BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 16 ff.; HWK/Gotthardt, § 307 BGB Rz. 14. 4 Zum Widerrufsvorbehalt: BAG v. 12.1.2005 - 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 5 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428, dazu Lembke, NJW 2010, 321 (322). 6 Musterarbeitsvertrag basierend auf dem Beschluss des Arbeitgeberkreises der BATKommission aus dem Jahr 1981, abgedruckt in Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/ Dassau, BAT, Stand Juni 2007, § 4 Anh. 1.1. 7 BAG v. 12.12.2006 – 3 AZR 388/05, ZTR 2007, 537. Grimm
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Rz. 37
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
den TVöD1. Umstritten sind jedoch die Fälle, in denen eine Bezugnahme auf die „den BAT ersetzenden Tarifverträge“ fehlt. Von einer eindeutig statischen Verweisung auf den BAT ist der TVöD jedenfalls nicht erfasst2. Ob auch eine kleine dynamische Bezugnahme der Form „Es gilt der BAT in seiner jeweiligen Fassung“ ausreicht, hängt von der Frage ab, ob es sich beim Übergang vom BAT zum TVöD um einen Tarifwechsel handelt, der lediglich von einer großen dynamischen Bezugnahmeklausel erfasst würde3, oder ob der TVöD als Fortschreibung bzw. Nachfolgewerk des BAT betrachtet werden kann4. Gegen die Notwendigkeit einer Tarifwechselklausel spricht, dass es sich bei BAT und TVöD um von denselben Tarifvertragsparteien geschlossene Tarifverträge innerhalb derselben Branche handelt5. Die Tarifreform führte lediglich zur Umstrukturierung eines in sich geschlossenen Tarifsystems unter gleichzeitiger Namensänderung6. Damit ist die vorliegende Konstellation nicht mit den von der Rechtsprechung als „Tarifwechsel“ bezeichneten Fällen vergleichbar7. Während zT die Überleitungstarifverträge als Beleg für einen Tarifwechsel gesehen werden8, können die dort enthaltenen Besitzstands- und Nachfolgeregelungen ebenso gut als Beleg dafür angeführt werden, dass es sich nicht um einen Wechsel, sondern eine Nachfolge bzw. eine „Tarifsukzession“9 handelt10. Hätte das nun als TVöD bezeichnete Werk seine Bezeichnung BAT als Überschrift behalten, hätte trotz der tiefgreifenden Änderungen keine Diskussion darüber stattgefunden, ob der so geänderte Tarifvertrag auch von einer kleinen dynamischen Bezugnahme erfasst wird. Die Namensänderung kann nicht das entscheidende Kriterium sein11. Da bei der Auslegung von Vertragsklauseln gemäß §§ 133, 157 BGB nicht starr am Wortlaut (hier „BAT“) zu haften ist, ergibt aus den oben genannten Gründen schon die Auslegung kleiner dynamischer Bezugnahmen auf den BAT, dass sie auch sein Nachfolgewerk TVöD umfassen. 1 BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286; Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB Rz. 45a; dazu auch Greiner, NZA 2009, 877. 2 Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB Rz. 45a. 3 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 210; Hümmerich/Mäßen, NZA 2005, 961 (965); v. Steinau-Steinbrück, NJW-Spezial 2005, 561 f. 4 LAG Hamm v. 3.5.2007 – 11 Sa 2041/06, juris; ArbG Bielefeld v. 9.10.2007 – 3 Ca 2008/07, juris; Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB Rz. 45a; WHSS/Hohenstatt, Kap. E Rz. 185; Fieberg, NZA 2005, 1226 ff.; Werthebach, NZA 2005, 1224 ff.; Möller/Welkoborsky, NZA 2006, 1382 (1384). 5 Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB Rz. 45a; WHSS/Hohenstatt, Kap. E Rz. 185; Möller/Welkoborsky, NZA 2006, 1382 (1384). 6 LAG Hamm v. 3.5.2007 – 11 Sa 2041/06, juris; ArbG Bielefeld v. 9.10.2007 – 3 Ca 2008/07, juris; dazu Greiner, NZA 2009, 877 (879), der auch auf ergänzende Tarifauslegung hinweist. 7 Möller/Welkoborsky, NZA 2006, 1382 (1384) mwN. 8 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 210; Hümmerich/Mäßen, NZA 2005, 961 (962). 9 Fieberg, NZA 2005, 1226 (1228). 10 ArbG Bielefeld v. 9.10.2007 – 3 Ca 2008/07, juris; Möller/Welkoborsky, NZA 2006, 1382 (1384). 11 LAG Baden-Württemberg v. 20.11.2009 – 11 Sa 88/08, NZA-RR 2010, 84 (85); LAG Hamm v. 3.5.2007 – 11 Sa 2041/06, juris; ArbG Bielefeld v. 9.10.2007 – 3 Ca 2008/07, juris; Greiner, NZA 2009, 877 (879).
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III. Gestaltung von Standardklauseln
Rz. 40 Teil 3 B
Sieht man mit der Gegenauffassung im TVöD einen im Vergleich zum 38 BAT völlig anderen Tarifvertrag, lässt sich das gleiche Ergebnis im Wege ergänzender Vertragsauslegung erzielen1. Nimmt man an, dass durch die Tarifreform der BAT als Bezugsobjekt der Verweisung ganz weggefallen ist (und nicht im TVöD fortwirkt), liegt eine Vertragslücke vor2. Eine ergänzende Vertragsauslegung zur Lückenfüllung ist auch im Bereich vorformulierter Vertragsbedingungen zulässig3. Bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens kann davon ausgegangen werden, dass die Parteien die Inbezugnahme des TVöD vereinbart hätten, wenn sie die Tarifreform vorausgesehen hätte. Denn durch die Vereinbarung einer dynamischen Bezugnahmeklausel wollen sie das Arbeitsverhältnis an der Tarifentwicklung ausrichten. Dies liegt im Interesse des Arbeitgebers, der einen Gleichstellungszweck verfolgt, und im Interesse des Arbeitnehmers, an den mit der Tarifentwicklung verbundenen Entgelterhöhungen teilzuhaben. Dagegen entspricht es nicht den Interessen der Parteien, auf einen Tarifvertrag zu verweisen, der sich nicht mehr weiterentwickelt und mit zunehmendem Zeitablauf und veränderten Verhältnissen auch seine Richtigkeitsgewähr stetig einbüßt. Dies ist auch die Auffassung des BAG4. Hält man das oben erzielte Auslegungsergebnis für mehrdeutig, bleibt 39 noch die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Auslegung mit § 305c Abs. 2 BGB. Wenn Zweifel der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen, wäre an sich ein umfassender Günstigkeitsvergleich zwischen einem Verbleiben im BAT und einem Übergang zum TVöD durchzuführen. Dies ist jedoch kaum möglich5. Auch das BAG geht davon aus, dass im Zweifel eine Teilhabe an der Tarifentwicklung für den Arbeitnehmer günstiger ist, da in der Regel die Vergütung in Entgelttarifverträgen für den Arbeitnehmer verbessert und nicht verschlechtert wird6. In der Übergangsphase zwischen dem BAT und dem TVöD/TV-L wurde außerdem die Frage aufgeworfen, ob dynamische Verweisungen auf beamtenrechtliche Regelungen in Arbeitsverträgen des öffentlichen Dienstes hinreichend transparent bzw. zulässig sind. Das BAG hat dies sowohl für Verweisungen auf die Arbeitszeitregelungen des Beamtenrechts7 als auch für Verweisungen auf das Urlaubs- und Zuwendungsrecht der Beamten bejaht8. Da Preisabreden iSd. § 307 Abs. 3 BGB betroffen waren, überprüfte das BAG die Verweisungen nur anhand von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 216 ff.; ErfK/Franzen, § 3 TVG Rz. 42. Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 216 ff. Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, § 306 BGB Rz. 31. BAG v. 16.12.2009 – 5 AZR 888/08; BAG v. 19.5.2010 – 4 AZR 796/08, mit Hinweisen dazu, welcher Tarifvertrag (Bundes-, Landes- oder Kommunaltarifvertrag) die Lücke schließt. Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB Rz. 45a. BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202. BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45. BAG v. 3.4.2007 – 9 AZR 867/06, NZA 2007, 1045; vgl. Stoffels, ZfA 2009, 861 (886 f.); Greiner, NZA 2009, 877 (881) mwN zur Unanwendbarkeit von § 305c Abs. 2 BGB bei ergänzender Vertragsauslegung. Grimm
171
40
Teil 3 B
Rz. 41
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
BAG sieht trotz der Dynamik der Verweisungen keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da dynamische Verweisungen im Arbeitsrecht üblich seien1. 41 Nach Inkrafttreten des TVöD enthält der Musterarbeitsvertrag des Bundesministeriums des Inneren2 folgende Bezugnahmeklausel:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einschließlich der besonderen Regelungen für die Verwaltung (TVöD – Besonderer Teil Verwaltung), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung.“
42 Das BAG hat in seiner früheren Rechtsprechung solche dynamischen Klauseln idR als Gleichstellungsabrede ausgelegt3. Mit einer solchen Verweisung wolle der Arbeitgeber die Arbeitnehmer ungeachtet ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit in die Tarifbindung bringen. Dies sollte zur Folge haben, dass im Falle einer Änderung oder Beendigung der tariflichen Bindung des Arbeitgebers die dynamische Entwicklung wie bei den tarifgebundenen Arbeitnehmern (vgl. § 4 Abs. 5 TVG) enden sollte und trotz dynamischer Bezugnahme auf den Tarifvertrag in der „jeweiligen Fassung“ dieser ab diesem Zeitpunkt nur noch statisch fortwirken sollte. 43 Diese Rechtsprechung hat das BAG angesichts der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB aufgegeben. Wird die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht erkennbar zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht, werden dynamische Verweisungsklauseln durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt. Enthält die Klausel keine der genannten Einschränkungen liegt eine „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ vor. Vertrauensschutz gewährt das BAG dabei nur bis zum 31.12.20014. 44 Es empfiehlt sich angesichts der Rechtsprechungsänderung auch für öffentliche Arbeitgeber, die sich einen Verbandsaustritt vorbehalten wollen, den Gleichstellungszweck nunmehr durch eine auflösende Bedingung ausdrücklich in der Verweisungsklausel zu ergänzen, um eine zeitlich unbeschränkte Bindung an die laufende Tarifentwicklung zu vermeiden. Hierzu wären die üblichen Bezugnahmeklauseln um folgenden Absatz zu ergänzen: 1 Zustimmend Behrendt/Gaumann/Liebermann, ZTR 2007, 522 ff. 2 Abrufbar im Internet unter www.bmi.bund.de. 3 BAG v. 26.9.2001 – 4 AZR 544/00, NZA 2002, 634; BAG v. 21.8.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442; ErfK/Franzen, § 3 TVG, Rz. 37. 4 BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607; BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965; BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 653/05, DB 2007, 2598.
172 Grimm
III. Gestaltung von Standardklauseln
Rz. 48 Teil 3 B
„2. Entfällt jegliche Tarifbindung des Arbeitgebers, gelten die zu diesem Zeitpunkt gemäß Absatz 1 anwendbaren Tarifverträge statisch in der zuletzt gültigen Fassung fort, soweit sie nicht durch andere Abmachungen ersetzt werden.“1 Angesichts etwaiger Privatisierungsabsichten ist es angezeigt, einen künftigen Betriebs(teil)übergang bei der Klauselgestaltung zu berücksichtigen. Um eine dynamische Weitergeltung des in Bezug genommenen Tarifvertrags bei einem neuen Arbeitgeber zu verhindern, bietet sich folgende Formulierung als Absatz 3 an:
45
„3. Absatz 2 gilt entsprechend im Falle eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs, wenn der neue Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. Für den Fall, dass der neue Arbeitgeber tarifgebunden ist, finden die jeweils für die Mehrheit der bei dem neuen Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge Anwendung. Dies können auch nur für das Unternehmen geltende Tarifverträge sein.“2
2. Beginn und Probezeit Zu Beweiszwecken für den Lauf von Fristen, die an die Beschäftigungsdauer anknüpfen, sollte der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden:
46
„Das Arbeitsverhältnis beginnt zum …“ Eine Probezeitvereinbarung mit der Folge einer auf zwei Wochen verkürz- 47 ten Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 3 BGB) ist bereits in § 2 Abs. 4 Satz 1 TVöD enthalten, so dass die Aufnahme in der Arbeitsvertrag idR nur zur Klarstellung notwendig ist. Hierbei kann die in § 2 Abs. 4 Satz 1 TVöD vorgesehene Probezeit von sechs Monaten auch verkürzt werden.
„Die ersten … Monate der Beschäftigung gelten als Probezeit.“ Soll der Arbeitsantritt erst weit nach Vertragsschluss liegen, kann es dem Interesse des Arbeitgebers entsprechen, für diesen Zeitraum die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses auszuschließen:
1 Preis/Greiner, NZA 2007, 1074 (1079). Preis, Arbeitsvertrag, II V 40 Rz. 92 mwN. 2 Preis/Greiner, NZA 2007, 1074 (1079). Grimm
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48
Teil 3 B
Rz. 49
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
„Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen.“1
3. Tätigkeit und Versetzung 49 Um der Nachweispflicht des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG zu genügen, sollte der Arbeitsvertrag eine Tätigkeitsbeschreibung enthalten. Hierbei ist neben den Folgen der Tätigkeitsbeschreibung für die Eingruppierung zu beachten, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers umso stärker eingeschränkt wird, je konkreter die Tätigkeitsbeschreibung gefasst wird2. Da fast alle Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes unmittelbar oder über eine Bezugnahmeklausel den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes unterliegen, erübrigen sich idR wegen der Regelung in § 4 TVöD/TV-L vertragliche Regelungen zu Versetzungsmöglichkeiten (siehe hierzu Teil 3 D). 4. Wohnsitzklauseln 50 Während Beamte gemäß § 74 BBG angewiesen werden können, ihre Wohnung innerhalb einer bestimmten Entfernung von ihrer Dienststelle zu nehmen, kann eine solche Pflicht bei Angestellten des öffentlichen Dienstes nur vertraglich vereinbart werden. Da durch eine solche Wohnsitzklausel das Grundrecht des Beschäftigten aus Art. 11 GG betroffen ist3, sollte die Klausel im Hinblick auf eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB die Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitnehmer ausdrücklich berücksichtigen:
„Der Beschäftigte ist verpflichtet, seinen Hauptwohnsitz am Dienstort … oder dessen unmittelbarer Umgebung zu nehmen. Dies gilt nicht, wenn überwiegende persönliche Gründe dies nicht zulassen und die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben hierdurch nicht gefährdet wird.“4
5. Arbeitszeit und Vergütung 51 Aufgrund der Regelungen in §§ 6–11 TVöD zur Arbeitszeit und der Bedeutung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen in diesem Regelungsbereich genügt idR ein Verweis auf diese Bestimmungen und aus Klarstellungsgründen eine Angabe zur Arbeitszeit:
1 2 3 4
Preis, Arbeitsvertrag, II K 10 Rz. 40. Preis, Arbeitsvertrag, II D 30 Rz. 5. Preis, Arbeitsvertrag, II D 30 Rz. 288. Vgl. Preis, Arbeitsvertrag II D 30 Rz. 386.
174 Grimm
III. Gestaltung von Standardklauseln
Rz. 55 Teil 3 B
„Die tägliche/wöchentliche/monatliche Arbeitszeitdauer richtet sich nach den für den Betrieb/die Dienststelle geltenden tariflichen und betrieblichen Bestimmungen in der jeweils gültigen Fassung. Sie beträgt zurzeit … Stunden täglich/wöchentlich/monatlich.“1 Zu den Möglichkeiten moderner und flexibler Vergütungs- und Arbeitszeitgestaltung sei im Übrigen auf Teil 3 C verwiesen. 6. Dienstverhinderung und Arbeitsunfähigkeit Für die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit enthält das EFZG Sonderregelungen, von denen zuungunsten des Arbeitnehmers nicht einzelvertraglich abgewichen werden kann, § 12 EFZG.
52
Die Regelung des § 616 BGB wird bereits durch § 29 TVöD abbedungen, so dass auch hier kein besonderer Gestaltungsbedarf besteht. 7. Urlaub Auch der Urlaubsanspruch wird durch das BUrlG und die §§ 26 ff. TVöD 53 geregelt und einer Disposition der Vertragsparteien so weitgehend entzogen. Um den Nachweispflichten des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NachwG zu genügen, kann folgende Regelung in den Arbeitsvertrag übernommen werden:
„Herr/Frau … erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von … Kalender-/ Arbeitstagen. Der Urlaub wird in Abstimmung mit der Dienststelle festgestellt. Im Übrigen gelten die gesetzlichen/tariflichen Bestimmungen.“2
8. Beendigung In tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen ist keine Abweichung zuungunsten der Arbeitnehmer von den in § 34 TVöD geregelten Kündigungsfristen möglich. Auch sonst sind arbeitsvertraglichen Verkürzungen der gesetzlichen Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 4 und 5 BGB engste Grenzen gesetzt.
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Relevanter für die Vertragsgestaltung ist daher die Frage nach einer automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen einer Altersgrenze. Der TVöD und der TV-L enthalten in § 33 Abs. 1 Buchst. a eine Regelung, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Monats endet, in dem der/die Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente vollendet hat.
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1 Preis/Lindemann, Arbeitsvertrag, II A 90 Rz. 5. 2 Vgl. Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II U 20 Rz. 2. Grimm
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Teil 3 B
Rz. 56
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
56 Durch das am 1.1.2008 in Kraft getretene RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wird die Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung ab dem Jahr 2012 schrittweise auf die Vollendung des 67. Lebensjahres angehoben, vgl. §§ 35 und 235 SGB VI. In diesem Zusammenhang wurde auch § 41 Satz 2 SGB VI angepasst. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt worden ist. 57 Eine Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze ist nach § 33 Abs. 5 Satz 1 TVöD auf der Grundlage eines neuen schriftlichen Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 TVöD) möglich. Das Arbeitsverhältnis kann jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden, sofern nichts anderes vereinbart ist (§ 33 Abs. 5 Satz 2 TVöD). Anders als nach § 60 Abs. 2 BAT/BAT-O ist ein Arbeitsvertrag zur Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus außerhalb des TVöD grundsätzlich unzulässig1. Zum Teil wird die Auffassung vertreten2, dass ohne Tarifbindung ein solcher Arbeitsvertrag ohne Berücksichtigung des TVöD gestaltbar ist oder bei fehlender Tarifbindung nur einzelne Bestimmungen aus dem TVöD vereinbart werden können. Praktisch wird dies selten vorliegen, weil nahezu alle Kommunal- bzw. Haushaltsgesetze eine Orientierung am TVöD verlangen. Denkbar ist ferner die Vereinbarung einer Sachgrundbefristung gem. § 14 Abs. 1 TzBfG, wegen des Vorbeschäftigungsverbots hingegen keine sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG. Notwendig ist immer eine nach § 41 Satz 2 SGB VI wirksam vereinbarte neue Altersgrenze, die als Befristung der Schriftform gem. § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf. Bei Orientierung am TVöD richtet sich die Vergütung nach der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe, die der Tätigkeit des Arbeitnehmers entspricht. 58 Sofern Altersgrenzen an das gesetzliche Renteneintrittsalter anknüpfen, werden kollektiv- und individualvertragliche Altersgrenzen für verfassungsrechtlich unbedenklich und sachlich gerechtfertigt gehalten3. Altersgrenzen beruhen auf der anerkannten Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer wird und vermeiden so Auseinandersetzungen über den Fortbestand
1 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr/Kuner, TVöD, § 33 TVöD-AT Rz. 3; aA Bremecker/ Hock/Klapproth/Kley, TVöD, § 33 Rz. 175 ohne nähere Begründung. 2 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr/Kuner, TVöD, § 33 TVöD-AT Rz. 3. 3 BAG v. 25.3.1971 – 2 AZR 185/70, NJW 1971, 1629; BAG v. 20.11.1987 – 2 AZR 284/86, NZA 1988, 617; BAG v. 11.6.1997 – 7 AZR 186/96, NZA 1997, 1290; BAG 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, NZA 2004, 1336; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37.
176 Grimm
III. Gestaltung von Standardklauseln
Rz. 61 Teil 3 B
der Leistungskraft des Arbeitnehmers1. Zudem dienen sie einer verlässlichen Personalplanung und Nachwuchsförderung2. Bei der im Rahmen von Art. 12 GG und der Befristungskontrolle gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Interessen räumt das BAG dem Interesse des Arbeitgebers an einer kalkulierbaren Personalplanung den Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers ein, allerdings nur wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert ist3. Die Zulässigkeit tarifvertraglicher und einzelvertraglicher Altersgrenzen 59 ist nunmehr auch an § 10 Abs. 1 Nr. 5 AGG zu messen. Hierin ist ein Rechtfertigungsgrund für die mit Altersgrenzenvereinbarungen verbundene Ungleichbehandlung wegen des Alters enthalten. Die Zweifel4 an der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit der EG-Richtlinie 2000/78/EG dürften durch die „Palacios“-Entscheidung des EuGH5 weitgehend ausgeräumt sein. Laut EuGH steht die Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Regelung nicht entgegen, gemäß der das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze sowie das Vorliegen der Bezugsberechtigung der Altersrente eine Zwangsversetzung in den Ruhestand nach sich ziehen, wenn die Maßnahme objektiv und angemessen ist und ein legitimes Ziel verfolgt, das in Beziehung zur Beschäftigungspolitik und zum Arbeitsmarkt steht6. Das Urteil stützt sich damit auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie. Da § 10 Abs. 1 Nr. 5 AGG die genannten legitimen beschäftigungspolitischen Ziele verfolgt, dürften die üblichen Altersgrenzen sowohl in Kollektiv- als auch in Individualverträgen weiter wirksam sein7.
60
Individualarbeitsrechtlich stellt die Vereinbarung einer Altersgrenze einen 61 Fall der Höchstbefristung8 dar und ist daher zusätzlich am TzBfG zu messen, so dass sie gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG zwingend der Schriftform bedarf. Ob diese Form auch durch bloße Bezugnahme auf den Tarifvertrag gewahrt 1 BAG v. 25.3.1971 – 2 AZR 185/70, NJW 1971, 1629; BAG v. 20.11.1987 – 2 AZR 284/86, NZA 1988, 617; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 56; HWK/Schmalenberg, § 14 TzBfG Rz. 62. 2 BAG v. 20.11.1987 – 2 AZR 284/86, NZA 1988, 617; BAG v. 11.6.1997 – 7 AZR 186/96, NZA 1997, 1290; BAG 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, NZA 2004, 1336; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 56; HWK/Schmalenberg, § 14 TzBfG Rz. 62. 3 BAG v. 11.6.1997 – 7 AZR 186/96, NZA 1997, 1290; BAG 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, NZA 2004, 1336; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37. 4 ErfK/Schlachter, § 10 AGG Rz. 7 (8) mwN. 5 EuGH v. 16.10.2007 – Rs C-411/05 (Félix Palacios de La Villa/Cortefiel Servicios SA), NZA 2007, 1219. 6 EuGH v. 16.10.2007 – Rs C-411/05 (Félix Palacios de La Villa/Cortefiel Servicios SA), NZA 2007, 1219. 7 Temming, NZA 2007, 1197 (1198); Wulfers/Hecht, ZTR 2007, 475 (479); Nicolai, BB 2007, 2634; Bauer/Krieger, NJW 2007, 3672 (3673 f.). 8 BAG v. 11.6.1997 – 7 AZR 186/96, NZA 1997, 1290; BAG v. 14.8.2002 – 7 AZR 469/01, NZA 2003, 1397; BAG 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, NZA 2004, 1336; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 56; HWK/Schmalenberg, § 14 TzBfG Rz. 63. Grimm
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Teil 3 B
Rz. 62
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
werden kann, ist umstritten1, so dass die tarifliche Altersgrenze zur Sicherheit ausdrücklich im Arbeitsvertrag fixiert werden sollte. Wegen § 15 Abs. 3 TzBfG sollte in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit der ordentlichen Kündbarkeit trotz Befristung vereinbart werden. Wegen der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters in den kommenden Jahren, sollte statt einer starren Altersgrenze besser eine flexible, auf die gesetzliche Regelaltersgrenze verweisende Formulierung gewählt werden2. Zwar greift bei arbeitsvertraglichen Altersgrenzen die Fiktion des § 41 Satz 2 SGB VI, so dass eine „Altersgrenze 65“ dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen gilt. Da Altersgrenzenklauseln in Individualverträgen in aller Regel vorformuliert sind, könnte eine reine „Altersgrenze 65“ möglicherweise wegen der Unklarheitenregel in § 305c Abs. 2 BGB Bedenken unterliegen.
„Ohne dass es einer Kündigung bedarf, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 65. Lebensjahr vollendet oder der Arbeitnehmer – falls er im Jahre 1947 oder später geboren ist – die vom Gesetzgeber für ihn festgelegt erhöhte Regelaltersgrenze erreicht.“3
9. Freistellung und Folgen 62 Die Freistellung kollidiert mit dem aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitenden Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers (siehe Teil 3 A Rz. 46). Da dieser dispositiv ist, sind bei einem konkreten Anlass getroffene Vereinbarungen zur Suspendierung des Arbeitnehmers bei Fortzahlung der Vergütung unproblematisch möglich4. Dagegen ist noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob auch eine vorformulierte antizipierte Freistellungsklausel einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhält. Da eine Freistellungsklausel die Beschäftigungspflicht als wesentliche Pflicht des Arbeitsverhältnisses iSd. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB abbedingt, stellt sie nach überwiegender Auffassung nur dann keine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 BGB dar, wenn sie durch überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist. Die Freistellungsbefugnis muss daher auf das Vorliegen sachlicher Gründe beschränkt sein5. 63 Ein solches berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht jedenfalls in den Fällen, in denen die Rechtsprechung des BAG auch ein einseitiges Suspendierungsrecht des Arbeitgebers anerkannt hat, insbesondere also im 1 Dafür: ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 119; dagegen: Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 20 Rz. 2, 35 ff., Preis/Gotthardt, NZA 2000, 348 (358 f.). 2 Grimm/Brock, ArbRB 2007, 210 (211). 3 Grimm/Brock, ArbRB 2007, 210 (213). 4 Preis, Arbeitsvertrag, II F 10 Rz. 7; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 176; vgl. ErfK/ Preis, § 611 BGB Rz. 568. 5 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 568; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 176; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 702; Hunold, NZA-RR 2006, 113 (118).
178 Grimm
III. Gestaltung von Standardklauseln
Rz. 64 Teil 3 B
Fall des Wegfalls der Vertrauensgrundlage, fehlender Einsatzmöglichkeit, Gefahr des Geheimnisverrats, unzumutbarer wirtschaftlicher Belastung und bei sonstigen Gründen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen würden1. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis sollte die Freistellungsbefugnis daher auf solche Gründe beschränkt werden:
„Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Beschäftigten unter Fortzahlung der Bezüge vorübergehend von der Arbeit freizustellen, wenn ein sachlicher Grund, insbesondere ein grober Vertragsverstoß, der die Vertrauensgrundlage beeinträchtigt (zB Geheimnisverrat, Konkurrenztätigkeit), gegeben ist.“2 Die Interessenlage ändert sich im gekündigten Arbeitsverhältnis, da nach 64 der Rechtsprechung des BAG ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nur bei offensichtlicher Unwirksamkeit der Kündigung bzw. nach gewonnenem erstinstanzlichem Kündigungsschutzprozess besteht3. Umstritten ist, ob im gekündigten Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist ein berechtigtes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers generell zu bejahen ist4 oder ob zu diesem Zeitpunkt eine Suspendierung einen über die Kündigung hinausgehenden sachlichen Grund erfordert5. Für Letzteres spricht das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses und damit auch des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers6. Da höchstrichterliche Rechtsprechung noch fehlt, ist es zweckmäßig, die Freistellungsbefugnis von sachlichen Gründen abhängig zu machen:
„Der Arbeitgeber ist berechtigt, den/die Beschäftigte/n mit Ausspruch einer Kündigung – gleich von welcher Seite – unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freizustellen, wenn ein sachlicher Grund, insbesondere ein grober Vertragsverstoß, der die Vertrauensgrundlage beeinträchtigt (zB Geheimnisverrat, Konkurrenztätigkeit), gegeben ist. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf den Erholungsurlaub, soweit dem keine schutzwürdigen Belange des Beschäftigten entgegenstehen.“7
1 BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 563; HWK/ Thüsing, § 611 BGB Rz. 173, 177. 2 Vgl. Preis, Arbeitsvertrag, II F 10 Rz. 15. 3 BAG GS v. 27.2.1985 – GS 1 1/84, NJW 1985, 2968. 4 LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 297/03, juris; ArbG Düsseldorf v. 9.6.1993 – 9 Ga 28/93, NZA 1994, 559; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 177; Bauer, NZA 2007, 409 (412); Bronhofer, AuA 2008, 20 (21). 5 LAG München v. 19.8.1992 – 5 Ta 185/92, NZA 1993, 1130; ArbG Frankfurt v. 19.11.2003 – 2 Ga 251/03, NZA-RR 2004, 409; ArbG Berlin v. 4.2.2005 – 9 Ga 1155/05, juris; ArbG Stuttgart v. 18.3.2005 – 26 Ga 4/05, juris; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 570; Preis, Arbeitsvertrag, II F 10 Rz. 21. 6 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 570. 7 Preis, Arbeitsvertrag, II F 10 Rz. 29. Grimm
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Teil 3 B
Rz. 65
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
65 Nach Auffassung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes deutscher Rentenversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit sollte im Fall einer einvernehmlichen und unwiderruflichen Freistellung – mit Ausnahme arbeitsgerichtlicher Vergleiche und einer Insolvenz des Arbeitgebers – das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis mit dem letzten Arbeitstag vor der Freistellung enden1. Dieser Handhabung wird widersprochen, da sie auf einem Missverständnis einer Entscheidung des BSG vom 25.4.20022 beruht3. Das BSG4 hat festgestellt, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis auch bei einer unwiderruflichen Freistellung bis zur rechtlichen Beendigung fortdauert. 10. Ausschlussfristen 66 Ausschlussfristen dienen der im Arbeitsleben besonders gebotenen raschen Klärung von Ansprüchen und der Bereinigung offener Streitpunkte5. 67 Vorformulierte Ausschlussfristen in Einzelarbeitsverträgen stellen nach der Rechtsprechung grundsätzlich keine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 BGB dar, wenn die Ausschlussfrist nicht einseitig nur für den Arbeitnehmer gilt6, sofern sie drei Monate nicht unterschreitet7 und sie nicht allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses statt auf die Fälligkeit des Anspruchs abstellt8. Auch zweistufige Ausschlussfristen, welche die Obliegenheit begründen, Ansprüche auch fristgerecht gerichtlich geltend zu machen, sind zulässig, sofern die Frist für die zweite Stufe mindestens drei Monate beträgt9. 68 In den meisten Arbeitsverhältnissen des öffentlichen Dienstes gilt aufgrund Tarifbindung oder infolge einer Bezugnahmeklausel die einstufige sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 TVöD/TV-L10. Angesichts der Bedeutung der Klausel für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses und der Schadensersatzträchtigkeit einer eventuellen Verletzung der Nachweispflicht (siehe oben Rz. 7 f.) sollte die Ausschlussfrist aber auch in diesen Arbeitsverhältnissen zur Klarstellung ausdrücklich und wegen § 305c Abs. 1 BGB hervorgehoben in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden:
1 Vgl. Gießen/Ricken, NZA 2006, 88. 2 BSG v. 25.4.2002 – B 11 AL 65/01, NZA-RR 2003, 105. 3 ErfK/Rolfs, § 7 SGB IV Rz. 31; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, 2 A Rz. 704a; Schlegel, NZA 2005, 972 ff. 4 BSG v. 24.9.2008 – B 12 KR 10/07R, NZA-RR 2009, 272. 5 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 6 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 47. 7 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149. 8 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 511/05, NJW 2006, 2205. 9 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 10 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr/Bepler, § 37 TVöD-AT Rz. 1 ff.
180 Grimm
III. Gestaltung von Standardklauseln
Rz. 71 Teil 3 B
„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällig werdende Leistungen aus.“ (vgl. § 37 TVöD/TV-L)
11. Schriftformklausel Die Musterarbeitsverträge für den öffentlichen Dienst enthalten folgende Schriftformklausel:
69
„Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages einschließlich Nebenabreden sowie Vereinbarungen weiterer Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Dies gilt auch für die Abbedingung des Schriftformerfordernisses.“1 Diese Klausel unterwirft über § 2 Abs. 1 und 3 TVöD hinausgehend auch 70 Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages einer konstitutiven Schriftform. Zudem wird durch Satz 2 auch die Abbedingung des Schriftformerfordernisses selbst von der Einhaltung der Schriftform abhängig gemacht, weshalb es sich um eine sog. qualifizierte Schriftformklausel handelt. Mit qualifizierten Schriftformklauseln wird die Absicht verfolgt, das Entstehen von Ansprüchen im Wege der betrieblichen Übung zu verhindern. Während nach der Rechtsprechung des BAG ein einfacher rechtsgeschäftlicher Formzwang iSd. § 125 Satz 2 BGB durch die Parteien formlos, auch durch betriebliche Übung aufgehoben werden kann2, sollte eine qualifizierte Schriftformklausel das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern können. Nach älterer Auffassung des BAG stand § 305b BGB nicht entgegen, da eine betriebliche Übung gegenüber allen Arbeitnehmern keine Individualabrede iSd. § 305b BGB begründe3. Diese Auffassung ist zu Recht auf Kritik gestoßen4. Da Schriftformklauseln von dem gesetzlichen Leitbild des Vorrangs der Individualabrede abweichen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) hat das BAG zu Recht entschieden, dass qualifizierte Schriftformklauseln wegen unangemessener Benachteiligung
1 ZB § 6 Mustervertrag Bund, abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Bd. 3, E 1.1. 2 BAG v. 28.10.1987 – 5 AZR 518/85, NZA 1988, 425; BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145; BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 504/06, NZA 2007, 801; BAG v. 17.7.2007 – 9 AZR 819/06, NZA 2008, 118. 3 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145. 4 LAG Düsseldorf v. 13.4.2007 – 9 Sa 143/07, NZA-RR 07, 455; ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rz. 41 und §§ 305–310 BGB Rz. 96 und § 611 Rz. 224; Däubler/ Dorndorf/Bonin/Deinert/Däubler, § 305b BGB Rz. 13; Preis, Arbeitsvertrag, II S 30 Rz. 13; Hromadka DB 2004, 1261; Roloff, NZA 2004, 1191 (1197 ff.). Grimm
181
71
Teil 3 B
Rz. 72
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind, so dass sie wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion auch keine formlose betriebliche Übung mehr ausschließen können1. Die tarifvertragliche Schriftformklausel des § 2 Abs. 3 TVöD schließt dessen ungeachtet eine betriebliche Übung aus, weil tarifvertragliche Formvorschriften als gesetzliche Formvorschriften nach Art. 2 EGBGB von den Arbeitsvertragsparteien nicht aufgehoben werden können2. 72 Diese Kontroverse ist allerdings für den öffentlichen Dienst weniger von Bedeutung, da die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur betrieblichen Übung nicht uneingeschränkt gelten: Da öffentliche Arbeitgeber an den Haushaltsplan gebunden sind, können Beschäftigte des öffentlichen Dienstes grundsätzlich davon ausgehen, ihr Arbeitgeber wolle nur Leistungen gewähren, zu denen er rechtlich verpflichtet ist, sog. Grundsatz des Normvollzugs. Selbst bei langjähriger Gewährung überobligatorischer Vergünstigungen kann der Arbeitnehmer idR nicht darauf vertrauen, dass die Vergünstigung Vertragsinhalt geworden ist und auf unbestimmte Zeit weitergelten werde3. Handelt der Normgeber selbst, kann aber auch im öffentlichen Dienst eine betriebliche Übung entstehen4. Die genannten Einschränkungen gelten auch für kommunale Eigengesellschaften5, jedoch nicht für private Arbeitgeber, die das öffentliche Dienstrecht lediglich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwenden6. Bei einem Wechsel einer Eigengesellschaft in eine privatrechtliche Rechtsform, hält das LAG Schleswig-Holstein die Grundsätze zur betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst weiter für anwendbar, sofern weiterhin eine öffentliche Aufgabe erfüllt wird und eine Bindung an Haushaltsvorgaben besteht, weil der einzige Gesellschafter der neu gegründeten GmbH ein Kreis ist7. 12. Salvatorische Klausel 73 Salvatorische Klauseln sollen für den Fall einzelner unwirksamer Klauseln die Gesamtnichtigkeit des Vertrags verhindern (sog. Teilnichtigkeitsklauseln) und unwirksame Vertragsbestimmungen auf das wirksame Maß
1 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07 NZA 2008, 1233. LAG Düsseldorf v. 13.4.2007 – 9 Sa 143/07, NZA-RR 07, 455; ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rz. 41 und §§ 305–310 BGB Rz. 96; Ulrici, BB 2005, 1902 (1903); Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (68); aA Bieder, SAE 2007, 379. 2 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 232 mwN. 3 BAG v. 10.4.1985 – 7 AZR 36/83, NZA 1986, 604; BAG v. 24.3.1993 – 5 AZR 16/92, NZA 1993, 743; BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 802/94, NZA 1996, 718; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, NZA 2003, 337; BAG v. 14.1.2004 – 10 AZR 251/03, juris Rz. 61; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 232; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 825; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 2 Rz. 120; aA Erfk/Preis, § 611 BGB Rz. 226; kritisch auch Bredemeier/Neffke/Cerff/ Weizenegger/Neffke, TVöD/TV-L, § 2 Rz. 15. 4 LAG Hessen v. 18.6.2001 – 13 Sa 1105/00, PersR 2002, 132. 5 LAG Hamm v. 16.4.1996 – 6 Sa 1127/95, BB 1996, 1775. 6 LAG Chemnitz v. 6.3.2002 – 2 Sa 248/01, ZTR 2002, 598. 7 LAG Schl.-Holst. v. 3.4.2001 – 1 Sa 646b/00, NZA-RR 2001, 488.
182 Grimm
IV. Besondere Gestaltungen
Rz. 76 Teil 3 B
zurückzuführen (durch sog. Ersetzungs-, Reduktions- und gesetzesverweisende Klauseln). Solche Klauseln sind in individuell ausgehandelten Arbeitsverträgen unproblematisch zulässig1. In vorformulierten Arbeitsverträgen ist zu differenzieren: Teilnichtigkeitsklauseln mit dem Regelungsgehalt, dass „die etwaige Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen des Vertrags die Wirksamkeit des übrigen Vertrags unberührt lässt“, sind zwar wirksam, aber überflüssig, da dies ohnehin der Rechtslage des § 306 Abs. 1 BGB entspricht2. Die übrigen Arten salvatorischer Klauseln, nämlich Ersetzungs-, Reduktions- und gesetzesverweisende Klauseln, mit denen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion des § 306 Abs. 2 BGB umgangen werden soll, sind dagegen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam3.
IV. Besondere Gestaltungen 1. Befristung Die Befristung des Arbeitsverhältnisses bedarf nach § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform. Bei einer kalendermäßigen Befristung ist die Angabe eines eventuell vorhandenen Sachgrundes iSd. § 14 Abs. 1 TzBfG entbehrlich und auch nicht anzuraten4.
74
„Frau/Herr … wird ab dem … als … befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist bis zum … befristet.“5 Bei der Zweckbefristung muss die Befristungsklausel den Befristungszweck dagegen genau bezeichnen:
75
„Frau/Herr … wird ab dem … als … befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist bis zum Erreichen folgenden Zweckes „…“, längstens bis zum … befristet.“6 Wegen § 15 Abs. 3 TzBfG sollte zusätzlich die ordentliche Kündbarkeit während der Befristungsdauer vereinbart werden:
1 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 95. 2 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 95. 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 95; HWK/Gotthardt, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 45. 4 Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II B 10 Rz. 30. 5 Vgl. Mustervertrag Bund, abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Bd. 3, E 1.2, § 1. 6 Vgl. Mustervertrag Bund, abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Bd. 3, E 1.2, § 1; Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag II B 10 Rz. 121. Grimm
183
76
Teil 3 B
Rz. 77
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
„Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des …, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das Arbeitsverhältnis kann – auch während seiner zeitlich befristeten Dauer – von beiden Seiten unter Einhaltung der gesetzlichen/tariflichen Kündigungsfristen gekündigt werden.“1
Wegen der Einzelheiten wird auf Teil 6 verwiesen. 2. Überstunden, Mehrarbeit und Vergütung 77 Nach § 6 Abs. 5 TVöD/TV-L sind die Beschäftigten im Rahmen betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten u.a. zur Leistung von Überstunden (siehe § 7 Abs. 7 TVöD) und Mehrarbeit (siehe § 7 Abs. 6 TVöD) verpflichtet. Dies gilt für Teilzeitbeschäftigte jedoch nur bei einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung oder ihrer Zustimmung. Deshalb sollten jedenfalls Arbeitsverträge mit Teilzeitbeschäftigten folgende Klausel enthalten:
„Die/Der Beschäftigte verpflichtet sich, im Rahmen begründeter betrieblicher/ dienstlicher Notwendigkeiten zur Ableistung von Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit.“2
3. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 78 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann nur durch einen gegenseitigen Vertrag vereinbart werden3. Die Voraussetzungen einer solchen Vereinbarung ergeben sich aus §§ 74 bis 75d HGB, die gemäß §§ 6 Abs. 2, 110 GewO auf alle Arbeitnehmer anwendbar sind. Die Vereinbarung bedarf wegen § 74 Abs. 1 HGB zwingend der Schriftform. Gemäß § 75d HGB kann von den genannten Vorschriften nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Da die Rechtsfolgen so weitgehend der Disposition entzogen sind, ist bei der Gestaltung der Wettbewerbsverbotsklausel die Aufmerksamkeit vor allem auf eine genaue Beschreibung des gegenständlichen, räumlichen und zeitlichen Geltungsbereichs zu richten.
1 Vgl. Mustervertrag VKA, abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Bd. 3, E 1.4, § 7. 2 Vgl. § 6 Mustervertrag VKA, abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lange/Langenbrinck, TVöD, Bd. 3, E 1.4. 3 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03 – NZA 2005, 411. Dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 5. Aufl. 2009 passim.
184 Grimm
IV. Besondere Gestaltungen
Rz. 80 Teil 3 B
„1. Herr/Frau … verpflichtet sich, für die Dauer von … nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf folgenden Gebieten in selbständiger oder unselbständiger Form tätig zu werden: … Der örtliche Geltungsbereich des Verbots erstreckt sich auf … 2. Für die Dauer des Verbots erhält Herr/Frau … als Entschädigung …, mindestens jedoch 50 % der zuletzt gewährten vertragsmäßigen Leistungen. 3. Im Übrigen finden auf diese Wettbewerbsklausel die §§ 74–75c HGB Anwendung 4. Herr/Frau … bestätigt, eine von beiden Parteien unterzeichnete Ausfertigung dieser Wettbewerbsabrede erhalten zu haben.“1
4. Schutz von Know-how und Betriebsgeheimnissen Nach § 3 Abs. 1 TVöD bzw. § 3 Abs. 2 TV-L haben die Beschäftigten über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren. Besteht ein besonderes Bedürfnis nach dem Schutz von Know-how und Betriebsgeheimnissen, kann der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag hierzu Anordnungen treffen.
79
„1. Die/der Beschäftigte hat über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet worden ist, Verschwiegenheit zu wahren; dies gilt auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.“ 2. Die Verschwiegenheit wird insbesondere für folgende Betriebsgeheimnisse angeordnet: …“
5. Vertragsstrafen Vertragsstrafen dienen dazu, den Beschäftigten zur ordnungsgemäßen Er- 80 füllung seines Arbeitsvertrages anzuhalten. Nachdem das BAG vorformulierte Vertragsstrafen wegen der „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht schon an § 309 Nr. 6 BGB scheitern lässt2, bleiben Vertragsstrafen auch nach der Schuldrechtsreform ein wichtiges Instrument der Vertragsgestaltung, unterliegen aber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Sie sind deshalb insbesondere wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn sie zu unbestimmt formuliert sind. Vertragsstrafenvereinbarungen genügen den Bestimmtheitsanforderungen nur, wenn die auslösende Pflichtverletzung so klar bestimmt ist, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann und die zu leistende Strafe auch ihrer Höhe 1 Vgl. Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, II W 10 Rz. 107, ausführliches Muster Rz. 105. 2 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. Grimm
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Teil 3 B
Rz. 81
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
nach klar und bestimmt ist1. Die Vertragsstrafe darf den Arbeitnehmer auch im Übrigen nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich insbesondere aus einer unangemessenen Höhe der Vertragsstrafe ergeben. Grundsätzlich darf eine Vertragsstrafe ein Bruttomonatsgehalt nicht übersteigen2. Daneben muss der Arbeitgeber auch ein berechtigtes Interesse an der Vertragsstrafenvereinbarung haben. Letzteres kann fehlen, wenn das sanktionierte Verhalten nur zu einem völlig unerheblichen Schaden führen würde oder der Schaden einfach nachweisbar wäre3. Neben den Fällen des Vertragsbruchs, der Verletzung der Arbeitspflicht und des Wettbewerbsverbots kann insbesondere die Einhaltung der im öffentlichen Dienst besonders wichtigen Verschwiegenheitspflicht durch eine Vertragsstrafenabrede abgesichert werden. Hierbei ist besonders auf die Bestimmtheit der Regelung zu achten: Nach der Rechtsprechung des BAG verstößt eine Klausel, nach der der Arbeitgeber „für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen verlangen kann“ und im Fall einer „dauerhaften Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Wettbewerbsverbots jeder angebrochene Monat als erneute Verletzungshandlung“ gilt, gegen das Transparenzgebot4. Mit Rücksicht auf diese Rechtsprechung sollte die Formulierung einer Vertragsstrafe als Sanktion für die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht möglichst einfach gehalten werden und für jeden einzelnen Verstoß eine genau bestimmte Strafhöhe angegeben werden. Um bei mehrfachen Verstößen eine unangemessene Strafhöhe durch Kumulation der Vertragsstrafen zu vermeiden, sollte die Klausel eine Obergrenze von einem Brutto-Monatsgehalt enthalten.
„Verstößt der/die Beschäftigte gegen seine Verschwiegenheitspflicht aus § 3 Abs. 1 TVöD/§ 3 Abs. 2 TV-L, so gilt für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von … Euro als vereinbart. Bei mehrfachen Verstößen beträgt die Vertragsstrafe maximal ein Brutto-Monatsgehalt.“
6. Internet- und E-Mail-Nutzung 81 Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung verletzt der Arbeitnehmer durch private Internetnutzung seine Hauptleistungspflicht zur
1 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NJW 2008, 458; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 492; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339–345 BGB Rz. 12; Stoffels, ZfA 2009, 861 (884 f.). 2 LAG Schl.-Holst. v. 2.2.2005 – 3 Sa 515/04, NZA-RR 2005, 351; LAG Berlin-Brandenburg v. 14.6.2007 – 18 Sa 506/07, juris; ErfK/Müller-Glöge, §§ 339–345 BGB Rz. 14; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 491. 3 Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, II V 30 Rz. 30, HWK/Thüsing § 611 BGB Rz. 489. 4 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NJW 2008, 458.
186 Grimm
IV. Besondere Gestaltungen
Rz. 85 Teil 3 B
Arbeitsleistung1. Um in einem späteren Prozess den Einwand des Beschäftigten auszuschließen, der Arbeitgeber habe die private Nutzung genehmigt oder widerspruchslos geduldet, empfiehlt es sich, im Arbeitsvertrag ein Verbot privater Internetnutzung ausdrücklich auszusprechen:
„Die Nutzung des betrieblichen Internetanschlusses sowie die Nutzung des E-Mail-Systems darf ausschließlich für dienstliche Zwecke erfolgen. Eine private Nutzung durch den Arbeitnehmer ist nicht gestattet.“
7. Dienstwagen Soll dem Beschäftigten ein Dienstwagen gestellt werden, bedarf dies wie in privaten Arbeitverhältnissen einer gesonderten Vereinbarung mit Regelungen u.a. zur Privatnutzung durch den Beschäftigten, zu Herausgabeansprüchen des Arbeitgebers und zu Haftungsfragen2.
82
8. Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten Rückzahlungsklauseln sollen verhindern, dass ein Arbeitnehmer, dessen 83 Aus- oder Fortbildung vom Arbeitgeber finanziell gefördert wurde, nach Ausbildungsende das Beschäftigungsverhältnis beendet, bevor sich für den alten Arbeitgeber die Investition amortisieren konnte. In Berufsausbildungsverhältnissen sind Rückzahlungsvereinbarungen für Ausbildungskosten gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBG immer unwirksam. Sonst unterliegen sie als vorformulierte Vertragsbedingung der Inhaltskontrolle des § 307 BGB. Eine Erstattungspflicht für Aus- und Fortbildungskosten benachteiligt den 84 Arbeitnehmer nicht unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn die Rückzahlungsverpflichtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung erhält3. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers setzt zunächst voraus, dass er 85 Aufwendungen erbracht hat, die über seine arbeitsvertraglichen Pflichten hinausgehen4. Ein legitimes Interesse an der Rückforderung solcher Aufwendungen hat der Arbeitgeber nur dann, wenn die vorzeitige Lösung des
1 BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 386/05, NZA 2006, 977; Wedde, PersR 2007, 107. Umfassend Besgen/Prinz, Handbuch Internet.Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009; Däubler, Gläserne Belegschaften?, 5. Aufl. 2010. 2 S. hierzu ausführlich das Muster von Lingemann, in: Bauer/Lingemann/Diller/ Haußmann, Anwaltsformularbuch Arbeitsrecht, Kap. 12.21, S. 425 ff. 3 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107; LAG Schl.-Holst. v. 23.5.2007 – 3 Sa 28/07, NZA-RR 2007, 514. 4 Schmidt, NZA 2004, 1002 (1004 f.); Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (407 f.). Grimm
187
Teil 3 B
Rz. 86
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen ist1. Der die Rückzahlungspflicht auslösende Tatbestand darf daher nicht so weit gefasst sein, dass jedes Ausscheiden des Arbeitnehmers innerhalb der Bindungsfrist ohne Berücksichtigung der Gründe für das Ausscheiden die Rückzahlungspflicht auslöst2. Der Arbeitnehmer wird durch solche Rückzahlungsklauseln unangemessen benachteiligt, weil er es nicht selbst in der Hand hat, der Rückzahlungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen. Eine Rückzahlungsklausel, die auch für den Fall greift, dass die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind, ist deshalb unwirksam3. 86 Auf Seiten des Arbeitnehmers hängt die Zumutbarkeit einer Kostenbeteiligung davon ab, ob er durch die Aus- bzw. Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt4. Der geldwerte Vorteil kann sich zB daraus ergeben, dass der Beschäftigte durch die Ausbildung überhaupt erst in die Lage versetzt wird, das Arbeitsverhältnis anzutreten5, dem Arbeitnehmer durch die Qualifizierung der Aufstieg in eine höhere Tarifgruppe eröffnet wird6 oder ihm durch die Fortbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder bei seinem bisherigen Arbeitgeber berufliche Möglichkeiten eröffnet werden, die ihm zuvor verschlossen waren7. Auch wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Rückzahlungspflicht aber nur zumutbar, wenn sie bereits vor Beginn der Aus- bzw. Fortbildungsmaßnahme vereinbart wird und nicht erst unter Druck während der Ausbildung erzwungen wird8. 87 Auf einer zweiten Stufe ist die Angemessenheit der Rückzahlungsmodalitäten zu überprüfen9. Hierbei muss insbesondere die Bindungsdauer im Verhältnis zur Ausbildungsdauer, die sich nach der Maßnahme als solcher
1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (408); Schmidt, NZA 2004, 1002 (1005). 2 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748. 3 BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 383/03, NZA 2004, 1034; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (408 f.). 4 BAG v. 21.11.2001 – 5 AZR 158/00, NZA 2002, 551; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (408); Schmidt, NZA 2004, 1002 (1004); ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 438. 5 BAG v. 21.11.2001 – 5 AZR 158/00, NZA 2002, 551; BAG v. 19.2.2004 – 6 AZR 552/02, AP Nr. 31 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe. 6 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 442; Schmidt, NZA 2004, 1002 (1004). 7 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937; BAG v. 21.7.2004 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; Schmidt, NZA 2004, 1002 (1004); Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (408); Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 442. 8 BAG v. 19.3.1980 – 5 AZR 362/78, DB 1980, 1703; BAG v. 21.11.2002 – 6 AZR 77/01, juris; ArbG Krefeld v. 1.8.2007 – 3 Ca 1125/07, NZA-RR 2008, 15; ErfK/ Preis, § 611 BGB Rz. 436; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (407), Schmalenberg, in: Tschöpe, Teil 2 A Rz. 440; aA Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 350. 9 Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (409); vgl. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1005).
188 Grimm
Rz. 89 Teil 3 B
IV. Besondere Gestaltungen
ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge bemisst, angemessen sein1. Das BAG hat Regelwerte2 entwickelt: Ausbildungsdauer
l 1 Monat
l 2 Monate
l 4 Monate
l 6–12 Monate L 24 Monate
Bindungsdauer
l 6 Monate
l 12 Monate
l 24 Monate
l 36 Monate
l 60 Monate
Diese Grenzen sind jedoch nicht starr zu verstehen3. So kann im Einzelfall 88 auch eine längere Bindungsdauer gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt4. Ein mitentscheidender Gesichtspunkt für die Zumutbarkeitsprüfung ist außerdem, ob der Rückzahlungsbetrag zeitanteilig zur Bindungsdauer gestaffelt wird5. Schließlich darf die Rückzahlungspflicht auch nicht unangemessen hoch sein. Äußerste Grenze sind die vom Arbeitgeber tatsächlich getätigten Aufwendungen6. Um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen, muss der Arbeitnehmer erkennen können, in welcher Größenordnung eine Rückzahlung auf ihn zukommen kann7. Um diesen Vorgaben zu genügen, kann die Rückzahlungsklausel folgender- 89 maßen gefasst werden:
„Kündigt der Arbeitnehmer die Fortbildungsmaßnahme ohne einen vom Arbeitgeber zu vertretenden wichtigen Grund oder bietet sein Verhalten Anlass für die Beendigung durch den Arbeitgeber, ohne dass hierfür ein vom Arbeitnehmer zu vertretender wichtiger Grund gegeben ist, ist er zur Rückzahlung der während der Dauer der Fortbildungsmaßnahme empfangenen Vergütung und zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichtet. Der zu erstattende Betrag mindert sich für jeden vollen Monat, in dem das Arbeitsverhältnis nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme bestanden hat, um x % [bzw.: 1/24].“8
1 BAG v. 23.2.1983 – 5 AZR 531/80, DB 1983, 1210; BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (409); Schmidt, NZA 2004, 1002 (1005). 2 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; Schmidt, NZA 2004, 1002 (1005); Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (409). 3 BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107. 4 BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542: 36 Monate. 5 BAG v. 23.4.1986 – 5 AZR 159/85, NZA 1986, 741; Schmidt, NZA 2004, 1002 (1006). 6 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 446; Erfk/Preis, § 611 BGB Rz. 446; Düwell/Ebeling, DB 2008, 406 (409). 7 LAG Schl.-Holst. v. 23.5.2007 – 3 Sa 28/07, NZA-RR 2007, 514. 8 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 335; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 467 ff. Grimm
189
Teil 3 B
Rz. 90
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
90 Ist eine Rückzahlungsklausel unwirksam gestaltet, kommt weder eine geltungserhaltende Reduktion noch eine Aufrechterhaltung der Rückzahlungspflicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung in Frage1. 91 Die Rückzahlungsklausel ist idR in einem separaten Fort- bzw. Ausbildungsvertrag enthalten2. Bei dessen Gestaltung ist ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein v. 23.5.20073 zu berücksichtigen, wonach die Rückzahlungsvereinbarung in einem Studien- und Ausbildungsvertrag gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt, wenn der Arbeitgeber seinerseits keinerlei Verpflichtung eingeht, dem Arbeitnehmer die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zu ermöglichen, da dieser dann keine Möglichkeit hat, die Rückzahlung von Ausbildungskosten durch eigene Betriebstreue zu vermeiden. Um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen, muss der Vertrag deshalb auch Angaben über Inhalt, Ort, den zeitlichen Umfang und die Vergütung der nach der Ausbildung geschuldeten arbeitsvertraglichen Tätigkeit enthalten4. 9. Änderungsvorbehalte 92 Unter dem Stichwort der Änderungsvorbehalte stellt sich die Frage, wie sich ein Arbeitgeber die nachträgliche einseitige Änderung der Vertragsbedingungen vorbehalten kann. Soweit es um Änderungen des Inhalts der Arbeitsleistung durch sog. Versetzungsklauseln geht, sei auf Teil 3 D Rz. 42 ff. verwiesen. Das Ziel, einzelne Entgeltbestandteile für den Arbeitgeber disponibel zu gestalten, wird in der Praxis mit Widerrufs-, Freiwilligkeits- und Verrechnungsvorbehalten verfolgt. Fragen der Inhaltskontrolle stellen sich nach § 310 Abs. 4 BGB bei der Gestaltung durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung nicht. a) Widerrufsvorbehalt 93 Durch die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts behält sich der Arbeitgeber vor, die Gewährung einer Leistung (zB die Zahlung übertariflicher Zulagen oder die Überlassung eines Dienstwagens) durch einseitige Ausübung seines Widerrufsrechts zu beenden. 94 Da vorformulierte Widerrufsklauseln als einseitige Leistungsbestimmungsrechte vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ abweichen, unterliegen sie gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer uneingeschränkten Inhalts-
1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748. Zur Bindungsdauer Lakies, BB 2004, 1903 (1908). 2 Muster bei Lingemann, in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwaltsformularbuch Arbeitsrecht, Kap. 8.4. S. 257 f. 3 LAG Schl.-Holst. v. 23.5.2007 – 3 Sa 28/07, NZA-RR 2007, 514. 4 LAG Schl.-Holst. v. 23.5.2007 – 3 Sa 28/07, NZA-RR 2007, 514; LAG BW v. 15.2.2007 – 3 Sa 46/06, juris; bestätigt durch BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004.
190 Grimm
IV. Besondere Gestaltungen
Rz. 96 Teil 3 B
kontrolle1. Die Wirksamkeit von Widerrufsklauseln ist vorrangig an § 308 Nr. 4 BGB zu messen, wonach die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam ist, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Die Zumutbarkeit des Widerrufs setzt insbesondere voraus, dass der Widerruf nicht grundlos erfolgt2. Hieraus und aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB leitet das BAG als formelle Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit von Widerrufsklauseln ab, dass Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen in der Klausel hinreichend konkret zum Ausdruck kommen3. Hinsichtlich der Voraussetzungen des Widerrufs muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus welchen Gründen der Widerruf möglich sein soll (zB wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers)4. Hinsichtlich des Umfangs muss die widerrufliche Leistung für den Arbeitnehmer nach Art und Höhe eindeutig sein5. Widerrufsvorbehalte sind ferner unzumutbar iSd. § 308 Nr. 4 BGB und da- 95 mit unwirksam, wenn sie in den „Kernbereich des Arbeitsvertrages“ eingreifen6. Das BAG differenziert dabei zwischen synallagmatischen (zB übertarifliche Zulagen, Leistungszulagen, Dienstwagen7) und nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Entgeltbestandteilen (zB Fahrkostenerstattung, Jubiläumszahlungen, Leistungen zur Honorierung der Betriebstreue, Weihnachtsgratifikation ohne Entgeltcharakter8): Danach ist die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nur zulässig, soweit der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird. Handelt es sich bei der widerruflichen Leistung nicht um eine Gegenleistung, sondern um Ersatz für Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, erhöht sich der widerrufliche Teil auf bis zu 30 % der Gesamtvergütung9. Hält die Widerrufsklausel dieser Inhaltskontrolle stand, ist auf einer zwei- 96 ten Stufe die Ausübung des Widerrufsrechts einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auch anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu unterzie1 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. 2 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. 4 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 721/05, NZA 2007, 87; Leder, RdA 2010, 93 (96 f.). 5 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 721/05, NZA 2007, 87; Lembke, NJW 2010, 321 f. mwN. 6 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 721/05, NZA 2007, 87. 7 Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 BGB, Rz. 34. 8 Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 BGB, Rz. 42. 9 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. Grimm
AZR AZR AZR AZR AZR AZR
191
Teil 3 B
Rz. 97
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
hen1. Diese Prüfung erstreckt sich auch darauf, ob die geltend gemachten Gründe wirklich vorliegen. Hierbei kann sich im öffentlichen Dienst die Billigkeit aus dem Gebot wirtschaftlicher und sparsamer Verwaltung von Haushaltsmitteln ergeben, besonders wenn die bisherige Verwaltung der Mittel vom Rechnungshof kritisiert wird2. b) Freiwilligkeitsvorbehalt 97 Im Unterschied zum Widerrufsvorbehalt soll durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt die Entstehung eines Rechtsanspruchs auf die vom Arbeitgeber gewährte Leistung verhindert werden. Freiwilligkeitsvorbehalte unterliegen zunächst der Transparenzkontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. So liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn sich der Arbeitgeber einerseits zu einer Bonuszahlung verpflichtet (u.a. durch die Formulierung „Anspruch auf Bonuszahlung“) und in einer anderen Klausel einen Rechtsanspruch auf die Bonuszahlung ausschließt und diese als „freiwillig“ bezeichnet3. Im Hinblick auf das Transparenzgebot ist zudem problematisch, Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte zB durch die Formulierung „freiwillig und jederzeit widerruflich“ zu vermengen, weil die Widerruflichkeit einen Rechtsanspruch voraussetzt4. Zum Teil wird befürwortet, die Klausel dann wegen der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB als Widerrufsvorbehalt aufrechtzuerhalten5. Mit dem BAG6 wird man dagegen von der Unwirksamkeit der gesamten Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgehen müssen7. Unklar ist die Formulierung, wonach „sämtliche Sonderzahlungen freiwillige Zahlungen sind, für die kein Rechtsanspruch besteht (zB Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld richten sich nach den Bestimmungen des BAT)“8. § 305c Abs. 2 BGB
1 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 (469); BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 (90); HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 513; Däubler/ Dorndorf/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 BGB Rz. 45; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 62. 2 Preis, Arbeitsvertrag, 2. Aufl. 2006, II V 70 Rz. 26. 3 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; Lembke, NJW 2010, 257 (260). 4 Wisskirchen, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 D Rz. 89; Lembke, NJW 2010, 257 (262 ff.). 5 Vgl. BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; LAG Berlin v. 13.5.2005 – 13 Sa 213/05, juris; LAG Düsseldorf v. 30.11.2005 – 12 Sa 1210/05, juris; Schramm, NZA 2007, 1325 (1328); Hümmerich, BB 2007, 1498 (1500). 6 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, BB 2008, 617. Zur AGB-Kontrolle von Entgeltvereinbarungen instruktiv Reinecke, BB 2008, 554 ff.; Lembke, NJW 2010, 257 (260 ff.). 7 LAG Hamm v. 27.7.2005 – 6 Sa 29/05, NZA-RR 2006, 125; LAG Brandenburg v. 13.10.2005 – 9 Sa 141/05, DB 2006, 160; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 68; Däubler/Dornhof/Bonin/Deinert/Dornhof/Bonin, § 307 BGB Rz. 197. 8 BAG v. 20.1.2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445.
192 Grimm
IV. Besondere Gestaltungen
Rz. 100 Teil 3 B
ist unanwendbar, wenn sich zwei Klauseln inhaltlich widersprechen und deshalb schon nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sind1. Daneben können Freiwilligkeitsvorbehalte auch unangemessen benachtei- 98 ligend iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sein, während § 308 Nr. 4 BGB mangels Leistungsversprechen gerade nicht anwendbar ist. Nach der Rechtsprechung des BAG stellen Freiwilligkeitsvorbehalte für im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Entgeltbestandteile eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB dar, da der Ausschluss jedes Rechtsanspruchs bei laufendem Arbeitsentgelt dem Prinzip der Vertragsbindung widerspricht. Freiwilligkeitsvorbehalte im Bereich synallagmatischer Leistungen sollen damit unabhängig von ihrem Umfang unwirksam sein2. Im Bereich nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehender Vergütungs- 99 bestandteile sind Freiwilligkeitsvorbehalte bei transparenter Gestaltung zulässig3. Dies gilt insbesondere für Gratifikationen, mit denen nicht die Arbeitsleistung, sondern die Betriebstreue des Beschäftigten honoriert werden soll. Obwohl das BAG zB eine als „Weihnachtsgeld“ bezeichnete Sonderzahlung als Sonderleistung ohne Entgeltcharakter ausgelegt hat4, sollte bei Gratifikationen die Absicht, die Betriebstreue zu honorieren, durch eine Stichtagsregelung oder einen Rückzahlungsvorbehalt im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich in der Klausel zum Ausdruck gebracht werden5. Wird klar und verständlich formuliert, dass kein Anspruch auf die jährlich gezahlte Sonderzahlung für die Zukunft besteht, kann auch keine betriebliche Übung entstehen6. c) Anrechnungsvorbehalt Mit einer Anrechnungsklausel soll eine Tariflohnerhöhung auf eine ar- 100 beitsvertraglich vereinbarte übertarifliche Zulage angerechnet werden. Solche Anrechnungsklauseln sind anders zu behandeln als Widerrufsvorbehalte, insbesondere müssen keine näher bestimmten Anrechnungsgründe angegeben werden7. Sofern die von der Anrechnung betroffene Leistung keinen besonderen Zweck verfolgt, ist sie als Bruttolohnabrede wegen § 307 Abs. 3 BGB nur am Transparenzgebot zu messen8. Hierbei genügt 1 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; Lembke, NJW 2010, 257 (262) mwN. 2 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; aA BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 (1174). 3 Vgl. BAG v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 70; Schramm, NZA 2007, 1325 (1328); zur Gestaltung Lembke, NJW 2010, 257 (262 f.) mwN. 4 BAG v. 30.3.1994 – 10 AZR 134/93, NZA 1994, 651. 5 Preis/Lindemann, Arbeitsvertrag, II S 40 Rz. 5, 11; Schramm, NZA 2007, 1325 (1328); Freihube, DB 2008, 124 (126); Lembke, NJW 2010, 321 (322). 6 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535, dazu Leder, RdA 2010, 93 (95). 7 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746. 8 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 BGB Rz. 47. Grimm
193
Teil 3 B
Rz. 101
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
schon die Formulierung „anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage“ oder „übertarifliche Zulage“1. Sofern sie sich auf zweckbestimmte Leistungen, zB Funktions-, Erschwernis- oder Leistungszulagen, bezieht, hält sie jedenfalls einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, § 308 Nr. 4 BGB stand. Die Anrechnung unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn dem Arbeitgeber ein Gestaltungsspielraum verbleibt2. 10. Tarifvertrags- und Betriebs-/Dienstvereinbarungsöffnungsklauseln 101
Zu erörtern ist, ob individualvertragliche Regelungen zur Disposition der Betriebs- oder Tarifvertragsparteien gestellt werden können. Wegen der Geltung des Günstigkeitsprinzips für Tarifverträge (§ 4 Abs. 3 TVG) und Betriebsvereinbarungen3 hat dies Bedeutung für die Öffnung des Arbeitsvertrags für die Arbeitsbedingungen verschlechternde Betriebs-/Dienstvereinbarungen und Tarifverträge, da günstigere Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge der individualvertraglichen Regelung ohnehin vorgehen.
102
Die betriebsvereinbarungsoffene Gestaltung des Arbeitsvertrags ist seit einer Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 16.9.1986 anerkannt4. Unter diesem Stichwort sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Unproblematisch möglich ist es, im Arbeitsvertrag einzelne Bereiche ungeregelt zu lassen und schlicht auf die geltenden Betriebsvereinbarungen zu verweisen. Diese sind dann – mit ihren uU verschlechternden Änderungen – allein für den Inhalt des Arbeitsverhältnisses maßgeblich, ohne dass es auf das Günstigkeitsprinzip ankäme. Ein Beispiel hierfür bildet die unter Rz. 51 vorgeschlagene Klausel zur Arbeitszeit. Die Angabe der zurzeit im Betrieb geltenden Dauer der Arbeitszeit ist erkennbar lediglich deklaratorischer Natur, ohne aber einzelvertragliche Ansprüche zu begründen. Gleiches gilt für eine lediglich deklaratorische Angabe der derzeitigen Lage der Arbeitszeit unter Verweis auf die betrieblichen Bestimmungen5. Hierbei ist im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 und der
1 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BAG v. 27.8.2008 – NZA 2009, 49 (52); Lembke, NJW 2010, 321 (324); kritisch hierzu Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (76). 2 BAG v. 1.6.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; Däubler/Dorndorf/Bonin/Deinert/Dorndorf/Bonin, § 308 BGB Rz. 47; Wisskirchen, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 D Rz. 85; Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777 (1782). 3 BAG v. 16.9.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168 (171); BAG v. 7.11.1989 – Gs 3/85, NZA 1990, 816; BAG v. 28.3.2000 – 1 AZR 366/99, NZA 2001, 49 (51); BAG v. 3.6.2003 – 1 AZR 349/02, NZA 2003, 1155 (1159); HWK/Gaul, § 77 BetrVG, Rz. 59; ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rz. 68. 4 BAG v. 16.9.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168; BAG v. 3.11.1987 – 8 AZR 316/81, NZA 1988, 509; BAG v. 20.11.1987 – 2 AZR 284/86, NZA 1988, 617; BAG v. 10.12.2002 – 3 AZR 92/02, NZA 2004, 271; BAG v. 24.8.2004 – 1 AZR 419/03, NZA 2005, 51. 5 BAG v. 23.6.1992 – 1 AZR 57/92, NZA 1993, 83; LAG Hamburg v. 22.6.2004 – 1 Sa 52/03, juris; dazu HWK/Gaul, § 77 BetrVG Rz. 68.
194 Grimm
IV. Besondere Gestaltungen
Rz. 104 Teil 3 B
Unklarheitenregel des § 305c Abs 2 BGB lediglich auf eine möglichst deutliche Formulierung zu achten. Schwieriger ist es, einzelvertragliche Regelungen (auch in Form von ver- 103 traglichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen) unter den Vorbehalt einer Änderung durch eine spätere Betriebsvereinbarung zu stellen. Früher konnte ein solcher Vorbehalt konkludent erklärt werden. Zum Beispiel sollte bei einer Gesamtzusage bereits der Hinweis genügen, dass die Gewährung der freiwilligen Leistung „im Einvernehmen mit dem Gesamtbetriebsrat beschlossen“ wurde1. Auch die Formulierung „Die allgemeinen Arbeitsbedingungen unterliegen den gesetzlichen Bestimmungen und Betriebsvereinbarungen“ wurde von der Rechtsprechung als betriebsvereinbarungsoffene Gestaltung ausgelegt. Angesichts der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB und des Transparenzgebots in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wird nunmehr jedenfalls eine ausdrückliche und klare Regelung der Betriebsvereinbarungsoffenheit zu fordern sein2, für die folgende Formulierung vorgeschlagen wird:
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass spätere Betriebsvereinbarungen und tarifvertragliche Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung den Regelungen in diesem Vertrag oder anderen einzelvertraglichen Absprachen auch dann vorgehen, wenn die vertragliche Regelung günstiger ist.“3 Eine solche Klausel kann für im Einzelnen ausgehandelte vertragliche Re- 104 gelungen wegen des Vorrangs der Individualabrede (§ 305b BGB) keine Betriebsvereinbarungsoffenheit bewirken4. § 308 Nr. 4 BGB dürfte der Wirksamkeit einer solchen Betriebsvereinbarungsöffnungsklausel sonst nicht entgegenstehen, da kein einseitiges „Recht des Verwenders“ zur Änderung von Arbeitsbedingungen eingeräumt wird, sondern Betriebsvereinbarungen gemeinsam von Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelt werden5. Überwiegend wird in einer so vorformulierten betriebsvereinbarungsoffenen Gestaltung keine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gesehen6, da für Betriebsvereinbarungen die in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommende Richtigkeitsgewähr gilt7. Die betriebsvereinbarungsoffene Ausgestaltung vertraglicher Ansprüche gehöre zu den Besonderheiten des Arbeitsrechts iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB8. 1 BAG v. 10.12.2002 – 3 AZR 92/02, NZA 2004, 271. 2 BAG v. 5.8.2009 – 10 AZR 483/08, NZA 2009, 1105 = ArbRB 2009, 325 (Braun); Preis, Arbeitsvertrag, II O 10 Rz. 3; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 452; HWK/Gaul, § 77 BetrVG Rz. 68. 3 Preis, Arbeitsvertrag, II O 10 Rz. 11; Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, 122 (132). 4 Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (340). 5 Gaul/Süßbrich/Kulejewski, ArbRB 2004, 346. 6 Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, 122 (131); Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (340); Mues, ArbRB 2003, 57 (58). 7 Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, 122 (131). 8 Mues, ArbRB 2003, 57 (58). Grimm
195
Teil 3 B
Rz. 105
Möglichkeiten der Vertragsgestaltung
105
Es wirft Zweifel auf, ob allein der Verweis auf die Richtigkeitsgewähr geeignet ist, auch die aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgende Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung zu widerlegen. Die Öffnung des Arbeitsvertrages für verschlechternde Betriebsvereinbarungen ermöglicht einen Eingriff in bestehende arbeitsvertragliche Positionen und bedeutet so eine Durchbrechung des als arbeitsrechtliches Grundprinzip anerkannten Günstigkeitsprinzips und tangiert das Prinzip „pacta sunt servanda“. Diese Abweichung von Grundgedanken der gesetzlichen Regelung wird in vielen Regelungsbereichen, etwa bei der betrieblichen Altersversorgung, durch ein überwiegendes Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer kollektiven Regelung zu rechtfertigen sein. In Anlehnung an die sog. Kernbereichsrechtsprechung des BAG zu Widerrufsvorbehalten (siehe oben Rz. 95) ist problematisch, wenn sich eine generalklauselartige Betriebsvereinbarungsoffenheit auch auf die essentialia negotii des Arbeitsverhältnisses bezieht1. Bei Verwendung der oben genannten Klausel sollten daher zumindest die wesentlichen Bestimmungen des Arbeitsvertrags aus deren Anwendungsbereich ausgenommen werden2. Als sicherster Weg bietet es sich an, statt oder neben einer Generalklausel die Betriebsvereinbarungsoffenheit für einzelne Arbeitsbedingungen, insbesondere bei Gesamtzusagen, ausdrücklich zu regeln3.
106
Die tarifvertragsoffene Gestaltung des Arbeitsvertrags ist bislang kaum in den Blickpunkt von Rechtsprechung und Literatur geraten. Auch hier ist zu differenzieren: Wird in einem Lehreranstellungsverhältnis auf den Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte verwiesen, ist die im Formulararbeitsvertrag enthaltene Angabe der Pflichtstundenzahl von 24,5 Stunden lediglich von deklaratorischer Bedeutung und begründet laut BAG keine eigenständigen vertraglichen Ansprüche auf eine bestimmte Stundenzahl4. Mangels arbeitsvertraglicher Regelung kommt es hier schon zu keiner Kollision mit dem Günstigkeitsprinzip.
107
Mit einer Tarifvertragsöffnungsklausel5 soll dagegen erreicht werden, dass später anwendbare Tarifverträge den vorher getroffenen arbeitsvertraglichen Absprachen auch dann vorgehen sollen, wenn sie im Einzelfall für den Arbeitnehmer ungünstiger sind. Da auch für Tarifverträge die in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB bestätigte Richtigkeitsgewähr gilt, wird auch dies für zulässig gehalten6. Wegen der Durchbrechung des Günstigkeitsprinzips und der Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsbindung bestehen aber auch hier Bedenken gegen die Vereinbarkeit einer solchen Klausel mit § 307 BGB. Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten. 1 2 3 4 5
Gaul/Süßbrich/Kulejewski, ArbRB 2004, 346 (350). Gaul/Süßbrich/Kulejewski, ArbRB 2004, 346 (350). Beispiel bei Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, 122 (132). BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 675/05, NZA 2007, 218. Beispiel bei Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, 122 (132); Preis, Arbeitsvertrag, II O 10, Rz. 7 ff. 6 Worzalla, NZA 2006, Beil. 3, 122 (132).
196 Grimm
C. Moderne Vergütungsregelungen Rz. I. Tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten und -vorgaben . . . . . . . . . . 1. Gemeinsame Rahmenvorgaben . a) Ermittlung des Gesamtvolumens. . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschüttungspflicht . . . . . . . c) Übergangsvorschriften. . . . . . . d) Sozialer Schutz . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung und betriebliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 18 TVöD-VKA . . . . . . . . . . . . b) § 18 TVöD-Bund und LeistungsTV-Bund . . . . . . . . . . c) § 18 TV-L und landesbezirkliche Tarifverträge . . . . . . . . . . II. Instrumente leistungsorientierten Entgelts . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungsprämie . . . . . . . . . . . . . . 2. Befristete Leistungszulagen . . . . . 3. Erfolgsprämien . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 4 8 10 11 14 14 19 23 24 25 26 27
Rz. III. Methoden der Leistungsfeststellung und -bewertung . . . . . . . . . . . . . 1. Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freiwilligkeit der Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zielfindung und -formulierung . . e) Zielanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . f) Feststellung der Zielerreichung . 3. Systematische Leistungsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ertragsorientierte Leistungsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kombinationsmodelle . . . . . . . . . . .
30 31 32 32 34 35 39 43 44 47 52 53
IV. Verteilung und Auszahlung . . . . . . . 54
Schrifttum: Annuß, Arbeitsrechtliche Aspekte von Zielvereinbarungen in der Praxis, NZA 2007, 290; Gaul/Rauf, Bonusanspruch trotz unterlassener Zielvereinbarung oder: Von den Risiken arbeitgeberseitiger Untätigkeit, DB 2008, 869; Hinrichs, Die praktische Umsetzung von Zielvereinbarungen im öffentlichen Dienst, PersR 2009, 56; Hock, TVöD: Die Umsetzung des Leistungsentgelts im kommunalen Bereich – Teil I, ZTR 2006, 350; Hock, TVöD: Die Umsetzung des Leistungsentgelts im kommunalen Bereich – Teil II, ZTR 2006, 410; Horcher, Inhaltskontrolle von Zielvereinbarungen, BB 2007, 2065; Hornauer, Dämon Leisungsentgelt im öffentlichen Dienst, PersV 2010, 12; Kersten, Das Leistungsentgelt nach § 18 TVöD bei Fehlen einer Dienstvereinbarung, ZTR 2009, 240; Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung im TVöD und TV-L, 2007; Leist, Einführung in den Leistungs-Tarifvertrag des Bundes – Teil I, ZTR 2007, 58; Leist, Einführung in den Leistungs-Tarifvertrag des Bundes – Teil II, ZTR 2007, 114; Litschen, LoB Praxisprobleme – Logik und Leistung, ZTR 2009, 298; Litschen/ Kratz/Weiß/Zempel, Leistungsorientierte Bezahlung im öffentlichen Dienst, 2006; Pelzer, Arbeitsrechtliche Zielvereinbarungen, 2008; Richter, 1. Personalkongress für den öffentlichen Dienst, ZTR 2008, 28; Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück, Zielvereinbarungen, NZA 2005, 785; Rob, Leistungsorientierte Bezahlung – Stufenaufstieg und Leistungsentgelte nach TVöD-VKA und TV-L, PersV 2007, 353; v. Roetteken, Dienstvereinbarungen zur Einführung von Leistungsentgelten im Bereich des Bundes, ZTR 2006, 573; Vesper/Falter, „LOB“ bewirkt mehr als Tadel! – Leistungsorientierte Bezahlung nach einem Jahr TVöD, ZTR 2008, 2.
I. Tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten und -vorgaben Ein Kernziel der Tarifreform im öffentlichen Dienst war die Einführung leistungsorientierter Regelungsinstrumente. Dieser Grundgedanke führte neben den Regelungen zum leistungsabhängigen Stufenaufstieg (§ 17 Brock
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Rz. 2
Moderne Vergütungsregelungen
Abs. 2 TVöD), zur Führung auf Probe (§ 31 TVöD) und Führung auf Zeit (§ 32 TVöD) zur Einführung eines leistungsorientierten Entgelts durch § 18 TVöD. Das erklärte Ziel dieses Vergütungsinstruments ist die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistung und die Stärkung von Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz (vgl. § 18 Abs. 1 TVöD-VKA und die Präambel des LeistungsTV-Bund). 2
Die Tarifnormen zur Einführung des leistungsorientierten Entgelts unterscheiden sich in ihrer Regelungsdichte: Für die Kommunen enthält § 18 TVöD-VKA eine tarifvertragliche Regelung des Leistungsentgelts, die unmittelbar eine Umsetzung auf Ebene der Dienststellen und Betriebe ermöglicht. Dagegen handelt es sich bei § 18 TVöD-Bund um eine bloße Rahmenvorschrift, die zu ihrer Umsetzung den Abschluss weiterer Tarifverträge erfordert. Der Leistungs-TV Bund regelt eng und detailliert die Vorgaben für die betriebliche Umsetzung. Für den TV-L wurden entsprechende Tarifverträge nie geschlossen; der § 18 TVöD entsprechende § 18 TV-L wurde mittlerweile wieder gestrichen. 1. Gemeinsame Rahmenvorgaben
3
Die in § 18 TVöD-Bund bzw. VKA enthaltenen Rahmenvorgaben zur Einführung des neuen Entgeltbausteins sind weitgehend identisch. a) Ermittlung des Gesamtvolumens
4
Das Startvolumen für das Leistungsentgelt beträgt zunächst 1 % der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich der tariflichen Regelungen fallenden Beschäftigten beim jeweiligen Arbeitgeber (§ 18 Abs. 2 TVöD-Bund, § 18 Abs. Abs. 3 TVöD-VKA). Maßgeblich ist eine konkrete Berechnungsweise: Das gesamte tatsächlich im letzten Jahr ausgezahlte TVöD-Entgelt des Unternehmens bzw. der Dienststelle abzüglich der nicht zu berücksichtigenden Entgeltbestandteile ist zugrunde zu legen1.
5
Zum ständigen Monatsentgelt zählen nach den weitgehend übereinstimmenden Protokollerklärungen: – das Tabellenentgelt (ohne Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers und dessen Kosten für die betriebliche Altersversorgung) – die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen einschließlich Besitzstandszulagen – das Entgelt im Krankheitsfall und bei Urlaub, soweit im betreffenden Kalenderjahr ausgezahlt
6
Nicht einbezogen werden hingegen – Abfindungen, Aufwandsentschädigungen, Auslandsdienstbezüge – Einmalzahlungen und Jahressonderzahlungen 1 Hock, ZTR 2006, 350 (353); Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 153 f.
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I. Tarifliche Gestaltungsmöglichkeiten und -vorgaben
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– Leistungsentgelte – Strukturausgleiche – unständige Entgeltbestandteile – Entgelte der außertariflichen Beschäftigten Als Zielgröße für das leistungsabhängige Entgelt wird ohne Festlegung 7 eines Zeitplans ein Gesamtvolumen in Höhe von 8 % der Entgeltsumme angestrebt. Die Finanzierung des Startvolumens erfolgte für die Arbeitgeberseite zunächst kostenneutral durch Einsparungen bei der Jahressonderzahlung und durch wegfallende Kinderzuschläge1. Die angestrebte Erhöhung des Volumens soll über rückfließende Besitzstände und gesonderte Dotierungen in künftigen Tarifrunden erfolgen2. In der TVöD-Tarifrunde 2008 haben sich die Tarifvertragsparteien zwar zur weiteren Stärkung der Leistungsorientierung im öffentlichen Dienst bekannt, das Gesamtvolumen jedoch zunächst nicht erhöht3. Die Länder haben das Projekt weitgehend beendet und § 18 TV-L gestrichen. b) Ausschüttungspflicht Alle tariflichen Regelungen verpflichten den Arbeitgeber zur jährlichen Auszahlung von Leistungsentgelten4 als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt5. Die Ausschüttungspflicht ist die Konsequenz daraus, dass das Leistungsentgelt überwiegend durch die Umwidmung bisher fixer Entgeltbestandteile finanziert wird6.
8
Anders als der gestrichene § 18 TV-L sieht der TVöD darüber hinaus auch 9 eine Pflicht zur zweckentsprechenden Verwendung des Budgets vor (§ 18 Abs. 2 Satz 2 TVöD-Bund und § 18 Abs. 3 Satz 2 TVöD-VKA). Aufgrund dieser Zweckbindung wäre im Geltungsbereich des TVöD eine Betriebsbzw. Dienstvereinbarung, die eine undifferenzierte pauschalierende Auszahlung des Gesamtvolumens nach dem sog. „Gießkannenprinzip“ vorsähe, wegen Verstoßes gegen den Tarifvertrag unwirksam (§ 77 Abs. 3 BetrVG bzw. entsprechende Vorschriften der Personalvertretungsgesetze)7. Dagegen ließ § 18 Abs. 4 Satz 3 TV-L zu, dass die landesbezirklichen Tarifverträge zur Umsetzung des § 18 TV-L auch eine gleichmäßig verteilte Ausschüttung des Gesamtvolumens auf die Beschäftigten vorsehen können.
1 2 3 4 5 6 7
Sponer/Steinherr, § 18 TVöD-Bund Rz. 11. Niederschriftserklärungen zu § 18 Abs. 2 TVöD-Bund, § 18 Abs. 3 TVöD-VKA. Tarifeinigung v. 31.3.2008, abgedruckt in ZTR 2008, 194 (195). § 18 Abs. 2 Satz 2 TVöD-Bund, § 18 Abs. 3 Satz 2 TVöD-VKA, § 18 Abs. 2 TV-L. § 18 Abs. 4 TVöD-Bund, § 18 Abs. 8 TVöD-VKA, § 18 Abs. 3 TV-L. Rob, PersV 2007, 353 (356). Rundschreiben der VKA v. 13.6.2007 – R 164/07 betr. Leistungsentgelt nach § 18 TVöD, abgedruckt bei Sponer/Steinherr, Vorbemerkung zu § 18 TVöD-VKA, S. 30 ff.; KomTVöD/v. Dassel, § 18 TVöD-VKA Rz. 11; Vesper/Feiter, ZTR 2008, 2 (6). Brock
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c) Übergangsvorschriften 10 Die Unterschiede in der Zweckbindung werden auch in den Übergangsvorschriften zur Einführung des leistungsorientierten Entgelts deutlich: Sowohl für den Bund als auch für den VKA ermöglichen TVöD und LeistungsTV-Bund für die Übergangsphase bis zur betrieblichen Umsetzung von Leistungsentgeltsystemen noch eine pauschalierende, leistungsunabhängige Verteilung des für Leistungsentgelte zur Verfügung stehenden Gesamtvolumens. Während im Jahr 2007 aber noch 12 % eines Monatsgehalts ausgezahlt wurden, erhalten die Beschäftigten im Jahr 2008 und ggf. in Folgejahren nur noch 6 % eines Monatsgehalts, falls in ihrem Bereich noch kein Leistungsentgelt eingeführt wurde, wobei der Rest des Gesamtvolumens dann jeweils in das Folgejahr übertragen wird (Protokollerklärung zu § 18 Abs. 4 TVöD-VKA; Protokollerklärung zu § 18 Abs. 3 TVöDBund und § 16 LeistungsTV-Bund). Auf diese Weise wird die verspätete Einführung leistungsorientierter Bezahlung sanktioniert und ein Anreiz zur Umsetzung der tarifvertraglichen Rahmenvorgaben gesetzt1. Anders dagegen § 18 TV-L, der keine zweckgebundene Verwendung der Mittel vorschrieb und durch die Übergangsregelung in § 18 Abs. 5 TV-L eine dauerhaft pauschalierte Auszahlung in Höhe von 12 % des Monatseinkommens ohne Sanktionierung durch Leistungskürzung gestattete. d) Sozialer Schutz 11 Die Protokollerklärungen zu § 18 TVöD enthalten flankierende soziale Schutzvorschriften. Nr. 1 der Erklärung verbietet arbeitsrechtliche Maßnahmen, die allein an die Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung eines Leistungsentgelts anknüpfen. Zugleich wird klargestellt, dass arbeitsrechtliche Maßnahmen nicht allein durch die Teilnahme an einer Zielvereinbarung oder durch die Gewährung eines Leistungsentgelts ausgeschlossen sind. Die Beschäftigten sollen so durch die Einführung des Leistungsentgelts arbeitsrechtlich weder schlechter noch besser gestellt werden2. 12 Allein die Verfehlung eines vereinbarten Ziels kann weder eine Abmahnung noch eine Kündigung rechtfertigen. Verletzt ein Beschäftigter aber darüber hinaus seine arbeitsvertraglichen Pflichten durch vorwerfbare Schlecht- oder Minderleistung, gelten die von der Rechtsprechung des BAG aufgestellten Grundsätze zur Kündigung wegen Minderleistung, wonach eine verhaltensbedingte Kündigung insbesondere bei längerfristiger
1 KomTVöD/v. Dassel, § 18 TVöD-VKA Rz. 24; Hock, ZTR 2006, 350 (354); Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 212 (217); Kersten, ZTR 2009, 240. Tatsächlich befassen sich die bislang vorliegenden Entscheidungen von Landesarbeitsgerichten zu § 18 TVöD allein mit der Protokollerklärung zu § 18 Abs. 4 TVöD: LAG Hamm v. 20.8.2009 – 17 Sa 701/09; LAG Bremen v. 19.8.2009 – 2 Sa 17/09; LAG Schleswig-Holstein 3.3.2009 – 2 Sa 376/08. 2 Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 308.
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und deutlicher Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote gerechtfertigt sein kann1. Nr. 2 der Protokollerklärung bestimmt, dass Leistungsgeminderte nicht grundsätzlich aus Leistungsentgelten ausgenommen werden dürfen und ihre jeweiligen Leistungsminderungen angemessen zu berücksichtigen sind.
13
2. Ausgestaltung und betriebliche Umsetzung a) § 18 TVöD-VKA § 18 TVöD-VKA enthält in den Absätzen 4–7 konkrete tarifliche Vorgaben 14 für die Ausgestaltung eines leistungsorientierten Entgeltsystems. Absatz 4 legt das Instrumentarium in Form von Leistungsprämien, Erfolgsprämien und Leistungszulagen fest (siehe dazu Rz. 24 ff.). Als Methoden zur Feststellung und Bewertung von Leistungen werden Zielvereinbarungen und die systematische Leistungsbewertung in Absatz 5 vorgegeben (hierzu Rz. 30 ff.). Eine konkretere Ausgestaltung des Leistungsentgeltsystems kann nur in den einzelnen Dienststellen und Betrieben durch Betriebsvereinbarung oder einvernehmliche Dienstvereinbarung erfolgen, für deren Inhalt Absatz 6 inhaltliche Vorgaben macht. Eine einvernehmliche Dienstvereinbarung liegt nur ohne Entscheidung der Einigungsstelle vor (§ 38 Abs. 3 TVöD); die Einschaltung der Einigungsstelle als bloße Vermittlungsinstanz ist möglich. Für eine Regelung durch Betriebsvereinbarung wird Einvernehmlichkeit dagegen nicht vorausgesetzt. Die Ausgestaltung des betrieblichen Leistungsentgeltsystems kann gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 BetrVG (Lohngestaltung) als mitbestimmungspflichtig2 über die Einigungsstelle erzwungen werden. In Betrieben und Dienststellen, in denen kein Betriebsrat oder Personalrat besteht, hat der Arbeitgeber selbst die Ausschüttung der Leistungsentgelte sicherzustellen3 und in Abstimmung mit der betrieblichen Kommission ein betriebliches Leistungsentgeltsystem zu entwickeln.
15
Eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung muss nach § 18 Abs. 6 Satz 3 TVöD-VKA insbesondere Regelungen zu folgenden Aspekten enthalten:
16
– Verfahren der Einführung von leistungs- und/oder erfolgsorientierten Entgelten – zulässige Kriterien für Zielvereinbarungen – Ziele zur Sicherung und Verbesserung der Effektivität und Effizienz, insbesondere für Mehrwertsteigerungen (zB Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, der Dienstleistungsqualität, der Kunden-/Bürgerorientierung) – Auswahl der Formen von Leistungsentgelten, der Methoden sowie Kriterien der systematischen Leistungsbewertung und der aufgabenbezoge1 Zuletzt BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, juris. 2 ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rz. 100; Annuß, NZA 2007, 290 (296) auch zur noch nicht abschließend geklärten Anwendbarkeit des § 87 I Nr. 11 BetrVG. 3 Protokollerklärung zu § 18 Abs. 6 TVöD-VKA. Brock
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nen Bewertung (messbar, zählbar oder anderweitig objektivierbar), ggf. differenziert nach Arbeitsbereichen, uU Zielerreichungsgrade – Anpassung von Zielvereinbarungen bei wesentlichen Änderungen von Geschäftsgrundlagen – Vereinbarung von Verteilungsgrundsätzen – Überprüfung und Verteilung des zur Verfügung stehenden Finanzvolumens, ggf. Begrenzung individueller Leistungsentgelte aus umgewidmeten Entgelt – Dokumentation und Umgang mit Auswertungen über Leistungsbewertungen1 17 Zur Konfliktlösung bei Beschwerden und Mängeln des Systems und seiner Anwendung sieht § 18 Abs. 7 TVöD-VKA die Einrichtung einer paritätisch besetzten betrieblichen Kommission vor, deren Mitglieder je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebs-/Personalrat benannt werden sollen. Zweckmäßigerweise wird die Bildung dieser Kommission in der Betriebsbzw. Dienstvereinbarung zur Einführung des Leistungsentgelts mitgeregelt. Hauptaufgabe der Kommission ist die Beratung über Beschwerden der Beschäftigten, wobei die Letztentscheidungsbefugnis über solche Beschwerden aber beim Arbeitgeber verbleibt. Eine vom Kommissionsvorschlag abweichende Entscheidung des Arbeitgebers ist gemäß § 18 Abs. 7 Satz 4 TVöD-VKA zu begründen und einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich. 18 Durch die Einrichtung der betrieblichen Kommission werden die Rechte der betrieblichen Mitbestimmung nicht berührt, § 18 Abs. 7 Satz 6 TVöDVKA. Die betriebliche Kommission und der Betriebs-/Personalrat sind voneinander unabhängige, nebeneinander stehende Organe. Der Betriebs-/Personalrat behält neben der Kommission seine Funktion als allgemeine Beschwerdestelle nach § 85 BetrVG bzw. § 68 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG, wobei deren Einschaltung in Leistungsentgeltfragen aber keine Vorteile im Vergleich zum Beschwerdeverfahren vor der betrieblichen Kommission bietet2. b) § 18 TVöD-Bund und LeistungsTV-Bund 19 Im Bereich des Bundes wurde das Leistungsentgelt durch den aufgrund von § 18 Abs. 3 TVöD-Bund vereinbarten Tarifvertrag über das Leistungsentgelt der Beschäftigten des Bundes (LeistungsTV-Bund) umgesetzt, der am 1.1.2007 in Kraft getreten ist. 20 Der LeistungsTV-Bund enthält im Vergleich zu § 18 TVöD-VKA detaillierte Vorgaben zur Ausgestaltung des Leistungsentgeltsystems, die bei der Gestaltung von Dienstvereinbarungen im kommunalen Bereich als Vorbild 1 Muster einer Dienstvereinbarung bei Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD (Stand 10/06), Anhang 1 zu § 18 (VKA). 2 Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 300 f.
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dienen können. Wie im TVöD-VKA sind als Instrumente der Leistungsfeststellung die Zielvereinbarung und die systematische Leistungsbewertung geregelt (§§ 3–7 LeistungsTV-Bund). Als Formen des Leistungsentgelts sind lediglich die Leistungsprämie und die Leistungszulage vorgesehen, § 8 Abs. 1 LeistungsTV-Bund. Im Unterschied zum Bereich des VKA sind Regelungen zur Aufteilung des Entgeltvolumens und zur Berechnung der individuellen Leistungsentgelte in den §§ 9 und 10 LeistungsTV-Bund enthalten. Wie im kommunalen Bereich sieht § 14 LeistungsTV-Bund die Einrichtung einer paritätisch besetzten Kommission als Beschwerde- und Kontrollinstanz vor, wobei das Beschwerdeverfahren in § 13 näher ausgestaltet wird: Nach § 13 Abs. 1 LeistungsTV-Bund muss ein Beschäftigter binnen drei Wochen das Ergebnis der Leistungsfeststellung schriftlich und begründet bei der zuständigen Personalstelle beanstanden. Diese Frist ist nicht als Ausschlussfrist zu qualifizieren, da der Formulierung – im Unterschied zu echten Ausschlussfristen wie in § 37 TVöD – nicht zu entnehmen ist, dass mit Ablauf der Beschwerdefrist alle weiteren Rechtsbehelfe wegen einer beanstandeten Leistungsfeststellung ausgeschlossen sein sollen1. Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, wird sie der paritätischen Kommission zur Beratung zugeleitet, wobei der Arbeitgeber seine Letztentscheidungsbefugnis auch hier behält. § 13 Abs. 3 LeistungsTV-Bund eröffnet die zusätzliche Möglichkeit, per Dienstvereinbarung ein gestuftes Verfahren einzuführen, bei dem vor Einschaltung der paritätischen Kommission noch ein Abhilfeversuch unter Einbeziehung der nächsthöheren Führungskraft und/oder einem Mitglied der Personalvertretung vorgeschaltet wird. Auf Bundesebene bleibt aber für die konkrete Umsetzung in ein betriebliches Entgeltsystem der Abschluss einer einvernehmlichen Dienstvereinbarung oder einvernehmlichen Betriebsvereinbarung2 erforderlich, § 2 Satz 2 LeistungsTV-Bund. Im Unterschied zur VKA-Regelung müssen sowohl Dienst- als auch Betriebsvereinbarungen einvernehmlich, also ohne Spruch der Einigungsstelle (§ 38 Abs. 3 TVöD) zustande kommen.
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Nach § 15 LeistungsTV-Bund muss die Vereinbarung folgende Aspekte regeln:
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– Beginn und Ende des maßgeblichen Leistungs- und Feststellungszeitraums – Ausgestaltung von und mögliche konkrete Anforderungen an Zielvereinbarungen – das Bewertungssystem der systematischen Leistungsbewertung einschließlich der Gewichtung der Kriterien
1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Boeg, § 13 LeistungsTV-Bund Rz. 10; aA Durchführungshinweise des BMI v. 11.12.2006 zum LeistungsTV-Bund, abgedruckt in Sponer/Steinherr als Anhang Nr. 1 zu § 18 TVöD-Bund, S. 75. 2 Ausführlich zu Dienstvereinbarungen zur Umsetzung des LeistungsTV-Bund: Roetteken, ZTR 2006, 573. Brock
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– die Punktwerte der Stufen der Leistungsbewertung bzw. der Zielerreichungsgrade – die Anzahl der Stufen der systematischen Leistungsbewertung, die Anzahl der Zielerreichungsgrade und die Zuordnung von Normalleistung und voller Zielerreichung zu einer Stufe – das Berechnungsverfahren für das jeweilige Leistungsentgelt einschließlich einer etwaigen Obergrenze für das individuelle Leistungsentgelt – eine ggf. von der Aufteilung nach Entgeltgruppen abweichende Aufteilung des Leistungsentgeltvolumens – die Leistungsfeststellung im Fall eines Arbeitsplatzwechsels oder eines Wechsels der Führungskraft – die statistische Erfassung der Ergebnisse von Leistungsfeststellung und Leistungsentgelt – ein etwaiges gestuftes Verfahren vor Eröffnung der Beschwerde zur Paritätischen Kommission – die Anzahl der Mitglieder der Paritätischen Kommission – ggf. die Bildung einer Paritätischen Kommission in dem jeweiligen Verwaltungsteil1 c) § 18 TV-L und landesbezirkliche Tarifverträge 23 Auch § 18 TV-L behielt in Abs. 4 Satz 1 die nähere Ausgestaltung des Leistungsentgelts landesbezirklichen Tarifverträgen vor. Die oben angesprochene Sanktionslosigkeit einer pauschalierten, nicht nach Leistung differenzierenden Auszahlung hat dazu geführt, dass in keinem Bundesland entsprechende Tarifverträge vereinbart wurden und zunächst überwiegend die Erfahrungen auf Bundesebene abgewartet wurden2. Durch § 2 Abs. 7 des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 1.3.2009 wurde § 18 TV-L gestrichen und das ohnehin halbherzige Experiment einer verpflichtenden leistungsorientierten Vergütung im Bereich der Länder beendet. Im Drittmittelbereich bleiben freiwillige Regelungen gemäß § 40 Nr. 6 TV-L möglich. Das freiwerdende Entgeltvolumen wurde bei der Erhöhung des Tabellenentgelts berücksichtigt.
II. Instrumente leistungsorientierten Entgelts 24 Die Tarifverträge zur leistungsorientierten Bezahlung sehen drei Möglichkeiten zur Gewährung des Leistungsentgelts vor: Leistungsprämien, Leistungszulagen und Erfolgsprämien. 1 Vgl. als Umsetzungsbeispiele die Muster-Dienstvereinbarung von Boegl/Winter, in: Bepler/Böhle/Martin/Stöhr, § 15 LeistungsTV-Bund Rz. 3, und die RahmenDienstvereinbarung des BMI v. 20.12.2006, abgedruckt in: Bepler/Böhle/Martin/ Stöhr, § 15 LeistungsTV-Bund Rz. 4. 2 Richter, ZTR 2008, 28 (29).
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II. Instrumente leistungsorientierten Entgelts
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1. Leistungsprämie Der Begriff der Leistungsprämie ist exemplarisch in § 18 Abs. 4 Satz 2 25 TVöD-VKA als in der Regel einmalige Zahlung definiert, die im Allgemeinen auf der Grundlage einer Zielvereinbarung erfolgt. Sie kann nach Satz 3 aber auch in zeitlicher Abfolge, also wiederholt gezahlt werden. In der Praxis stellt sie das Hauptinstrument des Leistungsentgelts dar, da sie zur Motivationssteigerung besser geeignet ist als eine laufend gezahlte Leistungszulage1. 2. Befristete Leistungszulagen Leistungszulagen sind gemäß § 18 Abs. 4 Satz 4 TVöD-VKA und § 8 Abs. 1 26 Satz 2 LeistungsTV-Bund zeitlich befristete, widerrufliche, in der Regel monatliche Zahlungen. Solange das als Leistungsentgelt auszuschüttende Gesamtvolumen gering ist, fehlt solchen monatlichen Leistungszulagen fast jede Motivationswirkung. Aus diesen Gründen ist die Leistungsprämie laut Niederschrifterklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 1 LeistungsTV-Bund bis auf weiteres die einzige Leistungsentgeltform im Bereich des Bundes2. 3. Erfolgsprämien Nach § 18 Abs. 4 Satz 3 TVöD-VKA kann auch eine Erfolgsprämie in Ab- 27 hängigkeit von einem bestimmten wirtschaftlichen Erfolg neben dem gemäß Absatz 3 vereinbarten Startvolumen gezahlt werden. Diese Formulierung wird teils so verstanden, dass es sich lediglich um eine zusätzliche Möglichkeit leistungsorientierter Bezahlung handele, mit deren Wahl der Arbeitgeber in der Startphase aber nicht seine Ausschüttungspflicht aus § 18 Abs. 3 Satz 2 TVöD-VKA erfüllen könne3. § 18 Abs. 4 Satz 1 TVöDVKA zeigt jedoch, dass es sich bei der Erfolgsprämie um eine zur Leistungsprämie und -zulage gleichwertige Form des Leistungsentgelts handelt. Angesichts dieser Gleichstellung der Erfolgsprämie mit anderen Formen des Leistungsentgelts wäre von den Tarifvertragsparteien zu erwarten gewesen, dass sie eine evtl. vorhandene Absicht, Erfolgsprämien in der Startphase nur „on top“ zu gewähren, deutlicher in § 18 Abs. 4 Satz 3 TVöD-VKA zum Ausdruck gebracht hätten. Ohne eine Einschränkung kann die Formulierung „kann“ aber lediglich als Option des Arbeitgebers verstanden werden, Erfolgsprämien auch unter Überschreitung des 1 %-Volumens auszuschütten, um in der Anfangsphase leistungsorientierter Bezahlung mit geringem Startvolumen in wirtschaftlich arbeitenden Bereichen bereits zusätzliche Leistungsanreize schaffen zu können. Die Möglichkeit, Erfolgs-
1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Winter, § 8 LeistungsTV-Bund Rz. 2; Leist, ZTR 2006, 58 (57). 2 Niederschriftserklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 1 LeistungsTV-Bund. 3 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Poschke, § 18 (VKA) TVöD-AT Rz. 24; Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 241. Brock
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Moderne Vergütungsregelungen
prämien auch als Instrument zur Auszahlung des Gesamtvolumens heranzuziehen, wird dadurch aber nicht verschlossen1. 28 Da wirtschaftlicher Erfolg und die Erzielung von Gewinn in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes, insbesondere in der klassischen Verwaltung, nicht im Vordergrund stehen, ist der Anwendungsbereich der Erfolgsprämie in der Praxis begrenzt; sie wird in der Regel nur für Arbeitgeber in privater Rechtsform in Betracht gezogen2. Aber auch in der Kommunalverwaltung kann in bestimmten Bereichen der Einsatz von Erfolgsprämien sinnvoll sein und wird zB im Vollstreckungsbereich auch praktiziert3. 29 Im LeistungsTV-Bund ist die Erfolgsprämie nicht erwähnt. Dennoch steht einer Vereinbarung durch Dienstvereinbarung nichts im Wege: Eine Dienstvereinbarung über Erfolgsprämien verstieße weder gegen § 18 TVöD-Bund noch gegen den LeistungsTV-Bund, da diese Erfolgsprämien nicht ausschließen. Erfolgsprämien genügen im Bereich des Bundes aber nicht der geforderten zweckentsprechenden Verwendung des Gesamtvolumens, weshalb in der Dienstvereinbarung festzulegen wäre, dass Erfolgsprämien nicht das Gesamtvolumen nach § 18 Abs. 3 TVöD schmälern, sondern zusätzlich gewährt werden4.
III. Methoden der Leistungsfeststellung und -bewertung 30 Kernproblem eines jeden Leistungsentgeltsystems ist die Einführung eines von den Mitarbeitern akzeptierten betrieblichen Systems zur Feststellung und Bewertung der erbrachten Leistungen. 1. Leistung 31 Grundlegende Differenzen gibt es bereits zu der Frage, was überhaupt unter einer „Leistung“ in einem leistungsorientierten Entgeltsystem zu verstehen ist. Die Arbeitgeberseite vertritt zT die Auffassung, dass ein Leistungsentgelt erst bei erheblich über dem Durchschnitt liegenden Leistungen auszuschütten sei5. Gegen diese Auffassung spricht ein Vergleich mit § 17 Abs. 2 TVöD, der für einen leistungsabhängigen Stufenaufstieg ausdrücklich „erheblich über dem Durchschnitt“ liegende Leistungen verlangt; § 18 TVöD stellt solche Anforderungen gerade nicht6. Es wird auch 1 Rundschreiben der VKA v. 13.6.2007 – R 164/07 betr. Leistungsentgelt nach § 18 TVöD, abgedruckt bei Sponer/Steinherr, § 18 TVöD-VKA, S. 40; KomTVöD/v. Dassel, § 18 TVöD-VKA Rz. 66. 2 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Poschke, § 18 TVöD-VKA Rz. 25; Rob, PersV 2007, 353 (355). 3 Vesper/Falter, ZTR 2008, 2 (13). 4 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Winter, § 2 LeistungsTV-Bund Rz. 3. 5 Rundschreiben des VKA v. 15.5.2006 – R 1442006, abgedruckt in Sponer/Steinherr, Vorbemerkung § 18 TVöD-VKA, S. 5 ff. (13 f.). 6 Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 227; Hock, ZTR 2006, 350 (352); Rob, PersV 2007, 353 (359). Für Abkehr von der Normalleistung als Bewertungsmaßstab Litschen, ZTR 2009, 298 (299).
206 Brock
III. Methoden der Leistungsfeststellung und -bewertung
Rz. 34
Teil 3 C
darauf hingewiesen, dass die Einführung leistungsorientierter Bezahlung über die Umwidmung bisher fester Vergütungsbestandteile gegenfinanziert wurde: Wenn auf diese Weise das Gesamtbudget von allen Beschäftigten finanziert werde, sei es nicht gerechtfertigt – und nicht durchsetzbar –, große Teile der Beschäftigten inklusive der „Normalleistenden“ vom Leistungsentgelt auszuschließen1. Auch unter Einbeziehung der Normalleistenden könne eine ausreichende Leistungsdifferenzierung durch ein ausdifferenziertes System von Zielerreichungsgraden und Leistungsstufen erreicht werden. Ob durch die sich auf diese Weise ergebende Nivellierung wirksame Leistungsanreize gesetzt werden können, ist allerding zweifelhaft. 2. Zielvereinbarung a) Begriff Die Zielvereinbarung ist eine freiwillige Abrede zwischen der Führungskraft und einzelnen Beschäftigten oder auch Beschäftigungsgruppen über objektivierbare Leistungsziele und die Bedingungen ihrer Erfüllung (§ 18 Abs. 5 Satz 2 TVöD-VKA).
32
Im Vergleich zur systematischen Leistungsbewertung bietet eine Zielver- 33 einbarung die Vorteile größerer Objektivität, Transparenz und Motivation2. Zudem handelt es sich aus Sicht des Arbeitgebers um ein effektives Steuerungs- und Führungsinstrument3. Selbstbeeinflusste Ziele haben erfahrungsgemäß eine höhere Motivationswirkung als einseitige Zielvorgaben durch den Arbeitgeber. b) Schriftform § 4 LeistungsTV-Bund verlangt für die Zielvereinbarung die Schriftform. 34 Da § 4 Abs. 1 Satz 1 LeistungsTV-Bund – im Unterschied zum Schriftformerfordernis für Nebenabreden in § 2 Abs. 3 TVöD – die Wirksamkeit der Zielvereinbarung nicht ausdrücklich von der Einhaltung der Schriftform abhängig macht, ist davon auszugehen, dass es sich lediglich um ein sog. deklaratorisches Schriftformerfordernis handelt, dessen Verletzung nicht zur Nichtigkeit der Zielvereinbarung gem. § 125 Satz 1 BGB führt4. Um eine klare Grundlage für die spätere Leistungsbeurteilung zu schaffen, ist die schriftliche Fixierung der Zielvereinbarung jedoch sinnvoll.
1 Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 230; Hock, ZTR 2006, 350 (352); Rob, PersV 2007, 353 (360). 2 Hock, ZTR 2006, 409 (410); aA Rob, PersV 2007, 353 (357). 3 Hock, ZTR 2006, 409 (411); Vesper/Feiter, ZTR 2008, 2 (9); Hinrichs, PersR 2009, 56. 4 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Boegl, § 4 LeistungsTV-Bund Rz. 2. Brock
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Teil 3 C
Rz. 35
Moderne Vergütungsregelungen
c) Freiwilligkeit der Zielvereinbarung 35 Zur Freiwilligkeitskomponente stellt die entsprechende Niederschriftserklärung klar, dass die Vereinbarung aus Motivationsgründen freiwillig ist, dies aber die Verständigung auf zum Teil vorgegebene oder übergeordnete Ziele, zB bei der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben, nicht ausschließt. 36 Die Natur der Zielvereinbarung als freiwillige Absprache schließt individuelle Ansprüche auf den Abschluss einer Zielvereinbarung aus. Für den Bereich des Bundes ist dieser Anspruchsausschluss ausdrücklich in § 4 Abs. 3 Satz 1 LeistungsTV-Bund normiert. Nach dieser Vorschrift besteht lediglich ein Anspruch sowohl der Beschäftigten als auch der Führungskraft auf Führung eines Zielvereinbarungsgesprächs. Im Bereich der VKA ergibt sich dieser Anspruch auf Führung von Zielvereinbarungsgesprächen auch ohne ausdrückliche Normierung aus einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, wenn das betriebliche System Zielvereinbarungen als Instrument der Leistungsfeststellung vorsieht. 37 Nur der LeistungsTV-Bund regelt die Folgen einer unterbliebenen Zielvereinbarung. Nach § 4 Abs. 3 LeistungsTV-Bund erfolgt die Leistungsfeststellung dann im Wege einer systematischen Leistungsbewertung. Das heißt, dass die Dienstvereinbarung auf jeden Fall ein Verfahren der systematischen Leistungsbewertung enthalten muss1. Ein Rückgriff auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zum Vergütungsanspruch trotz unterbliebener Zielvereinbarung2 wird so entbehrlich3. 38 Im Bereich der VKA verlieren die Beschäftigten ihren Anspruch auf Leistungsentgelt grundsätzlich nicht, wenn keine Einigung über eine Zielvereinbarung zustande kommt4. Es ist deshalb sinnvoll, in der Dienst-/Betriebsvereinbarung ein System zur systematischen Leistungsbewertung zumindest als Auffangposition aufzunehmen, auf das für den Fall der Nichteinigung über Zielvereinbarungen zurückgegriffen werden kann. Zudem empfiehlt es sich, in der Betriebs-/Dienstvereinbarung für den Fall von Verständigungsschwierigkeiten über den Inhalt der Zielvereinbarung ein betriebliches Konfliktmanagement vorzusehen, um das Zustandekommen von Zielvereinbarungen zu unterstützen; zB für den Fall der Nichteinigung eine Vermittlung durch höhere Führungskräfte oder die betriebliche Kommission5.
1 v. Roetteken, ZTR 2006, 573 (574). 2 Bisher nach hM unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 162 Abs. 1 BGB u.a. LAG Köln v. 23.5.2002 – 7 Sa 71/02, DB 2003, 451; nun Einordnung als Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 283 BGB, dazu Gaul/Rauf, DB 2008, 869 ff. 3 Leist, ZTR 2007, 58 (64). 4 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409; aA Sponer/Steinherr/Sponer, § 18 TVöD-VKA, Rz. 37; Hock, ZTR 2006, 410 (413); Dörring/Kutzki/Polzer, § 18 TVöD Rz. 20; Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 558. 5 Hock, ZTR 2006, 410 (413).
208 Brock
III. Methoden der Leistungsfeststellung und -bewertung
Rz. 41
Teil 3 C
d) Zielfindung und -formulierung Am Anfang jeder Zielvereinbarung steht die Zielfindung, für die folgende Grundsätze1 empfohlen werden:
39
1. Der Zielfindungsprozess erfolgt idealerweise durch Ableitung individueller Ziele aus Oberzielen des Unternehmens bzw. der Verwaltungseinheit, sog. Top-down-Prozess2. 2. Aus Gründen der Übersicht und Transparenz ist eine Beschränkung auf maximal fünf Ziele pro Bewertungszeitraum sinnvoll3. § 4 Abs. 2 Satz 2 LeistungsTV-Bund legt diese Zahl für den Bund ausdrücklich als Obergrenze fest. 3. Ziele müssen hinreichend konkret einen bestimmten Endzustand bzw. ein abrechenbares Ergebnis vorgeben4. Es sollte auch darauf geachtet werden, dass die Zielerreichung hinreichend klar festgestellt werden kann. 4. Die vereinbarten Ziele müssen beeinflussbar und in der regelmäßigen Arbeitszeit erreichbar sein (§ 18 Abs. 6 Satz 2 TVöD-VKA). 5. Motivationspsychologisch empfohlen wird die Orientierung am sog. SMART-Prinzip5: S
specific (spezifisch)
M
measurable (messbar)
A
achievable (erreichbar)
R
realistic (realisierbar)
T
timely (zeitlich begrenzt)
Diese Vorgaben finden sich in anderer Formulierung auch in § 4 Abs. 1 40 LeistungsTV-Bund wieder, wonach die Leistungsziele eindeutig, konkret und – auch in zeitlicher Hinsicht – präzise zu bestimmen sind und zudem realistisch, messbar und nachvollziehbar sein müssen. Die präzise Formulierung der Zielvereinbarung hat auch unter dem Blick- 41 winkel einer möglichen Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB Bedeutung. Dass eine Zielvereinbarung „freiwillig“ ist, bedeutet noch nicht, dass sie iSd. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zwischen den Vertragsparteien im Einzelfall ausgehandelt ist, was eine Inhaltskontrolle ausschließen würde. In der Praxis wird es vielmehr der Regelfall sein, dass der Arbeitgeber das Ziel in einem Zielvereinbarungsformular vorformuliert. Widerspricht der Arbeitnehmer dem Zielvorschlag des Arbeitgebers nicht, liegt deshalb noch kein „Aushandeln“ iSd. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB vor6. Eine inhaltliche Kontrolle 1 2 3 4 5 6
Ausführlich Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 75 ff. Hock, ZTR 2006, 409 (411); Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 77 f. Hock, ZTR 2006, 409 (412); Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 75 f. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr, § 18 (VKA) TVöD-AT Rz. 14 f. mit Beispielen. Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 77 f.; Hock, ZTR 2006, 409 (412). Horcher, BB 2007, 2065 (2066). Brock
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Teil 3 C
Rz. 42
Moderne Vergütungsregelungen
der Angemessenheit der Zielsetzung anhand von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB findet dennoch nicht statt, da die Zielvereinbarung als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB nur eingeschränkt kontrollfähig ist. Die Zielvereinbarung bleibt aber am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen1. Außerdem gilt die Auslegungsregel des § 305 Abs. 2 BGB, wonach Unklarheiten bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders, also des Arbeitgebers gehen2. 42 Die Vereinbarung konkreter Ziele unterliegt grundsätzlich nicht der Mitbestimmung. Nur wenn der Arbeitgeber für Zielvereinbarungen allgemein geltende Kriterien heranzieht, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG (bzw. nach den entsprechenden Landesvorschriften) oder des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG3. e) Zielanpassung 43 Ändern sich während des Bewertungszeitraums die Rahmenbedingungen, zB durch einen Arbeitsplatz- oder Tätigkeitswechsel, kann sich die Notwendigkeit ergeben, die Zielvereinbarung entsprechend zu korrigieren. Im LeistungsTV-Bund ist bei relevanten Änderungen ein Anspruch auf Führung eines Zielanpassungsgespräches vorgesehen, § 4 Abs. 5 Satz 2 LeistungsTV-Bund. Im Kommunalbereich sind Regelungen zur Anpassung von Zielvereinbarungen bei wesentlichen Änderungen der Geschäftsgrundlagen in der Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung zu treffen (§ 18 Abs. 6 Satz 3 TVöD-VKA). Aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften kann sich eine Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Zielkorrektur aus § 313 BGB ergeben. f) Feststellung der Zielerreichung 44 Nach Ablauf des Leistungs- und Feststellungszeitraums, dessen Beginn und Ende in der Dienstvereinbarung zu regeln sind, erfolgen die Feststellung und Bewertung der Leistung anhand eines Abgleichs der Zielerreichung mit den in der Vereinbarung bestimmten Zielen (§ 18 Abs. 5 Satz 1 TVöD-VKA und § 4 Abs. 6 LeistungsTV-Bund). Um den Grad der Zielerreichung messbar zu machen, bietet sich bei quantitativen Zielen eine prozentuale Abstufung, in der Regel aber eine mehrstufige, mindestens zweistufige, Skala an. Der LeistungsTV-Bund enthält hierzu in § 4 Abs. 2 Satz 3 die Vorgabe, dass für jedes Ziel bis zu 5 Zielerreichungsgrade festzulegen sind.
1 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409; HWK/Gotthardt, Anhang §§ 305–310 BGB Rz. 56; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 504; Riesenhuber/v. SteinauSteinrück, NZA 2005, 785 (791); Annuß, NZA 2007, 290; Horcher, BB 2007, 2065 (2066). 2 HWK/Gotthardt, Anhang §§ 305–310 BGB Rz. 56; Horcher, BB 2007, 2065 (2066). 3 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Poschke, § 18 (VKA) TVöD-AT Rz. 16; ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rz. 100.
210 Brock
III. Methoden der Leistungsfeststellung und -bewertung
Rz. 49
Teil 3 C
Eine solche fünfstufige Skala kann folgendermaßen aussehen: Stufe 1
Ziel nicht erreicht.
Stufe 2
Ziel teilweise erreicht.
1 Punkt
Stufe 3
Ziel voll erreicht.
2 Punkte
Stufe 4
Ziel übererreicht
3 Punkte
Stufe 5
Ziel deutlich übererreicht
4 Punkte
45
0 Punkte
Werden mehrere Ziele vereinbart, ist ihre Gewichtung untereinander festzulegen. Um nach Ablauf des Bewertungszeitraums Streit über den Grad der Zielerreichung zu vermeiden, sind die einzelnen Stufen der Zielerreichung im Zielvereinbarungsformular zu verbalisieren:
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Ziel: Zügigere Bearbeitung eingehender Anträge Stufe 5
Bearbeitung innerhalb von 3 Tagen
Stufe 4
Bearbeitung innerhalb einer Woche
Stufe 3
Bearbeitung innerhalb von zwei Wochen
Stufe 2
Bearbeitung innerhalb eines Monats
Stufe 1
Bearbeitungsdauer L 1 Monat
3. Systematische Leistungsbewertung Unter systematischer Leistungsbewertung ist die auf einem betrieblich vereinbarten System beruhende Feststellung der erbrachten Leistung nach möglichst messbaren oder anderweitig objektivierbaren Kriterien oder durch aufgabenbezogene Bewertung zu verstehen, § 18 Abs. 5 Satz 3 TVöDVKA. Diese Leistungsbewertung ist von der aus dem Laufbahnrecht der Beamten entliehenen Regelbeurteilung zu trennen1.
47
Die Systematisierung erfolgt durch Festlegung von Leistungskriterien und 48 Leistungsstufen und schließt so eine freie und willkürliche Leistungsbeurteilung aus. § 5 Abs. 2 Satz 4 LeistungsTV-Bund enthält die Vorgabe, dass die Leistungskriterien aus den Merkmalen Adressatenorientierung, Arbeitsqualität (einschließlich zB Arbeitsweise und Prioritätensetzung), Arbeitsquantität, Führungsverhalten, Wirtschaftlichkeit und Zusammenarbeit zu konkretisieren sind. Eine Dienstvereinbarung kann zB folgende konkrete Kriterien festlegen: – Kundenorientierung – Fachliche Kompetenz/konzeptionelles Handeln – Quantität/Arbeitsmenge/Präsenz/Tempo/Vollständigkeit – Qualität/Fehlerfreiheit/Außenwirkung 1 Niederschrifterklärung zu § 18 Abs. 5 Satz 3 TVöD-VKA und Protokollerklärung zu § 5 LeistungTV-Bund. Brock
211
49
Teil 3 C
Rz. 50
Moderne Vergütungsregelungen
– Initiative/Erfolgsorientierung/Selbständigkeit/Engagement/Einsatzbereitschaft – Flexibilität/vielseitige Verwendbarkeit – Teamorientierung/Kooperation/Zusammenarbeit/interne Kommunikation – Organisation/Planung/Selbstkontrolle/Arbeitssorgfalt – Wirtschaftlichkeit/kostenbewusstes Handeln1 50 Die Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung kann einen solchen Kriterienkatalog nur als Leitfaden festlegen – eine individuelle Anpassung an die konkreten Aufgaben des einzelnen Arbeitsplatzes bleibt unverzichtbar. Hierbei sind die Kriterien auch nach ihrer Bedeutung für den jeweiligen Arbeitsplatz unterschiedlich zu gewichten. 51 Zur Messung der Leistung sind Bewertungsstufen festzulegen2. Um das Bewertungsverfahren objektiver und für die Beschäftigten transparenter zu gestalten, sollten die Bewertungskriterien operationalisiert werden, indem die Bewertungsstufen jedes Kriteriums durch konkrete Beschreibungen präzisiert werden, nicht zuletzt auch, um Streit bei der Leistungsbeurteilung zu vermeiden3. Eine solche Operationalisierung kann beim Merkmal Arbeitsqualität zB wie folgt aussehen4: Stufe 1
Erledigt die Arbeiten mit nicht mehr ausreichender Qualität, die zu sehr vielen Beanstandungen führt. Die Arbeitsausführung ist qualitativ unzureichend und liegt unter der erwarteten Leistung
Stufe 2
Erledigt alle Arbeiten mit noch ausreichender Qualität, die aber zu häufigen Beanstandungen führt. Die Arbeitsausführung ist qualitativ ausreichend, liegt manchmal jedoch unter der erwarteten Leistung
Stufe 3
Erledigt alle Arbeiten mit zu erwartender Qualität, die nur gelegentlich zu Beanstandungen führt. Die Arbeitsausführung entspricht qualitativ der erwarteten Leistung.
Stufe 4
Erledigt alle Arbeiten mit überdurchschnittlicher Qualität, die selten zu Beanstandungen führt. Die Arbeitsausführung liegt qualitativ über der erwarteten Leistung
Stufe 5
Erledigt alle Arbeiten mit ständig weit überdurchschnittlicher Qualität, die äußerst selten zu Beanstandungen führt. Die Arbeitsausführung ist qualitativ hervorragend.
1 Rundschreiben des VKA v. 13.6.2007 – R 164/07 betr. Leistungsentgelt nach § 18 TVöD; abgedruckt bei Sponer/Steinherr zu § 18 TVöD (VKA), S. 35. 2 Beispiele für Skalen bei Hock, ZTR 2006, 409 (415). 3 Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 123 ff.; Beispiele bei Hock, ZTR 2006, 409 (415); Vesper/Feiter, ZTR 2008, 2 (9). 4 Anlage zum Rundschreiben der VKA v. 13.6.2007 – R 164/07 betr. Leistungsentgelt nach § 18 TVöD, abgedruckt in Sponer/Steinherr, Vorbemerkung zu § 18 TVöDVKA, S. 45 ff.
212 Brock
III. Methoden der Leistungsfeststellung und -bewertung
Rz. 53
Teil 3 C
4. Ertragsorientierte Leistungsbewertung Erfolgsprämien werden aufgrund einer ertragsorientierten Leistungsbewer- 52 tung vergeben. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 4 Satz 3 TVöD, wonach die Erfolgsprämie in Abhängigkeit von einem bestimmten wirtschaftlichen Erfolg gezahlt wird. Die Protokollerklärung zu Absatz 4 Satz 4 bestimmt, dass die wirtschaftlichen Unternehmensziele von der Verwaltungs-/Unternehmensführung zu Beginn des Wirtschaftsjahres festgelegt werden und der wirtschaftliche Erfolg später auf der Gesamtebene der Verwaltung/des Betriebes festgestellt wird. Diese Erklärung nimmt zwar Satz 4 – und damit eigentlich die Leistungszulage – in Bezug, macht aber nur im Zusammenhang mit der in Satz 3 geregelten Erfolgsprämie Sinn, weshalb von einem Redaktionsversehen auszugehen ist1. Als Messgröße für die Erreichung der wirtschaftlichen Unternehmensziele können Umsatz, Gewinn oder EBIT (earnings before interest and taxes) herangezogen werden2. 5. Kombinationsmodelle Die Leistungsfeststellung kann auch anhand eines kombinierten Einsatzes 53 mehrerer Methoden erfolgen, insbesondere bietet sich eine Verbindung von Zielvereinbarungen mit einer systematischen Leistungsbewertung an. § 6 LeistungsTV-Bund sieht eine solche Verbindung ausdrücklich vor. Ein Kombinationsmodell ist gerade für die Einführungsphase sinnvoll, um zunächst Erfahrungen mit Zielvereinbarungen sammeln, aber auch auf eine systematische Leistungsbewertung zurückgreifen zu können3. In einem kombinierten Formular können hierzu einzelne Ziele und Leistungsbeurteilungsmerkmale mit ihrer jeweiligen Gewichtung festgelegt werden. Die Kombination der Instrumente führt so zu einer einheitlichen Gesamtleistungsfeststellung, die folgendermaßen4 aussehen kann: Ziele/Beurteilungskriterien
Festgestellte Zielerreichung/Beurteilung
Ziele
70 %
Teilnahme an Seminar zur Einführung neuer Beurteilungssysteme
5%
Entwicklung eines neuen Beurteilungsmodells
20 %
Aushandlung einer Beurteilungsrichtlinie mit dem Personalrat bis zum 15.2006
35 %
nicht erreicht
teilweise erreicht
erreicht
etwas übertroffen
deutlich übertroffen
0
2,5
5
7,5
10
Punkte
x
25
x x
200 87,5
1 Hock, ZTR 2006, 350 (356). 2 Dörring/Kutzki/Polzer, § 18 TVöD-VKA. 3 Hock, ZTR 2006, 409 (417); kritisch zu Kombinationsmodellen aber Rob, PersV 2007, 353 (361). 4 Leitfaden Leistungsbewertung des BMI (Stand 24.1.2006), abgedruckt bei Sponer/ Steinherr als Anhang Nr. 2 zu § 18 TVöD-Bund, S. 23. Brock
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Teil 3 C
Rz. 54
Moderne Vergütungsregelungen
Ziele/Beurteilungskriterien
Festgestellte Zielerreichung/Beurteilung
Teamgefühl in der Projektgruppe stärken
10 %
Zwischensumme
70 %
Leistungsbeurteilung
30 %
Arbeitssorgfalt (Zuverlässigkeit, Termineinhaltung, Konsequenz im Handeln)
10 %
Engagement (Zielstrebigkeit, innovative Beiträge, Lernbereitschaft)
10 %
Kommunikationsverhalten (Darstellungsfähigkeit, Motivationsfähigkeit)
5%
Beitrag zum Gesamtergebnis (Verantwortungsbewusstsein, Teamgeist, Hilfsbereitschaft)
5%
Zwischensumme
30 %
Ergebnis für 2006
x
78 387,5
x
25
x
x
x
100
37,5
25
187,5 575
IV. Verteilung und Auszahlung 54 Steht das zur Verfügung stehende Gesamtbudget fest und wurden die Leistungen der Beschäftigten von den Vorgesetzten bewertet, stellt sich die Frage nach der Verteilung des Budgets. 55 In der Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung ist zunächst die Entscheidung zu treffen, ob das Gesamtvolumen in Teilbudgets nach Abteilungen, Fachbereichen oder Beschäftigungsgruppen aufzuteilen ist1. § 10 Abs. 2 LeistungsTV-Bund sieht eine grundsätzliche Aufteilung nach Entgeltgruppen vor, um sicherzustellen, dass jeder Entgeltgruppe ein Teilvolumen von derzeit 1 Prozent der ständigen monatlichen Entgelte des Vorjahres der Beschäftigten dieser Entgeltgruppe auch tatsächlich zur Verfügung steht2; eine Dienstvereinbarung kann auf eine Trennung nach Entgeltgruppen verzichten, Entgeltgruppen oder eine Aufteilung nach organisatorischen Gesichtspunkten vorsehen. 56 Die Höhe des individuellen Leistungsentgelts wird durch die Festlegung eines Punktwertes ermittelt. Der Punktwert wird errechnet, indem das Gesamtvolumen bzw. das Teilbudget durch die im Rahmen der Leistungsbewertung erreichten Punkte der erfassten Beschäftigten geteilt wird. Der so errechnete Eurobetrag pro Punkt ergibt multipliziert mit der individuellen Punktzahl das individuell auszuzahlende Leistungsentgelt. Wurde das Gesamtvolumen nicht schon nach Entgeltgruppen aufgeteilt, kann das so 1 Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, S. 60 f.; Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 157 ff.; Hock, ZTR 2006, 350 (354); Litschen, ZTR 2009, 298 (230). 2 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Winter, § 10 LeistungsTV-Bund Rz. 5.
214 Brock
IV. Verteilung und Auszahlung
Rz. 59
Teil 3 C
errechnete Ergebnis noch durch einen Entgeltfaktor korrigiert werden, wodurch die Prämie an die relative Höhe des tariflichen Gehalts angeglichen wird1. Zudem kann gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 LeistungsTV-Bund eine Obergrenze für das individuelle Leistungsentgelt festgelegt werden, das individuelle Leistungsentgelt also „gedeckelt“ werden. Da diese Berechnung im Einzelfall vergleichsweise komplizierter ist, ist jedoch die im LeistungsTVBund vorgegebene Aufteilung des Budgets nach Entgeltgruppen vorzuziehen, wenn die Größe der Dienststelle bzw. des Betriebes eine solche Aufteilung zulässt. Speziell in diesen Vorgaben verbergen sich auch grundlegende Probleme 57 des Systems. Effektiv wird das System der Leistungsbeurteilung nur dann, wenn tatsächlich deutliche Leistungsdifferenzierungen zwischen den Beschäftigten festgestellt werden, da sich nur dann eine signifikant höhere Vergütung guter Mitarbeiter ergibt. Wegen der zwingenden Vorgabe, dass das feststehende und grundsätzlich nicht erhöhbare Volumen ganz ausgeschüttet werden muss, sind Einkommenssteigerungen eines Beschäftigten nur möglich auf Kosten anderer Mitarbeiter. Solange alle Beschäftigten gleich oder ähnlich beurteilt werden, ist es für die Höhe der leistungsorientierten Vergütung sogar unerheblich, ob die Mitarbeiter einheitlich schlecht oder gut beurteilt werden. Wenn alle Mitarbeiter nur die Mindestpunktzahl erreichen ist die Höhe der leistungsabhängigen Vergütung genau gleich, als wenn alle die Höchstpunktzahl erreicht hätten: in beiden Fällen bleiben die Anteile der Mitarbeiter am Gesamttopf gleich. Eine deutliche Einkommensdifferenzierung kann nur durch konsequentes Ausschöpfen der Bewertungsskala erreicht werden – eine Konsequenz, die, häufig auch im Hinblick auf mögliche Konflikte, gescheut wird. Spezielle Verteilungsprobleme stellen sich bei bestimmten Beschäftigungsgruppen und unterjährigen Veränderungen des Beschäftigungsverhältnisses:
58
Bei Teilzeitbeschäftigten gilt der Grundsatz des § 24 Abs. 2 TVöD, wonach 59 Teilzeitbeschäftigte Entgelt nur in dem Umfang erhalten, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Während nach § 18 Abs. 4 Satz 7 TVöD-VKA durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung von dieser Regel abgewichen werden kann, ist die proportionale Kürzung des Leistungsentgelts Teilzeitbeschäftigter durch § 11 Abs. 6 Satz 2 LeistungsTV-Bund zwingend ausgestaltet. Hierin liegt keine unzulässige Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter iSd. § 4 Abs. 1 TzBfG, da Leistungsentgelt erbrachte Leistungen honoriert und deshalb die Bemessung des Leistungsentgelts in Abhängigkeit vom Umfang der erbrachten Leistungen nicht zu beanstanden ist2.
1 Hierzu Hock, ZTR 2006, 409 (414) mit Berechnungsbeispielen; zu alternativen Berechnungsmethoden Litschen/Kratz/Weiß/Zempel, S. 177 ff. 2 Roetteken, ZTR 2006, 573 (577 f.). Brock
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Teil 3 C
Rz. 60
Moderne Vergütungsregelungen
60 Für den Kommunalbereich sind, da § 18 TVöD-VKA zu unterjährigen Veränderungen des Arbeitsverhältnisses und besonderen Situationen, wie zB längerer Krankheit, schweigt, Regelungen in der Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung zu treffen. Im Bereich des Bundes enthält § 11 LeistungsTVBund bereits nähere Vorgaben: Bestand kein durchgehender Entgeltanspruch während des gesamten Beurteilungszeitraums, ist das Leistungsentgelt für jeden Kalendermonat, in dem kein Entgeltanspruch bestand, um ein Zwölftel zu kürzen, § 11 Abs. 2 Satz 2 LeistungsTV-Bund. Die Untergrenze für eine Leistungsfeststellung zieht § 11 Abs. 1 bei einer Tätigkeit von weniger als zwei Kalendermonaten. Eine solche Karenzzeit ist sinnvoll, da bei einer zu kurzen Beschäftigungsdauer keine sachgerechte Leistungsfeststellung mehr möglich ist1. 61 § 11 Abs. 3 LeistungsTV-Bund schließt den Anspruch auf Leistungsentgelt für den Fall aus, dass das Arbeitsverhältnis aus einem Grund beendet wird, den der Beschäftigte durch eigenes Verschulden verursacht hat. Da der Fall der berechtigten Eigenkündigung nicht von der Ausschlussnorm erfasst ist, liegt hierin keine nach §§ 622 Abs. 6, 134 BGB unzulässige Kündigungserschwerung. 62 Für einen Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Führungskraft innerhalb des Beurteilungszeitraums regelt § 11 Abs. 4 LeistungsTV-Bund einen grundsätzlichen Anspruch auf ein Zwischenergebnis zur Feststellung der bisherigen Leistungen. 63 § 11 Abs. 5 LeistungsTV-Bund regelt die Teilnahme von Beschäftigten am Leistungsentgelt, die nach dem Bundesgleichstellungsgesetz, dem Bundespersonalvertretungsgesetz oder dem SGB IX teilweise von der Arbeit freigestellt sind. Wegen der Gleichstellung von Personalvertretungsrecht und Betriebsverfassungsrecht in § 17 LeistungsTV-Bund fallen auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz freigestellte Beschäftigte unter diese Regelung2. Die besondere Problematik dieser Beschäftigungsgruppe besteht darin, dass einerseits mit zunehmender Freistellungszeit eine Leistungsfeststellung unmöglich wird, andererseits aber ein Ausschluss vom Leistungsentgelt nicht mit den Benachteiligungsverboten u.a. für Personalräte in § 8 BPersVG und Betriebsräte in § 78 BetrVG zu vereinbaren wäre. Auf diese Benachteiligungs- und Begünstigungsverbote nimmt die Protokollerklärung zu § 11 Abs. 5 LeistungsTV-Bund Bezug, wonach bei teilweise freigestellten Beschäftigten sicherzustellen ist, dass sie wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Der LeistungsTV-Bund löst diesen Konflikt auf, indem ab einem Freistellungsanteil von 75 % ohne Leistungsfeststellung ein Leistungsentgelt in Höhe des Durchschnittsbetrages der Beschäftigten ihrer jeweiligen Entgeltgruppe ausgeschüttet wird (§ 11 Abs. 5 Satz 1 LeistungsTV-Bund). Bei Freistellungszeiten unter 50 % unterliegen auch die teilweise freigestellten Beschäftigten der Leistungsfeststellung (Satz 2). Grundlage hierfür ist die Leistung in den nicht 1 Leist, ZTR 2007, 114 (115). 2 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Boegl, § 11 LeistungsTV-Bund, Rz. 15.
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IV. Verteilung und Auszahlung
Rz. 64
Teil 3 C
freigestellten Zeiten, wobei nach Satz 3 dieses Ergebnis auf den freigestellten Anteil der Arbeitsleistung für die Berechnung des Leistungsentgelts zu übertragen ist. Bei einer Freistellung zwischen 50–75 % wird den Beschäftigten durch Satz 4 ein Wahlrecht zwischen einem pauschalierten Leistungsentgelt nach Satz 1 oder einer Leistungsfeststellung nach Satz 2 eingeräumt. Der Wirksamkeit dieser Regelung wird entgegengehalten, sie führe wegen 64 der Möglichkeit eines pauschalierten Leistungsentgelts ohne Leistungsfeststellung zu einer verbotenen Begünstigung von Betriebs- und Personalräten unter Verstoß gegen die Begünstigungsverbote in § 8 BPersVG und § 78 BetrVG1. Diese Normen verbieten jedoch nur Begünstigungen, die wegen der Amtstätigkeit und nicht aus sachlichen Erwägungen erfolgen2. Die Tarifnorm ist aber von der sachlichen und durch die Benachteiligungsverbote gerade gebotenen Erwägung geleitet, eine Benachteiligung beim Leistungsentgelt durch Freistellungszeiten für die ehrenamtliche Amtstätigkeit zu vermeiden. Das Abstellen auf ein pauschaliertes Durchschnitts-Leistungsentgelt führt nicht zu einer Übervorteilung von Betriebsund Personratsmitgliedern, sondern stellt lediglich einen Nachteilsausgleich dar. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass diesen Beschäftigten gleichzeitig die Möglichkeit genommen wird, im Wege der Leistungsfeststellung ein überdurchschnittliches Leistungsentgelt zu erzielen. Insofern führt § 11 Abs. 5 LeistungsTV-Bund einen sachgerechten und nicht zu beanstandenden Ausgleich herbei.
1 Kuner, Leistungsorientierte Bezahlung, Rz. 350. 2 Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 78 Rz. 17. Brock
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D. Direktionsrecht Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition und Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zur Vertragsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt und Grenzen des Direktionsrechts . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . b) Erweiterungen und Einschränkungen . . . . . . . . . . . aa) Erweiterung und Einschränkung durch Tarifvertrag und Dienst- oder Betriebsvereinbarung . . . . bb) Erweiterung und Einschränkung durch einzelvertragliche Klauseln . . . . cc) Einschränkung durch zwingende Normen des Arbeitsrechts . . . . . . . . . . . dd) Einschränkung durch Richtlinien und Verwaltungsvorschriften . . . . . . . ee) Einschränkung durch Konkretisierung aufgrund tatsächlicher Tätigkeit oder betrieblicher Übung . ff) Einschränkung durch „billiges Ermessen“ iSv. § 315 Abs. 3 BGB (Ausübungskontrolle) . . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruch auf Ausübung des Direktionsrechts (Fürsorgepflicht) . 5. Rechtsfolgen der Ausübung des Direktionsrechts . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtmäßige Weisung . . . . . . . b) Rechtswidrige Weisung . . . . . . c) Gerichtliche Besonderheiten . II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Änderung des Arbeitsplatzes . . . .
Rz.
1 1 6 8
2. 3.
8 13
14 18 21
4.
22
23 5. 28 31 32 32 33 34
a) Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Personalgestellung . . . . . . . . . . . . f) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung des Arbeitsortes . . . . . . . . Zuweisung anderer Tätigkeiten . . . a) Zuweisung von Tätigkeiten innerhalb derselben Vergütungsbzw. Entgeltgruppe . . . . . . . . . . . . b) Zuweisung von Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsbzw. Entgeltgruppe . . . . . . . . . . . . c) Zuweisung von Tätigkeiten einer höheren Vergütungsbzw. Entgeltgruppe . . . . . . . . . . . . d) Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Streik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Nebenarbeiten. . . . . . . . . . . . . . . . Änderung der Arbeitszeit (Tätigkeitsumfang) . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsumfang . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anordnung von Überstunden und Mehrarbeit . . . . . . . . bb) Verkürzung der Arbeitszeit und Anordnung von Kurzarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitszeitverteilung . . . . . . . . . . c) Bereitschaftsarbeit . . . . . . . . . . . . Änderungen und Weisungen bezüglich Arbeitsbedingungen . . . . . . a) Kleidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frisur, Schmuck, Tätowierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Medien (Radio, Internetnutzung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhaltensrichtlinien, Rauchund Alkoholverbote uÄ . . . . . . . . e) Residenzpflicht . . . . . . . . . . . . . . .
38 42 45 47 49 52 53 55 55 57 59 67 68 69 70 70 71 74 76 80 87 88 89 90 91 92
37 37
Schrifttum: Monographien/Kommentare: Birk, Die arbeitsrechtliche Leistungsmacht, 1973; Boemke, Gewerbeordnung, Kommentar zu §§ 105–110, 2003; Bredemeier/Neffke/ Cerff/Weizenegger, BAT/BAT-O, 2. Aufl. 2003; Geoff/Weizenegger, TVöD/TV-L, 3. Aufl., 2007; Brunhöber, Das Weisungsrecht im Arbeitsverhältnis, 2005; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978; Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsrecht, 1966. Aufsätze: Beyer-Delhey, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst, ZTR 1990, 411; Borgmann/Faas, Das Weisungsrecht zur betrieblichen Ord-
218 Laber
I. Grundlagen
Rz. 2
Teil 3 D
nung nach § 106 S. 2 GewO, NZA 2004, 241; Conze, Das Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte (Teil I und II), ZTR 1999, 400; Gussone, Rechtfertigung und Beendigung der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT, ZTR 2003, 54; Hromadka, Das Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers, DB 1995, 1609; Hromadka, Das allgemeine Weisungsrecht, DB 1995, 2601; Hromadka, Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, RdA 2003, 237; Hunold, Die Rechtsprechung zum Direktionsrecht des Arbeitgebers, NZA-RR 2001, 337; Konow, Die Übertragung niedriger gelöhnter Beschäftigungen ohne Änderungskündigung, NZA 1987, 117; Laber, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst, ArbRB 2006, 364; Lakies, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) – Inhalt und Grenzen, BB 2003, 364; Plüm, Die tarifliche Erweiterung von Leistungsbestimmungsrechten des Arbeitgebers, DB 1992, 735; Preis/Greiner, Die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD – eine innovative Stärkung der Binnenflexibilität im Arbeitsverhältnis, ZTR 2006, 290; Richter, Die Änderung von Arbeitsbedingungen kraft des Direktionsrechts des Arbeitgebers und Beachtung der Beteiligung des Betriebsrats, DB 1989, 2378 und 2430; Rost, Die „Erweiterung des Direktionsrechts“ durch Tarifvertrag, in Festschrift für Dieterich, 1999, S. 505; Thau, Direktionsrecht des Arbeitgebers – Arbeitsort, Anmerkung zu BAG v. 7.12.2000 – 6 AZR 444/99, SAE 2002, 56.
I. Grundlagen 1. Definition und Rechtsgrundlagen In § 106 GewO, der mit Wirkung ab dem 1.1.2003 eingeführt wurde, sind erstmals die Grundsätze des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts kodifiziert worden. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Direktions- oder Weisungsrecht1 ist der wesentliche Bestandteil eines jeden Arbeitsverhältnisses. Es ist das wichtigste Kriterium für die Abgrenzung zwischen abhängiger Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses und einer selbständigen Tätigkeit2. Durch seine bloße Nichtausübung wird das Arbeitsverhältnis jedoch noch nicht zu einem freien Dienstverhältnis3.
1
Das Direktionsrecht bestimmt maßgeblich die Reichweite des Kündi- 2 gungsschutzes nach dem KSchG4. Gesetzliche Regelungen, Tarifverträge, Dienst- und Betriebsvereinbarungen sowie der Einzelarbeitsvertrag sind vorrangig, so dass eine zulässige Ausübung des Direktionsrechts nur in die-
1 Teilweise werden diese Begriffe nicht synonym verwendet, sondern das Direktionsrecht als Unterfall eines allgemeinen Weisungsrechts angesehen, vgl. Richter, DB 1989, 2378 (2379). 2 Hromadka, DB 1995, 2601; Küttner/Griese, Weisungsrecht Rz. 1; Thau, SAE 2002, 56. 3 BAG v. 12.9.1996 – 5 AZR 1066/94, BAGE 84, 108 = NZA 1997, 194; BAG v. 25.1.2007 – 5 AZB 49/06, NJW 2007, 1485. 4 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 23/05, DB 2006, 1906; HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 11. Laber
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Teil 3 D
Rz. 3
Direktionsrecht
sen Grenzen möglich ist1. Die Ausübung des Direktionsrechts ist eine einseitige vertragliche Leistungsbestimmung iSd. § 315 BGB2 und muss im Rahmen billigen Ermessens erfolgen. Sie kann durch die Arbeitsgerichte kontrolliert werden. 3
Durch die Ausübung des Direktionsrechts konkretisiert der Arbeitgeber die im Arbeitsvertrag zumeist nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Art, den Ort und die Zeit der Tätigkeit. Es bezieht sich ausschließlich auf Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag3. Sind solche nicht gegeben, ist auch für die Ausübung des Direktionsrechtes kein Raum. Das Direktionsrecht setzt keinen entgegenstehenden Willen des Arbeitnehmers voraus; es wird auch dann zulässig ausgeübt, wenn es im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgt4. Das Einverständnis führt nicht automatisch zu einer Änderung des Arbeitsvertrages.
4
Es ist zwischen allgemeinem und besonderem Direktionsrecht zu unterscheiden. Unter allgemeinem Direktionsrecht wird die Möglichkeit des Arbeitgebers verstanden, die vertraglich nur rahmenmäßig bestimmte Leistungspflicht des Arbeitnehmers zu konkretisieren. Das besondere oder erweiterte Direktionsrecht dagegen ist das einzel- oder tarifvertraglich ausdrücklich vereinbarte Recht, dem Arbeitnehmer Leistungspflichten aufzuerlegen, die nicht mehr von der vertraglich geschuldeten Leistung abgedeckt sind5. Im öffentlichen Dienstrecht sehen die Tarifverträge ein solches besonderes Direktionsrecht vor, zB § 12 BAT/BAT-O, § 4 TVöD, § 4 TV-L.
5
Dem Arbeitgeber steht bei der Ausübung seines Direktionsrechts regelmäßig ein weiter Ermessensspielraum zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu6. Aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Gehorsamsund Treuepflicht muss der Arbeitnehmer seinen Weisungen Folge leisten. Die Gehorsamspflicht wird in § 8 Abs. 2 Satz 1 BAT/BAT-O noch gesondert erwähnt, die Norm hat jedoch nur deklaratorischen Charakter. Im TVöD und TV-L wurde auf eine entsprechende Regelung verzichtet. 2. Abgrenzung zur Vertragsänderung
6
Das allgemeine Direktionsrecht des Arbeitgebers konkretisiert nur die im Arbeitsvertrag enthaltenen Rahmenarbeitsbedingungen. Der Umfang der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (also Vergütungs- und Arbeitspflicht) ist nicht von ihm erfasst, da diese zum Kernbereich des Arbeitsver-
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HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 5. HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 6. BAG v. 23.1.1992 – 6 AZR 87/90, NZA 1992, 114. BAG v. 23.6.1993 – 5 AZR 337/92, NZA 1993, 1127. Hromadka, DB 1995, 2601 (2606). BAG v. 27.3.1980 – 2 AZR 506/78, BAGE 33, 71 = BB 1980, 1267.
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I. Grundlagen
Rz. 9
Teil 3 D
hältnisses gehören. Sie können lediglich durch Gesetz, Kollektivregelung oder Einzelarbeitsvertrag gestaltet werden1. Soll daher eine Änderung von Hauptleistungspflichten vorgenommen wer- 7 den, so bedarf es insoweit des Abschlusses eines Änderungsvertrages. Die Vertragsänderung kann allerdings auch konkludent vereinbart werden oder sich aus einer betrieblichen Übung ergeben. Ist eine einvernehmliche Änderung nicht möglich, muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen, deren Wirksamkeit sich im Falle der Anwendbarkeit des KSchG nach den §§ 2, 1 KSchG richtet. So führt zB die Bestellung eines Arbeitnehmers zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu einer Erweiterung des Arbeitsvertrages und kann daher nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts vorgenommen werden. Das hat zur Folge, dass auch die Abberufung nicht vom Direktionsrecht gedeckt ist, sondern durch eine in diesem Fall zulässige Teilkündigung erfolgen muss2. 3. Inhalt und Grenzen des Direktionsrechts a) Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung Wie erläutert können vor allem Arbeitsinhalt, Arbeitsort und Arbeitszeit durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers konkretisiert werden. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen durch Ausübung seines Direktionsrechtes verändern und gemäß § 106 Satz 2 GewO auch die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb sowie in der Dienststelle einseitig regeln (vgl. hierzu Rz. 87 ff.). Das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers unterliegt dagegen nicht dem Direktionsrecht3.
8
Der genaue Arbeitsinhalt wird regelmäßig im Arbeitsvertrag festgehalten, 9 jedoch nicht abschließend beschrieben. Für den Umfang des Direktionsrechts lässt sich der Grundsatz aufstellen: Je enger die Leistungspflichten im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto enger sind auch die Grenzen des Direktionsrechts4. Entscheidend für Umfang und Inhalt der Arbeitspflicht ist dabei immer die Beschreibung im Arbeitsvertrag (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NachwG) und nicht etwa eine Stellenausschreibung, auf die sich der Arbeitnehmer beworben hat und die in der Regel konkreter ist als der Arbeitsvertrag. Dies gilt insbesondere im öffentlichen Dienst, wo zumeist nur schlagwortartig der Inhalt der Arbeitspflicht benannt wird („Sachbearbeiter“, „Angestellter“) und für den Umfang des Direktionsrechts die tatsächliche Eingruppierung maßgeblich ist (vgl. ausführlich hierzu Rz. 55 ff.). 1 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, BAGE 47, 314 = NZA 1985, 321; HWK/ Lembke, § 106 GewO Rz. 13; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 34. 2 BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 612/05, DB 2007, 1198. 3 HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 47. 4 HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 12; Küttner/Griese, Weisungsrecht Rz. 7; Müller/ Preis, Rz. 460. Laber
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Teil 3 D
Rz. 10
Direktionsrecht
10 Die Art der Arbeit kann ferner dem Direktionsrecht des Arbeitsgebers entgegenstehen. So widerspricht es der Verantwortung einer leitenden Tätigkeit, wenn insoweit Weisungsabhängigkeit bestünde1. Ebenso kann einem Arzt keine bestimmte Behandlungsmethode vorgeschrieben werden2. Betriebsärzte, Datenschutzbeauftragte (§ 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG) sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind im Bereich der Arbeitssicherheit ebenfalls weisungsfrei (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ASiG). 11 Wenn sich der Ort der Arbeitsleistung nicht explizit aus dem Arbeitsvertrag ergibt, ist als stillschweigend vereinbarter Arbeitsort der Sitz der Dienststelle bzw. des Betriebes anzusehen. Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Arbeit an einem anderen Ort als dem vereinbarten Arbeitsort zu verrichten. Das allgemeine Direktionsrecht umfasst somit kein Recht zur Versetzung3. Zu den Unterschieden im öffentlichen Dienst siehe Rz. 37 ff. 12 Hinsichtlich der Arbeitszeit muss zwischen dem durch das Direktionsrecht nur sehr eingeschränkt veränderbaren Arbeitsumfang und der Arbeitszeitverteilung unterschieden werden. Die Lage der Arbeitszeit kann grundsätzlich vom Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts bestimmt werden (vgl. zu den Besonderheiten im öffentlichen Dienst Rz. 70 ff.). b) Erweiterungen und Einschränkungen 13 Das allgemeine Direktionsrecht kann tarif- oder einzelvertraglich erweitert oder eingeschränkt werden (sog. besonderes Direktionsrecht). Im Falle einer Erweiterung ist zum einen immer die Wirksamkeit der Erweiterung zu überprüfen und zum anderen, ob die konkrete Ausübung des erweiterten Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht. aa) Erweiterung und Einschränkung durch Tarifvertrag und Dienst- oder Betriebsvereinbarung 14 Aufgrund Art. 9 Abs. 3 GG ist eine Erweiterung des Direktionsrechts durch tarifvertragliche Regelungen grundsätzlich zulässig4. In der Praxis häufig anzutreffen sind Klauseln, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, den Arbeitgeber an anderen Orten einzusetzen und ihm andere Tätigkeiten zuzuweisen. Eine tarifvertragliche Erweiterung unterliegt gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle5, muss allerdings mit den Wertun-
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Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 37. Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 37. Müller/Preis, Rz. 465. Vgl. BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475; BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 23/05, DB 2006, 1906. 5 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475; Preis/Greiner, ZTR 2006, 290 (293).
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I. Grundlagen
Rz. 18
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gen des § 2 KSchG in Einklang stehen1. Die Einzelheiten des Verhältnisses tarifvertraglicher Erweiterungsklauseln zu § 2 KSchG sind umstritten. Das BAG legt in seiner Rechtsprechung2 einen recht weiten Maßstab an. Bei der Konkretisierung des verfassungsrechtlich zu schützenden Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses soll den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative zukommen, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitnehmers an einem unveränderten Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Arbeitgebers an einer flexiblen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu finden3. Die entsprechenden Tarifnormen sind daher zulässig, wenn die Ausübung des Direktionsrechts an konkrete, gerichtlich kontrollierbare Erfordernisse gebunden ist und eine mit der Ausübung des Direktionsrechts verbundene Entgeltminderung gemildert wird4. Ferner erfolgt stets noch eine Ausübungskontrolle im Einzelfall anhand § 106 GewO5. Beispiele für zulässige tarifvertragliche Erweiterungen im öffentlichen Dienst finden sich in § 4 TVöD, § 4 TV-L bzw. § 12 BAT/BAT-O für die Änderung des Arbeitsplatzes und -ortes, in § 15 Abs. 2 BAT/BAT-O für die Änderung der Arbeitszeit6 oder in § 27 Abs. 3 BMT-G II für die Zuweisung einer anderen Tätigkeit7.
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Regeln Tarifverträge und Dienst- oder Betriebsvereinbarungen die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers – zB Arbeitszeitfragen –, ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers entsprechend eingeschränkt. Weisungen des Arbeitgebers dürfen nicht gegen diese Kollektivvereinbarungen verstoßen8.
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Die tarifvertraglichen Schriftformerfordernisse für Nebenabreden (vgl. § 2 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L, § 4 Abs. 2 BAT) sind indes keine Einschränkungen des Direktionsrechts, weil das Direktionsrecht eine einseitige Konkretisierung der Leistungspflicht und keine Abrede darstellt.
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bb) Erweiterung und Einschränkung durch einzelvertragliche Klauseln In der Praxis finden sich häufig Versetzungs- und Umsetzungsklauseln in 18 den Arbeitsverträgen, mit denen einzelvertraglich das Direktionsrecht hinsichtlich Art, Inhalt und Ort der Tätigkeit erweitert wird. Sie unterliegen keinen grundsätzlichen Bedenken, sondern sind als angemessenes Mittel 1 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475; LAG Hamm v. 15.3.2006 – 2 Sa 1821/04, NZA-RR 2006, 581; aA Plüm, DB 1992, 735 (738 ff.), der die Klauseln nur an Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG messen will. 2 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475; krit. LAG Düsseldorf v. 17.3.1995 – 17 Sa 1981/94, DB 1995, 2224. 3 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475. 4 Vgl. BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/04, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475. 5 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475; Preis/Greiner, ZTR 2006, 290 (293); Rost, FS Dieterich, S. 505 (517). 6 BAG v. 17.3.1988 – 6 AZR 268/85, BAGE 58, 19 = DB 1988, 1855; BAG v. 26.3.1988 – 6 AZR 537/96, NZA 1998, 1177. 7 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475. 8 Vgl. BAG v. 6.4.1989 – 6 AZR 622/87, AP Nr. 2 zu § 2 BAT SR 2r. Laber
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Rz. 19
Direktionsrecht
anerkannt, um auf notwendige Änderungen im Arbeitsverhältnis zu reagieren, zumal ansonsten eine Änderungskündigung oder sogar eine betriebsbedingte Beendigungskündigung erforderlich wäre1. 19 Allerdings muss stets eine Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB vorgenommen werden, die indes wegen der Besonderheiten des Kündigungsschutzrechts nur eingeschränkt ist2. Prüfungsmaßstab für derartige Klauseln ist § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und nicht etwa § 308 Nr. 4 BGB3. Als unbedenklich können Klauseln angesehen werden, die den Arbeitgeber berechtigen, dem Arbeitnehmer unter Wahrung seiner Interessen eine andere zumutbare und gleichwertige Arbeit zuzuweisen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht4. Zulässig ist daher etwa folgende Klausel: „Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin die Zuweisung eines anderen, zumutbaren, gleichwertigen Arbeitsplatzes unter Beibehaltung der vertraglichen Vergütung vor.“ Derartige Klauseln – auch wenn sie keine Gründe für die Änderung enthalten – sind mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, vereinbar, da bereits § 106 GewO ein weitgehendes Bestimmungsrecht enthält5. Klauseln, die jedoch eine Umgehung des Kündigungsschutzrechts oder einen Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses darstellen, werden wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein6. Das bedeutet, dass insbesondere Klauseln unangemessen sind, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, das Entgelt zu kürzen oder dem Arbeitnehmer geringwertigere Arbeiten zuzuweisen7. 20 Einzelvertraglich kann das Direktionsrecht des Arbeitgebers ebenfalls eingeschränkt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Vereinbarung mit Teilzeitbeschäftigten über die Verteilung und konkrete Lage der Arbeitszeit. Die zeitliche Lage von von vornherein vertraglich festgelegten, ggf. auch nur praktizierten Arbeitszeiten darf der Arbeitgeber regelmäßig nicht kraft Direktionsrechtes einseitig verändern. Vielmehr ist er insoweit auf das Einverständnis des Arbeitnehmers oder den Ausspruch einer wirksamen Änderungskündigung angewiesen. Eine hiervon abweichende Regelung ist vertraglich explizit zu vereinbaren, dh., der Arbeitgeber muss sich die anderweitige Verteilung der Arbeitszeit im Vertrag ausdrücklich vorbehalten. Das gilt auch dann, wenn er den Arbeitnehmer über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zur Arbeit heranziehen will.
1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149. 2 Vgl. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; Lingemann, NZA 2002, 181 (191); Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2125). 3 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149. 4 LAG Berlin v. 24.9.2004 – 6 Sa 1116/04, MDR 2005, 402. 5 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; Hunold, NZA 2007, 19 (21). 6 LAG Brandenburg v. 24.6.2004 – 1 Sa 108/04, ArbuR 2004, 475 (Ls.); Küttner/Reinecke, Versetzung Rz. 4; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 39. 7 Küttner/Reinecke, Versetzung Rz. 4, 8; vgl. auch LAG Köln v. 9.1.2007 – 9 Sa 1099/06, NZA-RR 2007, 343.
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I. Grundlagen
Rz. 23
Teil 3 D
cc) Einschränkung durch zwingende Normen des Arbeitsrechts Der Arbeitnehmer muss selbstverständlich keine gesetzes- oder sittenwid- 21 rigen Weisungen befolgen, da diese nach § 134 BGB bzw. § 138 BGB nichtig sind1. Wichtig sind in diesem Zusammenhang vor allem die zwingenden Normen des Arbeits-, insbesondere des Arbeitsschutzrechts2. Der Verstoß des Arbeitnehmers gegen derartige Weisungen kann mithin arbeitsrechtlich keine wirksamen Sanktionen des Arbeitgebers nach sich ziehen. Unzulässig sind somit Weisungen, die gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Beispiele hierfür sind Arbeitszeitgrenzen, Unfallverhütungsvorschriften, Beschäftigungsverbote und Strafgesetze. Unwirksam sind aber auch Weisungen, mit denen § 2 KSchG umgangen werden soll3, die gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen § 4 TzBfG verstoßen oder die eine diskriminierende Maßnahme im Sinne des AGG darstellen. Die Weisung darf ferner keine unzulässige Maßregel nach § 612a BGB darstellen4. dd) Einschränkung durch Richtlinien und Verwaltungsvorschriften Im öffentlichen Dienstrecht kann überdies der Arbeitgeber durch Richt- 22 linien, Erlasse und andere Verwaltungsvorschriften bei der Ausübung seines Ermessens gebunden sein, so dass er bei der Ausübung seines Direktionsrechtes nur nach diesen allgemeinen Regeln vorgehen darf5. Beispiele für eine derartige Selbstbindung sind etwa Richtlinien, die bestimmte Auswahlkriterien bei Versetzungen oder Abordnungen vorsehen6, Verordnungen/Erlasse über den Umfang einer Lehrerverpflichtung7 oder die Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums des Landes Baden-Württemberg über den Wechsel- und Bereitschaftsdienst im Justizvollzug8. ee) Einschränkung durch Konkretisierung aufgrund tatsächlicher Tätigkeit oder betrieblicher Übung Die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebenen Arbeitspflichten können sich im Laufe der Zeit auf bestimmte Arbeitsinhalte, -plätze oder -bedingungen konkretisieren. Dies kann durch die tatsächlich ausgeübte 1 BAG v. 20.12.1984, 2 AZR 436/83, BAGE 47, 363 = NZA 1986, 21. 2 Allerdings können Arbeitsschutzvorschriften auch zu einer Erweiterung führen: So kann der Arbeitgeber bei einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot auch eine Ersatztätigkeit zuweisen, die nicht vom Vertrag gedeckt ist; vgl. BAG v. 15.11.2000 – 5 AZR 365/99, BAGE 96, 228 = NZA 2001, 386; HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 22. 3 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, BAGE 47, 314 = NZA 1985, 321; LAG Düsseldorf v. 17.3.1995 – 17 Sa 1981/94, DB 1995, 2224. 4 LAG Thür. v. 10.3.2005 – 1 Sa 578/03. 5 BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 1009/94, NZA-RR 1996, 313; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 417/06; LAG Berlin v. 14.12.1998 – 9 Sa 95/98, ZTR 1999, 223; LAG Köln v. 13.6.2000 – 13 (2) Sa 480/00, ZTR 2001, 36; Preis, Arbeitsvertrag, II D 30 Rz. 19. 6 Vgl. BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 417/06. 7 BAG v. 14.10.2004 – 6 AZR 472/03, ZTR 2005, 330. 8 V. 19.3.1997, Justiz 1997, 164. Laber
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23
Teil 3 D
Rz. 24
Direktionsrecht
Tätigkeit oder eine betriebliche Übung erfolgen1. Im öffentlichen Dienst ist das Entstehen einer das Direktionsrecht beeinflussenden betrieblichen Übung aufgrund der tarifvertraglichen Schriftformklausel (zB § 4 Abs. 2 BAT, § 2 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L) sowie des Grundsatzes des Normvollzugs jedoch nur ausnahmsweise möglich (vgl. zu den Einzelheiten Teil 3 E Rz. 14). Die Konkretisierung führt insoweit zu einer konkludenten Änderung des Arbeitsvertrages und mithin zu einer Beschränkung des Direktionsrechtes des Arbeitgebers2. 24 Eine Konkretisierung aufgrund der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit tritt jedoch nicht allein durch bloßen Zeitablauf ein. So soll selbst nach einer 25-jährigen Beschäftigung auf einem bestimmten Arbeitsplatz eine Umsetzung des Arbeitnehmers vom Direktionsrecht noch gedeckt sein3. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist dieser Grundsatz von besonderer Bedeutung, da andernfalls ein sachgerechtes Umsetzen langjährig Beschäftigter vor dem Hintergrund des Ausschlusses der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung dieser Beschäftigten (vgl. § 34 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L, § 53 Abs. 2 BAT) selbst durch Änderungskündigungen nicht möglich wäre4. 25 Um von einer Konkretisierung ausgehen zu können, müssen daher besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll5. Die Darlegungs- und Beweislast für diese besonderen Umstände trifft den Arbeitnehmer6. Eine das Direktionsrecht einschränkende Konkretisierung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen darf, dass es eine einseitige Einwirkung auf seinen Arbeitsbereich nicht mehr geben wird7. Als Beispiele solcher besonderen Umstände lassen sich etwa die Ausbildung, die Beförderung, die Gewöhnung an einen bestimmten Rechtszustand, die Übertragung von Führungsaufgaben oder eine Zusage des Arbeitgebers nennen. Ist das Direktionsrecht – wie etwa im öffentlichen Dienst durch § 4 TVöD bzw. TV-L, § 12 BAT – tarifvertraglich erweitert, wird insoweit jedoch eine Konkretisierung ausgeschlossen sein. Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit führt ebenfalls nicht automatisch zu einer Konkretisierung des Arbeitsvertrags.
1 LAG Berlin v. 1.3.1999 – 9 Sa 133/98 u. 135/98, BB 1999, 800; ErfK/Preis, § 106 GewO Rz. 2; aA bzgl. betrieblicher Übung HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 237; Hennige, NZA 1999, 281 (287). 2 BAG v. 27.3.1980 – 2 AZR 506/78, EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 2; BAG v. 11.2.1998 – 5 AZR 472/97, NZA 1998, 647. 3 LAG Hessen v. 12.12.2002 – 5 SA 688/02, NZA-RR 2003, 545; vgl. auch LAG Rh.Pf. v. 5.7.1996 – 10 Sa 165/96, NZA 1997, 1113 (13-jährige Beschäftigung). 4 Vgl. Conze, Rz. 1448. 5 BAG v. 7.12.2000 – 6 AZR 444/99, NZA 2001, 780; BAG v. 29.9.2004 – 5 AZR 559/03, ZTR 2005, 274; LAG Schl.-Holst. v. 2.5.2007 – 6 Sa 504706; Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (413). 6 BAG v. 11.2.1998 – 5 AZR 472/97, NZA 1998, 647. 7 BAG v. 27.3.1980 – 2 AZR 506/78, EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 2; BAG v. 11.2.1998 – 5 AZR 472/97, NZA 1998, 647.
226 Laber
I. Grundlagen
Rz. 28
Teil 3 D
Auch die langjährige Nichtausübung des Direktionsrechts lässt einen das 26 Direktionsrecht einschränkenden Vertrauenstatbestand nicht entstehen1. Insbesondere entsteht dadurch keine betriebliche Übung. Die langjährige Ausübung einer bestimmten Tätigkeit kann indes bei der im Rahmen der Ausübungskontrolle (vgl. Rz. 28 ff.) erforderlichen Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, etwa bei der Frage der Zumutbarkeit eines Ortswechsels im Zusammenhang mit einer Versetzung. Der Arbeitgeber kann sich durch Erklärungen gegenüber dem Arbeitneh- 27 mer binden und sein Direktionsrecht insoweit einschränken. Wenn er zB dem Arbeitnehmer höherwertige Aufgaben vorläufig überträgt und die dauerhafte Übertragung nur von der fachlichen Bewährung abhängig macht, darf er sie ihm später nicht aus anderen Gründen entziehen2. Die jahrelange Anordnung von Überstunden bindet den Arbeitgeber jedoch nicht dahingehend, auch in Zukunft ein bestimmtes Maß an Überstunden anzuordnen3. Ebenso wenig ist der Arbeitgeber in seinem Direktionsrecht eingeschränkt, nur weil der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen Arbeitsplatz die Möglichkeit auf Zusatzeinnahmen hatte4. ff) Einschränkung durch „billiges Ermessen“ iSv. § 315 Abs. 3 BGB (Ausübungskontrolle) § 106 GewO legt fest, dass das Direktionsrecht nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf. Das bedeutet, dass die Grenzen des § 315 Abs. 3 BGB eingehalten werden müssen. Die Ausübung des Direktionsrechts entspricht dann billigem Ermessen, wenn im jeweiligen konkreten Einzelfall die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt wurden5. Ob die Grenzen des billigen Ermessens eingehalten wurden, ist gerichtlich voll überprüfbar (sog. Ausübungskontrolle)6. Es ist dabei die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts maßgeblich7.
1 BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 802/94, NZA 1996, 718; BAG v. 7.12.2000 – 6 AZR 444/99, NZA 2001, 780; LAG Berlin v. 1.3.1999 – 9 Sa 133/98 u. 135/98, BB 1999, 800; LAG Düsseldorf v. 23.10.1991 – 4 Sa 789/91, LAGE § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 10. 2 BAG v. 17.12.1997 – 5 AZR 332/96, BAGE 87, 311 = NZA 1998, 555. 3 LAG Köln v. 5.2.1999 – 6 Sa 1252/98, NZA-RR 1999, 517. 4 LAG Rh.-Pf. v. 5.7.1996 – 10 Sa 165/96, NZA 1997, 1113. 5 BAG v. 25.10.1989 – 2 AZR 633/88, NZA 1990, 561; BAG v. 19.5.1992 – 1 AZR 418/91, NZA 1992, 978; BAG v. 24.4.1996 – 5 AZR 1031/94, NZA 1996, 1088; BAG v. 21.1.2004 – 6 AZR 583/02, BAGE 109, 207 = NZA 2005, 61. 6 BAG v. 25.10.1989 – 2 AZR 633/88, NZA 1990, 561; BAG v. 19.5.1992 – 1 AZR 418/91, NZA 1992, 978. 7 BAG v. 21.1.2004 – 6 AZR 583/02, BAGE 109, 207 = NZA 2005, 61; LAG Hessen v. 19.12.2005 – 16 Sa 423/05. Laber
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28
Teil 3 D
Rz. 29
Direktionsrecht
29 Die vom Arbeitgeber bei der Ausübung seines Direktionsrechts zu berücksichtigenden Interessen sind vielfältig. Von besonderem Gewicht in der Praxis sind: – Berücksichtigung der Grundrechte (Gewissensfreiheit1, Religionsfreiheit2, Wissenschaftsfreiheit; Kunstfreiheit3; körperliche Unversehrtheit, allgemeines Persönlichkeitsrecht etc.) – Berücksichtigung familiärer Belange (insbesondere Pflege von Angehörigen und Kindererziehung, §§ 1626, 1627 BGB)4; – Berücksichtigung gesundheitlicher Belange (Fürsorgepflicht) und Behinderungen des Arbeitnehmers (vgl. § 106 Satz 3 GewO, § 81 Abs. 4 SGB IX5); – bei Wechsel des Arbeitsplatzes oder Dienstortes Berücksichtigung der zurückzulegenden Entfernung und Reisemöglichkeiten6. 30 Der Arbeitgeber muss eine Gewissensentscheidung des Arbeitnehmers respektieren; er darf sie nur auf seine Plausibilität prüfen7. Daran fehlt es zB, wenn der Arbeitnehmer schon bei Vertragsabschluss damit rechnen musste, dass ihm Tätigkeiten übertragen werden können, die zu einem Gewissenskonflikt führen8. In den neuen Spartentarifverträgen des öffentlichen Dienstes ist vorgesehen, für derartige Konfliktfälle Schlichtungskommissionen einzusetzen oder Ombudspersonen zu ernennen, die Empfehlungen zur Konfliktlösung aussprechen sollen9. 4. Anspruch auf Ausübung des Direktionsrechts (Fürsorgepflicht) 31 Da das Direktionsrecht nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf, muss der Arbeitgeber auch bei der Ausübung seine Fürsorgepflicht hinreichend beachten. Das kann bedeuten, dass er zum Schutz seiner Arbeitnehmer sogar zu einer ganz bestimmten Ausübung des Direktionsrechts gegenüber dem Arbeitnehmer oder anderen Arbeitnehmern verpflichtet ist. In Betracht kommt ein Anspruch auf Umsetzung oder Versetzung, etwa wenn der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen die vertraglich vereinbarte Arbeit nicht erbringen kann10. Beispiele hierfür sind
1 BAG v. 20.12.1984, 2 AZR 436/83, BAGE 47, 363 = NZA 1986, 21; BAG v. 24.5.1989 – 2 AZR 285/88, BAGE 62, 59 = NZA 1990, 144. 2 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, BAGE 103, 111 = NZA 2003, 483. 3 Vgl. BAG v. 13.6.2007 – 5 AZR 564/06. 4 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, ZTR 2005, 208; LAG Hamm v. 28.7.2003 – 8 Sa 1493/02, ArbRB online 2004, 173; LAG Nürnberg v. 8.3.1999 – 9 AZR 409/04, NZA 2000, 263; LAG Rh.-Pf. v. 19.1.2005 – 10 Sa 820/04, DB 2005, 1522. 5 Vgl. LAG Köln v. 28.6.2006 – 7 Sa 1506/05. 6 Als Maßstab kommen die Zumutbarkeitsregelungen des § 121 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB III in Betracht. 7 Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 51. 8 Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 53. 9 ZB § 3 Abs. 8 TV Ärzte. 10 Küttner/Reinecke, Versetzung Rz. 10.
228 Laber
I. Grundlagen
Rz. 32
Teil 3 D
gesundheitliche Gründe1, Gewissensgründe oder der vorübergehende Verlust des Führerscheins2. Möglich ist auch, dass sich aus Tarifverträgen, Dienst- oder Betriebsvereinbarungen Ansprüche auf Umsetzung oder Versetzung ergeben3 (zB § 3 TV-Rationalisierungsschutz). Bei Schwerbehinderten ist überdies der Beschäftigungsanspruch nach § 81 Abs. 4 SGB IX zu beachten4. Ferner können Weisungen bei Streitigkeiten oder Spannungen zwischen den Arbeitnehmern geboten sein (vgl. § 12 Abs. 3 iVm. § 7 Abs. 1 AGG)5. Es besteht aber aufgrund der Fürsorgepflicht keine generelle Verpflichtung für den Arbeitgeber, einen anderen Arbeitsplatz freizumachen oder einen weiteren Arbeitsplatz zu schaffen6. Auch muss der öffentlichrechtliche Arbeitgeber nicht ohne weiteres prüfen, ob eine Versetzung landes- oder bundesweit in eine andere Dienststelle möglich ist7. 5. Rechtsfolgen der Ausübung des Direktionsrechts a) Rechtmäßige Weisung Folgt der Arbeitnehmer einer rechtmäßigen Weisung nicht, liegt darin eine Nicht- oder Schlechterfüllung der Arbeitspflicht. Er verliert dann seinen Lohnanspruch, weil er nicht gearbeitet hat und auch nicht seine Arbeitsleistung wie geschuldet angeboten hat8. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer abmahnen und bei wiederholter Nichtbefolgung einer Weisung eine ordentliche Kündigung aussprechen. Voraussetzung ist jedoch eine schuldhafte Verletzung der Arbeitspflicht. Bei beharrlicher Arbeitsverweigerung kann auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein9. Ferner besteht die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen10. Dieses Risiko kann der Arbeitnehmer nur umgehen, wenn er der Weisung trotz seiner Bedenken entsprechend § 2 KSchG unter Vorbehalt nachkommt und den Umfang seiner Arbeitspflicht durch eine Feststellungsklage (Rz. 35) gerichtlich klären lässt11.
1 Vgl. LAG Köln v. 19.12.2001 – 7 (12) Sa 1376/00, MDR 2002, 765; LAG Köln v. 7.11.2006 – 9 Sa 888/06. 2 Vgl. BAG v. 18.12.1986 – 2 AZR 34/86, NZA 1987, 377. 3 Küttner/Reinecke, Versetzung Rz. 10, 11. 4 BAG v. 14.3.2006 – 9 AZR 411/05, NZA 2006, 1214; LAG Nds. v. 1.7.2003 – 13 Sa 1853/02. 5 HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 50. 6 BAG v. 10.5.2005 – 9 AZR 230/04; LAG Köln v. 7.11.2006 – 9 Sa 888/06; zur Freikündigungspflicht vgl. BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 207/05, BB 2007, 668. 7 LAG Köln v. 7.11.2006 – 9 Sa 888/06. 8 LAG Sachsen v. 30.1.2007 – 7 Sa 77/06; Küttner/Ruppelt, Weisungsrecht Rz. 21. 9 BAG v. 12.4.1973 – 2 AZR 291/72, DB 1973, 1904; LAG BW v. 14.11.2006 – 1 Sa 1/06. 10 Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (418); Küttner/Griese, Weisungsrecht Rz. 21. 11 Richter, DB 1989, 2430; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 55. Laber
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32
Teil 3 D
Rz. 33
Direktionsrecht
b) Rechtswidrige Weisung 33 Überschreitet der Arbeitgeber sein Direktionsrecht oder ist die Weisung aus anderen Gründen – etwa wegen Missachtung der Mitbestimmung (vgl. hierzu Teil 9) – rechtswidrig, entfällt auch insoweit die Gehorsams- und Arbeitspflicht des Arbeitnehmers. Er ist dann berechtigt, die ihm nach Art, Zeit und Ort zugewiesenen Arbeiten abzulehnen, ohne das deshalb eine Abmahnung oder gar eine Kündigung ausgesprochen werden darf1. Eine vollständige Einstellung der Arbeit (§ 273 BGB) ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer zuvor auf die Unzumutbarkeit der Arbeit hingewiesen hat. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dann gleichwohl keine andere Arbeit zu, so dass dieser nicht beschäftigt werden kann, behält der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch, da sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug gemäß § 615 BGB befindet2. c) Gerichtliche Besonderheiten 34 Besteht Streit über die Ausübung des Direktionsrechts, also über die Zulässigkeit einer Weisung des Arbeitgebers, kann der Arbeitnehmer Zahlungsklage erheben, sofern er wegen der Nichtbefolgung der Weisung nicht die volle Vergütung erhalten hat. Ferner kann er im Wege der Leistungsklage (§ 315 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 BGB) verlangen, dass eine der Billigkeit entsprechende Weisung durch das Arbeitsgericht ausgesprochen wird3. 35 Der Arbeitnehmer kann aber auch Feststellungsklage erheben. Dem steht bei Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes nicht der Vorrang der Leistungsklage entgegen, da anzunehmen ist, dass diese auch einem Feststellungsurteil Folge leisten4. Unerheblich ist auch, dass nach § 256 ZPO nur auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden kann, weil bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses nicht als zulässige Streitgegenstände eines Feststellungsbegehrens angesehen werden. Denn eine Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis im Ganzen erstrecken, sondern kann auch nur einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis betreffen, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht5. Bei Streitigkeiten über den Umfang des Direktionsrechts besteht immer eine tatsächliche und rechtliche Ungewissheit über den Umfang der Arbeitspflicht, die durch die ideelle Rechtskraftwir-
1 BAG v. 24.5.1989 – 2 AZR 285/99, BAGE 62, 59 = NZA 1990, 144; BAG v. 25.10.1989 – 2 AZR 633/88, NZA 1990, 561; LAG BW v. 31.3.2006 – 2 Sa 117/05, AuA 2006, 362; Küttner/Griese, Weisungsrecht Rz. 20. 2 Vgl. BAG v. 3.12.1980 – 5 AZR 477/78, BB 1981, 1399; LAG Hessen v. 4.12.2006 – 17 Sa 452/06, NZA-RR 2007, 186; Küttner/Griese, Weisungsrecht Rz. 20; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 54. 3 Vgl. hierzu Richter, DB 1989, 2430. 4 Vgl. BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06. 5 BAG v. 18.11.1968 – 3 AZR 255/67, NJW 1969, 680; BAG v. 19.6.1985 – 5 AZR 57/84, AP Nr. 11 zu § 4 BAT; LAG Berlin v. 1.3.1999 – 9 Sa 133/98 u. 135/98, BB 1999, 800.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 38
Teil 3 D
kung eines Feststellungsurteils beseitigt werden kann1. Die Feststellungsklage muss nicht – auch nicht analog – innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG erhoben werden2. In Betracht kommt jedoch eine Verwirkung, wenn der Arbeitnehmer die Weisung nicht zeitnah angreift, sondern ihr über längere Zeit widerspruchslos nachkommt3. Ob zumindest in Ausnahmefällen sogar die Untersagung einer – beabsich- 36 tigten – Erteilung einer – rechtswidrigen – Weisung im Wege einer einstweiligen Verfügung in Betracht kommt, ist umstritten4. Ein entsprechender Antrag wird regelmäßig am fehlenden Verfügungsanspruch scheitern, weil der Arbeitnehmer bei einer rechtswidrigen Weisung die Arbeit verweigern kann. In Betracht kommt jedoch zumindest bei offensichtlich rechtswidrigen Weisungen, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend macht.
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst 1. Änderung des Arbeitsplatzes Durch § 4 TVöD, § 4 TV-L bzw. § 12 BAT/BAT-O5 wird das Direktionsrecht 37 des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers insoweit erweitert, als dass er den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers ändern kann. Dem Arbeitgeber stehen dazu verschiedene rechtliche Instrumentarien zur Verfügung: Umsetzung, Versetzung, Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung6. a) Umsetzung Die Umsetzung bezieht sich auf den Wechsel des konkreten Arbeitsplatzes und der konkreten Tätigkeit innerhalb des Betriebes bzw. der betreffenden Dienststelle7. und kann auf Dauer oder vorübergehend erfolgen8. Eine ge1 LAG Berlin v. 1.3.1999 – 9 Sa 133/98 u. 135/98, BB 1999, 800. 2 Richter, DB 1989, 2430. 3 Vgl. BAG v. 12.12.2006 – 9 AZR 747/06, NZA 2007, 396 = DB 2007, 579 mehr als zwei Jahre; LAG Nürnberg v. 20.7.2005 – 9 (6) Sa 120/03, NZA-RR 2006, 162 (jahrelanges Untätigbleiben); ArbG Berlin v. 9.11.2005 – 7 Ca 10394/05, LAGE § 242 BGB 2002 Prozessverwirkung (mehr als zwei Jahre); aA Richter, DB 1989, 2430, der hinsichtlich des Zeitmoments die Dreiwochenfrist des § 4 KSchG heranziehen will. 4 Befürwortend: Küttner/Griese, Weisungsrecht Rz. 20; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 56; vgl. auch LAG Sachsen v. 8.3.1996 – 3 Sa 77/96, NZA-RR 1997, 4; abl.: LAG MV v. 29.6.2006 – 1 Sa 51/06; LAG München v. 1.12.2004 – 5 Sa 913/04, NZA-RR 2005, 354. 5 Der im BAT/BAT-O verwendete Begriff Dienstort wurde im TVöD bzw. TV-L durch den Begriff Arbeitsort ersetzt, ohne dass damit jedoch eine Bedeutungsänderung verbunden ist (vgl. Protokollerklärung zu § 4 Abs. 1 TVöD). 6 Vgl. Laber, ArbRB 2006, 364. 7 LAG Berlin v. 14.12.1998 – 9 Sa 95/98, ZTR 1999, 223; LAG Brandenburg v. 2.6.2006 – 5 Sa 653/05. 8 Conze, Rz. 1445. Laber
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Teil 3 D
Rz. 39
Direktionsrecht
setzliche oder tarifvertragliche Begriffsbestimmung der Umsetzung gibt es nicht. Der Begriff hat seine nähere Bestimmung durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Beamtenrecht erfahren. Die erste gesetzliche Regelung, die den Begriff „Umsetzung“ verwendet und an ihre Rechtsfolgen anknüpft, ist – soweit ersichtlich – das BPersVG vom 15.3.19741. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist Umsetzung die Zuweisung eines anderen Dienstpostens (funktionelles Amt im konkreten Sinne) innerhalb derselben Behörde2. Diese Begriffsbestimmung gilt auch im vorliegenden Zusammenhang. Sie stellt für das Vorliegen einer Umsetzung darauf ab, ob dem Beschäftigten der durch Geschäftsverteilung, Zuweisung, Bestellung, Beauftragung oder entsprechende Anordnung übertragene bisherige dienstliche Aufgabenbereich entzogen und ein neuer zugewiesen worden ist3. 39 Die Umsetzung unterscheidet sich von sonstigen Änderungen des zugewiesenen Aufgabenbereichs dadurch, dass eine „Abberufung“ von dem bisherigen Dienstposten mit der „Zuweisung“ eines anderen Dienstpostens einhergeht4. Fällt ein Teil der Aufgabenstellung weg oder wird diese ersetzt, so liegt eine Umsetzung im Sinne einer prägenden Änderung der Gesamttätigkeit dann vor, wenn die Änderungen den überwiegenden Teil des Aufgabengebietes umfassen, die Summe der ansonsten einzeln betrachtet nicht die Umsetzung begründenden Umstände insgesamt das Bild einer neuen Tätigkeit beschreiben. Ein solcher Fall ist dann gegeben, wenn räumlicher Wechsel, Vorgesetztenwechsel und teilweise Tätigkeitsänderung zusammenkommen5. Eine Umsetzung liegt dagegen nicht vor, wenn unter Beibehaltung des bisherigen Dienstpostens lediglich ein Teil des bisherigen Aufgabenbereiches entzogen wird6 oder ein zusätzlicher Arbeitsbereich übertragen wird7. 40 Ist die Umsetzung somit tarifvertraglich nicht geregelt (insbesondere von § 4 TVöD, § 4 TV-L bzw. § 12 BAT/BAT-O nicht erfasst), so ist sie gleichwohl aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers grundsätzlich einseitig zulässig, soweit die neue Tätigkeit von der bisherigen Entgeltgruppe abgedeckt ist8 (zu den Einzelheiten der Zuweisung einer anderen Tätigkeit siehe Rz. 55 ff.). Besondere Gründe für eine Umsetzung müssen nicht vorliegen, sie muss jedoch billigem Ermessen iSd. § 315 Abs. 3 BGB entsprechen. Erfolgt eine Umsetzung im Rahmen einer umfassenden Umorganisation, liegt in aller Regel ein sachlicher Grund für die Umsetzung vor9. In 1 BGBl. I 1974, 693. 2 BVerwG v. 4.5.1972 – II C 13.71, BVerwGE 40, 104; BVerwG v. 22.5.1980 – 2 C 30/78, BVerwGE 60, 144. 3 BVerwG v. 3.4.1984 – 6 P 3.83, Schütz BeamtR ES/A II 4.3 Nr 3; OVG Münster v. 10.4.1984 – CL 22/83, ZBR 1984, 339; OVG Münster v. 8.5.1984 – CL 38/82, RiA 1984, 283. 4 BVerwG v. 9.11.1984 – 7 C 5/84, NVwZ 1985, 264; OVG Münster v. 26.6.1984 – CL 29/83, ZBR 1985, 118. 5 VG Aachen v. 28.8.1997 – 16 K 1038/97. PVL, PersR 1998, 116. 6 OVG Münster v. 8.5.1984 –, RiA 1984, 284. 7 OVG Münster v. 2.10.1984 – CL 16/83. 8 Conze, Rz. 1445. 9 Vgl. LAG Brandenburg v. 2.6.2006 – 5 Sa 653/05.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 43
Teil 3 D
Ausnahmefällen kann eine Umsetzung aufgrund der Konkretisierung der geschuldeten Tätigkeit nicht mehr möglich sein (zu den Einzelheiten der Konkretisierung siehe Rz. 23). Will der Arbeitgeber durch Umsetzung Spannungen zwischen Arbeitneh- 41 mern verhindern oder beseitigen, ist dies von seinem Direktionsrecht gedeckt. Er ist nicht verpflichtet, zunächst eine Abmahnung auszusprechen1. Eine Abmahnung stellt nämlich idR wegen der damit verbundenen Dokumentation und Kündigungsandrohung kein milderes Mittel dar2. Der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, abschließend die Ursachen der Spannungen zu ergründen und anschließend nur den „Schuldigen“ umzusetzen3. Vielmehr steht es ihm grundsätzlich frei, wie er auf Konfliktlagen reagiert4. Deshalb kann auch die Umsetzung von mehreren Arbeitnehmern zur Konfliktlösung und Sicherung des Betriebsfriedens billigem Ermessen entsprechen5. Allerdings darf die Umsetzung keine nach § 612a BGB unzulässige Maßregelung sein6. b) Versetzung Unter einer Versetzung ist die Zuweisung einer auf Dauer bestimmten Be- 42 schäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu verstehen7. Im Unterschied zur Umsetzung erfolgt ein Wechsel der Dienststelle (Behördenwechsel). Der Entzug eines Tätigkeitsbereichs stellt daher noch keine Versetzung im tarifrechtlichen Sinne dar8. Ebenso ist der Wechsel des Einsatzortes keine Versetzung, soweit damit kein Wechsel der Dienststelle verbunden ist (zur Änderung des Arbeitsortes siehe Rz. 53). Auch eine bloße Zuordnung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst zu sog. Stellenpools, dh. zu besonderen Dienststellen im Rahmen eines zentralen Personalmanagements für den Fall von Personalüberhangsituationen, stellt so lange keine Versetzung dar, wie der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen Arbeitsplatz verbleibt und ihm keine andere Tätigkeit zugewiesen wird9. Allerdings muss auch hier im Einzelfall die Ermessensentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB überprüft werden. Eine Versetzung ist nur möglich, wenn dienstliche oder betriebliche Grün- 43 de vorliegen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVöD bzw. TV-L, § 12 Abs. 1 BAT/BAT-O). Dies ist der Fall, wenn die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung in der Ver1 2 3 4 5 6 7
BAG v. 24.4.1996 – 5 AZR 1031/94, NZA 1996, 1088. BAG v. 24.4.1996 – 5 AZR 1031/94, NZA 1996, 1088. LAG Schl.-Holst. v. 2.5.2007 – 6 Sa 504/06. BAG v. 24.4.1996 – 5 AZR 1031/94, NZA 1996, 1088. LAG Schl.-Holst. v. 2.5.2007 – 6 Sa 504/06. LAG Thür. v. 10.3.2005 – 1 Sa 578/03. Vgl. Protokollerklärung Nr. 2 zu § 4 Abs. 1 TVöD; BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 571/06, PersR 2007, 164; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 417/06. 8 Küttner/Reinecke, Versetzung, Rz. 2. 9 Vgl. BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 571/05, PersR 2007, 164; BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 656/05; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 417/06. Laber
233
Teil 3 D
Rz. 44
Direktionsrecht
waltung unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit den Einsatz des Arbeitnehmers bei der anderen Dienststelle erfordert1. Dienstliche oder betriebliche Gründe können bei Organisationsänderungen vorliegen, aber sich auch aus der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers ergeben2. In letzterem Falle kann jedoch die erforderliche Interessenabwägung ergeben, dass vor der Versetzung zunächst eine Abmahnung mit einem Hinweis auf die drohende Versetzung ausgesprochen werden muss3. Das Vorliegen der dienstlichen oder betrieblichen Gründe als tatbestandliche Voraussetzung ist gerichtlich voll überprüfbar4. Eine Zustimmung des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich5. 44 Die für eine Versetzung regelmäßig erforderliche personelle Auswahlentscheidung ist ferner auf ihre Billigkeit hin zu überprüfen (Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB). Die Entscheidung entspricht billigem Ermessen, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der ordnungsgemäßen Erfüllung öffentlicher Aufgaben das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes überwiegt6. Ist mit einer Versetzung ein dauerhafter Ortswechsel verbunden, sind zugunsten des Arbeitnehmers bei der Abwägung vor allem die betroffenen sozialen Belange wie schulpflichtige Kinder, Familienstand, Berufstätigkeit des Ehepartners, Immobilieneigentum oder Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen7. Es gelten aber nicht dieselben strengen Grundsätze wie bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung (§ 1 Abs. 3 KSchG)8. Ratsam ist es dennoch, die Auswahlentscheidungen sorgfältig, etwa durch Fragebögen, vorzubereiten und die Ermessenserwägungen hinreichend zu dokumentieren9. Im Rahmen der Ermessensausübung sind zudem eventuell bestehende verwaltungsinterne Richtlinien und Erlasse zu beachten, die die Versetzungsmöglichkeiten einschränken10.
1 BAG v. 11.6.1992 – 6 AZR 218/91, ZTR 1993, 201; LAG Brandenburg v. 6.4.2006 – 9 Sa 41/06. 2 BAG v. 21.6.1978 – 4 AZR 816/76, RiA 1979, 35; BAG v. 30.10.1985 – 7 AZR 216/83, NZA 1986, 713; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, BAT/BAT-O, § 12 Rz. 5; Conze, Rz. 1561. 3 BAG v. 30.10.1985 – 7 AZR 216/83, NZA 1986, 713; Bredemeier/Neffke/Cerff/ Weizenegger, BAT/BAT-O, § 12 Rz. 10. 4 BAG v. 21.1.2004 – 6 AZR 583/02, BAGE 109, 207 = NZA 2005, 61. 5 Eine Ausnahme ist § 12 Abs. 3 BAT/BAT-O für eine Versetzung während der Probezeit. 6 BAG v. 30.10.1985 – 7 AZR 216/83, NZA 1986, 213; LAG Brandenburg v. 6.4.2006 – 9 Sa 41/06. 7 LAG Berlin v. 14.12.1998 – 9 Sa 95/98, ZTR 1999, 223. 8 BAG v. 21.1.2004 – 6 AZR 583/02, BAGE 109, 207 = NZA 2005, 61; LAG Brandenburg v. 6.4.2006 – 9 Sa 41/06. 9 Vgl. LAG Brandenburg v. 6.4.2006 – 9 Sa 41/06. 10 Vgl. Nds. OVG v. 19.10.2006 – 5 ME 165/06 zu den Richtlinien zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen am Berufsleben im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen; LAG Hamm v. 8.3.2007 – 15 (11) Sa 1580/06 zum entsprechenden Runderlass in NRW.
234 Laber
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 47
Teil 3 D
c) Abordnung Unter einer Abordnung ist die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäf- 45 tigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben oder eines anderen Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu verstehen1. Wird der Arbeitnehmer im Rahmen einer Abordnung bei einem anderen Arbeitgeber eingesetzt, ist es erforderlich, dass bei diesem der allgemeine Teil des BAT/BAT-O bzw. TVöD/TV-L Anwendung findet2. Im Übrigen entsprechen die Voraussetzungen für eine Abordnung denen für eine Versetzung (vgl. § 4 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L), so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann (siehe Rz. 42 ff.)3. In der Praxis erfolgt die Abordnung zumeist als Vorstufe für eine Verset- 46 zung (Abordnung mit dem Ziel der Versetzung). Sie hat somit vielfach den Charakter einer Erprobung4. Vor einer länger als drei Monate andauernden Abordnung ist der Beschäftigte anzuhören (§ 4 Abs. 1 Satz 2 TVöD bzw. TV-L, § 12 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O). Sie ist nachzuholen, wenn die Abordnung auf über drei Monate verlängert wird. Es gibt keine Mindest- oder Höchstdauer einer Abordnung5. Möglich sind auch Teilabordnungen, dh., der Arbeitnehmer soll nur einen Teil seiner Arbeitszeit bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb verbringen6. d) Zuweisung Nach der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 2 TVöD (vgl. auch § 12 Abs. 2 BAT/BAT-O) wird als Zuweisung die – unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses – vorübergehende Beschäftigung bei einem Dritten im In- und Ausland, bei dem der Allgemeine Teil des TVöD nicht zur Anwendung kommt, verstanden. Dies sind vor allem zwischenstaatliche Organisationen, wie die EU-Kommission oder das Europäische Marken- und Patentamt. Erforderlich ist ein dienstliches, betriebliches oder öffentliches Interesse an der Zuweisung. Außerdem muss es sich um eine mindestens gleichwertige Tätigkeit handeln7, so dass auch mindestens die gleiche Vergütung gezahlt werden muss8. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L ist es nicht wie nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BAT/BAT-O erforderlich,
1 BAG v. 24.1.1973 – 4 AZR 104/72, BAGE 25, 12; BAG v. 11.6.1992 – 6 AZR 218/91, ZTR 1993, 201; vgl. jetzt auch Protokollerklärung Nr. 1 zu § 4 Abs. 1 TVöD. 2 Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L; vgl. Preis/Greiner, ZTR 2006, 290 (291). 3 Eine Ausnahme ist § 12 Abs. 3 BAT/BAT-O, wonach für eine Abordnung während der Probezeit die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich ist. 4 Conze, Rz. 1562. 5 BAG v. 11.6.1992 – 6 AZR 218/91, ZTR 1993, 201; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, BAT/BAT-O, § 12 Rz. 3. 6 BAG v. 11.6.1992 – 6 AZR 218/91, ZTR 1993, 201; zur Bestimmung des Dienstortes bei einer Teilabordnung vgl. BAG v. 26.10.2006 – 6 AZR 235/06. 7 Müller/Preis, Rz. 474. 8 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 191. Laber
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Teil 3 D
Rz. 48
Direktionsrecht
dass es sich bei der zugewiesenen Einrichtung um eine öffentlich-rechtliche Einrichtung handelt. Vielmehr ist auch eine Zuweisung zu einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft nunmehr zulässig1. 48 Im Gegensatz zu den anderen Maßnahmen des Personaleinsatzes kann die Zuweisung – unabhängig von ihrer Dauer – ausschließlich mit Zustimmung des Arbeitnehmers vorgenommen werden. Der Arbeitnehmer darf allerdings die Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Zuweisung – ähnlich wie in § 626 BGB – unzumutbar für den Arbeitnehmer ist2. Ein Beispiel hierfür ist die Betreuung minderjähriger Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger3. Die notwendige Zustimmung ändert aber nichts daran, dass es sich bei der Zuweisung um eine Ausübung des Direktionsrechts handelt, die der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Zu beachten ist, dass das Direktionsrecht nach erfolgter Zuweisung ausschließlich von der aufnehmenden Stelle ausgeübt wird4. e) Personalgestellung 49 Erstmals im öffentlichen Tarifrecht ist die in § 4 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L sowie den dazugehörigen Protokollerklärungen definierte Personalgestellung als Erweiterung des Direktionsrechts verankert. Darunter ist die unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem (privaten) Dritten zu verstehen5. Voraussetzung ist die Verlagerung der Aufgaben des Arbeitnehmers zu einem Dritten. Die Personalgestellung wird insbesondere bei Privatisierungen, die keinen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB darstellen, Bedeutung erlangen6. Aber auch im Falle eines Betriebsübergangs kann die Personalgestellung dann eine Rolle spielen, wenn ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB widersprochen hat7. Im Falle des wirksamen Widerspruchs geht das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 613a Abs. 1 BGB über, sondern verbleibt beim öffentlichen Arbeitgeber. Sofern dieser mangels Arbeitsplatzes nunmehr keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat, kann jetzt § 4 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L helfen: Der
1 2 3 4 5 6
Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 191. Conze, Rz. 1614. Laber, ArbRB 2006, 364 (366); Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 603. Müller/Preis, Rz. 474. Vgl. Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 TVöD. Vgl. zB Gesetz über das Personal der Bundeswertpapierverwaltung v. 12.7.2006, in Kraft getreten am 1.8.2006 (BGBl. I 2006, 1466); vgl. auch Plander, NZA 2002, 69. Möglich ist jedoch auch, dass es gerade durch eine Personalgestellung zu einem Betriebsübergang nach § 613a BGB kommt, vgl. hierzu Preis/Greiner, ZTR 2006, 290 (294). 7 Das Widerspruchsrecht kann bei einem (landes-)gesetzlich geregelten Übergang von Arbeitsverhältnissen von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ausgeschlossen werden, vgl. BAG v. 28.9.2006 – 8 AZR 441/05, AP Nr. 26 zu § 419 BGB; BAG v. 28.9.2006 – 8 AZR 124/05, NZA 2006, 848.
236 Laber
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 51
Teil 3 D
öffentliche Arbeitgeber kann verlangen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bei dem Erwerberbetrieb im Rahmen der Personalgestellung erbringt. Des Ausspruchs einer im öffentlichen Dienst nur schwierig sozial zu rechtfertigenden betriebsbedingten Kündigung bedarf es dann nicht1. Es besteht jedoch keine Pflicht zur Personalgestellung, um den Ausspruch 50 von Kündigungen zu vermeiden2. Liegen die sonstigen Voraussetzungen des § 1 KSchG in Bezug auf eine betriebsbedingte Kündigung vor, so steht die Möglichkeit der Personalgestellung nicht der sozialen Rechtfertigung einer solchen Kündigung entgegen. Insbesondere ist der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung nicht gehalten, die Personalgestellung als ein gegenüber der Kündigung „milderes Mittel“ vorzunehmen3. Dies folgt unmittelbar aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG und der daraus resultierenden Verpflichtung des Arbeitgebers, vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zu prüfen, ob – unternehmensbezogen – eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in dem Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht. Bei der Möglichkeit der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L wird dagegen gerade auf den Einsatz des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmen abgestellt. Von daher kann richtigerweise die Personalgestellung nicht als Möglichkeit der Weiterbeschäftigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG und damit auch nicht als „milderes Mittel“ angesehen werden. Die Modalitäten der Personalgestellung regeln der Arbeitgeber und der 51 Dritte vertraglich. Fragen des Arbeitnehmerüberlassungsrechts sind nur dann zu beachten, wenn beim Personalgesteller Gewinnerzielungsabsicht vorliegt4. Dies dürfte bei Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes idR nicht der Fall sein, da die bloße Entlastung von der Beschäftigungs- und Vergütungspflicht keine Gewinnerzielungsabsicht und damit auch keine Gewerbsmäßigkeit begründet5. Eine Zustimmung des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich6. Außerhalb des Anwendungsbereichs des TVöD bzw. TV-L ist eine Personalgestellung nur einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer möglich.
1 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 194; Preis/Greiner, ZTR 2006, 290 (294 f.). 2 Conze, Rz. 1122. 3 So aber wohl: Plander, NZA 2002, 69 (75); dagegen Meyer, NZA 2005, 9 (11 f.). 4 Vgl. hierzu Preis/Greiner, ZTR 2006, 290 (295 f.). 5 BAG v. 20.4.2005 – 7 ABR 20/04, NZA 2005, 1006; LAG Hamm v. 12.10.2006 – 17 Sa 541/06. 6 Conze, Rz. 1220; Dassau/Langenbrinck, S. 61; von Steinau-Steinrück/Schmidt, NZA 2006, 518 (521). Laber
237
Teil 3 D
Rz. 52
Direktionsrecht
f) Übersicht 52 Überblick Personaleinsatz nach dem TVöD: Umsetzung
Versetzung
Abordnung
Zuweisung
Personalgestellung
Dauer
Dauerhaft oder vorübergehend
Dauerhaft
Vorübergehend
Vorübergehend
Dauerhaft
Veränderung des Ortes der Dienststelle/ Betrieb
Nein
Ja
Ja
IdR ja
Möglich
Betriebsinhaber
Derselbe
Derselbe
Derselbe oder Dritter (wenn TVöD zur Anwendung kommt)
Dritter Dritter (bei dem TVöD nicht zur Anwendung kommt, jedoch mindestens gleiche Vergütung)
Dienstlich/ betrieblich
Dienstlich/ betrieblich
Dienstliches, betriebliches oder öffentliches Interesse
Grund
Dauerhafte Verlagerung der dem Arbeitnehmer obliegenden Aufgabe auf einen Dritten
Zustimmung Arbeitnehmer
Nein
Nein, aber Anhörung
Nein, aber Anhörung, wenn voraussichtlich mehr als drei Monate
Nein Ja, aber Verweigerung nur aus wichtigem Grund möglich
Kontrolle
§ 106 GewO (billiges Ermessen)
§ 106 GewO (billiges Ermessen)
§ 106 GewO (billiges Ermessen)
§ 106 GewO (billiges Ermessen)
§ 106 GewO (billiges Ermessen)
Mitbestimmung Ja, bei (Personalvertre- Wechsel des Dienstortes/ tung – Bund) § 75 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 2 BPersVG)
Ja, § 75 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG (sowohl der abgebenden als auch der aufnehmenden Stelle
Ja, bei mehr als drei Monaten (§ 75 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG, sowohl der abgebenden wie der aufnehmenden Stelle)
Ja, bei mehr als drei Monaten (§ 75 Abs. 1 Nr. 4a BPersVG, abgebende Stelle)
Nein, nur Informationsrecht
2. Änderung des Arbeitsortes 53 Bei Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes ist Dienstort die politische Gemeinde, in der der Arbeitnehmer tatsächlich regelmäßig seinen Dienst leistet1. Nicht entscheidend ist die – nach § 2 Nr. 4 NachwG erforderliche 1 BAG v. 1.12.1994 – 6 AZR 354/94, ZTR 1995, 414 (bzgl. Reisekosten); HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 334.
238 Laber
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 54
Teil 3 D
– Nennung des Dienstortes im Arbeitsvertrag. Denn die Bezeichnung des Dienstortes bezieht sich regelmäßig nur auf die erste Dienststelle, hat jedoch nicht zur Folge, dass sich der Arbeitgeber – genauso wie bei der Tätigkeitsbeschreibung – dauerhaft seines Direktionsrechts begeben will1, es sei denn, es liegt eine eindeutige und klare Absprache oder Zusage bezüglich des Dienstortes vor2. Eine Festlegung, Konkretisierung oder Änderung des Dienstortes durch den Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts ist somit möglich. Der Dienstort kann sich nicht nur im Falle einer Änderung des Arbeits- 54 platzes, dh. als Folge einer Versetzung, Zuweisung etc. verändern, sondern auch bei einer Verlagerung der gesamten Dienststelle an einen anderen Ort. Eine Versetzung im eigentlichen Sinne liegt im letztgenannten Falle nicht vor, da durch die gesamte räumliche Verlegung der organisatorischen Einheit, zu der der Arbeitnehmer gehört, der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers in Beziehung zum betrieblichen Umfeld ansonsten unverändert bleibt3, so dass kein Fall des § 4 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L, § 12 Abs. 1 BAT vorliegt. Der Sachverhalt ist jedoch zumindest arbeitsvertraglich mit einer Versetzung vergleichbar4. Ob der Arbeitnehmer in diesen Fällen einer Weisung nachkommen muss, der Verlagerung zu folgen (Folgepflicht), ist dennoch umstritten. Die Rechtsprechung sieht eine derartige Weisung als grundsätzlich vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst an, solange ihre Befolgung nicht unzumutbar sei. Wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten nur am neuen Dienstort wahrnehmen könne, sei eine entsprechende Weisung rechtmäßig, selbst wenn die Dienststelle an einen entfernten Ort verlegt werde5. Dem ist zuzustimmen. Denn durch die Entscheidung des Arbeitgebers zur Verlagerung der Dienststelle, die gerichtlich nicht überprüfbar ist, fällt der Arbeitsplatz am alten Dienstort weg. Somit besteht ein dienstliches bzw. betriebliches Interesse an der Weisung. Es kann daher auch nicht entgegengehalten werden, dass eine Folgepflicht tarifvertraglich nicht geregelt und es für einen Arbeitnehmer in aller Regel unzumutbar ist, seinen bisherigen Lebenskreis zu verlassen6. Möglich und ratsam ist es, den Umfang und die Voraussetzungen einer Folgepflicht im Arbeitsvertrag insbesondere dann zu regeln, wenn eine Ver-
1 BAG v. 26.6.2002 – 6 AZR 50/00; BAG v. 24.1.2004 – 6 AZR 583/02, BAGE 109, 207 = NZA 2005, 61; Laber, ArbRB 2006, 364 (365). 2 Laber, ArbRB 2006, 364 (365); Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 426. 3 LAG Berlin v. 14.12.1998 – 9 Sa 95/98, ZTR 1999, 223; LAG Köln v. 30.1.1995 – 3 Sa 1200/94, ZTR 1995, 280; vgl. auch BGH v. 27.6.2006 – 1 ABR 35/05, NZA 2006, 1289. 4 LAG Berlin v. 14.12.1998 – 9 Sa 95/98, ZTR 1999, 223; Scheuring/Süsterhenn, ZTR 1991, 487 (491). 5 LAG Köln v. 30.1.1995 – 3 Sa 1200/94, ZTR 1995, 280; LAG Köln v. 4.11.2005 – 11 (13) Sa 722/05: Für den Fall der Verlegung der Dienststelle der KBV von Köln nach Berlin. 6 So jedoch Conze, ZTR 1999, 400 (405, Fn. 19); Müller/Preis, Rz. 465; Scheuring/ Süsterhenn, ZTR 1991, 487 (490); Schwidden, RiA 1995, 53 (56); vgl. auch Hromadka, DB 1995, 2601 (2604); ebenso für den Fall außerhalb des öffentlichen Dienstes LAG Hessen v. 14.6.2007 – 11 Sa 296/06. Laber
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Teil 3 D
Rz. 55
Direktionsrecht
lagerung des Dienstsitzes bereits bei Einstellung des Arbeitnehmers geplant ist. 3. Zuweisung anderer Tätigkeiten a) Zuweisung von Tätigkeiten innerhalb derselben Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe 55 Nach den im öffentlichen Dienst üblichen Arbeitsverträgen wird der Angestellte regelmäßig nicht für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich, der lediglich durch die Nennung der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe1 bezeichnet ist2. Dass sich uU der Arbeitnehmer für eine bestimmte – genau ausgeschriebene – Stelle beworben hat und eingestellt wurde, ist in aller Regel unerheblich3. Das Direktionsrecht erstreckt sich somit grundsätzlich auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe – und nicht nur der jeweiligen Fallgruppe – erfüllen, in die der Angestellte eingestuft ist4. Der arbeitsvertragliche Aufgabenbereich kann aber auch detailliert und verbindlich im Arbeitsvertrag festgeschrieben werden, so dass das Direktionsrecht insoweit nicht mehr ausgeübt werden kann5. 56 Eine Zuweisung von anderen Tätigkeiten innerhalb derselben Vergütungsgruppe ist auch dann zulässig, wenn dadurch eine Aufstiegsmöglichkeit entfällt6. Eine fehlende Aufstiegsmöglichkeit ist jedoch im Rahmen der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen7. Die Ausübung des Direktionsrechts bedarf in diesem Fall zudem einer besonderen Begründung8. Entsprechendes dürfte in Zukunft auch gelten, wenn durch die Zuweisung einer anderen Tätigkeit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit auf eine Leistungszulage oder Leistungsprämie genommen wird.
1 Solange die neue Entgeltordnung noch nicht in Kraft ist, sind auch für den Umfang des Direktionsrechts derzeit noch die Vergütungsgruppen maßgeblich. 2 BAG v. 23.6.1993 – 5 AZR 337/92, NZA 1993, 1127; BAG v. 29.10.1997 – 5 AZR 455/96, ZTR 1998, 187. 3 Vgl. BAG v. 24.4.1996 – 5 AZR 1032/94, PersR 1997, 179; LAG Köln v. 5.2.1999 – 11 Sa 1025/98, ZTR 1998, 378. 4 BAG v. 12.4.1973 – 2 AZR 291/72, DB 1973, 1904; BAG v. 23.6.1993 – 5 AZR 337/92, NZA 1993, 1127; BAG v. 24.4.1996 – 4 AZR 976/04, NZA 1997, 104; LAG Thür. v. 10.3.2005 – 1 Sa 578/03; Kuner, Arbeitsrecht und TvöD/TV-L, Rz. 416; Müller/Preis, Rz. 461. 5 Vgl. für einen solchen Fall: LAG Köln v. 1.2.1996 – 6 (11) Sa 865/95. 6 BAG v. 30.8.1995 – 1 AZR 47/95, NZA 1996, 440; BAG v. 24.4.1996 – 4 AZR 976/94, NZA 1997, 104; BAG v. 29.10.1997 – 5 AZR 455/96, ZTR 1998, 187; BAG v. 30.5.2001 – 4 AZR 270/00, BAGE 98, 48 = DB 2002, 182; BAG v. 21.11.2002 – 6 AZR 82/01, BAGE 104, 16 = DB 2003, 160. 7 BAG v. 23.6.1993 – 5 AZR 337/92, NZA 1993, 1127; BAG v. 10.1.1996 – 5 AZR 951/94; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, BAT/BAT-O, § 12 Rz. 8. 8 BAG v. 23.6.1993 – 5 AZR 337/92, NZA 1993, 1127.
240 Laber
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 57
Teil 3 D
b) Zuweisung von Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer grundsätzlich keine geringwertige- 57 ren Tätigkeiten zuweisen1. Das Arbeitsverhältnis muss vielmehr einen gewissen Bestandsschutz gegen eine inhaltliche Änderung der Tätigkeit erfahren2. Geringwertigkeit liegt immer vor, wenn die Arbeiten in eine niedrigere Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe fallen. Der Wegfall von Zulagen (zB Erschwerniszuschläge) oder Wegegeldern führt dagegen nicht zwangsläufig zu einer geringwertigeren Arbeit3. Die Gleichwertigkeit wird jedoch nicht allein durch die Anwendung eines tariflichen Vergütungs- bzw. Entgeltgruppensystems hergestellt, sondern bestimmt sich vielmehr auch aus dem sich daraus ergebenden Sozialbild4. So stellen eine deutliche Verkleinerung des bisherigen Aufgaben- und Verantwortungsbereichs oder eine hierarchische Herabstufung in der Regel eine unzulässige Zuweisung geringwertigerer Tätigkeiten dar5. Auch der Entzug einer Vorgesetztenfunktion kann, wenn sie zu den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe gehört, zu einer geringwertigeren Tätigkeit führen6. Das bedeutet, dass die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer dennoch die höhere Vergütung weitergezahlt wird7. Die Grenzen des Direktionsrechts überschreitet auch die Übertragung einer Tätigkeit, die geringwertigere Qualifikationsmerkmale erfüllt und nur im Wege des Bewährungsaufstiegs nach BAT/BAT-O die Eingruppierung in die ursprünglich maßgebende Vergütungsgruppe ermöglicht8. Erforderlich ist in diesen Fällen eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrags oder eine Änderungskündigung9, will der Arbeitgeber die Änderung der Tätigkeit gegenüber dem Arbeitnehmer durchsetzen.
1 BAG v. 8.10.1962 – 2 AZR 550/61, DB 1962, 1074; BAG v. 29.10.1997 – 5 AZR 455/96, ZTR 1998, 187. 2 BAG v. 30.8.1995 – 1 AZR 47/95, NZA 1996, 440; LAG Köln v. 20.1.2006 – 11 Sa 1142/05, ZTR 2006, 312 (Ls.). 3 Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (415); Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, BAT/ BAT-O, § 12 Rz. 8. 4 BAG v. 24.4.1996 – 4 AZR 976/94, NZA 1997, 104; LAG Köln v. 20.1.2006 – 11 Sa 1142/05, ZTR 2006, 312 (Ls.); HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 17; Preis, Arbeitsvertrag, II D 30 Rz. 47. 5 LAG Hamm v. 9.1.1997 – 17 Sa 1554/96, NZA-RR 1997, 337 (Ls.); Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 41. 6 Vgl. BAG v. 24.4.1996 – 4 AZR 976/04, NZA 1997, 104; LAG Hamm v. 9.1.1997 – 17 Sa 1554/96, ZTR 1997, 279; LAG Köln v. 5.2.1999 – 11 Sa 1025/98, ZTR 1998, 378. 7 BAG v. 14.12.1961 – 5 AZR 180/61, BB 1962, 297; BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, BAGE 47, 314 = NZA 1985, 321; BAG v. 30.8.1995 – 1 AZR 47/95, NZA 1996, 440; BAG v. 29.10.1997 – 5 AZR 455/96, ZTR 1998, 18; LAG Köln v. 20.1.2006 – 11 Sa 1142/05, ZTR 2006, 312 (Ls.); LAG Sachsen v. 8.3.1996 – 3 Sa 77/96, NZA-RR 1997, 4; Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (414). 8 BAG v. 30.8.1995 – 1 AZR 47/95, NZA 1996, 440; BAG v. 24.4.1996 – 4 AZR 976/94, NZA 1997, 104; BAG v. 29.10.1997 – 5 AZR 455/96, ZTR 1998, 187. 9 Müller/Preis, Rz. 463. Laber
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Teil 3 D
Rz. 58
Direktionsrecht
58 Von dem Grundsatz, dass dem Arbeitnehmer keine geringwertigere Tätigkeit zugewiesen werden darf, kann indessen tarifvertraglich abgewichen werden. Ein Beispiel hierfür ist § 27 Abs. 3 BMT, wonach die Einweisung des Arbeiters in eine niedrigere Lohngruppe zulässig ist, wenn Arbeitsmangel oder ein an anderer Stelle dringend notwendiger Bedarf aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen eine vorübergehende Personalumbesetzung erforderlich machen1. Das tarifvertraglich erweiterte Direktionsrecht kann wiederum einzelvertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Im öffentlichen Dienst kann jedoch ein eingeschränkter Umfang des tariflichen Direktionsrechts nur dann bejaht werden, wenn der Vertrag von den im öffentlichen Dienst üblichen Musterverträgen abweicht und eindeutige Absprachen zum Direktionsrecht enthält2. Denn ein Bewerber um eine Stelle des öffentlichen Dienstes hat regelmäßig davon auszugehen, dass Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes grundsätzlich verpflichtet sind, jede ihnen zugewiesene Tätigkeit zu verrichten, die den Merkmalen ihrer Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe entspricht, soweit ihnen diese Tätigkeit billigerweise zugemutet werden kann3. c) Zuweisung von Tätigkeiten einer höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe 59 Die vorübergehende Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit4 ist grundsätzlich zulässig, wie sich aus den Zulageregelungen der § 14 TVöD bzw. TV-L oder § 24 BAT ergibt5. Sie ist vom Direktionsrecht gedeckt und stellt somit keine Änderung des Arbeitsvertrages dar. Die vorübergehende Zuweisung ist jedoch nur eine Ausnahme von dem Grundsatz der dauerhaften Übertragung einer Tätigkeit mit der entsprechenden Vergütung6. Eine dauerhafte Zuweisung ist deshalb unzulässig; in diesem Fall erfolgt aufgrund der Tarifautomatik eine Höhergruppierung. Dabei ist zu beachten, dass eine dauernde Zuweisung auch durch konkludentes Handeln möglich ist7. So kann eine zunächst vorübergehend übertragene Tätigkeit zur „auszuübenden Tätigkeit“ des Angestellten werden, nach der sich seine Vergütung richtet, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent zu verstehen gibt, dass er die ursprünglich nur vorübergehende Übertragung nunmehr als eine dauerhafte ansehen soll. 60 Fraglich ist mithin, ab wann eine zulässige vorübergehende bzw. wann eine dauernde Zuweisung mit der damit verbundenen Höhergruppierung 1 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475. 2 BAG v. 26.6.2002 – 6 AZR 50/00; BAG v. 21.1.2004 – 6 AZR 583/02, BAGE 109, 207 = NZA 2005, 61; BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, BAGE 112, 64 = NZA 2005, 475; BAG v 2.3.2006 – 2 AZR 23/05, DB 2006, 1906. 3 BAG v. 21.1.2004 – 6 AZR 583/02, BAGE 109, 207 = NZA 2005, 61. 4 Die teilweise gebräuchliche Bezeichnung „vorübergehende Höhergruppierung“ ist nicht zutreffend, weil eine andere Eingruppierung gerade nicht stattfindet, sondern eine Zulage gezahlt wird. 5 Gussone, ZTR 2003, 54. 6 BAG v. 2.5.1979 – 4 AZR 515/77, BAGE 32, 1; Gussone, ZTR 2003, 54. 7 BAG v. 26.3.1997 – 4 AZR 627/95, ZTR 1997, 465.
242 Laber
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 63
Teil 3 D
vorliegt. Eine starre zeitliche Grenze für eine vorübergehende Übertragung gibt es nicht1. Nach früherer Rechtsprechung des BAG2 galt eine vorübergehend übertragene Tätigkeit als auf Dauer übertragen, wenn die Gestaltungsmöglichkeit der vorübergehenden Zuweisung rechtsmissbräuchlich verwendet worden war. Rechtsmissbrauch lag vor, wenn die vorübergehende Übertragung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt war, zB weil aufgrund der Dauer der Zuweisung kein Fall einer Erprobung vorlag. Es wurde also die vorübergehende Zuweisung einer Befristung gleichgesetzt. Fehlte es an einer sachlichen Rechtfertigung, war der Angestellte vom Beginn der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an so zu behandeln, als sei ihm diese auf Dauer zugewiesen. Dabei wurde aber keine rückschauende Betrachtung vorgenommen, sondern es wurde auf den bei der Übertragung ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck gebrachten Willen abgestellt3. Der sachliche Grund für die Zuweisung musste ferner für die gesamte Dauer der Zuweisung vorliegen4.
61
Diese Rechtsprechung hat das BAG nunmehr aufgegeben. Es wird nicht 62 mehr geprüft, ob ein sachlicher Grund für die Zuweisung für die gesamte Dauer vorliegt. Die vorübergehende Zuweisung wird vielmehr ausdrücklich dem Direktionsrecht zugeordnet5, so dass die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit billigem Ermessen entsprechen muss. Allerdings ist nach der Rechtsprechung eine doppelte Billigkeitsprüfung vorzunehmen6. Das bedeutet, dass die Ausübung des Direktionsrechts in zwei Stufen geprüft wird: Zunächst muss in einer ersten Stufe die Tätigkeitsübertragung „an sich“ billigem Ermessen entsprechen, dh., es muss ein sachlicher Grund, wie etwa eine Vertretung, für die Zuweisung vorliegen. In einer zweiten Stufe erfolgt dann eine Überprüfung der zeitlichen Begrenzung der Übertragung auf ihre Billigkeit. Das Interesse des Arbeitnehmers, die höherwertige Tätigkeit auf Dauer zu behalten und das Interesse des Arbeitgebers, die Tätigkeit nicht auf Dauer zu übertragen, sind dabei gegeneinander abzuwägen7. Häufig erfolgt die vorübergehende Zuweisung einer höherwertigen Tätig- 63 keit aus haushaltsrechtlichen Überlegungen oder zu Erprobungszwecken. Wird eine höherwertige Tätigkeit zu Vertretungszwecken zugewiesen, so ist dies unter Geltung des TVöD bzw. des TV-L ein Unterfall der vorüber1 BAG v. 10.2.1988 – 4 AZR 585/87, DB 1998, 1121; BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 474/04, NZA-RR 2006, 388. 2 BAG v. 26.3.1997 – 4 AZR 604/95, ZTR 1997, 413. 3 BAG v. 10.2.1988 – 4 AZR 585/87, DB 1998, 1121. 4 BAG v. 10.2.1988 – 4 AZR 585/87, DB 1998, 1121. 5 BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 474/04, NZA-RR 2006, 388; aA Gussone, ZTR 2003, 54 (55 f.), wonach die vorübergehende Übertragung eine inhaltliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses ist. 6 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, BAGE 101, 91 = NZA 2003, 159; seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 474/04, NZA-RR 2006, 388. 7 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, BAGE 101, 91 = NZA 2003, 159; LAG Köln v. 7.7.2003 – 5 (3) Sa 401/03, ZTR 2004, 155; abl. Hromadka, RdA 2003, 237 ff. Laber
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Teil 3 D
Rz. 64
Direktionsrecht
gehenden Übertragung1. Eine Differenzierung wie in § 24 BAT/BAT-O, wonach die Zulage für die Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit zu Vertretungszwecken im Gegensatz zu anderen Gründen erst dann gezahlt wird, wenn die Vertretung länger als drei Monate gedauert hat, ist nicht mehr vorgesehen. Der Anspruch auf die Zulage nach § 14 TVöD bzw. TV-L entsteht rückwirkend vom Beginn der Übertragung immer dann, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit einen Monat lang ausgeübt hat2. 64 Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zu Erprobungszwecken ist grundsätzlich zulässig3. Für Erprobungszeiten von mehr als sechs Monaten ist jedoch eine besondere Begründung erforderlich. Sie sind nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um besondere Aufgaben handelt oder sonstige Gründe vorgetragen werden, die eine längerfristige Erprobung rechtfertigen4. Erfolgt eine vorübergehende Übertragung mit Hilfe von Haushaltsmitteln, die durch die Beurlaubung oder Teilzeitbeschäftigung anderer Arbeitnehmer frei werden, liegt eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nur vor, wenn im Zeitpunkt der Übertragung für den Arbeitgeber damit zu rechnen war, dass die Haushaltsmittel nach Ablauf des Übertragungszeitraums nicht mehr zur Verfügung stehen5. 65 Eine Übertragung zu Vertretungszwecken liegt vor, wenn der eigentliche Arbeitsplatzinhaber vorübergehend die ihm dauerhaft übertragene Tätigkeit nicht wahrnehmen kann, die Stelle darf also nicht vakant sein6. Die Billigkeit einer solchen Vertretungsanordnung für die Dauer der Verhinderung des Vertretenen folgt schon aus dem Übertragungsgrund. Denn nach Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz besteht kein Bedürfnis mehr für die Beschäftigung des Vertreters auf diesem Arbeitsplatz. Die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit entspricht somit regelmäßig billigem Ermessen7. Zu prüfen ist daher in der Regel nur noch die Billigkeit der zeitlichen Begrenzung. Zulässig kann auch eine befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit sein, weil der Dienstposten für einen sich im Vorbereitungsdienst befindlichen Beamtenanwärter freigehalten werden soll8.
1 Vgl. Niederschriftserklärung Nr. 6 zu § 14 TVöD. 2 Zur Übergangsregelung vgl. § 10 TVÜ-Bund und TVÜ-L. 3 BAG v. 18.6.1997 – 4 AZR 728/95, ZTR 1998, 87; BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 142/01. Vgl. jetzt auch § 31 TVöD/TV-L, wonach die vorübergehende Übertragung einer Führungsposition zum Zweck der Erprobung möglich ist. 4 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 142/01; BAG v. 12.6.2002 – 4 AZR 431/01, ZTR 2003, 82; BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 184/01; LAG Köln v. 7.7.2003 – 5 (3) Sa 401/03, ZTR 2004, 155. 5 LAG Köln v. 7.7.2003 – 5 (3) Sa 401/03, ZTR 2004, 155. 6 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, BAGE 101, 91 = NZA 2003, 159; BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 880. 7 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, BAGE 101, 91 = NZA 2003, 159; BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 408/01, ZTR 2003, 81. 8 Vgl. BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, BAGE 101, 91 = NZA 2003, 159; BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 184/01.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 68
Teil 3 D
Wird einem Arbeitnehmer dieselbe höherwertige Tätigkeit mehrfach oder 66 mehrmals nacheinander übertragen, so ist jeder Übertragungsakt auf seine Billigkeit hin zu überprüfen1. Liegt derselbe Grund für die Übertragung vor, erhöhen sich auch die Anforderungen an die Begründung2. Entspricht ein Übertragungsakt nicht billigem Ermessen, kann die Übertragung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kraft richterlicher Entscheidung als auf Dauer erfolgt angesehen werden; auf die zeitlich nachfolgenden vorübergehenden Übertragungen kommt es dann nicht mehr an3. d) Notfälle In Notfällen darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Arbeiten zuweisen, 67 die nicht der Festlegung im Arbeitsvertrag entsprechen, insbesondere auch Tätigkeiten, die in eine niedrigere Vergütungsgruppe fallen. Dies ist Folge der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers, Schaden vom Arbeitgeber bzw. dessen Betrieb oder Dienststelle abzuwenden4. Der genaue Umfang kann einzel- oder tarifvertraglich festgelegt werden5. Ein Notfall liegt vor, wenn der Arbeitgeber durch organisatorische Maßnahmen die Situation nicht hätte verhindern können6. Zu Notfällen können daher uU auch Urlaub und Erkrankung anderer Arbeitnehmer zählen, wenn dies für den Arbeitgeber nicht vorhersehbar war7. e) Streik Im Falle eines Streiks besteht – ähnlich wie bei Notfällen – für den Arbeit- 68 geber das Bedürfnis, den nicht streikenden Arbeitnehmern andere Tätigkeiten zuzuweisen. Der Arbeitgeber darf allerdings dem Arbeitnehmer keine direkte Streikarbeit, also die Arbeit der streikenden Arbeitnehmer, verrichten lassen, da dies gegen die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 verstößt8 (vgl. auch § 11 Abs. 5 AÜG), es sei denn, es handelt sich um reine Notstands- und Erhaltungsarbeiten9. Die Zuweisung indirekter Streikarbeit,
1 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, BAGE 101, 91 = NZA 2003, 159. 2 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 880. 3 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, BAGE 101, 91 = NZA 2003, 159; BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 880; LAG Köln v. 7.7.2003 – 5 (3) Sa 401/03, ZTR 2004, 155. 4 LAG BW v. 31.3.2006 – 2 Sa 117/05, AuA 2006, 362; ArbG Leipzig v. 4.2.2004 – 7 Ca 6866/02, DB 2003, 365; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 45. 5 Vgl. zB § 9 Abs. 2 BMT-G-O oder § 8 Abs. 3 MTArb. 6 Vgl. LAG BW v. 31.3.2006 – 2 Sa 117/05, AuA 2006, 362; Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (415); Hromadka, DB 1995, 2601 (2602). 7 Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (415); Müller/Preis, Rz. 462; Richter, DB 1989, 2378 (2380). 8 Küttner/Griese, Weisungsrecht Rz. 18; Müller/Preis, Rz. 463; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 46. 9 Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (416); Müller/Preis, Rz. 463. Laber
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Teil 3 D
Rz. 69
Direktionsrecht
also von Tätigkeiten, die nur mittelbar von dem Streik betroffen sind, ist dagegen vom Direktionsrecht gedeckt1. f) Nebenarbeiten 69 Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Ausführung von Nebenarbeiten, wie zB die Reinigung und Pflege der Arbeitsmittel, Durchführung von Klassenfahrten usw. anzuordnen, wenn die Nebenarbeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit der vertraglich geschuldeten Leistung stehen2 oder nur eine untergeordnete Bedeutung haben3. Zulässig ist ungeachtet des damit verbundenen Haftungsrisikos auch die Anordnung, dass der Arbeitnehmer auf Dienstreisen einen Dienstwagen fahren und Arbeitskollegen mitnehmen muss4. Der Arbeitgeber darf im Rahmen seines Direktionsrechtes den Arbeitnehmer auch anweisen, Tätigkeitsberichte und Zeitaufstellungen („Timesheets“) anzufertigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die korrekte Eingruppierung5 oder Leistung des Arbeitnehmers im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern festgestellt werden soll. 4. Änderung der Arbeitszeit (Tätigkeitsumfang) a) Arbeitsumfang 70 Der Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung, also ihr regelmäßiger zeitlicher Rahmen ist grundsätzlich nur gesetzlich, kollektiv- oder einzelvertraglich gestaltbar. Innerhalb des festgelegten Umfangs konkretisiert das Direktionsrecht den Arbeitsumfang6. Sind zB bei angestellten Lehrern im öffentlichen Dienst die Pflichtstundenzahlen oder Regelunterrichtsstunden im Arbeitsvertrag ausgewiesen, bedeutet dies regelmäßig nicht, dass eine Erhöhung der Pflichtstundenzahl durch den Dienstherrn nicht möglich ist. Denn tarifvertraglich (§ 44 Nr. 2 TV-L bzw. Nr. 3 Satz 2 SR 2I I BAT) ist aufgrund der Verweisung auf die jeweiligen landesbeamtenrechtlichen Regelungen vorgesehen, dass eine Veränderung im Wege des Direktionsrechts möglich ist, solange unter Abwägung aller Umstände die zeitliche Inanspruchnahme der Lehrkräfte unter Berücksichtigung der Pflichtstunden sowie außerhalb des Unterrichts zu erbringender Leistungen nach dem Maßstab der jährlichen Gesamtarbeitszeit die für Beamte allgemein gesetzlich festgelegte regelmäßige Arbeitszeit nicht übersteigt7. 1 Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (416); Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 48. 2 LAG BW v. 31.3.2006 – 2 Sa 117/05, AuA 2006, 362; Hromadka, DB 1995, 2601 (2602); Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 44. 3 LAG BW v. 31.3.2006 – 2 Sa 117/05, AuA 2006, 362; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 297; Hromadka, DB 1995, 2601 (2603). 4 BAG v. 29.8.1991 – 6 AZR 593/88, NZA 1992, 67. 5 LAG BW v. 14.12.2005 – 12 Sa 22/05. 6 HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 293; Hromadka, DB 1995, 2601 (2604). 7 BAG v. 15.12.2005 – 6 AZR 227/05, ZTR 2006, 583; BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 675/05, BAGE 119, 248 = NZA 2007, 218; vgl. auch LAG MV v. 22.8.2006 – 3 Sa 513/05.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 73
Teil 3 D
Die in den (Muster-)Arbeitsverträgen des öffentlichen Dienstes vorgesehene Ausweisung der Pflichtstundenzahl hat – sofern keine einzelvertraglichen Besonderheiten vorliegen – nur deklaratorischen Charakter1. aa) Anordnung von Überstunden und Mehrarbeit Die Anordnung von Überstunden (§ 7 Abs. 7 TVöD bzw. 7 TV-L) unterliegt 71 ebenfalls dem Direktionsrecht, wobei das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG bzw. den entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen zu beachten ist2. Denn Arbeitnehmer sind gemäß § 6 Abs. 5 TVöD bzw. TV-L zur Leistung von Überstunden verpflichtet, soweit begründete dienstliche bzw. betriebliche Belange vorliegen. Außerdem muss die Anordnung billigem Ermessen entsprechen. Das heißt, dass der Arbeitgeber die beruflichen Fähigkeiten, die Leistungsfähigkeit und die persönliche Situation des Arbeitnehmers berücksichtigen und diese gegen die dienstlichen bzw. betrieblichen Belange abwägen muss3. Die Anordnung von Überstunden ist nur dann ermessensfehlerfrei, wenn unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 12 Abs. 2 TzBfG eine angemessene Ankündigungsfrist eingehalten wurde. Eine Überstundenanordnung für den laufenden Arbeitstag entspricht danach nur bei deutlich überwiegenden betrieblichen oder dienstlichen Interessen billigem Ermessen4. Außerdem ist es erforderlich, dass die Überstunden möglichst gleich auf alle Arbeitnehmer verteilt werden5. Gemäß § 47 TVöD-BT-V-Bund, § 8 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 17 Abs. 5 BAT/ 72 BAT-O6 sind Überstunden vorrangig durch Freizeit auszugleichen. Der Arbeitgeber kann den Freizeitausgleich im Rahmen seines Direktionsrechtes anordnen7. Im Geltungsbereich des BAT/BAT-O war umstritten, ob Teilzeitbeschäftig- 73 te aufgrund des Direktionsrechts nach § 106 GewO zur Mehrarbeit verpflichtet sind. Mehrarbeit im tariflichen Sinne sind die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige, also die verringerte Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten (vgl. § 7 Abs. 6 TVöD bzw. TV-L). Nach herrschender Meinung ergibt sich aus §§ 15 ff. BAT eine Verpflichtung zur Leistung von Mehrarbeit, es sei denn, dies wurde im Arbeitsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen8. Die Rechtslage hat sich mit der Geltung des TVöD bzw. den TV-L geändert. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist jetzt 1 2 3 4 5 6 7 8
BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 675/05, BAGE 119, 248 = NZA 2007, 218. Vgl. BVerwG v. 30.6.2005 – 6 P 9.04, BVerwGE 124, 34 = NZA-RR 2005, 665. Conze, Rz. 1428 f. ArbG Frankfurt am Main v. 26.11.1988 – 2 Ca 4267/98, NZA-RR 1999, 357 (zu § 4 Abs. 2 BeschFG). Conze, Rz. 1430. Vgl. auch § 19 Abs. 4 MTArb/MTArb-O. Vgl. BAG v. 20.7.1989 – 6 AZR 774/87, ZTR 1990, 155. Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, BAT/BAT-O, § 17 Rz. 24, 25; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 230. Laber
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Teil 3 D
Rz. 74
Direktionsrecht
durch § 6 Abs. 5 TVöD bzw. TV-L eingeschränkt1. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer sind nun grundsätzlich nicht mehr zur Mehrarbeit verpflichtet, es sei denn, es besteht eine schriftliche arbeitsvertragliche Regelung oder der Beschäftigte hat mündlich oder schriftlich zugestimmt. Das bedeutet, dass im Geltungsbereich des TVöD bzw. TV-L nunmehr keine einseitige Anordnung von Mehrarbeit möglich ist, solange nicht eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Regelung zur Mehrarbeitsverpflichtung vorliegt2. Aus Arbeitgebersicht sollten daher neue Arbeitsverträge für Teilzeitbeschäftigte entsprechende Klauseln enthalten. Die Einteilung eines Schwerbehinderten zu Mehrarbeit überschreitet regelmäßig das billige Ermessen, da Schwerbehinderte nach § 124 SGB IX nicht zur Mehrarbeit verpflichtet sind3. bb) Verkürzung der Arbeitszeit und Anordnung von Kurzarbeit 74 Da durch die einseitige Anordnung von Kurzarbeit die Vergütung gekürzt wird, ist dies vom Direktionsrecht nicht gedeckt4. Erforderlich ist vielmehr eine individuelle oder kollektive Vereinbarung oder eine Änderungskündigung5. Aus demselben Grunde kann auch tarifvertraglich das Direktionsrecht nicht dergestalt erweitert werden, dass der Arbeitgeber einseitig ohne gerichtlich kontrollierbare Voraussetzungen Kurzarbeit anordnen kann6. 75 Ebenfalls unzulässig ist eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die den Arbeitgeber bei arbeitszeitabhängiger Vergütung berechtigen soll, die zunächst festgelegte Arbeitszeit später einseitig nach Bedarf zu reduzieren7. Dies stellt eine objektive Umgehung von zwingenden Vorschriften des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts (§ 2 KSchG iVm. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG, § 622 Abs. 1 und Abs. 5 BGB) dar und ist daher nach § 134 BGB nichtig8. Zulässig sind dagegen tarifvertragliche Erweiterungen, die bei Bestehen einer von den Tarifvertragsparteien festgelegten Normalarbeitszeit dem Arbeitgeber das Recht geben, einseitig innerhalb eines tariflich festgelegten Rahmens die Arbeitszeit über die tarifliche Normalarbeitszeit hinaus zu erhöhen und wieder entsprechend zu ermäßigen9.
1 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 230. 2 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 230. 3 LAG Hamm v. 30.3.2006 – 8 Sa 1992/04, ArbuR 2006, 293 (Ls.); vgl. auch BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 176/06, NZA 2007, 446. 4 BAG v. 10.10.2006 – AZR 811/05, NZA 2007, 637; Berger-Delhey, ZTR 1990, 411 (416 f.); Küttner/Kreitner, Kurzarbeit Rz. 2. 5 Küttner/Kreitner, Kurzarbeit Rz. 2 ff. 6 BAG v. 27.1.1994 – 6 AZR 541/93, BAGE 75, 327 = NZA 1995, 134; BAG v. 18.10.1994 – 1 AZR 503/93, NZA 1995, 1964. 7 BAG v. 31.1.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT Nr. 3 zu § 8 BAT Direktionsrecht. 8 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, BAGE 47, 314 = NZA 1985, 321; BAG v. 31.1.1985 – 2 AZR 393/83, EzBAT Nr. 3 zu § 8 BAT Direktionsrecht. 9 BAG v. 26.6.1985 – 4 AZR 585/83, BAGE 49, 125 = DB 1986, 132.
248 Laber
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 79
Teil 3 D
b) Arbeitszeitverteilung Wenn im Arbeitsvertrag nur die Dauer der Arbeitszeit rahmenmäßig be- 76 stimmt ist, kann der Arbeitgeber die Lage der täglichen Arbeitszeit unter Beachtung der Mitwirkungsrechte des Personalrats einseitig festsetzen und verändern1. Dazu gehört nicht nur die Bestimmung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Einteilung der Pausen, sondern auch die Einführung von Schichtarbeit sowie die Aufstellung von Dienstplänen oder die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Arbeitstage. Gerade bei der Verteilung der Arbeitszeit sind jedoch familiäre Belange, insbesondere die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers (§§ 1626, 1627 BGB) im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen2. Im öffentlichen Dienst ergibt sich dies zusätzlich aus den verschiedenen Gleichstellungs- und Frauenfördergesetzen des Bundes und der Länder (zB § 12 BGleiG, § 13 LGG NRW). Bei angestellten Lehrkräften stellen auch die Pflichtunterrichtsstunden eine Konkretisierung der Arbeitszeit dar. Werden also die Pflichtunterrichtsstunden erhöht, wird somit in der Regel nicht zugleich die Arbeitszeit erhöht, sondern nur das Verhältnis von den messbaren Pflichtunterrichtsstunden zu der nicht konkret messbaren außerunterrichtlichen Tätigkeit festgelegt und konkretisiert3. Für eine Erhöhung des Regelstundenmaßes muss somit keine Änderungskündigung ausgesprochen werden, da sie unter das Direktionsrecht fällt.
77
Eine besondere Einschränkung des Direktionsrechts bezüglich der Arbeits- 78 zeitverteilung besteht für Teilzeitbeschäftigte. Nach § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG kann der Arbeitgeber die mit dem Teilzeitbeschäftigten kraft Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG oder einvernehmlich nach § 8 Abs. 3 Satz 2 festgelegte Verteilung der Arbeitszeit einseitig unter Wahrung einer einmonatigen Ankündigungsfrist formfrei ändern, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der bisherigen Verteilung der Arbeitszeiten erheblich überwiegt. Es handelt sich um eine gesetzliche Konkretisierung des Direktionsrechts4. Ferner hat der Arbeitgeber nach § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD bzw. TV-L bei der Gestaltung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten die besondere persönliche Situation des Arbeitnehmers zu berücksichtigen5. Dies kann zur Folge haben, dass eine personelle Auswahlentscheidung gegen den Willen eines Arbeitnehmers, dessen Interessen weniger schutzwürdig sind, erforderlich ist. Für diese Entscheidung sind jedoch nicht dieselben Grundsätze zur so1 LAG Berlin v. 1.3.1999 – 9 Sa 133/98 u. 135/98, BB 1999, 800; LAG Düsseldorf v. 23.10.1991 – 4 Sa 789/91, LAGE § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 10; LAG Nürnberg v. 8.3.1999 – 9 AZR 409/04, NZA 2000, 263; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 312; Hromadka, DB 1995, 2601 (2603). 2 Vgl. LAG Rh.-Pf. v. 19.1.2005 – 10 Sa 820/04, DB 2005, 1522; LAG Rh.-Pf. v. 14.12.2005 – 10 Sa 721/05. 3 BAG v. 23.5.2001 – 5 AZR 545/99, NZA 2001, 1259; BAG v. 14.10.2004 – 6 AZR 472/03, ZTR 2005, 330; LAG MV v. 22.8.2006 – 3 Sa 513/05. 4 AA Kliemt, NZA 2001, 66. 5 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, BAGE 112, 80 = NZA 2005, 359. Laber
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79
Teil 3 D
Rz. 80
Direktionsrecht
zialen Auswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung anwendbar1. Selbst bei überwiegenden Interessen des betroffenen Arbeitnehmers gegenüber den Interessen eines anderen Arbeitnehmers kann die Weisung an Erstgenannten erfolgen, wenn andere Aspekte – zB die Vermeidung einer absehbaren Beeinträchtigung des Betriebsfriedens – hierfür sprechen. c) Bereitschaftsarbeit 80 Es existieren verschiedene Formen der Bereitschaftsarbeit. Der BAT/BAT-O differenziert in § 15 BAT/BAT-O zwischen Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Der TVöD bzw. der TV-L unterscheidet zwischen Bereitschaftszeit (§ 9 TVöD bzw. TV-L), Bereitschaftsdienst (§ 7 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L) und Rufbereitschaft (§ 7 Abs. 4 TVöD bzw. TV-L). Die neue Bereitschaftszeit entspricht im Wesentlichen der Arbeitsbereitschaft nach BAT. 81 Arbeitsbereitschaft iSd. § 15 Abs. 2 BAT/BAT-O liegt vor, wenn der Arbeitnehmer während seiner regelmäßigen Arbeitszeit die vertraglich geschuldete Arbeit erbringt, jedoch nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen wird. Der Arbeitnehmer bestimmt seinen Einsatzzeitpunkt selbst, befindet sich aber am Arbeitsplatz2. Ein Beispiel ist das Wachpersonal, das sich im Kontrollraum aufhält. Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei der Arbeitsbereitschaft um Zeiten „wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung“3. Sie beansprucht den Arbeitnehmer erheblich weniger und ermöglicht einen Entspannungszustand4. Nach § 15 Abs. 2 BAT/ BAT-O kann die regelmäßige Arbeitszeit verlängert werden, wenn in die reguläre Arbeitszeit regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von gewisser Dauer fällt. Die Verlängerung der Arbeitszeit muss die Grenzen billigen Ermessens einhalten. Das bedeutet, dass Umfang, Dauer, Häufigkeit oder auch die soziale Situation des Arbeitnehmers berücksichtigt werden müssen. 82 Nach § 9 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L ist eine einseitige Anordnung der an die Stelle der Arbeitsbereitschaft getretenen Bereitschaftszeit durch den öffentlichen Arbeitgeber nicht mehr möglich. Erforderlich ist vielmehr eine Dienst- oder Betriebsvereinbarung (§ 9 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L bzw. § 9 Abs. 3 TVöD-VKA). Ausnahmen sind geregelt im Anhang zu § 9 TVöD für Hausmeister, den Rettungsdienst und Beschäftigte in Leitstellen. 83 Bereitschaftsdienst liegt gemäß § 7 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L, § 15 Abs. 6a BAT vor, wenn der Arbeitnehmer sich auf Anordnung des Arbeitgebers au1 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, BAGE 112, 80 = NZA 2005, 359. 2 Vgl. nun auch die Definition in § 9 Abs. 1 Satz 1 TVöD bzw. TV-L: Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. 3 BAG v. 28.1.1981 – 4 AZR 892/78, DB 1981, 1195; BAG v. 12.2.1986 – 7 AZR 358/84, BAGE 51, 131 = DB 1987, 995; BAG v. 25.10.1989 – 2 AZR 633/88, NZA 1990, 561. 4 Conze, Rz. 195.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 86
Teil 3 D
ßerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit unverzüglich in vollem Umfang aufzunehmen. Der Einsatzzeitpunkt wird im Gegensatz zur Arbeitsbereitschaft durch den Arbeitgeber bestimmt und kann sich auch direkt an die Regelarbeitszeit anschließen, wobei in diesem Fall eine Abgrenzung zur Anordnung von Überstunden erforderlich ist1. Der Arbeitnehmer kann im Falle von Bereitschaftsdienst die Zeit bis zur Anforderung durch den Arbeitgeber auch schlafend verbringen2. Gemäß § 6 Abs. 5 TVöD bzw. TV-L kann der Arbeitgeber den Bereitschafts- 84 dienst einseitig anordnen, bei Teilzeitbeschäftigten jedoch nur mit deren Zustimmung. Die Ausübung dieses erweiterten Direktionsrechtes muss wiederum billigem Ermessen nach § 106 GewO entsprechen3. In § 15 Abs. 6a BAT/BAT-O ist zusätzlich noch vorgesehen, dass der Arbeitgeber Bereitschaftsdienst nur anordnen darf, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, aber erfahrungsgemäß die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt4. Für den in der Praxis bedeutsamen Bereitschaftsdienst in Krankenhäusern gilt diese Einschränkung weiterhin (§ 45 Abs. 1 TVöD BT-K, §§ 41, 42 Nr. 4 TV-L). Vom Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft zu unterscheiden: Ruf- 85 bereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Der Arbeitnehmer darf also seinen Aufenthaltsort bestimmen, muss aber immer erreichbar und einsetzbar sein. Will der Arbeitgeber die Erreichbar- und Einsetzbarkeit durch eine Entfernungs- und Zeitgrenze sicherstellen, liegt dagegen die Anordnung von Bereitschaftsdienst vor5. Nach § 15 Abs. 6b BAT/BAT-O darf der Arbeitgeber Rufbereitschaft nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Diese Einschränkung ist im TVöD bzw. TV-L nicht mehr enthalten6. Nach § 6 Abs. 5 TVöD bzw. TV-L kann auch die Rufbereitschaft vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden, bei Teilzeitbeschäftigten jedoch ebenfalls nur mit deren Zustimmung. Auch die Anordnung der Rufbereitschaft muss immer billigem Ermessen entsprechen7. Die Möglichkeit der Anordnung von Rufbereitschaft, Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst bedeutet nicht zugleich eine Verpflichtung zur Anordnung, selbst wenn jahrelang von der Möglichkeit Gebrauch gemacht
1 2 3 4 5
LAG Schl.-Holst. v. 25.7.2006 – 5 Sa 60/06, SchlHA 2007, 195. Laber/Legerlotz, ArbRB 2001, 84. Conze, Rz. 437; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 220. Vgl. hierzu LAG Schl.-Holst. v. 25.7.2006 – 5 Sa 60/06, SchlHA 2007, 195. BAG v. 19.12.1991 – 6 AZR 592/89, NZA 1992, 560; BAG v. 31.1.2002 – 6 AZR 214/00, ZTR 2002, 432; Conze, Rz. 1178. 6 Für die Rufbereitschaft in Krankenhäusern gilt diese Einschränkung jedoch weiterhin, vgl. § 45 Abs. 8 S. 1 TVöD BT-K, §§ 41, 42 Nr. 4 TV-L. 7 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 222. Laber
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86
Teil 3 D
Rz. 87
Direktionsrecht
wurde und der Arbeitnehmer durch die Rücknahme der Anordnung finanzielle Nachteile erleidet1. 5. Änderungen und Weisungen bezüglich Arbeitsbedingungen 87 Das Direktionsrecht ist grundsätzlich umfassend im Hinblick auf Fragen der betrieblichen Ordnung (vgl. § 106 Satz 2 GewO). Allerdings ist in diesen Fragen stets der Personal- bzw. Betriebsrat zu beteiligen, soweit es nicht mehr um konkrete arbeitsbezogene Einzelanweisungen, sondern um allgemeine Maßnahmen der dienstlichen oder betrieblichen Ordnung geht. Beispiele sind: Rauchverbote, Kleiderordnungen, Privatnutzung von Telefon und Internet, Ethikrichtlinien oder Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen. a) Kleidung 88 Grundsätzlich kann auch der öffentliche Arbeitgeber aus Gründen des Arbeitsschutzes, aus hygienischen Gründen oder aus Gründen des einheitlichen Auftritts im Wege des Direktionsrechts Kleiderordnungen erlassen oder Dienstkleidung2 vorschreiben. Macht der Arbeitgeber hiervon Gebrauch, sind jedoch ggf. Umkleideräume gemäß § 34 ArbStättVO einzurichten, andernfalls hat der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht3. Der Arbeitgeber kann ferner grundsätzlich einzelne Arbeitnehmer anweisen, aus betrieblichen Gründen bestimmte Kleidungsstücke zu tragen oder nicht zu tragen. Dabei sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung immer die Grundrechte des Arbeitnehmers sowie die Maßgaben des AGG zu berücksichtigen4. Besonders problematisch sind daher Kleiderordnungen oder Anweisungen, die religiöse Kleidung betreffen5. b) Frisur, Schmuck, Tätowierungen 89 Weisungen zum äußeren Erscheinungsbild eines Arbeitnehmers sind grundsätzlich unzulässig, da sie zumeist über das Arbeitsverhältnis hinaus Wirkung entfalten und damit in die Privatsphäre einwirken6. Eine Weisung kann jedoch ausnahmsweise dann rechtmäßig sein, wenn betriebliche Gründe vorliegen (insbesondere Arbeitssicherheit). Im Rahmen der Billigkeitsprüfung im Einzelfall sind jedoch stets die Grundrechte des Arbeitnehmers zu berücksichtigen7. 1 BAG v. 4.12.1986 – 6 AZR 226/84; BAG v. 24.11.1993 – 5 AZR 206/93, ZTR 1994, 166; LAG Hamm v. 20.10.1998 – 7 Sa 1286/98. 2 ArbG Karlsruhe v. 10.10.2003 – 1 Ca 266/03, ArbuR 2004, 433 (Ls.); zur Dienstkleidung vgl. auch § 67 BAT/BAT-O, § 71 MTArb/MTArb-O. 3 ArbG Karlsruhe v. 10.10.2003 – 1 Ca 266/03, ArbuR 2004, 433 (Ls.). 4 HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 46; vgl. hierzu Thüsing, JZ 2006, 223. 5 Vgl. BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, BAGE 103, 111 = NZA 2003, 483; Adam, RiA 2002, 212; Thüsing, JZ 2006, 223. 6 Vgl. für eine beamtenrechtliche Weisung bezüglich der Haarlänge bei uniformierten Polizeibeamten, BVerwG v. 2.3.2006 – 2 C 3/05, ZTR 2006, 448. 7 HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 46.
252 Laber
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 92
Teil 3 D
c) Medien (Radio, Internetnutzung) Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines Direktionsrechtes auch Verhaltens- und Kontrollregelungen zur Benutzung von Medien zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit aufstellen1. Ein Verstoß gegen derartige Regeln kann auch dann sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer im Übrigen ordnungsgemäß und beanstandungsfrei gearbeitet hat2.
90
d) Verhaltensrichtlinien, Rauch- und Alkoholverbote uÄ Verhaltensrichtlinien3 können im Wege des Direktionsrechts einseitig er- 91 lassen werden, jedoch nur, wenn sie die allgemein beschriebenen Hauptund Nebenpflichten der Beschäftigten im Hinblick auf Inhalt, Art und Weise konkretisieren, diese Pflichten jedoch nicht erweitern4. Aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers ergibt sich, dass etwa Verbote, Bestechungsgelder oder Geschenke anzunehmen, vom Direktionsrecht ebenso gedeckt sind wie Weisungen, die sich aus dem Straßenverkehrsrecht5, zB auf Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit, oder dem Arbeitsschutzrecht ergeben, wie zB die Einführung eines Rauchverbots nach § 5 Abs. 1 ArbStättVO6. Die einseitige Anordnung eines Alkoholverbots dürfte dagegen unzulässig sein, es sei denn, dies ist aus Gründen der Arbeitssicherheit geboten7. Da das außerdienstliche Verhalten vom Direktionsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht erfasst ist, sind Richtlinien, die sich auf den privaten Bereich beziehen, unwirksam, es sei denn, sie haben unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis8, was insbesondere bei Tendenzbetrieben der Fall sein kann. e) Residenzpflicht Da sich die Weisungsbefugnis nicht auf außerdienstliches Verhalten er- 92 streckt, kann der (öffentliche) Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auch nicht anweisen, ihren Wohnsitz in der Nähe der Dienststelle zu nehmen9. Eine Residenzpflicht besteht somit nicht, kann aber arbeitsvertraglich verbunden mit einer widerruflich ausgestalteten Zuweisung einer Dienstwohnung vereinbart werden10.
1 2 3 4 5 6 7
HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 46. BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 386/05, NZA 2006, 969. Auch Verhaltenskodex oder Ethikrichtlinien genannt. Vgl. Kock, MDR 2005, 673. Vgl. LAG Köln v. 4.9.2006 – 14 Sa 635/06. Vgl. Schmieding, ZTR 2004, 12 (15); Wellenhofer-Klein, RdA 2003, 155 (160). Vgl. LAG München v. 23.10.1975 – 5 Sa 590/75, BB 1976, 465; Hromadka, DB 1995, 2601 (2605). 8 Hromadka, DB 1995, 2601 (2606). 9 Hromadka, DB 1995, 2601 (2606). 10 Vgl. hierzu LAG Köln v. 3.11.1999 – 13 (9) Sa 683/98, MDR 1999, 877. Laber
253
E. Betriebliche Übung Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dogmatische Grundlagen und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand, Voraussetzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . 3. Änderungs- und Aufhebungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einschränkung durch Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkung durch „Normvollzug“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebliche Übung bei Vergütungsanpassung . . . .
1 1 5 12 14 15 21 21 25 25
Rz. bb) Betriebliche Übung bei Bindung des Arbeitgebers an haushaltsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebliche Übung durch Verordnungen, Richtlinien, Erlasse oder Selbstbindung der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenarbeit mit Beamten und Berücksichtigung des Beamtenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fallgruppen der betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst . . . . . a) Anspruch auf Freistellung . . . . . . b) Arbeitszeitregelungen . . . . . . . . . c) Anspruch auf Genehmigung einer Nebentätigkeit . . . . . . . . . . d) Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . .
26
29 32 33 33 34 35 36
Schrifttum: Monographien: Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, BAT/BAT-O, 2. Aufl. 2003; Maties, Die gegenläufige betriebliche Übung, 2003; Mengel, Betriebliche Übungen und ihre rechtsgestaltenden oder rechtsvollziehenden Funktionen, 1966; Pfohl, Arbeitsrecht des öffentlichen Dienstes, 2002; Seiter, Die Betriebsübung, 1967; Sponer/Steinherr, Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Kommentar, Loseblatt; Thannheiser, Dienstvereinbarungen und Initiativrechte im öffentlichen Dienst, 2003. Aufsätze: Backhaus, Die arbeitnehmerbegünstigende betriebliche Übung in der Rechtsprechung des BAG, ArbuR 1983, 65; Bepler, Betriebliche Übungen, RdA 2004, 226; Bepler, Die „zweifelhafte Rechtsquelle“ der betrieblichen Übung – Beharrungen und Entwicklungen, RdA 2005, 323; Bolck, Überblick zur Betrieblichen Übung insbesondere im öffentlichen Dienst, ZTR 1990, 229; Dütz, Zur Betriebsübung im zivilen, öffentlichen und kirchlichen Arbeitsrecht, in: Festschrift für Wiese, 1998, S. 85; Gamillscheg, Betriebliche Übung, in: Festschrift für Hilger/Stumpf, 1983, S. 227; Hanau/Kania, Die Bezugnahme auf Tarifverträge durch Arbeitsvertrag und betriebliche Übung, in: Festschrift für Schaub, 1998, S. 239; Hennige, Rechtliche Fortwirkungen schlüssigen Verhaltens der Arbeitsvertragsparteien, NZA 1999, 281; Henssler, Tarifbindung durch betriebliche Übung, in: Festschrift 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, 2004, S. 683; Hromadka, Zur betrieblichen Übung, NZA 1984, 241; Kettler, Das BAG und die „umgekehrte“ betriebliche Übung, NZA 1998, 435; Kettler, Vertrauenstatbestände im Arbeitsrecht, NZA 2001, 928; Pauly, Aktuelle Probleme der Betriebsübung, MDR 1997, 213; Reinecke, Betriebliche Übung in der betrieblichen Altersversorgung, BB 2005, 1625; Reiter, Die Bindung des Arbeitgebers bei irrtümlichen oder bewussten überobligatorischen Leistungen – Betriebliche Übung und allgemeine Rechtsgeschäftslehre, ZfA 2006, 361; Ricken, Betriebliche Übung und Vertragskontrolle im Arbeitsrecht, DB 2006, 1372; Schwarz-Seeberger, Betriebliche Übung, ZMV 2003, 167; Singer, Neue Entwicklungen im Recht der Betriebsübung – Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vertragstheorie und zur Privilegierung öffentlicher Arbeitgeber, ZfA 1993, 487; Tappe/Koplin, Die „negative betriebliche Übung“, DB 1998, 2114; Thannheiser, Betriebliche Übung – Gesamtzusage – Regelungsabsprache, AiB 2001, 529; Thüsing, Vom Ende einer betrieblichen
254 Laber
I. Grundlagen
Rz. 3
Teil 3 E
Übung, NZA 2005, 718; Ulirici, Betriebliche Übung und AGB-Kontrolle, BB 2005, 1902; Walker, Die betriebliche Übung, JuS 2007, 1; Waltermann, Die betriebliche Übung, RdA 2006, 257; Waltermann, Anspruch auf private Internetnutzung durch betriebliche Übung?, NZA 2007, 529.
I. Grundlagen 1. Dogmatische Grundlagen und Definition Die dogmatischen Grundlagen des Rechtsinstituts der betrieblichen 1 Übung, seine Voraussetzungen, sein Umfang und die Rechtsfolgen sind seit jeher Gegenstand breiter Diskussionen im arbeitsrechtlichen Schrifttum1. Gleichwohl kann man aber inzwischen von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung ausgehen2. Ausdrücklich als Anspruchsgrundlage gesetzlich genannt wird die betriebliche Übung in § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG. Das BAG definiert die betriebliche Übung in ständiger Rechtsprechung als 2 die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen seine Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer zukünftig gewährt werden. Das Verhalten des Arbeitgebers ist als Vertragsangebot zu werten, das von den Arbeitnehmern stillschweigend (§ 151 BGB) angenommen wird. Aus dem tatsächlichen Verhalten erwachsen somit vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordene Leistung oder Vergünstigung (Vertragstheorie)3. Es besteht daher kein Anspruch auf betriebliche Übung, sondern nur aus betrieblicher Übung4. Unerheblich ist es für die Begründung eines solchen Anspruchs durch be- 3 triebliche Übung, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen handelt oder ob ihm ein solcher Wille fehlt. Es kommt allein darauf an, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie aller Begleitumstände gemäß §§ 133, 157 BGB auf eine rechtsgeschäftliche Bindung des Arbeitgebers schließen durfte5. Hierin liegt der Unterschied gegenüber der Gesamtzusage, bei der ein ausdrücklicher Erklärungstatbestand, zusätzliche
1 Vgl. ausführlich Reiter, ZfA 2006, 361 (364 ff.); Seiter, Die Betriebsübung; Singer, ZfA 1993, 487 ff.; Schaub/Koch, ArbRHdb, § 111 Rz. 2 ff.; zur historischen Entwicklung Bepler, RdA 2005, 323 (324); Bepler, RdA 2004, 226 (227 f.); Waltermann, RdA 2006, 257 ff. 2 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 220. 3 Vgl. nur BAG v. 4.9.1985 – 7 AZR 262/83, BAGE 49, 290 = NZA 1986, 521; BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174; Küttner/Kreitner, Betriebliche Übung Rz. 3; Waltermann, RdA 2006, 257 (263 f.). 4 Schaub/Koch, ArbRHdb, § 111 Rz. 9. 5 BAG v. 4.9.1985 – 7 AZR 262/83, BAGE 49, 290 = NZA 1986, 521; BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174; Küttner/Kreitner, Betriebliche Übung, Rz. 3. Laber
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Teil 3 E
Rz. 4
Betriebliche Übung
Leistungen erbringen zu wollen, vorliegt1. Eine Gesamtzusage geht – selbst wenn sie zB wegen Formmangels unwirksam ist – einer betrieblichen Übung vor2. 4
Diese dogmatische Begründung der betrieblichen Übung wird von Teilen des Schrifttums abgelehnt. Sie sehen in der betrieblichen Übung vielmehr einen Fall der Vertrauenshaftung des Arbeitgebers (Vertrauenstheorie)3: Der Arbeitgeber müsse auch zukünftig für gewährte Leistungen einstehen, wenn aus seinem wiederholten, die Arbeitnehmer begünstigenden Tun in der Vergangenheit ein schützenswertes Vertrauen bei den Arbeitnehmern erzeugt worden ist und das Abbrechen dieser Übung mit dem bisherigen Verhalten in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise in Widerspruch stehen würde. Diese Lehre gerät freilich in Schwierigkeiten, wenn sie die bindende Wirkung einer den Arbeitnehmer benachteiligenden betrieblichen Übung erklären soll. Auch insoweit nimmt sie an, von Verwirkungstatbeständen einmal abgesehen, auf die ausdrückliche oder konkludente Unterwerfung durch den Arbeitnehmer nicht verzichten zu können. Damit aber muss sie im Grundsatz zur Vertragstheorie zurückkehren, der deshalb der Vorzug einzuräumen ist. 2. Gegenstand, Voraussetzungen und Rechtsfolgen
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Eine betriebliche Übung ist für jeden Gegenstand möglich, der arbeitsvertraglich in einer so allgemeinen Form geregelt werden kann4. Praxisrelevant sind zumeist zusätzliche Sozialleistungen, wie Weihnachts- und Urlaubsgelder, Zulagen5, Zuschüsse, Betriebsrenten6, aber auch Arbeitsbefreiungen7 oder die kostenlose Beförderung zum Arbeitsplatz8. An die Begleitumstände, aus denen sich ein individueller Bindungswille des Arbeitgebers herleiten lässt, werden allerdings je nach Gegenstand unterschiedliche Maßstäbe gestellt. So ist der Bindungswille in der Wechselbeziehung von Leistung und Gegenleistung (etwa bei Zuwendungen aus bestimmten Anlässen) eher zu bejahen als bei Regelungsgegenständen, die ihrem Schwerpunkt nach der Betriebsorganisation zuzuordnen sind, da diese regelmäßig auf kollektiver Ebene oder durch Ausübung des Direktions-
1 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174; Küttner/Kreitner, Betriebliche Übung, Rz. 2. 2 BAG v. 6.3.1984 – 3 AZR 1048/79. 3 Hromadka, NZA 1984, 241 (243); Seiter, Betriebsübung, S. 92 ff.; Singer, ZfA 1993, 487 ff.; zu den verschiedenen Meinungen MünchArbR/Richardi, § 8 Rz. 5 ff. 4 BAG v. 21.1.1997 – 1 AZR 52/96, NZA 1997, 1009; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 816. 5 Vgl. BAG v. 26.5.1993 – 4 AZR 130/93, BAGE 73, 191 = NZA 1994, 88; BAG v. 7.5.1986 – 4 AZR 556/83, BAGE 52, 33. 6 Vgl. BAG v. 16.7.1996 – 3 AZR 352/95, NZA 1997, 664. 7 Vgl. BAG v. 14.9.1994 – 5 AZR 679/93, NZA 1995, 419. 8 Vgl. BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337.
256 Laber
I. Grundlagen
Rz. 8
Teil 3 E
rechts geregelt werden1. Denkbar sind indes auch für den Arbeitnehmer ungünstige betriebliche Übungen, etwa solche, die die betriebliche Ordnung betreffen2. Ein Beispiel ist etwa die Abgeltung von Überstunden durch Freizeitausgleich. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung besteht folglich, wenn
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1. eine zusätzliche Leistung 2. ohne vertragliche Grundlage 3. mehrmalig in gleicher Art und Weise gewährt wird und 4. ein schützenswertes Vertrauen des Arbeitnehmers bezüglich des Verpflichtungswillens des Arbeitgebers besteht. Entstehen kann ein Anspruch aus einer betrieblichen Übung nur, wenn es 7 an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlt3. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der reine Tarifvollzug, dh. das Vorliegen einer tarifvertraglichen Regelung mit dem gleichen Regelungsinhalt4, oder die vermeintliche Erfüllung einer (unwirksamen) Zusage durch den Arbeitgeber5 eine vertragliche Grundlage für die Gewährung der Leistung darstellen und somit keinen Raum für einen Anspruch aus betrieblicher Übung lassen. Kein bloßer Tarifvollzug liegt jedoch vor, sobald Ermessenspielraum für den Arbeitgeber besteht, ob und wie er die zusätzliche Leistung gewährt6. Es gibt keine allgemeine Regel, wie oft und wie lange der Arbeitgeber eine 8 Leistung gewähren muss, damit eine betriebliche Übung entstehen kann7. Bei jährlich an die gesamte Belegschaft geleisteten Gratifikationen kann eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung einen Anspruch aus betrieblicher Übung begründen8. Zu beachten ist, dass es nicht ausreicht, wenn die Leistungen zwar in mehreren Jahren nacheinander, jedoch in unterschiedlicher Höhe gewährt werden9. Bei anderen Leistungen ist die Art, Dauer, Intensität und das Verhältnis der Anwendungsfälle zur Belegschaftsstärke maßgeblich. Je weniger wichtig die zusätzlichen Leistungen sind, desto höher
1 BAG v. 21.1.1997 – 1 AZR 52/96, NZA 1997, 1009; LAG Berlin v. 1.3.1999 – 9 Sa 133/98 u. 135/98, BB 1999, 800. 2 LAG Schl.-Holst. v. 15.7.1999 – 4 Sa 530/98; Küttner/Kreitner, Betriebliche Übung Rz. 8; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 823. 3 BAG v. 28.7.1988 – 6 AZR 349/87, BAGE 59, 177; BAG v. 24.11.2004 – 10 AZR 202/04, NZA 2005, 349. 4 BAG v. 9.2.2005 – 5 AZR 164/04, ZTR 2005, 419. 5 BAG v. 6.3.1984 – 3 AZR 1048/79. 6 Vgl. BAG v. 9.2.2005 – 5 AZR 164/04, ZTR 2005, 419. 7 BAG v. 28.7.2004 – 10 AZR 19/04, NZA 2004, 1152; BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174; Hromadka, NZA 1984, 2141 (244). 8 BAG v. 23.4.1963 – 3 AZR 173/62, BAGE 14, 174 = BB 1963, 938; BAG v. 28.2.1996 – 10 AZR 516/95, NJW 1996, 3166. BAG v. 1.4.2009 – 10 AZR 393/08, ArbRB 2009, 231. 9 BAG v. 28.2.1996 – 10 AZR 516/95, NJW 1996, 3166. Laber
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Teil 3 E
Rz. 9
Betriebliche Übung
sind die Anforderungen für das Entstehen einer betrieblichen Übung1. Eine praktizierte betriebliche Übung kann auch für neu eingestellte Arbeitnehmer gelten2, unabhängig davon, ob sie günstig oder ungünstig ist. 9
Ansprüche aus betrieblicher Übung entstehen nicht, wenn der Arbeitgeber trotz dreimaliger Zahlung oder Leistung einen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt3. Der Vorbehalt muss klar und unmissverständlich geäußert werden, so dass den Anforderungen des Bestimmtheits- und Transparenzgebots der §§ 305c, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB Genüge getan ist4. Beispiele sind Formulierungen wie „freiwillig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ oder „kein Rechtsanspruch für die Zukunft“. Der Vorbehalt muss ferner bei jeder Leistungsgewährung wiederholt werden5. Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine bindende betriebliche Übung in der Zeit nach dem letzten Vorbehalt entsteht6. Eine betriebliche Übung kann sich mangels Vertrauenstatbestand auch dann nicht entwickeln, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweist, dass die konkrete Regelung nur für das laufende Jahr gilt7.
10 Ferner darf ein Arbeitnehmer nicht auf einen Verpflichtungswillen schließen, wenn der Arbeitgeber sich bei der Gewährung der Leistung erkennbar irrtümlich auf eine vertragliche Grundlage stützt (zB einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung falsch anwendet)8. 11 Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung liegt beim Arbeitnehmer9. Das heißt, dass der Arbeitnehmer zumindest vergleichbare Fälle benennen muss, in denen der Arbeitgeber die Leistungen gewährt hat. Das BAG hat die Benennung von sechs vergleichbaren Fällen für ausreichend erachtet10.
1 BAG v. 28.7.2004 – 10 AZR 19/04, NZA 2004, 1152; BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174; LAG Hamm v. 7.6.2006 – 18 Sa 1485/05. 2 BAG v. 27.6.2001 – 10 AZR 488/00, EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 44; BAG v. 14.11.2001 – 10 AZR 152/01, NZA 2002, 527 (Ls.); BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174; Waltermann, RdA 2006, 257 (265). 3 BAG v. 5.6.1996 – 10 AZR 883/95, NJW 1997, 213 = NZA 1996, 1028. 4 Küttner/Kania, Änderungsvorbehalte, Rz. 13. 5 Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 820. 6 MünchArbR/Richardi, § 8 Rz. 24. 7 BAG v. 6.9.1994 – 9 AZR 672/902, NZA 1995, 418; LAG Köln v. 4.11.1992 – 7 Sa 801/92, DB 1993, 331. 8 BAG v. 3.6.1984 – 3 AZR 340/80, NZA 1984, 256; BAG v. 7.5.1986 – 4 AZR 556/83, BAGE 52, 33; BAG v. 25.7.2001 – 10 AZR 785/00, EzA § 611 BGB Schichtdienst Nr. 2; BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, BAGE 103, 141 = NZA 2003, 390; Waltermann, RdA 2006, 257 (266). 9 BAG v. 16.3.1993 – 3 AZR 350/92; LAG Schl.-Holst. v. 30.3.2000 – 4 Sa 450/99, DB 2000, 1769. 10 BAG v. 16.3.1993 – 3 AZR 350/92.
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I. Grundlagen
Rz. 13
Teil 3 E
3. Änderungs- und Aufhebungsmöglichkeiten Da Ansprüche aus einer betrieblichen Übung vertragliche Ansprüche sind, 12 können sie auch nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung beseitigt werden1. Das BAG hat bis vor kurzem überdies auch eine Aufhebung durch „negative betriebliche Übung“ oder „gegenläufige betriebliche Übung“ für möglich erachtet2, wenn sich die Veränderung unmittelbar auswirkt und der Arbeitnehmer in Kenntnis dieser Auswirkungen weiterarbeitet, obwohl nach der Verkehrssitte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein ausdrücklicher Widerspruch zu erwarten gewesen wäre3. Dies sollte etwa der Fall sein, wenn sich durch die Nichtgewährung der Leistung unmittelbar die Vergütung des Arbeitnehmers verringert. Mit Urteil vom 18.3.2009 hat das BAG jüngst allerdings seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben und unter Berufung auf § 308 Nr. 5 BGB festgehalten, dass eine dreimalige widerspruchslose Annahme einer vom Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlte Gratifikation nicht mehr den Verlust eines vertraglichen Anspruchs auf die Gratifikation bewirken kann4. Ferner kann eine betriebliche Übung durch eine nachfolgende Dienst- oder Betriebsvereinbarung abgelöst werden, jedoch nur wenn diese für den Arbeitnehmer günstiger ist5. Anders als die endgültige Ablösung dauert die verdrängende Wirkung hier aber nur so lange, wie die Dienst- oder Betriebsvereinbarung besteht. Danach leben die individualrechtlichen Ansprüche aus der betrieblichen Übung wieder auf6. Falls der Arbeitgeber freiwillige Leistungen unter dem Vorbehalt des Wi- 13 derrufs erbracht hat, kann er die durch betriebliche Übung entstandene Verpflichtung für die Zukunft auch einseitig widerrufen. Das Entstehen einer Rechtsbindung wird hierdurch freilich nicht ausgeschlossen. Der Widerruf unterliegt als einseitiges Recht jedoch der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB7. Ferner muss der Arbeitgeber im Hinblick auf § 308 Nr. 4 BGB den Widerrufsvorbehalt dahingehend präzisieren, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang er sein Widerrufsrecht 1 BAG v. 14.8.1996 – 10 AZR 69/96, BB 1996, 2445; LAG Hamm v. 13.9.2004 – 8 Sa 721/04, NZA-RR 2005, 237; Bepler, RdA 2005, 323 (325); Waltermann, RdA 2006, 257 (267); für die Möglichkeit einer Anfechtung bei irrtümlicher Leistungsgewährung Houben, BB 2006, 2301 ff.; Reiter, ZfA 2006, 361 (378 ff.). 2 BAG v. 26.3.1997 – 10 AZR 612/96, NJW 1998, 475 = NZA 1997, 1007; BAG v. 4.5.1999 – 10 AZR 290/98, BAGE 91, 283 = NZA 1999, 1162; abl.: Thüsing, NZA 2005, 718 (719); Waltermann, RdA 2006, 257 (268 f.). 3 BAG v. 24.11.2004 – 10 AZR 202/04, NZA 2005, 349; LAG Köln v. 29.5.2006 – 14 (12) Sa 56/06, NZA-RR 2006, 633; ArbG Ludwigshafen v. 12.7.2006 – 8 Ca 1303/06, NZA-RR 2007, 13. 4 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, DB 2009, 1186; bestätigt in: BAG v. 25.11.2009 – 10 AZR 779/08, zitiert nach juris. 5 BAG v. 16.9.1986 – GS 1/82, BAGE 53, 42 = NZA 1987, 168; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 827; kritisch Bepler, RdA 2005, 323 (328); Waltermann, RdA 2006, 257 (267 f.). 6 BAG v. 28.3.2000 – 1 AZR 366/99, NZA 2001, 49; aA Merten/Schwartz, DB 2001, 646 (647). 7 BAG v. 12.1.1994 – 5 AZR 41/93, NZA 1994, 694; Freitag, NZA 2002, 294 (295). Laber
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Teil 3 E
Rz. 14
Betriebliche Übung
ausüben will1. Unwirksam ist etwa eine Klausel, wonach der Arbeitgeber übertarifliche Leistungen jederzeit unbeschränkt widerrufen kann. Unwirksam ist ein Widerrufsvorbehalt auch dann, wenn der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil mehr als 25 % des Gesamtverdienstes beträgt oder die tarifliche Vergütung unterschritten wird. Sollen darüber hinaus Zahlungen des Arbeitgebers für Aufwendungen, also nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen, widerrufen werden können, erhöht sich die Grenze auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes2.
II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst 14 Die skizzierten Grundsätze zur betrieblichen Übung gelten nach der ständigen Rechtsprechung des BAG für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst nur sehr eingeschränkt. Es kann sogar der Grundsatz aufgestellt werden, dass im öffentlichen Dienst Ansprüche aus betrieblicher Übung nicht entstehen können, da es zumeist an einem schützenswerten Vertrauen des Arbeitnehmers auf den Verpflichtungswillen des öffentlichen Arbeitgebers fehlt. Dies beruht zum einen auf der tarifvertraglichen Schriftformklausel für Nebenabreden (siehe Rz. 15 ff.) und zum anderen auf haushaltsrechtlichen Gründen, dem so genannten Grundsatz des Normvollzugs (siehe Rz. 21 ff.). Beide Hürden dürften nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu überwinden sein3. 1. Einschränkung durch Tarifverträge 15 In den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes ist zwingend die Schriftform für Nebenabreden vorgeschrieben (zB § 4 Abs. 2 BAT, § 2 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L). Das konstitutive Schriftformerfordernis schließt das Entstehen von – vertraglichen – Ansprüchen aus betrieblicher Übung somit grundsätzlich aus4. Denn es handelt sich bei diesen Schriftformklauseln um eine gesetzliche Schriftform iSd. § 126 BGB, so dass ihre Missachtung die Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts gemäß § 125 Satz 1 BGB zur Folge hat5. Dies gilt gleichfalls, wenn durch eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes verwiesen wurde6. Das Schriftformerfordernis schließt jedoch nur betriebliche Übungen aus, die als Nebenabreden iSd. tarifvertraglichen Normen anzusehen sind.
1 Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – NZA 2007, 87 = NJW 2007, 536; Waltermann, RdA 2006, 257 (268). 2 BAG v. 11.10.2006 – 95 AZR 721/05, NZA 2007, 87 = NJW 2007, 536. 3 Vgl. BAG v. 9.7.1985 – 1 AZR 631/80, DB 1986, 230. 4 BAG v. 13.11.1986 – 6 AZR 567/83, AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG v. 26.1.1989 – 6 AZR 566/86, ZTR 1989, 318; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 824. 5 BAG v. 18.5.1977 – 4 AZR 47/76, BAGE 29, 182 = DB 1977, 2145; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337. 6 Dütz, FS Wiese, S. 85 (89).
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 18
Teil 3 E
Für andere Abreden gilt das nur deklaratorisch wirkende tarifvertragliche Schriftformerfordernis der § 4 Abs. 1 BAT, § 2 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L. Was unter einer Nebenabrede zu verstehen ist, wird von den Senaten des 16 BAG unterschiedlich definiert. Nach dem ersten und dem vierten Senat sind Nebenabreden solche Vereinbarungen, die nicht unmittelbar die gegenseitigen Hauptrechte und -pflichten aus dem Arbeitsvertrag betreffen1. Sie regeln Gegenstände, die für ein Arbeitsverhältnis weder wesensnotwendig noch von besonderer Bedeutung sind, sondern sekundären, außergewöhnlichen Charakter haben2. Danach sind insbesondere Vereinbarungen über das Arbeitsentgelt keine Nebenabreden; sie können also auch mündlich oder konkludent abgeschlossen werden3. Beispiele für Nebenabreden sind dagegen Vereinbarungen über Erschwerniszulagen4, Fahrtkostenersatz, Trennungsentschädigungen5, Verpflegungs- oder Essenszuschüsse, Arbeitsfreistellungen6, kostenlose Beförderung zum Arbeitsplatz7 oder kostenlose Parkplatznutzung8. Nach Auffassung des dritten Senats liegt dagegen dann eine Nebenabrede 17 vor, wenn es sich um eine außertarifliche Leistung handelt9. Denn der Zweck der tariflichen Schriftformklauseln sei die Sicherung der Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes. Es solle verhindert werden, dass irreguläre, vom Normensystem abweichende Absprachen einer dienstaufsichtlichen Überprüfung verborgen bleiben10. Diese Definition widerspricht freilich dem Wortlaut der tariflichen Schriftformklausel. „Nebenabrede“ bedeutet nach dem allgemeinen und juristischen Sprachgebrauch, wie etwa auch an dem Begriff der „Nebenforderung“ erkennbar ist, nicht Über- oder Außertariflichkeit, sondern Unwesentlichkeit im Vergleich zum eigentlichen Vertrag, in dem die für die Parteien wesentlichen, gegenseitigen Pflichten festgelegt sind. Von daher ist die Definition des ersten und vierten Senats des BAG vorzugswürdig. Sind die tarifvertraglichen Schriftformklauseln ausnahmsweise nicht an- 18 wendbar, war bis vor kurzem im Falle einer in einem Arbeitsvertrag enthaltenen Schriftformklausel die Rechtsprechung des BAG zu beachten, wo-
1 BAG v. 7.5.1986 – 4 AZR 556/83, BAGE 52, 33; BAG v. 28.1.1987 – 4 AZR 147/86, BAGE 55, 18; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337; ebenso LAG Köln v. 8.8.2003 – 11 Sa 238/03, ZTR 2004, 314 (Ls.); Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, BAT/BAT-O, § 4 Rz. 25. 2 BAG v. 7.5.1986 – 4 AZR 556/83, BAGE 52, 33. 3 BAG v. 28.1.1997 – 4 AZR 147/86, BAGE 55, 18. 4 BAG v. 7.5.1986 – 4 AZR 556/83, BAGE 52, 33. 5 BAG v. 28.1.1981 – 4 AZR 869/78, BAGE 35, 7. 6 LAG Köln v. 8.3.2003 – 11 Sa 238/03, ZTR 2004, 314. 7 BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337. 8 LAG Schl.-Holst. v. 3.4.2001 – 1 Sa 646b/00, NZA-RR 2001, 488. 9 BAG, v. 7.9.1982 – 3 AZR 5/80, BAGE 40, 126 = BB 1983, 1032; BAG v. 8.3.1983 – 3 AZR 284/80. 10 BAG, v. 7.9.1982 – 3 AZR 5/80, BAGE 40, 126 = BB 1983, 1032; BAG v. 16.7.1996 – 3 AZR 352/95, NZA 1997, 664. Laber
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Teil 3 E
Rz. 19
Betriebliche Übung
nach die Entstehung einer betrieblichen Übung grundsätzlich nur durch eine „doppelte Schriftformklausel“ verhindert werden kann1. Bei einer doppelten Schriftformklausel bedürfen nicht nur Vertragsänderungen der Schriftform, sondern es wird zusätzlich festgelegt, dass mündliche Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform nichtig sind. Dadurch wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit der Schriftformklausel besonderen Wert legen. Der 9. Senat des BAG hat nunmehr jedoch entschieden, dass eine zu weit gefasste doppelte Schriftformklausel in AGB-Verträgen irreführend sei und deshalb den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB benachteilige. Aufgrund des Verbots geltungserhaltender Reduktion (§ 306 Abs. 2 BGB) sind doppelte Schriftformklauseln in AGB-Arbeitsverträgen deshalb insgesamt unwirksam und stehen dem Anspruch aus betrieblicher Übung nicht mehr entgegen2. 19 Wird im Arbeitsvertrag explizit auf einen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes vollständig verwiesen, gilt auch dessen tarifvertragliche Schriftformklausel3. Zwar kann diese von den Parteien explizit oder konkludent abbedungen werden. Dies setzt indes einen entsprechenden eindeutigen Willen des öffentlichen Arbeitgebers voraus. Allein in der stillschweigenden Gewährung einer übertariflichen Leistung kann dieser nicht gesehen werden. Denn durch die uneingeschränkte Verweisung auf den Tarifvertrag wird deutlich, dass keine Verpflichtungen außerhalb des Tarifvertrags begründet werden sollen4. 20 In Ausnahmefällen kann die Berufung auf das Schriftformerfordernis durch den öffentlichen Arbeitgeber allerdings rechtsmissbräuchlich sein5, etwa wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Kläger oder Dritten zum Ausdruck gebracht hat, für die Wirksamkeit der Nebenabrede komme es auf die Einhaltung der Formvorschrift nicht an6, oder er zB in Einstellungsgesprächen explizit auf die zusätzliche Leistung hingewiesen hat7. Rechtsmissbrauch liegt aber noch nicht vor, wenn auf Grund einer formnichtigen Vereinbarung über einen längeren Zeitraum hinweg Leistungen erbracht wurden. Denn wenn eine tarifliche Vorschrift vorsieht, dass die Wirksamkeit eines Vertrages oder einer Nebenabrede zu einem Vertrag von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig ist, gebietet es die Rechtssicherheit, diese
1 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, BAGE 106, 345 = NZA 2003, 1145; Melot de Beauregard, BB 2003, 2467 (2468). 2 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, AP Nr. 35 zu § 307 BGB. 3 Vgl. BAG v. 9.12.1981 – 4 AZR 312/79, BAGE 37, 228 = DB 1982, 1417. 4 BAG v. 9.12.1981 – 4 AZR 312/79, BAGE 37, 228 = DB 1982, 1417. 5 BAG v. 7.9.1982 – 3 AZR 5/80, BAGE 40, 126 = BB 1983, 1032; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337. 6 BAG v. 7.5.1986 – 4 AZR 556/83, BAGE 52, 33; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337; LAG Köln v. 8.8.2003 – 11 Sa 238/03, ZTR 2004, 314 (Ls.). 7 BAG v. 16.7.1996 – 3 AZR 352/95, NZA 1997, 664.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 23
Teil 3 E
Vorschrift nicht ohne zwingenden Grund zu missachten1. Im Falle des Rechtsmissbrauchs hindert somit das Schriftformerfordernis nicht das Entstehen einer betrieblichen Übung, soweit die übrigen Voraussetzungen (siehe Rz. 6) vorliegen und auch nicht der im öffentlichen Dienst zu beachtende Grundsatz des Normvollzugs (Rz. 21 ff.) eingreift. 2. Einschränkung durch „Normvollzug“ a) Grundsatz Im öffentlichen Dienst ist das Entstehen einer betrieblichen Übung durch 21 den Grundsatz des Normvollzugs nach ständiger Rechtsprechung des BAG stark eingeschränkt. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst bei der Gewährung von Leistungen im Zweifel nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen vollziehen will. Denn die öffentlichen Arbeitgeber sind durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, insbesondere aber auch durch die Festlegungen des Haushaltsplans gebunden. Sie sind daher gehalten, die Mindestbestimmungen des Tarifrechts nicht zu überschreiten und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse einzuhalten2. Aus diesem Grunde muss der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst grund- 22 sätzlich davon ausgehen, dass ihm nur die Leistungen gewährt werden sollen, zu denen der Arbeitgeber auch verpflichtet ist3. Selbst bei langjährigen Leistungen wird deshalb ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht ohne besondere Anhaltspunkte annehmen dürfen, die Gewährung von übertariflichen Vergünstigungen sei Vertragsbestandteil geworden und werde unbefristet fortgesetzt4. Er darf vielmehr nur auf eine korrekte Anwendung der aktuell geltenden rechtlichen Regelungen vertrauen und muss davon ausgehen, dass eine fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert wird5. Liegen jedoch zusätzliche Anhaltspunkte wie schriftliche Bestätigungen oder sonstige Verlautbarungen vor, kommt eine betriebliche Übung aus-
1 BAG v. 7.9.1982 – 3 AZR 5/80, BAGE 40, 126 = BB 1983, 1032; BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337; kritisch hierzu Singer, ZfA 1993, 487 (508). 2 BAG v. 23.6.1988 – 6 AZR 137/86, BAGE 59, 73 = NZA 1989, 55; BAG v. 29.9.2004 – 5 AZR 528/03, BAGE 112, 112 = ZTR 2005, 97. 3 BAG v. 18.8.1988 – 6 AZR 361/86, BAGE 59, 224 = ZTR 1999, 116; BAG v. 24.3.1993 – 5 AZR 16/92, BAGE 73, 1 = NZA 1993, 749; BAG v. 9.2.2005 – 5 AZR 164/04, ZTR 2005, 419; Waltermann, RdA 2006, 257 (267); abl. Reiter, ZfA 2006, 361 (375); Singer, ZfA 1993, 487 (498 ff.). 4 BAG v. 23.6.1988 – 6 AZR 137/86, BAGE 59, 73 = NZA 1989, 55; BAG v. 24.3.1993 – 5 AZR 16/92, BAGE 73, 1 = NZA 1993, 749; BAG v. 29.9.2004 – 5 AZR 528/03, BAGE 112, 112 = ZTR 2005, 97. 5 Vgl. BAG v. 14.9.1994 – 5 AZR 679/93, NZA 1995, 419; BAG v. 29.9.2004 – 5 AZR 528/03, BAGE 112, 112 = ZTR 2005, 97. Laber
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Rz. 24
Betriebliche Übung
nahmsweise auch im öffentlichen Dienst in Betracht1. So ist etwa eine betriebliche Übung möglich, wenn der Arbeitgeber als Normgeber selbst gehandelt hat (zB durch unmittelbar von der Landesregierung erlassene Richtlinien)2 oder zusätzliche Leistungen im Rahmen der Tarifregelungen erbringt3. Letzteres hat der sechste Senat des BAG etwa für den Fall angenommen, dass Schulräume mit Zustimmung des Schulträgers durch außerschulische Veranstaltungen über die tarifliche Arbeitszeit hinaus belegt werden. Hier habe ein tarifgebundener Schulhausmeister aufgrund betrieblicher Übung Anspruch darauf, während dieser Zeit Bereitschaftsdienst gegen Zahlung der tariflichen Vergütung zu leisten4. 24 Die Flexibilisierung des öffentlichen Dienstrechts durch die Möglichkeit der Anreizsetzung mittels Leistungsentgelten wird an dieser Sonderstellung des öffentlichen Dienstes nichts ändern. Zum einen sind der Umfang und die Ausgestaltung der Leistungsentgelte tarifvertraglich der Höhe nach begrenzt, und zum anderen ist die Leistungszulage tarifvertraglich (vgl. § 18 Abs. 4 TVöD-VKA, § 8 Abs. 1 LeistungTV-Bund) als widerrufliche Leistung definiert, so dass ein eventuell entstandener Vertrauenstatbestand jederzeit beseitigt werden kann. Kollektivrechtliche Regelungen, die einen Widerrufsvorbehalt enthalten, unterliegen im Übrigen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, sondern nur der Ausübungskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB5. b) Ausnahmen aa) Betriebliche Übung bei Vergütungsanpassung 25 Von den vorgenannten Grundsätzen zum Normvollzug hat das BAG in einer Entscheidung aus dem Jahre 1986 eine Ausnahme gemacht. Danach soll eine betriebliche Übung auch im öffentlichen Dienst dann möglich sein, wenn es sich nicht um freiwillige Zusatzleistungen, sondern um die als angemessen angesehene Vergütung als Gegenleistung für erwartete Arbeitsleistung handelt6. Der entschiedene Fall betraf eine regelmäßig wiederholte Anpassung einer vereinbarten Pauschalvergütung für eine wissenschaftliche Hilfskraft jeweils entsprechend und zeitgleich mit der Erhöhung der Beamtenbesoldung. Auf diese in der Literatur7 überwiegend ablehnend aufgenommene Differenzierung ist das BAG in späteren Entscheidungen
1 BAG v. 15.3.2006 – 4 AZR 75/05; Dütz, FS Wiese, S. 85 (90); Pfohl, Rz. 86; Waltermann, RdA 2006, 257 (275). 2 LAG Frankfurt am Main v. 18.6.2001 – 13 Sa 1105/00, PersR 2002, 132; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 232. 3 BAG v. 13.11.1986 – 6 AZR 567/83, AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG v. 26.1.1989 – 6 AZR 566/86, ZTR 1989, 318. 4 BAG v. 26.1.1989 – 6 AZR 566/86, ZTR 1989, 318. 5 BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, NZA 2006, 563 = NJW 2006, 2060. 6 BAG v. 5.2.1986 – 5 AZR 632/84, BAGE 51, 113 = NZA 1986, 605. 7 Vgl. Kort, AR-Blattei öffentlicher Dienst, Entsch 317; Scheuring, AP Nr. 21 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; zustimmend Sponer/Steinherr/Steinherr, TVöD, § 2 Rz. 688.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 28
Teil 3 E
indes nicht mehr zurückgekommen, so dass fraglich ist, ob man die Entscheidung über den Einzelfall hinaus verallgemeinern kann. bb) Betriebliche Übung bei Bindung des Arbeitgebers an haushaltsrechtliche Vorgaben Da das BAG die Einschränkung der betrieblichen Übung im öffentlichen 26 Dienst durch den Grundsatz des Normvollzugs vor allem mit der Bindung an haushaltsrechtliche Vorgaben begründet, stellt sich die Frage, ob die Beschränkung der betrieblichen Übung nicht für alle Arbeitgeber gelten muss, die an haushaltsrechtliche Vorgaben gebunden sind, also beispielsweise auch für privatrechtlich organisierte Zuwendungsempfänger. Des Weiteren ist fraglich, ob der Grundsatz des Normvollzugs auch für privatwirtschaftliche Betätigungen und Eigengesellschaften der öffentlichen Arbeitgeber gelten kann, die mit Gewinnerzielungsabsicht wirtschaftlich tätig sind. Die Rechtsprechung ist hierzu etwas unklar. Für kommunale Eigengesell- 27 schaften sollen die für den öffentlichen Dienst geltenden Einschränkungen ebenfalls gelten1. Auch der Wechsel in eine privatrechtliche Rechtsform soll hieran nichts ändern2. Teilweise wird ferner angenommen, dass sogar auf Träger der freien Wohlfahrtspflege und der kirchlichen Einrichtungen die dargestellten Einschränkungen der betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst übertragbar sein sollen, weil sich diese Einrichtungen über Kostenerstattungen der öffentlichen Hand oder der Sozialversicherungsträger finanzieren und sich die Kostenerstattung nach den tariflichen Regeln richtet3. Das BAG hat dies indes in früheren Entscheidungen für Arbeitnehmer des Diakonischen Werks4 und des Caritasverbandes5 abgelehnt, da diese in der Gestaltung der vertraglichen Beziehungen zu ihren Arbeitnehmern freier seien und nicht den gleichen strengen haushaltsrechtlichen Überwachungsbestimmungen unterlägen. Letztlich dürfte immer entscheidend sein, ob der Arbeitgeber tatsächlich einer umfassenden Bindung an haushaltsrechtliche Vorgaben und einer entsprechenden Überwachung unterliegt. Nur in diesem Fall ist die Einschränkung der betrieblichen Übung durch den Grundsatz des Normvoll1 BAG v. 14.1.1988 – 6 AZR 347/85, ZTR 1989, 35; BAG v. 23.6.1988 – 6 AZR 137/86, BAGE 59, 73 = NZA 1989, 55; LAG Hamm v. 16.4.1996 – 6 Sa 1127/95, BB 1996, 1775; Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 2 Rz. 39; Dütz, FS Wiese, S. 85 (92); Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 825; abl. Bepler, RdA 2004, 226 (231); zweifelnd auch BAG v. 18.9.2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 = NZA 2003, 337. 2 LAG Schl.-Holst. v. 3.4.2001 – 1 Sa 646b/00, NZA-RR 2001, 488 (hier: gGmbH); Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 11 Rz. 39 (Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband); HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 232; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 825; aA Waltermann, RdA 2006, 257 (267). 3 Vgl. LAG Düsseldorf v. 27.11.2002 – 12 Sa 1071/02, ZTR 2003, 195; ebenso Dütz, FS Wiese, S. 85 (94); HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 232. 4 BAG v. 26.5.1993 – 4 AZR 130/93, BAGE 73, 191 = NZA 1004, 88. 5 BAG v. 28.10.1987 – 5 AZR 518/85, NZA 1988, 425. Laber
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Rz. 29
Betriebliche Übung
zugs gerechtfertigt. Die bloße Finanzierung eines Arbeitgebers durch die öffentliche Hand kann dagegen noch nicht ausreichend sein, sondern nur dann, wenn dem öffentlichen Dienstherrn auch keine anderen, von haushalts- und tarifrechtlichen Bindungen befreite Budgets zur Verfügung stehen1. Nicht entscheidend ist ferner die Anwendung des Tarifrechts. So gelten für private Arbeitgeber, die das öffentliche Dienstrecht kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwenden, die allgemeinen Grundsätze zur betrieblichen Übung2. 3. Betriebliche Übung durch Verordnungen, Richtlinien, Erlasse oder Selbstbindung der Verwaltung 29 Anhaltspunkte für einen Bindungswillen des öffentlichen Arbeitgebers können sich auch aus der Anwendung von Verordnungen, Richtlinien, Erlassen und Verwaltungsanweisungen ergeben. Dabei muss jedoch zum einen auf die rechtliche Qualität der Regelung geachtet werden und zum anderen darauf, ob und wie ihre Anwendung nach außen tritt. 30 So ist die Anwendung von Richtlinien oder Verwaltungsanweisungen bei der internen Willensbildung allein nicht ausreichend, vielmehr muss durch das Verhalten nach außen – zB durch Hinweise auf das Bestehen dieser Regelungen – erkennbar werden, dass ein Einverständnis des Arbeitgebers mit dem Entstehen arbeitsvertraglicher Rechte vorliegt3. Zum Beispiel kann ein öffentlicher Arbeitgeber einen erforderlichen Bindungswillen bekunden, wenn er eine nichttarifliche Regelung mit Erlasscharakter gegenüber seinen Arbeitnehmern ohne Vorbehalt und Einschränkung über lange Zeit generell anwendet4. Nicht ausreichend soll es dagegen sein, wenn vom öffentlichen Arbeitgeber nur verwaltungsinterne tarifliche Richtlinien zur Eingruppierung befolgt werden5. 31 Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kommt dem öffentlich-rechtlichen Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung im Rahmen von privatrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und öffentlichen Arbeitgebern keine anspruchsbegründende Wirkung zu6. Auf diesen Grundsatz kann somit keine betriebliche Übung gestützt werden. Ebenso wie für die unmittelbare Anwendung von Erlassen und Verordnungen ist auch für die Anwendung dieses, dem Verwaltungsrecht angehörenden Grundsatzes insoweit kein Raum. Gleichwohl kann sich natürlich die Verwaltung durch
1 Vgl. Schaub/Koch, ArbRHdb, § 111 Rz. 14; aA Dütz, FS Wiese, S. 85 (92). Beispiele hierfür sind zB die Forschungsinstituten zur Verfügung stehenden Drittmittel. 2 LAG Sachsen v. 6.3.2002 – 2 Sa 248/01, ZTR 2002, 598 (Ls.) für Kreisverband des DRK; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 232. 3 BAG v. 28.1.1987 – 4 AZR 147/86, BAGE 55, 18. 4 BAG v. 10.2.1988 – 4 AZR 577/87, BAGE 57, 282. 5 BAG v. 28.1.1987 – 4 AZR 147/86, BAGE 55, 18. 6 BAG v. 10.2.1988 – 4 AZR 577/87, BAGE 57, 282; BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 1009/94, NZA-RR 1996, 313.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 33
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den Erlass von Verwaltungsvorschriften oder durch sonstige Erklärungen binden1. 4. Zusammenarbeit mit Beamten und Berücksichtigung des Beamtenrechts Eine weitere Einschränkung für das Entstehen einer betrieblichen Übung 32 im öffentlichen Dienst ergibt sich bei einer Zusammenarbeit von Angestellten mit Beamten. Erfolgt eine gemeinsame Beschäftigung von Angestellten und Beamten und sind die Angestellten denselben Regelungen unterworfen wie die Beamten, kann eine betriebliche Übung grundsätzlich nicht entgegen den Beamtenregelungen entstehen. Dies gilt aus Gründen der Gleichbehandlung insbesondere dann, wenn sich die vom Arbeitgeber gewährten Leistungen als Vollzug von Regelungen darstellen, die für Beamte und Arbeitnehmer einheitlich gelten sollen2. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bei zusätzlichen Leistungen nicht besser gestellt werden dürfen als Beamte. Übt der öffentliche Arbeitgeber sein Ermessen gegenüber den Beamten dahingehend aus, eine zusätzliche Leistung in Zukunft nicht mehr zu gewähren, gilt dies auch für die Arbeitnehmer. Derartige Leistungen stehen also mit anderen Worten von Anfang an unter einem entsprechenden Änderungsvorbehalt3. Soweit es deshalb etwa für eine jahrelang gewährte Arbeitsbefreiung von Arbeitnehmern und Beamten einer staatlichen Dienststelle an ihren Geburtstagen ab 12.00 Uhr keine förmliche Rechtsgrundlage gibt, kann der öffentliche Arbeitgeber die Übung wieder einstellen, wenn auch den Beamten keine Freistellung mehr gewährt wird4. 5. Fallgruppen der betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst a) Anspruch auf Freistellung In den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes finden sich abschließende Regelungen für Freistellungen aufgrund privater Anlässe des Arbeitnehmers (vgl. § 52 Abs. 2, Abs. 3 BAT/BAT-O, § 33 MTArb/MTArb-O, § 29 TVöD bzw. TV-L)5. Darüber hinausgehende Dienstbefreiungen aufgrund einer betrieblichen Übung scheiden aus den erörterten Gründen im öffentlichen Dienst aus. Etwas anderes gilt auch nicht für Freistellungen aufgrund der regionalen Brauchtumspflege (zB Freistellung an Rosenmontag)6. 1 BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 1009/94, NZA-RR 1996, 313; BAG v. 17.12.1997 – 5 AZR 332/96, BAGE 87, 310 = NZA 1988, 555. 2 BAG v. 10.4.1985 – 7 AZR 36/83, BAGE 49, 31 = NZA 1986, 604; BAG v. 14.9.1994 – 5 AZR 679/93, NZA 1995, 419; Pfohl, Rz. 86. 3 BAG v. 10.4.1985 – 7 AZR 36/83, BAGE 49, 31 = NZA 1986, 604. 4 BAG v. 14.9.1994 – 5 AZR 679/93, NZA 1995, 419 im Anschluss an BAG v. 28.7.1988 – 6 AZR 349/87, AP Nr. 1 zu § 5 TV Arb Bundespost. 5 BAG v. 28.7.1988 – 6 AZR 349/87, BAGE 59, 177; BAG v. 14.9.1994 – 5 AZR 679/93, NZA 1995, 419 (für § 52 BAT). 6 BAG v. 24.3.1993 – 5 AZR 16/92, BAGE 73, 1 = NZA 1993, 749; LAG Köln v. 5.12.1991 – 10 Sa 609/01, LAGE § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 12; LAG Köln v. 8.8.2003 – 11 Sa 238/03, ZTR 2004, 314. Laber
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Teil 3 E
Rz. 34
Betriebliche Übung
Außerdem kann in aller Regel kein Vertrauen auf eine dauerhafte, uneingeschränkte Dienstbefreiung entstehen, wenn die Dienstbefreiung jedes Jahr aufs Neue gesondert angeordnet wird1. b) Arbeitszeitregelungen 34 Auch hinsichtlich einer betrieblichen Übung, die die Lage oder den Umfang der Arbeitszeit betrifft, ist die Rechtsprechung im öffentlichen Dienstrecht sehr restriktiv. Hinzu kommt der allgemeine Grundsatz bei Arbeitszeitregelungen, dass je mehr eine Regelung auf das Funktionieren des Betriebes in seiner Gesamtheit bezogen ist, desto weniger die Arbeitnehmer annehmen können, dass sich der Arbeitgeber mit einem bestimmten Verhalten ihnen gegenüber individualrechtlich binden will2. Eine langjährige unveränderte Beibehaltung einer Arbeitszeitregelung führt deshalb nicht dazu, dass diese Arbeitszeit durch betriebliche Übung Vertragsbestandteil bleibt3. Auch soll beispielsweise eine langjährige Übung, wonach ein Teil der Arbeitszeit außerhalb des Dienstgebäudes abgeleistet werden darf, den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nicht daran hindern, vom Arbeitnehmer zu verlangen, in Zukunft die gesamte Arbeitszeit im Dienstgebäude zu verbringen4. Denn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes wird regelmäßig nicht damit rechnen können, dass der Arbeitgeber hinsichtlich eines nicht unerheblichen Teils der Arbeitszeit dauerhaft auf sein Weisungsrecht verzichtet, selbst wenn es viele Jahre nicht ausgeübt wurde. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes daher auch bei langjährigem Verzicht des Arbeitgebers auf Ausübung seines Direktionsrechts nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und bestehe unbefristet weiter5. Entsprechendes gilt auch für die Frage von Anwesenheitspflichten, also den Ort der Arbeitsleistung6. c) Anspruch auf Genehmigung einer Nebentätigkeit 35 Dieselbe restriktive Haltung vertritt die Rechtsprechung auch im Hinblick auf einen möglichen Anspruch auf Genehmigung einer Nebentätigkeit aufgrund betrieblicher Übung im Bereich des öffentlichen Dienstes7. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach § 3 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L Nebentätigkeiten vom Arbeitnehmer nur noch anzuzeigen sind. Der Arbeitgeber kann diese dann untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn sie geeignet sind, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten oder die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. 1 BAG v. 24.3.1993 – 5 AZR 16/92, BAGE 73, 1 = NZA 1993, 749; BAG v. 12.1.1994 – 5 AZR 41/93, NZA 1994, 694; BAG v. 6.9.1994 – 9 AZR 672/94, NZA 1995, 418. 2 BAG v. 21.1.1997 – 1 AZR 52/96, NZA 1997, 1009. 3 BAG v. 23.6.1992 – 1 AZR 57/92, NZA 1993, 89. 4 BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 802/94, NJW 1996, 1770 = NZA 1996, 718. 5 BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 802/94, NJW 1996, 1770 = NZA 1996, 718. 6 BAG v. 11.10.1995 – 5 AZR 802/94, NJW 1996, 1770 = NZA 1996, 718. 7 Vgl. BAG v. 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, ZTR 2000, 220.
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II. Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Rz. 37
Teil 3 E
d) Arbeitsbedingungen Eine betriebliche Übung bezüglich der Arbeitsbedingungen wird nur aus- 36 nahmsweise anzunehmen sein, da die Arbeitsbedingungen zumeist auf kollektiver Ebene geregelt oder durch die Ausübung des Direktionsrechts festgelegt werden1. Zwar mag auch etwa in Bezug auf die Festlegung eines betrieblichen Schichtsystems eine betriebliche Übung grundsätzlich möglich sein. Gleichwohl ist der fragliche Gegenstand (also zB das betriebliche Schichtsystem) für die Bewertung, ob die Arbeitnehmer aus einem bestimmten Verhalten des Arbeitgebers auf einen entsprechenden individuellen Bindungswillen schließen dürfen, von Bedeutung. Ist dieser Bindungswille in der Wechselbeziehung von Leistung und Gegenleistung, etwa der Gewährung von Zulagen oder Arbeitsbefreiung aus bestimmten Anlässen, noch leicht vorstellbar, so wird er nur ausnahmsweise anzunehmen sein, wenn ein Gegenstand betroffen ist, der seinen Schwerpunkt nach der Organisation des Betriebs zuzurechnen ist und daher üblicherweise auf kollektiver Ebene oder durch Ausübung des Direktionsrechts geregelt wird. Je mehr eine Regelung auf das Funktionieren des Betriebs in seiner Gesamtheit bezogen ist, desto weniger können die Arbeitnehmer annehmen, der Arbeitgeber wolle sich mit einem bestimmten Verhalten ihnen gegenüber individualrechtlich binden2. In neuerer Zeit spielt die private Nutzung der vom Arbeitgeber zu dienst- 37 lichen Zwecken zur Verfügung gestellten Telekommunikationsmittel und hier insbesondere das private Telefonieren und die private Nutzung des Internets3 eine Rolle. Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung der zur Verfügung gestellten Telekommunikationsmittel nicht untersagt, kann hierin eine stillschweigende Duldung erblickt werden, die sich schließlich zu einer betrieblichen Übung verstärken kann4. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Arbeitgeber bekannt ist, dass und in welchem Umfang die Arbeitnehmer die Kommunikationsmittel privat nutzen5. Zu der Frage, ab welchem Zeitpunkt eine betriebliche Übung hinsichtlich der Privatnutzung von Telefon, Internet etc. entstehen soll, liegt bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Für die Telefonnutzung wird in der Literatur mindestens ein Zeitraum von sechs Monaten gefordert6, für die Internetnutzung sogar ein solcher bis zu einem Jahr7. Zu beachten ist außerdem, dass eine betriebliche Übung die Gleichartigkeit der Vergünstigung voraussetzt. Eine langjährige Duldung privater Telefonate bedeutet 1 BAG v. 21.1.1997 – 1 AZR 572/96, NZA 1997, 1009; LAG Berlin v. 1.3.1999 – 9 Sa 133/98 u. 135/98, BB 1999, 800. 2 BAG v. 21.1.1997 – 1 AZR 572/96, NZA 1997, 1009. 3 Vgl. hierzu Barton, NZA 2006, 460; Beckschulze, DB 2007, 1526; Waltermann, NZA 2007, 529; vgl. auch BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 386/05, NZA 2006, 177; BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922. 4 Ablehnend Waltermann, NZA 2007, 529 ff. 5 Beckschulze, DB 2007, 1526; Schaub/Koch, ArbRHdb, § 111 Rz. 11; aA Barton, NZA 2006, 460 (461): Auch bei fehlender Kontrolle und Unterbindung der privaten Nutzung kann eine betriebliche Übung entstehen. 6 Barton, NZA 2006, 460 (461). 7 Kramer, NZA 2004, 457 (459). Laber
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Teil 3 E
Rz. 37
Betriebliche Übung
daher noch nicht, dass davon auch die private Nutzung des Internets erfasst ist1. Da die Gestattung der privaten Nutzung von Telefon, Internet etc. letztlich wie eine Sonderzahlung einen geldwerten Vorteil darstellt2, gelten im öffentlichen Dienst insoweit die dargelegten Einschränkungen über das Entstehen einer betrieblichen Übung3. Checkliste für Ansprüche aus betrieblicher Übung im öffentlichen Dienst I. Gewährung einer zusätzlichen Leistung II. Ohne rechtliche Grundlage III. Mehrfache bzw. langjährige Gewährung IV. In gleicher Art und Weise V. Schützenswertes Vertrauen in den Verpflichtungswillen 1. Kein Freiwilligkeitsvorbehalt 2. Kein Eingreifen von Schriftformklauseln a) Tarifvertragliche Schriftformklausel aa) Anwendbarkeit des Tarifvertrags durch Tarifbindung, bb) Anwendbarkeit durch einzelvertragliche Bezugnahme (Bezugnahmeklausel bzw. Gleichstellungsabrede4), b) Einzelvertragliche Schriftformklausel (doppelte Schriftformklausel) c) Nebenabrede d) Formmangel nach § 242 BGB unbeachtlich? 3. Keine Beschränkung durch Grundsatz des Normvollzugs a) Kein an Haushaltsrecht gebundener Arbeitgeber (str.) oder b) Vorliegen zusätzlicher Anhaltspunkte (zB besonderes Herausstellen der Leistung)
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Küttner/Kreitner, Telefon-/Internetnutzung, Rz. 4. Barton, NZA 2006, 460 (461). Waltermann, NZA 2007, 529 (533). Vgl. zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln und der Änderung der Rechtsprechung zu Gleichstellungsabreden BAG v. 24.11.2004 – 10 AZR 202/04, NZA 2005, 349 sowie zum anderen nunmehr BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NJW 2006, 2571; BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, BAGE 122, 74 = AP Nr. 53 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag.
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F. Entgeltfortzahlung Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung, § 21 TVöD . . 1. Lohnausfallprinzip . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des Referenzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entgeltfortzahlung gewährende Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erholungsurlaub, § 26 TVöD . b) Zusatzurlaub, § 27 TVöD . . . . c) Arbeitsbefreiung, § 29 TVöD . d) Arbeitsbefreiung am 24. und 31. Dezember, § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . III. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 TVöD . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . .
1 3 5 6 13 13 14 15 16
Rz. 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dauer des Anspruchs . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wegfall des § 71 BAT und Bestandsschutz in § 13 TVÜ . . . . . . c) Anspruch auf Krankengeldzuschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wiederholungserkrankung . . . . . 4. Anzeige- und Nachweispflichten . . 5. Forderungsübergang bei Dritthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Leistungsverweigerungsrechte . . . . 7. Tarifliche Ausschlussfristen bei Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 20 20 21 22 24 25 26 27 28
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Schrifttum: Bremecker/Hock/Klapproth//Kley: TVöD – Das neue Tarifrecht im öffentlichen Dienst, 2005; Preis: Arbeitsrecht – Praxis-Lehrbuch zum Individualarbeitsrecht, 3. Aufl. 2009.
I. Grundlagen § 616 BGB ist die Grundlage für die Entgeltfortzahlung in Fällen, in denen 1 der Beschäftigte ohne eigenes Verschulden von der Erbringung der Arbeitsleistung abgehalten wird. Nach § 616 Satz 1 BGB wird der Beschäftigte seines Anspruchs auf Entgelt nicht verlustig, wenn er aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, für eine verhältnismäßig kurze Zeit an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert wird. Für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit ergibt sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 EFZG. Nach § 12 EFZG kann von den zwingenden Vorschriften des EFZG nicht 2 zuungunsten der Beschäftigten abgewichen werden1. Durch Tarifvertrag kann von der Bemessungsgrundlage des EFZG abgewichen werden, § 4 Abs. 4 EFZG. Dabei umfasst der Begriff der Bemessungsgrundlage nicht nur die Berechnungsmethode, sondern auch die Entgeltbestandteile, die der Berechnung zugrunde zu legen sind2. In §§ 21, 22 TVöD sind die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 22 TVöD) und die Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung im Bereich des öffentlichen Dienstes geregelt. Für die Auslegung bedeutsam sind die jeweiligen Protokollerklärungen. 1 Kappelhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 B Rz. 107. 2 BAG v. 26.9.2001 – 5 AZR 539/00, NZA 2002, 387. Grimm
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Teil 3 F
Rz. 3
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II. Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung, § 21 TVöD 3
§ 21 TVöD sieht vor, dass in den Fällen, in denen eine Freistellung von der Arbeit aufgrund von Weihnachten oder Silvester (§ 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD), Krankheit (§ 22 Abs. 1 TVöD), Erholungsurlaub (§ 26 TVöD), Zusatzurlaub (§ 27 TVöD) oder einer Arbeitsbefreiung nach § 29 TVöD stattfindet, das Tabellenentgelt und die sonstigen in den Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt werden. Das Entgelt ist der Lohn des Beschäftigten, soweit er ihn als Gegenleistung für die Arbeit erhält1. Dieser wird in seiner vollen Höhe fortgezahlt, wenn die Voraussetzungen für eine Entgeltfortzahlung vorliegen. Fortzuzahlen sind auch die vermögenswirksamen Leistungen, § 23 Abs. 1 Satz 4 TVöD.
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Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage ist eine Kombination aus dem Lohnausfall- und dem Referenzprinzip gewählt worden2. Beim Lohnausfallprinzip richtet sich die Vergütung des Beschäftigten nach dem, was er verdient hätte, wenn die Arbeit nicht ausgefallen wäre, er also gearbeitet hätte3. Beim Referenzprinzip dagegen wird ein arbeitstäglicher Durchschnittswert gebildet, auf dessen Grundlage das Entgelt fortgezahlt wird4. Die beiden Entgeltbestandteile werden zusammengerechnet und der daraus gebildete Gesamtwert ist das fortzuzahlende Entgelt. 1. Lohnausfallprinzip
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Bei dem nach § 15 TVöD in einem Monatsbeitrag festgelegten Tabellenentgelt findet das Lohnausfallprinzip Anwendung. Die festen Entgeltbestandteile werden während einer Entgeltfortzahlung fortgezahlt. Das Entgelt wird nur in der Höhe weitergezahlt, in der es ohne das die Fortzahlung auslösende Ereignis dem Beschäftigten zugestanden hätte. Stufenerhöhungen nach § 17 TVöD während des Entgeltfortzahlungszeitraums werden jeweils auf den Zeitraum vor oder nach der Erhöhung berechnet, umgekehrt verringert sich das Entgelt zB bei Wegfall einer Zulage.5. 2. Anwendung des Referenzprinzips
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Zusätzlich zu den ständigen festen Bezügen besteht das Entgelt auch aus unständigen Bezügen, die nicht in den Monatsbeträgen festgelegt sind. Dies können beispielsweise Zeitzuschläge, Erschwerniszuschläge, Bereitschaftsdienstentgelte, Rufbereitschaftsentgelte, Zulagen für höherwertige Tätigkeiten, kinderbezogene Entgeltbestandteile, Besitzstandszulagen nach § 9, § 10, § 11 TVÜ-VKA bzw. -Bund und Ähnliches (wie persönliche Zulagen nach § 14 TVöD) sein6. Diese werden nach dem Referenzprinzip fortgezahlt. Es wird ein Durchschnittswert gebildet. Aus diesem wird errech1 2 3 4 5 6
Kappelhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 B Rz. 140. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 2. Müller/Preis, Rz. 613. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 2. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 7. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 3.
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II. Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung, § 21 TVöD
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net, in welcher Höhe der jeweilige Lohnbestandteil fortgezahlt wird, § 21 Satz 2 TVöD. Zahltag für das im Rahmen der Entgeltfortzahlung ausgezahlte Gehalt bleibt nach § 24 TVöD der letzte Tag des laufenden Monats1. Als Basis für die Berechnung des Durchschnittswerts werden gemäß § 21 Satz 2 TVöD die letzten drei vollen Kalendermonate herangezogen. Ein voller Kalendermonat liegt immer dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis an allen Tagen des Kalendermonats rechtlich bestanden hat. Ob tatsächlich Entgelt gezahlt wurde, ist irrelevant2. Falls das Arbeitsverhältnis weniger als drei Monate Bestand hatte, sind bei der Berechnung die Monate zugrunde zu legen, an denen das Arbeitsverhältnis Bestand hatte3. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Berechnung ist immer der Beginn des Umstandes, der die Entgeltfortzahlung auslöst4.
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Nachdem der durchschnittliche Wert für drei Monate berechnet wurde, ist 8 der Tagessatz festzustellen. Gemäß der Protokollerklärung Nr. 2 zu § 21 TVöD beträgt bei einer „Fünftagewoche“ der Tagessatz regelmäßig 1/65 aus der Summe der zu berücksichtigenden Entgeltbestandteile. Dies sind nach Auffassung des BMI die in den letzten drei Monaten tatsächlich erarbeiteten Entgeltbestandteile, nach Auffassung des VKA wegen § 24 Abs. 1 Satz 4 TVöD die in diesem Zeitraum fällig gewordenen5. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Faktor 65 den Arbeitstagen jener drei Monate entspricht, indem man 13 Wochen × 5 Arbeitstage = 65 zugrunde legt6. Pro Tag, den das Entgelt fortgezahlt wird, erhält der Beschäftigte also 1/65 des Durchschnitts aus den letzten drei Monaten. Bei einer abweichenden Verteilung der Durchschnittsarbeitszeit ist der Tagesdurchschnitt entsprechend zu berechnen. Bei einer „Sechstagewoche“ beträgt er 1/787 und bei einer „Viertagewoche“ 1/428. Auf die tatsächliche Anzahl der Arbeitstage in diesem Zeitraum kommt es nicht an9. Für den Fall, dass die Entgeltfortzahlung nach einer allgemeinen Entgelt- 9 anpassung erfolgt, ist nach Protokollerklärung Nr. 3 zu § 21 TVöD der Beschäftigte so zu stellen, als ob die Entgeltanpassung bereits mit Beginn des Berechnungszeitraums eingetreten wäre. Die Regelung bezweckt die Berücksichtigung einer Entgeltanpassung, die zum Zeitpunkt der Entgeltzahlung vorlag, allerdings nicht im gesamten Zeitraum der dreimonatigen Berechnungsfrist. Diese Berechnungsart hat das BAG in einem Urteil zu § 47 1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 7. 2 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 113. 3 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 113; Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, H 3; Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr/Schelter, § 21 TVöD Rz. 5. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 9. 5 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 15 ff. 6 Conze, Rz. 724. 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 28; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 113. 8 Conze, Rz. 727. 9 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 20, mit Berechnungsbeispielen auch zu verkürzten Berechnungszeiträumen. Grimm
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Abs. 2 BAT, das aufgrund der Vergleichbarkeit der Regelungen weiterhin von Bedeutung ist1, gebilligt2. 10 Für Beschäftigte, die vor Inkrafttreten des TVöD beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt waren und in den Monaten Oktober bis Dezember 2005 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung erlangt haben, existiert keine Regelung im TVöD oder im TVÜ. Aus diesem Grund kann hier wie bei Neueinstellungen auf einen verkürzten Berechnungszeitraum zurückgegriffen werden3. 11 Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage werden nach § 21 Satz 3 TVöD Überstunden und Mehrarbeit, die nicht im Dienstplan vorgesehen sind, nicht in die Berechnung einbezogen. Anders ist dies bei Überstunden und Mehrarbeit, die im Dienstplan „vorgesehen“ sind, § 21 Satz 3 TVöD. Diese Überstunden und Mehrarbeit fließen in die Berechnung der unselbständigen Entgeltbestandteile mit ein und werden Teil des fortzuzahlenden Entgelts. 12 Nach § 21 Satz 3 TVöD sind Leistungsentgelte (§ 18 TVöD) und Jahressonderzahlungen (§ 20 TVöD) und Sterbe- und Jubiläumsgeld nach § 23 Abs. 3 bzw. Abs. 2 TVöD von der Einbeziehung in die Berechnung zur Entgeltfortzahlung ausgenommen. In § 47 Abs. 2 BAT war eine Bemessungsgrundlage von 108 % bei der Berechnung der Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, vorgesehen. Der Tagesdurchschnitt sollte auf 108 % erhöht werden, um Ausfallzeiten auszugleichen4. Mit § 21 TVöD ist diese Regelung aufgehoben worden. 3. Entgeltfortzahlung gewährende Regelungen a) Erholungsurlaub, § 26 TVöD 13 Gemäß § 21 Satz 1 TVöD erfolgt während des jährlichen Erholungsurlaubs eine Entgeltfortzahlung. Unbezahlter Urlaub wird vom Wortlaut her nicht erfasst. b) Zusatzurlaub, § 27 TVöD 14 Für Zusatzurlaub für Schicht- oder Wechselschichtarbeit im Sinne des § 27 TVöD bzw. nach im besonderen Teil des TVöD enthaltenen Sonderregelungen besteht nach § 21 Satz 1 TVöD ebenfalls ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
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Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 18. BAG v. 13.6.1991 – 8 AZR 330/90, ZTR 1992, 156. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 21 Rz. 29. Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, A I 1, § 47 BAT Rz. 35.
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III. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 TVöD
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c) Arbeitsbefreiung, § 29 TVöD Auch im Fall einer Arbeitsbefreiung nach § 29 TVöD ergibt sich aus § 21 Satz 1 TVöD ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
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d) Arbeitsbefreiung am 24. und 31. Dezember, § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD sind die Beschäftigten, wenn es die betrieb- 16 lichen und dienstlichen Verhältnisse zulassen, zum 24. und zum 31. Dezember von der Arbeit freizustellen. Nach § 21 Satz 1 TVöD ist auch für diese Freistellung das Entgelt in voller Höhe fortzuzahlen.
III. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 TVöD 1. Rechtsgrundlage Für den Fall, dass ein Beschäftigter krankheitsbedingt an der Erbringung 17 der Arbeitsleistung verhindert ist, ist sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in § 22 TVöD geregelt. Die Norm hat § 37 BAT ersetzt. Bezüglich der Bemessungsgrundlage verweist § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD auf § 21 TVöD. An der Höhe des Entgelts im Krankheitsfall ändert sich somit nichts im Vergleich zu anderen Fällen der Entgeltfortzahlung. Das EFZG wird angewendet, wenn der TVöD keine Anwendung findet, oder die Vorschriften des EFZG im Einzelfall für den Beschäftigten günstiger sind1. 2. Voraussetzungen Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung ist, dass der Beschäftigte ohne eigenes Verschulden erkrankt ist2. Krankheit ist jeder regelwidrige körperliche oder geistige Zustand, gleichgültig auf welcher Ursache er beruht3. Zwischen der Krankheit und der Arbeitsunfähigkeit muss Kausalität vorliegen. Die Krankheit muss alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit sein4. Nicht jeder regelwidrige Zustand führt zu einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung, vielmehr muss die Krankheit Arbeitsunfähigkeit hervorrufen5. Arbeitsunfähig ist der Arbeitnehmer, der infolge seiner Krankheit nicht in der Lage ist, seine Arbeit zu verrichten. Dies beurteilt sich nach objektiven medizinischen Kriterien6.
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Weitere Voraussetzung ist, dass der Beschäftigte die Krankheit nicht 19 schuldhaft verursachen darf, § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD. Die Protokollerklärung zu § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD stellt klar, dass nur Vorsatz und grobe 1 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 115; Conze, Rz. 736. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 8; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 116; Kuner, Der neue TVöD, Rz. 305. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 15; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 116. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 29 ff. mit Beispielen. 5 Conze, Rz. 737. 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 19. Grimm
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Fahrlässigkeit als Verschulden des Beschäftigten bei der Herbeiführung der Krankheit angesehen werden. Vorsatz liegt vor, wenn der Beschäftigte die Krankheit bewusst herbeiführt. Grob fahrlässig handelt der Beschäftigte dann, wenn er gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse gebotene Verhalten in gröblicher Weise verstößt1. Die Darlegungsund Beweislast für dieses Verschulden liegt beim Arbeitgeber, es sei denn, die Umstände sind so, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Beschäftigten geschlossen werden kann2. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ergeben sich keine Besonderheiten3. 3. Dauer des Anspruchs a) Grundsatz 20 Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung über einen Zeitraum von sechs Wochen. Der Anspruch besteht vom ersten Tag der Inkraftsetzung des Arbeitsverhältnisses an4. Damit ist der TVöD günstiger als § 3 Abs. 3 EFZG, der eine vierwöchige Wartefrist für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung voraussetzt. Nach sechs Wochen kann nur noch ein Anspruch auf die Zahlung von Krankengeldzuschuss geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nur bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, § 22 Abs. 4 Satz 1 TVöD. b) Wegfall des § 71 BAT und Bestandsschutz in § 13 TVÜ 21 § 71 BAT war eine Übergangsregelung für die Krankenbezüge und betraf alle Angestellten, deren Arbeitsverhältnis zu einem öffentlichen Arbeitgeber vor dem 1. Juli 1994 begründet wurde und danach weiterhin Bestand hatte5. Er gewährte über die Dauer von sechs Wochen hinaus einen Anspruch auf Zahlung von Krankenbezügen, jeweils abhängig von der Beschäftigungsdauer6. Mit dem Erlass des TVöD ist diese Regelung ersatzlos weggefallen. § 13 TVÜ-VKA bzw. TVÜ-Bund regelt einen Ausgleich für die unter § 71 BAT fallenden Angestellten. Nach Ablauf der sechswöchigen Frist wird zusätzlich zu dem Nettokrankengeld der Unterschied zwischen Krankengeld und Nettolohn an die Beschäftigten ausgezahlt. Infolge der Heranziehung des Nettokrankengeldes als Berechnungsgrundlage übernimmt der Arbeitgeber die auf das Krankengeld entfallenden Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung7. Das Nettogehalt ist nach der Regelung des § 13 Abs. 1 1 BAG v. 23.11.1971 – 1 AZR 388/70, NJW 1972, 703; BAG v. 30.3.1988 – 5 AZR 42/87, NJW 1988, 2323; HWK/Schliemann, § 3 EFZG Rz. 57. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 38. 3 Zu Einzelheiten: Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 39 ff.; ErfK/Dörner, § 3 EFZG Rz. 49 ff.; HWK/Schliemann, § 3 EFZG Rz. 61 ff. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 133; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 116; Conze, Rz. 740. 5 Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, A I 1, § 71 BAT Rz. 1. 6 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 125. 7 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 119.
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III. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 TVöD
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TVÜ im Ergebnis das gleiche wie nach § 71 BAT. Für Beschäftigte, deren Krankheit vor Erlass des TVöD begonnen hat und über den 30. September 2005 hinaus andauert, ist als besondere Schutzregelung in § 13 Abs. 2 TVÜ festgelegt, dass bis zum Ende der 26. Woche einer ununterbrochen andauernden Krankheit das Gehalt nach § 21 TVöD fortgezahlt wird. c) Anspruch auf Krankengeldzuschuss Nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlungsfrist besteht ein An- 22 spruch auf Krankengeldzuschuss gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD, und zwar in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialversicherungsträgers und dem Nettoentgelt. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V betragen die Leistungen des Sozialversicherungsträgers 70 % des regelmäßigen Arbeitsentgelts, so dass die restlichen 30 % des Arbeitsentgelts vom Arbeitgeber als Krankengeldzuschuss gezahlt werden. Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeldzuschuss ist, dass tatsächlich Krankengeld gezahlt wird1. Krankengeld wird immer dann gezahlt, wenn ein Versicherter aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, § 44 Abs. 1 SGB V. Weitere Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis mindestens ein Jahr Bestand hatte, anderenfalls besteht kein Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss, § 22 Abs. 3 Satz 1 TVöD2. Die Dauer des Anspruchs auf Zahlung des Krankengeldzuschusses richtet sich gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 TVöD nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Bei einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr besteht ein Anspruch auf Krankengeldzuschuss bis zum Ende der 13. Krankheitswoche und bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als drei Jahren bis zum Ende der 39. Krankheitswoche. Für die Berechnung der Bezugszeiten ist vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit auszugehen und nicht vom Beginn der Auszahlung des Krankengeldzuschusses3. Höchstgrenzen innerhalb eines Jahres für die Inanspruchnahme des Krankengeldzuschusses bestehen nicht. Der Anspruch entsteht bei jeder neuen Erkrankung jeweils in voller Höhe4. Der Anspruch auf Zahlung des Krankengeldzuschusses endet bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder ab dem Zeitpunkt, ab dem der Beschäftigte eine Rente oder vergleichbare Versorgungsleistung bezieht (§ 22 Abs. 4 TVöD). Der Krankengeldzuschuss ist steuerpflichtiger Arbeitslohn5.
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d) Wiederholungserkrankung Im Fall von Mehrfacherkrankungen sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Falls eine erneute Krankheit nach einer vorhergegangenen 1 2 3 4 5
Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 155. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 122. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 162; Conze, Rz. 754. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 123. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 158, mwN zur steuerund sozialversicherungspflichtigen Behandlung. Grimm
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Arbeitsunfähigkeit vorliegt, begründet jede neue Krankheit einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Erforderlich ist, dass zwischen der ersten und der zweiten Erkrankung ein Zeitraum liegt, in dem die Tätigkeit wieder aufgenommen wurde. Dafür genügt bereits ein Zeitraum von wenigen Stunden, in denen der Beschäftigte voll arbeitsfähig war1. Bei einer zusätzlichen Krankheit, die die Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer ersten Krankheit verlängert, liegt im Sinne der Entgeltfortzahlung eine Erkrankung vor2. Es bleibt beim gesetzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG, § 22 Abs. 1 Satz 2 TVöD3. Bei einer Erkrankung dagegen, die auf derselben Ursache beruht und immer wieder zu Ausfällen führt, weil sie beispielsweise nicht richtig ausgeheilt ist, wird eine einzelne, zusammenhängende Krankheit angenommen4. Für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung liegt die Beweislast beim Arbeitgeber5. 4. Anzeige- und Nachweispflichten 25 Hinsichtlich der Anzeige- und Nachweispflichten gilt im Geltungsbereich des TVöD § 5 Abs. 1 EFZG. Den Beschäftigten trifft die Verpflichtung, seine Erkrankung unverzüglich anzuzeigen6. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gelten keinerlei Besonderheiten7. 5. Forderungsübergang bei Dritthaftung 26 Im TVöD existiert keine Regelung über einen Forderungsübergang bei einer Dritthaftung. § 38 BAT ist ersatzlos weggefallen, es gelten die gesetzlichen Regelungen der §§ 6, 7 EFZG8. Nach § 6 Abs. 1 EFZG geht ein Anspruch auf Schadensersatz gegen Dritte aufgrund des Verdienstausfalls auf den Arbeitgeber über9. Für Einschränkungen des Anspruchsübergangs gelten die allgemeinen Regeln (zB § 116 SGB X, § 86 VVG, § 105 SGB VII). 6. Leistungsverweigerungsrechte 27 Trotz Anspruchs auf Entgeltfortzahlung hat der Arbeitgeber nach § 7 EFZG ein Leistungsverweigerungsrecht, zB in Fällen, in denen der Beschäftigte seine Obliegenheiten verletzt, wie durch Nichtanzeige einer Erkrankung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG), oder Verhinderung des Übergangs eines Schadens1 BAG v. 2.12.1981 – 5 AZR 89/90, BAGE 37, 172; Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 119; HWK/Schliemann, § 3 EFZG Rz. 105. 2 BAG v. 2.12.1981 – 5 AZR 89/90, BAGE 37, 172. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 109; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 120. 4 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 120. 5 BAG v. 4.12.1985 – 5 AZR 656/84, DB 1986, 600; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 131. 6 BAG v. 13.8.1989 – 2 AZR 13/89, NZA 1990, 433. 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 94 ff. 8 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 214. 9 Vgl. ausführlich mwN: Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 214 ff.; ErfK/Dörner, § 6 EFZG Rz. 1 ff.; HWK/Schliemann, § 6 EFZG Rz. 1 ff.
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III. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, § 22 TVöD
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ersatzanspruchs gegen Dritte auf den Arbeitgeber (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG)1. Die Beweislast für die Pflichtverletzung liegt beim Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer muss dann darlegen und beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat2. 7. Tarifliche Ausschlussfristen bei Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers Hatte der Arbeitgeber das Entgelt irrtümlich fortgezahlt, obwohl rechtlich keine Verpflichtung dazu bestand, zB bei einer Fortsetzungserkrankung, besteht ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beschäftigten3. Die Ausschlussfrist des § 37 TVöD beginnt erst nach Kenntnis des Arbeitgebers von der Fortsetzungserkrankung; dabei besteht für den Arbeitgeber eine Erkundigungspflicht bei Krankenkasse oder Arzt, wenn objektive Anhaltspunkte auf eine Fortsetzungserkrankung des Beschäftigten hindeuten4.
1 Ausführlich mwN: Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 251 ff.; ErfK/Dörner, § 7 EFZG Rz. 1 ff. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 258; ErfK/Dörner, § 7 EFZG Rz. 18; HWK/Schliemann, § 7 EFZG Rz. 20. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 Rz. 132. 4 BAG v. 19.3.1986 – 5 AZR 86/85, NJW 1986, 2902. Grimm
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G. Arbeitnehmerhaftung Schrifttum: Pauly, Grundfragen der Mankohaftung, BB 1996, 2038; Preis, Arbeitsrecht – Praxis – Lehrbuch zum Individualarbeitsrecht, 3. Aufl. 2009; Schwab, Die Schadenshaftung im Arbeitsverhältnis – Eine Übersicht, NZA-RR 2006, 449.
I. Begriff und Haftungsgrundsätze 1
Arbeitnehmerhaftung ist die Haftung des Arbeitnehmers für Schäden, die im Bereich des Arbeitsverhältnisses während der Ausübung der geschuldeten Tätigkeit entstanden sind. Die Haftung der Beschäftigten kann sich auf verschiedene Rechtsgüter beziehen wie auf Sach- und Vermögensschäden sowohl an Rechtsgütern des Arbeitgebers1 als auch auf Schäden an Rechtsgütern von Arbeitskollegen und Dritten2. Daneben existieren Haftungsregelungen für Personenschäden3 sowie diejenigen der Mankohaftung4. Durch § 280 Abs. 1 BGB wurde ein einheitlicher Haftungstatbestand für Schlecht- oder Nichtleistungen geschaffen, der auch im Bereich der Arbeitnehmerhaftung gilt5. Ein Arbeitnehmer haftet für Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Andererseits wäre eine vollständige Haftung (Prinzip der Totalreparation) unbillig, da der Arbeitnehmer häufig Arbeitsmaterial von hohem Wert zur Verfügung gestellt bekommt6. Der Arbeitgeber muss sich die Betriebsgefahr zurechnen lassen, da er kraft seiner Organisationsgewalt Arbeitsablauf und Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers steuert7. Infolgedessen wird die Verteilung des Schadens nach dem Grad des Verschuldens anhand einer Abwägung ermittelt8.
II. Abkoppelung vom Beamtenrecht 2
Nach § 14 BAT bestand eine Haftungsbeschränkung, die die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung verdrängte. Danach sollten für die Haftung der unter den BAT fallenden Angestellten die für die Beamten geltenden Vorschriften Anwendung finden. Die Haftung für die Angestellten des Bundes bestimmte sich nach § 78 Abs. 1 Satz 1 BBG, der eine Haftung lediglich für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung des Dienstherren vorsah. Für alle anderen Angestellten 1 ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 1 ff.; Preis, Arbeitsrecht, § 53; Westhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 I Rz. 1 ff. 2 ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 23 ff.; HWK/Krause, § 619a BGB Rz. 57 ff.; Schwab, NZA-RR 2006, 449 (453); Westhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 I Rz. 64 ff. 3 ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 22; Westhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, 2 I Rz. 74 ff. 4 HWK/Krause, § 619a BGB Rz. 47 ff.; Pauly, BB 1996, 2038 ff.; Westhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 I Rz. 55 ff. 5 Preis, Arbeitsrecht, § 51; Westhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 I Rz. 1. 6 ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 9. 7 BAG v. 27.9.1994 – GS 1/89 (A), BAGE 78, 56; Preis, Arbeitsrecht, § 53 I. 8 ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 13; Preis, Arbeitsrecht, § 53 I.
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II. Abkoppelung vom Beamtenrecht
Rz. 3
Teil 3 G
dagegen richtete sich die Haftung nach der Rahmengesetzgebung des ehemaligen § 46 Abs. 1 Satz 1 BRRG, der ebenfalls nur eine Haftung für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung vorsah1. Anwendungsvoraussetzung war, dass der Arbeitgeber überhaupt Beamte beschäftigte. War dies nicht der Fall, wurden gemäß § 69 BAT die Vorschriften angewendet, die für die Beamten in den Gemeinden des Landes galten, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hatte2. Mit Inkrafttreten des TVöD war § 14 BAT außer Kraft getreten. Der TVöD 3 enthielt vom 1.5.2005 bis 30.6.2008 keine Regelung über die Haftungsbeschränkung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Das Recht der Haftungsbeschränkung war vom Beamtenrecht abgekoppelt3. Für die Praxis hatte dies allerdings kaum Auswirkungen, die Rechtslage änderte sich nur geringfügig. Nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen haftet der Arbeitnehmer nicht für leichte Fahrlässigkeit und nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in voller Höhe4. Es bestand lediglich ein möglicher Unterschied bei einer Quotelung bei mittlerer Fahrlässigkeit, die zusätzlich zu der allgemeinen Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit hinzutritt5. Anders war schon seit 1.5.2005 die Lage für Beschäftigte in den Landesverwaltungen. § 3 Abs. 7 TV-L regelt, dass für die Beschäftigten, die unter den TV-L fallen, die für die Beamten geltenden geminderten Haftungsregelungen gültig sind. Dies hat zur Folge, dass § 75 Abs. 1 BBG n.F. Anwendung findet und der Arbeitnehmer nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit voll haftet. Daher fand bei den Beschäftigten der Landesverwaltungen eine Quotelung der Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit nicht statt. Durch den ÄnderungsTV Nr. 2 vom 31.3.2008 wurde mit Wirkung zum 1.7.2008 der Rechtszustand vor Inkrafttreten des TVöD wiederhergestellt. Für die Arbeitnehmer im kommunalen Bereich ist die Schadenshaftung bei dienstlich oder betrieblich veranlassten Tätigkeiten gem. § 3 Abs. 6 TVöD auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. § 3 Abs. 7 TVöD verweist für die Arbeitnehmer des Bundes auf § 75 Abs. 1 BBG (= § 78 Abs. 1 BBG in der bis zum 5.2.2009 geltenden Fassung). Im öffentlichen Dienst haften Arbeitnehmer also nur für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.
1 2 3 4
Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, A I 1, § 14 BAT Rz. 4. Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, A I 1, § 14 BAT Rz. 2. Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, F 7; Müller/Preis, Rz. 530. Conze, Rz. 823; Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, F 7; ErfK/Preis, § 619a BGB Rz. 14 f.; Westhoff, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 I Rz. 22. 5 Conze, Rz. 823; Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, F 7. Grimm
281
H. Dienstliche Beurteilung Rz.
Rz.
I. Begriff und Zweck . . . . . . . . . . . .
1
V. Beurteilungsverfahren . . . . . . . . . . . 14
II. Rechtliche Einordnung . . . . . . . .
6
III. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
IV. 1. 2. 3.
Beurteilungsarten . . . . . . . . . . . . . Regelbeurteilung. . . . . . . . . . . . . . Befähigungsbeurteilung . . . . . . . . Anlassbeurteilung. . . . . . . . . . . . .
10 11 12 13
VI. Beurteilungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . 24 VII. 1. 2. 3.
Besondere Regelungen . . . . . . . . . . . Schwerbehinderte . . . . . . . . . . . . . . . Dienstkräfte im Mutterschutz . . . . Dienstkräfte in Elternzeit . . . . . . . .
26 26 27 28
Schrifttum: Bieler, Die dienstliche Beurteilung, 4. Aufl. 2002; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 15. Aufl. 2007; Preis, Arbeitsrecht – Praxis-Lehrbuch zum Individualarbeitsrecht, 3. Aufl. 2009.
I. Begriff und Zweck 1
TVöD und BPersVG enthalten keine Definition des Begriffs der dienstlichen Beurteilung. Dienstliche Beurteilung ist eine Bewertung des Arbeitnehmers, die im Zusammenhang mit seiner laufenden dienstlichen Tätigkeit erfolgt und vom Arbeitgeber nach objektivierten einheitlichen Kriterien vorgenommen wird. Davon abzugrenzen sind analytische Arbeitsplatzbewertungen, Beurteilungsformulare, Führungsrichtlinien zur Ausführung der Beurteilungen, Funktionsbeschreibungen1 oder technische Leistungskontrollen2. Ein Arbeitszeugnis wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstellt und enthält Aussagen über das Dienstverhältnis und dessen Dauer, bei einem qualifizierten Arbeitszeugnis noch zusätzlich Angaben über Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis3. Hingegen erfolgt die dienstliche Beurteilung während des laufenden Arbeitsverhältnisses und wird ggf. gegen den Willen des Arbeitnehmers ausgestellt4. Die dienstliche Beurteilung ist Bestandteil der Personalakte5.
2
Führungsrichtlinien legen regelmäßig fest, in welcher Weise Mitarbeiter allgemein ihre Arbeitsaufgaben und Führungskräfte ihre Führungsaufgaben zu erledigen haben. Sie legen keine Maßstäbe für die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung des Beschäftigten fest und sind daher keine allgemeinen Beurteilungsgrundsätze6.
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BAG v. 14.1.1986 – 1 ABR 82/83, BAGE 50, 337. Clemenz, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 4 A Rz. 665. Preis, Arbeitsrecht, § 72 I 2 a. BAG v. 19.8.1992 – 7 AZR 262/91, BAGE 71, 110. BVerwG v. 20.3.1959 – VII P 11.58, BVerwGE 8, 219; RDW/Gräfl, PersVG, § 68 Rz. 107; MünchArbR/Reichold, § 87 Rz. 9. 6 BAG v. 23.10.1984 – 1 ABR 2/83, BAGE 47, 96; GK-BetrVG/Raab, § 94 Rz. 52.
282 Grimm
II. Rechtliche Einordnung
Rz. 6
Teil 3 H
Die Beurteilung von Beschäftigten stellt keinen Eingriff in deren Persön- 3 lichkeitsrechte dar. Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Beurteilung von Arbeitnehmern zulässig, soweit sich diese auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung beschränkt1. Nicht nur für den Zugang zum öffentlichen Dienst (Art. 33 Abs. 2 GG) sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen wesentlich, sondern auch für den weiteren Werdegang, denn nur nach diesen Maßstäben können die einzelnen Beschäftigten sinnvoll miteinander verglichen werden2. In der Privatwirtschaft sind eine ständige Bewertung von Arbeitnehmern 4 und die Vereinbarung von Zielvorgaben üblich. Im öffentlichen Dienst müssen Beschäftigte bewertet werden, um die Qualität der Arbeit zu sichern und eine Bilanz der Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu ziehen. Auch für Beförderungen sind Bewertungen unerlässlich. Zudem erleichtern sie die Personalplanung und den sachgerechten Einsatz der Arbeitnehmer3. In größeren Dienststellen, in denen die Vorgesetzten wechseln, ist die Erteilung qualifizierter Zeugnisse ohne Beurteilungen nahezu unmöglich4. Beurteilungen sind ein Instrument der Personalführung5. Im Bereich der dienstlichen Beurteilungen zeigt sich die Nähe zum Beam- 5 tenrecht. Der fünfte Abschnitt der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) regelt die dienstlichen Beurteilungen. In § 48 Abs. 1 BLV ist festgelegt, dass eine Regelbeurteilung von Eignung und Leistung mindestens alle drei Jahre erfolgen muss oder immer dann, wenn die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse eine Beurteilung erfordern. Auch hinsichtlich des Inhalts besteht eine Parallele zwischen Beamten und Angestellten. Gemäß § 49 Abs. 1 und 2 BLV bezieht sich die Beurteilung auf die fachliche Leistung, die Arbeitsergebnisse sowie das Arbeits- und Führungsverhalten. Dies sind im Kern die gleichen Kriterien, die bei der Erstellung von Beurteilungsrichtlinien und demzufolge bei der Beurteilung von Angestellten im öffentlichen Dienst beachtet werden müssen6. Die Beurteilung schließt mit einem Gesamturteil und Verwendungsvorschlag.
II. Rechtliche Einordnung Eine dienstliche Beurteilung stellt weder für Beamte noch für sonstige Be- 6 schäftigte im öffentlichen Dienst einen Verwaltungsakt dar7. Sie entfaltet 1 BAG v. 28.3.1979 – 5 AZR 80/77, DB 1979, 1703; bestätigt durch BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141; Wiese, ZfA 1971, 273 (307). 2 BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141. 3 ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 98. 4 ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 98. 5 Bieler, Beurteilung, B 3.3 Rz. 14; Vgl. bspw. Punkt 4. des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI v. 1.3.2000. 6 BAG v. 28.3.1979 – 5 AZR 80/77, DB 1979, 1703; Bieler, Beurteilung, D 4.1. Rz. 152; RDW/Kaiser, PersVG, § 75 Rz. 403. 7 BVerwG v. 9.11.1967 – II C 107.64, BVerwGE 28, 191; BVerwG v. 13.11.1975 – II C 16.72, BVerwGE 49, 351; BVerwG v. 13.1.1987 – 2 B 40/86, ZBR 1987, 181; Bieler, Beurteilung, D 3.1.2.1 Rz. 126 mwN. Grimm
283
Teil 3 H
Rz. 7
Dienstliche Beurteilung
weder Rechtswirkung noch verlangt sie Unanfechtbarkeit, wie dies den Verwaltungsakt kennzeichnet. Anders als beim Verwaltungsakt bleibt auch nach längerer Zeit noch eine Überprüfung und Kontrolle der dienstlichen Beurteilung möglich1, etwa durch gerichtliches Urteil, aber auch durch niedrigschwelligere Möglichkeiten wie eine Gegendarstellung zur Personalakte oder eine Dienst- oder Fachaufsichtsbeschwerde2. Die Ablehnung eines Antrags auf Änderung einer dienstlichen Beurteilung oder deren Gewährung kann in Form eines Verwaltungsakts ergehen3.
III. Rechtsschutz 7
Die Beurteilung darf weder willkürlich noch nach sachfremden Kriterien erfolgen4. Sie muss in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen5. Allein der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte bzw. Beschäftigte den – ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes und der Laufbahn entspricht. Insgesamt hat der Beschäftigte Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Beurteilung Rücksicht auf seine berechtigten Interessen nimmt6. Die Beurteilung darf dadurch jedoch nicht sachlich unrichtig werden, denn eine an sich sachlich richtige Beurteilung kann nicht wegen Interessen des Beschäftigten unterbleiben7.
8
Rechtsstreitigkeiten erfolgen in Form einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage8. Dies gilt für Beamte, ihnen steht der Weg vor das Verwaltungsgericht offen9. Aufgrund der privatrechtlichen Natur der Rechtsbeziehung bei nicht verbeamteten Beschäftigten ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet10. Der Verwaltungsrechtsweg zwischen einem Angestellten im öffentlichen Dienst und seinem Arbeitgeber ist eröffnet, wenn der Angestellte die Übertragung einer Beförderung an einen verbeamteten Kollegen verhindern möchte11.
9
Die Rechtskontrolle durch die Gerichte hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen verkannt hat oder ob sie von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen 1 BVerwG v. 9.11.1967 – II C 107.64, BVerwGE 28, 191; BVerwG v. 11.3.1983 – 6 P 23/80, BVerwGE 67, 58; BVerwG v. 13.1.1987 – 2 B 40/86, ZBR 1987, 181. 2 Bieler, Beurteilung, D 3.1.1.1 f. Rz. 123. 3 BVerwG v. 9.11.1967 – II C 107.64, BVerwGE 28, 191. 4 ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 99; MünchArbR/Reichold, § 87 Rz. 9. 5 MünchArbR/Reichold, § 87 Rz. 9. 6 BAG v. 28.3.1979 – 5 AZR 80/77, DB 1979, 1703; GK-BetrVG/Raab, § 83 Rz. 17. 7 ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 99. 8 BVerwG v. 13.5.1965 – II C 146.62, BVerwGE 21, 127; BVerwG v. 9.11.1967 – II C 107.64, BVerwGE 28, 191. 9 Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rz. 75. 10 BAG v. 23.9.1954 – 2 AZR 31/53, BAGE 1, 85. 11 Kopp/Schenke, VwGO, § 40 Rz. 49 c.
284 Grimm
III. Rechtsschutz
Rz. 9
Teil 3 H
angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften und Richtlinien über dienstliche Beurteilungen verstoßen hat1. Die Kontrolldichte richtet sich nach der Begründung. Da Art. 33 Abs. 2 GG dem öffentlichen Arbeitgeber mit den Begriffen „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung“ einen nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegenden Beurteilungsspielraum eröffnet, besteht für dienstliche Beurteilungen mit Prognosecharakter nur eine begrenzte Kontrollbefugnis2. Werden konkrete Einzelvorkommnisse benannt, kann der Sachverhalt überprüft werden. Stützt sich die Beurteilung auf allgemein gehaltene Tatsachenbehauptungen, hat der öffentliche Arbeitgeber diese zu konkretisieren, also zu plausibilisieren. Das Gericht kontrolliert uneingeschränkt, ob der Arbeitgeber von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Stützt der Arbeitgeber die dienstliche Beurteilung auf reine Werturteile, muss der Arbeitgeber keine einzelnen Tatsachen vortragen und beweisen, die den Werturteilen zugrunde liegen. Reine Werturteile beruhen nicht auf konkreten einzelnen Vorgängen und lassen auch aus dem Zusammenhang nicht in einer dem Beweis zugänglichen Weise erkennen, ob und auf welcher Tatsachengrundlage sie beruhen. Beruhen die Werturteile hingegen auf einem Tatsachenkern (zB „Bereitschaft zur Teamarbeit“), muss dieser Tatsachenkern zumindest nachvollziehbar begründet werden3. Das BAG spricht von der „Plausibilisierungslast“ des öffentlichen Arbeitgebers. Auch hier wird im Hinblick auf die Tatsachenbehauptungen voll überprüft, ob der Arbeitgeber von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Der Arbeitgeber hat die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllung des Anspruchs auf fehlerfreie Ausübung des ihm eingeräumten Beurteilungsrechts4. Hat sich der Arbeitgeber auf reine Werturteile beschränkt, kann der Arbeitnehmer entsprechend der Verwaltungspraxis nach deren Bekanntgabe durch den Arbeitgeber deren Konkretisierung durch (plausible) Tatsachen aus seinem Persönlichkeitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) iVm. Art. 19 Abs. 4 GG heraus verlangen5. Die gerichtliche Kontrolle geht nicht so weit, dass ein Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung vollständig nachvollzieht oder durch eine eigene Beurteilung mit einem bestimmten Ergebnis ersetzt. Dies gilt auch beim Nachweis eines Verfahrensfehlers6 (wie beispielsweise nicht erfolgter An1 BAG v. 8.5.2001 – 9 AZR 208/00, EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 60. BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08, NZA 2010, 115 = ArbRB 2010, 3 (Groeger); MünchArbR/Reichold, § 87 Rz. 27. 2 BVerfG v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/99 zu II. 1. a) bb) der Gründe, NJW 2003, 127. 3 BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08, NZA 2010, 115, Rz. 44 = ArbRB 2010, 3 (Groeger). 4 BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08, NZA 2010, 115, Rz. 50 f. mwN. Der Arbeitgeber kann sich auf Indizien stützen, wobei diese wie etwa Äußerungen anderer in Bezug auf Teamfähigkeit oder ähnliche Wertungen mit Tatsachenkern nicht in die Beurteilung selbst aufgenommen sein müssen. 5 BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/08, NZA 2010, 115, Rz. 44 = ArbRB 2010, 3 (Groeger). 6 BVerfG v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334 (354); BVerwG v. 26.6.1980 – 2 C 8/78, BVerwGE 60 (245); BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, NZA-RR 2007, 608 (614) = NZA 2008, 70. Grimm
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Teil 3 H
Rz. 10
Dienstliche Beurteilung
hörung, vgl. § 3 Abs. 6 Satz 4 TV-L). Der Arbeitnehmer hat bei einer fehlerhaften Beurteilung in der Regel Anspruch auf die Erteilung einer neuen dienstlichen Beurteilung, was bei der Antragstellung beachtet werden muss1. Der Beschäftigte kann den Anspruch auf Neuvornahme der dienstlichen Beurteilung mit einem der verwaltungsgerichtlichen „Bescheidungsklage“ (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) nachgebildeten Antrag auf Neuvornahme der dienstlichen Beurteilung zu erreichen versuchen. Dies entspricht der „Neubescheidung“ im Verwaltungsprozess. Es bedarf nicht der Aufhebung des belastenden Verwaltungsaktes (bzw. der dienstlichen Beurteilung), sondern lediglich der Wiederholung der der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden dienstlichen Beurteilung mit der Maßgabe der Beachtung des Rechtsstandpunktes des Gerichtes, somit unter Ausschluss der gerügten und vom Gericht als fehlerhaft angesehenen Punkte2.
IV. Beurteilungsarten 10 Abhängig vom Zweck sind mehrere Arten von Beurteilungen festzustellen. 1. Regelbeurteilung 11 Die in der Praxis häufigste Art der Beurteilung ist die Regelbeurteilung, die in regelmäßigen definierten Abständen vorgenommen wird. Bei der Zweckbeurteilung besteht die Gefahr einer am Zweck zukünftiger Personalentscheidungen orientierten Beurteilung, etwa um einen Beschäftigten „wegzuloben“3. Die Regelbeurteilung soll ein objektives und von einem längeren Zeitraum abgeleitetes Bild der Arbeitsleistung liefern4. Die Beschäftigten werden nach Leistung und Befähigung im Zeitraum seit der letzten Bewertung beurteilt5. Die Häufigkeit der Beurteilungen wird in den Beurteilungsrichtlinien der zuständigen Stelle festgelegt. Ein Zeitintervall von drei Jahren ist üblich6. Die Bewertung erfolgt üblicherweise auf Formblättern, die einheitlich gestaltet sind und in die die erreichten Werte in den verschiedenen Kategorien eingefügt werden. Diese formalisierte Methode ist zweckmäßig, da für den Beurteilenden ein einheitliches Schema vorgegeben ist und er die Beschäftigten nicht nach unterschiedlichen Kriterien beurteilen und behandeln kann7.
1 BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, NZA-RR 2007, 608 (614) = NZA 2008, 70. Zu Ausnahmen MünchArbR/Reichold, § 87 Rz. 27 aE, 28 mwN. 2 BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 537/03, NZA 2005, 879; BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 617/09, NZA 2010, 115. 3 BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141. 4 BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141. 5 Bieler, Beurteilung, D 1.2.2 Rz. 70. 6 BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141; Bieler, Beurteilung, B 5.2 Rz. 33; Vgl. Punkt 3.1.1. des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI v. 1.3.2000; § 48 Abs. 1 BLV. 7 BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141.
286 Grimm
V. Beurteilungsverfahren
Rz. 15
Teil 3 H
2. Befähigungsbeurteilung Bei der Befähigungsbeurteilung werden die am Arbeitsplatz gezeigten 12 Befähigungen und persönlichen Merkmale nach ihrem Ausprägungsgrad dargestellt und Potentiale bewertet. Teilweise werden auch die Ausdrücke „Potentialbeurteilung“ oder „Verwendungsbeurteilung“ benutzt. Dazu werden Merkmale wie Auffassungsgabe, Denk- und Urteilsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick, Ideenreichtum, organisatorische Fähigkeiten, Leistungsbereitschaft, Genauigkeit, Lernfähigkeit und -bereitschaft, die Fähigkeit zur Führung von Mitarbeitern und ähnliche Kriterien bewertet1. Die Bewertung findet nicht zwingend nach einem einheitlichen Schema statt, allerdings wird häufig die Bewertung in einer Skala von A (Merkmal besonders stark ausgeprägt) bis D (Merkmal schwächer ausgeprägt) verwendet2. Die Befähigungsbeurteilung kann herangezogen werden, wenn mehrere Kandidaten für eine Beförderung eine gleichwertige Leistungsbeurteilung haben. Derjenige mit einer besseren Befähigungsbeurteilung ist für die Beförderung vorzumerken3. 3. Anlassbeurteilung Die Anlassbeurteilung wird außerhalb der normalen Regelbeurteilung er- 13 stellt. Sie wird bei einem besonderen äußeren Anlass erstellt, der eine erneute Beurteilung notwendig macht, wie beispielsweise die Versetzung an eine andere Stelle oder der Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit (vgl. § 28 Abs. 4 BLV) oder wenn es aus dienstlichen oder laufbahntechnischen Gründen notwendig ist4. Die Regelbeurteilung entfällt bei einer Anlassbeurteilung5.
V. Beurteilungsverfahren Für das Verfahren der Beurteilung bestehen keine zwingenden Regelungen; es existieren aber einheitliche Schemata. Die Beurteilungsrichtlinien sehen zunächst ein Gespräch zwischen Vorgesetztem und dem zu bewertenden Beschäftigten vor, um die Bewertung vorzubereiten und um die gegenseitige Sicht der Dinge vorzutragen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten zu können. Danach erfolgt die Bewertung durch einen Erst- und Zweitbewertenden. Diese Bewertung wird Teil der Personalakte.
14
Da das Dokumentationsgebot für die Transparenz der Auswahlentscheidung im Rahmen einer Befähigungsbeurteilung unverzichtbar ist6, muss
15
1 Vgl. BVerwG v. 13.5.1965 – II C 146.62, BVerwGE 21, 127; Bieler, Beurteilung, D 1.3.1 Rz. 76 ff.; vgl. bspw. Anlage IV Befähigungsbeurteilung des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI v. 1.3.2000. 2 Vgl. Punkt 5.2.2. des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI v. 1.3.2000. 3 VG Schl.-Holst. v. 31.1.2005 – 11 B 55/04, juris. 4 Bieler, Beurteilung, B 5.3 Rz. 34. 5 BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141. 6 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, ZTR 2003, 263; BAG v. 18.9.2007, 9 AZR 672/06, ZTR 2008, 339 (342 f.). Grimm
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Teil 3 H
Rz. 16
Dienstliche Beurteilung
ein unterlegener Bewerber aus einer Dokumentation der Auswahlbewertung ableitbare Kenntnis über die Entscheidungsgrundlage haben. Dies ist nicht der Fall und macht die Auswahlentscheidung des Auswahlausschusses anlässlich einer Konkurrentenklage nach Art. 33 Abs. 2 GG iVm. Art. 19 Abs. 4 GG nicht verwertbar, wenn die Leistungsbewertungen und Auswahlerwägungen nachträglich – ggf. im Prozess – dokumentiert werden1. 16 Regelmäßig werden zur genauen Bestimmung der inhaltlichen Kriterien Beurteilungsrichtlinien erstellt. Eine Beurteilungsrichtlinie ist eine allgemeine Regelung, die die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer objektiviert und an einheitlichen Kriterien ausrichtet2. § 94 Abs. 2 Alt. 2 BetrVG räumt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze ein. § 75 Abs. 3 Nr. 9 BPersVG räumt der Personalvertretung dasselbe Recht ein. Es handelt sich um ein Zustimmungsrecht, nicht um ein Initiativrecht, welches – ggf. nach Anrufung der Einigungsstelle – die Einführung erzwingen könnte3. Auch für die inhaltliche Gestaltung von Beurteilungsschemata besteht ein Mitbestimmungsrecht4. In Assessment-Centern werden systematisch Verhaltensleistungen und -defizite der Beschäftigten identifiziert, daher besteht auch bei der Einführung und der inhaltlichen Ausgestaltung ein Mitbestimmungsrecht5. Hinsichtlich der Beurteilungen der einzelnen Beschäftigten besteht für Personal- und Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht6. Findet das Beurteilungsverfahren unter Nutzung technischer Überwachungseinrichtungen statt, kommt daneben ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bzw. § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG in Betracht. Erfolgt die Beurteilung im Rahmen einer leistungsbezogenen Vergütung, ist die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bzw. § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG zu beachten. 17 Inhalte der Beurteilungsrichtlinie können sein: die Art, nach der Qualität und Quantität des Arbeitsergebnisses ermittelt und bewertet werden, mit Hilfe welcher Leistungsprofile die Eignung von Beschäftigten für bestimmte Aufgaben ermittelt werden und welche Kriterien in die dienstliche Beurteilung einfließen, die Häufigkeit der Bewertungen, der zu bewertende Personenkreis, die Form der Bewertung und das Verfahren7. Bei der konkreten 1 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, ZTR 2003, 263; BAG v. 18.9.2007, 9 AZR 672/06, ZTR 2008, 339 (342 f.). 2 BVerwG v. 11.12.1991 – 6 P 20/89, PersR 1992, 202; BVerwG v. 15.2.1980 – 6 P 84/78, PersV 1980, 241; zum BetrVG: BAG v. 18.4.2000 – 1 ABR 22/99, NZA 2000, 1176; BAG v. 23.10.1984 – 1 ABR 2/83, NZA 1985, 224; Bieler, Beurteilung, D 4.2 Rz. 153 f.; RDW/Kaiser, PersVG, § 75 Rz. 401. 3 RDW/Kaiser, PersVG, § 75 Rz. 403; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 94 Rz. 63. 4 Altvater, BPersVG, § 75 Rz. 60; Däubler/Kittner/Klebe/Klebe, BetrVG, § 94 Rz. 6 (9); Richardi/Thüsing, BetrVG, § 94 Rz. 64; HWK/Ricken, § 94 BetrVG Rz. 8. 5 Däubler/Kittner/Klebe/Klebe, BetrVG, § 94 Rz. 10; Richardi/Thüsing, BetrVG, § 94 Rz. 65; GK-BetrVG/Raab, § 94 Rz. 49. 6 RDW/Kaiser, PersVG, § 75 Rz. 406; GK-BetrVG/Raab, § 94 Rz. 48. 7 Vgl. bspw. Beurteilungsrichtlinien 2006 für den gehobenen Dienst im Geschäftsbereich des Bay. Staatsministeriums der Finanzen -http://www.viv-bayern.de/ download/Beurteilricht_Teil1.pdf.
288 Grimm
V. Beurteilungsverfahren
Rz. 20
Teil 3 H
Einschätzung des Beschäftigten besteht dabei ein Ermessensspielraum des Beurteilenden. Es besteht kein Bundes- oder Landesrecht, welches die Art der Notengewinnung festlegt1. Der Beurteilende ist verpflichtet, die Beurteilungsrichtlinie zu beachten. Aus dem Gleichheitsgebot heraus besteht die Pflicht, alle amtsweit zu bewertenden Personen nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen2. Vergleichsgruppen sollen hinreichend groß und homogen sein3. Beschäftigte sollen nicht nur von einem einzelnen Vorgesetzten beurteilt werden. Für gewöhnlich ist ein Zweitbeurteilender vorgesehen4. Aus den beiden vorliegenden Einzelbewertungen bildet sich die abschließende Gesamtnote.
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Bei der Notenvergabe bestehen oftmals Quotierungen innerhalb der Beurteilungsrichtlinien, die vorsehen, dass die Bestnoten nur zu einem gewissen Prozentsatz vergeben werden dürfen. So dürfen zB oftmals maximal 10 % der Beschäftigten die Notenstufe 1 erhalten (in der Praxis werden zT nur 5 % vergeben) und maximal 20 % der Beschäftigten die Notenstufe 25. Für Beamte folgt dies aus § 50 Abs. 2 BLV. Die meisten Beurteilungsrichtlinien orientieren sich an dieser Vorgabe.
19
Vor der endgültigen Bewertung durch die beurteilende Person soll neben 20 dem regelmäßigen Personalführungsgespräch auch ein gesondertes Gespräch vor der Beurteilung stattfinden6. Rechtlich besteht nach § 3 Abs. 5 TVöD keine solche Verpflichtung, wohl aber nach § 3 Abs. 6 Satz 4 TV-L. Die Zuständigkeit hierfür wird zweckmäßigerweise in der Beurteilungsrichtlinie festgelegt. In den Personalführungsgesprächen soll zwischen Vorgesetztem und Beschäftigtem offen und vertrauensvoll über die Bilanz des Beurteilungszeitraums, die Arbeitsbedingungen, die Zusammenarbeit aus Sicht des Beschäftigten, seine Leistung aus Sicht des Vorgesetzten, über Maßnahmen zur Förderung des Beschäftigten und sonstige mögliche künftige Aufgaben und Ziele gesprochen werden7. Das Gespräch dient dazu, dem Bewertenden einen Blick auf die Sicht des Beschäftigten zu ermöglichen und einen genauen Eindruck vor der dann stattfindenden Bewertung zu geben. Durch die Unterlassung eines solchen Gesprächs wird die Beurteilung nicht unwirksam. Die formell rechtmäßige Eröffnung des Beurteilungsverfahrens heilt den Formfehler des unterlassenen Personalführungsgesprächs, soweit die Beurteilungsrichtlinie nicht Gegenteiliges anordnet8. Nach Erstellung der Beurteilung wird dem Beschäftigten in der Regel eine Kopie der Beurteilung ausgehändigt und mit ihm erörtert. 1 2 3 4 5 6 7 8
BVerwG v. 24.11.2005 – 2 C 34/04, BVerwGE 124, 356. VG Wiesbaden v. 23.4.2007 – 8 E 544/05, juris. BVerwG v. 24.11.2005 – 2 C 34/04, BVerwGE 124, 356. Vgl. bspw. Punkt 4.1 des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI v. 1.3.2000. Vgl. bspw. Punkt 5.4.1 des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI v. 1.3.2000. Bieler, Beurteilung, D 2.5 Rz. 95; vgl. § 50 Abs. 3 Satz 1 BLV. Bieler, Beurteilung, D 2.5 Rz. 95; Vgl. bspw. Anlage 4 zu 6.2 des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI vom 1.3.2000. OVG Rh.-Pf. v. 19.6.1991 – 2 A 12437/90, NVwZ-RR 1992, 370. Grimm
289
Teil 3 H
Rz. 21
Dienstliche Beurteilung
21 Auf Verlangen des Beschäftigten ist die Beurteilung zu begründen1. Dienstliche Beurteilungen sollen ein objektives, sachlich richtiges Bild von der Person, von der Tätigkeit und von den Leistungen des Beschäftigten enthalten2. Das Recht der Gegendarstellung zu den Akten besteht, wenn der Beschäftigte mit seiner Beurteilung und der damit einhergehenden Begründung der Bewertung nicht einverstanden ist3. (vgl. dazu Teil 3 I Rz. 20) 22 Gemäß § 68 Abs. 2 Satz 4 BPersVG besteht ein Einsichtsrecht der Personalvertretung in die dienstliche Beurteilung, soweit der Beschäftigte beantragt, diese der Personalvertretung zur Kenntnis zu bringen. Hierdurch kann sich der Beschäftigte der Unterstützung des Personalrats bei einer Gegendarstellung versichern, ohne zugleich den Mitgliedern der Personalvertretung die gesamte Personalakte offenlegen zu müssen4. Der Personalrat kann auch über eine Abänderung und Verbesserung der Beurteilung verhandeln5. Es kommt nach § 68 Abs. 2 Satz 4 BPersVG nicht darauf an, ob die dienstliche Beurteilung zur Personalakte genommen wurde, das Einsichtsrecht besteht bei dienstlichen Beurteilungen jeder Art6. Der Einblick in die Beurteilung steht nicht einem bestimmten, vom Beschäftigten ausgesuchten Personalratsmitglied zu, sondern erstreckt sich auf den Personalrat als Organ in der Gesamtheit seiner Mitglieder7. Ein Recht auf Einsicht in Beurteilungsentwürfe besteht nicht8. 23 Das Einsichtsrecht schließt nicht ein, dass der Personalrat an einem Beurteilungsgespräch teilnimmt, selbst wenn der Beschäftigte dies wünscht9. Jedoch ermöglichen Landespersonalvertretungsgesetze (zB § 68 Nr. 13 LPersVG BW, § 69 Abs. 3 Satz 6 LPersVG Rh.-Pf.) auf Verlangen des Beschäftigten eine Teilnahme des Personalrats an Beurteilungsgesprächen10.
VI. Beurteilungsinhalt 24 Einheitliche Vorgaben des Inhalts der Beurteilung existieren nicht. Personalangaben, wie Name, Geburtsdatum, Organisationseinheit und Funktion des zu Bewertenden, sind immer enthalten. Auch der Beurteilende 1 BAG v. 28.3.1979 – 5 AZR 80/77, DB 1979, 1703. 2 BAG v. 19.8.1992 – 7 AZR 262/91, BAGE 71, 110; BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 927/79, BAGE 38, 141. 3 Conze, Rz. 1097; Kuner, Der neue TVöD, Rz. 187; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 746; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 14; MünchArbR/Reichold, § 87 Rz. 21, der auf § 3 Abs. 5 TVöD hinweist. 4 Altvater, BPersVG, § 68 Rz. 25; RDW/Gräfl, PersVG, § 68 Rz. 107. 5 Altvater, BPersVG, § 68 Rz. 25. 6 RDW/Gräfl, PersVG, § 68 Rz. 108; aA Altvater, BPersVG, § 68 Rz. 24, dieser geht davon aus, dass sich in einem solchen Fall die Einsichtnahme nach den für Personalakten geltenden Vorschriften richtet. 7 BVerwG v. 11.3.1983 – 6 P 23/80, BVerwGE 67, 58; Altvater, BPersVG, § 68 Rz. 24; RDW/Gräfl, PersVG, § 68 Rz. 110. 8 RDW/Gräfl, PersVG, § 68 Rz. 111; BT-Drucks. 7/176, 33. 9 BVerwG v. 11.3.1983 – 6 P 23/80, BVerwGE 67, 58. 10 Vgl. Altvater, BPersVG, § 68 Rz. 31 ff. mwN.
290 Grimm
VII. Besondere Regelungen
Rz. 27
Teil 3 H
wird angegeben und es wird darauf hingewiesen, ob und wann ein Gespräch zwischen Beurteilendem und zu Beurteilenden stattgefunden hat. Ferner müssen die einzelnen Bewertungspunkte der Leistungs- und Befähigungsbewertung enthalten sein. Die Bewertung beinhaltet häufig eine Tätigkeitsbeschreibung des Beschäftigten1. Eine mögliche oder tatsächliche Tätigkeit im Personalrat darf nicht in 25 einer Regelbeurteilung benannt werden, da der Beschäftigte nicht nach Merkmalen beurteilt werden darf, die in keinem Zusammenhang mit der im Arbeitsvertrag vereinbarten Leistung stehen, und sich anderenfalls berufliche Nachteile ergeben könnten2. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen, zB bei ausdrücklichem Wunsch des Personalratsmitglieds auf Erwähnung seiner Personalratstätigkeit3.
VII. Besondere Regelungen 1. Schwerbehinderte Die Schwerbehindertenvertretung kann durch den Beschäftigten bei der Ein- 26 sicht in die Personalakte und dadurch auch bei der Einsicht in die dort vorhandenen Beurteilungen hinzugezogen werden, § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. Es besteht kein eigenes Einsichtsrecht und auch kein Recht der Schwerbehindertenvertretung zur eigenen Stellungnahme. Auch besteht kein eigenes Klagerecht. In der Praxis treffen die Beurteilungsrichtlinien Sonderregelungen. Oft soll die bevorstehende Beurteilung eines schwerbehinderten Menschen der Schwerbehindertenvertretung mitgeteilt und ein Gespräch über die Auswirkungen der Behinderungen auf Leistung und Befähigung geführt werden, sofern der Betroffene damit einverstanden ist4. Zudem ist eine Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit aufgrund der Behinderung zu berücksichtigen. Für Beamte folgt dies aus § 5 Abs. 3 BLV. Dabei ist nur die geminderte Quantität der Arbeit zu berücksichtigen, die Qualität muss wie bei allen anderen Beschäftigten beurteilt werden5. Aus der Schwerbehinderung leitet sich kein genereller Anspruch auf bevorzugte Behandlung ab6. 2. Dienstkräfte im Mutterschutz Beschäftigte im Mutterschutz sind im Zeitraum der Beurteilung quantitativ weniger anwesend und oftmals weniger leistungsfähig als nicht im 1 Vgl. bspw. Anlage 3 (Beurteilungsbogen) des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im Bundesministerium des Inneren v. 1.3.2000. 2 BAG v. 19.8.1992 – 7 AZR 262/91, BAGE 71, 110. 3 Altvater, BPersVG, § 46 Rz. 10. 4 Vgl. Punkt 8.1 des Erlasses für die Beurteilungsrichtlinien im BMI v. 1.3.2000. 5 BVerwG v. 25.2.1988 – 2 C 72/85, BVerwGE 79, 86; Bieler, Beurteilung, D 2.8.1 Rz. 100. Möglicherweise wird dies mit Blick auf § 5 Abs. 3 BLV zukünftig anders zu sehen sein. 6 BVerwG v. 5.8.1983 – 2 B 89/82, juris; Bieler, Beurteilung, D 2.8.1 Rz. 100. Grimm
291
27
Teil 3 H
Rz. 28
Dienstliche Beurteilung
Mutterschutz befindliche vergleichbare Beschäftigte. Neben dem MuSchG schützt auch § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG die werdende Mutter vor Benachteiligungen1. Für Beamte wird dieser Schutz durch die Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen gewährleistet2. Bei einer dienstlichen Beurteilung muss die Schwangerschaft Beachtung finden und darf keinesfalls negativ ins Gewicht fallen. Eine Beurteilung darf nicht schlechter ausfallen, wenn die Arbeitsleistung im Verhältnis zur Zeit vor der Schwangerschaft quantitativ geringer geworden ist. Die Qualität der Arbeit kann dagegen regulär beurteilt werden. 3. Dienstkräfte in Elternzeit 28 Für Beschäftigte in Elternzeit besteht die gleiche Problemstellung wie beim Mutterschutz. Allerdings enthält das BEEG keine Vorschrift bezüglich dienstlicher Beurteilungen. Einer Frau darf wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft kein Nachteil entstehen3. Auch ein erziehender Beschäftigter, der sich in Elternzeit befindet, darf bei einer Beförderung nicht ungleich zu den Kollegen behandelt werden, weil die dienstliche Beurteilung aufgrund der Elternzeit nicht erstellt werden konnte4. Konnte eine Beurteilung mangels Anwesenheit nicht erstellt werden, ist es üblich und rechtmäßig, die Beurteilung trotzdem anzufertigen und vom Leistungsstandard der vorherigen Beurteilung auszugehen5, um so die Laufbahn fiktiv fortzuführen6.
1 2 3 4 5 6
Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 C Rz. 24. BGBl. I 1997, 986. Gross, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 C Rz. 165. OVG Nordrhein Westfalen v. 4.4.2007 – 6 B 57/07, ZBR 2007, 421. OVG Nordrhein Westfalen v. 4.4.2007 – 6 B 57/07, ZBR 2007, 421. OVG Nordrhein Westfalen v. 24.10.2006 – 6 B 1794/06, juris; für freigestellte Personalratsmitglieder BVerwG v. 7.11.1991 – 1 WB 160/90, BVerwGE 93, 188.
292 Grimm
I. Personalakte Rz.
Rz.
1
II. Rechtsgrundlage/Tarifliche Regelung (§ 3 Abs. 5 TVöD) . . . . . . .
VI. Recht des Beschäftigten auf Auszüge und Kopien . . . . . . . . . . . . . . . . 18
5
III. Inhalt der Personalakte . . . . . . . .
6
IV. Generelles Einsichtsrecht in die Personalakte . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
V. Ausübung des Einsichtsrechts durch einen Bevollmächtigten . .
VII. Abmahnung und Beschwerden . . . . 19 1. Wegfall des § 13 Abs. 2 BAT: Keine zwingende Anhörung vor Aufnahme einer Abmahnung in die Personalakte mehr . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Recht auf Gegendarstellung . . . . . . . 20
15
I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VIII. Entfernung von Vorgängen aus der Personalakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Schrifttum: Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD – Das neue Tarifrecht im öffentlichen Dienst, 2005; Däubler, Das neue Bundesdatenschutzgesetz und seine Auswirkungen im Arbeitsrecht, NZA 2001, 874; Däubler, Gläserne Belegschaften?, 5. Aufl. 2010; Gola/Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 5. Aufl. 2009; Reichold, in MünchArbR (3. Aufl. 2009), § 87 zur Personalakte, § 88 zum Arbeitnehmerdatenschutz; Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz und Compliance, 2010.
I. Begriff Der TVöD enthält keine eigene Definition des Personalaktenbegriffs. Es 1 gilt der allgemeine materiellrechtliche Begriff der Personalakte. Darunter werden alle Urkunden, Schriftstücke und sonstigen Vorgänge zusammengefasst, die sich auf die Begründung und den Verlauf des Arbeitsverhältnisses beziehen und im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen, sowie auf die Person, Fähigkeiten und Leistungen des Arbeitnehmers, die vom Arbeitgeber aufbewahrt werden1. Die Bezeichnung und Form der Speicherung ist nicht maßgeblich2, vgl. § 32 Abs. 2 BDSG. Nicht zur Personalakte gehören Unterlagen, die von der Person zu trennenden Zwecken dienen, wie Prüfungs-, Sicherheits- und Kindergeldakten3. Personalakten können frühestens mit der Einstellung eines Arbeitnehmers entstehen, dabei sind Bewerbungsunterlagen möglicher Inhalt der Personalakte, allerdings nicht vor der Einstellung4. Abzugrenzen sind Personalakten von Aufzeichnungen im Rahmen der sog. 2 Betriebsdatenerfassung (als Bearbeiter eines Werkstücks oder eines Vorgangs wird der Mitarbeiter registriert). Auch Vorüberlegungen zu Stellen1 BAG v. 7.5.1980 – 4 AZR 214/78, ArbuR 1981, 124; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 5; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 743; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 3. 2 Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 5; HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 3; Clemenz, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 4 A Rz. 390; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 3. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 152. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 143. Grimm
293
Teil 3 I
Rz. 3
Personalakte
besetzungen oder Zeugnissen oder zu Ermittlungen oder Prozessakten sind keine Personaldaten, sondern entsprechend dem Beamtenrecht als Sachaktendaten zu bezeichnen. 3
Das Personalaktenrecht (unter Heranziehung insbesondere der § 28, 32 BDSG und der Länderdatenschutzgesetze) sucht das Spannungsfeld zwischen dem Schutz des Arbeitnehmerpersönlichkeitsrechts und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und den Interessen des Dienstherrn andererseits zu gewährleisten. Im öffentlichen Dienst und speziell im gesamten Beamtenrecht sind die Vorschriften über die Personalaktenführung entsprechend den von der Rechtsprechung vorgegebenen Leitlinien angepasst.
4
Die beamtenrechtlichen Vorschriften werden zur Definition der Personalakten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sinngemäß herangezogen, allerdings sind die Arbeitsgerichte nicht daran gebunden1. Demzufolge gehören zur Personalakte „alle Unterlagen einschließlich der in Dateien gespeicherten, die den Beamten betreffen, soweit sie mit seinem Dienstverhältnis in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang stehen (Personalaktendaten)“ (§ 106 Abs. 1 Satz 3 BBG, § 90 Abs. 1 Satz 2 BBG).
II. Rechtsgrundlage/Tarifliche Regelung (§ 3 Abs. 5 TVöD) 5
Das Recht der Personalakten ist in § 3 Abs. 5 TVöD geregelt. Details zur Personalaktenführung enthält die Vorschrift nicht, sondern lediglich eine Kodifizierung der Einsichtnahme und damit die Konkretisierung einer Nebenpflicht des Arbeitgebers, die sich aus seiner allgemeinen Fürsorgepflicht ergibt2. Im Wesentlichen entspricht die neue Vorschrift der alten Regelung des § 13 Abs. 1 BAT sowie der dazugehörigen Protokollnotiz3. Wie schon zuvor kann die Einsicht auch durch einen schriftlich Bevollmächtigten ausgeübt werden4 (dazu Rz. 15). Weggefallen ist das Recht zur Anhörung vor der Eintragung nachteiliger Vorgänge in die Personalakte, § 13 Abs. 2 BAT, wie zB vor einer Abmahnung5. Ansonsten gelten beim Recht der Personalakten im Geltungsbereich des TVöD die Grundsätze des Arbeitsrechts6. Insbesondere ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Grundsätze der Vertraulichkeit, der Offenheit, der Vollständigkeit und der Wahrheit zu wahren7.
1 2 3 4 5 6 7
Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 138. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 133. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 29. Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, F 4. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 30; Kuner, Der neue TVöD, Rz. 187. Conze, Rz. 1095. Vgl. BAG v. 25.4.1972 – 1 AZR 322/71, NJW 1972, 2016; Breier/Dassau/Kiefer/ Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 144 ff.; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 9; HWK/ Schrader, § 83 BetrVG Rz. 3; Clemenz, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 4 A Rz. 392.
294 Grimm
III. Inhalt der Personalakte
Rz. 7
Teil 3 I
III. Inhalt der Personalakte Im TVöD ist weder eine Pflicht zur Führung von Personalakten geregelt, 6 noch bestehen Regelungen über den Inhalt der Personalakten1. Bezüglich der Form sind die Arbeitgeber frei; sie können sie sowohl schriftlich als auch elektronisch führen2, eine Paginierung ist nicht zwingend erforderlich3. Der Inhalt der Personalakten bestimmt sich nach intern geltenden Vorschriften in Form von Personalaktenrichtlinien4. Diese werden in der Regel für Beamte wie für Beschäftigte einheitlich geführt, weshalb die beamtenrechtlichen Regelungen der §§ 106–115 BBG bzw. der Landesbeamtengesetze auch für den Bereich der Beschäftigten als Richtschnur für die Führung von Personalakten angewandt werden können5. Auch frühere Vorgänge (zB Bewerbungsunterlagen) können nach Einstellung Gegenstand der Personalakte werden6. Für den Umfang einer vollständigen Personalakte ist der beamtenrechtliche „materielle“ Personalaktenbegriff entscheidend: Der Inhalt eines Vorgangs zählt und nicht die Art der Registrierung oder Aufbewahrung, was auch als „formeller“ Personalaktenbegriff bezeichnet wird7. Unterschieden wird zwischen Vorgängen, die den Beamten in seinem Dienstverhältnis betreffen und deswegen zu den Personalakten genommen werden müssen, und solchen, die den Beamten persönlich betreffen und bei seiner Dienstbehörde entstanden oder ihr zugegangen sind8. Auch hier gelten für die Führung der Personalakten die allgemeinen Grundsätze, insbesondere die der Vollständigkeit, Offenheit und Vertraulichkeit9. Nach dem Grundsatz der Vollständigkeit sind sämtliche den Arbeitnehmer 7 betreffenden Vorgänge aufzunehmen, die in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und die Aufschluss über seine persönlichen und dienstlichen Verhältnisse geben10. Die Personalakte kann sämtliche Schriftstücke enthalten von der Bewerbung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so wie zB Bewerbung, Arbeitsvertrag, Lichtbild, Zeugnisse, Personalfragebogen, dienstliche Beurteilungen, Dokumente über familiäre Veränderungen, Abmahnungen und Beurlaubungen, Krankheitsbescheinigungen, Urlaubsanträge und -bewilligungen, Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft, Fehlzeiten, Kündigungsschreiben, Schlusszeugnis, Un1 BAG v. 7.5.1980 – 4 AZR 214/78, ArbuR 1981, 124; Conze, Rz. 1093; HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 4; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 743. 2 HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 5; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 13. 3 LAG Sa.-Anh. v. 15.6.2006 – 10 Sa 665/05, juris. 4 Conze, Rz. 1099. 5 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 138; Conze, Rz. 1100. 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 143. 7 BAG v. 7.5.1980 – 4 AZR 214/78, ArbuR 1981, 124; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 144; Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, A I 1, § 13 Rz. 1; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 5. 8 BVerwG v. 31.1.1980 – 2 C 5/78, NJW 1980, 2145. 9 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 145 ff. 10 BAG v. 25.2.1959 – 4 AZR 549/57, BAGE 7, 267; BAG v. 25.4.1972 – 1 AZR 322/71, NJW 1972, 2016; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 145. Grimm
295
Teil 3 I
Rz. 8
Personalakte
terlagen über die betriebliche Altersversorgung, die private Telefon- und Faxnummer sowie die private E-Mail-Adresse1. Nach dem Grundsatz der Offenheit dürfen keinerlei Geheim- oder Sonderakten bestehen; Beiakten sind Teil der Personalakte2, ähnlich § 106 Abs. 2 BBG. Die Personalakten enthalten Daten, die das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten beeinträchtigen können und sind daher vertraulich zu behandeln und müssen vor der Einsicht durch Dritte geschützt werden3. In § 50 Satz 3 BeamtStG wird die besondere Vertraulichkeit der Personalakten betont und der Zugang auf die Beschäftigten der Personalverwaltung beschränkt, § 50 Satz 4 BeamtStG. Landesrechtlich sind Ausnahmen möglich, § 50 Satz 5 BeamtStG. Die Anforderungen an die Zugangsbeschränkungen sind höher, wenn die Daten besonders sensibel sind, zB bei Krankheiten oder Ähnlichem4. Die Ausgestaltung der Gewährleistung des aus Art. 1 und Art. 2 GG folgenden Schutzes ist dem Arbeitgeber überlassen5. 8
Nicht in die Personalakte aufzunehmen sind Umstände, die in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Dies können bspw. sein: Akten über ein gerichtliches Verfahren, welches für das Arbeitsverhältnis nicht von Belang ist, Prüfungsakten (mit Ausnahme des Prüfungszeugnisses), Vorgänge über politische oder weltanschauliche Überzeugungen des Beschäftigten6. Das religiöse Bekenntnis kann dagegen schon aus steuerlichen Gründen Teil der Personalakte sein7.
IV. Generelles Einsichtsrecht in die Personalakte 9
Die Beschäftigten haben ein Recht auf vollständige Einsicht in ihre Personalakte, § 3 Abs. 5 Satz 1 TVöD (vgl. auch § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Dies umfasst das Recht, Auszüge und Kopien aus der Akte anzufertigen und zu behalten, § 3 Abs. 5 Satz 3 TVöD. Aus dem Grundsatz der Vollständigkeit folgt, dass vor Einsicht durch den Beschäftigten die Personalakte vollständig sein muss und nichts daraus entfernt werden darf8. Der Beschäftigte ist
1 Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen v. 30.12.2002 – 1 A 1483/00. PVL, PersV 2003, 191; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 148; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 4; HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 3. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 146; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 5; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 7. 3 BAG v. 18.12.1984 – 3 AZR 389/83, NZA 1985, 811; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 147; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 748; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 18; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 6. 4 Vgl. BAG v. 15.7.1987 – 5 AZR 215/86, NZA 1988, 53; BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 271/06, NZA 2007, 267; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 19; aA Grobys, NJW 2007, 797 (Urteilsanm.). 5 BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 271/06, NZA 2007, 267 (269). 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 150 ff.; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 6. 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 154. 8 BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 110/07, NZA 2007, 367.
296 Grimm
IV. Generelles Einsichtsrecht in die Personalakte
Rz. 11
Teil 3 I
jederzeit zum Einblick in seine Personalakte berechtigt1. Hier folgt der TVöD den beamtenrechtlichen Vorschriften des § 110 Abs. 1 BBG, der ein Recht auf Akteneinsicht gewährt. Der Beschäftigte muss einen Antrag beim zuständigen Behördenleiter stellen. Dieser entscheidet über den genauen Ort und die genaue Zeit der Akteneinsicht, was regelmäßig nur während der Dienststunden sein wird2, ähnlich § 110 Abs. 3 Satz 1 BBG. Es besteht kein Anspruch des Beschäftigten auf Überlassung der Personalakten3. Allerdings ist auf Verlangen ein Ausdruck der automatisiert gespeicherten Personalaktendaten zu überlassen (§ 110 Abs. 3 Satz 2 BBG). Der Beschäftigte kann sein Recht zur Akteneinsicht wiederholt ausüben, allerdings nur bis zur Grenze der Rechtsmissbräuchlichkeit4. Sind die Personalakten verschlüsselt, müssen sie dem Beschäftigten erläutert werden5. Der Behörde dürfen keine Kosten für die Einsichtnahme entstehen, wie bspw. Versandkosten6. Das Recht zur Akteneinsicht schließt nicht die Einsicht in Prozessakten ein, die einen Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber betreffen7. Gegenstand der Personalakten können auch ärztliche oder ähnliche per- 10 sönliche Gutachten (zB von Sachverständigen) über den Beschäftigten sein. Nur unter besonderen Umständen, etwa wenn der Beschäftigte durch den Inhalt des Gutachtens Schaden nehmen könnte, ist aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers das Gutachten gesondert aufzubewahren und dem Beschäftigten nicht zugänglich zu machen8. Soweit eine nachteilige Entscheidung auf ein dem Beschäftigten nicht zugängliches Gutachten gestützt wird, ist ihm Gelegenheit zur Entkräftung des Gutachtens zu geben9. Hierzu ist einem beauftragten Rechtsanwalt, Vertreter einer Gewerkschaft oder einem sonstigen schriftlich Bevollmächtigten Einsicht in das Gutachten zu gewähren10. Der TVöD trifft keine Regelung bezüglich der Einsichtsmöglichkeiten 11 Dritter in die Personalakten. Diesen sind aufgrund des Grundsatzes der Vertraulichkeit äußerst enge Grenzen gezogen11. Im Beamtenrecht ist, abgesehen von Sonderfällen, wie der Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Allgemeinwohls oder dem Schutz berechtigter höherrangiger Interessen Dritter, die Zustimmung des Beamten einzuholen, § 111 Abs. 2 1 Conze, Rz. 1094; Clemenz, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 4 A Rz. 394; GKBetrVG/Franzen, § 83 Rz. 22. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 159; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 12; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 22 f. 3 Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 7. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 159; Clemenz, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, 4 A Rz. 394; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 22. 5 GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 23. 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 160. 7 BAG v. 8.4.1992 – 5 AZR 101/91, RDV 1993, 171; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 161; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 6; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 8. 8 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 157. 9 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 158. 10 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 158. 11 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 170. Grimm
297
Teil 3 I
Rz. 12
Personalakte
Satz 1 BBG. Zwischen einzelnen Behörden besteht die Möglichkeit der Weitergabe von Informationen im Wege der Amtshilfe, Art. 35 Abs. 1 GG. Ohne Einwilligung sind Auskünfte im Rahmen der Personalverwaltung nach Maßgabe des § 111 Abs. 1 BBG möglich. Aufgrund der Verschwiegenheitspflicht und der besonderen Sensibilität der Personalakten muss die aktenführende Behörde sorgsam prüfen, ob sie zur Weitergabe der Informationen berechtigt ist1. Die Berechtigung besteht nicht, wenn einer auskunftsfordernden Behörde andere Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen2. Personalakten können komplett oder in Teilen innerhalb einer Behörde oder Dienststelle zur Verfügung gestellt werden, wenn sich die dienstliche Notwendigkeit ergibt (etwa bei Versetzungen, Zuweisungen oÄ)3. Auf Anordnung erfolgt eine Weitergabe der Personalakten an Gerichte, an die Finanzverwaltung zur Steuerprüfung oder an die Rechnungsprüfungsbehörden, § 95 Abs. 1 BHO4. Das JuMiG begründet keine Mitteilungspflichten des Arbeitgebers, sondern nur Mitteilungsbefugnisse. 12 Personalvertretung, Betriebsrat oder Gewerkschaften haben kein eigenes Einsichtnahmerecht5. Zu ihrer Aufgabenerfüllung steht ihnen ein Informationsanspruch gegenüber dem Dienststellenleiter zu, wenn der Inhalt der Personalakten für die Beschlussfassung der Personalvertretung entscheidend ist und dies mit der in § 68 Abs. 2 Satz 4 BPersVG angeordneten Pflicht zur eingeschränkten und vertraulichen Nutzung vereinbar ist6. 13 Privatpersonen haben keinerlei Recht auf Einsichtnahme in Personalakten anderer7. Macht der Arbeitgeber die Personalakten dennoch ohne Wissen des Beschäftigten anderen zugänglich, liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor8. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld erwächst hieraus üblicherweise nicht9, sondern nur, wenn ausnahmsweise aufgrund der Schwere der Verletzung ein unabwendbares Bedürfnis anzuerkennen ist10. Dem Gleichstellungsbeauftragten, § 20 Abs. 1 Satz 4 BGleiG, und dem Datenschutzbeauftragten, § 24 Abs. 2 Satz 1 BDSG, steht im Rahmen ihrer Tätigkeiten ein eigenes Einsichtsrecht zu. Der Schwerbehindertenbeauftragte hat kein eigenes Recht zu Einsichtnahme, er kann lediglich durch den Beschäftigten hinzugezogen werden, § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB IX.
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Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 172. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 172. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 173. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 174 ff. mwN. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 180; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 26; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 13. BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21/92, BVerwGE 95, 73; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 748. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 186; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 9. BAG v. 18.12.1984 – 3 AZR 389/83, NZA 1985, 811. BAG v. 18.12.1984 – 3 AZR 389/83, NZA 1985, 811. BGH v. 26.1.1971 – VI ZR 95/70, NJW 1971, 698; BAG v. 21.2.1979 – 5 AZR 568/77, DB 1979, 1513.
298 Grimm
V. Ausübung des Einsichtsrechts durch einen Bevollmächtigten
Rz. 16
Teil 3 I
Bei Führung und Einsichtnahme in die Personalakten ist das Bundesdaten- 14 schutzgesetz (BDSG) zu beachten. Wenn die Personalakten in automatisierten Datensammlungen festgehalten werden, fallen sie unter den Begriff der automatisierten Verarbeitung des § 3 Abs. 2 BDSG1. Der Beschäftigte soll durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten nicht in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt werden, § 1 Abs. 1 BDSG. Gestatten Aktensammlungen eine manuelle Auswertung, gilt für diese ebenfalls das BDSG, weshalb Personalakten ungeachtet der Neuregelung des § 32 Abs. 2 BDSG immer unter das BDSG fallen2. Der Beschäftigte ist nach seiner Einwilligung zur Datenspeicherung zu befragen (§ 4 BDSG) und er muss auf die Folgen einer verweigerten Einwilligung hingewiesen werden. Ungeachtet dessen muss die Einwilligung aus freien Stücken erfolgen, § 4a BDSG3. Daneben sind die Rechte aus §§ 33 ff. BDSG bezüglich Benachrichtigung über die Speicherung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BDSG), sowie das Recht auf Auskunft (§ 34 Abs. 3 und 5 BDSG) zu beachten. Außerdem besteht ein Anspruch auf Korrektur unrichtiger Daten, ihrer Sperrung sowie auf Löschung der Daten, falls die Speicherung unzulässig war, § 34 Abs. 1 bis 4 BDSG4. Diese Rechte bestehen neben der Möglichkeit, Erklärungen zur Personalakte abzugeben5.
V. Ausübung des Einsichtsrechts durch einen Bevollmächtigten Zur Einsichtnahme kann ein Vertrauter schriftlich bevollmächtigt werden, 15 § 3 Abs. 5 Satz 2 TVöD, der dem sinngemäß übernommenen § 13 Abs. 1 BAT entspricht6. Detailliertere Regelungen sind im TVöD mangels praktischer Bedeutung entfallen7. Als weitere Orientierung soll das Beamtenrecht herangezogen werden. Dort ist einem Bevollmächtigten ein Recht auf Einsicht zu erteilen, wenn dienstliche Gründe dem nicht entgegenstehen, § 110 Abs. 2 Satz 1 BBG. Notwendig ist eine schriftliche Bevollmächtigung. Diese kann nur für eine 16 (konkrete) einmalige Einsicht erteilt werden, die Erteilung einer Dauervollmacht ist nicht zulässig8. Die schriftliche Vollmacht ist zu den Personal-
1 HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 10; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 43; Wlotzke/ Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 12. 2 Däubler, NZA 2001, 874; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 21; GK-BetrVG/Wiese/Franzen, § 83 Rz. 23; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 213 ff. 3 Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 27; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 750c; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 53 ff. 4 Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 32; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 755. 5 Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 34; HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 10; GK-BetrVG/ Franzen, § 83 Rz. 69 f.; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 12. 6 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 29; Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, F 4. 7 Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, F 4. 8 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 164. Grimm
299
Teil 3 I
Rz. 17
Personalakte
akten zu nehmen1. Die Vollmacht kann nur an eine natürliche Person erteilt werden2. Personalakten können auch von einem vom Beschäftigten bestimmten Mitglied der Personalvertretung eingesehen werden, § 68 Abs. 2 Satz 3 BPersVG. Durch die Einsichtnahme erlangte Kenntnisse des Personalratsmitglieds fallen unter dessen Schweigepflicht (§ 10 BPersVG). Nach § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kann der Arbeitnehmer ein Mitglied des Betriebsrats bei der Einsicht hinzuziehen. Für die Schweigepflicht gilt § 83 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Ein schwerbehinderter Beschäftigter kann die Schwerbehindertenvertretung bei der Einsicht in die Personalakte hinzuziehen, § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. 17 Für ausgeschiedene Beschäftigte besteht (abgeleitet aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers) ein Recht auf Akteneinsicht, wenn ein begründetes Interesse an der Einsichtnahme vorliegt und dieses belegt werden kann3. Die Einsichtnahme ist ein höchstpersönliches Recht, erlischt im Falle des Todes und geht nicht auf die Hinterbliebenen über4. Für ein nach § 110 Abs. 2 Satz 1 BBG ausnahmsweise mögliches Einsichtsrecht oder Recht auf Erteilung von Auskünften (§ 110 Abs. 2 Satz 3 BBG) ist die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses der Hinterbliebenen notwendig. Hierfür ist weitere Voraussetzung, dass die Personalakte noch existiert; es besteht keine Aufbewahrungspflicht für die Personalakten ausgeschiedener Beschäftigter5 (vgl. aber für das Beamtenrecht § 113 Abs. 1 BGB: fünf Jahre). In der Regel wird sich das Interesse der Angehörigen durch Auszüge aus der Personalakte wahren lassen6.
VI. Recht des Beschäftigten auf Auszüge und Kopien 18 § 3 Abs. 5 Satz 3 TVöD gewährt dem Beschäftigten das Recht, Auszüge und Kopien aus seiner Personalakte zu erhalten, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich ist. Der Arbeitgeber entscheidet, in welchem Umfang der Akteninhalt zur Verfügung gestellt wird. Dabei kann und soll kein vollständiges Duplikat der Personalakte angefertigt werden7. Die Anfertigung von Kopien kann verweigert werden, wenn anderen Personen durch die Verwendung des Materials Nachteile entstehen können8.
1 Conze, Rz. 1094. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 164. 3 Vgl. BAG v. 8.4.1992 – 5 AZR 101/91, RDV 1993, 171; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 167, Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 8; HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 8; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 27. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 167. 5 Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 8; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 750; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 27. 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 167. 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 166. 8 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 166.
300 Grimm
VII. Abmahnung und Beschwerden
Rz. 20
Teil 3 I
VII. Abmahnung und Beschwerden 1. Wegfall des § 13 Abs. 2 BAT: Keine zwingende Anhörung vor Aufnahme einer Abmahnung in die Personalakte mehr § 13 Abs. 2 BAT (vgl. auch § 11a Abs. 2 BMT-G, § 13a MTArb) erforderte 19 vor Aufnahme einer Abmahnung in die Personalakte die Anhörung der Beschäftigten, anderenfalls war die Abmahnung unwirksam1. Mit dem TVöD ist diese Regelung nun weggefallen. Andere Bestimmungen, wie zB § 82 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (allgemeines Anhörungs- und Vorschlagsrecht des Arbeitnehmers), bleiben unangetastet2. Das Recht auf Anhörung erstreckt sich auf alle Beschwerden und Behauptungen, die für den Beschäftigten ungünstig sind oder später einmal von Nachteil werden können3, ähnlich § 69 Abs. 1 Satz 6 BPersVG. Der Beamte hingegen ist zu jeder Behauptung, Beschwerde oder Bewertung, die für ihn nachteilig sein könnte, zu hören und seine Äußerung muss zur Personalakte genommen werden (§ 109 BBG). Aus dem Grundsatz der Offenheit leitet sich für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ein Anspruch auf rechtliches Gehör ab4. Ob dies bedeutet, dass der Beschäftigte vor der Aufnahme einer Abmahnung in die Personalakte zu hören ist, ist zu verneinen5. Auch eine ohne Anhörung erfolgte Abmahnung ist aber wegen des Wegfalls des § 13 Abs. 2 BAT arbeitsrechtlich wirksam und erfüllt insbesondere die kündigungsrechtlich erforderliche Warnfunktion6. 2. Recht auf Gegendarstellung Eine Gegendarstellung des Beschäftigten (früher § 13 Abs. 2 Satz 2 BAT) zu 20 einem Vorgang ist zu den Personalakten zu nehmen7. Dieses Recht folgt aus § 83 Abs. 2 BetrVG und ist zur Gewährleistung des Persönlichkeitsrechtsschutzes notwendig. Die nach Ansicht des Beschäftigten falschen Angaben werden jedoch nicht entfernt8. Die Gegendarstellung ist auch dann in die Personalakte zu übernehmen, wenn der Arbeitgeber der Ansicht ist, dass sie falsch sei oder nicht in der Personalakte aufbewahrt werden müsse9. Allerdings muss nichts in die Personalakte aufgenommen werden, was nicht Inhalt einer Personalakte sein kann, d.h. Vorgänge, die nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder der Personalfüh-
1 Zur Regelung im BAT: Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, A I 1, § 13 Rz. 18 ff. 2 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 187; Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 30. 3 Vgl. zu § 13 Abs. 2 BAT: BAG v. 16.11.1989 – 6 AZR 64/88, ZTR 1990, 199; Breier/ Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 190. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 188. 5 Dafür Conze, Rz. 1096; zutreffend aA: Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 189. 6 BAG v. 21.5.1992 – 2 AZR 551/91, NZA 1992, 1028. 7 Conze, Rz. 1097; Kuner, Der neue TVöD, Rz. 187; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 746; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 14. 8 HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 9; Clemenz, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 4 A Rz. 399. 9 Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 14; Wlotzke/Preis/Preis, BetrVG, § 83 Rz. 14. Grimm
301
Teil 3 I
Rz. 21
Personalakte
rung des Beschäftigten stehen1. Rechtsmissbräuchliche Äußerungen (wie zB Beleidigungen) müssen somit nicht aufgenommen werden2. 21 Eine bestimmte Form ist für die Gegendarstellung nicht vorgegeben, sie richtet sich nach dem jeweils geltenden System und der dabei gehandhabten Ordnung3. Die Gegendarstellung muss in räumlichem Zusammenhang zu dem bestrittenen Vorgang so aufgenommen werden, dass die Akte aus Rede und Gegenrede besteht und jeder Einsichtnehmende sich ein eigenes Bild machen kann. Dies gilt auch, wenn eine Klage auf Entfernung des Vorgangs zuvor abgewiesen worden ist4.
VIII. Entfernung von Vorgängen aus der Personalakte 22 Auch in Bezug auf das Recht des Beschäftigten auf Entfernung von Vorgängen aus der Personalakte hat sich durch den Wegfall des BAT keine Änderung ergeben, es gelten die üblichen Grundsätze5. 23 Der Arbeitgeber ist berechtigt, sämtliche negativen Vorgänge in die Personalakte aufzunehmen. Dabei ist der Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers abzuwägen6. Ausgenommen sind falsche Behauptungen, unrichtige Beurteilungen und in Ausnahmefällen auch Vorgänge über ein dienstliches Fehlverhalten, denen ein weit überwiegendes Interesse des Beschäftigten entgegensteht7. Falls solche Vorgänge in die Personalakte aufgenommen werden, kann durch Leistungsklage sowohl die Unterlassung der Aufnahme als auch die Entfernung oder Vernichtung der Eintragungen oder die Vornahme von Änderungen oder Ergänzungen erzwungen werden8. Dies setzt voraus, dass die Vorwürfe unbegründet oder unverhältnismäßig waren9. Der Anspruch auf Entfernung im Gesamten besteht auch, wenn mehrere Vorwürfe zusammengefasst werden, die nur teilweise zutreffen10. Daher empfiehlt sich die Trennung verschiedener Vorwürfe. Angesichts des Fortdauerns der persönlichkeitsrechtlichen Störung greift eine tarifliche Ausschlussfrist nicht11.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 34. MünchArbR/Reichold, § 87 Rz. 22. GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 32. BVerfG v. 16.10.1998 – 1 BvR 1685/92, NZA 1999, 77. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 29. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 193; Wlotzke/Preis/ Preis, BetrVG, § 83 Rz. 15. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 193. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 194; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 15. BAG v. 5.8.1992 – 5 AZR 531/91, NZA 1993, 838; Fitting, BetrVG, § 83 Rz. 15; Clemenz, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 4 A Rz. 400; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 35 (37 ff.). BAG v. 13.3.1991 – 5 AZR 133/90, NZA 1991, 768; GK-BetrVG/Franzen, § 83 Rz. 19. BAG v. 14.12.1994 – 5 AZR 137/94, NZA 1995, 676.
302 Grimm
VIII. Entfernung von Vorgängen aus der Personalakte
Rz. 27
Teil 3 I
Die Aufnahme von Informationen über Strafverfahren in die Personalakte 24 ist zulässig, falls dies für eine Kündigung oder eine Aufsichtsmaßnahme erforderlich ist. Anderenfalls ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Unterlagen an das Gericht zurückzusenden1. In Privatklageverfahren nach §§ 374 ff. StPO ist eine Übermittlung durch das Gericht nicht geboten. Der Arbeitgeber darf eine solche Information nicht aufnehmen2. Sofern der Arbeitgeber die Unterlagen behalten darf, sind sie nicht in die Personalakte zu übernehmen, wenn die Verurteilung ein strafbares Verhalten im außerdienstlichen Bereich betrifft und das Vergehen nicht in das vom Bundeszentralregister auszustellende Führungszeugnis aufzunehmen ist und der Beschäftigte den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht nach § 53 BZRG zu offenbaren braucht3. Ist ein solches Urteil in den Personalakten, muss es dem Beschäftigten ausgehändigt oder entfernt und vernichtet werden4. Im Beamtenrecht sind Mitteilungen in Strafsachen, die nicht Teil einer Disziplinarakte sind, mit Zustimmung des Beamten nach zwei Jahren zu entfernen und zu vernichten, § 112 Abs. 2 BBG. Der Anspruch auf Entfernung ist gerichtlich durchsetzbar. Bei einer un- 25 richtigen Beurteilung ist die Beweislast so verteilt, dass der Arbeitgeber seine Beurteilung durch Darlegung von Tatsachen begründen muss, der Beschäftigte muss daraufhin die Tatsachen darlegen, die seiner Meinung nach bei der Beurteilung ungerechtfertigterweise nicht zu seinen Gunsten berücksichtig wurden5. Wenn eine Abmahnung oder sonstige Eintragung in der Personalakte auf 26 unrichtigen Tatsachen beruht, also materiell unrichtig ist, gebietet die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers die unverzügliche Entfernung6. Bei Beamten besteht die Pflicht zur unverzüglichen Entfernung und Vernichtung von unrichtigen oder unbegründeten Abmahnungen, Beschwerden, Behauptungen oder Bewertungen (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG). Ein Anspruch auf Entfernung einer Eintragung oder Abmahnung, die auf 27 einer wahren Sachverhaltsdarstellung beruht, kann nur dann bestehen, wenn diese für die weitere Beurteilung des Beschäftigten überflüssig geworden ist und diese ihn in seiner beruflichen Entwicklungsmöglichkeit fortwirkend beeinträchtigen kann7. Im Beamtenrecht sind nach der Re1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 197. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 197. 3 BAG v. 9.2.1977 – 5 AZR 2/76, NJW 1978, 124; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 198. 4 BAG v. 9.2.1977 – 5 AZR 2/76, NJW 1978, 124; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 198 mit Hinweis auf die Grundsätze der BAT-Kommission. 5 BAG v. 28.3.1979 – 5 AZR 80/77, DB 1979, 1703. 6 BAG v. 5.8.1992 – 5 AZR 531/91, NZA 1993, 838; BAG v. 13.10.1988 – 6 AZR 144/85, NZA 1989, 716; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 209 ff.; HWK/Schrader, § 83 BetrVG Rz. 9. 7 BAG v. 30.5.1996 – 6 AZR 537/95, NZA 1997, 145; BAG v. 13.4.1988 – 5 AZR 537/86, NZA 1988, 654; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rz. 211; HWK/Quecke, § 1 USchG Rz. 205 f. Grimm
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Teil 3 I
Rz. 27
Personalakte
gelentfernungspflicht des § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG auf Antrag des Beamten nach einer Frist von zwei Jahren nachteilige Behauptungen, Beschwerden und Bewertungen aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten, falls nicht die Tilgungsvorschriften des einschlägigen Disziplinarrechts Anwendung finden. Dies gilt nicht für dienstliche Beurteilungen (§ 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG). Erneute Sachverhalte unterbrechen die Frist (§ 112 Abs. 1 Satz 2 und 3 BBG).
304 Grimm
J. Beförderung Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beförderung – Aufstieg – Tarifautomatik . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tarifvertragliche Entwicklung . . 3. Bewerbung auf andere Stellen . . . II. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beförderung und Aufstieg unter Geltung des BAT/BAT-O . . . . . . . a) Bewährungsaufstieg . . . . . . . . . b) Tätigkeitsaufstieg . . . . . . . . . . c) Fallgruppenaufstieg . . . . . . . . . 2. Besitzstandsregelung nach TVÜ (§ 8 TVÜ-Bund und § 8 TVÜ-L) . .
1 1 2 5 7 7 7 15 16
Rz. a) Besitzstandsregelung nach § 8 TVÜ-Bund . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besitzstandsregelung nach § 8 TVÜ-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besitzstandsregelung nach § 8 TVÜ-VKA . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stufenaufstieg nach TVöD/TV-L . . . a) Leistungsbewertung . . . . . . . . . . . b) Tätigkeitsunterbrechungen . . . . . 4. Beschwerdekommission nach TVöD/TV-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . .
20 23 24 25 26 35 37 40
19
Schrifttum: Hock/Klapproth, Eingruppierung, Höhergruppierung und Stufenzuordnung im TVöD, ZTR 2006, 118; Laber, Fallstricke bei der arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage, ArbRB 2006, 221; Roggenkamp, Die Leistungselemente des TVöD – Werden Beschäftigte künftig nach Leistung sortiert?, PersR 2006, 48; Sonntag/Bauer/Bockholt, Die Eingruppierung im öffentlichen Dienst, 9. Aufl. 2007; Thivessen/Kulok, TV-L 2009, 2009.
I. Grundlagen 1. Beförderung – Aufstieg – Tarifautomatik Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes enthalten keine dem Beamten- 1 recht vergleichbaren Regelungen über Laufbahn und Beförderungsmöglichkeiten. Um jedoch auch den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst eine berufliche Perspektive und eine höhere Vergütung zu gewährleisten, wurden von den Tarifparteien Regelungen zur Höhergruppierung vereinbart. Zur besseren Abgrenzung gegenüber dem Beamtenrecht sollte nicht von „Beförderung“ gesprochen werden, sondern vielmehr der Begriff „Aufstieg“ verwendet werden. Im Gegensatz zur Beförderung ist hierzu kein konstitutiver Akt erforderlich, sondern die höhere Eingruppierung und damit der Anspruch auf die höhere Vergütung erfolgen, sobald die tarifvertraglichen Voraussetzungen auf Dauer vorliegen (Tarifautomatik)1. Die Zuordnung der Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu einer Vergütungsgruppe durch den 1 Es ist jedoch möglich, dass der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber eine Höhergruppierung der Angestellten entsprechend den Beförderungsregelungen bei Beamten vorsieht. Die Höhergruppierung erfolgt dann nicht im Wege der Tarifautomatik, sondern hat konstitutive Wirkung. Für diese „Beförderungen“ ist eine Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) entsprechend den beamtenrechtlichen Grundsätzen erforderlich, sobald mehr Bewerber als Planstellen vorhanden sind. Ein Anspruch auf Schaffung von Planstellen besteht nicht, sondern nur auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BAG v. 23.2.2000 – 10 AZR 1/99, BAGE 94, 11 = NZA 2001, 680). Laber
305
Teil 3 J
Rz. 2
Beförderung
Arbeitgeber hat daher im Regelfall nur deklaratorische Bedeutung1. Selbst wenn die Eingruppierung sowie die dazugehörige Fallgruppe im Arbeitsvertrag angegeben sind und der Arbeitnehmer entsprechend vergütet wird, kann der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber später aufgrund neuer Erkenntnisse zum Tarifwerk oder der Anforderungen am Arbeitsplatz hiervon abweichen und die Vergütung zukünftig aus der nunmehr für zutreffend erachteten Vergütungsgruppe vornehmen2. Der Begriff der Höhergruppierung darf daher nicht mit einer Beförderung oder einem Aufstieg gleichgesetzt werden. Eine Höhergruppierung kann zum einen durch Zuweisung einer anderen, dh. höherwertigen Tätigkeit durch den Arbeitgeber, die Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit ohne Zutun des Arbeitgebers (Hineinwachsen in eine höherwertige Tätigkeit) oder durch die Erfüllung der Aufstiegskriterien erfolgen3. 2. Tarifvertragliche Entwicklung 2
Vor Inkrafttreten des TVöD und des TV-L war das öffentliche Dienstrecht gekennzeichnet durch komplizierte, unübersichtliche und teilweise schwer verständliche tarifvertragliche Aufstiegsmöglichkeiten. So gab es unter Geltung des BAT/BAT-O zuletzt je nach Eingruppierung und Tätigkeit Bewährungs-, Fallgruppen- und Tätigkeitsaufstiege, bei denen Zeitablauf und/oder eine bestimmte Bewährungszeit erforderlich waren. Daneben wurde noch nach Bund und Ländern auf der einen Seite und dem kommunalen Bereich auf der anderen Seite differenziert.
3
Diese Rechtslage wurde durch Verzicht auf Bewährungs-, Fallgruppen- und Tätigkeitsaufstiege (vgl. § 17 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-L) und Einführung des sog. Stufenaufstiegs im TVöD4 und dem TV-L deutlich vereinfacht, obwohl die Einführung des sog. leistungsbezogenen Stufenaufstiegs auch erhebliches Konfliktpotential enthält, zumal es in diesem Bereich bislang keine praktischen Erfahrungen gibt.
4
Da das neue Tarifrecht mit seiner kompletten Systemumstellung im Bereich der Vergütung und der Aufstiegsmöglichkeiten in Besitzstände der Angestellten eingreift, dh. bereits absolvierte Bewährungszeiten entfallen lässt, wurden in den Überleitungstarifverträgen TVÜ-Bund und TVÜ-L gesonderte, wiederum recht komplizierte Überleitungsvorschriften geschaffen. Rechtlich notwendig ist dies freilich nicht: Denn durch den Wegfall von Aufstiegsmöglichkeiten infolge einer Tarifvertragsänderung wird nicht in geschützte Besitzstände eingegriffen, wenn zum Zeitpunkt des Wirk-
1 BAG v. 23.9.1954 – 2 AZR 31/53, BAGE 1, 85; BAG v. 25.1.2006 – 4 AZR 613/04, DB 2006, 2584; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 377. 2 BAG v. 8.10.1997 – 4 AZR 167/96, NZA-RR 1998, 231. 3 Vgl. Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 749 f. 4 Im Bereich des Stufenaufstiegs gibt es unterschiedliche Regelungen für die Bereiche Bund und VKA. Der Übersichtlichkeit halber wird die Darstellung auf den TVöD-Bund beschränkt. Zu den Einzelheiten für den Bereich TVöD-VKA vgl. Kuner, Der neue TVöD Rz. 257 ff.
306 Laber
II. Einzelheiten
Rz. 7
Teil 3 J
samwerdens des neuen Tarifvertrags die Voraussetzungen für den Aufstieg nicht gegeben waren1. 3. Bewerbung auf andere Stellen Vom tarifvertraglichen Aufstieg ist die Bewerbung auf eine andere (ggf. hö- 5 herwertige) Stelle durch den Arbeitnehmer abzugrenzen (Beförderungsbewerbung). Es handelt sich hierbei um einen Antrag auf Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes ggf. verbunden mit einer Höhergruppierung. Bei der Entscheidung über solche Anträge muss Art. 33 Abs. 2 GG beachtet werden, der für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gilt, so dass jeder Bewerber ein subjektives Recht auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren hat (Bewerbungsverfahrensanspruch)2. Der öffentliche Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, stets alle offenen Stellen auszuschreiben und nach den Kriterien der Bestenauslese zu besetzen. Vielmehr hat er aufgrund seiner Organisationsfreiheit das Recht, zwischen Umsetzungen, Versetzungen und Beförderungen zu wählen3. Nur soweit es um den beruflichen Aufstieg von Bewerbern mit der Rangordnung nach niedrigeren Vergütungsgruppen geht, ist zwingend eine Auswahl nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG geboten4. Wie er seine Organisationsfreiheit nutzt, steht im pflichtgemäßen Ermessen des öffentlichen Arbeitgebers5. Aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch kann ein Anspruch auf Übertra- 6 gung eines bestimmten Amtes erwachsen, wenn sich nach den Verhältnissen im Einzelfall jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft darstellt und mithin die Berücksichtigung des einen Bewerbers die einzig rechtmäßige Entscheidung ist, weil er absolut im Verhältnis zu den Mitbewerbern der in jeder Hinsicht am besten geeignete ist6 (zu den Einzelheiten vgl. Teil 2 Rz. 16 ff. und Teil 15 Rz. 20 ff.).
II. Einzelheiten 1. Beförderung und Aufstieg unter Geltung des BAT/BAT-O a) Bewährungsaufstieg Der BAT/BAT-O sieht in § 23a BAT/BAT-O für einige Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung (Anlage 1a BAT) die Möglichkeit des sog. Bewäh1 BAG v. 21.10.1992 – 4 AZR 156/92, NZA 1993, 616; BAG v. 14.6.1995 – 4 AZR 250/94, DB 1995, 2613; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 186 Rz. 64. 2 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, BAGE 87, 171 = NZA 1988, 882; BAG v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, BAGE 103, 212 = NZA 2003, 798; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 492/06; vgl. hierzu Laber, ArbRB 2006, 221. 3 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 492/06. 4 BVerwG v. 16.8.2001 – 2 A 3.00, BVerwGE 115, 58; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 492/06. 5 BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 226/05, AP Nr. 6 zu § 24 BAT. 6 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, BAGE 87, 171 = NZA 1988, 882; BAG v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, BAGE 103, 212 = NZA 2003, 798. Laber
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Teil 3 J
Rz. 8
Beförderung
rungsaufstiegs vor (allgemeiner Bewährungsaufstieg). Der allgemeine Bewährungsaufstieg wird teilweise umgangssprachlich auch als „Sternchen-Aufstieg“ bezeichnet, da ein Angestellter, der ein in der Anlage 1a BAT mit dem Zeichen * gekennzeichnetes Tätigkeitsmerkmal erfüllt, eine bestimmte Bewährungszeit, die sich jeweils aus der nächst höheren Vergütungsgruppe ergibt, nachweisen muss, um einen Anspruch auf eine höhere Vergütung zu erlangen. 8
Die Eingruppierung ist daher unter Geltung des BAT nicht nur für die Vergütungshöhe, sondern auch für die Aufstiegsmöglichkeit wichtig. Auf die – fehlende – Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs muss der öffentliche Arbeitgeber in der Stellenausschreibung oder im Arbeitsvertrag nicht hinweisen; auch das NachwG sieht eine derartige Pflicht nicht vor1.
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Ein Bewährungsaufstieg setzt voraus, dass der Beschäftigte während eines bestimmten Zeitraums, der sog. Bewährungszeit, nachweisen muss, dass er den Anforderungen der höheren Vergütungsgruppe gewachsen ist. Von einer Bewährung kann idR ausgegangen werden, wenn keine Beanstandungen vorliegen2; besonders gute Leistungen sind nicht erforderlich3. Für die Frage der Bewährung von Bedeutung sind dabei auch die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, soweit sie mit der Hauptpflicht in unlösbarem Zusammenhang stehen4. Einmalige Verfehlungen reichen in aller Regel – es sei denn, es handelt sich um besonders schwerwiegende Versäumnisse – nicht für einen Ausschluss der Bewährung aus5. Das außerdienstliche Verhalten des Angestellten, seine dienstliche Führung und seine Leistungen im Rahmen einer Tätigkeit, auf der seine Eingruppierung nicht beruht, sind regelmäßig für seine Bewährung unbeachtlich6. Abgestellt wird somit allein auf die ausgeübte Tätigkeit, so dass es für die Beurteilung der Bewährungszeit unerheblich ist, wie der Arbeitnehmer eingruppiert war und ob dem Arbeitnehmer die zutreffende Vergütung gezahlt wurde7. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann daher einen Bewährungsaufstieg verhindern, indem er die bisherige tarifliche Bewertung des Arbeitsplatzes in Abrede stellt, es sei denn, dieses Vorgehen verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), weil dem Arbeitnehmer die Richtigkeit der bestehenden Eingruppierung zuvor bestätigt wurde8.
10 Problematisch ist es im öffentlichen Dienst, wenn sich mehr Arbeitnehmer fachlich bewährt haben als Planstellen in der höheren Vergütungs1 BAG v. 8.6.2005 – 4 AZR 406/04, NZA 2006, 53. 2 BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 153/92, NZA 1993, 663; BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, NZA-RR 1998, 567; Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 A Rz. 380. 3 BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 153/92, NZA 1993, 663; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 186 Rz. 59. 4 BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 153/92, NZA 1993, 663. 5 BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 153/92, NZA 1993, 663. 6 BAG v. 17.2.1993 – 4 AZR 153/92, NZA 1993, 663; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 186 Rz. 59. 7 BAG v. 25.1.2006 – 4 AZR 613/04, DB 2006, 2584. 8 BAG v. 8.10.1997 – 4 AZR 167/96, NZA-RR 1998, 231.
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II. Einzelheiten
Rz. 15
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gruppe aufgrund haushaltsrechtlicher Vorgaben zur Verfügung stehen. In diesem Fall muss eine Auswahlentscheidung anhand von klaren Beurteilungskriterien erfolgen, wobei bei der Ausübung des personalwirtschaftlichen Ermessens wiederum der Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) zu beachten ist1. Die Bewährungszeit muss grundsätzlich ununterbrochen zurückgelegt 11 werden. In § 23a BAT ist geregelt, wie zu verfahren ist, wenn die Bewährungszeit nicht ununterbrochen zurückgelegt wurde. Die Unterbrechung bleibt je nach Grund und Dauer der Unterbrechung unbeachtlich (unschädliche Unterbrechung) oder führt zu einer Hemmung oder Vernichtung der bereits absolvierten Bewährungszeiten. Unschädlich sind grundsätzlich Unterbrechungen von jeweils bis zu sechs Monaten sowie Unterbrechungen wegen Ableistung des Grundwehr- oder Ersatzdienstes, Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsurlaubs und Elternzeit für die Dauer bis zu insgesamt fünf Jahren. Zu beachten ist, dass § 23a BAT/BAT-O nur für den Bereich des Bundes und der Länder gilt. Für den kommunalen Bereich wurde im Laufe der Jahre ebenfalls ein Bewährungsaufstieg eingeführt. Da jedoch eine tarifvertragliche Regelung über die Behandlung von Unterbrechungen der Bewährungszeit fehlte, wurde in der Praxis durch Richtlinien und Empfehlungen der VKA § 23a BAT sinngemäß angewendet.
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Der allgemeine Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT ist ferner vom nicht im BAT geregelten Fallgruppen- bzw. Fallgruppenbewährungsaufstieg zu unterscheiden2.
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Checkliste Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT/BAT-O
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1. Erfüllung eines Tätigkeitsmerkmals, das in der Anlage 1a zum BAT mit einem * gekennzeichnet ist, 2. Ablauf der jeweiligen Bewährungszeit, 3. tatsächliche Bewährung
b) Tätigkeitsaufstieg Der sog. Tätigkeitsaufstieg wurde von den Tarifvertragsparteien neben dem Bewährungsaufstieg eingeführt; er ist aber nicht im BAT/BAT-O, sondern in einzelnen Vergütungsordnungen für bestimmte Tätigkeiten enthalten. Im Unterschied zum Bewährungsaufstieg ist es hier ausreichend, wenn der jeweils vorgeschriebene Zeitablauf eingetreten ist und die geforderte Tätigkeit in der jeweiligen Vergütungs- und Fallgruppe ausgeübt wurde. Ein zeitlicher Leistungsnachweis ist nicht erforderlich3. Der Tätigkeits1 Vgl. hierzu BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06. 2 Conze, Rz. 516 ff. 3 Conze, Rz. 519. Laber
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Rz. 16
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aufstieg wird auch als Zeitaufstieg bezeichnet. § 23a BAT/BAT-O findet weder unmittelbar noch entsprechende Anwendung1. c) Fallgruppenaufstieg 16 Die daneben oftmals herangezogene Bezeichnung Fallgruppenaufstieg (vgl. § 23b BAT/BAT-O) ist der Oberbegriff für Bewährungs- und Tätigkeitsaufstieg außerhalb des § 23a BAT/BAT-O2. Er bezieht seinen Namen von den verschiedenen Aufstiegsregelungen der Fallgruppen in den Vergütungsgruppen der verschiedenen Vergütungsordnungen. Der Fallgruppenaufstieg kann wiederum als sog. Fallgruppenbewährungsaufstieg oder als reiner (Fallgruppen-)Zeitaufstieg (vgl. Rz. 15) ausgestaltet sein. Der Fallgruppenaufstieg ist – wie aus § 23b BAT/BAT-O ersichtlich – tarifvertraglich anerkannt. Die tarifliche Regelung erfasst jedoch lediglich einen Teilaspekt des Fallgruppenaufstiegs, nämlich die Anrechnung von Teilzeitbeschäftigungszeiten auf die jeweiligen Bewährungszeiten. 17 Ein Fallgruppenbewährungsaufstieg liegt vor, wenn ein Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe die Bewährung in einer bestimmten Fallgruppe einer niedrigeren Fallgruppe als Anforderung enthält3. Zeiten, während derer der Beschäftigte in einer höheren Vergütungsgruppe eingruppiert war, bleiben daher beim Fallgruppenbewährungsaufstieg unberücksichtigt4. Führen die Tarifvertragsparteien einen neuen Fallgruppenbewährungsaufstieg ein, können – soweit keine Übergangsvorschriften vorhanden sind – die geforderten Bewährungszeiten nur ab seiner Einführung berücksichtigt werden5. 18 Aufgrund der bewusst unvollständigen tariflichen Regelung in § 23b BAT/ BAT-O kann auf einen Fallgruppenbewährungsaufstieg § 23a BAT/BAT-O nicht – auch nicht entsprechend – angewandt werden6. Soweit jedoch § 23a BAT allgemeine Rechtsgedanken enthält, die dem tariflichen Sinn und Zweck des Bewährungsaufstiegs und dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung des BAT entsprechen, sind diese Rechtsgedanken auch auf den Fallgruppenbewährungsaufstieg anwendbar7.
1 BAG v. 2.12.1987 – 4 AZR 431/87, ZTR 1988, 260. 2 Conze, Rz. 520. 3 Bredemeier/Neffke, BAT/BAT-O Vor §§ 22–25 BAT-O Rz. 14 ff.; vgl. BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 565/96, ZTR 1998, 85 (Fallgruppenbewährungsaufstieg für Sozialarbeiter). 4 BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 565/96, ZTR 1998, 85. 5 BAG v. 14.4.1999 – 4 AZR 189/98; LAG Berlin v. 10.2.2007 – 10 Sa 1867/06 (Az. BAG 4 AZR 291/07). 6 BAG v. 9.11.1983 – 4 AZR 420/82, BAGE 43, 374; BAG v. 9.11.1983 – 4 AZR 141/82; BAG v. 2.12.1987- 4 AZR 431/87, ZTR 1988, 260; BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 565/96, ZTR 1998, 85; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 186 Rz. 61. 7 BAG v. 9.11.1983 – 4 AZR 420/82, BAGE 43, 374; BAG v. 9.11.1983 – 4 AZR 141/82; Schaub/Linck, ArbRHdb, § 186 Rz. 61.
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II. Einzelheiten
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2. Besitzstandsregelung nach TVÜ (§ 8 TVÜ-Bund und § 8 TVÜ-L) Da im neuen Tarifrecht die Aufstiege neu geregelt worden sind, stellt sich die Frage, wie mit den unter Geltung des bisherigen Tarifrechts zurückgelegten Bewährungs- und Tätigkeitszeiten zu verfahren ist. Die Tarifvertragsparteien haben dazu in § 8 TVÜ-Bund und § 8 TVÜ-Land recht komplizierte Besitzstands- und Eingruppierungsregelungen konzipiert, die nachfolgend nur kurz erläutert werden können1.
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a) Besitzstandsregelung nach § 8 TVÜ-Bund Es ist zunächst § 4 Abs. 2 TVÜ-Bund zu beachten. Danach werden Beschäf- 20 tigte, die im Oktober 2006 bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts die Voraussetzungen für einen Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstieg erfüllt hätten, für die Überleitung so behandelt, als wäre der Aufstieg bereits im September 2006 erfolgt. Der Aufstieg wird also fiktiv vorgezogen. Die eigentliche Besitzstandsregelung für die Bewährungs- und Fallgruppen- 21 aufstiege finden sich in § 8 TVÜ-Bund. Entscheidend ist danach, in welche Entgeltgruppe des TVÜ-Bund die Beschäftigten aus dem BAT/BAT-O übergeleitet werden und ob die Hälfte der jeweils erforderlichen Bewährungsund Tätigkeitszeit zum 1.11.2006 bereits erfüllt ist. Erfolgt eine Überleitung in die Entgeltgruppen 3, 5, 6 oder 8, sind die Tätigkeits- und Bewährungszeiten nur zu berücksichtigen, wenn am 1.10.2005 mindestens die Hälfte der für die Höhergruppierung erforderlichen Tätigkeits- oder Bewährungszeit absolviert wurde. Der Zeitpunkt der Höhergruppierung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, nach dem bei fiktiver Geltung des BAT die Höhergruppierung erfolgt wäre2. Ist die Hälfte der Bewährungszeit dagegen noch nicht erreicht, entfallen die zurückgelegten Zeiten komplett. Bei der Überleitung in die Entgeltgruppen 2 und 9 bis 15 des TVöD muss dagegen nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund neben der Erfüllung der halben Bewährungs- bzw. Tätigkeitszeit zum 1.10.2005 als weitere Voraussetzung vorliegen, dass die Höhergruppierung zwischen dem 1.11.2005 und dem 30.9.2007 erfolgt wäre, wenn der BAT weiter Anwendung finden würde3. Der Arbeitnehmer wird dann auch nicht direkt in die jeweilige höhere TVöD-Entgeltgruppe übergeleitet (wie bei § 8 Abs. 1 TVÜ-Bund). Vielmehr wird der Beschäftigte fiktiv der nächsthöheren BAT-Entgeltgruppe bezogen 1 Zu den Einzelheiten s. Kuner, Der neue TVöD, Rz. 80 ff. für den TVÜ-Bund sowie in: Arbeitsrecht im TVöD/TV-L, Rz. 191 ff. und Thivessen/Kulok, S. 37 ff. sowie Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar TVL, TVÜ-Länder Rz. 255 ff. für den TVÜ-L. 2 v. Steinau-Steinrück/Schmidt, NZA 2006, 518 (523). 3 Die Entgeltgruppe 1 ist die neue Entgeltgruppe für den Niedriglohnbereich. Zu schützende Besitzstände bestehen daher nicht. Die ebenfalls nicht genannten Entgeltgruppen 4 und 7 sind Entgeltgruppen für Arbeiter, so dass keine Überleitung in diese Gruppen aus dem BAT/BAT-O gemäß § 8 TVÜ erfolgt. Für diese Gruppen waren keine Besitzstandsregelungen notwendig. Vgl. hierzu Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 191 ff. Laber
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Rz. 23
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auf den 1.10.2005, aber mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des individuell ausstehenden Aufstiegs nach altem Recht zugeordnet. Das neue Vergleichsentgelt wird im nächsten Schritt aufgrund der fiktiven Höhergruppierung nach BAT berechnet. Im dritten Schritt wird dann unter Beibehaltung der bisherigen TVöD-Entgeltgruppe das so ermittelte Vergleichsentgelt einer neuen individuellen Zwischenstufe zugeordnet. Zum 1.11.2008 steigen schließlich nach § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Bund die Beschäftigten in die betragsmäßig nächsthöhere reguläre Stufe ihrer Entgeltgruppe auf. Danach gilt der Stufenaufstieg nach dem TVöD (§ 6 Abs. 1 Satz 5 TVÜ-Bund). b) Besitzstandsregelung nach § 8 TVÜ-L 23 Wie im TVÜ-Bund erfolgt auch auf Länderebene für die Überleitung ein vorgezogener fiktiver Aufstieg (§ 4 Abs. 2 TVÜ-L), allerdings aufgrund des verspäteten Inkrafttretens mit einer zeitlichen Verzögerung: Danach werden Beschäftigte, die im November 2006 bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts die Voraussetzungen für einen Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstieg erfüllt hätten, für die Überleitung so behandelt, als wäre der Aufstieg bereits im Oktober 2006 erfolgt (fiktive Höhergruppierung). Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu § 8 TVÜ-Bund verwiesen werden1. c) Besitzstandsregelung nach § 8 TVÜ-VKA 24 In § 8 TVÜ-VKA ist ebenfalls eine Überleitungs- und Besitzstandsregelung enthalten, die entsprechend den Regelungen im TVÜ-Bund und TVÜ-L aufgebaut ist, so dass ebenfalls auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. 3. Stufenaufstieg nach TVöD/TV-L 25 Die neuen Tarifverträge TVöD und TV-L sehen nur noch einen sog. Stufenaufstieg vor2. Für jede der jeweils 15 Entgeltgruppen des TVöD und des TV-L existieren fünf bzw. sechs Stufen (zwei Grundentgeltstufen und drei bzw. vier Entwicklungs- bzw. Erfahrungsstufen), die nach bestimmten Beschäftigungszeiten ohne Berücksichtigung des Lebensalters erreicht werden können3. Wird die nötige Zeit für den Stufenaufstieg während des Kalendermonats vollendet, wirkt dies auf den Beginn des Monats zurück (§ 17 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L). Die Verweildauer in den Stufen variiert zwischen einem und fünf Jahren, kann indes auch verkürzt oder verlängert werden. Das Lebensalter wird nicht mehr berücksichtigt, entscheidend sollen nur noch die Berufserfahrung, die sich regelmäßig in der Beschäfti1 Unterschiede bestehen auch insoweit nur hinsichtlich der Daten; vgl. zu den Einzelheiten mit Beispielen Thivessen/Kulok, S. 37 ff. 2 Vgl. hierzu das RdSchr. des BMI v. 8.12.2005 – D II 2 – 220 210 – 2/0 (GMBl. 2006, 86) sowie VKA-Rundschreiben v. 5.1.2006 – Nr. 6/2006. 3 Vgl. die Übersichten zum TVöD bzw. TVöD-VKA bei Kuner, Der neue TVöD, ÜB 56 und 57.
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II. Einzelheiten
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gungszeit widerspiegelt, und die Leistung sein. Ein Aufstieg ist also nur noch innerhalb der Entgeltgruppe möglich, es sei denn, die Tätigkeit ändert sich derart, dass eine andere – höhere – Eingruppierung erforderlich ist. Ein Aufstieg in eine andere Entgeltgruppe durch Zeitablauf und/oder Bewährung findet nicht mehr statt. Ein höheres Entgelt kann aber auch ohne Aufstieg durch die neu eingeführten Leistungszulagen und Leistungsprämien erreicht werden. a) Leistungsbewertung Der TVöD bzw. TV-L sieht je nach Entgeltgruppe fünf oder sechs Entgelt- 26 stufen vor. Stufe 1 gilt in der Regel für die Beschäftigten ohne Berufserfahrung. Nach einem Jahr Tätigkeit steigt der Arbeitnehmer in Stufe 2 und nach weiteren zwei Jahren in Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe auf. Die weiteren Aufstiege sind nach weiteren drei, vier und ggf. fünf Jahren vorgesehen, soweit der Arbeitnehmer eine durchschnittliche Leistung erbringt. Denn ab dem Aufstieg in Stufe 3 erfolgt erstmals die Berücksichtigung der individuellen Leistung (leistungsbezogener Stufenaufstieg, § 17 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L). Ist diese erheblich über dem Durchschnitt, kann die Verweildauer verkürzt werden, liegt sie erheblich unter dem Durchschnitt kann sie verlängert werden1. Auch bei einer überdurchschnittlichen Leistung besteht also kein Anspruch auf eine Verkürzung, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung2. Der Arbeitgeber muss auch nicht regelmäßig überprüfen, ob für Arbeitnehmer Maßnahmen nach § 17 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L in Betracht kommen. Er kann vielmehr in eigener Zuständigkeit darüber entscheiden, ob er von diesem neuen Personalentwicklungsinstrument überhaupt Gebrauch machen will3. Grenzen für die Verkürzung und die Verlängerung sind nicht vorgesehen, 27 so dass ein dauerhaftes „Einfrieren“ auf einer Stufe möglich ist4. In diesem Fall stellt sich aber die Frage, ob aufgrund der dauerhaften unterdurchschnittlichen Leistung das Arbeitsverhältnis nicht besser beendet werden sollte. Fraglich ist allerdings, ob die Stufenlaufzeit auf null verkürzt werden kann, 28 so dass sogar ein Überspringen von Stufen möglich wäre. Dies wird man verneinen müssen, da die Verkürzung begrifflich immer noch eine bestimmte, wenn auch möglicherweise geringe Laufzeit in einer Stufe vo1 Für den Bereich des Bundes ist allerdings zunächst die Möglichkeit der Verlängerung des Stufenaufstiegs ausgesetzt, bis feststeht, in welchem Umfang der nach § 18 Abs. 3 TVöD abzuschließende Bundestarifvertrag Mitwirkungsrechte für die Beschwerdekommission vorsieht. 2 AA Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 9. 3 Die – freiwillige – Einführung des leistungsbezogenen Stufenaufstiegs wird aufgrund des beträchtlichen Vorbereitungsaufwands für die verpflichtende Leistungszulage bei den meisten Arbeitgebern wohl erst ab 2008 realisiert werden. 4 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 735; einschränkend Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 11, wonach aus der jährlichen Pflicht zur Überprüfung folge, dass – wenn auch mehrfach – eine Verlängerung um jeweils ein Jahr möglich sei. Laber
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Rz. 29
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raussetzt1. Verkürzungen um mehr als die Hälfte der regulären Laufzeit sind demnach zwar zulässig, werden aber in der Praxis nur selten vorkommen. Ebenfalls nicht möglich ist eine gleichzeitige Verkürzung der Laufzeit der nächsten Stufe2. 29 Die Leistungsbewertung muss anhand vorgegebener Ziele erfolgen. Das setzt die Schaffung allgemeiner Beurteilungskriterien voraus, was allerdings der Mitbestimmung des Betriebs- oder Personalrats unterliegt. Im Gegensatz zur Gewährung der Leistungsprämien und -zulagen ist jedoch kein betriebliches Beurteilungssystem zu vereinbaren3. 30 Fraglich ist, wann eine erheblich über bzw. unter dem Durchschnitt liegende Leistung vorliegt. Dies muss für jeden Einzelfall im Wege einer Gesamtbetrachtung der gesamten Arbeitsleistung gesondert festgestellt werden4. Es müssen also nicht nur die erbrachten Leistungen qualitativ und quantitativ bewertet, sondern beispielsweise auch eine Bewährung in unterschiedlichen Aufgabengebieten oder die Übernahme von Sonderaufgaben berücksichtigt werden. Beruht etwa die Leistungsminderung auf einem anerkannten Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit, ist diese Ursache bei der Leistungsbewertung in „geeigneter Weise“5 zu berücksichtigen. Ferner muss eine Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter bei der Leistungsbewertung ausgeschlossen werden. 31 Erst wenn eine erheblich über- bzw. unterdurchschnittliche Leistung vorliegt, erfolgt die Entscheidung, ob und wenn ja in welchem Umfang die Verlängerung bzw. Verkürzung der Stufenlaufzeit erfolgt. Diese Entscheidung ist eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB. Sie muss daher billigem Ermessen entsprechen, es müssen also die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Dazu gehört etwa die – zu prognostizierende – positive Entwicklung des Arbeitnehmers, da ein Stufenaufstieg eine dauerhafte finanzielle Verbesserung zur Folge hat. Zu bedenken ist ferner, dass der Arbeitnehmer bei einer Verkürzung der Stufenlaufzeit früher in die Endstufe der jeweiligen Entgeltgruppe gelangt. Es ist daher abzuwägen, ob die überdurchschnittliche Leistung nicht auch durch eine Leistungsbezahlung abgegolten werden kann. 32 Aufgrund der damit verbundenen Prognoseunsicherheiten sowie des Begründungs- und Dokumentationsaufwands kann davon ausgegangen werden, dass die Arbeitgeber von den Möglichkeiten der Verkürzung und – insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen Beurteilungen im öffentlichen Dienst – der Verlängerung der Stufenlaufzeit nur in besonderen Fällen Gebrauch machen werden. Außerdem wird nur in seltenen Fäl1 AA Kuner, Der neue TVöD, Rz. 269; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L Rz. 735; wie hier Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 7. 2 Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 7. 3 Conze, Rz. 1277; Dassau/Langenbrinck, S. 76; Thivessen/Kulok, S. 87. 4 Conze, Rz. 1277; Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 4. 5 Protokollerklärung zu § 17 Abs. 2 Satz 2 TVöD.
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II. Einzelheiten
Rz. 36
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len eine dauerhafte erheblich über- oder unterdurchschnittliche Leistung vorliegen. Die Entscheidung des Arbeitgebers über die Verkürzung oder Verlängerung 33 der Stufenlaufzeit unterliegt nicht der Mitbestimmung des Betriebs- bzw. Personalrats, ist aber voll gerichtlich überprüfbar. Zu empfehlen ist daher stets eine genaue schriftliche Dokumentation der Entscheidung. Dies gilt auch für die gemäß § 17 Abs. 2 Satz 3 TVöD bzw. TV-L vorzunehmende jährliche Überprüfung, ob die Voraussetzungen für die Verlängerung noch vorliegen. Problematisch ist das Verhältnis zwischen dem geplanten Leistungsentgelt 34 nach § 18 TVöD bzw. TV-L und dem leistungsbezogenen Stufenaufstieg. Nach den Protokollerklärungen der Tarifvertragsparteien zu § 17 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L sollen die beiden Instrumente „unterschiedlichen Zielen“, die Verkürzung der Stufenlaufzeit insbesondere dem „Anliegen der Personalentwicklung“ dienen und daher unabhängig nebeneinander stehen1. Die Zahlung eines Leistungsentgelts soll damit nicht automatisch die Verkürzung der Stufenlaufzeit und umgekehrt intendieren2. Eine doppelte „Belohnung“ durch Leistungsentgelt und Verkürzung des Stufenaufstiegs ist theoretisch möglich, wird in der Praxis wohl aber nicht vorkommen. Ferner schließt die Möglichkeit der unbegrenzten Verlängerung der Stufenlaufzeit nicht weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen, also Abmahnung und ggf. sogar Kündigung, wegen unterdurchschnittlicher Leistungen des Arbeitnehmers aus3. b) Tätigkeitsunterbrechungen Grundsätzlich muss die Stufenlaufzeit ununterbrochen zurückgelegt wer- 35 den. Wie auch im BAT/BAT-O haben die Tarifvertragsparteien jedoch abschließend festgelegt, welche Unterbrechungen für den Aufstieg unschädlich sind. Nach § 17 Abs. 3 TVöD bzw. § 17 Abs. 3 TV-L sind dies Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen (§ 22 TVöD bzw. § 22 TV-L), Zeiten bezahlten Urlaubs sowie Sonderurlaubs, wenn der Arbeitgeber vor Antritt schriftlich ein dienstliches bzw. betriebliches Interesse anerkannt hat, sonstige Unterbrechungen von weniger als einem Monat im Kalenderjahr sowie Zeiten der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Andere Unterbrechungen bis zu einer Dauer von drei Jahren sowie eine El- 36 ternzeit von bis zu fünf Jahren hemmen nach dem TVöD (§ 17 Abs. 3 TVöD) die Stufenlaufzeit, werden also nicht angerechnet. Schädlich sind alle anderen Unterbrechungen, also Unterbrechungen von mehr als drei Jahren bzw. eine Elternzeit von mehr als fünf Jahren. Der TV-L weicht in diesem Bereich vom TVöD ab, da er zB die zeitlichen Einschränkungen nicht enthält. Derartige Unterbrechungen führen sogar dazu, dass der Ar1 Krit. hierzu Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 4. 2 Vgl. Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 737. 3 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 271; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 742. Laber
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Rz. 37
Beförderung
beitnehmer mit der Arbeitsaufnahme in die Entgeltstufe eingeordnet wird, die der vor der Unterbrechung erreichten Stufe vorangeht, jedoch mindestens in die Stufe bei einer Neueinstellung. 4. Beschwerdekommission nach TVöD/TV-L 37 Ist der Arbeitnehmer mit einer Verlängerung der Stufenlaufzeit nicht einverstanden, kann er sich an die gemäß § 17 Abs. 2 Satz 4 TVöD bzw. TV-L einzurichtende Beschwerdekommission gegen die Verlängerung der Stufenlaufzeit wenden. Diese Kommission setzt sich aus paritätisch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite benannten – also nicht gewählten – Mitgliedern, die dem Betrieb bzw. der Dienststelle angehören müssen, zusammen (§ 17 Abs. 2 Satz 5 TVöD bzw. TV-L)1. Eine feste Amtszeit für die Beschwerdekommission ist nicht vorgesehen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift handelt es sich hierbei nicht um ein obligatorisches Vorverfahren, so dass der Arbeitnehmer auch direkt gerichtlich gegen die Entscheidung des Arbeitgebers vorgehen kann2. Eine Beschwerdefrist ist nicht vorgesehen; in Betracht kommt allerdings die Anwendung der Ausschlussfrist des § 37 TVöD bzw. TV-L. Für Beschwerden über die Ablehnung einer Verkürzung der Laufzeit ist die Kommission nicht zuständig, jedoch für die Beschwerden gegen Ergebnisse der jährlichen Überprüfungen. Zu beachten ist ferner, dass die Kommission nicht bei der endgültigen Entscheidung über die leistungsbezogene Stufenzuordnung mitwirkt3. 38 Die Beschwerdekommission berät über die „schriftlich begründeten“ Beschwerden4 und unterbreitet dem Arbeitgeber einen Vorschlag, ob und inwieweit der Beschwerde abgeholfen werden soll5. Auch wenn dies tarifvertraglich nicht vorgeschrieben ist, sollten Arbeitnehmer und Vorgesetzter zuvor angehört werden6. Die endgültige Entscheidung verbleibt indes beim Arbeitgeber (Letztentscheidungsrecht). Dieser entscheidet, ob und wenn ja in welchem Umfang der Beschwerde abgeholfen werden soll (§ 17 Abs. 2 Satz 6 TVöD bzw. TV-L). Will der Arbeitgeber dem Vorschlag der Kommission nicht folgen, sollte er seine Entscheidung schriftlich gegenüber der Kommission und dem Arbeitnehmer begründen.
1 Die VKA hat in ihrem Rundschreiben v. 5.1.2006 – R 6/2006 empfohlen, dass Kommissionen – je nach Betriebsgröße – mit nicht mehr als insgesamt vier bis acht Mitgliedern gebildet werden sollten, um deren Entscheidungsfähigkeit zu sichern. 2 Ebenso die Beschwerde nach § 13 LeistungsTV-Bund gegen eine Leistungsfeststellung, vgl. Leist, ZTR 2007, 114 (116). 3 Vgl. Protokollerklärung zu § 17 Abs. 2 Satz 6: „Die Mitwirkung der Kommission erfasst nicht die Entscheidung über leistungsbezogene Stufenzuordnung.“. 4 Dem Wortlaut nach kann also die Beschwerde mündlich eingelegt werden, muss dann jedoch schriftlich begründet werden. 5 Nach Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 13, können bei Nichteinigung der Kommission auch zwei Vorschläge vorgelegt werden. 6 Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 13.
316 Laber
II. Einzelheiten
Rz. 42
Teil 3 J
Die allgemeinen Beschwerderechte des Arbeitnehmers (vgl. zB § 68 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) bleiben von der Möglichkeit, die Beschwerdekommission anzurufen, unberührt1.
39
5. Gerichtliche Kontrolle Der Arbeitnehmer kann die Entscheidung des Arbeitgebers, seine Stufen- 40 laufzeit zu verlängern, gerichtlich überprüfen lassen. In Betracht kommt zum einen eine Klage auf Feststellung, dass die Verlängerung der Stufenzeit unwirksam ist, und zum anderen im Falle des Ablaufs der regulären Stufenlaufzeit – aufgrund der Tarifautomatik – eine Klage auf Zahlung der Differenz zur höheren Entgeltstufe2. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlänge- 41 rung und eine ermessensfehlerfreie Entscheidung liegt beim Arbeitgeber. Man wird insoweit auf die von der Rechtsprechung3 entwickelte Darlegungs- und Beweislastverteilung zum Zeugnisberichtigungsanspruch zurückgreifen können4. Dem Vorschlag der paritätischen Kommission wird man dabei keine Indizwirkung beimessen können5. Sowohl die Leistungsbewertung als auch die Ermessensentscheidung über die Verlängerung sind gerichtlich voll nachprüfbar. Aufgrund dessen sollten die Gründe für eine Verlängerung der Stufenlaufzeit über einen längeren Zeitraum eindeutig und aktenkundig sein. Es besteht tarifvertraglich kein Anspruch auf eine Verkürzung der Stufen- 42 laufzeit, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Der Arbeitnehmer, der die Verkürzung der Stufenlaufzeit begehrt, müsste also zunächst darlegen und beweisen, dass seine Leistungen erheblich über dem Durchschnitt lagen. Schon dies wird – wie beim Zeugnisberichtigungsanspruch – nur in Ausnahmefällen gelingen. Außerdem müsste die Entscheidung des Arbeitgebers, die Stufenlaufzeit nicht zu verkürzen, ermessensfehlerhaft sein. Klagen, mit denen eine Verkürzung der tarifvertraglichen Stufenlaufzeit begehrt wird, dürften daher regelmäßig erfolglos bleiben.
1 2 3 4
Kuner, Der neue TVöD, Rz. 270. Vgl. Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 14. Vgl. BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 12/03, BAGE 108, 86 = NZA 2004, 843. Auch für den vergleichbaren Fall von Streitigkeiten über die Leistungsbewertung bei arbeitsrechtlichen Zielvereinbarungen wird auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung bei Zeugnisstreitigkeiten verwiesen, vgl. nur Annuß, NZA 2007, 290 (294); Hümmerich, NJW 2006, 2294 (2296); Mauer, NZA 2004, 540. 5 AA Dörring/Kutzki/Polzer, TVöD, § 17 AT Rz. 14. Laber
317
K. Arbeitnehmerschutz Rz. I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition und Inhalt . . . . . . . . . . 2. Der Arbeitsschutz im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Durchführung und Überwachung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatlicher Arbeitsschutz . . . . . . 2. Autonomer Arbeitsschutz . . . . . . III. Pflichten des Arbeitgebers . . . . . . 1. Organisatorische Pflichten . . . . . 2. Bekanntmachungs- und Aushangpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestellung von Beauftragten und anderen Fachkräften . . . . . . .
1 1 7 9 9 12 17 18 23
Rz. a) Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Beauftragte . . . . . . . . . . . 4. Unterrichtungs- und Anhörungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fürsorgepflicht des Dienstherrn . . .
25 29 35 36
IV. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 V. Nichtraucherschutz . . . . . . . . . . . . . 40 VI. Sexuelle Belästigung und Mobbing . 44 VII. Tarifvertragliche Besonderheiten . . 45
25
Schrifttum: Anzinger/Bieneck, Kommentar zum Arbeitssicherheitsgesetz, 1998; Asmuß, Arbeitssicherheit im öffentlichen Dienst, BWVPr 1981, 90; Asmuß, Arbeitssicherheit im öffentlichen Dienst – Die Verantwortung der Führungskräfte, BWVPr 1993, 29; Asmuß, Arbeitssicherheit und Unfallverhütung im öffentlichen Dienst, DÖD 2001, 49; Aufhäuser/Brunhöber/Igel, Arbeitssicherheitsgesetz – Handkommentar, 3. Aufl. 2004; Bauschke, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und seine Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst – 1. Teil, RiA 2006, 241; 2. Teil, RiA 2007, 1; Buchholz, Arbeitsschutz im öffentlichen Dienst, ZTR 1991, 455; Elsner, Arbeitssicherheitsgesetz und Betriebsärzte im öffentlichen Dienst, PersR 1990, 59; Faber, Die arbeitsschutzrechtlichen Grundpflichten, 2004; Fischer, Arbeitssicherheit über Rechtsgrundlagen und Verantwortlichkeiten im öffentlichen Dienst, DÖD 2001, 49; Graßl/Zakrzewski, Arbeitssicherheit und Unfallvereitelung im öffentlichen Dienst, DÖD 2001, 49; Heilmann/Aufhauser, Arbeitsschutzgesetz, 2. Aufl. 2005; Kittner/ Pieper, Arbeitsschutzrecht, 3. Aufl. 2003; Kollmer, Die Bedeutung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) für Beamtentum und öffentlichen Dienst, ZBR 1997, 265; Kollmer, Fachkraft für Arbeitssicherheit, AR-Blattei SD 210.2; Kollmer, Arbeitsschutzgesetz, 2005; Kollmer, Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), 2. Aufl. 2006; Leube, Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Ausland, ZTR 2006, 301; Mayer, Arbeitsrecht öffentlicher Dienst, 2000; Schmieding, Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz, ZTR 2004, 12; Schoof, Grundlagen für den Arbeitsschutz, AiB 2005, 511; Schwede, Aufsichtspersonen, Sicherheitsbeauftragte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, AiB 1998, 664; Wank, Kommentar zum technischen Arbeitsschutz 1999; Wlotzke, Das neue Arbeitsschutzgesetz – zeitgemäßes Grundlagengesetz für den betrieblichen Arbeitsschutz, NZA 1996, 1017.
I. Grundlagen 1. Definition und Inhalt 1
Grundsätzlich dient das gesamte Arbeitsrecht – und somit auch das Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst – dem Schutz der Arbeitnehmer1. Als Ar1 Zur geschichtlichen Entwicklung des Arbeitsschutzrechts MünchArbR/Kothe, § 288 Rz. 1 ff.
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I. Grundlagen
Rz. 4 Teil 3 K
beitsschutzrecht oder Arbeitnehmerschutzrecht im engeren Sinne werden die Normen verstanden, deren Einhaltung behördlicher Aufsicht unterliegt und die durch Strafen und Bußgelder gesichert sind1. Das Arbeitsschutzrecht ist Teil des öffentlichen Rechts bzw. Sozialrechts, ist allerdings auch privatrechtlich in der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 618 BGB) verankert und konkretisiert diese (Grundsatz der Doppelwirkung). Es hat somit immer auch reflexartig Auswirkungen auf das privatrechtliche Arbeitsverhältnis2: So sind vertragliche Regelungen, die gegen arbeitsschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, gemäß § 134 BGB nichtig. Weisungen des Arbeitgebers, die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften widersprechen, sind nicht vom Direktionsrecht gedeckt und deshalb unbeachtlich3. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitsleistung zurückbehalten (§ 273 BGB), wenn der Arbeitgeber die Arbeitsschutzvorschriften nicht einhält4. Arbeitsschutzvorschriften sind ferner regelmäßig Schutzgesetze iSd. § 823 Abs. 2 BGB5. Möglich ist eine Konkretisierung oder Erweiterung der arbeitsschutzrechtlichen Regelungen durch Arbeitsvertrag, Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen und Tarifvertrag zugunsten des Arbeitnehmers6.
2
Das Arbeitsschutzrecht ist grundsätzlich als duales System ausgestaltet: 3 Die Normsetzung und Überwachung erfolgen nicht nur durch die staatlichen Organe, sondern auch autonom durch die Unfallversicherungsträger. Im öffentlichen Dienst ist dieses System indes überwunden (siehe Rz. 12 ff.). Überwachungsfunktionen treffen daneben auch die Betriebsund Personalräte. Eine genaue Einteilung des Arbeitsschutzrechts ist aufgrund des Umfangs und der Vielgestaltigkeit in diesem Rahmen nicht möglich. Grob einteilen lässt sich der Arbeitsschutz nach Bereichen, Inhalten, Zielgruppen und dem jeweiligen Träger des Arbeitsschutzes (siehe Übersicht). Übersicht Einteilung Arbeitsschutzrecht I. Einteilung nach Bereichen 1. Technischer Arbeitsschutz (Gefahren- und Gesundheitsschutz) a) Betrieblicher Arbeitsschutz (insbesondere ArbSchG, ASiG) b) Vorgreifender produktbezogener Arbeitsschutz für technische Erzeugnisse und gefährliche Stoffe (zB Gesetz über technische Arbeitsmittel – GSG) 1 Schaub/Schaub, ArbRHdb, § 152 Rz 1. 2 MünchArbR/Kothe, § 291 Rz. 1; Schaub/Schaub, ArbRHdb, § 152 Rz 5; Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 B Rz. 7. 3 Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 B Rz. 7. 4 Mayer, S. 216; Schmalenbach, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 B Rz. 7. 5 Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 B Rz. 7. 6 Kothe, § 291; Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 B Rz. 8. Laber
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4
Teil 3 K
Rz. 5
Arbeitnehmerschutz
2. Medizinischer Arbeitsschutz (gesunde Arbeitsumgebung) 3. Sozialer oder personenbezogener Arbeitsschutz (insbesondere für besondere Arbeitnehmergruppen) a) Mutterschutz (MuSchG) b) Schwerbehindertenschutz (SGB IX) c) Jugendarbeit (JArbSchG) d) Heimarbeit e) Bildschirm- und Telearbeit f) Schutz vor Benachteiligung und Diskriminierung (AGG; GleiG, Frauenfördergesetze der Länder, BeschäftigtenschutzG, BundesgremienbesetzungsG) II. Einteilung nach Inhalt 1. Betriebs- oder Gefahrenschutz 2. Arbeitszeitschutz 3. Entgeltschutz 4. Datenschutz III. Einteilung nach Zielgruppen 1. Frauen- und Mutterschutz 2. Jugendarbeitsschutz 3. Schwerbehindertenschutz 4. Heimarbeiterschutz IV. Einteilung nach dem Träger des Arbeitsschutzes 1. Staatliche Behörden 2. Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften/Unfallkassen) 3. Privater Arbeitsschutz (Beteiligung des Betriebs- und Personalrats) 5
Das Arbeitsschutzrecht ist in allen Bereichen stark geprägt durch europäisches Recht1. Eine Vielzahl von EG-Richtlinien sind durch Gesetze und Rechtsverordnungen in das nationale Recht umgesetzt worden. So ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)2 das Ergebnis der Umsetzung der sog. Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie (89/391/EWG)3. Das ArbSchG regelt die wesentlichen Verpflichtungen von Arbeitgebern bezüglich des Arbeitsschutzes. Es wird ergänzt durch Ausführungsverordnungen, wie etwa die Bildschirmarbeitsverordnung (BildschArbVO), die Arbeitsstättenverord-
1 Vgl. hierzu MünchArbR/Kothe, § 291 Rz. 4 ff. 2 Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (BGBl. I 1996, 1246). 3 Abl. L 183 v. 29.6.1989, 1.
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II. Durchführung und Überwachung
Rz. 9 Teil 3 K
nung (ArbStättVO), die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung1, die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Baustellenverordnung. Diese können wiederum durch Richtlinien wie zB die Arbeitsstätten-Richtlinien (ASR)2 konkretisiert sein. Weitere wichtige Gesetze für den Bereich des technischen Arbeitsschutzes sind das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) hinsichtlich der Organisation der Arbeitssicherheit sowie das SGB VII inklusive der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)3. Das gesamte Arbeitsschutzrecht ist geprägt durch den Grundsatz „Prävention vor Restitution“. Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz sollen möglichst verhindert werden, so dass es erst gar nicht zu Schädigungen der Arbeitnehmer kommt.
6
2. Der Arbeitsschutz im öffentlichen Dienst Der Arbeitsschutz im öffentlichen Dienst war bis zum Inkrafttreten des Arbeitsschutzgesetzes am 21.8.1996 schwächer als in der Privatwirtschaft4. Verordnungen zum Arbeitsschutz galten oftmals explizit nicht für den öffentlichen Dienst.
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Das Arbeitsschutzgesetz gilt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 sowohl in der Privat- 8 wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst, sowohl für Arbeitnehmer wie für Beamte und Richter. Ebenso finden die Ausführungsverordnungen sowie Richtlinien Anwendung, so dass nunmehr der Arbeitsschutz im öffentlichen Dienst dem in der Privatwirtschaft im Wesentlichen gleichgestellt ist. Gemäß § 20 Abs. 2 ArbSchG sind für die Bundeswehr, die Polizei, den Zivil- und Katastrophenschutz, den Zoll sowie den Nachrichtendienst Einschränkungen durch Rechtsverordnungen möglich, soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordern. In den Rechtsverordnungen muss festgelegt sein, wie Sicherheit und Gesundheit auf andere Weise gewährleistet werden. Sind in der Rechtsverordnung keine alternativen Schutzmaßnahmen geregelt, bleibt es bei den Regelungen des ArbSchG5. Für die Geschäftsbereiche des Bundesministeriums des Innern sowie des Bundesministeriums der Verteidigung bestehen Verordnungen, die die Anwendung des ArbSchG modifizieren.
II. Durchführung und Überwachung 1. Staatlicher Arbeitsschutz Für die Überwachung, Beratung und Durchsetzung des Arbeitsschutzes sind grundsätzlich die Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer zuständig. 1 BGBl. I 2007, 261. 2 Geplant ist eine Ersetzung durch die sog. Technischen Regeln gemäß § 7 Abs. 4 ArbStVO. 3 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) v. 31.10.1997, BGBl. I, 2623. 4 Mayer, S. 213; vgl. Buchholz, ZTR 1991, 455. 5 Kittner, ArbSchG, § 20 Rz. 4. Laber
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Teil 3 K
Rz. 10
Arbeitnehmerschutz
Je nach Land sind dies als untere Aufsichtsbehörden die Gewerbeaufsichtsämter oder die Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz. Ihre Befugnisse sind in § 22 ArbSchG geregelt. Die zuständigen Behörden haben das Recht, vom Arbeitgeber umfassend Auskunft zu verlangen. Ferner dürfen sie die Betriebsstätten, Geschäfts- und Betriebsräume betreten, besichtigen und prüfen. Auch die Betriebsanlagen, Schutzausrüstungen uÄ dürfen kontrolliert werden. Überdies besteht ein Einsichtsrecht in geschäftliche Unterlagen. Nach § 22 Abs. 3 ArbSchG können die zuständigen Behörden unter Fristsetzung, soweit nicht Gefahr im Verzug ist, im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen zur Abwendung einer besonderen Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen haben. Sie können ferner die Arbeit oder die Verwendung oder den Betrieb der von der Anordnung betroffenen Arbeitsmittel untersagen, wenn die Anordnung für sofort vollziehbar erklärt wird. Hinzuweisen ist noch auf umfangreiche Meldepflichten an andere Behörden gemäß § 23 ArbSchG, falls die zuständigen Behörden im Rahmen ihrer Überwachung Verstöße gegen andere Gesetze feststellen (zB Steuergesetze, AÜG, AufenthG). 10 Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 4 ArbSchG sollen Maßnahmen der zuständigen Behörde im Bereich des öffentlichen Dienstes, die den Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigen, stets nur im Einvernehmen mit der obersten Bundesoder Landesbehörde oder dem Hauptverwaltungsbeamten der Gemeinde getroffen werden. 11 Die Überwachung der Einhaltung des Arbeitsschutzes im öffentlichen Dienst erfolgt im Rahmen einer hierarchischen Binnenkontrolle durch die Behörde selbst. Für den Bund ist indes § 21 Abs. 5 ArbSchG zu berücksichtigen, wonach für die Betriebe und Verwaltungen des Bundes die Zentralstelle für Arbeitsschutz beim Bundesministerium des Innern die für die Durchführung, dh. Überwachung1 des Arbeitsschutzes zuständige Behörde ist. 2. Autonomer Arbeitsschutz 12 Im Bereich des betrieblichen Arbeitsschutzes erfolgt eine Überwachung sowohl durch staatliche Behörden als auch durch die Berufsgenossenschaften2. Für den öffentlichen Dienst ist zu beachten, dass nicht die Berufsgenossenschaften, sondern die jeweiligen Unfallkassen bzw. -versicherungen zuständig sind (§§ 125–129a SGB VII). Eine Zuständigkeitsübersicht sowie die Anschriften aller öffentlich-rechtlichen Unfallkassen findet sich auf der Homepage des Bundesverbands der Unfallkassen3. Alle öffentlich1 Vgl. BVerwG v. 14.10.2002 – 6 P 7/01, NZA-RR 2003, 273. 2 Diese teilen sich auf in die Gewerblichen und die Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Die Pflicht zur Abführung von Beiträgen ist europarechtlich unbedenklich, vgl. BSG v. 11.11.2003 – B 2 U 16/03 R, BSGE 91, 263 = NZS 2004, 490; BSG v. 9.5.2006 – B 2 U34/05 R. 3 www.unfallkassen.de; insgesamt gibt es derzeit 38 Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, daneben noch zehn Träger der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und 26 gewerbliche Berufsgenossenschaften.
322 Laber
II. Durchführung und Überwachung
Rz. 16 Teil 3 K
rechtlichen Arbeitgeber sind zugleich Pflichtmitglieder der zuständigen Unfallkassen. Die Berufsgenossenschaften bzw. Unfallkassen und -versicherungen kön- 13 nen als Körperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 15 SGB VII Unfallverhütungsvorschriften als autonomes Verbandsrecht erlassen. Dies ist eine Besonderheit des dualen Systems. Die Unfallverhütungsvorschriften bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (§ 15 Abs. 4 SGB VII) bzw. ggf. der zuständigen obersten Landesbehörde und sind dem Arbeitgeber bekannt zu machen, der wiederum die Arbeitnehmer darüber informieren muss (§ 15 Abs. 5 SGB VII). Die Unfallverhütungsvorschriften sind für die Mitglieder und die dort versicherten Arbeitnehmer verbindlich1. Zum Teil wird zudem in den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften (zB § 3 Abs. 1 Nr. 1 ArbStättV) auf die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften verwiesen. Die Unfallverhütungsvorschriften sind keine Schutzgesetze iSv. § 823 Abs. 2 BGB2. Im öffentlichen Dienst ist im Bereich der Unfallkasse des Bundes das auto- 14 nome Verbandsrecht beschränkt (§ 115 SGB VII): Für die unmittelbare Bundes- bzw. Landesverwaltung werden die Unfallverhütungsvorschriften durch Verwaltungsvorschriften geregelt3. Regelungsgeber ist das Bundesministerium des Innern (Zentralstelle für Arbeitsschutz beim BMI); die Unfallkasse des Bundes hat nur unterstützende und beratende Funktion. Für die mittelbare Verwaltung (zB auf Bundesebene die Bundesagentur für Arbeit) werden von den Unfallkassen im Wesentlichen inhaltsgleiche Unfallverhütungsvorschriften erlassen4. Die Unfallverhütungsvorschriften werden durch Durchführungsanweisun- 15 gen ergänzt und konkretisiert. Die jeweiligen Unfallverhütungsvorschriften sind für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich, sie haben normativen Charakter5. Steht der Arbeitnehmer unter dem Schutz der Unfallversicherung, scheidet nach § 104 SGB VII eine Haftung des Arbeitgebers für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten aus. Die Überwachung der Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften obliegt 16 grundsätzlich den Technischen Aufsichtsdiensten des jeweils zuständigen Unfallversicherungsträgers. Die Unfallversicherungsträger sowie die staatlichen Aufsichtsbehörden sind gesetzlich zur Zusammenarbeit sowie zum Informations- und Erfahrungsaustausch verpflichtet (vgl. § 20 SGB VII).
1 Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 2 B, Rz. 16. 2 Differenzierend MünchArbR/Wlotzke, § 207 Rz. 36. 3 ZB 1. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Regelung der Unfallverhütung im Bundesdienst (1. AVU-Bund). 4 ZB Bundesunternehmen-Unfallverhütungsverordnung (BUV) v. 6.4.2006 (BGBl. I, 1114). 5 Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 B Rz. 16. Das Vorschriften- und Regelwerk wird derzeit bei den Unfallversicherungsträgern neu geordnet und überarbeitet. Neben den Vorschriften soll es künftig noch ergänzende Regeln und Informationen enthalten. Laber
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Teil 3 K
Rz. 17
Arbeitnehmerschutz
III. Pflichten des Arbeitgebers 17 Die den Arbeitgeber treffenden Pflichten im Bereich des Arbeitsschutzes sind insbesondere im ArbSchG (§§ 3–14 ArbSchG) geregelt. Hinzu kommt die allgemeine arbeitsvertragliche Pflicht zum Arbeitsschutz (§§ 618, 619 BGB, § 62 HGB) sowie zur Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften. 1. Organisatorische Pflichten 18 Dem Arbeitgeber obliegt nach § 3 Abs. 1 ArbSchG unter Berücksichtigung der Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung (vgl. § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, getroffene Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und ggf. anzupassen. Ferner hat er die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz anzustreben. Für die Erfüllung dieser Pflichten hat der Arbeitgeber für die erforderliche Organisation und finanzielle Ausstattung zu sorgen (§ 3 Abs. 2 ArbSchG) und die in § 4 ArbSchG aufgeführten allgemeinen Grundsätze zu beachten. Diese Grundsätze sind insbesondere: – Gestaltung der Arbeit so, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden bzw. gering gehalten wird; – Bekämpfung der Gefahren an ihrer Quelle; – Berücksichtigung des Standes der Technik, der Arbeitsmedizin, Hygiene und sonstiger arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes; – Nachrangigkeit von individuellen Schutzmaßnahmen. 19 Wenn der Arbeitgeber die ihm nach den verschiedenen arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften treffenden Pflichten nicht persönlich erfüllen kann, kann und ggf. muss er diese an Bevollmächtigte delegieren1. 20 Erforderlich ist ferner eine Gefährdungsbeurteilung bezüglich der Arbeitsbedingungen (§ 5 ArbSchG) und deren Dokumentation (§ 6 ArbSchG). Diese Gefährdungsermittlung ist das zentrale Element des Arbeitsschutzgesetzes2. Allerdings steht dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber kein arbeitsvertraglicher Anspruch aus § 618 BGB iVm. § 5 Abs. 1 ArbSchG auf Durchführung der Gefährdungsermittlung zu3. Die Gefährdungsermittlung ist auch keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme4. 21 Überdies muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer während der Arbeitszeit regelmäßig ausreichend und angemessen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit informieren und unterweisen (§ 12 ArbSchG; Unterweisungspflicht). Diese Pflicht bezieht sich einerseits auf bestehende Ge1 2 3 4
Siehe hierzu Wilrich, DB 2009, 129k. LAG Schl.-Holst. v. 26.10.2006 – 4 TaBV 29/06. LAG Schl.-Holst. v. 23.11.2006 – 6 Sa 339/05. BVerwG v. 14.10.2002 – 6 P 7/01, NZA-RR 2003, 273.
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III. Pflichten des Arbeitgebers
Rz. 25 Teil 3 K
fährdungen und andererseits auf die getroffenen und einzuhaltenden Arbeitsschutzmaßnahmen. Sie darf sich nicht nur allgemein auf Fragen des Gesundheitsschutzes erstrecken, sondern hat aufgabenbereichsbezogen zu erfolgen. Der Arbeitgeber muss auch kontrollieren, ob die Arbeitnehmer die Unterweisungen verstanden haben und umsetzen (zB durch Fragebögen oder Checklisten). Ändern sich Aufgaben oder Gefährdungsgrad, muss eine Unterweisung ggf. wiederholt werden (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 4 ArbSchG). Der Arbeitgeber kann diese Aufgaben und Pflichten auf geeignete Mitarbeiter (zB die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, vgl. §§ 5 ff. ASiG) übertragen (§§ 7, 13 Abs. 2 ArbSchG). Er bleibt aber in jedem Fall verpflichtet, die Erfüllung der übertragenen Aufgaben zu kontrollieren.
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2. Bekanntmachungs- und Aushangpflichten Die Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften sowie die einschlägigen 23 Vorschriften zur Unfallverhütung sind vom Arbeitgeber im Betrieb auszuhängen oder auszulegen1. Der Aushang der Gesetze muss vom Arbeitnehmer in zumutbarer Weise eingesehen werden können. Die Gesetze müssen in ihrer jeweils aktuellen Fassung und ohne Kontrollmöglichkeit durch den Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ausgehängt werden. Verstöße gegen die Aushangpflicht können zu Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber führen. Zumeist stellt eine Verletzung der Aushangpflicht auch eine Ordnungswidrigkeit dar. § 12 Abs. 1 bis 5 AGG normiert darüber hinaus auch eine Pflicht zur Be- 24 kanntmachung des AGG in allgemeiner Form und zum Ergreifen der „erforderlichen Maßnahmen zur Vorbeugung von Diskriminierungen“2. Dazu gehört insbesondere auch die Schulungspflicht der Mitarbeiter bezüglich der Pflichten nach dem AGG. Diese Pflichten treffen uneingeschränkt auch die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes3. Bereits das frühere Beschäftigtenschutzgesetz (BSchG) sah in § 2 Abs. 1 vergleichbare Pflichten zum Schutz vor sexueller Belästigung vor (vgl. Rz. 44). 3. Bestellung von Beauftragten und anderen Fachkräften a) Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure Um den Arbeitsschutz effektiv umzusetzen und einzuhalten, hat der Ar- 25 beitgeber zu seiner Unterstützung Sicherheitsfachkräfte und Betriebsärzte zu bestellen. Einzelheiten finden sich im Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG). Die Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (FASI) sind bei der Anwendung ihrer arbeitsmedizinischen und sicherheits1 Vgl. Biebrach-Nagel, Aushangpflichtige Arbeitsgesetze, 18. Aufl. 2007. 2 Vgl. Grobys, Organisationsmaßnahmen des Arbeitgebers nach dem neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, NJW 2006, 2950. 3 Zu den Auswirkungen des AGG auf den öffentlichen Dienst vgl. Bauschke, RiA 2006, 241 ff. Laber
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Teil 3 K
Rz. 26
Arbeitnehmerschutz
technischen Fachkunde nicht weisungsgebunden (§ 8 Abs. 1 ASiG). Diese fachliche Weisungsfreiheit wird organisatorisch dadurch abgesichert, dass Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte unmittelbar dem Leiter des Betriebs zu unterstellen sind (§ 8 Abs. 2 ASiG; Modell einer sicherheitstechnischen Stabsstelle). Der zum Betriebsarzt oder zur Sicherheitsfachkraft bestellte Arbeitnehmer kann die Weisungsfreiheit und die organisationsrechtliche Stellung individualrechtlich gegen den Arbeitgeber durchsetzen1. Trotz der Bestellung von Betriebsärzten und Sicherheitsfachkräften verbleibt die Verantwortung für die Durchführung von Arbeitsschutzpflichten allein beim Arbeitgeber. 26 Nach § 16 ASiG ist im öffentlichen Dienst für alle Bediensteten (Arbeitnehmer sowie Bundes- und Landesbeamte) ein den Grundsätzen des ASiG gleichwertiger arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Arbeitsschutz zu gewährleisten (Gleichwertigkeitsklausel). Mit der Vorschrift soll unabhängig von unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen ein umfassender Arbeitsschutz garantiert werden2. 27 Öffentlicher Dienst iSd. § 16 ASiG sind – wie in § 130 BetrVG – alle Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Hierzu zählen auch die Eigenbetriebe der öffentlichen Hand sowie Gerichte3. Betriebe in privater Rechtsform dagegen unterliegen dem ASiG direkt4. Die Anwendung eines für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrags ist für die Frage der – direkten – Anwendung des ASiG unerheblich. 28 Die erforderliche Gleichwertigkeit wird dadurch erreicht, dass die Grundsätze des ASiG, dh. die §§ 1 bis 11 und 19, übernommen werden. Auch der öffentliche Arbeitgeber muss unter Beachtung der Mitbestimmung (vgl. § 9 ASiG, § 75 Abs. 3 Nr. 10 BPersVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) somit die erforderlichen Betriebsärzte und Sicherheitsbeauftragten bestellen. Für den Bereich der Bundesverwaltung ist insoweit die „Richtlinie für den betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Dienst in den Verwaltungen und Betrieben des Bundes“5 maßgeblich; in den Bundesländern existieren entsprechende Richtlinien. In den Richtlinien ist festgelegt, dass jeweils die zuständige oberste Dienstbehörde für die Organisation des arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Arbeitsschutzes verantwortlich und wer Leiter der Behörde und damit Arbeitgeber iSd. ASiG ist. Die arbeitsmedizinische Betreuung wird in der Regel durch den personalärztlichen Dienst durchgeführt6.
1 2 3 4 5
LAG Köln v. 3.4.2003 – 10 (1) Sa 1231/02. Vgl. im Einzelnen Anzinger/Bieneck, ASiG, § 16 Rz. 1 ff. Anzinger/Bieneck, ASiG, § 16 Rz. 9 ff. Anzinger/Bieneck, ASiG, § 16 Rz. 10. GMBl. 1978, 114; abgedruckt bei Aufhauser/Brunhöber/Igl, Arbeitssicherheitsgesetz. 6 Mayer, S. 214.
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III. Pflichten des Arbeitgebers
Rz. 32 Teil 3 K
b) Sonstige Beauftragte In arbeitsschutzrechtlichen Spezialgesetzen finden sich weitere zu bestellende Fachkräfte. Ein Beispiel ist der – im öffentlichen Dienst etwa in Krankenhäusern bedeutsame – nach § 31 Abs. 1, 2 Strahlenschutzverordnung (StrSchV) erforderliche Strahlenschutzbeauftragte oder der nach § 1 Abs. 2 5. BImschV ggf. zu bestellende Störfallbeauftragte.
29
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die notwendigen Sicherheitsfach- 30 kräfte als Arbeitnehmer zu beschäftigen. Möglich ist auch die Beauftragung Externer (Freiberufler oder überbetriebliche Dienste). Die Bestellung von Arbeitnehmern als Sicherheitsfachkräfte etc. kann nicht durch einseitige Ausübung des Direktionsrechts erfolgen1, sondern stellt eine Erweiterung des Arbeitsvertragsinhaltes dar. Das bedeutet, dass auch eine Abberufung oder ein Widerruf nicht im Wege des Direktionsrechts, sondern nur durch einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages oder durch Teilkündigung erfolgen kann2. Eine Teilkündigung ist in diesem Fall ausnahmsweise zulässig, wenn die Bestellung zur Sicherheitsfachkraft etc. nicht in einem inneren Zusammenhang mit den sonstigen Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis steht, sondern isoliert vom Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, so dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung durch den Wegfall der Aufgabe unverändert bleibt. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet aufgrund der Akzessorietät des Amtes zugleich auch die Tätigkeit als Sicherheitsfachkraft etc.3. Unabhängig davon sind nach § 22 SGB VII in Unternehmen mit regelmäßig 31 mehr als 20 Beschäftigten Sicherheitsbeauftragte zu bestellen. Die Anzahl der zu bestellenden Sicherheitsbeauftragten bestimmt sich nach den Unfallverhütungsvorschriften und ist abhängig vom Gefährdungsgrad. Die Sicherheitsbeauftragten haben nur unterstützende Funktion bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, sind jedoch keine für die Unfallverhütung verantwortliche Personen4. Sie haben sich vor allem von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der Schutzeinrichtungen und persönlichen Schutzausrüstungen zu überzeugen. Außerdem sollen sie auf Unfall- und Gesundheitsgefahren für die Beschäftigten aufmerksam machen (§ 22 Abs. 2 SGB VII). Sie sind auch zu bestellen, wenn bereits Sicherheitsfachleute nach dem ASiG vorhanden sind5. Ferner sind nach § 10 Abs. 2 ArbSchG Beschäftigte zu benennen, zu unterrichten und auszurüsten, die Aufgaben der ersten Hilfe, der Brandbekämpfung und der Evakuierung übernehmen. 1 AA Leuchten, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 6 B Rz. 25. 2 BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 612/05, DB 2007, 1198 (für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten). 3 Vgl. LAG Nds. v. 16.6.2003 – 8 Sa 1968/02, NZA-RR 2004, 354; offen gelassen von BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 612/05, DB 2007, 1198. 4 Küttner/Griese, Betriebsbeauftragte Rz. 11. 5 KassKomm/Ricke, § 22 SGB VII Rz. 2. Laber
327
32
Teil 3 K
Rz. 33
Arbeitnehmerschutz
33 Hinzuweisen ist des Weiteren noch auf den betrieblichen Datenschutzbeauftragten, der nach § 4f BDSG von öffentlichen Arbeitgebern, die personenbezogene Daten automatisiert erheben, verarbeiten oder nutzen, zu bestellen ist1. 34 Nach § 13 Abs. 1 AGG hat der Arbeitgeber schließlich eine Beschwerdestelle zu benennen, an die sich die Beschäftigten wenden können, wenn sie sich wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlen2. Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber einen Beauftragten für Beschwerdeverfahren zu ernennen oder eine institutionalisierte Stelle im Betrieb oder der Dienststelle einzurichten hat3. Die Beschwerdestelle muss die Beschwerden von Arbeitnehmern prüfen. Sie muss sich in der Dienststelle bzw. in dem Betrieb befinden, so dass zB eine dienststellen- bzw. betriebsübergreifende telefonische „Hotline“ nicht ausreicht. Im öffentlichen Dienst wird die Beschwerdestelle auch bei den nach den diversen Gleichstellungs- bzw. Frauenfördergesetzen des Bundes und der Bundesländer oder Gemeindeordnungen zu bestellenden Gleichstellungsbeauftragten eingerichtet werden können4. 4. Unterrichtungs- und Anhörungspflicht 35 Nach § 14 ArbSchG sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in ihren Arbeitsbereichen über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, denen sie bei der Arbeit ausgesetzt sein können, zu unterrichten. So ist zB der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, eine Berufschullehrerin, die mit drogenabhängigen Schülern arbeitet, die in großem Umfang mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert sind, über die Gefahr einer Ansteckung aufzuklären5. Fehlt ein Betriebs- oder Personalrat, sind sie zudem zu allen Maßnahmen, die Auswirkungen auf ihre Sicherheit und Gesundheit haben können, anzuhören (§ 14 Abs. 2 ArbSchG). Verletzt der Arbeitgeber diese Pflicht, kann dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch nach § 618 Abs. 3 BGB iVm. § 842 BGB zustehen6. 5. Fürsorgepflicht des Dienstherrn 36 Die Fürsorgepflicht ist Teil der Treuebindungen im Arbeitsverhältnis. Eine arbeitsschutzrechtliche Ausprägung der Fürsorgepflicht ist in §§ 618, 619 BGB sowie § 62 HGB enthalten. Der Arbeitgeber ist – auch außerhalb des Anwendungsbereichs des ArbSchG, der ArbStättVO oder des ASiG – zwingend verpflichtet, die Arbeitnehmer durch Gestaltung der Arbeitsplätze ge1 Vgl. hierzu Gola/Klug, Neuregelungen zur Bestellung betrieblicher Datenschutzbeauftragter, NJW 2007, 118. 2 Vgl. Gach/Julis, Beschwerdestelle und -verfahren nach § 13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, BB 2007, 773. 3 Nägele/Frahm, ArbRB 2007, 140 (141). 4 Vgl. Bauschke, RiA 2007, 1. 5 BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 628/05, NZA 2007, 262. 6 BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 628/05, NZA 2007, 262.
328 Laber
IV. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers
Rz. 39 Teil 3 K
gen Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, ohne dass bestimmte Maßnahmen vorgeschrieben sind. Der Arbeitnehmer hat über § 618 BGB einen einklagbaren Erfüllungsanspruch auf Herstellung eines arbeitsschutzkonformen Zustandes1. Dieser Erfüllungsanspruch bezieht sich aber nur auf solche Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften, die ihrem Inhalt nach unmittelbar den Schutz des Arbeitnehmers bezwecken. Dies ist durch Auslegung der maßgeblichen Arbeitsschutznorm zu ermitteln2. Reine Ordnungs- und Organisationsvorschriften, die nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Staat bzw. Unfallversicherungsträgern betreffen, begründen keinen Erfüllungsanspruch3. So soll es sich beispielsweise bei der Pflicht zur Gefährdungsermittlung nach § 5 ArbSchG lediglich um eine reine Ordnungsvorschrift handeln4. Die Fürsorgepflicht wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 37 und damit durch die Zumutbarkeit der Schutzmaßnahmen für den Arbeitgeber begrenzt5. Ferner erfolgt eine Einschränkung durch den Grundsatz der Eigenverantwortung des Arbeitnehmers und das allgemeine Lebensrisiko. So besteht keine Pflicht für den Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer vor einem ohne weiteres als selbstgefährdend einsehbaren Verhalten zu bewahren. Der Arbeitgeber ist daher nicht zB verpflichtet, den Arbeitnehmer an Alkoholkonsum bei dienstlichen oder betrieblichen Veranstaltungen zu hindern.
IV. Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers Die Beachtung der Arbeitsschutzvorschriften durch den Arbeitnehmer ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht (§§ 15–17 ArbSchG). Nach § 15 ArbSchG müssen die Arbeitnehmer technische Arbeitsmittel bestimmungsgemäß nutzen und Schutzvorrichtungen und -kleidung gebrauchen. Ferner besteht nach § 16 ASiG eine Melde- und Unterstützungspflicht, wenn von Arbeitnehmern Mängel an Produktionseinrichtungen oder Sicherheitsmaßnahmen erkannt werden. Die Verletzung dieser arbeitsvertraglichen Nebenpflicht kann nach erfolgtem Ausspruch einer Abmahnung sogar eine Kündigung rechtfertigen.
38
Mit diesen Pflichten korrespondiert das in § 17 ArbSchG geregelte Vor- 39 schlagsrecht des Arbeitnehmers zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes sowie das Recht zur Beschwerde und Anzeige, falls der Arbeitgeber keine ausreichenden Mittel bereitstellt, um Sicherheit und Gesundheitsschutz zu gewährleisten.
1 2 3 4 5
LAG Schl.-Holst. v. 23.11.2006 – 6 Sa 339/05. ErfK/Wank, § 618 BGB Rz. 24. LAG Schl.-Holst. v. 23.11.2006 – 6 Sa 339/05. LAG Schl.-Holst. v. 23.11.2006 – 6 Sa 339/05. Göpfert/Siegrist, NJW 2006, 2806 (2808). Laber
329
Teil 3 K
Rz. 40
Arbeitnehmerschutz
V. Nichtraucherschutz 40 Nach langjährigen Diskussionen sind in Deutschland – wie bereits in verschiedenen anderen europäischen Ländern – sowohl für Einrichtungen des Bundes1 als auch der Bundesländer2 Nichtraucherschutzgesetze eingeführt worden. Das BVerfG hatte sich zwischenzeitlich mit den gesetzlichen Regelungen der Länder Berlin und Baden-Württemberg bzgl. des Rauchverbots in Gaststätten zu befassen. Dabei hat es festgestellt, dass ein generelles Rauchverbot in Gaststätten grds. zulässig ist. Die überprüften Gesetze, welche Ausnahmen für Gaststätten mit abgetrennten Raucherräumen vorsehen, seien demgegenüber mit der Berufsfreiheit der Gastwirte unvereinbar, da sie Einraumgaststätten (sog. „Eckkneipen“) unzulässig beeinträchtigen3. Aufgrund dieser Entscheidung mussten auch Vorschriften in Nichtraucherschutzgesetzen anderer Länder, die ebenfalls die o.g. Ausnahmen enthielten, nachgebessert werden4. 41 Bislang erfolgte am Arbeitsplatz ein Schutz des nichtrauchenden Beschäftigten über die ArbStättV sowie subsidiär über § 618 BGB5. Nach § 5 Abs. 1 ArbStättV hat der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nichtrauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Hierzu hat er nach § 5 ArbSchG durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Dies wird im Bereich der öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Erlasse sichergestellt6. 42 Die Wahl der Mittel zum Schutz vor Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch steht aufgrund der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit im Ermessen des Arbeitgebers; die ArbStättV sieht insoweit keine konkreten Maßnahmen vor7. Der Arbeitgeber kann somit gestützt auf § 5 Abs. 1 ArbStättV ein Rauchverbot erlassen8, wobei jedoch der Betriebs- oder Personalrat eine Mitbestimmungsbefugnis hat (§ 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Unter Umständen besteht darüber hinaus ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Vornahme bestimmter Maßnahmen (insbesondere auf Erlass eines Rauchverbots am Arbeitsplatz). So sieht § 5 Abs. 1 ArbStättV vor, dass in Arbeitsräumen unter Berücksichtigung der 1 Vgl. das zum 1.9.2007 in Kraft tretende Bundesnichtraucherschutzgesetz (BGBl. I 2007, 1595), wonach das Rauchen in Einrichtungen des Bundes, in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenverkehrs und in Bahnhöfen mit Ausnahme von besonders gekennzeichneten Räumen verboten ist. 2 Seit 1.7.2008 gelten Nichtraucher-Schutzgesetze in allen Bundesländern, vgl. das Nichtraucher-Schutzgesetz NRW unter www.nichtraucherschutz.nrw.de. 3 BVerfG v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07, BVerfGE 121, 317. 4 Siehe nur den zum 30.6.2009 geänderten § 4 NiSchG NRW; abrufbar unter www.nichtraucherschutz.nrw.de. 5 Vgl. zum Verhältnis der Normen Wellenhofer-Klein, RdA 2003, 155 (157 f.). 6 Vgl. etwa für NRW den RdErl. des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie v. 12.12.2003 – MBl.NW 2004, 75. 7 Schmieding, ZTR 2004, 12 (13); Wellenhofer-Klein, RdA 2003, 155 (159). 8 Schmieding, ZTR 2004, 12 (13).
330 Laber
VI. Sexuelle Belästigung und Mobbing
Rz. 44 Teil 3 K
angewandten Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit genügend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein muss. Nach herrschender Meinung kann daher im Falle von überdurchschnittlicher Rauchbelastung und Gesundheitsbeeinträchtigungen der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber den Erlass eines Rauchverbots verlangen1. Zudem kann sich auch aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nach § 618 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf zusätzliche Schutzmaßnahmen, die über die nach der ArbStättV erforderlichen Maßnahmen hinausgehen, ergeben2. Nach Art. 2 des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens3 wurde zum 1.9.2007 § 5 Abs. 1 ArbStättV dahingehend ergänzt, dass der Arbeitgeber, soweit erforderlich, ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen hat. Das Ermessen des Arbeitgebers wird somit eingeschränkt. Ein Rechtsanspruch auf einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz auch außerhalb der Dienstzeiten besteht allerdings nicht4. Bei Arbeitsplätzen mit Publikumsverkehr ist des Weiteren noch § 5 Abs. 2 ArbStättV zu beachten. Für derartige Arbeitsplätze kann der Arbeitnehmer keine Maßnahmen zum Schutz seiner Gesundheit verlangen, die zu einer Veränderung oder zu einem faktischen Verbot der unternehmerischen Tätigkeit führen5.
43
VI. Sexuelle Belästigung und Mobbing Auch im öffentlichen Dienst besteht die Gefahr von sexueller Belästigung, 44 Diskriminierung oder Mobbing am Arbeitsplatz. Für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes galt bereits das Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz vom 24.6.1994 – BSchG)6, das am 18. August 2006 vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) abgelöst worden ist. Nach § 12 Abs. 1 AGG müssen der Arbeitgeber und der Dienstvorgesetzte präventive Schutzmaßnahmen gegen sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG7 sowie Mobbing anbieten. Hierunter fallen insbesondere Informations- und Fortbildungsveranstaltungen (§ 12 Abs. 2 AGG). Neben diesen präventiven Maßnahmen muss der Arbeitgeber auch geeignete repressive Maßnahmen, wie Versetzung, Abmahnung oder – uU sogar fristlose – Kündigungen8 (§ 12 Abs. 3 AGG) zur Ahndung von sexueller Belästigung oder Mobbing ergreifen. Im öffentlichen Dienst kommen darüber hinaus auch Reaktionen wie Verlän1 BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 241/08, NZA 2009, 775. Küttner/Reinecke, Nichtraucherschutz Rz. 1; Wellenhofer-Klein, RdA 2003, 155 (157 f.); vgl. auch Bergwitz, NZA-RR 2004, 169. 2 Vgl. BAG v. 17.2.1998 – 9 AZR 840/97, BAGE 88, 63 = NZA 1998, 1231. 3 BGBl. I 2007, 1595 (1596). 4 LAG Berlin v. 18.3.2005 – 6 Sa 2585/04, BB 2005, 1576 (Ls.). 5 ArbG Berlin v. 20.9.2006 – 29 Ca 7261/06, AE 2007, 38. 6 BGBl. I 1994, 1406 (1412). 7 Zuvor § 2 Abs. 2 Satz 1 BeschG. 8 Vgl. LAG Schl.-Holst. v. 27.9.2006 – 3 Sa 163/06, EzA-SD Nr. 25, 8 (Ls.). Laber
331
Teil 3 K
Rz. 45
Arbeitnehmerschutz
gerung der Stufenlaufzeit oder Kürzung einer Leistungsprämie in Betracht1.
VII. Tarifvertragliche Besonderheiten 45 Sowohl TVöD als auch im TV-L sehen keine Regelungen zum Arbeitsschutz vor. Die im BAT/BAT-O in § 66 enthaltene Vorschrift über Schutzkleidung wurde nicht übernommen.
1 Vgl. Bauschke, RiA 2007, 1.
332 Laber
L. Arbeitszeitrecht
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsschutzvorschriften . . . b) Tarifverträge und Ziele der Tarifreform . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebs- und Dienstvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitszeitbegriff . . . . . . . . . . . . . II. Dauer der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit . . . . . 1. Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. VKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berechnung der monatlichen Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abweichende arbeitsvertragliche Regelungen. . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
1 1 1
2. Betriebs- und Dienstvereinbarung. . 96 3. Abweichung nur bei dringenden betrieblichen Gründen . . . . . . . . . . . 99 4. Die Abweichungsmöglichkeiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
3 6 8 10 16 19 20 23 27 28
III. Verteilung der Arbeitszeit . . . . . . 1. Ausgleichszeitraum . . . . . . . . . . . 2. Verteilung auf Wochentage . . . . .
30 30 34
IV. 1. 2. 3.
Ruhepausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung im ArbZG . . . . . . . . . . . Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitszeitrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 39 40
V. Flexible Arbeitszeit. . . . . . . . . . . . 1. Feste Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Dienstpläne und schwankende Arbeitszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleitzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Arbeitszeitkorridor . . . . . . . . . . . . 5. Rahmenzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vertrauensarbeitszeit . . . . . . . . . .
44 45
VI. Arbeitszeitkonto . . . . . . . . . . . . . . 1. Einrichtung des Arbeitszeitkontos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtung zur Errichtung bei Arbeitszeitkorridor oder Rahmenzeit, § 10 Abs. 1 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Betriebs- oder Dienstvereinbarung . . . . . . . . . 2. Buchbare Zeiten . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitsunfähigkeit während eines gewährten Zeitausgleichs . . . 4. Langzeitkonten . . . . . . . . . . . . . . . VII. Öffnungsklausel, § 6 Abs. 4 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
47 50 55 62 67 68 68
68 75 82 85 88 91 94
VIII. Sonderformen der Arbeit . . . . . . . . . 114 1. Verpflichtung zu Sonderformen der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Einzelne Sonderformen . . . . . . . . . . 116 a) Sonn- und Feiertagsarbeit . . . . . . 116 aa) Arbeitsschutzrechtliche Grenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Entgeltfortzahlung an Feiertagen . . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Dienstplangestaltung an Feiertagen . . . . . . . . . . . . . . . . 121 dd) Sonderregelung für Vorfesttage . . . . . . . . . . . . . . . 124 b) Nachtarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Wechselschichtarbeit . . . . . . . . . . 127 aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Sonderregelungen. . . . . . . . . . 132 d) Schichtarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 e) Mehrarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 f) Überstunden . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Regelfall, § 7 Abs. 7 TVöD . . 139 bb) Abweichende Überstundenregelungen, § 7 Abs. 8 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 g) Bereitschaftsdienst . . . . . . . . . . . . 149 h) Rufbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Ausgleich für Sonderformen der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Zeitzuschläge, § 8 Abs. 1 TVöD . 161 b) Mehrarbeit, § 8 Abs. 2 TVöD. . . . 170 c) Rufbereitschaft, § 8 Abs. 3 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 d) Bereitschaftsdienst, § 8 Abs. 4 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 e) Schichtzulagen, § 8 Abs. 5, 6 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Sonderregelungen für den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . 184 a) Bereitschaftsdienst . . . . . . . . . . . . 185 b) Rufbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . 191 5. Sonderregelung für Bereitschaftszeiten, § 9 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Faktorisierung der Bereitschaftszeiten, § 9 Abs. 1 Satz 2 TVöD . . 197
Brock
333
Teil 3 L
Rz. 1
d) Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . aa) VKA, § 9 Abs. 2 TVöD . . . bb) Bund, § 9 Abs. 3 TVöD . . . e) Sondervorschriften für Hausmeister und Beschäftigte im Rettungsdienst und in Leitstellen im Anhang zu § 9 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Arbeitszeitrecht Rz.
Rz.
198 198 200
IX. Teilzeitbeschäftigung . . . . . . . . . . . . 206 1. Tarifrechtlicher Teilzeitanspruch . . 207 a) Änderungen von § 15b BAT zu § 11 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Voraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . 209 c) Befristung der Teilzeittätigkeit . . 211 2. Vergleichsentgeltermittlung für Teilzeitbeschäftigte . . . . . . . . . . . . . . 212
201
Schrifttum: Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 2. Aufl. 2004; Compensis, Vertrauensarbeitszeit – arbeitnehmerbestimmte Arbeitszeit (auch) im Arbeitgeberinteresse, NJW 2007, 3089; Feldhoff, Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung – zum Verhältnis der rechtlichen Grundlagen der §§ 8 TzBfG, 15 BErzGG und 15b BAT/11 TVöD im Kontext der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ZTR 2006, 58; Frank, Regelungsbedarf und Haftungsfallen in Wertkontenmodellen, NZA 2008, 152; Heins/Leder, Die arbeitsrechtliche Behandlung von Wegezeiten bei Dienstreisen, NZA 2007, 249; Hock/Kramer/Schwerdle, Ausgewählte Fragen zur Anwendung des TVöD in der Praxis, ZTR 2006, 622; Jacobs/Krause/Oetker, Tarifvertragsrecht, 2007; Kawick, Zur Auslegung einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag über die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit, ZTR 2009, 564; Neumann/Biebl, Arbeitszeitgesetz, 14. Aufl. 2004; Peter, Anteilige Schicht- bzw. Wechselschichtzulage für Teilzeitbeschäftigte, ZTR 2007, 646; Pieper, Arbeitsaufnahme aus der Rufbereitschaft – Anmerkung zum Urteil des BAG v. 31.1.2002 – 6 AZR 214/00, ZTR 2002, 420; Preis, Innovative Arbeitsformen, 2005; Wahlers, BAG entscheidet über strittige Fragen zur Arbeitszeit in TVöD und TV-L, ZTR 2009, 465; Zwanziger, Das BAG und das ArbZG – Aktuelle Tendenzen, DB 2007, 1356.
I. Grundlagen 1. Rechtsgrundlagen a) Arbeitsschutzvorschriften 1
Für das Arbeitszeitrecht ist das Ineinandergreifen einer Vielzahl von Rechtsgrundlagen typisch. Die Grenzen für die Ausgestaltung von Arbeitszeitmodellen ergeben sich aus dem ArbZG und ergänzenden Arbeitsschutzvorschriften; diese werden durch die europäische Arbeitszeitrichtlinie1 geprägt. Das ArbZG wird ergänzt durch Sondervorschriften im Mutterschutzgesetz und im Jugendarbeitsschutzgesetz. Im öffentlichen Dienst sind die Schutzvorschriften des ArbZG auf alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der leitenden Angestellten (§ 18 ArbZG) anwendbar; ausgeschlossen sind die Leiter öffentlicher Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind, § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ArbZG.
2
Zweck des ArbZG sind neben dem Schutz der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung die Gewährleistung der Sicher1 Richtlinie 2003/88/EG v. 4.11.2003, ABl Nr. L 299/9, abgedruckt in Baeck/ Deutsch, Anhang A.1.
334 Brock
I. Grundlagen
Rz. 7
Teil 3 L
heit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten, § 1 ArbZG. b) Tarifverträge und Ziele der Tarifreform Die Ausgestaltung von Arbeitszeitmodellen ist dagegen klassische Domä- 3 ne der Tarifvertrags- und Betriebsparteien. Die Neuregelung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften war ein Kernpunkt der Tarifreform im öffentlichen Dienst. Bei der Verhandlung des TVöD versuchten die Arbeitgeber eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts zu erreichen. Die Bedeutung des Themas wird dadurch illustriert, dass Differenzen beim Thema Arbeitszeit – insbesondere die fehlgeschlagene Einigung über eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit – zum Zerbrechen der Tarifgemeinschaft der Länder mit Bund und VKA führte. Im Ergebnis lehnt sich der schließlich verhandelte TV-L an den TVöD an, weist aber zahlreiche Besonderheiten auf. Der TVöD erlaubt eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung als der BAT: Aus- 4 gleichszeiträume wurden verlängert, die Arbeitszeit kann regulär auf sechs statt auf fünf Tage verteilt werden. Abweichungen vom ArbZG werden auf Basis von §§ 7 Abs. 1 und 2 sowie 12 ArbZG umfassend ermöglicht. Kernstück der neuen Regelungen sind die Einführung von Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit gemäß § 6 Abs. 6 und 7 TVöD. Diese Arbeitszeitgestaltungen ermöglichen es, zusammen mit einem Arbeitszeitkonto die Arbeitszeit der Beschäftigten im Wege des Direktionsrechts flexibel an die Bedürfnisse der Betriebs oder der Dienststelle anzupassen; sie gehen damit weit über die bisherigen Gleitzeitmodelle hinaus. Durch die neuen Regelungsmöglichkeiten können vor allem teure Überstundenzuschläge vermieden werden.
5
c) Betriebs- und Dienstvereinbarungen Die Vorgaben der Tarifverträge werden auf Ebene der einzelnen Dienststelle durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung in betriebliche Arbeitszeitmodelle umgesetzt.
6
Die hierfür grundlegenden Mitbestimmungsrechte ergeben sich für Personalräte aus § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage) und § 75 Abs. 4 BPersVG (Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne, insbesondere für die Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden). Entsprechende Regelungen finden sich auch in den Landespersonalvertretungsgesetzen, etwa in § 72 Abs. 4 Nr. 1 und 2 LPersVG NRW. Im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes sind § 87 Abs. 1 Nr. 2 (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage) und Nr. 3
Brock
335
7
Teil 3 L
Rz. 8
Arbeitszeitrecht
(vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit) einschlägig. d) Arbeitsvertrag 8
Da Arbeitszeitmodelle einer betriebseinheitlichen Regelung bedürfen, tritt die Bedeutung individualvertraglicher Absprachen zur Arbeitszeit vergleichsweise in den Hintergrund. Die arbeitsvertraglichen Arbeitszeitregelungen beschränken sich deshalb häufig auf einen Verweis auf die für das Arbeitsverhältnis geltenden tariflichen und betrieblichen Regelungen. Vereinbaren die Parteien eines Arbeitsvertrags die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags im Betrieb geltende Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und deren Verteilung, liegt darin gerade keine individuelle Arbeitszeitvereinbarung, die gegenüber einer späteren Veränderung der betrieblichen Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung Bestand hätte1.
9
Auch das grundsätzlich bestehende Direktionsrecht des Arbeitgebers tritt in der Praxis aufgrund der Mitbestimmungstatbestände der Personalvertretungsgesetze und des BetrVG hinter die mitbestimmten betrieblichen Regeln zurück. 2. Arbeitszeitbegriff
10 Arbeitsschutzrechtlich ist die Arbeitszeit in § 2 Abs. 1 ArbZG als Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen definiert. Vergütungsrechtlich ist der Begriff der „regelmäßigen Arbeitszeit“ in § 6 TVöD/TV-L maßgeblich, um festzulegen, welche Arbeitsleistung der Beschäftigte zu erbringen hat, um einen Anspruch auf das volle tarifliche Tabellenentgelt zu erhalten2. 11 Anders als noch der BAT in § 15 Abs. 7 enthält der TVöD keine Regelung mehr zu Beginn und Ende der Arbeitszeit. Es gelten die allgemeinen Regeln. Die Arbeitszeit beginnt mit der Arbeitsaufnahme oder zumindest damit, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgemäß anbietet, so dass der Arbeitgeber in der Lage ist, die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zu verwerten3. Die Arbeitszeit ist beendet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit einstellt oder seine Arbeitskraft nicht mehr vertragsgemäß anbietet4. 12 Wegezeiten von der Wohnung zur Betriebsstätte5 sowie Zeiten für Umkleiden, Waschen6 und sonstige Vorbereitungszeiten zählen damit nicht zur 1 2 3 4 5
BAG v. 23.6.1992 – 1 AZR 57/92, NZA 1993, 89. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 3. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rz. 9. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rz. 9. BAG v. 26.8.1960 – 1 AZR 421/58, RdA 1961, 378; Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rz. 9. 6 BAG v. 11.10.2000 – 5 AZR 122/99, NZA 2001, 458.
336 Brock
I. Grundlagen
Rz. 15
Teil 3 L
Arbeitszeit. Ruhepausen sind ebenfalls nicht als Arbeitszeit zu werten; eine Ausnahme gilt nur gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 TVöD für die Wechselschichtarbeit. Häufiger Streitpunkt ist die Behandlung der Wegezeiten bei Dienstreisen. 13 Entscheidend ist, in welchem Umfang der Arbeitnehmer in dieser Zeit beansprucht wird1. Auf Basis dieser „Beanspruchungstheorie“ hat das BAG entschieden, dass Wegezeiten im Rahmen von Dienstreisen jedenfalls dann nicht als Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG zählen, wenn der Arbeitgeber lediglich die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorgibt, dem Arbeitnehmer aber überlassen bleibt, wie er die Zeit nutzt2. Bislang nicht abschließend geklärt ist die Einordnung von Wegezeiten, die ein Arbeitnehmer am Steuer eines selbst gelenkten Fahrzeugs aufwendet. Wegen der mit dem Fahren eines Pkws verbundenen Belastung wird häufig vertreten, dass diese Zeiten als Arbeitszeit zu werten sind3. Das ist dann richtig, wenn der Arbeitgeber die Nutzung des Kraftfahrzeugs vorgibt; eine selbstgewählte Beanspruchung, wenn der Arbeitgeber die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ermöglicht, der Arbeitnehmer sich jedoch für die Autonutzung entscheidet, kann dem Arbeitgeber jedoch nicht zugerechnet werden4. Von diesen arbeitsschutzrechtlichen Regeln wird für die Frage der Ver- 14 gütungspflicht teilweise abgewichen5. § 44 Abs. 2 TVöD BT-V bestimmt für den Verwaltungsbereich, dass bei Dienstreisen grundsätzlich nur die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit (Satz 1) zu werten ist. Zugunsten der Beschäftigten wird nach Satz 2 aber für jeden Tag einschließlich der Reisetage mindestens die auf ihn entfallende regelmäßige, durchschnittliche oder dienstplanmäßige Arbeitszeit berücksichtigt, wenn diese bei Nichtberücksichtigung der Reisezeit nicht erreicht würde. Überschreiten nicht anrechenbare Reisezeiten insgesamt 15 Stunden im Monat besteht nach Satz 3 zudem die Möglichkeit, auf Antrag 25 % dieser überschreitenden Zeiten bei fester Arbeitszeit als Freizeitausgleich zu gewähren oder bei gleitender Arbeitszeit im Rahmen der jeweils geltenden Vorschriften auf die Arbeitszeit anzurechnen. Eine gleich lautende Regelung enthält § 6 Abs. 11 TV-L. Die Vereinbarkeit dieser Regeln mit höherrangigem Recht, insbesondere 15 dem allgemeinen Gleichheitssatz, hat das BAG für die ähnliche Regelung in § 17 Abs. 2 BAT bejaht6. Der pauschalierte Ausgleich sei im Rahmen der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien, ob und in welchem Umfang sie eine Beeinträchtigung der Freizeit bei einer Regelung der vergütungspflichtigen Arbeitszeit berücksichtigen wollen, sachlich gerechtfertigt7. 1 2 3 4 5 6 7
Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rz. 73. BAG v. 11.7.2006 – 9 AZR 519/05, NZA 2007, 155. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rz. 76 mwN; Heins/Leder, NZA 2007, 249 (250). Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rz. 76. Heins/Leder, NZA 2007, 249 (250). BAG v. 11.7.2006 – 9 AZR 519/05, NZA 2007, 155. BAG v. 11.7.2006 – 9 AZR 519/05, NZA 2007, 155. Brock
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Teil 3 L
Rz. 16
Arbeitszeitrecht
II. Dauer der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit 16 Die in § 6 TVöD geregelte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist nicht identisch mit der tatsächlich vom Arbeitnehmer in der Woche zu erbringenden Arbeitszeit. Die Arbeitszeit kann flexibel auf die Wochen verteilt werden. Die tarifvertraglich festgelegte Dauer der Arbeitszeit muss erst – als Ergebnis einer Ausgleichsrechnung – in einem Ausgleichszeitraum erreicht werden. Sie bestimmt als Rechengröße, welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer als Gegenleistung für das Entgelt zu erbringen hat. Die tatsächlich zu erbringende Arbeitszeit kann in ihrer Dauer schwanken. 17 Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann damit in der einzelnen Woche sowohl über- als auch unterschritten werden. Höchstgrenzen ergeben sich aus den zwingenden Vorgaben von maximal sechs Arbeitstagen in der Woche und der täglichen Höchstarbeitszeit von regulär acht, mit Ausgleich zehn Stunden: 48 Stunden für die wöchentliche Arbeitszeit, die lediglich, wenn ein Ausgleich erfolgt, auf bis zu 60 Stunden erhöht werden kann1. 18 Die vorgegebene regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bedarf der betrieblichen Umsetzung in ein konkretes Arbeitszeitmodell. Die verschiedenen Modelle, die zur Verfügung stehen, werden ab Rz. 44 ff. dargestellt. Die tarifliche Bestimmung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit behält ihre arbeitnehmerschützende Bedeutung auch dann, wenn bei verschiedensten Arbeitszeitmodellen die tatsächliche Arbeitszeitverteilung ungleichmäßig wird: Mehr als tariflich festgelegt muss ein Arbeitnehmer auf den Ausgleichszeitraum bezogen für sein Entgelt nicht arbeiten. Wenn er tatsächlich mehr gearbeitet hat – etwa aufgrund von Überstunden – muss diese zusätzliche Arbeit grundsätzlich auch zusätzlich vergütet werden. 1. Bund 19 Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt gemäß § 6 Abs. 1 Buchst. a TVöD für die Beschäftigten im Bund zurzeit 39 Stunden. 2. VKA 20 Für die Arbeitnehmer im Bereich der VKA im Tarifgebiet West beträgt die Wochenarbeitszeit nach der TVöD-Tarifrunde 2008 nunmehr einheitlich – mit Ausnahme der Altersteilzeitbeschäftigten – 39 Stunden, im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden. Die Möglichkeit, dass sich die Tarifvertragsparteien auf landesbezirklicher Ebene darauf einigen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden zu verlängern, wurde gestrichen. Die Öffnungsklausel in § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD entfällt2. Von der Möglichkeit, landesbezirkliche Regelungen zu vereinbaren, war in einigen Ländern Gebrauch gemacht worden. Übergangsregelungen sind in § 38 Abs. 2–6 TVöD enthalten. 1 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 3, Rz. 22, 25. 2 Tarifeinigung v. 31.3.2008, abgedruckt in ZTR 2008, 194.
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II. Dauer der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit
Rz. 24
Teil 3 L
Der Arbeitszeit-TV Baden-Württemberg vom 5.4.20061, der Arbeitszeit-TV Niedersachsen vom 28.3.20062 und der Tarifvertrag Arbeitszeit für Schleswig-Holstein3 erhöhten die regelmäßige Wochenarbeitszeit auf grundsätzlich 39 Stunden, sahen dabei aber zahlreiche soziale Ausnahmen für bestimmte Beschäftigungsgruppen vor.
21
Stärker erhöht wurde die Arbeitszeit in Hamburg durch den Änderungstarifvertrag Arbeitszeit vom 1.3.2006. Gestaffelt nach Entgeltgruppen und Lebensalter wird die Regelwochenarbeitszeit grundsätzlich auf bis zu 40 Stunden erhöht:
22
– für die Entgeltgruppen I bis IX bis 49 Jahre auf 39 Stunden, – für die Entgeltgruppen X und XI bis 55 Jahre auf 39,5 Stunden und – für die Entgeltgruppen XII bis XV Ü auf 40 Stunden. 3. Länder Die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit war besonders umstritten im Be- 23 reich der Länder. Hier konnte erst nach einem längeren Arbeitskampf eine Lösung gefunden werden. Die Arbeitgeber der Länder im öffentlichen Dienst waren nicht bereit, auf die Verlängerung der Arbeitszeiten zu verzichten. Sie hatten nach der Kündigung der Arbeitszeitregelung des BAT und dem Austritt der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder aus den Tarifverhandlungen zum TVöD ihren Mitgliedern empfohlen, bei Neu- und Wiedereinstellungen, Verlängerungen, aber auch Höhergruppierungen etc. neue Arbeitsverträge mit höheren Arbeitszeiten zu vereinbaren. Schließlich haben sich die Tarifvertragsparteien auf eine länderspezifische Regelung geeinigt. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TV-L wird die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für jedes Bundesland im Tarifgebiet West auf der Grundlage der festgestellten tatsächlichen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Februar 2006 ohne Überstunden und Mehrarbeit (tariflich und arbeitszeitlich vereinbarte Arbeitszeit) berechnet. Das führt für die einzelnen Bundesländer zu abweichenden Ergebnissen. Inoffiziell, also nicht als Bestandteil des Tarifvertrags, haben die Tarifvertragsparteien folgendes Ergebnis ihrer Berechnungen mitgeteilt: Baden-Württemberg
39 Stunden, 30 Minuten
Bayern
40 Stunden, 06 Minuten
Bremen
39 Stunden, 12 Minuten
Hamburg
39 Stunden, 0 Minuten
1 Arbeitszeit-TV BW, abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Anhang 1.1. zu § 6 TVöD. 2 Arbeitszeit-TV Nds., abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Anhang 1.2. zu § 6 TVöD. 3 TV-ArbZ Schl.-Holst., abgedruckt in Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Anhang 1.3. zu § 6 TVöD. Brock
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24
Teil 3 L
Rz. 25
Arbeitszeitrecht
Niedersachsen
39 Stunden, 48 Minuten
Nordrhein-Westfalen
39 Stunden, 50 Minuten
Rheinland-Pfalz
39 Stunden, 0 Minuten
Saarland
39 Stunden, 30 Minuten
Schleswig-Holstein
38 Stunden, 42 Minuten
25 Von den Arbeitszeiten im Tarifgebiet West gibt es allerdings zahlreiche Ausnahmen mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden gemäß § 6 Abs. 1 Buchst. b TV-L. Es sind dies: „aa) Beschäftigte, die ständig Wechselschicht oder Schichtarbeit leisten, bb) Beschäftigte an Universitätskliniken, Landeskrankenhäusern, sonstigen Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen, mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte nach Buchst. d), cc) Beschäftigte in Straßenmeistereien, Autobahnmeistereien, Kfz-Werkstätten, Theatern und Bühnen, Hafenbetrieben, Schleusen und Küstenschutz, dd) Beschäftigte in Einrichtungen für schwerbehinderte Menschen (Schulen, Heime) und in heilpädagogischen Einrichtungen, ee) Beschäftigte, für die der TVöD gilt oder auf deren Arbeitsverhältnis vor der Einbeziehung in den TV-L der TVöD angewandt wurde, ff) Beschäftigte in Kindertagesstätten in Bremen, gg) Beschäftigte, für die durch landesbezirkliche Vereinbarung eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden festgelegt wurde.“
26 In den neuen Bundesländern beträgt die Arbeitszeit einheitlich 40 Stunden, § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c TV-L. Noch andere Regelungen gelten für Hessen und Berlin, die auch aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten sind. Hier gilt weiterhin der BAT, hinsichtlich der Arbeitszeit allerdings gibt es, da der BAT gekündigt ist, keine zwingende tarifliche Regelung, so dass die Länder arbeitsvertragliche Regelungen nutzen. 4. Berechnung der monatlichen Arbeitszeit 27 Für viele Arbeitszeitmodelle ist es in der Praxis erforderlich, nicht nur die regelmäßige wöchentliche, sondern auch die regelmäßige monatliche Arbeitszeit festzustellen. Diese Berechnung kann weiterhin vorgenommen werden auf Grundlage der Überlegungen zum BAT: Aus der Division der Kalendertage im Jahr (365,25) mit der Zahl der Kalendertage pro Woche und der Zahl der Monate je Kalenderjahr (7 · 12 = 84) ergibt sich der Faktor 4,348, mit dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in die regelmäßige monatliche Arbeitszeit umgerechnet werden kann: 39 Stunden wöchentlich entsprechen damit einer monatlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 169,57 Stunden1.
1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 29 f.
340 Brock
III. Verteilung der Arbeitszeit
Rz. 31
Teil 3 L
5. Abweichende arbeitsvertragliche Regelungen Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes entdecken viele Arbeitgeber zu- 28 nehmend die Möglichkeiten einzelvertraglicher Vereinbarung der Arbeitszeit. Unproblematisch ist hier – in Form der Teilzeitarbeit – die Verringerung der wöchentlichen regelmäßigen Arbeitszeit bei entsprechender Verminderung des Entgelts. In Zentrum des Interesses steht die Frage, ob der Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern auch längere Arbeitszeiten als die im Tarifvertrag vorgesehenen, vereinbaren kann. Das ist jedenfalls zu verneinen, wenn sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer tarifgebunden sind: dann gilt der Inhalt des Tarifvertrags gemäß § 4 Abs. 1 TVG beiderseitig zwingend. Das in § 4 Abs. 3 TVG normierte Günstigkeitsprinzip ermöglicht dem Arbeitgeber wegen des anzustellenden Sachgruppenvergleichs regelmäßig keine einzelvertragliche Abweichung von der tariflich festgelegten Höchstarbeitszeit: Weder ein höheres Entgelt1 noch andere Zusagen des Arbeitgebers, etwa eine Arbeitsplatzgarantie im Falle betrieblicher Bündnisse für Arbeit2, können eine negative Abweichung von den tariflichen Arbeitszeitregelungen ausgleichen, da es an einem objektiven Sachzusammenhang zur Arbeitszeit fehlt. Im Falle fehlender Tarifbindung bleibt jedoch die Vereinbarung vom TVöD abweichender Arbeitszeitregelungen zulässig. Dies machen sich zurzeit die Bundesländer Hessen und Berlin in weitem Umfang zunutze.
29
III. Verteilung der Arbeitszeit 1. Ausgleichszeitraum Die Gestaltung von Arbeitszeitmodellen wird durch den TVöD flexibilisiert, indem der Ausgleichszeitraum des BAT von 26 Wochen in § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD/TV-L auf ein Jahr verlängert wird. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit muss innerhalb dieses Jahreszeitraums erreicht werden. Für Beschäftigte, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, kann sogar ein noch längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 TVöD). § 6 Abs. 2 TV-L ermöglicht darüber hinaus einen längeren Ausgleichszeitraum auch für Sabbatjahrmodelle.
30
Dieser Ausgleichszeitraum ist länger als der in § 3 ArbZG vorgesehene Ausgleich innerhalb von 6 Kalendermonaten bzw. 24 Wochen. Die tarifvertragliche Verlängerung des Ausgleichszeitraums ist jedoch aufgrund der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ArbZG enthaltenen Öffnungsklausel zulässig. Eine noch weitergehende Verlängerung können Arbeitgeber und Arbeitneh-
31
1 LAG BW v. 14.6.1989 – 9 Sa 145/88, DB 1989, 2028; Jacobs/Krause/Oetker/Jacobs, Tarifvertragsrecht, § 7 Rz. 60 f. mwN. 2 BAG v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/98, NZA 1999, 887 (Burda); Jacobs/Krause/Oetker/Jacobs, Tarifvertragsrecht, § 7 Rz. 65 mwN, für die Behandlung von Altfällen nach § 15 Abs. 3 BAT, § 14 Abs. 3 BMT-G und § 15 Abs. 3 MTArb vgl. Karwick, ZTR 2009, 560 ff. Brock
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Teil 3 L
Rz. 32
Arbeitszeitrecht
mervertretung auf Basis des § 6 Abs. 4 TVöD in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung regeln. 32 Der Ausgleichszeitraum von einem Jahr ist nicht identisch mit dem Kalenderjahr, sondern kann flexibel bestimmt werden1. Hierbei ist es grundsätzlich auch nicht erforderlich, dass der Beginn des Ausgleichszeitraums von vornherein feststeht. Die entgegenstehende Ansicht2, die auf den Wortlaut von § 6 Abs. 6 Satz 2 TVöD verweist, übersieht, dass dies eine Sonderregelung ist, die lediglich für die Rahmenzeit bzw. den Arbeitszeitkorridor von Bedeutung ist. Für Arbeitszeitgestaltungen außerhalb dieser Zeit, etwa Schicht- oder Wechselschichtarbeitsmodelle, besteht das Erfordernis einer vorherigen Festlegung des Ausgleichszeitraums nicht. Es reicht aus, wenn innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr ein Arbeitszeitausgleich erfolgt. 33 Für die Berechnung des Ausgleichs hat der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer aufgrund fester Arbeitszeit, nach Dienstplan, im Rahmen von Gleitzeitmodellen oder nach dem Schichtplan geleisteten Arbeitsstunden zu addieren und der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gegenüberzustellen. Diese laufende Saldierung, die im Jahreszeitraum ausgeglichen sein muss, darf nicht mit dem in § 10 TVöD geregelten Arbeitszeitkonto verwechselt werden. Arbeitszeitausgleich und Arbeitszeitkonto sind strikt zu trennen. Das Arbeitszeitkonto ist bewusst arbeitnehmerfreundlich ausgestaltet, um einen Ausgleich von Arbeitszeit, die über den wöchentlichen Regelwert hinausgeht und bisher vom Arbeitgeber nicht ausgeglichen wurde, zu ermöglichen: Das Recht des Arbeitnehmers, einen Arbeitszeitausgleich zu verlangen, wird gestärkt; das Recht des Arbeitgebers, einseitig – auch gegen den Willen des Arbeitnehmers – einen Arbeitszeitausgleich anzuordnen, wird eingeschränkt. Für den laufenden Ausgleich der Arbeitszeit im Rahmen des § 6 Abs. 2 TVöD gelten die einschränkenden Regelungen des Arbeitszeitkontos des § 10 TVöD dagegen nicht. Der Ausgleich gem. § 6 Abs. 2 TVöD beschränkt sich auf eine schlichte Saldierung der geschuldeten Arbeitszeit mit der tatsächlich Geleisteten. 2. Verteilung auf Wochentage 34 In Abweichung vom ArbZG, das grundsätzlich von einer Sechstagewoche ausgeht, legen TVöD und TV-L in § 6 Abs. 1 Satz 3 eine Fünftagewoche fest. Grundsätzlich sollen zwei Tage in der Woche arbeitsfrei bleiben. Innerhalb dieses Rahmens geben die Tarifverträge allerdings weitreichende Möglichkeiten: Es wird insbesondere nicht festgelegt, welche Arbeitstage frei sein können. Soweit dies arbeitszeitrechtlich durch §§ 9–11 ArbZG gedeckt ist (siehe hierzu Rz. 116), kann auch der Sonntag als regelmäßiger Arbeitstag ausgestaltet werden.
1 Durchführungshinweise des BMI v. 22.12.2005, abgedruckt in Sponer/Steinherr, TVöD, Vorbemerkung zu § 6, S. 13; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 83; Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 6 Rz. 6. 2 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 6 Rz. 6.
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III. Verteilung der Arbeitszeit
Rz. 38
Teil 3 L
Der Bezugsrahmen „Woche“ ist auch nicht identisch mit der Kalenderwo- 35 che: Es ist lediglich ein flexibel festzulegender Siebentageszeitraum. Da jeder dieser Zeiträume einzeln betrachtet werden muss, kann sich sogar die Notwendigkeit einer Arbeitsleistung von zehn Tagen am Stück ergeben1: Wenn die freien Tage in der ersten Woche am Anfang und in der zweiten Woche jeweils am Ende des Siebentageseitraums liegen, wird in der Zwischenzeit ununterbrochen gearbeitet. Ein Verstoß gegen den TVöD liegt darin nicht: Bezogen auf die maßgeblichen Siebentageszeiträume gab es jeweils die geforderten zwei arbeitsfreien Tage. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitstage ein Direktionsrecht; in der Praxis wird dieses regelmäßig durch die Mitbestimmungsrecht von Personal- und Betriebsrat überlagert (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG, § 75 Abs. 3 Satz Nr. 1 BPersVG und die entsprechenden Regelungen in den Landespersonalvertretungsgesetzen).
36
Aus „notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen“ kann die Arbeits- 37 zeit gem. § 6 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 TVöD sogar auf sechs Tage in der Woche verteilt werden. Über das Gewicht, das die betrieblichen Gründe haben müssen, besteht noch keine Einigkeit; klare Maßstäbe sind erst durch klarstellende Gerichtsentscheidungen zu erwarten. Während einige darauf hinweisen, dass der TVöD keine „dringenden“ betrieblichen Gründen verlange, und daher vor übersteigerten Anforderungen warnen2, weisen andere auf den Sprachgebrauch des § 6 TVöD hin, der ausdrücklich zwischen „betrieblichen Gründen“ und „notwendigen betrieblichen Gründen“ differenziere, und ziehen hieraus den Schluss, dass sich die Gründe „unabweisbar“ aus dem Dienst- und Arbeitsablauf ergeben müssen. Bloße Zweckmäßigkeit genüge nicht3. Hier wird man tatsächlich akzeptieren müssen, dass die „notwendigen“ betrieblichen/dienstlichen Gründe schwerwiegender sein müssen als die „einfachen“ betrieblichen Gründe, wie sie etwa § 6 Abs. 3 TVöD nennt. Der Wortlaut des TVöD, der für die Erforderlichkeitsstufen eine Vielzahl von Differenzierungen kennt, ist für die Praxis allerdings nur bedingt hilfreich. Allzu feine Differenzierungen zwischen „einfachen“ „notwendigen“ und „dringenden“ betrieblichen Gründen werden regelmäßig durch die Einschätzungsprärogative von Arbeitnehmervertretung und der Arbeitgeber überlagert.
1 Unter Berücksichtigung der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 TVöD, die eine Ausweitung auf sechs Tage erlaubt, sind sogar zwölf Tage am Stück möglich. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 60. 3 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 6 Rz. 5. Brock
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38
Teil 3 L
Rz. 39
Arbeitszeitrecht
IV. Ruhepausen 1. Regelung im ArbZG 39 Die Ruhepausenregelung in § 4 ArbZG gibt vor, dass die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen zu unterbrechen ist: 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von über sechs Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden. Die Mindestdauer der einzelnen Ruhepause beträgt 15 Minuten. Hiervon kann jedoch gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG iVm. § 6 Abs. 4 TVöD in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben abgewichen werden: Die Gesamtdauer der Ruhepausen kann auch auf Kurzpausen von weniger als 15 Minuten Länge aufgeteilt werden, wenn diese zumindest von „angemessener Dauer“ sind. Zur Lage der Pausen gibt § 4 ArbZG lediglich vor, dass Arbeitnehmer nicht länger als sechs Stunden hintereinander ohne Ruhepause beschäftigt werden dürfen. 2. Begriff 40 Der Begriff der Pause ist im TVöD und TV-L nicht eigens geregelt. Es gelten die von Rechtsprechung zu § 4 ArbZG entwickelten Maßstäbe. Pause ist eine Unterbrechung der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, in der der Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat, sondern sich erholen kann. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer frei darüber entscheiden können, wo und wie er diese Zeit verbringt1. Allerdings kann das Recht des Arbeitnehmers, Betrieb oder Arbeitsplatz zu verlassen, eingeschränkt werden2. Die Unterbrechung der Arbeit setzt begriffsnotwendig die Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Dienstverpflichtung voraus3. Nicht nur Vollarbeit, sondern auch die Arbeitsbereitschaft oder die Anordnung von Bereitschaftsdienst sind mit einer Arbeitspause unvereinbar4. Anders zu beurteilen ist lediglich die Anordnung von Rufbereitschaft, die nicht zur Arbeitszeit zählt5. 41 § 4 ArbZG verlangt, dass die Ruhepausen im Voraus feststehen. Das setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer deren Dauer zuvor bekannt ist. Andernfalls kann er sich nicht auf die Pause einrichten und müsste sich durchgehend zur Arbeit bereithalten6. Es genügt, wenn der Arbeitgeber einen
1 BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 603/01, NZA 2003, 1212; Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rz. 9. 2 BAG v. 21.8.1990 – 1 AZR 567/89, NZA 1991, 154; Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rz. 12. 3 BAG v. 23.6.1988 – 6 AZR 137/86, NZA 1989, 55; BAG v. 23.9.1992 – 4 AZR 562/91, NZA 1993, 752. 4 BAG v. 5.5.1988 – 6 AZR 658/85, NZA 1989, 138; BAG v. 23.9.1992 – 4 AZR 562/91, NZA 1993, 752; BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 603/01, NZA 2003, 1212; Baeck/ Deutsch, ArbZG, § 4 Rz. 11; Neumann/Biebl, ArbZG, § 4 Rz. 2. 5 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 4 Rz. 4; ErfK/Wank, § 4 ArbZG Rz. 1; Neumann/Biebl, ArbZG, § 4 Rz. 2. 6 BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 603/01, NZA 2003, 1212.
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V. Flexible Arbeitszeit
Rz. 46
Teil 3 L
zeitlichen Rahmen vorgibt, innerhalb dessen der Beschäftigte seine Pause nehmen kann1. Keine Pausen im arbeitszeitrechtlichen Sinne sind Betriebspausen, also Unterbrechungen der Arbeit aus technischen, organisatorischen oder sonstigen betriebsbedingten Gründen. Es ist allerdings zulässig, eine Ruhepause so zu legen, dass sie mit einer Betriebspause zusammenfällt.
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3. Arbeitszeitrechtliche Einordnung Grundsätzlich sind Pausen keine Arbeitszeit und daher vom Arbeitgeber 43 nicht zu vergüten. Für Wechselschichtarbeit iSd. § 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 2 TVöD eine Ausnahme: Die Pausen werden bezahlt. Diese Regelung gilt allerdings nicht für Krankenhäuser, Pflege- und Betreuungseinrichtungen sowie Flughäfen (§ 48 Abs. 1 TVöD BT-K; § 41 Buchst. a BT-F).
V. Flexible Arbeitszeit Der TVöD gibt kein bestimmtes Arbeitszeitmodell vor. Die konkrete Ausgestaltung der Arbeitszeit bleibt dem Betrieb bzw. der Dienststelle vorbehalten. Die Möglichkeiten der betrieblichen Umsetzung reichen hierbei von festen Arbeitszeiten bis zur Nutzung der neu eingeführten flexiblen Möglichkeiten der Rahmenzeit bzw. des Arbeitszeitkorridors.
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1. Feste Arbeitszeit Ohne weiteres möglich ist weiterhin die Einführung einer festen Arbeits- 45 zeit, etwa indem die wöchentlich vorgegebene Arbeitszeit gleichmäßig auf die Wochentage verteilt wird. Dieses Arbeitszeitmodell ist einfach, aber unflexibel: Unvorhergesehene Schwankungen des Arbeitsanfalls können lediglich durch teure, weil zuschlagspflichtige Überstunden aufgefangen werden. Umgekehrt haben auch die Arbeitnehmer keine Möglichkeit, von den vorgegebenen festen Arbeitszeiten abzuweichen: Im Ergebnis eine für beide Seiten wenig befriedigende Lösung. Auch die feste Arbeitszeit als einfachstes Arbeitszeitmodell schließt Mit- 46 bestimmungsrechte nicht aus: Die feste Arbeitszeit kann der Arbeitgeber daher nicht einseitig vorgeben, sondern muss sie mit der Arbeitnehmervertretung vereinbaren. Diese kann – auch im Rahmen des ihr zustehenden Initiativrechts – daher versuchen, den Arbeitgeber zu einem flexibleren und moderneren Arbeitszeitmodell zu bewegen.
1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 44; Neumann/Biebl, ArbZG, § 4 Rz. 3. Brock
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Teil 3 L
Rz. 47
Arbeitszeitrecht
2. Dienstpläne und schwankende Arbeitszeiten 47 Typisch für den öffentlichen Dienst ist die Festlegung der Arbeitszeit in Dienstplänen, die im Voraus für jeden Arbeitnehmer festlegen, wann und in welchem Umfang gearbeitet wird. Die im Dienstplan festgelegte Arbeitszeit kann von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abweichen; diese muss erst durch den Arbeitszeitausgleich gemäß § 6 Abs. 2 TVöD erreicht werden. Der Arbeitgeber kann in den Dienstplänen flexibel auf den betrieblichen Bedarf bzw. den Bedarf in der Dienststelle reagieren. Allerdings bedeuten die Dienstpläne für den Arbeitgeber eine (Selbst-)Bindung: Eine flexible und kurzfristige Änderung der Dienstpläne ist nicht mehr möglich. Wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer dazu verpflichten möchte, über das im Dienstplan Vorgesehene hinaus zu arbeiten, liegen tatbestandlich Überstunden vor, die die tarifvertraglich vorgesehenen Ausgleichspflichten nach sich ziehen können. 48 Auch Dienstplanregelungen sind grundsätzlich mitbestimmt. In Betrieben der Privatwirtschaft unterliegen die Dienstpläne grundsätzlich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der vollen Mitbestimmung des Betriebsrats. Dieser kann zwar dem Arbeitgeber eine einseitige Bestimmung ermöglichen, indem er sich auf Regelungen für die Gestaltung der Dienstpläne beschränkt, verpflichtet ist der Betriebsrat hierzu jedoch nicht 49 Grundsätzlich Gleiches gilt im Bereich der Personalvertretungsgesetze. Diese sind allerdings teilweise etwas arbeitgeberfreundlicher: § 75 Abs. 4 BPersVG bestimmt, dass in Betrieben mit häufigen kurzfristigen Schwankungen der Arbeitszeit das Beteiligungsrecht des Personalrats sich nicht mehr auf den einzelnen Dienstplan erstreckt, sondern lediglich auf die Aufstellung von Rahmengrundsätzen. 3. Gleitzeit 50 Die bislang vorgestellten Arbeitszeitmodelle waren dadurch geprägt, dass die Arbeitszeit einseitig vom Arbeitgeber vorgegeben wird. In der Praxis bewährt haben sich jedoch auch Gleitzeitmodelle, die die Lage der Arbeitszeit zumindest teilweise in die Bestimmung der Arbeitnehmer legen. Die Gleitzeit hat im TVöD keine eigene Regelung erfahren. Eine Protokollerklärung zu § 6 stellt aber klar, dass Gleitzeitregelungen unabhängig von den Vorgaben zu Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit in § 6 Abs. 6 und 7 möglich bleiben. Nach Satz 2 der Protokollerklärung darf in Gleitzeitregelungen nicht von der Öffnungsklausel in § 6 Abs. 4 TVöD Gebrauch gemacht werden. Auch Gleitzeitmodelle unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats bzw. Personalrats nach den allgemeinen Regelungen; mitbestimmungsfrei ist allerdings die tägliche Dauer und Lage der Arbeitszeit, soweit sie autonom vom Arbeitnehmer bestimmt wird. 51 Gleitzeitmodelle geben den Beschäftigten eine hohe Arbeitszeitsouveränität. Sie haben das Recht, zu bestimmen, wann sie die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen. Erforderlich ist es lediglich, dass im Ausgleichszeitraum gemäß § 6 Abs. 2 TVöD die regelmäßige betriebliche 346 Brock
V. Flexible Arbeitszeit
Rz. 56
Teil 3 L
Arbeitszeit erreicht wird. „Reine“ Gleitzeitmodelle, die die Arbeitszeit vollständig der Bestimmung durch den Arbeitnehmer überantworten, sind allerdings selten. Im Regelfall werden sog. „Kernzeiten“ bestimmt, in denen die Arbeitnehmer auf jeden Fall im Betrieb anwesend sein müssen. Es liegt damit eine Kombination der festen Arbeitszeit während der Kernzeiten und einer flexiblen durch den Arbeitnehmer bestimmten Gleitzeit vor. Häufig sehen die betrieblichen Regelungen auch Steuerungshilfen für den 52 Umfang der Arbeitszeit vor: So werden Schwankungsbreiten vereinbart für den maximalen Aufbau von Plus- und Minusstunden. Solche Regelungen sind erforderlich, um ein Funktionieren der Gleitzeitregelung tatsächlich zu ermöglichen. Eine vernünftige Arbeitszeitregelung für den Betrieb sind Gleitzeitregelungen nur, wenn tatsächlich die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit dem jeweiligen Arbeitsbedarf anpassen. Häufig wird bewusst viel gearbeitet, um zusätzliche freie Tage zu erlangen. Diese nicht immer produktive Mehrarbeit ist für den Arbeitgeber nicht immer unbedingt gewünscht. Hier helfen in der Praxis häufig Kappungsgrenzen für ein maximales Arbeitszeitguthaben, aber auch sog. Ampelregelungen, die die Dispositionsrechte der Arbeitnehmer vom Stand des Arbeitszeitkontos abhängig machen. Bei der Gestaltung von Gleitzeitmodellen ist es auch regelmäßig sinnvoll, 53 die Störfälle wie Krankheit und Urlaub zu regeln. Notwendig sind regelmäßig auch koordinierende Regelungen, wie der Abbau der Mehrarbeit geschehen kann. Hier können die Regelungen des Arbeitszeitkontos in § 10 TVöD eine Orientierung geben. Die Einrichtung eines den Vorgaben des § 10 TVöD entsprechenden Arbeitszeitkontos ist bei Gleitzeitmodellen aber nicht zwingend (siehe unten Rz. 68 ff.). Regeln sollten Gleitzeitregelungen auch das Entstehen von Überstunden. 54 Bei Gleitzeit können Überstunden nur dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer ausnahmsweise auf Anordnung des Arbeitgebers tätig wird. Mehrarbeit im Rahmen der Arbeitszeitsouveränität des Arbeitnehmers begründet keine Überstunden und insbesondere keine Überstundenzuschläge1. 4. Arbeitszeitkorridor Die bislang vorgestellten Arbeitszeitmodelle erlaubten kurzfristige arbeit- 55 geberseitige Anordnungen zur Arbeitszeit regelmäßig als grundsätzlich zuschlagspflichtige Überstunden. Kurzfristige Arbeitszeitflexibilität musste über teure Zuschläge erkauft werden. Hier schaffen Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit Abhilfe. Die Regelung zum Arbeitszeitkorridor in § 6 Abs. 6 TVöD erlaubt, durch 56 Betriebs-/Dienstvereinbarung einen wöchentlichen Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden einzurichten. Der Wert von 45 Stunden ist eine Höchstgrenze, die die Betriebsparteien unterschreiten können. Der Wert 1 Sponer/Steinherr/Martens, TVöD, § 6 Rz. 201; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 153 f. Brock
347
Teil 3 L
Rz. 57
Arbeitszeitrecht
des Arbeitszeitkorridors liegt in der Überstundenregelung gem. § 7 Abs. 8 Buchst. a TVöD: Überstunden sind lediglich die Arbeitsstunden, die bei der Festlegung eines Arbeitszeitkorridors über die vereinbarte Obergrenze (maximal 45 Stunden) hinaus angeordnet werden. Innerhalb des Arbeitszeitkorridors von bis zu 45 Stunden kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit flexibel anordnen, ohne Überstundenzuschläge zahlen zu müssen. 57 Die innerhalb des Korridors geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden müssen im Rahmen des nach § 6 Abs. 2 Satz 1 festgelegten Ausgleichszeitraums ausgeglichen werden. § 10 Abs. 1 Satz 3 TVöD verlangt die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos, um den Arbeitnehmern die Disposition über das sich nach dem Jahreszeitraum ergebende Arbeitszeitguthaben und (auf Wunsch) über Überstunden und Überstundenzuschläge zu geben. 58 Ein Arbeitszeitkorridor ist mitbestimmungspflichtig und kann nur durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung eingerichtet werden; eine bloße Einigung (Regelungsabrede) genügt nicht1. § 6 Abs. 9 TVöD bestimmt Besonderheiten in Betrieben und Verwaltungen, in denen ein Personalvertretungsgesetz Anwendung findet: Wenn eine Dienstvereinbarung nicht einvernehmlich zustande kommt und der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht hat, kann der Korridor durch Tarifvertrag eingerichtet werden. Eine einvernehmliche Dienstvereinbarung schließt nach der Definition in § 38 Abs. 3 TVöD eine Entscheidung der Einigungsstelle aus. 59 Betriebs- oder Dienstvereinbarungen über den Arbeitszeitkorridor können grundsätzlich nach allgemeinen Regeln auch in der Einigungsstelle durchgesetzt werden. § 6 Abs. 9 TVöD darf nicht so verstanden werden, dass stets eine einvernehmliche Dienstvereinbarung erforderlich sei2. § 6 Abs. 6 TVöD – der den Arbeitszeitkorridor regelt – verlangt – anders als etwa § 18 Abs. 6 Satz 3 TVöD (VKA) – nicht ausdrücklich eine einvernehmliche Dienstvereinbarung. Der Versuch, dieses Erfordernis in § 6 Abs. 9 TVöD hineinzulesen, gerät in Konflikt mit dessen Wortlaut: Als Voraussetzung für die Möglichkeit eines landesbezirklichen Tarifvertrags wird nicht lediglich verlangt, dass eine Dienstvereinbarung durch Einvernehmen nicht zustande kommt. Kumulativ („und“) muss hinzukommen, dass der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht hat. 60 Nur wenn der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht hat, ist eine einvernehmliche Dienstvereinbarung erforderlich: Der Arbeitgeber soll, wenn eine solche nicht zustande kommt, nicht sein Letztentscheidungsrecht ausüben können, sondern wird durch § 10 Abs. 1 Satz 2 TVöD auf eine Regelung in einem landesbezirklichen Tarifvertrag verwiesen. Es soll lediglich verhindert werden, dass der Arbeitgeber die Flexibilisierungsmöglichkeiten einseitig ohne Beteiligung der Arbeitnehmer einführt.
1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 6 Rz. 41. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 173; aA Bepler/Böhle/ Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 6 Rz. 42.
348 Brock
V. Flexible Arbeitszeit
Rz. 66
Teil 3 L
Die weiten Direktionsrechte, die der Arbeitszeitkorridor dem Arbeitgeber 61 gibt, beziehen sich auf die individualrechtliche Rechtslage und lassen die folgenden Beteiligungsrechte von Betriebs-/und Personalrat zunächst unberührt: Die Arbeitnehmervertretung bestimmt über die Arbeitszeitbestimmungen des Arbeitgebers mit, die die Rahmenvorgaben in konkrete Arbeitszeiten umsetzen. Praktikabel ist dieses Modell daher nur dann, wenn entweder von Gesetzes wegen das Beteiligungsrecht beschränkt ist auf die Festlegung von Rahmenregeln (vgl. § 75 Abs. 4 BPersVG) oder die Arbeitnehmervertretung ihr Mitbestimmungsrecht ausübt, indem sie dem Arbeitgeber lediglich Rahmenvorgaben macht, ansonsten die Gestaltung der Arbeitszeit jedoch dem Arbeitgeber überlässt. 5. Rahmenzeit Ähnliche Wirkungen wie der Arbeitszeitkorridor hat auch die in § 6 Abs. 7 62 TVöD geregelte Rahmenzeit: Bei der Rahmenzeit wird in der Zeit von 6 Uhr bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt. Die innerhalb dieser täglichen Rahmenzeit geleisteten zusätzlichen Arbeitsstunden werden im Rahmen des nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD festgelegten Zeitraums ausgeglichen. Gemäß § 7 Abs. 8 Buchst. b TVöD sind zuschlagspflichtige Überstunden nur die Arbeitsstunden, die außerhalb der Rahmenzeit auf Anordnung des Arbeitgebers geleistet worden sind. Auch hier liegt der Unterschied zur Gleitzeit darin, dass bei der Rahmen- 63 zeit das Direktionsrecht des Arbeitgebers in vollem Umfang erhalten bleibt: Der Arbeitgeber kann innerhalb des in der Betriebsvereinbarung festgesetzten Rahmens die Arbeitszeiten einseitig vorgeben1. Die Vereinbarung muss den Arbeitszeitrahmen von höchstens zwölf Stunden festlegen, die Vereinbarung einer kürzeren Rahmenzeit ist möglich. Nicht möglich wären dagegen Vereinbarungen, die als Zeitrahmen den vollen Zeitraum von 6 Uhr bis 20 Uhr vorsehen, da in diesem Fall die Höchstdauer von zwölf Stunden überschritten würde. Nicht zulässig wäre auch ein zwölfstündiger Rahmen von 9 Uhr bis 21 Uhr. Der vom TVöD festgelegte Höchstrahmen ist zwingend. Weiteres fest vorgeschriebenes Element der Vereinbarung ist die Einführung eines Arbeitszeitkontos gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 TVöD.
64
Auch die Einführung einer Rahmenzeit ist nur durch Betriebs- und Dienstvereinbarung möglich, die Ausführungen zum Arbeitszeitkorridor sind übertragbar.
65
Rahmenarbeitszeit und Arbeitszeitkorridor dürfen nicht miteinander kombiniert werden, § 6 Abs. 8 TVöD. Es ist auch nicht möglich, Arbeitszeitkorridor und Rahmenarbeitszeiten zu kombinieren mit Schichtarbeitsmodellen, insbesondere der Wechselschichtarbeit. Eine Kombination mit
66
1 Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Cerff, TVöD/TV-L, § 6 Rz. 82; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 144. Brock
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Teil 3 L
Rz. 67
Arbeitszeitrecht
Gleitzeitmodellen ist jedoch möglich: Gleitzeit bedeutet lediglich einen partiellen Verzicht des Arbeitgebers auf sein Direktionsrecht. 6. Vertrauensarbeitszeit 67 Verwandt mit der Gleitzeit ist die sog. Vertrauensarbeitszeit. Auch hier erhält der Arbeitnehmer eine hohe Arbeitszeitsouveränität; zusätzlich wird darauf verzichtet, die Arbeitszeiten überhaupt zu erfassen. Die Arbeitszeitkontrolle erfolgt nur noch eigenverantwortlich durch den Arbeitnehmer1. In der Praxis werden solche Modelle von Arbeitnehmervertretern häufig kritisiert als eine Maßnahme zur Erhöhung der Arbeitszeit: Gerade in Verbindung mit hohem Arbeitsdruck führe der Verzicht auf die Zeitkontrolle regelmäßig eher zu einer höheren als zu einer niedrigeren Arbeitsbelastung der Arbeitnehmer. Zu beachten ist außerdem, dass auch Vertrauensarbeitszeitmodelle nicht auf die gesetzlich vorgegebenen Aufzeichnungen verzichten dürfen: Soweit Aufzeichnungen des Arbeitgebers über die Arbeitszeit gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG oder zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG2 notwendig sind, gilt dies auch bei Vertrauensarbeitszeit.
VI. Arbeitszeitkonto 1. Einrichtung des Arbeitszeitkontos a) Verpflichtung zur Errichtung bei Arbeitszeitkorridor oder Rahmenzeit, § 10 Abs. 1 TVöD 68 Die Einführung eines Arbeitszeitkontos wird zwingend vorgeschrieben für den Fall des Arbeitszeitkorridors und der Rahmenzeit. § 10 TVöD regelt die Mindestbedingungen für ein Arbeitszeitkonto. 69 Die Bedeutung der Regelungen des § 10 TVöD ist noch nicht abschließend geklärt. Entscheidende Frage ist, ob die Vorgaben des § 10 TVöD die Ausgestaltung jeder Arbeitszeitsaldierung durch Kontierung – also eines Arbeitszeitkontos im untechnischen Sinne – betreffen, mithin auch solcher, die der Saldierung der Arbeitszeit im Rahmen des § 6 Abs. 2 TVöD dienen, oder ob das Arbeitszeitkonto lediglich eine spezielle Ausprägung im Rahmen der neu geschaffenen Flexibilisierungsmöglichkeiten ist. Die Unterschiede werden insbesondere für den Fall der Gleitzeit diskutiert: Gleitzeitvereinbarungen setzen zwingend die Einrichtung von Ausgleichsberechnungen voraus, die die Dauer der schwankenden wöchentlichen Arbeitszeit im Durchschnitt eines Ausgleichszeitraums an die tariflich geregelte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit angleichen. Falls diese den Einschränkungen des § 10 TVöD unterworfen werden müssten3, wäre die 1 Preis/Necati, Innovative Arbeitsformen, S. 333 f.; Compensis, NJW 2007, 3089. 2 BAG v. 6.5.2003 – 1 ABR 13/02, NZA 2003, 1348. 3 So Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, § 10 TVöD-AT, Einleitung, zur nur fakultativen Verbindung von Gleitzeitkonto und Arbeitszeitkonto gem. § 10 TVöD Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, § 6 TVöD-AT Rz. 48.
350 Brock
VI. Arbeitszeitkonto
Rz. 74
Teil 3 L
Möglichkeit zur Vereinbarung von Gleitzeitmodellen eingeschränkt, etwa durch die zwingend vorgegebene Höchstarbeitszeitschuld von 40 Stunden. Ansatzpunkt für ein richtiges Verständnis des § 10 TVöD muss dessen en- 70 ge Verknüpfung zu den neu geschaffenen Sonderformen der Arbeitszeitmodelle Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit sein: Diese belasten durch sehr weitreichende Direktionsrechte des Arbeitgebers die Arbeitnehmer stärker, als dies bei den bisher üblichen Formen der Arbeitszeitgestaltung der Fall war. Daher war es konsequent, zumindest für vom Arbeitnehmer erarbeitete Guthaben Regelungen, die dem Arbeitnehmer eine höhere Arbeitszeitsouveränität einräumen, einzuführen. Die zwingende Geltung der Voraussetzungen des § 10 TVöD ist daher zu beschränken auf die in § 10 Abs. 1 Satz 3 TVöD genannten Fälle des Arbeitszeitkorridors und der Rahmenzeit1.
71
Für die übrigen Arbeitszeitmodelle – feste Arbeitszeiten, vom Arbeitgeber 72 vorgegebene schwankende Arbeitszeiten, Schichtarbeitsmodelle, Gleitzeitmodelle – können Arbeitszeitkonten gemäß § 10 TVöD eingeführt werden; diese sind jedoch nicht zwingend. Insbesondere setzt eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, die einen Arbeitszeitausgleich gemäß § 6 Abs. 2 TVöD erfordert, nicht zwingend die Einführung eines Arbeitszeitkontos iSd. § 10 TVöD voraus. Insbesondere der Arbeitszeitausgleich in § 6 Abs. 2 TVöD ist dem Arbeitszeitkonto vorgelagert, wie sich insbesondere an der Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 1 TVöD zeigt: „Auf das Arbeitszeitkonto können Zeiten, die bei Anwendung des nach § 6 Abs. 2 TVöD festgelegten Zeitraums als Zeitguthaben oder als Zeitschuld bestehen bleiben, nicht durch Freizeit ausgeglichene Zeiten nach § 8 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 sowie in Zeit umgewandelte Zuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 4 gebucht werden.“
Das zeigt, dass die Ausgleichsberechnung nach § 6 Abs. 2 TVöD zu tren- 73 nen ist von der des Arbeitszeitkontos gemäß § 10 TVöD: Das Arbeitszeitkonto ist der Regelung zum Arbeitszeitausgleich nachgeordnet und soll lediglich dem Ausgleich der dort angesammelten Zeiten dienen. Ebenso bleiben Gleitzeitregelungen ohne die Einschränkungen des § 10 TVöD möglich, es sei denn, die konkrete Ausgestaltung des Gleitzeitkontos führt dazu, dass tatsächlich ein Arbeitszeitkorridor oder eine Rahmenzeit vorliegen – dann wird das Arbeitszeitkonto gemäß § 10 TVöD obligatorisch. Dass hier zu differenzieren ist, zeigt die Protokollerklärung zu § 6 TVöD, die festhält, dass Gleitzeitregelungen unabhängig von den Vorgaben zu Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit möglich sind. Das Arbeitszeitkonto sichert daher, wenn es vereinbart wird, zugunsten 74 der Arbeitnehmer die Einhaltung der Ausgleichspflichten: Zeiten, die nicht innerhalb des allgemeinen Zeitausgleichs ausgeglichen werden können, werden danach auf das Arbeitszeitkonto umgebucht, so dass für sie besondere – erleichterte – Regelungen für den Ausgleich gelten. Auch hier ist die 1 Durchführungshinweise des BMI zum Abschnitt II v. 22.12.2005, abgedruckt in Sponer/Steinherr, TVöD, Vorbemerkung zu Abschnitt II. Brock
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Teil 3 L
Rz. 75
Arbeitszeitrecht
Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos bei Gleitzeitmodellen und anderen Arbeitszeitmodellen als Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit freiwillig: Die Parteien können auch eine andere Form des Zeitausgleichs vereinbaren. So verstanden, schränken auch die Grenzen für Zeitschulden gemäß § 10 Abs. 5 Buchst. a TVöD Flexibilisierungsvereinbarungen nicht weiter ein: Während des laufenden Ausgleichs gemäß § 6 Abs. 2 TVöD können auch größere Zeitschulden aufgebaut werden. Beschränkt ist lediglich die Anzahl der auf dem Arbeitszeitkonto angesammelten Minusstunden. b) Inhalt der Betriebs- oder Dienstvereinbarung 75 Ein Arbeitszeitkonto gemäß § 10 TVöD kann ausschließlich durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung eingerichtet werden. In Betrieben bzw. Verwaltungen, in denen ein Personalvertretungsgesetz Anwendung findet, kann eine Regelung über das Arbeitszeitkonto aber auch in einem landesbezirklichen Tarifvertrag getroffen werden, wenn eine Dienstvereinbarung nicht einvernehmlich zustande kommt und der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht hat. § 10 Satz 2 TVöD entspricht der Regelung in § 6 Abs. 9 TVöD. Auch hier kann die Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung also grundsätzlich auch in der Einigungsstelle durchgesetzt werden1. Eine einvernehmliche Dienstvereinbarung ist nur erforderlich, wenn der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht hat (vgl. oben Rz. 58 ff.). 76 Zwingender Inhalt der Betriebs-/Dienstvereinbarung ist die Festlegung des Personenkreises, für den das Arbeitszeitkonto eingerichtet werden soll. Möglich ist gemäß § 10 Abs. 2 TVöD sowohl eine Einrichtung für den ganzen Betrieb als auch für Teile des Betriebs. Nicht differenziert werden kann jedoch hinsichtlich der Beschäftigten, die den Regelungen des Arbeitszeitkontos unterfallen: Dieses gilt zwingend für alle Beschäftigten in dem Betrieb oder Betriebsteil, für den es eingerichtet ist. 77 Gemäß § 10 Abs. 5 Buchst. a TVöD ist in der Betriebs- oder Dienstvereinbarung die höchstmögliche Zeitschuld und das höchstmögliche Zeitguthaben festzulegen. Der TVöD nennt eine Höchstgrenze von 40 Minusstunden, eine geringere Zeitschuld kann vereinbart werden. Nicht möglich ist es allerdings, eine Zeitschuld von mehr als 40 Stunden zu vereinbaren. Beim höchstmöglichen Zeitguthaben gibt es keine Grenzen: Ein „Vielfaches“ von 40 Stunden kann jeder Betrag über 40 Stunden sein. Der Wert von 40 Stunden ist daher als minimaler Betrag für ein Zeitguthaben zu verstehen: andernfalls würde die mit dem Konto bezweckte Arbeitszeitflexibilität und -souveränität des Arbeitnehmers wieder zusammenschrumpfen. 78 Gemäß § 10 Abs. 5 Buchst. b TVöD sind nach dem Umfang des beantragten Freizeitausgleichs gestaffelte Fristen für das Abbuchen von Zeitguthaben und den Abbau von Zeitschulden durch die/den Beschäftigten vorzusehen. Die Regelung muss so verstanden werden, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf die Gewährung der von ihm vorgearbei1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 10 Rz. 11.
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VI. Arbeitszeitkonto
Rz. 82
Teil 3 L
teten freien Zeit hat. Der Arbeitgeber ist zumindest im Rahmen des § 315 BGB verpflichtet, nach billigem Ermessen über den Antrag des Arbeitnehmers zu entscheiden. Allerdings werden Gründe des Betriebsablaufs bzw. Abbauwünsche anderer Arbeitnehmer den Arbeitgeber berechtigen, einen Arbeitszeitausgleich zu verweigern. Aus § 10 Abs. 5 Buchst. c. TVöD folgt, dass die Tarifvertragsparteien auch 79 den Arbeitgeber für grundsätzlich berechtigt halten, einseitige Abbuchungen vom Arbeitszeitkonto vorzusehen. Dies soll allerdings nicht uneingeschränkt gelten, sondern lediglich in dem Rahmen, für den es in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung vorgesehen ist. Als Beispiel nennt der Tarifvertrag die Anordnung von Arbeitszeitausgleich an Brückentagen; andere denkbare Beispiele sind Brauchtumstage. Schließlich muss gemäß § 10 Abs. 5 Buchst. d TVöD geregelt werden, was 80 Folge eines kurzfristigen Widerrufs des bereits genehmigten Zeitausgleichs durch den Arbeitgeber ist. Der Inhalt der Regelung hängt von der übrigen Ausgestaltung der Betriebs-/Dienstvereinbarung ab. Denkbar ist etwa, einen Teil der kurzfristig widerrufenen Arbeitszeit als zusätzliche Arbeitszeitgutschrift vorzusehen; besondere Regelungen sind auch erforderlich für Verfalls- oder Kappungsgrenzen: Hier sollte ein Verfall der Ansprüche dann nicht eintreten, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des kurzfristigen Widerrufs des Arbeitgebers für diesen keine Verantwortung trägt. Der Wortlaut des Tarifvertrags deutet darauf hin, dass dieser grundsätzlich davon ausgeht, dass der Arbeitgeber ein generell bestehendes Widerrufsrecht hat, anderenfalls hätte es nahe gelegen, als Regelungsgegenstand auch das grundsätzliche Bestehen des arbeitgeberseitigen Widerrufsrechts aufzunehmen. Allerdings ist es, wenn ein Widerrufsrecht erforderlich ist, aufgrund abweichender Stimmen in der Literatur1 sinnvoll, eine ausdrückliche Regelung in der Betriebs-/Dienstvereinbarung zu treffen.
81
2. Buchbare Zeiten Im Sinne des Grundgedankens des Arbeitszeitkontos, dem Arbeitnehmer eine größere Arbeitszeitsouveränität zu geben, hat dieser auch das Recht, selbst und individuell für sich zu entscheiden, welche Zeiten auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden. Damit bestimmt der Arbeitnehmer, welchen zeitlichen Umfang das Arbeitszeitkonto insgesamt haben kann. Allerdings geht der Arbeitnehmer durch seine Entscheidung eine Selbstbindung ein: Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 TVöD muss sich der Beschäftigte im Voraus für einen in der Betriebs-/Dienstvereinbarung festgelegten Zeitraum entscheiden, welche Zeiten auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden sollen.
1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 10 Rz. 33. Brock
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Teil 3 L
Rz. 83
Arbeitszeitrecht
83 Als auf jeden Fall buchbar vorgegeben werden den Betriebsparteien folgende Zeiten: – Zeiten, die bei Anwendung des nach § 6 Abs. 2 TVöD festgelegten Zeitraums als Zeitguthaben oder Zeitschuld bestehen bleiben – nicht durch Freizeit ausgeglichene Zeiten nach § 8 Abs. 1 Satz 5 (Überstunden) und in Zeit umgewandelte Zuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 4 TVöD 84 Weitere Zuschläge für Rufbereitschafts- bzw. Bereitschaftsdienstentgelte können von Gesetzes wegen nicht auf das Konto gebucht werden; allerdings können die Parteien im Betrieb bzw. in der Dienststelle entscheiden, dass auch diese Zuschläge auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden können. 3. Arbeitsunfähigkeit während eines gewährten Zeitausgleichs 85 § 9 BUrlG nachgebildet ist die Regelung in § 10 Abs. 4 TVöD: Erkrankt der Arbeitnehmer während eines Zeitausgleichs, wird das Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto dann nicht gemindert, wenn er die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzeigt und durch ärztliches Attest nachweist. Ohne eine solche Regelung müsste eine Nachgewährung des Arbeitszeitausgleichs nicht erfolgen1. 86 In einer Protokollerklärung haben die Tarifpartner zugleich klargestellt, dass die punktuelle Übernahme einer Regelung aus dem Bundesurlaubsgesetz nicht dazu führen soll, dass weitere Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes – etwa über Abgeltung und Ähnliches – auf das Arbeitszeitkonto Anwendung finden sollen: „Durch diese Regelung werden aus dem Urlaubsrecht entlehnte Ansprüche nicht begründet.“
87 Durch diese Erklärung sollen insbesondere die Übertragung von Freizeitausgleichsansprüchen entsprechend § 7 Abs. 3 BUrlG und die Entstehung von Abgeltungsansprüchen entsprechend § 7 Abs. 4 BUrlG verhindert werden2. 4. Langzeitkonten 88 Ein Langzeitarbeitszeitkonto dient dazu, für den Arbeitnehmer Arbeitszeitguthaben anzusammeln, um sich für einen längeren Zeitraum aus der Arbeitswelt zurückzuziehen (Sabbatical) oder in einen vorgezogenen Ruhestand zu gehen. 89 Zu dem gemäß § 10 Abs. 6 TVöD optional einzurichtenden Langzeitkonto macht der Tarifvertrag keine näheren inhaltlichen Vorgaben; es sind allerdings die Regelungen über Wertguthabenvereinbarungen in §§ 7b 1 BAG v. 11.9.2003 – 6 AZR 374/02, NZA 2004, 738. 2 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 10 Rz. 22.
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VII. Öffnungsklausel, § 6 Abs. 4 TVöD
Rz. 93
Teil 3 L
SGB IV ff. zu beachten. Das Langzeitkonto bedarf der ausdrücklichen Einzelvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; der Betriebsrat/Personalrat ist zu beteiligen. In den Fällen, in denen ohnehin ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG/§ 75 Abs. 2 BPersVG besteht, ist diese Beteiligung selbstverständlich; in den übrigen Fällen kann der Betriebsrat lediglich verlangen, informiert zu werden. Man wird dem Betriebsrat auch das Recht geben müssen, den Arbeitnehmer zu der beabsichtigten Regelung zu beraten. Das Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes, der das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats/Personalrats auslöst, wird allerdings nur ausgeschlossen, wenn wirklich eine nur auf einen Einzelfall individuell zugeschnittene Regelung vorliegt1. Unter der Voraussetzung der Insolvenzfähigkeit des Arbeitgebers verlangt 90 § 10 Abs. 6 Satz 2 TVöD außerdem eine Regelung zur Insolvenzsicherung. Näheres regelt § 7e SGB IV, der allerdings gem. § 7e Abs. 9 SGB IV nicht anwendbar ist, wenn über das Vermögen des Arbeitgebers die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zulässig ist.
VII. Öffnungsklausel, § 6 Abs. 4 TVöD Um die gewünschte Flexibilisierung der Arbeitszeit umsetzen zu können, hat der TVöD für Arbeitnehmervertretung und Arbeitgeber umfangreiche Möglichkeiten geschaffen, im Rahmen der §§ 7 und 12 ArbZG von den Regelungen des ArbZG abzuweichen.
91
Der TVöD selbst macht von diesen Öffnungsklauseln an einigen Stellen un- 92 mittelbaren Gebrauch. So wird zB die Verlängerung des Ausgleichszeitraums auf ein Jahr in § 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD durch § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ArbZG ermöglicht. Weitere unmittelbare tarifliche Sonderregelungen finden sich in den besonderen Teilen des TVöD, etwa im Bereich der Pflege und der Krankenhäuser. Schließlich ist auch die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 4 TVöD, wonach infolge kontinuierlichen Schichtbetriebs an Sonnund Feiertagen die zusätzliche Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden verlängert werden kann, wenn dadurch zusätzliche freie Schichten an Sonn- und Feiertagen erreicht werden, eine unmittelbare Öffnung. Im Übrigen delegiert der TVöD aber durch die Öffnungsklausel in § 6 93 Abs. 4 TVöD die Regelungsbefugnis an die Parteien im Betrieb bzw. in der Dienststelle. Um sicherzustellen, dass von den hierdurch ermöglichten Ausnahmen vom ArbZG nicht leichtfertig Gebrauch gemacht wird, beschränkt der TVöD die Abweichungsmöglichkeiten allerdings auf dringende betriebliche bzw. dienstliche Gründe. Eine entsprechende Regelung haben die Länder in § 6 Abs. 4 TV-L gefunden.
1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 10 Rz. 37. Brock
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Teil 3 L
Rz. 94
Arbeitszeitrecht
1. Tarifbindung 94 Die im TVöD enthaltenen unmittelbaren Abweichungen vom ArbZG – wie zB die Verlängerung des Ausgleichszeitraums – gelten als sog. Betriebsnormen iSd. § 3 Abs. 2 TVG auch gegenüber nicht tarifgebundenen Beschäftigten, wenn nur der Arbeitgeber tarifgebunden ist1. Aber auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber im Geltungsbereich des TVöD können über § 7 Abs. 3 Satz 1 ArbZG von der Öffnungsklausel Gebrauch machen, indem sie die Geltung der abweichenden tarifvertraglichen Regelungen durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung mit dem Betriebs- oder Personalrat vereinbaren oder, falls ein solcher nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer übernehmen. 95 Die tarifvertragliche Regelung in § 6 Abs. 4 TVöD gilt dagegen zunächst nur im Verhältnis zwischen beiderseits tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Durch die notwendige Übernahme der eigentlichen Regelung in eine Betriebsvereinbarung stellt der TVöD allerdings sicher, dass in Betrieben tarifgebundener Arbeitgeber alle Arbeitnehmer, also auch die nicht tarifgebundenen, von den Regelungen erfasst und somit einheitliche Arbeitszeitmodelle geschaffen werden können. Nicht tarifgebundenen Arbeitgebern im Geltungsbereich des TVöD und TV-L wird durch § 7 Abs. 3 Satz 2 ArbZG ermöglicht, ebenfalls von der tarifvertraglichen Öffnungsklausel Gebrauch zu machen und vom ArbZG abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zu treffen. 2. Betriebs- und Dienstvereinbarung 96 § 6 Abs. 4 TVöD verlangt den Abschluss einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung im formellen Sinne. Andere Regelungsformen der Betriebspartner, etwa über Regelungsabreden oder Dienstabsprachen reichen nicht aus. Der TVöD möchte gerade auch die normative Wirkung der Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung für die Arbeitnehmer sicherstellen. Eine wirksame Abweichung vom ArbZG setzt damit auch die Einhaltung sämtlicher Formvorschriften des Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrechts voraus, also auch der ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Arbeitnehmervertretung oder der Schriftform. Eine aus formellen Gründen nichtige Betriebsvereinbarung ermöglicht keine Abweichung vom ArbZG. Folge sind dann Arbeitszeitverstöße des Arbeitgebers. 97 Die Frage, ob die betrieblichen Regelungen erzwingbar sind, richtet sich nach den allgemeinen Regeln. Die bloße Nutzung der tarifvertraglichen Abweichungsmöglichkeiten ist kein Fall der erzwingbaren Mitbestimmung, so dass der Arbeitgeber die Abweichungen auch nicht über die Einigungsstelle erzwingen kann. Etwas anderes gilt dann, wenn die Abweichungen vom ArbZG Teil eines Regelungsgegenstandes sind, der der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegt. Dies wird im Hinblick auf die weite Mitbestimmung bei Lage und Gestaltung der Arbeitszeiten gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG relativ häufig der Fall 1 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 22; Neumann/Biebl, ArbZG, § 7 Rz. 3.
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VII. Öffnungsklausel, § 6 Abs. 4 TVöD
Rz. 100
Teil 3 L
sein1. In diesem Fall kann auch eine Einigungsstelle die Regelungen festlegen, die auf Grundlage von § 6 Abs. 4 TVöD von Vorschriften des ArbZG abweichen. Im Bereich des Personalvertretungsgesetzes ist jedoch § 6 Abs. 9 TVöD zu beachten: In einem Betrieb oder einer Verwaltung, für die ein Personalvertretungsgesetz Anwendung findet, kann eine Regelung nach § 6 Abs. 4 TVöD für den Fall, dass eine Dienstvereinbarung nicht einvernehmlich zustande kommt und der Arbeitgeber eine Letztentscheidungsrecht hat, in einem landesbezirklichen Tarifvertrag bzw. für den Bund in einem Tarifvertrag auf Bundesebene getroffen werden (siehe zu § 6 Abs. 9 TVöD bereits oben Rz. 58 ff.). Die Abweichung vom ArbZG ist nur durch eine geltende, nicht aber durch 98 eine beendete Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung möglich. Nach dem Ende einer Betriebsvereinbarung durch Fristablauf oder Kündigung ist eine weitere Abweichung nur möglich, wenn die Betriebsvereinbarung zumindest nachwirkt. Das ist gesetzlich der Fall bei erzwingbarer Mitbestimmung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG, der im BPersVG entsprechende Anwendung findet2. Eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung kann jedoch auch einvernehmlich vereinbart werden, was – zumindest aus Arbeitgebersicht – bei den angesprochenen Regelungsgegenständen regelmäßig sinnvoll ist, um Störungen des Betriebsablaufs zu vermeiden. 3. Abweichung nur bei dringenden betrieblichen Gründen In der Gestaltung der Betriebsvereinbarung sind die Betriebsparteien nicht völlig frei: Sie müssen zum einen die Vorgaben des ArbZG umsetzen und sich innerhalb der vom Gesetz für eine Abweichung gezogenen Grenzen halten. Hinzu kommt, dass der TVöD die Abweichungsmöglichkeit beschränkt auf „dringende betriebliche oder dienstliche Gründe“. Damit stellt der Tarifvertrag klar, dass die Abweichung vom ArbZG nicht leichtfertig und ohne einen wichtigen Grund erfolgen soll. Eine nähere Konkretisierung der Regelung durch die Gerichte fehlt noch. Man wird den Betriebspartnern hier einen weiten Einschätzungsspielraum lassen müssen3.
99
Dieser geht jedoch nicht so weit, dass die tariflichen Vorgaben außer Acht 100 gelassen werden könnten. Es muss jeweils gute und gewichtige Gründe aus dem Betriebsablauf geben, die die Abweichung vom TVöD rechtfertigen. Der Inhalt der Betriebs- oder Dienstvereinbarung muss dann auch von diesen Gründen geprägt sein: Wenn lediglich in einer Abteilung betriebliche Voraussetzungen die Abweichung von Vorschriften des ArbZG rechtfertigen, ist es nicht möglich, diese Regelung auf den gesamten Betrieb auszudehnen. Die Bindung an dringende betriebliche bzw. dienstliche Gründe zwingt die Betriebspartner damit auch zu sorgfältigen und ausgewogenen Regelungen: Je pauschaler eine Regelung ist, desto weniger
1 Vgl. Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 40; Neumann/Biebl, ArbZG, § 7 Rz. 5. 2 Richardi/Weber, BPersVG, § 73 Rz. 50 ff.; aA Kunze, PersV, 1998, 510. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 122. Brock
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Teil 3 L
Rz. 101
Arbeitszeitrecht
kann angenommen werden, dass sie durch dringende betriebliche oder dienstliche Gründe gerechtfertigt ist. 4. Die Abweichungsmöglichkeiten im Einzelnen 101
§ 6 Abs. 4 TVöD lässt in Verbindung mit § 7 ArbZG und § 12 ArbZG zahlreiche Abweichungen von den Vorschriften des ArbZG zu:
102
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG kann abweichend von §§ 3 und 6 Abs. 2 ArbZG die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich hinaus verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt. Die Verlängerung der Arbeitszeit kann bis zu maximal 24 Stunden erfolgen. Im Anschluss an diese Arbeitszeit muss allerdings zwingend die gesetzlich vorgesehene elf- bzw. zehnstündige Ruhezeit gewährt werden. Voraussetzung ist weiterhin, dass regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst anfällt. Das setzt voraus, dass Zeiten der Arbeitsbereitschaft nicht nur ausnahmsweise, sondern normalerweise anfallen und sich laufend, wenn auch in ungleichmäßigen Abständen mit Zeiten der Vollarbeit abwechseln1. Es reicht, wenn erfahrungsgemäß mit einem Wechsel zu rechnen ist2.
103
Hinsichtlich des erheblichen Umfangs soll es eine feste zahlenmäßige Grenze nicht geben. Abzustellen ist auf die Umstände des Einzelfalls. Allerdings werden häufig 25–30 % Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst als Untergrenze gesehen, wobei für den Bereitschaftsdienst auch eine niedrigere Untergrenze von 20 % für vertretbar gehalten wird3.
104
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG kann die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf kurze Pausen von angemessener Dauer aufgeteilt werden. Abweichend von § 4 Satz 2 ArbZG können Ruhepausen 15 Minuten unterschreiten, wenn die Gesamtdauer der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen insgesamt erreicht wird. Voraussetzung für die Kürzungsmöglichkeit ist, dass ein Verkehrs- oder Schichtbetrieb vorliegt. Die Regelung reagiert auf die Besonderheiten dieser Beschäftigungsformen und möchte lediglich verhindern, dass der Arbeitsablauf durch zu lange Pausen, etwa bei Fließbandstillstandszeiten, gestört wird.
105
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG kann die durch § 5 ArbZG vorgegebene Ruhezeit von elf bzw. zehn Stunden um bis zu zwei Stunden – also mindestens auf neun Stunden – gekürzt werden, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird.
1 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 49. 2 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 49; Neumann/Biebl, ArbZG, § 7 Rz. 17. 3 ErfK/Wank, § 7 ArbZG Rz. 6; Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 51; Sponer/Steinherr/Steinherr, TVöD, § 6 Rz. 163; Neumann/Biebl, ArbZG § 7 Rz. 18.
358 Brock
VII. Öffnungsklausel, § 6 Abs. 4 TVöD
Rz. 110
Teil 3 L
Ähnliche Abweichungen wie in § 7 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG für die Regelarbeitszeit gemäß § 3 ArbZG erlaubt § 7 Abs. 1 Nr. 4 ArbZG für die Arbeitszeit der Nachtarbeiter, die in § 6 Abs. 2 ArbZG gesondert geregelt ist. Den Tarifpartnern wird zudem ermöglicht, den gesetzlichen Beginn des Nachtzeitraums von 23 Uhr auf die Zeit zwischen 22 Uhr und 24 Uhr festzulegen (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ArbZG).
106
Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG kann abweichend von § 5 Abs. 1 ArbZG die 107 Ruhezeit bei Rufbereitschaft den Besonderheiten des Dienstes angepasst werden: Das umfasst nicht nur die Kürzung der Ruhezeit, sondern generell auch die Anpassung der Ruhezeit. So wird für zulässig gehalten, dass die Betriebsparteien auf das Kriterium der ununterbrochenen Ruhezeit verzichten und Zeiträume vor und nach einer Unterbrechung durch Inanspruchnahme addieren1. Den allgemeinen Gedanken des § 5 Abs. 3 ArbZG, dass die Ruhezeit zumindest die Hälfte der gesetzlichen Ruhezeit von 5 ½ Stunden betragen muss, müssen auch die Betriebspartner einhalten. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1982 sogar eine Tarifnorm, die eine Ruhezeit von weniger als 6 Stunden vorsah, für unvereinbar mit der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG gehalten2. Für den öffentlichen Dienst weniger relevant sind die auf die Besonderhei- 108 ten der Landwirtschaft zugeschnittenen Regelungen in § 7 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG. Bedeutender sind die in § 7 Abs. 2 Nr. 3 ArbZG vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten für die Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen: Möglich sind Veränderungen bei werktäglicher Arbeitszeit, Ruhepausen, Ruhezeiten und der Bemessung der täglichen Arbeitszeit für Nachtarbeitnehmer. Bei der Gestaltung dieser Bedingungen sind aber die Sonderregelungen in den Besonderen Teilen des TVöD für Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser zu beachten (siehe unten Rz. 184 ff.). Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 4 ArbZG kann von den Regelungen über werktägli- 109 che Arbeitszeit, Ruhepausen und Ruhezeiten in Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im Wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrages unterliegen, abgewichen werden, um der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen zu entsprechen. Die Abweichungsmöglichkeiten in § 7 Abs. 2 ArbZG stehen unter der weiteren Voraussetzung, dass der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird. Dieser entsprechende Zeitausgleich muss in der Betriebs- oder Dienstvereinbarung selbst enthalten sein. Beim Ausgleich ist insbesondere auch § 7 Abs. 8 ArbZG zu beachten.
1 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 87. 2 BAG v. 24.2.1982 – 4 AZR 223/80, NJW 1982, 2140. Brock
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110
Teil 3 L
Rz. 111
Arbeitszeitrecht
111
Eine dauerhafte ausgleichslose Verlängerung der Arbeitszeit auf über 48 Stunden wöchentlich hinaus ist auf der Grundlage der Sonderregelung in § 7 Abs. 2a ArbZG möglich. Dies setzt voraus, dass regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst geleistet wird. Zudem muss die Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung durch besondere Regelungen sicherstellen, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Die Regelung soll auch nach der Entscheidung des EuGH zur Einordnung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit1 insbesondere im Bereich medizinischer Versorgung und Pflege weiter flexible Arbeitszeiten ermöglichen2. Gem. § 7 Abs. 7 steht die Verlängerung der Arbeitszeit auf Grundlage von § 7 Abs. 2a ArbZG unter dem Vorbehalt einer schriftlichen und widerruflichen Einwilligung des Arbeitnehmers. Die allgemeine Öffnungsklausel in § 6 Abs. 4 TVöD nimmt diese Sonderregelung nicht in Bezug3. Eine Öffnungsklausel für diese sog. Opt-out-Regelung ist in § 45 Abs. 4 TVöD BT-B und BT-K für den Pflege- und Krankenhausbereich geregelt, wodurch eine maximale durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 58 Stunden ermöglicht wird; durch den mit Wirkung vom 1.7.2009 geltenden Anhang zu § 6 TVöD (VKA) wurde eine Möglichkeit des Opt-out auch für Cheffahrerinnen und Cheffahrer im kommunalen Dienst eröffnet.
112
Für die Arbeitstätigkeit an Sonn- und Feiertagen eröffnet § 6 Abs. 4 TVöD iVm. § 12 ArbZG weitere Abweichungsmöglichkeiten: Statt der gesetzlichen mindestens 15 beschäftigungsfreien Sonntage kann diese Zahl auf mindestens zehn, in Sonderbereichen (Rundfunk, Theaterbetriebe, Orchester sowie Schaustellungen) auf mindestens acht und in Filmtheatern und in der Tierhaltung auf mindestens sechs Sonntage im Jahr verringert werden.
113
Die Möglichkeit, gemäß § 12 Nr. 2 ArbZG den Wegfall von Ersatzruhetagen für auf Werktage fallende Feiertage zu vereinbaren oder Arbeitnehmer innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums beschäftigungsfrei zu stellen, wird durch die abschließende Regelung in § 6 Abs. 3 TVöD überlagert. § 12 Nr. 4 ArbZG erlaubt es schließlich, die Arbeit an Sonn- und Feiertagen in Schichtbetrieben auf maximal 12 Stunden zu verlängern, um auf diese Weise zusätzliche freie Schichten an Sonn- und Feiertagen zu erreichen. Eine entsprechende Regelung sieht eine Protokollnotiz zu § 6 Abs. 4 TVöD vor.
VIII. Sonderformen der Arbeit 1. Verpflichtung zu Sonderformen der Arbeit 114
Im Rahmen betrieblicher bzw. dienstlicher Notwendigkeiten, also wenn die Anordnung zur Erledigung der Arbeitsaufgaben des Betriebs bzw. der Dienststelle erforderlich ist, verpflichtet § 6 Abs. 5 TVöD/TV-L die Be1 EuGH, Urteil v. 9.9.2003 – Rs. C 151/02, NZA 2003, 1019; s. dazu Rz. 114. 2 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 107mwN. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 119.
360 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 118
Teil 3 L
schäftigten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit sowie zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit. Bis auf die Sonn- und Feiertagsarbeit werden diese Begriffe in § 7 TVöD als Sonderformen der Arbeit definiert1. Teilzeitarbeitnehmer haben Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Über- 115 stunden und Mehrarbeit nur abzuleisten, wenn dies entweder im Arbeitsvertrag vorgesehen ist oder der Beschäftigte diesen Sonderformen zugestimmt hat. Diese Zustimmung ist nicht formbedürftig und kann auch konkludent erfolgen, zB indem der Beschäftigte einer Aufforderung seines Arbeitgebers zur Leistung dieser Sonderformen der Arbeit nachkommt2. Klarstellende arbeitsvertragliche Klauseln sind empfehlenswert3. 2. Einzelne Sonderformen a) Sonn- und Feiertagsarbeit aa) Arbeitsschutzrechtliche Grenzen Der Verpflichtung zur Leistung von Sonn- und Feiertagsarbeit sind durch 116 die §§ 9–11 ArbZG arbeitsschutzrechtliche Grenzen gesetzt. Gem. § 9 Abs. 1 ArbZG sollen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. Ausnahmen sind gem. § 10 ArbZG nur möglich, sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Nach § 11 ArbZG ist für Sonn- und Feiertagsarbeit ein zeitlicher Ausgleich zu schaffen. Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen beschäftigungsfrei bleiben. Durch Sonn- und Feiertagsarbeit dürfen die Höchstarbeitszeiten und Ausgleichszeiträume nicht überschritten werden; Ersatzruhetage müssen gemäß § 11 Abs. 3 ArbZG gewährt werden. Abweichungen sind hier in Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen möglich auf Basis von § 6 Abs. 4 TVöD, § 12 ArbZG (siehe oben Rz. 112 f.).
117
bb) Entgeltfortzahlung an Feiertagen Wird an Feiertagen, wie in § 9 ArbZG vorgesehen, nicht gearbeitet, gilt die 118 Regelung zur Entgeltfortzahlung in § 2 Abs. 1 EFZG. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Dieser Anspruch gilt nur für die gesetzlich festgelegten Feiertage, nicht jedoch für andere kirchliche Feier- oder Gedenktage oder regionale Brauchtumstage, wie etwa Rosenmontag. An diesen Tagen besteht grundsätzlich Arbeitspflicht, etwas anderes kann sich lediglich auf vertraglicher Grundlage, etwa auf Basis einer betrieblichen Übung, ergeben. 1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 139. 2 Durchführungshinweise des BMI v. 22.12.2005, abgedruckt bei Sponer/Steinherr, Vorbemerkung zu § 6 TVöD, S. 15. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 143. Brock
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Teil 3 L
Rz. 119
Arbeitszeitrecht
119
Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch ist, dass die Arbeitszeit am gesetzlichen Feiertag wegen des Feiertages ausgefallen ist. Hat der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet, gibt es keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, sondern lediglich den normalen Entgeltanspruch und den in § 8 TVöD geregelten Feiertagszuschlag.
120
Der Feiertag muss zudem für den Arbeitsausfall kausal sein, was nicht der Fall ist bei Krankheit und Urlaub am Feiertag. Die Kollision zwischen Krankheit und Feiertag löst § 4 Abs. 2 EFZG: Der Arbeitgeber bleibt dem Grunde nach zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG verpflichtet, deren Höhe sich aber nach § 2 EFZG bemisst. Die Kollision von Feiertagen mit dem Urlaub des Arbeitnehmers löst § 3 Abs. 2 BUrlG: Feiertage dürfen nicht auf den Urlaub angerechnet werden, es besteht Anspruch auf Feiertagsentlohnung. Etwas anderes gilt nur, wenn zB aufgrund von Wechselschichtarbeit auch am Feiertag Arbeitspflicht bestanden hätte. Die Arbeit fällt in dieser Konstellation nicht „wegen“ des Feiertags, sondern wegen des Urlaubs aus1. cc) Dienstplangestaltung an Feiertagen
121
Bei Dienstplanarbeit hing es bislang von den Zufälligkeiten der Dienstplans ab, ob der Arbeitnehmer an dem Feiertag dienstplanmäßig arbeiten musste oder nicht. Dies führte zu Unstimmigkeiten. Nach der bisherigen Rechtslage arbeiteten die Arbeitnehmer, die das Glück hatten, dass ihre dienstplanmäßige Arbeitszeit auf den Feiertag fiel, weniger als ihre Kollegen, die nach dem Dienstplan am Feiertag ohnehin frei gehabt hätten. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD sollte eine Korrektur schaffen2: Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Gleiches gilt für den 24.12. und 31.12., wenn sie auf einen Werktag fallen. Dieser Auslegung wird allerdings nicht immer gefolgt und die Kürzung der Arbeitszeit auf die Arbeitnehmer beschränkt, die am Feiertag dienstplanmäßig arbeiten müssen3. Zur Begründung wird insbesondere auf die Sonderregelungen in § 49 BT-K und BT-B verwiesen, die die generelle Arbeitszeitverkürzung klar regelten und den Umkehrschluss auf die Rechtslage nach dem TVöD zuließen. Überzeugend ist das angesichts des dokumentierten Ziels der Regelung nicht4.
122
Voraussetzung für den Anspruch auf Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit ist, dass Dienstplanarbeit geleistet wird. Der Arbeitnehmer muss an wechselnden Tagen in der Woche zur Arbeit verpflichtet sein5. Eine Pro-
1 Schmitt, EFZG, § 2 Rz. 56. 2 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 6 Rz. 96, Breier/Dassau/ Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 96. 3 LAG Nürnberg v. 26.8.2009 – 3 Sa 625/08, juris; LAG Düsseldorf v. 13.12.2009 – 2 Sa 590/07, juris. 4 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 10 Rz.10a; Breier/Dassau/ Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 96. 5 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 97.
362 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 126
Teil 3 L
tokollerklärung hält fest, dass die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit die Beschäftigten betrifft, die wegen des Dienstplans am Feiertag frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten. Durch die Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit werden diese Arbeitnehmer so gestellt, wie ihre Kollegen, die am Feiertag zu dienstplanmäßiger Arbeit verpflichtet gewesen wären. Für alle Arbeitnehmer erfolgt so, unabhängig von den Zufälligkeiten des Dienstplans, eine Minderung der regelmäßigen Arbeitszeit. § 49 TVöD BT-K und BT-B enthalten teilweise abweichende Regelungen für die Sonn- und Feiertagsarbeit.
123
dd) Sonderregelung für Vorfesttage Die sog. Vorfesttage am 24.12. und 31.12. werden gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 124 TVöD den Feiertagen im Wesentlichen gleichgestellt. Für die bisherigen weiteren Vorfesttage des BAT – Ostersamstag und der Tag vor Pfingstsonntag – gelten keine Sonderregelungen mehr. An den Vorfesttagen sind die Arbeitnehmer ganztägig von der Arbeit unter Fortzahlung des Entgelts freigestellt, sofern die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse die Freistellung zulassen. Die Arbeitsbefreiung kann versagt werden, wenn die Art der zu erbringenden Dienstleistung die Anwesenheit von Arbeitnehmern erfordert, zB bei Verkehrsbetrieben1. In diesen Fällen erfolgt gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 TVöD ein Freizeitausgleich innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten. b) Nachtarbeit § 7 Abs. 5 TVöD definiert Nachtarbeit als die Arbeit zwischen 21 Uhr und 125 6 Uhr. Im Vergleich zur Vorgängerregelung in § 15 Abs. 8 Unterabs. 5 BAT wurde der Beginn der Nachtarbeitszeit von 20 Uhr um eine Stunde hinausgeschoben. Zu einer Nachtschicht wird Nachtarbeit erst, wenn innerhalb einer Arbeitsschicht mindestens zwei Stunden Nachtarbeit geleistet werden, § 7 Abs. 1 Satz 3 TVöD. Durch diese zeitliche Festlegung ist die frühere Rechtsprechung des BAG überholt, wonach es für das Vorliegen einer Nachtschicht darauf ankommen sollte, ob ein wesentlicher Teil der Schicht während der Nachtarbeitszeit iSd. § 15 Abs. 8 Unterabs. 5 BAT abgeleistet wurde2. Bei der Anordnung von Nachtarbeit sind die arbeitsschutzrechtlichen Grenzen des § 6 ArbZG zu beachten: Nach Abs. 1 ist die Arbeitszeit von Nachtarbeitnehmern nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Arbeit festzulegen. Nach Abs. 2 darf die werktägliche Arbeitszeit von Nachtarbeitnehmer grundsätzlich acht Stunden nicht überschreiten. Eine nach § 3 ArbZG mögliche Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ist nur zulässig, wenn sie binnen eines ver1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 6 Rz. 108. 2 BAG v. 7.9.1994 – 10 AZR 766/93NZA 1995, 586. Brock
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126
Teil 3 L
Rz. 127
Arbeitszeitrecht
kürzten Ausgleichszeitraums von einem Monat bzw. vier Wochen wieder ausgeglichen wird. § 6 Abs. 3 ArbZG gibt Nachtarbeitern einen Anspruch auf Durchführung einer arbeitsmedizinischen Untersuchung auf Kosten des Arbeitgebers. Unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 ArbZG besteht ein Anspruch auf Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz. Der durch § 6 Abs. 5 ArbZG geforderte Ausgleich für Nachtarbeit wird im Anwendungsbereich des TVöD durch den in § 8 Abs. 1 TVöD geregelten Nachtzuschlag realisiert. c) Wechselschichtarbeit aa) Begriff 127
Wechselschichtarbeit ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Die Arbeitszeit der Beschäftigten verschiebt sich nach einem vorher festgelegten Schichtplan – in Bezug auf die Wochentage, an denen zu arbeiten ist, und/oder im Hinblick auf die zeitliche Lage an diesen Tagen (Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht)1.
128
Ein Schichtsystem wird zum Wechselschichtsystem, wenn die Beschäftigten mindestens einmal im Monat tatsächlich auch zur Nachtschicht herangezogen werden. Die Einteilung zur Nachtschicht an mehreren Tagen hintereinander ist wie bei § 15 Abs. 8 Unterabs. 5 BAT nicht erforderlich2. Die verschiedenen Schichten müssen weder in einem annähernd gleichen Umfang geleistet werden3, noch muss die Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers tatsächlich einem regelmäßigen Wechsel unterliegen, wenn nur der Schichtplan einen solchen Wechsel vorsieht4.
129
Die Zahlung einer Wechselschichtzulage setzt allerdings voraus, dass der Angestellte abwechselnd nach dem Schichtplan in allen Schichtarten eingesetzt wird. Der Anspruch auf Wechselschichtzulage in § 8 Abs. 5 TVöD setzt, anders als § 33a BAT, voraus, dass der Beschäftigte Wechselschichtarbeit „leistet“5.
130
Wechselschichten definiert § 7 Abs. 2 Satz 2 TVöD als wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Entscheidend ist, ob im Arbeitsbereich des zu beurteilenden Angestellten ununterbrochen gearbeitet wird, die Arbeit also niemals stillsteht. Unter Arbeit in diesem Sinne versteht die Rechtsprechung nur die volle Arbeitsleistung. Insbesondere die Anordnung 1 2 3 4
Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 4. BAG v. 19.10.1989 – 6 AZR 111/88, ZTR 1990, 200. BAG v. 13.10.1993 – 10 AZR 294/92, NZA 1994, 805. Vgl. BAG v. 9.12.1998 – 10 AZR 207/98, NZA 1999, 998; Breier/Dassau/Kiefer/ Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 6. 5 BAG v. 24.9.2009 – 10 AZR 140/08, NZA-RR 2009, 107. LAG Nds. v. 29.11.2007 – 4 Sa 1061/07, juris, dazu Wahlers, ZTR 2009, 465 (466).
364 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 134
Teil 3 L
von Bereitschaftsdiensten und Arbeitsbereitschaft sollte hierfür nicht genügen1. Da auf die Organisationseinheit abzustellen sei, stehe zwar die Anordnung von Bereitschaftsdienst für einzelne Arbeitnehmer der Annahme von Wechselschichten nicht entgegen. Dies gelte aber nur, wenn während des Bereitschaftsdienstes für andere Arbeitnehmer gleichzeitig Vollarbeit angeordnet sei2. Zu dieser Vollarbeit zählt das BAG jetzt aber auch die Bereitschaftszeit. bb) Folgen Die Einordnung einer Tätigkeit als Wechselschichtarbeit hat neben dem 131 Anspruch auf Zahlung einer Wechselschichtzulage weitere Folgen. § 6 Abs. 2 Satz 2 TVöD ermöglicht bei dieser Arbeitsform einen längeren Ausgleichszeitraum als ein Jahr. Wechselschichtarbeit kann gemäß § 6 Abs. 8 TVöD nicht mit den Arbeitszeitmodellen Arbeitszeitkorridor und Rahmenzeit verbunden werden. Zum Ausgleich der mit Wechselschicht verbundenen besonderen Belastungen werden neben der Wechselschichtzulage eine günstigere Pausenregelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 TVöD und ein Anspruch auf Zusatzurlaub in § 27 TVöD gewährt. cc) Sonderregelungen Die Besonderen Teile des TVöD enthalten zT abweichende Sonderregelungen für die Wechselschichtarbeit:
132
Nach § 48 Abs. 2 TVöD BT-B und BT-K liegt Wechselschicht im Pflegeund Krankenhausbereich erst dann vor, wenn die Beschäftigten längstens nach Ablauf eines Monats zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen werden. Laut Niederschriftserklärung ist hierfür aber nicht zwingend erforderlich, dass die beiden Nachtdienste unmittelbar aufeinander folgend geleistet werden. Die günstigere Pausenregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 TVöD gilt im Krankenhaus- und Pflegebereich nicht. § 41 TVöD BT-F ermöglicht Flughäfen, die gleichen Regelungen zur Wechselschicht wie im Krankenhausbereich durch den Abschluss landesbezirklicher Tarifverträge einzuführen.
133
d) Schichtarbeit Schichtarbeit wird in § 7 Abs. 2 TVöD als Arbeit nach einem Schichtplan 134 definiert, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird. Die Arbeit nach Schichtplan muss im Unterschied zur Wechselschichtarbeit keine Arbeit rund um die Uhr an allen Ka1 BAG v. 24.9.2008 – 10 AZR 669/07, NZA 2009, 45. BAG v. 5.2.1997 – 10 AZR 639/96, NZA 1997, 1179 zu § 33a Abs. 1 BAT. 2 BAG v. 24.9.2008 – 10 AZR 669/07, NZA 2009, 45. BAG v. 5.2.1997 – 10 AZR 639/96, NZA 1997, 1179 zu § 33a Abs. 1 BAT. Brock
365
Teil 3 L
Rz. 135
Arbeitszeitrecht
lendertagen vorsehen. Arbeitsunterbrechungen zwischen den verschiedenen Schichten sind also unschädlich1. 135
§ 7 Abs. 2 TVöD setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer immer gleichmäßig in allen Schichten eingesetzt wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn mindestens einmal im Monat ein Schichtwechsel, also ein Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden, stattfindet2. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Schichtplan vom Arbeitgeber aufgestellt wurde, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der vom Arbeitgeber geschaffenen zeitlichen Vorgaben tatsächlich (gegebenenfalls selbst organisiert) Schichtarbeit leitstet3.
136
Zusätzlich vorausgesetzt wird eine Zeitspanne von 13 Stunden, innerhalb derer Schichtarbeit geleistet wird. Maßgeblich ist nicht, dass die Zeitspanne im Schichtplan an mindestens einem Tag in der Woche mehr als 13 Stunden beträgt4. Es reicht aus, dass die Zeitspanne zwischen dem frühesten Beginnzeitpunkt und dem spätesten Endzeitpunkt einmal im Monat erreicht wird – und das nicht notwendigerweise an einem Wochentag. Die Mindestzeitspanne kann auch an unterschiedlichen Wochentagen erreicht werden. Ein Schichtbeginn Samstags um 07:00 Uhr (Ende der Arbeit 11:30) und ein Schichtende Montags 20:00 Uhr (bei einem Beginn um 11:30 Uhr) reichen aus5. e) Mehrarbeit
137
Mehrarbeit sind gem. § 7 Abs. 6 TVöD die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD) leisten. Zuschlagspflichtige Überstunden leistet ein Teilzeitbeschäftigter also erst, sobald die regelmäßige Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter überschritten wird.
138
Für Mehrarbeit wird gemäß § 8 Abs. 2 TVöD nur das Stundenentgelt ohne Zuschläge gezahlt. Eine unzulässige Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ist hierin nicht zu sehen, da Teilzeitbeschäftigte für die gleiche Anzahl geleisteter Arbeitsstunden die gleiche Gesamtvergütung erhalten wie Vollzeitbeschäftigte6.
1 BAG v. 2.10.1996 – 10 AZR 232/96, NZA 1997, 504; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD § 7 Rz. 13. 2 Vgl. BAG v. 13.10.1993 – 10 AZR 294/92, NZA 1994, 805; BAG v. 22.3.1995 – 10 AZR 167/94, ZTR 1995, 407 zu § 33a BAT; bestätigt für § 7 TVöD durch LAG BW v. 30.1.2008 – 10 Sa 66/07, juris Rz. 28; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD § 7 Rz. 15. 3 BAG v. 8.7.2009 – 10 AZR 589/08, ZTR 2009, 576. 4 LAG BW v. 30.1.2008 – 10 Sa 66/07, juris. 5 BAG v. 21.10.2009 – 10 AZR 70/09, ZTR 2010, 77. 6 Vgl. EuGH v. 15.12.1994 – Rs C 399/92, NZA 1995, 218; BAG v. 25.7.1996 – 6 AZR 138/94, ZTR 1997, 84; BAG v. 23.4.1998 – 6 AZR 558/96, juris.
366 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 143
Teil 3 L
f) Überstunden aa) Regelfall, § 7 Abs. 7 TVöD Überstunden sind die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeits- 139 stunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden, § 7 Abs. 7 TVöD. Im Dienstplan angeordnete Arbeitszeiten können keine Überstunden sein. Das Erfordernis einer Anordnung des Arbeitgebers schließt Überstunden- 140 zuschläge für aus eigenem Antrieb geleistete Arbeit aus. Die Anordnung muss billigem Ermessen entsprechen (§ 315 Abs. 3 BGB) und kann auch konkludent erfolgen. Es reicht, dass der Arbeitgeber die Überarbeit kennt und sie duldet1. Zudem müssen die dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Ar- 141 beitsstunden überschritten werden. Maßgeblich ist nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD, sondern die für den Arbeitnehmer individuell für die jeweilige Woche festgelegte Arbeitszeit, diese wird nur bei festen Arbeitszeitmodellen mit der Arbeitszeit gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD übereinstimmen. Sieht der Dienstplan vor, dass in einer Woche nur 34 Stunden zu arbeiten sind, kann bereits die 35. Arbeitsstunde Überstunde sein; sieht der Dienstplan 40 Stunden vor, kann erst die 41. Arbeitsstunde eine Überstunde sein2. Zeitguthaben bei einem Gleitzeitmodell sind grundsätzlich nicht „angeordnete“ Überstunden, sondern freiwillige Mehrarbeit3. Innerhalb eines Gleitzeitrahmens entstehen zuschlagspflichtige Überstunden daher nur bei ausdrücklicher Anordnung4. Zudem muss die durch die Anordnung erreichte Arbeitszeit die wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD überschreiten. Ein Gleitzeitrahmen bleibt für diese Frage außer Betracht. Es besteht ein maßgeblicher Unterschied zwischen freiwilliger Mehrarbeit im Rahmen der Gleitzeit und einer durch Arbeitgeberweisung erzwungenen Überstunde5.
142
Angeordnete Überarbeit wird nur zur Überstunde, wenn sie nicht inner- 143 halb der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen wird. Wird an einem Mittwoch Überarbeit geleistet, können diese Stunden bis zum Sonntag der Folgewoche noch ausgeglichen werden, um die Zahlung von Überstundenzuschlägen zu vermeiden. Der in § 6 Abs. 2 TVöD vorgesehene Ausgleichszeitraums von bis zu einem Jahr für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen Arbeitszeit wird hierdurch nicht tangiert. Beide Ausgleichs1 BAG v. 28.11.1973 – 4 AZR 62/73, BAGE 25, 419; BAG v. 24.10.1990 – 6 AZR 37/89, NZA 1991, 378; BAG v. 6.10.1994 – 6 AZR 266/94, ZTR 1995, 118. 2 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Goodson, TVöD, § 7 Rz. 37. 3 LAG Köln v. 4.11.1992 – 2 Sa 809/92, EzBAT § 17 BAT Nr. 16. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 81. 5 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Goodson, TVöD, § 7 Rz. 38. Brock
367
Teil 3 L
Rz. 144
Arbeitszeitrecht
zeiträume sind entsprechend ihrem unterschiedlichen Zweck voneinander getrennt zu betrachten. bb) Abweichende Überstundenregelungen, § 7 Abs. 8 TVöD 144
Für zahlreiche Arbeitszeitmodelle enthält § 7 Abs. 8 TVöD Modifikationen. Flexible Formen der Arbeitszeit sollen die Entstehung von Überstunden und die damit verbundene Verpflichtung zur Zahlung von Zeitzuschlägen möglichst vermeiden: Im Falle der Festlegung eines Arbeitszeitkorridors sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die über 45 Stunden oder über die vereinbarte Obergrenze hinaus geleistet werden. Bei Einführung einer täglichen Rahmenzeit handelt es sich nur bei Arbeitsstunden außerhalb der Rahmenzeit um Überstunden.
145
Bei Wechselschicht- und Schichtarbeit liegen Überstunden nach § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD erst vor, wenn die Arbeitsstunden über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind.
146
Konsequent ist es, die Funktion der Tarifnorm in der Ausdehnung des Ausgleichszeitraums auf den gesamten Schichtplanturnus zu sehen1. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD enthält gegenüber der Grundregel in Absatz 7 zwei Abweichungen: Bei Schichtplanarbeit wird nicht auf die für die Woche festgesetzten Arbeitsstunden, sondern auf die Überschreitung der festgesetzten täglichen Arbeitsstunden abgestellt; zugleich wird der Ausgleichszeitraum auf den gesamten Schichtplanturnus ausgedehnt2. Dies führt im Ergebnis dazu, dass jede vom Arbeitgeber angeordnete zusätzliche Arbeitszeit noch im Schichtplanturnus ausgeglichen werden kann. Ein langer Schichtplanturnus ermöglicht es, flexibel das Entstehen von Überstunden zu vermeiden3.
147
Eine andere Auffassung möchte differenzieren zwischen der Überschreitung der „im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden“ und der „im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden“4. Eine zuschlagspflichtige Überstunde entstehe in der ersten Konstellation bereits, wenn die tägliche Arbeitszeit, die im Schichtplan festgelegt sei, überschritten werde. Ein Ausgleichszeitraum sei für diese Konstellation nicht vorgesehen5. Denn der Relativsatz „die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden“ beziehe sich nur auf die „im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden“, nicht aber auf die „im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden“6. Die Formulierung 1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 87, 89; wohl auch Sponer/Steinherr/Steinherr, TVöD, § 7 Rz. 121. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 89. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 90. 4 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Goodson, TVöD, § 7 Rz. 48. 5 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Goodson, TVöD, § 7 Rz. 48b. 6 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Goodson, TVöD, § 7 Rz. 48a.
368 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 151
Teil 3 L
„einschließlich“ sei insofern missverständlich. Sei dagegen im Schichtplan bereits Mehrarbeit bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit angelegt, also „vorgesehen“, werde diese Mehrarbeit erst dann zur Überstunde, wenn sie im Schichtplanturnus nicht wieder ausgeglichen werde1. Überzeugen kann das nicht. Die Beschränkung der Ausgleichsmöglichkeit auf lediglich die im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, nicht aber die festgesetzten Überstunden, ist im Wortlaut nicht angelegt und kann in diesen nur unter teilweiser Missachtung der Formulierung als „missverständlich“ hineingelesen werden. Die systematisch nur schwer zu erklärende völlige Abkehr von einem prägenden Element der Überstundenregelung des TVöD, der Ausgleichsmöglichkeit, die zudem dem generellen Ziel der Neuregelung, die Arbeitszeitflexibilität zu steigern, widerspricht, bedarf einer besseren Begründung als die sprachlich keineswegs nahe liegende Beschränkung der Reichweite eines Relativsatzes und die Umdeutung einer allerdings sprachlich wenig gelungenen Klarstellung in verschiedene Tatbestände.
148
g) Bereitschaftsdienst Bereitschaftsdienst leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeit- 149 gebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, § 7 Abs. 3 TVöD. Nachdem der Bereitschaftsdienst im ArbZG und in ständiger Rechtspre- 150 chung jahrzehntelang als Ruhezeit eingestuft worden war2, führte die Rechtsprechung des EuGH zu einem Wandel mit erheblichen Folgen für das Arbeitszeitrecht insgesamt und immensen Auswirkungen für die Praxis insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Der EuGH bewertete den Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union. Der Bereitschaftsdienst stelle keine Ruhezeit dar, auch wenn es den Betroffenen in Zeiten, in denen sie nicht in Anspruch genommen werden, gestattet sei, sich an der Arbeitsstelle auszuruhen3. Nachdem sich das Bundesarbeitsgericht diesem Rechtsprechungswandel anschloss4, wurde das ArbZG neu gefasst, so dass seit dem 1.1.2004 Bereitschaftsdienste nicht mehr als Ruhezeit gelten, sondern voll zur Arbeitszeit iSd. § 2 ArbZG zählen. Die Anordnung von Bereitschaftsdienst durch den Arbeitgeber unterliegt der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Im Unterschied zur Vorgängerregelung in § 15 Abs. 6a BAT sind im TVöD-AT keine weiteren, das Anordnungsrecht einschränkenden Voraussetzungen mehr vorgesehen.
1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Goodson, TVöD, § 7 Rz. 48c. 2 § 5 Abs. 3 ArbZG aF, BAG v. 30.1.1996 – 3 AZR 1030/94, NZA 1996, 1164. 3 EuGH v. 3.10.2000 – Rs. C 303/98, NZA 2000, 1227 (SIMAP); EuGH v. 9.9.2003 – Rs. C-151/02, NZA 2003, 1019 (Jäger). 4 BAG v. 18.2.2003 – 1 ABR 2/02, NZA 2003, 742. Brock
369
151
Teil 3 L
Rz. 152
Arbeitszeitrecht
152
Zwischen der regelmäßigen Arbeitszeit und einem Bereitschaftsdienst muss keine Zäsur liegen. Ist für einen Angestellten rechtswirksam Bereitschaftsdienst im Anschluss an die Regelarbeitszeit angeordnet, kann der Arbeitgeber, wenn über den Ablauf der Regelarbeitszeit hinausgehend noch Arbeit anfällt, den bereits festgelegten Bereitschaftsdienst in Anspruch nehmen und ist nicht darauf angewiesen, insoweit Überstunden anzuordnen1.
153
Da die Einführung von Bereitschaftsdiensten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu vorübergehenden Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit führt, ist die Anordnung von Bereitschaftsdienst mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG2. Entsprechendes gilt für die Personalvertretungsgesetze3. h) Rufbereitschaft
154
Rufbereitschaft leisten Beschäftigte, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen, § 7 Abs. 4 Satz 1 TVöD. Nach Satz 2 der Vorschrift wird Rufbereitschaft nicht dadurch ausgeschlossen, dass Beschäftigte vom Arbeitgeber mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausgestattet sind.
155
Unterschied zum Bereitschaftsdienst ist, dass bei der Rufbereitschaft der Aufenthaltsort des Arbeitnehmers nicht durch eine Anordnung des Arbeitgebers beschränkt ist und nicht durch den Arbeitgeber vorgegeben werden kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Beschäftigte ihn völlig frei wählen könnte. Er darf sich nicht in einer Entfernung zum Arbeitsort aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zuwiderliefe4. Sein Aufenthaltsort muss gewährleisten, dass innerhalb eines vertretbaren Zeitraums die Arbeit tatsächlich aufgenommen werden kann.
156
Gibt der Arbeitgeber für diesen Zeitraum Höchstzeiten vor, kann hierin allerdings eine so starke mittelbare Beschränkung des Aufenthaltsortes liegen, dass die Anordnung des Arbeitgebers nicht mehr als Rufbereitschaft aufgefasst werden kann, sondern als Bereitschaftsdienst. Eine solche Beschränkung des Aufenthaltsortes hat das BAG bei Höchstzeiten von 10 Minuten5 bzw. 20 Minuten6 angenommen. Die Grenze dürfte wohl bei einer Zeitvorgabe von 30 Minuten liegen7. 1 2 3 4
BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 799/06, NZA 2007, 1108. BAG v. 29.2.2000 – 1 ABR 15/99, NZA 2000, 1243. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 25, 26. BAG v. 19.12.1991 – 6 AZR 592/89, NZA 1992, 560; BAG v. 31.1.2002 – 6 AZR 214/00, ZTR 2002, 432. 5 BAG v. 19.12.1991 – 6 AZR 592/89, NZA 1992, 560. 6 BAG v. 31.1.2002 – 6 AZR 214/00, ZTR 2002, 432: zustimmend Pieper, ZTR 2002, 420. 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 49; Bepler/Böhle/Martin/ Stöhr/Goodson, TVöD, § 7 Rz. 20; Pieper, ZTR 2002, 420 (422).
370 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 161
Teil 3 L
Anders als der Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft auch unter Be- 157 rücksichtigung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie grundsätzlich keine Arbeitszeit iSd. ArbZG. Arbeitszeit sind lediglich die Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während des Rufbereitschaftsdienstes, in denen der Arbeitnehmer Vollarbeit leistet1. Ist ein Beschäftigter im Anschluss an die regelmäßige Arbeitszeit laut 158 Dienstplan zur Rufbereitschaft eingeteilt und bestimmt der Arbeitgeber, dass die Arbeit im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Regelarbeitszeit fortzusetzen ist, liegt hierin die Anordnung von Überstunden. Die Anordnung des Arbeitgebers stellt sich dann als Änderung des Dienstplans, nicht aber als Abruf zur Aufnahme der Arbeit dar2. Hieran ändert sich durch die oben unter Rz. 152 zitierte gegenteilige Entscheidung des BAG3 zur Abgrenzung von Bereitschaftsdienst und Überstunden nichts. Denn im Unterschied zum Bereitschaftsdienst kann der Angestellte während der Rufbereitschaft seinen Aufenthaltsort grundsätzlich frei wählen. Diese Voraussetzung liegt aber nicht vor, wenn der Arbeitgeber die Fortsetzung der Arbeit und damit den weiteren Aufenthalt am Arbeitsplatz anordnet4. Die Anordnungsbefugnis für Rufbereitschaft unterliegt im Allgemeinen Teil des TVöD keinen besonderen Beschränkungen, sondern muss sich lediglich im Rahmen der Billigkeit bewegen. Auch die Rufbereitschaft unterliegt der Mitbestimmung des nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit)5 und des Personalrats gemäß § 75 Abs. 4 BPersVG (Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen)6 bzw. den entsprechenden Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze.
159
3. Ausgleich für Sonderformen der Arbeit Den Ausgleich für geleistete Sonderformen der Arbeit regeln § 8 TVöD/ TV-L.
160
a) Zeitzuschläge, § 8 Abs. 1 TVöD Für die Leistung von Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie 161 die Arbeit an Vorfesttagen und an Samstagen sieht § 8 Abs. 1 TVöD einen Ausgleich durch Zeitzuschläge vor. Diese Zuschläge treten neben das Tabellenentgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung. Sie betragen je Stunde einen bestimmten Prozentsatz des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe:
1 2 3 4 5 6
Baeck/Deutsch, ArbZG, § 2 Rz. 52, 54. BAG v. 26.11.1992 – 6 AZR 455/91, NZA 1993, 659. BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 799/06, NZA 2007, 1108. BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 799/06, NZA 2007, 1108. BAG v. 21.12.1982 – 1 ABR 14/81, DB 1983, 611. BAG v. 31.1.2001 – 1 ABR 36/00, NZA 2001, 741. Brock
371
Teil 3 L
Rz. 162
Arbeitszeitrecht
§ 8 Abs. 1 Satz 2 TVöD und TV-L sehen dafür folgende Prozentsätze vor: Überstunden bis Entgeltgruppe 9
30 %
Überstunden ab Entgeltgruppe 10
15 %
Nachtarbeit
20 %
Sonntagsarbeit
25 %
Feiertagsarbeit ohne Freizeitausgleich
135 %
Feiertagsarbeit mit Freizeitausgleich
35 %
Arbeit am 24. Dezember und am 31. Dezember jeweils ab 6 Uhr
35 %
Arbeit an Samstagen von 13 bis 21 Uhr, soweit diese nicht im Rahmen von Wechselschicht- oder Schichtarbeit anfällt
20 %
162
Die Besonderen Teile des TVöD enthalten zT Abweichungen. So bestimmt § 50 TVöD BT-K, dass für Beschäftigte iSd. § 38 Abs. 5 Satz 1 TVöD, also für Angestellte, der Zuschlag für Nachtarbeit nur 1,28 Euro und für Arbeit an Samstagen von 13 bis 21 Uhr nur 0,64 Euro je Stunde beträgt. Für Arbeiter bleibt es dagegen bei der allgemeinen Regelung. Diese unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten ist gemessen an der bisherigen Rechtsprechung zur Gleichbehandlung dieser Beschäftigungsgruppen1 sachlich kaum zu rechtfertigen2.
163
Bemessungsgrundlage bei den dynamisch ausgestalteten Zuschlägen ist immer Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe des Beschäftigten, unabhängig davon, in welcher Stufe sich der Beschäftigte tatsächlich befindet. Dass Zeitzuschläge „je Stunde“ gezahlt werden, bedeutet nicht, dass nur volle Stunden eine Zuschlagspflicht auslösen. Ist die tatsächliche Arbeitsleistung geringer als eine volle Zeitstunde, werden die Zuschläge anteilig bezahlt3.
164
Für die Feiertagsarbeit hängt die Zuschlagshöhe davon ab, ob ein Freizeitausgleich gewährt wird. Die Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD trifft nur eine rudimentäre Regelung zum Freizeitausgleich. Er muss nicht besonders im Dienstplan ausgewiesen und bezeichnet werden. Falls kein Freizeitausgleich gewährt wird, werden als Entgelt einschließlich des Zeitzuschlags und des auf den Feiertag entfallenden Tabellenentgelts höchstens 235 % gezahlt4.
165
Für Überstunden sieht der TVöD dagegen grundsätzlich keinen Freizeitausgleich vor. Neben den Überstundenzuschlag tritt hier das Entgelt für 1 Vgl. u.a. BVerfG v. 16.11.1982 – 1 BvL 36/79, DB 1983, 450; BAG v. 12.10.2005 – 10 AZR 640/04, NZA 2004, 1418 (Weihnachtsgeld). 2 Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (638). 3 Rundschreiben des BMI v. 22.12.2005, abgedruckt bei Sponer/Steinherr, Vorbemerkung zu § 8 TVöD, S. 28.2.; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 8 Rz. 9. 4 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 8 Rz. 3.
372 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 170
Teil 3 L
die tatsächliche Arbeitsleistung. Dieses bemisst sich nach der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD nach der jeweiligen Entgeltgruppe und der individuellen Stufe, höchstens aber nach Stufe 4. Auf Wunsch des Beschäftigten kann aber über §§ 8 Abs. 1 Satz 4, 5 TVöD auch ein Freizeitausgleich gewählt werden, wenn ein Arbeitszeitkonto gemäß § 10 TVöD eingerichtet ist und die betrieblichen Verhältnisse dies zulassen. Eine andere Regelung trifft der TV-L in § 8 Abs. 2: Überstunden sind grund- 166 sätzlich durch entsprechende Freizeit auszugleichen. Für die Zeit des Freizeitausgleichs werden dann das Tabellenentgelt sowie die sonstigen, in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt. Wenn kein Arbeitszeitkonto eingerichtet ist oder wenn der Beschäftigte keine Faktorisierung geltend macht, erhält er für Überstunden, die nicht bis zum Ende des dritten Kalendermonats – möglichst aber schon bis zum Ende des nächsten Kalendermonats – nach deren Entstehen mit Freizeit ausgeglichen worden sind, je Stunde 100 % des auf die Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe, höchstens jedoch nach der Stufe 4. Der Anspruch auf den Zeitzuschlag besteht nach § 8 Abs. 2 Satz 4 TV-L unabhängig von dieser Regelung. Das Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge regelt § 8 Abs. 1 Satz 3 167 TVöD. Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Vorfest- und Samstagsarbeit (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c–f) können nicht kumuliert werden. Es wird immer nur der höchste Zeitzuschlag gezahlt. Andere Zeitzuschläge, zB beim Zusammentreffen von Nachtarbeit mit Überstunden, werden zusammengerechnet1. § 8 Abs. 1 Satz 4 TVöD/TV-L ermöglicht den Beschäftigten, Zeitzuschläge 168 in Zeit umzuwandeln und auf einem Arbeitszeitkonto gemäß § 10 TVöD gutzuschreiben. Die Zeitgutschrift ist entsprechend dem jeweiligen Prozentsatz einer Stunde festzusetzen, so dass zB ein 25 %-iger Zuschlag in 15 Minuten umzurechnen ist. Diese Umwandlung in Freizeitausgleich hat drei Voraussetzungen: – Sie muss dem Wunsch des Beschäftigten entsprechen, – ein Arbeitszeitkonto muss eingerichtet sein, und – die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse müssen die Umwandlung zulassen. Satz 5 erstreckt diese Umwandlungsmöglichkeit auch auf das Überstundenentgelt.
169
b) Mehrarbeit, § 8 Abs. 2 TVöD § 8 Abs. 2 TVöD regelt den Ausgleich von Mehrarbeit, also von Arbeitsstunden, die keine Überstunden iSd. § 7 Abs. 7 und 8 TVöD sind. Das betrifft vor allem solche Arbeitsstunden, die nicht gem. § 6 Abs. 2 TVöD im 1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 8 Rz. 6. Brock
373
170
Teil 3 L
Rz. 171
Arbeitszeitrecht
Ausgleichszeitraum durch Freizeit ausgeglichen wurden. Die geleistete Mehrarbeit geht für die Beschäftigten nicht verloren, sondern wird vergütet: Die Beschäftigten erhalten je Stunde 100 % des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts ihrer jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe. 171
Bedeutung hat die Norm auch für Mehrarbeit Teilzeitbeschäftigter (vgl. § 7 Abs. 6 TVöD): Da Überstunden erst vorliegen, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird, sind die über die individuelle Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden bis zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten nicht gem. § 8 Abs. 1 TVöD zuschlagspflichtige Überstunden. Die Arbeitszeit wird ohne Zuschläge gem. § 8 Abs. 2 TVöD bezahlt.
172
Nicht anwendbar ist § 8 Abs. 2 TVöD nach einer Protokollerklärung auf Arbeitsstunden, die im Rahmen von Gleitzeitmodellen anfallen, es sei denn, diese wurden angeordnet. Dies trägt den Besonderheiten der Gleitzeit Rechnung, bei der idR ohne Anordnung des Arbeitgebers ein Guthaben an Arbeitsstunden angesammelt wird. Entsprechend hat der Beschäftigte selbst darüber zu wachen, dass die angesammelten Stunden abgebaut werden. Ohne Anordnung der Mehrarbeit erhält er deshalb weder eine Vergütung für Mehrarbeit noch Überstundenzuschläge.
173
§ 8 Abs. 4 TV-L enthält eine identische Regelung für die Länder. c) Rufbereitschaft, § 8 Abs. 3 TVöD
174
Die Leistung von Rufbereitschaft wird gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 TVöD durch eine tägliche Pauschale in Abhängigkeit von der Entgeltgruppe ausgeglichen. Diese beträgt – für die Tage von Montag bis Freitag das Zweifache – für Samstage, Sonn- und Feiertage das Vierfache des tariflichen Stundenentgelts nach Maßgabe der Entgelttabelle (zur nur stundenweise Rufbereitschaft siehe unten Rz. 178).
175
Für die Bemessung der Pauschale ist nach § 8 Abs. 3 Satz 3 TVöD der Tag maßgeblich, an dem die Rufbereitschaft beginnt. Bei einer freitags beginnenden Rufbereitschaft wird also auch dann nur das zweifache Stundenentgelt gezahlt, wenn die Bereitschaft bis Samstag andauert. Ergänzend bestimmt eine Protokollerklärung zu § 8 Abs. 3 TVöD, dass zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen ist. Für angebrochene Folgetage wird deshalb keine Pauschale gezahlt1. In einer Niederschriftserklärung wird dies durch folgendes Beispiel erläutert: „Beginnt eine Wochenendrufbereitschaft am Freitag um 15 Uhr und endet am Montag um 7 Uhr, so erhalten die Beschäftigten folgende Pauschalen: Zwei Stunden für Frei1 Sponer/Steinherr/Sponer, TVöD, § 8 Rz. 89.
374 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 179
Teil 3 L
tag, je vier Stunden für Samstag und Sonntag, keine Pauschale für Montag. Sie erhalten somit zehn Stundenentgelte.“ Kommt es innerhalb einer Rufbereitschaft zum Abruf von Arbeit, wird die- 176 se gem. § 8 Abs. 3 Satz 4 TVöD gesondert vergütet: Für die Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten wird jede angefangene Stunde auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden sowie etwaiger Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 TVöD bezahlt. Bei mehreren Arbeitseinsätzen innerhalb einer Rufbereitschaft, ist dem Wortlaut entsprechend jede Inanspruchnahme isoliert zu betrachten und zu runden1. Zwei je eineinhalbstündige Einsätze können daher nicht zunächst aufaddiert werden, um auf diese Weise die Rundung zu vermeiden2. Etwas anderes gilt gemäß § 8 Abs. 3 Satz 5 TVöD, der durch Änderungstarifvertrag vom 31.3.2008 eingefügt wurde, wenn die Arbeitsleistung am Aufenthaltsort gemäß § 7 Abs. 4 TVöD erbracht wird, etwa per Telefon oder E-Mail: In diesem Fall wird, anders als bei § 8 Abs. 3 Satz 4 TVöD erst addiert und dann gerundet. Aus zwei eineinhalbstündigen Einsätzen wird eine Arbeitszeit von drei Stunden und nicht, wie bei der vorherigen Rundung gemäß Satz 4, von vier Stunden3. § 8 Abs. 3 Satz 6 TVöD räumt den Beschäftigten die Möglichkeit ein, die Vergütung für die Rufbereitschaft in Zeit auf ein Arbeitszeitkonto gemäß § 10 TVöD zu buchen, wenn ein solches betrieblich eingerichtet ist und die Betriebs-/Dienstvereinbarung die Buchung dieser Kontingente freigegeben hat (§ 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD).
177
Für eine nur stundenweise Rufbereitschaft, die keine tägliche Pauschale 178 zulässt, treffen die Sätze 7–9 des § 8 Abs. 3 TVöD eine Sonderregelung. Die tägliche Pauschale nach Satz 1 wird nur für eine ununterbrochene Rufbereitschaft von mehr als zwölf Stunden gezahlt. Unter dieser Grenze wird die stundenweise Rufbereitschaft nach Satz 8 vergütet, indem für jede Stunde der Rufbereitschaft 12,5 % des tariflichen Stundenentgelts nach Maßgabe der Entgelttabelle gezahlt werden. § 8 Abs. 5 TV-L trifft eine weitgehend identische Regelung für die Ruf- 179 bereitschaft. Als wichtigste Abweichung wurde hier die Rundungsvorschrift für Arbeitseinsätze während der Rufbereitschaft aber wie folgt konkretisiert: Bei Einsätzen außerhalb des Aufenthaltsortes wird die Zeit jeder einzelnen Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden sowie etwaiger Zeitzuschläge nach Absatz 1 gezahlt (Satz 5). Wird die Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereit1 LAG Rh.-Pf. v. 14.6.2007 – 11 Sa 57/07, ZTR 2007, 548; LAG München v. 21.2.2008 – 4 Sa 942/07, juris; Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 8 Rz. 12; Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (630). 2 So aber LAG Nürnberg v. 26.7.2007 – 7 Sa 891/06, ZTR 2007, 549; Sponer/Steinherr/Sponer, TVöD, § 8 Rz. 95, wie hier BAG v. 24.9.2009 – 6 AZR 259/08 – ZTR 2009, 22. 3 Vgl. Wahlers, ZTR 2009, 465 (470). Brock
375
Teil 3 L
Rz. 180
Arbeitszeitrecht
schaft dagegen am Aufenthaltsort telefonisch oder mittels technischer Einrichtungen erbracht, wird abweichend von Satz 5 die Summe dieser Arbeitsleistungen am Ende des Rufbereitschaftsdienstes auf die nächsten vollen 30 oder 60 Minuten gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden sowie etwaiger Zeitzuschläge nach Absatz 1 bezahlt. Dauert die Rufbereitschaft länger als 24 Stunden, erfolgt die Aufrundung nach jeweils 24 Stunden. d) Bereitschaftsdienst, § 8 Abs. 4 TVöD 180
Das Entgelt für Bereitschaftsdienste überlassen § 8 Abs. 4 TVöD und § 8 Abs. 6 TV-L einer Regelung durch gesonderte Tarifverträge. Bis zum Inkrafttreten solcher Regelungen gelten zunächst die bisher in dem jeweiligen Betrieb/der jeweiligen Verwaltung/Dienststelle geltenden Bestimmungen fort. e) Schichtzulagen, § 8 Abs. 5, 6 TVöD
181
Die besondere Belastung durch Wechselschicht- und Schichtarbeit wird gemäß § 8 Abs. 5 und 6 TVöD durch Zulagen ausgeglichen. Im TV-L findet sich eine gleichlautende Regelung in § 8 Abs. 7 und 8. Für Beschäftigte, die ständig diese Arbeitsformen leisten, betragen die Zulagen – 105 Euro monatlich bei ständiger Wechselschichtarbeit – 40 Euro monatlich bei ständiger Schichtarbeit.
182
Wird nicht ständig Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit geleistet, wird stattdessen eine Zulage in Höhe von 0,63 Euro (Wechselschicht) bzw. von 0,24 Euro (Schichtarbeit) pro Stunde gezahlt.
183
Vom Vorliegen „ständiger“ Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit ist erst auszugehen, wenn der Beschäftigte „dauernd“ bzw. „fast ausschließlich“ in Schicht bzw. Wechselschicht arbeitet1. Das BAG verlangte zur Vorgängerregelung im BAT einen mindestens zehnwöchigen Zeitraum2. Nachdem mit der Tarifreform der Anknüpfungspunkt des BAG für einen Zehnwochenzeitraum in § 33a Abs. 1 BAT entfallen ist, wird man wegen der Monatsbezogenheit der Pauschale nun mindestens einen Zeitraum von zwei Monaten Schicht- bzw. Wechselschichtarbeit verlangen müssen3. Eine Unterbrechung durch Arbeitsbefreiung, Freizeitausgleich, bezahlten Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen des § 22 TVöD ist laut Protokollerklärung zu § 27 TVöD für das Vorliegen ständiger Wechselschichtarbeit unschädlich. Zur umstrittenen Frage, ob Schichtzulagen bei Teilzeitbeschäftigten anteilig zu kürzen sind, siehe unten Rz. 214.
1 BAG v. 16.8.2000 – 10 AZR 512/99, ZTR 2001, 28; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 8 Rz. 50; Sponer/Steinherr/Sponer, TVöD, § 8, Rz. 114. 2 BAG v. 16.8.2000 – 10 AZR 512/99, ZTR 2001, 28. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 8 Rz. 51; Sponer/Steinherr/ Sponer, TVöD, § 8, Rz. 118; Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (635).
376 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 188
Teil 3 L
4. Sonderregelungen für den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Wegen der besonderen praktischen Bedeutung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften für den Betrieb von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen enthalten die weitgehend identischen Vorschriften in §§ 45–47 TVöD BT-K und BT-B für diese Arbeitsformen Sonderregelungen. Diese Besonderen Teile sind arbeitgeberseitig nur abgeschlossen worden im Bereich der VKA, nicht aber vom Bund.
184
a) Bereitschaftsdienst Die Besonderen Teile enthalten in § 45 Abs. 1 Satz 1 eine mit dem Allgemeinen Teil des TVöD identische Definition des Bereitschaftsdienstes. Während die Anordnungsbefugnis dort aber unbeschränkt ist, darf der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des BT-K und BT-B Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt, § 45 Abs. 1 Satz 2 TVöD BT-K/BT-B. Die arbeitsfreie Zeit überwiegt, wenn die Arbeitsleistung unter 50 % liegt1.
185
§ 45 Abs. 2 TVöD BT-K/BT-B macht von der durch § 7 Abs. 1 ArbZG eröff- 186 neten Möglichkeit Gebrauch, die tägliche Arbeitszeit auf maximal 16 Stunden täglich zu verlängern. Voraussetzung dafür ist, dass mindestens die acht Stunden überschreitende Zeit im Rahmen von Bereitschaftsdienst geleistet wird. Der Umfang einer möglichen Verlängerung richtet sich nach den in § 46 Abs. 1 TVöD BT-K/BT-B geregelten Belastungsstufen und damit der durchschnittlichen Inanspruchnahme während des Bereitschaftsdienstes. § 46 Abs. 3 TVöD BT-K/BT-B enthält eine Öffnungsklausel und ermöglicht so weitere Abweichungen vom ArbZG durch Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung oder landesbezirkliche Tarifverträge. Voraussetzung für solche Vereinbarungen ist aber die Prüfung alternativer Arbeitszeitmodelle, eine Belastungsanalyse gemäß § 5 ArbSchG und ggf. daraus resultierende Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes.
187
Unter den gleichen Voraussetzungen können die Betriebsparteien gemäß 188 § 46 Abs. 4 TVöD BT-K/BT-B von der Abweichungsmöglichkeit in § 7 Abs. 2a ArbZG Gebrauch machen und die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich auf bis zu 58 Stunden erhöhen, sog. „Opt-out-Regelung“. Dies ist nach § 7 Abs. 7 ArbZG aber abhängig von einer schriftlichen Einwilligung des Arbeitnehmers. Wegen Zweifeln an der Europarechtmäßigkeit des § 7 Abs. 2a ArbZG2 haben die Tarifvertragsparteien in § 47 ein Sonderkündigungsrecht für die Regelungen zum Bereitschaftsdienst und zur Rufbereitschaft für den Fall materiell-rechtlicher Änderungen des ArbZG vereinbart. 1 Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Baßler, TVöD/TV-L, § 45 TVöD-BT-K Rz. 1. 2 ErfK/Wank, § 7 ArbZG Rz. 18; Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Dannenberg, § 45 BT-K Rz. 43. Brock
377
Teil 3 L
Rz. 189
Arbeitszeitrecht
189
Neben diesen speziellen Abweichungsmöglichkeiten der Spartentarifverträge bleibt auch die allgemeine Öffnungsklausel in § 6 Abs. 4 TVöD anwendbar, wie § 45 Abs. 9 TVöD BT-K klarstellt.
190
In § 46 enthalten die Tarifverträge eine eigene Regelung für das Bereitschaftsdienstentgelt. Gemäß § 46 Abs. 1 TVöD BT-K wird zur Entgeltberechnung nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit nur teilweise als Arbeitszeit gewertet. Je nach Stufe werden 60–90 % als Arbeitszeit gewertet und vergütet. Diese Bewertung hat weder Einfluss auf die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit noch auf die arbeitszeitrechtliche Behandlung des Bereitschaftsdienstes, sondern ist lediglich Grundlage für die Entgeltberechnung. Die Stufenzuweisung erfolgt nach § 46 Abs. 2 Satz 1 TVöD BT-K grundsätzlich durch die Betriebsparteien, nur bei Ärzten wird hierzu eine Nebenabrede im Arbeitsvertrag getroffen. Alternativ zur Auszahlung besteht wiederum die Möglichkeit, das Bereitschaftsdienstentgelt in Freizeit abzugelten. Abweichende Regelungen zum Bereitschaftsdienstentgelt treffen § 46 TVöD BT-B und die §§ 41–43 TV-L. b) Rufbereitschaft
191
Im Vergleich zum Allgemeinen Teil des TVöD schränkt § 45 Abs. 8 TVöD BT-K/BT-B auch die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers für Rufbereitschaften ein. Rufbereitschaft darf nur angeordnet werden, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. § 45 Abs. 8 Satz 2 TVöD BT-K/BT-B enthält eine unmittelbare Abweichung vom ArbZG auf der Grundlage von § 7 Abs. 2 Nr. 3 ArbZG: Danach darf durch tatsächliche Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft die tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden überschritten werden.
192
Die Vergütung der Rufbereitschaft richtet sich nach der allgemeinen Regelung in § 8 Abs. 3 TVöD. 5. Sonderregelung für Bereitschaftszeiten, § 9 TVöD a) Begriff
193
Neben die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit stattfindenden Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste treten die während der regelmäßigen Arbeitszeit anfallenden Bereitschaftszeiten gem. § 9 TVöD/TV-L. Bereitschaftszeiten gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 TVöD sind Zeiten, in denen sich der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen, und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen, der Anteil der Arbeitsleistung an der Arbeitszeit also 49 % nicht überschreitet1. Durch diese Tarifnorm wurde der früher im BAT verwandte Begriff der Arbeitsbereitschaft neu geregelt. 1 Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Cerff, TVöD/TV-L, § 9 Rz. 7.
378 Brock
VIII. Sonderformen der Arbeit
Rz. 196
Teil 3 L
Unter Arbeitsbereitschaft wird in Abgrenzung zur Vollarbeit ein Zustand „wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung“1 verstanden. Typische Beispiele sind die Tätigkeiten von Hausmeistern und von Beschäftigten im Rettungsdienst (vgl. hierzu die Sonderregelung für diese Berufsgruppen im Anhang zu § 9 TVöD), die während ihrer Arbeitszeit nur zeitweilig aktiv in Anspruch genommen werden, sich überwiegend aber lediglich für Arbeitseinsätze bereithalten. Im Unterschied zu Bereitschaftszeiten muss ein Arbeitnehmer in Bereit- 194 schaftsdienst oder Rufbereitschaft nicht von sich aus tätig werden, sondern wird aus der Bereitschaft durch Dritte zur Arbeitsleistung aufgefordert, weshalb dort auch kein Zustand „wacher Aufmerksamkeit“ erforderlich ist2. b) Geltungsbereich Diese Sonderregelungen für Bereitschaftszeiten sind nur auf Beschäftigte 195 anwendbar, in deren Tätigkeit „regelmäßig“ und „in nicht unerheblichem Umfang“ Bereitschaftszeiten fallen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 TVöD). § 9 Abs. 1 Satz 3 TVöD setzt ergänzend voraus, dass es sich um eine nicht nur vorübergehend angelegte Organisationsmaßnahme handeln muss, bei der regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten anfallen: Die Organisation des Betriebs bzw. der Dienststelle muss auf Dauer so angelegt sein, dass regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten anfallen3. Zur Bestimmung der Begriffe „regelmäßig“ und „in nicht unerheblichem 196 Umfang“ kann an die zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ArbZG entwickelte Auslegung angeknüpft werden. „Regelmäßig“ sind Bereitschaftszeiten, wenn sie nicht nur ausnahmsweise, sondern immer wieder anfallen und sich laufend mit Zeiten der Vollarbeit abwechseln4. Ein erheblicher Umfang der Bereitschaftszeiten kann ab einem Anteil von 25 % an der Gesamtarbeitszeit vorliegen. In der Vergütungsordnung zum BAT sollte der Umfang einer Tätigkeit „nicht unerheblich“ sein, wenn er etwa ein Viertel der Gesamttätigkeit ausmacht5. Bezugsgröße ist hierbei nicht die regelmäßige Arbeitszeit iSd. § 6 TVöD, sondern die bereits nach § 9 TVöD verlängerte Arbeitszeit des Beschäftigten6.
1 BAG v. 12.2.1986 – 7 AZR 358/84, DB 1987, 995; BAG v. 10.1.1991 – 6 AZR 352/89, NZA 1991, 516. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7 Rz. 28 und § 9 Rz. 4; Bepler/ Böhle/Martin/Stöhr/Sickert, TVöD, § 9 Rz. 14. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 9 Rz. 16. 4 Baeck/Deutsch, TVöD, § 7 Rz. 49; ErfK/Wank, § 7 ArbZG Rz. 4. 5 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 9 Rz. 7; Bepler/Böhle/Martin/ Stöhr/Sickert, TVöD, § 9 Rz. 26 (20–25 %); ErfK/Wank, § 7 ArbZG Rz. 6; Baeck/ Deutsch, ArbZG, § 7 Rz. 51. 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 9 Rz. 8; Bepler/Böhle/Martin/ Stöhr/Sickert, TVöD, § 9 Rz. 26. Brock
379
Teil 3 L
Rz. 197
Arbeitszeitrecht
c) Faktorisierung der Bereitschaftszeiten, § 9 Abs. 1 Satz 2 TVöD 197
Die geringere Belastung durch Bereitschaftszeiten wird gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD ausgeglichen, indem diese Zeiten faktorisiert und nur zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet werden. Das gilt dann unabhängig vom tatsächlichen Umfang der Arbeitsleistung in der Bereitschaftszeit und hat zur Folge, dass sich die Anwesenheitszeiten des Beschäftigten entsprechend verlängern. Die Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD). Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf allerdings die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 TVöD nicht überschreiten und die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten, um Verstöße gegen § 3 ArbZG zu vermeiden1. d) Mitbestimmung aa) VKA, § 9 Abs. 2 TVöD
198
Anwendbar ist die Faktorisierungsmöglichkeit im Bereich der VKA und im Geltungsbereich eines Personalvertretungsgesetzes nur, wenn eine einvernehmliche Dienstvereinbarung dies vorsieht, § 9 Abs. 2 TVöD. Das Freiwilligkeitserfordernis schließt gem. § 38 Abs. 3 TVöD die Entscheidung durch die Einigungsstelle aus. § 6 Abs. 9 TVöD entsprechend, kann alternativ eine Regelung in landesbezirklichen Tarifverträgen getroffen werden, wenn eine einvernehmliche Dienstvereinbarung nicht zustande kommt und der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht hat. Gleiches gilt gemäß § 9 Abs. 2 TV-L für die Länder.
199
Im Geltungsbereich des BetrVG gilt das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG2. Freiwilligkeit ist nicht erforderlich, die Einigungsstelle kann entscheiden3. bb) Bund, § 9 Abs. 3 TVöD
200
Im Bereich des Bundes gilt die Bereitschaftszeitenregelung, wenn betrieblich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit unter Einschluss der Bereitschaftszeiten für diese Beschäftigungsgruppen festgelegt werden. Beginn und Ende der Arbeitszeit werden regelmäßig durch Dienstvereinbarung festgelegt (§ 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG), die auch durch die Einigungsstelle erzwungen werden können. Eine einvernehmliche Dienstvereinbarung ist nicht Voraussetzung4.
1 Zur Berechnung, zur Darlegungslast und zur Vergütung von Überstunden vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 25.9.2008 – 4 Sa 382/07, juris. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 9 Rz. 17. 3 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Sickert, § 9 TVöD Rz. 92 f. 4 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Sickert, § 9 TVöD, Rz. 96 f.
380 Brock
IX. Teilzeitbeschäftigung
Rz. 206
Teil 3 L
e) Sondervorschriften für Hausmeister und Beschäftigte im Rettungsdienst und in Leitstellen im Anhang zu § 9 TVöD Für die Bereitschaftszeiten von Hausmeistern und Beschäftigten im Ret- 201 tungsdienst und in Leitstellen trifft der Anhang zu § 9 TVöD Sonderregelungen. Der TV-L trifft für diese Beschäftigungsgruppen eine ähnliche Reglung als Absatz 3 des § 9 TV-L. Diesen Sonderregelungen ist gemeinsam, dass sie unmittelbar geltendes 202 Recht sind und keiner Umsetzung durch Dienst- und Betriebsvereinbarungen bedürfen. Außerdem gilt der Ausschluss der Bereitschaftszeitenregelung bei Wechselschicht- und Schichtarbeit nach der Protokollerklärung zu § 9 nicht für diese Arbeitnehmer1. Hier können also trotz Schicht- und Wechselschichtarbeit Bereitschaftszeiten faktorisiert werden. Die Regelung für Hausmeister beschränkt sich auf diese beiden Funktionen und enthält inhaltlich keine Abweichung gegenüber der Grundregelung in § 9 Abs. 1 TVöD.
203
Für die Beschäftigten im Rettungsdienst und in den Leitstellen wird zu- 204 sätzlich die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen verlängert. Hierdurch wird von der Öffnungsklausel in § 7 Abs. 1 Buchst. a ArbZG Gebrauch gemacht. Die veränderte arbeitszeitrechtliche und tarifrechtliche Einordnung von 205 Bereitschaftszeiten hat die Frage neu aufgeworfen, ob in Rettungswachen Wechselschichtarbeit iSd. § 7 Abs. 1 TVöD geleistet wird. Wechselschichten liegen nach dieser Definition nur vor, wenn im Betrieb ununterbrochen gearbeitet wird. Das BAG hat unter Arbeit in diesem Sinne bisher nur die volle Arbeitsleistung verstanden. Es sollte nicht ausreichen, wenn im Organisationsbereich des Beschäftigten zu bestimmten Zeiten ausschließlich Bereitschaftsdienste oder Arbeitsbereitschaft geleistet werden2, wie es in Rettungswachen häufig der Fall ist. Für Bereitschaftszeiten gem. § 9 TVöD entscheidet das BAG jetzt aber anders und bejaht die Wechselschichtarbeit.
IX. Teilzeitbeschäftigung Die Teilzeitbeschäftigung richtet sich auch im öffentlichen Dienst nach 206 dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Die wichtigste Regelung der Tarifverträge zur Teilzeit ist der in § 11 TVöD/TV-L eingeräumte Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, der neben den allgemeinen Teilzeitanspruch aus § 8 TzBfG tritt.
1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, Anhang zu § 9 Rz. 1, 2. 2 BAG v. 24.9.2008 – 10 AZR 669/07, NZA 2009, 45. BAG v. 5.2.1997 – 10 AZR 639/96, NZA 1997, 1179 zu § 33a Abs. 1 BAT. Brock
381
Teil 3 L
Rz. 207
Arbeitszeitrecht
1. Tarifrechtlicher Teilzeitanspruch a) Änderungen von § 15b BAT zu § 11 TVöD 207
§ 11 TVöD entspricht weitgehend der Vorgängerregelung in § 15b BAT. § 11 TVöD gibt nun auch bereits teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern einen Anspruch auf (weitere) Verringerung der Arbeitszeit1, während die Vorgängerregelung ihrem Wortlaut nach nur Vollzeitbeschäftigten diese Möglichkeit einräumte. Gem. § 11 Satz 4 TVöD hat der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitszeit im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation des Beschäftigten Rechnung zu tragen.
208
§ 11 TVöD tritt in seiner Reichweite regelmäßig hinter den allgemeinen gesetzlichen Teilzeitanspruch gem. § 8 TzBfG zurück. Nur in seltenen Fällen geht § 11 TVöD über den gesetzlichen Anspruch hinaus2; der tarifliche Teilzeitanspruch ist nicht wartezeitgebunden und er kann befristet werden3. Das Ablehnungsrecht des Arbeitgebers wird auf „dringende“ betriebliche Gründe beschränkt; der Unterschied wird durch die strengen Prüfungsmaßstäbe der Arbeitsgerichte zu § 8 TzBfG verwischt. b) Voraussetzungen
209
Der Teilzeitanspruch setzt nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVöD voraus, dass der Beschäftigte mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Liegt keine dieser Sondersituationen vor, kann der Beschäftigte nach § 11 Abs. 2 TVöD nur verlangen, dass der Arbeitgeber mit ihm die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung erörtert.
210
Beruht das Teilzeitverlangen auf einer Betreuungssituation iSd. § 11 Abs. 1 Satz 1 TVöD, ist die Ablehnung des Teilzeitverlangens die Ausnahme. Im Streitfall trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die „dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Belange“, die er dem Teilzeitbegehren entgegenhält. Die Prüfung des dringenden Belanges orientiert sich an der Rechtsprechung des BAG zu § 8 TzBfG4. c) Befristung der Teilzeittätigkeit
211
Auf Antrag ist die Teilzeitbeschäftigung auf bis zu fünf Jahre zu befristen, § 11 Abs. 1 Satz 2 TVöD. § 11 Abs. 1 Satz 3 TVöD ermöglicht für diesen Fall eine Verlängerung, wenn spätestens sechs Monate vor Ablauf der Teilzeitbeschäftigung ein entsprechender Antrag gestellt wird. Die Befristung 1 2 3 4
BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, ZTR 2004, 143. Feldhoff, ZTR 2006, 58 (62 f.). BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, ZTR 2004, 143. BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, NZA 2005, 108; BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 321/06, ZTR 2008, 166; BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, NZA 2003, 1392; BAG v. 21.6.2004 – 9 AZR 409/04, NZA 2006, 316.
382 Brock
IX. Teilzeitbeschäftigung
Rz. 214
Teil 3 L
entspricht dem Interesse des Arbeitnehmers, sich eine Rückkehr in die Vollbeschäftigung offen zu halten. Ohne eine Befristungsabrede hat der Beschäftigte lediglich den in § 11 Abs. 3 TVöD eingeräumten Anspruch, bei späterer Besetzung eines Vollzeitarbeitsplatzes bei gleicher Eignung im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten bevorzugt berücksichtigt zu werden. 2. Vergleichsentgeltermittlung für Teilzeitbeschäftigte Die Vergütung Teilzeitbeschäftigter wird in § 24 Abs. 2 TVöD geregelt: So- 212 weit tarifvertraglich nichts anderes geregelt ist, erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Für die Berechnung der zeitratierlichen Kürzung des Entgelts wird das Vollzeitentgelt durch die regelmäßige Arbeitszeit in Wochenstunden dividiert und anschließend mit der individuellen Arbeitszeit des Teilzeitbeschäftigten in Wochenstunden multipliziert1. Ein Teilzeitbeschäftigter mit 50 % der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit erhält demgemäß nur 50 % des Tabellenentgelts und grundsätzlich aller sonstigen Entgeltbestandteile. Die ratierliche Kürzung gilt auch für tarifliche Zusatzleistungen wie Urlaubsgeld, Zuwendungen oder vermögenswirksame Leistung2. Gegen den Wortlaut der Tarifnorm, welche die anteilige Kürzung – nur vor- 213 behaltlich anderweitiger tariflicher Regelungen – auf sämtliche Vergütungsbestandteile erstreckt, muss aufgrund des Diskriminierungsverbots gem. § 4 Satz 1 TzBfG eine Leistungskürzung für solche Entgeltbestandteile Teilzeitbeschäftigter ausscheiden, bei denen die Dauer der Arbeitszeit für die Leistungsbemessung keine Rolle spielt. Denn dann fehlen sachliche Gründe für eine Kürzung des jeweiligen Vergütungsbestandteils. Dies gilt zB für Reisekosten3. Lebhaft umstritten ist, ob auch eine anteilige Kürzung der Wechselschicht- 214 zulage eine unzulässige Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ist. Das BAG hielt die anteilige Kürzung der Wechselschichtzulage gem. § 33a Abs. 1 BAT für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG4. Diese Rechtsprechung wurde teilweise fortgeführt, so dass Teilzeitbeschäftigte auch nach Inkrafttreten des TVöD einen Anspruch auf die volle Wechselschichtzulage hatten5: Die Wechselschichtzulage stelle pauschalierend und arbeits1 2 3 4 5
Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger/Neffke, TVöD, § 24 Rz. 11. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 11 Rz. 83. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 11 Rz. 83. BAG v. 23.6.1993 – 10 AZR 127/92, NZA 1994, 41. LAG Düsseldorf v. 15.5.2007 – 8 Sa 405/07, ZTR 2007, 615; LAG Schl.-Holst. v. 30.5.2007 – 5 Sa 59/07, juris; LAG Bremen v. 17.7.2007 – 1 Sa 49/07, juris; LAG Düsseldorf v. 2.8.2007 – 5 Sa 682/07, juris; LAG Nds. v. 9.10.2007 – 5 Sa 446/07, juris; LAG Bremen v. 29.1.2008 – 1 Sa 138/07, juris; ebenso Bepler/Böhle/Martin/ Stöhr/Welkoborsky, TVöD, § 8 Rz. 18. Brock
383
Teil 3 L
Rz. 214
Arbeitszeitrecht
zeitunabhängig auf die besonderen Belastungen durch die Wechselschicht ab; diese Belastungen träfen auch Teilzeitbeschäftigte voll und nicht nur teilweise. Eine Kürzung verstoße gegen das Diskriminierungsverbot. Dem hat sich das BAG nicht angeschlossen und eine zeitanteilige Kürzung der Wechselschichtzulage für zulässig gehalten. Die Wechselschichtzulage ist allerdings, wie auch die Stundenzulage bei nicht ständiger Wechselschichtarbeit in § 8 Abs. 6 Satz 2 TVöD zeigt, als arbeitszeitabhängige Leistung ausgestaltet, so dass die arbeitszeitabhängige Kürzung sachlich gerechtfertigt ist1.
1 BAG v. 24.9.2008 – 10 AZR 634/07, ZTR 2009, 18. LAG Hamm v. 10.5.2007 – 17 Sa 1890/06, ZTR 2007, 543; LAG Berlin-Brandenburg v. 22.6.2007 – 8 Sa 877/07, ZTR 2007, 615; LAG Hessen v. 28.8.2007 – 1 Sa 1872/06, juris; LAG Köln v. 19.11.2007 – 14 Sa 715/07, juris; zustimmend Peter, ZTR 2007, 646 (654); so auch Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 8 Rz. 54; Wahlers, ZTR 2009, 465 (471).
384 Brock
M. Urlaub Rz.
Rz.
1 2
IV. Sonderurlaub ohne Fortzahlung des Entgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
I. Erholungsurlaub . . . . . . . . . . . . . . 1. Neuregelung im TVöD . . . . . . . . . 2. Besitzstands- und Übergangsregelungen für den Erholungsurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
II. Arbeitsbefreiung . . . . . . . . . . . . . .
20
III. Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
V. 1. 2. 3.
Sonstige Regelungen . . . . . . . . . . . . . Bildungsurlaub. . . . . . . . . . . . . . . . . . § 45 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflegezeitgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 35 36
Schrifttum: Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD – Das neue Tarifrecht im öffentlichen Dienst, 2005; Fritz, Neues Tarifrecht für den öffentlichen Dienst – Teil 3, ZTR 2006, 2; Greger, Übertragung und Abgeltung von Urlaub bei Krankheit, ZTR 2009, 346; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, 2. Aufl. 2001; Oberthür/Becker, Streitfall „Pflege“ – Ausgewählte Problemstellungen des Pflegezeitgesetzes, ArbRB 2009, 77; Oberthür, Urlaubsanspruch bei Lanzeiterkrankung – Änderung der Rechtsprechung, ArbRB 2009, 150; Picker, Urlaub trotz Dauererkrankung: Die Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH und ihre Folgen, ZTR 2009, 230; Preis/Weber, Der Regierungsentwurf eines Pflegezeitgesetzes, NZA 2008, 82; Preis/Nehring, Das Pflegezeitgesetz, NZA 2008, 729.
I. Erholungsurlaub Durch Tarifvertrag kann von den Regelungen des BUrlG abgewichen wer- 1 den (§ 13 BUrlG), jedoch nicht von den Regelungen der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 BUrlG. Der Anspruch auf bezahlten Urlaub ist unabdingbar, eine Ausnahme für Tarifbeschäftigte vom Urlaubsanspruch ist nicht zulässig. Vom gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen gem. § 3 Abs. 1 BUrlG kann nicht zulasten, sondern nur zugunsten der Beschäftigten abgewichen werden1. Daneben gelten § 19 JArbSchG, § 17 MuSchG, § 17 BEEG und § 4 ArbPlSchG. Die Regelungen zu Urlaub und Arbeitsbefreiung befinden sich in §§ 26–29 TVöD. 1. Neuregelung im TVöD Vor Inkrafttreten des TVöD galt eine Unterteilung nach Vergütungsgruppen. Diese ist entfallen, die Anpassung betrifft alle Beschäftigten einheitlich. Das Recht des Erholungsurlaubs ist dem Recht des BUrlG angepasst worden2. Die Staffelung der Urlaubsdauer hängt von zwei verschiedenen Bemessungsfaktoren ab, dem Lebensalter (§ 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD) und der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit (§ 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD).
1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 13. 2 Conze, Rz. 1469. Grimm
385
2
Teil 3 M
Rz. 3
Urlaub
3
Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist für die Dauer des Erholungsurlaubs zunächst das Lebensalter entscheidend. Für Beschäftigte bis zum vollendeten 30. Lebensjahr beträgt die Urlaubsdauer 26 Arbeitstage, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage. Für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr maßgeblich, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird, § 26 Abs. 1 Satz 3 TVöD.
4
Zweiter Bemessungsfaktor ist die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit, § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD. Der TVöD bemisst die Dauer des Urlaubs nach der Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Kalendertage in der Woche, dabei ist unerheblich, an welchen Kalendertagen die Arbeit geleistet wird, es zählt allein die regelmäßige Arbeitszeit1. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend, wenn eine andere Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit vorliegt. Für Beschäftigte, die weniger als fünf Tage in der Woche arbeiten, vermindert sich der Urlaubsanspruch für jeden Arbeitstag, den sie im Verhältnis zu dem in der 5-Tage-Woche arbeitenden Mitarbeiter zusätzlich arbeitsfrei haben, im gleichen Verhältnis; für Beschäftigte, die an mehr als fünf Tagen arbeiten, erhöht er sich entsprechend. Die durchschnittliche Dauer der täglichen Arbeitszeit ist dabei unbeachtlich, daher haben Teilzeitbeschäftigte den gleichen Urlaubsanspruch wie Vollzeitbeschäftigte2. Der in § 48 Abs. 4 BAT geregelte Berechnungsfaktor von 1/260 ist weggefallen3.
5
Zur Berechnung des zustehenden Urlaubs für den Fall, dass eine kürzere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit als fünf Tage in der Woche vorliegt, ist folgende Formel anzuwenden: Zustehender Urlaub nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD abzüglich Zahl der in der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gegenüber der 5-Tage-Woche zusätzlich arbeitsfreien Tage, multipliziert mit dem zustehenden Tabellenurlaub geteilt durch 2504.
6
Falls eine längere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit als fünf Tage in der Woche vorliegt, ist folgende Formel anzuwenden: Zustehender Urlaub nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zuzüglich Zahl der in der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich zu leistenden Arbeitstage, die über die 5-Tage-Woche hinausgehen, multipliziert mit dem zustehendem Tabellenurlaub geteilt durch 2505. Praktisch ist dies weniger bedeutsam, da seit Einführung der 38,5- bzw. 39-Stunden-Woche eine andere Arbeitszeitverteilung als auf fünf Tage in der Woche zum Ausnahmefall geworden ist6.
7
Wenn sich bei der Berechnung von Urlaubsansprüchen Bruchteile eines Tages ergeben, ist auf einen vollen Urlaubstag aufzurunden, § 26 Abs. 1 Satz 5 1 2 3 4 5 6
Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 62. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 141. Kuner, Der neue TVöD, Rz. 330a. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 74. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 76. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 73.
386 Grimm
I. Erholungsurlaub
Rz. 10
Teil 3 M
TVöD. Dies entspricht einer Fortführung der Vorschrift des § 48 Abs. 4 Unterabs. 5 BAT1. Hat das Arbeitsverhältnis im selben Jahr begonnen, in dem auch der Ur- 8 laub genommen werden soll, sieht § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD eine eigene Regelung vor: Der Beschäftigte hat Anspruch auf jeweils ein Zwölftel des Gesamturlaubs pro vollem Beschäftigungsmonat. Dabei bleibt § 5 BUrlG unberührt. Diese Regelung geht wie ihre Vorgängerregelung § 48 Abs. 5 BAT weiter als die gesetzliche Norm des § 5 BUrlG2. § 5 BUrlG sieht in Abs. 1 Buchst. a bis c nur bestimmte Fälle vor, in denen eine Zwölftelung erfolgen kann. Diese sind: Die Nichterfüllung einer Wartezeit, § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG, Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Erfüllung der Wartezeit, § 5 Abs. 1 Buchst. b BUrlG oder Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres, § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG. Von § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG werden nur Neueinstellungen ab dem 1. Juli des Kalenderjahres erfasst, denn der vorher in das Arbeitsverhältnis Eintretende kann in dem laufenden Urlaubsjahr die Wartezeit nicht mehr erfüllen3. Dagegen ist nach § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD direkt von Beginn des Arbeitsverhältnisses an eine Zwölftelung des Urlaubsanspruchs vorzunehmen4. Bei der Länge des Basisurlaubs nach dem TVöD sind durch Erfüllung der 9 Wartezeit gemäß § 5 BUrlG, nach welchem den Beschäftigten der volle Jahresurlaub zusteht, während nach § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD immer eine Zwölftelung des Anspruchs erfolgt, Fälle denkbar, in denen das BUrlG günstiger ist als der TVöD, da die Zwölftelung zu Teilansprüchen führen kann, die hinter den Ansprüchen des BUrlG zurückbleiben5. Ein Abweichen von den gesetzlichen Regelungen ist möglich, solange keine Schlechterstellung erfolgt6, da die Vorschrift des § 3 Abs. 1 BUrlG nicht tarifdispositiv ist7. In diesen Fällen hat der Beschäftigte Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem BUrlG. Folgende Konstellationen sind denkbar, in denen eine Vergleichsberechnung notwendig erscheint: (1) Das Arbeitsverhältnis beginnt in der ersten Hälfte des Urlaubsjahres: 10 Gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD findet eine Zwölftelung des Urlaubsanspruches statt. Nach § 4 BUrlG wird der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Zu zwölfteln ist der Urlaub nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BUrlG nur für die Zeiten eines Jahres, für die wegen Nichterfüllung der Wartezeit kein voller Urlaubsanspruch erworben werden kann. Das ist bei Tätigkeitsaufnahme 1 2 3 4 5 6 7
Fritz, ZTR 2006, 2 (3). Conze, Rz. 1517; Fritz, ZTR 2006, 2 (3). Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 44. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 48; Conze, Rz. 1521. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 51. Fritz, ZTR 2006, 2 (3). BAG v. 18.6.1980 – 6 AZR 328/78, DB 1980, 2197; BAG v. 24.10.2000 – 9 AZR 610/99, NZA 2001, 663; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 49, 50; Conze, Rz. 1519. Grimm
387
Teil 3 M
Rz. 11
Urlaub
nach dem 1. 7. eines Jahres der Fall1. Bei Tätigkeitsaufnahme in der ersten Jahreshälfte wird der volle Urlaubsanspruch erworben; er wird also nicht nach § 5 Abs. 1 BUrlG gezwölftelt. In diesen Fällen können je nach Eintrittsdatum die Regelungen des BUrlG für den Arbeitnehmer günstiger und damit vorrangig anzuwenden sein. 11 (2) Das Arbeitsverhältnis endet in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres Der TVöD sieht für diesen Fall in § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD eine Zwölftelung der Urlaubsansprüche vor. Gemäß §§ 4, 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG wird der volle gesetzliche Urlaubsanspruch erworben. Die Vergleichsberechnung ergibt, dass die gesetzliche Mindesturlaubsdauer des § 3 Abs. 1 BUrlG günstiger sein kann als die Regelung des § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD2. Der günstigere gesetzliche Urlaubsanspruch verdrängt den Anspruch aus dem TVöD. 12 (3) Das Arbeitsverhältnis ruht: Beim ruhenden Arbeitsverhältnis sieht § 26 Abs. 2 Buchst. c TVöD vor, die Dauer des Erholungsurlaubs für jeden Kalendermonat um ein Zwölftel zu verringern. Auch hier ist eine Vergleichsberechnung durchzuführen. 13 Der Urlaubsanspruch richtet sich gemäß § 26 Abs. 1 TVöD auf Arbeitstage. Was ein Arbeitstag ist, wird (anders als in § 48 Abs. 4 BAT) nicht definiert3. Nach hM sind Arbeitstage alle Kalendertage, an denen üblicherweise zu arbeiten ist4. Hatten Beschäftigte (bspw. aufgrund Schichtdienst) nach altem Recht an einem Feiertag Arbeit zu leisten, wurde ihnen durch die Ausnahmeregelung kein Urlaubstag angerechnet, der Tag galt nicht als Arbeitstag5. Mit Abschluss des TVöD ist diese Regelung weggefallen6. Praktisch ist dies von geringer Bedeutung, da nach § 11 Abs. 3 ArbZG für einen Sonnoder Feiertag, an dem gearbeitet wird, ein Ausgleichstag zu gewähren ist7. 14 Dem Beschäftigten obliegt es, seinen fälligen Urlaub geltend zu machen8. Der Arbeitgeber als Schuldner der Urlaubsgewährung hat nach § 7 BUrlG die Pflicht, Wünsche des Beschäftigten bezüglich der Lage des Urlaubs zu berücksichtigen9. Im Übrigen gelten die Vorschriften des BUrlG zur genauen Festlegung der Lage des Erholungsurlaubs, insbesondere bei Erkrankungen, Feiertagen, Urlaubsansprüchen bei Arbeitgeberwechseln, Teilurlauben und Urlaubsabgeltung bei Kündigung.
1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 44; Conze, Rz. 1520. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 53; Conze, Rz. 1523. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 65; Fritz, ZTR 2006, 2 (3). 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 65; Conze, Rz. 1499. 5 Fritz, ZTR 2006, 2 (3). 6 Fritz, ZTR 2006, 2 (3). 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 66; Fritz, ZTR 2006, 2 (3). 8 Conze, Rz. 1472. 9 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 26; Conze, Rz. 1475.
388 Grimm
I. Erholungsurlaub
Rz. 16
Teil 3 M
Wenn der Beschäftigte den ihm zustehenden Urlaub nicht geltend macht, 15 erlischt der Anspruch auf Urlaub1. Der TVöD trifft anders als § 47 Abs. 7 BAT keine eigenständige Regelung darüber, ob eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr möglich ist2. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG ist eine Übertragung möglich, wenn dringende betriebliche Gründe oder Gründe in der Person des Arbeitnehmers dies rechtfertigen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es keinen zwingenden Anspruch auf Übertragung des Urlaubs in das nächste Jahr gibt3. Falls keine Gründe vorliegen, die eine Übertragung der Urlaubsansprüche in das nächste Jahr rechtfertigen, verfällt der Urlaubsanspruch ersatzlos4. Ermöglichen dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Übertragung des Urlaubs in das nächste Jahr iSd. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG, wird die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG von § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD verändert. Das BUrlG gilt danach mit Maßgaben. § 47 Abs. 7 Satz 1 BAT ließ es zu, den Urlaub am letzten Tag des Jahres oder der Übertragungsfrist anzutreten. Der Urlaub muss insgesamt im Urlaubsjahr abgewickelt werden, da der Resturlaubsanspruch ansonsten erlischt5. Eine Übertragung in das erste Quartal des Folgejahres ist nur bei Vorliegen der Gründe des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG möglich. Dann genügt der Antritt bis zum 31. März, die vollständige Abwicklung kann dann in den nächsten Monat hineinreichen6. Ist die Urlaubsinanspruchnahme kurz vor dem 31. März wegen bis zu diesem Zeitpunkt andauernder Verhinderung aus Gründen der Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht möglich, findet eine weitere Übertragung statt mit einer Frist bis zum 31. Mai. Wird hingegen der Urlaub bis zum 31. März angetreten und tritt dann ein urlaubsverhinderndes Ereignis (zB Krankheit) ein, gilt dieser Aufschub nicht und der Urlaub verfällt, weil die Tarifvertragsparteien eine bis zum 31. März andauernde Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsverhinderung vorausgesetzt haben7. Damit ist der Kern der Regelung des § 47 Abs. 7 BAT beibehalten worden, allerdings sind die Fristen für den Antritt des übertragenen Urlaubs verringert worden8. Die Übertragung des Urlaubs bedarf keiner Form und auch keiner Mitwirkung des Beschäftigten. Sie vollzieht sich von selbst und wird dem Urlaub des nachfolgenden Jahres „hinzugerechnet“9. Gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD muss der Beschäftigte den übertragenen Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres antreten, während nach § 7
1 Conze, Rz. 1472. 2 Fritz, ZTR 2006, 2 (4). 3 BAG v. 23.1.1996 – 9 AZR 901/94, ZTR 1996, 317; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 108.1; Fritz, ZTR 2006, 2 (4). 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 109.2. 5 AnwK-ArbR/Düwell, § 7 BUrlG Rz. 117 zur alten Rspr. des BAG. 6 AnwK-ArbR/Düwell, § 7 BUrlG Rz. 117. 7 Überzeugend AnwK-ArbR/Düwell, § 7 BUrlG Rz. 118 aE. 8 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 109.1. 9 BAG v. 9.8.1994 – 9 AZR 384/92, NZA 1995, 174 (175). Grimm
389
16
Teil 3 M
Rz. 17
Urlaub
Abs. 3 Satz 3 BUrlG der Urlaub innerhalb von drei Monaten verbraucht sein muss1. 17 Das BAG2 hat unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Auslegung von § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG festgestellt, das Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Teil- oder Vollurlaubs nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt ist und deshalb seinen Urlaub nicht nehmen kann. EinVertrauensschutz für Arbeitgeber besteht jedenfalls seit dem Vorabentscheidungsersuchen des LAG Düsseldorf vom 2.8.2006 nicht3. Die Gewährung von Erholungsurlaub während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit bleibt nach wie vor ausgeschlossen. Neben dem vierwöchigen gesetzlichen Mindesturlaub verfällt auch der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 SGB IX, der den gesetzlichen und tarifvertraglichen Verfallfristen unterliegt, nicht4. Fraglich ist die Behandlung der tarifvertraglichen Mehrurlaubsansprüche nach § 26 TVöD. Bestehen deutliche Anhaltspunkte, zwischen den gesetzlichen und übergesetzlichen vertraglichen Ansprüchen (tarifvertraglichen Ansprüchen) zu unterscheiden, soll eine Unterscheidung zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaubsanspruch möglich sein5. Das BUrlG gilt nach § 26 TVöD/TV-L nur mit „gewissen Maßgaben“. Etwa gilt für den tariflichen Anspruch gem. § 26 Abs. 2a TVöD ein weitergehender Übertragungszeitraum für die Fälle „Krankheit“ und „dienstliche/betriebliche Gründe“ als beim gesetzlichen Anspruch. Der Urlaub verfällt durch eigenständige Formulierung entsprechend der Formulierung „ist er bis zum 31.5. anzutreten“, die ebenso wenig dem § 7 Abs. 3 BUrlG entspricht wie der tarifliche Hinweis auf das „Antreten“ des Urlaubes, während der gesetzliche Urlaub bis zum Ende des Übertragungszeitraums „genommen“ werden muss6. Auch die historisch-teleologische Auslegung unter Bezug auf die Vorgängervorschrift des § 47 Abs. 7 BAT/BAT-O ergibt, dass der Verfall mit Ablauf nach den Übertragungsfristen erfolgen soll, weil dies zum Stand des Abschlusses des TVöD im Jahr 2005 dem gesetzlichen Stand entsprach. Eine Besserstellung in Bezug auf den tariflichen Mehrurlaub ist tarifvertraglich daher nicht beabsichtigt7. Für den Verfall tariflicher Urlaubsansprüche gilt somit die bisherige Rechtsprechung des BAG. Auf Urlaubsabgeltungsansprüche in Bezug auf den gesetzlichen Anspruch nach 1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 111. 2 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 943/07, NZA 2009, 536, Folgeentscheidung zu EuGH v. 20.1.2009 – Rs. C 350/06, Schultz-Hoff, NZA 2009, 135. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 35. 4 Strittig: wie hier LAG Düsseldorf v. 2.2.2009 – 12 Sa 486/07, ZTR 2009, 149; Geyer, ZTR 2009, 346 (347); Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 54; aA Picker, ZTR 2009, 230 (236). 5 So wohl BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 536, 4. Orientierungssatz; LAG Düsseldorf v. 2.2.2009 – 12 Sa 486/06, ZTR 2009, 149. 6 Geyer, ZTR 2009, 346 (347); Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 61. 7 So auch ArbG Berlin v. 22.4.2009 – 56 Ca 21280/08, NZA-RR 2009, 411; Breier/ Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 26 Rz. 58.
390 Grimm
II. Arbeitsbefreiung
Rz. 21
Teil 3 M
BUrlG bzw. § 125 SGB IX ist die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 TVöD/ TV-L anzuwenden1, nicht hingegen auf den Urlaubsanspruch als solchen. 2. Besitzstands- und Übergangsregelungen für den Erholungsurlaub Die Regelungen des TVöD gelten uneingeschränkt für Beschäftigte, deren 18 Arbeitsverhältnis nach Inkrafttreten des TVöD begründet wurde. Für die anderen Beschäftigten gelten Besitzstands- und Übergangsregelungen. Gemäß § 1 TVÜ gelten für diese die Regelungen des TVöD. Für Dauer und Bewilligung der Urlaubsansprüche galten gemäß § 15 Abs. 1 TVÜ die bisher maßgeblichen Urlaubsvorschriften bis zum 31. Dezember 2005 weiter fort. Daraus folgt die ausschließliche Geltung der Vorschriften des TVöD seit dem 1. Januar 20062. Dies gilt auch für die Bemessung des Urlaubsentgelts sowie die Übertragung von Urlaub in das Jahr 2006, § 15 Abs. 1 Satz 2 TVÜ. Die Beschäftigten mit einem nach § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD erhöhten oder verminderten Urlaubsanspruch unterfallen ebenfalls § 15 Abs. 1 TVÜ. Für in den Tarifgruppen I und Ia BAT eingruppierte Beschäftigte gilt gemäß 19 § 15 Abs. 2 TVÜ eine besondere Besitzstandsregelung. Wenn für das Urlaubsjahr 2005 ein Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub bei einer 5-TageWoche erlangt wurde, gilt dieser Anspruch, ungeachtet der abweichenden Regelungen des TVöD, bis zum Ausscheiden des Beschäftigten3. Bei Vorliegen einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit, gelten die Urlaubsregelungen des TVöD für eine abweichende Verteilung der Arbeitszeit, § 15 Abs. 2 Satz 2 TVÜ.
II. Arbeitsbefreiung Für den Wunsch eines Beschäftigten nach Arbeitsbefreiung gilt § 29 TVöD ergänzend neben den gesetzlichen Normen. Dabei haben sich die Tarifvertragsparteien an § 52 BAT orientiert4.
20
Gemäß § 616 BGB besteht ein Anspruch auf Befreiung von der Arbeit, wenn der Arbeitnehmer durch einen Grund, den er nicht zu vertreten hat, vorübergehend an der Verrichtung seiner Tätigkeit gehindert wird. Diese Vorschrift ist dispositives Recht5. Durch § 29 TVöD ist § 616 BGB in zulässiger Weise abgedungen6. Die Tatbestände zur Arbeitsbefreiung iSd. § 616 BGB sind abschließend in § 29 TVöD geregelt7. Unterschiedlich gegenüber
21
1 Geyer, ZTR 2009, 346, 353 f., der auch auf die gesetzliche Verjährung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB hinweist. 2 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 140. 3 Fritz, ZTR 2006, 2 (3). 4 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 153; Fritz, ZTR 2006, 2 (6); Kuner, Der neue TVöD, Rz. 336. 5 BAG v. 18.1.2001 – 6 AZR 492/99, NZA 2002, 47; BAG v. 20.6.1995 – 3 AZR 857/94, NZA 1996, 383. 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 4; Conze, Rz. 164. 7 Conze, Rz. 159; Kuner, Der neue TVöD, Rz. 336. Grimm
391
Teil 3 M
Rz. 22
Urlaub
§ 52 BAT sind die Fortzahlung des Entgelts nach der Bemessungsgrundlage des § 21 TVöD (§ 29 Abs. 1 Satz 1 TVöD), die Freistellung von der Arbeit bei Niederkunft der Lebenspartnerin im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD), die Erweiterung der Arbeitsbefreiung für gewerkschaftliche Zwecke in § 29 Abs. 4 TVöD um die Landesfachbereichsvorstände. Daneben wurde die Dauer der Arbeitsbefreiung angehoben1. 22 Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeit besteht nicht zwingend am Tag des Ereignisses selbst, muss aber im zeitlichen Zusammenhang genommen werden2. Es besteht kein Selbstbestimmungsrecht des Beschäftigten, der Vorgesetzte muss die Befreiung von der Arbeit genehmigen. Der den von der Rechtsprechung zu § 616 Satz 1 BGB entwickelten Fallgruppen entsprechende Katalog des § 29 Abs. 1 TVöD ist abschließend. 23 § 29 Abs. 2 TVöD bietet keinen eigenständigen Grund für eine Befreiung von der Arbeit, sondern regelt die Entgeltfortzahlung für den Fall, dass ein Beschäftigter seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachkommen muss. Das Entgelt wird fortgezahlt, wenn die Arbeitsbefreiung gesetzlich vorgeschrieben ist und der Beschäftigte keinen anderweitigen Anspruch auf Ersatz des Entgelts hat, § 29 Abs. 1 Satz 1 TVöD. Nicht alle Pflichten können als verbindliche staatsbürgerliche Pflichten im Sinne dieser Vorschrift verstanden werden. Pflichten nach dem Recht eines fremden Staates sowie Ehrenämter scheiden von vornherein aus3. Nur allgemeine Pflichten, die grundsätzlich jeden Staatsbürger treffen können, sind staatsbürgerliche Pflichten4. Sie können sich mittelbar aus den jeweils einschlägigen Verfahrensgesetzen ergeben, wie zB für Schöffen aus §§ 31 bis 56 GVG5. Die Mitgliedschaft in einem Gemeinderat oder in anderen Gremien einer kommunalen Gebietskörperschaft stellt nicht die Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht dar6. Dienstlich veranlasste Termine bei Ämtern, Behörden oder Gerichten können keine staatsbürgerlichen Pflichten darstellen; sie gehören zu den Dienstaufgaben des Beschäftigten7. Wenn bei amtlichen oder gerichtlichen Terminen die Wahrnehmung einer eigenen Sache vorliegt, handelt es sich um eine private Angelegenheit und nicht die Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht8. Im Grundsatz ist der Beschäftigte angehalten, seine (eigenen) Pflichten außerhalb der Arbeitszeit zu verrichten9. Bei einer Ladung als Zeuge in einer Angelegenheit Dritter liegt die Er1 2 3 4 5 6 7 8 9
Fritz, ZTR 2006, 2 (6). Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 153; Conze, Rz. 169. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 52. BAG v. 9.3.1983 – 4 AZR 62/80, AP Nr. 60 zu § 616 BGB; Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 154. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 54; Conze, Rz. 183. Nach BAG v. 22.1.2009 – 6 AZR 78/08, n.v. besteht der Anspruch nur für die in die Kernarbeitszeit fallende Tätigkeit, nicht für die Gleitzeit. Conze, Rz. 185. Conze, Rz. 187. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 56; Conze, Rz. 188. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 154.
392 Grimm
II. Arbeitsbefreiung
Rz. 26
Teil 3 M
füllung einer staatsbürgerlichen Pflicht vor, da kein eigenes Interesse verfolgt wird und ein Zwang zum Erscheinen besteht1. § 29 Abs. 3 TVöD ist eine Generalklausel, mit der in besonderen Fällen eine Arbeitsbefreiung unter Entgeltfortzahlung für die Dauer von bis zu drei Tagen gewährt werden kann. Eine unbezahlte Freistellung ist für eine längere Zeit möglich2 und unterbricht die Beschäftigungszeit nicht, anders als ein unbezahlter Urlaub iSd. § 28 TVöD3. Ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung besteht nicht. Der Arbeitgeber hat nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei er abzuwägen hat, wie dringlich der Anlass ist und ob die Angelegenheit außerhalb der Arbeitszeit erledigt werden kann4.
24
Gewerkschaftsvertretern sind für die Teilnahme an Tagungen bis zu acht 25 Tage Arbeitsbefreiung pro Jahr unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren, § 29 Abs. 4 Satz 1 TVöD. Nur bei dringenden entgegenstehenden betrieblichen oder dienstlichen Gründen kann der Arbeitgeber seine Zustimmung versagen. Als Tagung kann nicht jede gewerkschaftliche Aktivität verstanden werden. Nur Zusammenkünfte, die satzungsgemäß vorgesehenen Handlungen dienen, bspw. Beschlussfassungen, sind angemessen5. Die im TVöD verwandten Begriffe bezüglich der Organisationsstrukturen beziehen sich auf die Organstruktur von ver.di, können aber sinngemäß auf entsprechende Organe anderer Gewerkschaften angewandt werden6. Zur Teilnahme an Tarifverhandlungen kann eine unbegrenzte Freistellung von der Arbeit unter voller Entgeltfortzahlung verlangt werden, § 29 Abs. 4 Satz 2 TVöD. Für die Teilnahme an Sitzungen und Berufsbildungsausschüssen nach dem 26 BBiG sowie einer Tätigkeit in Organen von Sozialversicherungsträgern kann gemäß § 29 Abs. 5 TVöD eine Befreiung von der Arbeit unter voller Entgeltfortzahlung gewährt werden. Der Beschäftigte hat zwar keinen Anspruch auf die Freistellung, allerdings kann die Freistellung (nur) verweigert werden, falls zwingende betriebliche oder dienstliche Gründe im Wege stehen. Mit dem Begriff der „Organe der Selbstverwaltungsträger“ sind die Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger gemeint, beispielsweise nennt § 31 SGB IX die Vertreterversammlung und den Vorstand7. Nicht erfasst sind Beiräte oder Widerspruchsausschüsse (zB § 64 SGB IX, § 103 SGB IX)8.
1 BAG v. 13.12.2001 – 6 AZR 30/01, ArbRB 2002, 260; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 57; Conze, Rz. 188. 2 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 155. 3 Conze, Rz. 192. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 72. 5 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 82; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 155. 6 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 80. 7 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 89. 8 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 91. Grimm
393
Teil 3 M
Rz. 27
Urlaub
III. Zusatzurlaub 27 § 27 TVöD nebst Sonderregelungen in besonderen Teilen des TVöD gewährt Beschäftigten, die ihre Arbeit in Schichtdiensten ableisten, zusätzlichen Urlaub. Im TVöD ist der in § 49 BAT enthaltene Verweis auf das Beamtenrecht entfallen und ein Zusatzurlaub für Nachtarbeit nicht mehr geregelt, außer für Beschäftigte in Krankenhäusern, § 53 TVöD BT-K1. Die Dauer des Zusatzurlaubs bemisst sich nach der Arbeitsleistung des laufenden Jahres und nicht mehr nach den Stundensalden des Vorjahres2. 28 Der Zusatzurlaub orientiert sich an Art und Dauer der geleisteten Schichtarbeit, § 27 Abs. 1 Buchst. a und b TVöD. Danach wird je ein Arbeitstag Zusatzurlaub gewährt für zwei ununterbrochene Monate Wechselschichtdienst und bei Schichtarbeit für vier zusammenhängende Monate3. Wechselschichtarbeit ist in § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD und Schichtarbeit in § 7 Abs. 2 TVöD definiert. Schichtarbeit ist nach Ansicht der Tarifvertragsparteien nur halb so belastend ist wie Wechselschichtarbeit4. 29 Beschäftigte des Bundes, denen eine Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD oder § 6 Satz 2 TVöD zusteht, erhalten für den Fall, dass sie keine ständige Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, oder für fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben, § 27 Abs. 2 Buchst. a, b TVöD. Die Beschäftigten leisten keine ständige Schicht-/Wechselschichtarbeit, wenn sie nicht an allen Tagen dienstplanmäßig im Schichtturnus eingesetzt wurden5. Überwiegend im Schicht-/Wechselschichtdienst sind sie eingesetzt worden, wenn die Hälfte der Arbeit im Schicht- oder Wechselschichtdienst geleistet wurde6. 30 Im kommunalen Bereich existiert keine einheitliche Regelung. Beschäftigte, die annähernd so stark wie die in der Bundesregelung genannten Beschäftigten belastet werden, sollen eine annähernde Anzahl von Zusatzurlaubstagen erhalten, § 27 Abs. 3 TVöD. Dies soll durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen vereinbart werden, da Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf Ortsebene am besten über die dort vorherrschenden Belastungen informiert sind und dementsprechend angemessen entscheiden können7. 31 Der Zusatzurlaub kann nicht uneingeschränkt gewährt werden. Gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 TVöD darf der Urlaub maximal sechs Kalendertage im Jahr betragen, auch wenn ein höherer Anspruch erworben wurde. Überschreitet die Summe von Erholungsurlaub und Zusatzurlaub die in § 27 1 2 3 4 5 6 7
Kuner, Der neue TVöD, Rz. 335. Dassau/Langenbrinck, TVöD, S. 145; Fritz, ZTR 2006, 2 (4). Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 8 Rz. 51, § 27 TVöD Rz. 14. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 147. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 148. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 27 Rz. 25. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 27 Rz. 26.
394 Grimm
IV. Sonderurlaub ohne Fortzahlung des Entgelts
Rz. 33
Teil 3 M
Abs. 4 Satz 2 TVöD genannte Anzahl von 35 Arbeitstagen im Kalenderjahr, verfällt der restliche Urlaubsanspruch1. Der zusätzliche Urlaubsanspruch für Schwerbehinderte nach § 125 SGB IX ist ausdrücklich von der Maximalurlaubsregelung ausgeschlossen, § 27 Abs. 4 Satz 1 TVöD. Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, steht nach § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD ein Anspruch auf einen weiteren Tag Urlaub zu. Für den Zusatzurlaub gelten – abgesehen von der Zwölftelregelung in § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD – die gleichen Regelungen wie für den Erholungsurlaub2.
32
IV. Sonderurlaub ohne Fortzahlung des Entgelts Bei wichtigen persönlichen Gründen kann der Beschäftigte auf Antrag ei- 33 nen Sonderurlaub ohne Fortzahlung des Entgelts erhalten (§ 28 TVöD), sofern er das Vorliegen des wichtigen Grundes darlegt und auf Verlangen des Arbeitgebers glaubhaft macht3. Der TVöD definiert den Begriff „wichtiger Grund“ nicht. Hauptgründe für die Inanspruchnahme von Sonderurlaub sind zB die Erfüllung familiärer Pflichten (auch Pflege, vgl. Rz. 36 f.), Berufsausbildung und Fortbildung4. Die Rechtsprechung sieht einen wichtigen Grund in der Aufnahme eines Studiums5 oder der Erreichung eines berufsqualifizierenden Abschlusses6. Die Qualifizierung muss nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen7. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung des Urlaubs besteht nicht8. Der Arbeitgeber muss die Entscheidung über die Gewährung und die Dauer des Sonderurlaubs nach billigem Ermessen treffen, dabei sind die Belange des Beschäftigten gegen die des Arbeitgebers abzuwägen (§ 315 BGB)9. Liegt ein wichtiger Grund vor, ist der Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers eingeengt10. Während des Sonderurlaubs ruhen die wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis11. Darüber und über etwaige Folgen für die Zusatzversorgung ist der Arbeitnehmer zu unterrichten. Eine Dokumentation in der Personalakte ist zweckmäßig.
1 Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 149. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 27 Rz. 31; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 149. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 28 Rz. 18. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 28 Rz. 1. 5 BAG v. 25.1.1994 – 9 AZR 540/91, ZTR 1994, 247. 6 BAG v. 9.6.1998 – 9 AZR 63/97, ZTR 1999, 35. 7 BAG v. 30.10.2001 – 9 AZR 426/00, ZTR 2002, 337. 8 Dassau/Langenbrinck, TVöD, S. 144; Fritz, ZTR 2006, 2 (6). 9 Vgl. BAG v. 30.10.2001 – 9 AZR 426/00, ZTR 2002, 337; Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, TVöD, S. 150. 10 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 28 Rz. 13. 11 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 28 Rz. 26; Bremecker/Hock/ Klapproth/Kley, TVöD, S. 151. Grimm
395
Teil 3 M
Rz. 34
Urlaub
V. Sonstige Regelungen 1. Bildungsurlaub 34 Ein Anspruch auf Bildungsurlaub ergibt sich aus dem TVöD nicht. Zu beachten sind die Landesgesetze zum Bildungsurlaub1, mit denen den Beschäftigten die Teilnahme an Veranstaltungen der politischen Bildung und der beruflichen Weiterbildung ermöglicht werden soll2. Die Veranstaltungen müssen zur politischen oder beruflichen Weiterbildung geeignet und für jedermann zugänglich sein. Die Voraussetzungen sind unterschiedlich ausgestaltet3 (zB im Berliner Bildungsurlaubsgesetz, Brandenburgischen Weiterbildungsgesetz, BFV etc.)4. Für die Dauer der Veranstaltung ist das Entgelt fortzuzahlen5. 2. § 45 SGB V 35 Bei schwerer Erkrankung eines Kindes, bei der eine Pflege unerlässlich wird, gewährt § 29 Abs. 1 Buchst. e bb TVöD einen Urlaubsanspruch von bis zu vier Kalendertagen im Jahr. Dieser Anspruch entfällt, sobald ein Anspruch nach § 45 SGB V besteht oder bestanden hat6. Gemäß § 45 Abs. 2 SGB V besteht bei Erkrankung von Kindern ein Anspruch von zehn Urlaubstagen pro Kind, bei alleinerziehenden Eltern von 20 Tagen. Auch Arbeitnehmer, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, haben nach § 45 Abs. 5 SGB V einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung nach § 45 Abs. 3, 4 SGB V. Für in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, deren Kinder nach § 10 Abs. 5 SGB V familienversichert sind, ist der Anspruch nach § 45 Abs. 3, 4 SGB V vorrangig, da er einen längeren Zeitraum umfasst7. Für nicht gesetzlich versicherte Beschäftigte besteht ein unbezahlter Freistellungsanspruch in dem in § 45 SGB V geregelten Maß und daneben ein tariflich bezahlter Freistellungsanspruch gemäß § 29 Abs. 1 Buchst. e bb TVöD8. Die Ansprüche werden nicht addiert. Ist der tarifliche Anspruch auf bezahlte Freistellung verbraucht, besteht danach der Anspruch auf unbezahlte Freistellung gemäß § 45 SGB V9. 3. Pflegezeitgesetz 36 Mit Inkrafttreten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes am 1.7.2008 gewährt das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) für die Pflege von nahen Angehöri1 2 3 4 5 6 7 8 9
Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 15 Rz. 21 ff. mwN. Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 15 Rz. 22. Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 15 Rz. 28 ff., III D. Vollständiger Abdruck sämtlicher Landesgesetze in: Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, S. 451 ff. BVerfG v. 15.12.1987 – 1 BvR 563/85, BVerfGE 77, 308; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 15 Rz. 22. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 34. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 37. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 37. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 29 Rz. 37.
396 Grimm
V. Sonstige Regelungen
Rz. 37
Teil 3 M
gen einen unabdingbaren Anspruch auf Freistellung von der Arbeit und Kündigungsschutz von der Ankündigung, für die zeitlich keine § 18 BEEG entsprechende Grenze vorgesehen ist, bis zur Beendigung der Pflegezeit (§ 5 Abs. 1 PflegeZG). Eine Kündigung ist nur in besonderen Fällen mit Genehmigung der zuständigen obersten Landesbehörde zulässig (§ 5 Abs. 2 PflegeZG)1. Gemäß § 2 Abs. 1 PflegeZG haben Beschäftigte das Recht, der Arbeit bis zu zehn Tage fernzubleiben, sofern dies erforderlich ist, um einen akut pflegebedürftigen nahen Angehörigen iSd. § 7 Abs. 3 PflegeZG zu versorgen oder seine Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Es besteht lediglich eine Unterrichtungspflicht des Beschäftigten, eine Zustimmung des Arbeitgebers ist nicht erforderlich, § 2 Abs. 2 PflegeZG. Für Beschäftigte in Einrichtungen mit mehr als 15 Beschäftigten besteht gemäß § 3 Abs. 1 PflegeZG ein Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit, wenn sie einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen und dies nachweisen können, § 3 Abs. 2 PflegeZG. Die Freistellung kann bis zu einer Höchstgrenze von sechs Monaten pro Angehörigem erfolgen (§ 4 Abs. 1 PflegeZG) oder vier Wochen, nachdem die häusliche Pflege beendet wurde (§ 4 Abs. 2 PflegeZG) und muss dem Arbeitgeber spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn der Freistellung schriftlich angezeigt werden, § 3 Abs. 3 PflegeZG. Eine Entgeltfortzahlung während der Pflegezeit erfolgt nicht. § 2 Abs. 3 37 PflegeZG macht die Entgeltfortzahlung von bestehenden tariflichen, betrieblichen oder individualvertraglichen Vereinbarungen abhängig. Die Forderung, den Beschäftigten gemäß § 44a Abs. 3 SGB XI Pflegeunterstützungsgeld zu gewähren, konnte sich nicht durchsetzen2. Die Pflege von Angehörigen ist weder vom abschließenden Katalog des § 29 TVöD erfasst, noch stellt sie einen Urlaubstatbestand iSd. §§ 26, 27 TVöD dar. Pflege ist ein wichtiger Grund im Sinne des § 28 TVöD, der keine Entgeltfortzahlung gewährt.
1 BR-Drucks. 210/08 (B); Preis/Weber, NZA 2008, 82. Zum Gesetz: Oberthür/Becker, ArbRB 2009, 77; Preis/Nehring, NZA 2008, 729 ff. 2 BR-Drucks. 718/07. Zu den sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen Janssen, NZA 2009, 69 ff. Grimm
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Teil 4 Beendigung des Arbeitsverhältnisses A. Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen Rz. I. Aufklärungs- und Hinweispflichten beim Abschluss von Beendigungsvereinbarungen . . . . . . . . . . 1. Keine allgemeine Hinweispflicht 2. Voraussetzungen der Hinweispflicht auf einzelne Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sozialrechtliche Folgen . . . . . . b) Steuerrechtliche Folgen. . . . . . c) Leistungen aus öffentlichrechtlichen Zusatzversorgungskassen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen bei Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gem. § 119 BGB. . . . . . . . . bb) Gem. § 123 BGB. . . . . . . . .
4 6 9 11 14 15 19 20 21 23
Rz. b) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . 25 4. Abdingbarkeit der Hinweispflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern. . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung des Personalrates. . . . . . 3. Inhalt und Musterformulierungen . a) Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Urlaub und Urlaubsabgeltung . . . e) Wettbewerbsverbot. . . . . . . . . . . . f) Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ansprüche aus Zusatzversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ausgleichsklausel. . . . . . . . . . . . .
34 38 44 47 49 52 57 65 66 69 70 75
Schrifttum: Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 8. Aufl. 2007; Bauer, „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmern, NZA 2007, 409; Bauer, Neue Spielregeln für Aufhebungs- und Abwicklungsverträge durch das geänderte BGB, NZA 2002, 169; Hümmerich, Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag, 2. Aufl. 2003; Weber/ Ehrich/Burmester/Fröhlich, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 5. Aufl. 2009.
Auch im öffentlichen Dienst werden arbeitsrechtliche Konflikte um den 1 Ausspruch einer Kündigung oder sonstige Beendigungstatbestände häufig einvernehmlich gelöst. Deshalb können der öffentliche Arbeitgeber und der bei ihm beschäftigte Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag oder Aufhebungsvertrag abschließen ebenso wie einen Abwicklungsvertrag, also Beendigungsvereinbarungen abschließen1. Anlass und Inhalt solcher Verträge sind mit denen im privaten Arbeitsrecht vergleichbar, in den meisten Punkten auch identisch. Deshalb soll an dieser Stelle darauf verzichtet werden, das Zustandekommen, die inhaltlichen Fragen, die Beseitigung solcher Verträge und deren Rechtsfolgen in materieller wie prozessualer Hinsicht darzustellen2. 1 Vgl. zur Begriffsbestimmung auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 1 mwN. 2 Vgl. zu diesen Fragen auch Küttner/Eisemann, Personalbuch 2009, Aufhebungsvertrag Rz. 1 ff. (geraffte Übersicht); vgl. grundlegend Bauer, I Rz. 11 ff., IV Rz. 1 ff., Schulte
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2
Teil 4 A
3
Rz. 3
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
Im Folgenden sollen nur zwei Probleme dargestellt werden, zum einen zur Beachtung von Aufklärungs- und Hinweispflichten beim Abschluss von Beendigungsvereinbarungen, zum anderen zu Sondervorschriften, die für Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern gelten, und schließlich werden hierzu Musterformulierungen vorgestellt.
I. Aufklärungs- und Hinweispflichten beim Abschluss von Beendigungsvereinbarungen 4
Der Arbeitgeber hat nicht nur während des Arbeitsverhältnisses, sondern grundsätzlich auch im Rahmen von Vereinbarungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Fürsorgepflicht zu beachten. Allerdings trifft ihn die Pflicht, Arbeitnehmer vor dem Abschluss von Aufhebungsverträgen zu warnen, nicht von vornherein und grundsätzlich, sondern nur im Ausnahmefall1.
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Es müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergibt, Arbeitnehmer beim Abschluss solcher Beendigungsvereinbarungen auf nachteilige Folgen hinzuweisen. Auch für den öffentlichen Arbeitgeber gilt, was jeder Arbeitgeber zu beachten hat, der Beendigungsvereinbarungen mit Arbeitnehmern abschließt2. 1. Keine allgemeine Hinweispflicht
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Wenn auch keine grundsätzliche Verpflichtung besteht, Hinweise und Ratschläge zu erteilen, so ist der Arbeitgeber, insbesondere im öffentlichen Dienst, jedoch verpflichtet, Anfragen des Arbeitnehmers zu den Folgen der einvernehmlichen Vertragsauflösung richtig zu beantworten. Das gilt natürlich insbesondere für Rentenversorgungsansprüche (dazu Rz. 15 ff.)3.
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Zwar trifft den Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III die Pflicht, Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten …“ zu informieren. Aus der Formulierung als Soll-Vorschrift hat das BAG jedoch entnommen, dass Arbeitgeber sich nicht schadensersatzpflichtig machen, wenn sie den nach der zitierten Vorschrift gebotenen Hinweis an die Arbeitnehmer unterlassen4.
1 2 3 4
VII und VIII, jew. Rz. 1 ff. (insbesondere zu den Rechtsfolgen in steuerlicher und sozialrechtlicher Hinsicht); ferner Weber/Erich/Burmester/Fröhlich, Teil 1 Rz. 1 ff., Teil 6 und 7, jew. Rz. 1 ff. (zu sozialrechtlichen und steuerlichen Rechtsfolgen), jew. m. zahlr. wN. Vgl. dazu auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 49. Vgl. BAG v. 10.3.1988 – 8 AZR 420/85, AP Nr. 99 zu § 611 BGB – Fürsorgepflicht. Vgl. BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, DB 2001, 286 (391); so auch schon BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 285/84, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG – Zusatzversorgungskassen; zu diesem Komplex vgl. auch Reufels, ArbRB 2001, 26 (27). Vgl. BAG v. 29.9.2005 – 8 AZR 571/04, NZA 2005, 1406; aA Schulte, ArbRB 2004, 26; vgl. auch Gaul, BB 2003, 2457 (2459 li. Sp.).
400 Schulte
I. Aufklärungs- und Hinweispflichten
Rz. 11
Teil 4 A
Vom BAG wohl abschließend geklärt ist mittlerweile auch die Frage, ob Ar- 8 beitnehmern ein gesetzliches Widerrufsrecht – mit entsprechender Widerrufsbelehrungspflicht des Arbeitgebers – gem. §§ 312, 355 BGB beim Abschluss von Auflösungsvereinbarungen zustehe. Jedenfalls für die Fälle, in denen Auflösungsvereinbarungen am Arbeitsplatz abgeschlossen werden, hat das das BAG verneint, ein Widerrufsrecht nach § 312 BGB besteht nicht1. 2. Voraussetzungen der Hinweispflicht auf einzelne Konsequenzen Nur ausnahmsweise sind Arbeitgeber, auch der öffentliche, verpflichtet, 9 Arbeitnehmer auf nachteilige Folgen einer Auflösungsvereinbarung hinzuweisen. Zunächst wird vorausgesetzt, dass die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber ausgeht. Weiterhin muss für den Arbeitgeber erkennbar sein, dass der Arbeitnehmer eine Aufklärung über die Rechtsfolgen erwartet und redlicherweise erwarten darf. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber den Eindruck erweckt, er werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren2. Wann das der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab. Das kann auch dazu führen, dass ausnahmsweise der Arbeitgeber verpflichtet sein kann, ungefragt den Arbeitnehmer auf ihn drohende Versorgungsschäden aufmerksam zu machen3. Es müssen aber besondere Umstände vorliegen, um eine solche Pflicht auszulösen, zB bei dem betrieblichen Interesse eines Arbeitgebers, ein Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Dann muss er den Arbeitnehmer vor unbedachten nachteiligen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens, insbesondere bei der Versorgung, bewahren4. Tritt der Arbeitnehmer dagegen an den Arbeitgeber heran mit dem Wunsch, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, wenn er davon ausgeht, dass sich sein Vertragspartner zuvor über alle Folgen der abzuschließenden Auflösungsvereinbarung informiert hat. Nachteilige Folgen können sich mit Blick auf das Sozialrecht, auf steuer- 10 rechtliche Vorschriften und – insbesondere mit Blick auf die finanzielle Bedeutung – auf die Konsequenzen für Leistungen aus Versorgungswerken ergeben. a) Sozialrechtliche Folgen Sozialrechtliche Konsequenzen drohen in zweifacher Hinsicht. Zunächst 11 kommt eine Sperrzeit gem. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer einvernehmlich gelöst wird. Dadurch führt er in aller Regel vorsätzlich die Arbeitslosigkeit her1 Vgl. BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, ArbRB online (Bestätigung des LAG Brandenburg v. 30.10.2002 – 7 Sa 386/02, NZA 2004, 503). 2 Vgl. den Orientierungssatz der Entscheidung des 2. Senats des BAG v. 21.2.2002 – 2 AZR 749/00, NZA 2002, 1416. 3 Vgl. BAG v. 3.7.1990 – 3 AZR 382/89, AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG = NZA 1990, 971. 4 Vgl. BAG v. 3.7.1990 – 3 AZR 382/89, NZA 1990, 991 (992 li. Sp.). Schulte
401
Teil 4 A
Rz. 12
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
bei. Es reicht aus, dass der Arbeitnehmer an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt hat. Fehlt es, wie ganz häufig, an einem wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses1, geht die Rechtsprechung des BSG davon, dass Arbeitnehmer vorsätzlich ihre Arbeitslosigkeit durch einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsvertrages herbeigeführt haben. Dann tritt eine Sperrzeit in aller Regel von drei Monaten ein. Einen solchen wichtigen Grund hat die Rechtsprechung aber angenommen, wenn statt des Auflösungsvertrages dem Arbeitnehmer ansonsten eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung aus nicht verhaltensbedingten Gründen zum gleichen Zeitpunkt gedroht hat2. Dabei spielt es keine Rolle, ob zunächst eine Kündigung ausgesprochen und dann ein Abwicklungsvertrag abgeschlossen oder gleich die Auflösung durch Vertrag vereinbart wird3. 12 Darüber hinaus kommt der Ruhenstatbestand des § 143a SGB III in Betracht, wenn die Kündigungsfristen mit der Auflösung des Arbeitsvertrages verkürzt werden. In diesem Fall ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld zumindest zum Teil, die Entlassungsentschädigung wird dann auf das Arbeitslosengeld angerechnet für den Zeitraum, der der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht4. 13 Nach den soeben dargelegten Grundsätzen hat der Arbeitgeber im Normalfall keinen Hinweis auf diese Folgen zu geben. Nur wenn er selbst den Auflösungsvertrag vorschlägt, ggf. sogar mit verkürzter Auflösungsfrist, wird ihm aufgrund seiner überlegenen Sachkunde ein Hinweis abverlangt. Das gilt aber auch nur dann, wenn er erkennt oder erkennen kann, dass der Arbeitnehmer keine rechtliche Beratung in Anspruch nimmt, sondern erkennbar darauf vertraut, dass der Arbeitgeber ihn auf evtl. Nachteile hinweisen wird5. Den öffentlichen Arbeitgeber trifft auch an dieser Stelle keine gesteigerte Hinweispflicht. b) Steuerrechtliche Folgen 14 Wer einen Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag mit dem Arbeitgeber abschließt und aus diesem Anlass besondere Leistungen des Arbeitgebers erhält, weiß als Arbeitnehmer in aller Regel, dass dadurch Steuern ausgelöst werden, insbesondere Einkommensteuern. In aller Regel trifft den Arbeitgeber deshalb keine Pflicht, über steuerliche Folgen etwaiger Abwicklungszahlungen zu informieren6. 1 Vgl. dazu die Beisp. bei Weber/Erich/Burmester/Fröhlich/Fröhlich, Teil 6 Rz. 130 mwN zur Rspr.; zur Beweislastverteilung vgl. Rz. 142. 2 BSG v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NJW 2006, 3514 ff. unter Hinweis auf BSGE 95, 232; vgl. weitere Nachweise auch bei Schulte, in: Tschöpe, Teil 3 C Rz. 75/76. 3 Vgl. BSG v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661; bestätigt durch BSG v. 17.11.2005 – B 11 a/11 AL 69/04, ArbRB 2006, 74; vgl. ferner Bauer, NZA 2004, 640 (642). 4 Vgl. auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 71a zur Kürzungstabelle. 5 Vgl. LAG Berlin v. 13.1.2006 – 13 Sa 1957/05, DB 2006, 1120 (Ls.). 6 Vgl. auch LAG Berlin v. 18.1.1999 – 9 Sa 107/98, NZA-RR 1999, 179; Bauer, I Rz. 155 aE; Schulte, ArbRB 2004, 26 (28 re.Sp.); vgl. auch Bauer/Lingemann/Diller/ Haußmann/Lingemann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kap. 23 I 1 b.
402 Schulte
I. Aufklärungs- und Hinweispflichten
Rz. 16
Teil 4 A
c) Leistungen aus öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskassen Beendigungsvereinbarungen enthalten mitunter Regelungen, die – meistens unbemerkt und ohne übereinstimmenden Regelungswillen – Altersversorgungsleistungen aus öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskassen durch vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließen oder erheblich mindern.
15
Insbesondere zu diesen Problemen und gerade für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst sind zahlreiche Entscheidungen ergangen, die sich auch mit den Aufklärungspflichten des Arbeitgebers befassen: Zunächst gelten die allgemeinen, soeben dargelegten Grundsätze auch hier, also müssen die vom Arbeitgeber erteilten Auskünfte richtig und vollständig sein. Allerdings beschränken sich die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitgebers nicht darauf, den Arbeitnehmern keine falschen Auskünfte zu erteilen. Vielmehr treffen den Arbeitgeber gerade in Fällen, in denen eine Zusatzversorgung besteht, intensivere Belehrungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorschlägt. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen1. Die Initiative muss nicht immer vom Arbeitgeber ausgehen, es reicht aus, gerade im öffentlichen Dienst, dass das vorzeitige Ausscheiden der oder des Beschäftigten im betrieblichen Interesse liegt. So hat das BAG in einem Fall entschieden2, dass die Belehrungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers auch dann besteht, wenn die Mitarbeiterin selbst mitgeteilt hat, dass sie aus gesundheitlichen Gründen „in den Ruhestand gehen“ wolle. In einem solchen Fall kann auf Arbeitnehmerseite davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber über mögliche versorgungsrechtliche Nachteile beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis aufklärt. Mit dem Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages schafft der Arbeitgeber dann eine „außergewöhnliche Gefahrenquelle“3. Endet das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, so besteht für Beschäftigte, die bei den Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes versichert sind, die Gefahr, dass statt einer Versorgungsrente lediglich eine Versicherungsrente gezahlt werden muss – mit erheblichen Einbußen. Ist deshalb für den Arbeitgeber erkennbar, dass diese nachteilige Folge für den Beschäftigten eintritt, muss er entweder auf dieses spezifische Risiko hinweisen und über den drohenden atypischen Rentennachteil von erheblichem Gewicht aufklären. Stattdessen kann er aber auch vor Abschluss des Vertrages den Arbeitnehmer an die Zusatzversorgungskasse verweisen. Allerdings muss der Arbeitgeber dann den Beschäftigten so beraten, dass er sich bei der Zusatzversorgungskasse sachgerecht erkundigen kann4.
1 2 3 4
Vgl. BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, BAGE 47, 169 (173). Vgl. BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206. Vgl. BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206. Vgl. BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206 und Hinw. auf BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, BAGE 47, 169 (174) und v. 10.3.1988 – 8 AZR 420/85, AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht. Schulte
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Teil 4 A
Rz. 17
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
Die Zusatzversorgungen im öffentlichen Dienst sind kompliziert geregelt (siehe auch Teil 11). In der Regel fehlt Beschäftigten die Möglichkeit, dieses komplexe System zu durchschauen. Deshalb kann sich der Arbeitgeber nicht auf einen allgemeinen Hinweis auf mögliche Vermögensnachteile beschränken. Auch die bloße Verweisung an die Zusatzversorgungskasse ohne weiteren Hinweis reicht nicht aus. Das gilt auch, wenn eine Bedenkzeit eingeräumt worden ist1. 17 Beim Abschluss von Aufhebungsverträgen reicht es unter den genannten Voraussetzungen nicht aus, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes seiner Hinweispflicht durch Aushändigung der von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zur Verfügung gestellten Druckschriften nachkommt2. Wenn Auskünfte erteilt werden, müssen sie nicht nur richtig, sondern auch vollständig sein. So kann ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung entstehen, wenn beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages der öffentliche Arbeitgeber zwar darauf hinweist, dass bestimmte Nachteile, zB die Nichterfüllung der Voraussetzungen der Übergangsversorgung, eintreten, auf andere, vermeidbare Nachteile jedoch nicht hinweist3. Dabei hat sich der öffentliche Arbeitgeber die Unkenntnis der Mitarbeiter, die den Auflösungsvertrag vorgeschlagen und eine richtige Teilauskunft erteilt haben, die aber eben nicht vollständig war, zurechnen zu lassen. Wenn die Kenntnisse nicht vorhanden sind, müssen sie den mit dem Abschluss des Vertrages befassten Mitarbeitern verschafft werden (zB die erforderlichen Kenntnisse der VBL-Satzung und -Verwaltungspraxis). Wichtig ist dabei, dass nicht nur die Vorschriften selbst, sondern auch die daran ausgerichtete Verwaltungspraxis des Versorgungsträgers berücksichtigt wird. 18 Abschließend ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass im öffentlichen Dienst also eine intensivere Hinweis- und Aufklärungspflicht gegenüber den Beschäftigten besteht, und zwar nicht erst dann, wenn der öffentliche Arbeitgeber auf den Beschäftigten zugeht, sondern schon dann, wenn die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im dienstlichen Interesse liegt. Die Auskünfte müssen nicht nur richtig, sondern auch vollständig sein.
1 Vgl. BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206; vgl. auch LAG Nds. v. 8.11.2002 – 3 Sa 1477/01 B, ArbRB online. 2 Vgl. dazu auch BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 658/02, ArbRB 2004, 68; nach Ansicht des 3. Senats reicht ein solcher Hinweis allerdings aus, wenn das Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt gekündigt worden ist und der Arbeitnehmer die Kündigung hätte angreifen können, dies aber nicht getan hat. 3 Vgl. den Fall des LAG Nds. v. 16.5.2001 – 6 Sa 1093/99 B, www.arbrb-online.de; vgl. aber auch LAG Rh.-Pf. v. 7.9.2006 – 6 Sa 238/06, ArbRB online: Keine Verletzung der Auskunftspflicht des Arbeitgebers bei Altersteilzeitvereinbarung, wenn nachteilige Folgen für die Zusatzversorgung eintreten, wenn Arbeitgeber kein Vertrauen weckt, dass sich jemand anderes von Arbeitgeberseite um den Komplex der Zusatzleistungen der VBL kümmern wird.
404 Schulte
I. Aufklärungs- und Hinweispflichten
Rz. 24
Teil 4 A
3. Rechtsfolgen bei Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten Wenn Aufklärungs- und Hinweispflichten beim Abschluss einer Been- 19 digungsvereinbarung vom Arbeitgeber verletzt werden, stehen auf Arbeitnehmerseite zwei grundsätzliche Möglichkeiten zu Gebote. Will der Arbeitnehmer sich nicht an die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses binden lassen, sondern es fortsetzen, kommt die Beseitigung der Vereinbarung in Frage. Als Rechtsfolge kommt aber auch Schadensersatz in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis beendet bleiben soll. a) Anfechtung Die Lösung von einer getroffenen Vereinbarung kann durch Anfechtung gem. §§ 119 ff. BGB erfolgen. Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:
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aa) Gem. § 119 BGB Die Anfechtung gem. § 119 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass sich der Erklärende bei Abgabe seiner Erklärung nicht über den Inhalt im Klaren ist, die Erklärung mit solchem Inhalt, wie sie tatsächlich abgegeben wurde, nicht abgeben wollte oder sich darüber geirrt hat, dass er überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben hat, die nicht abgegeben werden sollte.
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Die Fälle des Inhalts- oder Erklärungsirrtums1 haben in der Regel nichts 22 mit der Verletzung einer Aufklärungs- oder Hinweispflicht zu tun. Der Irrtum über die Folgen einer Willenserklärung kann nicht über § 119 BGB beseitigt werden. Wer sich jedoch über die Rechtsfolgen einer im Übrigen irrtumsfreien Willenserklärung irrt, insbesondere bei den Folgen einer Beendigungsvereinbarung, kann nicht gem. § 119 Abs. 1 BGB anfechten2. Dann hat sich der Vertragspartner auf Arbeitnehmerseite gerade nicht über die Tatsache, dass überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben wurde, oder über den Inhalt der Erklärung – einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisse – geirrt, sondern über die durch die einvernehmliche Beendigung ausgelösten Folgen. bb) Gem. § 123 BGB Ein solcher Irrtum ist dann nur noch über § 123 BGB relevant, wenn der 23 Arbeitgeber entweder die Arbeitnehmerseite bewusst getäuscht, also zB über die eintretenden Rechtsfolgen falsche Angaben gemacht hat, oder den Vertragsschluss durch Drohung herbeigeführt hat3. Bei einem Verstoß gegen die Aufklärungs- und Hinweispflicht wird, von Ausnahmen abgesehen, der Arbeitgeber sich entweder darüber irren, dass er zur Aufklärung verpflichtet ist, oder sich selbst über die Folgen für die Arbeitnehmerseite keine Gedanken machen oder bewusst keine Hinweise 1 Vgl. umfassend MünchKomBGB/Kramer, § 119 Rz. 48 ff. (57 ff.). 2 Vgl. umfassend MünchKomBGB/Kramer, § 119 Rz. 86 ff. 3 Vgl. auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 57–61. Schulte
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Rz. 25
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
und Aufklärung geben, weil er befürchtet, dass die Arbeitnehmerseite dann nicht zum Abschluss der Beendigungsvereinbarung bereit ist. Nur im letzten Fall kommt eine Anfechtung gem. § 123 Abs. 1 BGB in Frage, weil die Arglist zwar keine Absicht, jedoch Vorsatz erfordert und der Handelnde die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen und für möglich halten musste. Ferner muss er wissen, dass der andere Teil durch die Täuschung zur Abgabe der Willenserklärung bestimmt wird, die er sonst bei wahrheitsgemäßer Aufklärung über die Folgen nicht oder nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte1. Auch hier genügt bedingter Vorsatz. Es reicht aus, dass der Arbeitgeber die Vorstellung hat, dass die fehlende Aufklärung möglicherweise für den Entschluss, die Beendigungsvereinbarung abzuschließen, von Bedeutung sein würde2. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schädigen will3. b) Schadensersatz 25 Kann der Aufhebungsvertrag nicht durch Anfechtung beseitigt werden, sind Beschäftigte bei der Verletzung der Hinweispflichten als vertraglicher Nebenpflichten auf einen Schadensersatzanspruch beschränkt4. Naturalrestitution ist ausgeschlossen; es bleibt nur ein Anspruch auf Geldersatz. Arbeitnehmer können deshalb auch nicht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangen5. Zu ersetzen ist daher der Vermögensschaden, der durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages entweder in sozialrechtlicher, steuerlicher oder versorgungsrechtlicher Hinsicht entstanden ist. Dabei sind natürlich auch eventuelle finanzielle Vorteile durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages zu berücksichtigen. Im Einzelfall muss deshalb jeweils geprüft werden, welcher Schaden konkret eingetreten ist. Das kann mitunter zu Schwierigkeiten führen, vor allem wenn sozialrechtliche Fragen im Rahmen eines Arbeitsgerichtsprozesses geprüft und entschieden werden müssen. Vereinbaren die Vertragsparteien eine Abfindungssumme, die sich – auch – an der Höhe des Arbeitslosengeldes bis zum Rentenbezug orientiert, bleibt eine spätere Minderung des Arbeitslosengeldes durch eine nachträglich eintretende Gesetzesänderung rechtlich ohne Belang. Ein solcher Differenzschaden kann auch nicht über den Wegfall der Geschäftsgrundlage,
1 Vgl. den instruktiven Fall des LAG Düsseldorf v. 10.7.2001 – 8 Sa 515/01, ArbRB online; OLG Hamm v. 26.11.1993 – 20 U 214/93, NJW-RR 1995, 286; vgl. ferner Palandt/Ellenberger, § 123 Rz. 11 mwN. 2 Vgl. LAG Düsseldorf v. 10.7.2001 – 8 Sa 515/01, ArbRB online; BGH v. 28.4.1971 – VIII ZR 258/69, NJW 1971, 1795/2000. 3 Vgl. BGH v. 21.6.1974 – V ZR 15/73, NJW 1974, 1505. 4 Vgl. BAG v. 10.3.1988 – 8 AZR 420/85, NZA 1988, 837; ferner v. 14.2.1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811; Bauer, I Rz. 156 mwN. 5 Vgl. BAG v. 10.3.1988 – 8 AZR 420/85, NZA 1988, 837; LAG Düsseldorf v. 22.6.2001 – 14 Sa 491/01, NZA-RR 2002, 12 (14); vgl. ferner Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich/Ehrich, Teil 1 Rz. 116 mwN zur Mindermeinung in Fn. 4.
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I. Aufklärungs- und Hinweispflichten
Rz. 28
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§ 313 BGB, vom Arbeitgeber nach Abschluss des Vertrages ersetzt verlangt werden1. Ein etwaiges Mitverschulden muss sich der Arbeitnehmer zurechnen las- 26 sen. So ist er insbesondere verpflichtet, im Zusammenhang mit dem drohenden Eintritt eines Schadens Rechtsmittel einzulegen, sofern sie Aussicht auf Erfolg versprechen und zumutbar sind2. 4. Abdingbarkeit der Hinweispflichten Wer sich als Arbeitgeber mit der Absicht, die Risiken einer Kündigung zu 27 vermeiden, mit dem Vorschlag eines Aufhebungsvertrages an den Arbeitnehmer wendet, muss sich im Klaren darüber sein, dass auch dieser Weg der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Risiken birgt. Denen kann vorgebeugt werden mit deutlichen Hinweisen im Aufhebungsvertrag über die möglichen Nachteile, die der Arbeitnehmer beim Abschluss eines solchen Vertrages erleiden könnte. Er läuft dann nur Gefahr, dass der Arbeitnehmer angesichts der Risiken, über die er aufgeklärt wird, den Aufhebungsvertrag nicht abschließen wird. Deshalb stellt sich die Frage, ob dieser Zwiespalt auf Arbeitgeberseite nicht mit einer Vereinbarung darüber beseitigt werden kann, dass die Hinweispflicht im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag abbedungen wird3. Das rechtliche Ergebnis kann zB durch einen Verzicht auf Hinweise des Arbeitgebers im Zusammenhang mit möglichen Konsequenzen der Beendigungsvereinbarung geregelt werden. Der Verzicht als vertragliche Abrede bedarf einer klaren vertraglichen Formulierung, am besten im Aufhebungsvertrag. Er wird auch allgemein als zulässig angesehen4. Eine Musterformulierung könnte wie folgt aussehen:
„Frau/Herr … verzichtet auf Hinweise zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen, die sich aus diesem Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag für sie/ ihn ergeben könnten. Sie/Er bestätigt, sich vor Abschluss dieses Vertrages informiert zu haben.“ Arbeitgeber, auch öffentliche, müssen wissen, dass sie sich auf eine solche Formulierung nicht verlassen können, wenn sie Arbeitnehmer beim Ab-
1 Vgl. BAG v. 8.9.1998 – 9 AZR 255/97, AP Nr. 10 zu § 611 BGB Nettolohn; für einen vergleichbaren Fall BAG v. 25.6.2002 – 9 AZR 155/01, AP Nr. 4 zu § 3 ATG; vgl. ausführlich auch Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich/Ehrich, Teil 1 Rz. 118 mwN in Fn. 6. 2 Vgl. BAG v. 12.12.2002 – 8 AZR 497/01, NZA 2003, 687. 3 Vgl. dazu auch Nägele, Aufklärungs- und Hinweispflichten des Arbeitgebers bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages, BB 1992, 1274 (1278). 4 Vgl. Hümmerich, § 3 Rz. 102; Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich/Ehrich, Teil 1 Rz. 120; Bauer, I Rz. 159 mwN; vgl. auch Schulte, ArbRB 2004, 26 (28/29). Schulte
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Rz. 29
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
schluss eines solchen Vertrages überrumpeln. Dann hilft der Hinweis oder der Verzicht in einer solchen Klausel nichts. 29 Eine weitere Unsicherheit ergibt sich für die Arbeitgeberseite aus der Tatsache, dass die Arbeitsgerichte alle Klauseln, die der Arbeitgeber verwendet, daraufhin überprüfen, ob es sich um AGB handeln könnte. Wird eine solche Klausel also im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen verwendet, findet eine AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB statt. Beim Abschluss vorformulierter Vertragsbedingungen gelten Arbeitnehmer als Verbraucher iSd. § 13 BGB1. Auch Aufhebungsverträge unterliegen der AGB-Kontrolle, auch wenn für sie das gesetzliche Widerrufsrecht des § 312 Abs. 1 BGB nicht gilt2. Das BAG wendet die §§ 306, 307 BGB gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB selbst dann an, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf den Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte3. Die Frage ist deshalb, ob eine solche Klausel der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhält. 30 Die Rechtsprechung hat sich bisher mit dieser Frage noch nicht befassen müssen. Die Entscheidungen sind zu Anrechnungs-, Freiwilligkeits-, und Widerrufsvorbehalten ergangen4. Grundlegend stellt sich die Frage, ob eine solche Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers bewirkt. Unbestreitbar findet dadurch eine Risikoverlagerung statt bezüglich der geschilderten möglichen Folgen, die ein Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag für den Arbeitnehmer haben kann. Wird der Arbeitnehmer nicht überrumpelt, kann er also frei entscheiden, ob er den Aufhebungsvertrag abschließen will oder nicht und lässt ihm der Arbeitgeber ausreichend Zeit, ist der Inhalt der Klausel mE nicht zu beanstanden. Mit Verzicht auf die Hinweispflicht wird zum einen keine Kardinalpflicht abbedungen, also eine Pflicht, die sich aus der Natur des Vertrages ergibt. Auch der Vertragszweck wird dadurch nicht gefährdet. Mit der Verzichtserklärung wird auch die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers nicht zum Erlöschen gebracht5.
1 Vgl. BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, NZA 2007, 85 m. Verw. auf BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305; vgl. auch HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rz. 2 mwN in Fn. 1, auch zur – überholten – Gegenmeinung. 2 Vgl. dazu BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, AP Nr. 1 zu § 312 BGB; BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 177/03, AP Nr. 2 zu § 312 BGB; vgl. dazu auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 52a. 3 Vgl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305, ausdrücklich bestätigt von BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, NZA 2007, 85 unter 2. b) aa) (1) der Beschlussbegründung. 4 Vgl. zB zum Widerruf übertariflicher Leistungen und AGB-Kontrolle BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; zum Freiwilligkeitsvorbehalt BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 5 Vgl. für einen solchen Fall: BAG v. 18.9.2005 – 5 AZR 52/05, AP Nr. 7 zu § 307 BGB.
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II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern
Rz. 34
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Hier geht es um die Abbedingung einer Nebenpflicht, so dass § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB als konkretes gesetzliches Beispiel einer unangemessenen Benachteiligung des Verbraucher-Arbeitnehmers nicht eingreifen kann1. Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt mE nicht vor. Der Ar- 31 beitgeber weist ja gerade darauf hin, dass es eine Hinweis- und Aufklärungspflicht geben kann. Er macht deutlich, dass er sie nicht erfüllt und veranlasst den Arbeitnehmer, auf die Erfüllung dieser Pflicht zu verzichten. Es geht um eine konkrete Pflicht im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungs-/Abwicklungsvertrages. Für den Arbeitnehmer ist erkennbar, dass Nachteile entstehen könnten. Er muss sich also selbst erkundigen, ob und welche Nachteile entstehen können. Der Arbeitgeber lässt sich mit dieser Klausel nicht in die Pflicht nehmen2. Noch transparenter wäre allerdings, über mögliche Nachteile konkret aufzuklären und aufzunehmen, dass auf weitere Hinweise verzichtet wird, also eine modifizierte Verzichtsklausel zu verwenden.
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Wer anwaltlich beraten ist, insbesondere fachanwaltlich, braucht natürlich 33 keine weitere Aufklärung. Von einem solchen Berater kann erwartet werden, dass er über alle Folgen aufklärt3.
II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern Das Arbeitsverhältnis kann auch im öffentlichen Dienst einvernehmlich beendet werden. So ist sogar in tariflichen Regelungen, zB § 58 BAT, der Auflösungsvertrag ausdrücklich erwähnt und findet sich auch im Text des § 33 Abs. 1 Buchst. b TVöD wieder. An der Zulässigkeit solcher Vereinbarungen kann deshalb kein Zweifel bestehen. Auch sog. Abwicklungsverträge4 kommen zur streitlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Frage. Der Abwicklungsvertrag unterscheidet sich aber vom Auflösungsvertrag dadurch, dass zunächst das Arbeitsverhältnis gekündigt wird und dann über die Abwicklung des Arbeitsvertrages einvernehmliche Regelungen getroffen werden, wobei ein wesentlicher Punkt einer solchen vertraglichen Vereinbarung darin besteht, die Beendigung außer Streit zu stellen. Folgt man der Begriffsdefinition des Abwicklungsvertrages, beendet also nicht diese Vereinbarung, sondern die Kündigung das Arbeitsverhältnis5.
1 Vgl. dazu auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 43. 2 Vgl. dazu allgemein auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 44 mwN: Transparenz begründet keine allgemeine Rechtsbelehrungspflicht des Verwenders; vgl. auch Palandt/Grüneberg, § 307 Rz. 55 u. 69 zu einer allg. Abfindungsklausel. 3 Vgl. dazu auch LAG Berlin v. 13.1.2006 – 13 Sa 1957/05, ArbRB online (Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht). 4 Vgl. insbesondere Hümmerich, NZA 2001, 1280 f. 5 Allg. M.: vgl. Schaub/Linck, ArbRHdb., § 122 Rz. 46 mwN. Schulte
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Teil 4 A
Rz. 35
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
35 Im öffentlichen Dienst gelten hinsichtlich der Abwicklungsverträge keine Besonderheiten. 36 Vereinbarungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses können natürlich auch noch nach Ausspruch einer Kündigung während des Kündigungsrechtsstreits getroffen werden. Sie sind dann nicht nur materiellrechtlich als Vergleich gem. § 779 BGB anzusehen, sondern auch gleichzeitig Prozesshandlung, haben also eine Doppelnatur1. 37 Im Folgenden sollen nur die besonderen Voraussetzungen einer solchen Vereinbarung im öffentlichen Dienst angesprochen werden2. 1. Voraussetzungen 38 Auch im öffentlichen Dienst gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit mit der Folge, dass grundsätzlich Auflösungsvereinbarungen zwischen dem – öffentlichen – Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer abgeschlossen werden können3. Daher kommen – anders als bei einer Kündigung – der allgemeine bzw. besondere Kündigungsschutz bei einem Auflösungsvertrag grundsätzlich nicht zum Tragen. Nur im Einzelfall schränkt die Rechtsprechung den Gestaltungsspielraum der Parteien ein, wenn durch einen Aufhebungsvertrag der zwingende Kündigungsschutz umgangen wird4, so zB durch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt oder Nichteintritt eines bestimmten Ereignisses enden soll5. 39 Eine Besonderheit besteht gem. § 5 Abs. 3 RatSchTV Ang, der aber nicht die Zulässigkeit des Auflösungsvertrages regelt, sondern in einem solchen Fall6 einen besonderen Wiedereinstellungsanspruch gibt, sofern ein geeigneter Arbeitsplatz für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer zur Verfügung steht (vgl. dazu unten B Rz. 59 ff.). 40 Für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, seine Beseitigung und Rechtsfolgen in materieller wie prozessualer Hinsicht gelten weitgehend 1 Allg. M.: vgl. zB BAG v. 15.5.1997 – 2 AZR 43/96, AP Nr. 45 zu § 123 BGB; BGH v. 14.5.1987 – III ZR 277/85, NJW 1988, 65; vgl. auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 15. 2 Vgl. zu Auflösungsvereinbarungen im Übrigen grundlegend Bauer, 8. Aufl. 2007, ferner Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 5. Aufl. 2009. 3 Vgl. allg. BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718. 4 Vgl. zB BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718; BAG v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, ArbRB 2002, 258; zur arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle bei Umwandlungs-Aufhebungsverträgen vgl. BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718. 5 BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, AP Nr. 3 zu § 620 BGB Bedingungen; BAG v. 9.7.1981 – 2 AZR 788/78, AP Nr. 4 zu § 620 BGB Bedingungen. 6 Dies betrifft maßgeblich Auflösungsverträge, die geschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer in den Fällen des § 3 Abs. 4 und 5 RatSchTV zu einem anderen öffentlichen Arbeitgeber wechselt.
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II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern
Rz. 44
Teil 4 A
die für Aufhebungsverträge im Bereich des privaten Arbeitsrechtes1 geltenden Grundsätze, insbesondere §§ 104 ff., 145 ff. BGB2. Auch im öffentlichen Arbeitsverhältnis gilt für Auflösungsverträge der 41 Formzwang des § 623 BGB. War in § 58 BAT für den Auflösungsvertrag keine Form vorgesehen, so gilt § 623 BGB zwingend für Auflösungsverträge auch in diesem Bereich. Zwar sieht die „Nachfolgeregelung“ in § 33 Abs. 1 Buchst. b TVöD, gleich lautend auch § 33 Abs. 1 Buchst. b TV-L, keine Schriftform vor, es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass die zwingende gesetzliche Vorschrift die tariflichen Vorschriften überlagert. Diese ordnen die Schriftform nicht an, weil das ohnehin überflüssig wäre (vgl. die Regelungssituation für Kündigungen unten B Rz. 12 f.). Wie die Schriftform erfüllt wird, regelt § 126 BGB. Die §§ 126a und 126b BGB sind nicht anwendbar, die elektronische Form ist ausgeschlossen. Der Vertrag muss vollständig in einer einheitlichen Urkunde zusammengefasst und von beiden Parteien auf einer Urkunde unterzeichnet sein. Deshalb reicht es nicht aus, dass die Parteien jeweils persönlich unterzeichnete Erklärungen austauschen3.
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Allerdings genügt gem. § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass jede Partei eine vollständige Fassung der Urkunde bekommt, die von der anderen Seite unterzeichnet ist. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der inhaltliche Zusammenhang des Textes durch körperliche Verbindung oder fortlaufende Paginierung, Nummerierung der einzelnen Vertragsbestimmungen oder sonstige inhaltliche zwingende Merkmale geschieht. Auch wenn auf Anlagen verwiesen wird, zB Zeugnistexte, müssen sie körperlich mit der Auflösungsvereinbarung verbunden sein oder sie müssen gesondert unterzeichnet werden, denn die Form muss für alle Teile des Auflösungsvertrages eingehalten werden, er stellt eine Gesamtheit dar4. Der Formmangel kann von jeder Partei gerügt werden, ohne dass – im Regelfall – der Einwand des § 242 BGB greifen könnte5. Die Form hat nicht nur Nachweisfunktion, sondern dient auch dem Übereilungsschutz6.
43
2. Beteiligung des Personalrates In Nordrhein-Westfalen hatte die Personalvertretung gem. § 72a Abs. 2 Satz 1 LPVG NW vor Abschluss eines Aufhebungs- oder Beendigungsvertrages ein Anhörungsrecht. Eine ohne Anhörung des Personalrats abgeschlossene Aufhebungs- oder Beendigungsvereinbarung war gem. § 72a Abs. 3 LPVG unwirksam7. Weder im Bereich des Bundes noch der anderen Bundesländer 1 Vgl. Bauer, 8. Aufl. 2007; Bauer, NZA 2002, 169 f.; Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C. 2 Vgl. auch Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 11. 3 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rz. 23. 4 Vgl. Staudinger/Oetker, § 623 Rz. 62. 5 Vgl. hierzu und zu Ausnahmen BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 659/03, NZA 2005, 162. 6 Vgl. BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 659/03, NZA 2005, 169 f. 7 Vgl. dazu Cecior/Dietz/Vallendar, § 72a LPVG Rz. 52. Schulte
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Teil 4 A
Rz. 45
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
war ein solches Beteiligungsrecht vorgesehen. Dies galt nur im Falle einer Kündigung und entsprach insoweit der Regelung in § 102 Abs. 1 BetrVG. Die Personalvertretung war in der Vergangenheit nicht zu beteiligen1. 45 Nach dem politischen Wechsel bei der Landtagswahl am 22.5.2005 hat der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen u.a. am 9.10.2007 die Regelung in § 72a gestrichen.2 Seit dem 17.10.2007 (dem Tag nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt) ist ein – modifiziertes – Beteiligungsrecht des Personalrats vor Ausspruch einer Kündigung in § 74 LPVG NW vorgesehen. 46 Damit gilt bundeseinheitlich sowohl auf Bundes- wie Landesebene, dass vor Abschluss eines Aufhebungs- oder Beendigungsvertrages die Personalvertretung nicht (mehr) zu beteiligen ist. 3. Inhalt und Musterformulierungen 47 Aufgrund ihrer Privatautonomie können die Parteien eines Auflösungsvertrages dessen Inhalt selbst festlegen. Grenzen ergeben sich aus der Inhaltsund Billigkeitskontrolle entsprechend §§ 305 ff. BGB. Denn gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB sind nicht nur Arbeitsverträge, sondern auch Aufhebungsverträge3 im Rahmen der Besonderheiten des Arbeitsrechts zu überprüfen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf § 305 Abs. 1 BGB im Hinblick auf überraschende Klauseln, auf die Unklarheitenregel des § 305 Abs. 2 BGB und auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu legen. Bezüglich der Hauptleistungspflichten findet aber eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht statt4. Mithin sind die Beendigung als solche, die Abfindungsvereinbarung und der Verzicht auf konkrete Ansprüche nicht auf Angemessenheit zu überprüfen5. Welche Fragen einer Regelung bedürfen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. 48 Die wesentlichen Regelungsgegenstände und übliche Formulierungen ergeben sich aus den nachfolgenden Formulierungsbeispielen. Der Auflösungsvertrag wird regelmäßig durch eine Eingangsformulierung eingeleitet.
Formulierungsbeispiel: „Die (genaue Bezeichnung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers) treffen zur einvernehmlichen Auflösung des zwischen ihnen begründeten Arbeitsverhältnisses folgende Vereinbarungen:“
1 2 3 4
APS/Koch, § 79 BPersVG Rz. 6. Vgl. GVBl. NRW 2007, 394 f. ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rz. 14 mwN. BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/02, BAGR 2004, 220 (225), mit Verweis auf LAG Hamm v. 1.4.2003 – 19 Sa 1901/02, NZA-RR 2003, 401 (402). 5 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rz. 14; siehe auch Bauer, NZA 2002, 169 (172).
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II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern
Rz. 53
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a) Beendigung Da dem Auflösungsvertrag keine Kündigung vorausgeht, sondern der Auf- 49 lösungsvertrag selbst das Arbeitverhältnis auflöst, muss der Vertrag zunächst den Zeitpunkt nennen, zu dem das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Auf Arbeitnehmerseite wird darauf zu achten sein, dass in der Regel bei einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses „betriebliche Gründe“ angegeben werden. Das gilt insbesondere dann, wenn an sich verhaltens- oder personenbedingte Gründe vom Arbeitgeber geltend gemacht werden. Wenn tatsächlich betriebsbedingte Gründe vorliegen können, also der Arbeitsplatz wegfällt, sollte das auch als Bezeichnung des Beendigungshintergrunds in die Formulierung aufgenommen werden.
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Mit dieser Formulierung haben Arbeitgeber unter Umständen Schwierigkeiten, weil betriebsbedingte Beendigungen des Arbeitsverhältnisses, wenn eine tarifliche Regelung besteht, zB im RatSchTV, einen Abfindungsanspruch auslösen können. Wegen der normativen Wirkung tariflicher Vorschriften sollte man diesen, auf den ersten Blick eher nebensächlichen Gesichtspunkt auf jeden Fall im Auge behalten, insbesondere natürlich auf Arbeitgeberseite. Denn auf tarifliche Ansprüche kann nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien verzichtet werden. Das gilt selbstverständlich auch für den konkludenten Verzicht. Zur Regelung des Tatbestands der Beendigung empfiehlt sich deshalb folgende Formulierung:
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„Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des … sein Ende finden wird/gefunden hat1.“
b) Abfindung Auch in Auflösungsverträgen im öffentlichen Dienst können Abfindungen vereinbart werden. Anders als in der Privatwirtschaft sind Abfindungen im öffentlichen Dienst auch an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auszurichten.
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Wird der Aufhebungsvertrag im Zusammenhang mit einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9.1.1987 (RatSchTV Ang) abgeschlossen, ist die Abfindungshöhe an § 7 RatSchTV zu überprüfen. Im Anwendungsbereich
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1 Vgl. auch die Formulierungsvorschläge bei Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich/Ehrich, Teil 2 Rz. 389 f.; vgl. auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 48. Schulte
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Teil 4 A
Rz. 54
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
des Tarifvertrages gilt diese Vorschrift selbst dann, wenn der Arbeitnehmer von sich aus den Abschluss eines Auflösungsvertrages anbietet1. 54 Im Übrigen gelten im öffentlichen Dienst keine Sonderregelungen. Die Abfindung ist nicht mehr steuerfrei, sondern wie Arbeitsentgelt zu versteuern. 55 Die Abfindung wegen der Beendigung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses stellt kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar2. Das kann man zur Klarstellung in den Vertragstext aufnehmen, die Fachleute in den jeweiligen Personalabteilungen wissen das aber, so dass in der Praxis solche Formulierungen weder erforderlich sind noch im Regelfall verwendet werden. 56 Dagegen ist die Frage der Vererblichkeit des Abfindungsanspruchs in der Rechtsprechung des BAG in der Vergangenheit unterschiedlich gehandhabt worden. Deshalb empfiehlt sich eine Klarstellung, ob die Abfindung vererblich oder nicht vererblich sein soll. Nach der zurzeit herrschenden Meinung ist die Abfindung, auch wenn nichts geregelt ist, schon vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses fällig und damit auch vererbbar3. Das ist allerdings nur für den gerichtlichen Vergleich entschieden worden, der materiellrechtlich in der Regel ein Abwicklungsvertrag ist. Für den Auflösungsvertrag ist das nicht so eindeutig entschieden, deshalb sollte immer in den Text eine Klarstellung zur Fälligkeit, zur Entstehung des Anspruchs und zur Vererblichkeit aufgenommen werden. Daraus ergibt sich folgender
Formulierungsvorschlag: Die Arbeitgeberin zahlt an Frau/Herrn … eine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG (§ 7 RatSchTV Ang) in Höhe von … Euro. Der Anspruch entsteht mit Abschluss dieser Vereinbarung und ist fällig zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch ist mithin vererblich.
c) Freistellung 57 Arbeitgeber, die ein Arbeitsverhältnis beenden wollen, können ein Interesse daran haben, die Dienste des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Auflösungszeitpunkt nicht in Anspruch zu nehmen. Bei einer betriebsbedingten Kündigung kann der Beschäftigungsbedarf schon vor Ablauf der Kündigungsfrist wegfallen, zB weil es den Arbeits1 LAG Hamm v. 5.10.2000 – 17 Sa 1093/00, ArbRB online. 2 Vgl. BSG v. 21.2.1990 – 12 RK 20/88, NZA 1990, 751. 3 Vgl. BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 250/02, NZA 2004, 1352.
414 Schulte
II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern
Rz. 59
Teil 4 A
platz nicht mehr gibt. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung, deren Gründe für eine fristlose Kündigung nicht „gereicht“ haben, könnte der Arbeitgeber gleichwohl ein erhebliches Interesse daran haben, den Arbeitnehmer nicht mehr zu sehen. Umgekehrt haben Arbeitnehmer mitunter triftige, insbesondere emotionale Gründe, ihr bisheriges Arbeitsumfeld zu meiden, wenn sie sich mit dem Arbeitgeber auf eine Beendigung verständigt haben. Das gilt insbesondere, wenn nicht betriebsbedingte Gründe vorliegen und das Arbeitsverhältnis schwer gestört ist. Auf Arbeitnehmerseite besteht dann häufig auch ein Bedürfnis, vor weiteren Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber und möglicherweise auch dem Risiko einer fristlosen Kündigung geschützt zu werden. Außerdem können sie sich in der bezahlten Freizeit intensiv um ein Anschlussbeschäftigungsverhältnis kümmern. Auf beiden Seiten gibt es jedoch Risiken, die erkannt und durch entsprechende Regelungen berücksichtigt und entschärft werden sollten. Insbesondere aufgrund der Rechtsprechung des BAG sind sowohl die einseitige Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung als auch die Vereinbarung über eine Freistellung mit komplexen Folgeproblemen behaftet. So ist sowohl im Fall der einseitigen wie der vereinbarten Freistellung vor allem zu prüfen und deshalb auch zu regeln, ob die Freistellung unwiderruflich oder widerruflich sein soll. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne weitere Erklärung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, ist im Zweifel anzunehmen, dass dies widerruflich geschieht1.
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Soweit in der Vergangenheit durch die unwiderrufliche Freistellung von 59 der Arbeitsverpflichtung, nicht nur in Aufhebungsverträgen, sondern auch in Altersteilzeitverträgen in der sog. Freiphase, sozialrechtliche Probleme aufgetreten sind2, können diese inzwischen als entschärft gelten. Das BSG3 hat nämlich entschieden, dass die Freistellung eines Arbeitnehmers von der Arbeitsverpflichtung bei gleichzeitiger Weiterzahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung auch dann nicht zur Beseitigung des Beschäftigungsverhältnisses in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht führt, wenn die Freistellung unwiderruflich ist und nicht dazu führt, dass die Tätigkeit noch einmal aufgenommen wird. Zwar setze die Versicherungspflicht eine Beschäftigung iSd. § 7 Abs. 1 SGB VI voraus. Deshalb fordere das Gesetz auch den tatsächlichen Vollzug eines 1 Vgl. BAG v. 14.3.2006 – 9 AZR 11/05, NZA 2006, 1008; ferner BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 25/05, NZA 2006, 1122; so auch Bauer, NZA 2007, 409; vgl. auch Ebert/ Schar, Freistellungsvereinbarungen im Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag, ArbRB 2003, 215 (216 re. Sp.). 2 Vgl. Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 35a mwN. 3 Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 27/07 R, NJW-Spezial 2009, 242; anders noch BSG v. 21.8.1997 – 12 BK 63/97 nv.: Keine Fortdauer des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach gerichtlichem Vergleich, mit dem der Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres unter Fortzahlung der Bezüge über lange Zeit hinweg unwiderruflich freigestellt wurde; vgl. dazu auch Bauer/Krieger, DB 2005, 2242 (2243) zur bisherigen rechtlichen Situation. Schulte
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Teil 4 A
Rz. 60
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
Beschäftigungsverhältnisses durch tatsächliche Erbringung der versprochenen Dienste. Dieser „Vollzug“ könne aber ausnahmsweise auch durch andere Umstände ersetzt werden, zB, wenn das rechtliche Band durch besondere vertragliche Abrede durch einseitige Befreiung von einer Leistungspflicht, die an sich weiterbesteht, befreit wird. Unter Hinweis auf die Durchbrechungen der Beschäftigung an zahlreichen Stellen im Arbeitsrecht, etwa im Bereich der Entgeltfortzahlung bei Krankheit, bei Urlaubsgewährung und im Fall des Annahmeverzugs, halte der Gesetzgeber den Fortbestand der Sozialversicherungspflicht auch ohne ausdrückliche Anordnung für selbstverständlich. Deshalb könne nichts anderes bei einer einvernehmlich vereinbarten Freistellung gelten, sofern am vertraglichen Band festhalten und die Freistellung lediglich als Ersatz für die Arbeitspflicht betrachtet werde. Ausdrücklich wird festgehalten, dass das auch dann gelte, wenn die Rückkehr des Arbeitnehmers an den Arbeitsplatz nach der Freistellung nicht beabsichtigt sei. Deshalb sei auch in solchen Fällen eine Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne nicht ausgeschlossen. Die Sozialversicherungsträger hatten das in der Vergangenheit anders gesehen und die unwiderrufliche Freistellung, insbesondere auch bei der Freistellung in der sog. Aktivphase der Altersteilzeit, als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses betrachtet. Diese Konsequenz ist nach der Entscheidung des 12. Senats des BSG nicht mehr möglich. Die Sozialversicherungsträger haben sich darauf inzwischen eingestellt, denn der ehemals auf der Homepage der Deutschen Rentenversicherung abrufbare Beschluss der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 5. und 6.7.2005 ist dort auch nicht mehr verzeichnet, wird also nicht mehr angewandt. 60 Auf Arbeitgeberseite hat die unwiderrufliche Freistellung erhebliche nachteilige Folgen. Nach Ansicht des BAG1 beseitigt die unwiderrufliche Freistellung den Annahmeverzug des Arbeitgebers in Bezug auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers mit der Folge, dass eine Anrechnung des Zwischenverdienstes des Arbeitnehmers gem. § 615 Satz 2 BGB nicht stattfindet. Die Anrechnung setze Annahmeverzug voraus, der gerade nicht vorliege2. Darüber hinaus verzichtet der Arbeitgeber in einem solchen Fall auf das während des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot gem. § 60 HGB3. Von nur geringerem Vorteil ist die unwiderrufliche Freistellung im Hinblick auf einen etwa noch bestehenden Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers. Dieser wird durch die unwiderrufliche Freistellung erteilt4. 1 BAG v. 19.3.2002 - 9 AZR 16/01, NZA 2002, 1055; bestätigt durch BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36. 2 AA Bauer, NZA 2007, 409, (411 re. Sp. unter II. 1. aE). 3 Vgl. BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 f. 4 Vgl. auch Bauer, NZA 2007, 409 mwN.
416 Schulte
II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern
Rz. 64
Teil 4 A
Wird dagegen – ohne weitere Regelungen aufzunehmen – der Arbeitnehmer widerruflich von der Arbeitsverpflichtung befreit, kann damit der Urlaubsanspruch nicht erfüllt werden. Der Arbeitgeber behält sich dann vor, den Arbeitnehmer jederzeit wieder einzusetzen. Wenn er nicht gleichzeitig mit der widerruflichen Freistellung den Zeitraum, in dem der Urlaub genommen werden soll, exakt bestimmt, kann der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung verlangen1.
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Die Freistellung im öffentlichen Dienst muss also den allgemeinen Risi- 62 ken Rechnung tragen ebenso wie im privaten Arbeitsverhältnis. Es kommt aber noch hinzu, dass eine Freistellung, die einen einseitigen Verzicht auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bedeutet, mit den Grundsätzen der sparsamen Haushaltsführung kollidieren kann. Der öffentliche Arbeitgeber ist bei einer solchen Gestaltung verpflichtet, die Vergütung weiterzuzahlen, ohne dass er dafür eine Gegenleistung erhält. Erstreckt sich die Freistellung über einen längeren Zeitraum – möglich ist aufgrund der tariflichen Kündigungsfristen des § 34 TVöD bei Ausschöpfen der längsten Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Kalendervierteljahr nahezu ein Dreivierteljahr –, muss deshalb der öffentliche Arbeitgeber besonders sorgfältig prüfen, ob haushaltsrechtlich eine Freistellung in Betracht kommen kann. Er muss abwägen, ob die Weiterbeschäftigung in der konkreten Situation mehr Schaden bringen kann oder Nutzen bedeutet, auf den zu Unrecht verzichtet würde. Diese Frage wird auch nicht isoliert zu entscheiden sein, weil bei Beendigungsvereinbarungen in aller Regel ein „Gesamtpaket geschnürt“ wird, das sich zusammensetzt aus allen, dem Arbeitnehmer gewährten wirtschaftlichen Vorteilen, also neben der Abfindung auch die finanzierte Kündigungszeit oder andere Leistungen als Gegenleistung für die Preisgabe des Arbeitsverhältnisses. Die Überlegungen des öffentlichen Arbeitgebers sollten daher auf jeden Fall dokumentiert und zur Personalakte festgehalten werden. Das hilft bei einer evtl. Beanstandung der Rechnungsprüfer. Zu regeln ist während der Freistellung auch die Frage, welche Vergütung 63 fortgezahlt wird. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft, wo variable Vergütungen gezahlt werden und das Regelungsbedürfnis höher ist, wird es allerdings solche Vergütungsgestaltungen im öffentlichen Dienst so gut wie nicht geben. Auch Dienstwagen, die zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt werden, die in der Freistellungsphase dann ausschließlich privat genutzt würden, sind kein Problem im öffentlichen Arbeitsverhältnis2. Man wird deshalb folgende Standardformulierung wählen können:
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1 Vgl. dazu auch Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 35; Bauer, NZA 2007, 409 (410). 2 Vgl. dazu ausführlich auch Ebert/Scharr, ArbRB 2003, 215 f. Schulte
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Teil 4 A
Rz. 65
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
Formulierungsvorschlag bei unwiderruflicher Freistellung, Anrechnung des Zwischenverdienstes: „Frau/Herr … wird unter Fortzahlung aller Vergütungsbestandteile bis zum …, dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses, von jeglicher Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt, wobei zwischen den Parteien Einigkeit besteht, dass sich Frau/Herr … in dieser Zeit erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen muss. In der Zeit vom … bis zum … wird Frau/Herrn … Urlaub/Freizeitausgleich für Mehrarbeit gewährt“. Formulierungsvorschlag bei widerruflicher Freistellung: „Frau/Herr … wird unter Fortzahlung aller Vergütungsbestandteile bis zum …, dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses, von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung widerruflich freigestellt. Die Parteien sind sich aber einig, dass in der Zeit vom … bis zum … Frau/Herrn … Urlaub/Freizeitausgleich für Mehrarbeit gewährt wird.“
d) Urlaub und Urlaubsabgeltung 65 Hinsichtlich der Behandlung von Urlaubsansprüchen bestehen keine Unterschiede zu Aufhebungsverträgen in der Privatwirtschaft.
Formulierungsvorschlag: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass Frau/Herr … noch einen Resturlaubsanspruch in Höhe von … Tagen hat, davon … Tage aus dem Vorjahr. Ferner besteht Einvernehmen, dass dieser Urlaub in der Zeit vom … bis … genommen wird.“
e) Wettbewerbsverbot 66 Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes dürfte in weiten Bereichen des öffentlichen Dienstes nicht geboten sein, da aufgrund der Eigenart der von der öffentlichen Verwaltung und sonstigen von öffentlichen Stellen angebotenen Dienstleistungen, die von dem konkreten Arbeitnehmer erbracht werden, keine echte Wettbewerbssituation auftreten kann. Dies betrifft insbesondere Bereiche, die allein der öffentlichen Verwaltung bzw. öffentlichen Hand vorbehalten sind. 67 In anderen Bereichen, dh. bei Dienstleistungen und Tätigkeiten, die auch auf privatwirtschaftlicher Grundlage erbracht werden können, man denke etwa an Lehrkräfte oder das Personal von Universitätskliniken, wird ebenfalls in der Regel die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ausscheiden, da dem öffentlichen Arbeitgeber kein wichtiger Grund iSd. § 74a HGB zusteht. Denn zum einen ist die Berufsausübung regelmäßig durch Rechtsvorschriften reglementiert. Regelmäßig wird keine 418 Schulte
II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern
Rz. 71
Teil 4 A
Gefahr der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen bestehen. Ebenso wenig wird ein Einbruch im Kunden- bzw. Lieferantenkreis zu befürchten sein. In Ausnahmefällen, in denen doch ein Wettbewerbsverbot in Betracht kommen kann, empfiehlt sich, je nachdem, ob es bestehen bleiben oder aufgehoben werden soll, folgender
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Formulierungsvorschlag: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot unverändert gilt und wirksam ist/mit sofortiger Wirkung aufgehoben wird und keinerlei wechselseitige Verpflichtungen mehr auslöst.“
f) Zeugnis Gegenstand der Verhandlungen und auch der Vereinbarungen in der Been- 69 digungsvereinbarung ist regelmäßig auch der Zeugnisanspruch des Beschäftigten. Der gesetzlich normierte Anspruch aus § 109 GewO besteht sowohl auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses als auch eines Endzeugnisses. Regelmäßig ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet, wenn ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird. Deshalb kommt auch ein Zwischenzeugnis in Betracht. Um weiteren Streit zu vermeiden, ist beiden Seiten anzuraten, sich, wenn eben möglich, bereits vor Abschluss der Beendigungsvereinbarung über den Text des Zwischenzeugnisses als auch des Endzeugnisses zu einigen. Das Zeugnis kann dann als Anlage im Entwurf dem Vertragstext beigefügt werden. Dabei ist auf die feste Verbindung zum Vertragstext zu achten (Klammern oder Ösen, möglich ist auch die Unterzeichnung auf der Anlage).
Formulierungsvorschlag: „Der Arbeitgeber erteilt Frau/Herrn … ein qualifiziertes Zwischenzeugnis und – am Ende des Arbeitsverhältnisses – ein Zeugnis nach den in der Anlage beigefügten Entwürfen.“
g) Ansprüche aus Zusatzversorgung Den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wird ein eigenes System der betrieblichen Altersversorgung angeboten. Es ist – aufgrund der Nähe zur Beamtenschaft – historisch gewachsen und beruht maßgeblich auf Altersvorsorge-Tarifverträgen.
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Bis 2002 erhielten Beschäftigte des öffentlichen Dienstes eine Zusatzversorgungs-Rente, durch die die gesetzliche Rente zu einer sog. „Gesamtver-
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Schulte
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Teil 4 A
Rz. 72
Besonderheiten bei Beendigungsvereinbarungen
sorgung“ aufgestockt wurde. Versorgungsträger sind die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) sowie weitere Versorgungskassen im kommunalen und kirchlichen Bereich, die unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V. zusammengefasst sind. 72 Um die Finanzierbarkeit der Zusatzversorgung langfristig sicherzustellen, wurde das bisherige „Gesamtversorgungs-System“ zum 1.1.2002 auf ein „Punktesystem“ umgestellt. Danach erhalten Leistungsberechtigte künftig neben der gesetzlichen Rente nur noch eine Zusatzrente, die allein auf dem Ertrag eingezahlter Beiträge basiert („kapitalgedeckte“ Zusatzrente). 73 Die Regelungen des BetrAVG gelten nach der Sonderregelung des § 18 BetrAVG für Leistungsempfänger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nur beschränkt. 74 Ob zu den anwendbaren Regelungen auch das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG gehört, lässt sich aus dem Gesetzestext nicht erschließen. Aus § 22 des Tarifvertrages über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (ATV) ergibt sich jedoch mE, dass nach Sinn und Zweck des Abfindungsverbots des § 3 BetrAVG dies auch für die öffentlichen Versorgungsträger gelten muss. Denn nur Kleinst-Betriebsrenten dürfen nach der Vorschrift des § 22 ATV abgefunden werden. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass außerhalb dieser Ausnahme das Abfindungsverbot gilt. Ob das unmittelbar aus § 3 BetrAVG folgt oder aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung, mag für die Praxis dahinstehen. h) Ausgleichsklausel 75 Um mit dem Aufhebungsvertrag einen Schlussstrich unter das Arbeitsverhältnis zu ziehen, sollte abschließend über eine Ausgleichsklausel (Abgeltungs-, Erledigungsklausel) nachgedacht werden. Mit einer solchen Formulierung können und sollen sämtliche sonstigen (wechselseitigen, insbesondere finanziellen) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigt werden, die in der Aufhebungsvereinbarung nicht besonders geregelt worden sind. 76 Nach der Rechtsprechung des BAG können grundsätzlich alle verzichtbaren Ansprüche von einer Ausgleichsklausel erfasst werden1. Dazu zählen dann auch unbekannte Ansprüche, dh. solche, die die Parteien nicht kennen konnten oder an die eine oder beide Parteien nicht gedacht haben, und auch Ansprüche, die zwar entstanden, aber noch nicht fällig sind. Ohne besondere Vereinbarung sind von einer Abgeltungsklausel aber nicht künftige Ansprüche erfasst, die also im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht entstanden waren. 77 Soweit die Parteien frei disponieren können, etwa über Schadensersatzansprüche bzw. Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüche, ergeben sich 1 BAG v. 23.9.2003 – 1 AZR 576/02, NZA 2004, 440.
420 Schulte
II. Aufhebungsverträge mit öffentlichen Arbeitgebern
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Teil 4 A
dieselben Probleme wie in der Privatwirtschaft1. Daher sollte zunächst die Anspruchssituation vollständig geklärt werden, soweit dies möglich ist, und auf dieser Basis die Ausgleichsklausel formuliert werden. Soweit solche Ansprüche noch nicht ermittelbar sind, insbesondere dann, wenn das Arbeitsverhältnis – nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung – zunächst noch fortbesteht, ist zu überlegen, solche Ansprüche von der Ausgleichsklausel auszunehmen.
Formulierungsvorschlag: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung alle wechselseitigen Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen und abgegolten sind und keine Tatsachen vorliegen, die weitergehende Ansprüche rechtfertigen könnten, insbesondere der Urlaub tatsächlich gewährt worden ist (zusätzlich bei evtl. noch bestehendem Arbeitsverhältnis: Mit dieser Vereinbarung sind nicht solche Ansprüche erfasst, die aus solchen Umständen sich ergeben können, die erst in der Zukunft liegen).“
1 Vgl. hierzu ausführlich Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 C Rz. 47. Schulte
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B. Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
I. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsgröße, § 23 Abs. 1 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienststelle und Verwaltung . c) Wartezeit, § 1 Abs. 1 KSchG . . 2. Kündigungserklärung . . . . . . . . . . 3. Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . a) Vertretungsmacht und Entscheidungsbefugnis . . . . . . . . . b) Vertretung und Vollmacht, § 174 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten der betriebsbedingten Kündigung . . . . . . . . . . a) Dringendes betriebliches Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Unternehmerentscheidung“ des öffentlichen Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . bb) Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit . . . . . . . cc) Bedeutung eines „kw-Vermerkes“ . . . . . . . . . . . . . . . dd) Darlegungslast . . . . . . . . . . b) Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten der Sozialauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dienststellenweite Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichbarkeit . . . . . . . . cc) Auswahlrichtlinien, zB § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG 5. Rationalisierung und Kündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . b) Begriff der Rationalisierungsmaßnahme, § 1 RatSchTV . . . c) Unterrichtungspflichten, § 2 RatSchTV . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
5
d) Arbeitsplatzsicherung, §§ 3, 4 RatSchTV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 e) Besonderer Kündigungsschutz, § 5 RatSchTV . . . . . . . . . . . . . . . . 59 f) Abfindungsregelung, § 7 RatSchTV . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Mitwirkung der Personalvertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Besonderheiten bei personenbedingter und verhaltensbedingter Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Personenbedingte Kündigung . . . 70 aa) Tätigkeit für das MfS . . . . . . . 73 bb) Politische, religiöse oder weltanschauliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Verhaltensbedingte Kündigung . . 78 aa) Tätigkeit für das MfS . . . . . . . 80 bb) Politische, religiöse oder weltanschauliche Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 cc) Bürgerunfreundliches Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . 84 dd) Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . 85 ee) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . 87 Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Kündigungsfristen des § 34 TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Unkündbarkeit, § 34 TVöD . . . . . 93 c) Beschäftigungszeiten, § 34 Abs. 3 TVöD . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber . . . . . . . . . 97 bb) Unterbrechungszeiten . . . . . . 101 cc) Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern . . . . . . 102 Ausschluss und Einschränkung der ordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . 106
6 6 8 9 12 14
6. 7.
16 18 22 23 24 26 31 32 8. 34 41 42 44 46 50 51 53 57
9.
II. Außerordentliche Kündigung . . . . . 111 III. Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . 116
Schrifttum: Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Loseblatt; Lingemann/Grothe, Betriebsbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst, NZA 1999, 1072; Mues/Eisenbeis/Legerlotz/ Laber, Handbuch zum Kündigungsrecht, 2005; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005.
1
Für eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst gelten wie in der Privatwirtschaft §§ 620 ff. BGB, §§ 1 ff. KSchG sowie der spezialgesetzlich geregelte Kündigungsschutz; auch der Arbeitsvertrag 422 Schulte
I. Ordentliche Kündigung
Rz. 7 Teil 4 B
kann ergänzende Regelungen enthalten, insbesondere zur Einhaltung der Fristen für eine ordentliche Kündigung. Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst unterliegen also allen Kündi- 2 gungsnormen, die für jedes andere private Arbeitsverhältnis ebenfalls gelten. Besonderheiten ergeben sich aus den nur für den öffentlichen Dienst geltenden personalvertretungsrechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder. Darüber hinaus gelten entweder unmittelbar, weil beide Parteien des Arbeitsverhältnisses jeweils der tarifvertragschließenden Vereinigung angehören, oder aufgrund individualrechtlicher Abrede die Vorschriften von Tarifverträgen, die nur für den öffentlichen Dienst gelten, insbesondere die Vorschriften des TVöD, des TV-L oder anderer Tarifwerke, die den BAT abgelöst haben, einschließlich aller Zusatz- und Sonderregelungen. Natürlich gelten auch, was häufig übersehen wird, alle Regeln des BGB, die sich mit Rechtsgeschäften befassen, also auch der Allgemeine Teil.
3
Die Darstellung beschränkt sich auf die Besonderheiten, die für Arbeitsverhältnisse mit öffentlichen Arbeitgebern zu beachten sind. Dabei ist auch im öffentlichen Dienst zwischen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen zu unterscheiden.
4
I. Ordentliche Kündigung Die ordentliche Kündigung wird mit der nach Gesetz, Tarifvertrag oder Ar- 5 beitsvertrag einzuhaltenden Kündigungsfrist ausgesprochen und heißt deshalb auch fristgerechte Kündigung (im Gegensatz zur außerordentlichen fristlosen Kündigung). Im öffentlichen Dienst gibt es bei manchen formellen wie materiellen Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung Besonderheiten. 1. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes a) Betriebsgröße, § 23 Abs. 1 KSchG Gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG gelten die §§ 1–16 KSchG für Betriebe und 6 Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts. Ungeachtet der konkreten Rechtsform im Einzelfall findet das KSchG somit auch bei Kündigungen u.a. im öffentlichen Dienst1 Anwendung. Bei Anwendung des § 23 Abs. 1 KSchG auf Arbeitsverhältnisse mit öffent- 7 lichen Arbeitgebern kommt es nicht entscheidend auf die begriffliche Differenzierung zwischen „Betrieb“ bzw. „Verwaltung“ „des öffentlichen Rechts“ an. Sofern man überhaupt auf den Begriff des „Betriebs des öffentlichen Rechts“ abstellen will, sind davon Betriebe erfasst, deren Inhaber und unmittelbarer Betreiber eine Person des öffentlichen Rechts ist. Maßgeblich ist also die Organisationsform. Erfasst sind Eigen- bzw. Regiebetriebe, 1 BAG v. 23.4.1998 – 2 AZR 489/97, NZA 1998, 995. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 8
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
nicht aber Betriebe einer juristischen Person des Privatrechts, selbst wenn daran ausschließlich eine Person des öffentlichen Rechts beteiligt ist1. b) Dienststelle und Verwaltung 8
Das BAG stellt aber grundsätzlich auf den Begriff „Verwaltung“, nicht auf den Begriff „Betrieb“ ab2. Das ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Der Begriff „Betrieb“ wird für die Privatwirtschaft in Anlehnung an das Betriebsverfassungsrecht definiert. Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung wäre – in Anlehnung an das Personalvertretungsrecht – auf den Begriff der „Dienststelle“ abzustellen3. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist es mit dem Sinn und Zweck der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht vereinbar, den Kündigungsschutz auf dem Umweg über einen personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff zu entziehen4.§ 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG beruht auf der mittelstandspolitischen Erwägung, Kleinunternehmer zu schützen5. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung fällt dieser Schutzzweck fort. Es besteht kein Grund, Kleinsteinheiten wegen unbilliger Härten des KSchG aus dessen Anwendungsbereich herauszunehmen. Deshalb stellt das BAG nicht auf einzelne Teile (nachgeordnete Dienststellen) ab, sondern allein auf die Verwaltung als solche, dh. die organisatorische Einheit, in der mehrere Dienststellen zu einer administrativen Hierarchie zusammengefasst werden6. Damit gelten §§ 1 ff. KSchG auch dann, wenn in der einzelnen Dienststelle weniger als 5 bzw. 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. c) Wartezeit, § 1 Abs. 1 KSchG
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Bei § 1 Abs. 1 KSchG ist zu beachten, dass die Wartezeit nicht mit der Beschäftigungszeit iSd. § 34 Abs. 3 TVöD identisch ist. Maßgeblich ist also nicht die Zeit der ununterbrochenen tatsächlichen Beschäftigung iSd. § 34 TVöD (dazu unten Rz. 96), sondern die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber ohne Unterbrechung rechtlichen Bestand hatte.
10 Daher sind bei einem anderen Dienstherrn bzw. einer anderen Gemeinde zurückgelegte Beschäftigungszeiten nicht auf die Wartezeit iSd. § 1 Abs. 1 KSchG anrechenbar7. 11 Allerdings können Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 KSchG (und auch nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) anzurechnen sein, wenn sie mit dem neuen Arbeitsverhältnis in engem Zusammenhang stehen8. Rechtliche Unterbrechungen schaden also 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. APS/Moll, § 23 KSchG Rz. 22 mwN. BAG v. 23.4.1998 – 2 AZR 489/97, NZA 1998, 995. BAG v. 25.9.1956 – 3 AZR 102/54, BAGE 3, 155 (157). Vgl. bereits BAG v. 2.1.1984 – 2 AZR 593/82, nv. BAG v. 19.4.1990 – 2 AZR 487/89, BAGE 64, 315 (322). BAG v. 23.4.1998 – 2 AZR 489/97, NZA 1998, 995. BAG v. 1.7.1999 – 2 AZR 926/98, NZA 2000, 437. BAG v. 20.8.1998 – 2 AZR 76/98, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 9.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 16 Teil 4 B
zB nicht bei Lehrern, deren Arbeitsverhältnisse vom Land während der Schulferienzeiten, in denen keine Arbeitsleistung anfällt, nicht fortgeführt werden1. 2. Kündigungserklärung Die Kündigungserklärung bedarf auch im öffentlichen Dienst gem. § 623 12 BGB der Schriftform. Sie ist nur gem. § 126 BGB erfüllt durch eigenhändige Unterschrift des Kündigenden unter die schriftlich formulierte Kündigung. Sie muss klar und eindeutig den Willen zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses formulieren und dabei selbstverständlich auch unterscheiden zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Soweit in den älteren Tarifwerken, zB § 57 Satz 1 BAT, für Kündigungen 13 die Schriftform angeordnet war, hatte das historische Gründe, denn der Text dieser älteren Tarifwerke ist entstanden, als § 623 BGB noch nicht galt. Man war sich allgemein einig2, dass die zwingende gesetzliche Schriftform die Übernahme einer eigenen tariflichen Norm für die Form der Kündigung entbehrlich macht. Sowohl der TVöD noch der TV-L oder andere vergleichbare ablösende Tarifwerke enthalten deshalb keine dem § 57 Satz 1 BAT entsprechende Norm mehr. 3. Vertretungsmacht Zum Ausspruch der Kündigung ist auch bei einem öffentlichen Arbeit- 14 geber das vertretungsberechtigte Organ berufen. Ist der öffentliche Arbeitgeber in privater Rechtsform (zB Stadtwerke-GmbH) organisiert, richtet sich die Vertretungsbefugnis nach den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben3 (zB GmbH-Geschäftsführer). Öffentliche Arbeitgeber sind überwiegend Körperschaften des öffentlichen 15 Rechts, Bund, Länder und Gemeinden, Landkreise und sonstige Selbstverwaltungskörperschaften. Hier sind regelmäßig besondere landesrechtliche Vorschriften bzw. Satzungsregelungen über die Vertretungsmacht zu beachten. So ist zB in NRW gem. § 63 GO NW der Bürgermeister gesetzlicher Vertreter der Gemeinde, allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters ist gem. § 68 GO NW der erste Beigeordnete. a) Vertretungsmacht und Entscheidungsbefugnis Von der Vertretungsbefugnis ist die Frage der Entscheidungsbefugnis strikt zu trennen. So regelt zB § 74 Abs. 2 GO NW, dass der Bürgermeister die arbeitsrechtlichen Entscheidungen trifft, sofern die Hauptsatzung keine andere Regelung vorsieht. Dabei ist zu beachten, dass die Außenvertretungsmacht (zB des Bürgermeisters) grundsätzlich nicht durch die interne Willensbildung in gemeindlichen Gremien bzw. die interne Entschei1 BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 94/06, ArbRB 2007, 324. 2 Palandt/Weidenkaff, BGB, § 623 Rz. 1. 3 Vgl. APS/Preis, Grundlagen, D Rz. 92. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 17
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
dungszuständigkeit (zB des Rates) eingeschränkt wird, sofern die Vertretungsmacht des Außenvertretungsberechtigten nicht aufgrund besonderer Bestimmungen beschränkt ist1. 17 Außerdem ist zu beachten, dass die Kündigungsbefugnis nicht notwendigerweise mit der Einstellungsbefugnis zusammenfällt2. Denn auch der öffentliche Arbeitgeber ist darin frei, wie er die Erledigung von Personalangelegenheiten in seiner Verwaltung organisiert3. Das entscheidungsbefugte Organ kann seine Befugnis zur Entscheidung über die Kündigung uU auch auf eine andere Person übertragen. Außerdem kann das zum Ausspruch der Kündigung (außenvertretungs-)berechtigte Organ die Vertretungsbefugnis auf andere übertragen, vgl. zB § 74 Abs. 3 GO NW4. b) Vertretung und Vollmacht, § 174 BGB 18 Vertretungsmacht im Innenverhältnis ist zu unterscheiden vom Nachweis dieser Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis, also der Vollmacht. 19 Dem öffentlichen Arbeitgeber wird die Erklärung eines Dritten nur dann zugerechnet, wenn dieser vom vertretungsberechtigten Organ bevollmächtigt worden ist. Liegt die Vollmacht beim Ausspruch der Kündigung nicht vor, ist die Kündigung unwirksam. Die Erklärung kann zwar später genehmigt werden, aber nicht mit Wirkung ex tunc (wichtig für Fristen, aber insbesondere bei der außerordentlichen Kündigung wegen der 14-Tage-Frist des § 626 Abs. 2 BGB). Ergibt sich bereits aus der Formulierung der Kündigung selbst oder aus der Unterschrift (i.A.), dass keine Vertretererklärung abgegeben werden sollte, findet eine Zurechnung ohnehin nicht statt, die Kündigung ist unwirksam. 20 Losgelöst davon ist die Frage zu prüfen, ob es im Außenverhältnis der Vorlage einer Vollmacht bedarf. Diese Frage regelt § 174 BGB, der auch für Kündigungen im Bereich des öffentlichen Dienstes gilt5. Die Vorschrift gilt zunächst nur für die Fälle rechtsgeschäftlicher Vertretung. Der gesetzliche oder organschaftliche Vertreter muss seine Vollmacht nicht nachweisen6. In dem schon angeführten Beispiel des Bürgermeisters als nach § 63 GO NW gesetzlichem Vertreter der Gemeinde folgt das unmittelbar aus § 63 GO NW. Er ist auch gem. § 74 Abs. 1 GO NW in arbeitsrechtlichen Fragen entscheidungsbefugt, kann aber seine Unterschriftsbefugnis gem. § 74 1 So etwa früher § 54 Abs. 3 Satz 2 GO NRW aF, wonach neben der Unterschrift des Gemeindedirektors eine weitere Unterschrift eines vertretungsberechtigten Beamten erforderlich war – dazu BAG v. 26.3.1986 – 7 AZR 585/84, NJW 1987, 1038. 2 BAG v. 30.5.1972 – 2 AZR 298/71, NJW 1972, 1877. 3 BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 493/01, BAGR 2003, 158. 4 Bei dieser Norm handelt es sich nicht um eine Form-, sondern um eine Vertretungsvorschrift, vgl. LAG Hamm v. 10.7.1991 – 2 SA 588/90, LAGE § 174 BGB Nr. 4; vgl. auch MünchKommBGB/Einsele, § 125 Rz. 30 (31). 5 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, DB 2007, 919; BAG v. 29.6.1989 – 2 AZR 482/88, BB 1989, 2256. 6 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 82/06, DB 2007, 919.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 22 Teil 4 B
Abs. 3 Satz 2 GO NW auf eine andere Person übertragen. Diese erhält rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, so dass § 174 BGB zu beachten ist1. Ob dieser rechtsgeschäftliche Vertreter eine Vollmacht des Bürgermeisters der Kündigung beifügen muss, um der Zurückweisung gem. § 174 Satz 1 BGB zu entgehen, hängt davon ab, ob diese Kündigungsbefugnis iSd. § 174 Satz 2 BGB allgemein bekannt gemacht worden ist. Ist das nicht geschehen, muss eine Einzelvollmacht vorgelegt werden. Geschieht das nicht, ist die Kündigung unwirksam, wenn aus diesem Grund der Kündigungsempfänger die Kündigung unverzüglich zurückweist. Aber auch ohne ausdrückliche Bekanntmachung kann die Vorlage einer 21 Vollmacht entbehrlich sein, wenn die Kündigung von einer Person ausgesprochen wurde, die eine Stellung bekleidet, mit der das Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt2. Dann wird vermutet, dass der (öffentliche) Arbeitgeber die Arbeitnehmer von der Kündigungsvollmacht iSd. § 174 Abs. 2 BGB in Kenntnis gesetzt hat3. Bei einem Personalabteilungsleiter kann daher in der Regel von dessen Kündigungsbefugnis ausgegangen werden, nicht aber ohne weiteres auch bei einem Referatsleiter innerhalb der Personalabteilung4. Aufgrund des Organisationsrechts des öffentlichen Arbeitgebers kann zB eine Behörde über eine große Personalabteilung verfügen, die allerdings nur für Grundsatzfragen zuständig ist, während die Federführung in Personalfragen den Leitern der einzelnen Abteilungen vorbehalten ist5. Außerdem können aufgrund der internen Geschäftsverteilung die Zuständigkeiten für Einstellungen und Kündigungen auseinander fallen6. Das BAG macht deutlich, dass es keine Erfahrungssätze gibt und dass es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des konkreten Falles ankommt7. Bei Gesamtvertretung ist § 174 BGB bezogen auf jeden einzelnen Gesamtvertreter isoliert zu prüfen8. 4. Besonderheiten der betriebsbedingten Kündigung Arbeitnehmer sind in einem Arbeitsverhältnis mit öffentlichen Arbeitgebern vor Kündigungen grundsätzlich genauso geschützt wie in der privaten Wirtschaft9. Neben personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen (dazu unten Rz. 70 ff.) kommen insbesondere auch betriebsbedingte 1 LAG Hamm v. 26.4.2007 – 17 Sa 1914/06, ArbRB online 2 Vgl. zB LAG Berlin v. 28.6.2006 – 15 Sa 632/06, BB 2007, 163. 3 BAG v. 29.6.1989 – 2 AZR 482/88, BB 1989, 2256; LAG Berlin v. 28.6.2006 – 15 Sa 632/06, BB 2007, 163. 4 BAG v. 20.8.1997 – 2 AZR 518/96, NZA 1997, 1343. 5 BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 493/01, NZA 2003, 520. 6 LAG Köln v. 17.3.2006 – 4 Sa 85/05, ArbRB online. 7 Vgl. bereits BAG v. 30.5.1972 – 2 AZR 298/71, NJW 1972, 1877; LAG Berlin v. 28.6.2006 – 15 Sa 632/06, BB 2007, 163; BAG v. 20.8.1997 – 2 AZR 518/07, NZA 1997, 1343. 8 Vgl. LAG Berlin v. 28.6.2006 – 15 Sa 632/06, BB 2007, 163. 9 Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG § 1 Rz. 423b. Schulte
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Rz. 23
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
Kündigungen in Betracht. Da für den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen auch für öffentliche Arbeitgeber Anlass gegeben sein kann1, insbesondere um in Zeiten knapper Haushaltsmittel und mit Blick auf Umstrukturierungen und Umorganisationen, von denen auch die Strukturen der öffentlichen Verwaltungen nicht verschont bleiben2, sollen deren Besonderheiten im Folgenden dargestellt werden. a) Dringendes betriebliches Erfordernis 23 Jede betriebsbedingte Kündigung setzt ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG voraus, dh. den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auf einem konkreten Arbeitplatz. Der Wegfall des Arbeitsplatzes kann sowohl auf außerhalb der Verwaltung oder des öffentlichen Unternehmens liegenden Umständen beruhen, den außerbetrieblichen Gründen in der Privatwirtschaft vergleichbar, als auch auf „innerbetrieblichen“, also Entwicklungen, die innerhalb der öffentlichen Verwaltung oder des öffentlichen Unternehmens liegen. aa) „Unternehmerentscheidung“ des öffentlichen Arbeitgebers 24 Wie in der Privatwirtschaft auch, ist letztlich nicht entscheidend, wodurch ein Arbeitsplatz wegfällt, ob durch externe oder interne Ursachen. 25 Maßgebend ist vielmehr, dass aufgrund externer oder interner Ursachen eine Entscheidung zu treffen ist, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes und damit der Beschäftigungsmöglichkeit führt. Im öffentlichen Dienstrecht gilt also Ähnliches wie im privaten Arbeitsrecht für die sog. Unternehmerentscheidung. Anlass dafür können im öffentlichen Dienst externe Ursachen sein, insbesondere gesetzliche Vorgaben, die zu einer Veränderung der Aufgabenverteilung führen können, zB die Verlagerung von Aufgaben auf andere Körperschaften oder Unternehmen. Der Gesetzgeber, also Bundestag, Landtag oder auch der Gemeinderat können Vorgaben schaffen, die zum völligen Wegfall einer bislang von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommenen Aufgabe führen können. Die insoweit von der Rechtsprechung des BAG entwickelten Grundsätze für die sog. Unternehmerentscheidung lassen sich auch für öffentliche Unternehmen dienstbar machen, zB wenn aufgrund administrativer Erlasse oder durch normative Bestimmungen des Haushaltsplans Aufgaben nicht mehr finanziert werden können und dadurch Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen3.
1 Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Rz. 987. 2 Zur betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst siehe auch Lingemann/ Grothe, NZA 1999, 1072. 3 Ausführlich dazu Lakies, Die Bedeutung des Haushaltsrechts für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Öffentlichen Dienst, NZA 1997, 745.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 29 Teil 4 B
bb) Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit Allerdings reichen allgemeine Kürzungen, die der Haushaltsplan bzw. ein 26 Erlass für nachgeordnete Verwaltungsstellen und Behörden anordnet, nicht aus, um ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu begründen1. Notwendig sind konkrete Stellenstreichungen; die zu streichende Stelle muss nach sachlichen Merkmalen konkret bezeichnet sein, es bedarf also – wie im Bereich der Privatwirtschaft – einer konkreten innerbetrieblichen Umsetzung2. Gleiches gilt, wenn Drittmittel wegfallen. Nicht der Drittmittelentzug, sondern erst die darauf folgende Entscheidung der Verwaltungsspitze führt zum Wegfall von Arbeitsplätzen3. Wurde eine hoheitliche Aufgabe bisher im Rahmen eines Arbeitsverhält- 27 nisses wahrgenommen, soll sie jedoch künftig in eine Beamtenstelle ungewandelt werden, kann dies nur unter engen Voraussetzungen eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Sofern der bisherige Stelleninhaber das Anforderungsprofil der neu geschaffenen Beamtenstelle erfüllt und es bei der Aufgabe nicht gerade auf den Beamtenstatus ankommt, kann allein der Hinweis auf Art. 33 Abs. 4 GG eine betriebsbedingte Kündigung des bisherigen Stelleninhabers nicht rechtfertigen4. Der öffentliche Arbeitgeber kann den bisherigen Stelleninhaber entweder zum Beamten ernennen oder ihn auf dieser Stelle im Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigen5. Das BAG stellt dabei auf die zur Umwidmung einer Stelle in eine Beförderungsstelle entwickelten Grundsätze ab6. Erfüllt dagegen der bisherige Stelleninhaber weder die Voraussetzungen für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis noch das Anforderungsprofil der in eine Planstelle im Beamtenverhältnis umgewidmeten Position, kann ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen7. Insbesondere hat der öffentliche Arbeitgeber keine Möglichkeit, die neu ge- 28 schaffene Beamtenstelle zu besetzen und nachher geltend zu machen, für den bisherigen Stelleninhaber tatsächlich keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr zu haben – dieser Fall ist mit einer unzulässigen Austauschkündigung vergleichbar8. Wird eine Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgelöst, kann dies eben- 29 falls zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit und damit zu einer betriebsbedingten Kündigung führen9. 1 2 3 4 5 6
BAG GS v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245. BAG GS v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245. Vgl. Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Rz. 990. BAG v. 21.9.2000 – 2 AZR 440/99, NZA 2001, 255. Vgl. BAG v. 21.9.2000 – 2 AZR 440/99, NZA 2001, 255. Vgl. dazu BAG v. 10.11.1994 – 2 AZR 242/94, AP KSchG 1969 § 1 betriebsbedingte Kündigung Nr. 65; BAG v. 5.10.1995 – 2 AZR 269/95, BAGE, 8186. 7 BAG v. 21.9.2000 – 2 AZR 440/99, amtl. Leitsatz 1. 8 BAG v. 21.9.2000 – 2 AZR 440/99. 9 BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 263/06, ArbRB online. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 30
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
30 Auch Rationalisierungsmaßnahmen können zum Wegfall eines Beschäftigungsbedürfnisses auf konkreten Stellen führen, insbesondere durch den Einsatz der EDV, die in den letzten Jahren nur nach und nach Einzug auch in öffentliche Verwaltungen und Unternehmen gefunden hat, zB die Einführung eines elektronischen Handelsregisters. cc) Bedeutung eines „kw-Vermerkes“ 31 Der „kw-Vermerk“, dh. die Angabe „künftig wegfallend“, wird bei Planstellen im Haushaltsplan angebracht und bedeutet, dass die Stelle noch nicht gestrichen ist, aber der Wegfall in Aussicht genommen ist. Allein dieser Vermerk rechtfertigt noch nicht den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen, kann aber unter weiteren Voraussetzungen die Kündigung aus besonderen betrieblichen Gründen sozial rechtfertigen1. Der „kw-Vermerk“ setzt zunächst eine ausdrückliche Entscheidung der öffentlichen Verwaltung voraus2. Er ist nur beachtlich, wenn er bei einer nach sachlichen Merkmalen genau bestimmten Stelle angebracht ist3. Ist aus den dem Haushalt zugrunde liegenden Erwägungen erkennbar, dass das „Ob“ und das „Wie“ der Umsetzung noch einer Entscheidung der Verwaltung bedürfen, liegt noch nicht der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit vor. Deshalb kann allein gestützt auf den Vermerk keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden, die Beschäftigung ist nämlich noch nicht weggefallen4. Dass darüber hinaus der Vermerk datiert sein muss, also eine bestimmte oder bestimmbare Frist zu enthalten hat5, scheint nach neuerer Rechtsprechung des BAG6 nicht mehr erforderlich zu sein. dd) Darlegungslast 32 Auch der öffentliche Arbeitgeber hat alle Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung darzulegen und – im Streitfall – zu beweisen. Das gilt für alle Umstände der Kündigung. Dabei ist allein auf die Verhältnisse der jeweiligen Dienststelle abzustellen, wie das für den Betrieb in der Privatwirtschaft gilt7. Ist zB ein Dienstkräfte-Überhang der Anlass für die Kündigung, so muss der öffentliche Arbeitgeber im Einzelnen die tatsächlichen Grundlagen darlegen, warum das Beschäftigungsbedürfnis wegfällt und in welchem Umfang, also wie viele Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt werden können8. 1 2 3 4 5 6 7 8
BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, NZA 2005, 986. Vgl. BAG v. 16.1.1987 – 7 AZR 487/85, NZA 1988, 279. Vgl. BAG v. 19.3.1998 – 8 AZR 626/96, NZA 1990, 90. BAG v. 19.3.1998 – 8 AZR 626/96, NZA 1999, 90; BAG v. 16.1.1987 – 7 AZR 487/85, NZA 1988, 279. BAG v. 6.1.1978 – 4 AZR 84/77, EzA § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 9. Vgl. zB BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, NZA 2005, 986. BAG v. 20.4.1994 – 10 AZR 323/93, NZA 1995, 489. BAG v. 15.6.1989 – 2 AZR 600/88, NZA 1990, 65.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 36 Teil 4 B
Wie in der Privatwirtschaft auch, kommt es für die Beurteilung der Kündigung auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an und auf die Verhältnisse bei Ablauf der Kündigungsfrist. Die Arbeitsgerichte kontrollieren nur sehr beschränkt die Zweckmäßigkeit der Entscheidung im Hinblick darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist1. Bei Kündigungen infolge von Streichungen konkreter Stellen im Haushaltsplan bzw. eines „kw-Vermerkes“ braucht der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich nicht zur organisatorischen Umsetzbarkeit im Einzelnen vorzutragen, sofern keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Kündigungsrechts vorliegen; ebenso wenig kommt es in solchen Fällen auf eine Veränderung des tatsächlichen Beschäftigungsbedarfs an2. Stellenstreichungen im Haushaltsplan bzw. die Anbringung von „kw-Vermerken“ sind im Übrigen auch gerichtlich nicht nachprüfbar und als gegeben hinzunehmen3.
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b) Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Auch in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts ist eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn es dem öffentlichen Arbeitgeber nicht möglich oder nicht zumutbar ist, den Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen4 (zu den Beschränkungen, die im Geltungsbereich des RatSchTV Ang zu beachten sind, unten Rz. 58).
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Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, die einer Kündigung entgegenstehen, 35 unterliegen für den Bereich des öffentlichen Dienstes gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG einer räumlichen Beschränkung5. Anders als in der Privatwirtschaft (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG) erfolgt keine unternehmensbezogene Betrachtung, so dass freie Stellen außerhalb des in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG genannten Bereiches der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung eines Arbeitnehmers des öffentlichen Dienstes nicht entgegenstehen6. Eine Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich und zumutbar sein7. Frei ist ein Arbeitsplatz dann, wenn er zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorhanden und unbesetzt ist bzw. voraussichtlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird8. Vergleichbar sind Arbeitsplätze, wenn der Arbeitgeber den Arbeit1 Vgl. auch BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 122/04, NZA 2005, 352. 2 BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, NZA 2005, 986. 3 BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 263/06, ArbRB online; v. 23.11.2000 – 2 AZR 617/99, NZA 2001, 500. 4 Vgl. BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, NZA 2007, 352; zur räumlichen Beschränkung auf das Einzugsgebiet vgl. LAG Köln v. 23.2.1996 – 11 (13) Sa 888/95, PersR 1996, 328. 5 LAG Köln v. 23.2.1996 – 11 (13) Sa 888/95, PersR 1996, 328. 6 Vgl. LAG Köln v. 23.10.1996 – 11 (13) Sa 888/95, PersR 1996, 328. 7 BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, NZA 2005, 986. 8 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, NZA 2007, 352. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 37
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
nehmer allein aufgrund seines Direktionsrechts, dh. ohne Veränderung des Arbeitsvertrages, auf dem in Bezug genommenen Arbeitsplatz weiterbeschäftigen kann1. 37 Eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG auch dann, wenn der Arbeitnehmer zu geänderten (schlechteren) Bedingungen weiterbeschäftigt werden kann und der Arbeitnehmer damit einverstanden ist (Vorrang der Änderungs- vor der Beendigungskündigung). Da das KSchG das Arbeitsverhältnis nur in seinem bisherigen Bestand schützt, besteht im Falle des § 1 Abs. 2 Satz 3 KSchG kein Anspruch auf eine Beschäftigung zu besseren Bedingungen, etwa auf Weiterbeschäftigung auf einer freien Beförderungsstelle2. 38 Auf Seiten des Arbeitnehmers setzt die Weiterbeschäftigungspflicht voraus, dass dieser über die für den neuen Arbeitsplatz erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt3. 39 Sofern eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entsteht, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Wiedereinstellung4. Sofern allerdings die Kündigung im Zusammenhang mit einer Rationalisierungsmaßnahme ausgesprochen wurde, kann sich ein Weiterbeschäftigungsanspruch auch nach Ablauf der Kündigungsfrist ergeben, vgl. § 5 Abs. 3 RatSchTV Ang vorliegen (dazu unten Rz. 62). 40 Auch im öffentlichen Dienst hat grundsätzlich der Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit darzulegen und zu beweisen. Allerdings gelten auch hier die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast5. c) Besonderheiten der Sozialauswahl 41 Auch im öffentlichen Dienst muss der Arbeitgeber die Grundsätze der Sozialauswahl iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG beachten, durch die die dringenden betrieblichen Gründe personell konkretisiert werden6. Der Arbeitgeber darf nur dem Arbeitnehmer kündigen, der nach seinen Sozialdaten gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern den geringsten Schutz hat. aa) Dienststellenweite Auswahl 42 Die Sozialauswahl erfolgt im öffentlichen Dienst nicht betriebsbezogen, sondern dienststellenbezogen. Im Unterschied zu § 23 KSchG wird damit nicht auf die Verwaltung als organisatorische Einheit abgestellt, sondern 1 2 3 4 5 6
BAG v. 29.3.1990 – 2 AZR 369/89, NZA 1991, 181. BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04 mwN., NZA 2005, 986. BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, NZA 2007, 352. BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 557/96, NZA 1998, 254. Vgl. BAG v. 24.3.1983 – 2 AZR 21/82, DB 1983, 1822. BAG v. 7.2.1985 – 2 AZR 91/84, NZA 1986, 260.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 45 Teil 4 B
auf die einzelne Dienststelle. Das BAG stellt dabei auf den personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff ab1. Dienststellen iSd. Personalvertretungsrechts sind organisatorische Einheiten innerhalb eines Verwaltungsorganismus, die mit einem selbständigen Aufgabenbereich und einer bestimmten organisatorischen Selbständigkeit ausgestattet sind2. Regelmäßig kommt es also auf alle Beschäftigten an, auf die sich die Kündigungsbefugnis des Dienststellenleiters erstreckt. Besonderheiten können sich dann ergeben, wenn sich eine Dienststelle auf ein größeres räumliches Gebiet erstreckt; hier kann sich die Sozialauswahl wegen dieser räumlichen Gegebenheiten auf einzelne Teile der Dienststelle beschränken3.
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bb) Vergleichbarkeit Innerhalb einer Dienststelle sind nur vergleichbare Arbeitnehmer in die 44 Sozialauswahl einzubeziehen. Auch im öffentlichen Dienst bestimmt sich die Vergleichbarkeit primär nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, dh. nach der bisher ausgeübten Tätigkeit4. Ebenso wie in der Privatwirtschaft kommt es allein auf eine „horizontale Vergleichbarkeit“ an; die Sozialauswahl findet innerhalb derselben Hierarchiestufe statt5. Als Kriterium für eine Einstufung in eine Hierarchie kann auch die tarifli- 45 che Eingruppierung in Betracht kommen6. Unter der Geltung des BAT, als noch ein Bewährungsaufstieg möglich war, konnte auch die Tätigkeit einer Fallgruppe der niedrigeren Vergütungsgruppe für den Vergleich maßgeblich sein7. Mit dieser Besonderheit beschränkte sich die Sozialauswahl idR auf Beschäftigte mit derselben Vergütungsgruppe8. Nach dem TVöD, der nahezu überall den BAT und die Vergütungsgruppen-Systematik abgelöst hat, sind sowohl die Fallgruppen als auch der Bewährungsaufstieg ersatzlos entfallen. Im Übrigen kommt es bei der Vergleichbarkeit auf die Austauschbarkeit der Beschäftigten an, ausgerichtet an den Kriterien Berufsausbildung und berufliche Erfahrung. Grundsätzlich sind Beschäftigte vergleichbar, wenn sie auf einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt oder versetzt werden können9. 1 Vgl. zB LAG Köln v. 23.10.1996 – 11 (13) Sa 888/95, PersR 1996, 328; BAG v. 22.5.1986 – 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125. 2 Vgl. BVerwG, AP Nr. 2 zu § 76 BPersVG bezüglich des personalvertretungsrechtlichen Begriffs. 3 Vgl. Lingemann/Grothe, NZA 1999, 1072 (1075). 4 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, NZA 2007, 352; siehe auch BAG v. 29.3.1990 – 2 AZR 369/89. 5 BAG v. 5.5.1994 – 2 AZR 917/93, NZA 1994, 1023. 6 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, NZA 2007, 352, unter Hinweis auf BAG v. 25.4.1985 – 2 AZR 140/84. 7 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, NZA 2007, 352. 8 BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, NZA 2005, 986. 9 BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, NZA 2005, 986. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 46
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
cc) Auswahlrichtlinien, zB § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG 46 Sofern der öffentliche Arbeitgeber mit dem zuständigen Personalrat, gleich ob im Bund oder in einem der Bundesländer, Auswahlrichtlinien vereinbart hat, zB gem. § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG, wird der Arbeitgeber bei der schwierigen Aufgabe der Sozialauswahl wesentlich entlastet. Allerdings muss er sich auch an die vereinbarten Auswahlkriterien zwingend halten, er hat sich also bei der Auswahlentscheidung hinsichtlich der Kriterien festgelegt. Das gilt auch für das Verhältnis der Auswahlkriterien zueinander. 47 Der Vorteil der Auswahlrichtlinien ergibt sich aus § 1 Abs. 4 KSchG: Hält sich der Arbeitgeber an die vereinbarten Vorgaben, kann die Auswahlentscheidung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Grob fehlerhaft ist die Sozialauswahl und die ihr zugrunde liegende Bewertung anhand der Auswahlrichtlinien nur dann, wenn die Abwägung jede Ausgewogenheit vermissen lässt oder einzelne Kriterien entweder unzureichend oder überproportional berücksichtigt werden1. 48 Der beschränkten Überprüfung unterliegt nur die Gewichtung der Sozialkriterien, nicht aber „die soziale Auswahl“ schlechthin2. In vollem Umfang ist daher überprüfbar, welche Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl aufgrund ihrer Vergleichbarkeit zu berücksichtigen sind oder nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl herausgenommen werden dürfen3. 49 Eine erhebliche Entlastung entsteht auch dadurch, dass zunächst der Arbeitnehmer darlegen und beweisen muss, dass die Sozialauswahl grob fehlerhaft ist. 5. Rationalisierung und Kündigungsschutz 50 Öffentliche Arbeitgeber sind im Anwendungsbereich des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Angestellte (RatSchTV Ang) vom 9.1.1987 (im Folgenden RatSchTV) erheblichen Einschränkungen unterworfen beim Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. Dieser Tarifvertrag enthält Schutzbestimmungen, soweit Rationalisierungsmaßnahmen zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen. Die Regelungen sehen ein abgestuftes Prüfschema vor. Zunächst hat der Arbeitgeber nach einer anderweitigen Beschäftigung zu suchen und diese anzubieten. Wenn das nicht möglich ist, sind die Folgen einer solchen Maßnahme zu mildern. Arbeitgeber haben besondere Hinweis- und Unterrichtungspflichten gem. § 2 RatSchTV zu erfüllen, gem. §§ 3 und 4 RatSchTV Arbeitsplätze zu si1 BAG v. 2.12.1999 – 2 AZR 757/98, NZA 2000, 531; BAG v. 5.12.2002 – 2 AZR 697/01, BB 2004, 1229; BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 473/05, NZA 2007, 504; LAG Nds. v. 28.5.2004 – 10 Sa 2180/03, ArbRB 2005, 110; siehe auch KR/Griebeling, § 1 KSchG Rz. 697 mzN. 2 So aber noch Löwisch, BB 1999, 102. 3 Vgl. Tschöpe, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 E Rz. 290 mwN auch zu Gegenansichten.
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Rz. 54 Teil 4 B
chern, Fortbildung und Umschulung anzubieten und darüber hinaus einen besonderen Kündigungsschutz zu berücksichtigen, § 5 RatSchTV. Wenn alle anderen Maßnahmen nicht in Betracht kommen, wird der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet, § 7 RatSchTV. a) Anwendungsbereich Der RatSchTV gilt unmittelbar im Geltungsbereich des BAT (BAT-O), dh. 51 in den Ländern, die in denen diese Tarifverträge noch gelten (Hessen, Berlin). Er gilt aber auch im Geltungsbereich der neuen Tarifverträge weiter, und zwar im Bereich des TVöD-Bund (nach Anlage 1 TVÜ-Bund Teil C), im Bereich des TV-L (nach Anlage 1 TVÜ-Länder Teil C) und im Geltungsbereich des TVöD (VKA) im Bereich der Kommunen (nach der Protokollerklärung zu § 36 TVöD so lange, bis die Tarifvertragsparteien über die Weitergeltung neu entschieden haben). Darüber hinaus eröffnet das BAG einen weiteren Anwendungsbereich. Es 52 hat die Grundsätze des RatSchTV auch im Fall einer (außerordentlichen) betriebsbedingten Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers angewandt1. Diese Rechtsprechung bezieht sich zwar auf Arbeitnehmer, die gem. §§ 53 Abs. 3, 55 BAT (BAT-O) nach 15-jähiger Beschäftigungszeit und mit Vollendung des 40. Lebensjahres unkündbar sind. Die neuen Tarifverträge sehen in § 34 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L aber eine identische Regelung vor. Einzelheiten werden im Zusammenhang mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung (unten Rz. 110) dargestellt. b) Begriff der Rationalisierungsmaßnahme, § 1 RatSchTV Eine Rationalisierungsmaßnahme liegt gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 RatSchTV 53 vor bei einer vom Arbeitgeber veranlassten erheblichen Änderung der Arbeitstechnik oder einer wesentlichen Änderung der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise2. Die Erheblichkeit bzw. Wesentlichkeit einer Änderung richtet sich nach den Auswirkungen einer Maßnahme3. Maßnahmen, denen Ursachen außerhalb der Verwaltung oder des Betriebs zugrunde liegen, etwa ein voraussichtlich nicht nur kurzfristiger Nachfragerückgang bzw. eine von außen verursachte Beschränkung der Aufgaben bzw. der Wegfall zweckgebundener Drittmittel, gelten nicht iSd. § 1 Abs. 1 RatSchTV als „vom Arbeitgeber veranlasst“4. Welche Maßnahmen als Rationalisierung gelten, hängt vom konkreten Einzelfall ab. § 1 Abs. 1 Satz 2 RatSchTV enthält einen Katalog von Krite1 Vgl. zB BAG v. 27.6.2002 – 2 AZR 367/01, ArbRB 2003, 42; v. 24.6.2004 – 2 AZR 215/03, ArbRB 2005, 198. 2 Zum Ziel rationellerer Arbeitsweise und zur Änderung der Arbeitsorganisation BAG v. 29.3.2001 – 6 AZR 652/99, ArbRB online mwN; zur Änderung der Arbeitstechnik Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 1 TV Rationalisierung 1.1 S. 11. 3 Vgl. 1. Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 RatSchTV Ang. 4 Vgl. hierzu Protokollnotiz Nr. 2 zu § 1 Abs. 1; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 1 TV Rationalisierung 1.1 S. 8. Schulte
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rien, die aber nicht abschließend geregelt sind1. Dazu zählen insbesondere die Stilllegung bzw. Auflösung des Betriebes/der Verwaltung, die Zusammenlegung oder Verlegung von Betrieben/Verwaltungen, die Ausgliederung von Teilen eines Betriebes/einer Verwaltung, die Verlagerung von Aufgaben oder die Einführung anderer Arbeitsmethoden bzw. Fertigungsverfahren. Aus § 1 Abs. 2 RatSchTV wird deutlich, dass nicht notwendig der Betrieb bzw. die Verwaltung im Ganzen betroffen sein muss, sondern auch nur ein Teil eines Betriebes oder einer Verwaltung erfasst sein kann. 55 Wesentliche Voraussetzung ist ferner, dass die Maßnahme für Beschäftigte zu einem Wechsel der Beschäftigung2 oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt3. Die Beendigung kann durch Auflösungsvertrag oder Beendigungskündigung erfolgen. Auch im Fall einer Änderungskündigung können die besonderen Vorschriften des RatSchTV zu beachten sein, wenn sie zu einem Wechsel der Beschäftigung iSd. § 1 RatSchTV führt, also Arbeitnehmer zu wesentlich veränderten Bedingungen an ihrem bisherigen oder an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden können4. Obwohl § 1 RatSchTV von „Arbeitnehmern“ spricht, kann eine Maßnahme iSd. § 1 RatSchTV bereits dann vorliegen, wenn nur ein einziger Arbeitnehmer betroffen ist5. 56 Zu beachten ist, dass § 1 Abs. 2 und 3 RatSchTV bestimmte Maßnahmen aus dem Anwendungsbereich des Tarifvertrages ausnimmt. Diese Fälle haben keine kündigungsrechtliche Relevanz. So fällt der Betriebsübergang iSd. § 613a BGB nicht unter den Tarifvertrag. Folgt auf einen Betriebsübergang allerdings eine betriebsbedingte Kündigung durch den alten Arbeitgeber bzw. den Übernehmer, dürfte der RatSchTV jedoch anwendbar sein. c) Unterrichtungspflichten, § 2 RatSchTV 57 Liegt eine Rationalisierungsmaßnahme iSd. § 1 RatSchTV vor, treffen den Arbeitgeber zunächst Unterrichtungspflichten nach § 2 RatSchTV. Neben den bestehenden Beteiligungsrechten nach dem BetrVG bzw. dem Personalvertretungsrecht (vgl. § 2 Abs. 2 RatSchTV) hat der Arbeitgeber die zuständige Personalvertretung zu informieren, außerdem die von der Maßnahme voraussichtlich betroffenen Arbeitnehmer. d) Arbeitsplatzsicherung, §§ 3, 4 RatSchTV 58 Zum Kernbereich des Tarifvertrages gehört die Arbeitsplatzsicherung iSd. §§ 3 und 4 RatSchTV. Nach § 3 Abs. 1 RatSchTV ist der Arbeitgeber den be1 BAG v. 29.3.2001 – 6 AZR 652/99, ArbRB online. 2 Siehe dazu BAG v. 29.3.2001, 6 AZR 652/99 nv.; v. 19.10.2000 – 6 AZR 291/99, NZA 2002, 339. 3 Zum ursächlichen Zusammenhang Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 1 TV Rationalisierung 1.1 S. 14. 4 BAG v. 29.3.2001, 6 AZR 652/99 nv. 5 Vgl. dazu Protokollnotiz 1 zu § 1 Abs. 1. Die weiteren Einzelheiten bei der Begriffsbestimmung sollen hier nicht vertieft werden.
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Rz. 61 Teil 4 B
troffenen Arbeitnehmern zur Arbeitsplatzsicherung nach verpflichtet, erforderlichenfalls in Verbindung mit Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen iSd. § 4 RatSchTV. Der Arbeitgeber hat dem Beschäftigten gem. § 3 Abs. 2 RatSchTV in erster Linie einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz anzubieten. Sofern dies nicht möglich ist, hat er ihm gem. § 3 Abs. 3 RatSchTV einen anderen Arbeitsplatz anzubieten und die spätere Bewerbung des Beschäftigten um einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Rahmen der Auswahl unter gleichgeeigneten Bewerbern bevorzugt zu berücksichtigen. Sofern auch das nicht möglich ist, hat sich der Arbeitgeber gem. § 3 Abs. 4 und 5 RatSchTV für den betroffenen Beschäftigten um einen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu bemühen. Der Arbeitnehmer ist gem. § 3 Abs. 6 RatSchTV verpflichtet, einen vom Arbeitgeber angebotenen, zumutbaren Arbeitsplatz anzunehmen1. e) Besonderer Kündigungsschutz, § 5 RatSchTV Die kündigungsrechtliche Relevanz der Arbeitsplatzsicherung iSd. § 3 RatSchTV zeigt sich in § 5 RatSchTV. Diese Norm sieht einen besonderen Kündigungsschutz vor, der auf den Regelungen der Arbeitsplatzsicherung iSd. §§ 3 und 4 RatSchTV aufbaut.
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Gem. § 5 Abs. 2 RatSchTV darf eine Beendigungskündigung nur ausgespro- 60 chen werden, wenn dem Arbeitnehmer ein Arbeitsplatz nach § 3 Abs. 2 bis 5 RatSchTV nicht angeboten werden kann oder der Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz entgegen § 3 Abs. 6 RatSchTV nicht annimmt2. In diesem Fall gilt eine besondere Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres, sofern sich aus § 53 Abs. 2 BAT – bzw. nun aus den neuen Tarifverträgen, vgl. zB § 34 TVöD – keine längeren Kündigungsfristen ergeben. Bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern (§ 53 BAT, § 34 Abs. 2 TVöD) gelten gem. § 5 Abs. 2 RatSchTV noch strengere Maßstäbe: Eine (außerordentliche) Kündigung im Zusammenhang mit einer Rationalisierungsmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung iSd. § 3 Abs. 6 RatSchTV zuwider einen gleichwertigen Arbeitsplatz bei demselben Arbeitgeber nicht annimmt. Hier ist eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres zu beachten. § 5 Abs. 1 RatSchTV regelt einen besonderen Kündigungsschutz für Arbeit- 61 nehmer, die gem. § 3 RatSchTV eine andere Tätigkeit übernommen haben. Ihnen darf während der ersten neun Monate dieser Tätigkeit weder aus betriebsbedingten Gründen noch wegen mangelnder Einarbeitung gekündigt werden. Sofern der Arbeitnehmer an einer Fortbildung oder Umschulung 1 Zu den Folgen bei Ablehnung eines angebotenen und zumutbaren Arbeitsplatzes BAG v. 15.11.2001 – 6 AZR 629/00, NZA 2002, 928. 2 Vgl. LAG Hamm v. 31.5.2007 – 17 Sa 1857/06, ArbRB online zur Anwendung von §§ 5, 3 RatSchTV Ang bei einer durch gesetzliche Vorgaben veranlassten Umstrukturierung, die zu einer betriebsbedingten Kündigung eines Angestellten im öffentlichen Dienst führt. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 62
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
teilgenommen und die neue Tätigkeit bereits währenddessen ausgeübt hat, verlängert sich der besondere Kündigungsschutz auf zwölf Monate. 62 Gem. § 5 Abs. 3 RatSchTV setzt sich der besondere Kündigungsschutz auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus fort. Denn nach dieser Norm soll ein Arbeitnehmer (später) auf Antrag bevorzugt wieder eingestellt werden, wenn ein für ihn geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung steht, nachdem er zuvor aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Damit weicht § 5 Abs. 3 RatSchTV von dem Grundsatz ab, dass eine Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers grundsätzlich mit Ablauf der Kündigungsfrist endet. f) Abfindungsregelung, § 7 RatSchTV 63 Wie schon angedeutet, enthält § 7 RatSchTV unter den dort genannten Voraussetzungen eine eigene Regelung über die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Beschäftigten eine Abfindung zu zahlen. Natürlich setzt das voraus, dass eine Rationalisierungsmaßnahme iSd. § 1 Abs. 1 RatSchTV durchgeführt werden soll. Die Mindestregelungen in § 7 RatSchTV greifen allerdings nur dann ein, wenn die Auflösung „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ erfolgt. Natürlich kann es auch zu einer Beendigungsvereinbarung kommen, wenn der Beschäftigte zustimmt. Die „Veranlassung“ durch den Arbeitgeber ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Arbeitnehmer freiwillig meldet. Auch dann erfolgt das Ausscheiden „auf Veranlassung des Arbeitgebers“1. 64 Die Abfindungshöhe ergibt sich aus der Tabelle des § 7 Abs. 1 RatSchTV und ist abhängig von der Beschäftigungszeit (iSd. §§ 19 BAT bzw. BAT-O und § 34 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L) und vom Lebensalter des Arbeitnehmers. Fällig ist der Anspruch erst dann, wenn endgültig feststeht, dass der Arbeitnehmer ausgeschieden ist, insbesondere nach Ablauf der Klagefrist der §§ 4, 7 KSchG bzw. ab Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung. § 10 RatSchTV sieht die Anrechnung von Leistungen vor, die dem Arbeitnehmer nach anderen gesetzlichen Bestimmungen bzw. durch vertragliche Vereinbarung zu Abfindungszwecken gezahlt werden. Nicht angerechnet wird aber das Arbeitslosengeld, weil es Lohnersatzfunktion hat und nicht – wie eine Abfindung – dazu dient, den Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst zu entschädigen2. 6. Mitwirkung der Personalvertretung 65 Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes ist bei einer Kündigung die zuständige Mitarbeitervertretung – soweit vorhanden – zu beteiligen. Wie sich auch aus § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KSchG ergibt, finden das BPersVG sowie die Personalvertretungsgesetze der Länder Anwendung. Die Betei1 LAG Hamm v. 5.10.2000 – 17 Sa 1093/00, ArbRB online. 2 BAG v. 20.2.1997 – 6 AZR 760/95, NZA 1997, 834; aA zB Böhm/Spiertz/Sponer/ Steinherr, BAT, § 10 TV Rationalisierung 1.1 S. 62.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 68 Teil 4 B
ligung der Mitarbeitervertretung im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft haben zwar viele Gemeinsamkeiten, weisen jedoch auch wichtige Unterschiede auf. Wegen der teilweisen Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 BetrVG folgt die nachfolgende Darstellung im Wesentlichen den Regelungen des BPersVG. Dem sind die Ländervorschriften weitgehend angepasst, zuletzt die Vorschriften in NRW nach einer weitreichenden Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes NW1. Auf Bundesebene ist eine ordentliche Kündigung gem. § 79 i.V.m. § 72 66 BPersVG vor ihrem Ausspruch mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalrat zu erörtern. Eine Kündigung ist gem. § 79 Abs. 4 BPersVG unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt wurde, aber auch dann, wenn der Personalrat nicht richtig beteiligt wurde2. Beteiligungsmängel, die allein in den Verantwortungsbereich der Personalvertretung fallen, berühren die Wirksamkeit der Kündigung nicht3. Dieses zwingende Mitwirkungsrecht4 besteht nur bei der ordentlichen Kündigung iSd. § 622 BGB5. Beteiligungsrechtlich stehen der ordentlichen Kündigung die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses während der Probezeit nach § 22 Abs. 1 BBiG6 sowie eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist bei tariflich nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmern7 gleich.
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Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ist gem. § 79 Abs. 3 BPersVG der Personalrat hingegen nur anzuhören. Da die Beteiligungsrechte unterschiedlich ausgestaltet sind, scheidet eine Umdeutung einer fristlosen in eine ordentliche Kündigung aus8. Daher muss zwingend vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung der Personalrat auch hinsichtlich einer „vorsorglichen ordentlichen Kündigung“ beteiligt werden9. Zu beachten sind jedoch auch Ausnahmen vom Beteiligungsrecht des Per- 68 sonalrats, zB bei Kündigungen von Beschäftigtengruppen, die in § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersG genannt sind, § 79 Abs. 1 Satz 2 BPersVG (weitere Einzelheiten zum Mitbestimmungsverfahren siehe unten Teil 4 D Rz. 18).
1 Vgl. Änderung des LPVG v. 9.10.2007, GVBl. NRW v. 16.10.2007, 394 ff. 2 St. Rspr. und einhellige Meinung in der Literatur; zB Fischer/Goeres/Gronimus, in: Fürst GKÖD V K, § 72 BPersVG, Rz. 23, vgl. auch zu den Anforderungen d. Personalratsanhörung b. Probezeitkündigung BAG v. 23.4.2009 – 6 AZR 516/08, NJW 2009, 1283. 3 Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Rz. 466. 4 Anders als gem. § 102 Abs. 6 BetrVG kann das Beteiligungsrecht nach §§ 73, 97 BPersVG nicht einvernehmlich erweitert werden. 5 Bei außerordentlicher Kündigung besteht gem. § 79 Abs. 3 BPersVG nur ein Anhörungsrecht. 6 Vgl. dazu auch BAG v. 19.11.2009 – 6 AZR 800/08, ArbRB online. 7 BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, NZA 1998, 771. 8 BAG v. 3.12.1981 – 2 AZR 679/79 nv. 9 BAG v. 23.4.1998 – 8 AZR 622/96 nv. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 69
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
7. Besonderheiten bei personenbedingter und verhaltensbedingter Kündigung 69 Neben der betriebsbedingten Kündigung kommt natürlich auch im öffentlichen Dienst eine personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Diese unterliegen den allgemeinen Beschränkungen des Kündigungsschutzes gem. § 1 Abs. 2 KSchG in der Konkretisierung, wie sie die Rechtsprechung des BAG schon seit Jahrzehnten entwickelt, verfeinert, manchmal aber auch verändert. a) Personenbedingte Kündigung 70 Die Fälle der personenbedingten Kündigung werden auch im öffentlichen Dienst in erster Linie durch krankheitsbedingte Fehlzeiten der Arbeitnehmer ausgelöst1. Eine Besonderheit gegenüber der Privatwirtschaft ergibt sich daraus, dass die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, zB § 7 BAT und § 3 Abs. 4 TVöD, den öffentlichen Arbeitgeber bei begründeter Veranlassung berechtigen, den Arbeitnehmer zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung zu verpflichten. Er kann damit eine Untersuchung des Arbeitnehmers in die Wege leiten, um die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu überprüfen. Das Untersuchungsergebnis kann Grundlage einer krankheitsbedingten Kündigung sein2. 71 Keine personenbedingte Kündigung in Form der krankheitsbedingten ist auszusprechen, wenn der Beschäftigte seine ihm obliegende Mitwirkungspflicht verletzt und sich schuldhaft dem berechtigten Verlangen nach ärztlicher Begutachtung entzieht, die der Klärung seiner Berufs- oder Erwerbsfähigkeit dienen soll. In diesem Fall kann allerdings der öffentliche Arbeitgeber eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aussprechen, in besonders krassen Fällen sogar – selbstverständlich nur nach vorangegangener Abmahnung – eine außerordentliche Kündigung (vgl. dazu unten Rz. 111 ff.). 72 Aber nicht nur krankheitsbedingte Gründe, sondern auch solche, die die Eignung des Arbeitnehmers im Übrigen betreffen können, sind unter den Bedingungen des öffentlichen Dienstes problematisch. aa) Tätigkeit für das MfS 73 Der Einigungsvertrag enthält besondere Regelungen für den Ausspruch von ordentlichen Kündigungen und außerordentlichen Kündigungen wegen einer früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR3. Diese Regelungen sind mit Ablauf des 31.12.1993 nicht mehr gül1 Zu Fallgruppen und Prüfungsaufbau siehe Tschöpe, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 E Rz. 81 ff. 2 Vgl. zu den Voraussetzungen, die denen der Privatwirtschaft entsprechen: APS/ Dörner, § 1 KSchG Rz. 135 f., insbesondere zur dreistufigen Überprüfung Rz. 138 f. 3 Kapitel XVIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Nr. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 75 Teil 4 B
tig. Da auch heute noch bekannt werden kann – wie aktuelle Fälle zeigen –, dass eine frühere Tätigkeit für das MfS, insbesondere als informeller Mitarbeiter (IM), stattgefunden hat, gibt es nach wie vor ein Regelungsbedürfnis, darauf auch im Arbeitsverhältnis zu reagieren. Deshalb ist man sich einig, dass hier eine Kündigung möglich sein muss, allerdings wegen der Sonderregelungen im Einigungsvertrag keine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung mehr. In Betracht kommt jedoch eine personenbedingte Kündigung. Dabei stellt das BAG darauf ab, ob der Arbeitnehmer trotz der früheren Tätigkeit für das MfS noch für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst geeignet ist oder nicht1. Die frühere Tätigkeit selbst löst das Kündigungsrecht noch nicht aus. Es kommt vielmehr im Rahmen einer Prognoseentscheidung darauf an, ob die Eignung für die besonderen Anforderungen des öffentlichen Dienstes vorliegen. Dabei stellt das BAG auf sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls ab. Zunächst ist der Grad der persönlichen Verstrickung des Betroffenen zu klären. Ferner werden die Art, Dauer und Intensität der Tätigkeit für das MfS zu berücksichtigen sein. Außerdem kommt es auf den Zeitpunkt an und auf den Grund für die Aufnahme der MfS-Tätigkeit. Maßgeblich ist aber nicht nur die Vergangenheit, sondern auch, welche Befugnisse der Arbeitnehmer in der jetzigen Position im Arbeitsverhältnis hat und wie sich seine frühere Tätigkeit, nachdem sie bekannt geworden ist, auf das Ansehen und das Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auswirkt. Je größer das Maß der Verstrickung ist, desto weniger zumutbar kann die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers als Angehöriger des öffentlichen Dienstes sein2. Allerdings berücksichtigt das BAG auch den zwischenzeitlich aufgelaufe- 74 nen Zeitraum. Hat der Beschäftigte seit der Tätigkeit im öffentlichen Dienst beanstandungsfrei gearbeitet und lässt seine Tätigkeit auf eine Bewährung, innere Distanz oder Abkehr von früheren Einstellungen und Taten schließen, kann dies seine Kündigung ausschließen3. Insbesondere auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kann es deshalb geboten sein, Tätigkeiten für das MfS, die vor dem Jahr 1970 bereits abgeschlossen waren, als untaugliches Indiz für die mangelnde Eignung für den öffentlichen Dienst zu betrachten4. bb) Politische, religiöse oder weltanschauliche Betätigung Immer wieder haben sich die Arbeitsgerichte auch mit Kündigungsgründen auseinander setzen müssen, bei denen politische, religiöse oder weltanschauliche Aspekte eine Rolle gespielt haben. Die Frage ist in solchen Fällen immer, ob diese Aspekte eine personenbedingte oder eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können. Da hier der grundrechtlich relevante Bereich betroffen ist, insbesondere in Form der Meinungs-, Reli1 2 3 4
BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 426/05, NZA 2007, 288. BAG v. 11.6.1992 – 8 AZR 474/91, NZA 1993, 361. Vgl. BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 426/05, NZA 2007, 288. BVerfG v. 19.3.1998 – 1 BvR 264/97, nv. Schulte
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Rz. 76
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
gions- oder Weltanschauungsfreiheit gem. Art. 4, 5 GG1, muss hier besonders sorgfältig differenziert werden. Eine personenbedingte Kündigung kommt nur unter Eignungsaspekten in Betracht. Aus den Gründen muss sich ergeben, dass der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung in der konkret wahrzunehmenden arbeitsvertraglichen Funktion nicht geeignet erscheint2. Kann bei der Entscheidung, ob jemand in den öffentlichen Dienst eingestellt wird, die allgemeine Eignung anhand abstrakter Merkmale bestimmt werden, bedarf die Prognoseentscheidung im Zusammenhang mit einer Kündigung der Prüfung konkreter Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht die zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben erforderliche Eignung besitzt. 76 So sind zB Eignungsmängel indiziert bei konkreten begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers, wie sie sich zB ergeben, wenn ein Arbeitnehmer nicht nur Mitglied einer verfassungsfeindlichen Organisation oder Partei ist, sondern auch aktiv für sie eintritt3. 77 Deshalb kann die Zugehörigkeit zB zur Scientology-Organisation für sich allein eine Kündigung nicht rechtfertigen4. Hinzutreten muss noch ein konkretes Verhalten des Arbeitnehmers, das der besonderen Zurückhaltung widerspricht, die Beschäftigte im öffentlichen Dienst mit Blick auf politische, religiöse oder weltanschauliche Betätigungen üben müssen. So ist es mit der konkreten Tätigkeit eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst nicht vereinbar, wenn versucht wird, im Dienst für solch eine Organisation zu werben. b) Verhaltensbedingte Kündigung 78 In der Praxis weitaus wichtiger sind die verhaltensbedingten Gründe, die zu einer ordentlichen Kündigung führen können. Natürlich gilt auch im öffentlichen Dienst der Grundsatz, dass eine verhaltensbedingte Kündigung auf der Grundlage unterschiedlichster Störungen des Arbeitsverhältnisses ebenso in Betracht kommt wie in der Privatwirtschaft. Das Kündigungsschutzgesetz nennt keine Definition des Begriffs des verhaltensbedingten Grundes. Grundvoraussetzung ist eine Vertragsverletzung. Diese muss zunächst auf der ersten Stufe an sich geeignet sein, das Arbeitsverhältnis zu beeinträchtigen. Auf der zweiten Stufe findet eine Interessenabwägung statt, welche Interessen angesichts des Verhaltens des Arbeitnehmers schützenswerter sind, die des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers5. 79 Im öffentlichen Dienst gibt es besondere Interessenlagen, die auch auf die verhaltensbedingten Gründe durchschlagen und im Folgenden beleuchtet werden sollen.
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Vgl. zB BAG v. 14.2.1996 – 2 AZR 274/95, NZA 1996, 873. Instruktiv BAG v. 6.6.1984 – 7 AZR 456/82, DB 1985, 341. KR/Griebeling, § 1 KSchG Rz. 306. LAG Berlin v. 11.6.1997 – 13 Sa 19/97, DB 1997, 2542. Vgl. zu den Einzelheiten Mues/Eisenbeis/Legerlotz/Laber, Teil 4 Rz. 68 f.
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Rz. 84 Teil 4 B
aa) Tätigkeit für das MfS Die Möglichkeit, wegen der Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung auszusprechen, ist aus den oben genannten Gründen (Rz. 73) abgeschnitten. Wird also erst heute eine frühere Tätigkeit für das MfS bekannt, müssen die strengen Anforderungen für eine außerordentliche Kündigung erfüllt sein (wegen der Möglichkeit der personenbedingten ordentlichen Kündigung siehe oben Rz. 73)
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bb) Politische, religiöse oder weltanschauliche Betätigung Diese Aspekte sind bereits mit Blick auf die Eignung für den öffentlichen 81 Dienst und im Zusammenhang mit einer personenbedingten Kündigung betrachtet worden. Solche Aspekte sind insbesondere bei einer außerdienstlichen Tätigkeit zu beachten. Führt die politische, religiöse oder weltanschauliche Betätigung zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses, etwa wenn ein Lehrer antisemitische Witze erzählt1, so kommt auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Außerdienstliches Verhalten wird dann relevant, wenn es in die Dienststelle hineinwirkt und entweder die allgemeine Aufgabenstellung des Dienstes berührt oder jedenfalls das konkrete Aufgabengebiet des Arbeitnehmers2. So hat ein Arbeitnehmer provozierende parteipolitische Betätigungen, zB durch Herausgabe eines Flugblattes, zu unterlassen3.
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Grundsätzlich kommen sowohl im Leistungsbereich als auch im Bereich der betrieblichen oder dienststellenbezogenen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personellen Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich Verhaltensweisen als kündigungsrelevant in Betracht, auch wenn sie außerdienstlich stattfinden4.
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cc) Bürgerunfreundliches Verhalten Der Servicegedanke hat auch im öffentlichen Dienst, insbesondere in den 84 dienstleistungsorientierten Verwaltungszweigen Eingang gefunden. Sind die arbeitsvertraglichen Pflichten auch im Umgang mit den ratsuchenden oder zu betreuenden Bürgern wahrzunehmen, sind Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht nur verpflichtet, sachlich und fachlich kompetent zu handeln, sondern auch gegenüber den Bürgern freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend aufzutreten. Diese Verpflichtungen ergeben sich zum einen aus dem Leitbild einer bürgerfreundlichen Verwaltung, sie obliegen 1 BAG v. 5.11.1992 – 2 AZR 287/92, AuR 1993, 124. 2 BAG v. 6.6.1984 – 7 AZR 456/82, NJW 1985, 507 zur Mitgliedschaft in der DKP; zur Verbreitung ausländerfeindlicher Pamphlete siehe BAG v. 14.2.1996 – 2 AZR 274/95, NZA 1996, 873. 3 BAG v. 15.12.1977 – 3 AZR 184/76, EzA § 626 BGB nF Nr. 61. 4 Vgl. BAG v. 20.7.1989 – 2 AZR 114/87, NZA 1990, 614. Schulte
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Rz. 85
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
aber auch jedem Mitarbeiter als allgemeine vertragliche Nebenpflicht. So kann eine hartnäckige Verletzung dieser Pflichten, also bürgerunfreundliches Verhalten, nach vorheriger Abmahnung auch die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst rechtfertigen1. dd) Straftaten 85 Bei Straftaten gelten grundsätzlich dieselben Grundsätze wie in der Privatwirtschaft2. Allerdings gelten im öffentlichen Dienst besondere Treuepflichten. Schon bislang war in § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT gefordert, dass die Arbeitnehmer sich so zu verhalten haben, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werde. In den Neuregelungen des § 41 Satz 2 TVöD-BT-V wird gefordert, die geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen. Ferner haben sich die Beschäftigten des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereichen hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung iSd. Grundgesetzes zu bekennen. 86 An diesen Maßstäben ist das Verhalten zu messen und insbesondere außerdienstlich begangene Straftaten. Diese sind Kündigungsgrund, wenn sie bereits durch die Tat selbst ein erhebliches Gewicht haben, zB bei einem vorsätzlichen Tötungsdelikt3, oder wenn sie in unmittelbarem Widerspruch zu den Aufgaben des öffentlichen Arbeitgebers stehen, zB im Fall der Steuerhinterziehung eines Finanzbeamten4. Dabei reicht es aus, dass die Straftat an sich geeignet ist, das Ansehen in der Öffentlichkeit zu schädigen; es bedarf nicht des Nachweises einer konkreten Schädigung5. ee) Abmahnung 87 Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschuldet ist auch im öffentlichen Dienst, dass grundsätzlich vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung eine einschlägige Abmahnung erfolgen muss. Das gilt auch bei der Verletzung der Pflicht, sich politisch zurückzuhalten und verfassungstreu zu bleiben6. 88 Hier gelten die allgemeinen Grundsätze auch im öffentlichen Recht mit der Maßgabe, dass es Fälle geben kann, in denen das Verhalten so gravierend ist, dass der öffentliche Arbeitgeber nicht zuvor eine Abmahnung aussprechen muss7. So hat der öffentliche Arbeitgeber jedem Anzeichen von Korruption entgegenzutreten, damit nach außen und nach innen der Eindruck vermieden wird, hier werde Nachsicht geübt, indem zB der korrupte Mitarbeiter mit einer Abmahnung „davonkommt“, und der Arbeitgeber 1 2 3 4 5 6 7
ArbG Iserlohn v. 24.1.2007 – 1 Ca 1692/06, nv. Vgl. Mues/Eisenbeis/Legerlotz/Laber, Teil 4 Rz. 270 f. BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282. BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 325/00, NZA 2002, 1030. BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282. Vgl. dazu BAG v. 14.2.1996 – 2 AZR 274/95, NZA 1996, 873. Vgl. BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282, amtlicher Leitsatz 3.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 92 Teil 4 B
trete nicht energisch genug mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen schon den Anfängen eines solchen Verhaltens entgegen. Hier kann also die Abmahnung entbehrlich sein1. 8. Kündigungsfristen Soweit nichts anderes vereinbart ist, gelten auch im öffentlichen Dienst 89 im Arbeitsverhältnis die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB einschließlich der verlängerten Kündigungsfristen für die Arbeitgeberkündigung. Während individualrechtliche Abweichungen zu Lasten der Arbeitnehmer nur in den sehr engen Grenzen des § 622 Abs. 5 BGB zulässig, im Übrigen aber unzulässig sind, kann durch tarifliche Regelungen von den gesetzlichen Kündigungsfristen abgewichen werden. a) Kündigungsfristen des § 34 TVöD Das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst enthält zB in § 34 TVöD eigene 90 Kündigungsfristen. Diese Regelung löst die bisherigen Tarifnormen (zB §§ 53 ff. BAT/BAT-O) ab, orientiert sich aber an den bisherigen Regelungen. Wie bisher differenziert § 34 TVöD zwischen Kündigungen während der 91 ersten sechs Monate, für die eine abgekürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsschluss gilt, und Kündigungen von Arbeitsverhältnissen, die länger als sechs Monate bestehen. Für diese Arbeitsverhältnisse sieht § 34 TVöD gegenüber § 622 Abs. 2 BGB zum einen längere Kündigungsfristen vor. Zudem wird bei Beschäftigungszeiten von mehr als einem Jahr nicht auf das Monatsende abgestellt, sondern auf den Schluss eines Kalendervierteljahres. Abweichend von der gesetzlichen Regelung in § 622 Abs. 2 BGB, wonach die verlängerten Fristen nur für die Arbeitgeberkündigung gelten, sind Arbeitnehmer bei einer Eigenkündigung, wie der Arbeitgeber auch, an die verlängerten Kündigungsfristen des § 34 TVöD (§ 53 BAT) gebunden2. Ein weiterer, gravierender Unterschied zu den gesetzlichen Kündigungs- 92 vorschriften bestand darin, dass zumindest nach dem Wortlaut des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer für die Anwendung längerer Kündigungsfristen nicht berücksichtigt werden sollen. In § 34 TVöD fehlt eine solche Norm. Die Diskussion3 über die Frage, ob die gesetzliche Regelung in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht gegen Art. 6 Abs. 1 der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG und möglicherweise auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, hat der EuGH mittlerweile entschieden. Danach ver1 Siehe LAG Hamm v. 26.4.2007 – 17 Sa 1914/06, ArbRB online. 2 Vgl. BAG v. 20.12.1990 – 2 AZR 412/90, AP § 53 BAT Nr. 3. 3 Für Europarechtswidrigkeit: Annuß, BB 2006, 325 (326); Preis, NZA 2006, 401 (408); Schleusener, NZA 2007, 358; Palandt/Weidenkaff, BGB, § 622 Rz. 15; für Verfassungswidrigkeit darüber hinaus: Schleusener, NZA 2007, 358. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 93
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
stößt die in § 622 Abs. 2 S. 2 BGB normierte Altersgrenze gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und darf daher nicht mehr angewandt werden1. b) Unkündbarkeit, § 34 TVöD 93 Der bisher in §§ 53 Abs. 3, 54 BAT vorgesehene Ausschluss der ordentlichen Kündigung für Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr vollendet und eine Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren erfüllt haben, ist nur noch für das Tarifgebiet West von § 34 Abs. 2 TVöD aufgenommen worden. Für das Tarifgebiet Ost gilt also dieser Sonderkündigungsschutz der älteren und langjährig Beschäftigten künftig nicht mehr, wobei es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ankommt, nicht aber auf das Ende der Kündigungsfrist2. 94 Allerdings gilt für Beschäftigte, die nach den bis zum 30.9.2005 geltenden Tarifregelungen, etwa §§ 53 Abs. 3, 55 BAT/BAT-O, unkündbar waren, diese Unkündbarkeit gem. § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD fort. Soweit § 34 Abs. 2 TVöD gilt, kommt also nur noch eine außerordentliche Kündigung in Betracht. 95 Schon bisher war es möglich, auch sog. unkündbaren Mitarbeitern unter besonderen und engen Voraussetzungen außerordentlich aus betriebsbedingten Gründen zu kündigen, allerdings nur mit sozialer Auslauffrist in Höhe der längsten in Betracht kommenden tariflichen Kündigungsfrist3. c) Beschäftigungszeiten, § 34 Abs. 3 TVöD 96 Sowohl für die Dauer der Kündigungsfrist als auch für die Frage, ob das Arbeitsverhältnis ordentlich nicht mehr kündbar ist, ist die Beschäftigungszeit maßgeblich. Dieser Begriff ist bisher in § 19 BAT/BAT-O definiert worden. Nach den bisher geltenden Tarifnormen wurde zwischen „Beschäftigungszeit“ und „Dienstzeit“ unterschieden. Nach den Neuregelungen des § 34 Abs. 3 Satz 1 TVöD gilt als Beschäftigungszeit die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Aufgegeben sind damit die sog. anrechnungsschädlichen Tatsachen, wie zB Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch oder aus dem Verschulden des Beschäftigten, vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 BAT. Darauf wird nach der Neuregelung verzichtet. Beschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber, der ebenfalls vom Geltungsbereich des TVöD erfasst wird, werden bei dem anderen Arbeitgeber gem. § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD anerkannt. Das gilt gem. Satz 4 auch
1 EuGH v. 19.1.2010 – Rs. C-555/07 – kücükdeveci, BB 2010, 507. 2 BAG v. 16.10.1987 – 7 AZR 204/87, AP BAT § 53 Nr. 2. 3 Vgl. zB BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, BB 2001, 418 f.; BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 355/02, NZA 2003, 856 f.; vgl. ferner. BAG v. 27.6.2002 – 2 AZR 367/01, ArbRB 2003, 42; zum Prüfungsmaßstab einer außerordentlichen Kündigung ohne Auslauffrist siehe BAG v. 13.4.2000 – 2 AZR 259/99, NZA 2001, 277.
446 Schulte
I. Ordentliche Kündigung
Rz. 100 Teil 4 B
bei einem Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber. Im Einzelnen gilt Folgendes: aa) Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis 97 zurückgelegte Zeit. Dieser Begriff ist nicht mit dem Begriff der Betriebszugehörigkeit iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG gleichzusetzen1. Unter dem Begriff „derselbe Arbeitgeber“ ist die juristische Person zu verstehen, die als Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, zB die Bundesrepublik Deutschland, eine Gebietskörperschaft oder sonstige rechtlich selbständige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts sowie ein in privater Rechtsform geführtes Unternehmen (zB eine Stadtwerke GmbH oder AG). Wenn ein Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber die Dienststelle wechselt, bleibt das Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestehen. Als Beschäftigungszeiten gelten die Zeiten, die in einem Arbeitsverhältnis 98 zurückgelegt worden sind. Auch die Zeiten einer Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei einer Gemeinde sind bei Ermittlung der Beschäftigungszeiten iSd. § 34 Abs. 3 TVöD in einem späteren Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen. Nicht zu den Beschäftigungszeiten zählen Ausbildungszeiten nach dem Tarifvertrag für Auszubildende im öffentlichen Dienst, weil sie nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Sofern Ausbildungszeiten in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, sind sie dagegen bei der Berechnung der Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Gleiches gilt dann auch für die Zeit eines Praktikantenverhältnisses. Bei der Berechnung der Beschäftigungszeit sind auch Zeiten der geringfügi- 99 gen Beschäftigung mit zu berücksichtigen – entgegen § 4 Abs. 1 des 77. Tarifvertrags zur Änderung des BAT vom 29.10.2001. Diese Vorschrift ist nämlich unwirksam2. Diese Bestimmung, nach der differenziert wird zwischen den Zeiten geringfügiger Beschäftigung iSd. § 8 SGB IV (sog. 400-Euro-Kräfte), die vor oder nach dem 31.12.2001 zurückgelegt worden sind, verstößt nach Ansicht des BAG gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifregelung führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter. Es sei auch kein sachlicher Grund erkennbar, der rechtfertigen könne, die vor dem 1.1.2002 liegenden Zeiten geringfügiger Beschäftigung nicht zu berücksichtigen. Außerdem werden auch Zeiten in einem früheren Beamtenverhältnis nicht 100 als Beschäftigungszeit berücksichtigt, da § 34 Abs. 3 TVöD – anderes als § 19 Abs. 3 BAT – eine Sonderregelung für diese Fälle nicht mehr vorsieht. Für die Berechnung der Beschäftigungszeit kommt es maßgeblich nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses an, unabhängig von dem 1 Vgl. BAG v. 6.2.2003 – 2 AZR 623/01, NZA 2003, 1295. 2 Vgl. BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 746/06, NZA 2007, 881. Schulte
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Teil 4 B
Rz. 101
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
zeitlichen Umfang der Beschäftigung. Außerdem zählen auch Zeiten, in denen bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis keine Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer erbracht werden, als Beschäftigungszeit iSd. Tarifnorm1. Dies betrifft etwa Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG, einer dauernden Arbeitsunfähigkeit oder eines Erholungsurlaubs sowie etwa einer Freistellung aufgrund von Elternzeit bzw. Zeiten eines Grundwehrdienstes oder einer Wehrübung. Gem. § 34 Abs. 3 Satz 2 TVöD bleiben Zeiten eines Sonderurlaubs iSd. § 28 TVöD bei der Berechnung der Beschäftigungszeit allerdings grundsätzlich außer Ansatz, sofern der Arbeitgeber nicht vor Antritt des Sonderurlaubs schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt hat. bb) Unterbrechungszeiten 101
Eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber ist für die Berechnung der Beschäftigungszeiten unschädlich. Von einer Unterbrechung spricht man dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet worden ist und später neu begründet wurde, egal ob es sich dabei um einen kürzeren oder längeren Zeitraum handelt. Das gilt unabhängig davon, ob die Unterbrechung auf Wunsch des Arbeitnehmers oder aufgrund dessen Verschulden – im Gegensatz zur bisherigen Regelung – erfolgt ist. Die Dauer der Unterbrechung, dh. der Zeitraum zwischen dem ersten und dem nächsten Arbeitsverhältnis, findet bei der Berechnung der Beschäftigungszeit jedoch keine Berücksichtigung, da insofern keine Zeiten in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden sind. cc) Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern
102
Beim Wechsel des Arbeitgebers kommen grundsätzlich drei Fallgestaltungen in Betracht:
103
Findet der Wechsel von einem privaten Arbeitgeber zum öffentlichen Arbeitgeber statt, kann eine Beschäftigungszeit in dem privaten Arbeitsverhältnis nicht berücksichtigt werden.
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Der Wechsel kann auch zwischen Arbeitgebern erfolgen, die vom Geltungsbereich des TVöD erfasst werden, § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD. Dann werden die bei dem anderen, bisherigen Arbeitgeber zurückgelegten Zeiten als Beschäftigungszeit bei dem neuen Arbeitgeber anerkannt. Das setzt jedoch voraus, dass die beiden Arbeitsverhältnisse unmittelbar aufeinander folgen. Nur dann können die Beschäftigungszeiten zusammengerechnet werden2.
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Dasselbe gilt, wenn der Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber stattgefunden hat, also auch dann, wenn der bisherige Arbeit1 Vgl. BAG v. 25.10.2001 – 6 AZR 618/00, NZA 2002, 1052. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 34 TVöD-AT Rz. 77 mwN.
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I. Ordentliche Kündigung
Rz. 109 Teil 4 B
geber den TVöD nicht angewandt hat oder keine Tarifbindung bestand oder der Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer, der gewechselt hat, dieses Tarifwerk nicht in Bezug genommen hatte. Der Wechsel soll jedenfalls bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber zur Zusammenrechnung führen. Diese Regelung hat auch Sinn vor dem Hintergrund, dass nach § 34 Abs. 3 Satz 3 TVöD der Arbeitgeber kein öffentlich-rechtlicher sein muss, sondern nur vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfasst werden musste. Mithin kommen auch öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform, zB Stadtwerke GmbH, als frühere Arbeitgeber in Betracht. 9. Ausschluss und Einschränkung der ordentlichen Kündigung Das Recht zur ordentlichen Kündigung kann sowohl durch gesetzliche Be- 106 stimmungen, zB § 15 KSchG, durch Individualarbeitsvertrag oder durch tarifliche Regelungen ausgeschlossen sein. Im öffentlichen Dienst gibt es von jeher den Schutz vor ordentlicher Kün- 107 digung für Beschäftigte, die eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und das 40. Lebensjahr vollendet haben, § 53 Abs. 3 BAT/BAT-O, wobei schon darauf hingewiesen wurde (oben Rz. 93), dass nach den Vorschriften des TVöD nicht alle Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ordentlich „unkündbar“ sind, sondern nur diejenigen im Tarifgebiet West, abgesehen vom Bestandsschutz. Darüber hinaus kann durch für den jeweiligen konkreten Fall getroffene Rationalisierungsschutzabkommen, aber insbesondere auch aus § 5 RatSchTV das Recht zur ordentlichen Kündigung zum Teil erheblich eingeschränkt werden.
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Bis zur Einführung des TVöD waren Beschäftigte, die eine Beschäftigungs- 109 zeit von 15 Jahren zurückgelegt und das 40. Lebensjahr vollendet hatten, weder betriebsbedingt kündbar noch konnte eine Kündigung wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit oder -minderung ausgesprochen werden. Dem Arbeitgeber blieb nur die Möglichkeit, nach § 55 Abs. 2 BAT im Fall des betriebsbedingten Wegfalles eines Arbeitsplatzes eine Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe auszusprechen. Dieser völlige Ausschluss einer betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst ist vielfach auf Kritik gestoßen1. Dem hat das BAG in der Vergangenheit dadurch Rechnung getragen, dass es in extremen Ausnahmefällen bei auf Dauer sinnentleerten Arbeitsverhältnissen unter erheblichen Anforderungen eine außerordentliche, betriebsbedingte Kündigung nur mit einer Kündigungsfrist, die der längsten in Betracht kommenden tariflichen Kündigungsfrist entsprach, zuließ2. 1 Vgl. nur ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB, Rz. 235; vgl. zum Meinungsstand KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 58 (66). 2 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, NZA 2006, 879; BAG v. 27.6.2002 – 2 AZR 367/01, BB 2003, 314; BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 215/03, ArbRB 2005, 198; für die ÄnderungskündigungBAG v. 28.5.2009 – 2 AZR 844/07, bisher nicht veröffentlicht). Schulte
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Teil 4 B
110
Rz. 110
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
Die Situation hat sich durch die neue Regelung in § 34 Abs. 2 TVöD geändert. § 34 Abs. 2 TVöD sieht die noch in § 55 Abs. 2 BAT vorgesehene Beschränkung einer Änderungskündigung auf die Herabgruppierung um maximal eine Vergütungsgruppe nicht mehr vor. Damit ist jetzt grundsätzlich eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung möglich1. Eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist wird deshalb regelmäßig nach den „normalen Standards“ zulässig sein2.
II. Außerordentliche Kündigung 111
Neben der ordentlichen kommt die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund kann weder einzelvertraglich noch durch Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Ein Arbeitsverhältnis ist immer außerordentlich kündbar.
112
Im öffentlichen Dienst gilt das ausnahmslos ebenso wie in der Privatwirtschaft. Nur eine redaktionelle Besonderheit fand sich bisher geregelt in § 54 BAT/BAT-O. Diese Tarifnorm stimmt inhaltlich und fast wörtlich mit § 626 BGB überein. Die außerordentliche Kündigung setzt immer einen wichtigen Grund voraus, § 626 Abs. 1 BGB. In § 54 BAT ist von einer „fristlosen“ Kündigung die Rede, während § 626 Abs. 1 BGB formuliert, dass die Kündigung „ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist“ ausgesprochen werden kann. Diese semantische Differenz hat inhaltlich keine Auswirkungen, die Tarifnorm hatte deshalb bislang nur deklaratorische Bedeutung. Die den BAT ablösenden Tarifwerke des TVöD, des TV-L etc. sehen deshalb keine eigenständige, dem § 54 BAT entsprechende Regelung mehr vor. Deshalb gilt im öffentlichen Dienst ausnahmslos § 626 BGB als gesetzliche Norm.
113
Wie schon angesprochen (oben Rz. 73), findet sich im Einigungsvertrag3 für den Sonderfall einer früheren Beschäftigung für das Ministerium für Staatssicherheit im Verhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber die Möglichkeit, eine ordentliche Kündigung auszusprechen, allerdings nur befristet bis zum 31.12.1993. Nur klarstellend ist im Einigungsvertrag aufgeführt, dass auch wegen dieser früheren Tätigkeit eine außerordentliche Kündigung möglich ist. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Arbeitsgerichte haben zu prüfen, ob die frühere Tätigkeit für das MfS nach den schon dargelegten Kriterien (vgl. oben Rz. 73) die Fortsetzung des Arbeits-
1 BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 757/07, NZA 2009, 481 zur außerordentlichen, betriebsbedingten Änderungskündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst; Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 34 TVöD-AT Rz. 60. 2 So Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 34 TVöD-AT Rz. 60. 3 Siehe Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Absatz 5 der Anlage I zum Einigungsvertrag.
450 Schulte
III. Änderungskündigung
Rz. 117 Teil 4 B
verhältnisses auch nur für einen für den Arbeitgeber unzumutbar macht, sodass die fristlose Kündigung gerechtfertigt ist1. Im Übrigen ergeben sich im öffentlichen Dienst bei den Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung keine Besonderheiten.
114
Neben dem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB hängt die Wirksamkeit 115 einer außerordentlichen Kündigung auch davon ab, ob sie innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis vom Kündigungsgrund ausgesprochen worden ist, § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach Ablauf dieser Frist ist das Kündigungsrecht verwirkt2.
III. Änderungskündigung Von den Möglichkeiten der Änderungskündigung, auch in taktischer Hin- 116 sicht, wird in der Privatwirtschaft immer noch sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht, weil die Vorbereitung einer solchen Variante des Kündigungsrechts komplizierter ist – oder so empfunden wird – als bei einer Beendigungskündigung. Die Rechtsprechung des BAG hat im vergangenen Jahr die Voraussetzungen auch nicht gerade vereinfacht, wie die zahlreichen Entscheidungen auch der Instanzgerichte zeigen3. Das BAG hat die Rechtsprechung sogar noch verschärft, indem bis auf wenige Ausnahmefälle (Personalleiter soll Stelle als Pförtner angeboten werden) auch dann, wenn Arbeitnehmer das Angebot schon im Vorfeld der Änderungskündigung abgelehnt haben, gleichwohl im Rahmen der Änderungskündigung das Angebot zu wiederholen sei4. Der öffentliche Dienst macht noch weniger Gebrauch von den Möglichkeiten der Änderungskündigung, obwohl gerade hier häufig Veranlassung dazu bestünde, wenn ein Arbeitnehmer zB in einer Führungsposition nicht mehr benötigt wird oder tauglich ist, aber auf einem anderen, freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte. Die Möglichkeiten, die Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung einzusetzen, wird dem öffentlichen Dienst weitgehend verwehrt bleiben5. Die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst unterliegen insoweit keinen
1 Vgl. dazu BAG v. 11.6.1992 – 8 AZR 537/91, NZA 1993, 118. 2 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 57/05, ArbRB 2006, 198. 3 Vgl. zB LAG Rh.-Pf. v. 13.11.2007 – 1 Sa 914/06 zum „vorfristigen“ Änderungsangebot; LAG Schl.-Holst. v. 30.1.2007 – 5 Sa 357/06; LAG Schl.-Holst. v. 21.2.2007 – 3 Sa 349/06. 4 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 754/05, NZA 2007, 1392. 5 Vgl. zur – ebenfalls nur beschränkten – Möglichkeit in der Privatwirtschaft: BAG v. 26.6.2005 – 2 AZR 642/04, DB 2006, 285 = NZA 2006, 92; ebenso BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, DB 2006, 1114 ff. mwN in Fn. 4; vgl. dazu auch LAG Schl.-Holst. v. 30.1.2007 – 5 Sa 357/06 u. v. 21.2.2007 – 3 Sa 349/06. Schulte
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117
Teil 4 B
Rz. 117
Besonderheiten der Kündigung im öffentlichen Dienst
Sonderregelungen, deshalb soll an dieser Stelle auf eine weitergehende Darstellung verzichtet werden1.
1 Vgl. zur Änderungskündigung allgemein etwa HWK/Molkenbur, § 2 KSchG; KR/ Rost, § 2 KSchG; Schulte, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 3 A Rz. 49 ff.
452 Schulte
C. Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung
I. Erreichen der Altersgrenze . . . . . 1. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tarifliche Regelungen im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit der Regelungen. .
Rz.
Rz.
2
b) Ausscheiden ohne Kündigung gem. § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD/TV-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
3 8 8
II. Beendigung aufgrund Rentenleistungen, § 33 Abs. 2 TVöD/TV-L . . . 14
Schrifttum: Grimm/Brock, Neue Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung und Altersgrenzenvereinbarungen, ArbRB 2007, 210; Grimm/Brock, Sachgrundlose Befristung der Arbeitsverhältnisse älterer Menschen in § 14 Abs. 3 TzBfG, ArbRB 2007, 154.
Neben der Beendigung aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder einer wirksamen Kündigung kommt als dritte Möglichkeit der Beendigung der Eintritt einer auflösenden Bedingung oder Ablauf einer wirksamen Befristung in Frage (vgl. im Einzelnen zur wirksamen Befristung unten Teil 6)1.
1
I. Erreichen der Altersgrenze Es gibt keine allgemeine Altersgrenze, also keine gesetzliche Regelung, 2 wonach ein Arbeitsverhältnis regelmäßig oder spätestens endet, wenn ein bestimmtes Lebensalter erreicht ist. Ferner gibt es keine allgemeine Lebenserfahrung, dass Menschen ab Erreichen eines bestimmten Alters generell nicht mehr in der Lage sind, aufgrund sog. altersbedingten Leistungsabfalls ihre vertraglichen Aufgaben zu erfüllen. So verschieden das Leistungsvermögen der Menschen, so unterschiedlich sind auch die jeweiligen beruflichen Anforderungen. Gleichwohl ist ein Bedürfnis nicht zu verkennen, Beschäftigungsverhältnisse auch gegen den Willen der Beschäftigten unter generalisierenden, nicht mehr auf den Einzelfall abstellenden Bedingungen altersbedingt zu beenden. Deshalb finden sich durchweg Regelungen in Arbeitsverträgen, aber auch in tariflichen Vorschriften, dass ab einem bestimmten Lebensalter unter der Voraussetzung, dass das Altersrisiko auch finanziell abgesichert ist, das Arbeitsverhältnis „automatisch“ endet. Im Folgenden werden die Voraussetzungen und die Zulässigkeit solcher Regelungen betrachtet.
1 Vgl. dazu Schmalenberg, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 1 E Rz. 134 f.; vgl. auch ErfK/Müller-Glöge, § 21 TzBfG Rz. 3, dort auch über die Bedingungen, unter denen eine auflösende Bedingung vereinbart werden kann: gleiche Bedingungen wie bei Befristungen mit Sachgrund mit Verweis auf BAG v. 4.12.2002 – 7 AZR 492/01, NZA 2003, 611; aA APS/Backhaus, § 21 TzBfG, Rz. 12; Staudinger/Preis, BGB, § 620 Rz. 198. Schulte
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Teil 4 C
Rz. 3
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung
1. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen 3
Auch außerhalb des öffentlichen Dienstes finden sich Altersgrenzenregelungen in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Diese sind von der Rechtsprechung innerhalb der allgemeinen gesetzlichen Schranken für zulässig erachtet worden1.
4
Nachdem das BAG zunächst in einer derartigen Abrede die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung gesehen hat2, geht der inzwischen zuständige 7. Senat des BAG dogmatisch einen anderen Weg und nimmt eine Befristung an3. Auf diese befristeten Arbeitsverträge findet mithin § 14 Abs. 1 TzBfG Anwendung, das Erreichen einer Altersgrenze muss mithin ein sachlicher Grund für die Befristung sein4. Ein sachlicher Grund scheidet immer dann aus, wenn mit einer solchen Vereinbarung im Arbeitsvertrag das Kündigungsschutzgesetz umgangen wird. Der sachliche Grund für die Vereinbarung einer Altersgrenze wird – unter engen, sogleich darzustellenden Voraussetzungen – in einer ausgewogenen Altersstruktur gesehen5. Ferner wird auf eine finanzielle Absicherung der Arbeitnehmer durch den Bezug der gesetzlichen Altersrente mit – bisher – Erreichen des 65. Lebensjahres abgestellt6. Wegen der – nicht im konkreten Einzelfall festzustellenden – allgemeinen Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter insbesondere nach Vollendung des 65. Lebensjahres kommt deshalb ein sachlicher Grund für die Befristung auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Frage, und dies entspricht damit wohl allgemeiner Auffassung7. Dafür spricht auch die Neufassung des § 41 Satz 2 SGB VI. Als Sachgrund selbst kommt sie jedoch nicht in Betracht8.
5
Eine Vereinbarung über die Befristung auf ein bestimmtes Lebensalter in einem Formulararbeitsvertrag kann eine überraschende Klausel und damit unwirksam gem. § 305c BGB sein. Das kommt aber nur in Betracht, wenn sie „versteckt“ wird. Das ist allerdings nicht schon dann der Fall, wenn sie drucktechnisch nicht hervorgehoben wird. Denn es ist in vielen Bereichen und Unternehmen üblich, das Ende des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren, wenn ein bestimmtes Lebensalter erreicht wird. Sie ist nicht außergewöhnlich; vielmehr muss damit gerechnet werden, allerdings nur dann, wenn sie in eine Regelung aufgenommen wird, die schon in der Überschrift
1 2 3 4 5 6
Vgl. grundlegend BAG GS v. 7.11.1989 – GS 3/85, NZA 1990, 816. Vgl. BAG v. 20.12.1984 – 2 AZR 3/84, AP Nr. 9 zu § 620 BGB – Bedingung. Vgl. BAG v. 14.8.2002 – 7 AZR 469/01, DB 2003, 394. Vgl. auch APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 111 ff. Vgl. BVerfG v. 30.3.1999 – 1 BvR 1814/94, NZA 1999, 816. Vgl. BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, DB 2004, 829; ferner v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37. 7 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 56. 8 Vgl. BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, NZA 2004, 1336.
454 Schulte
I. Erreichen der Altersgrenze
Rz. 10
Teil 4 C
und im Regelungszusammenhang die Beendigung des Arbeitsverhältnisses betrifft1. Der Inhalt der Regelung bietet dann keine weiteren Probleme2. Durch das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz3 wird 6 schrittweise ab 2012 über einen Zeitraum von zwölf Jahren hinweg das gesetzliche Renteneintrittsalter jeweils um einen Monat heraufgesetzt und ab 2024 bis einschließlich 2029 um jeweils zwei Monate pro Jahr. Am Ende dieser Entwicklung wird das heutige Renteneintrittsalter von 65 Jahren auf dann 67 Jahre erhöht sein. Für Verträge, die jetzt noch das Ende des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorsehen, gilt aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 41 Satz 2 SGB VI automatisch die jeweilige Regelaltersgrenze, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt worden ist4. Auch § 10 Nr. 5 AGG steht einer einzelvertraglichen Regelung nicht entgegen, die das Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Eintritt in das Rentenalter vorsieht, also mit dem Bezug der Regelrente5.
7
2. Tarifliche Regelungen im öffentlichen Dienst a) Zulässigkeit der Regelungen Ganz allgemein gelten im Arbeitsrecht für tarifliche Regelungen in vielen 8 Bereichen größere Spielräume als bei Individualabreden, auch im Befristungsrecht, zB in § 14 Abs. 2 Satz 3 und 4, § 22 Abs. 2 TzBfG. Wenn also Individualabreden möglich sind, muss das erst recht für tarifvertragliche Regelungen gelten. Enthalten tarifliche Vorschriften deshalb Bestimmungen über das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ohne Ausspruch einer Kündigung allein wegen der Vollendung eines bestimmten Lebensalters oder des Anspruchs auf Rentenleistungen, wie insbesondere in § 33 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 TVöD/TV-L, so kann ein Verstoß gegen die Vorschriften des AGG, insbesondere gegen § 10 Nr. 5 AGG nicht festgestellt werden6.
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Zu denken ist auch an einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und insbe- 10 sondere gegen Art. 6 Abs. 1 der Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG des Europäischen Rates vom 27.11.2000. Der EuGH hat in der bekannten „Mangold“-Entscheidung7 die Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG aF als 1 Vgl. LAG Nds. v. 20.6.2007 – 15 Sa 1257/06, ArbRB online. 2 Vgl. auch das Formulierungsbeispiel bei Schmalenberg, in: Tschöpe, Teil 1 E Rz. 87. 3 BGBl. I 2004, 554. 4 Vgl. Grimm/Brock, Neue Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung und Altersgrenzenvereinbarungen, ArbRB 2007, 210. 5 Vgl. ErfK/Schlachter, § 10 AGG Rz. 7. 6 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 5. 7 EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-144/04, NZA 2005, 1345. Schulte
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Teil 4 C
Rz. 11
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung
Verstoß gegen einen in dieser Entscheidung entwickelten allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz betrachtet und es mithin als unzulässig angesehen, befristete Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, gestützt auf diese Vorschrift abzuschließen. Dieser nicht in der Richtlinie 2000/78/EG selbst verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz in Beschäftigung und Beruf verlange von den nationalen Gerichten, dass sie diesem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts entgegenstehende gesetzliche Regelungen unangewendet lassen (vgl. Erwägungssatz 77). Dagegen hat der EuGH in der „Palacios“-Entscheidung1 gerade den hier interessierenden Fall einer tariflichen Regelung, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung wegen Eintritts in das Rentenalter, als wirksam betrachtet. Die Ungleichbehandlung wegen des Alters hält der EuGH in dieser Entscheidung für gerechtfertigt iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der genannten Richtlinie. In der 14. Begründungserwägung stellt der EuGH klar, dass die Richtlinie nicht auf rentenrechtliche Vorschriften der Mitgliedstaaten anwendbar ist. Es liege also eine Ungleichbehandlung, aber keine verbotene Diskriminierung vor. Die Maßnahme sei objektiv und angemessen und erforderlich. Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarktlage gehörten zu den Zielen, die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie ausdrücklich genannt seien. Außerdem stelle nach Art. 2 Abs. 1 EU-Vertrag und Art. 2 EG-Vertrag die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus eines der Ziele dar, die sowohl von der Europäischen Union als auch von der Gemeinschaft verfolgt würden. Solche tariflichen Regelungen sind mithin zulässig. b) Ausscheiden ohne Kündigung gem. § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD/TV-L 11 Nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD/§ 33 Abs. 1 Buchst. a TV-L endet das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat. Damit haben die Tarifvertragsparteien auf die Anhebung der Regelaltersgrenze reagiert. § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD aF sah noch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Beschäftigte das 65. Lebensjahr vollendet hat, vor2. 12 Nach der tariflichen Vorschrift ist eine Beschäftigung über die Altersgrenze hinaus zwar zulässig, bedarf jedoch nach § 33 Abs. 5 Satz 1 TVöD eines neuen schriftlichen Arbeitsvertrages. Fraglich ist der Gestaltungsspielraum, der bei der Verabredung der vertraglichen Regelungen besteht. Nach § 60 Abs. 2 BAT war ausdrücklich vorgesehen, in diesem neuen Arbeitsvertrag die Vorschriften des BAT ganz oder teilweise auszuschließen und abzuändern. Eine solche Regelung fehlt im Regelungszusammenhang des § 33 TVöD. Ob man deswegen in den Fällen, in denen keine Tarifbindung besteht, auch nur einzelne Bestimmungen aus dem TVöD vereinbaren kann, bleibt damit zumindest bei der Betrachtung der tariflichen Vorschriften fraglich. So wird vertreten, dass nur der TVöD als Ganzes, 1 EuGH v. 16.10.2007 – Rs. C-411/05, DB 2007, 2427 ff. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 1.
456 Schulte
II. Beendigung aufgrund Rentenleistungen
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nicht aber einzelne Bestimmungen vereinbart werden können1. Richtigerweise wird man aber wohl annehmen dürfen, dass es keinen Grund gibt, die bisherige Regelung, die außerhalb der Tarifbindung zuließ, einzelne Bestimmungen zu vereinbaren, für unzulässig zu halten2. Der neue Arbeitsvertrag ist schriftlich abzufassen, aber auch mündlich 13 wirksam. Auch ein befristeter Arbeitsvertrag ist wieder möglich. Dafür gelten im Regelungsbereich des TVöD die Vorschriften des § 30 TVöD. Vorsicht ist allerdings geboten bei einer erneuten Befristung, die grundsätzlich nur mit Sachgrund zulässig wäre. Inwieweit man sich auf die Neuregelung des § 14 Abs. 3 TzBfG verlassen kann, ist noch nicht endgültig geklärt. Es gibt aber guten Grund anzunehmen, dass auch die Neuregelung wiederum gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG verstößt3. Das Arbeitsverhältnis kann dann jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsschluss gekündigt werden, soweit im Arbeitsvertrag nichts anderes geregelt ist. Hier enthält § 33 Abs. 5 Satz 2 TVöD eine Öffnungsklausel4.
II. Beendigung aufgrund Rentenleistungen, § 33 Abs. 2 TVöD/TV-L Unabhängig vom Erreichen eines bestimmten Regelalters sieht § 33 Abs. 2 14 TVöD – gleich lautend mit § 33 Abs. 2 TV-L – die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, indem der Beschäftigte den Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt bekommen. Unbeachtlich ist dabei, ob volle oder teilweise Erwerbsminderung besteht. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder 15 Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig zu sein, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Voll erwerbsunfähig sind Versicherte, die deswegen auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein, § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Das Arbeitsverhältnis endet ohne weiteres („automatisch“) mit Ablauf des 16 Monats, in dem der Rentenbescheid zugestellt wird. Beginnt die Rente erst nach der Zustellung des Rentenbescheids, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorausgehenden Tages, § 33 Abs. 2 Satz 3 TVöD.
1 Vgl. Bremecker/Hock/Klapproth/Kley, § 33 TVöD Rz. 175. 2 So auch Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 3. 3 Preis, Verbot der Altersdiskriminierung als Gemeinschaftsgrundrecht – Der Fall „Mangold“ und die Folgen, NZA 2006, 401; Auer, Neues zu Umfang und Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung, NJW 2007, 1106; aA wohl Grimm/Brock, Sachgrundlose Befristung der Arbeitsverhältnisse älterer Menschen in § 14 Abs. 3 TzBfG, ArbRB 2007, 154; Bepler/Böhle/Martin/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 4. 4 Vgl. auch Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 4. Schulte
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Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung
17 Durch § 33 Abs. 2 Satz 2 TVöD wird dem Beschäftigten auferlegt, den Arbeitgeber unverzüglich von der Zustellung des Rentenbescheids zu unterrichten. Anderenfalls liegt eine vertragliche, zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung iSd. § 280 BGB vor. 18 Das Arbeitsverhältnis ruht gem. § 33 Abs. 3 TVöD nicht im Falle teilweiser Erwerbsminderung, wenn der Beschäftigte nach seinem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen auf seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte. Das gilt allerdings nur dann, wenn nicht dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen und der Beschäftigte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Rentenbescheids seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt. Das gilt unabhängig davon, ob der Rentenbescheid rechtskräftig wird oder nicht1. 19 In § 33 Abs. 4 TVöD ist der Fall geregelt, dass der Beschäftigte schuldhaft den Rentenantrag verzögert oder Altersrente nach §§ 236, 236a SGB VI bezieht oder nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist. In diesen Fällen tritt an die Stelle des Rentenbescheids das Gutachten eines Amtsarztes oder eines nach § 3 Abs. 4 Satz 2 TVöD bestimmten Arztes. Das Arbeitsverhältnis endet in diesem Fall mit Ablauf des Monats, in dem das Gutachten dem Beschäftigten bekannt gegeben wird. In diesen Fällen endet also abweichend von § 33 Abs. 2 Satz 1 TVöD das Arbeitsverhältnis mit Bekanntgabe des ärztlichen Gutachtens. Eine förmliche Zustellung des Gutachtens ist dabei nicht erforderlich2. 20 Eine Besonderheit gilt noch für schwerbehinderte Beschäftigte. Bevor das Arbeitsverhältnis mit ihnen enden kann, muss das Integrationsamt zuvor nach entsprechendem Antrag des Arbeitgebers zustimmen3.
1 Vgl. Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 8. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 9. 3 Vgl. Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 33 TVöD-AT Rz. 7.
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D. Beteiligung des Personalrates Rz. I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Gegenstand der Beteiligung . . . . . Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . Befristung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 6 8 9
II. Art der Beteiligung . . . . . . . . . . . . 1. Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Intensität des Mitbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . c) Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . bb) Verfassungskonforme Auslegung. . . . . . . . . . . . . . 2. Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite des Mitwirkungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . 3. Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 10 10
III. Ausübung des Beteiligungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligte Personen . . . . . . . . . aa) Vertreter des Arbeitgebers bb) Vertretung des Personalrats. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umfang der Beteiligung . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterrichtung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . (1) Bezeichnung der Person . . . . . . . . . . . . . . (2) Sozialdaten . . . . . . . . . .
12 14 15 16 17 17 18 22 23 25 25 32 32 35 36 48 58 65 65 74 75 76
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Beschäftigungsdauer . . . . 78 Kündigungsart . . . . . . . . . 79 Kündigungsfrist . . . . . . . . 83 Kündigungstermin . . . . . . 84 Kündigungsgrund . . . . . . . 85 (a) Fehlender Kündigungsschutz . . . . . . . . 85 (b) Betriebsbedingte Kündigung . . . . . . . . . 86 (c) Personenbedingte Kündigung . . . . . . . . . 93 (d) Verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . . . 94 (e) Verdachtskündigung . 98 (f) Wiederholungskündigung . . . . . . . . . . 99 (g) Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . 100 (h) Vorsorgliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . 101 (i) Teilkündigung . . . . . . 103 (j) Nachschieben von Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozess . . . . . . . 104 e) Vorlage von Unterlagen . . . . . . . . 108 3. Stellungnahme des Gremiums . . . . 111 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Übermittlung der Erklärung . . . . 113 c) Zeitpunkt der Stellungnahme . . . 114 d) Inhalt der Stellungnahme . . . . . . 118 4. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Anhörung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 b) Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 128 IV. 1. 2. 3.
Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Verwaltungsgericht . . . . . . . . . . . . . . 132 Arbeitsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Schrifttum: Grabendorff/Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, Loseblatt.
I. Gegenstand der Beteiligung 1. Aufhebungsvertrag Eine Beteiligung des Personalrates an dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages ist weder im BPersVG noch in einem der LandespersonalvertrePahlen
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Rz. 2
Beteiligung des Personalrates
tungsgesetze vorgesehen. Es handelt sich dabei um einen Akt privatautonomer Rechtsgestaltung1. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist Ausdruck der freien Entscheidung des Arbeitnehmers darüber, ob er an seinem Dauerarbeitsverhältnis festhalten will oder dem Aufhebungsangebot des Arbeitgebers zustimmt2. Für eine solche Vereinbarung ist eine wie auch immer geartete kollektivrechtliche Begleitung gesetzlich nicht angeordnet. Unzulässig wäre es insoweit auch, angesichts des Fehlens eines explizit im Gesetz enthaltenen Mitbestimmungs- oder Mitwirkungstatbestandes „Abschluss von Aufhebungsverträgen“ einen anderen Tatbestand erweiternd auslegen oder analog anwenden zu wollen. Solche Überlegungen3 können allein rechtspolitisch verstanden werden4. Die im BPersVG bzw. den Landespersonalvertretungsgesetzen enthaltenen Mitbestimmungs- und Mitwirkungstatbestände sind jeweils einzeln und abschließend aufgeführt. Sie werden weder aus einer abstrakt formulierten Generalklausel abgeleitet, noch kommt den einzelnen Tatbeständen lediglich die Funktion von Regelbeispielen zu, die sinnhaft ergänzt werden könnten5. Dies schließt es auch aus, einen Aufhebungsvertrag und den Abschluss einer nachträglichen Befristungsabrede gleich zu behandeln, für die eine Beteiligung des Personalrates in einzelnen Landespersonalvertretungsgesetzen vorgesehen ist. Der Aufhebungsvertrag ist nämlich primär auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht dessen befristete Fortsetzung ausgerichtet6. 2. Abwicklungsvertrag 2
Im Ergebnis nichts anderes gilt für den Abwicklungsvertrag. Dieser setzt allerdings zunächst den Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung voraus, nach deren Zugang die Arbeitsvertragsparteien sodann die Modalitäten der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses regeln. Üblicherweise erklärt der Arbeitnehmer im Abwicklungsvertrag seinen Verzicht auf das Recht, die Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen, oder er sagt zu, die Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber nicht substantiiert angreifen zu wollen, während der Arbeitgeber im Gegenzug die Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes verspricht7. Der Unterschied zum Aufhebungsvertrag besteht darin, dass dort der Vertrag selbst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, während beim Abwicklungsvertrag die Ursache für das Ende der Rechtsbeziehungen der Parteien nach wie vor die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung ist. Dies hat zur Folge, dass eine etwa erfolgende Anfechtung oder die Nichtigkeit der Abwick1 LAG Hamm v. 19.7.2002 – 10 TaBV 42/02, NZA-RR 2002, 642; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 47; aA Keppeler, ArbuR 1996, 265 f. 2 BAG v. 30.9.1993 – 2 AZR 268/93, BAGE 74, 281; BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718; BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, BAGE 115, 165. 3 Vgl. für § 102 BetrVG Keppeler, ArbuR 1996, 263. 4 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 33. 5 BVerwG v. 12.6.2001 – 6 P 11.00, BVerwGE 114, 308; BAG v. 25.1.2005 – 1 ABR 59/03, NZA 2005, 945. 6 ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 20. 7 Hümmerich, BB 1999, 1868.
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I. Gegenstand der Beteiligung
Rz. 4
Teil 4 D
lungsvereinbarung nicht automatisch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben. Vielmehr muss in diesem Fall die Kündigung gesondert angegriffen werden1. Soweit für den Fall einer Vorabsprache die Auffassung vertreten wird, es bedürfe wegen des Fehlens des Kündigungsentschlusses des Arbeitgebers in diesem Fall nicht der vorherigen Beteiligung der Personalvertretung2, ist das BAG dem nicht gefolgt. Auch bei dieser Konstellation stellt die Kündigung nämlich kein Scheingeschäft dar. Dies wäre nur der Fall, wenn ihr keine Beendigungswirkung zukommen sollte. Gerade dies ist aber im Gegensatz zur Aufhebungsvereinbarung bei dieser Variante nicht beabsichtigt3. 3. Befristung Obwohl auch die Vereinbarung einer Befristungsabrede zur Beendigung des 3 Arbeitsverhältnisses führt, sind die Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungsrechte des Personalrates an der Kündigung darauf nicht anwendbar4. Die entsprechenden Vorschriften lassen sich weder erweiternd auslegen noch analog anwenden, wie aus der Konstruktion der gesetzlichen Beteiligungstatbestände zu schließen ist (s.o. Rz. 1). Dies gilt auch für die sog. Nichtverlängerungsmitteilung. Sie ist regelmäßig nur Ausdruck der Rechtsauffassung des Arbeitgebers, nach der das Arbeitsverhältnis infolge der vereinbarten Befristung enden wird und bedarf grundsätzlich keiner Beteiligung der Personalvertretung5. Dies gilt jedenfalls so lange, wie zwischen den Parteien kein Streit über die Wirksamkeit der Befristungsabrede besteht6. Jedoch kommt eine Beteiligung des Personalrates durchaus in Betracht, 4 wenn dies wie zum Beispiel in § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PersVG NW oder in § 63 Abs. 1 Nr. 4 PersVG Brandenburg ausdrücklich angeordnet ist. Nach diesen Vorschriften hat der Personalrat bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mitzubestimmen. Eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme kann nach § 66 Abs. 1 LPVG NW bzw. § 66 Abs. 1 PersVG Brandenburg allerdings nur mit vorheriger Zustimmung des Personalrates getroffen werden7, so dass eine ohne Zustimmung des Personalrates vereinbarte Befristung unwirksam ist8 Die Zustimmung muss auch bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages vorliegen. Eine nachträgliche Zustimmung reicht nicht aus9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
APS/Schmidt, AufhebVtr Rz. 19. APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 33. BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, BAGE 115, 165. KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 12. Ausnahme: §§ 52 Abs. 1 Nr. 1, 65 Abs. 1 Brem PersVG, BAG v. 28.10.1986 – 1 ABR 16/85, BAGE 53, 237; BAG v. 21.5.1981 – 2 AZR 1117/78, BAGE 35, 309. BAG v. 26.4.1979 – 2 AZR 431/77, DB 1979, 1991. BAG v. 9.6.1999 – 7 AZR 170/98, AP Nr. 2 zu § 63 LPVG Brandenburg; BAG v. 8.7.1998 – 7 AZR 308/97, AP Nr. 18 zu § 72 LPVG NW. BAG v. 9.6.1999 – 7 AZR 170/98, AP Nr. 2 zu § 63 LPVG Brandenburg; BAG v. 8.7.1998 – 7 AZR 308/97, AP Nr. 18 zu § 72 LPVG NW. BAG v. 13.6.2007 – 7 AZR 287/06, AP Nr. 7 zu § 17 TzBfG; BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 707/00, AP Nr. 73 zu § 72 LPVG NW. Pahlen
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Rz. 5
Beteiligung des Personalrates
Notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts und damit die Ordnungsgemäßheit des Mitbestimmungsverfahrens ist eine ausreichende Information des Personalrates über die wesentlichen Umstände des Einzelfalles. Erforderlich ist daher stets die Angabe sowohl des Befristungsgrundes als auch der Befristungsdauer. Denn nur so kann der Personalrat sein Mitbestimmungsrecht gesetzesgemäß wahrnehmen. Er soll nämlich prüfen, ob die beabsichtigte Befristung nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle wirksam ist. Daneben soll er selbst für den Fall des Vorliegens eines ausreichenden sachlichen Grundes darauf Einfluss nehmen können, ob im Einzelfall im Interesse des beteiligten Arbeitnehmers von einer Befristung entweder insgesamt abgesehen oder unter Berücksichtigung der für den Arbeitnehmer vorgesehenen Arbeitsaufgabe oder der vom Arbeitgeber genannten Befristungsgründe nicht möglicherweise eine längere Vertragslaufzeit vereinbart werden kann1. 4. Bedingung
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Ebenso wie die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Befristungsabrede zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann, ist dies die mögliche Konsequenz der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung. Zu denken ist insoweit an Altersgrenzen oder den Eintritt eines Rentenfalls. Auch hier kommt mit Rücksicht auf die enge Fassung der gesetzlichen Mitbestimmungstatbestände eine Anwendung der die Beteiligung des Personalrates an Kündigungen regelnden Vorschriften nicht in Betracht (s.o. Rz. 1). Anders als dies für die Befristung von Arbeitsverhältnissen gilt, enthalten aber auch einzelne Landespersonalvertretungsgesetze keine Sondervorschriften für die Beteiligung von Personalräten am Zustandekommen von auflösenden Bedingungen. Trotz der durchaus vorhandenen Ähnlichkeiten im Hinblick auf die Prüfung der Wirksamkeit solcher Vereinbarungen und die in § 21 TzBfG angeordnete entsprechende Anwendung einer Reihe für Befristungen geltender Vorschriften hat dies jedoch nicht zur Folge, dass die für die Beteiligung des Personalrates am Zustandekommen befristeter Arbeitsverträge geltenden Bestimmungen auch auf die Vereinbarung auflösender Bedingungen zur Anwendung kämen. Angesichts des grundsätzlich bestehenden strukturellen Unterschiedes zwischen der Befristung und der auflösenden Bedingung von Arbeitsverhältnissen kommt eine Anwendung der Vorschriften des § 66 Abs. 1 LPVG NW bzw. des § 66 Abs. 1 PersVG Brandenburg nicht in Betracht (s.o. Rz. 1).
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Soweit das BAG in einer die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wegen Bezugs einer Rente (§ 59 Abs. 1 und 3 BAT) betreffenden Entscheidung die mögliche Beteiligung des Personalrates thematisiert und insoweit das Antragsrecht des Arbeitnehmers nach § 63 Abs. 2 PersVG Brandenburg erwähnt hat, betraf dies nicht den Gesichtspunkt der möglicherweise fehlen1 BAG v. 13.6.2007 – 7 AZR 287/06, AP Nr. 7 zu § 17 TzBfG; BAG v. 27.9.2000 – 7 AZR 412/99, AP Nr. 1 zu § 61 LPVG Brandenburg; BAG v. 9.6.1999 – 7 AZR 170/98, AP Nr. 2 zu § 63 LPVG Brandenburg.
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I. Gegenstand der Beteiligung
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den Wirksamkeit der durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den BAT vereinbarten auflösenden Bedingung, sondern lediglich den Gesichtspunkt der Überraschung des Arbeitnehmers und den Umfang der Informationsund Beratungspflichten des Arbeitgebers1. 5. Anfechtung Liegen die Voraussetzungen der §§ 119, 123 BGB vor, kann die für das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses erforderliche Willenserklärung eines Vertragspartners angefochten werden. Die Anfechtung führt grundsätzlich zur rückwirkenden Nichtigkeit der angefochtenen Willenserklärung (§ 142 BGB), jedoch kann ein bereits in Vollzug gesetztes Arbeitsverhältnis im Allgemeinen nicht mit Rückwirkung angefochten werden. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der letzten Arbeitsleistung2. Haben die Arbeitsvertragsparteien bis zum Zeitpunkt der Anfechtung die ihnen obliegenden Hauptleistungen jeweils erfüllt, kann die Erklärung der Anfechtung in ihrer rechtlichen Auswirkung dem Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung gleichkommen. Im Einzelfall ist daher durch Auslegung zu ermitteln, ob möglicherweise trotz anders lautender formeller Bezeichnung eine Anfechtungserklärung abgegeben oder eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen werden sollte3. Auf die Beteiligung des Personalrates kommt es jeweils nur an, wenn eine Kündigung ausgesprochen wurde. Zum Katalog der Mitbestimmungs- bzw. Mitwirkungstatbestände gehört die Abgabe einer Anfechtungserklärung nicht. Sie ist daher unabhängig von der Beteiligung des Personalrates.
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6. Kündigung Einer der Hauptanwendungsfälle für die Wahrnehmung von Rechten durch 9 Personalräte ist die Beteiligung an der Kündigung. Unabhängig von der näheren Ausgestaltung des jeweils zu beachtenden Verfahrens sieht § 108 Abs. 2 BPersVG zwingend die Unwirksamkeit einer ohne die vorgeschriebene Beteiligung des Personalrates ausgesprochenen Kündigung vor4. Dies gilt allerdings nur insoweit, als gesetzlich eine Beteiligung des Personalrates an der Kündigung von Arbeitsverhältnissen angeordnet ist. § 108 Abs. 2 BPersVG zwingt den Landesgesetzgeber nämlich nicht, eine Mitwirkung des Personalrates an Kündigungen durch den Arbeitgeber überhaupt vorzusehen5. Er hat auch die Kompetenz, eine Beteiligung des Personalrates an Kündigungen für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern nicht vorzusehen6 oder die Intensität der Beteiligungsrechte des Personalrates zu re1 2 3 4 5
BAG v. 1.12.2004 – 7 AZR 135/04, NZA 2006, 211. BAG v. 3.12.1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 365; KR/Friedrich, § 13 KSchG Rz. 76. KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 1. BVerfG v. 27.3.1979 – 2 BvL 2/77, BVerfGE 51, 43; BAG v. 9.5.1980 – 7 AZR 376/78, AP Nr. 2 zu § 108 BPersVG mit zust. Anm. Richardi. 6 BAG v. 16.3.2000 – 2 AZR 138/99, NZA 2001, 739; BAG v. 7.12.2000 – 2 AZR 532/99, NZA 2001, 846; BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 208/03, PersR 2005, 160; LAG Hamm v. 17.11.1988 – 17 Sa 598/88, DB 1989, 983 (Ls.). Pahlen
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duzieren, zum Beispiel nur ein Anhörungsrecht einzuräumen1. Er kann auch vorsehen, dass die Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch den Personalrat einen entsprechenden Antrag des betroffenen Arbeitnehmers voraussetzt, wobei den Arbeitgeber eine Hinweispflicht treffen kann2. Mit Rücksicht auf die Rahmenvorschrift des § 108 Abs. 2 BPersVG ist es dem Landesgesetzgeber jedoch nicht möglich, für den Fall der Verletzung der Beteiligungsrechte des Personalrates, die sich daran knüpfende Folge der Unwirksamkeit der Kündigung auszuschließen3. Dies gilt auch nach der Föderalismusreform 2006. Eine Abweichung von § 108 BPersVG scheidet aus, denn die Grundlage dieser Regelung findet sich in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG4. Mit den vorgenannten Einschränkungen besteht das Beteiligungsrecht des Personalrates bei Kündigungen umfassend. Es erfasst außerordentliche fristlose Kündigungen, solche mit (sozialer) Auslauffrist sowie ordentliche Kündigungen und gilt auch für Änderungskündigungen. Es erfasst auch den Fall, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer mündlich übereingekommen sind, dass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen und dann ein Abwicklungsvertrag geschlossen werden soll. Die Kündigung ist in einem solchen Fall nämlich kein Scheingeschäft; denn mit ihr wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt. Auch in einem solchen Fall ist die Beteiligung der Arbeitnehmervertretung erforderlich5. Allerdings ist eine Beteiligung des Personalrats bei einer (zulässigen) Kündigung vor Dienstantritt nicht erforderlich; denn es fehlt an der erforderlichen Eingliederung des betroffenen Arbeitnehmers in die Dienststelle bzw. den Betrieb6.
II. Art der Beteiligung 1. Mitbestimmung a) Allgemeines 10 Während sich die Beteiligung des Personalrates an einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung im Anwendungsbereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes auf ein Mitwirkungsrecht beschränkt, gewähren einige Landespersonalvertretungsgesetze dem jeweiligen Personalrat ein Mitbestimmungsrecht. Soweit dies umfassend ausgestaltet ist und der Eini1 BAG v. 13.12.1996 – 2 AZR 402/95, AP Nr. 1 zu § 67 LPVG Sachsen-Anhalt; BAG v. 16.12.1981 – 2 AZR 1107/78, nv. 2 Eine vertragliche Nebenpflicht bejahend: BAG v. 6.3.2003 – 2 AZR 50/02, PersR 2004, 187; eine aus der Fürsorgepflicht abgeleitete Verpflichtung verneinend: BAG v. 26.8.1993 – 2 AZR 376/93, PersR 1994, 36. 3 BAG v. 16.3.2000 – 2 AZR 138/99, NZA 2001, 739; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG. 4 BVerfG v. 27.3.1979 – 2 BvL 2/77, PersV 1979, 328; RDW/Kersten, § 108 Rz. 4; Altvater, PersR 2007, 280; aA Biermann/Kammradt, PersR 2006, 444. 5 BAG v. 28.6.2005 – 1 ABR 25/04, BAGE 115, 165; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 2; aA APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 33). 6 BAG v. 21.3.1996 – 2 AZR 559/95, NZA 1996, 974.
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II. Art der Beteiligung
Rz. 11
Teil 4 D
gungsstelle das Letztentscheidungsrecht zugebilligt wird, ist dies außerordentlich problematisch. Jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter bedarf nämlich als 11 Ausübung von Staatsgewalt demokratischer Legitimation1. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es unmittelbar nach außen wirkt oder nur innerhalb der Verwaltung die Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Amtsaufgaben schafft. Dem Anliegen des Gesetzgebers, die Beschäftigten mit Rücksicht auf deren spezielle Interessen als Dienst- oder Arbeitnehmer an Entscheidungen über innerdienstliche Maßnahmen zu beteiligen, kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Es wird durch das Erfordernis demokratischer Legitimation begrenzt. Die Mitbestimmung darf sich daher nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur so weit gehen, wie die spezifischen, im Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigen. Insoweit gibt der Schutzzweck des Anliegens eine Grenze vor. Darüber hinaus erfordert das Demokratieprinzip für die Ausübung von Staatsgewalt, soweit es sich um eine für die Erfüllung des Amtsauftrages bedeutsame Entscheidung handelt, dass die Letztentscheidung bei einem dem Parlament verantwortlichen Verantwortungsträger liegt, sog. Verantwortungsgrenze. Da diese Voraussetzung unter anderem wegen der Übertragung des Letztentscheidungsrechts auf die Einigungsstelle nicht erfüllt war, hat das BVerfG2 die umfassende Beteiligung der Personalvertretungen nach dem Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein in Form der Mitbestimmung mit Entscheidungsrecht der unabhängigen Einigungsstelle für mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 iVm Art. 20 Abs. 2 GG unvereinbar erklärt und dies ausdrücklich auch auf in das Grundverhältnis eingreifende Entscheidungen mit arbeitsrechtlicher Wirkung im Bereich der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes bezogen. Diesem gedanklichen Ansatz folgend hatte bereits der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen3 eine Änderung des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen für nichtig erklärt, nach der die dem Verwaltungsrat der Sparkasse angehörenden Dienstkräfte nicht mehr durch die Vertretung des Gewährsträgers, sondern durch die Dienstkräfte der Sparkasse gewählt werden sollten, und der Staatsgerichtshof des Landes Hessen4 eine Änderung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes für mit der Landesverfassung unvereinbar und nichtig erklärt5. Entsprechendes gilt für die Beurteilung vergleichbarer Regelungen des Personalvertretungsgesetzes Rheinland-Pfalz 1992 durch den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz6. 1 BVerfG v. 31.10.1991 – 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, 60. 2 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37. 3 Verfassungsgerichtshof NW v. 15.9.1986 – 17/85, PersV 1987, 103; zust. Sachs, JuS 1988, 68; Strehler, PersV 1995, 342; aA Nagel/Abel, ArbuR 1987, 15; WendelingSchröder, ArbuR 1987, 381. 4 Staatsgerichtshof Hessen v. 30.4.1986 – P.St. 1023, PersV 1986, 227; kritisch: Battis, CR 1987, 866; Püttner, DÖV 1988, 357. 5 So auch LAG Hessen v. 6.5.2003 – 1/2 Sa 1665/02, RzK III 2b Nr. 25. 6 Verfassungsgerichtshof Rh.-Pf. v. 18.4.1994 – VGH N 1/93, VGH N 2/93, Personalrat 1994, 269; vgl. auch Kisker, PersV 1994, 289. Pahlen
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Rz. 12
Beteiligung des Personalrates
b) Intensität des Mitbestimmungsrechts 12 Für die Beurteilung der Vereinbarkeit von personalvertretungsrechtlichen Regelungen mit höherrangigem Recht kommt es nicht auf die Reichweite der dem Personalrat danach zustehenden Rechte an, wie sich aus der vom BVerfG gebilligten Allzuständigkeit des Personalrates ableiten lässt1. Maßgeblich ist allein deren Intensität, die nach der Entscheidung des BVerfG zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein2 je nach Anwendungsfall in unterschiedlicher Form zulässig ist. 13 Diese Rechtsprechung hat ein kritisches Echo gefunden. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass ohne zwingenden Grund aus einem Verfassungsprinzip Ableitungen vorgenommen worden seien, die eigentlich dem einfachen Gesetzgeber zugestanden hätten. Außerdem werde ein lange akzeptiertes und praktiziertes System als verfassungswidrig eingestuft. Gleichzeitig werde wegen der Verengung des Blickwinkels auf den Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation vernachlässigt, dass es sich im Bereich des öffentlichen Dienstrechtes im Wesentlichen um bloßen Gesetzesvollzug handele, ohne dass wesentliche Ermessensspielräume genutzt werden könnten3. c) Konfliktlösung 14 Für die Lösung des danach bestehenden Konfliktes zwischen dem Prinzip der personellen demokratischen Legitimation und den Interessen der Arbeitnehmer an einer wirksamen Vertretung ihrer Interessen gibt es verschiedene Ansatzpunkte. aa) Bedeutung des Anwendungsbereichs 15 So ist es zum Beispiel keineswegs zwingend, die vom BVerfG entwickelten Grundsätze umfassend auf alle Bereiche des öffentlichen Dienstes auszudehnen. Außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der gemeindlichen Selbstverwaltung ist das Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 GG nämlich offen für Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt, die von dem Erfordernis umfassender personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichen. Es gestattet, für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlich-rechtlicher Aufgaben durch Gesetz besonderen Organisationsformen eine Selbstverwaltung zu schaffen4. Aus dieser die Wasserverbände in Nordrhein-Westfalen betreffenden Entscheidung wird gefolgert, dass dies auch für die öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungen und die Körperschaften der „verkammerten“ freien 1 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 104 Rz. 19. 2 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37. 3 Battis/Kersten, PersV 1999, 530; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 104 Rz. 21. 4 BVerfG v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98, BVerfGE 107, 59 auf Vorlagebeschlüsse des BVerwG v. 17.12.1997 – 6 C 1.97, NVwZ 1999, 870 sowie v. 17.12.1999 – 6 C 2.97, BVerwGE 106, 64.
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II. Art der Beteiligung
Rz. 16
Teil 4 D
Berufe (Ärzte, Rechtsanwälte, Notare usw.) gelten müsse, vor allem dann, wenn die Besetzung der Verwaltungsräte nicht durch die Regierung sondern durch die Wahl eines Gremiums erfolgt, das nicht im Sinne des BVerfG demokratisch legitimiert ist1. Ähnlich zu betrachten könnten danach auch solche „staatsfernen“ Bereiche sein, die wie etwa Schulen und Hochschulen nicht unmittelbar Staatsgewalt ausüben, sondern nur mit Rücksicht auf die Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes öffentlich-rechtlich organisiert sind2. Hier kommt es allein auf die Sicherung des Tendenzschutzes im Verhältnis zu den Rechten der Personalvertretungen an, die auch ohne deren wesentlichen Ausschluss möglich ist3. bb) Verfassungskonforme Auslegung Im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung kann eine Konfliktlösung 16 auch in der Ausschöpfung der Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung des jeweils anzuwendenden Personalvertretungsgesetzes liegen. Insoweit kommt zum Beispiel die Ausweitung eines im Gesetz grundsätzlich angelegten Evokationsrechtes der Verwaltung in Betracht, wie das BVerfG4 auf einen Vorlagebeschluss des LAG Brandenburg5 ausgeführt hat. Diesem Ansatz folgt auch das BAG6, während das BVerwG bei Gesetzen aus der Zeit vor dem 24.5.1995 (Entscheidung des BVerfG zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein) vom Vorliegen einer „planwidrigen Lücke“ ausgeht, die durch eine Herabsetzung einer unzulässigen Beteiligungsregelung auf das jeweils noch zulässige Maß geschlossen werden kann7, so dass jedenfalls in Angelegenheiten, die den Status der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes betreffen8, nicht vom Vorliegen einer abschließenden Entscheidung der Einigungsstelle, sondern lediglich von deren Empfehlung auszugehen ist9. Einen abweichenden Ansatz verfolgt dagegen das OVG Berlin-Brandenburg. Es schränkt die Mitbestimmung des Personalrats auf eine bloße Rechtskontrolle ohne Spielraum für außerrechtliche Erwägungen und ohne Handlungsspielraum in einem der Verwaltungsspitze zugeordneten Verantwortungsbereich ein und hält die Verfassungsmäßigkeit eines in dieser Weise strukturierten Mitbestimmungsrechts für gegeben, wenn die in dessen Wahrnehmung erfolgende Entscheidung der Einigungsstelle der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle unterworfen ist10. 1 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 104 Rz. 22. 2 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 104 Rz. 22. 3 BVerwG v. 22.4.1998 – 6 P 4.97, PersR 1998, 461; BVerwG v. 12.8.2002 – 6 P 17.01, PersV 2003, 192; OVG Sa.-Anh. v. 2.4.2004 – 5 L 10/03, PersR 2004, 320. 4 BVerfG v. 20.7.2001 – 2 BvL 8/00, Personalrat 2002, 198. 5 LAG Bdb. v. 29.9.1999 – 7 Sa 60/98, nv. 6 BAG v. 21.6.2006 – 2 AZR 300/05, PersV 2007, 181. 7 BVerwG v. 24.4.2002 – 6 P 3.01, BVerwGE 116, 260; BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12.01, PersV 2003, 241. 8 BVerwG v. 3.12.2001 – 6 P 12.00, PersR 2002, 163; BVerwG v. 19.5.2003 – 6 P 16.02, PersR 2003, 314. 9 BVerwG v. 20.3.2002 – 6 P 6.01, PersR 2002, 306; BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12.01, NZA-RR 2003, 223; OVG NW v. 9.6.2006 – 1 A 1492/05. PL, PersV 2007, 18. 10 OVG Berlin-Brandenburg vom 12.1.2009 – 60 PV 1.09, n.v. Pahlen
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Beteiligung des Personalrates
2. Mitwirkung a) Allgemeines 17 Wie bereits im Rahmen der Erörterungen zum Umfang des Mitbestimmungsrechts des Personalrates bei vom Arbeitgeber beabsichtigter Kündigung ausgeführt wurde (s.o. Rz.10 f.), bestehen nach der Rechtsprechung des BVerfG1 einerseits keine Bedenken gegenüber der Allzuständigkeit des Personalrates (s.o. Rz. 12), während der Gesetzgeber mit Ausnahme der Einräumung eines (freien) Letztentscheidungsrechts zugunsten einer unabhängigen Einigungsstelle in der Ausgestaltung der Beteiligungsrechte des Personalrates (auch an Kündigungen) völlig frei ist. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, dem Personalrat ein Mitwirkungsrecht einzuräumen. Davon ist im BPersVG für den Ausspruch ordentlicher Kündigungen modellhaft Gebrauch gemacht worden. b) Reichweite des Mitwirkungsrechts 18 Das Mitwirkungsrecht nach dem BPersVG ist in dessen § 72 näher beschrieben. Nach Absatz 1 der Vorschrift ist die beabsichtigte Maßnahme, soweit der Personalrat an ihr mitwirkt, vor deren Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit ihm zu erörtern. Diese Regelung gilt nach § 72 Abs. 1 Satz 1 BPersVG auch für vom Arbeitgeber beabsichtigte ordentliche Kündigungen, sofern nicht der Personenkreis des § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersVG betroffen ist (s.o. Rz. 9) In einem solchen Fall kann der Personalrat aus im Gesetz konkret benannten Gründen Einwendungen erheben (s.u. Rz. 121). Hat er dies nicht binnen zehn Arbeitstagen nach seiner Information durch den Arbeitgeber getan oder hält er bei der anschließenden Erörterung mit dem Dienststellenleiter seine Einwendungen nicht aufrecht, gilt die Maßnahme nach § 72 Abs. 2 Satz 1 BPersVG als gebilligt. Liegen diese Ausnahmen nicht vor und entspricht die Dienststelle den Einwendungen des Personalrates nicht oder nicht in vollem Umfang, teilt sie ihm ihre Entscheidung unter Angabe der Gründe schriftlich mit. Binnen drei Arbeitstagen nach dem Zugang dieser Erklärung kann der Personalrat einer nachgeordneten Dienststelle die Angelegenheit sodann auf dem Dienstweg der übergeordneten Dienststelle, bei der eine Stufenvertretung besteht, mit dem Antrag auf Entscheidung vorlegen. Diese entscheidet dann nach Verhandlung mit der bei ihr bestehenden Stufenvertretung. In diesem Fall ist die beabsichtigte Maßnahme (ordentliche Kündigung) nach Abs. 5 der Vorschrift auszusetzen. Wird die Kündigung gleichwohl ausgesprochen, ist sie nach § 79 Abs. 4 BPersVG unwirksam2. Eine vorläufige Regelung darf nämlich keinen Zustand herbeiführen, der nicht mehr rückgängig zu machen wäre3. Dies wäre jedoch bei einem Ausspruch der Kündigung der Fall. Damit wird nämlich von einem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, das zum Zeitpunkt des Zugangs der 1 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37. 2 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 72 Rz. 20. 3 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 69 Rz. 36; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 69 Rz. 35.
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Rz. 22
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Erklärung rechtsgestaltend wirkt und daher nicht mehr widerrufen oder zurückgenommen werden kann1. Eine vorläufige Regelung kann in einem solchen Fall daher nur in der Suspendierung des betroffenen Arbeitnehmers bestehen. Die Beteiligung des Personalrates beschränkt sich im Falle der gesetzlich 19 angeordneten Mitwirkung auf ein Unterrichtungs- und Erörterungsrecht, wobei die Rechtzeitigkeit und der Umfang der Information von wesentlicher Bedeutung sind. Nähere Bestimmungen dazu enthält § 68 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BPersVG. Rechtzeitig ist eine Unterrichtung, wenn die gesamte Personalvertretung die Möglichkeit hat, die ihr mitgeteilten rechtlichen und tatsächlichen Umstände vor der Erörterung und Beschlussfassung im Gremium zu verarbeiten und die erteilten Informationen bei ihrer Willensbildung zu berücksichtigen2. Ist die Beteiligung des Personalrates mit der Einhaltung einer Frist verbunden, beginnt die Äußerungsfrist erst, wenn die für die Meinungs- und Willensbildung erforderlichen Informationen erteilt und die notwendigen Unterlagen überreicht wurden3. Außerdem muss die Information umfassend sein. Dem Personalrat sind die rechtlichen und tatsächlichen Umstände mitzuteilen, die ihn in die Lage versetzen, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dabei ist nicht auf die konkret beteiligte, sondern eine objektive, verständig würdigende Personalvertretung abzustellen4. Eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende Information erfordert 20 zudem regelmäßig auch die Vorlage der notwendigen Unterlagen5. Die nach dem BPersVG auf die Mitwirkung des Personalrats beschränkte 21 Beteiligung an der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann weder durch Tarifvertrag noch durch Dienstvereinbarung erweitert werden. Abweichend von § 102 Abs. 6 BetrVG sieht das BPersVG die Möglichkeit einer solchen Erweiterung der Rechte des Personalrats nicht vor. Dies schließt eine Erweiterung durch landesgesetzliche Regelungen allerdings nicht aus. Eine solche wäre in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich zulässig und bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung zu beachten6. c) Konfliktlösung Anders als im Bereich der Mitbestimmung ist im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens eine Letztentscheidung der Einigungsstelle nicht vorgese1 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 14. 2 Altvater, BPersVG, § 68 Rz. 14; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 68 Rz. 28; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 68 Rz. 68; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/ Rehak/Faber, BPersVG, § 68 Rz. 40. 3 BVerwG v. 8.11.1989 – 6 P 7.87, BVerwGE 84, 58; BVerwG v. 10.8.1987 – 6 P 22.84, BVerwGE 78, 65. 4 BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21.92, PersR 1994, 213. 5 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 68 Rz. 29. 6 Hueck, KSchG, Einleitung Rz. 159; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 4. Pahlen
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hen. Der Personalrat verfügt bei dieser Konstruktion lediglich über die Möglichkeit, den Konflikt durch rechtzeitigen, formgerechten und zu begründenden Antrag auf die nächste Stufe zu heben und eine Entscheidung der übergeordneten Dienststelle herbeizuführen, die die bei ihr gebildete Stufenvertretung daran zu beteiligen hat. 3. Anhörung 23 Bei der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beschränkt sich die Beteiligung des Personalrats nach dem BPersVG auf ein bloßes Anhörungsrecht (§ 79 Abs. 3 Satz 1 BPersVG). Die Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Sofern ein Personalrat Bedenken hat, sind diese unter Angabe von Gründen unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Arbeitstagen nach der Information mitzuteilen. 24 Dies gilt allerdings nur für die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, nicht jedoch für eine gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist. Hier ist der Personalrat nach den für die ordentliche Kündigung geltenden Regelungen zu beteiligen. Auch in einem solchen Falle ist dem Arbeitnehmer nämlich der Schutzstandard zu gewähren, der ihm gegenüber einer ordentlichen Kündigung zur Verfügung gestanden hätte1. Entsprechendes gilt für den Fall der Umdeutung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist2.
III. Ausübung des Beteiligungsrechtes 1. Zuständigkeit 25 Nach § 108 Abs. 2 BPersVG ist die durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht beteiligt worden ist. Ohne dass dies in dem Zusammenhang mit der Regelung des Verfahrens über die Mitbestimmung der Personalvertretung bei der außerordentlichen Kündigung von Organmitgliedern in Absatz 1 der Norm ausdrücklich im Text der Regelung hervorgehoben wäre, ist damit aber auch bei der Beteiligung iSd. Abs. 2 die „zuständige“ Personalvertretung gemeint. Dies ist grundsätzlich der Personalrat der Dienststelle, die über die Kündigung zu entscheiden hat3. Ein Beteiligungsverfahren kann nur ge-
1 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 242/05, ZTR 2006, 338; BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 605/00, BAGE 99, 301; BAG v. 18.1.2001 – 2 AZR 616/99, PersR 2001, 435; aA LAG Hessen v. 8.3.2001 – 12 Sa 251/00, RzK III 2b Nr. 21; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 79 Rz. 21b. 2 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, BAGE 96, 65; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 67. 3 BAG v. 20.1.2000 – 2 ABR 19/99, ZTR 2001, 89.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
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genüber der zuständigen Personalvertretung wirksam eingeleitet werden1, deren Bestimmung im Einzelfall problematisch sein kann. So ist etwa im Anwendungsbereich des LPVG Bayern bei der Kündigung eines Krankenhausarztes, dessen Arbeitgeber der Landkreis und dessen Dienststelle das Krankenhaus ist, der Gesamtpersonalrat zu beteiligen2. Bei der beabsichtigten Kündigung eines bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigten Arbeitnehmers, der nach Auflösung seiner bisherigen Dienststelle noch keiner anderen Dienststelle zugeordnet wurde, ist in entsprechender Anwendung des § 82 Abs. 1 BPersVG die Stufenvertretung zu beteiligen3. Die Beteiligung der unzuständigen Personalvertretung hat wie bei jedem anderen Fehler bei der Durchführung des Beteiligungsverfahrens4 die Unwirksamkeit einer auf ihrer Grundlage ausgesprochenen Kündigung zur Folge5. Die damit für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung bedeutsame Frage der Zuständigkeit ist unter ganz verschiedenen Aspekten zu prüfen. Sie kann unter dem Blickwinkel des persönlichen, örtlichen und zeitlichen Geltungsbereichs gestellt werden, aber auch die funktionale und organisatorische Seite des Problems betreffen.
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Grundlage der Zuständigkeit eines Personalrates ist zunächst ganz banal 27 die Tatsache seiner Existenz. Wurde ein Personalrat nicht gebildet, ist seine Amtszeit abgelaufen, war die Wahl nichtig oder ist er sonst nicht funktionsfähig6, braucht er nicht beteiligt zu werden7. In diesem Fall kann der Arbeitgeber eine von ihm beabsichtigte Kündigung ohne die Notwendigkeit der Einhaltung des Beteiligungsverfahrens gleich welcher Ausprägung unmittelbar aussprechen8. Dies betrifft nicht nur die Fälle, in denen eine Personalvertretung nicht gebildet wurde, sondern auch jene, in denen die Amtszeit des Gremiums bereits abgelaufen war. Allerdings lebt die Notwendigkeit der Beteiligung der Personalvertretung wieder auf, wenn die bisher amtierende Personalvertretung von einer anderen abgelöst wurde. In diesem Fall ist das nunmehr im Amt befindliche Gremium zu beteiligen9. In Angelegenheiten, in denen eine übergeordnete Dienststelle zur Entscheidung befugt ist, ist an Stelle des Personalrats die bei der zuständigen 1 BAG v. 6.8.1991 – 1 AZR 573/90, ZTR 1992, 128. 2 BAG v. 18.10.1990 – 2 AZR 157/90, RzK III 2b Nr. 18. 3 BAG v. 14.12.1994 – 7 AZR 14/94, PersR 1995, 308; vgl. auch BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 629/94, PersR 1996, 78; BAG v. 22.8.1996 – 2 AZR 5/96, BAGE 84, 29; BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, NZA-RR 2007, 571. 4 BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, EzA § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73. 5 BAG v. 3.2.1982 – 7 AZR 791/79, AP Nr. 1 zu Art. 77 LPVG Bayern; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 79 Rz. 5d; Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 6. 6 BAG v. 23.8.1984 – 6 AZR 520/82, NZA 1985, 566; Lorenzen/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 47 Rz. 20 ff. 7 RDW/Benecke, § 79 Rz. 26; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 79 Rz. 9. 8 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 9 f. 9 BAG v. 28.9.1983 – 7 AZR 266/82, BAGE 44, 164. Pahlen
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Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen1. Maßgebend ist nicht, welcher Dienststelle der betroffene Arbeitnehmer angehört, sondern allein, welche Dienststelle die Entscheidung mit Außenwirkung treffen kann. Die Entscheidungskompetenz der Dienststelle ihrerseits ergibt sich aus den Gesetzen, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und Einzelverfügungen. Trifft danach eine übergeordnete Dienststelle die Entscheidung, ist die bei ihr bestehende Stufenvertretung zu beteiligen. Das gilt auch, wenn die übergeordnete Dienststelle eine Angelegenheit in zulässiger Weise an sich zieht2. 29 Für den Fall der Auflösung einer Dienststelle ohne Zuordnung des bisher dort beschäftigten Arbeitnehmers zu einer neuen Dienststelle ist grundsätzlich die bei der obersten Dienstbehörde gebildete Stufenvertretung zu beteiligen3. Dies gilt auch, wenn für die Kündigung ausnahmsweise nicht die oberste Dienstbehörde, sondern eine andere Dienststelle zuständig ist, bei der der Arbeitnehmer jedoch nicht beschäftigt ist. Ist aufgrund entsprechender Vorschriften die Entscheidungsbefugnis für Kündigungen wegen Auflösung einer Dienststelle auf eine andere Dienststelle übertragen worden, durch deren Personalrat der zu kündigende Arbeitnehmer aber nicht repräsentiert wird, so ist bei der Kündigung die Stufenvertretung zu beteiligen4. Der jeweilige Personalrat repräsentiert nur die Beschäftigten, die zu der Dienststelle gehören, bei der er gebildet worden ist. Bei Stufenvertretungen kommt es auf den Geschäftsbereich der Behörde an. Der Grundsatz der Repräsentation, aus dem die Legitimation des Personalrats folgt, schließt eine Beteiligung eines Personalrats an Maßnahmen aus, die Beschäftigte einer Dienststelle betreffen, die zu ihm nicht wahlberechtigt waren5. Wahlberechtigt sind nur die in eine Dienststelle tatsächlich eingegliederten Beschäftigten. Dies entspricht dem Repräsentationsprinzip. 30 Dies hat zur Folge, dass der „Hauspersonalrat“ der übergeordneten Dienststelle zuständig ist, wenn es sich um die Kündigung eines Beschäftigten dieser Einrichtung handelt. Dagegen ist der Gesamtpersonalrat zu beteiligen, wenn der Leiter der Hauptdienststelle für eine Kündigung zuständig ist, die Beschäftigte einer verselbständigten Dienststelle oder mehrere verselbständigter Dienststellen betrifft6. 31 Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der Kündigung von Mandatsträgern zu beachten. Hier ist die Personalvertretung zu beteiligen, der das Mitglied angehört oder zugeordnet ist. Bei Mitgliedern von Wahlvorständen oder Wahlbewerbern kommt es auf die Personalvertretung an, deren
1 BAG v. 18.10.1990 – 2 AZR 157/90, RzK III 2a Nr. 18. 2 BAG v. 14.12.1994 – 7 ABR 14/94, NZA 1996, 222; BAG v. 22.8.1996 – 2 AZR 5/96, NZA 1997, 170. 3 BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, NZA-RR 2007, 571. 4 BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 629/94, PersR 1996, 78; BAG v. 22.8.1996 – 2 AZR 5/96, NZA 1997, 170. 5 BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 453/88, PersR 1990, 46. 6 BVerwG v. 29.8.2005 – 6 PB 6.05, ZfPR 2006, 116.
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Rz. 33
Teil 4 D
Wahl sie vorbereiten oder an der sie sich beteiligen1. Dies kann auch diejenige eines verselbständigten Dienststellenteils sein. Gehört ein Mitglied des Gesamtpersonalrats einer solchen Dienststelle an, ist für dessen Kündigung allerdings nicht der Personalrat der unselbständigen Dienststelle, sondern der Gesamtpersonalrat zuständig2. 2. Unterrichtung a) Allgemeines Bereits nach der Grundregelegung des Auskunftsrechts in § 68 Abs. 2 32 BPersVG steht der Personalvertretung kein allumfassendes Informationsrecht zu, um dadurch eine allgemeine Kontrolle der Tätigkeit der Dienststelle vorzunehmen; denn die Personalvertretung ist kein Kontrollorgan, dem es obliegt, die Aufgabenerfüllung und den inneren Betrieb der Dienststelle allgemein zu überwachen3. Ein Informationsanspruch der Personalvertretung besteht nur in dem Maße, wie sie Auskünfte von Seiten der Dienststelle benötigt, um die ihr obliegenden allgemeinen Aufgaben erfüllen und ihre Beteiligungsrechte uneingeschränkt wahrnehmen zu können. Das in § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG geregelte Unterrichtungsrecht setzt also voraus, dass die Personalvertretung eine Aufgabe zu erfüllen hat, die es erfordert, sie über einen bestimmten Sachverhalt zu unterrichten4. Die Information muss ebenso wie die Vorlage von Unterlagen in untrennbarer Beziehung zu den Aufgaben der Personalvertretung und ihrer Wahrnehmung stehen, dh. zur Erledigung einer bestimmten und konkreten Aufgabe erforderlich sein5. Der Unterrichtungsanspruch der Personalvertretung besteht nur insoweit, als sie die Informationen benötigt, um ihre Beteiligungsrechte rechtzeitig und uneingeschränkt wahrnehmen zu können6. An diesen Grundsätzen sind auch der Umfang und die Modalitäten des 33 Unterrichtungsanspruchs des Personalrats im Zusammenhang mit einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung zu messen. Die Beteiligung der jeweils zuständigen Personalvertretung ist im BPersVG und in einzelnen Landespersonalvertretungsgesetzen ganz unterschiedlich geregelt. Insbesondere bestehen Differenzen bei der Frage der Intensität des dem jeweiligen Personalrat im Einzelfall zustehenden Beteiligungsrechts. Unabhängig davon, ob das Beteiligungsrecht zum Mitbestimmungsrecht erstarkt ist oder sich auf ein bloßes Anhörungsrecht beschränkt, ist in jedem Fall jedoch eine ordnungsgemäße Information des Personalrats über die Umstän1 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 108 Rz. 4. 2 OVG Lüneburg v. 12.10.1976 – P L 13/76, PersV 1980, 71; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 108 Rz. 4. 3 BVerwG v. 27.2.1985 – 6 P 9.84, PersR 1985, 124; BVerwG v. 21.9.1984 – 6 P 24.83, ZBR 1985, 58. 4 BVerwG v. 21.2.1980 – 6 P 77.78, PersV 1980, 278. 5 BVerwG v. 11.2.1981 – 6 P 44.79, BVerwGE 61, 325; BVerwG v. 29.8.1990 – 6 P 30.87, PersV 1991, 78. 6 BVerwG v. 27.2.1985 – 6 P 9.84, PersR 1985, 124; BVerwG v. 12.10.2006 – 2 B 31.06, nv. Pahlen
473
Teil 4 D
Rz. 34
Beteiligung des Personalrates
de erforderlich, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Kündigung wesentlich sind1. 34 Die Beteiligung des Personalrats dient unabhängig von der Intensität ihrer Ausgestaltung hier vor allem dem Zweck, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen und auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers vor dessen Umsetzung Einfluss zu nehmen2. Eine dem Normzweck entsprechende Unterrichtung des Personalrats muss ihn daher in die Lage versetzen, seine gesetzliche Aufgabe auch tatsächlich wahrzunehmen. Dies hat zur Folge, dass eine Kündigung nicht nur unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Personalrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt, zB nicht ausreichend informiert hat. b) Beteiligte Personen 35 Die Unterrichtung des Personalrats über die beabsichtigte Kündigung und die dafür maßgeblichen Umstände erfolgt durch den Arbeitgeber. Die Vertretung der Beteiligten an diesem Verfahren ist gesetzlich näher geregelt. aa) Vertreter des Arbeitgebers 36 Nach § 7 Satz 1 BPersVG handelt für die Dienststelle ihr Leiter. Diese Regelung bringt den das Personalvertretungsrecht beherrschenden Partnerschaftsgedanken zum Ausdruck, nach dem Gesprächspartner der Personalvertretung der Leiter der jeweiligen Dienststelle ist3. Leiter der Dienststelle ist der nach der Organisation der Dienststelle leitende Beschäftigte4, unabhängig von seinem Status. Das Personalvertretungsrecht enthält insoweit keine eigene Regelung, sondern folgt der Organisation der Verwaltung5. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, wer Leiter der Dienststelle ist, sind die Verantwortung für die Durchführung und Beaufsichtigung des Dienstbetriebes sowie die Zuständigkeit für die Entscheidung und Umsetzung von Maßnahmen, die vor ihrem Erlass der Beteiligung des Personalrats unterliegen6. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Leiter einer nachgeordneten Dienststelle im Einzelfall auf Weisung der vorgesetzten Dienststelle handelt. Auch in einem solchen Fall verbleibt es bei seiner Zuständigkeit. Es ist nämlich nach wie vor seine Aufgabe, die Maßnahme vorzubereiten, die Entscheidung zu treffen und umzusetzen7. Sind nach § 6 Abs. 3 BPersVG Nebenstellen oder Teile einer Dienststelle durch Beschluss der Beschäftigten personalvertretungsrechtlich verselbständigt, ist ihr Leiter auch Dienststellenleiter im Sinne des 1 2 3 4 5 6 7
KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 15. KR/Etzel, BPersVG, §§ 72, 79, § 108 Abs. 2 Rz. 53 ff. BVerwG v. 29.8.2005 – 6 PB 6.05, ZfPR 2006, 116 (Ls.). BVerwG v. 26.8.1987 – 6 P 11.86, PersV 1988, 488. RDW/Benecke, § 7 Rz. 4. Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 6a. BVerwG v. 13.12.1974 – 7 P 4.73, PersV 1975, 178; BVerwG v. 24.9.1985 – 6 P 21.83, PersV 1988, 353.
474 Pahlen
III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 38
Teil 4 D
Gesetzes. Ob er über ausreichende Befugnisse verfügt, um gegenüber dem Personalrat die Aufgabe der Dienststelle wahrnehmen zu können, ist dabei unerheblich1. Eine Änderung des Status des Dienststellenleiters tritt auch nicht ein, wenn eine nicht personalratsfähige Dienststelle einer benachbarten Dienststelle zugeordnet wird. Die gemeinsame Personalvertretung ist in einem solchen Fall von dem jeweils zuständigen Dienststellenleiter zu beteiligen. Der Leiter einer Behörde der Mittelstufe hat eine Doppelfunktion. Im örtlichen Bereich dieser Behörde ist er Dienststellenleiter, während ihm gegenüber dem Bezirkspersonalrat in Angelegenheiten der nachgeordneten Dienststellen die Entscheidungsbefugnis zukommt2. In Dienststellen mit einer kollektiven Führung, wie dies bei bundesunmittelbaren juristischen Personen, Körperschaften, Stiftungen und Anstalten der Fall ist, kommt die Funktion des Dienststellenleiters iSv. § 7 Satz 1 BPersVG der mit der Geschäftsleitung beauftragten Person zu. Dies kann auch ein Beschäftigter sein, der diesem Gremium nicht angehört, wie aus § 88 Nr. 2 BPersVG folgt3. Nach § 7 Satz 2 BPersVG kann sich der Dienststellenleiter im Falle seiner 37 Verhinderung von seinem ständigen Vertreter vertreten lassen. Diese Einschränkung gilt für die meisten Landespersonalvertretungsgesetze allerdings nicht. In dieser Hinsicht enthält das BPersVG keine Rahmenbestimmungen4. In den einzelnen Landespersonalvertretungsgesetzen sind durchaus abweichende Regelungen vorstellbar und auch vorhanden. Beispielhaft sei erwähnt § 9 Abs. 1 PersVG Berlin. Auch hier handelt nach Abs. 1 Satz 1 für die Dienststelle ihr Leiter. Er kann sich jedoch vertreten lassen, sofern seinem Vertreter die gleiche Entscheidungsbefugnis zusteht. Der Leiter der Dienststelle kann selbst entscheiden, von wem er vertreten werden soll. Die Vertretung kann allgemein geregelt werden, kann sich allerdings auch nur auf einen ganz bestimmten Bereich beschränken. Insoweit kommen in Betracht Personalangelegenheiten, soziale Angelegenheiten, Angelegenheiten eines Arbeitsschutzes und Ähnliches. Eine Beauftragung ist aber auch möglich für einen bestimmten Einzelfall5. Die Vertretungsbefugnis muss dem Personalrat mitgeteilt werden. Abweichend von § 7 Satz 4 BPersVG ist dessen Zustimmung nicht erforderlich. Eine bestimmte Form muss dabei nicht gewahrt werden. Allerdings sollte auch hier eine schriftliche Erklärung erfolgen, damit spätere Unklarheiten nicht zur Rechtsunsicherheit führen6. Neben der nicht an den Fall der Verhinderung gebundenen Vertretung kommt auch eine Beauftragung in Betracht, die an die jeweilige Verwaltungsorganisation angepasst ist7. 1 BVerwG v. 29.5.1991 – 6 P 12.89, BVerwGE 88, 233; RDW/Benecke, § 7 Rz. 7. 2 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 8. 3 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 9, § 88 Rz. 9; aA RDW/Benecke, § 7 Rz. 5. 4 RDW/Benecke, § 7 Rz. 10, 19. 5 OVG Berlin v. 12.5.1998 – 60 PV 1.96, PersR 1999, 29. 6 Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, 2. Aufl., § 9 Rz. 5. 7 RDW/Benecke, § 7 Rz. 19. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 39
Beteiligung des Personalrates
39 Die Vertretungsregelung des § 7 Satz 2 BPersVG gilt umfassend. Sie ist anzuwenden, wenn die Verhinderung auf Abwesenheit infolge Urlaubs, Arbeitsunfähigkeit oder sonstiger Dienstgeschäfte beruht, also eine tatsächliche Ursache hat, gilt aber auch für die Fälle rechtlicher Verhinderung, zum Beispiel wegen Interessenkollision. Es kommt nicht darauf an, ob die Verhinderung dauerhaft oder nur vorübergehend ist. Entscheidend ist, dass der Dienststellenleiter eine Aufgabe nicht wahrnehmen kann1. Zwar steht die Entscheidung der Frage, ob ein Verhinderungsfall vorliegt, in seinem pflichtgemäßen Ermessen2, jedoch steht die „Verhinderung“ nicht zu seiner Disposition3; andererseits musste er aber auch nicht vorrangig mit dem Personalrat Terminsabsprachen treffen. Im Falle der Kollision mit anderen Aufgaben, kann er frei entscheiden, welchen der anstehenden Termine er wahrnehmen möchte und bei welcher Gelegenheit er sich vertreten lassen will4. Er muss seine Verhinderung nicht näher begründen, allerdings hat der Personalrat einen Anspruch auf Mitteilung des Grundes der Verhinderung5. Eine unbeschränkte Vertretung kommt nicht in Betracht, sie wäre mit dem Zweck des § 7 BPersVG nicht vereinbar6. Ständiger Vertreter des Dienststellenleiters ist derjenige, der nach der Organisation der Dienststelle, der Geschäftsverteilung oder ihren Statuten in allen die Dienststelle betreffenden Angelegenheiten die Dienststelle rechtswirksam vertreten kann. Er muss für den Fall der Vertretung über dieselben Befugnisse verfügen wie der Dienststellenleiter7. 40 Weitergehende Vertretungsmöglichkeiten bestehen nur nach § 7 Satz 3 und 4 BPersVG und betreffen allein die darin ausdrücklich genannten Behörden. 41 Bei obersten Dienstbehörden kann der Dienststellenleiter auch den Leiter der Abteilung für Personal und Verwaltungsangelegenheiten zu seinem Vertreter bestimmen. Sind diese Bereiche getrennt organisiert, kann eine Vertretung für den jeweiligen Bereich erfolgen8. Eine bestimmte Form muss dabei nicht gewahrt werden9. Diese Befugnis geht allerdings nicht so weit, dass im Falle von dessen Verhinderung nunmehr automatisch der jeweilige Vertreter des Abteilungsleiters diese Aufgaben wahrnehmen dürfte10. Es handelt sich dabei nämlich um eine Ausnahmeregelung, die grundsätzlich eng auszulegen ist. Vor allem aber würde bei einer so weiten Interpretation nicht hinreichend gewürdigt, dass in den Fällen des § 7 Satz 4 1 2 3 4 5 6 7 8
RDW/Benecke, § 7 Rz. 10. KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 17. BAG v. 31.3.1983 – 2 AZR 384/81, BAGE 44, 37. KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 17. BAG v. 31.3.1983 – 2 AZR 384/81, BAGE 44, 37. Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 12a. Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 13. RDW/Benecke, § 7 Rz. 13; Altvater, BPersVG, § 7 Rz. 5; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 16. 9 BVerwG v. 6.9.2005 – 6 PB 12.05, PersV 2006, 96. 10 BAG v. 29.10.1998 – 2 AZR 61/98, BAGE 90, 91 = AP Nr. 13 zu § 79 BPersVG mit zust. Anm. Ilbertz; RDW/Benecke, § 7 Rz. 13.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 45
Teil 4 D
BPersVG die Vertretung des Dienststellenleiters ausdrücklich von der Zustimmung des Personalrats abhängig gemacht wird1. Macht der Dienststellenleiter von dieser Befugnis Gebrauch, schließt dies 42 die gesetzlich angeordnete Vertretungsbefugnis des ständigen Vertreters jedoch nicht aus. Beide Möglichkeiten bestehen nebeneinander. Es kommt im Verhältnis zueinander nicht auf den Eintritt eines weiteren Verhinderungsfalles an. Eine Ausnahme gilt allerdings für den Fall, dass sich der Dienststellenleiter die Entscheidung eines Einzelfalles ausdrücklich vorbehalten hat. Hier kann eine Vertretung nach § 7 Satz 3 BPersVG nicht erfolgen, weil der Beauftragte nicht über die vergleichbare Befugnis des Dienststellenleiters verfügt. In einem solchen Fall kommt nur die Vertretung durch den ständigen Vertreter in Betracht2. In jedem Falle aber muss eine Verhinderung des Dienststellenleiters vorliegen3. Bei Bundesoberbehörden ohne nachgeordnete Dienststellen und bei Behörden der Mittelstufe kann der Dienststellenleiter auf derselben rechtlichen Grundlage (§ 7 Satz 3 BPersVG) den jeweils entsprechenden Abteilungsleiter (Personal/Verwaltung) zu seinem Vertreter bestimmen. Die voranstehenden Ausführungen gelten hier entsprechend.
43
§ 7 Satz 4 BPersVG eröffnet in den zuvor genannten Bereichen4 eine da- 44 rüber hinausgehende Vertretungsmöglichkeit, die allerdings auch an das Vorliegen eines Vertretungsfalles geknüpft ist5. Mit Zustimmung des Personalrats, die allerdings jederzeit widerruflich ist, nicht in einem Einigungsverfahren erzwungen werden kann und auch von der jeweiligen Amtszeit des Personalrats abhängig ist, kann der Dienststellenleiter über die in § 7 Satz 3 BPersVGgenannten Erweiterungen der Vertretungsbefugnisse hinaus noch weitere Beauftragte bestellen. Dies ist nicht an die Erfüllung besonderer Voraussetzungen gebunden, kann für eine bestimmte Angelegenheit oder für mehrere Angelegenheiten erfolgen und ist auch für künftige Fälle gleicher Art vorstellbar6. Sie ist nicht formgebunden, muss jedoch eindeutig erfolgen7. Jenseits der zuvor erörterten Fälle kann sich der Dienststellenleiter im Rahmen des Beteiligungsverfahrens (zB bei dessen Einleitung, einer in seinem Verlauf erforderlich werdenden Erörterung oder bei der abschließenden Entscheidung) nicht von einem anderen Bediensteten vertreten 1 BAG v. 29.10.1998 – 2 AZR 61/98, BAGE 90, 91 = AP Nr. 13 zu § 79 BPersVG mit zust. Anm. Ilbertz. 2 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 16. 3 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 14. 4 RDW/Benecke, § 7 Rz. 16; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 7 Rz. 15; Lorenzen/Etzel/ Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 7 Rz. 21; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 17a; weiter: Altvater, BPersVG, § 7 Rz. 6. 5 BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 743/94, PersV 1998, 199; RDW/Benecke, § 7 Rz. 16; Altvater, BPersVG, § 7 Rz. 6. 6 RDW/Benecke, § 7 Rz. 16; Altvater, BPersVG, § 7 Rz. 6; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 7 Rz. 15. 7 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 7 Rz. 17a. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 46
Beteiligung des Personalrates
lassen1. Allerdings kann er einem anderen Bediensteten die Durchführung von Vorverhandlungen oder Vorbesprechungen mit dem Personalrat übertragen. Ebenso kann er ihn damit beauftragen, dem Personalrat als „Vertreter in der Erklärung“, also als Bote, eine bestimmte Erklärung zu übermitteln2. Umgekehrt kann ein solcher Bediensteter aber auch als Empfangsbote des Dienststellenleiters für Erklärungen des Personalrats fungieren3. 46 Wird das Beteiligungsverfahren unter Verstoß gegen die gesetzlich angeordnete Vertretungsregelung eingeleitet oder durchgeführt, kann dies Konsequenzen für die Wirksamkeit der beabsichtigten Personalmaßnahme (hier: der Kündigung) haben. Wird das Anhörungsverfahren des Personalrats von einem Vertreter eingeleitet, der unabhängig von einer Verhinderung des Dienststellenleiters ihn nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen vertreten konnte, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Die gesetzlichen Vertretungsregelungen sollen sicherstellen, dass dem Personalrat nicht ständig wechselnde Verhandlungspartner gegenübertreten, deren (Entscheidungs-)Kompetenzen fraglich sein können. Der Leiter der Dienststelle soll im Interesse des sozialen Friedens veranlasst werden, sich nicht nur mit den Aufgaben der Dienststelle nach außen, sondern auch mit den internen Problemen seiner Mitarbeiter zu beschäftigen, zumal bei Einschaltung der Behördenspitze möglicherweise raschere und sachgerechtere Lösungen gefunden werden können. Personalentscheidungen sollen nicht nur routinemäßig von einem Sachbearbeiter erledigt werden4. 47 Zwar führt ein solcher Fehler entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG5 nicht mehr zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Kündigung, jedoch ist dies auch im Verhältnis zum betroffenen Arbeitnehmer von Bedeutung, wenn der Personalrat den Mangel in der Vertretung (das Fehlen eines Verhinderungsfalles) im Rahmen des Beteiligungsverfahrens rügt6. Hat der Personalrat diese Beanstandung vor der Abgabe seiner abschließenden Stellungnahme im Rahmen des Beteiligungsverfahrens erhoben, kann der betroffene Arbeitnehmer sich darauf auch in dem von ihm geführten Kündigungsschutzverfahren berufen. Den Arbeitgeber trifft in diesem Fall die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Verhinderungsfalls. Kommt er ihr nicht ausreichend nach, ist die Kündigung allein wegen dieses Mangels unwirksam, § 108 Abs. 2 BPersVG7.
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BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 734/94, PersV 1998, 199. BAG v. 27.2.1987 – 7 AZR 682/85, BAGE 54, 215. BAG v. 18.10.1990 – 2 AZR 157/90, RzK III 2a Nr. 18. BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 743/94, AP BPersVG § 79 Nr. 8. ZB BAG v. 31.3.1983 – 2 AZR 384/81, BAGE 44, 37. BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 743/94, PersV 1998, 199 im Anschluss an BVerwG v. 26.8.1987 – 6 P 11.86, BVerwGE 78, 72; BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, NZARR 2007, 571. 7 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 19.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 52
Teil 4 D
bb) Vertretung des Personalrats Anders als dies in § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG geregelt ist, enthält § 32 BPersVG (wie im Übrigen auch viele Landespersonalvertretungsgesetze) keine ausdrückliche Vorschrift über die Passivvertretung des Gremiums, also die Befugnis zur Entgegennahme von an den Personalrat gerichteten Erklärungen. Jedoch wird aus der Regelung des § 32 Abs. 3 Satz 1 BPersVG bzw. gleich lautenden Bestimmungen einer ganzen Reihe von Landespersonalvertretungsgesetzen, nach denen der Vorsitzende den Personalrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, abgeleitet, dass dieser auch über eine ausreichende Legitimation für die Entgegennahme von an das Gremium gerichteten Erklärungen verfügt1.
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Im Falle seiner zeitweiligen Verhinderung tritt an die Stelle des Vorsitzen- 49 den der vom Personalrat bestimmte Vertreter. Dies erfolgt nach Maßgabe einer von dem Gremium bestimmten Reihenfolge. Für den verhinderten Vorsitzenden rückt ein Stellvertreter in das Amt ein. Eine Aufteilung der Befugnisse des Vorsitzenden nach Sachgebieten unter mehreren Stellvertretern ist nicht zulässig2. Vertritt der Vorsitzende den Personalrat gemeinsam mit einem anderen Vorstandsmitglied, kann die Erklärung gegenüber jedem von beiden wirksam abgegeben werden3. Darüber hinaus kann der Personalrat in einem konkreten Verfahren auch 50 eines seiner Mitglieder mit der Vertretung des Gremiums betrauen. In diesem Falle können Erklärungen rechtswirksam auch gegenüber diesem abgegeben werden. Geeigneter Adressat bleibt aber auch dann stets der Vorsitzende4. Erfolgt eine Erklärung des Dienststellenleiters gegenüber einem nicht befugten Mitglied des Personalrats, wird dieses lediglich als Erklärungsbote des Arbeitgebers tätig. Die Erklärung wird in einem solchen Fall daher erst dann rechtswirksam, wenn sie einem empfangsberechtigten Vertreter des Gremiums zugeht5. Das Übermittlungsrisiko trägt der Arbeitgeber. Eine Hinweispflicht des Personalrats besteht nicht6.
51
Das Vorliegen einer zeitweiligen Verhinderung erfasst auch die Fälle der 52 Vakanz und bestimmt sich im Übrigen nach den für die Auslegung des § 31 Abs. 1 Satz 2 BPersVG entwickelten Grundsätzen. Es kommt danach also auf das objektive Vorliegen einer Verhinderung an7. Der Vorsitzende kann sich daher nicht aus rein subjektiven Gründen für verhindert erklä-
1 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 32 Rz. 43; RDW/Jacobs, § 32 Rz. 81; KR/ Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 20. 2 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 32 Rz. 48, 31; RDW/Jacobs, § 32 Rz. 90. 3 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 20; aA RDW/Jacobs, § 32 Rz. 81. 4 Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 32 Rz. 52; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 21. 5 BAG v. 16.10.1991 – 2 AZR 156/91, RzK III 3 Nr. 7. 6 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG Rz. 22; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 85. 7 BVerwG v. 24.10.1975 – VII P 14.73, BVerwGE 49, 271. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 53
Beteiligung des Personalrates
ren1. Dies gilt auch für Konstellationen, in denen objektiv ein Hindernis vorliegt, dies jedoch absichtlich herbeigeführt wird, um einen Vertretungsfall zu schaffen2. 53 Als Fälle objektiver zeitweiliger Verhinderung kommen insbesondere in Betracht3: – Niederlegen des Vorsitzes – Ausscheiden aus dem Personalrat – Abberufung aus dem Amt – Krankheit – Urlaub – Ausschluss wegen persönlicher Betroffenheit – zeitweilige Abwesenheit infolge von Dienstgeschäften – Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung – Dienstreise – Abordnung unterhalb der Frist von drei Monaten (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 BPersVG) – Grundwehrdienst – Zivildienst – Teilnahme an einer Wehrübung – Elternzeit – Montage – Lehrgang – Verkehrsstörung – schlechte Witterung – Arzttermin 54 Eine Beschränkung der Verhinderung auf einzelne Tagesordnungspunkte kommt nicht in Betracht; denn die zur objektiven Verhinderung führende Unzumutbarkeit betrifft die Sitzungsteilnahme insgesamt4.
1 BAG v. 5.9.1986 – 7 AZR 175/85, PersR 1987, 223; RDW/Jacobs, § 31 Rz. 8; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 31 Rz. 19; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 31 Rz. 5. 2 BAG v. 5.9.1986 – 7 AZR 175/85, PersR 1987, 223; BayVGH v. 14.9.1988 – 17 P 88.02465, ZBR 1989, 213; RDW/Jacobs, § 31 Rz. 8. 3 BAG v. 5.9.1986 – 7 AZR 175/85, PersR 1987, 223; BayVGH v. 14.9.1988 – 17 P 88.02465, ZBR 1989, 213; RDW/Jacobs, § 31 Rz. 8; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 32 Rz. 20 sowie § 31 Rz. 14 ff. 4 BVerwG v. 24.10.1975 – VII P 14.73, BVerwGE 49, 271; RDW/Jacobs, § 31 Rz. 11.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 60
Teil 4 D
Eine bestimmte Dauer der Verhinderung ist nicht erforderlich. Allerdings erfüllt die ganz kurzzeitige Verhinderung der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte nicht die Voraussetzungen für eine „Verhinderung“1.
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Als Fälle zeitweiliger Verhinderung sind daher nicht anzusehen2:
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– kurzfristige Unterbrechung einer Sitzung infolge der Wahrnehmung von Dienstgeschäften – vorübergehende Abwesenheit wegen eines Telefongesprächs – Unpässlichkeit oder plötzliches Unwohlsein – Personalratssprechstunde Ob der Vertreter für die Wahrnehmung der Amtsgeschäfte tatsächlich zur Verfügung steht, ist für die Beurteilung des Vorliegens eines Vertretungsfalls unbeachtlich3.
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c) Zeitpunkt Eine Kündigung ist nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt 58 hat, ohne den Personalrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat4. Die Beteiligung des Personalrats dient vor allem dem Zweck, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen und auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers vor dessen Umsetzung Einfluss zu nehmen (s.o. Rz. 34). Diesem Regelungszweck entspricht die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Personalrat über seine Kündigungsabsicht zeitnah so zu informieren, dass dieser sich für seine Stellungnahme von der Person des Arbeitnehmers und den Kündigungsgründen ein eigenes Bild machen und überlegen kann, ob und wie er dazu Stellung nehmen will5. Erforderlich ist zunächst, dass der Arbeitgeber durch den Dienststellen- 59 leiter oder eine andere dazu berechtigte Person (s.o. Rz. 36 ff.) den Personalrat über seine Kündigungsabsicht informiert und dabei deutlich macht, dass er das Beteiligungsverfahren einleiten will. Unklarheiten über den vom Arbeitgeber mit seiner Mitteilung an den Personalrat verbundenen Zweck gehen zu Lasten des Arbeitgebers6. Die damit eingeleitete Beteiligung des Personalrats muss rechtzeitig erfolgen. Sie muss in jedem Falle der Verwirklichung des Kündigungsentschlusses vorangehen. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn die Kündigung dem Adressaten zugegangen ist7. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, zu
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RDW/Jacobs, § 31 Rz. 13. Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 31 Rz. 20; RDW/Jacobs, § 31 Rz. 13. BVerwG v. 24.10.1975 – VII P 14.73, BVerwGE 49, 271; RDW/Jacobs, § 31 Rz. 14. KR/Etzel, BPersVG, §§ 72, 79, § 108 Abs. 2 Rz. 53 ff.; RDW/Benecke, § 79 Rz. 140. BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, NZA-RR 2007, 571. KR/Etzel, BetrVG § 102 Rz. 53a. So aber Reiter, NZA 2007, 954. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 61
Beteiligung des Personalrates
dem das Kündigungsschreiben den Machtbereich des Arbeitgebers verlassen hat1. Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn das Kündigungsschreiben zur Post aufgegeben wird2. Ist dies erfolgt und hat der Arbeitgeber damit seinen Kündigungsentschluss realisiert, gilt die Kündigung also als erklärt, kann selbst eine vom Personalrat nachträglich erteilte Zustimmung die aus der Fehlerhaftigkeit seiner Beteiligung folgende Unwirksamkeit der Maßnahme nicht mehr heilen3. Allerdings kann diese im Falle einer Wiederholungskündigung die erneute Beteiligung des Personalrats entbehrlich machen4. 61 Obwohl die Beteiligung des Personalrats dem Zweck dient, vor der Realisierung einer Maßnahme noch auf die Willensbildung des Arbeitgebers einwirken zu können, kommt es für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der Durchführung des Beteiligungsverfahrens nicht darauf an, ob der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bereits zum Ausspruch der Kündigung entschlossen war. Solange die Kündigungserklärung nämlich den Machtbereich des Arbeitgebers nicht verlassen hat, besteht weiterhin die Möglichkeit, auf seine Willensbildung Einfluss zu nehmen, ihn also durch den Austausch von Argumenten zu einer Revision seiner Entscheidung zu veranlassen5. Angesichts dessen ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber – wie dies in der Praxis des öffentlichen Dienstes ganz üblich ist – dem Personalrat den Entwurf oder sogar das bereits unterzeichnete Original des Kündigungsschreibens vorlegt6. 62 Folgt aus dem Bestehen der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers damit nicht nur nicht die Fehlerhaftigkeit des Beteiligungsverfahrens, ist diese vielmehr sogar Voraussetzung für dessen Ordnungsgemäßheit. Erforderlich ist nämlich ein zum Zeitpunkt der Einleitung des Beteiligungsverfahrens vorhandener aktueller Kündigungsentschluss des Arbeitgebers. Es ist also nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber nur die Möglichkeit des Ausspruchs einer Kündigung für den Fall in Erwägung zieht, dass ein in der Zukunft liegendes Ereignis eintritt. 63 Kommt es aus Sicht des Arbeitgebers für den Ausspruch der Kündigung erst auf das tatsächliche Eintreten eines bestimmten Ereignisses und nicht bereits auf das Drohen seines Eintritts an, käme der Beteiligung des Personalrats lediglich der Charakter der Einholung einer gutachterlichen Stel-
1 BAG v. 28.9.1978 – 2 AZR 2/77, BAGE 31, 83; BAG v. 28.2.1974 – 2 AZR 455/73, BAGE 26, 27; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 61. 2 BAG v. 13.11.1975 – 2 AZR 610/74, BAGE 27, 331; abw. für den Fall der Beauftragung eines Kurierdienstes sowie der dem Arbeitgeber eingeräumten Möglichkeit, den Zugang des Schreibens zu verhindern, BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 515/02, RzK III 1a Nr. 114. 3 BAG v. 28.2.1974 – 2 AZR 455/73, BAGE 26, 27. 4 KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 57a; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 61. 5 BAG v. 28.9.1978 – 2 AZR 2/77, BAGE 31, 83; BAG v. 28.2.1974 – 2 AZR 455/73, BAGE 26, 27; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 55; aA Fitting, § 102 BetrVG Rz. 69. 6 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 62; Fitting, § 102 Rz. 26; GK-BetrVG/Raab, § 102 Rz. 39.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 65
Teil 4 D
lungnahmen zu, die im Gesetz jedoch nicht vorgesehen ist1. Will der Arbeitgeber nach der Ankündigung des Arbeitnehmers, sich für den Fall der Nichtgewährung von Urlaub krankschreiben zu lassen, eine von ihm beabsichtigte Kündigung nicht allein auf die Drohung des Arbeitnehmers, sondern erst auf den Gesamtkomplex des Geschehens unter Einschluss der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen, kann das Beteiligungsverfahren wirksam erst eingeleitet werden, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch tatsächlich vorgelegt wurde2. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die sog. Vorratskündigung. In diesem 64 Falle lagen zu einem bestimmten Zeitpunkt Gründe vor, die aus Sicht des Arbeitgebers den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigten und von ihm auch zum Anlass der Einleitung des Beteiligungsverfahrens genommen wurden. Jedoch erfolgte der Ausspruch der darauf gestützten Kündigung nicht zeitnah, sondern erst nach dem Ablauf eines erheblichen Zeitraums. In einem solchen Fall kann aber durch das Hinzutreten von Umständen, ggf. aber auch durch den bloßen Zeitablauf, der den Kündigungsgrund in einem anderen Licht erscheinen lässt, eine Änderung der Sachlage eingetreten sein, die eine erneute Beteiligung des Personalrats erfordert3. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Arbeitgeber nach der Durchführung des Beteiligungsverfahrens wegen der Notwendigkeit der Einholung der Zustimmung einer Erlaubnisbehörde (zB des Integrationsamtes vor der beabsichtigten Kündigung eines schwerbehinderten Menschen) nicht willkürlich mit dem Ausspruch der Kündigung zugewartet hat4. d) Umfang der Beteiligung aa) Grundsatz Die Rechtsfolge einer im Einzelfall unterbliebenen oder fehlerhaften Betei- 65 ligung des Personalrats ergibt sich aus § 108 Abs. 2 BPersVG. Nach dieser Vorschrift ist eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht beteiligt worden ist. Für die Anhörung des Personalrats gelten dieselben Grundsätze wie für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Dies betrifft mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Beteiligung des Personalrats auch die Fälle, in denen in dem jeweils anzuwendenden LPVG die Verpflichtung des Arbeitgebers zur näheren Information über die Kündigungsgründe nicht ausdrücklich normiert ist5.
1 BAG v. 19.1.1983 – 7 AZR 514/80, DB 1983, 1153; BAG v. 22.9.1983 – 2 AZR 136/82, nv. 2 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 63. 3 BAG v. 26.5.1977 – 2 AZR 201/76, DB 1977, 2455. 4 BAG v. 20.1.2000 – 2 AZR 378/99, BAGE 93, 255. 5 BAG v. 4.3.1981 – 7 AZR 104/79, BAGE 35, 118 = AP Nr. 1 zu § 77 LPVG BadenWürttemberg mit zust. Anm. G. Hueck. Pahlen
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Beteiligung des Personalrates
66 Von Bedeutung ist dies auch, wenn das Arbeitsverhältnis zB wegen seiner geringen Dauer (noch) nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt1. Wenn auch ein Arbeitgeber bei einer ordentlichen Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich Kündigungsfreiheit genießt und im Prozess zumindest nicht von vornherein verpflichtet ist, seine Kündigung näher zu begründen, wird hierdurch eine kollektivrechtliche Pflicht zur Angabe der Kündigungsgründe gegenüber der Arbeitnehmervertretung nicht ausgeschlossen. Denn die jeweils anwendbaren Regelungen über die Beteiligung eines solchen Gremiums knüpfen dies nicht an das Bestehen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz. Die Arbeitnehmervertretung soll auch in diesen Fällen in die Lage versetzt werden, auf den Arbeitgeber einzuwirken, um ihn ggf. mit besseren Argumenten von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Hierfür muss sie aber die Gründe kennen, die den Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen2. Dies gilt entsprechend für die Beteiligung des Personalrats und ist damit bestimmend für Art und Qualität seiner Unterrichtung durch den Arbeitgeber. 67 Eine Kündigung ist danach nicht erst dann unwirksam, wenn eine Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung vollständig unterblieben ist, sondern bereits dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt3. 68 Der Arbeitgeber hat der Arbeitnehmervertretung daher grundsätzlich – die Personalien des zu kündigenden Arbeitnehmers, – die Beschäftigungsdauer, – die Kündigungsart, – die Kündigungsfrist, – den Kündigungstermin sowie – die Kündigungsgründe mitzuteilen4. 69 Das Anhörungsverfahren hat nämlich über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, der Arbeitnehmervertretung Gelegenheit zu geben, dem Arbeitgeber ihre Überlegungen zu der Kündigungsabsicht zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in dafür geeigneten Fällen dazu beitragen, dass es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt5. Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, dass er dem Personalrat 1 BAG v. 18.5.1994 – 2 AZR 920/93, BAGE 77, 13; BAG v. 3.12.1998 – 2 AZR 234/98, NZA 1999, 477. 2 Vgl. für § 102 BetrVG BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 690/02, BAGE 108, 269. 3 BAG v. 16.9.1993 – 2 AZR 267/93, BAGE 74, 185; BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 913/98, BAGE 93, 366. 4 BAG v. 30.10.1987 – 7 AZR 138/87, RzK III2a Nr. 11. 5 BAG v. 2.11.1983 – 7 AZR 65/82, BAGE 44, 201; BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 690/02, BAGE 108, 269.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 71
Teil 4 D
eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Die erforderliche Kennzeichnung des Sachverhalts muss so umfassend sein, dass der Personalrat ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, welchen Kenntnistand der Personalrat hat. War etwa bei einer Verdachtskündigung der Vorsitzende des Personalrats bei der Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers anwesend, ist sein Wissen dem Personalrat zuzurechnen1. Die Information muss so erteilt werden, dass der Personalrat eine verantwortliche Stellungnahme abgeben kann2. Der Arbeitgeber genügt daher der ihm nach dem Gesetz obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt oder lediglich ein Werturteil abgibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen3. In einem solchen Fall muss dem Personalrat der Sachverhalt so dargestellt werden, dass dieser nachvollziehen kann, wie der Arbeitgeber zu der negativen Bewertung der Leistung, der Eignung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers gekommen ist4. Andererseits ist die Anhörung des Personalrates aber auch nicht bereits deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber bei der Mitteilung des Kündigungsgrundes die Schilderung von Tatsachen unterlässt, die lediglich den Sachverhalt erläutern, ohne selbst den Kündigungsgrund darzustellen5. Allerdings sind an die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers im Anhö- 70 rungsverfahren nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an seine Darlegungslast im Kündigungsschutzverfahren. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Die Beteiligung der Personalvertretung führt nicht zur faktischen Notwendigkeit der Durchführung von zwei Kündigungsschutzverfahren. Damit wird vielmehr das Ziel verfolgt, bereits im Vorfeld der Kündigung auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss nehmen zu können6. Dies ist bereits erreicht, wenn der Arbeitgeber dem Personalrat die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblichen Umstände dem Grunde nach dargestellt hat7. Wollte man insoweit höhere Anforderungen stellen, käme es regelmäßig zu einer Überforderung des Arbeitgebers, der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nähere Kenntnis von den das Kündigungsschutzverfahren beherrschenden Grundsätzen nicht haben wird. Hinzu kommt, dass die Darlegungsverpflichtung des Arbeitgebers sich im Laufe dieses 1 BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 852/98, PersR 2000, 175. 2 BAG v. 22.9.1994 – 2 AZR 31/94, BAGE 78, 39; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 974/94, NZA 1996, 419. 3 BAG v. 2.11.1983 – 7 AZR 65/82, BAGE 44, 201; BAG v. 22.9.2001 – 2 AZR 236/00, BAGE 99, 167. 4 BAG v. 26.1.1995 – 2 AZR 649/94, NZA 1995, 517. 5 BAG v. 18.12.1980 – 2 AZR 1006/78, BAGE 34, 309; BAG v. 11.4.1985 – 2 AZR 239/84, BAGE 49, 39. 6 BAG v. 31.1.1996 – 2 AZR 181/95, nv.; BAG v. 22.9.1994, BAGE 78, 39; APS/Koch, § 102 Betr VG Rz. 90. 7 BAG v. 11.7.1991 – 2 AZR 119/91, NZA 1993, 38. Pahlen
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Beteiligung des Personalrates
Verfahrens in Abhängigkeit von den Einlassungen des Arbeitnehmers entwickelt, so dass im Vorfeld nicht abzuschätzen ist, welche Intensität der Vortrag des Arbeitgebers schließlich wird haben müssen1. 72 Zudem gilt der Grundsatz der subjektiven Determination, nach dem die Arbeitnehmervertretung immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber die aus seiner Sicht für die Kündigung maßgeblichen Gründe mitgeteilt hat2. Beschränkt der Arbeitgeber seinen Vortrag und teilt er der Personalvertretung für die Beurteilung der Kündigung objektiv bedeutsame Umstände nicht mit, weil er die Kündigung darauf nicht stützen will oder weil er sie für nicht wesentlich hält, ändert dies nichts an der Ordnungsgemäßheit der Anhörung. Die Konsequenz eines solchen Verhaltens besteht darin, dass der Arbeitgeber die dem Personalrat im Rahmen der Unterrichtung vorenthaltenen (objektiv für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung wesentlichen) Tatsachen im Kündigungsschutzprozess nicht verwerten kann. Es hat dann mittelbar die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt zur Begründung der Kündigung nicht ausreicht3. Dies gilt jedenfalls für solche Umstände, die nicht lediglich der Erläuterung dienen, sondern selbst die Bedeutung eines Kündigungsgrundes besitzen4. 73 Diese Privilegierung des Arbeitgebers führt nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit jedoch nicht dazu, dass dieser der Personalvertretung die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblichen Umstände bewusst und gewollt nur unvollständig oder unrichtig vortragen dürfte5. In einem solchen Fall ist die Personalvertretung nämlich nicht in der Lage, sich über die Kündigungsgründe klar zu werden und eine sachgemäße Stellungnahme abzugeben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Personalvertretung die gegen die Kündigung sprechenden und den Arbeitnehmer entlastenden Informationen vorenthalten werden6. Hat der Arbeitgeber daher Kenntnis von solchen Umständen, muss er dem Personalrat diese auch mitteilen. Dabei handelt es sich insbesondere um das Vorhandensein einer Gegendarstellung in der Personalakte des abgemahnten und nunmehr von einer Kündigung bedrohten Arbeitnehmers, von Entlastungszeugen, von entlastenden Informationen Dritter sowie um Erkenntnisse, die näheren Aufschluss über die Beweggründe des Arbeitnehmers geben und Ansatzpunkt für eine andere Bewertung seines vom Arbeitgeber als 1 BAG v. 7.11.1996 – 2 AZR 720/95, RzK III 1b Nr. 26; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 105. 2 BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 913/98, BAGE 93, 366; BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 30/00, PersR 2002, 261; BAG v. 6.11.2003 – 2 AZR 690/02, BAGE 108, 269; BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03, NZA 2004, 1330; BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, EzA § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73. 3 BAG v. 27.9.2001 – 2 AZR 236/00, BAGE 99, 167; BAG v. 10.2.2002 – 2 AZR 240/01, BAGE 103, 100. 4 BAG v. 22.9.1994 – 2 AZR 31/94, BAGE 78, 39. 5 BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 599/01, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAG v. 13.5.2004 – 2 AZR 329/03, BAGE 110, 331. 6 BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 453/88, PersR 1990, 46; BAG v. 22.9.1994 – 2 AZR 31/94, BAGE 78, 39.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 75
Teil 4 D
Kündigungsgrund angesehenen Verhaltens sein können. Allerdings wirkt sich der Grundsatz der subjektiven Determination insoweit aus, als diese Umstände dann nicht mitgeteilt werden müssen, wenn der Arbeitgeber sie selbst für unwesentlich hält1. Das BAG2 hat dies sogar auf den Fall ausgedehnt, dass der Arbeitgeber aus seiner Sicht erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines Entlastungszeugen hatte. Jedenfalls aber ist der Arbeitgeber zu näheren Nachforschungen über den Wahrheitsgehalt von Mitteilungen nicht verpflichtet3. Beschränkt er sich in einem solchen Fall auf die Übermittlung der aus der Steuerkarte ersichtlichen Angaben, ist jedoch von diesem Umstand Mitteilung zu machen4. Ob die der Personalvertretung vom Arbeitgeber mitgeteilten Tatsachen zutreffend sind oder sich später im Verfahren als unzutreffend erweisen, ist unwesentlich. Die Anhörung ist nur dann fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber die Personalvertretung bewusst hat täuschen wollen5. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber bei der Erteilung der Information selbst einem Irrtum unterlegen oder ein Übermittlungsfehler eingetreten ist6. bb) Unterrichtung im Einzelnen Der Umfang der dem Personalrat im Einzelfall danach mitzuteilenden Tat- 74 sachen richtet sich dem zuvor erörterten Zweck seiner Beteiligung entsprechend nach Art und Anlass der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung. (1) Bezeichnung der Person In jedem Fall erforderlich ist die Bezeichnung des von der beabsichtigten Kündigung betroffenen Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist daher grundsätzlich verpflichtet, dem Betriebsrat den Namen und den Vornamen des Arbeitnehmers mitzuteilen7. Eine Ausnahme davon kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, zum gleichen Zeitpunkt sämtliche Arbeitnehmer einer Einrichtung zu entlassen und dem Personalrat dies mitteilt8. Nicht erforderlich ist dagegen die Mitteilung der
1 BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 37/96, nv. 2 BAG v. 22.9.1994 – 2 AZR 31/94, BAGE 78, 39. 3 LAG BW v. 9.11.1990 – 15 Sa 86/90, DB 1991, 554; LAG Schl.-Holst. v. 1.4.1998 – 5 Sa 236/98, LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 30; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 58b. 4 BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 514/04, NZA 2006, 665. 5 BAG v. 2.11.1989 – 2 AZR 366/89, RzK III 1b Nr. 13; BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 599/01, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; LAG Schl.-Holst. v. 30.10.2002 – 5 Sa 345/02, NZA-RR 2003, 310. 6 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 90; abw. ArbG Frankfurt v. 29.1.2002 – 5 Ca 3549/01, AuA 2002, 566. 7 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 93; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 58. 8 LAG Hamm v. 6.4.1990 – 4 Sa 1902/94, LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 52; GKBetrVG/Raab, § 102 Rz. 47; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 58. Pahlen
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Anschrift1. Dagegen kann in größeren Betrieben die Mitteilung weiterer Informationen zur Kennzeichnung des betroffenen Arbeitnehmers (Angabe der Personalnummer, Kennzeichnung des Arbeitsbereichs bzw. der Beschäftigungsabteilung) notwendig sein, um der Gefahr einer Verwechslung vorzubeugen2. Wenn dies für die Beurteilung des Kündigungssachverhalts bedeutsam ist, kann auch die Angabe der Staatsangehörigkeit notwendig sein3. (2) Sozialdaten 76 Neben den Angaben zur Person des betroffenen Arbeitnehmers sind regelmäßig auch weitere Angaben zu seinem sozialen Status erforderlich. Dies betrifft vor allem das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die für die Berechnung der Länge der Kündigungsfrist von wesentlicher Bedeutung sind und ohne deren Kenntnis der Betriebsrat zu einer sachgerechten Stellungnahme nicht in der Lage ist. Diese Angaben sind auch erforderlich, wenn der Arbeitgeber sie bei seiner Kündigungsentscheidung nicht berücksichtigt hat. Insoweit ist der Grundsatz der subjektiven Determination wegen der zentralen Bedeutung dieser Angaben hier nur nachrangig relevant4. Eine Rückausnahme von diesem Grundsatz gilt allerdings für den Sonderfall, dass für den Arbeitgeber bei seiner Entscheidung angesichts der Schwere des Kündigungsvorwurfs die Sozialdaten des betroffenen Arbeitnehmers völlig unwesentlich waren und der Betriebsrat das Lebensalter die Dauer der Betriebszugehörigkeit zumindest in groben Umrissen kannte und so zu einer angemessenen eigenen Beurteilung der Kündigungsabsicht in der Lage war5. 77 Zu den Sozialdaten, deren Angabe je nach Sachverhaltsgestaltung erforderlich sein kann, gehören der Familienstand, die Unterhaltspflichten sowie eine ggf. bestehende Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Im Rahmen der Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung sind sie allerdings nur insoweit von Bedeutung, als sie Einfluss auf die Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers haben können. (3) Beschäftigungsdauer 78 Nähere Angaben zur Beschäftigungsdauer sind bereits wegen ihrer Bedeutung für die Berechnung der Kündigungsfrist grundsätzlich erforderlich6. Darauf kann nur ausnahmsweise verzichtet werden (s.o. Rz. 65 ff.).
1 LAG Hamm v. 27.2.1992 – 4 (9) Sa 1437/90, LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 10; BAG v. 23.9.1992 – 2 AZR 150/92, EEK II/213. 2 BAG v. 16.9.1993 – 2 AZR 267/93, BAGE 74, 185; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 93. 3 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 472/01, BAGE 103, 111. 4 BAG v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, NZA 1995, 521; BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 30/00, PersR 2002, 261; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 58, 58a; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 93. 5 BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 974/94, NZA 1996, 419. 6 BAG v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, NZA 1995, 521.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 81
Teil 4 D
(4) Kündigungsart Unabdingbar ist auch eine Information der Personalvertretung über die Art 79 der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung. Er hat insbesondere mitzuteilen, ob das Arbeitsverhältnis außerordentlich, ggf. mit Auslauffrist, oder ordentlich gekündigt werden soll. Die ordnungsgemäße Unterrichtung der Personalvertretung setzt auch voraus, dass der Arbeitgeber ihr die Art der beabsichtigten Kündigung mitteilt, sie also darüber informiert, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden soll. Nur in diesem Fall kann sie nämlich die Bedeutung und Auswirkung der beabsichtigten Kündigung beurteilen, eine inhaltliche Stellungnahme dazu abgeben und ggf. mögliche Alternativen aufzeigen1. Will der Arbeitgeber, der eine außerordentliche Kündigung beabsichtigt, sicherstellen, dass für den Fall der Unwirksamkeit dieser Kündigung die von ihm vorsorglich erklärte oder in eine solche umgedeutete ordentliche Kündigung nicht an der fehlenden Unterrichtung der Personalvertretung scheitert, muss er deutlich darauf hinweisen, dass die geplante außerordentliche Kündigung hilfsweise als ordentliche Kündigung erklärt werden soll. Die Beteiligung allein an der außerordentlichen Kündigung ersetzt nicht die an einer ordentlichen Kündigung. Eine gleichwohl ausgesprochene ordentliche Kündigung ist unwirksam, § 108 Abs. 2 BPersVG2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allerdings für den Fall, dass die 80 Personalvertretung, die lediglich über eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung unterrichtet wurde, dieser ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hat und auch aus sonstigen Umständen nicht zu ersehen ist, dass sie für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gegenüber der dann verbleibenden ordentlichen Kündigung Bedenken geäußert hätte. In diesem Falle ist die ordentliche Kündigung jedenfalls nicht nach § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam3. Beabsichtigt der Arbeitgeber die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines 81 vertraglich oder tariflich unkündbaren Arbeitnehmers, hat er klarzustellen, ob er eine außerordentliche Kündigung (möglicherweise unter Einräumung einer Auslauffrist) oder eine ordentliche Kündigung aussprechen möchte. Bleibt dies unklar oder ergibt sich die Art der beabsichtigten Kündigung nicht zumindest hinreichend deutlich aus den Umständen, fehlt es an der ordnungsgemäßen Bezeichnung der Kündigungsart mit der Folge, dass die Beteiligung der Personalvertretung fehlerhaft ist4. Das gilt auch im Fall der beabsichtigten Kündigung eines „unkündbaren“ Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber ohne jede Erläuterung eine nach der objektiven Rechtslage nur mögliche außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Frist aussprechen will5. Zu beachten ist in dieser Hinsicht, dass 1 KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 59. 2 Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 28. 3 BAG v. 16.3.1978 – 2 AZR 424/76, BAGE 30, 176; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 99; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 59. 4 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 99a; DKK/Kittner, § 102 BetrVG Rz. 100. 5 BAG v. 29.8.1991 – 2 AZR 59/91, NZA 1992, 416. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 82
Beteiligung des Personalrates
nach der Rechtsprechung des BAG die Personalratsbeteiligung bei einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wie bei einer ordentlichen Kündigung erfolgen muss1. Der Zweck des besonderen tariflichen Kündigungsschutzes würde nämlich verfehlt, wenn der kollektivrechtliche Schutz bei einer solchen außerordentlichen Kündigung geringer wäre als bei einer fristgerechten Kündigung2. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber zur Vermeidung von Rechtsnachteilen bei der Kennzeichnung der Kündigungsart gegenüber der Personalvertretung besonders sorgfältig sein muss. Er kann nämlich eine außerordentliche Kündigung, eine außerordentliche Kündigung mit einer verkürzten Kündigungsfrist oder eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Kündigungsfrist erklären, an denen die Personalvertretung in unterschiedlicher Weise beteiligt werden muss3. 82 Will der Arbeitgeber lediglich eine Änderungskündigung aussprechen, gehört zur ordnungsgemäßen Unterrichtung der Personalvertretung auch die Mitteilung des Inhalts des Änderungsangebotes4. Hatte er zuvor eine Beteiligung an einer ursprünglich beabsichtigten Beendigungskündigung durchgeführt und will nunmehr nur eine Änderungskündigung aussprechen, muss er das Beteiligungsverfahren wiederholen5. Aber auch wenn er nach einer ursprünglich beabsichtigten Änderungskündigung eine Beendigungskündigung aussprechen möchte, muss das Beteiligungsverfahren erneut durchgeführt werden6. Auch wenn die Personalvertretung dabei inzident auch zu einer ursprünglich beabsichtigt gewesenen Beendigungskündigung angehört wurde, besteht doch die Möglichkeit, dass sie sich wegen des mit der Kündigung verbundenen Änderungsangebotes dazu hat bewegen lassen, keinen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung zu erheben7. (5) Kündigungsfrist 83 Beabsichtigt der Arbeitgeber den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung, hat er der Personalvertretung grundsätzlich auch die Kündigungsfrist mitzuteilen, die er der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugrunde legen will. Diese Angabe ist erforderlich, weil die Personalvertretung sie als Element der Interessenabwägung benötigt. Außerdem kann so nachgeprüft werden, ob zu dem mitgeteilten Beendigungszeitpunkt die vom Arbeit-
1 BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, BAGE 88, 10 = AP Nr. 143 zu § 626 BGB mit zust. Anm. Höland. 2 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, BAGE 96, 65. 3 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 99a. 4 BAG v. 10.3.1982 – 4 AZR 158/79, BAGE 38, 106; BAG v. 19.5.1993 – 2 AZR 584/92, BAGE 73, 151. 5 BAG v. 27.5.1982 – 2 AZR 96/80, DB 1984, 620. 6 BAG v. 30.11.1988 – 2 AZR 197/89, NZA 1990, 529. 7 APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 100.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
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geber angegebenen Kündigungsgründe auch tatsächlich vorliegen1. Allerdings ist es unschädlich, wenn die objektiv anzuwendende Kündigungsfrist von den subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers abweicht. Auch insoweit gilt der Grundsatz der subjektiven Determination2. Eine nähere Angabe zur Dauer der Kündigungsfrist ist weiterhin dann entbehrlich, wenn sie der Personalvertretung bereits bekannt ist. Entsprechendes gilt, wenn sie aus anderer Quelle bereits hinreichende Kenntnis erlangt hat. Dies kann zB der Fall sein, wenn im Betrieb eine einheitliche Kündigungsfrist zur Anwendung kommt und der Arbeitgeber die zur Berechnung notwendigen Daten bereits mitgeteilt hat. Auf die Dauer der Frist kommt es auch dann nicht an, wenn der Arbeitgeber der Personalvertretung den für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehenen Termin angegeben hat3. (6) Kündigungstermin Dessen konkrete Benennung ist allerdings im Regelfall keine Vorausset- 84 zung für die Ordnungsgemäßheit der Information des Personalrats und damit die Wirksamkeit der Kündigung. Der Kündigungstermin hängt wesentlich vom Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ab und wird gerade im öffentlichen Dienst von der kaum absehbaren Dauer des Beteiligungsverfahrens beeinflusst4. Im Regelfall reicht es aus, wenn die für den zu kündigenden Arbeitnehmer geltende Kündigungsfrist feststeht und der Arbeitgeber klarstellt, dass die Kündigung in naher Zukunft erfolgen soll. Für eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats reicht es aus, wenn er das ungefähre Vertragsende und die zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Entlassungstermin liegende Zeitspanne ungefähr abschätzen kann. Die Angabe des bei Berücksichtigung der einschlägigen Kündigungsfrist nächsten Kündigungstermins ist lediglich als Hinweis darauf zu verstehen, dass zeitnah gekündigt werden soll5. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass die Kündigung nicht alsbald ausgesprochen werden soll6.
1 BAG v. 29.3.1990 – 2 AZR 420/89, NZA 1990, 894; BAG v. 16.9.1993 – 2 AZR 267/93, BAGE 74, 185; BAG v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, NZA 1995, 521; APS/ Koch, § 102 BetrVG Rz. 101. 2 BAG v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, NZA 1995, 521. 3 BAG v. 15.12.1994 – 2 AZR 327/94, NZA 1995, 521; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 102. 4 BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73. 5 BAG v. 27.4.2006 – 2 AZR 426/05, EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 19; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des BVerfG v. 9.11.2006 – 1 BvR 2337/06, BVerfGK 9, 430, nicht zur Entscheidung angenommen. 6 BAG v. 7.10.1993 – 2 AZR 423/93, RzK III 1d Nr. 8; BAG v. 11.9.1997 – 8 AZR 4/96, PersR 1998, 39. Pahlen
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Teil 4 D
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Beteiligung des Personalrates
(7) Kündigungsgrund (a) Fehlender Kündigungsschutz 85 Zwar ist der Arbeitgeber zur Beteiligung der Personalvertretung auch bei Kündigungen während der Wartezeit verpflichtet1, jedoch werden in diesem Fall an die Mitteilung der Kündigungsgründe nur reduzierte Anforderungen gestellt. Maßgeblich ist auch hier der Grundsatz der subjektiven Determination. Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn der Arbeitgeber als Kündigungsgrund lediglich „Trennung in der Probezeit“ angibt2. Er muss ihm bekannte und konkretisierbare Kündigungsgründe vielmehr substantiiert benennen. Hat er allerdings keine auf Tatsachen gestützte und demgemäß durch die Mitteilung dieser Tatsachen konkretisierbaren Kündigungsgründe, so genügt es, wenn er dem Betriebsrat seine subjektiven Wertungen mitteilt, die ihn zur Kündigung veranlassen3. (b) Betriebsbedingte Kündigung 86 Beabsichtigt der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes den Ausspruch einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen, sind dem Personalrat die dafür maßgeblichen Gründe näher darzulegen. Es reicht nicht aus, wenn sich der Dienststellenleiter allgemein auf eine von ihm getroffene unternehmerische Entscheidung oder etwa auf den Wunsch nach Einsparungen als Motiv für die Durchführung der geplanten Maßnahme beruft. Erforderlich ist vielmehr, dass er im Falle einer auf außerbetriebliche Gründe gestützten Kündigung die dafür maßgeblichen Tatsachen wie Auftragsmangel oder Umsatzrückgang sowie die daraus folgenden Auswirkungen auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers konkret darstellt. Will er die Kündigung auf innerbetriebliche Gründe wie etwa eine Umstellung der Produktion, Rationalisierungsmaßnahmen oder die Umverteilung von Arbeitsaufgaben stützen, muss er diese sowie ebenfalls die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung erläutern. Im Falle einer beabsichtigten Stilllegung des gesamten Betriebes reicht die Mitteilung des dafür vorgesehenen Datums aus, soll diese etappenweise erfolgen, bedarf es darüber hinaus allerdings einer näheren Darstellung der Art und Weise der Einschränkung der Produktion bzw. der Dienstleistung sowie der Kennzeichnung der insoweit noch zeitweilig verbleibenden Arbeitnehmer4. 87 Besteht aus Sicht des Arbeitgebers keine Möglichkeit, den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, genügt er seiner Unterrichtungsverpflichtung in der Regel bereits mit dem ausdrücklichen oder konkludenten Hinweis auf die fehlende Weiterbe1 BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 511/03, AP Nr. 142 zu § 102 BetrVG 1972. 2 BAG v. 24.8.1983 – 7 AZR 475/81, nv. 3 BAG v. 3.12.1998 – 2 AZR 234/98, NZA 1999, 42; BAG v. 16.9.2004 – 2 AZR 511/03, AP Nr. 142 zu § 102 BetrVG 1972. 4 Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 4d; vgl. für das BetrVG KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 62d.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 90
Teil 4 D
schäftigungsmöglichkeit, wobei in der Mitteilung der Kündigungsabsicht regelmäßig der Hinweis auf das Fehlen einer solchen Möglichkeit liegt1. Hat jedoch der Personalrat entweder im Beteiligungsverfahren oder bereits zuvor Auskunft über eine etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem konkreten, kürzlich frei gewordenen Arbeitsplatz verlangt, muss der Dienststellenleiter näher begründen, weshalb dies nicht in Betracht kommt. Der pauschale Hinweis auf das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit reicht in einem solchen Fall nicht aus2. Hatte der Dienststellenleiter den Personalrat zunächst objektiv falsch unterrichtet und rügt der Personalrat dies innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Frist zur Stellungnahme, ist der Dienststellenleiter verpflichtet, ergänzend mitzuteilen, weshalb aus seiner Sicht eine Weiterbeschäftigung gleichwohl ausscheidet. Unterlässt er dies und kommt es zum Ausspruch der Kündigung, ist diese gemäß § 79 Abs. 4 BPersVG bzw. § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam3. Kommt es für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der beabsichti- 88 gen Kündigung auf eine soziale Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern an, hat der Arbeitgeber den Personalrat unaufgefordert die Kriterien für die Auswahl des von der beabsichtigten Kündigung betroffenen Arbeitnehmers mitzuteilen. Dies betrifft sowohl den abstrakten Auswahlmaßstab als auch die Benennung der in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer einschließlich der insoweit relevanten Sozialdaten4. Diese Mitteilungspflicht ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber alle aus seiner 89 Sicht maßgeblichen Auswahlerwägungen mitgeteilt hat. Ob er damit den gesetzlichen Anforderungen genügt hat, ist zunächst unbeachtlich. Es kommt nicht darauf an, ob er auf ungeeignete Kriterien abgestellt hat oder es noch weiterer Konkretisierung bedarf5. Hält der Arbeitgeber eine Sozialauswahl für nicht erforderlich, wie dies etwa – im Zusammenhang mit dem Widerspruch eines Arbeitnehmers bei einem Betriebsübergang – bei einer Betriebsstilllegung – im Falle des Fehlens vergleichbarer Arbeitnehmer der Fall sein kann, steht dies der Ordnungsgemäßheit der Beteiligung des Personalrats nicht entgegen6. 1 BAG v. 29.3.1990 – 2 AZR 369/89, NZA 1991, 181. 2 BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 913/98, NZA 2000, 761; Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 4d; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 9. 3 BAG v. 6.7.1979 – 2 AZR 810/76, BAGE 30, 370; BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 913/98, NZA 2000, 761; Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 4d. 4 BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 326/02, ZTR 2003, 521; BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 1026/94, NZA 1996, 703; KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 62 f.; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 9. 5 BAG v. 30.6.1988 – 2 AZR 49/88, RzK III 1b Nr. 12. 6 BAG v. 24.2.2000 – 8 AZR 167/99, NZA 2000, 764; BAG v. 22.3.2001 – 8 AZR 565/00, NZA 2002, 1349; KR/Etzel, § 102 BetrVG, Rz. 62i; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 9. Pahlen
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Rz. 91
Beteiligung des Personalrates
91 Entscheiden dagegen Leistungsgesichtspunkte über das Ergebnis einer aus Sicht des Arbeitgebers erforderlichen Auswahl, müssen dem Personalrat die insoweit maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt werden1. 92 Da die Pflicht des Arbeitgebers zur Begründung einer von ihm beabsichtigen Kündigung im Verhältnis zur Arbeitnehmervertretung nicht über seine Darlegungspflicht im Kündigungsschutzprozess hinausgeht, kann er sich im Verhältnis zu dieser zunächst auf die Darstellung der für ihn subjektiv maßgeblichen Auswahlgesichtspunkte beschränken. Auf eine entsprechende Rüge des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess hin darf er für die soziale Auswahl objektiv erhebliche Umstände, die er ursprünglich nicht mitgeteilt hat, weil er sie übersehen oder zu Unrecht für unerheblich gehalten hat, nachträglich in das Verfahren einführen, ohne dass dies etwa zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlerhafter Beteiligung der Arbeitnehmervertretung führte oder insoweit ein Verwertungsverbot eintreten würde. Die nachträgliche Ergänzung seines Vortrages stellt lediglich eine Konkretisierung des bisherigen Vorbringens und kein unzulässiges Nachschieben eines neuen Kündigungssachverhaltes dar2. (c) Personenbedingte Kündigung 93 Hauptanwendungsfall der Kündigung aus personenbedingten Gründen ist die Kündigung wegen Krankheit3. Hier hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung vor einer von ihm beabsichtigten Kündigung sowohl über Dauer und Umfang der Krankheitszeiten des betroffenen Arbeitnehmers als auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu informieren. Daraus folgt für den Fall einer beabsichtigten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, dass dem Personalrat regelmäßig die einzelnen Ausfallzeiten der letzten Jahre mitzuteilen sind, auf die der Arbeitgeber seine Prognose stützen möchte, dass auch in Zukunft mit Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu rechnen ist. Entsprechendes gilt für die entstandenen Entgeltfortzahlungskosten, sofern der Arbeitgeber daraus die für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen ableiten möchte4. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos. Im Einzelfall können allgemeine Angaben ausreichen. Hat ein Arbeitnehmer seit Beginn des Arbeitsverhältnisses fortlaufend in jedem Jahr überdurchschnittliche Krankheitszeiten aufzuweisen und damit entsprechend hohe Entgeltfortzahlungskosten verursacht, kann es für die Beurteilung des Personalrats ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber lediglich nach Jahren gestaffelte Angaben zum Umfang der Ausfallzeiten und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Belastungen macht. Kann der Personalrat aus dem Unterrichtungsschreiben ableiten, dass eine ne1 KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 62i. 2 BAG v. 7.11.1996 – 2 AZR 720/95, RzK III 1b Nr. 26; aA: KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 62j. 3 Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 4d. 4 BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 599/01, AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; APS/ Koch, § 102 BetrVG Rz. 121.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 96
Teil 4 D
gative Prognose im Hinblick auf künftig zu erwartende Fehlzeiten beabsichtigt ist und damit auch nicht mehr hinnehmbare betriebliche Beeinträchtigungen in Form damit einhergehender erheblicher Entgeltfortzahlungskosten zu erwarten sind, reicht dies aus1. Wird die Kündigung auf die lange Dauer der Arbeitsunfähigkeit gestützt, sind dem Personalrat die Grundlage für die entsprechende Prognose sowie ebenfalls die damit verbundenen Belastungen des Arbeitgebers näher darzustellen2. Letzteres ist entbehrlich, wenn es sich um eine Kündigung wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit handelt3. (d) Verhaltensbedingte Kündigung Im Falle einer beabsichtigten Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen 94 hat der Dienststellenleiter dem Personalrat die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblichen Vorfälle genau zu bezeichnen und ihm auch mitzuteilen, ob und ggf. wann der Arbeitnehmer zuvor bereits erfolglos abgemahnt wurde4. Hat der Arbeitnehmer dazu eine Gegendarstellung abgegeben, muss der Personalrat auch darüber informiert werden5. Die Unterrichtung des Personalrats ist fehlerhaft, wenn ihm nicht mitgeteilt wird, dass der einzige in Betracht kommende unmittelbare Zeuge den von einem Zeugen vom Hörensagen erhobenen Vorwurf eines schweren Pflichtenverstoßes nicht bestätigt hat6. Die ordnungsgemäße Information des Personalrats erfordert auch eine Mitteilung darüber, dass eine Weiterbeschäftigung auf einem freien anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist. Dass ein solcher Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht, liegt regelmäßig bereits in dem Kündigungsantrag des Dienststellenleiters. Wegen der Einzelheiten kann auf die vorstehenden Ausführungen (s.o. Rz. 87) verwiesen werden.
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Über diese Information hinaus hat der Dienststellenleiter dem Personalrat im Allgemeinen auch Informationen über das Lebensalter und die Betriebszugehörigkeit sowie einen möglichen Sonderkündigungsschutz des betroffenen Arbeitnehmers zu geben7. Diese persönlichen Daten betreffen zwar regelmäßig nicht unmittelbar das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers und dessen Pflichtverletzung. Jedoch darf der öffentliche Arbeitgeber dem Personalrat keine wesentlichen persönlichen Umstände des Arbeit-
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BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 493/01, PersV 2003, 387. Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 4d. BAG v. 30.11.1986 – 2 AZR 668/84, NZA 1987, 555. Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 4d; vgl. für das BetrVG: KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 64. 5 BAG v. 31.8.1989 – 2 AZR 453/88, AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein; BAG v. 17.2.1994 – 2 AZR 673/93, RzK II 2 Nr. 7. 6 BAG v. 2.11.1983 – 7 AZR 65/82, BAGE 44, 201. 7 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 280/04, NZA 2006, 431. Pahlen
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Beteiligung des Personalrates
nehmers vorenthalten, die sich im Rahmen der Interessenabwägung möglicherweise entscheidend zu dessen Gunsten auswirken könnten1. 97 Etwas anderes gilt nur dann, wenn es dem öffentlichen Arbeitgeber wegen der Bedeutung des Kündigungsvorwurfs auf die exakten Daten ersichtlich nicht ankommt, die Personalvertretung die ungefähren Daten kennt und sie deshalb die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers ausreichend beurteilen kann. Unter diesen Umständen folgt aus der fehlenden oder erheblich fehlerhaften Mitteilung der Daten des zu kündigenden Arbeitnehmers nicht die Unwirksamkeit einer vom Arbeitgeber anschließend ausgesprochenen Kündigung2. (e) Verdachtskündigung 98 Auch im Falle einer Verdachtskündigung ist der Arbeitgeber verpflichtet, gegenüber dem Personalrat seine Kündigungsabsicht näher zu begründen und den für seine Kündigungsabsicht maßgeblichen Sachverhalt im Einzelnen zu schildern. Dies muss bei einer Verdachtskündigung wie bei jeder anderen Kündigung in einer Weise geschehen und so umfassend sein, dass der Personalrat ohne eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, sich ein Bild von dem Kündigungssachverhalt zu machen und eine fundierte Entscheidung über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu treffen. Diesen Anforderungen ist genügt, wenn der Arbeitgeber dem Personalrat die Tatsachen mitteilt, aus denen er seinen Verdacht ableitet und ihm gleichzeitig erklärt, die Kündigung solle wegen des dringenden Verdachts der darin liegenden schweren Pflichtverletzung erfolgen3. Im Regelfall wird die erforderliche Kenntnis des Personalrats bereits dadurch gewährleistet sein, dass der Personalratsvorsitzende üblicherweise an der Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber teilgenommen hat4. (f) Wiederholungskündigung 99 Kündigt ein Arbeitgeber wegen des Auftauchens von Zweifeln an der Wirksamkeit einer Kündigung, die zum Beispiel aus Mängeln der Vertretungsmacht resultieren kann, vorsorglich ein weiteres Mal, spricht er also eine „Wiederholungskündigung“, leitet er einen neuen Kündigungsvorgang ein. Hat für den Arbeitgeber ein Bevollmächtigter ohne Hinweis auf das bestehende Vertretungsverhältnis die Kündigung ausgesprochen, ist dieser Vorgang abgeschlossen, sobald die Kündigungserklärung dem Empfänger zuge-
1 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 280/04, NZA 2006, 431; BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 30/00, PersR 2002, 261; BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73. 2 Vgl. BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 974/94, NZA 1996, 419; BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 280/04, NZA 2006, 431, sowie BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73. 3 BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 952/06, NZA-RR 2008, 344. 4 BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 856/98, PersR 2000, 175; BAG v. 27.6.1985 – 2 AZR 416/84, BAGE 49, 136.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
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Teil 4 D
gangen ist1. Soll die Kündigung erneut ausgesprochen werden, muss die Arbeitnehmervertretung dazu erneut beteiligt werden. Diese zur Anwendung des § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze2 sind sinngemäß auf die Beteiligung des Personalrats an Wiederholungskündigungen zu übertragen. Es gibt keinen Grund, in dieser Hinsicht zwischen der Anhörung des Betriebsrates nach dem BetrVG und der Beteiligung des Personalrats nach den Bestimmungen des jeweils einschlägigen Personalvertretungsrechts einen Unterschied zu machen3. Dies hat zur Folge, dass eine ohne erneute Beteiligung des zuständigen Personalrats erklärte Wiederholungskündigung gemäß § 79 Abs. 4 bzw. § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam ist. (g) Änderungskündigung Die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats an einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Änderungskündigung setzt zunächst dessen Unterrichtung über den jeweils maßgeblichen Kündigungsgrund voraus. Insoweit kann auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen werden. Im Falle der Änderungskündigung kommt hinzu, dass die Arbeitnehmervertretung sowohl über den Inhalt des Änderungsangebotes als auch den Zeitpunkt informiert wird, zu dem die Änderung der Arbeitsbedingungen eintreten soll. Nur wenn sie die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen kennt, kann sie nämlich die Tragweite der Kündigung für den betroffenen Arbeitnehmer bewerten und insbesondere prüfen, ob der Kündigung ggf. widersprochen werden soll4. Dieser Gedanke gilt insbesondere auch für die Unterrichtung über den Kündigungstermin und die Dauer der Kündigungsfrist5, weil sich daraus zum Beispiel Konsequenzen für den Arbeitnehmer ggf. treffende Verluste im Hinblick auf Sonderleistungen (Weihnachtsgeld uÄ) ergeben können6. Wird die Arbeitnehmervertretung nicht ausreichend über diese Umstände informiert, ist die Kündigung unwirksam. Diese für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze gelten für die Beteiligung des Personalrats entsprechend7.
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(h) Vorsorgliche Kündigung Zu beteiligen ist der Personalrat auch an einer sog. vorsorglichen Kündigung. Dabei handelt es sich um eine Kündigung, bei der sich der Arbeitgeber ihre Rücknahme, dh. die Erklärung, sich künftig auf die Beendigungswirkung der Kündigung nicht mehr berufen zu wollen, für den Fall vorbehält, dass sich bestimmte neue tatsächliche Umstände ergeben sollten. Dies gilt etwa für den Fall, dass eine Kündigung nur unter der Voraus1 2 3 4
BAG v. 6.2.1997 – 2 AZR 192/96, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 95. BAG v. 31.1.1996 – 2 AZR 273/95, NZA 1996, 649. BAG v. 5.9.2002 – 2 AZR 523/01, PersR 2003, 108. BAG v. 10.3.1982 – 4 AZR 158/79, NJW 1982, 2839; BAG v. 30.11.1989 – 2 AZR 197/89, NZA 1990, 529. 5 BAG v. 7.10.1993 – 2 AZR 423/93, RzK III 1d Nr. 8. 6 BAG v. 29.3.1990 – 2 AZR 420/89, NZA 1990, 894. 7 BAG v. 5.2.1981 – 2 AZR 1135/78, PersV 1983, 73; Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 4e. Pahlen
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Beteiligung des Personalrates
setzung ausgesprochen wird, dass eine bereits erklärte Kündigung oder eine andere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam sein sollten1. Insoweit gelten je nach Art des im Einzelfall angeführten Kündigungsgrundes die voranstehenden Ausführungen für die Beteiligung des Personalrats. 102
Nicht erforderlich ist dies allerdings dann, wenn eine bereits ausgesprochene Kündigung dem Empfänger nicht zugegangen war2 oder die zuvor bereits ausgesprochene Kündigung allein aus formellen Gründen für unwirksam erklärt wurde3. (i) Teilkündigung
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Unabhängig von der Frage, ob eine Teilkündigung ausnahmsweise zulässig ist oder diese generell nicht in Betracht kommt, ist die Beteiligung des Personalrats vor deren Ausspruch nicht erforderlich; denn es geht dabei nicht um die mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses4. (j) Nachschieben von Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozess
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Will der Arbeitgeber in einem nach Ausspruch der Kündigung vom Arbeitnehmer eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren Tatsachen geltend machen, die nicht bereits Gegenstand der Beteiligung des Personalrats waren, sind unterschiedliche Konstellationen möglich.
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Grundsätzlich ist der Arbeitgeber materiellrechtlich nicht gehindert, Kündigungsgründe, die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits vorlagen, ihm jedoch nicht bekannt waren, im Kündigungsschutzprozess uneingeschränkt nachzuschieben5.
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Besteht allerdings eine Personalvertretung, ist dies nicht zulässig. Diese Gründe dürfen im Kündigungsschutzverfahren nicht berücksichtigt werden6. Es entspricht nämlich Sinn und Zweck des Beteiligungsverfahrens, das der Personalvertretung die Gelegenheit geben soll, auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einzuwirken. Solche Kündigungsgründe sind daher nur dann im Kündigungsschutzverfahren verwertbar, wenn diese im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung dem Arbeitgeber noch nicht bekannt waren, seinen Kündigungsentschluss also auch nicht beeinflussen konnten, und die Personalvertretung nachträglich in der jeweils gesetzlich
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KR/Etzel, § 102 BetrVG Rz. 33. BAG v. 6.2.1997 – 2 AZR 192/96, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 95. BAG v. 25.3.2004 – 2 AZR 399/03, NZA 2004, 1216. Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 79 Rz. 19. BAG v. 18.1.1980 – 7 AZR 260/78, AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 169. 6 Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 79 Rz. 154.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 109
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vorgesehenen Weise beteiligt worden ist1. Davon kann allenfalls abgesehen werden, wenn es sich lediglich um eine Konkretisierung des bisherigen Kündigungsvorwurfs und nicht um einen neuen Kündigungsgrund handelt2. Hatte der Arbeitgeber ihm zum Zeitpunkt der Kündigung bekannte Um- 107 stände nicht zum Gegenstand seiner Kündigungsentscheidung gemacht, will er diese jedoch im Kündigungsschutzverfahren nachschieben und geben erst diese dem Kündigungsvorwurf das maßgebliche Gewicht, muss er vor einer prozessualen Verwertung dieser Tatsachen zunächst einen inzwischen gewählten Personalrat beteiligen; denn dies steht im Ergebnis dem Ausspruch einer neuen Kündigung gleich3. Dies gilt erst recht für Umstände, die zwar bereits zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen, von deren Existenz der Arbeitgeber jedoch erst nachträglich erfahren hat und die dem bisherigen Kündigungsvorwurf erst das notwendige Gewicht verleihen. Auch dies steht einem neuen Kündigungsentschluss gleich, so dass ein erst später gewählter Personalrat nunmehr zu beteiligen ist4. e) Vorlage von Unterlagen Ob im Rahmen der Beteiligung des Personalrats an der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten eine Verpflichtung der Dienststelle zur Vorlage von Urkunden besteht, ist einerseits abhängig von der Frage, ob das jeweils anzuwendende Personalvertretungsrecht die Vorlage von Unterlagen überhaupt vorsieht, andererseits wird dies auch beeinflusst von der Ausgestaltung des Einzelfalls.
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Dies lässt sich beispielhaft an den einschlägigen Regelungen des BPersVG 109 demonstrieren. § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG sieht lediglich vor, dass der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mitwirkt, während Absatz 3 Satz 1 der Regelung anordnet, dass er vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören ist. Nähere Regelungen zur Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht der Dienststelle enthält die Vorschrift nicht. Allerdings enthält das 5. Kapitel des BPersVG (Beteiligung des Personalrats) im 1. Abschnitt die Vorschrift des § 68 (Allgemeine Aufgaben), der auch bei der Anwendung der Regelungen des 3. Abschnitts (Angelegenheiten, in denen der Personalrat zu beteiligen ist), also auch des § 79 BPersVG, zu beachten ist. § 68 Abs. BPersVG beschreibt in seinem Absatz 1 zunächst die allgemeinen Aufgaben des Personalrats und ordnet in Absatz 2 Satz 1 an, dass die Personalvertretung zur Durchführung der Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu informieren ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind ihr 1 Vgl. für § 102 BetrVG BAG v. 11.4.1985 – 2 AZR 239/84, BAGE 49, 39; BAG v. 18.12.1980 – 2 AZR 1006/78, BAGE 34, 309; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rz. 27; Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 5; APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 170. 2 BAG v. 11.4.1985 – 2 AZR 239/84, BAGE 49, 39; BAG v. 18.12.1980 – 2 AZR 1006/78, BAGE 34, 309. 3 BAG v. 11.5.1995 – 2 AZR 794/94, nv., abw. BAG v. 20.1.1994 – 8 AZR 613/92, nv. sowie BAG v. 26.5.1993 – 8 AZR 248/93, nv. 4 BAG v. 11.5.1995 – 2 AZR 794/94, nv. Pahlen
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Rz. 110
Beteiligung des Personalrates
die hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Diese Regelung ist auch bei der Beteiligung des Personalrats an einer von der Dienststelle beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu beachten. Dies hat zur Folge, dass dem Personalrat auch bei der Beteiligung an einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, die sich lediglich auf ein Anhörungsrecht beschränkt, die für die sachgemäße Ausübung dieses Rechtes erforderlichen Unterlagen vorzulegen sind1. 110
Welche dies sind, ergibt sich aus dem jeweiligen Beteiligungsrecht. Umfang und Ausgestaltung der Vorlageverpflichtung richten sich nach dem Maßstab der Erforderlichkeit2. Dies kann auf die bloße Möglichkeit der Einsichtnahme in Unterlagen beschränkt sein, kann sich jedoch auch auf deren weitgehende oder sogar dauerhafte Überlassung ausdehnen3. Handelt es sich um Unterlagen, die persönliche Daten des Beschäftigten enthalten (zB die Personalakten), kommt mit Rücksicht auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts regelmäßig nur die Einsichtnahme in der Dienststelle durch die Mitglieder des Personalrats in Betracht4, wobei dies ohnehin nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers möglich ist5. Demgegenüber ist eine wiederholt benötigte Unterlage (zB eine Personalbedarfsberechnung) dem Vorsitzenden des Personalrats in Kopie dauerhaft zu überlassen6. Dies kann zum Beispiel im Rahmen der Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes infolge inner- oder außerbetrieblicher Gründe der Fall sein. 3. Stellungnahme des Gremiums a) Allgemeines
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Mit der Information des Personalrats über die beabsichtigte Kündigung, deren nähere Begründung und ggf. der Bitte um Erteilung der erforderlichen Zustimmung zu der in Aussicht genommenen Maßnahme hat die Dienststelle den ihr obliegenden ersten Schritt im Rahmen des Beteiligungsverfahrens absolviert. Nunmehr obliegt es dem Personalrat, darauf in der nach dem jeweils einschlägigen Personalvertretungsrecht vorgesehenen Art und Weise zu reagieren. In Betracht kommen – die Erteilung der Zustimmung – das Unterlassen jeglicher Stellungnahme – die Äußerung des Wunsches nach Erörterung der Angelegenheit – die Erhebung von Einwänden
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RDW/Benecke, § 78 Rz. 133. BVerwG v. 4.9.1990 – 6 P 28.87, PersR 1990, 329; RDW/Gräfl, § 68 Rz. 76 f. BVerwG v. 23.1.2002 – 6 P 5.01, PersR 2002, 201; RDW/Gräfl, § 68 Rz. 78. Vgl. für die Einsichtnahme in Bruttolohn- und Gehaltslisten BVerwG v. 27.2.1985 – 6 P 9.84, PersR 1985, 124; RDW/Gräfl, § 68 Rz. 79. 5 Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 79 Rz. 45. 6 BVerwG v. 23.1.2002 – 6 P 5.01, PersR 2002, 201; RDW/Gräfl, § 68 Rz. 79; aA Lenze, ZTR 2002, 558.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 116
Teil 4 D
– die Erhebung eines Widerspruchs – die Verweigerung der Zustimmung. Die damit in Betracht kommenden möglichen Formen der Stellungnahmen können ganz unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen, die nachfolgend im Einzelnen dargestellt werden.
112
b) Übermittlung der Erklärung Der Personalrat entscheidet über seine Stellungnahme zu der vom Arbeit- 113 geber beabsichtigten Kündigung nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Übermittlung der Erklärung erfolgt nach den für die Vertretung des Personalrats jeweils maßgeblichen Regelungen, dh. üblicherweise durch eine Erklärung des Vorsitzenden1. Ob eine Vertretung möglich ist, richtet sich nach den Regelungen des jeweils anwendbaren Personalvertretungsgesetzes. Von Bedeutung ist in jedem Falle die Berücksichtigung des Gruppenprinzips. Wenn der Vorsitzende nicht der Gruppe des zu kündigenden Arbeitnehmers zuzurechnen ist, vertritt er lediglich gemeinsam mit dem dieser Gruppe angehörenden Mitglied des Vorstands des Personalrats2. Ist eine solche Erklärung in einer Gruppenangelegenheit nicht vom Vorsitzenden gemeinsam mit dem Gruppenvertreter abgegeben worden, ist sie unwirksam und für den Arbeitgeber ohne Bedeutung3. Ob dem Personalrat bei seiner Willensbildung ein Fehler unterlaufen ist, berührt dagegen allein dessen Sphäre und ist für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit des Beteiligungsverfahrens unbeachtlich. Dies gilt auch für die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens in Gruppenangelegenheiten4 sowie eine ggf. unterlassene Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers durch den Personalrat5. c) Zeitpunkt der Stellungnahme Unabhängig von der Art der Beteiligung des Personalrats (Anhörung, Mitwirkung, Mitbestimmung) steht ihm nach dem jeweils in Betracht kommenden Personalvertretungsgesetz eine bestimmte Frist zur Stellungnahme zur Verfügung.
114
Äußert er sich vor deren Ablauf, kommt es für die rechtliche Bewertung 115 der sich daran knüpfenden Konsequenzen darauf an, ob die Stellungnahme abschließend war. Ist dies der Fall, tritt das Verfahren in eine jeweils neue Phase (zu den Konsequenzen s.u. Rz. 120 ff.) Lässt sich dies nicht bejahen, muss der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in jedem Falle den Ablauf der dem Personalrat nach dem jeweils ein1 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 43. 2 BVerwG v. 21.4.1990 – 6 P 8.90, PersV 1992, 434; RDW/Jacobs, § 32 Rz. 78; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 43. 3 BAG v. 13.10.1982 – 7 AZR 617/80, PersV 1991, 479. 4 BAG v. 19.5.1982 – 2 AZR 454/81, nv.; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersG Rz. 56. 5 BAG v. 3.2.1982 – 7 AZR 907/79, BAGE 37, 387. Pahlen
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Teil 4 D
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Beteiligung des Personalrates
schlägigen Personalvertretungsgesetz zukommenden Frist abwarten. Eine zuvor erklärte Kündigung wäre in jedem Fall rechtsunwirksam, § 108 Abs. 2 BPersVG. 117
An den Ablauf der dem Personalrat zustehenden Frist zur Stellungnahme ist üblicherweise eine Zustimmungsfiktion geknüpft. Äußert er sich also nicht fristgemäß in der jeweils vorgesehenen Art und Weise, gilt seine Zustimmung als erteilt. Die Fristenregelungen sind dabei sehr unterschiedlich ausgestaltet. Die Frist kann bis zu zwei Wochen betragen (zB § 79 Abs. 2 Satz 3 PersVG Berlin), sich aber auch nur auf drei Arbeitstage beschränken. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers sind außerordentlich weit. d) Inhalt der Stellungnahme
118
Die Stellungnahme des Personalrats zu dem Kündigungsbegehren des Dienststellenleiters kann ganz unterschiedlich ausfallen.
119
Er kann entweder die ihm zustehende Frist einfach verstreichen lassen, Bedenken oder Einwendungen erheben, der beabsichtigten Kündigung widersprechen oder aber auch seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme erteilen. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen richten sich nach der Ausgestaltung der Beteiligungsrechte des Personalrats nach dem im Einzelfall anwendbaren Personalvertretungsgesetz. 4. Konsequenzen a) Anhörung
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Kommt dem Personalrat wie etwa bei der beabsichtigten fristlosen Entlassung eines Arbeitnehmers im Anwendungsbereich des BPersVG nach dessen § 79 Abs. 3 Satz 1 lediglich ein Anhörungsrecht zu, kann der Dienststellenleiter die fristlose Kündigung aussprechen, wenn der Personalrat der Maßnahme zugestimmt oder seine Bedenken unter Angabe der Gründe schriftlich mitgeteilt hat. Trotz der Verpflichtung des Personalrats zu unverzüglicher Äußerung von Bedenken, muss der Dienststellenleiter regelmäßig den Ablauf der Drei-Tage-Frist abwarten, wenn der Personalrat nicht ausdrücklich schriftlich Stellung genommen hat1. Eine Verlängerung der Frist ist gemäß § 73 BPersVG nicht möglich (s.a. unten Rz. 121)2. Wird die Kündigung vor Ablauf der Frist erklärt, ist sie in jedem Falle unwirksam3. Selbst die nachträgliche Zustimmung des Personalrats ändert daran nichts4.
1 RDW/Benecke, § 79 Rz. 139. 2 RDW/Benecke, § 79 Rz. 137; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 79 Rz. 22; aA Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 79 Rz. 61, 131. 3 BAG v. 13.11.1975 – 2 AZR 610/74, AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG 1972. 4 BAG v. 28.2.1974 – 2 AZR 455/73, AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972; Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 30.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 123
Teil 4 D
b) Mitwirkung Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ist das Beteiligungsrecht des Personalrats 121 bei der ordentlichen Kündigung im Bereich des BPersVG als Mitwirkungsrecht ausgestaltet. Die näheren Einzelheiten ergeben sich dann aus § 72 BPersVG. Dies bedeutet im Einzelnen, dass dem Personalrat eine mit Rücksicht auf § 73 BPersVG durch eine Vereinbarung zwischen Dienststellenleiter und Personalrat nicht verkürzbare oder verlängerbare1 Äußerungsfrist von zehn Arbeitstagen zur Verfügung steht. Äußert er sich während dieser Frist nicht oder hält er bei einer Erörterung mit dem Dienststellenleiter, die allerdings nicht zu einer Verlängerung oder Hemmung der Äußerungsfrist führt2, deren Durchführung jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist3, seine Einwendungen nicht aufrecht, gilt die beabsichtigte Maßnahme als gebilligt4. Dies gilt auch für den Fall, dass der Personalrat eine Erörterung verlangt, dann jedoch innerhalb der Frist eine inhaltliche Stellungnahme nicht mehr abgegeben oder diese nicht begründet hat5. Entspricht die Dienststelle den Einwendungen des Personalrats nicht oder nicht vollumfänglich, teilt sie ihm ihre Entscheidung unter Angabe der Gründe schriftlich mit. In diesem Falle kann der Personalrat einer nachgeordneten Dienststelle die Angelegenheit binnen drei Arbeitstagen nach Zugang dieser Mitteilung auf dem Dienstweg den übergeordneten Dienststellen, bei denen Stufenvertretungen bestehen, mit dem Antrag auf eine Entscheidung vorlegen. Dies setzt sowohl die Wahrung der Schriftform als auch eine nähere Begründung des Antrags voraus. Ist dies nicht der Fall, ist der Antrag unzulässig; denn für die übergeordnete Dienststelle ist dann nicht klar, mit welchen Einwendungen sie sich befassen soll6. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entscheidet der Leiter der übergeord- 122 neten Dienststelle nach Verhandlung mit der dort bestehenden Stufenvertretung (Bezirkspersonalrat oder Hauptpersonalrat). Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass die Stufenvertretung die Einwendung aufrechterhält. Diese entscheidet autonom, muss jedoch dem in der ersten Stufe beteiligten Personalrat Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Dies hat eine Verdoppelung der Fristen auf insgesamt zwanzig Arbeitstage zur Folge7. Eine Bindung an die Entscheidung des örtlichen Personalrats besteht nicht. Die Stufenvertretung und der Leiter der vorgesetzten Dienststelle können
1 BAG v. 22.5.1985 – 4 AZR 42/83, NZA 1986, 187; VGH BW v. 12.4.1983 – 15 S 74/82, ZBR 1984, 216; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 24; Altvater, BPersVG, § 72 Rz. 9, § 69, Rz. 36; aA BAG v. 14.1.1993 – 2 AZR 387/92, Pers1993, 406; Bacher, PersR 1988, 68; vermittelnd im Sinne einer Dispositionsbefugnis des Dienststellenleiters BVerwG v. 9.12.1992 – 6 P 16.91, PersR 1993, 212. 2 BVerwG v. 27.1.1995 – 6 P 22.92, BVerwGE 97, 349. 3 BAG v. 20.1.2000 – 2 AZR 65/99, PersR 2000, 214. 4 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 33. 5 RDW/Weber, § 72, Rz. 30; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 3, K § 72, Rz. 15. 6 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG, Rz. 48. 7 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 49. Pahlen
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Beteiligung des Personalrates
ein abweichendes Ergebnis vereinbaren. Stimmt die Stufenvertretung zu oder gilt die Zustimmung als erteilt, kann die Kündigung erklärt werden1. Erhebt die Stufenvertretung allerdings frist- und formgerecht Einwendungen gegen die von der übergeordneten Behörde erklärte Kündigungsabsicht, will der Dienststellenleiter jedoch daran festhalten, hat er dies der Stufenvertretung unter Angabe der für seine Entscheidung maßgeblichen Gründe schriftlich mitzuteilen. Das Verfahren ist damit abgeschlossen, sofern es sich dabei um die oberste Dienstbehörde handelt. Die Kündigung kann nunmehr ausgesprochen werden2. Erfolgte die ablehnende Stellungnahme dagegen durch den Bezirkspersonalrat, kann dieser innerhalb einer Frist von sechs3 Arbeitstagen schriftlich und auf dem Dienstweg die Entscheidung der obersten Dienstbehörde beantragen. Darüber sollen zwischengeschaltete Dienststellen, bei denen keine Stufenvertretung besteht, informiert werden. Sie haben allerdings keine Möglichkeit, das Verfahren zu beeinflussen4. Die voranstehenden Ausführungen gelten für diesen Verfahrensabschnitt entsprechend5. 124
Unabhängig davon können der Dienststellenleiter und der örtliche Personalrat auch nach der Anrufung der übergeordneten Dienststelle weiterhin versuchen, eine Einigung zu erzielen. Kommt diese vor dem Abschluss des Stufenverfahrens zustande, wird dieses gegenstandslos6.
125
Unabhängig davon bleiben die Einwendungen aufrechterhalten, wenn der Dienststellenleiter den Einwendungen nicht entsprochen hat, der Personalrat abweichend von den voranstehenden Ausführungen nicht die übergeordnete Dienststelle angerufen hat und der Dienststellenleiter daraufhin mit Rücksicht auf den Eintritt der Zustimmungsfiktion die Kündigung ausspricht7.
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Genügen die vom Personalrat erhobenen Einwendungen den Anforderungen des § 79 Abs. 1 Satz 2 BPersVG, hat er also beanstandet, dass 1. bei der Auswahl des kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden sind, 2. die Kündigung gegen eine Richtlinie iSd. § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG verstößt, 3. der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann,
1 2 3 4
KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 50. KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 51. Abw. RDW/Weber, § 72 Rz. 49. OVG NW v. 13.5.1981 – CB 15/80, PersV 1983, 292; Altvater, BPersVG, § 72 Rz. 14. 5 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 52. 6 Altvater, BPersVG, § 72 Rz. 17. 7 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 BPersVG, Rz. 46, 57.
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III. Ausübung des Beteiligungsrechtes
Rz. 128
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4. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder 5. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat, hat dies unmittelbaren Einfluss auf die kündigungsrechtliche Situation des betroffenen Arbeitnehmers in dem von ihm ggf. angestrengten Kündigungsschutzverfahren. Es handelt sich dabei nämlich um Widerspruchsgründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG1, bei denen nur geprüft werden muss, ob ein Widerspruchsgrund tatsächlich vorliegt, um sodann zur Feststellung der fehlenden sozialen Rechtfertigung der Kündigung zu kommen2. Dies gilt allerdings nicht, wenn Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung die Erteilung der Zustimmung des Personalrats ist und die Einigungsstelle sie ersetzt hat3. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Einwendungen in der gesetzli- 127 chen Form vorgebracht wurden. Sie müssen also schriftlich erhoben und begründet werden. Ein Telefax reicht aus. Ob dies auch für eine Mail gilt, war lange umstritten. Grundsätzlich kann die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden (§ 126 Abs. 3 BGB). In einem solchen Fall muss der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur entsprechend den Vorschriften des § 126a BGB versehen. Allerdings ist der Anforderung der Schriftlichkeit iSv. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG genügt, wenn die Textform des § 126b BGB gewahrt wird4. Dies kann auf den hier vorliegenden Fall übertragen werden. Der Widerspruch muss darüber hinaus näher begründet werden. Es ist eine dem Einzelfall angepasste Begründung erforderlich5. Die Aufzählung der Widerspruchsgründe iSd. § 79 BPersVG ist nicht abschließend. Der Personalrat kann seine Einwendungen auch auf andere Umstände stützen6. Auch solche Einwendungen führen dazu, dass das Stufenverfahren durchgeführt werden muss7. Der Unterschied zu den zuvor erörterten Einwendungen besteht lediglich darin, dass sich kündigungsschutzrechtliche Vorteile nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Einwendungen dieser Kategorie nicht ableiten lassen. c) Mitbestimmung Ist die Beteiligung des Personalrats nach dem jeweils einschlägigen Per- 128 sonalvertretungsrecht als Mitbestimmung ausgestaltet, bedarf es zur Wirksamkeit des Ausspruchs der Kündigung der Zustimmung des Personalrats 1 2 3 4 5 6
KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 60. RDW/Benecke, § 79 Rz. 112 f. BAG v. 6.6.1984 – 7 AZR 451/82, NZA 1985, 93. BAG v. 10.3.2009 – 1 ABR 93/07, NZA 2009, 622. RDW/Benecke, § 79 Rz. 61. Altvater, BPersVG, § 79 Rz. 8; einschränkend: BVerwG v. 30.11.1994 – 6 P 11.93, PersR 1995, 130. 7 BAG v. 6.8.2002 – 1 ABR 47/01, PersR 2003, 41. Pahlen
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Rz. 129
Beteiligung des Personalrates
bzw. dessen wirksamer Ersetzung. Dies ist allerdings nur dann erforderlich, wenn der Personalrat seine Zustimmung aus einem beachtlichen Grund verweigert hat. Dabei sind zwei unterschiedliche Fallgestaltungen vorstellbar. Einerseits werden die Fälle erfasst, in denen die Zustimmung nur aus einem Grunde verweigert werden kann, der katalogartig im Gesetz aufgezählt ist. In anderen Fällen, in denen eine solche Bindung an bestimmte Widerspruchsgründe nicht vorgesehen ist, kann der Personalrat seine Zustimmungsverweigerung nicht auf jeden von ihm für sinnvoll erachteten Grund stützen. Maßgeblich ist nämlich, ob sich der von ihm genannte Grund dem Inhalt des Mitbestimmungstatbestandes sowie dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungserfordernisses zuordnen lässt1. Ist dies nicht der Fall, erweist sich das Verhalten des Personalrats als nicht vom Recht geschützt. Dies ist der Fall, wenn sich der Personalrat bei einer Probezeitkündigung lediglich auf Bedenken gegenüber der Eignungsbeurteilung durch die Einstellungsbehörde stützt2 oder die Betriebsvertretung die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers auf einem freien Arbeitsplatz einwendet, dessen Besetzung mit einem Angehörigen des zivilen Gefolges beabsichtigt ist3. Es kann nicht die Verpflichtung der Dienststelle auslösen, das Einigungsverfahren einzuleiten. Vielmehr gilt die beabsichtigte Maßnahme dann nach Ablauf der gesetzlichen Äußerungsfrist als gebilligt4. Dies gilt erst recht, wenn der Personalrat während der ihm eingeräumten Frist überhaupt keine Stellungnahme abgegeben hat5. 129
Ist diesen Anforderungen genügt, entscheidet nach einer Einigungsverhandlung, die üblicherweise unter Beteiligung des Hauptpersonalrats durchgeführt wird, der Leiter der Dienstbehörde darüber, ob an der beabsichtigten Entscheidung festgehalten wird. Ist dies der Fall, kann der Personalrat durch einen gesonderten Beschluss fristgebunden den Antrag beim Hauptpersonalrat auf Durchführung des Einigungsstellenverfahrens stellen. Schließt sich der Hauptpersonalrat diesem Begehren an und reicht seinen entsprechenden Antrag innerhalb der im jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetz vorgesehenen Frist rechtzeitig bei der Einigungsstelle ein, entscheidet diese durch Beschluss (zur Möglichkeit des Rechtsschutzes siehe unten Rz. 131 f.).
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Nach Ersetzung der Zustimmung durch Beschluss der Einigungsstelle hat der Dienststellenleiter die Kündigung unverzüglich auszusprechen, um die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu wahren. Der Rechtsgedanke des
1 BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 58/06, PersR 2007, 429; BVerwG v. 28.10.2002 – 6 P 13.01, PersV 2003, 225; LAG Berlin v. 17.8.1987 – 9 Sa 44/87, PersV 1989, 229. 2 BVerwG v. 30.11.1994 – 6 P 11.93, PersR 1995, 130; ähnlich LAG Hessen v. 10.6.1999 – 12 Sa 1090/98, RzK III 2b Nr. 41. 3 BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 361/96, RzK III 2a Nr. 37. 4 BVerwG v. 30.4.2001 – 6 P 9.00, PersV 2001, 411; BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 58/06, PersR 2007, 429. 5 BVerwG v. 13.8.2009 – 6 PD 20/09, PersR 2009, 407.
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IV. Streitigkeiten
Rz. 132
Teil 4 D
§ 91 Abs. 5 SGB IX findet auf diese Sachverhaltskonstellation entsprechende Anwendung1.
IV. Streitigkeiten 1. Einigungsstelle Soweit im Einzelfall in dem konkret anzuwendenden Personalvertretungs- 131 recht die Beteiligung des Personalrats an der beabsichtigten Kündigung eines Arbeitnehmers des öffentlichen Dienstes als Mitbestimmungsrecht ausgestaltet hat, entscheidet im Falle der Nichteinigung der Beteiligten darüber die Einigungsstelle2. Ob deren Beschluss nur empfehlenden Charakter besitzt3 oder bindend ist4 oder jedenfalls mit Rücksicht auf ein im Landespersonalvertretungsgesetz angelegtes Evokationsrecht verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begegnet5, ist bislang nicht abschließend entschieden worden. Das BVerfG hat eine Vorlage des LAG Brandenburg wegen der Nichtberücksichtigung der Evokationsmöglichkeit als unzulässig angesehen6. Ob daraus grundsätzlich abzuleiten ist, dass Entscheidungen der Einigungsstelle regelmäßig nur als Empfehlungen anzusehen sind7, erscheint allerdings zweifelhaft8. Dem jeweiligen Landesgesetzgeber kommt bei der Gestaltung der Beteiligungsrechte des Personalrats nämlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu9. Über die Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung der Einigungsstelle (Evokation) hinaus kommt nämlich auch eine Anfechtung des Beschlusses vor dem Verwaltungsgericht als Rechtsschutzmöglichkeit in Betracht10 (s.o. Rz. 16). 2. Verwaltungsgericht Nach § 106 BPersVG, von dessen Regelungen die Länder anders als bisher11 132 nach der Föderalismusreform 2006 künftig allerdings abweichen können12, sind zur gerichtlichen Entscheidung die Verwaltungsgerichte berufen. Sie entscheiden nach den Bestimmungen des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG unter anderem über die Zu1 BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 375/99, PersR 2001, 212 für die Vorgängerregelung des § 21 Abs. 5 SchwbG 1986. 2 Krit. Huster, PersV 2008, 414. 3 BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12.01, PersR 2002, 467; OVG NW v. 12.3.2007 – 1 A 4523/05.PVL, PersV 2007, 481. 4 LAG Köln v. 13.3.2006 – 14 (10) Sa 17/06, PersV 2007, 479. 5 Vgl. VG Berlin v. 17.5.2005 – 62 A 4.05, nv. 6 BVerfG v. 20.7.2001 – 2 BvL 8/00, PersV 2001, 557. 7 BVerwG v. 30.6.2005 – 6 P 9.04, PersV 2006, 24. 8 RDW/Kersten, § 104 Rz. 31. 9 RDW/Kersten, § 104 Rz. 27, 31; Altvater, BPersVG, § 104 Rz. 29. 10 BVerwG v. 19.12.1990 – 6 P 24.88, PersR 1991, 135; OVG Berlin-Brandenburg v. 12.11.2009 – 60 PV 1.09, n.v. 11 RDW/Treber, § 83 Rz. 142. 12 RDW/Kersten, §106 Rz. 1; § 94 Rz. 5; Rothländer, PersR 2007, 57; aA Altvater, PersR 2007, 279. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 133
Beteiligung des Personalrates
ständigkeit der Personalvertretungen. Dabei handelt es sich um eine Generalklausel für alle Streitigkeiten, die sich aus der Tätigkeit des Personalrats und der anderen insoweit in Betracht kommenden Gremien ergeben können1. Dies erfasst auch Streitigkeiten über die Zuständigkeit der Einigungsstelle, über den Umfang der Bindungswirkung ihrer Entscheidungen sowie die Rechtmäßigkeit ihrer Tätigkeit2. Dies eröffnet zudem die Möglichkeit, die Entscheidung der Einigungsstelle auch auf ihre Rechtmäßigkeit, nicht allerdings ihre Zweckmäßigkeit, überprüfen zu können3. 133
Darüber hinaus entscheidet das Verwaltungsgericht unmittelbar im Zusammenhang mit der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Mitgliedes des Personalrats im Bereich des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie der Gerichte des Bundes aus wichtigem Grund, wenn das Gremium seine nach § 15 KSchG iVm § 47 Abs. 1 Satz 2 BPersVG erforderliche Zustimmung dazu verweigert oder sich nicht binnen drei Arbeitstagen nach Eingang des Antrages geäußert hat. Dies gilt auch für die außerordentliche Änderungskündigung4 einschließlich der Massenänderungskündigung5. Darin liegt keine unzulässige Begünstigung der Personalratsmitglieder. § 15 KSchG stellt gegenüber § 8 BPersVG eine Spezialregelung dar6. Nicht zu übertragen ist dies jedoch auf die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist7, während dieser Gedanke bei der Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist wiederum zu berücksichtigen ist8.
134
Der persönliche Anwendungsbereich von § 47 BPersVG ist durch Bezugnahmen im BPersVG auch auf Mitglieder der Stufenvertretungen (§ 54 Abs. 1), des Gesamtpersonalrats (§ 56), der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 62 Satz 2), der Bezirks-, Haupt- und Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 64 Abs. 1 und 2) sowie auf die Mitglieder des Wahlvorstands9 und Wahlbewerber (§§ 24 Abs. 1 Satz 3, 53 Abs. 3 Satz 1, 1 BVerwG v. 15.3.1968 – VII P 22.66, PersV 1968, 190. 2 BVerwG v. 21.10.1984 – 6 P 24.81, PersV 1985, 432; BVerwG v. 19.12.1990 – 6 P 24.88, PersR 1991, 133; Verfassungsgerichtshof Berlin – 89/00 v. 25.1.2001, nv. 3 BVerwG v. 28.6.2000 – 6 P 1.00, PersR 2000, 507; BVerwG v. 24.5.2006 – 6 PB 16.05, nv.; RDW/Treber, § 83 Rz. 29; Germelmann/Binkert, PersVG Berlin, 2. Aufl., § 83 Rz. 46; § 91 Rz. 20 ff. 4 VGH BW v. 16.7.2002 – PB 15 S 259/02, nv.; OVG Schl.-Holst. v. 2.12.1994 – 11 L 2/94, PersV 1997, 520; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 47 Rz. 7; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 47 Rz. 6; RDW/Treber, § 47 Rz. 14. 5 BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 81/04, NZA 2005, 318; RDW/Treber, § 47 Rz. 14; aA GK-BetrVG/Raab, § 103 Rz. 25. 6 BAG v. 29.1.1981 – 2 AZR 778/78, BAGE 35, 17. 7 BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 242/05, ZTR 2006, 338; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 67; aA LAG Hessen v. 8.3.2001 – 12 Sa 251/00, ZTR 2001, 532 (Ls.); RDW/Treber, § 47 Rz. 14. 8 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, PersR 2001, 125; BAG v. 15.11.2001 – 2 AZR 605/00, ZTR 2002, 339; BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, BAGE 88, 10; KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 67. 9 Str. für Bewerber für den Wahlvorstand: dafür KR/Etzel, §§ 47, 108 BPersVG Rz. 2; dagegen RDW/Treber, § 47 Rz. 8.
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IV. Streitigkeiten
Rz. 136
Teil 4 D
62 Satz 3 BPersVG) ausgedehnt1. Mangels einer entsprechenden Bezugnahme gilt dies jedoch nicht für die Mitglieder der Vertretung der nicht ständig Beschäftigten iSd. § 65 BPersVG2. Für die Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes ist die Mitbestimmung als Beteiligungsform generell ausgeschlossen. Alle Mitbestimmungstatbestände gelten hier lediglich als Mitwirkungstatbestände (§ 86 Nr. 9 BPersVG). Kraft besonderer gesetzlicher Verweisung gilt dieser besondere Schutz jedoch auch für Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung (§ 96 Abs. 3 SGB IX), der Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung (§ 97 Abs. 7 SGB IX) sowie gemäß §§ 94 Abs. 6 Satz 2, 97 Abs. 7 SGB IX auch den Wahlvorstand und die Wahlbewerber für diese Vertretungen3. Über Art. 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut idF des Änderungsabkommens vom 18.5.19944 iVm § 70 Abs. 1 Soldatengesetz findet das BPersVG in der durch Gesetz vom 16.1.19915 geänderten Fassung auch auf die Betriebsvertretungen bei den Stationierungskräften Anwendung6, so dass bei einer beabsichtigten außerordentlichen7 Kündigung ebenfalls die Zustimmung der Betriebsvertretung erforderlich ist8. Damit gilt u.a. für die bei den amerikanischen9 bzw. belgischen10 Streitkräften beschäftigten Arbeitnehmer das BPersVG. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist nach Abs. 9 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 ZA-NATO-Truppenstatut für Verfahren unter Beteiligung der Betriebsvertretung und der Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafter der jeweiligen Truppe eröffnet11. Für Ersatzmitglieder gelten diese Regelungen während der Dauer der Mitgliedschaft im Gremium12. Nach der Beendigung des Vertretungsfalls besteht nur nachwirkender Kündigungsschutz iSv. § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG, jedoch bedarf es in einem solchen Fall nicht der Zustimmung des Personalrats13.
135
In den Verwaltungen und Betrieben der Länder, Gemeinden, Gemeindever- 136 bände und sonstigen nicht bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie den Gerichten der Länder wird der Schutz der Mitglieder der Personalvertretungen (Personalräte, Be1 RDW/Treber, § 47 Rz. 8. 2 APS/Linck, § 15 KSchG Rz. 46; KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 5. 3 OVG Saarl. v. 18.1.2006 – 1 W 18/05, AS RP – SL 33, 57; RDW/Treber, § 47 Rz. 9; APS/Linck, § 15 KSchG Rz. 152–155; KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 3. 4 BGBl. II, 3710. 5 BGBl. I, 47. 6 BAG v. 7.7.1999 – 7 ABR 4/98, PersR 1999, 541; KR/Weigand, Art. 56 NATOZusAbk Rz. 40 f. 7 Nicht jedoch ordentlichen: BAG v. 30.3.1994 – 7 ABR 46/93, AP Nr. 1 zu § 47 BPersVG. 8 BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 54/04, NZA 2006, 557. 9 BAG v. 14.12.1994 – 7 ABR 14/94, AP Nr. 1 zu § 82 BPersVG. 10 BAG v. 20.1.2000 – 2 ABR 19/99, ZTR 2001, 89. 11 BAG v. 7.11.2000 – 1 ABR 55/99, PersR 2001, 347. 12 VG Braunschweig v. 27.11.2001 – 10 A 8/01, NZA-RR 2002, 279; RDW/Treber, § 47 Rz. 11. 13 BVerwG v. 8.12.1986 – 6 P 20.84, PersR 1987, 1107; RDW/Treber, § 47 Rz. 11. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 137
Beteiligung des Personalrates
zirkspersonalräte, Gesamtpersonalräte, der Jugend- und Auszubildendenvertretungen, der Wahlvorstände, der Wahlbewerber sowie der Schwerbehindertenvertretungen und deren Wahlvorstände und Wahlbewerber) durch § 108 Abs. 1 BPersVG, ggf. iVm. §§ 96 Abs. 3, 97 Abs. 7, 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX, gewährleistet1. 137
Soweit die Landespersonalvertretungsgesetze dieser Vorschrift entsprechende Regelungen enthalten, haben diese lediglich deklaratorischen Charakter2. Es handelt sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht. Die Gesetzgebungskompetenz folgt aus Art. 74 Nr. 12 GG3, so dass die Föderalismusreform 2006 insoweit keine Auswirkungen mit sich gebracht hat4. Eine Reduzierung des Schutzniveaus ist als Abweichung vom zwingenden gesetzlichen Standard unwirksam, eine Erweiterung des Kündigungsschutzes durch landesgesetzliche Regelungen ist dagegen zulässig5.
138
Für die Antragstellung, die Beschlussfassung des Personalrats und die Verlautbarung der Entscheidung des Gremiums gelten die allgemeinen Voraussetzungen.
139
Die fehlende Zustimmung des Personalrats ist ggf. durch das Verwaltungsgericht zu ersetzen. In jedem Fall erforderlich ist die Wahrung der zweiwöchigen Frist des § 626 Abs. 2 BGB durch den Arbeitgeber. Erforderlich ist daher der Eingang des Antrags auf Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Personalrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Amtsträgers innerhalb von zwei Wochen seit der Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen sowie dessen anschließende unverzügliche Zustellung beim Antragsgegner6. Für das Verfahren gelten die Bestimmungen über das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG entsprechend7. Zur Antragstellung berechtigt ist der Leiter der Dienststelle, die für den Ausspruch der Kündigung zuständig ist8.
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Im Bereich der Kommunen kann die Bestimmung des zur Einleitung des Verfahrens Befugten problematisch sein. Sie richtet sich nach den jeweils einschlägigen örtlichen Regelungen, zB einer Satzung9. Zuständig für die Erteilung der Zustimmung und damit auch Beteiligter des Verfahrens ist auf der anderen Seite jeweils die Personalvertretung, der der betroffene 1 2 3 4 5 6
KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 4. BVerwG v. 30.4.1998 – 6 P 5.97, PersR 1998, 466. BVerfG v. 27.3.1979 – 2 BvL 2/77, PersV 1979, 328. RDW/Treber, § 83 Rz. 92. BVerwG v. 30.4.1998 – 6 P 5.97, PersR 1998, 466. BAG v. 27.3.1991 – 2 AZR 418/90, RzK II 1a Nr. 5; KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 11. 7 RDW/Treber, § 47 Rz. 37. 8 BVerwG v. 3.5.1999 – 6 P 2.98, PersR 1999, 494; RDW/Treber, § 47 Rz. 39; aA Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 47 Rz. 15: stets der Leiter der Beschäftigungsbehörde; Altvater u.a., BPersVG, § 47 Rz. 14a, haben ihre bisher ebenfalls abweichende Auffassung aufgegeben. 9 VG Frankfurt v. 28.8.2000 – 23 L 1910/00(V), PersV 2001, 123.
510 Pahlen
IV. Streitigkeiten
Rz. 143
Teil 4 D
Arbeitnehmer angehört; denn es geht um die Sicherung der Kontinuität der Arbeit des jeweiligen Gremiums1. Liegt die Zuständigkeit für den Ausspruch der beabsichtigten Kündigung nicht beim Leiter der Beschäftigungsbehörde, sondern bei der vorgesetzten Dienststelle oder sogar der Hauptdienststelle, ist nicht die dort bestehende Personalvertretung (Stufenvertretung oder Gesamtpersonalrat) zuständig; zu beteiligen ist vielmehr wegen des Grundsatzes der Kontinuität der örtliche Personalrat2. Gehört der Betroffene mehreren Personalvertretungen an, ist die Zustimmung sämtlicher Gremien einzuholen bzw. zu ersetzen3. Handelt es sich wie im Falle der beabsichtigten Kündigung eines Wahlvorstandsmitglieds nicht um ein Mitglied der Personalvertretung, ist der Personalrat der Dienststelle zu beteiligen, der der betroffene Arbeitnehmer angehört4. In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter (§ 47 Abs. 1 Satz 2, bzw. § 108 Abs. 1 Satz 3 BPersVG).
141
In dieses Verfahrens kann der Dienststellenleiter – anders als bei Kündi- 142 gungsschutzverfahren – unbeschränkt weitere Kündigungsgründe einführen, sofern er zuvor den zuständigen Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat5. Anders als dort geht es nämlich nicht um die Beurteilung der Wirksamkeit einer bereits erklärten Kündigung. Vielmehr sollen erst die Voraussetzungen für deren Ausspruch geschaffen werden6. Ist dies nicht erfolgt, kann die Kündigung im anschließend geführten Kündigungsrechtsstreit nicht auf diesen Umstand gestützt werden7. Ob dies die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB voraussetzt, ist umstritten8. Hält das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen für den Ausspruch einer 143 außerordentlichen Kündigung für gegeben, ersetzt es die verweigerte Zustimmung durch Beschluss. Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde zum OVG oder zum VGH gegeben (§ 83 Abs. 2 iVm § 87 ArbGG). Gegen dessen Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde nach § 92 ArbGG statthaft, wenn sie durch das Beschwerdegericht oder auf eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 92a ArbGG durch das BVerwG zugelassen wurde. Das beteiligte Personalratsmitglied kann die statthaften Rechtsmittel unabhän-
1 BVerwG v. 9.7.1980 – 6 P 43.79, PersV 1981, 370; BVerwG v. 30.4.1998 – 6 P 5.97, PersR 1998, 466; LAG Sachs. v. 14.10.1992 – 2 Sa 102/92, PersR 1993, 279; KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 7. 2 KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 7. 3 BVerwG v. 30.4.1998 – 6 P 5.97, PersR 1998, 466; BVerwG v. 8.12.1986 – 6 P 20.84, PersR 1987, 110; RDW/Treber, § 47 Rz. 19; KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 7. 4 RDW/Treber, § 47 Rz. 19; KR/Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 8. 5 RDW/Treber, § 47 Rz. 45, vgl. für § 103 BetrVG BAG v. 23.4.2008 – 2 ABR 71/07, NZA 2008, 1081; KR/Etzel, § 103 BetrVG Rz. 118; GK-BetrVG/Raab, § 103 Rz. 74. 6 BAG v. 22.8.1974 – 2 ABR 17/74, BAGE 26, 219; RDW/Treber, § 47 Rz. 45. 7 BVerwG v. 28.1.1998 – 6 P 2.97, PersR 1998, 345; RDW/Treber, § 47 Rz. 45. 8 Dafür: RDW/Treber, § 47 Rz. 46; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 47 Rz. 90; aA BAG v. 22.8.1974 – 2 ABR 17/74, BAGE 26, 219. Pahlen
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Teil 4 D
Rz. 144
Beteiligung des Personalrates
gig davon einlegen, ob der Personalrat die Entscheidung angegriffen hat. Insoweit besteht eine Parallele zu dem Verfahren nach § 103 BetrVG1. 144
In Dienststellen ohne Personalrat ist § 47 BPersVG nach seinem Schutzgedanken entsprechend anzuwenden. Beabsichtigt der Dienststellenleiter also etwa die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Wahlvorstandsmitglieds oder ist ein bereits bestehender Personalrat funktionsunfähig, wie dies bei der beabsichtigten Kündigung des einzig verbliebenen Personalratsmitglieds im Falle des Fehlens eines Ersatzmitglieds möglich sein kann, muss der Dienstellenleiter das Zustimmungsersetzungsverfahren unmittelbar ohne vorherige Beteiligung des Personalrats einleiten2.
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Ist die verweigerte Zustimmung des Personalrats im verwaltungsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig ersetzt worden, hat dies im folgenden Kündigungsschutzverfahren präjudizielle Bedeutung. Damit steht zwischen den Parteien bindend fest, dass die außerordentliche Kündigung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung begründet war. Dem betroffenen Arbeitnehmer ist es verwehrt, im Kündigungsschutzverfahren Tatsachen geltend zu machen, die er bereits im Zustimmungsersetzungsverfahren hätte vorbringen können3. Daraus wird die Praxisempfehlung abgeleitet, wegen der im Beschlussverfahren und im Urteilsverfahren unterschiedlichen Prozessmaximen lieber eine nachträgliche Erteilung der Zustimmung durch den Personalrat hinzunehmen als möglicherweise später mit weiterem Vortrag präkludiert zu sein4. Diese Einschränkung gilt allerdings nicht für nachträglich entstandene Mängel der Kündigung oder fehlende Kündigungsvoraussetzungen, die nicht Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens waren, zB die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX oder der Arbeitsschutzbehörde nach § 9 MuSchG5.
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Die Kündigungserklärung darf erst nach formeller Rechtskraft des Beschlusses über die Zustimmungsersetzung durch den Dienststellenleiter abgegeben werden. Eine zuvor erklärte Kündigung ist nicht nur schwebend unwirksam, sondern unheilbar nichtig6. Wird die Kündigung zuvor ausgesprochen, ist das nicht abgeschlossene Zustimmungsverfahren gegenstandslos. Es bedarf dann der Einleitung eines erneuten Zustimmungs-
1 BAG v. 10.12.1992 – 2 ABR 32/92, NZA 1993, 501. 2 OVG Sa.-Anh. v. 5.5.2004 – SA 5 L 6/03, PersR 2005, 84; RDW/Treber, § 47 Rz. 33; Fischer/Goeres/Gronimus, Teil 2, K § 47 Rz. 25; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 47 Rz. 21. 3 Präklusion, BAG v. 15.8.2002 – 2 AZR 214/01, NZA 2003, 432; BAG v. 11.5.2000 – 2 AZR 276/99, PersR 2000, 466; BVerwG v. 15.10.2002 – 6 PB 7.02, PersR 2003, 74; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, § 47 Rz. 104; RDW/ Treber, § 47 Rz. 60. 4 Altvater, BPersVG, § 47 Rz. 19a. 5 BAG v. 11.5.2000 – 2 AZR 276/99, PersR 2000, 466. 6 BAG v. 9.7.1998 – 2 AZR 142/98, NZA 1998, 1273; RDW/Treber, § 47 Rz. 54.
512 Pahlen
IV. Streitigkeiten
Rz. 149
Teil 4 D
ersetzungsverfahrens1. Dies wird im Regelfall allerdings wegen des zwischenzeitlichen Verstreichens der Frist des § 626 Abs. 2 BGB wenig Aussicht auf Erfolg haben. 3. Arbeitsgericht Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG entscheiden die Gerichte für Ar- 147 beitssachen im Rahmen ihrer ausschließlichen Zuständigkeit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Dies erfasst auch Kündigungsrechtsstreite2. In diesem Rahmen ist auf eine entsprechende Rüge des Arbeitnehmers die 148 Ordnungsgemäßheit der Beteiligung des Personalrats als eine der für die Wirksamkeit der Kündigung gemäß §§ 79 Abs. 4, 108 Abs. 2 BPersVG maßgeblichen Fragen zu prüfen. Diese Kompetenz entfällt allerdings, wenn diese Frage mit Tatbestandswir- 149 kung bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entschieden wurde. Ist nämlich in einem personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren rechtskräftig festgestellt worden, dass eine personelle Einzelmaßnahme, zB eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, nicht der Zustimmung des Personalrats bedurfte, wirkt dies gleichzeitig auch gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer, selbst wenn dieser an dem Beschlussverfahren nicht beteiligt war. In dem nachfolgenden Individualverfahren über die Wirksamkeit der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung kann der Arbeitnehmer sich nicht darauf berufen, dass die kollektivrechtliche Streitigkeit, auf die es in seinem Individualprozess als Vorfrage ankommt, unrichtig entschieden worden sei3. Wie der einzelne Arbeitnehmer die Zustimmung des Personalrats zu einer personellen Maßnahme des Arbeitgebers oder auch die Freigabe der Entscheidung des Arbeitgebers durch das bloße Verstreichenlassen der gesetzlichen Äußerungsfristen hinzunehmen hat, weil er auf die Zustimmungsverweigerung oder überhaupt das Tätigwerden des Personalrats keinen materiellrechtlichen Anspruch hat, muss er das rechtskräftige Ergebnis eines abgeschlossenen Beschlussverfahrens über das Nichtbestehen oder Bestehen eines entsprechenden Beteiligungsrechts gegen sich gelten lassen4. Soweit der 6. Senat des BAG in einer älteren Entscheidung5 eine davon abweichende Auffassung vertreten hat, ist daran nicht weiter festgehalten worden6. Dies gilt insbesondere auch für Kündigungsrechtsstreitigkeiten7. 1 BAG v. 9.7.1998 – 2 AZR 142/98, NZA 1998, 1273; BAG v. 24.10.1996 – 2 AZR 3/96, NZA 1997, 371; LAG Hamm v. 4.8.2000 – 10 TaBV 7/00, LAGE § 103 BetrVG 1972 Nr. 17; kritisch: Diller, NZA 2004, 579. 2 Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, § 2 Rz. 66. 3 BAG v. 3.7.1996 – 2 AZR 813/95, BAGE 83, 267; BAG v. 23.11.2000 – 2 AZR 547/99, PersR 2001, 262. 4 BAG v. 23.11.2000 – 2 AZR 547/99, PersR 2001, 262; Fastrich, SAE 1992, 13. 5 BAG v. 15.1.1987 – 6 AZR 589/84, AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG. 6 BAG v. 10.3.1998 – 1 AZR 658/97, NZA 1998, 1242. 7 BAG v. 23.11.2000 – 2 AZR 547/99, PersR 2001, 262. Pahlen
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Teil 5 Das Teilzeitarbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst (einschließlich Altersteilzeit) A. Teilzeit
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung und Definition . . . . . . 2. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlagen (TzBfG und Sonderregelungen) aa) Allgemeiner Teilzeitanspruch . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonderregelungen über Teilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Altersteilzeit . . . . . . . . (2) Teilzeit in der Elternzeit (§ 15 Abs. 4–7 BEEG) . . . . . . . . . . . . . . (3) Teilzeitanspruch Schwerbehinderter (§ 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX) . . . . . . . . . . . . . (4) Bundesgleichstellungsgesetz und landesgesetzliche Regelungen . b) Tarifvertragliche Regelungen (§ 11 TVöD bzw. TV-L, § 15b BAT/BAT-O) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Diskriminierungsverbote. . . . . . . a) Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilzeitarbeit und Beförderung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beihilfeberechtigung . . . . . . . . d) Zusatzversorgung . . . . . . . . . . . 4. Ausschreibungs- und Informationspflicht (§ 7 TzBfG). . . . . . . . . . 5. Sonderformen der Teilzeitarbeit . a) Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) . b) Arbeitsplatzteilung (§ 13 TzBfG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG a) Anspruchsvoraussetzungen . . b) Antrag auf befristete Verringerung der Arbeitszeit . . . . . . . . . c) Erörterung und Zustimmungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . d) Ablehnung des Teilzeitarbeitsverlangens nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG . . . . . . . . .
Rz.
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1 1 4
e) Prozessuale Geltendmachung und Durchsetzung . . . . . . . . . . . . 52 f) Erneute Verringerung nach § 8 Abs. 6 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . 57 g) Änderungsrecht des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 h) Verlängerungsanspruch nach § 9 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 4–7 BEEG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Anspruchsvoraussetzungen. . . . . 68 b) Ablehnung des Teilzeitarbeitsverlangens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Prozessuale Geltendmachung und Durchsetzung . . . . . . . . . . . . 78 d) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs in der Elternzeit . . . . . 81 Teilzeitanspruch Schwerbehinderter nach § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX . 83 Teilzeitansprüche aus Gleichstellungs- bzw. Frauenfördergesetzen . . 86 a) Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Landesgesetzliche Regelungen . . 91 Tarifvertragliche Regelungen (§ 11 TVöD bzw. TV-L, § 15b BAT/BAT-O) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Anspruchsvoraussetzungen. . . . . 95 b) Antrag auf befristete Verringerung der Arbeitszeit . . . . . . . . . . . 101 c) Ablehnung des Teilzeitarbeitsverlangens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 d) Prozessuale Geltendmachung und Durchsetzung . . . . . . . . . . . . 106 e) Verlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
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III. Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Übersicht über die Voraussetzungen Rechtsfolgen der einzelnen Ansprüche auf Teilzeitarbeit von Beschäftigten im öffentlichen Dienst (Bund): . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Übersicht Frauenförder- bzw. Gleichstellungsgesetze in den Ländern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
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Laber
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Teil 5 A
Teilzeit
Schrifttum: Monographien und Kommentare: Boecken/Joussen, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2007; Buschmann/Dieball/Stevens-Bartol, Das Recht der Teilzeitarbeit, 2. Aufl. 2001; Gräfl/Arnold, TzBfG – Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2005; von Roetteken, Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG – Kommentar mit Entscheidungssammlung, Loseblatt; Rolfs, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2002; Schiek/Buhr/Dieball/Fritsche/ Klein-Sonnefeld/Malzahn/Wankel, Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder – Kommentar für die Praxis zum Frauenfördergesetz für den Bundesdienst und zu den Frauenfördergesetzen, Gleichstellungsgesetzen und Gleichberechtigungsgesetzen der Länder, mit Beschäftigungsschutzgesetz, 2. Aufl. 2002; Zwanziger/Winkelmann, Teilzeitarbeit, 2007. Aufsätze: Berger-Delhey, Aktuelle Fragen zum Anspruch auf Teilzeitarbeit, ZTR 2001, 453; Brors, Teilzeitarbeit neben Elternzeit, RdA 2005, 51; Dessau, Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge, ZTR 2001, 64; Falkenberg, Teilzeitarbeit, insbesondere im öffentlichen Dienst, ZTR 1990, 97; Feldhoff, Gleichbehandlung von vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Lehrern – neue Facetten eines alten Themas, ZTR 2005, 62; Feldhoff, Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung – Zum Verhältnis der rechtlichen Grundlagen der §§ 8 TzBfG, 15 BErzGG und § 15b BAT/11 TVöD im Kontext der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ZTR 2006, 58; Feuerborn, Teilzeitanspruch, Verteilungswunsch und Ersatzeinstellung, SAE 2006, 1; Grobys, Auswirkungen einer nachträglichen Arbeitszeitreduzierung auf das Arbeitsentgelt und andere Vertragsbestandteile, DB 2001, 758; Grobys/ Bram, Die prozessuale Durchsetzung des Teilzeitanspruchs, NZA 2001, 1175; Gruber, Gewährt § 8 TzBfG einen Anspruch auf eine zeitlich befristete Arbeitszeitverringerung?, DB 2007, 804; Hamann, Der Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit, BB Beilage 2005, Nr. 6, 2; Hanau, Offene Fragen zum Teilzeitgesetz, NZA 2001, 1168; Hanau, Die „betrieblichen Gründe“ des § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG im Lichte aktueller Entscheidungen des BAG, RdA 2005, 301; Heyn/Meinel, Anspruch auf Teilzeitarbeit – Neue Entwicklungen in der Rechtsprechung, RdA 2005, 311; Hromadka, Das neue Teilzeit- und Befristungsgesetz, NJW 2001, 400; Hunold, Die neueste Rechtsprechung zu § 8 TzBfG, NZA-RR 2004, 225; Joussen, Elternzeit und Verringerung der Arbeitszeit, NZA 2005, 336; Kaiser, Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung wegen Kindererziehung gemäß § 15b Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a BAT, ZTR 1996, 107; Kliemt, Der neue Teilzeitanspruch, NZA 2001, 63; Kolmhuber, Die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 Abs. 7 BErzGG, FA 2006, 357; Leßmann, Der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit im neuen Bundeserziehungsgeldgesetz, DB 2001, 94; Lorenz, Fünf Jahre § 8 TzBfG – BAG-Rechtsprechungs-Update, NZA-RR 2006, 281; Mues, Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers nach § 8 TzBfG, ArbRB 2002, 15; Oberthür, Antragstellung auf Elternzeit und Teilzeitarbeit unter Berücksichtigung der neuesten BAG-Rechtsprechung, ArbRB 2005, 189; Preis/Gotthardt, Das Teilzeit- und Befristungsgesetz, DB 2001, 145; Range-Ditz, Rechtsprechungs-Update zu § 8 TzBfG, ArbRB 2002, 374; RangeDitz, Never-ending Story – § 8 TzBfG, ArbRB 2003, 274; Reinecke, Teilzeitarbeit während der Elternzeit – Erfahrungen mit neuem Recht – gelöste und ungelöste Fragen, Festschrift für Wolfgang Leinemann 2006, 191; Riesenhuber, Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach § 15b BAT, NZA 1995, 56; Rolfs, Das neue Recht der Teilzeitarbeit, RdA 2001, 129; Rudolf/Rudolf, Zum Verhältnis der Teilzeitansprüche nach § 15 BErzGG, § 8 TzBfG, NZA 2002, 602; Schunder, Der Teilzeitanspruch und seine strategische Bewältigung in der anwaltlichen Praxis, Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein 2006, 171; Sowka, Bundeserziehungsgeldgesetz – Änderungen zur Elternzeit ab 1.1.2004, NZA 2004, 82; Sowka, Teilzeitanspruch auch während laufender Elternzeit, SAE 2006, 125; Straub, Der Teilzeitanspruch – Wunsch und Wirklichkeit, Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein 2006, 183; Tiedemann, Die gerichtliche Durchsetzung des Teilzeitanspruchs nach § 8 TzBfG mittels Antrag auf Erlass einer einstweiligen Ver-
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I. Grundlagen
Rz. 3
Teil 5 A
fügung, ArbRB 2006, 284; Thüsing, Teilzeit- und Befristungsgesetz – Oder: Von der Schwierigkeit eines Kompromisses zwischen Beschäftigungsförderung und Arbeitnehmerschutz, ZfA 2004, 67; Wiesner, Arbeit nach Maß, RiA 2001, 116; Ziemann, Gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeit, ArbRB 2002, 30.
I. Grundlagen 1. Bedeutung und Definition Die Teilzeitarbeit hat in den vergangenen Jahren stetig – nicht zuletzt auf- 1 grund gesetzlicher Neuregelungen – an Bedeutung gewonnen1. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 2003 etwa 9,4 Millionen Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, das sind etwa ein Viertel aller Arbeitnehmer. Teilzeitarbeit wird zwar ganz überwiegend – fast zu 90 % – von Frauen beansprucht, aber auch die Teilzeitquote bei den männlichen Arbeitnehmern nimmt kontinuierlich zu. Im öffentlichen Dienst sind die Quoten noch etwas höher. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an allen Beschäftigten steigt hier seit Jahren kontinuierlich an. Während im Jahre 1998 erst 22 % der Beschäftigten in Teilzeit tätig waren, stieg deren Anteil bis 2006 auf 30 %. Unter den weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst liegt der Anteil der Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu ihren Kollegen noch deutlich höher: Während 2006 47 % der Frauen einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen, waren es bei den Männern nur 12 %2. Eine allgemeine Legaldefinition der Teilzeitbeschäftigung findet sich in § 2 2 Abs. 1 Satz 1 TzBfG. Danach ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, teilzeitbeschäftigt. Wann Arbeitnehmer vergleichbar sind, richtet sich nach § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 TzBfG. Auch geringfügig Beschäftigte gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV sind Teilzeitbeschäftigte (vgl. § 2 Abs. 2 TzBfG). Die kurzzeitigen oder zeitgeringfügigen Beschäftigten iSd. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV dagegen sind nicht ohne weiteres zu den Teilzeitbeschäftigten zu zählen. Teilzeitarbeit kann äußerst vielseitig gestaltet werden3. In der Praxis tau- 3 chen im Wesentlichen folgende Formen von Teilzeitarbeit auf: – Reduzierte tägliche Arbeitszeit, – Gleitzeitregelungen, – Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall gemäß § 12 TzBfG (Arbeit auf Abruf), 1 Zur gesellschafts- und rechtspolitischen Entwicklung Straub, FS AG Arbeitsrecht, S. 184 ff. 2 Stand 11/2007. 3 Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellt unter www.bmas.bund.de insgesamt sieben verschiedene Modelle vor. Laber
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Teil 5 A
Rz. 4
Teilzeit
– Job-Sharing (Arbeitsplatzteilung) gemäß § 13 TzBfG, – Arbeitszeitkonten (Monats- oder Jahresarbeitszeitkonten), – Sabbatical oder Sabbatjahr1. 2. Rechtliche Grundlagen a) Gesetzliche Grundlagen (TzBfG und Sonderregelungen) 4
Im öffentlichen Dienst bestehen für Arbeitnehmer verschiedene – gesetzliche und tarifvertragliche – Anspruchsgrundlagen für die Verringerung der Arbeitszeit, die in der Regel nebeneinander anwendbar sind. Sie haben teilweise gleiche, teilweise aber auch unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen, so dass sich sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Beschäftigten ein recht unübersichtliches und mitunter verwirrendes Bild ergibt. Da der Arbeitnehmer sein Begehren, seine Arbeitszeit reduzieren zu wollen, nicht auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage stützen muss2, hat der Arbeitgeber einen unklaren Antrag ggf. auszulegen und anhand der verschiedenen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen. aa) Allgemeiner Teilzeitanspruch
5
Mit dem am 1.1.2001 in Kraft getretenen § 8 TzBfG wurde erstmals ein allgemeiner Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft sowie des öffentlichen und kirchlichen Dienstes normiert3, ohne dass besondere familiäre oder sonstige Gründe für die Teilzeitarbeit vorliegen müssen. Im Gegensatz zu weiten Teilen des TzBfG stellt der allgemeine Teilzeitanspruch keine Umsetzung europarechtlicher Vorgaben der TeilzeitarbeitRichtlinie4 dar, die keinen erzwingbaren Teilzeitanspruch des Arbeitnehmers vorsieht5, sondern beruht auf der Annahme des Gesetzgebers, dass durch eine vermehrte Teilzeitbeschäftigung die Arbeitslosigkeit verringert werden kann6. Verfassungsrechtlich – insbesondere im Hinblick auf Art. 12 GG – ist der Anspruch unbedenklich7. 1 Vgl. hierzu Hock, Die Umsetzung des Sabbatjahrmodells im BAT-Arbeitsverhältnis, ZTR 1999, 97; Küttner/Reinecke, Teilzeitbeschäftigung Rz. 71 f. 2 ErfK/Dörner, § 15 BEEG Rz. 28. 3 Für Beamte gilt § 72a BBG bzw. die jeweiligen Vorschriften der Landesbeamtengesetze, für Richter § 48a DRiG. 4 Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15.12.1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit, ABl. EG Nr. L 14 v. 20.1.1998, S. 9, ber. ABl. EG Nr. L 128 v. 30.4.1998, S. 71. 5 Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 1; Hromadka, NJW 2001, 400; Rolfs, RdA 2001, 129 (132). 6 BT-Drucks. 14/4374, S. 1 (11); Rolfs, TzBfG, § 8 Rz. 1; Rolfs, RdA 2001, 129 (132); kritisch hierzu Hromadka, NJW 2001, 400 (402). 7 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392; Rolfs, TzBfG, 8 Rz. 2 ff.
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I. Grundlagen
Rz. 9
Teil 5 A
bb) Sonderregelungen über Teilzeit Nach § 23 TzBfG bleiben die besonderen gesetzlichen Regelungen über die 6 Teilzeitarbeit vom TzBfG unberührt. Diese besonderen gesetzlichen Regelungen verdrängen somit nicht den allgemeinen Teilzeitanspruch, sondern stehen neben ihm. Zu den Sonderregelungen über Teilzeit gehören im Bereich des öffentlichen Dienstes die Teilzeitansprüche nach dem Altersteilzeitgesetz (ATZG) in Verbindung mit dem Tarifvertrag Altersteilzeit, dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), dem SGB IX und den verschiedenen Frauenförder- bzw. Gleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder. (1) Altersteilzeit Altersteilzeit ist eine Sonderform der Teilzeit, die unter im ATZG geregelten Voraussetzungen staatlich gefördert wird. Sie soll älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang in die Altersrente oder ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ermöglichen. Zu den Einzelheiten des Altersteilzeitrechts im öffentlichen Dienst siehe Teil B.
7
(2) Teilzeit in der Elternzeit (§ 15 Abs. 4–7 BEEG) Mit dem 1.1.2007 ist § 15 Abs. 4–7 BEEG in Kraft getreten. Nach dieser 8 Vorschrift haben Eltern während ihrer Elternzeit einen Anspruch auf Verringerung ihrer Arbeitszeit1. Auch dieser Anspruch gilt für alle Arbeitnehmer der Privatwirtschaft sowie des öffentlichen und kirchlichen Dienstes. Die Ansprüche aus § 8 TzBfG und § 15 Abs. 4–7 BEEG stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander, so dass der Arbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen beider Normen erfüllt, wählen kann, auf welche Anspruchsgrundlage er sein Teilzeitbegehren stützen will2, wobei jedoch die unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen zu berücksichtigen sind. Zu den Einzelheiten des Teilzeitanspruchs in der Elternzeit vgl. Rz. 66 ff. (3) Teilzeitanspruch Schwerbehinderter (§ 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX) Schwerbehinderte (§ 2 Abs. 2 SGB IX) und diesen gleichgestellte behinderte Menschen (§ 2 Abs. 3 SGB IX) haben gemäß § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX3 ei1 Zum 1.1.2007 wurde das BErzGG durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG (BGBl. I 2006, 2748) abgelöst. Das BEEG ist für alle Kinder anwendbar, die nach dem 1.1.2007 geboren wurden. Die Regelungen über den Teilzeitanspruch (§ 15 Abs. 4–7 BEEG) sind jedoch inhaltlich im Wesentlichen unverändert geblieben. Inhaltliche Änderungen sind in den Fußnoten vermerkt. 2 ErfK/Dörner, § 15 BEEG Rz. 28; Hanau, NZA 2001, 1168 (1172); HWK/Schmalenberg, § 8 TzBfG Rz. 2; Meinel/Heyn/Herms, § 23 Rz. 7; aA Kliemt, NZA 2001, 63 (71); Feldhoff, ZTR 2006, 58 (61): § 15 BErzGG/BEEG ist lex specialis; vgl. ErfK/ Preis, § 8 TzBfG Rz. 57, der im Zweifel von einem Antrag nach § 15 BErzGG/ BEEG ausgeht, weil dieser wegen der Rückkehrmöglichkeit günstiger für den Antragsteller sei. 3 In Kraft seit dem 1.7.2001 (BGBl. I, 1046); zuvor § 14 Abs. 4 SchwbG. Laber
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Teil 5 A
Rz. 10
Teilzeit
nen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen der Art und Schwere der Behinderung notwendig und soweit seine Erfüllung für den Arbeitgeber zumutbar oder nicht mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist oder soweit der Arbeitszeitverkürzung die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Zu den Einzelheiten siehe Rz. 83 ff. (4) Bundesgleichstellungsgesetz und landesgesetzliche Regelungen 10 Neben dem allgemeinen Teilzeitanspruch und den spezialgesetzlichen Ansprüchen gemäß § 15 BEEG sowie gemäß § 81 Abs. 5 SGB IX besteht für Arbeitnehmer der Bundesverwaltung1 noch ein Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit nach § 13 Abs. 1 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG)2. Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in den Bundesländern und teilweise auch in den Kommunen können Ansprüche auf Teilzeitarbeit zumeist auch aufgrund landesgesetzlicher Frauenförder- bzw. Gleichstellungsgesetze geltend machen. Auch diese gesetzlichen Regelungen finden neben dem allgemeinen Teilzeitanspruch aus dem TzBfG Anwendung3. Zu den Einzelheiten siehe Rz. 86 ff. sowie die Übersicht Rz. 109. b) Tarifvertragliche Regelungen (§ 11 TVöD bzw. TV-L, § 15b BAT/BAT-O) 11 Tarifvertragliche Regelungen über Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst finden sich in § 15b BAT/BAT-O und in § 11 TVöD bzw. TV-L, die sich weitgehend entsprechen4. Über den Inhalt von § 15b BAT/BAT-O hinausgehend wurde in § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD bzw. TV-L eingefügt, dass der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitszeit der besonderen persönlichen Situation im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten Rechnung zu tragen hat. Außerdem wurde auf die unzulässige Beschränkung auf Vollzeitbeschäftigte nach § 15b Abs. 1. BAT/BAT-O5 verzichtet, so dass sich nunmehr auch ein Teilzeitbeschäftigter auf § 11 TVöD bzw. TV-L berufen kann, um eine weitere Verringerung seiner Arbeitszeit zu erreichen, sofern nur die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L vorliegen. 12 Nach dem Wortlaut der tarifvertraglichen Anspruchsgrundlagen § 15b Abs. 1 BAT/BAT-O bzw. § 11 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L „soll“ mit Beschäftigten auf Antrag die Verringerung der Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie mindestens ein minderjähriges Kind oder „einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen“ tatsächlich betreuen oder 1 Zum genauen personellen Geltungsbereich vgl. § 3 BGleiG. 2 Zur Entstehungsgeschichte des BGleiG vgl. Scheuring, ZTR 2002, 314. 3 Vgl. Conze, Rz. 1334; Meinel/Heyn/Herms, § 23 Rz. 13 f.; Rolfs, RdA 2001, 129 (139); Rolfs, TzBfG, § 23 Rz. 9. 4 Inhaltsgleiche Regelungen finden sich in § 15 MTArb/MTArb-O, § 14 BMT-G II sowie für den kirchlichen Dienst § 15b BAT-KF, § 29a Abs. 1 AVR Diakonie, § 1a Anlage 5 AVR Caritas. 5 Vgl. BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319.
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I. Grundlagen
Rz. 15
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pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Die Regelungen wurden und werden gleichwohl stets so interpretiert, dass Beschäftigte einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit haben1. Nach § 15b Abs. 2 BAT/BAT-O bzw. § 11 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L haben 13 Beschäftigte, die sich nicht auf familiäre Pflichten im Sinne des Abs. 1 berufen können, keinen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, sondern nur ein Recht auf Erörterung und ermessensfehlerfreie Entscheidung2. Aufgrund des insofern weitergehenden allgemeinen Teilzeitanspruchs nach § 8 TzBfG haben § 15b Abs. 2 BAT/BAT-O, § 11 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L in der Praxis keine Bedeutung3. Auch die tariflichen Regelungen stehen grundsätzlich neben dem allgemei- 14 nen Teilzeitanspruch nach § 8 Abs. 4 TzBfG und können vom Arbeitnehmer parallel angeführt werden4. Es besteht kein Vorrangverhältnis, jedoch ist § 22 Abs. 1 TzBfG zu beachten. Danach kann von den Vorschriften des TzBfG nicht – auch nicht tarifvertraglich – zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, es sei denn, es ist durch Öffnungsklauseln im TzBfG etwas anderes bestimmt (zB § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG hinsichtlich der möglichen Ablehnungsgründe). Das bedeutet, dass die tarifvertraglichen Regelungen nur dann neben § 8 TzBfG Anwendung finden, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind (Günstigkeitsprinzip). 3. Diskriminierungsverbote Nach § 4 Abs. 1 TzBfG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit ohne sachlichen Grund nicht schlechter behandeln als einen vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer. Es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Sonderfall des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG5. Das bedeutet etwa, dass ein Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in gleicher Weise zu Wochenend-, Feiertags- oder Nacharbeit heranziehen kann wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer6. Bei der Berechnung von Beschäftigungszeiten sind die Zeiten geringfügiger Beschäftigung zu berücksichtigen. Eine tarifliche Regelung, die bestimmte Zeiten geringfügiger Beschäftigung nicht einbezieht, ist eine sachlich nicht gerecht1 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 108; Kaiser, ZTR 1996, 107; Dessau, ZTR 2001, 64 (66). 2 Vgl. hierzu Riesenhuber, NZA 1995, 56 (61). 3 Feldhoff, ZTR 2006, 58 (63); vgl. auch Rundschreiben des BMI v. 8.1.2001 – D II 2 – 220 216/6, GMBl. 2001, 271. 4 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; vgl. auch BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, BAGE 111, 260 = NZA 2004, 1090; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 562. 5 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 746/06, DB 2007, 1596; ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 8. 6 Vgl. BAG v. 1.12.1994 – 6 AZR 501/94, BAGE 78, 369 = NZA 1995, 590; ArbG Dortmund v. 22.3.2006 – 8 Ca 5508/05, GesR 2006, 367. Laber
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Teilzeit
fertigte Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter, so dass ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG iVm. Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt1. Arbeitsentgelt oder andere teilbare geldwerte Leistungen sind einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (Pro-rata-temporis-Grundsatz). Die Vorschrift stellt eine Konkretisierung der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht dar2 und ist ein Kernstück des Teilzeitarbeitsrechts3. Das Benachteiligungsverbot des § 4 TzBfG gilt aufgrund § 22 TzBfG auch für Tarifverträge4 sowie für spezialgesetzliche Teilzeitarbeitsverhältnisse wie etwa die Altersteilzeit. 16 Ferner darf nach § 5 TzBfG der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht wegen der Inanspruchnahme von Teilzeitarbeit benachteiligen, zB indem er bestimmte Vergünstigungen nur vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gewährt. Nach § 11 Satz 1 TzBfG darf ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis wegen der Weigerung des Arbeitnehmers, von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis oder umgekehrt zu wechseln, nicht kündigen. Beide Vorschriften sind eine Konkretisierung des allgemeinen Maßregelungsverbots des § 612a BGB. 17 In den diversen Gleichstellungs- bzw. Frauenfördergesetzen des Bundes und der Länder finden sich für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ebenfalls Vorschriften zur Gleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten, die teilweise über das Verbot des § 4 TzBfG hinausgehen. So ist zB nach § 15 BGleiG eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten nur zulässig, wenn zwingende sachliche Gründe dies rechtfertigen. An die Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung werden also noch höhere Anforderungen als bei § 4 Abs. 1 TzBfG gestellt. 18 Die gesetzlichen Diskriminierungsverbote werden ferner durch das Verbot der mittelbaren Diskriminierung gemäß Art. 141 EG-Vertrag ergänzt, da aufgrund des überdurchschnittlichen Frauenanteils eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten zugleich auch eine Benachteiligung von Frauen darstellen kann5. a) Vergütung 19 Die vertragliche Vergütung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers reduziert sich bei einer Verringerung der Arbeitszeit höchstens entsprechend 1 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 746/06, DB 2007, 1596. 2 ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 8; vgl. zum Ganzen auch Biermann, Die Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten bei entgeltlichen Ansprüchen, 2000. 3 Rolfs, RdA 2001, 129 (130). 4 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 746/06, DB 2007, 1596; LAG Hamm v. 10.5.2007 – 17 Sa 1890/06. 5 Feldhoff, ZTR 2005, 62.
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I. Grundlagen
Rz. 20
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im Verhältnis zur bisherigen Arbeitszeit (Pro-rata-temporis-Prinzip, § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Dieses Prinzip ist auch in § 34 BAT/BAT-O und § 24 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L festgelegt. Es stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes des § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG dar, so dass eine über die entsprechend der Verringerung der Arbeitszeit hinausgehende Kürzung nur im Falle eines sachlichen Grundes möglich ist1. Zu beachten sind auch die eventuell einschlägigen weitergehenden Diskriminierungsverbote im BGleiG bzw. in den entsprechenden Landesgesetzen. Problematisch kann insoweit die Behandlung von Zuschlägen, Zuwendungen und sonstigen Arbeitgeberleistungen sein. Entscheidend ist immer der Sinn und Zweck der Arbeitgeberleistung2. Wenn diese als Gegenleistung für Betriebstreue anzusehen ist (wie zB Weihnachtsgeld oder Jubiläumszuwendungen), darf keine Kürzung erfolgen3. Aufwandsentschädigungen werden ebenfalls nicht gekürzt. Kein Maßstab sind im öffentlichen Dienst entsprechende beamtenrechtliche Regelungen. Entscheidend ist der Vergleich zu angestellten Vollzeitkräften, nicht zu teilzeitbeschäftigten Beamten4. Sind Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten tätig, liegt Mehrarbeit vor. Diese ist nunmehr explizit in § 7 Abs. 6 TVöD bzw. TV-L geregelt. Mehrarbeit ist nicht mit Überstunden (vgl. § 7 Abs. 7 TVöD bzw. TV-L) gleichzusetzen, so dass auch keine Überstundenzuschläge gezahlt werden müssen. Hierin liegt kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, weil die Teilzeitbeschäftigten ebenso wie Vollzeitbeschäftigte behandelt werden5. Nach § 8 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L wird für Mehrarbeit 100 % des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe gezahlt. Nach § 8 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L werden die Zeitzuschläge für Überstunden, Nachtarbeit etc. Teilzeitbeschäftigten in derselben Höhe wie Vollzeitbeschäftigten gezahlt. Steht einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer eine pauschale Zulage wegen ständiger Schicht- oder Wechselschichtarbeit nach § 8 Abs. 5 bzw. 6 TVöD zu, darf diese aufgrund des Diskriminierungsverbots nach § 4 Abs. 1 TzBfG nicht auf einen der Arbeitszeit des Beschäftigten entspre-
1 BAG v. 5.11.2003 – 5 AZR 8/03, NZA 2005, 222; ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 12; Küttner/Reinecke, Teilzeitbeschäftigung Rz. 10; aA Sievers, TzBfG, § 4 Rz. 22. 2 Grobys, DB 2001, 758 (759); Feldhoff, ZTR 2005, 62 (67). 3 BAG v. 22.5.1996 – 10 AZR 618/95, NZA 1996, 938; vgl. jetzt § 23 Abs. 2 Satz 2 TVöD bzw. TV-L; Einzelfälle bei ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 59 f. mwN. 4 ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 58. 5 BAG v. 25.7.1996 – 6 AZR 138/94, BAGE 83, 327 = NZA 1997, 774; Rolfs, RdA 2001, 129 (131); vgl. jedoch auch EuGH, Schlussanträge v. 10.7.2007 – Rs. C-300/06. Laber
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chenden Anteil nach § 24 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L gekürzt werden1. Eine unzulässige Diskriminierung liegt ebenfalls vor, wenn für Mehrarbeit im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses eine geringere Vergütung als die für eine vergleichbare Vollzeitkraft vorgesehen ist, wie dies bei Mehrarbeiten teilzeitbeschäftigter Lehrer in den Sonderregelungen zum BAT für angestellte Lehrkräfte vorgesehen ist2. 21 Problematisch ist die Beurteilung leistungsorientierter Vergütungen, wie das Leistungsentgelt nach § 18 TVöD, die ebenfalls von § 4 TzBfG erfasst sind. Bei der Ausgestaltung von Beurteilungs- und Vergütungssystemen muss darauf geachtet werden, dass auch für Teilzeitbeschäftigte die vereinbarten Ziele trotz der verringerten Arbeitszeit erreichbar sind. Im Anwendungsbereich des TVöD wird dies durch § 11 Abs. 6 LeistungsTV geregelt, wonach sich die Leistungsanforderungen für das Leistungsentgelt nach § 18 TVöD auf die individuell vereinbarte, dh. reduzierte, durchschnittliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers beziehen. Die Bemessung richtet sich dann nach § 24 Abs. 2 TVöD. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten das Leistungsentgelt somit in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht3. 22 Für unteilbare Sachleistungen wie Dienstwagen oder Dienstwohnungen gibt es keine einheitliche Lösung; ein entschädigungsloser Wegfall kommt jedoch in aller Regel nicht in Betracht. Möglich ist die Beibehaltung der Sachleistung ohne oder mit Kostenanteil oder eine Abgeltung durch den Arbeitgeber4. b) Teilzeitarbeit und Beförderung 23 Auch bei der Beförderung von Teilzeitbeschäftigten besteht immer die Gefahr, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbots des § 4 Abs. 1 TzBfG vorliegt, wenn für Teilzeitbeschäftigte andere Kriterien für die Beförderung zugrunde gelegt werden als für Vollzeitbeschäftigte. Im öffentlichen Dienst sind dabei zusätzlich noch die im BGleiG bzw. den entsprechenden Landesgesetzen verankerten Diskriminierungsverbote Teilzeitbeschäftigter zu berücksichtigen. So darf sich zB gemäß § 15 Abs. 4 BGleiG die familienbedingte Beurlaubung nicht nachteilig auf die Beförderungsreihenfolge und die Möglichkeit einer Höhergruppierung oder Höherreihung auswirken. 1 LAG Düsseldorf v. 15.5.2007 – 8 Sa 405/07; LAG Schl.-Holst. v. 27.3.2007 – 5 Sa 557/06; vgl. auch BAG v. 23.6.1993 – 10 AZR 127/92, BAGE 73, 307 = NZA 1994, 41 für § 34 BAT; aA LAG Hamm v. 10.5.2007 – 17 Sa 1890/06; ArbG München v. 7.12.2006 – 11 Ca 9706/06, ZTR 2007, 144 (Ls.); Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 8 Rz. 61. 2 BAG v. 22.8.2001 – 5 AZR 108/00, BAGE 98, 368; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 566/04, NZA 2005, 981; Feldhoff, ZTR 2005, 62. 3 Leist, ZTR 2007, 114 (116). 4 Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 216 ff.; Küttner/Reinecke, Teilzeitbeschäftigung Rz. 58.
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Grundsätzlich ist eine Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten beim Aufstieg in eine höhere Lohngruppe daher allenfalls dann zulässig, wenn die für den Aufstieg erforderliche Bewährungszeit das steigende Erfahrungswissen honorieren soll und bei ihrem Ablauf Vollzeitbeschäftigte über ein nicht unwesentlich größeres Wissen verfügen als vergleichbare Teilzeitbeschäftigte1. Diese Voraussetzungen sind nach der Rechtsprechung des BAG indes bei den für den Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT/BAT-O erforderlichen Bewährungszeiten nicht erfüllt, so dass eine Verlängerung der Bewährungszeiten für Teilzeitbeschäftigte im Geltungsbereich des BAT/BAT-O eine nicht durch einen sachlichen Grund zu rechtfertigende Ungleichbehandlung ist2. In § 23 Satz 2 Nr. 6 BAT/BAT-O ist seit 1991 auch festgeschrieben, dass Zeiten, in denen der Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt war, auf die Bewährungszeiten voll angerechnet werden. Im TVöD bzw. TV-L ist in § 17 Abs. 3 Satz 4 ausdrücklich geregelt, dass beim Stufenaufstieg Beschäftigungszeiten mit verringerter Arbeitszeit auf die Stufenlaufzeit voll angerechnet werden. Beim leistungsorientierten Stufenaufstieg nach § 17 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L darf die Teilzeitbeschäftigung bei der Leistungsbeurteilung für die Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit ebenfalls keine Rolle spielen. Eine Teilzeitbeschäftigung hat somit keine Auswirkungen auf die Aufstiegsmöglichkeiten des Arbeitnehmers. c) Beihilfeberechtigung Nach § 40 BAT/BAT-O3 wurde Beschäftigten im öffentlichen Dienst Beihil- 24 fe in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nach den beim Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen, dh. den jeweils geltenden Beihilfeverordnungen und -vorschriften, gewährt, um Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gleichzustellen. Dieser Anspruch stand aufgrund des Diskriminierungsverbots des § 4 TzBfG bzw. früher § 2 Abs. 1 BeschFG auch teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zu, deren Arbeitszeit weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit betrug, selbst wenn den unterhälftig teilzeitbeschäftigten Beamten nach den Beihilfevorschriften keine Beihilfe gewährt wurde. Auch ein entsprechender Ausschluss der Beihilfe für Beamte in der jeweiligen Beihilfevorschrift rechtfertigt nämlich eine Ungleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten nicht, da sich Arbeits- und Beamtenverhältnisse so wesentlich voneinander unterscheiden, dass sie nicht miteinander verglichen werden können4. Nach § 40 Satz 2 BAT/BAT-O wurde der Beihilfeanspruch Teilzeitbeschäftigter anteilig nach der Dauer ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeits1 BAG v. 2.12.1992 – 4 AZR 152/92, BAGE 72, 64 = NZA 1993, 367; anders noch BAG v. 14.9.1988 – 4 AZR 351/88, BAGE 59, 306. 2 BAG v. 2.12.1992 – 4 AZR 152/92, BAGE 72, 64 = NZA 1993, 367. 3 Vgl. auch § 46 MTArb/MTArb-O. 4 BAG v. 17.6.1993 – 6 AZR 620/92, BAGE 73, 262 = NZA 1994, 764; BAG v. 25.9.1997 – 6 AZR 65/96, BAGE 86, 326 = NZA 1998, 151; ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 58. Laber
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Rz. 25
Teilzeit
zeit gekürzt. Das BAG sah diese Kürzung als zulässig an, da die Beihilfe nach dem Willen der Tarifvertragsparteien einen anlassbezogenen, zusätzlich zur laufenden Vergütung zu zahlenden Zuschuss zum Arbeitsentgelt darstellte1. Für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die nach dem 31.7.1998 eingestellt wurden, besteht indes regelmäßig keine Beihilfeberechtigung mehr, da ab dem 1.8.1998 die tarifvertraglichen Beihilfevorschriften einzelvertraglich ausgeschlossen wurden. Der TVöD und der TV-L enthalten daher auch keine Beihilfevorschriften mehr2, so dass die dargestellte Problematik nur noch für Altarbeitnehmer gilt, die vor dem 31.7.1998 ein Arbeitsverhältnis mit einem öffentlichen Arbeitgeber begründet haben. d) Zusatzversorgung 25 Auch im Bereich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst dürfen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden. Problematisch ist vor diesem Hintergrund ein vollständiger Ausschluss von geringfügig Beschäftigten iSd. § 8 SGB IV in Altersvorsorgetarifverträgen, da auch geringfügig Beschäftigte aufgrund von § 2 Abs. 2 TzBfG vom Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG erfasst sind. Das BAG hat zumindest für die Rechtslage bis zum 31.3.1999 den Ausschluss von geringfügig Beschäftigten aufgrund der von den Tarifvertragsparteien gewählten Verzahnung der Zusatzversorgung mit dem Rentenversicherungsrecht als gerechtfertigt angesehen, weil geringfügig Beschäftigte bis zu diesem Zeitpunkt auch nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlagen3. Ob diese Argumentation einen Ausschluss geringfügig Beschäftigter auch noch nach der Neuregelung der sog. „Minijobs“ zum 1.4.2003 rechtfertigt, erscheint indes zweifelhaft4. 4. Ausschreibungs- und Informationspflicht (§ 7 TzBfG) 26 Nach § 7 Abs. 1 TzBfG hat der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz, den er öffentlich oder innerhalb des Betriebes bzw. der Dienststelle ausschreibt, auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben, wenn sich der Arbeitsplatz hierfür eignet. Aus der Vorschrift ergibt sich nicht die Verpflichtung für den Arbeitgeber, Arbeitsplätze überhaupt auszuschreiben5. Eine derartige Verpflichtung kann sich aber aus den Gleichstellungs- bzw. Frauenfördergesetzen des Bundes oder der Länder ergeben (zB § 6 Abs. 2 BGleiG). Maßgeblich für § 7 Abs. 1 TzBfG ist die objektive Eignung des Arbeitsplatzes für eine Teilzeitarbeit. Diese ist zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer, der 1 BAG v. 25.2.1999 – 6 AZR 488/97, ZTR 1999, 522; BAG v. 19.2.1998 – 6 AZR 460/96, BB 1998, 2420; ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 58. 2 Für Altfälle (Einstellung vor dem 1.8.1998) vgl. zB die Besitzstandsregelung in Protokollerklärung zu § 13 TVÜ-Bund. 3 BAG v. 27.2.1996 – 3 AZR 886/94, BAGE 82, 193 = NZA 1996, 992; BAG v. 22.2.2000 – 3 AZR 845/98, NZA 2000, 659; aA ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 56. 4 Vgl. ErfK/Preis, § 4 TzBfG Rz. 56; Thüsing, ZfA 2002, 249 (266). 5 Sievers, § 7 Rz. 2.
526 Laber
I. Grundlagen
Rz. 29
Teil 5 A
den Arbeitsplatz besetzen würde, einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG hätte1. § 7 Abs. 1 TzBfG sieht keine Sanktionen vor, falls der Arbeitgeber seine Ausschreibungspflicht verletzt hat. Zur Stellenausschreibung im öffentlichen Dienst siehe Teil 2 Rz. 3 ff. Weiterhin hat gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG der Arbeitgeber einen Arbeitneh- 27 mer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer, dh. Verringerung oder Verlängerung, oder Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über entsprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen. Der Arbeitnehmer ist persönlich über geeignete Arbeitsplätze zu informieren; allgemeine Bekanntmachungen (zB am Schwarzen Brett oder Intranet) reichen nicht aus2. 5. Sonderformen der Teilzeitarbeit Das TzBfG regelt explizit zwei Sonderformen der Teilzeitarbeit: Zum einen 28 die Abrufarbeit gemäß § 12 TzBfG und zum anderen die Arbeitsplatzteilung (Job-Sharing) gemäß § 13 TzBfG. a) Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) Nach § 12 Abs. 1 TzBfG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer verein- 29 baren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Diese sog. Arbeit auf Abruf ist auch als KAPOVAZ (kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit) bekannt. § 12 TzBfG ist nur auf Teilzeitbeschäftigte, nicht auf Vollzeitbeschäftigte anwendbar3. Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Unterbleibt das, so gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen (§ 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG). Arbeitet der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsanfalls mehr als vereinbart, liegt Mehrarbeit bzw. Überstunden vor. Eine Vereinbarung iSd. § 12 Abs. 1 TzBfG liegt auch vor, wenn lediglich eine Mindestarbeitszeit vereinbart wurde4. Allerdings darf die einseitig vom Arbeitgeber abrufbare Arbeit wegen § 307 BGB nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen5. Möglich ist aber auch die Vereinbarung einer Höchstarbeitszeit oder einer bestimmten Bandbreite (z.B. zwischen 20 und 35 Stunden wöchentlich). Der Arbeitnehmer kann die Arbeit auf Abruf verweigern, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner 1 2 3 4 5
ErfK/Preis, § 7 TzBfG Rz. 3 f.; Meinel/Heyn/Herms, § 7 Rz. 10; Sievers, § 7 Rz. 5. Sievers, § 7 Rz. 15. Meinel/Heym/Herms, § 12 Rz. 7; Sievers, § 12 Rz. 5; aA Rolfs, § 12 Rz. 3. BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; Sievers, § 12 Rz. 14. BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; LAG MV v. 6.4.2006 – 1 Sa 37/06. Laber
527
Teil 5 A
Rz. 30
Teilzeit
Arbeitszeit nicht jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt. Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers rechtzeitig abzurufen, nicht nach, gerät er in Annahmeverzug und muss weiterhin die vereinbarte Vergütung zahlen1. b) Arbeitsplatzteilung (§ 13 TzBfG) 30 Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch vereinbaren, dass sich mehrere Arbeitnehmer die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen (Job-Sharing). Die Arbeitnehmer verfügen im Rahmen dieses Modells über getrennte (Teilzeit-)Arbeitsverträge, die sie jeweils mit dem Arbeitgeber abschließen. Zwischen den Arbeitnehmern besteht keinerlei vertragliche Abrede2. Die Besonderheit der Arbeitsplatzteilung liegt in der Zeitsouveränität der Arbeitnehmer, da sie untereinander die Lage der Arbeitszeit festlegen. Können sich die Arbeitnehmer auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit untereinander nicht einigen, kann der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Wege seines Direktionsrechtes festlegen3.
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst 1. Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG a) Anspruchsvoraussetzungen 31 Den allgemeinen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG kann jeder Arbeitnehmer geltend machen, also auch ein leitender Angestellter, ein befristet eingestellter Beschäftigter oder ein bereits in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer, sofern nur das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Entscheidend ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber; es kommt also nicht auf die Betriebszugehörigkeit an, was auch § 8 Abs. 7 TzBfG belegt. Das heißt, dass wegen der dreimonatigen Antragsfrist nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG frühestens nach einer Beschäftigung von neun Monaten und einem Tag die Arbeitszeit reduziert werden kann4. Ruht das Arbeitsverhältnis, sind die wechselseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert, so dass der Teilzeitanspruch zumindest vorübergehend nicht durchgesetzt werden kann5. 32 Das nach § 8 Abs. 7 TzBfG außerdem erforderliche Überschreiten des Schwellenwertes einer Beschäftigung von mehr als 15 Arbeitnehmern beim Arbeitgeber ist im öffentlichen Dienst in aller Regel gegeben, da sich dieser Wert auf den Dienstherrn und nicht auf den Betrieb bezieht.
1 2 3 4
Vgl. Sievers, § 12 Rz. 37 f. Sievers, § 13 Rz. 5. Sievers, § 13 Rz. 8. Hromadka, NJW 2001, 400 (402); Kliemt, NZA 2001, 63 (64); Rolfs, TzBfG, § 8 Rz. 10; aA Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 33 (neun Monate). 5 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 100/03, BAGE 108, 77 = NZA 2004, 614; Lorenz, NZARR 2006, 281 (282).
528 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 35
Teil 5 A
§ 8 TzBfG gibt weder eine Mindest- noch eine Maximalreduzierung vor, so 33 dass auch minimale Arbeitszeitreduzierungen denkbar sind. Ausreichend ist ein formloser Antrag des Arbeitnehmers, der jedoch eindeutig formuliert sein muss, da es sich um ein Angebot iSd. § 145 BGB handelt. Der Antrag muss vom Arbeitgeber mit einem bloßen „Ja“ angenommen werden können. Das bedeutet, dass ein Antrag, der lediglich eine Zeitspanne enthält, nicht ausreichend ist1. Nicht erforderlich ist, dass der Antrag als solcher nach § 8 TzBfG bezeichnet ist. Aufgrund von § 22 TzBfG kann Schriftform für den Antrag weder einzel- noch tarifvertraglich erzwungen werden. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG muss der Arbeitnehmer sein Teilzeitverlangen mindestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn ankündigen. Nach der Rechtsprechung des BAG führt ein verspätet gestellter Antrag nicht zur Unwirksamkeit, sondern ist so auszulegen, dass er sich hilfsweise auf den Zeitpunkt bezieht, zu dem der Arbeitnehmer die Verringerung frühestens verlangen kann2. Es wird also nur der Zeitpunkt des Vollzugs verschoben. Allerdings tritt dann nicht die Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 TzBfG ein3. Erörtert der Arbeitgeber trotz Fristversäumnis das Teilzeitarbeitsverlangen mit dem Arbeitnehmer, kann hierin ein wirksamer Verzicht auf die gesetzliche Frist gesehen werden4.
34
Dem Arbeitnehmer steht als Annex zu seinem Begehren auf Reduzierung 35 der Arbeitszeit ein Anspruch auf eine bestimmte Arbeitszeitverteilung zu. Ob nur eine bestimmte wöchentliche Verteilung der Arbeitszeit oder aber auch eine Verteilung in Blöcken (zB Arbeit nur in bestimmten Wochen oder Monaten) begehrt werden kann, ist umstritten5. Diesen Anspruch kann der Arbeitnehmer neben dem Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung geltend machen; er kann die Verteilung jedoch auch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers überlassen und nur den Anspruch auf Verringerung isoliert geltend machen6. Isoliert kann der Antrag auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit dagegen wirksam nicht gestellt werden7. Der Annexanspruch auf eine bestimmte Arbeitszeitverteilung ist eine Besonderheit des Teilzeitanspruchs nach § 8 TzBfG. Alle anderen gesetzlichen oder tarif1 BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 108; LAG Nds. v. 11.4.2003 – 10 Sa 1746/03, ArbRB online 2003, 321. 2 BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, BAGE 111, 260 = NZA 2004, 1090; Rolfs, TzBfG, § 8 Tz. 12; aA Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 35; Preis/Gotthardt, DB 2001, 145. 3 BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, BAGE 111, 260 = NZA 2004, 1090. 4 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 636/02, BAGE 108, 103 = NZA 2004, 975. 5 Bejahend LAG Düsseldorf v. 1.3.2002 – 18 (4) Sa 1269/01, DB 2002, 1222; Rolfs, TzBfG, § 8 Rz. 14; abl. LAG Düsseldorf v. 17.5.2006 – 12 Sa 175/06, DB 2006, 1282; LAG Köln v. 23.11.2009 – 5 Sa 601/09, ArbRB online; Hanau, NZA 2001, 1168 (1170). 6 BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 108; BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 644/03, BAGE 113, 11 = NZA 2005, 769; BAG v. 21.6.2005 – 9 AZR 409/04, NZA 2006, 316; Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 61, 63; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 14. 7 Zutreffend Sievers, § 8 Rz. 9. Laber
529
Teil 5 A
Rz. 36
Teilzeit
vertraglichen Ansprüche auf Teilzeitarbeit sehen nur einen Anspruch auf Verringerung, nicht jedoch auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit vor. b) Antrag auf befristete Verringerung der Arbeitszeit 36 § 8 TzBfG ermöglicht es nicht, eine befristete Verringerung der Arbeitszeit geltend zu machen1. Legt ein Arbeitnehmer Wert auf eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit, sollte er daher – soweit die Voraussetzungen vorliegen – seinen Antrag auf eine andere Anspruchsgrundlage stützen. Eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer hierauf hinzuweisen, besteht nicht2. Eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit ist allerdings einvernehmlich möglich3. c) Erörterung und Zustimmungsfiktion 37 § 8 Abs. 3 TzBfG statuiert zunächst eine Verhandlungs- oder Erörterungsobliegenheit. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer die geplante Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit zu erörtern und zu einer Einigung zu gelangen (Konsensprinzip). Der Arbeitnehmer muss spätestens im Rahmen der Erörterung sein Begehren, eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, geltend machen4. Das Erörterungsverfahren muss jedoch nur durchgeführt werden, wenn der Arbeitnehmer einen von § 8 TzBfG erfassten Verringerungsanspruch geltend macht5. Unmittelbare Sanktionen sieht das Gesetz bei einem Verstoß gegen die Erörterungsobliegenheit nicht vor. Insbesondere die Zustimmungsfiktion des § 8 Abs. 5 TzBfG greift nicht ein. Eine Verletzung der Erörterungsobliegenheit hat allerdings zur Folge, dass der Arbeitgeber später gegen das Vorbringen des Arbeitnehmers keine Einwendungen vorbringen kann, die nicht schon in einer Verhandlung hätten entgegengehalten werden können6. 38 Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit, kann von dieser Vereinbarung im Hinblick auf die Verringerung der Arbeitszeit nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung abgewichen werden. Die Arbeitszeitverteilung kann jedoch un1 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/03, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392; BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 686/05, NZA 2007, 253; HWK/Schmalenberg, § 8 TzBfG Rz. 16; Lorenz, NZA-RR 2006, 821; Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 29; aA Buschmann/Dieball/Stevens-Bartol, § 8 TzBfG Rz. 21; Gruber, DB 2007, 804 (805); Mues, ArbRB 2002, 15 (17). 2 BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 686/05, NZA 2007, 253. 3 Vgl. ArbG Leipzig v. 15.3.2006 – 10 Ga 9/06, AE 2007, 42. 4 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 644/03, BAGE 113, 11 = NZA 2005, 769. 5 BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 686/05, NZA 2007, 253. 6 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, BAGE 105, 133 = NJW 2003, 2771 = NZA 2003, 911; BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 686/05, NZA 2007, 253 = NJW 2007, 1613; ArbG Hamburg v. 13.10.2006 – 27 Ca 53/06; Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 46; Straub, FS AG Arbeitsrecht, S. 171 (173); aA ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 15; Mengel, BB 2003, 1847.
530 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 42
Teil 5 A
ter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG vom Arbeitgeber geändert werden (siehe Rz. 59). Kommt es im Rahmen der Erörterung nach § 8 Abs. 3 TzBfG nicht zu einer Einigung, bestimmt der Gesetzgeber eine Pflicht des Arbeitgebers zur Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit und Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers, es sei denn, betriebliche Gründe stehen dem entgegen. Den Arbeitgeber trifft somit eine Pflicht zur Abgabe einer Willenserklärung. Kommt er dieser Pflicht nicht oder nur verspätet nach, wird die Zustimmung zur Vertragsänderung gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2, 3 TzBfG fingiert. Diese Fiktion sehen die übrigen genannten Teilzeitansprüche nicht vor.
39
d) Ablehnung des Teilzeitarbeitsverlangens nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG Der Arbeitgeber kann die gesetzliche Fiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2, 3 TzBfG 40 nur verhindern, indem er spätestens bis einen Monat vor dem vom Arbeitnehmer gewünschten Beginn der Teilzeitarbeit das Verlangen schriftlich (§ 126 BGB) ablehnt. Bis zum Ablauf der dem Arbeitgeber eingeräumten Überlegungsfrist ist der Arbeitnehmer an seinen Antrag – auch hinsichtlich einer gewünschten Arbeitszeitverteilung – gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die vorgeschriebene Erörterung mit dem Arbeitnehmer unterlässt, da § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG als lex specialis gegenüber den §§ 145 ff. BGB anzusehen ist1. Die Ablehnung kann sich auf die beabsichtigte Verringerung der Arbeits- 41 zeit und/oder ihre gewünschte Verteilung beziehen. Auch wenn nur die gewünschte Verteilung abgelehnt wird, wird zugleich auch der Antrag auf Verringerung abgelehnt; eine Aufteilung der Ansprüche durch den Arbeitgeber ist nicht möglich2. Vielmehr kann das Angebot des Arbeitnehmers gemäß § 150 Abs. 2 BGB nur einheitlich angenommen oder abgelehnt werden. Die Ablehnungsentscheidung muss nicht begründet werden. Lehnt der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers zu Recht ab, kann der Arbeitnehmer einen erneuten Verringerungsanspruch nach § 8 TzBfG erst nach Ablauf einer Sperrfrist von zwei Jahren (§ 8 Abs. 6 TzBfG) geltend machen. Der Arbeitgeber kann den Verringerungs- und/oder Verteilungswunsch des 42 Arbeitnehmers ablehnen, wenn diesem Wunsch betriebliche Gründe entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Dabei werden alle rational nachvollziehbaren Erwägungen des Arbeitgebers als ausreichende Ablehnungsgründe des Arbeitgebers angesehen. Sie müssen nach der ständigen 1 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 644/03, BAGE 113, 11 = NZA 2005, 769; LAG Düsseldorf v. 13.1.2006 – 9 Sa 1222/05; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 13; Hanau, NZA 2001, 1168 (1169); Mues, ArbRB 2002, 15 (16); Rolfs, RdA 2001, 129 (134); differenzierend hinsichtlich der Verteilung Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 68 ff. 2 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, BAGE 105, 133 = NJW 2003, 2771 = NZA 2003, 911; BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/03, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392; aA ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 14; Preis/Gotthardt, DB 2001, 145 (147). Laber
531
Teil 5 A
Rz. 43
Teilzeit
Rechtsprechung des BAG jedoch hinreichend gewichtig sein1. In § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG sind gesetzliche Regelbeispiele, die nicht abschließend sind2, für entgegenstehende betrieblichen Gründe aufgeführt. So liegt ein entgegenstehender betrieblicher Grund vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Organisation oder des Arbeitsablaufs führt. Ein Beispiel hierfür ist etwa im schulischen Bereich ein spezielles pädagogisches Konzept, das eine Betreuung durch wenige vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer vorsieht. Weitere entgegenstehende Gründe sind die wesentliche Beeinträchtigung der Sicherheit, wenn also durch Teilzeitbeschäftigte die notwendigen Sicherheitsstandards nicht mehr gewährleistet werden können, sowie die Verursachung unverhältnismäßiger Kosten3, zB durch die Einrichtung von zusätzlichen kostenintensiven Arbeitsplätzen oder die Anschaffung von zusätzlichen Dienstfahrzeugen. Als weitere betriebliche Gründe können etwa das Fehlen einer geeigneten Ersatzkraft4, die Unzumutbarkeit langer Einarbeitungszeiten der Ersatzkraft5 oder auch künstlerische Belange6 einem Verlangen auf Teilzeitarbeit entgegenstehen. Kein entgegenstehender betrieblicher Grund ist das Überschreiten von arbeitsrechtlich relevanten Schwellenwerten (zB § 16 BPersVG, § 38 BetrVG) aufgrund erforderlicher Neueinstellungen7. Es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Folge, die nicht allein auf die Einstellung eines Arbeitnehmers, sondern auf die Beschäftigung aller Arbeitnehmer zurückgeht. 43 Pauschale Hinweise auf die wirtschaftliche Lage und zu erwartende Kosten reichen allerdings ebenso wenig aus8 wie die Behauptung, der Arbeitsplatz sei als Vollzeitarbeitsplatz ausgestaltet9, es gebe eine abweichende unternehmerische Vorstellung von der „richtigen“ Arbeitszeitverteilung10 oder der Verwaltungsaufwand erhöhe sich. Die Gründe für die Ablehnung des Teilzeitverlangens müssen über die typischen mit einer Teilzeittätigkeit verbundenen Folgen hinausgehen. 1 Vgl. BT-Drucks. 14/4374, S. 17; BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 636/02, BAGE 108, 103 = NZA 2004, 975; BAG v. 16.3.2003 – 9 AZR 323/03, BAGE 110, 45 = NZA 2004, 1047; BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225; BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 30/06, NZA 2007, 259; BAG v. 13.10.2009 – 9 AZR 910/08; Rolfs, TzBfG, § 8 Rz. 29; aA Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 137. 2 BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225. 3 Vgl. hierzu LAG Nds. v. 18.11.2002 – 17 Sa 487/02, BB 2003, 905 (906). 4 Vgl. Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 73 ff.; Straub, FS AG Arbeitsrecht, S. 184 (198 ff.). 5 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 644/03, BAGE 113, 11 = NZA 2005, 769. 6 Für eine Orchestermusikerin: BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225. 7 ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 38; Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 72; Sievers, § 8 Rz. 103; aA Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 156. 8 LAG Köln v. 23.12.2005 – 9 Ta 397/05, LAGE § 8 TzBfG Nr. 16; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 26. 9 LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002 – 3 Sa 161/02, NZA 2002, 856; Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 52. 10 BAG v. 9.12.2003 – 9 AZR 16/03, BAGE 109, 81 = NZA 2004, 921; BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 323/03, BAGE 110, 45 = NZA 2004, 1047.
532 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 46
Teil 5 A
In der Praxis spielt überwiegend die Ablehnung des Teilzeitverlangens we- 44 gen eines angeblich entgegenstehenden, unternehmerischen Konzepts eine Rolle. Das BAG nimmt in ständiger Rechtsprechung die Überprüfung der Ablehnungsentscheidung anhand eines dreistufigen Schemas vor1. Dieses Schema gilt gleichermaßen für die Ablehnung des Teilzeitverlangens als auch für die Ablehnung des konkreten Verteilungswunsches2. Auf der ersten Stufe ist danach zu fragen, welches betriebliche Organisati- 45 onskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt. Unter Organisationskonzept wird das Konzept verstanden, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Es muss die Arbeitszeitregelung bedingen, dh., es setzt einen bestimmten zeitlichen Arbeitsumfang oder eine bestimmte Arbeitszeitverteilung voraus. Ob ein solches Konzept besteht, auch tatsächlich durchgeführt wird und ob sich daraus das vorgetragene Arbeitszeitmodell ergibt, ist arbeitsgerichtlich voll zu überprüfen. In der Praxis stellt sich die Darlegung eines schlüssigen Organisationskonzepts und seiner tatsächlichen Umsetzung am schwierigsten dar3. Wenn dies jedoch gelingt, sind die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers, welche Aufgaben er betrieblich verfolgt, und die sich daraus ergebenden Folgeentscheidungen hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind4. Auf der zweiten Stufe ist zu untersuchen, inwieweit die als erforderlich angesehene Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Die Arbeitsgerichte müssen insoweit der Frage nachgehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes die betrieblich erforderliche Arbeitszeitregelung unter Wahrung des Organisationskonzeptes mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann. Unzumutbar ist beispielsweise der Ausspruch von (Änderungs-) Kündigungen gegenüber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern oder die Anordnung von Überstunden. Zumutbar ist hingegen die Einstellung einer geeigneten Ersatzkraft. Kann der Arbeitgeber jedoch beweisen, dass er sich hinreichend, indes erfolglos um eine geeignete Ersatzkraft bemüht hat, kann dies dem Teilzeitverlangen entgegenstehen5. Dies setzt im Regelfall zumindest die (belegbar) erfolglose Nachfrage bei der Agentur für Arbeit sowie eine inner1 St. Rspr. seit BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392; BAG v. 19.8.2003 – 9 AZR 542/02, ZTR 2004, 542; BAG v. 13.10.2009 – 9 AZR 910/08; kritisch Hanau, RdA 2005, 301 (303 f.); Schunder, FS AG Arbeitsrecht, S. 171 (175 f.). 2 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/03, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392; BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 323/03, BAGE 110, 45 = NZA 2004, 1047; Schunder, FS AG Arbeitsrecht, S. 171 (175). 3 Straub, FS AG Arbeitsrecht, S. 184 (197). 4 Vgl. LAG BW v. 4.11.2002 – 15 Sa 53/02, ArbRB online. 5 Vgl. ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 35; Lorenz, NZA-RR 2006, 281 (285). Laber
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46
Teil 5 A
Rz. 47
Teilzeit
und außerbetriebliche Stellenausschreibung voraus1. Für den öffentlichen Dienst wird in aller Regel eine überregionale oder gar bundesweite Ausschreibung notwendig sein. Dabei dürfen die Anforderungen an die Qualifikation der Ersatzkraft nicht höher gestellt werden als an die Qualifikation des bisherigen Stelleninhabers2. Eine Ersatzkraft ist auch dann als geeignet anzusehen, wenn sie unter Einsatz verhältnismäßiger Kosten geschult werden kann3. 47 Auf der dritten Stufe wird schließlich geprüft, ob durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept wesentlich beeinträchtigt werden, dh. der „Kern“ des Konzepts berührt wird4. Auf dieser dritten Stufe erfolgt keine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers5, sondern es wird allein auf die Beeinträchtigung des Organisationskonzepts abgestellt. Liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor, besteht kein Teilzeitanspruch („Alles-oderNichts-Prinzip“). Es ist demzufolge für die Entscheidung ohne Belang, aus welchen Gründen der Arbeitnehmer die Arbeitszeitverkürzung begehrt. 48 Diese Grundsätze werden von der Rechtsprechung ohne Modifikationen auch im Bereich des öffentlichen Dienstes angewendet. Als mögliche entgegenstehende betriebliche Konzepte – deren tatsächliche Durchführung vorausgesetzt – wurden von der Rechtsprechung im Bereich des öffentlichen Dienstes bislang pädagogische Konzepte (sog. Mentorenprinzip)6 und spezielle Konzepte zur Betreuung kranker oder pflegebedürftiger Menschen (zB wegen des Aufbaus eines Nähe- und Vertrauensverhältnisses)7 anerkannt. 49 Eine Konkretisierung – nicht Einschränkung – der entgegenstehenden betrieblichen Gründe kann nur durch Tarifvertrag erfolgen (§ 8 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 TzBfG), nicht jedoch durch Arbeitsvertrag oder eine Betriebsoder Dienstvereinbarung. Die Tarifverträge im öffentlichen Dienst sehen derartige Konkretisierungen nicht vor. Als Konkretisierung ist zB eine tarifvertragliche Überforderungsklausel anzusehen, wonach eine bestimmte Anzahl von Teilzeitkräften im Betrieb oder in der Dienststelle nicht überschritten werden darf8. Tarifvertraglich konkretisierte Ablehnungsgründe 1 Vgl. BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225; Lorenz, NZA-RR 2006, 281 (285). 2 Vgl. ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 36; Sievers, § 8 Rz. 80. 3 Vgl. Lorenz, NZA-RR 2006, 281 (285). 4 So BAG v. 19.8.2003 – 9 AZR 542/02, ZTR 2004, 542. 5 BAG v. 9.12.2003 – 9 AZR 16/03, BAGE 109, 81 = NZA 2004, 921; Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 147; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 25; Sievers, § 8 Rz. 69; aA Schunder, FS AG Arbeitsrecht, S. 171 (175). 6 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; BAG v. 19.8.2003 – 9 AZR 542/02, ZTR 2004, 542. 7 BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 118. 8 Vgl. BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225; BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 138/06, BB 2007, 1001; Beckschulze, DB 2003, 2598 (2601); aA ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 58; Sievers, TzBfG, § 8 Rz. 73.
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II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 52
Teil 5 A
lösen indes nicht die Sperrfrist des § 8 Abs. 6 TzBfG aus, wenn sie faktisch zu einer Beeinträchtigung des Anspruchs führen1. Eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit kann 50 den Arbeitgeber berechtigen, das Verlangen des Arbeitnehmers auf wunschgerechte Verteilung der nach § 8 TzBfG verringerten Arbeitszeit abzulehnen, wenn die begehrte Lage der Arbeitszeit mit der Betriebs- oder Dienstvereinbarung nicht zu vereinbaren ist2. Dagegen soll die fehlende Zustimmung des Betriebs- bzw. Personalrates zur Verkürzung der Arbeitszeit keinen betrieblichen Grund darstellen, da andernfalls der Betriebsrat über den Teilzeitanspruch entscheiden würde3. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang § 22 Abs. 2 TzBfG: Danach gilt 51 eine in einem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst enthaltene Konkretisierung der entgegenstehenden betrieblichen Gründe auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern außerhalb des öffentlichen Dienstes, wenn die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tariflichen Bestimmungen – also zB der TVöD nebst Zusatztarifverträgen – zwischen ihnen einzelvertraglich vereinbart und der Arbeitgeber Zuwendungsempfänger im Sinne des Haushaltsrechts ist. e) Prozessuale Geltendmachung und Durchsetzung Der Arbeitnehmer kann sein Teilzeitzeitbegehren gerichtlich im Wege der Leistungsklage, die auf Abgabe der Zustimmungserklärung durch den Arbeitgeber gerichtet ist, durchsetzen. Mit Rechtskraft des Urteils gilt die Zustimmung als abgegeben (§ 894 ZPO). Bis zur Klärung muss der Arbeitnehmer die Arbeit aber im bisherigen Umfang leisten. Beispiele für (Leistungs-)Klageantrag: „Es wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag des Klägers auf Verringerung seiner vertraglichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf 20 Stunde pro Woche bei einer Verteilung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr zuzustimmen.“ Begehrt der Arbeitnehmer nur eine Arbeitszeitverringerung, ohne dass es ihm auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit ankommt, muss er im Klageantrag keine Angaben zur Arbeitszeitverteilung machen. Die Klage ist nicht unbestimmt, weil die Verteilung der Arbeitszeit damit in das Er1 BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 138/06, BB 2007, 1001; aA Haußmann, BB 2007, 1004 (1005). 2 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392; BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 323/03, BAGE 110, 45 = NZA 2004, 1047; BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07, NZA 2009, 565; Lorenz, NZA-RR 2006, 281 (287); Preis/Gotthardt, DB 2001, 145 (149); Rolfs, § 8 Rz. 35. 3 LAG Schl.-Holst. v. 1.3.2007 – 4 SaGa 1/07. Laber
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52
Teil 5 A
Rz. 53
Teilzeit
messen des Arbeitgebers gestellt wird und seinem Direktionsrecht unterliegt1. Beispiel für Klageantrag: „Es wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag des Klägers auf Verringerung seiner vertraglichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf 20 Stunden pro Woche zuzustimmen.“
Nicht zulässig dürfte jedoch die folgende Kombination der beiden Anträge sein, da der Verteilungswunsch als bloßer Annex nicht von dem Verringerungswunsch getrennt werden kann, so dass eine Ablehnung des Verteilungswunsches zugleich eine Ablehnung des Verringerungswunsches beinhaltet2.
„Es wird beantragt: 1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers auf Verringerung seiner vertraglichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf 20 Stunden pro Woche zuzustimmen. 2. Die Beklagte wird – hilfsweise für den Fall des Obsiegens – verurteilt, die Verteilung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr festzulegen.“
Der 9. Senat des BAG führt dazu Folgendes an: Verlange ein Arbeitnehmer die Verringerung seiner Arbeitszeit und die Neufestlegung der zu verringernden Arbeitszeit, so stelle dies einen Antrag auf entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages dar. Dieser könne vom Arbeitgeber gemäß § 150 Abs. 2 BGB nur unverändert angenommen werden. Verknüpfe der Arbeitnehmer beide Begehren miteinander, so könne der Arbeitgeber darüber nur einheitlich entscheiden. Die gerichtliche Aufspaltung eines einheitlichen Klageantrages auf Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit und zur Festlegung der Arbeitszeit in einen Antrag auf Zustimmung und einen auf Festlegung, verstoße gegen § 308 ZPO3. 53 Ferner gebietet es das Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO nicht, dass der Arbeitnehmer den Zeitpunkt benennt, zu dem die erstrebte Vertragsänderung wirksam werden soll4. Fehlt im Antrag das Datum, zu dem die 1 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225; BAG v. 21.6.2005 – 9 AZR 409/04, NZA 2006, 316; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 51. 2 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392; Schunder, FS AG Arbeitsrecht, S. 171 (178); aA Sievers, § 8 Rz. 128. 3 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02, BAGE 105, 107 = NZA 2003, 1392. 4 BAG v. 21.6.2005 – 9 AZR 409/04, NZA 2006, 316; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 51.
536 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 56
Teil 5 A
Vertragsänderung in Kraft treten soll, ergibt sich der Zeitpunkt der Vertragsänderung aus § 894 ZPO: Der Vertrag ändert sich mit Eintritt der Rechtskraft des stattgebenden Urteils. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB ab 1.1.2002 ist nunmehr auch ein Antrag auf Verurteilung zu einer rückwirkenden Verringerung der Arbeitszeit zulässig1. Der Arbeitnehmer soll nach der Rechtsprechung des BAG nicht an seinen 54 ursprünglichen Arbeitszeitwunsch gebunden sein. So soll er nach Durchführung der Erörterung gemäß § 8 Abs. 3 TzBfG mit dem Arbeitgeber gerichtlich einen anderen Arbeitszeitwunsch geltend machen können, sofern er Erkenntnisse berücksichtigt, die sich aus der zuvor durchgeführten Erörterung ergeben haben2. Die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen 55 trägt der Arbeitnehmer, die für das Vorliegen der entgegenstehenden betrieblichen Gründe der Arbeitgeber3. Dies gilt für alle drei Stufen. Der Arbeitgeber muss also nicht nur sein betriebliches Organisationskonzept und dessen tatsächliche Durchführung darlegen. Er muss auch darlegen und ggf. beweisen, dass er nicht durch zumutbare Änderungen des Personaleinsatzes oder betrieblicher Abläufe dem Teilzeitverlangen nachkommen konnte. Maßgeblich für diese Beurteilung ist jeweils der Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnungsentscheidung4. Ändern sich die Umstände nach der Ablehnungsentscheidung ist dies unerheblich, soweit es um Änderungen zugunsten des Arbeitnehmers geht (zB späterer Wegfall des betrieblichen Grundes). Änderungen zugunsten des Arbeitgebers (zB besteht nunmehr ein betrieblicher Grund) können dagegen – wie sich aus § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG ergibt – in engen Grenzen berücksichtigt werden, soweit sie die Verteilung, nicht dagegen soweit sie die Verringerung der Arbeitszeit betreffen. Es ist dann zu prüfen, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn der Arbeitgeber dem Wunsch des Arbeitnehmers ursprünglich entsprochen hätte. Könnte er in diesem Fall die Arbeitszeit ändern, so kann er diese Umstände auch in den Prozess einführen, in dem der Arbeitnehmer auf Erteilung seiner Zustimmung klagt5. Die Frage, ob und wann die Zustimmung des Arbeitgebers zur Verringerung der Arbeitszeit im Wege der einstweiligen Verfügung in Form einer Leistungsverfügung durchgesetzt werden kann, ist umstritten, da bei Erlass 1 BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225; BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 686/05, NZA 2007, 253. 2 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, BAGE 105, 133 = NZA 2003, 911; Küttner/Reinecke, Teilzeitbeschäftigung Rz. 31; krit. Mengel, BB 2003, 1847 (1848). 3 BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, BAGE 111, 260 = NZA 2004, 1090; ArbG Stuttgart v. 5.7.2001 21 – Ca 2762/01, NZA 2001, 968; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 55; Rolfs, § 8 Rz. 54. 4 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, BAGE 105, 133 = NZA 2003, 911; BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 636/02, BAGE 108, 103 = NZA 2004, 975; BAG v. 9.12.2003 – 9 AZR 16/03, BAGE 109, 81 = NZA 2004, 921; BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 522/03, BAGE 110, 232 = NZA 2004, 1225; aA Diller, NZA 2001, 589 (590); Rolfs, § 8 Rz. 55. 5 BAG v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02, BAGE 105, 133 = NZA 2003, 911. Laber
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Teil 5 A
Rz. 57
Teilzeit
einer einstweiligen Verfügung die Hauptsache regelmäßig vorweggenommen wird. Teilweise wird daher die Möglichkeit der Durchsetzung des Teilzeitverlangens im Verfügungsverfahren abgelehnt1. Die Rechtsprechung lässt jedoch inzwischen überwiegend die Durchsetzung des Teilzeitverlangens im Wege einer einstweiligen Verfügung zu, wenn die Verringerung der Arbeitszeit aus familiären Gründen dringend und unumgänglich ist2, zB weil ansonsten keine zuverlässige Betreuung für das Kind möglich ist, und ein Obsiegen des Arbeitnehmers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. An den antragstellenden Arbeitnehmer werden indes hohe Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes gestellt3. Der Ausspruch, dem Teilzeitverlangen nachzukommen, erfolgt regelmäßig nur befristet bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache4.
„Es wird beantragt: Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Arbeitszeit des Antragstellers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens von 40 auf 20 Stunden zu verringern und die Verteilung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag auf 8.00 bis 12.00 Uhr festzulegen.“
f) Erneute Verringerung nach § 8 Abs. 6 TzBfG 57 Nach § 8 Abs. 6 TzBfG kann der Arbeitnehmer eine – weitere oder erneute – Verringerung seiner Arbeitszeit frühestens nach einer Sperrfrist von zwei Jahren verlangen, nachdem der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat. Mit dieser Sperrfrist soll der Arbeitgeber Sicherheit für eine Personalplanung und die betriebliche Ordnung erhalten. Erfasst von § 8 Abs. 6 TzBfG wird daher nicht nur die Zustimmung durch Erklärung des Arbeitgebers, sondern auch die fingierte Zustimmung oder die durch rechtskräftiges Urteil ersetzte Zustimmung (§ 894 ZPO)5.
1 Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 263 ff.; Berger-Delhey, ZTR 2002, 371 (372); Mues, ArbRB 2002, 15; Rolfs, RdA 2001, 129 (136). 2 LAG Berlin v. 20.2.2002 – 4 Sa 2243/01, NZA 2002, 858; LAG Berlin v. 31.8.2006 – 14 Ta 1560/06, ZTR 2006, 667 (Ls.); LAG Hamburg v. 4.9.2006 – 4 Sa 41/06, NZARR 2007, 122; LAG Köln v. 23.12.2005 – 9 Ta 397/05, LAGE § 8 TzBfG Nr. 16; LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002 – 3 Sa 161/02, NZA 2002, 856; ebenso ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 52; Küttner/Reinecke, Teilzeitbeschäftigung Rz. 54; Ziemann, ArbRB 2002, 30 (32). 3 Vgl. LAG Berlin v. 31.8.2006 – 14 Ta 1560/06, ZTR 2006, 667 (Ls.); LAG Hamburg v. 4.9.2006 – 4 Sa 41/06; NZA-RR 2007, 122; LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002 – 3 Sa 161/02, NZA 2002, 856; LAG Rh.-Pf. v. 4.1.2006 – 9 Sa 998/05; zu Einzelheiten vgl. Tiedemann, ArbRB 2006, 284 (285). 4 LAG Rh.-Pf. v. 12.4.2002 – 3 Sa 161/02, NZA 2002, 856; Schunder, FS AG Arbeitsrecht, S. 171 (179). 5 ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 48; Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 106; Sievers, § 8 Rz. 168.
538 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 60
Teil 5 A
Die Sperrfrist gilt nur für Teilzeitverlangen nach dem TzBfG. Macht also ein Arbeitnehmer nach einem erfolgreichen oder erfolglosen Teilzeitverlangen nach § 8 TzBfG einen tarifvertraglichen oder spezialgesetzlichen Teilzeitanspruch (zB nach dem BEEG) geltend, so muss die Zweijahresfrist nicht eingehalten werden1. Ebenso kann der Arbeitnehmer im umgekehrten Fall ohne Einhaltung der Zweijahresfrist einen Antrag nach § 8 Abs. 5 TzBfG stellen, nachdem seine Arbeitszeit zuvor bereits nach § 11 TVöD bzw. TV-L oder § 15b BAT/BAT-O verringert wurde2.
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g) Änderungsrecht des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG Der Arbeitgeber kann die neu – kraft Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG 59 oder einvernehmlich nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TzBfG – festgelegte Verteilung der Arbeitszeit wieder einseitig unter Wahrung einer einmonatigen Ankündigungsfrist formfrei ändern, wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der bisherigen Verteilung der Arbeitszeiten erheblich überwiegt. Das Änderungsrecht steht dem Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG auch zu, wenn der Arbeitnehmer die Verteilung der Arbeitszeit gerichtlich durchgesetzt hat3. Es handelt sich bei dem Änderungsrecht um eine besondere, eingeschränkte Form des Direktionsrechts, das allerdings insoweit erweitert ist, als dass es auch in einvernehmlich festgelegte oder gerichtlich durchgesetzte Regelungen zur Arbeitszeitverteilung einseitig eingreifen kann4. Die Dauer der Arbeitszeit kann durch den Arbeitgeber nicht gemäß § 8 Abs. 5 Satz 4 TzBfG verändert werden. Nach Ablauf der Monatsfrist wird die Änderung der Arbeitszeitverteilung wirksam. Das Änderungsrecht findet nur auf Teilzeitbeschäftigte Anwendung, die ihre Arbeitszeit zuvor nach § 8 TzBfG reduziert haben; auf andere Teilzeitarbeitsverhältnisse ist es nicht übertragbar, so dass es dort bei den allgemeinen Grundsätzen zum Direktionsrecht bei der Arbeitszeitverteilung verbleibt5. h) Verlängerungsanspruch nach § 9 TzBfG Der Verringerungsanspruch nach § 8 TzBfG kann vom Arbeitnehmer nur 60 für unbefristete Zeit geltend gemacht werden. Möchte der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer seine Arbeitszeit (wieder) verlängern6, kann er dies dem Arbeitgeber formfrei anzeigen. Die Anzeige muss sich nicht auf einen
1 Rolfs, RdA 2001, 129 (139). 2 Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 106; Sievers, § 8 Rz. 166. 3 Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 99; Preis/Gottwald, DB 2001, 145 (148); Sievers, § 8 Rz. 152. 4 Annuß/Thüsing/Mengel, § 8 Rz. 185; Rolfs, RdA 2001, 129 (137). 5 Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 97; Rolfs, § 8 Rz. 38; Sievers, § 8 Rz. 152; aA Straub, NZA 2001, 919 (920). 6 Der Anspruch steht auch dem von Beginn an nur in Teilzeit eingestellten Beschäftigten zu, vgl. ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rz. 3; Küttner/Reinecke, Teilzeitbeschäftigung Rz. 59; Rolfs, RdA 2001, 129 (139); Sievers, § 9 Rz. 3. Laber
539
Teil 5 A
Rz. 61
Teilzeit
bestimmten Arbeitsplatz und einen bestimmten Zeitpunkt beziehen1. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, den Arbeitnehmer gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG über einen entsprechenden freien Arbeitsplatz zu informieren und ihn bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen (§ 9 TzBfG), es sei denn, es stehen dem Verlängerungsverlangen dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegen (Vorzugsrecht). 61 Im öffentlichen Dienst ist gleiche Eignung zu bejahen, wenn der Teilzeitbeschäftigte im Vergleich zu dem besten Mitbewerber über insgesamt dieselben persönlichen und fachlichen Fähigkeiten, theoretischen und praktischen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfügt und im bisherigen Berufsleben dieselben Leistungen erbracht hat. Insoweit kann zB auf die Bundeslaufbahnverordnung2 und die Rechtsprechung des BAG3 zur Konkurrentenklage (Art. 33 Abs. 2 GG, Prinzip der Bestenauslese) zurückgegriffen werden4. 62 Es handelt sich bei § 9 TzBfG um einen durchsetzbaren Anspruch auf Zustimmung zur Verlängerung der Arbeitszeit und nicht lediglich um einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung5. Der Arbeitgeber ist aber nicht verpflichtet, einen entsprechenden Arbeitsplatz überhaupt erst einzurichten oder vorhandene Arbeitsplätze entsprechend neu zuzuschneiden6. Er kann auch bei erhöhtem Personalbedarf grundsätzlich frei entscheiden, welche Maßnahmen er zu dessen Deckung ergreift7. Der Wunsch auf Verlängerung der Arbeitszeit muss mithin nicht bereits bei der Personalplanung, sondern grundsätzlich erst „bei“ der Besetzungsentscheidung berücksichtigt werden8. Das Organisationsermessen des Arbeitgebers besteht indes nicht uneingeschränkt, sondern ist auf arbeitsplatzbezogene Gründe beschränkt und darf nicht zur Umgehung des § 9 TzBfG genutzt werden9. Nicht ohne weiteres zulässig ist es daher, neue Teilzeitarbeitsplätze einzurichten, anstatt die Arbeitszeiten aufstockungswilliger Arbeitnehmer zu verlängern10. 1 LAG Düsseldorf v. 23.3.2006 – 5 (3) Sa 13/06, FA 2006, 285 (Ls.); Meinel/Heyn/ Herms, § 9 Rz. 15. 2 Rolfs, RdA 2001, 129 (140). 3 Vgl. BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, BAGE 87, 171 = NZA 1998, 882; Laber, ArbRB 2006, 221. 4 Dessau, ZTR 2001, 64 (67). 5 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255; BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 575/05, DB 2007, 1140; BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 874/06; ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rz. 2; Kliemt, NZA 2001, 63 (68). 6 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255; LAG Berlin v. 9.6.2006 – 6 Sa 445/06, NZA-RR 2007, 12; ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rz. 6. 7 BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 575/05, DB 2007, 1140; ErfK/Preis, § 9 Rz. 6; aA Buschmann/Dieball/Stevens-Bartol, § 9 TzBfG Rz. 2, 22. 8 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255. 9 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255; BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 575/05, DB 2007, 1140. 10 BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 575/05, DB 2007, 1140; aA ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rz. 6.
540 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 65
Teil 5 A
Begehren mehrere Teilzeitbeschäftigte die Aufstockung ihrer Arbeitszeit, 63 ist dagegen der Arbeitgeber in seiner Entscheidung frei, wessen Arbeitszeit er verlängert. Eine Sozialauswahl muss er nicht vornehmen1. Auch die Grundsätze billigen Ermessens müssen nicht eingehalten werden2. Eine Verpflichtung zur gleichmäßigen Verteilung des gestiegenen Arbeitszeitvolumens besteht ebenfalls nicht3. Nicht erforderlich ist es, dass die Vergütung des Vollzeitarbeitsverhältnisses nach den bisherigen für das Teilzeitarbeitsverhältnis geltenden Grundsätzen gewährt wird4. Dringende betriebliche Gründe stehen einer Verlängerung entgegen, wenn 64 die Verlängerung den Arbeitsablauf oder die Sicherheit wesentlich beeinträchtigen oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. In Betracht kommen auch vorrangige Ansprüche Dritter, wie ein Reduzierungsverlangen eines anderen Arbeitnehmers5, ein bestehender Personalüberhang6 oder die Unentbehrlichkeit des Arbeitnehmers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz7. Wurde das Verlängerungsverlangen zu Unrecht abgelehnt, kann der Arbeit- 65 nehmer Leistungsklage gerichtet auf Zustimmung des Arbeitgebers zur vom Arbeitnehmer angebotenen Vertragsänderung erheben, die Besetzung der Stelle im einstweiligen Verfügungsverfahren verhindern8 und im Wege einer arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers kontrollieren lassen9. Der Anspruch erlischt, sobald der Arbeitgeber die freie Stelle mit einem anderen Arbeitnehmer – sei es zu Recht, sei es zu Unrecht – endgültig besetzt hat10. Hat der Arbeitgeber den Arbeitsplatz unter Verletzung des § 9 TzBfG anderweitig besetzt, kann dem Arbeitnehmer aber ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 276 BGB in Höhe der angemessenen Vergütung, die ggf. durch Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln ist, zustehen11. Allerdings muss der Arbeitnehmer schlüssig darlegen und beweisen, dass er einen Anspruch auf Übertragung der freien Stelle hatte12. Dies setzt voraus, dass jede andere Auswahlentscheidung des Arbeitgebers rechtswidrig gewesen wäre. Aufgrund des wei-
1 ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rz. 8. 2 BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 575/05, DB 2007, 1140; aA Annuß/Thüsing/Jacobs, § 9 Rz. 30; Sievers, § 8 Rz. 16. 3 BAG v. 13.2.2007 – 9 AZR 575/05, DB 2007, 1140. 4 BAG v. 8.5.2007 – 9 AZR 874/06. 5 Rolfs, RdA 2001, 129 (140). 6 LAG München v. 4.5.2006 – 2 Sa 1164/05, AuA 2006, 489. 7 BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255. 8 ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rz. 13; Sievers, § 9 Rz. 29. 9 ErfK/Preis, § 9 TzBfG Rz. 13; Rolfs, RdA 2001, 129 (140); zweifelnd: Küttner/ Reinecke, Teilzeitbeschäftigung Rz. 62. 10 Laber, ArbRB 2006, 221 (223); Sievers, § 9 Rz. 19. 11 LAG Berlin v. 2.12.2003 – 3 Sa 1041/03, ArbuR 2004, 468; LAG Düsseldorf v. 23.3.2006 – 5 (3) Sa 13/06, FA 2006, 285 (Ls.); Sievers, § 9 Rz. 19. 12 LAG Bdb. v. 3.11.2005 – 9 Sa 379/05; LAG Hamm v. 11.10.2005 – 12 Sa 769/05; Laber, ArbRB 2006, 221 (223). Laber
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Teil 5 A
Rz. 66
Teilzeit
ten Beurteilungs- und Ermessensspielraums des öffentlichen Arbeitgebers wird man dies nur in Ausnahmefällen annehmen können1. 2. Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 4–7 BEEG 66 Der Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 4–7 BEEG dient dem Zweck, erwerbstätigen Eltern die Betreuung und Erziehung ihres Kindes zu ermöglichen. Er kann nur im Rahmen der Elternzeit geltend gemacht werden. Die Elternzeit führt zu einer Freistellung von der Arbeitspflicht und kraft Gesetzes zu einem Ruhen der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Das Arbeitsverhältnis und damit auch die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit bleiben jedoch bestehen2. 67 Es ist zu differenzieren zwischen dem „Anspruch“ auf Elternzeit, der durch einseitiges Verlangen des Arbeitnehmers durchgesetzt wird3, und dem Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit (Elternteilzeit). Es kann daher (1) nur der Anspruch auf Elternzeit oder (2) ein Anspruch auf Elternzeit unter der Bedingung der Gewährung der gewünschten Teilzeitarbeit oder (3) ein Anspruch auf Elternzeit und auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit geltend gemacht werden. Im letztgenannten Fall wird bei einer berechtigten Ablehnung der Teilzeitarbeit die Elternzeit mit einer vollständigen Freistellung begründet4. Nicht möglich ist es dagegen, zunächst einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gemäß § 15 Abs. 4–7 BEEG vor dem Antrag auf Elternzeit zu stellen5. a) Anspruchsvoraussetzungen 68 Der Teilzeitanspruch nach § 15 Abs. 4–7 BEEG setzt voraus, dass sich der Arbeitnehmer in Elternzeit befindet. Die Voraussetzungen der Elternzeit gemäß § 15 Abs. 1–3 BEEG müssen also vorliegen6. Ferner muss – wie für den allgemeinen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG – der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer7 beschäftigen und das Arbeitsverhältnis 1 Laber, ArbRB 2006, 221 (224). 2 BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NJW 2006, 1832 = NZA 2005, 1354; BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NJW 2006, 3595; Joussen, NZA 2005, 336 (337); Küttner/ Reinecke, Elternzeit Rz. 5. 3 Er stellt daher eigentlich keinen Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht dar (vgl. BAG v. 15.4.2008 – 9 AZR 380/07, NZA 2008, 998; BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NJW 2006, 3595; Joussen, NZA 2005, 336 (337)); vgl. auch Küttner/Reinecke, Elternzeit Rz. 4 „Selbstbeurlaubungsrecht“. 4 Oberthür, ArbRB 2005, 189. 5 LAG BW v. 23.11.2006 – 7 Sa 95/06. 6 Vgl. zu den Voraussetzungen Lindemann/Simon, NJW 2001, 258 f. 7 Maßgeblich ist die Kopfzahl, so dass auch Teilzeit- und Aushilfskräfte mitzählen, vgl. LAG Hamm v. 15.8.2006 – 9 Sa 1553/05.
542 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 72
Teil 5 A
in demselben Betrieb oder Unternehmen länger als sechs Monate bestanden haben (§ 15 Abs. 7 BEEG)1. Der Arbeitnehmer kann die Dauer der Elternteilzeit selbst bestimmen. Sie 69 muss aber mindestens zwei Monate dauern2. Die Höchstdauer wird durch die Dauer der Elternzeit bestimmt. Die Wochenarbeitszeit muss zwischen 15–30 Wochenstunden betragen (§ 15 Abs. 7 BEEG). Bereits im Antrag auf Arbeitszeitverringerung hat der Arbeitnehmer die Dauer der gewünschten Elternteilzeit und deren Umfang anzugeben. An die Erklärungen in diesem Antrag ist er gebunden3. Im Gegensatz zum allgemeinen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG besteht 70 kein Anspruch auf eine bestimmte Arbeitszeitverteilung. Die gewünschte Verteilung der reduzierten Arbeitszeit soll zwar angegeben werden, die konkrete Verteilung unterliegt aber dem Direktionsrecht des Arbeitgebers4. Im Rahmen der Ermessensausübung sind vom Arbeitgeber die familiären Belange des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen5. Im Rahmen des § 15 Abs. 7 BEEG bedeutet dies eine Bindung an dringende betriebliche Gründe6. Das Antragsverfahren für die Reduzierung der Arbeitszeit ist gesetzlich etwas ungewöhnlich ausgestaltet: Zunächst soll innerhalb von vier Wochen nach einem – formlosen – Antrag des Arbeitnehmers ein Einigungsversuch stattfinden (§ 15 Abs. 5 Satz 1, 2 BEEG). Wenn jedoch nach vier Wochen keine Einigung zustande kommt, kann der Arbeitnehmer über einen förmlichen Teilzeitantrag (§ 15 Abs. 7 BEEG) versuchen, die Zustimmung zu erzwingen („streitiges Anspruchsverfahren“). Dieses Verfahren ist indessen nicht zwingend. Es ist nach § 15 Abs. 5 Satz 3 BEEG auch möglich, die formlose Geltendmachung direkt mit dem Antrag nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG zu verbinden.
71
Das streitige Anspruchsverfahren beginnt mit einem schriftlichen Antrag. Der Antrag muss sieben Wochen vor Beginn der Tätigkeit gestellt werden (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG). Stellt der Arbeitnehmer den Antrag verspätet, ist dieser nicht unwirksam, sondern kann wie ein Antrag nach § 8 TzBfG so ausgelegt werden, dass er sich hilfsweise auf den Zeitpunkt bezieht, zu dem der Arbeitnehmer die Verringerung frühestens verlangen kann7.
72
1 2 3 4
Zur Frage der Berechnung der „Wartezeit“ siehe Feldhoff, ZTR 2006, 58 (61). Nach § 15 Abs. 7 Nr. 3 BErzGG drei Monate. BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413 = NJW 2006, 3595. BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413 = NJW 2006, 3595; LAG BW v. 23.11.2006 – 7 Sa 95/06; Oberthür, ArbRB 2005, 189 (190); aA Leßmann, DB 2001, 94 (96): analoge Anwendung des § 8 Abs. 4 TzBfG. 5 LAG Hamm v. 28.7.2003 – 8 Sa 1493/02, ArbRB online. 6 Vgl. Reinecke, FS Leinemann, S. 191 (198). 7 Oberthür, ArbRB 2005, 189 (190); ausdrücklich offen gelassen von BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 626/03, BAGE 111, 260 = NZA 2004, 1090. Laber
543
Teil 5 A
Rz. 73
Teilzeit
73 Ebenfalls wie nach § 8 TzBfG muss das Teilzeitverlangen so konkret formuliert sein, dass es mit einem bloßen „Ja“ des Arbeitgebers angenommen werden kann, oder es muss die Festlegung der Einzelheiten erkennbar dem Antragsempfänger übertragen werden (§ 145 BGB)1. Die spätere gerichtliche Geltendmachung des Verringerungsanspruchs kann aber ein möglicherweise nicht hinreichend bestimmtes schriftliches Verlangen nach § 15 Abs. 7 BEEG ersetzen2. 74 Nach § 15 Abs. 6 BEEG kann der Arbeitnehmer während der Gesamtdauer der Elternzeit insgesamt zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen, da die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht abschließend absehen können, wann und in welchem Umfang eine Teilzeittätigkeit möglich ist. Die Sperrzeit des § 8 Abs. 6 TzBfG ist nicht anwendbar. 75 Nach Beendigung der Teilzeittätigkeit muss der Arbeitnehmer zu seiner Arbeitszeit zurückkehren, die vor Beginn der Elterzeit bestanden hat (§ 15 Abs. 5 BEEG). Es besteht also kein Recht auf Fortführung der Teilzeitarbeit nach Beendigung der Elternzeit3. Unbenommen bleibt dem Arbeitnehmer jedoch, entweder drei Monate vor dem Ende der Elternzeit den allgemeinen Teilzeitanspruch nach § 8 Abs. 1 TzBfG4, den tarifvertraglichen Teilzeitanspruch oder den sich aus Gleichstellungs- bzw. landesrechtlichen Frauenfördergesetzen ergebenden Teilzeitanspruch geltend zu machen. b) Ablehnung des Teilzeitarbeitsverlangens 76 Die Ablehnung des Teilzeitarbeitsverlangens hat nach § 15 Abs. 7 Satz 4 BEEG schriftlich mit einer konkreten Begründung innerhalb von vier Wochen nach Antragstellung zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann einen Antrag auf Elternteilzeit nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. Diese sollen etwa dann vorliegen, wenn der Arbeitsplatz nicht teilbar ist oder der Arbeitnehmer mit der verringerten Arbeitszeit nicht mehr in die Organisation des Arbeitgebers eingegliedert werden kann5. Allerdings sieht § 15 BEEG keine Fiktion der Zustimmung vor. Das heißt, dass der Arbeitgeber nicht sanktioniert wird, wenn er nicht oder verspätet auf den Antrag reagiert oder seine Entscheidung nicht oder unzutreffend begründet. Denkbar ist allenfalls, dass der Arbeitgeber an seine Ablehnungsgründe in einem anschließenden Prozess gebunden und mit weiterem Vorbringen präkludiert ist6.
1 BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NJW 2006, 1832 = NZA 2005, 1354; Oberthür, ArbRB 2005, 189. 2 BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 184/04, AP Nr. 43 zu § 15 BErzGG; beim Verringerungsanspruch nach § 8 TzBfG ist dies nicht möglich. 3 Gaul/Wisskirchen, BB 2000, 2466 (2468); Meinel/Heyn/Herms, § 23 Rz. 12. 4 Meinel/Heyn/Herms, § 23 Rz. 12. 5 Vgl. BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07. 6 Oberthür, ArbRB 2005, 189 (191); aA LAG BW v. 23.11.2006 – 7 Sa 95/06; Leßmann, DB 2001, 94 (96).
544 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 80
Teil 5 A
Fraglich ist, ob das für § 8 TzBfG vom BAG entwickelte dreistufige Prü- 77 fungsschema (Rz. 44 ff.) auf den Teilzeitanspruch gemäß § 15 BEEG übertragen werden kann. Entscheidungen hierzu liegen – soweit ersichtlich – bislang nicht vor. Aufgrund der ähnlichen Formulierung ist eine entsprechende Anwendung unter Zugrundelegung eines strengeren Maßstabs bezüglich der erforderlichen entgegenstehenden dringenden Belange zu befürworten, zumal das BAG auch für die insoweit gleich lautende Tarifvorschrift des § 15b BAT/BAT-O das dreistufige Prüfungsschema entsprechend modifiziert anwendet1 (vgl. Rz. 104). Das bedeutet etwa, dass der Arbeitgeber alle Möglichkeiten der betrieblichen Umorganisation prüfen muss. Den Interessen des Arbeitnehmers ist dabei regelmäßig im Hinblick auf Art. 6 GG der Vorrang zu gewähren, wenn er wegen der Betreuung des Kindes auf eine bestimmte Lage seiner Arbeitszeit angewiesen ist2. c) Prozessuale Geltendmachung und Durchsetzung Da § 15 Abs. 4–7 BEEG keine Zustimmungsfiktion wie im Rahmen des § 8 TzBfG bei nicht form- und fristgerechter Ablehnung vorsieht, muss der Arbeitnehmer zur Durchsetzung seines Teilzeitbegehrens Klage auf Zustimmung zum Teilzeitverlangen erheben (§ 894 ZPO). Möglich ist über § 311a Abs. 1 BGB nunmehr auch eine Klage auf rückwirkende Vertragsänderung mit der Folge, dass Annahmeverzugslohn geltend gemacht werden kann3.
78
Die Darlegungs- und Beweislast wird von der herrschenden Meinung wie beim allgemeinen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG verteilt. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss, dass dem Verlangen dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, da es sich um eine rechtshindernde Einwendung gegenüber dem Anspruch handelt4. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist wie bei § 8 TzBfG der Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung des Arbeitgebers5.
79
Der Anspruch kann in besonderen Fällen auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden6. Allerdings ist zu beachten, dass kein Verfügungsgrund besteht, wenn Elternzeit beantragt wurde, ohne diese durch Teilzeitarbeit zu bedingen7.
80
1 Ebenso Feldhoff, ZTR 2006, 58 (66, 69); Lorenz, NZA 2006, 281 (284). 2 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413 = NJW 2006, 3595. 3 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413 = NJW 2006, 3595; LAG BW v. 23.11.2006 – 7 Sa 95/06; Kolmhuber, FA 2006, 357 (358); Oberthür, ArbRB 2005, 189 (191). 4 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07; BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NZA 2006, 1413 = NJW 2006, 3595; LAG München v. 3.3.2004 – 9 Sa 782/03, ArbRB online; ErfK/ Dörner, § 15 BErzGG Rz. 24. 5 Reinecke, FS Leinemann, S. 191 (199). 6 Oberthür, ArbRB 2005, 189 (192); Küttner/Reinicke, Elternzeit Rz. 28; aA Annuß/ Thüsing/Lambrich, § 23 TzBfG Rz. 36; Kolmhuber, FA 2006, 357 (359); PetersLange/Rolfs, NZA 2000, 682 (684). 7 Oberthür, ArbRB 2005, 189 (192). Laber
545
Teil 5 A
Rz. 81
Teilzeit
d) Geltendmachung des Teilzeitanspruchs in der Elternzeit 81 Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitnehmer ein durch das vorangegangene Verlangen von Elternzeit ruhendes Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres einseitig dadurch wieder aufleben lassen, dass er die Fortsetzung der vor dem Beginn der Elternzeit ausgeübten Teilzeitbeschäftigung verlangt1. Allerdings kommt ein Anspruch auf Wiederaufnahme der während der Elternzeit unterbrochenen Teilzeitbeschäftigung dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für den gesetzlichen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit vorliegen2. 82 Der Arbeitnehmer kann auch dann, wenn er zunächst nur Elternzeit in Anspruch genommen hat, noch später den Anspruch auf Teilzeitarbeit nach § 15 Abs. 6 BEEG geltend machen3. Dies stellt keine unzulässige vorzeitige Beendigung der Elternzeit dar, sondern setzt das ruhende Arbeitsverhältnis wieder mit einer anderen Arbeitszeit in Vollzug. Wenn jedoch der Arbeitgeber für die Dauer der Elternzeit bereits eine Vollzeitvertretung eingestellt hat, die nicht bereit ist, ihre Arbeitszeit zu verringern, und keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind, kann sich der Arbeitgeber auf dringende betriebliche Gründe berufen, die dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen4. 3. Teilzeitanspruch Schwerbehinderter nach § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB IX 83 Der schwerbehinderte Arbeitnehmer iSv. § 2 SGB IX kann den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gemäß § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX formund fristlos geltend machen, ohne dass eine Zustimmung des Arbeitgebers zur Vertragsänderung erforderlich ist5. Er muss aber darlegen und beweisen, dass die Arbeitszeitverkürzung wegen der Art und Schwere der Behinderung notwendig ist6. 84 Auch § 81 Abs. 5 SGB IX steht unabhängig neben § 8 TzBfG7 sowie den übrigen gesetzlichen und tarifvertraglichen Teilzeitansprüchen. Der Schwerbehinderte kann also zwischen den verschiedenen Vorschriften wählen oder sich gleichzeitig oder nacheinander auf die verschiedenen Anspruchs1 BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 21/04, NZA 2004, 1039. 2 BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 21/04, NZA 2004, 1039. 3 BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NJW 2006, 1832 = NZA 2005, 1354; BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05, NJW 2006, 3595; ebenso Meinel/Heyn/Herms, § 23 Rz. 9; aA Sowka, SAE 2006, 125. 4 BAG v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, NJW 2006, 1832 = NZA 2005, 1354; LAG BW v. 23.11.2006 – 7 Sa 95/06. 5 BAG, Urt. v. 14.10.2003 – 9 AZR 100/03, BAGE 108, 77 = NZA 2004, 614; LAG Köln v. 15.3.2006 – 3 Sa 1593/05, NZA-RR 2006, 515. 6 LAG Hamm v. 18.2.2002 – 8 Sa 620/01, NZA 2002, 793; ArbG Frankfurt am Main v. 27.3.2002 – 2 Ca 5484/01, NZA-RR 2002, 573. 7 Vgl. LAG Köln v. 15.3.2006 – 3 Sa 1593/05, NZA-RR 2006, 515; LAG Schl.-Holst. v. 23.10.2001 – 3 Sa 393/01, ArbRB online; Conze, Rz. 1334; ErfK/Preis, § 8 TzBfG Rz. 57; Hanau, NZA 2001, 1168 (1173); Meinel/Heyn/Herms, § 23 Rz. 17; Rolfs, RdA 2001, 129 (138 f.); Rolfs, TzBfG, § 23 Rz. 6.
546 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 88
Teil 5 A
grundlagen berufen1. Wenn der Arbeitgeber einem Antrag auf Teilzeitarbeit nach § 8 TzBfG zustimmen muss, ist ihm erst recht die Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes nach § 81 Abs. 5 SGB IX zumutbar2. Umgekehrt scheidet ein Anspruch nach § 81 Abs. 5 SGB IX aus, wenn feststeht, dass der Arbeitgeber einem Teilzeitverlangen nach § 8 TzBfG wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe nicht zustimmen muss3. Die Darlegungsund Beweislast für die Frage der Zumutbarkeit trifft den Arbeitgeber4. Zu beachten ist, dass nach § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX ebenfalls kein Anspruch auf eine bestimmte Arbeitszeitverteilung besteht. Möglich ist jedoch – im Gegensatz zu § 8 TzBfG – eine befristete Herabsetzung der Arbeitszeit5.
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4. Teilzeitansprüche aus Gleichstellungs- bzw. Frauenfördergesetzen Die verschiedenen Frauenförder- bzw. Gleichstellungsgesetze des Bundes 86 und der Länder enthalten völlig unterschiedliche Regelungen über Teilzeitarbeit. Teilweise finden sich lediglich mehr oder weniger unverbindliche Programmsätze, teilweise sind aber auch selbständige Ansprüche normiert. a) Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) Für alle Beschäftigten in der mittelbaren und unmittelbaren Bundesverwal- 87 tung unabhängig von ihrer Rechtsform sowie den Bundesgerichten sieht das Bundesgleichstellungsgesetz in § 13 Abs. 1 vor, dass – soweit Familienpflichten bestehen – ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung besteht, soweit nicht zwingende dienstliche Belange entgegenstehen. Dieser Anspruch ist insoweit für den Arbeitnehmer günstig, weil er form- und fristlos gestellt werden kann. Familienpflichten liegen gemäß § 4 Abs. 2 BGleiG vor, wenn mindestens ein minderjähriges Kind oder ein pflegebedürftiger Angehöriger tatsächlich gepflegt oder betreut wird. Nach Auffassung des Bundesministeriums des Innern geht der Anspruch über den allgemeinen Teilzeitanspruch des § 8 TzBfG sowie die tarifvertraglichen Ansprüche (§ 15b BAT/BAT-O, 11 TVöD bzw. TV-L) hinaus6. Inwieweit dies für tarifvertragliche Ansprüche, die eine Ablehnung des Teilzeitverlangens nur bei „entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen“ zulassen, zutreffend ist, erscheint fraglich, da das BAG nicht explizit zwischen „dringend“ und „zwingend“ differenziert. 1 LAG Köln v. 15.3.2006 – 3 Sa 1593/05, NZA-RR 2006, 515; Meinel/Heyn/Herms, § 23 Rz. 17; Rolfs, RdA 2001, 132 (139). 2 LAG Köln v. 15.3.2006 – 3 Sa 1593/05, NZA-RR 2006, 515. 3 LAG Schl.-Holst. v. 23.10.2001 – 3 Sa 393/01, ArbRB online; aA ArbG Frankfurt am Main v. 27.3.2002 – 2 Ca 5484/01, NZA-RR 2002, 573. 4 ArbG Frankfurt am Main v. 27.3.2002 – 2 Ca 5484/01, NZA-RR 2002, 573. 5 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 100/03, BAGE 108, 77 = NZA 2004, 614. 6 Schreiben des Bundesministeriums des Innern v. 28.2.2002 zum BGleiG – D I 2 – 215 127/80, D I 1 – M 126 000/1, D II 2 – 220 000/1. Laber
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88
Teil 5 A
Rz. 89
Teilzeit
89 In der Begründung zum BGleiG wird angeführt, dass entgegenstehende zwingende dienstliche Belange in erster Linie organisatorische, ggf. auch haushaltsmäßige Zwänge sein können1. Genannt werden explizit Arbeitsplätze im Auswärtigen Dienst oder Entwicklungsdienst, wo die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen mit hohen Kosten verbunden sein kann. Es gilt somit für die Ablehnung eines Antrags auf Teilzeit nach § 13 BGleiG derselbe Maßstab wie für die Ablehnung eines Antrags auf Teilzeit nach § 15 BEEG. Der Arbeitgeber muss also zB alle Möglichkeiten der betrieblichen Umorganisation prüfen. Die Ablehnung muss zudem schriftlich begründet werden. 90 Darüber hinaus hat die Dienststelle nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BGleiG darauf zu achten, dass die Beschäftigten eine ihrer ermäßigten Arbeitszeit entsprechende Entlastung erhalten und sich für die anderen Beschäftigten keine Mehrbelastungen ergeben. Dieser allgemeine Grundsatz ist im Übrigen auch bei den Teilzeitansprüchen nach § 8 TzBfG, § 15 BEEG oder § 11 TVöD bzw. TV-L zu berücksichtigen2. Nach § 14 BGleiG haben Arbeitnehmer, die wegen Familienpflichten teilzeitbeschäftigt sind, einen Anspruch auf vorrangige Besetzung von Vollzeitarbeitsplätzen. Der Anspruch entspricht im Wesentlichen § 9 TzBfG. b) Landesgesetzliche Regelungen 91 Alle Bundesländer haben in sehr unterschiedlicher Weise in Landesgleichstellungs- oder Frauenfördergesetzen Regelungen über Teilzeitarbeit für die Beschäftigten der Landes- und Kommunalverwaltungen getroffen (s. Übersicht Rz. 110). Diese reichen von klaren und sehr weitgehenden Rechtsansprüchen auf Teilzeit für alle Beschäftigten, über Rechtsansprüche unter bestimmten Voraussetzungen (vor allem Pflege und Betreuung von Kindern oder Angehörigen) bis hin zu unverbindlich klingenden Programmsätzen. Unterschiedlich geregelt sind auch Dauer und Umfang der Teilzeittätigkeit sowie die Ablehnungsgründe. 92 Zu beachten ist, dass nach der Rechtsprechung des BAG auch dann, wenn der Landesgesetzgeber keinen eigenständigen Anspruch auf Teilzeitarbeit explizit gesetzlich formuliert hat, dem Arbeitnehmer aus den landesgesetzlichen Regelungen jedenfalls immer ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zusteht. Je nach Formulierung (insbesondere bei Soll-Vorschriften) und Fallgestaltung kann der Ermessensspielraum des öffentlichrechtlichen Arbeitgebers auch auf null reduziert sein und sich dadurch durchaus auch zu einem Anspruch auf Teilzeitanspruch verdichten3. Insbesondere kann der Arbeitnehmer die Entscheidung des öffentlich-recht1 BT-Drucks. 14/5679, S. 25; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend v. 6.10.2003 zu Zweifelsfragen des BGleiG – 402-8011-13/3. 2 Sponer/Steinherr/Martens, TVöD, § 11 Rz. 67 ff. 3 BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 753/94, BAGE 81, 323 = NJW 1996, 2750 = NZA 1996, 533 zum GleichstellungsG Berlin; LAG Berlin v. 25.5.1994 – 15 Sa 24/94, ZTR 1994, 516.
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II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 96
Teil 5 A
lichen Arbeitgebers gerichtlich überprüfen lassen. In Anwendung des Rechtsgedankens aus § 315 Abs. 3 BGB kann eine ermessensfehlerhafte Entscheidung des Arbeitgebers durch gerichtliches Urteil ersetzt werden1. Die landesgesetzlichen Teilzeitregelungen sind – wie die bundesgesetzliche 93 Regelung in § 13 BGleiG – für die Arbeitnehmer insoweit günstig, weil sie keine Form- und Fristerfordernisse aufstellen. Darüber hinaus ist teilweise die Ablehnungsmöglichkeit des Arbeitgebers äußerst eingeschränkt. So sieht zum Beispiel § 13 Abs. 1 Landesgleichstellungsgesetz NRW vor, dass der Antrag auf Teilzeitbeschäftigung wegen Pflege eines Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen nur abgelehnt werden kann, wenn zwingende dienstliche Gründe dem entgegenstehen. Dies wird in den Verwaltungsvorschriften zum Landesgleichstellungsgesetz NRW2 wie folgt konkretisiert: „Die Versagung von familiär bedingter Teilzeitbeschäftigung ist auf absolute Ausnahmefälle beschränkt. Erforderlich sind nachvollziehbare und schwer wiegende Nachteile für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, die auch durch organisatorische Maßnahmen nicht behoben werden können. Schwierigkeiten, den freien Stellenanteil zu nutzen, und der Wegfall von Stellenanteilen stellen für eine Versagung allein keine zwingenden dienstliche Belange dar.“
Da zwingende dienstliche Belange nach der Rechtsprechung des BAG mit 94 „dringenden dienstlichen Belangen“ gleichzusetzen sind3, müssen derartige Konkretisierungen durch die Exekutive – soweit sie vorliegen – entsprechend für die tarifvertraglichen Teilzeitansprüche (§ 15b BAT/BAT-O, § 11 TVöD bzw. TV-L) sowie den Anspruch aus § 15 BEEG gelten, dh., eine Ablehnung muss auf absolute Ausnahmefälle beschränkt bleiben. 5. Tarifvertragliche Regelungen (§ 11 TVöD bzw. TV-L, § 15b BAT/BAT-O) a) Anspruchsvoraussetzungen Nach dem Wortlaut der §§ 11 TVöD bzw. TV-L, 15b BAT/BAT-O „soll“ un- 95 ter den dort jeweils aufgeführten Voraussetzungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart werden. Nach ständiger Rechtsprechung folgt hieraus ein Anspruch auf Abschluss eines Teilzeitarbeitsvertrages und nicht nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung4. Ferner kann nach dem Wortlaut des § 15b BAT/BAT-O der Anspruch auf 96 Arbeitszeitreduzierung nur von Vollzeitbeschäftigten geltend gemacht wer1 BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 753/94, BAGE 81, 323 = NJW 1996, 2750 = NZA 1996, 533 zum GleichstellungsG Berlin. 2 RdErl. d. Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit – Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des Landesgleichstellungsgesetzes, zu § 13 Ziff. 2.1, SMBl. NRW 2001, 806. 3 Vgl. BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319. 4 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 118 (für die insoweit gleich lautenden AVR Caritas); LAG Düsseldorf v. 1.2.2006 – 12 Sa 1603/05; Dessau, ZTR 2001, 64 (66); Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 11 Rz. 11. Laber
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Teil 5 A
Rz. 97
Teilzeit
den. Dieser Ausschluss benachteiligt Teilzeitbeschäftigte ohne sachlichen Grund und ist deshalb wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG unwirksam1. Folgerichtig haben die öffentlichen Tarifvertragsparteien in den neuen Bestimmungen des § 11 TVöD bzw. TV-L die Beschränkung auf Vollzeitbeschäftigte entfallen lassen. 97 Die tarifvertraglichen Teilzeitansprüche stehen im Gegensatz zum allgemeinen Teilzeitanspruch nur denjenigen Arbeitnehmern zu, die mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen. Dies entspricht den Familienpflichten gemäß § 4 Abs. 2 BGleiG. Teilweise wird vertreten, dass die in §§ 11 TVöD bzw. TV-L, 15b BAT/BAT-O vorgesehenen besonderen Anforderungen in der Person des Arbeitnehmers § 22 TzBfG widersprechen2. Dies ist jedoch nicht zutreffend, da § 22 TzBfG nur die Beschränkung des allgemeinen Teilzeitanspruchs nach § 8 TzBfG verhindern soll; Teilzeitansprüche außerhalb des TzBfG bleiben von § 22 TzBfG unberührt3. 98 Ausreichend ist im Gegensatz zum allgemeinen Teilzeitanspruch sowie zum Anspruch nach § 15 BEEG ein formloser Antrag. An die Darlegung des Verlangens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Eine Untergrenze für die Herabsetzung der Arbeitszeit besteht nicht. Es kann auch eine mehrmalige Herabsetzung verlangt werden, eine Wartezeit entsprechend § 8 Abs. 6 TzBfG besteht nicht. Daher kann auch der Arbeitnehmer, der seine Arbeitszeit bereits nach § 8 Abs. 6 TzBfG herabgesetzt hat, unter den Voraussetzungen der § 11 TVöD bzw. TV-L, § 15 BAT/BAT-O eine weitere Herabsetzung bereits vor Ablauf der zweijährigen Wartezeit beantragen4. 99 Im Gegensatz zum allgemeinen Anspruch auf Teilzeitarbeit nach § 8 TzBfG besteht nach den tarifvertraglichen Regelungen kein Anspruch auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit. Es verbleibt somit beim Direktionsrecht des Arbeitgebers, das dieser nach billigem Ermessen ausüben muss5. Allerdings enthält § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD bzw. TV-L nunmehr eine Konkretisierung des Direktionsrechts: Der Arbeitgeber hat bei der Gestaltung der Arbeitszeit im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation des Beschäftigten Rechnung zu tragen. Ein Anspruch auf eine bestimmte Arbeitszeitverteilung wird sich hieraus jedoch nur in Ausnahmefällen im Falle einer Ermessensreduzierung auf null ableiten lassen. 100
Eine Einigung über das Teilzeitbegehren des Arbeitnehmers kann auch mündlich erfolgen. Das in § 2 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L bzw. § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT/BAT-O normierte Schriftformerfordernis ist nur deklarato1 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; ausführlich Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 560 f. 2 HWK/Schmalenberg, § 22 TzBfG Rz. 7. 3 Vgl. BAG v. 21.11.2006 – 9 AZR 138/06, BB 2007, 1001. 4 Rolfs, RdA 2001, 129 (139). 5 Kaiser, ZTR 1996, 107 (113); Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 575.
550 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 103
Teil 5 A
risch, da die Vereinbarung einer geringeren als der bisherigen Arbeitszeit die Pflicht zur Arbeitsleistung und damit eine Hauptleistungspflicht betrifft1. Das tarifliche Schriftformerfordernis bezieht sich jedoch nur auf vertragliche Nebenpflichten. b) Antrag auf befristete Verringerung der Arbeitszeit Im Gegensatz zum allgemeinen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG kann der 101 Arbeitnehmer im Rahmen der tarifvertraglichen Teilzeitbestimmungen beantragen, seine Teilzeitarbeit auf bis zu fünf Jahre zu befristen. Verzichtet der Arbeitnehmer auf eine Befristung des Teilzeitarbeitsverhältnisses, verzichtet er auch auf sein Rückkehrrecht in die Vollzeitbeschäftigung2. Befristung auf bis zu fünf Jahre bedeutet, dass die Verringerung einmal längstens bis zu fünf Jahren möglich ist, nicht jedoch eine mehrmalige Inanspruchnahme der Verringerungsmöglichkeit bis zu insgesamt fünf Jahren. Ist die Teilzeitbeschäftigung antragsgemäß befristet worden, bleibt die Befristung auch dann bestehen, wenn der Anlass für die Teilzeitarbeit vorzeitig wegfällt (zB der pflegebedürftige Angehörige verstirbt)3. Allerdings gebietet es auch hier die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, auf die veränderten familiären Verhältnisse Rücksicht zu nehmen und § 15b Abs. 3 BAT/ BAT-O bzw. § 11 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L entsprechend anzuwenden und den Arbeitnehmer auf dessen Wunsch bei der Besetzung von geeigneten Vollzeitarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen4. Möglich ist allerdings die Vereinbarung einer Rückkehrklausel für den Fall, dass der Grund für die Teilzeitbeschäftigung wegfällt5. Aufgrund von § 620 Abs. 3 BGB iVm. § 14 Abs. 4 TzBfG ist auch das nach § 15b BAT/BAT-O, § 11 TVöD bzw. TV-L befristete Teilzeitarbeitsverhältnis schriftlich abzuschließen.
102
Wurde auf Antrag des Arbeitnehmers das Teilzeitarbeitsverhältnis nur befristet abgeschlossen, kann der Arbeitnehmer spätestens sechs Monate vor Ablauf der vorherigen Befristung einen Antrag auf Verlängerung stellen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 TVöD bzw. TV-L bzw. § 15b Abs. 1 Satz 3 BAT). Über den Antrag auf Verlängerung der Teilzeitvereinbarung hat der Arbeitgeber nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) zu entscheiden6. Falls die familiären Gründe weiterhin oder wieder bestehen, lebt der tarifvertragliche Anspruch wieder auf, und es kann erneut die Reduzierung nach § 11 TVöD bzw. TV-L bzw. § 15b Abs. 1 BAT/BA-O verlangt werden7. Der Arbeitnehmer kann nunmehr auch einen anderen Umfang der Reduzierung beantra-
103
1 Kaiser, ZTR 1996, 107 (114). 2 Kaiser, ZTR 1996, 107 (115). 3 Bredemeier/Neffke/Cerff/Weizenegger, § 15b BAT Rz. 7; Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 11 Rz. 17; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 570; aA Riesenhuber, NZA 1995, 56 (63): Möglichkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 4 Conze, Rz. 1332. 5 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 573. 6 Kaiser, ZTR 1996, 107 (115); Riesenhuber, NZA 1995, 56 (60). 7 Kaiser, ZTR 1996, 107 (115). Laber
551
Teil 5 A
Rz. 104
Teilzeit
gen1. Ferner stehen ihm selbstverständlich der allgemeine Teilzeitanspruch sowie eventuell die bundes- bzw. landesgesetzlichen Ansprüche auf Teilzeitarbeit zu. c) Ablehnung des Teilzeitarbeitsverlangens 104
Der Arbeitgeber kann einen Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit, der auf eine der genannten tarifvertraglichen Normen gestützt werden kann, nur ablehnen, wenn dem Antrag dringende dienstliche oder betriebliche Belange entgegenstehen. Dies entspricht § 15 Abs. 6 BEEG, so dass insoweit auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann (Rz. 76). Das BAG überträgt seine im Rahmen des § 8 Abs. 4 TzBfG entwickelte dreistufige Prüfungsreihenfolge (Rz. 44 ff.) auf den tarifvertraglichen Teilzeitanspruch, da sich – abgesehen von dem unterschiedlichen Gewicht der Ablehnungsgründe – keine Unterschiede ergeben2. Die zu prüfenden Merkmale und der Umfang der gerichtlichen Prüfkompetenz entsprechen sich, nur die Gewichtung im dritten Prüfungsschritt ändert sich: Es ist im Rahmen der § 15b BAT/BAT-O, § 11 TVöD bzw. TV-L danach zu fragen, ob die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung bezüglich der Arbeitszeit den dringenden betrieblichen bzw. dienstlichen Belangen oder dem betrieblichenj Organisationskonzept als zwingendes Hindernis entgegensteht3. Der Arbeitgeber muss also etwa darlegen, dass auch nach Prüfung aller Möglichkeiten der Umorganisation die verringerte Arbeitszeit nicht mit seinem Organisationskonzept vereinbar ist. Dies ist zB in einer Schule oder einem Kindergarten Fall, wenn sich das erstrebte pädagogische Konzept nur mit Vollzeitkräften realisieren lässt. Ebenso wie bei § 8 TzBfG sind die Interessen des Arbeitgebers an der Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit und die Interessen des Arbeitnehmers an deren Veränderung auf dieser Stufe nicht gegeneinander abzuwägen4. Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer keine vertragliche Verringerung seiner Arbeitszeit beanspruchen kann, so nachvollziehbar und wichtig seine Interessen an einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch sein mögen, wenn es entgegenstehende dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange gibt („Alles-oder-Nichts-Prinzip“).
105
§ 15b Abs. 1 BAT/BAT-O bzw. § 11 TVöD bzw. TV-L erhalten somit auch im Bereich der Ablehnungsgründe im Vergleich zu § 8 TzBfG für Arbeitnehmer günstigere Voraussetzungen. Scheidet der tarifvertragliche Verrin1 Kaiser, ZTR 1996, 107 (115). 2 St. Rspr. seit BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 118 (für die insoweit gleich lautenden AVR Caritas); Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/ TV-L, Rz. 566; noch offen gelassen von BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319 sowie vom LAG Düsseldorf v. 1.2.2006 – 12 Sa 1603/05; bestätigt in BAG v. 16.10.2007 – 9 AZR 321/06, NZA-RR 2008, 210. 3 BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 118 (für die insoweit gleich lautenden AVR Caritas). 4 BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 118 (für die insoweit gleich lautenden AVR Caritas); Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 565.
552 Laber
II. Teilzeitansprüche im öffentlichen Dienst
Rz. 108
Teil 5 A
gerungsanspruch aufgrund entgegenstehender dringender betrieblicher Gründe aus, kommt folglich auch nicht der allgemeine Teilzeitanspruch zum Zuge1. d) Prozessuale Geltendmachung und Durchsetzung Der tarifvertragliche Anspruch auf Herabsetzung der Arbeitszeit kann ebenfalls in Ausnahmefällen durch einstweilige Verfügung gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG iVm. §§ 935, 940 ZPO durchgesetzt werden2. Die Ausführungen zum allgemeinen Teilzeitanspruch gelten entsprechend (Rz. 52).
106
Teilweise wird in Literatur und Rechtsprechung eine abgestufte Darlegungs- und Beweislastverteilung angenommen: Der Arbeitnehmer müsse nur behaupten, dass keine dringenden dienstlichen oder betrieblichen Gründe dem Teilzeitverlangen entgegenstehen. Dieser Behauptung müsse der Arbeitgeber substantiiert entgegentreten. Die konkreten Einwände des Arbeitgebers müsse dann wiederum der Arbeitnehmer widerlegen3. Das BAG hat sich dem nicht angeschlossen, sondern geht zutreffend davon aus, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dringender entgegenstehender dienstlicher oder betrieblicher Gründe in vollem Umfang dem Arbeitgeber obliegt4, da es hierbei um eine Ausnahme vom Verringerungsanspruch handelt, die die Partei darlegen und beweisen muss, die sich darauf beruft.
107
e) Verlängerung Nach § 15 Abs. 3 BAT/BAT-O bzw. § 11 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L sollen 108 Teilzeitbeschäftigte bei gleicher Eignung bei der Besetzung eines geeigneten Vollzeitarbeitsplatzes bevorzugt zum Zuge kommen. Hieraus wird teilweise nur ein Anspruch auf wohlwollende Prüfung und angemessene Berücksichtigung abgeleitet5. Eine derartige Auslegung führt aber dazu, dass die tarifvertraglichen Normen aufgrund des weitergehenden allgemeinen Verlängerungsanspruchs nach § 9 TzBfG obsolet sind6. Aufgrund der Formulierung als Soll-Vorschrift, dem Vergleich zu § 15 Abs. 1 BAT/BAT-O bzw. § 11 TVöD bzw. TV-L und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dürfte 1 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 568. 2 Vgl. Kaiser, ZTR 1996, 107 (114). 3 LAG Bremen v. 23.11.2000 – 4 Sa 123/00, DB 2001, 1203; Kaiser, ZTR 1996, 107 (111 f.); noch weitergehend Riesenhuber, NZA 1995, 56 (59). 4 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248 = DB 2004, 319; BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, BAGE 110, 356 = NZA 2005, 118 (für die insoweit gleich lautenden AVR Caritas); zustimmend Feldhoff, ZTR 2006, 58 (68); Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 564. 5 Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 11 Rz. 20; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/ TV-L, Rz. 570. 6 Vgl. BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 8/06, NZA 2007, 255, wonach § 11 Abs. 3 TVöD nur das Ermessen des öffentlichen Arbeitgebers bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen einschränkt. Laber
553
Teil 5 A
Rz. 109
Teilzeit
dem Beschäftigten daher ein Anspruch zustehen, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
III. Übersichten 1. Übersicht über die Voraussetzungen Rechtsfolgen der einzelnen Ansprüche auf Teilzeitarbeit von Beschäftigten im öffentlichen Dienst (Bund): 109
§ 8 TzBfG
§ 15 BEEG
§ 81 Abs. 5 SGB IX
§ 13 BGleiG
§§ 11 TVöD/ TV-L, 15b BAT/BAT-O
Sachliche Voraussetzungen
idR mehr als 15 Arbeitnehmer im Unternehmen
idR mehr als 15 Arbeitnehmer im Unternehmen
Keine
Beschäftigte in der unmittelbaren u. mittelbaren Bundesverwaltung
Anwendbarkeit Tarifvertrag
Persönliche Voraussetzungen
Jeder Arbeitnehmer nach 6 Monaten Beschäftigung
6 Monate Beschäftigung; Anspruchsvoraussetzungen der Elternzeit nach § 15 Abs. 1–3 BEEG
Schwerbehinderung (§ 2 SGB IX), Notwendigkeit einer Verkürzung der Arbeitszeit wegen Behinderung
Familienpflichten = Betreuung oder Pflege eines Kindes unter 18 Jahren oder eines pflegebedürftigen Angehörigen (§ 4 Abs. 2 BGleiG)
Betreuung oder Pflege eines Kindes unter 18 Jahren oder eines pflegebedürftigen Angehörigen
Antragsfrist
3 Monate vor Beginn
7 Wochen vor Beginn
Keine
Keine
Keine
Antragsform
Formlos
Schriftlich
Schriftlich mit Begründung
Formlos
Formlos
Zustimmung des Arbeitgebers
Ausdrücklich oder durch Fiktion
Erforderlich
Nicht erforderlich
Erforderlich
Erforderlich
Arbeitszeit
Keine Mindest- oder Höchstgrenze
15–30 Stunden
Keine Keine Keine Mindest- oder Mindest- oder Mindest- oder Höchstgrenze Höchstgrenze Höchstgrenze
Anspruch auf bestimmte Arbeitszeitverteilung
Ja
Nein
Nein
554 Laber
Nein, aber Pflicht zum Angebot familiengerechter Arbeitszeiten
Nein, jedoch Pflicht zur Berücksichtigung der Situation des Arbeitnehmers (§ 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD/TV-L)
III. Übersichten
Rz. 110
Teil 5 A
§ 8 TzBfG
§ 15 BEEG
§ 81 Abs. 5 SGB IX
§ 13 BGleiG
§§ 11 TVöD/ TV-L, 15b BAT/BAT-O
Dauer
Unbefristet
Mindestens 2 Monate; höchstens Elternzeit (36 Monate); vorzeitige Beendigung nur in Ausnahmefällen
Befristet oder unbefristet
Unbefristet
Unbefristet, aber auf Antrag befristet bis zu 5 Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit
Ablehnungsgründe
Betriebliche Gründe
Dringende betriebliche Gründe
Unzumutbarkeit
Zwingende dienstliche Belange
Dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe
Ablehnungsfrist
Ein Monat vor Beginn der gewünschten Verringerung
Vier Wochen nach Antragstellung
Keine
Keine
Keine
Form der Ablehnung
Schriftlich
Schriftlich
Formlos
Schriftlich
Formlos
Begründung
Nein
Ja
Weitere Reduzierung
Wartezeit von Zweimalige zwei Jahren Reduzierung möglich
Nein
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
2. Übersicht Frauenförder- bzw. Gleichstellungsgesetze in den Ländern 110
Gesetz
Anspruch
Besondere AblehnungsVoraussetzungen gründe
BadenWürttemberg
§ 14 Chancengleichheitsgesetz v. 11.10.2005 – GVBl. 2005, 650
Nein, Verpflichtung zur ausreichenden Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen, soweit zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen
Keine
Bei Ablehnung eines Antrags eines Arbeitnehmers mit Familienpflichten Beteiligung der Beauftragten für Chancengleichheit und schriftliche Begründung
Bayern
Art. 11 Bayerisches Gleichstellungsgesetz v. 24. Mai 1996 – GVBl. 1996, 186, zuletzt geändert 23.5.2006 – GVBl. 2006, 292
Nein, Verpflichtung zur ausreichenden Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen
Keine
Keine
Laber
555
Teil 5 A
Rz. 110
Teilzeit
Gesetz
Anspruch
Besondere AblehnungsVoraussetzungen gründe
Berlin
§ 10 Landesgleichstellungsgesetz v. 31.12.1990 – GVBl. 1991, 8 idF v. 6.9.2002
Nein, Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Keine
Keine
Brandenburg
Ja § 18 Landesgleichstellungsgesetz v. 4.7.1994 – GVBl. I 1994, 254
Keine
Besondere dienstliche Belange
Bremen
§ 8 Landesgleichstellungsgesetz v. 29.11.1990 – Brem. GBl. 1990, 433
Ja (entsprechende FamilienpolitiAnwendung des sche Gründe § 71a Bremisches Beamtengesetz)
Hamburg
§ 12 Gleichstellungsgesetz v. 19.3.1991 – HmbGVBl. 1991, 75
Ja (Entsprechende Anwendung des § 89 Hamburgisches Beamtengesetz)
tatsächliche Pfle- Zwingende ge eines minder- dienstliche Belange jährigen Kindes oder pflegebedürftiger Angehöriger
Hessen
§ 12 Hessisches Gleichberechtigungsgesetz v. 21.12.1993 – GVBl. 1993, 728
Ja
Betreuung von Kindern oder pflegebedürftiger Angehöriger
Dringende dienstliche Belange
MecklenburgVorpommern
§ 7 Gleichstellungsgesetz v. 27.7.1998 – GVoBl. M-V 1988, 697
Nein, Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Keine
Keine
Niedersachsen
§ 15 Niedersächsisches Gleichbehandlungsgesetz v. 15.7.1994 idF v. 11.12.1997, GVBl. 1997, 503
Nein, Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
Keine
Keine
NordrheinWestfalen
§ 13 Landesgleichstellungsgesetz v. 9.11.1999 – GV.NRW 1999, 590
Ja
Betreuung oder Zwingende Pflege eines min- dienstliche derjährigen Kin- Belange des oder eines pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen
Rheinland-Pfalz
§ 11 Landesgleichstellungsgesetz v. 11.7.1995 – GVBl. 1995, 209
Ja („im Rahmen Wahrnehmung der tarifvertragli- von Familienarbeit chen Bestimmungen“)
556 Laber
Dienstliche Belange
Zwingende dienstliche Belange
III. Übersichten
Rz. 110
Teil 5 A
Gesetz
Anspruch
Besondere AblehnungsVoraussetzungen gründe
Saarland
§ 17 Landesgleichstellungsgesetz v. 24.4.1996 – ABl. 1996, 161, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 15.2.2006, ABl. 2006, 474, 530
Ja
Keine
Zwingende dienstliche oder rechtliche Gründe
Sachsen
§ 11 Sächsisches Frauenförderungsgesetz v. 31.3.1994 – SächsGVBl. 1994, 684
Nein, Verpflichtung zur ausreichenden Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen
Keine
Keine
Sachsen-Anhalt
§ 8 Frauenförderungsgesetz v. 27.5.1997 – GVBl. LSA 1997, 516
Ja
Familienpflichten
Zwingende dienstliche Interessen; schriftliche Begründung
SchleswigHolstein
§ 12 Gleichstellungsgesetz v. 13.12.1994 – GVOBl. 1994, 562
Ja
Mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit
Zwingende dienstliche Belange
Thüringen
§ 9 Thüringer Gleichstellungsgesetz v. 3.11.1998 – GVBl. 1998, 309
Ja
Familienpflichten
Im Rahmen der gesetzlichen, tarifvertraglichen oder sonstigen Regelungen der Arbeitszeit
Laber
557
B. Altersteilzeit
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung und Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten der Altersteilzeit . . . . . . . . 3. Zustandekommen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses . . . . . 4. Beendigung der Altersteilzeit . . . II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruch auf Altersteilzeit (§ 2 Abs. 1 und 2 TV ATZ) . . . . . . a) Arbeitnehmer über 60 Jahre (§ 2 Abs. 2 TV ATZ) . . . . . . . . . b) Arbeitnehmer über 55 Jahre (§ 2 Abs. 1 TV ATZ) . . . . . . . . . c) Beschäftigungszeit und versicherungspflichtige Tätigkeit 3. Ausgestaltung (§ 3 TV ATZ) . . . . 4. Ablehnung des Arbeitgebers (§ 2 Abs. 3 TV ATZ) . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmer über 60 Jahre . . aa) Wirtschaftliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Personalwirtschaftliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überforderungsschutz. . . . b) Arbeitnehmer zwischen 55 und 59 Jahren . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermessensentscheidung und Ausübungskontrolle . bb) Einzelne Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ablehnungsentscheidung . . . . 5. Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Entscheidung des Arbeitgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
1
6. Vergütung bei Altersteilzeit . . . . . . . 72 a) Höhe der Bezüge (§ 4 TV ATZ) . . 72 b) Aufstockungsleistungen (§ 5 TV ATZ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Aufstockung der Bezüge . . . . 85 bb) Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge . . . . . . . . . 95 c) Steuerliche Behandlung der Aufstockungsleistungen . . . . . . . 103 d) Sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Aufstockungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 e) Verlängerung und Ermäßigung der Arbeitszeit während der Altersteilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 f) Aufstieg während der Altersteilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 g) Abfindung bei Rentenkürzung nach § 5 Abs. 7 TV ATZ . . . . . . . . 112 7. Nebentätigkeit (§ 6 TV ATZ) . . . . . . 114 8. Urlaubsansprüche und -abgeltung. . 117 9. Krankheit und Entgeltfortzahlung (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ) . . . . 120 10. Beendigung nach § 9 Abs. 1 und 2 TV ATZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 11. Vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit im Blockmodell nach § 9 Abs. 3 TV ATZ . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Arbeitsrechtliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Steuerliche Behandlung der Wertguthaben . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Wertguthaben . . 133 12. Zusatzversorgung und Altersteilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 13. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
1 6 11 19 22 22 26 27 30 32 36 43 44 47 52 54 57 57 60 65 66
Schrifttum: Monographien und Kommentare: Allary/Olschowski/Waldhorst, Die neue Altersteilzeit, 3. Aufl. 2005; Andresen, Frühpensionierung und Altersteilzeit, 3. Aufl. 2003; Drespa/Meyer/Slawik, Altersteilzeit, Loseblatt (Stand: 15. Lieferung April 2007); Doleczik/Oser/Schaefer, Altersteilzeit, 1998; Görgens; Altersteilzeit für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2006; Gussone/Voelzke, Altersteilzeitrecht, 2000; Karvani, Die Rechtsstellung des im verblockten Arbeitszeitmodell beschäftigten Altersteilzeitarbeitnehmers während der Freistellungsphase, 2006; Kerschbaumer/Rothländer, Praxiswissen Altersteilzeit im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2006; Kovacs/Koch, Das neue Altersteilzeitgesetz, 2. Aufl. 2004; Langenbrinck/Litzka, Altersteilzeit im öffentlichen Dienst für Tarifbeschäftigte, 4. Aufl. 2004; Leisbrock, Altersteilzeitarbeit, 2001; Oppermann/Nimscholz/Ostrowicz, Altersteilzeit, 5. Aufl. 2006; Rittweger/Petri/Schweikert, Altersteilzeit, 2. Aufl. 2002; Pieper/Rothländer, Altersteilzeit im öffentlichen Dienst, 4. Aufl. 2002; Rolfs, Teilzeit- und Befristungs-
558 Laber
I. Grundlagen
Rz. 1 Teil 5 B
gesetz, 2002; Rothländer, Teilzeit/Altersteilzeit, 2005; Schmidtke/Spissinger, Altersteilzeit für Arbeiter und Angestellte, 1999; Spieß, Altersteilzeit im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 1999; Stief, Altersteilzeit in der Praxis, 2. Aufl. 2005; Weber/MeyerRenkes, Altersteilzeitverträge, 2001; Welslau, Altersteilzeit in der betrieblichen Praxis, 2000. Aufsätze: Ahlbrecht/Ickenroth, Altersteilzeit im Blockmodell – Rechtlicher Rahmen und Sonderprobleme, BB 2002, 2440; Birk, Die Befristung von Altersteilzeitverträgen auf einen vorgezogenen Renteneintritt, NZA 2007, 244; Debler, Altersteilzeit – „Störfälle“ und andere unvorhersehbare Ereignisse, NZA 2001, 1285; Hampel, Die Änderungen des Altersteilzeitgesetzes durch Hartz III und IV, DB 2004, 706; Hock/ Klapproth, Ausgewählte Probleme bei der Anwendung des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ), ZTR 2000, 97; Hoß, Regelung von Störfällen in der Altersteilzeit, ArbRB 2002, 28; Hoß, Neue Spielregeln für die Altersteilzeit, ArbRB 2004, 146; Kerschbaumer, Neuregelungen zur Altersteilzeit ab dem 1. Juli 2004, AiB 2004, 325; Kerschbaumer/Tiefenbacher, Altersteilzeit in „Blockmodellen“, ArbuR 1998, 58; Kulok, Überleitung in den TVöD während eines laufenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, ZTR 2006, 420; Langenbrinck, Gleitender Ruhestand im öffentlichen Dienst, AuA 1999, 72; Langenbrinck, Neuere Entwicklungen in der Altersteilzeit, ZTR 2004, 222; Lingemann, Altersteilzeit-Verträge – Vertragsmuster mit Erläuterungen, MDR 2002, 382; Melms/Schwarz, Die verpasste Rente nach Altersteilzeit, DB 2006, 2010; Obenaus, Altersteilzeit im öffentlichen Dienst: Zur Auslegung von § 2 TV ATZ, PersV 1999, 298; Pahde, Altersteilzeit – Probleme ihrer Umsetzung in der betrieblichen Praxis, AiB 2001, 136; Pieper, Anspruch auf Altersteilzeit für Teilzeitbeschäftigte im öffentlichen Dienst, PersR 2000, 483; Pieper, Tarifvertrag zur Altersteilzeit im öffentlichen Dienst geändert, PersR 1999, 467; Plagemann, Grundzüge der Altersteilzeit, ZAP Fach 17, 873; Thiel, Altersteilzeit – Gleitender Übergang in den Ruhestand oder Personalabbaumodell?, ZTR 1998, 337; Thiel, Altersteilzeit – Eine Bestandsaufnahme, ZTR 1999, 193; Schlegel, Schwerpunkte des Altersteilzeitgesetzes, FA 2000, 238; Schwarze, Ausgleich der Vorleistungen bei vorzeitigem Ende des ATZ-Arbeitsverhältnisses, SAE 2005, 93; Sieg/Maschmann, Altersteilzeit – Aktuelle Probleme in der betrieblichen Praxis, Gedenkschrift für Wolfgang Blomeyer 2003, 397; Weishaupt, Altersteilzeit: Weiterzahlung einer noch in der Arbeitsphase widerrufenen Zulage in der Freistellungsphase, ZTR 2003, 435; Wolf, Die beiden Gesetze zur Fortentwicklung der Altersteilzeit, NZA 2000, 637; Wurm, Altersteilzeit für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, ZfPR 2001, 277; Zwanziger, Struktur, Probleme und Entwicklung des Altersteilzeitrechts – ein Überblick, RdA 2005, 226.
I. Grundlagen 1. Bedeutung und Rechtsgrundlagen Das Recht der Altersteilzeit betrifft Fragen der Lebensarbeitszeit und hat 1 daher einen engen Bezug zum Altersrentenrecht1. Änderungen bei der Altersrente haben folglich immer auch unmittelbare Auswirkungen auf das Altersteilzeitrecht, das den Übergang aus dem Erwerbsleben in die Altersrente sowohl arbeits- als auch sozialrechtlich regelt2. Seit mehr als zwei 1 Zwanziger, RdA 2005, 226; zu den Einzelheiten vgl. Kerschbaumer/Rothländer, S. 34 ff. 2 So ergeben sich durch die geplante schrittweise Erhöhung des Eintrittsalters für die Regelarbeitsrente durch das Rentenversicherung-Altersgrenzenanpassungsgesetz (BGBl. I 2007, 554) von 2012 an bis 2029 beginnend mit dem Jahrgang 1947 auch Auswirkungen für die Dauer der Altersteilzeit, wenn der Arbeitnehmer nach Laber
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Teil 5 B
Rz. 2
Altersteilzeit
Jahrzehnten versucht der Gesetzgeber, diesen Übergang zu gestalten1. Zunächst trat am 1. Mai 1984 das Vorruhestandsgesetz in Kraft, das bereits fünf Jahre später durch das erste Altersteilzeitgesetz abgelöst wurde. Dieses Gesetz kam in der betrieblichen Praxis jedoch kaum zur Anwendung. Stattdessen wurde unter Ausnutzung verschiedener sozialrechtlicher Vorschriften eine Frühverrentung erreicht. Dieses Instrumentarium war äußerst beliebt und verursachte bei den Sozialversicherungsträgern beträchtliche Kosten2. Der Gesetzgeber sah hierin einen Missbrauch von Sozialleistungen und suchte nach Möglichkeiten, die Frühverrentung einzuschränken und Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen. Das Ergebnis war schließlich das derzeit geltende Altersteilzeitgesetz (ATZG), das als Art. 1 des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Ruhestands vom 23.7.1996 am 1.8.1996 in Kraft getreten ist3. Mit dem ATZG wurden auch weitere gesetzgeberische Ziele angestrebt, wie die Eröffnung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Auszubildende und Arbeitslose durch spezielle Förderleistungen4, die allgemeine Förderung der Teilzeitarbeit, der Zugang zur Altersrente durch Arbeitsverzicht, der Beitrag zur Altersrente durch Arbeitszeitverzicht, ein Beitrag zum qualitativen Personalaustausch, die Förderung individueller und flexibler Vertragsgestaltungen sowie eine allgemeine Arbeitsmarktentlastung5. 2
Die Altersteilzeit erfreut sich insbesondere im öffentlichen Dienst hoher Beliebtheit. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes6 befanden sich Mitte 2004 206 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Altersteilzeit. Damit hat mehr als jeder vierte Beschäftigte (27 %) im Alter zwischen 55 und 65 Jahren von der Möglichkeit des gleitenden Übergangs in die Altersrente Gebrauch gemacht. Bei den Angestellten im öffentlichen Dienst befindet sich sogar bereits jeder dritte Beschäftigte zwischen 55 und 65 in Altersteilzeit.
3
Jedoch wird nur ein Bruchteil dieser Altersteilzeitverhältnisse nach dem ATZG gefördert. So bestehen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit nur 14 286 nach dem ATZG geförderte Altersteilzeitfälle aus dem Bereich
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dem 1.1.2012 in Rente geht. Für Arbeitnehmer, die vor dem 1.1.2007 eine Altersteilzeitvereinbarung geschlossen haben, gilt jedoch die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs. 2 SGB VI nF. Ausführlich zur Gesetzesentwicklung Drespa/Meyer/Slawik, Einführung Rz. 1 ff.; HWK/Stindt/Nimscholz, Vorbem. ATZG Rz. 2 ff.; Kerschbaumer/Rothländer, S. 27 ff. Vgl. zu Einzelheiten Zwanziger, RdA 2005, 226 (227). BGBl. I 1996, 1098. Präambel TV ATZ; BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 146/03, BAGE 108, 95 = NZA 2004, 860. BAG v. 20.8.2002 – 9 AZR 710/00, BAGE 102, 225 = NZA 2003, 510; BAG v. 16.8.2005 – 9 AZR 580/04, ZTR 2006, 256; BAG v. 13.12.2005 – 9 AZR 220/05, AP Nr. 27 zu § 1 TVG Altersteilzeit. Pressemitteilung v. 2.12.2005.
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I. Grundlagen
Rz. 6 Teil 5 B
öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung1. Das bedeutet, dass nur in diesen Fällen die Fördervoraussetzung der Neueinstellung eines Arbeitslosen aus Anlass des Übergangs eines Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit vorliegt. Altersteilzeit ist somit – auch für die öffentlichen Arbeitgeber – vor allem auch eine Möglichkeit zum sozialverträglichen Abbau von Beschäftigten. Das ATZG ist bis zum 31.12.2009 befristet. Altersteilzeitarbeitsverhältnisse werden nur noch gefördert, wenn die Arbeitszeit spätestens ab dem 31.12.2009 verringert wird (§ 1 Abs. 1 ATZG) und die Voraussetzungen der Förderung vor dem 1.1.2010 vorlagen (§ 16 ATZG). Eine Verlängerung ist aufgrund der finanziellen Belastungen gerade für die öffentlichen Arbeitgeber und damit der öffentlichen Haushalte derzeit nicht geplant, so dass der Geburtsjahrgang 1954 im Jahre 2009 mit Vollendung des 55. Lebensjahres letztmals geförderte Altersteilzeit in Anspruch nehmen konnte2.
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Natürlich kann Altersteilzeit auch über den 1.1.2010 hinaus rechtswirksam vereinbart werden. Auf Arbeitgeberseite verbleibt sodann allerdings nur der Vorteil, dass Aufstockungsbeiträge nach wie vor steuerfrei geleistet werden, soweit nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Altersteilzeit vorliegen. Neben dem Altersteilzeitgesetz sind bei Zweifelsfragen, insbesondere zu Fördervoraussetzungen und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen, auch die ausführlichen und umfangreichen Durchführungsanweisungen der Arbeitsagentur (DA) – Stand 1.1.2007 bzw. Durchführungsanweisungen der Arbeitsagentur (DA) – Stand Juni 2003 (für Altfälle) sowie die Gemeinsamen Verlautbarungen der Sozialversicherungsträger durch Schreiben vom 9.3.2004 sowie durch Schreiben vom 6.9.2001 (für Altfälle) zu beachten.
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2. Arten der Altersteilzeit Altersteilzeitarbeit wird heutzutage ganz überwiegend im sog. Block- 6 modell durchgeführt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben sich Mitte 2004 84 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die sich in Altersteilzeit befinden, für das Blockmodell entschieden, von den beim Bund beschäftigten Beamten und Arbeitnehmern sogar 95 %3. Das Blockmodell ist durch eine Aufteilung in die sog. Arbeitsphase und die Freistellungs- bzw. Freizeitphase gekennzeichnet. Während der gesamten Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wird durchgehend nur die halbierte Arbeitszeit vergütet. Mitte 2004 befanden sich noch mehr als 70 % der Beschäftigten, die sich für das Blockmodell entschieden haben, in der Arbeitsphase4. Da sich in Zukunft das Verhältnis zwischen Arbeits- und Freistel1 Statistik der Bundesagentur für Arbeit – Arbeitsmarkt in Zahlen, Altersteilzeit (AtG), Stand Dezember 2006. 2 Im Jahr 2006 gab die Bundesagentur für Arbeit (BA) rund 1,3 Milliarden Euro für die Förderung der Altersteilzeit aus; ein über sechs Jahre gefördertes Altersteilzeitarbeitsverhältnis kostet die BA rund 80 000 Euro. (FAZ v. 15.2.2007). 3 Pressemitteilung v. 2.12.2005. 4 Pressemitteilung v. 2.12.2005. Laber
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Teil 5 B
Rz. 7
Altersteilzeit
lungsphase zugunsten der Freistellungsphase verschieben wird, drohen daher in den nächsten Jahren den öffentlichen Haushalten verstärkte Belastungen durch die Altersteilzeit. 7
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG tritt der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seinen vollen Arbeitsleistungen im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung. Während der Arbeitsphase erbringt er Vorleistungen und erarbeitet Entgeltteile, die nicht im Monat der Arbeitsphase ausgezahlt, sondern für die spätere Freistellungsphase angespart werden1. Es entsteht dadurch ein Wertguthaben des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer erarbeitet sich mit anderen Worten im Umfang seiner Vorleistungen in der Arbeitsphase zum einen Ansprüche auf die spätere Zahlung der Bezüge und zum anderen einen entsprechenden Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistungspflicht2. Damit besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers sein Wertguthaben verliert, falls dieses nicht gegen Insolvenz abgesichert ist. Nachdem für Altersteilzeitverträge ab dem 1.7.2004 geltenden § 8a ATZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Wertguthaben für den Fall der Zahlungsunfähigkeit abzusichern und dies dem Arbeitnehmer in Textform nachzuweisen. Gemäß § 8a Abs. 6 ATZG sind der Bund, die Länder, die Gemeinden, die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, über deren Vermögen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht zulässig ist, sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsunfähigkeit sichert, von dieser Pflicht befreit. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist somit in aller Regel eine Insolvenzsicherung des Wertguthabens nicht erforderlich.
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Im sog. „Freistellungsmodell“ oder „Altersteilzeit-Null-Modell“ wird das Blockmodell dahingehend modifiziert, dass eine teilweise oder sogar komplette – bezahlte – Freistellung schon während der Arbeitsphase erfolgt. Dieses Modell führt jedoch dazu, dass kein Altersteilzeitarbeitsverhältnis iSd. ATZG vorliegt, weil es an der erforderlichen Halbierung der Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 2 ATZG fehlt3. Liegt keine Altersteilzeit nach dem ATZG vor, entfallen auch alle damit verbundenen sozial- und steuerrechtlichen Vergünstigungen (siehe Rz. 11) für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Von derartigen Gestaltungen ist somit abzuraten.
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Das zunächst als gesetzlicher Grundfall konzipierte, aber in der Praxis nur selten vorkommende Teilzeitmodell (seltener auch Kontinuitäts- oder Halbschichtmodell genannt) entspricht in seiner Ausgestaltung einem nor1 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 361 = DB 2004, 258; BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408; aA Weishaupt, ZTR 2003, 435 (439), wonach die Entgeltansprüche während der gesamten Laufzeit der Altersteilzeit neu entstehen. 2 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 361 = DB 2004, 258; BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 3 Vgl. hierzu BAG v. 10.2.2004 – 9 AZR 401/02, NZA 2004, 606; Abeln/Gandernack, BB 2005, 43; Oberthür, NZA 2005, 377; Kock, ArbRB 2005, 275; Drespa/ Meyer/Slawik, § 3 TV ATZ Rz. 9.
562 Laber
I. Grundlagen
Rz. 13 Teil 5 B
malen Teilzeitarbeitsverhältnis nach dem TzBfG, anderen Gesetzen oder Tarifverträgen: Die Arbeitszeit wird für jede Woche reduziert. Dieses Modell ist sowohl in arbeits- als auch sozialrechtlicher Hinsicht unproblematisch. Zulässig sind ferner Zwischenmodelle, solange durch sie eine Halbierung der bisherigen Arbeitszeit erfolgt1. Beispiele sind etwa ein täglicher, wöchentlicher oder monatlicher Wechsel zwischen Freistellung und Arbeit. Denkbar ist auch eine degressive Verteilung der Arbeitszeit, so dass Anteil der Arbeitsphase umso geringer wird, je näher der Renteneintritt rückt.
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3. Zustandekommen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Das ATZG sieht keinen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit vor. Es regelt im 11 Wesentlichen das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und der Bundesagentur für Arbeit, insbesondere bezüglich der Mindestvoraussetzungen für die finanzielle Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit, und hat somit nur mittelbar Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber2. Das ATZG ist ein sozialrechtliches Subventionsgesetz3. Die Subventionierung erfolgt neben der im ATZG geregelten Erstattung der Aufstockungsleistungen bei ursächlicher Neueinstellung eines arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmers4 durch die Steuer- und Beitragsfreiheit von Aufstockungsleistungen sowie den günstigen Voraussetzungen der sog. Altersrente nach Altersteilzeit (vgl. § 237 und Anlage 19 SGB VI)5. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Vereinbarung von Altersteilzeit kann 12 sich nur aus kollektivvertraglichen Vorschriften ergeben. Die kollektivvertraglichen Regelungen lehnen sich in aller Regel stark an die im ATZG aufgestellten Mindestvoraussetzungen für die finanzielle Förderung an, gehen aber auch oftmals zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus. Für den öffentlichen Dienst sind diese vor allem im Tarifvertrag Altersteilzeit vom 5.5.1998 – TV ATZ in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 30.6.2000 enthalten (vgl. im Einzelnen zum Anwendungsbereich Rz. 22 ff. und zu den Voraussetzungen Rz. 26 ff.). Das Altersteilzeitarbeitverhältnis wird durch den Abschluss eines individuellen Vertrages zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet. Dies kann sowohl durch den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags oder durch die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsvertrags, soweit dieser bereits Regelungen zur Altersteilzeit enthält, erfolgen. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist ein befristetes Teilzeitarbeitsverhältnis. Wegen § 7 Abs. 1a Nr. 1 SGB IV iVm. § 14 Abs. 4 TzBfG ist der Vertrag schriftlich abzuschließen6. 1 Drespa/Meyer/Slawik, § 3 TV ATZ Rz. 11; Kerschbaumer/Rothländer, S. 65; Zwanziger, RdA 2005, 226 (229). 2 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 146/03, BAGE 108, 95 = NZA 2004, 860; Kerschbaumer/Rothländer, S. 46. 3 Zwanziger, RdA 2005, 226 (227). 4 Vgl. hierzu BSG v. 10.2.2004 – B 7 AL 54/03 R, AuB 2004, 215. Nach SG Lüneburg v. 28.6.2006 – S 18 AL 311/04 reicht bereits die Meldung als arbeitsuchend aus. 5 Vgl. Zwanziger, RdA 2005, 226 (232 ff.). 6 Küttner/Kreitner, Altersteilzeit Rz. 3; Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 30, Rz. 5; Rolfs, TzBfG, § 23 Rz. 8. Laber
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Teil 5 B
Rz. 14
Altersteilzeit
14 Ob eine rückwirkende Vereinbarung möglich ist, ist umstritten. Bislang wurde dies aus sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Gründen sowie unter Hinweis auf Sinn und Zweck des ATZG, einen gleitenden Übergang in die Altersrente herbeizuführen, abgelehnt1. Das BAG hat nunmehr jedoch die rückwirkende Begründung von Altersteilzeitarbeitsverträgen zugelassen, wenn dies das Ergebnis einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist (zu den Einzelheiten Rz. 69)2. 15 Für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen, soweit sich aus dem Altersteilzeitrecht keine Besonderheiten ergeben3. Folglich ist zB der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz4 und der Bestandsschutz bei einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB zu beachten5. Da es sich bei dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis um eine Sonderform der Teilzeitarbeit handelt, darf auch nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG verstoßen werden. 16 Im Übrigen ist jedoch § 23 TzBfG zu beachten. Danach finden die Regelungen über die Verringerung der Arbeitszeit im TzBfG für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse keine Anwendung6. Möglich ist indes, dass auch mit Teilzeitbeschäftigten Altersteilzeitarbeitsverhältnisse abgeschlossen werden („gedoppelte Altersteilzeit“). Es muss allein gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer trotz der weiteren Reduzierung der Arbeitszeit und der damit verbundenen Gehaltseinbußen weiter sozialversicherungspflichtig beschäftigt bleibt, da ansonsten kein Altersteilzeitarbeitsverhältnis iSd. ATZG mehr vorliegt. 17 Die Besonderheit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gegenüber einem „normalen“ Teilzeitverhältnis liegt darin, dass der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt während der Altersteilzeit auf einen bestimmten Prozentsatz aufstocken und zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten muss (vgl. § 3 Abs. 1 ATZG). Dies führt zu einer erheblichen Verteuerung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber, die jedoch durch Förderung der Bundesagentur für Arbeit gemildert werden kann. Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber durch Altersteilzeit unter Vermeidung von Entlassungen Personal sozialverträglich abbauen und die Altersstruktur im Betrieb verbessern (siehe Rz. 3). 1 LAG Hamm v. 23.3.2001 – 5 Sa 1424/00, DB 2001, 1890; LAG Köln v. 20.11.2006 – 2 Sa 833/06; Plagemann, ZAP Fach 17, 873; Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 30, Rz. 5; Zwanziger, RdA 2005, 226 (235 f.). 2 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708. 3 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408. 4 Vgl. BAG v. 24.10.2006 – 9 AZR 681/05, DB 2007, 695. 5 LAG Düsseldorf v. 22.10.2003 – 12 (15) Sa 1202/03, NZA-RR 2004, 288; LAG Hamm v. 13.10.2006 – 4 Sa 180/06; LAG Nds. v. 19.12.2005 – 5 Sa 1326/04; Küttner/Kreitner, Betriebsübergang Rz. 3; aA Hanau, RdA 2003, 230. 6 LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33; Drespa/Meyer/ Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 20.1; Meinel/Heyn/Herms, § 8 Rz. 7, § 23 Rz. 6; Rolfs, RdA 2001, 129 (139).
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I. Grundlagen
Rz. 21 Teil 5 B
Den Arbeitnehmer treffen im Rahmen des Altersteilzeitarbeitsverhältnis- 18 ses Mitwirkungspflichten gemäß § 11 ATZG sowie nach § 10 TV ATZ bezüglich aller Änderungen, die für den Anspruch auf Aufstockungsleistungen bedeutend sind (zB Wechsel der Steuerklasse). Verstöße gegen die Mitwirkungspflicht können gemäß § 14 ATZG als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Außerdem hat der Arbeitnehmer die dem Arbeitgeber zu Unrecht gezahlten Leistungen der Agentur für Arbeit zu erstatten, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat oder seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist (§ 11 Abs. 2 ATZG). 4. Beendigung der Altersteilzeit Der Altersteilzeitarbeitsvertrag endet spätestens zum vertraglich festgeleg- 19 ten Zeitpunkt (vgl. § 9 Abs. 1 TV ATZ). Daneben sehen kollektivrechtliche Regelungen noch andere Beendigungsmöglichkeiten vor (vgl. § 9 Abs. 2 TV ATZ, im Einzelnen Rz. 126). Die Beendigungstatbestände orientieren sich wiederum an § 5 ATZG, der festlegt, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Förderleistungen erlischt. So erlischt nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 ATZG (vgl. § 9 Abs. 2 Buchst. a TV ATZ) der Anspruch bereits mit dem Ablauf des Kalendermonats vor dem Kalendermonat, für den der Beschäftigte eine Altersrente in Anspruch nehmen kann oder mit Beginn des Monats, für den der Arbeitnehmer tatsächlich eine Altersrente bezieht, § 5 Abs. 1 Nr. 3 ATZG (vgl. § 9 Abs. 2 Buchst. b TV ATZ). Da das Altersteilzeitarbeitsverhältnis somit ein befristetes oder auflösend 20 bedingtes Arbeitsverhältnis ist, ist eine vorzeitige ordentliche Kündigung nur im Falle einer ausdrücklichen Vereinbarung möglich (§§ 15 Abs. 2, 21 TzBfG)1. § 9 Abs. 2 TV ATZ verweist jedoch auf die allgemeinen manteltariflichen Beendigungstatbestände („unbeschadet der sonstigen tariflichen Beendigungstatbestände (zB §§ 53 bis 60 BAT/BAT-O)“), so dass im Geltungsbereich des TV ATZ eine arbeitgeberseitige Kündigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses möglich ist2. Dass der TVöD bzw. TV-L in § 34 nur noch die Kündigungsfristen und Fragen der Unkündbarkeit regelt und somit dem Wortlaut nach keine manteltariflichen Kündigungstatbestände mehr enthält, ändert an der Möglichkeit einer Kündigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nichts, da die Tarifparteien sich einig waren, dass die Kündigungsregeln des BGB Anwendung finden. Zu den Auswirkungen der Kündigung auf ein im Rahmen des Blockmodells erworbenes Wertguthaben Rz. 127 ff. Zu beachten ist, dass in der Freistellungsphase eine verhaltens- oder per- 21 sonenbedingte Kündigung nicht möglich sein wird ist. Eine außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB), zB wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, ist aber auch dann möglich, wenn sich der Arbeitnehmer bereits in
1 Zwanziger, RdA 2005, 226 (237). 2 Drespa/Meyer/Slawik, § 9 TV ATZ Rz. 10. Laber
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Teil 5 B
Rz. 22
Altersteilzeit
der Freistellungsphase befindet1. Eine betriebsbedingte Kündigung, etwa im Fall der Betriebsstilllegung, ist ebenfalls unzulässig2. Dagegen sind Kündigungen in der Arbeitsphase nach den allgemeinen Grundsätzen möglich. So kann eine Betriebsstilllegung in der Arbeitsphase ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG darstellen3. Allerdings dürfte im öffentlichen Dienst die ordentliche Kündbarkeit zumeist wegen der bereits erreichten tarifvertraglichen Unkündbarkeit des Arbeitnehmers nicht mehr möglich sein. Im Übrigen ist im Rahmen der Interessenabwägung auch die Dauer der Laufzeit der Altersteilzeit zu berücksichtigen.
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst 1. Allgemeines 22 Für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst ist – wie bereits erwähnt – der Tarifvertrag Altersteilzeit vom 5. Mai 1998 – TV ATZ in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 30.6.2000 maßgeblich4. Er ist ein die Manteltarifverträge des öffentlichen Dienstes (vgl. § 1 TV ATZ) ergänzender Tarifvertrag, so dass er auch von entsprechenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln erfasst ist5. Der Tarifvertrag Altersteilzeit ist weiterhin in Kraft und gilt auch unter Geltung des TVöD6 bzw. TV-L7. Es gibt keine tarifvertraglichen Regelungen zur Überleitung von Beschäftigten, die beim Inkrafttreten des TVöD am 1.10.2005 bzw. des TV-L am 1.11.2006 in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis standen8. 23 Neben dem TV ATZ existieren weitere Tarifverträge für den öffentlichen Dienst, die Altersteilzeitbestimmungen enthalten, wie zB der Tarifvertrag Altersteilzeit für die Beschäftigten bei der ehemaligen Bundesanstalt für Arbeit vom 5.5.1998 (TVBA ATZ), der ebenfalls weiterhin in Kraft ist, oder der Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw).
1 LAG Schl.-Holst. v. 18.1.2005 – 2 Sa 413/04, NZA-RR 2005, 367; Küttner/Kreitner, Altersteilzeit Rz. 14; Zwanziger, RdA 2005, 226 (237). 2 BAG v. 5.12.2002 – 2 AZR 571/01, BAGE 104, 131 = NJW 2003, 2258 = NZA 2003, 789; Drespa/Meyer/Slawik, § 9 TV ATZ Rz. 10. 3 BAG v. 16.6.2005 – 6 AZR 476/04, NZA 2006, 270. 4 Zur Entstehungsgeschichte Kerschbaumer/Rothländer, S. 53 ff. 5 Vgl. LAG MV v. 22.8.2006 – 3 Sa 454/05 und 3 Sa 511/05. 6 Conze, Rz. 86. Eine redaktionelle Anpassung an die neuen Tarifverträge ist geplant; vgl. nur Niederschriftserklärung zu § 11 Abs. 5 Satz 2 LeistungsTV-Bund: „Die Tarifvertragsparteien werden den TV ATZ entsprechend anpassen.“ Allerdings sind die Gespräche gescheitert, ein Termin zur Fortsetzung der Verhandlungen ist noch nicht vereinbart. 7 Die Fortgeltung des TV ATZ ist hier in der Anlage 1 TVÜ-Länder Teil C Nr. 4 vereinbart. 8 Zur Überleitung von Beschäftigten in Altersteilzeitarbeit nach dem TV ATZ in die veränderte Arbeitszeit des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) vgl. BMI-Rundschreiben vom 13.10.2006 – D II 2 – 220 770-1/18, abrufbar unter www.bmi.bund.de.
566 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 27 Teil 5 B
Der TV ATZ gilt unmittelbar nur für Arbeitnehmer, die Mitglied einer der 24 vertragsschließenden Gewerkschaften1 und bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt sind (§ 3 Abs. 1 TVG). Für die nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten ergibt sich seine Anwendung regelmäßig durch die arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln in den Formulararbeitsverträgen der öffentlichen Arbeitgeber. Für sog. AT-Angestellte gilt der TV ATZ nicht. In Betracht kommt jedoch eine einzelvertragliche Vereinbarung2. Der TV ATZ lehnt sich nicht nur an die im ATZG für die Förderung normierten Mindestvoraussetzungen an, sondern enthält gegenüber diesen folgende wichtige Verbesserungen für die Beschäftigten:
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– Ab dem 60. Lebensjahr besteht ein Anspruch auf Altersteilzeit, sofern keine dringenden dienstlichen oder betrieblichen Belange entgegenstehen. – Es werden mindestens 83 % des Nettoarbeitsentgelts garantiert (Mindestnettobetrag). – Anspruch auf Abfindung im Falle von Renteneinbußen aufgrund vorzeitiger Renteninanspruchnahme. – Erweiterung der Entgeltaufstockung in den Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. 2. Anspruch auf Altersteilzeit (§ 2 Abs. 1 und 2 TV ATZ) Der Tarifvertrag Altersteilzeit differenziert hinsichtlich des Anspruchs auf 26 Abschluss eines Altersteilzeitvertrages zwischen Arbeitnehmern zwischen 55 und 59 Jahren sowie Arbeitnehmern über 60 Jahre3. Seit der Änderung des TV ATZ zum 1. Juli 2000 steht auch Teilzeitbeschäftigten der Anspruch auf Altersteilzeit zu. Der vorherige Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten war unzulässig. a) Arbeitnehmer über 60 Jahre (§ 2 Abs. 2 TV ATZ) Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst über 60 Jahre haben einen Rechtsanspruch auf den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung. Dieser Anspruch kann grundsätzlich vom Arbeitgeber nicht eingeschränkt werden, es sei denn, es stehen dringende dienstliche oder betriebliche Gründe dem Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung entgegen. Auch die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber nicht nach billigem 1 Dies waren die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, diese handelnd zugleich für die Gewerkschaft der Polizei, die Industriegewerkschaft Bauen – Agrar – Umwelt und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft. 2 Vgl. hierzu Drespa/Meyer/Slawik, § 1 TV ATZ Rz. 4 f. 3 Entscheidend für die Altersgrenzen ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers und nicht der der Antragstellung, vgl. LAG Rh.-Pf. v. 26.4.2006 – 9 Sa 761/05. Laber
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Teil 5 B
Rz. 28
Altersteilzeit
Ermessen bestimmen, dh., der Anspruch nach § 9 TV ATZ ist stets auf die ungekürzte Laufdauer bis zum Übergang in den Ruhestand (Rz. 126) gerichtet1. 28 Es besteht nach allgemeiner Meinung kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Verteilung der Altersteilzeit2, dh., der Arbeitnehmer hat zB keinen Anspruch darauf, dass die Altersteilzeit im Blockmodell durchgeführt wird. Die Arbeitszeitverteilung unterliegt vielmehr dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, das er im Rahmen billigen Ermessens (§ 315 BGB) ausüben muss3. Zu berücksichtigen sind dabei alle sachlichen Gründe, die sich auf die Lage der Arbeitszeit als solche beziehen, also insbesondere Fragen des Betriebsablaufs4. Allerdings wird dem Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 3 TV ATZ ein Anspruch auf Erörterung bezüglich der Arbeitszeitverteilung eingeräumt. Ziel dieser Erörterung ist eine einvernehmliche Lösung. Eine fehlende oder unzureichende Erörterung wird jedoch wie im Rahmen von § 8 Abs. 3 TzBfG nicht sanktioniert. Aus § 8 Abs. 4 TzBfG lässt sich aufgrund von § 23 TzBfG kein Anspruch auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit herleiten5. § 22 TzBfG findet wegen der Besonderheiten des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ebenfalls keine Anwendung. 29 Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren. Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben. Der Arbeitgeber ist gegenüber dem Arbeitnehmer zu keiner bestimmten Reaktion verpflichtet. Insbesondere besteht keine Erörterungsobliegenheit wie in § 8 TzBfG. b) Arbeitnehmer über 55 Jahre (§ 2 Abs. 1 TV ATZ) 30 Arbeitnehmer zwischen 55 und 59 Jahren haben keinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages. Es besteht lediglich ein Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung über den Antrag auf Abschluss des Altersteilzeitvertrags in ent-
1 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; vgl. auch LAG München v. 20.1.2006 – 8 Sa 1029/04. 2 LAG Hamm v. 12.8.2009 – 4 Sa 268/09; LAG Hessen v. 12.4.2001 – 3 Sa 1031/00, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 10; LAG MV v. 22.7.2004 – 1 Sa 465/03 (für den ähnlich lautenden TV Altersteilzeit beim Internationalen Bund e.V.); Drespa/Meyer/ Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 22, § 3 TV ATZ Rz. 12 ff.; vgl. auch Durchführungshinweise zum TV ATZ – Gem. Runderlass des Finanzminisriums und des Innenministeriums NRW vom 22.7.2004 unter 3.2 sowie Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern v. 28.2.2006 – D I 1 – 210 172/00, wonach für Beamte der Bundesverwaltung Altersteilzeit im Blockmodell nur noch in bestimmten Personalabbaubereichen bewilligt wird. In kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien ist jedoch teilweise auch ein Vorrang für das Blockmodell vorgesehen, vgl. BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708. 3 Drespa/Meyer/Slawik, § 3 TV ATZ Rz. 15. 4 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708. 5 Drespa/Meyer/Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 22, § 3 TV ATZ Rz. 14.
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 34 Teil 5 B
sprechender Anwendung von § 315 Abs. 1 BGB billiges Ermessen wahrt1. Er muss also die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen bei seiner Entscheidung angemessen berücksichtigen2. Die Ankündigungsfrist des § 2 Abs. 2 TV ATZ gilt nicht für Arbeitnehmer zwischen 55 und 59 Jahren. Einschränkungen bei der Ermessensentscheidung sind im Tarifgebiet West für 55- bis 59-jährige Angestellte und Arbeiter im Justizvollzugsdienst und für Angestellte im Einsatzdienst der kommunalen Feuerwehr zu beachten3. Diesen Arbeitnehmern soll in der Regel auf ihren Antrag hin Altersteilzeit gewährt werden. Ein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages kann sich auch nicht in Verbindung mit anderen Gesetzen ergeben. So steht beispielsweise einem schwerbehinderten Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 81 Abs. 5 SGB IX hat, kein Anspruch im Wege einer Ermessensreduzierung auf null auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit den Vorteilen des TV ATZ zu4.
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c) Beschäftigungszeit und versicherungspflichtige Tätigkeit Gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. a, b, Abs. 2 TV ATZ kann eine Altersteilzeit- 32 arbeitsverhältnis nur abgeschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer eine Beschäftigungszeit von mindestens fünf Jahren zurückgelegt hat und innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem SGB III gestanden hat (vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 3 ATZG). Damit soll verhindert werden, dass ältere Arbeitnehmer, die erst sehr kurz im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, direkt in Altersteilzeit gehen können5. Der Begriff der Beschäftigungszeit ist in den Tarifverträgen unterschiedlich 33 definiert. Nach § 19 BAT/BAT-O, den § 2 Abs. 1 Buchst. b TV ATZ als Beispiel explizit aufführt, oder nach § 34 Abs. 3 Satz 1 TVöD bzw. TV-L ist unter Beschäftigungszeit die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen war, zu verstehen. Die Beschäftigungszeit ist damit von der Dienstzeit gemäß § 20 BAT/ 34 BAT-O zu unterscheiden, die auch Arbeitszeiten bei anderen öffentlichrechtlichen Arbeitgebern berücksichtigt und somit weitergehend ist. Ein Wechsel des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers innerhalb des Fünfjahreszeitraums vor Beginn der Altersteilzeit führt somit im Geltungsbereich des BAT/BAT-O dazu, dass kein Anspruch auf Altersteilzeit besteht. Der TVöD 1 BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 46; BAG v. 14.10.2008 – 9 AZR 511/07, AP Nr. 41 zu § 1 TVG Altersteilzeit; BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 643/08, DB 2009, 2668. 2 BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 46; BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 643/08, DB 2009, 2668. 3 Vgl. hierzu Drespa/Meyer/Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 21.6. 4 BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 46. 5 Drespa/Meyer/Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 18. Laber
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Teil 5 B
Rz. 35
Altersteilzeit
bzw. TV-L sieht diese Differenzierung zwischen Dienst- und Beschäftigungszeit allerdings nicht mehr vor. Gemäß § 34 Abs. 3 Satz 3, 4 TVöD bzw. TV-L werden nunmehr auch Arbeitszeiten, die aufgrund eines Wechsels bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber geleistet worden sind, als Beschäftigungszeit anerkannt. Ein Wechsel des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers ist somit unschädlich. Unberücksichtigt bleibt die Zeit eines Sonderurlaubs gemäß § 28 TVöD bzw. TV-L, es sei denn, der Arbeitgeber hat vor Antritt des Sonderurlaubs schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse an dem Sonderurlaub anerkannt (§ 34 Abs. 3 Satz 2 TVöD bzw. TV-L). 35 Die zusätzlich erforderliche arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung von 1080 Kalendertagen muss nicht zusammenhängend und nicht zwingend im aktuellen Beschäftigungsverhältnis geleistet worden sein. Durch das 1080-Tage-Erfordernis werden geringfügig Beschäftigte gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausgeschlossen, da diese Arbeitsverhältnisse versicherungsfrei nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III sind. 3. Ausgestaltung (§ 3 TV ATZ) 36 Die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses darf höchstens zehn Jahre und soll mindestens zwei Jahre betragen (§ 2 Abs. 4 TV ATZ). Sie ist damit länger als die Förderhöchstdauer von sechs Jahren nach § 2 Abs. 2 ATZG. Ein Überschreiten der Förderhöchstdauer bedeutet nicht, dass für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis jegliche Förderung entfällt, sondern nur, dass die Förderung – soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen – auf sechs Jahre beschränkt ist. 37 Überschreitet die Dauer der Altersteilzeit die Förderungshöchstdauer, ist zu beachten, dass auch innerhalb des förderungsfähigen Zeitraums von sechs Jahren eine Halbierung der bisherigen Arbeitszeit erfolgt. Der Förderzeitraum beginnt dann nicht mit Beginn der Altersteilzeit, sondern umfasst nur die drei Jahre vor und nach dem Übergang von der Arbeits- in die Freistellungsphase. 55 Jahre
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40 Stunden
40 Stunden
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Arbeitsphase
Förderzeitraum
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Freistellungsphase
38 Das Altersteilzeitarbeitsverhältnisses endet zu dem festgelegten Zeitpunkt oder sobald ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Altersrente ohne Rentenabschlag besteht (§ 9 Abs. 2 Buchst. a TV ATZ). Aufgrund der Befristung des ATZG muss das Altersteilzeitarbeitsverhältnis spätestens vor dem 1.1.2010 beginnen. 39 Nach § 3 Abs. 1 TV ATZ ist es erforderlich, dass die bisherige wöchentliche Arbeitszeit halbiert wird. Gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ, § 6 Abs. 2 ATZG ist dies die Arbeitszeit, die mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war, höchstens jedoch der Durchschnitt der 570 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 41 Teil 5 B
letzten 24 Monate vor dem Übergang. Die Berechnung ist zwingend, die Parteien können also nicht etwa immer die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten 24 Monate zugrunde legen1. Vereinbart ist die tatsächlich geschuldete Arbeitszeit, so wie sie sich aus dem Arbeitsvertrag oder – wenn keine individuelle Absprache getroffen wurde – aus den anwendbaren kollektivrechtlichen oder gesetzlichen Regelungen ergibt2. Bei der Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten 24 Monate sind die Zeiten unbezahlten Sonderurlaubs nicht zu berücksichtigen3. Berechnungsbeispiel 1: Beginn der Altersteilzeit Vereinbarte Arbeitszeit am 30.6.2007 Vereinbarte Arbeitszeit vom 1.7.2005–31.12.2006 Vereinbarte Arbeitszeit vom 1.1.2007–30.6.2007 Vereinbarte Arbeitszeit im Durchschnitt der letzten 24 Monate
40 1.7.2007 35 Stunden pro Woche 30 Stunden pro Woche 35 Stunden pro Woche 31,25 Stunden
Maßgeblich ist die niedrigere vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit von 31,25 Stunden, die auf die nächste volle Stunde, also 31 oder 32 Stunden, auf- oder abgerundet werden kann (§ 3 Abs. 1 Satz 5 TV ATZ); es kann jedoch auch auf eine Rundung verzichtet werden. Mithin kann für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis eine Arbeitszeit von 15,5, 15,625 oder 16 Wochenstunden vereinbart werden.
Berechnungsbeispiel 2: Beginn der Altersteilzeit Vereinbarte Arbeitszeit am 30.6.2007 Vereinbarte Arbeitszeit vom 1.7.2005–31.12.2006 Vereinbarte Arbeitszeit vom 1.1.2007–30.6.2007 Vereinbarte Arbeitszeit im Durchschnitt der letzten 24 Monate
1.7.2007 30 Stunden pro Woche 35 Stunden pro Woche 30 Stunden pro Woche 33,75 Stunden
Maßgeblich ist somit die vereinbarte Arbeitszeit zu Beginn der Altersteilzeit von 30 Wochenstunden. Somit kann für das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden vereinbart werden.
Diese Halbierung ist zwingend und verbindlich für die Vereinbarung eines 41 Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; die durchschnittliche Arbeitszeit kann daher bei oder nach Abschluss des Altersteilzeitvertrags nicht mehr geändert werden4. Dies hat zur Folge, dass bei einer tarifvertraglichen5, gesetzlichen oder betrieblichen Erhöhung der Arbeitszeit, nicht etwa die Arbeitszeit entsprechend auch für in Altersteilzeit befindliche Arbeitnehmer erhöht werden kann6, sondern vielmehr das Altersteilzeitentgelt entspre1 AA LAG Sa.-Anh. v. 14.9.2006 – 9 Sa 784/05. 2 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 664/05, EzTVöD 700 TV ATZ Nr. 8; BAG v. 18.8.2009 – 9 AZR 482/08, DB 2009, 2443. 3 BAG v. 1.10.2002 – 9 AZR 278/02, BAGE 103, 54 = NZA 2003, 1341. 4 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; Drespa/Meyer/Slawik, § 3 TV ATZ Rz. 16; Kerschbaumer/Rothländer, S. 64; vgl. auch § 28 Satz 2 TVÜ-L. 5 Durch den TVöD wurde im Bereich des Bundes (West) zB die regelmäßige Arbeitszeit ab 1.10.2005 von 38,5 Stunden auf 39 Stunden heraufgesetzt. 6 So noch die Vorinstanz zu BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926: LAG Köln v. 9.11.2005 – 7 (3) Sa 96/05. Eine Heraufsetzung war auch von den TaLaber
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Teil 5 B
Rz. 42
Altersteilzeit
chend einseitig durch den Arbeitgeber gekürzt werden muss1. Dies steht auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BAG zur (landes-)gesetzlichen Stundenermäßigung für angestellte ältere Lehrkräfte, wonach aufgrund Art. 3 GG einem in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer eine gesetzliche Pflichtstundenermäßigung ebenso zugutekommen muss wie anderen Lehrkräften2. Denn in diesem Fall wird nicht die Gesamtarbeitszeit verändert, sondern es verschiebt sich nur die zeitliche Relation vom Unterrichtsanteil zugunsten eine länger bemessenen Vor- und Nacharbeit3. Zu den Einzelheiten vgl. Rz. 106. 42 Wie bereits erwähnt, besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Arbeitszeitverteilung. Es ist daher grundsätzlich jede Form der Verteilung zulässig. Eine Ausnahme findet sich in der Protokollerklärung zu § 3 Abs. 2 TV ATZ für Arbeitnehmer mit verlängerter regelmäßiger Arbeitszeit und für Pauschallohnkraftfahrer. Für diese Beschäftigten ist Altersteilzeit nur im Blockmodell möglich. 4. Ablehnung des Arbeitgebers (§ 2 Abs. 3 TV ATZ) 43 Nach § 2 Abs. 3 TV ATZ kann der Arbeitgeber eine Vereinbarung über Altersteilzeit ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen. Angesichts der Differenzierung zwischen Arbeitnehmern zwischen 55 und 60 Jahren sowie über 60 Jahre stellt sich die Frage, ob nicht auch hinsichtlich der Ablehnungsgründe differenziert werden muss oder ob sich § 2 Abs. 3 TV ATZ nur auf Abs. 2, also die Altersgruppe der Beschäftigten über 60 Jahre, bezieht. Die Formulierung in § 2 Abs. 3 TV ATZ ist unklar und insoweit missglückt4. Es ist inzwischen aber einhellige Meinung, dass sich die Ablehnungsgründe des § 2 Abs. 3 TV ATZ nur auf Abs. 2 beziehen, da andernfalls der Anspruch auf Wahrung billigen Ermessens im Ergebnis zu einer Pflicht des Arbeitgebers zum Abschluss des Änderungsvertrages werden würde, wenn er ausschließlich dringende dienstliche oder betriebliche Gründe berücksichtigen dürfte und im Ergebnis somit die erkennbar gewollte Unterscheidung zwischen den Altersgruppen aufgehoben werden würde5.
1 2
3 4 5
rifvertragsparteien Bund und ver.di vor dem Urteil des BAG v. 11.4.2006 geplant. Nach den DA-Altersteilzeitgesetz der BA ist dagegen eine Kürzung der Arbeitszeit im Altersteilzeitverhältnis unschädlich (DA 2.2 zu § 2). BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926, BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 664/05, EzTVöD 700 TV ATZ Nr. 8. BAG v. 13.12.2005 – 9 AZR 220/05, AP Nr. 27 zu § 1 TVG Altersteilzeit; BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 588/05, NZA-RR 2007, 41; vgl. auch BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 4/02, BAGE 104, 272 = ZTR 2003, 452, wo es jedoch nur um die Berücksichtigung der Pflichtstundenverkürzung bei der Vergütungsberechnung ging. BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 588/05, NZA-RR 2007, 41. LAG Hessen v. 12.4.2001 – 3 Sa 1031/00, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 10. BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209; LAG Berlin v. 1.10.1999 – 19 Sa 1271/99, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 1; LAG Hamburg v. 26.7.2000 – 8 Sa 48/00, ZTR 2000, 459; LAG Hessen v. 12.4.2001 – 3 Sa 1031/00, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 10; LAG Schl.-Holst. v. 16.5.2002 – 1 Sa 582/01, ArbRB online.
572 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 47 Teil 5 B
a) Arbeitnehmer über 60 Jahre Bei den in § 2 Abs. 3 TV ATZ erwähnten entgegenstehenden dienstlichen bzw. betrieblichen Gründen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe und nicht um eine Frage des Ermessens; sie sind somit gerichtlich voll überprüfbar1. Ein entgegenstehender dienstlicher bzw. betrieblicher Grund liegt vor, wenn die Eingehung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb bzw. der Dienststelle wesentlich beeinträchtigen oder unverhältnismäßige Kosten verursachen würde. Im Gegensatz zu § 8 Abs. 4 TzBfG genügen für die Ablehnung eines Altersteilzeitverlangens jedoch nicht allein betriebliche Gründe jeder Art. Vielmehr müssen diese Gründe gemäß § 2 Abs. 3 TV ATZ „dringend“, dh. von besonderem Gewicht sein2. Es gilt somit derselbe Maßstab wie bei § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG oder § 11 TVöD bzw. TV-L, § 15 BAT/BAT-O, wonach ebenfalls entgegenstehende dringende betriebliche bzw. dienstliche Gründe für eine Ablehnung eines Teilzeitarbeitsverlangens erforderlich sind.
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Die betrieblichen Gründe müssen folglich erforderlich und sehr wichtig 45 sein. Dies bedeutet gleichzeitig, dass ein Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung nur dann nicht besteht, wenn objektiv gewichtige Gründe des Arbeitgebers entgegenstehen, die die Ablehnung des Antrags rechtfertigen können3. Eine etwas andere, allerdings präzisere Definition hat das BVerwG für den 46 vergleichbaren Begriff der „dringenden dienstlichen Belange“ im Beamtenrecht aufgestellt: Danach ist unter „dienstlichen Belangen“ das engere öffentliche, dh. dienstliche Interesse an sachgemäßer und reibungsloser Aufgabenerfüllung der Verwaltung zu verstehen. „Dringende“ dienstliche Belange sind dagegen solche aus dem Dienstbetrieb resultierenden Bedürfnisse, deren Bedeutung über das Normalmaß hinausgeht, die also mit erhöhter Prioritätsstufe ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen erfordern, um einen effektiven dienstlichen Betrieb zu gewährleisten4. aa) Wirtschaftliche Auswirkungen Schwerwiegende wirtschaftliche oder finanzielle Auswirkungen für den 47 Arbeitgeber können die Ablehnung eines Teilzeitverlangens rechtfertigen. Als dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe kommen jedoch nicht solche wirtschaftlichen oder finanziellen Auswirkungen in Betracht, die regelmäßig und generell mit einem Altersteilzeitarbeitverhältnis verbunden sind, wie beispielsweise die Tatsache, dass der ausscheidende Mitarbeiter nicht mehr zur Verfügung steht, dass gegebenenfalls eine Ersatzkraft 1 LAG München v. 20.1.2006 – 8 Sa 1029/04. 2 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708; LAG Düsseldorf v. 29.11.2005 – 6 Sa 1066/05. 3 LAG Düsseldorf v. 29.11.2005 – 6 Sa 1066/05. 4 BVerwG v. 29.4.2004 – 2 C 21/03, BVerwGE 120, 382 = DVBl. 2004, 1375; BVerwG v. 29.4.2004 – 2 C 22/03, ZTR 2004, 662. Laber
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Teil 5 B
Rz. 48
Altersteilzeit
eingestellt werden muss, dass die Kosten für den Arbeitgeber ansteigen oder dass eine gewisse Umstrukturierung erfolgen muss1. 48 Fraglich ist, ob sich die öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber auf fehlende Haushaltsmittel als entgegenstehenden dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Grund berufen können. Teilweise wurde generell verneint, dass für öffentliche Arbeitgeber finanzielle Erwägungen dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nach § 2 Abs. 3 TV ATZ darstellen können2, da finanzielle Belastungen dem Rechtsanspruch nach § 2 Abs. 3 TV ATZ immanent seien und davon ausgegangen werden könne, dass den Tarifparteien die möglichen finanziellen Belastungen für die Arbeitgeber bekannt waren3. Andernfalls könnten die Arbeitgeber den tarifvertraglichen Anspruch praktisch beseitigen und auf das bloße Niveau einer Entscheidung nach billigem Ermessen herabstufen4. Zudem habe der Arbeitgeber für seine Leistungsfähigkeit einzustehen5. 49 Demgegenüber hat das LAG Düsseldorf fehlende Haushaltsmittel als entgegenstehende dringende dienstliche Gründe akzeptiert6: Es sei möglich, dass die allgemeine Haushaltslage des Landes auf die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der der Verwaltung übertragenen Aufgaben zurückwirke, etwa weil der ausscheidende Mitarbeiter aus Mangel an Haushaltsmitteln gegenwärtig oder in absehbarer Zukunft nicht ersetzt werden könne, seine Stelle aber zur Erfüllung der vorgegebenen Aufgaben besetzt bleiben müsse. So müsse eine vom Landesparlament verhängte Stellenbesetzungssperre von den öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern zwingend beachtet werden. Diese Rechtsprechung deckt sich mit der des BVerwG zum beamtenrechtlichen Altersteilzeitanspruch7. 50 Das BAG vertritt einen Mittelweg. Es schließt nicht aus, dass eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung durch Altersteilzeit auch öffentliche Arbeitgeber zu einer Ablehnung des Antrages berechtigten kann; diese muss aber deutlich über die mit der Altersteilzeit üblicherweise verbundenen höheren Kosten hinausgehen8. Fehlende Haushaltsmittel kön1 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708; LAG Düsseldorf v. 29.11.2005 – 6 Sa 1066/05; LAG Köln v. 20.11.2006 – 2 Sa 833/06 (n. rkr.); ArbG Kiel v. 4.9.2003 – ö.D. 5 Ca 636a/03, NZARR 2004, 653; vgl. auch ArbG Frankfurt am Main v. 17.10.2005 – 1 Ca 5187/05, DB 2005, 2643; für einen beamtenrechtlichen Anspruch auf Altersteilzeit BVerwG v. 29.4.2004 – 2 C 21/03, BVerwGE 120, 382 = DVBl. 2004, 1375. 2 So etwa die Vorinstanz zu BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; LAG München v. 13.1.2006 – 10 Sa 321/05, EzA-SD 2006, Nr. 10, 6 (Ls.). 3 LAG München v. 13.1.2006 – 10 Sa 321/05, EzA-SD 2006, Nr. 10, 6 (Ls.); ArbG Frankfurt am Main v. 17.10.2005 – 1 Ca 5187/05, DB 2005, 2643. 4 LAG München v. 13.1.2006 – 10 Sa 321/05, EzA-SD 2006, Nr. 10, 6 (Ls.). 5 LAG München v. 13.1.2006 – 10 Sa 321/05, EzA-SD 2006, Nr. 10, 6 (Ls.). 6 LAG Düsseldorf v. 29.11.2005 – 6 Sa 1066/05; ebenso für einen beamtenrechtlichen Anspruch auf Altersteilzeit BVerwG v. 29.4.2004 – 2 C 21/03, BVerwGE 120, 382 = DVBl. 2004, 1375. 7 BVerwG v. 29.4.2004 – 2 C 21/03, BVerwGE 120, 382 = DVBl. 2004, 1375; BVerwG v. 29.4.2004 – 2 C 22/03, ZTR 2004, 662. 8 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476.
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 54 Teil 5 B
nen nach Auffassung des BAG allenfalls dann ein Ablehnungsgrund sein, wenn – etwa aufgrund einer Zweckbestimmung bei Zuwendungsempfängern – für den konkret betroffenen Arbeitsplatz eine Neubesetzung nicht möglich ist, obwohl ein dringender Bedarf an der Tätigkeit besteht1. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass in diversen Ar- 51 beitsvertragsrichtlinien kirchlicher Arbeitgeber als Ablehnungsgrund ausdrücklich die Leistungsminderungen von Sozialleistungsträgern erwähnt sind2. Teilweise sind in Arbeitsvertragsrichtlinien auch Höchstgrenzen für die durch Alterszeitvereinbarungen entstehenden zusätzlichen Kosten festgelegt. bb) Personalwirtschaftliche Gründe Gründe, die im personalwirtschaftlichen Bereich liegen, können nur in Ausnahmefällen entgegenstehende dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe darstellen3. Zu denken ist etwa an besondere, für die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstherrn notwendige Fach- und Spezialkenntnisse des Arbeitnehmers. Die der Gewährung der Altersteilzeit immanenten Erschwernisse, wie zB die Notwendigkeit von Umsetzungen oder Versetzungen oder einer Umorganisation, kommen als entgegenstehende dringende Gründe dagegen nicht in Betracht4. Der Arbeitgeber kann sich auch nicht darauf berufen, dass er keine geeignete arbeitslose Ersatzkraft findet, so dass keine Förderung nach § 4 ATZG möglich ist5.
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Unbeachtlich sind ferner (interne) Erlasse und Richtlinien oder vertragliche Bindungen der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber gegenüber Dritten (zB im Rahmen eines Personalgestellungsvertrages), durch die der Abschluss von Altersteilzeitverträgen eingeschränkt wird6. Durch eine derartige Selbstbindung des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers können tarifvertraglich normierte Ansprüche des Arbeitnehmers nicht eingeschränkt oder erschwert werden.
53
cc) Überforderungsschutz Der Tarifvertrag Altersteilzeit enthält keine sog. Überforderungsklausel 54 wie § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATZG, wonach die Förderleistungen durch die Bundesagentur nach § 4 ATZG nicht gewährt werden, wenn die freie Entscheidung des Arbeitgebers bei einer über fünf Prozent der Arbeitnehmer des Betriebes hinausgehenden Inanspruchnahme nicht sichergestellt ist7. Frag1 2 3 4 5 6 7
BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476. ZB Anlage 17 der AVR des Deutschen Caritasverbandes. Drespa/Meyer/Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 23. LAG Düsseldorf v. 29.11.2005 – 6 Sa 1066/05. ArbG Kiel v. 4.9.2003 – 5 Ca 636a/03, NZA-RR 2004, 653. Vgl. LAG Köln v. 20.11.2006 – 2 Sa 833/06 (n. rkr.). Bei der Berechnung der 5 %-Quote sind auch nicht tarifgebundene Beschäftigte zu berücksichtigen, vgl. BAG v. 18.9.2001 – 9 AZR 397/00, BAGE 99, 60 = NZA 2002, 1161; BAG v. 30.9.2003 – 9 AZR 590/02, BAGE 108, 36 = DB 2004, 935. Laber
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Teil 5 B
Rz. 55
Altersteilzeit
lich ist daher, ob sich der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber bei seiner Ablehnungsentscheidung auf eine entsprechende Überforderung als dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Grund berufen kann. 55 Teilweise wird dies bejaht1. Auch bei den öffentlichen Arbeitgebern wird intern von der Anwendbarkeit des allgemeinen Überforderungsschutzes als Ablehnungsgrund ausgegangen2. Als Begründung wird angeführt, dass der Tarifvertrag in § 2 Abs. 1 allgemein auf das ATZG („auf der Grundlage des ATZG“) verweise, selbst jedoch keine eigenständige bzw. abweichende Regelung enthalte. Eine eigenständige Regelung sei auch verzichtbar, da § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATZG unmittelbar gelte3. 56 Systematisch überzeugender als diese etwas konstruiert wirkende Argumentation erscheint indessen die Auffassung, die den Überforderungsschutz des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATZG allein als Fördervoraussetzung versteht und daraus kein eigenständiges Recht auf Verweigerung herleitet4. Das Fehlen einer tarifvertraglichen Regelung spricht zudem eher gegen die Anwendbarkeit der Überforderungsklausel, zumal in anderen Tarifverträgen zur Altersteilzeit durchaus eigenständige Überforderungsklauseln enthalten sind, die derartige Unklarheiten beseitigen5. Das bedeutet nicht, dass der öffentliche Arbeitgeber Altersteilzeitanträge nicht wegen Überforderung ablehnen kann. Denn eine hohe Anzahl von bereits abgeschlossenen und durchgeführten Altersteilzeitarbeitsverhältnissen kann uU zu gravierenden Betriebsablaufstörungen führen, zB wenn eine Vielzahl von Arbeitnehmern zur gleichen Zeit in die Freistellungsphase wechseln. Diese Störungen muss indes der Arbeitgeber dezidiert benennen und beweisen6. b) Arbeitnehmer zwischen 55 und 59 Jahren aa) Ermessensentscheidung und Ausübungskontrolle 57 Wie bereits erörtert, haben Arbeitnehmer der Altersgruppe von 55 bis 59 Jahren keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages. Dem Arbeitgeber steht hier insoweit ein weiter Ermessensspielraum bei seiner Entscheidung über einen entsprechenden Antrag zu. Die Gründe 1 LAG Rh.-Pf. v. 22.6.2006 – 11 Sa 624/05 für den Haustarifvertrag einer KAV; Drespa/Meyer/Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 24.1; Kerschbaumer/Rothländer, S. 61; Langenbrinck/Litzka, Rz. 23; ausdrücklich offen gelassen von BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476. 2 Vgl. etwa Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern v. 22.11.2005; Durchführungshinweise zum Tarifvertrag Altersteilzeit des Personalamts Hamburg (Stand 21.6.2005); Durchführungshinweise zum Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (ATZ) v. 5. Mai 1998 – Gemeinsamer Runderlass des Finanzministeriums und des Innenministeriums NRW v. 22.7.2004. 3 Kerschbaumer/Rothländer, S. 61. 4 Leisbrock, S. 105 ff.; Rittweger/Petri/Schweikert, Altersteilzeitgesetz, § 3 Rz. 134; Zwanziger, RdA 2005, 226 (234); vgl. auch LAG MV v. 22.8.2006 – 3 Sa 454/05 und 3 Sa 511/05. 5 Vgl. LAG Köln v. 20.11.2006 – 2 Sa 833/06, ZTR 2007, 262 (Ls.). 6 LAG MV v. 22.8.2006 – 3 Sa 454/05.
576 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 59 Teil 5 B
für die Ablehnung müssen lediglich billigem Ermessen iSd. § 315 BGB entsprechen. Der Arbeitgeber ist somit verpflichtet, bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und die beiderseitigen Interessen angemessen zu wahren1. Die insofern gebotene Einzelfallbetrachtung schließt indessen generelle 58 Vorentscheidungen des öffentlichen Arbeitgebers durch interne Richtlinien und Durchführungshinweise, wie er Tarifnormen in die Praxis umsetzt, nicht aus2. Vom öffentlichen Dienstherrn kann also festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen und zu welchen Bedingungen (zB nur Teilzeit-, nicht aber Blockmodell) Altersteilzeit für Arbeitnehmer zwischen 55 und 59 Jahren gewährt werden soll. Denn durch Richtlinien und Durchführungshinweise soll eine einheitliche Anwendung der Tarifvorschriften erreicht werden. Ferner dienen sie der Transparenz, da für den Arbeitnehmer erkennbar ist, welche Kriterien für die Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblich sind. Der Arbeitgeber muss daher in eine weitergehende Prüfung der bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Belange des Arbeitnehmers erst dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer über die im Tarifvertrag normierten Anspruchsvoraussetzungen hinaus auf seinen Fall bezogene Umstände darlegt3. Eine ablehnende Entscheidung unterliegt allerdings der vollen gericht- 59 lichen Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB4, die – soweit die entscheidungserheblichen Tatsachen feststehen – auch noch vom Revisionsgericht vorgenommen werden kann5. Bei der gerichtlichen Überprüfung ist dabei auf den Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung durch den Arbeitgeber und nicht auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen6. Das Gericht hat immer eine eigene Sachentscheidung zu treffen, wenn es die Unbilligkeit der ablehnenden Entscheidung feststellt. E spricht also keine Verpflichtung zur erneuten ermessensfehlerfreien Entscheidung aus7.
1 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209; BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 47; BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 643/08, DB 2009, 2668. 2 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209; LAG Schl.Holst. v. 16.5.2002 – 1 Sa 582/01, ArbRB online. 3 Vgl. LAG Hamburg v. 26.7.2000 – 8 Sa 48/00, ZTR 2000, 459; LAG Schl.-Holst. v. 16.5.2002 – 1 Sa 582/01, ArbRB online. 4 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209; BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 47; BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, BAGE 104, 55 = NZA-RR 2003, 613; BAG v. 10.5.2005 – 9 AZR 294/04, AP Nr. 20 zu § 1 TVG Altersteilzeit; BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 643/08, DB 2009, 2668. 5 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, BAGE 104, 55 = NZA-RR 2003, 613; BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 643/08, DB 2009, 2668; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, NZA-RR 2007, 397. 6 LAG Schl.-Holst. v. 11.5.2004 – 5 Sa 549/03, AE 2006, 17 (Ls.); Drespa/Meyer/Slawik, § 2 TV ATZ Rz. 20. 7 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, BAGE 104, 55 = NZA-RR 2003, 613. Laber
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Teil 5 B
Rz. 60
Altersteilzeit
bb) Einzelne Ablehnungsgründe 60 Obwohl die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses immer mit finanziellen Mehrbelastungen verbunden ist und dies den Tarifparteien auch bewusst war, kann der Arbeitgeber sich bei seiner Ablehnungsentscheidung auf die erhöhten wirtschaftlichen Belastungen durch Aufstockungsleistungen berufen, insbesondere bei Altersteilzeitverhältnissen, die länger als sechs Jahre dauern sollen und damit über der gesetzlichen Förderhöchstdauer liegen1. Wenn aufgrund einer Einstellungssperre keine Erstattung der Aufstockungsleistungen durch die Bundesagentur möglich ist2, soll dies ebenso ein sachgerechter Ablehnungsgrund sein wie Schwierigkeiten bei der Wiederbesetzung3. Bei Drittmittelabhängigkeit (Forschungseinrichtungen usw.) sind haushaltsrechtliche Vorgaben bei der Entscheidung über den Abschluss von Altersteilzeitverträgen zu berücksichtigen4. 61 Neben wirtschaftlichen Gründen können auch personalwirtschaftliche Gründe eine Ablehnung rechtfertigen: So ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nur mit Arbeitnehmern aus Bereichen abgeschlossen werden, in denen ein abzubauender Stellenüberhang besteht, selbst wenn dies bedeutet, dass keine Erstattung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt5. Ebenfalls ermessensfehlerfrei ist es, wenn der Arbeitgeber auf die Mehrbelastung des übrigen Personals aufgrund einer Nachbesetzungssperre verweist6, auf die vorgesehene Neubesetzung mit Beamten7 oder auf ein mit der Altersteilzeit nicht zu vereinbarendes Arbeitszeitkonzept, das der Arbeitsplatzsicherung dient8. Auch die allgemeine Altersstruktur der Belegschaft kann einen zulässigen Ablehnungsgrund darstellen, insbesondere wenn abzusehen ist, dass in absehbarer Zukunft Altersteilzeitgesuche von Arbeitnehmern über 60 Jahre gestellt werden9. 62 Ebenso wenig widerspricht es billigem Ermessen, wenn der Arbeitgeber schwerbehinderte Arbeitnehmer bei der Begründung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen bevorzugt, da etwaige Nachteile durch die Behinderung bereits durch den besonderen Teilzeitanspruch des § 81 Abs. 5 SGB IX ausgeglichen werden10. 63 Unbillig ist indes eine Entscheidung, sobald sie auf Gründe gestützt wird, die nicht in Zusammenhang mit der Altersteilzeit stehen, wie z.B. das all1 BAG v. 10.5.2005 – 9 AZR 294/04, AP Nr. 20 zu § 1 TVG Altersteilzeit; LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33. 2 LAG Berlin v. 1.10.1999 – 19 Sa 1271/99, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 1. 3 BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 47. 4 LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33; LAG Hessen v. 12.4.2001 – 3 Sa 1031/00, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 10. 5 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209; LAG Köln v. 6.10.1999 – 2 Sa 698/99, NZA-RR 2000, 312. 6 LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33. 7 LAG Hamburg v. 26.7.2000 – 8 Sa 48/00, ZTR 2000, 459. 8 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, BAGE 104, 55 = NZA-RR 2003, 613. 9 LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33. 10 BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 47.
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 65 Teil 5 B
gemeine Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung des bisherigen Vertrages oder eine generelle Ablehnung von Teilzeitarbeitsverhältnissen. Zusammenfassung anerkannter Ablehnungsgründe:
64
– Einstellungs- oder Nachbesetzungssperre1 – Neubesetzung durch Beamten2 – keine oder eingeschränkte Förderung durch das Arbeitsamt3 – haushaltsrechtliche Vorgaben (zB Haushaltsperre)4 – wirtschaftliche Belastung durch Neueinstellungen5 – Schwierigkeit bei Wiederbesetzung6 – hoher Fortbildungsaufwand7 – kein Stellenüberhang8 – Altersstruktur der Belegschaft9 – ein mit Altersteilzeit nicht zu vereinbarendes Arbeitszeitkonzept10 – Zweck des Tarifvertrags, Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen, kann nicht erreicht werden11
c) Ablehnungsentscheidung Der TV ATZ sieht keine Frist- oder Formerfordernisse für die Ablehnungsentscheidung des Arbeitgebers vor. Ein Schweigen kann nicht als Zustimmung zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags gewertet werden. Die Fiktion des § 8 Abs. 5 TzBfG findet keine Anwendung12.
1 LAG Berlin v. 1.10.1999 – 19 Sa 1271/99, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 1. 2 LAG Hamburg v. 26.7.2000 – 8 Sa 48/00, ZTR 2000, 459. 3 LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33; LAG Hamburg v. 26.7.2000 – 8 Sa 48/00, ZTR 2000, 459. 4 LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33; LAG Hessen v. 12.4.2001 – 3 Sa 1031/00, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 10; LAG Schl.-Holst. v. 16.5.2002 – 1 Sa 582/01, ArbRB online. 5 LAG Schl.-Holst. v. 16.5.2002 – 1 Sa 582/01, ArbRB online. 6 BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, BAGE 98, 114 = NZA 2002, 47; LAG Berlin v. 13.1.2005 – 16 Sa 1630/04, ZTR 2005, 254. 7 LAG Berlin v. 1.10.1999 – 19 Sa 1271/99, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 1. 8 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209. 9 LAG BW v. 7.5.2004 – 5 Sa 39/03, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 33. 10 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, BAGE 104, 55 = NZA-RR 2003, 613. 11 LAG Berlin v. 13.1.2005 – 16 Sa 1630/04, NZA-RR 2005, 329. 12 LAG MV v. 22.7.2004 – 1 Sa 465/03 (für den Tarifvertrag Altersteilzeit beim Internationalen Bund e.V.). Laber
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Teil 5 B
Rz. 66
Altersteilzeit
5. Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Entscheidung des Arbeitgebers 66 Lehnt der Arbeitgeber den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages ab, kann der Arbeitnehmer Klage gegen ihn auf Annahme seines Angebots zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages erheben. Dies gilt grundsätzlich sowohl für die Altersgruppe der über 60-jährigen als auch die der 55- bis 59-jährigen Arbeitnehmer, wobei Letztere neben der Ermessensfehlerhaftigkeit der Ablehnungsentscheidung noch darlegen und beweisen müssen, dass das Ermessen des Arbeitgebers hinsichtlich des Abschlusses eines Altersteilzeitvertrags auf null reduziert ist. 67 Mit Rechtskraft des Urteils gilt die Willenserklärung als abgegeben (§ 894 ZPO), und der Altersteilzeitvertrag ist zustande gekommen. Die Klage ist nicht fristgebunden.
68 Formulierungsvorschlag: „Es wird beantragt: 1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags nach den Bedingungen des TV ATZ in seiner jeweiligen Fassung ab Rechtskraft bis zum … [konkretes Datum] zuzustimmen. 2. Die Beklagte wird (hilfsweise für den Fall des Obsiegens) verurteilt, die Verteilung der Arbeitszeit nach dem Blockmodell vorzunehmen.“
69 Fraglich ist, ob eine Verurteilung auf rückwirkende Zustimmung möglich ist. Bislang wurde dies überwiegend verneint1. Eine rückwirkende Vereinbarung eines Altersteilzeitvertrags sei nicht möglich, weil dazu das vollständig erfüllte Regelarbeitsverhältnis rückwirkend in ein Altersteilzeitverhältnis umgewidmet und rückabgewickelt werden müsse, was aus steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Gründen nicht möglich sei2. Zudem könne etwa der Fall eintreten, dass bei einer rückwirkenden Zustimmung der Arbeitnehmer bereits mehr als die Hälfte der vereinbarten Arbeitszeit gearbeitet habe, weil die Zustimmung erst mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt. Verlangt werden könne daher nur eine Verurteilung auf Zustimmung zum nächstmöglichen Zeitpunkt3. Dieser Argumentation ist das BAG nunmehr entgegengetreten, so dass ein Arbeitgeber auch zu einer rückwirkenden Zustimmung verurteilt werden kann, wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags rechtzeitig vor dem gewünschten Beginn geltend gemacht hat4. Seien bereits Leistungen erbracht worden, die aufgrund der Altersteilzeit nicht oder nicht so geschuldet seien, erfolge eine Rück1 LAG Hamm v. 23.3.2001 – 5 Sa 1424/00, DB 2001, 1890; LAG Köln v. 20.11.2006 – 2 Sa 83/06; Plagemann, ZAP Fach 17, 873; Zwanziger, RdA 2005, 226 (235). 2 LAG Köln v. 20.11.2006 – 2 Sa 833/06. 3 LAG Köln v. 20.11.2006 – 2 Sa 833/06. 4 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708.
580 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 73 Teil 5 B
abwicklung1. Eine rückwirkende Umwandlung eines Arbeitsverhältnisses in einen Altersteilzeitarbeitsvertrag mit Wirkung gegenüber dem Sozialversicherungsträger sei zwar grundsätzlich nicht möglich, etwas anderes gelte jedoch im Falle einer rückwirkenden Begründung aufgrund einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung, da in diesem Falle lediglich der Zustand hergestellt werde, der bestünde, wenn denn der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers pflichtgemäß angenommen hätte2. Die Altersteilzeit beginnt dann zu dem vom Arbeitnehmer gewünschten Zeitpunkt. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Zustimmung besteht sowohl für die Durchführung der Altersteilzeit im Block- als auch im Teilzeitmodell. Eine Klage ist nicht zu unbestimmt, wenn sich weder aus dem Klageantrag 70 noch aus der Klagebegründung ergibt, ob die begehrte Altersteilzeit im Block- oder im Teilzeitmodell durchgeführt werden soll3. In einem solchen Fall, in dem dem Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts die Wahl zwischen zwei Vertragsmodellen überlassen wird, kommt mit einem rechtskräftigen Urteil aber kein Altersteilzeitvertrag zustande, sondern es wird die Verurteilung zu einer nicht vertretbaren Handlung begehrt, die nach § 890 ZPO vollstreckt wird4. Besteht nur noch Streit über die konkrete Ausgestaltung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (zB über die Dauer der Arbeitszeit) kann der Arbeitnehmer Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben, die auch schon vor Begründung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zulässig ist5.
71
6. Vergütung bei Altersteilzeit a) Höhe der Bezüge (§ 4 TV ATZ) Die Höhe des Arbeitsentgelts während der Altersteilzeit ergibt sich aus § 4 72 TV ATZ. Aufgrund der Reduzierung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf die Hälfte bestimmt § 4 Abs. 1 TV ATZ, dass auch die Bezüge entsprechend reduziert werden. Die Bezüge werden nach den Beträgen bemessen, die sich nach den jeweiligen Tarifverträgen (zB § 34 BAT/ BAT-O, § 24 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L) für entsprechende Teilzeitkräfte ergeben. Dies gilt auch, wenn das Alterteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell durchgeführt wird. Das Arbeitsentgelt nach § 4 TV ATZ ist streng vom Regelarbeitsentgelt nach § 6 Abs. 1 ATZG zu unterscheiden, das nur die Berechnungsgrundlage für den Mindestaufstockungsbetrag darstellt und oftmals geringer ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG wird im Blockmodell der Al- 73 tersteilzeitarbeit die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung jeweils 1 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708. 2 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 393/06, DB 2007, 1476; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 624/06, DB 2007, 1708. 3 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209. 4 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, BAGE 96, 363 = NZA 2001, 1209. 5 BAG v. 1.10.2002 – 9 AZR 278/02, BAGE 103, 54 = NZA 2003, 1341. Laber
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Teil 5 B
Rz. 74
Altersteilzeit
„spiegelbildlich“ für die entsprechenden Monate der Arbeitsphase gezahlt (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit)1. Da der Arbeitnehmer in der Arbeitsphase mit seiner Arbeitsleistung für die Freistellungsphase in Vorleistung tritt und Entgeltteile anspart, darf also für die Höhe der Bezüge weder auf das Regelarbeitsentgelt nach § 6 ATZG noch auf die fiktive Weiterentwicklung des Arbeitsverhältnisses abgestellt werden, sondern es kommt allein auf die in der Arbeitsphase (hälftig) erhaltenen Bezüge an2. 74 Allerdings ist zwischen festen oder regelmäßigen auf der einen und unständigen Bezügebestandteilen auf der anderen Seite gem. § 4 Abs. 1 Alt. 2 TV ATZ zu differenzieren, da sich der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nur auf die festen Bezügebestandteile bezieht3. Probleme ergeben sich hierbei durch die fehlende Anpassung des TV ATZ an den TVöD bzw. TV-L4. 75 Die festen Bezügebestandteile erhält der Arbeitnehmer während der gesamten Zeit des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zur Hälfte (Halbierungsgrundsatz). Zu den festen Bezügebestandteilen gehören alle Bezüge, die zur monatlichen Regelvergütung zählen. Dies können sein5: – Grundvergütung (Monatstabellenlohn bzw. Tabellenentgelte nach den §§ 15 ff. TVöD bzw. TV-L), – Einmalzahlungen6, – Ortszuschläge7, – Sozialzuschläge, – Persönliche Zulagen (etwa wegen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, § 24 BAT), – Sicherheitszulage, – Funktionszulagen (zB Meisterzulage, Vorhandwerkerzulage nach § 3 Abs. 2 TV LohngrV8, Ministerialzulagen); – vermögenswirksame Leistungen (vgl. § 23 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L). 1 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258; BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408 = DB 2005, 779; BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; LAG Sa.-Anh. v. 22.11.2005 – 8 Sa 113/05 E; Hock/Klapproth, ZTR 2000, 97 (99). 2 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258; BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506; eine Übersicht über die Auswirkungen findet sich bei Kulok, ZTR 2006, 420 (421); aA Langenbrinck, ZTR 2004, 222 (226); Weishaupt, ZTR 2003, 435 (437). 3 Vgl. BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258. 4 Vgl. Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (632). 5 Vgl. für den TVöD die Übersicht bei Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (633). 6 Ausnahme Jubiläumszuwendungen (§ 23 Abs. 2 TVöD bzw. TV-L), vgl. Drespa/ Meyer/Slawik, § 4 TV ATZ Rz. 17 ff.; zum Sterbegeld (§ 23 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L) vgl. BAG v. 12.5.2005 – 6 AZR 311/04, NZA 2006, 50. 7 BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 389/03, ZTR 2005, 41 = AP Nr. 10 zu 34 BAT; BAG v. 16.8.2005 – 9 AZR 580/04, ZTR 2006, 256 = EzBAT TV Nr. 37; BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506. 8 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258.
582 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 78 Teil 5 B
Das bedeutet, dass zB eine Funktionszulage, die nur für einige Monate in 76 der Arbeitsphase zur Hälfte gezahlt wurde, für dieselbe Zeitdauer in der Freistellungsphase in hälftiger Höhe gezahlt werden muss1. Auf der anderen Seite bleibt zB ein Ortszuschlag, der erst in der Freistellungsphase anfällt, bei der Vergütung außer Betracht. Es sind somit immer die Verhältnisse in der Arbeitsphase und nicht im konkreten Lohnabrechnungszeitraum entscheidend2. Bei der Bemessung der Grundvergütung wird demzufolge auch nur an die Vergütungsgruppe bzw. -stufe angeknüpft, nach der der Arbeitnehmer zur Zeit der Arbeitsphase vergütet worden ist3 (zum Aufstieg während der Altersteilzeit siehe Rz. 109 ff.). Auch in der Freistellungsphase zu berücksichtigen sind jedoch allgemeine Erhöhungen der Bezüge, da andernfalls ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG vorliegen würde4. So müssen etwa Beschäftigte, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVöD bzw. TV-L bereits in der Freistellungsphase befunden haben, ebenfalls in den Genuss einer mit der Umstellung des Tarifvertrags eventuell verbundenen Erhöhung des Entgelts kommen5. Dagegen werden unständige Bezügebestandteile, die üblicherweise in die Berechnung des Aufschlags zur Urlaubsvergütung/Zuschlag zum Urlaubslohn einfließen, sowie Wechselschicht- und Schichtzulagen (vgl. § 4 Abs. 1 Alt. 2 TV ATZ) entsprechend dem Umfang der tatsächlich geleisteten Tätigkeit ungeteilt gezahlt6. Sie fallen im Blockmodell nur während der Arbeitsphase an und fließen daher auch nicht in das Wertguthaben für die Freistellungsphase ein.
77
§ 4 Abs. 1 Alt. 2 TV ATZ knüpft an den BAT/BAT-O an. Der TVöD bzw. TV-L sieht keinen Aufschlag mehr zur Urlaubsvergütung vor. An die Stelle der Urlaubsvergütung soll insoweit der Durchschnittsbetrag nach § 21 TVöD bzw.TV-L treten7. Zu den unständigen Bezügebestandteilen gehören: – Zeitzuschläge (für Nacht-, Samstags-, Sonntags- und ausgeglichene Überstunden),
78 Feiertagsarbeit8,
für
1 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258; Hock/Klapproth, ZTR 2000, 97 (99); aA Langenbrinck, ZTR 2004, 222 (226); Weishaupt, ZTR 2003, 435 (437). 2 AA Weishaupt, ZTR 2003, 435 (438). 3 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258; BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506. 4 AA Kulok, ZTR 2006, 420 (421); wohl auch BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/05, NZA 2006, 506; wie hier wohl auch LAG Sa.-Anh. v. 22.11.2005 – 8 Sa 113/05 E. 5 AA Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (631); Kulok, ZTR 2006, 420 (421), die davon ausgehen, dass bezüglich des Altersteilzeitentgelts nach § 4 TV ATZ keine Überleitung erfolgt. 6 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258. 7 Vgl. hierzu im Einzelnen Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (632). 8 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258. Laber
583
Teil 5 B
Rz. 79
Altersteilzeit
– Schmutz-, Gefahrenzulagen und Erschwerniszuschläge (vgl. zB § 19 TVöD bzw. TV-L)1, – Mehrarbeitsvergütung bei Teilzeitbeschäftigten, – Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, – Wechselschicht- und Schichtzulagen, – Aufwandsentschädigungen, – Vollstreckungsdienstvergütung2. 79 Nicht entscheidend für die Einstufung als ständiger oder unständiger Bezügebestandteil ist, ob der Zuschlag in einer Monatspauschale gezahlt wird3. Es muss vielmehr der jeweilige Sinn und Zweck der Zulage oder des Zuschlags ermittelt werden. 80 Das neu eingeführte Leistungsentgelt gehört ebenfalls zu den Bezügen iSd. § 4 TV ATZ4. Für seine Berechnung ist die in der jeweiligen Phase geschuldete Arbeitsleistung maßgeblich. Somit erfolgt nur in der Arbeitsphase, nicht jedoch in der Freistellungsphase eine Leistungsfeststellung und eine Auszahlung des Leistungsentgelts5. Es ist daher als unständiger Bestandteil anzusehen. 81 Problematisch bei der Berechnung der Vergütung nach § 4 ATZ ist die Behandlung von Sachbezügen (zB Dienstwagen, Dienstwohnungen), wenn diese nicht teilbar sind6. Im Teilzeitmodell ergeben sich keine Besonderheiten, da die Sachbezüge weiterhin zu gewähren sind. Im Blockmodell stehen Sachleistungen dem Arbeitnehmer mit Beginn der Freistellungsphase nicht mehr zu, es sei denn, sie sind ausdrücklich als Teil seiner Vergütung behandelt worden7. Im Altersteilzeitvertrag sollte daher eine Regelung hinsichtlich der Sachbezüge in der Freistellungsphase enthalten sein. Dabei ist jedoch immer das Benachteiligungsverbot des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG zu beachten, wonach einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Erhält der Arbeitnehmer die Leistung nur in der Arbeitsphase, nicht aber in der Freistellungsphase, muss die Leistung beim Aufstockungsbetrag berücksichtigt werden. 1 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 353/02, BAGE 106, 353 = DB 2004, 258; BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506. 2 Drespa/Meyer/Slawik, § 4 TV ATZ Rz. 10. 3 Hock/Klapproth, ZTR 2000, 97 (99); Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (632). 4 Vgl. Niederschriftserklärung zu § 18 TVöD-VKA: „Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Leistungsentgelte Bezüge iSd § 4 TV ATZ sind.“; vgl. auch Hock/ Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (632). 5 Vgl. Leist, ZTR 2007, 114 (116). 6 Vgl. Hock/Klapproth, ZTR 2000, 97 (99). 7 ArbG Frankfurt am Main v. 8.8.2001 – 7 Ca 3269/01, EzA-SD 17/2001 (Ls.); Drespa/Meyer/Slawik, Tarifliche Zusatzfragen Rz. 3.1.
584 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 86 Teil 5 B
b) Aufstockungsleistungen (§ 5 TV ATZ) § 5 TV ATZ regelt die zusätzlichen finanziellen Leistungen, die der Arbeit- 82 nehmer aufgrund des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber erhält (Aufstockungsleistungen). Sie dienen dazu, die Attraktivität der Altersteilzeit zu erhöhen und den Lebensstandard der Beschäftigten auch während der Altersteilzeit bis zum Übergang in die Rente zu sichern1. Diese Leistungen zählen zwar zum Entgelt iSd. § 611 BGB und sind daher auch wie Arbeitslohn pfändbar, stellen indes keine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung dar2. Die Aufstockungsleistungen müssen vom Arbeitgeber über die gesamte Dauer der Altersteilzeitvereinbarung gezahlt werden (§ 5 Abs. 6 TV ATZ), während die Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit nach § 4 Abs. 1 ATZG auf sechs Jahre beschränkt sind.
83
Es ist zwischen Aufstockungsleistungen hinsichtlich der Bezüge (§ 5 Abs. 1–3 TV ATZ) und Aufstockungsleistungen hinsichtlich der Rentenversicherungsbeiträge (§ 5 Abs. 4 TV ATZ) zu differenzieren:
84
aa) Aufstockung der Bezüge Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ sind die nach § 4 TV ATZ zu ermittelnden monatlichen tariflichen Bezüge inklusive Einmalzahlungen (individuelle Altersteilzeitbezüge) um 20 % der Bruttobeträge vom Arbeitgeber aufzustocken. Zu der nach § 4 TV ATZ zustehenden monatlichen Vergütung gehört auch der Ortszuschlag, auch soweit er familienbezogene Anteile enthält3. Ferner sind in die Berechnung des Aufstockungsbetrages einzubeziehen:
85
– Erschwerniszuschläge, – Schicht- und Wechselschichtzuschläge, – steuerpflichtige Zeitzuschläge. Sachleistungen sind nur insoweit für die Aufstockung zu berücksichtigen, soweit sie zum steuer- und sozialversicherungspflichtigen Entgelt gehören und nicht ungekürzt weitergewährt werden4. Dagegen sind für die Berechnung des Aufstockungsbetrags nicht zu berücksichtigen: – Steuerfreie Bezügebestandteile (Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit); 1 BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 267/03, NZA 2005, 784 (Ls.); BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 588/05, NZA-RR 2007, 41; BSG v. 10.2.2004 – B 7 AL 54/03 R, AuB 2004, 215. 2 BAG v. 19.10.2004 – 9 AZR 647/03, NZA 2005, 408; BAG v. 16.8.2005 – 9 AZR 580/04, ZTR 2006, 256; BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 588/05. 3 BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 267/03, NZA 2005, 784 (Ls.); BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 389/03, ZTR 2005, 41; BAG v. 16.8.2005 – 9 AZR 580/04, ZTR 2006, 256. 4 Vgl. Hock/Klapproth, ZTR 2000, 97 (99). Laber
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86
Teil 5 B
Rz. 87
Altersteilzeit
– Vergütung für Überstunden und Mehrarbeit; – Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeit einschließlich Wegezeit in der Rufbereitschaft; – Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft; – Überstundenpauschalen; – Aufwandsentschädigungen1; – Leistungsentgelt2. 87 Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ muss der Aufstockungsbetrag allerdings so hoch sein, dass der Arbeitnehmer mit dem Nettobetrag aus den Bezügen gemäß § 4 Abs. 1 TV ATZ und dem Aufstockungsbetrag nach § 5 Abs. 1 TV ATZ mindestens 83 % des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (sog. pauschalierter Mindestnettobetrag). Es darf für diese Berechnung aber nicht auf das bisherige Arbeitsentgelt vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses abgestellt werden. Vielmehr ist für den jeweiligen Monat der Altersteilzeit das „Hätte-Entgelt“ konkret zu ermitteln, wobei die steuerrechtlichen Verhältnisse dieses Monats zugrunde zu legen sind3. Der Begriff „Hätte-Entgelt“ bedeutet nicht, dass für die Berechnung des Aufstockungsbetrags nunmehr eine fiktive Entwicklung des Arbeitsverhältnisses inklusive möglicher Aufstiege nachzuzeichnen ist4. Denn eine fiktive Nachzeichnung einer beruflichen Entwicklung über viele Jahre ist nicht möglich. Es bedeutet nur, dass real während der Altersteilzeit eingetretene objektive Umstände, wie Veränderungen der steuerlichen Verhältnisse oder allgemeine Entgelterhöhungen bei der Berechnung zu berücksichtigen sind. Auch die Überleitung in den TVöD bzw. TV-L ist bei der Berechnung des „HätteEntgelts“ zu beachten, und zwar unabhängig davon, ob die Überleitung bereits in der Arbeitsphase oder erst in der Freistellungsphase erfolgte5. 88 Für die Berechnung des tariflich garantierten Mindestnettobetrags ist gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 TV ATZ die Rechtsverordnung nach § 15 Satz 1 Nr. 1 ATZG (Mindestnettobetrags-Verordnung sowie die darauf aufbauende „83 %-Tabelle“6) maßgeblich. Der tarifvertraglich garantierte Mindestnet1 Soweit sie nicht der Steuerpflicht unterliegen, vgl. Hock/Klapproth, ZTR 2000, 97 (100). 2 Vgl. Protokollerklärung zu § 11 Abs. 6 Satz 2 LeistungsTV-Bund: „Leistungsentgelt wird neben den Ausfstockungsleistungen nach § 5 TV ATZ gezahlt und bleibt bei der Berechnung von Aufstockungsleistungen nach § 5 TV ATZ unberücksichtigt.“ Mit dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 TV ATZ ist diese Auffassung freilich nicht zu vereinbaren, zumal das Leistungsentgelt ein Vergütungsbestandteil sein soll. Es soll jedoch eine redaktionelle Anpassung des TV ATZ erfolgen, vgl. Leist, ZTR 2007, 114 (116). 3 BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 554/02, BAGE 107, 248 = DB 2004, 821; aA Zwanziger, RdA 2005, 226 (231). 4 AA Kulok, ZTR 2006, 420 (421); Drespa/Meyer/Slawik, § 5 TV ATZ Rz. 28. 5 Ebenso Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (631); Kulok, ZTR 2006, 420 (422). 6 Diese Tabelle wird vom Bundesministerium des Innern in Zusammenarbeit mit der TdL und der VKA jährlich neu veröffentlicht und ist unter www.bi.bund.de ab-
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 91 Teil 5 B
tobetrag errechnet sich deshalb nach denselben Merkmalen, Festlegungen und Pauschalierungen, wie sie der Rechtsverordnung zugrunde liegen. Daher sind beispielsweise Aufwendungen des Arbeitnehmers für eine tariflich vereinbarte Zusatzversorgung bei der Berechnung des Mindestnettobetrags nicht zu berücksichtigen, sondern auch während der Altersteilzeit allein vom Arbeitnehmer zu tragen1. Zu beachten ist, dass der pauschalierte Mindestnettobetrag somit in aller Regel nicht den 83 % des jeweiligen individuellen Nettoentgelts entspricht. Durch die Nichtberücksichtigung bestimmter Vergütungsbestandteile bei 89 der Berechnung der Aufstockungsbeträge ist es möglich, dass dem Arbeitnehmer geringere Aufstockungsbeträge gezahlt werden als einem Arbeitnehmer, dem diese Vergütungsbestandteile von vornherein nicht zustehen (zB weil er keine Nachtarbeit oder Überstunden geleistet hat). Diese unterschiedliche Behandlung ist nach der ratio der Aufstockungsleistungen zulässig und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar2. Die Anknüpfung an das jeweilige Nettoeinkommen führt dazu, dass es für Arbeitnehmer günstiger sein kann, eine an sich hinsichtlich der monatlichen Lohnsteuerabzüge ungünstigere Lohnsteuerklasse zu wählen (missbräuchliche Lohnsteuerklassewahl). Denn je höher die monatlichen Abzüge sind, desto höher sind die Aufstockungsbeträge, während die erhöhten Lohnsteuerabzüge mit der Einkommensteuererklärung wieder rückgängig gemacht werden können. Das BAG hat diese Gestaltungsmöglichkeit als rechtsmissbräuchlich und für den Arbeitgeber unverbindlich erklärt, soweit kein sachlicher Grund für die Wahl der ungünstigen Lohnsteuerklasse besteht3. Das ist nach der Rechtsprechung des BAG dann der Fall, wenn über die finanzielle Mehrbelastung des Arbeitsgebers hinausgehende Umstände vorliegen, die die Wahl der Steuerklasse als Verfolgung eines rücksichtslosen Eigennutzes zum Nachteil des Arbeitgebers kennzeichnen4, wobei indes unklar bleibt, unter welchen Umständen ein derartiges, unredliches Verhalten angenommen werden kann. Die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand des Rechtsmissbrauchs trägt der Arbeitgeber5.
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Kein Rechtsmissbrauch liegt allerdings vor, wenn der Arbeitnehmer auf 91 die Eintragung von Steuerfreibeträgen auf der Lohnsteuerkarte verzichtet6. Denn wenn sich der Arbeitnehmer Freibeträge gemäß § 39a EStG auf seiner Lohnsteuerkarte eintragen lässt, erhöht sich wegen der damit verbun-
1 2 3 4 5 6
rufbar. Seit 1.1.2008 gilt die neue Mindestnettobetrags-VO v. 19.12.2007, die auch im Jahr 2009 Anwendung findet, vgl. BGBl. I 2007, 3040. BAG v. 9.12.2003 – 9 AZR 671/02, ZTR 2004, 253. LAG Köln v. 8.8.2006 – 9 Sa 403/06. BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 554/02, BAGE 107, 248 = DB 2004, 821; BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 423/05, NZA 2007, 275 = DB 2006, 2470; ArbG Koblenz v. 13.6.2000 – 8 Ca 117/00. BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 423/05, NZA 2007, 275 = DB 2006, 2470. BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 423/05, NZA 2007, 275 = DB 2006, 2470. Langenbrinck, ZTR 2004, 222 (228). Laber
587
Teil 5 B
Rz. 92
Altersteilzeit
denen steuerlichen Entlastung zwar das monatliche Teilzeitnettoentgelt, der Aufstockungsbeitrag ändert sich jedoch nicht. Freibeträge bleiben nämlich nach Auffassung des BAG für die Berechnung des (pauschalierten) Mindestnettobetrags unberücksichtigt; sie entlasten den Arbeitgeber also nicht1. Dies führt dazu, dass der Arbeitgeber nicht einfach für die Berechnung des Aufstockungsbeitrages die jeweiligen individuellen Nettoaltersteilzeitbezüge zugrunde legen darf, sondern ein sog. altersteilzeitspezifisches Nettoteilzeitentgelt errechnen muss. Dies ist ein um alle steuerlichen Freibeträge bereinigtes Nettoaltersteilzeitentgelt2. Dieses ist dann anhand der 83 %-Tabelle aufzustocken. 92
Berechnungsschritte Altersteilzeitentgelt (vereinfacht): 1. Berechnung der Bruttoaltersteilzeitbezüge (§ 4 TV ATZ) 2. Aufstockung der Altersteilzeitbezüge nach § 4 TV ATZ um 20 % der Bruttoaltersteilzeitbezüge (§ 5 Abs. 1 TV ATZ) 3. Berechnung der altersteilzeitspezifischen Nettoaltersteilzeitbezüge 4. Aufstockung der altersteilzeitspezifischen Nettoaltersteilzeitbezüge auf 83 % des pauschalierten Nettobetrags (§ 5 Abs. 2 TV ATZ) anhand der 83 %-Tabelle
93 Für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nach dem 30.6.2004 begonnen haben, sind Änderungen im Altersteilzeitgesetz zu beachten, die dazu führen, dass der TV ATZ und das ATZG hinsichtlich der Berechnung der Aufstockungsbeiträge nicht mehr deckungsgleich sind3. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ATZG ist das jeweilige Arbeitsentgelt für die Altersteilzeit (Regelarbeitsentgelt iSd. § 6 Abs. 1 ATZG) um 20 % aufzustocken, ohne dass mindestens 70 % des Mindestnettobetrags erreicht werden müssen. 94 Es ist mithin stets eine Günstigkeitsprüfung mittels Vergleichsberechnung vorzunehmen. In aller Regel fällt die Prüfung aufgrund der tarifvertraglich vorgesehenen zusätzlichen Aufstockung auf 83 % des Mindestnettobetrags jedoch zugunsten der allgemeinen tariflichen Berechnung aus4. bb) Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge 95 Da der Beschäftigte, der sich in Altersteilzeit befindet, nur die Hälfte seines bisherigen – soziaversicherungspflichtigen – Gehalts bezieht, würden auch nur auf dieser Basis Rentenversicherungsbeiträge errechnet werden. Um diese Benachteiligung auszugleichen, muss – allein (§ 168 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI) – der Arbeitgeber neben den Altersteilzeitbezügen nach § 4 TV ATZ und den Aufstockungsleistungen nach § 5 Abs. 1, 2 TV ATZ einen zu1 2 3 4
BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 558/04, NZA 2006, 1001. BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 558/04, NZA 2006, 1001. Vgl. BAG v. 14.10.2008 – 9 AZR 466/07, EzA-SD 2009, Nr. 8, S. 22. Vgl. Kerschbaumer/Rothländer, S. 95 f.; Hoß, ArbRB 2004, 146.
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 99 Teil 5 B
sätzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 5 Abs. 4 TV ATZ leisten. Dieser zusätzliche Beitrag bemisst sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen 90 % des auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzten fiktiven bisherigen (Brutto-)Entgelts und dem nach § 4 TV ATZ tatsächlich zustehenden (Brutto-)Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit. Auch im Zusammenhang mit der Aufstockung der Rentenversicherungs- 96 beiträge sind indes die nach Inkrafttreten des TV ATZ erfolgten Änderungen im ATZG zu den Aufstockungsleistungen zu beachten. Diese führen dazu, dass der TV ATZ und das ATZG nicht mehr deckungsgleich sind. Da es für das Vorliegen von Altersteilzeitarbeit auf der Grundlage des ATZG (§ 2 Abs. 1 TV ATZ) erforderlich ist, dass die gesetzlich geforderten Mindestvoraussetzungen erfüllt sind, ist somit wie bei der Aufstockung der Bezüge für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, die nach dem 30. April 2004 begonnen haben, ein Günstigkeitsvergleich erforderlich. Nach dem ATZG sind für Beschäftigte, deren Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach dem 1.7.2004 begonnen hat, zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mindestens in Höhe des Beitrags zu entrichten, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts – begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt – entfällt. Regelarbeitsentgelt ist gemäß § 6 Abs. 1 ATZG das auf einen Monat entfallende regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze des SGB III nicht überschreitet, ohne Berücksichtigung der nicht laufend gezahlten Entgeltbestandteile.
97
Sobald das Regelarbeitsentgelt dem Arbeitsentgelt iSd. § 4 Abs. 1 TV ATZ 98 entspricht, ergeben sich rechnerisch keine Unterschiede zwischen der gesetzlichen und der tariflichen Regelung. Berechnung des Aufstockungsbeitrags zur Rentenversicherung (Beispiel 1)1: Bisheriges Bruttoarbeitsentgelt: Bruttoarbeitsentgelt Altersteilzeit (50 %): Regelarbeitsentgelt gemäß § 6 Abs. 1 ATZG: 1. Nach § 5 Abs. 4 TV ATZ: 90 % des bisherigen Entgelts (jedoch höchstens 90 % der Beitragsbemessungsgrenze 2010/West2 = 4950,00 Euro) ./. Arbeitsentgelt Altersteilzeit Differenz = Bemessungsgrundlage Beitragssatz 19,9 %
3700,00 Euro 1850,00 Euro 1850,00 Euro 3330,00 Euro 1850,00 Euro 1480,00 Euro 294,52 Euro
1 Vereinfachte Darstellung; umfangreiche Berechnungsbeispiele bei Drespa/Meyer/ Slawik, § 5 TV ATZ. 2 5500,00 Euro monatlich. Laber
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Teil 5 B
Rz. 100
Altersteilzeit
2. Mindeststandard nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ATZG: 80 % des Regelarbeitsentgelts (jedoch höchstens Differenz zwischen 90 % der Beitragsbemessungsgrenze 2010/West) Regelarbeitsentgelt
1480,00 Euro
4950,00 Euro und 1850,00 Euro 3100,00 Euro
fi es bleibt bei 1480,00 Euro als Bemessungsgrundlage
100
Das Regelarbeitsentgelt wird aufgrund der Nichteinbeziehung nicht laufend gezahlter Entgeltbestandteile jedoch anders als das Arbeitsentgelt iSd. § 4 Abs. 1 TV ATZ berechnet1, so dass sich hinter beiden Begriffen häufig unterschiedlich hohe Beiträge verbergen. Im Gegensatz zum Aufstockungsbetrag für die Altersteilzeitbezüge führt die gesetzliche Neuregelung dazu, dass die Aufstockungsbeiträge für die Rentenversicherung in vielen Fällen höher und damit für den Arbeitnehmer günstiger sind als im Falle der Berechnung nach dem TV ATZ.
101
Berechnung des Aufstockungsbeitrags zur Rentenversicherung (Beispiel 2)2: Bisheriges Bruttoarbeitsentgelt: Vergütung für Mehrarbeitsstunden während der Altersteilzeit: Bruttoarbeitsentgelt Altersteilzeit: Regelarbeitsentgelt gemäß § 6 Abs. 1 ATZG: 1. Nach § 5 Abs. 4 TV ATZ: 90 % des bisherigen Bruttoarbeitsentgelts (jedoch höchstens 90 % der Beitragsbemessungsgrenze 2010/West = 4950,00 Euro) ./. Arbeitsentgelt Altersteilzeit Differenz = Bemessungsgrundlage Beitragssatz 19,9 %
3000,00 Euro 100,00 Euro 1600,00 Euro 1500,00 Euro 2700,00 Euro 1600,00 Euro 1100,00 Euro 218,90 Euro
2. Mindeststandard nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ATZG: 80 % des Regelarbeitsentgelts 1200,00 Euro Jedoch höchstens Differenz zwischen 90 % der Beitragsbemessungsgrenze (2010/West) 4950,00 Euro und Regelarbeitsentgelt 1500,00 Euro 3450,00 Euro fi es bleibt bei 1200,00 Euro als Bemessungsgrundlage fi Beitragsatz 19,9 %
238,80 Euro
fi Der Mindeststandard nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ATZG ist in diesem Beispiel für den Arbeitnehmer günstiger, so dass der Arbeitgeber die Rentenbeiträge um 238,80 Euro aufstocken muss.
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Äußerst kompliziert ist die Behandlung von Einmalzahlungen in Bezug auf die Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge. Hierzu ist auf das ge-
1 Einzelheiten zum Begriff und der Berechnung des Regelarbeitsentgelts im gemeinsamen Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 9.3.2004 unter Ziffer 2.1.1.2. 2 Siehe Durchführungshinweise zum Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit des Personalamts Hamburg – Stand 21.6.2005.
590 Laber
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 105 Teil 5 B
meinsame Rundschreiben der Spitzensorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 9.3.2004 zu verweisen. c) Steuerliche Behandlung der Aufstockungsleistungen Nach § 3 Nr. 28 EStG sind die Aufstockungsleistungen steuerfrei. Die 103 Steuerfreiheit gilt für die gesamten Aufstockungsleistungen und nicht für nur den gesetzlichen Mindestbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATZG oder die Förderhöchstdauer. Die persönlichen Voraussetzungen nach § 2 ATZG für den Arbeitnehmer müssen jedoch erfüllt sein, dh Vollendung des 55. Lebensjahres, Halbierung der bisherigen Arbeitszeit etc1. Unerheblich ist auch, ob eine Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes und eine Förderung durch die Bundesagentur erfolgen. Ebenfalls unschädlich ist die vorzeitige Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses2. Um der Gefahr von versteckten Abfindungen zu begegnen, besteht die Steuerfreiheit aber nur, soweit die Aufstockungsbeträge zusammen mit dem während der Altersteilzeit bezogenen Nettoarbeitslohn monatlich 100 % des maßgebenden Arbeitslohns nicht übersteigen3. Die tariflichen Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers unterliegen mit Ausnahme der zusätzlichen Rentenbeiträge allerdings dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG, erhöhen also den Steuersatz der steuerpflichtigen Einkünfte. Es besteht nach ständiger Rechtsprechung keine allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Ausgleich des Progressionsvorbehalts4. Den Arbeitgeber trifft auch keine Pflicht, den Arbeitnehmer über die Auswirkungen des Progressionsvorbehalts aufzuklären5.
104
d) Sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Aufstockungsleistungen Die Aufstockungsleistungen nach § 5 Abs. 1 bis 4 TV ATZ sind in voller Höhe sozialversicherungsfrei (§ 1 SvEV6 iVm. § 3 Nr. 28 EStG), auch soweit sie die im ATZG genannten Mindestbeträge oder Förderhöchstdauer überschreiten. Sie sind auch nicht zusatzversorgungspflichtig.
1 2 3 4
FG Niedersachsen v. 14.6.2007 – 11 K 541/06. Vgl. LStR 18, LStH 18. LStR 18 Abs. 3 S. 2. BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 61/02, ZTR 2003, 451; BAG v. 1.10.2002 – 9 AZR 298/01; BAG v. 25.6.2002 – 9 AZR 155/01, DB 2002, 2491; ArbG Stuttgart v. 3.5.2001 – 15 Ca 6930/00; BVerwG v. 28.2.2002 – 2 C 16/01. 5 BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 61/02, ZTR 2003, 451. Die öffentlichen Arbeitgeber weisen jedoch regelmäßig in einem Merkblatt vor Abschluss des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen hin. 6 Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) v. 21.12.2006 (BGBl. I 2006, 3385). Die SvEV hat zum 1.1.2007 die Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) abgelöst. Laber
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Teil 5 B
Rz. 106
Altersteilzeit
e) Verlängerung und Ermäßigung der Arbeitszeit während der Altersteilzeit 106
Fraglich ist, wie sich eine Verlängerung der tarifvertraglichen oder gesetzlichen Arbeitszeit auf die Höhe der Vergütung von Beschäftigten, die sich in der Arbeitsphase1 der Altersteilzeit befinden, auswirkt. In einem „normalen“ Teilzeitarbeitsverhältnis ergeben sich insoweit keine Probleme, weil ohne weiteres die Arbeitszeit entsprechend angepasst werden kann. In einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist eine solche flexible Handhabung – unabhängig davon, ob es im Block- oder Teilzeitmodell durchgeführt wird – wegen der zwingenden Halbierung der bisherigen Arbeitszeit jedoch nicht möglich. Somit ist fraglich, ob im Falle einer Verlängerung der Arbeitszeit das Arbeitsentgelt entsprechend zu kürzen ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der TVöD nunmehr eine einheitliche wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden (§ 6 Abs. 1 Buchst. a TVöD) vorsieht, was für Vollzeitbeschäftigte im Tarifgebiet West eine Erhöhung um eine halbe Stunde und für Vollzeitbeschäftigte im Tarifgebiet Ost eine Verringerung um eine Stunde bedeutet, ist die Beantwortung dieser Frage von großer praktischer Bedeutung.
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Beispiel: Tarifvertragliche Arbeitszeit bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags: 38,5 Stunden Hälftige Altersteilzeitarbeitszeit: 19,25 Stunden Gehalt als Vollzeitbeschäftigter: 3000,00 Euro Gehalt in Altersteilzeit: 1500,00 Euro Tarifvertragliche Arbeitszeit nach Erhöhung: 40 Stunden Das Verhältnis beträgt somit nun 19,25 zu 40 Stunden, das Entgelt müsste auf 1443,75 Euro gekürzt werden.
108
Eine derartige Entgeltkürzung stellt nach Auffassung des BAG keinen unzulässigen Eingriff in das Austauschverhältnis Arbeit gegen Lohn dar2. Die mit einer Verlängerung der Arbeitszeit verbundene Entgeltkürzung hat darüber hinaus nach Ansicht des BAG auch entsprechende Auswirkungen auf die Aufstockungsleistungen nach § 5 Abs. 2 TV ATZ. Diese bemessen sich nach dem bisherigen Arbeitsentgelt, dh dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit zu beanspruchen hätte3. Wird das Entgelt aufgrund der Arbeitszeitverlängerung gekürzt, verringert sich somit auch der Mindestnettobetrag für die Aufstockung nach § 5 Abs. 2 TV ATZ entsprechend. Im Rahmen des Blockmodells ist des Weiteren insoweit der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zu beachten: Die 1 Erfolgt die Verlängerung während der Freistellungsphase, ergeben sich keine Probleme, da das entsprechende Wertguthaben bereits erspart wurde. 2 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 664/05, EzTVöD 700 TV ATZ Nr. 8; aA LAG Köln v. 12.10.2005 – 7 (6) Sa 99/05; LAG Köln v. 9.11.2005 – 7 (3) Sa 96/05. 3 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 664/05; Hock/Kramer/Schwerdle, ZTR 2006, 622 (631) mit einem Berechnungsbeispiel.
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 111 Teil 5 B
Arbeitszeitänderung muss im Hinblick auf die Änderung des Entgelts und der Aufstockungsleistungen spiegelbildlich in der Freistellungsphase abgebildet werden1. Bei einer nachträglichen Verkürzung der Arbeitszeit bemisst sich dagegen die Vergütung unverändert nach der ungeminderten Arbeitszeit2. f) Aufstieg während der Altersteilzeit Beschäftigte, die sich in Altersteilzeit befinden, werden nach denselben 109 Grundsätzen wie andere Teilzeitbeschäftigte eingruppiert. Beim Teilzeitmodell ergeben sich bezüglich der Aufstiegsmöglichkeiten keine Abweichungen zu „normalen“ Teilzeitbeschäftigten. Ebenfalls unproblematisch ist der Aufstieg im Blockmodell während der Arbeitsphase. Besonderheiten ergeben sich jedoch während der Freistellungsphase3. Durch den Eintritt in die Freistellungsphase können uU die für die im bzw. 110 außerhalb des BAT/BAT-O vorgesehenen Bewährungs- und Zeitaufstiege (vgl. hierzu Teil 3 J Rz. 7 ff.) erforderlichen Bewährungs- oder Tätigkeitszeiten nicht erreicht werden, so dass weder ein Tätigkeits- noch ein Bewährungsaufstieg möglich ist4. Dennoch haben die öffentlichen Arbeitgeber vorgreiflich zu einer tarifvertraglichen Ergänzung die Möglichkeit einer Anrechnung der Freistellungsphase bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen in Aussicht gestellt oder sogar umgesetzt5. Inwieweit diese Rechtslage im Bereich des TVöD bzw. TV-L noch gilt, ist zweifelhaft. Der TVöD bzw. TV-L sieht nunmehr nur noch die Möglichkeit des sog. Stufenaufstiegs vor, der die ununterbrochene Zeit der Tätigkeit voraussetzt (§ 16 Abs. 4 Satz 1 TVöD, § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-VKA bzw. TV-L). Die Freistellungsphase in der Altersteilzeit gehört nicht gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD bzw. TV-L zu den für die Stufenlaufzeit anrechenbaren Zeiten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 17 Abs. 3 Satz 4 TVöD bzw. TV-L, wonach Zeiten, in denen Beschäftigte mit einer kürzeren als der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Voll1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926, EzTVöD 700 TV ATZ Nr. 8; ein Berechnungsbeispiel findet sich bei Kulok, ZTR 2006, 420 (423). Nach Auffassung des BMI (vgl. BMI-Rundschreiben vom 13.10.2006 – D II 2 – 220 770-1/18, abrufbar unter www.bmi.bund.de), soll der erste Monat der Arbeitsphase in den ersten Monat der Freistellungsphase „gespiegelt“ werden („First in-First out“-Prinzip), so dass sich die Kürzung zu Beginn der Freistellungsphase auswirkt. 2 BAG v. 13.6.2006 – 9 AZR 588/05, ZTR 2006, NZA-RR 2007, 41; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 664/05, EzTVöD 700 TV ATZ Nr. 8. Nach den DA-Altersteilzeitgesetz der BA ist auch eine Kürzung der Arbeitszeit im Altersteilzeitverhältnis unschädlich (DA 2.2 zu § 2). 3 Vgl. Kerschbaumer/Rothländer, S. 79 f. 4 AA Kerschbaumer/Rothländer, S. 79. 5 Vgl. zB Ziffer 3.4. der Durchführungshinweise zum Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) v. 5.5.1998 – Gem. RdErl. d. Finanzministeriums und Innenministeriums NRW – B 4000 – 1.133-25 – 42.06.08 – 71.3. – v. 22.7.2004; Ziffer 4.4 der Durchführungshinweise zum Tarifvertrag Altersteilzeit des Personalamts Hamburg (Stand 21.6.2005). Laber
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Teil 5 B
Rz. 112
Altersteilzeit
beschäftigten beschäftigt waren, voll angerechnet werden, da in der Freistellungsphase keine Teilzeitbeschäftigung vorliegt1, sondern die gegenseitigen Hauptleistungspflichten vollständig suspendiert sind. Das heißt, dass kein Anspruch auf Stufenaufstieg in der Freistellungsphase besteht2. Da inzwischen mit TVöD bzw. TV-L neue Tarifverträge vorliegen, die wiederum auf eine explizite Regelung der Frage verzichten, dürften auch die früheren Aussagen von Bund, TdL und VKA obsolet sein. Außerdem widerspricht die Möglichkeit eines Stufenaufstiegs in der Freistellungsphase dem vom BAG in ständiger Rechtsprechung vertretenen Prinzip der Spiegelbildlichkeit3. Es bleibt den Tarifparteien unbenommen, künftig etwas anderes zu vereinbaren4. Solange dies nicht geschehen ist, sind bei der Berechnung des Altersteilzeitentgelts nach § 4 TV ATZ sowie der Aufstockungsleistungen nach § 5 TV ATZ daher auch keine – fiktiven – Stufenaufstiege zu berücksichtigen5. g) Abfindung bei Rentenkürzung nach § 5 Abs. 7 TV ATZ 112
§ 5 Abs. 7 TV ATZ gewährt Beschäftigten, die aufgrund eines vorzeitigen Renteneintritts Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen müssen, einen Abfindungsanspruch in Höhe von 5 % des Bruttomonatsgehalts, das ihnen zugestanden hätte, wenn sie mit der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit iSd. § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV ATZ beschäftigt gewesen wären, pro 0,3 % Rentenminderung6. Er wird zum Ende der Altersteilzeit gezahlt. Der Arbeitnehmer soll bereits bei Vertragsabschluss auf diesen Anspruch verzichten können. Die Verzichtserklärung soll aber als negatives Schuldanerkenntnis dem tariflichen Schriftformerfordernis (zB § 4 Abs. 2 BAT, § 2 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L) unterliegen und daher sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber unterschrieben werden müssen7.
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§ 5 Abs. 7 TV ATZ ist nicht einschlägig, wenn eine Rückabwicklung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses aufgrund einer vorzeitigen Beendigung der Altersteilzeit nach § 9 Abs. 3 TV ATZ (vgl. Rz. 127) erfolgt8. Da die Steuerfreiheit von Abfindungen (§ 3 Nr. 9 EStG aF) zum 1.1.2006 abgeschafft wurde, sind auch Abfindungen nach § 5 Abs. 7 TV ATZ nicht mehr steuerfrei9, jedoch tarifbegünstigt gemäß §§ 24, 34, 39b EStG. Als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes soll sie indes weiterhin noch sozi1 AA Kerschbaumer/Rothländer, S. 80. 2 Anders jedoch die Auffassung des BMI, vgl. vgl. BMI-Rundschreiben v. 13.10.2006 – D II 2 – 220 770-1/18, abrufbar unter www.bmi.bund.de. 3 Drespa/Meyer/Slawik, Tarifliche Zusatzfragen Rz. 7. 4 Vgl. BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506. 5 AA für die Berechnung des Aufstockungsbetrags nach § 5 TV ATZ Kulok, ZTR 2006, 420 (421). 6 Zu den Einzelheiten der Berechnung vgl. Drespa/Meyer/Slawik, § 5 TV ATZ Rz. 88. 7 ArbG Cottbus v. 18.1.2006 – 7 Ca 2059/05, AE 2007, 39. 8 LAG MV v. 10.1.2007 – 3 Sa 210/06. 9 Für 2006 und 2007 ist allerdings noch die Übergangsregelung des § 52 Abs. 4a S. 1 EStG zu beachten.
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 117 Teil 5 B
alversicherungsfrei sein1. Dies erscheint allerdings nicht unproblematisch, da nicht der Verlust des Arbeitsplatzes, sondern die Rentenkürzung abgefunden werden soll. 7. Nebentätigkeit (§ 6 TV ATZ) Der Arbeitnehmer darf während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses – un- 114 abhängig davon, ob es im Teilzeit- oder im Blockmodell ausgeübt wird – zu keiner Zeit, also auch nicht in der Freistellungsphase, eine Nebentätigkeit ausüben, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV (derzeit 400 Euro) überschreitet Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Nebentätigkeit bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit ständig, dh. regelmäßig und gleich bleibend, ausgeübt worden ist. Die Regelung knüpft an § 5 Abs. 3 ATZG an und soll verhindern, dass Förderleistungen entfallen2. Hintergrund des Nebentätigkeitsverbotes ist, dass die durch die Altersteilzeit bezweckte Entlastung des Arbeitsmarktes nicht durch Nebentätigkeiten – insbesondere in der Freistellungsphase – unterlaufen werden soll. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG ist hierin nicht zu sehen. Nach § 8 Abs. 3 TV ATZ führt eine unzulässige Nebentätigkeit zwingend 115 dazu, dass der Anspruch auf Aufstockungsleistungen ruht. Folglich liegt für die Dauer des Ruhens keine Altersteilzeit iSd. ATZG vor, und es kann sogar der Rentenzugang nach Altersteilzeit in Gefahr sein3. Ferner ruht nach § 5 Abs. 3 und 4 ATZG auch der Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit. Unabhängig davon sind die tarifvertraglichen Regelungen über Nebentätig- 116 keiten zu beachten. Nach § 3 Abs. 3 TVöD bzw. § 3 Abs. 4 TV-L besteht eine schriftliche Anzeigepflicht mit Verbotsvorbehalt durch den Arbeitgeber, wenn die Nebentätigkeit geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten oder die berechtigten Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Sobald daher eine Nebentätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet und somit ein Verstoß gegen den TV ATZ vorliegt, ist die Nebentätigkeit zu untersagen. Das gilt auch dann, wenn der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber bereits aus anderen Gründen keine Erstattungsleistungen erhält4. 8. Urlaubsansprüche und -abgeltung Fragen im Zusammenhang mit Urlaubsansprüchen von Arbeitnehmern im Altersteilzeitarbeitsverhältnis bestimmen sich nach den allgemeinen tariflichen Regelungen (§ 38 BAT/BAT-O, § 48 MTArb/MTArb-O, § 41 BMT-G II/BMT-G-O, §§ 26 ff. TVöD bzw. TV-L). Bei einem Altersteilzeitarbeitsver-
1 2 3 4
Drespa/Meyer/Slawik, § 5 TV ATZ Rz. 90; Kerschbaumer/Rothländer, S. 108. Drespa/Meyer/Slawik, § 6 TV ATZ Rz. 1. Drespa/Meyer/Slawik, § 8 TV ATZ Rz. 17. AA wohl Zwanziger, RdA 2005, 226 (235). Laber
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Teil 5 B
Rz. 118
Altersteilzeit
hältnis, das als „Teilzeitmodell“ ausgerichtet ist, ergeben sich keinerlei Besonderheiten gegenüber einem „normalen“ (Teilzeit-)Arbeitsverhältnis. 118
Beim Blockmodell besteht während der Arbeitsphase ebenfalls der tarifliche Urlaubsanspruch. In der Freistellungsphase besteht mangels Arbeitspflicht indes auch kein Urlaubsanspruch1. Dies wird in § 7 Satz 1 TV ATZ – deklaratorisch – festgelegt. Für das Übergangsjahr von der Arbeits- in die Freistellungsphase gilt § 7 Satz 2 TV ATZ, wonach dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Beschäftigungsmonat zusteht. Ergeben sich hierbei Bruchteile, sind sie entsprechend § 48 Abs. 5b BAT, § 48 Abs. 8 Unterabschn. 5 MTArb oder § 26 Abs. 1 Satz 5 TVöD bzw. TV-L zu runden.
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Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt zu Recht keine Urlaubsabgeltung, wenn ein Resturlaubsanspruch wegen Erkrankung oder anderen Gründen nicht während der Arbeitsphase in Anspruch genommen werden konnte, da das Arbeitsverhältnis in oder nach der Arbeitsphase nicht endet2. Eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 BUrlG scheidet aus3. In Betracht kommt allenfalls eine Abgeltung als Schadensersatz, wenn der Arbeitgeber verhindert hat, dass der Arbeitnehmer den Urlaub noch in der Arbeitsphase in Anspruch nehmen konnte4. 9. Krankheit und Entgeltfortzahlung (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ)
120
§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ regelt den Anspruch des Arbeitnehmers im Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Aufstockungsleistungen im Falle von Krankheit während der Arbeitsphase. Während der Freistellungsphase besteht ohnehin keine Arbeitspflicht, so dass dort der Arbeitnehmer auch im Falle der Krankheit sein laufendes Altersteilzeitentgelt weiter bezieht und sein Wertguthaben verbraucht5.
121
Im Laufe des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums gemäß § 22 TVöD bzw. TV-L, § 37 BAT/BAT-O, § 42 MTArb/MTArb-O werden neben den Altersteilzeitbezügen alle Aufstockungsleistungen wie bisher gezahlt. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung werden nach § 8 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1, 2. Halbs. TV ATZ für die Dauer des jeweiligen Krankengeldzuschusszeitraums, also gemäß § 22 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L von der 7. bis längstens zum Ende der 39. Woche seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit, Aufstockungsleistungen nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ, nicht aber solche nach
1 Hock/Klapproth, ZTR 2000, 97 (101); Zwanziger, RdA 2005, 226 (236). 2 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 143/04, NZA 2005, 994; BAG v. 10.5.2005 – 9 AZR 196/04, NZA 2005, 1432 (Ls.) = ZTR 2006, 142; LAG BW v. 11.12.2000 – 13 Sa 65/00, AiB 2002, 382; LAG Nds. v. 26.7.2001 – 7 Sa 426/01, ArbRB online; Hock/ Klapproth, ZTR 2000, 97 (101). 3 LAG Nds. v. 26.7.2001 – 7 Sa 426/01, ArbRB online; Zwanziger, RdA 2005, 226 (236). 4 Zwanziger, RdA 2005, 226 (236). 5 Drespa/Meyer/Slawik, § 8 TV ATZ Rz. 4; Zwanziger, RdA 2005, 226 (236 f.).
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 124 Teil 5 B
§ 5 Abs. 4 und 5 TV ATZ gezahlt1. In diesem Zeitraum fehlt es nämlich an Nettobezügen, so dass eine Berechnung des Mindestnettobetrags nach § 5 Abs. 2 TV ATZ nicht möglich ist. Daher ist in § 8 Abs. 1 Unterabschn. 1 Satz 2 TV ATZ eine eigene Berechnungsgrundlage für Aufstockungsleistungen festgelegt: Die Aufstockungsleistung richtet sich nach dem kalendertäglichen Durchschnitt der in den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten nach § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ gezahlten Aufstockungsleistungen. Berechnungsbeispiel für einen unter den TVöD/TV-L fallenden Arbeitnehmer (Beschäftigungsdauer 5 Jahre): Dauer der Erkrankung: Anspruch auf Lohnfortzahlung: Anspruch auf Krankengeldzuschuss:
122
17.1.2009–30.10.2009 17.1.2010–27.2.2010 (6 Wochen) 28.2.2010–16.10.2010 (7.–39. Woche)
1. Schritt:
Berechnung des täglichen Aufstockungsbetrags anhand der Aufstockungsbeträge in den letzten drei abgerechneten Monaten Oktober 2009 450,00 Euro November 2009 470,00 Euro Dezember 2009 450,00 Euro 1370,00 Euro Geteilt durch 92 Kalendertage 14,89 Euro
2. Schritt:
Berechnung des auszuzahlenden monatlichen Aufstockungsbetrags Februar 2010 14,89 Euro ( 1 × 14,89 Euro) März 2010 461,59 Euro (31 × 14,89 Euro) April 2010 446,70 Euro (30 × 14,89 Euro) … Oktober 2010 238,24 Euro (16 × 14,89 Euro)
Nach Ablauf des Krankengeldzuschusszeitraums sind keine Aufstockungsleistungen mehr zu zahlen2. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer dann nur noch Krankengeld nach den §§ 44 ff. SGB V erhält3. Eine lang anhaltende Krankheit hat für den Arbeitnehmer somit erhebliche finanzielle Nachteile.
123
Ist der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase im Blockmodell über den 124 Entgeltfortzahlungszeitraum, also länger als sechs Wochen krank, so verlängert sich gemäß § 8 Abs. 2 TV ATZ die Arbeitsphase um die Hälfte des Zeitraums der Erkrankung nach Beendigung der Entgeltfortzahlung (Verpflichtung zur Nacharbeit)4. Die Regelung soll sicherstellen, dass während der gesamten Altersteilzeitarbeit im Blockmodell ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt5. Sie kann daher für Zeiten unbezahlten Urlaubs entsprechend angewandt werden6. 1 Vgl. BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 639/05; LAG BW v. 27.6.2001 – 3 Sa 13/01, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 8; Conze, Rz. 111; Drespa/Meyer/Slawik, § 8 TV ATZ Rz. 6. 2 LAG BW v. 27.6.2001 – 3 Sa 13/01, EzBAT TV Altersteilzeit Nr. 8; Drespa/Meyer/ Slawik, § 8 TV ATZ Rz. 6. 3 Vgl. Kerschbaumer/Rothländer, S. 102 f. 4 Vgl. auch LAG Rh.-Pf. v. 22.12.2005 – 6 Sa 317/05. 5 Drespa/Meyer/Slawik, § 8 TV ATZ Rz. 14. 6 BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 122/03, BAGE 108, 333 = NZA 2004, 545; BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 18/03, BAGE 110, 208 = NZA 2005, 821. Laber
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Teil 5 B
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Rz. 125
Altersteilzeit
Für den Fall, dass aufgrund einer Erkrankung ohne Entgeltfortzahlung kein nahtloser Übergang in die Rente möglich ist, räumt die Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien zu § 8 TV ATZ dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vertragsanpassung der Altersteilzeitvereinbarung ein. Dieser Fall kann etwa eintreten, wenn als Vertragsende nur die Altersrente wegen Altersteilzeitarbeit gemäß § 237 SGB VI in Betracht gekommen wäre. Denn diese Rentenart setzt voraus, dass über mindestens 24 Kalendermonate die bisherige Arbeitszeit auf der Grundlage der Altersteilzeit halbiert worden ist und Aufstockungsleistungen zum Arbeitsentgelt und zur Rentenversicherung gezahlt worden sind. Da dies nach Ablauf des Krankengeldzuschusszeitraums nicht mehr der Fall ist, wäre in diesen Fällen der Zugang zur Altersrente wegen Altersteilzeitarbeit ohne eine entsprechende Vertragsanpassung nicht möglich. 10. Beendigung nach § 9 Abs. 1 und 2 TV ATZ
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Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endet nach § 9 Abs. 1 und 2 TV ATZ. In Betracht kommen demnach folgende Tatbestände. – Beendigung aufgrund Zeitablaufs (§ 9 Abs. 1 TV ATZ, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 ATZG): Entscheidend ist der in der Altersteilzeitvereinbarung festgelegte Zeitpunkt, also in der Regel ein Zeitpunkt zwischen Vollendung des 60. und 65. Lebensjahres1. – Beendigung durch Altersrentenbezug (§ 9 Abs. 2 Buchst. b TV ATZ, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 ATZG), dh. Regelaltersrente (§ 35 SGB VI)2, Altersrente für langjährige Versicherte (§ 36 SGB VI), Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37 SGB VI bzw. § 236a SGB VI)3, (vorzeitige) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit (§ 237 SGB VI, früher § 38 SGB VI)4, Altersrente für Frauen (§ 237a SGB VI, früher § 39 SGB VI)5. – Beendigung durch Anspruch auf ungeminderten Altersrentenbezug (§ 9 Abs. 2 Buchst. a, Halbs. 1 TV ATZ, vgl. auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 ATZG): Es reicht aus, dass der Anspruch auf ungeminderten Altersrentenbezug besteht. Hierbei handelt es sich um eine zulässige Zweckbefristung gemäß §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG6. 1 Vgl. auch § 5 Abs. 1 Nr. 1 ATZG. 2 Durch die schrittweise Erhöhung des Eintrittsalters für die Regelarbeitsrente von 2012 an bis 2029 durch das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz (BGBl. I 2007, 554). beginnend mit dem Jahrgang 1947 ergeben sich auch Auswirkungen für die Dauer der Altersteilzeit, wenn der Arbeitnehmer nach dem 1.1.2012 in Rente geht. Für Arbeitnehmer, die vor dem 1.1.2007 eine Altersteilzeitvereinbarung geschlossen haben, gilt jedoch die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs. 2 SGB VI nF. 3 Vgl. BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 122/03, BAGE 108, 333 = NZA 2004, 545; BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 18/03, BAGE 110, 208 = NZA 2005, 821; LAG BW v. 24.4.2006 – 9 Sa 46/05. 4 Gilt nur noch für Jahrgänge bis 1951. 5 Gilt nur noch für Jahrgänge bis 1951. 6 BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 18/03, BAGE 110, 208 = NZA 2005, 821; aA (auflösende Bedingung) LAG BW v. 24.4.2006 – 9 Sa 46/05; Zwanziger, RdA 2005, 226 (228).
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II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Rz. 128 Teil 5 B
Das bedeutet, dass Altersteilzeitarbeitsverhältnisse Schwerbehinderter aufgrund § 37 iVm. § 236a SGB VI früher als Altersteilzeitarbeitsverhältnisse anderer Arbeitnehmer enden. Die Rechtsprechung sieht hierin jedoch keine unzulässige mittelbare Diskriminierung nach § 81 Abs. 2 SGB IX1. Eine Klausel im Altersteilzeitvertrag, die eine Beendigung durch die Möglichkeit des Altersrentenbezugs vorsieht, ist auch keine überraschende Klausel iSd. § 305c BGB2. Zu beachten ist indes § 41 Satz 2 SGB VI, wonach eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Rente beantragen kann, als dem Arbeitnehmer gegenüber als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abgeschlossen gilt, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden ist3. – Beendigung durch sonstige manteltarifliche Beendigungstatbestände (vgl. § 9 Abs. 2 TV ATZ, dh. Eintritt der Erwerbsminderung, Kündigung, Auflösungsvertrag). 11. Vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit im Blockmodell nach § 9 Abs. 3 TV ATZ Bei einer vorzeitigen oder ungeplanten Beendigung der Altersteilzeit im Blockmodell entsteht das Problem, dass dem Arbeitnehmer ein Wertguthaben zusteht, das noch nicht abgebaut ist und auch nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen abgebaut werden kann. Das BAG hat für diese Konstellation den Begriff des Störfalls geprägt. Die Tarifparteien haben in § 9 Abs. 3 TV ATZ eine mit dem Gleichheitsgrundsatz zu vereinbarende abschließende Regelung für derartige Störfälle getroffen4.
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Störfälle in diesem Sinne können sein:
128
– Tod, – Langzeiterkrankungen, – Ausübung einer unzulässigen Nebenarbeit oder Mehrarbeit, – Irrtum bezüglich des Zeitpunkts des Renteneintritts5, – vorzeitige Rente wegen Erwerbsminderung (vgl. § 59 BAT), – Kündigung.
1 BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 122/03, BAGE 108, 333 = NZA 2004, 545; BAG v. 27.4.2004 – 9 AZR 18/03, BAGE 110, 208 = NZA 2005, 821; LAG BW v. 24.4.2006 – 9 Sa 46/05. 2 Vgl. LAG BW v. 24.4.2006 – 9 Sa 46/05. 3 Vgl. ausführlich hierzu Birk, NZA 2007, 244 (247 f.). 4 BAG v. 12.5.2005 – 6 AZR 311/04, NZA 2006, 50. 5 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 146/03, BAGE 108, 95 = NZA 2004, 860. Laber
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Teil 5 B
Rz. 129
Altersteilzeit
a) Arbeitsrechtliche Auswirkungen 129
Nach § 9 Abs. 3 TV ATZ hat der Arbeitnehmer bei einem vorzeitigen Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Anspruch auf eine etwaige Differenz zwischen den nach §§ 4 und 5 TV ATZ erhaltenen Bezügen und Aufstockungsleistungen und den Bezügen für den Zeitraum seiner tatsächlichen Beschäftigung, die er ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte. Die Regelung soll den Arbeitnehmer im Falle der vorzeitigen Beendigung (Störfall) so stellen, als sei das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht begründet worden1. Sie greift auch dann ein, wenn der Störfall der vorzeitigen Beendigung erst nach Beginn der Freistellungsphase eintritt. Gegen diese Auslegung spricht nicht etwa die tarifliche Formulierung, wonach der Arbeitnehmer im Rahmen des Blockmodells „beschäftigt wird“, da die Tarifvertragsparteien in § 9 Abs. 3 TV ATZ zwischen „Beschäftigung“ und „tatsächlicher Beschäftigung“ unterscheiden. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass mit „Beschäftigung“ das gewählte Altersteilzeitmodell gemeint ist2. Hiervon abzugrenzen ist die rückwirkende Aufhebung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Diese wird nicht in § 9 Abs. 3 TV ATZ geregelt.
130
Nach der Rechtsprechung des BAG erfolgt die Berechnung eines Wertguthabens im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gemäß § 9 Abs. 3 TV ATZ in drei Schritten3: 1. Schritt: Berechnung der „Hätte-Vergütung“ = fiktive Bruttovergütung in der Arbeitsphase ohne Altersteilzeit 2. Schritt: Berechnung der erhaltenen Bruttovergütung nach §§ 4, 5 TV ATZ (Aufstockung des Arbeitsentgelts, jedoch nicht Aufstockungsleistungen auf die Rentenversicherungsbeiträge nach § 5 Abs. 4 TV ATZ4) 3. Schritt: Differenzberechnung Ergibt sich ein positiver Differenzbetrag, ist dieser an den Arbeitnehmer oder im Falle seines Todes an seine Erben unter Abzug eventuell anfallender Lohnsteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge auszuzahlen. Einen negativen Differenzbetrag hat der Arbeitnehmer jedoch nicht an den Arbeitgeber zurückzuzahlen5.
1 BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 267/03, NZA 2005, 784 (Ls.); BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 270/03, BAGE 108, 345 = NZA 2004, 1223; BAG v. 12.5.2005 – 6 AZR 311/04, NZA 2006, 50. 2 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 146/03, BAGE 108, 95 = NZA 2004, 860. 3 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 146/03, BAGE 108, 95 = NZA 2004, 860; BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 270/03, BAGE 108, 345 = NZA 2004, 1223; BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 267/03, NZA 2005, 784. 4 BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 270/03, BAGE 108, 345 = NZA 2004, 1223. 5 BAG v. 14.10.2003 – 9 AZR 146/03, BAGE 108, 95 = NZA 2004, 860.
600 Laber
Rz. 133 Teil 5 B
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst
Beispielsrechnung:
131
Dauer des Altersteilzeitverhältnisses: 4 Jahre (48 Monate; 24 Monate Arbeitsphase; 24 Monate Freistellungsphase) Ursprüngliches Entgelt (brutto) 2600,00 Euro; Teilzeitentgelt (brutto) 1300,00 Euro; Aufstockungsbeitrag gemäß § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ 550,00 Euro Beispiel 1: Störfall tritt nach 16 Monaten ein 1. Schritt (Berechnung „Hätte-Vergütung“) 2. Schritt (Berechnung erhaltene Vergütung) 3. Schritt (Differenz) Guthaben
16 × 2600,00 Euro = 41 600,00 Euro 16 × 1300,00 Euro = 20 800,00 Euro + 16 × 550,00 Euro = 8 800,00 Euro 29 600,00 Euro 41 600,00 Euro ./. 29 600,00 Euro 12 000,00 Euro
Beispiel 2: Störfall tritt nach 40 Monaten ein 1. Schritt (Berechnung „Hätte-Vergütung“) 2. Schritt (Berechnung erhaltene Vergütung)
24 × 2600,00 Euro
62 400,00 Euro
40 × 1300,00 Euro + 40 × 550,00 Euro
52 000,00 Euro 22 000,00 Euro 74 000,00 Euro
3. Schritt (Differenz) ./.
62 400,00 Euro 74 000,00 Euro 11 600,00 Euro
b) Steuerliche Behandlung der Wertguthaben Die bereits gezahlten Aufstockungsbeträge (§ 3 Nr. 28 EStG) bleiben weiterhin steuerfrei, dh., sie werden durch die vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit rückwirkend steuerpflichtiger Arbeitslohn. Das an den Arbeitnehmer auszuzahlende restliche Wertguthaben ist indes steuerpflichtiger Arbeitslohn, wobei im Rahmen des Lohnsteuerabzugs die Fünftelungsregelung nach §§ 39b Abs. 3 Satz 9, 34 EStG Anwendung findet. Die Beitragsanteile des Arbeitgebers an den nachzuzahlenden Beiträgen zur Sozialversicherung sind gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei.
132
c) Sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Wertguthaben Auch im Störfall bleiben die vom Arbeitgeber bereits gezahlten Aufsto- 133 ckungsbeiträge und zusätzlichen Beiträge zur Rentenversicherung sozialversicherungsfrei gemäß § 1 SvEV iVm. § 3 Nr. 28 EStG. Die Beitragsfreiheit gilt aber nicht für das auszuzahlende Wertguthaben. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 5 ATZG eine besondere Regelung für die Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung getroffen. Für die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und gesetzlichen Arbeitslosenversicherung wird auf § 23b Abs. 2 und 3 SGB IV verwiesen. Die Sozialversicherungsbeiträge werden aus der Differenz zwischen dem Teilzeitbruttoentgelt und dem der tatsächlichen Arbeitsleistung entsprechenden Vollzeitbruttoentgelt ermittelt unter Berücksichtigung der für den jeweiligen Sozialversiche-
Laber
601
Teil 5 B
Rz. 134
Altersteilzeit
rungszweig geltenden Beitragsbemessungsgrenze (sog. Summenfelder-Modell)1. 12. Zusatzversorgung und Altersteilzeit 134
Sowohl im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung – ATV) vom 1.3.2002, der u.a. für die bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) versicherten Beschäftigten gilt, als auch in dem für die bei den Kommunalen Zusatzversorgungskassen versicherten Beschäftigten geltenden Altersvorsorge-TV-Kommunal (ATV-K) vom 1.3.2002, die beide rückwirkend zum 1.1.2001 in Kraft getreten sind, sind Sonderregelungen hinsichtlich der Zusatzversorgung im Falle von Altersteilzeit enthalten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Inanspruchnahme von Altersteilzeit aufgrund der verringerten Bezüge nur geringe Auswirkungen auf die Höhe der Zusatzversorgung hat. Dies wird durch einen besonderen Altersteilzeitfaktor von 1,8 erreicht, durch den die sog. Versorgungspunkte erhöht werden (vgl. § 8 Abs. 2 und § 15 Abs. 2 ATV/ATV-K. Die Beschäftigten werden dadurch so gestellt, als ob sie mit 90 % ihrer bisherigen Arbeitszeit weitergearbeitet hätten. Zu den Einzelheiten der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst siehe Teil 11. 13. Übersicht
135
Voraussetzungen für Altersteilzeit nach dem ATZG und dem TV ATZ Voraussetzungen Förderung ATZG
Voraussetzungen TV ATZ
Sozialversicherungspflichtige Tätigkeit innerhalb der letzten 5 Jahre vor Beginn der Altersteilzeit, mindestens 1080 Kalendertage Vollendung des 55. Lebensjahres Kein Anspruch
Anspruch ab Vollendung 60. Lebensjahres, sofern keine dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Belange entgegenstehen
Schriftlicher individualrechtlicher Vertrag Keine Mindestdauer explizit (2 Jahre sind jedoch Mindestdauer für Inanspruchnahme der Altersrente nach Altersteilzeit); Höchstdauer 6 Jahre
Mindestdauer 2 Jahre; Höchstdauer 10 Jahre
1 Zu den Einzelheiten des komplizierten Verfahrens mit umfangreichen Berechnungsbeispielen ist auf das gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungsträger v. 9.3.2004, S. 54 ff. zu verweisen.
602 Laber
Rz. 135 Teil 5 B
II. Altersteilzeit im öffentlichen Dienst Voraussetzungen Förderung ATZG
Voraussetzungen TV ATZ
Beginn vor dem 1.1.2010 Verringerung der bisherigen durchschnittlichen Arbeitszeit auf die Hälfte Weiterhin sozialversicherungspflichtige Tätigkeit Zahlung Regelarbeitsentgelt iSd. § 6 ATZG
Zahlung der Bezüge iSd. § 4 Abs. 1 TV ATZ
Zahlung von Aufstockungsleistungen iSd. § 3 Abs. 1 ATZG
Zahlung von Aufstockungsleistungen iSd. § 5 ATZ
Aufstockung Regelarbeitsentgelt um mindestens 20 %
Aufstockung der Bezüge nach § 4 TV ATZ um 20 % (§ 5 Abs. 1 TV ATZ), jedoch mindestens 83 % des Nettoarbeitsentgelts
Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge mindestens in Höhe des Beitrages, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, entfällt, höchstens bis zur Beitragsmessungsgrenze
Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge um den Beitrag der auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % des auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzten fiktiven bisherigen (Brutto-)Entgelts und dem nach § 4 TV ATZ tatsächlich zustehenden (Brutto-)Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit entfällt.
Neubeschäftigung eines als arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmers oder eines zuvor Auszubildenden auf dem durch die Altersteilzeit frei gewordenen Arbeitsplatz Kein Eingreifen des Überforderungsklau- Str. (vgl. Rz. 54) sel des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATZG Beendigung durch Anspruch auf Altersrente oder tatsächlicher Rentenbezug Anspruch auf Abfindung bei Rentenabschlag (§ 5 Abs. 7 TV ATZ)
Laber
603
Teil 6 Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst Rz. I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Befristung durch tarifvertragliche Altersgrenzen . . . . . . . . 1. Sachliche Rechtfertigung der Altersgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit mit Europarecht . . 4. Schriftform bei tarifvertraglicher Altersgrenze . . . . . . . . . . . . a) Vor dem 1.5.2000 vereinbarte Altersgrenze . . . . . . . . . . . . . . . b) Seit dem 1.5.2000 vereinbarte Altersgrenze . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nachweis von Altersgrenzen. . . . III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bisherige Rechtsprechung des BAG zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG . . . . . . . . . . b) Anforderungen an die Haushaltsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen an die Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung von § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 . . . . . . . . . . . . . e) Einordnung der Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . f) Weiterführung der Rechtsprechung des BAG . . . . . . . . . . . . . aa) Haushaltsrechtliche Bestimmung als arbeitsrechtlicher Verweis auf das Haushaltsrecht . . . . . . (1) Relevanz des Haushaltsrechts . . . . . . . . . . (2) Entnahme der Vergütung aus entsprechend „gewidmeten“ Haushaltsmitteln . . . . (3) Anforderungen an die haushaltsrechtliche „Widmung“ . . . . . . . . . bb) Einzelne haushaltsrechtliche Bestimmungen . . . . . (1) Befristung von Haushaltsstellen . . . . . . . . . .
1 5 6 9 11 12 12 13 20 22 22 25 26 27 28 30 39 44
45 46
49 50 60 60
Rz. (2) Befristete Inanspruchnahme „unbefristet“ zur Verfügung stehender Haushaltsmittel . . . . . . . . (3) Stellen mit kw-Vermerk . (4) Haushaltsrechtlich „allgemein“ angeordnete Einsparung von Stellen . . (5) Prognoseerfordernis . . . . . (6) Befristung des Haushaltsgesetzes . . . . . . . . . . .
65 69 74 77 81
IV. Die Vertretung als sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Besonderheiten der „dritten Variante“ der Stellvertretung . . . . . . . . 95 3. Besonderheiten der „Gesamtvertretung“ im Schuldienst . . . . . . . . . . 101 V. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TVöD/TV-L. . . . . . . . . . 106 1. Verhältnis zum gesetzlichen Befristungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Kalendermäßig befristete Arbeitsverträge mit Sachgrund. . . . . . . . . . . 108 3. Befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4. Probezeit und Kündigung bei befristeten Arbeitsverträgen . . . . . . . . 115 a) Probezeit und Kündigung . . . . . . 115 b) Kündigung nach Ablauf der Probezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 VI. Besondere tarifvertragliche Regelungen §§ 31, 32 TVöD/TV-L . . . . . 120 1. Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. . . . . . . . . . 121 2. Vorübergehende Übertragung einer Führungsposition. . . . . . . . . . . 122 a) Begriff der Führungsposition . . . . 123 b) Besetzung mit externer Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Führung auf Probe . . . . . . . . . 125 bb) Führung auf Zeit . . . . . . . . . . 129 c) Besetzung mit internen Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 VII. Befristung nach dem WissZeitVG. . 138 1. Institutioneller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Staatliche Hochschulen . . . . . . . . 140
Groeger
605
Teil 6
Rz. 1
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst Rz.
5. 6.
b) Staatlich anerkannte Hochschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatliche Forschungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . d) Überwiegend staatlich finanzierte Forschungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Privatdienstvertrag. . . . . . . . . . Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befristungsdauer . . . . . . . . . . . . . . Anrechnung von Beschäftigungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zitiergebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VIII. 1. 2. 3.
Befristung nach dem ÄArbVtrG . Art der Befristung . . . . . . . . . . . . . Befristungsgrund . . . . . . . . . . . . . . Dauer der Befristung. . . . . . . . . . .
2. 3. 4.
141 142 144 147 150 153 156 157 164 165 166 167 168
Rz. a) b) c) d)
Mindestdauer . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Höchstdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Verlängerungen . . . . . . . . . . . . . . . 171 Mehrere befristete Arbeitsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
IX. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TV-Ärzte . . . . . . . . . . . . 174 X. Personalvertretungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. LPersVG NW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. LPVG Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. LPVG Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Thür PersVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 5. LPersVG Rheinland Pfalz . . . . . . . . . 182 6. LPVG Niedersachsen . . . . . . . . . . . . 183 7. LPVG Mecklenburg Vorpommern. . 184 8. LPVG Baden Württemberg . . . . . . . . 185 9. MBG Schleswig Holstein . . . . . . . . . 186
Schrifttum: Arnold/Gräfl/Imping/Lehnen/Rambach/Spinner/Vossen, TzBfG, 2. Aufl., 2007 (zit.: Arnold/Gräfl/Bearbeiter); Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl., 2007 (zit.: APS/Bearbeiter); Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar zum Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD), Loseblatt; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, 2004; Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, Loseblatt (September 2009); Kempen/Zachert, TVG, 4. Aufl., 2006; Dittrich, Kommentar zur Bundeshaushaltsordnung, Loseblatt (Mai 2009); Laux/Schlachter, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2007; Preis, WissZeitVG, 2008; Sponer/Steinherr, Kommentar zum Tarifvertrag für den öffentlicher Dienst (TVöD), Loseblatt.
I. Einleitung 1
Sowohl § 620 Abs. 3 BGB, wonach für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden, das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gilt, als auch das am 1.1.2001 in Kraft getretene TzBfG selbst enthalten keine Beschränkung auf Arbeitsverträge außerhalb des öffentlichen Dienstes. § 22 Abs. 2 TzBfG setzt vielmehr die Geltung des TzBfG im öffentlichen Dienst voraus. § 30 Abs. 1 Satz 1 TVöD/TV-L sowie § 30 Abs. 1 Satz 1 TV-Ärzte erkennen diese Geltung rein deklaratorisch an. Das allgemeine Befristungsrecht ist nicht Gegenstand dieser Darstellung. Insoweit wird auf die Kommentierungen zum TzBfG verwiesen. Für den öffentlichen Dienst ergeben sich aber in rechtlicher und rechtstatsächlicher Hinsicht Besonderheiten1.
1 Zur tatsächlichen Bedeutung befristeter Arbeitsverträge im öffentlichen Dienst s. KR/Lipke, § 620 BGB Rz. 58.
606 Groeger
II. Die Befristung durch tarifvertragliche Altersgrenzen
Rz. 5
Teil 6
§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG findet ausschließlich im Bereich des öffent- 2 lichen Dienstes Anwendung1. Der Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG in der „dritten Variante“ hat vor allem im öffentlichen Dienst aufgrund der flächendeckenden Anwendung von Tarifverträgen erhebliche praktische Bedeutung. Neben dem TzBfG bestehen besondere gesetzliche Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen, die, wie das WissZeitVG und das ÄArbVtrG, vor allem für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst von Bedeutung sind. Nach § 23 TzBfG bleiben diese besonderen Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen durch das TzBfG unberührt. Über diese gesetzlichen Regelungen hinaus bestehen tarifvertragliche Re- 3 gelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen vor allem in den §§ 30, 34 und 35 TVöD/TV-L. Sie ergänzen bzw. modifizieren die Bestimmungen des TzBfG. Einer Anwendbarkeit dieser tarifvertraglichen Regelungen auf Arbeitsverhältnisse außerhalb des öffentlichen Dienstes kraft Vereinbarung im Arbeitsvertrag setzt § 22 Abs. 2 TzBfG Grenzen. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG kann durch Tarifvertrag namentlich die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung ohne Sachgrund abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Enthält ein Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Bestimmungen iSd. § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG, so gelten diese Bestimmungen gemäß § 22 Abs. 2 TzBfG zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern außerhalb des öffentlichen Dienstes bei arbeitsvertraglicher Vereinbarung nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber die Kosten des Betriebes überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts deckt. Schließlich sind nach dem Personalvertretungsrecht einiger Länder bei befristeten Arbeitsverträgen besondere Mitbestimmungsrechte des Personalrats zu berücksichtigen.
4
II. Die Befristung durch tarifvertragliche Altersgrenzen Nach § 33 Abs. 1 TVöD endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer 5 Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Beschäftigte das 65. Lebensjahr vollendet hat. § 33 Abs. 1 TV-L bestimmt, dass es ohne Kündigung mit Ablauf des Monats endet, in dem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente vollendet hat. Bei Vereinbarungen wie diesen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung eines bestimmten Lebensalters enden soll, handelt es sich um eine kalendermäßige Befristung des Arbeitsverhältnisses2.
1 Das BAG hat offen gelassen, ob, neigt aber dazu, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG verlangt, dass die Haushaltsmittel durch ein Gesetz ausgebracht worden sind, BAG v. 16.10.2008 – 7 AZR 360/07, juris; vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.3.2007 – 6 Sa 2102/06, juris. 2 BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, AP § 17 TzBfG Nr. 3. Groeger
607
Teil 6
Rz. 6
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
1. Sachliche Rechtfertigung der Altersgrenze 6
Nicht nur eine arbeitsvertraglich vereinbarte Altersgrenze bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grundes1, sondern auch tarifvertragliche Altersgrenzen sind unwirksam, wenn es an einem sie rechtfertigenden Sachgrund fehlt2. Denn auch Tarifverträge zählen zu den Vereinbarungen iSv. § 22 Abs. 1 TzBfG, durch die auch von § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, der das Erfordernis eines Sachgrundes regelt, nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Nur bei diesem Verständnis haben die punktuellen, die Tarifdispositivität regelnden Bestimmungen des TzBfG einen Sinn.
7
Ein sachlicher Grund ergab sich nicht bereits aus der Regelung in § 41 Abs. 4 Satz 2 SGB VI a.F3. Da § 41 Satz 1 SGB VI nF bestimmt, dass der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters kein Grund ist, der die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann, kann Satz 2 nicht ohne weiteres entnommen werden, dass damit die Vereinbarung einer Altersgrenze ermöglicht werden soll. Vielmehr bestimmt § 41 Satz 2 SGB VI nur, dass eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung für einen Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen gilt, es sei denn, dass die Vereinbarung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von dem Arbeitnehmer bestätigt worden ist4. Über die Wirksamkeit der Befristung ist damit nichts gesagt. Wortlaut und Systematik sprechen dafür, dass es sich auch hierbei nicht um eine Vorschrift zur sachlichen Rechtfertigung von Befristungen, sondern um eine Norm zum Schutz des Arbeitnehmers handelt, die die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers sichern soll, entweder Altersruhegeld zu beziehen oder weiter zu arbeiten. Gleichzeitig soll dem Arbeitnehmer ermöglicht werden, über die Gültigkeit einer vereinbarten Altersgrenze erst in einem Lebensabschnitt zu befinden, in dem er deren Auswirkungen richtig beurteilen kann. Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, das er spätestens innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 17 TzBfG durch Erhebung einer Klage ausüben muss5. Offen ist, ob eine nachträgliche Befristung, die erst innerhalb der letzten drei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen auf den in § 33 Abs. 1 TVöD/TV-L bestimmten Zeitpunkt vereinbart wird, sachlich gerechtfertigt ist. Auch unter Berücksichtigung der ordentlichen Unkündbarkeit vieler Arbeitnehmer in diesem Alter wird man in diesem Fall nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass sich eine derartige Vereinbarung nicht als nachträgliche Befristung, sondern als Auflösungsvertrag darstellt, der keines sachli-
1 2 3 4 5
Dazu Plander, in: FS Otto, S. 381, 385 ff. BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, AP § 620 BGB Altersgrenze Nr. 27. BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, AP § 17 TzBfG Nr. 3. Zu den Auswirkungen s. APS/Backhaus, § 17 TzBfG Rz. 13. ErfK/Rolfs, § 41 SGB VI Rz. 19.
608 Groeger
II. Die Befristung durch tarifvertragliche Altersgrenzen
Rz. 8
Teil 6
chen Grundes bedürfte1. Im Hinblick auf die zweite Alternative der Bestätigung durch den Arbeitnehmer wird die Auffassung vertreten, dass es sich um eine einseitige, kündigungsähnliche Erklärung handelt, mit der das Arbeitsverhältnis zu dem in der Vereinbarung bestimmten Termin aufgelöst wird2. In seiner früheren Rechtsprechung hatte das BAG solche Regelungen nicht 8 beanstandet, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall vorsahen, dass der Arbeitnehmer nicht nur ein bestimmtes Alter vollendet hat, sondern sich auch dazu entschließt, das Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen3. Im Vordergrund der neuen Rechtsprechung des BAG steht die Überlegung, dass Altersgrenzen durch das Bedürfnis des Arbeitgebers an der Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur und einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung sachlich gerechtfertigt sein können, wenn der Arbeitnehmer bei Erreichen dieser Altersgrenze durch den Bezug eines Altersruhegeldes wirtschaftlich abgesichert ist4. Damit ist jedenfalls das Erreichen eines bestimmten Lebensalters allein für sich genommen kein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages. Ist jedoch der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert, was beim Erreichen der Regelaltersgrenze in der Regel der Fall ist, muss sein Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Bedürfnis des Arbeitgebers an der Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft und einer kalkulierbaren Personal- und Nachwuchsplanung weichen, zumal der ausscheidende Arbeitnehmer seinerseits während seines Arbeitslebens von Altersgrenzenregelungen hinsichtlich seiner Einstellungs- und Beförderungschancen profitiert hat5. Die Wirksamkeit der Altersgrenzenregelung ist nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Regelaltersgrenze abhängig. Es genügt, dass der Arbeitnehmer bei Vereinbarung der Altersgrenze nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine gesetzliche Altersrente erwerben kann oder bereits erworben hat6. Auf deren konkrete Höhe soll es ebenfalls nicht ankommen7. Auch dem Gesetzgeber sowie den Tarifvertragsparteien steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, der sie zu Pauschalierungen und Typisierungen berechtigt, ähnlich wie den Betriebspartnern bei Vereinbarungen über Abfindungen für rentenberechtigte und rentennahe Arbeitnehmer in Sozialplänen8.
1 BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NJW 2000, 2042; s. auch BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, AP § 620 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 35. 2 ErfK/Rolfs, § 41 SGB VI Rz. 21. 3 BAG v. 1.12.1993 – 7 AZR 428/93, AP § 41 SGB VI Nr. 4; 22.6.1994 – 7 AZR 609/93, juris; zu den unterschiedlichen Argumenten des BAG s. zustimmend APS/ Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 113. 4 BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, AP § 17 TzBfG Nr. 3; zur Kritik an der Rspr. s. die Zusammenfassung bei APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 115. 5 Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 179. 6 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, AP § 620 BGB Altersgrenze Nr. 27. 7 Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 180. 8 BAG v. 11.11.2008 – 1 AZR 475/07, NZA 2009, 210. Groeger
609
Teil 6
Rz. 9
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
2. Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre 9
Durch Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.20071 wird die in § 35 SGB VI enthaltene Regelaltersgrenze stufenweise angehoben2. Für Versicherte, die vor dem 1.1.1947 geboren sind, bleibt es gemäß § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bei der Regelaltersgrenze von 65 Jahren. Für Versicherte der Jahrgänge 1947 bis 1963 erfolgt gemäß § 235 Abs. 2 SGB VI in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 56 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz eine stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre. Während § 35 SGB VI lediglich die Anspruchsvoraussetzungen für die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmt, regelt § 41 SGB VI die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis.
10 Die an der bislang für alle Versicherten maßgeblichen Regelaltersgrenze von 65 Jahren orientierte Altersgrenzenregelung in § 33 Abs. 1 TVöD, wonach das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Beschäftigten endet, dürfte im Hinblick auf die stufenweise Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze dahingehend auszulegen sein, dass sie als auf das Erreichen der nunmehr geltenden Regelaltersgrenze vereinbart ist3. Das gilt jedenfalls für solche Vereinbarungen, die bis zum 31.12.2007 vereinbart worden. Für danach abgeschlossene Verträge dürfte dagegen die Vereinbarung des 65. Lebensjahres konstitutiv und nicht auslegungsfähig sein4. Vereinbarungen, die innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters beantragen kann, das Ausschalten bei Erreichen einer Altersgrenze vorsehen, an der der Arbeitnehmer eine vorgezogene Rente wegen Alters beanspruchen kann, sind jedenfalls dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt durch den Bezug der vorgezogenen gesetzlichen Altersrente wirtschaftlich abgesichert ist5. Offen ist, ob die wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers typischerweise zu Grunde gelegt werden kann oder vom Arbeitgeber im Einzelfall geprüft werden muss. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, im Einzelfall die wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers zu prüfen, würde zu einem Einstellungshemmnis für ältere Arbeitnehmer führen, da der Arbeitgeber im Zweifelsfall, insbesondere bei einem unklaren Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung, von der Einstellung eines älteren, „rentennahen“ Arbeitnehmers Abstand nehmen würde. Dieser Gesichtspunkt spricht für eine typisierende Betrachtungsweise und gegen eine Einzelfallprüfung. 1 BGBl. I, 554. 2 Schrader/Straube, NJW 2008, 1025; Schrader/Straube, in: Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil 7 C Rz. 1 ff. 3 Allg. Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 184; Schaub/Koch, Arbeitsrechts-Handbuch, § 40 Rz. 47; insbesondere Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Kuner, § 33 TVöD-AT Rz. 1a. 4 ErfK/Rolfs, § 41 SGB VI Rz. 9a. 5 BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, AP § 17 TzBfG Nr. 3; zustimmend APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 118.
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II. Die Befristung durch tarifvertragliche Altersgrenzen
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Teil 6
3. Vereinbarkeit mit Europarecht Das in der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines all- 11 gemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisierte Verbot jeglicher Diskriminierung wegen des Alters steht einer tarifvertraglichen Regelung über die Zwangsversetzung in den Ruhestand nicht entgegen, die als Voraussetzung lediglich verlangt, dass der Arbeitnehmer die im nationalen Recht auf 65 Jahre festgesetzte Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erreicht hat und die übrigen sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer beitragsbezogenen Altersrente erfüllt, sofern diese Maßnahme objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, das in Beziehung zur Beschäftigungspolitik und zum Arbeitsmarkt steht, gerechtfertigt ist und die Mittel, die zur Erreichung dieses im Allgemeininteresse liegenden Ziels eingesetzt werden, nicht als dafür unangemessen und nicht erforderlich erscheinen1. § 10 Satz 1–3 Nr. 5 AGG setzt diese Richtlinie um und steht der Wirksamkeit der in § 33 Abs. 1 TVöD/TV-L enthaltenen Altersgrenze nicht entgegen. 4. Schriftform bei tarifvertraglicher Altersgrenze a) Vor dem 1.5.2000 vereinbarte Altersgrenze Ist der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vor Inkrafttreten des TzBfG 12 bzw. des § 623 BGB, also vor dem 1.5.2000 geschlossen worden, bestand kein gesetzliches Formerfordernis für die Vereinbarung einer Befristung. Für die (Form-)Wirksamkeit einer vereinbarten Altersgrenze ist die Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Da weder § 623 BGB in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung noch das zum 1.1.2001 in Kraft getretene TzBfG Übergangsvorschriften enthalten, sind ihre Bestimmungen nur auf Sachverhalte anzuwenden, die sich in ihren zeitlichen Geltungsbereichen verwirklichen2. b) Seit dem 1.5.2000 vereinbarte Altersgrenze Für seit dem 1.5.2000 vereinbarte Befristungen galt bis 31.12.2000 nach 13 § 623 BGB, ab 1.1.2001 nach § 14 Abs. 4 TzBfG das Schriftformerfordernis. Einigkeit besteht darin, dass bei entweder kraft beiderseitiger Tarifbindung 14 oder aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung normativ geltendem Tarifvertrag § 14 Abs. 4 TzBfG nicht anwendbar ist3. Umstritten ist, ob bei einem nur kraft Bezugnahme im Arbeitsvertrag anwendbaren Tarifvertrag eine schriftlich vereinbarte Bezugnahme auf den 1 EuGH v. 16.10.2007 – Rs. C-411/05 (Palacios), NJW 2007, 3339; i. Erg. ebenso APS/ Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 117. 2 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, AP § 620 BGB Altersgrenze Nr. 27; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 454b, 458. 3 APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 452 mwN; strenger KR/Spilger, Anh. zu § 623 BGB Rz. 79 f. Groeger
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Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
Tarifvertrag für sich allein dem Schriftformerfordernis genügt1. Nach einer verbreiteten Ansicht soll dem Schriftformerfordernis in diesem Fall nur dann Genüge getan sein, wenn entweder im schriftlichen Arbeitsvertrag ein ausdrücklicher Hinweis auf die Befristungsbestimmung des Tarifvertrages enthalten ist oder die in Bezug genommene Befristungsregelung des Tarifvertrages mit dem Arbeitsvertrag körperlich fest verbunden oder die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in anderer geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich gemacht wird2. Das BAG hat diese Frage bislang nicht entschieden3. 16 Die besseren Gründe sprechen für die Ansicht, dass die Bezugnahme in einem schriftlichen Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag, der, wie der TVöD/ TV-L, eine Altersgrenze enthält, für sich allein dem Schriftformerfordernis genügt. Zwar schützen § 623 BGB bzw. § 14 Abs. 4 TzBfG, anders als das Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG, den Arbeitnehmer auch vor Übereilung. Neben dieser Warnfunktion hat das Schriftformerfordernis aber auch Klarstellungs- und Beweisfunktion. Bereits anhand eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit Bezugnahme auf den TVöD/TV-L lässt sich ohne weiteres nachvollziehen, ob und mit welchem Inhalt eine Befristung vereinbart wurde. Allerdings ist einzuräumen, dass dem Arbeitnehmer hierdurch nicht unmittelbar vor Augen geführt wird, dass er lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis eingeht und er damit nicht den Bestandsschutz eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses genießt4. Abgesehen davon, dass die beteiligten Verkehrskreise einen Arbeitsvertrag, der (erst) mit dem Eintritt in das gesetzliche Rentenalter endet, abweichend von der Rechtsprechung des BAG eher als unbefristetes Arbeitsverhältnis ansehen, wird der Warnfunktion auch dann hinreichend Rechnung getragen, wenn die Altersgrenze nicht unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ersichtlich ist. Angesichts der Üblichkeit von Altersgrenzen im Arbeitsleben, gerade in Tarifverträgen, ist eine explizite Erwähnung im oder gar eine körperliche Verbindung mit dem Arbeitsvertrag nicht erforderlich. 17 Vor einer überraschenden Klausel, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die vorzeitige Erlangung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung knüpft, schützt bereits das AGB-Recht5. Danach sind aber weder die Vereinbarung der Regelaltersgrenze als Beendigungszeitpunkt6 noch die Vereinbarung der für den öffentlichen Dienst maßgeblichen Tarifverträge als solche überraschende Klauseln7. Auch den Umstand, dass sich 1 2 3 4
So Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 378 mwN. So APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 458 mwN. BAG v. 1.12.2004 – 7 AZR 135/04, AP § 59 BAT Nr. 13. Zum unterschiedlichen Bestandsschutz s. BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 600/00, NJW 2002, 2660. 5 BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06, AP § 21 TzBfG Nr. 4. 6 BAG v. 6.8.2003 – 7 AZR 9/03, AP § 133 BGB Nr. 51. 7 BAG v. 17.10.2007 – 4 AZR 778/06, AP § 15 BAT-O Nr. 4; vgl. auch BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 440/03, AP § 17 TzBfG Nr. 5 zur – nicht überraschenden – auflösenden Bedingung bei Bewilligung einer vom Arbeitnehmer nicht beantragten unbefristeten Rente wegen verminderter Erwerbsunfähigkeit.
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II. Die Befristung durch tarifvertragliche Altersgrenzen
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Teil 6
eine Altersgrenze in einer „Versorgungszusage“ befindet, hat das BAG nicht als überraschend angesehen1. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass mit dem typischen Arbeitsvertrag des öffentlichen Dienstes eine Vertragsurkunde vorliegt, die dem Arbeitnehmer deutlich vor Augen führt, dass sich die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis im Wesentlichen nicht aus dem Arbeitsvertrag ergeben, sondern das Arbeitsverhältnis weitgehend auf eine außerhalb der Urkunde tarifrechtlich geregelte Grundlage gestellt wird. Wenn der von §§ 623 BGB, 14 Abs. 4 TzBfG bezweckten Warnung des Arbeitnehmers vor dem Abschluss eines sogar auf die unmittelbare Beendigung seines Arbeitsvertrages abzielenden Auflösungsvertrages durch Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrages auch ohne ausdrückliche dahingehende Regelung entsprochen wird2, können an die Vereinbarung einer Altersgrenze, die oft erst Jahrzehnte später zum Tragen kommt, auch unter Hinweis auf die Warnfunktion keine strengeren Anforderungen gestellt werden. Probleme im Hinblick auf das Schriftformerfordernis könnten sich jedoch aus der kritisch zu betrachtenden3 Rechtsprechung des BAG zur nachträglichen schriftlichen Niederlegung einer zunächst mündlich, zB im Vorstellungsgespräch, vereinbarten Befristung eines Arbeitsvertrages4 ergeben. Vereinbaren die Parteien vor Vertragsbeginn zunächst nur mündlich die Befristung des Arbeitsvertrages und halten sie diese mündliche Befristungsabrede in einem nach Vertragsbeginn unterzeichneten Arbeitsvertrag schriftlich fest, ist die mündlich vereinbarte Befristung nach §§ 14 Abs. 4 TzBfG, 125 Satz 1 BGB nichtig und es entsteht nach Ansicht des BAG bei Vertragsbeginn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die spätere schriftliche Niederlegung der zunächst mündlich vereinbarten Befristung soll nicht dazu führen, dass die formnichtige Befristung rückwirkend wirksam wird. Dadurch könne allenfalls das bei Vertragsbeginn nach § 16 Satz 1 TzBfG entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis nachträglich befristet werden. Hierzu seien allerdings auf die Herbeiführung genau dieser Rechtsfolge gerichtete Willenserklärungen der Parteien erforderlich. Daran fehle es in der Regel, wenn die Parteien nach Vertragsbeginn lediglich eine bereits zuvor mündlich vereinbarte Befristung in einem schriftlichen Arbeitsvertrag niederlegen, weil sie hierdurch im Allgemeinen nur das zuvor Vereinbarte schriftlich festhalten und keine eigenständige rechtsgestaltende Regelung treffen wollten.
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Eine verständige Würdigung der im Zuge der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses wechselseitig abgegebenen mündlichen Erklärungen kommt jedoch nicht daran vorbei, zwischen Wissens- und Willenserklärungen zu unterscheiden. Informiert ein öffentlicher Arbeitgeber einen Arbeitnehmer in einem Einstellungsgespräch über Arbeitsbedingungen, gibt er in der Re-
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BAG v. 6.8.2003 – 7 AZR 9/03, AP § 133 BGB Nr. 51. BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NJW 2007, 3228. APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 477b; Bahnsen, NZA 2005, 676. BAG v. 1.12.2004 – 7 AZR 198/04, NJW 2005, 2333; v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04, NJW 2005, 3595; v. 13.6.2007 – 7 AZR 700/06, AP § 14 TzBfG Nr. 39. Groeger
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gel noch keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen ab1. Wenn der Arbeitnehmer in der Anbahnung auf die vorgesehene Befristung des Arbeitsvertrages hingewiesen wird, handelt es sich dabei um eine sachgerechte Unterrichtung, die auch nicht dadurch den Charakter einer Willenserklärung erlangt, dass der Arbeitnehmer sich damit – oft nolens volens – einverstanden erklärt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass, auch wenn lediglich die Befristungsvereinbarung und nicht der gesamte befristete Arbeitsvertrag der Schriftform bedarf, die Befristung eines Arbeitsvertrages in der Regel weder ohne diesen noch und erst recht nicht zeitlich vor diesem, sondern in derselben juristischen Sekunde wie dieser vereinbart wird. Auch der befristete Arbeitsvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande2. Erst der Arbeitsvertrag ist Verpflichtungstatbestand und Rechtsgrund für die Erbringung der Arbeit3. Ein Vertrag, der noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet, ist kein Arbeitsvertrag. Folglich ist eine Vereinbarung, die nur die Bedingungen des erst noch abzuschließenden Arbeitsvertrages wiedergibt, selbst aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet, kein Arbeitsvertrag4. Auch in der Übermittlung eines noch nicht unterzeichneten Vertrages liegt noch kein rechtsgeschäftliches Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages mit diesem Inhalt5. Auch ein Vorvertrag ist kein Arbeitsvertrag6. Jedenfalls der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes will mit Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages auch der entsprechenden ihm tarifvertraglich obliegenden Verpflichtung nachkommen, so dass die mündliche Vereinbarung der Befristung eines Arbeitsvertrages mangels Vorliegen eines (schriftlichen) Arbeitsvertrages im Stadium der Bewerberauswahlgespräche auf eine den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechende juristische Fiktion hinausläuft7. Mit Recht hat daher das BAG seine bisherige Rechtsprechung dahin eingeschränkt, dass jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Vertragsbeginn einen von ihm bereits unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag mit der Bitte um Rücksendung eines unterzeichneten Exemplars übersendet, ein dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG entsprechender befristeter Arbeitsvertrag nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer den Vertrag unterzeichnet. Durch die Arbeitsaufnahme wird ein Arbeitsverhältnis in diesem Fall nicht begründet, weil der Arbeitgeber in einem solchen Fall sein Angebot
1 BAG v. 23.5.2007 – 10 AZR 295/06, NZA 2007, 940. 2 BAG v. 11.4.2000 – 9 AZR 94/99, juris; ebenso BAG v. 5.12.1957 – 1 AZR 594/56, BAGE 5, 161. 3 BAG v. 11.4.2000 – 9 AZR 94/99, juris; v. 31.7.2002 – 7 AZR 181/01, AP § 4 TzBfG Nr. 2; MünchKomm/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rz. 158. 4 BAG v. 31.7.2002 – 7 AZR 181/01, AP § 4 TzBfG Nr. 2; v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, AP § 308 BGB Nr. 2. 5 LAG Berlin v. 3.1.2004 – 6 Sa 2239/03, juris. 6 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, AP § 308 BGB Nr. 2; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rz. 28; MünchKomm/Müller-Glöge, BGB, § 611 Rz. 629; LAG Hamm v. 29.7.2003 – 5 Sa 828/03, NZA 2004, 210. 7 Im Ergebnis ebenso LAG Köln v. 19.1.2007 – 11 Sa 979/06, juris.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
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auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Rückgabe des unterzeichneten Arbeitsvertrags abhängig macht1. 5. Nachweis von Altersgrenzen Der Arbeitgeber muss nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 NachwG bei befristeten Ar- 20 beitsverhältnissen2 auch die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses schriftlich nachweisen. Diese Angabe kann nach § 2 Abs. 3 NachwG nicht durch einen Hinweis auf einschlägige Tarifverträge ersetzt werden. Insoweit genügt die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag mit einer Altersgrenze auch dann nicht den gesetzlichen Anforderungen, wenn dieser kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit oder Allgemeinverbindlicherklärung normativ gilt. Allerdings kann die Verpflichtung zur Erteilung eines schriftlichen Nachweises auch nachträglich, insbesondere nach Beginn des Arbeitsverhältnisses, erfüllt werden. Hat das Arbeitsverhältnis bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes bestanden, so ist eine § 2 NachwG entsprechende Niederschrift nach § 4 NachwG ohnehin nur auf Verlangen des Arbeitnehmers binnen zwei Monaten auszuhändigen. Fraglich ist, ob, wenn ein Arbeitnehmer die Klagefrist des § 17 TzBfG des- 21 wegen versäumt, weil der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus § 2 NachwG verletzt hat, eine nachträgliche Zulassung der Klage nur unter den strengen, in § 5 KSchG genannten Voraussetzungen möglich ist oder ob der Arbeitnehmer im Wege des Schadensersatzanspruches verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung ordnungsgemäß nachgekommen wäre3. Diese Frage steht unabhängig neben der Frage, ob die reine Bezugnahme auf den Tarifvertrag im Arbeitsvertrag dem Schriftformerfordernis genügt, weil § 17 TzBfG iVm. § 7 KSchG nach hM auch einen etwaigen Verstoß gegen Formvorschriften erfasst4.
III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG 1. Einleitung Mit dem in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG geregelten Sachgrund wollte der Gesetzgeber an die bisherige Rechtsprechung anknüpfen5. Darüber besteht im Schrifttum Einvernehmen6. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG stimmt wörtlich mit § 57b Abs. 2 Nr. 2 HRG (aF) überein. Diese inzwischen außer 1 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 1048/06, NZA 2008, 1184. 2 Zum Begriff des befristeten Arbeitsvertrages iSv. Art. 8 Abs. 2 der RiLi 91/533/EWG s. EuGH v. 18.12.2008 – C-306/07, NZA 2009, 95. 3 BAG v. 5.11.2003 – 5 AZR 469/02, AP § 3 NachwG Nr. 3; v. 5.11.2003 – 5 AZR 676/02, AP § 2 NachwG Nr. 7. 4 APS/Backhaus, § 17 TzBfG Rz. 12; DFL/Schüren, § 17 TzBfG Rz. 13; LAG Düsseldorf v. 26.9.2002 – 5 Sa 748/02, NZA-RR 2003, 175 Dörner, Rz. 1001. 5 BT-Drucks. 14/4374, S. 19. 6 Unklar ist jedoch, ob an die Rechtsprechung zum HRG oder an die für Befristungen außerhalb des HRG angeknüpft werden sollte, vgl. Meinel, Anm. zu AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 1 und Greiner, Anm. zu EzA § 14 TzBfG Nr. 34. Groeger
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Rz. 23
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
Kraft getretene Vorschrift mag daher gewissen „Modellcharakter“ haben1. Mit § 57b Abs. 2 Nr. 2 HRG (aF) wollte der Gesetzgeber seinerzeit die Befristung von Arbeitsverhältnissen aufgrund haushaltsrechtlicher Erwägungen erleichtern und erweitern2. Überwiegend kritisch wird angemerkt, dass die Möglichkeiten zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge jedenfalls nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG wesentlich weiter gehen als nach den von der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen3. Auf eine gleich zweifache Diskrepanz zwischen der ausgesprochen „dünnen“ Gesetzesbegründung und dem Wortlaut des Gesetzes ist bereits hingewiesen worden4. 23 Die Rechtspraxis sieht sich angesichts noch geringer Entscheidungen des BAG, die erste Konturen der Sichtweise des 7. Senats auf diesen Befristungsgrund erkennbar werden lassen, in einer Situation, in der sie – ausgehend vom Wortlaut und der systematischen Stellung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG – den telos der Norm zu ermitteln und dabei im Auge zu behalten hat, dass die daraus gewonnenen Auslegungsergebnisse auch mit höherrangigem Recht, also Verfassungs- und Europarecht, vereinbar sind. Dass danach große Teile der bisherigen Rechtsprechung zur Befristung von Arbeitsverträgen „aus haushaltsrechtlichen Gründen“ durch den berühmten „Federstrich des Gesetzgebers“ zur Makulatur werden könnten, ist angesichts der bisherigen Entscheidungen des BAG eher unwahrscheinlich. Die erstmalige gesetzliche Normierung dieses Befristungsgrundes kann zwar als „Legalisierung“5, jedoch nicht als „Zementklausel“ für die bisherige Rechtsprechung angesehen werden. Somit werden „in denkendem Gehorsam gegenüber der gesetzgeberischen Entscheidung“6 die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze auf ihre Vereinbarkeit mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG zu überprüfen sein. 24 Nach der bereits vor Inkrafttreten des TzBfG ergangenen Rechtsprechung des BAG konnten im Bereich des öffentlichen Dienstes haushaltsrechtliche Gründe die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen konnte, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen7. Ausreichend für die Prognose des öffentlichen Arbeitgebers war grundsätzlich, dass die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgte, die von vornherein nur für eine bestimmte Zeitdauer bewilligt worden war und anschließend fortfallen sollte. An dieser Rechtsprechung hält das BAG auch nach Inkrafttreten des 1 Dörner, Rz. 212, 211; Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 201; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 100. 2 BT-Drucks. 10/2283, S. 6; BAG v. 24.1.1996 – 7 AZR 342/95, NZA 1996, 1036. 3 Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 100; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 99 mwN. 4 Dörner, Rz. 211. 5 Dörner, Rz. 211. 6 So (in anderem Zusammenhang) Preis, NZA 2004, 1014. 7 BAG v. 24.1.2001 – 7 AZR 208/99, EzA § 620 BGB Nr. 173.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 27
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TzBfG zu dem Sachgrund aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ausdrücklich fest1. Insoweit geht das BAG davon aus, dass haushaltsrechtliche Gründe für eine Befristung des Arbeitsvertrages nicht nur unter § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, sondern auch unter Nr. 1 fallen können2. 2. Bisherige Rechtsprechung des BAG zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Be- 25 fristung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird. a) Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG Der Wortlaut könnte nach Ansicht des BAG eine Deutung zulassen, nach 26 der es ausreichend wäre, dass die Haushaltsmittel nur allgemein für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Rahmen von befristeten Arbeitsverträgen vorgesehen sind. Ein Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses läge dann bereits vor, wenn in allgemeiner Form für den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen Haushaltsmittel bereitgestellt worden sind und der befristet beschäftigte Arbeitnehmer aus diesen Haushaltsmitteln vergütet wird3. Die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG wären also bereits dann erfüllt, wenn die Rechtsvorschriften über die Ausbringung der Haushaltsmittel allgemein ihre Verwendung für die Vergütung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern anordnen würden. Weitere Vorgaben hinsichtlich der im Rahmen der befristeten Arbeitsverhältnisse auszuübenden Tätigkeiten wären entbehrlich. Der befristet beschäftigte Arbeitnehmer könnte mit sämtlichen im Bereich der öffentlichen Verwaltung anfallenden Tätigkeiten betraut werden. Der Relativsatz „die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind“ kann aber auch dahingehend verstanden werden, dass mit dem Merkmal der befristeten Beschäftigung nicht die zeitbestimmte Vertragsform des Arbeitsverhältnisses, sondern die befristete Arbeitsaufgabe des Arbeitnehmers bezeichnet wird4. In diesem zuletzt genannten Sinne versteht das BAG den Relativsatz. b) Anforderungen an die Haushaltsmittel Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG erfordert die Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln, die nach der Rechtsprechung des 1 BAG v. 16.10.2008 – 7 AZR 360/07, NZA 2009, 676. 2 So auch LAG Düsseldorf v. 23.9.2008 – 8 Sa 784/08, juris; kritisch Schaub/Koch, Arbeitsrechts-Handbuch § 40 Rz. 38. 3 So zB die Titelgruppen F 427 09 der Einzelpläne des Haushaltsplans des Bundeshaushalts 2008 („Entgelte für Arbeitskräfte mit befristeten Arbeitsverträgen …“) – im Einzelplan des Haushalts für das Bundesarbeitsgericht waren hierfür im Jahre 2008 insgesamt 200 000 Euro veranschlagt, beim Bundessozialgericht waren es 268 000 Euro, beim Bundesgerichthof hingegen nur 98 000 Euro. 4 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 1. Groeger
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Rz. 28
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BAG mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung versehen worden sein müssen. Die für die Vergütung verfügbaren Haushaltsmittel müssen für eine Aufgabe von nur vorübergehender Dauer vorgesehen sein1. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegen danach nicht vor, wenn Haushaltsmittel lediglich allgemein für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen bereitgestellt werden. Dies folge aus der Auslegung des Gesetzes unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte sowie unter der gebotenen Beachtung der verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Da § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG voraussetzt, dass die Haushaltsmittel im Haushaltsplan konkret für die Beschäftigung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen bestimmt sind, ergibt sich nach Auffassung des BAG aus dem Vermerk im Haushaltsplan, dass eine bestimmte Anzahl von Stellen einer Entgeltgruppe zu einem späteren Zeitpunkt wegfallen soll (kw-Vermerk), keine tätigkeitsbezogene Zweckbestimmung für eine Aufgabe von vorübergehender Dauer2. Eine auf haushaltsrechtliche Gründe nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gestützte Befristung setzt nicht voraus, dass bereits bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags Haushaltsmittel in einem Haushaltsgesetz ausgebracht sind, aus denen die Vergütung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers während der gesamten Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrags bestritten werden kann. Es genügt vielmehr, wenn bei Vertragsschluss aufgrund konkreter Umstände eine dahingehende Prognose gerechtfertigt ist. Eine Befristung, die sich über das Haushaltsjahr hinaus erstreckt, ist jedoch nicht nach § 14 Abs 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt, wenn bei Vertragsschluss keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der künftige Haushaltsplan erneut ausreichende Haushaltsmittel für die befristete Beschäftigung des Arbeitnehmers bereitstellen wird3. c) Anforderungen an die Beschäftigung 28 Der Sachgrund erfordert darüber hinaus den überwiegenden Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers entsprechend der Zwecksetzung der bereitstehenden Haushaltsmittel. Dabei sind die Umstände bei Vertragsschluss maßgeblich. Dies gilt auch für die Frage, ob der Arbeitnehmer aus den Haushaltsmitteln vergütet worden ist. Wird später festgestellt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich nicht aus den bei Vertragsschluss verfügbaren Haushaltsmitteln vergütet oder entsprechend der Zwecksetzung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel beschäftigt wird, kann dies ein Indiz dafür sein, dass der Befristungsgrund in Wirklichkeit nicht gegeben, sondern nur vorgeschoben ist. Es obliegt in diesem Fall dem Arbeitgeber, die vom Vertrag abweichende Handhabung zu erklären4. 1 2 3 4
BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 1. BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 162/08, NZA 2009, 1257. BAG v. 22.4.2009 – 7 AZR 743/07, NJW 2009, 3048. BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
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Teil 6
Dass im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG der überwiegende Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers entsprechend der Zwecksetzung der bereitstehenden Haushaltsmittel genügt, ist mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu vereinbaren1. Das BAG knüpft insoweit an seine Rechtsprechung zur Drittmittelfinanzierung an2. Jedoch weicht der Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG von § 2 Abs. 2 WissZeitVG3 ab und deckt diese Auslegung gerade nicht. Richtig ist jedoch, dass eine Änderung der Aufgabe während der Befristung allenfalls ein Indiz dafür sein kann, dass die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nur vorgeschoben gewesen sein könnte.
29
d) Bedeutung von § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 Die bisher vorliegenden Entscheidungen des BAG zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 30 TzBfG4 betreffen überwiegend Befristungen, die im Rahmen von § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 vereinbart worden waren5. Nach dieser Bestimmung des Haushaltsgesetzes 2004/2005 für das Land Nordrhein-Westfalen6 konnten Planstellen und Stellen für Zeiträume, in denen Stelleninhabern vorübergehend keine oder keine vollen Dienstbezüge zu gewähren waren, im Umfang der nicht in Anspruch genommenen Planstellen- oder Stellenanteile für die Beschäftigung von Aushilfskräften in Anspruch genommen werden7. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 stellt zwar selbst keine Haushaltsmittel für 31 die Einstellung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern bereit, sondern enthält lediglich eine an die Verwaltung gerichtete Ermächtigung für die Beschäftigung von Aushilfskräften. Der Betrag der hierfür zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ergibt sich erst aus der Zuordnung zu dem/den im maßgeblichen Haushaltszeitraum vorübergehend abwesenden Planstellen- und Stelleninhaber(n), die von der Verwaltung vorgenommen wird. Dennoch erkennt das BAG an, dass es sich dabei um eine haushaltsrechtliche Bestimmung iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG handelt. Die betragsmäßige Ausweisung der für die befristete Beschäftigung zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel im Haushaltsplan ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG, anders als nach § 57b Abs. 2 Nr. 2 HRG (aF)8, nicht erforderlich. Es 1 Kritisch auch Greiner, Anm. zu EzA § 14 TzBfG Nr. 34. 2 BAG v. 15.2.2006 – 7 AZR 241/05, ZTR 2006, 509, Rz. 14. 3 Wissenschaftszeitvertragsgesetz v. 12.4.2007, BGBl. I, 506; dazu Löwisch, NZA 2007, 479. 4 BAG v. 18.4.2007 – 7 AZR 316/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 3; v. 7.11.2007 – 7 AZR 488/06 und 7 AZR 791/06; v. 20.2.2008 – 7 AZR 972/06; v. 19.3.2008 -7 AZR 1099/06, juris. 5 So auch Dörner, FS für Otto, S. 55, 66 f. 6 Vgl. auch § 6 Abs. 8 HG NW 2008. 7 Im Bereich des Bundes entspricht dies ohne dahingehende gesetzliche Regelung der tradierten Haushaltsbewirtschaftungspraxis, vgl. Ziff. II. 1.2 und 2. des BMFRundschreibens v. 2.1.1973 idF v. 8.10.1993, abgedruckt bei Heuer/Flöer, § 49 BHO Rz. 8. 8 BAG v. 24.1.1996 – 7 AZR 342/95, NZA 1996, 1036, wonach es allerdings unerheblich war, ob die Mittel summenmäßig oder in Form befristeter Planstellen ausgewiesen waren. Groeger
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Teil 6
Rz. 32
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
ist für das Merkmal der Haushaltsmittel vielmehr ausreichend, wenn die Planstellen und Stellen, bei denen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 erfüllt sind, durch die Landesverwaltung vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags in nachvollziehbarer Form – regelmäßig durch einen Aktenvermerk – festgestellt werden. Hierdurch stehen die nach § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 für die Verwendung durch die Landesverwaltung verfügbaren Haushaltsmittel fest1. 32 Das Merkmal der Aushilfskraft iSd. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 orientiert sich zwar nach Ansicht des BAG an den Sachgründen des vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung sowie der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers. Beides sind Aufgaben von vorübergehender Dauer, die als Sachgründe für die befristete Beschäftigung in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 TzBfG anerkannt sind. Die für die Aushilfskraft iSd. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 geltenden Anforderungen müssen allerdings nicht den Anforderungen an die Sachgründe in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 3 TzBfG genügen, da ansonsten der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG keine eigenständige Bedeutung hätte. Deshalb können die nach § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 an den Begriff des Aushilfsangestellten zu stellenden Anforderungen hinter den Voraussetzungen der genannten Sachgründe zurückbleiben. Sie müssten aber noch eine dem verfassungsrechtlichen Untermaßverbot und den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügende Befristungskontrolle ermöglichen. Dies erfordere einen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Abwesenheit des Planstellen- oder Stelleninhabers und der Beschäftigung des Aushilfsangestellten. Ansonsten ginge die Orientierung der von dem Begriff der Aushilfskraft iSd. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 umfassten Tätigkeiten zu den Sachgründen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 TzBfG verloren2. 33 Nach Ansicht des BAG liegt eine Beschäftigung als Aushilfskraft iSd. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 vor, wenn die haushaltsmittelbewirtschaftende Dienststelle hierdurch entweder einen Mehrbedarf bei sich oder in einer Dienststelle ihres nachgeordneten Geschäftsbereichs abdeckt oder einen betrieblichen Bedarf in der Dienststelle ausgleicht, der der vorübergehend abwesende Planstellen- oder Stelleninhaber angehört. Mit diesem Inhalt genüge die Vorschrift den an eine ausreichende haushaltsrechtliche Zwecksetzung zu stellenden Anforderungen3. Der Arbeitskräftebedarf könne somit entweder auf einen Anstieg der Arbeitsmenge im Bereich der haushaltsmittelbewirtschaftenden Dienststelle oder bei einer ihr nachgeordneten Dienststelle zurückzuführen sein oder der Abdeckung eines auf der Abwesenheit eines Planstellen- oder Stelleninhabers beruhenden betrieblichen Bedarfs dienen. 34 Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 sollen hingegen nach Ansicht des BAG nicht vorliegen, wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nicht in der Dienststelle des vorübergehend abwesenden Planstellen1 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 13. 2 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 16. 3 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 14.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 37
Teil 6
inhabers, sondern in einer anderen Dienststelle im Bereich der haushaltsmittelbewirtschaftenden Dienststelle zur Abdeckung eines durch die Abwesenheit eines anderen Arbeitnehmers entstandenen Bedarfs eingesetzt wird. In diesem Fall soll es an dem für § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Fehlen des Planstellen- oder Stelleninhabers und der Beschäftigung des neu eingestellten Arbeitnehmers fehlen1. Weder aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG noch aus § 7 Abs. 3 HG NW 35 2004/2005 folgt, dass die Befristung auf den Zeitpunkt erfolgen muss, bis zu dem Haushaltsmittel für eine befristete Beschäftigung zur Verfügung stehen. Das als „finanzielle Kongruenz“ bezeichnete2 Merkmal ist in § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 nicht enthalten. Vielmehr steht es im Ermessen der haushaltsmittelbewirtschaftenden Dienststelle, ob sie von der Möglichkeit einer auf die vorübergehend zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gestützten befristeten Einstellung überhaupt Gebrauch macht („können … in Anspruch genommen werden“). Dieser Freiraum umfasst auch die Dauer der Beschäftigung der Aushilfskraft. Das Erfordernis einer finanziellen Kongruenz folgt auch nicht aus einer verfassungsrechtlich oder gemeinschaftsrechtlich gebotenen Auslegung der haushaltsrechtlichen Bestimmung3. Anders als bei dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG muss sich die Prognose des Arbeitgebers nicht darauf beziehen, dass die Arbeitsmenge nach Ablauf des befristeten Arbeitsvertrags wieder mit dem nach dem Stellenplan verfügbaren Stammpersonal bewältigt werden kann. Es genügt vielmehr, dass der Mehrbedarf voraussichtlich während der Dauer des befristeten Arbeitsvertrags bestehen wird4. Jedoch können Haushaltsmittel, die durch das Ausscheiden des Planstellen- oder Stelleninhabers aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis, zB durch Erreichen der Altersgrenze, frei werden, nach § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 nicht mehr für die Begründung eines befristeten Aushilfsarbeitsverhältnisses eingesetzt werden. Aushilfskräfte iSd. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 können demnach ungeachtet eines etwaigen unbefristeten oder zeitlich weitergehenden tatsächlichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nur in dem Umfang eingestellt werden, in dem Mittel aus zeitweilig nicht in Anspruch genommenen Planstellen oder Planstellenanteilen vorhanden sind. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 ermöglicht daher nur eine Beschäftigung bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Planstellen- oder Stelleninhaber unter Wiederaufnahme der Zahlung von Bezügen seine Tätigkeit fortsetzt5.
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Einerseits soll eine rechtliche und fachliche Austauschbarkeit der Aus- 37 hilfskraft mit dem vorübergehend abwesenden Planstellen- oder Stelleninhaber, anders als bei einer Variante der Befristung zur Vertretung6, nicht 1 2 3 4 5 6
BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 20. LAG Düsseldorf v. 21.12.2005 – 12 Sa 1303/05, LAGE § 14 TzBfG Nr. 25. BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 22. BAG v. 7.5.2008 – 7 AZR 198/07, NZA 2008, 880. BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 23. Vgl. BAG v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, NJW 2006, 1238; dazu Groeger, ArbRB 2008, 65. Groeger
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Teil 6
Rz. 38
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
erforderlich sein. Wenn das BAG jedoch formuliert, dass es vielmehr ausreichend ist, wenn der Beschäftigte Aufgaben wahrnimmt, die ansonsten einem oder mehreren anderen Arbeitnehmern der Dienststelle übertragen worden wären, die dem Arbeitsbereich des vorübergehend abwesenden Planstellen- oder Stelleninhabers angehören1, wirft es damit allerdings mehr Fragen auf, als es sie beantwortet. 38 Schließlich soll nach Ansicht des BAG ein Mehrbedarf iSd. Rechtsprechung zu § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 dann nicht mehr vorliegen, wenn der öffentliche Arbeitgeber von einem dauerhaften Anstieg der Arbeitsmenge ausgeht und auf organisatorische Maßnahmen zur Anpassung der Stellenausstattung an den Bedarf, wie zB das Einwerben von neuen Stellen, die Verlagerung von Stellen von anderen Dienststellen oder der Umorganisation des Arbeitsablaufs verzichtet2. e) Einordnung der Rechtsprechung des BAG 39 Den meisten bisherigen Entscheidungen des BAG ist gemeinsam, dass die Erwägungen zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG im Kontext zur haushaltsrechtlichen Bestimmung des § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 stehen. Zwar waren die wesentlichen Gründe des Urteils vom 18.10.2006 keine tragenden Entscheidungsgründe, da die Klägerin unstreitig nicht entsprechend der im Haushaltsplan ausgewiesenen Zwecksetzung beschäftigt worden war. Wie die seitdem ergangenen weiteren Entscheidungen des BAG zeigen, haben sie jedoch für die Rechtsprechung erhebliche Bedeutung. Grundlegende Bedeutung für die weitere Orientierung hat jedoch vor allem die sorgfältige Unterscheidung, ob das BAG zur Frage Stellung genommen hat, welchen Anforderungen eine Befristung genügen muss, die auf § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 iVm. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gestützt wird, oder ob es um die Frage geht, welche Anforderungen § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG mit Blick auf höherrangiges Recht an eine haushaltsrechtliche Bestimmung stellt. Bereits angesichts des immer noch eingeschränkten „Fallmaterials“3 sind daher voreilige, von rechtspolitischen Erwägungen nicht immer freie Rückschlüsse zu vermeiden. 40 Wenn die in § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 vorgesehene Einstellung von Aushilfskräften eine ausreichende haushaltsrechtliche Zwecksetzung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG darstellt, die eine nur vorübergehende Beschäftigung des aus den verfügbaren Haushaltsmitteln vergüteten Arbeitnehmers zulässt, heißt dies zwar, dass immer dann, wenn die Voraussetzungen dieser landesrechtlichen Vorschrift vorliegen, eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt ist. Es bedeutet aber nicht, dass nur dann, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt sein kann. Vielmehr sind auch andere haushaltsrechtliche Bestimmungen denkbar, die eine Befristung 1 BAG v. 14.2.2007- 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 19. 2 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 18. 3 Schaub/Koch, Arbeitsrechts-Handbuch § 40 Rz. 36.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 42
Teil 6
nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG ermöglichen. Das folgt auch daraus, dass die nach den allgemeinen Wertungsmaßstäben des Befristungsrechts anerkannten Sachgründe zur Rechtfertigung von Befristungen durch die erleichterten Befristungsmöglichkeiten des Hochschulrahmengesetzes nicht etwa verdrängt, sondern lediglich ergänzt worden sind1. Das gilt folglich auch für die im Wortlaut an § 57b Abs. 2 Satz 2 HRG aF. anknüpfende Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG. Wer dies anders sieht, nimmt den gesetzgeberischen Willen nicht ernst, der mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG an die bisherige Rechtsprechung anknüpfen und nicht lediglich einen Befristungstatbestand schaffen wollte, der sich an den Befristungsgründen der § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 TzBfG orientiert und lediglich die Prüfung dieser Voraussetzungen quasi „um einige Pegelstriche zurücknimmt“2. Dafür, dass mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG lediglich ein Sachgrund „light“ iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 TzBfG zur Verfügung gestellt werden sollte, geben weder Wortlaut und Systematik des Gesetzes noch die Gesetzgebungsgeschichte Anhaltspunkte her. Entgegen der Ansicht der 6. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg stellt § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG daher keinen Unterfall zu Nr. 1, der einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes die Prognose durch den Hinweis auf haushaltsrechtliche Vorgaben erleichtern kann, dar3. Dem BAG ist daher zuzustimmen, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG eigenständige Bedeutung hat. Daraus folgt zugleich, dass die eben wiedergegebenen Ausführungen sich auf § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 und nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG beziehen. Wenn das BAG feststellt, dass § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 selbst keine 41 Haushaltsmittel für die Einstellung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern bereitstellt, sondern eine an die Verwaltung gerichtete Ermächtigung enthält, Aushilfskräfte befristet zu beschäftigen, und sich der Betrag der hierfür zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erst aus der von der Verwaltung vorzunehmenden Zuordnung zu dem/den im maßgeblichen Haushaltszeitraum vorübergehend abwesenden Planstellen- und Stelleninhaber(n) ergibt4, ist danach zu fragen, ob dies eine über die Regelung des § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 hinausgehende allgemeine Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der „haushaltsrechtlichen Bestimmung“ iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG hat. Wenn das BAG verlangt, dass der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 42 TzBfG zwar die Vergütung des Arbeitnehmers aus Haushaltsmitteln erfordere, die mit einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung versehen sind, aber die Befristung nach dieser Vorschrift auch dann als zulässig ansieht, wenn die Verwaltung eine Zuordnung zu einem im maßgeblichen Haushaltszeitraum vorübergehend abwesenden Planstellen- und Stelleninhaber vornimmt und die Vergütung 1 2 3 4
BAG v. 17.1.2007 – 7 AZR 81/06, juris. So (in anderem Zusammenhang) Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, 2006, S. 20. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.3.2007 – 6 Sa 2102/06, LAGE § 14 TzBfG Nr. 35. BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 13. Groeger
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Teil 6
Rz. 43
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
aus einem Haushaltstitel entnimmt, der an sich nicht für die Vergütung von Beschäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen bestimmt ist, sofern sie dazu durch eine haushaltsrechtliche Bestimmung wie § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 ermächtigt ist1, ergeben sich auch daraus Fragen, ob damit die Anforderungen an eine „haushaltsrechtliche Bestimmung“ iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG allgemein bestimmt worden sind. 43 Wenn das BAG in der Subsumtion formuliert, dass das beklagte Land unstreitig gestellt hatte, „dass die Klägerin weder arbeitsvertraglich noch tatsächlich entsprechend der im Haushaltsplan ausgewiesenen Zwecksetzung beschäftigt worden ist“, ist es verfehlt, darin eine Durchbrechung des Grundsatzes zu sehen, dass der Befristungsgrund bei der Zeitbefristung im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich benannt werden muss2. f) Weiterführung der Rechtsprechung des BAG 44 Sowohl die Ermächtigung in § 7 Abs. 3 HG NW 2004/20053 als auch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG tragen dem von der Rechtsprechung des BAG jedenfalls seit 1999 anerkannten Umstand Rechnung, dass der öffentliche Arbeitgeber – anders als ein privater Arbeitgeber – keine Verpflichtungen eingehen darf, die haushaltsrechtlich nicht gedeckt sind4. Die Bezugnahme u.a. auf die grundlegende, eine „kopernikanische Wende“ darstellende Entscheidung vom 7.7.1999 im Urteil vom 14.2.2007 widerlegt die Annahme, dass das BAG vermeintliche „Ausuferungen“ seiner Rechtsprechung habe aufgeben wollen5. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gilt damit ein grundsätzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Es ist haushaltsrechtlich verboten, Verpflichtungen einzugehen, es sei denn, die Eingehung neuer Verpflichtungen ist durch haushaltsrechtliche Ermächtigungen gedeckt. Im Bereich des Bundes gilt seit Anfang der 90er Jahre das strikte haushaltsrechtliche Gebot, in einem bestimmten Prozentsatz Stellen einzusparen6. In einigen Ländern existieren eigens Gesetze, die den Personalüberhang in der öffentlichen Verwaltung regeln7. Die haushaltsrechtliche Bewilligung neuer (Plan-)Stellen ist daher die seltene Ausnahme. Deshalb ist in weiten Teilen des öffentlichen Dienstes nur noch die befristete Einstellung von Personal haushaltsrechtlich legitimiert, es sei denn, dass frei gewordene und nicht mit einem kw-Vermerk versehene (Plan-)Stellen zur Verfügung stehen. In diesem Kontext ist der Inhalt von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG zu würdigen.
1 2 3 4
BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 13. AA jedoch Greiner, Anm. zu EzA § 14 TzBfG Nr. 34. BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 17. BAG v. 7.7.1999 – 7 AZR 609/97, NZA 2000, 591; v. 24.1.2001 – 7 AZR 208/99, EzA § 620 BGB Nr. 173; v. 24.10.2001 – 7 AZR 542/00, NZA 2002, 443. 5 So aber Greiner, Anm. EzA § 14 TzBfG Nr. 34 unter IV. 1. 6 ZB §§ 22 Abs. 1 HG 1993, 20 HG 2009 (von der Benennung der Normen der Haushaltsgesetze des Bundes von 1994 bis 2008 wird aus Platzgründen abgesehen). 7 Gesetz über das Personaleinsatzmanagement – PEMG NW v. 19.6.2007, GV NW 2007, 242.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 48
Teil 6
aa) Haushaltsrechtliche Bestimmung als arbeitsrechtlicher Verweis auf das Haushaltsrecht § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG verlangt, dass die Haushaltsmittel „haushaltsrechtlich“ für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind.
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(1) Relevanz des Haushaltsrechts Das Gesetz erkennt damit grundsätzlich an, dass haushaltsrechtliche Be- 46 stimmungen für die Befristung von Arbeitsverträgen überhaupt relevant sein können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn wenn der Haushaltsplan Haushaltsmittel in bestimmter Höhe für Entgelte für Arbeitskräfte mit befristeten Arbeitsverträgen bereitstellt, erschöpft sich – außer der Bereitstellung der Mittel – sein Regelungsgehalt zunächst regelmäßig darin, dass die Mittel nur für befristete Arbeitsverträge und auch insoweit nur bis zur Höhe des Haushaltsansatzes verwendet werden dürfen. Zugleich liegt darin das haushaltsrechtliche Verbot, aus diesen Haushaltsmitteln das Entgelt für eine Arbeitskraft mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag zu entnehmen. Auf den formalen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages allein kommt es insoweit nicht an. Vielmehr darf ein befristeter Arbeitsvertrag, für den ein Sachgrund erforderlich aber bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht erkennbar ist und bei dem die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2, 2a oder 3 TzBfG nicht vorliegen, nicht abgeschlossen werden, wenn keine Haushaltsmittel für eine unbefristete Beschäftigung zur Verfügung stehen. Dennoch wäre ein befristeter Arbeitsvertrag, der nach § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt, ebenso wie ein unbefristeter Arbeitsvertrag, der ohne haushaltsrechtliche Legitimation vereinbart wird, deswegen nicht unwirksam. Ferner liegt in der haushaltsrechtlich an die Verwaltung gerichteten eingeschränkten Ermächtigung, aus dem Haushaltstitel Mittel nur für die Beschäftigung von Arbeitskräften mit befristeten Arbeitsverträgen zu entnehmen, regelmäßig keine arbeitsrechtliche Berechtigung zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG schlägt jedoch – bildhaft gesprochen – eine „Brücke“ zwischen Arbeits- und Haushaltsrecht. Einerseits indem an die haushaltsrechtliche Bestimmung von Haushaltsmitteln angeknüpft wird, andererseits indem der haushaltsrechtlichen Zweckbestimmung der Haushaltsmittel arbeitsrechtliche Relevanz für die Befristung von Arbeitsverträgen verliehen wird. Dass das Haushaltsrecht Auswirkungen auf das Entstehen von Rechten von Arbeitnehmern haben kann, ist gleichwohl keine Besonderheit des Befristungsrechts: Die ständige Rechtsprechung des BAG zur betrieblichen Übung, die für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes wegen der haushaltsrechtlichen Bindungen, denen der Arbeitgeber unterliegt, praktisch weitgehend bedeutungslos ist, ist ein weiteres Beispiel (s. Teil 4 E).
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Die Frage, ob Haushaltsmittel für die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern (oder Beamten) bestimmt sind, beurteilt sich ausschließlich nach
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Groeger
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Teil 6
Rz. 49
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
den einschlägigen haushaltsrechtlichen Bestimmungen. Insoweit enthält § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG keine Vorgaben für den jeweiligen Haushaltgeber. Auf der Ebene des einfachen Rechts können jedenfalls dem jeweiligen Haushaltsgesetzgeber keine Vorgaben für die Inhalte haushaltsrechtlicher Regelungen gemacht werden. Insoweit ist jede haushaltsrechtliche Bestimmung für § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG relevant. Weil dies so ist und durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG grundsätzlich jede haushaltsrechtliche Bestimmung die Befristung von Arbeitsverträgen rechtfertigen kann, muss jedoch die haushaltsrechtliche Regelung höherrangigem Recht entsprechen. Insoweit ist die Prüfungskompetenz der Fachgerichte jedoch eingeschränkt, denn eine Verwerfungskompetenz hat für nachkonstitutionelles Recht gem. Art. 100 Abs. 1 GG nur das BVerfG. (2) Entnahme der Vergütung aus entsprechend „gewidmeten“ Haushaltsmitteln 49 Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG stellt die haushaltsrechtliche Bestimmung von Haushaltsmitteln für befristete Beschäftigungen nur unter der Voraussetzung einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrages dar, dass der Arbeitnehmer aus diesen Haushaltsmitteln vergütet wird. Ob dies der Fall ist, kann nur aus den behördeninternen Aufzeichnungen des Beauftragten für den Haushalt (BfdH) der jeweiligen mittelbewirtschaftenden Stelle festgestellt werden (s. Teil 1 Rz. 255). Eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag ist insoweit weder erforderlich noch ausreichend. Entscheidend ist, ob die Vergütung tatsächlich aus einem Haushaltstitel entnommen wird, der für befristete Beschäftigungen bestimmt ist. Wird die Frage im gerichtlichen Verfahren streitig, kann die Entnahme der Mittel aus einem bestimmten (iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG geeigneten) Haushaltstitel nur durch Zeugenbeweis und oftmals nicht mehr durch Vorlage von Urkunden bewiesen werden, da die sog. Haushaltsführungslisten in der Regel nur noch als elektronische Dateien geführt werden. Nach der Rechtsprechung des BAG1 genügt die von der Verwaltung vorgenommene nachvollziehbare Zuordnung zu einer vorübergehend nicht in Anspruch genommenen Planstelle bzw. Stelle, wobei die durch einen Aktenvermerk vorgenommene Zuordnung eine hinreichende Nachvollziehbarkeit begründet, um die Zuordnung einer Aushilfskraft zu einer konkreten Planstelle bzw. Stelle, aus der die Vergütung entnommen wird, zu bewirken. (3) Anforderungen an die haushaltsrechtliche „Widmung“ 50 Das BAG sieht das Erfordernis einer haushaltsrechtlichen Bestimmung der Haushaltsmittel für eine befristete Beschäftigung im Sinne einer konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung bereits dann als erfüllt an, wenn eine haushaltsrechtliche Ermächtigungsgrundlage (§ 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005), die sich an einem der anderen Sachgründe des § 17 Abs. 1 TzBfG orientiert, die Verwaltung im 1 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 13.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 53
Teil 6
Rahmen des Haushaltsvollzugs ermächtigt, Haushaltsmittel, die an sich, d.h. originär nicht für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, aufgrund später im Haushaltsjahr eintretender Ereignisse insoweit „umzuwidmen“. Demnach ist es für eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG 51 nicht erforderlich, dass die haushaltsrechtliche Vorschrift selbst Haushaltsmittel für die Vergütung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern bereitstellt, vielmehr genügt insoweit eine haushaltsrechtliche Bestimmung mit einer hinreichend konkreten Sachregelung auf der Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung, aufgrund derer die Verwaltung im Rahmen des Haushaltsvollzugs ermächtigt ist, Haushaltsmittel für eine befristete Beschäftigung zu bestimmen. Erst recht verlangt § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nicht, dass die haushalts- 52 rechtliche Bestimmung die Befristung von Arbeitsverträgen zum Regelungsgehalt hat. Eine Rechtsnorm, die aus sich selbst heraus die Befristung von Arbeitsverträgen erlaubt, ist von einer haushaltsrechtlichen Bestimmung, die regelt, dass und wie Haushaltsmittel für eine befristete Beschäftigung bestimmt werden, zu unterscheiden. Würde an die haushaltsrechtliche Bestimmung die Anforderung gestellt, dass sie die Befristung von Arbeitsverträgen erlauben muss, würde es sich nicht um eine haushaltsrechtliche Bestimmung, sondern – unabhängig von ihrem systematischen Standort im Haushaltsrecht – inhaltlich um eine arbeitsrechtliche Bestimmung, genauer: um eine besondere Regelung über die Befristung von Arbeitsverträgen handeln, die gemäß § 23 TzBfG vom Teilzeit- und Befristungsgesetz unberührt bleiben1. Diese besonderen Regelungen sind von sonstigen Sachgründen iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG abzugrenzen. Besondere Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen unterliegen keiner Kontrolle anhand der Maßstäbe des § 14 Abs. 1 TzBfG. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, wird die Wirksamkeit anhand der Maßstäbe, die die besondere Regelung vorgibt geprüft. Verstößt diese gegen höherrangiges Recht, ist dies in den dafür vorgesehenen Verfahren2 zu klären. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG wäre eine rein deklaratorische Vorschrift und keine notwendige Rechtsnorm, die die Befristung eines Arbeitsvertrages aufgrund einer haushaltsrechtlichen Bestimmung über die Zweckbindung von Haushaltsmitteln sachlich rechtfertigt, wenn diese haushaltsrechtliche Bestimmung ihrerseits die Befristung von Arbeitsverträgen erlaubte. Die haushaltsrechtliche Bestimmung bezieht sich ihrem Regelungsgehalt nach auf die Haushaltsmittel, nicht auf die Beschäftigung. Sie darf, um arbeitsrechtlich Relevanz zu haben, die Verwendung der Mittel nur für befristete Beschäftigungen erlauben. Damit erlaubt sie jedoch ihrem Regelungsgehalt nach nicht die Befristung von Arbeitsverträgen. Außenwirkung erlangt die Zwecksetzung erst durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG. 1 Beispiel BAG v. 25.5.2005 – 7 AZR 402/04, AP § 14 TzBfG Nr. 17. 2 Vorlage an das BVerfG oder an den EuGH gem. Art. 100 Abs. 1 GG oder Art. 234 EGV, dazu Roth, NVwZ 1998, 563, Kokott/Henze/Sobotta, JZ 2006, 633. Groeger
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Teil 6
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Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
Ob die Zwecksetzung, dass die Haushaltsmittel für befristete Beschäftigungen oder für befristete Arbeitsverträge bestimmt sind, für sich allein ausreicht, soll im Einzelnen weiter unten erörtert werden (s. Rz. 57). Einerseits ist der Gesetzgeber zwar auch bei der Aufstellung des Haushaltsgesetzes und -plans an höherrangiges Recht gebunden und besteht bei fehlender Übereinstimmung für das angerufene Fachgericht die Möglichkeit bzw. Verpflichtung, das BVerfG oder den EuGH anzurufen1. Andererseits ist der Gesetzgeber bei der Aufstellung des Haushaltsgesetzes und -plans aber auch nur an höherrangiges Recht gebunden. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG bindet den Gesetzgeber somit nicht, sich bei der Bereitstellung von Haushaltsmitteln auf Fälle zu beschränken, in denen die Tätigkeiten ihrer Art nach nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend anfallen2. Dies hat das BAG lediglich zum Begriff der Aushilfe iSd. § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005 entschieden. 54 Wenn es, wie bei § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005, darum geht, dass Haushaltsmittel, die nicht originär vom Haushaltgeber für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, durch eine Entscheidung der Verwaltung beim Haushaltsvollzug „umgewidmet“ werden können, müssen andere Maßstäbe an die Bestimmtheit der Norm angelegt werden, als wenn die Haushaltsmittel von vornherein im Haushaltsaufstellungsverfahren für eine befristete Beschäftigung bestimmt worden sind. Denn die innere Rechtfertigung für die durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG bewirkte Erleichterung der Befristung von Arbeitsverträgen liegt in der demokratischen Legitimation, die jeder Rechtsnorm, sowohl den besonderen Regelungen iSv. § 23 TzBfG als auch haushaltsrechtlichen Bestimmungen, innewohnt3. Auch eine haushaltsrechtliche Bestimmung setzt Recht und ist damit keine Rechtsanwendung. Wenn die Verwaltung jedoch Haushaltsmittel, die zwar auch für befristete Beschäftigungen verwendet werden können, jedoch haushaltsrechtlich originär nicht dafür bestimmt waren, für die Vergütung befristeter Arbeitverträge verwendet, bedarf es für die Befristung grundsätzlich eines außerhalb des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG liegenden Sachgrundes. Wenn die Verwaltung berechtigt sein soll, derartige Haushaltsmittel nachträglich „umzuwidmen“, d.h. für befristete Beschäftigungen iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG zu „bestimmen“, würde einer solchen Bestimmung die notwendige demokratische Legitimation fehlen, wenn der Haushaltgeber nicht die Voraussetzungen im Sinne einer nachvollziehbaren Zwecksetzung der Verwaltung vorgeben würde. 55 Hat aber der Haushaltgeber von vornherein Haushaltsmittel nicht lediglich allgemein, sondern mit einer nachvollziehbaren Zwecksetzung für bestimmte befristete Beschäftigungen betragsmäßig zur Verfügung gestellt, handelt es sich um eine demokratisch legitimierte Entscheidung, die darum keines anderen Sachgrundes iSv. § 14 Abs. 1 TzBfG bedarf. Diese un1 Zuletzt EuGH v. 19.1.2010 – C-555/07, NZA 2010, 85. 2 Näher Groeger, NJW 2008, 465 (466). 3 Zur Bedeutung einer demokratischen Entscheidung eines Kommunalparlaments im Kündigungsschutzrecht s. BAG v. 18.9.2008 – 2 AZR 560/07, NZA 2009, 142.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
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Teil 6
mittelbar vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung über den oder die Zwecke, denen entsprechend die Mittel nur verwendet werden dürfen, trägt ihre sachliche Rechtfertigung in sich, weil sie unmittelbar demokratisch legitimiert ist. Dem entspricht die Rechtsprechung des BAG, das auch nach Inkrafttreten des TzBfG an seiner früheren Rechtsprechung ausdrücklich festhält, wonach im Bereich des öffentlichen Dienstes haushaltsrechtliche Gründe die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs rechtfertigen, wenn der öffentliche Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund konkreter Tatsachen die Prognose erstellen konnte, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur vorübergehend zur Verfügung stehen1. Ausreichend für die Prognose des öffentlichen Arbeitgebers ist nach dieser, allerdings zu § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG bestätigten Rechtsprechung grundsätzlich, dass die Vergütung des befristet eingestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die von vornherein nur für eine bestimmte Zeitdauer bewilligt worden ist und anschließend fortfallen soll. In diesen Fällen kann nämlich zum einen regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sich der Haushaltgeber mit den Verhältnissen gerade dieser Stelle befasst und festgestellt hat, dass für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf dieser Stelle nur ein vorübergehender Bedarf besteht; zum andern ist der öffentliche Arbeitgeber gehalten, keine Verpflichtungen einzugehen, die haushaltsrechtlich nicht gedeckt sind. Beruht damit die Prognoseentscheidung des Arbeitgebers auf einer zuvor vom Haushaltgeber getroffenen haushaltsrechtlichen Entscheidung, die gerichtlich nur eingeschränkter Kontrolle unterliegen kann und die der Arbeitgeber jedenfalls zu beachten hat, so liegt letztlich die innere Rechtfertigung für die Anerkennung als sachlicher Grund in einer demokratisch legitimierten Entscheidung. Nicht wegen der demokratischen Legitimation, sondern wegen der gerichtlichen „Aufsicht“, unter der er zustande kommt, trägt der gerichtliche Vergleich nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG den Sachgrund ebenfalls in sich2 und bedarf keines weiteren, außerhalb seiner selbst liegenden Sachgrundes. Das ändert nichts daran, dass hier3 wie auch im Rahmen von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG die Befristung der gerichtlichen Kontrolle unterfällt. Der Ansatz für eine geringere Kontrolldichte ist jedoch vergleichbar: weil beim Zustandekommen des Tatbestandsmerkmals, das im Kern den sachlichen Grund iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und 8 TzBfG ausmacht, eine Kontrolle durch ein „parlamentarisches“ bzw. gerichtliches Verfahren erfolgt ist, kann die Kontrolle des in einem solchen Verfahren geschaffenen sachlichen Grundes im späteren gerichtlichen Verfahren „um einige Pegelstriche zurückgenommen“ werden. Dass die gerichtliche Kontrolle einer haushaltsrechtlichen Bestimmung, die ein Gesetz ist, nur auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht beschränkt ist, gebietet überdies richterliche Zurückhaltung.
1 BAG v. 24.1.2001 – 7 AZR 208/99, EzA § 620 BGB Nr. 173. 2 BAG v. 26.4.2006 – 7 AZR 366/05, AP § 14 TzBfG Vergleich Nr. 1. 3 BAG v. 13.6.2007 – 7 AZR 287/06, AP § 17 TzBfG Nr. 7. Groeger
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Rz. 56
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
56 An die Nachvollziehbarkeit der haushaltsrechtlichen Zwecksetzung dürfen jedoch systemkonform nur solche Anforderungen gestellt werden, die jedenfalls der Bundeshaushaltgeber erfüllt. Jedenfalls muss gegenwärtig bleiben, dass das Haushaltsrecht weitgehend Binnenrecht ist. Der Haushaltsplan kann nach § 3 Abs. 2 HGrG, dem § 3 Abs. 2 BHO entspricht, weder Rechte noch Verpflichtungen begründen oder aufheben. Dieser gesetzliche Ausschluss von Außenwirkungen des festgestellten Haushaltsplans entspricht den seit langem geltenden Grundsätzen des Haushaltsrechts1. Trotz der haushaltsrechtlichen Anforderungen an die Budgetgenauigkeit sind die einzelnen Titel des Haushaltsplans dennoch zu unbestimmt, um für Dritte subjektive Rechtspositionen begründen zu können. Sie können so ungenau sein, weil sie Individualansprüche weder begründen noch aufheben können. Der haushaltsrechtliche Grundsatz der Budgetgenauigkeit stellt auf den verständigen Leser in Parlament und Verwaltung ab, der die Zweckbestimmungen und die Ansätze der einzelnen Titel nachvollziehen können soll. Aus den Zweckbestimmungen müssen ferner sowohl die zuständige mittelbewirtschaftende Stelle als auch die Finanzkontrolle ohne längere Nachforschungen entnehmen können, wozu und wie die veranschlagten Mittel einzusetzen sind2. Dieser Grundsatz fordert jedoch wegen der fehlenden Außenwirkung nicht eine so hinreichende Bestimmtheit, dass Dritte in der Lage sein müssten, in definitiver Weise eigene Rechtspositionen daraus zu entnehmen3. Auch die Bestimmungen über die Verwendung von Haushaltsmitteln, die für befristete Beschäftigungen zur Verfügung stehen, behalten ihren rein internen Charakter. Außenwirkung erlangen sie nur und erst durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG. Wenn für die Nachvollziehbarkeit der Zuordnung eines Vertrages zu einer vorübergehend freien Planstelle oder Stelle ein Aktenvermerk ausreichend ist4, können an die Nachvollziehbarkeit der Zwecksetzung, mit der Haushaltsmittel für eine befristete Beschäftigung mit konkreter Zwecksetzung ausgebracht worden sind, keine strengeren Anforderungen gestellt werden. Das heißt, dass die im Haushaltsaufstellungsverfahren erstellten Unterlagen heranzuziehen sind. 57 Ergeben diese allerdings lediglich, dass im Bereich der mittelbewirtschaftenden Stelle regelmäßig ein bestimmter Bedarf für befristet Beschäftigte vorhanden ist, für den ein bestimmter Betrag zur Verfügung gestellt wird, kann darin keine hinreichend konkrete Zwecksetzung des Haushaltgebers gesehen werden. Diese Entscheidung läuft vielmehr auf eine „haushaltsrechtliche Personalreserve“ hinaus. Dann bedarf die Befristung jedes einzelnen Arbeitsvertrages eines anderen Sachgrundes, da § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG bei derart allgemeinen Erwägungen nicht erfüllt ist. Denn auch bei der Befristung eines Arbeitsvertrages zur Vertretung unterscheidet
1 2 3 4
BVerfG v. 22.10.1974 – 1 BvL 3/72, BVerfGE 38, 121, 126. BK/Gröpl, Art. 110 GG Rz. 117. BK/Gröpl, Art. 110 GG Rz. 139 (Fn. 602). BAG v. 16.10.2008 – 7 AZR 360/07, NZA 2009, 676, Rz. 19.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
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das BAG zwischen dem wiederholten Eintritt eines Vertretungsbedarfs und der sog. „Daueraushilfe“1. Anders ist es jedoch zu beurteilen, wenn im Bereich der mittelbewirtschaf- 58 tenden Stelle ein bestimmter Bedarf für eine bestimmte Aufgabe, bezogen auf ein oder mehrere Haushaltsjahre, rechnerisch ermittelt wird und durch befristete Arbeitskräfte abgedeckt werden soll. Eine darauf gestützte Befristung ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG wirksam, wenn sich für ein oder mehrere Haushaltsjahre aufgrund des zu erwartenden Arbeitsanfalls ein Arbeitskräftebedarf ergibt, der mit den planmäßigen Arbeitskräften in diesem Zeitraum nicht abgedeckt werden kann2. In diesem Fall wäre, wenn der Arbeitskräftebedarf nicht für eine bestimmte Aufgabe, sondern durch den vorübergehenden Ausfall mehrerer Stammkräfte entstünde, nach den Grundsätzen zur „Gesamtvertretung“ eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG zulässig (dazu unten Rz. 101 ff.). Wenn der Arbeitskräftebedarf nicht durch den vorübergehenden Ausfall von Stammbediensteten, sondern durch einen vorübergehenden Anstieg der Arbeitsmenge entsteht, liegt der Sache nach ein Fall vor, in dem der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung mehrerer Beschäftigter nur vorübergehend besteht (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG). Insoweit geht es lediglich um eine „spiegelbildliche“ Anwendung der Grundsätze zur Gesamtvertretung im Rahmen der haushaltsrechtlichen Bestimmung von Haushaltsmitteln für eine befristete Beschäftigung. Die Prognose wird dabei nicht erst im gerichtlichen Verfahren, sondern be- 59 reits im Haushaltsaufstellungsverfahren durch den Haushaltgeber geprüft. Die Entscheidung des Haushaltgebers über den Umfang der zusätzlichen Mittel und die Dauer ihrer Bewilligung ersetzt die Prüfung durch die Gerichte für Arbeitssachen nicht vollständig, führen aber dazu, dass diese ihre Prüfung „um einige Pegelstriche“ zurücknehmen können und müssen3. Aus verfassungsrechtlichen Gründen voll überprüfbar ist jedoch, ob der Grund, weswegen zusätzliche Mittel nicht auf Dauer, sondern nur für befristete Beschäftigungen bewilligt werden, vor Art. 12 Abs. 1 GG standhält. So sollte es zB zulässig sein, dass zur Erreichung eines gemeinschaftskonformen Zustandes und zur Abwendung eines von der Europäischen Kommission angekündigten Vertragsverletzungsverfahrens durch eine Behörde bis zum Ende eines bestimmten Jahres alle bei ihr in einem bestimmten Bereich anhängigen, bislang unerledigten Anträge im Verwaltungsverfahren zu erledigen sind und zu diesem Zweck sowohl bestimmte Fachgesetze durch Einführung verfahrensbeschleunigender Regelungen geändert als auch im Haushaltsplan des Bundes zusätzliche Stellen in einem Umfang von rund 25 % des bei dieser Behörde normalerweise beschäftigten Personals für befristete Beschäftigungen bewilligt werden. Wenn diese Haushaltsmittel im Haushaltsplan unter dem Titel 427 09 „Entgelte für Arbeits1 BAG v. 3.10.1984 – 7 AZR 192/83, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 87. 2 LAG Berlin-Brandenburg v. 20.8.2008 – 21 Sa 961/08, juris; v. 11.9.2008 – 13 Sa 1034/08, juris; aA LAG Düsseldorf v. 23.9.2008 – 8 Sa 784/08, juris. 3 BAG v. 16.10.2008 – 7 AZR 360/07, juris, Rz. 19; v. 18.9.2008 – 2 AZR 560/07, NZA 2009, 142. Groeger
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kräfte mit befristeten Verträgen, sonstige Beschäftigungsentgelte (auch für Auszubildende) sowie Aufwendungen für nebenberuflich und nebenamtlich Tätige“ enthalten und in der Erläuterung zu diesem Titel auf einzelne Vergütungsgruppen und eine bestimmte Anzahl von Stellen je Vergütungsgruppe aufgeteilt und mit einem sog. datierten kw-Vermerk versehen sind, ohne dass eine weitere Zweckbestimmung, zB durch Haushaltsvermerk, erfolgt, sollte dies den Anforderungen nicht nur des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG1, sondern auch der Nr. 7 genügen, weil die Erwägungen des Gesetzgebers nachvollziehbar sind. Insoweit ist zu beachten, dass das BAG eine nachvollziehbare, nicht eine transparente Zwecksetzung verlangt und dass bei keinem der anderen Sachgründe verlangt wird, dass sie vereinbart oder auf andere Weise nachvollziehbar gemacht werden müssen. Eine Nachvollziehbarkeit des nur vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs im Sinne einer „einsehbaren Erklärung“ bzw. „Plausibilität“ genügt daher beim Haushaltsmittelbefristungsgrund2. Erst im gerichtlichen Verfahren nach § 17 TzBfG ist der Arbeitgeber gehalten, diese Gründe darzulegen und zu beweisen. Dass an die materiellen Gründe andere Anforderungen zu stellen sind, wenn sie entweder unter gerichtlicher Aufsicht oder in einem gesetzgeberischen Verfahren geschaffen werden, ist vom BAG anerkannt. In allen Fällen trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Dass er seiner Darlegungs- und Beweislast im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG nicht mit sämtlichen zivilprozessual zulässigen Mitteln sollte genügen können, lässt sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien entnehmen3. bb) Einzelne haushaltsrechtliche Bestimmungen (1) Befristung von Haushaltsstellen 60 Das BAG hat einen sachlichen Grund bejaht, wenn die Vergütung eines befristet eingestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die nur befristet bewilligt worden ist oder deren Streichung zum Ablauf der vereinbarten Befristung mit einiger Sicherheit zu erwarten ist, weil dann davon auszugehen ist, dass sich der Haushaltgeber mit den Verhältnissen dieser Stelle befasst und festgestellt hat, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nur ein vorübergehender Bedarf besteht4. 61 (a) Wenn die Vergütung eines befristet eingestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die nur befristet bewilligt worden ist, liegt eine haushaltsrechtliche Entscheidung vor, die die mittelbewirtschaftende Stelle bindet. Sie darf keine zeitlich über die haushaltsrechtliche Bewilligung hinausgehenden Verpflichtungen eingehen. Aus der be1 BAG v. 16.10.2008 – 7 AZR 360/07, juris (Rz. 19). 2 LAG Berlin-Brandenburg v. 11.9.2008 – 13 Sa 1034/08, juris; aA LAG SchleswigHolstein v. 15.10.2008 – 3 Sa 104/08, juris, LAG Düsseldorf v. 23.9.2008 – 8 Sa 784/08, juris. 3 Näher Groeger, NJW 2008, 465. 4 BAG v. 24.9.1997 – 7 AZR 654/96, RzK I 9a Nr. 121; v. 16.10.2008 – 7 AZR 360/07, juris (Rz. 19).
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
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fristeten Bewilligung allein lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Gewissheit ableiten, dass sich der Haushaltgeber mit den konkreten Verhältnissen der Stelle in einer Weise befasst hat, dass das Ergebnis, dass sie nur befristet zur Verfügung stehen soll, dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestbestandsschutz entspricht. Dass der Begriff der Stelle ein haushaltsrechtlicher Begriff ist und nicht mit dem des Arbeitsplatzes zu verwechseln ist1, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn jeder Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst bedarf, um besetzt zu werden, entsprechender freier Haushaltsmittel, die entweder durch (Plan-)Stellen oder durch summarische Haushaltstitel zur Verfügung gestellt werden. Zwar spricht eine starke Vermutung dafür, dass dann, wenn eine oder mehrere konkrete Stellen durch den Haushaltsplan nur befristet zur Verfügung gestellt werden, der Haushaltgeber sich nicht nur mit den Gründen, die für die Einstellung der Stelle in den Haushaltsplan, sondern auch mit den Gründen, die für eine lediglich befristete Ausbringung sprechen, befasst hat. Man wird insoweit aber nicht von einer Rechtsvermutung ausgehen kön- 62 nen2, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast den Arbeitgeber für verpflichtet halten müssen, diese Befassung im Streitfall darzulegen, zumal die Verwaltung zu einem derartigen Vortrag in der Lage ist. Denn sie ist in das Verfahren zur Aufstellung des Haushalts gem. §§ 27 bis 33 BHO von Anfang an maßgeblich eingebunden, indem sie entweder von vornherein nur einen befristeten Bedarf an Personalstellen angemeldet hat oder ihr im Verlaufe des Haushaltsaufstellungsverfahrens nur solche zugestanden worden sind3. Im einen wie im anderen Falle ist es der Verwaltung möglich und zumutbar, die Erwägungen, die zu der vom Haushaltgeber getroffenen Entscheidung geführt haben, darzulegen4. (b) Wenn die Vergütung hingegen aus einer Haushaltsstelle erfolgt, die 63 nicht befristet bewilligt worden ist, dürften im Regelfall keine hinreichende Gewissheit gebenden Umstände vorliegen, die die Prognose rechtfertigen, dass die Streichung der Stelle zum Ablauf der mit dem Arbeitnehmer vereinbarten Befristung mit „einiger Sicherheit“ zu erwarten ist; jedenfalls liegt insoweit im Regelfall gerade noch keine haushaltsrechtliche Entscheidung vor, so dass in diesem Fall eine Befristung nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt sein kann. (c) Wenn der Haushaltsplan Mittel nicht mit einer bestimmten Stelle verbunden, sondern Haushaltsmittel in einer bestimmten Höhe als Summe für die Beschäftigung von Arbeitnehmern befristet zur Verfügung stellt, liegt auch insoweit eine haushaltsrechtliche Entscheidung vor5. Wenn die Befristung der Haushaltsmittel auf einer Entscheidung des Haushaltgebers 1 So zutreffend APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 237. 2 Weitergehend wohl BAG v. 16.10.2008 – 7 AZR 360/07, juris (Rz. 19). 3 Näher Dittrich, BHO, Kommentierung zu §§ 27–33; BK/Gröpl, Art 110 GG Rz. 69 ff. 4 Ebenso BAG v.16.1.1987 – 7 AZR 487/85, NZA 1988, 279 (280). 5 Dörner, Rz. 227; BAG v. 24.1.1996 – 7 AZR 342/95, NZA 1996, 1036. Groeger
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beruht, die sachlich mit Bezug auf die Beschäftigung begründet ist, also Erwägungen des Haushaltgebers zugrunde liegen, die den Mindestanforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen, kann also auch darauf die Befristung des Arbeitsvertrages gestützt werden. In diesem Fall wird jedoch der Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen haben, welche konkreten Arbeitsverhältnisse aus den summenmäßig zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln finanziert werden. (2) Befristete Inanspruchnahme „unbefristet“ zur Verfügung stehender Haushaltsmittel 65 Auch wenn eine befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern nur aufgrund von Haushaltsmitteln möglich ist, die durch die zeitweise Beurlaubung von anderen Arbeitskräften vorübergehend frei sind, der Haushaltgeber für die Einstellung von (Vertretungs-)Kräften also keine zusätzlichen Stellen mit entsprechenden Mitteln bewilligt, sondern den öffentlichen Arbeitgeber auf die vorhandenen Stellen mit den hierfür ausgebrachten Mitteln verwiesen hat, liegt eine Entscheidung des Haushaltgebers vor, wonach die Einstellung von Arbeitnehmern nur insoweit ermöglicht werden soll, als Haushaltsmittel durch Sonderurlaub – oder durch Teilzeitbeschäftigung oder durch Elternzeit ganz oder teilweise – vorübergehend frei werden. Dies steht nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG einer Entscheidung gleich, durch die eine bestimmte Personalstelle gestrichen oder nur für eine gewisse Zeit bewilligt wird und anschließend entfallen soll1. 66 Teilweise regelt das Gesetz, wie in § 7 Abs. 3 HG NRW 2004/2005, dass Planstellen und Stellen für Zeiträume, in denen Stelleninhabern vorübergehend keine oder keine vollen Dienstbezüge zu gewähren sind, im Umfang der nicht in Anspruch genommenen Planstellen- oder Stellenanteile für die Beschäftigung u.a. von Aushilfskräften in Anspruch genommen werden können, teilweise entspricht dies ohne gesetzliche Regelung der Haushaltsbewirtschaftungspraxis2. Grundsätzlich liegt darin ebenfalls eine haushaltsrechtliche Regelung und Zweckbestimmung für eine befristete Beschäftigung3. Zwar wird die Vergütung aus Haushaltsstellen entnommen, die für eine unbefristete Beschäftigung eine hinreichende haushaltsrechtliche Ermächtigung darstellen. Häufig werden in derartigen Fällen auch zusätzliche sog. Leerstellen gebildet, auf der der vorübergehend ausgeschiedene Bedienstete geführt wird, aus der aber keine Bezüge gezahlt werden4. Aus der Leerstelle dürfen nur bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen vorübergehend Dienstbezüge gezahlt werden, nämlich bis zum Freiwerden einer Planstelle oder Stelle der entsprechenden Vergütungsgruppe. 67 In diesem Fall hat jedoch der Haushaltgeber für die Einstellung zusätzlicher Kräfte keine neuen Stellen mit entsprechenden zusätzlichen Mitteln 1 BAG v. 15.8.2001 – 7 AZR 263/00, NZA 2002, 85 (86). 2 Ähnlich Ziff. II. 1.2 und 2. des BMF-Rundschreibens v. 2.1.1973 idF v. 8.10.1993, abgedruckt bei Heuer/Flöer, § 49 BHO Rz. 8. 3 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 13, 23. 4 Näher Dittrich, BHO, § 17 Rz. 11.4.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
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bewilligt und den öffentlichen Arbeitgeber stillschweigend auf die vorhandenen Stellen mit den hierfür ausgebrachten Mitteln verwiesen. Das kann eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG rechtfertigen. Zwar wird in diesen Fällen oft auch der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG (Vertretung eines anderen Arbeitnehmers) gegeben sein1. Anders als bei dem Sachgrund der Vertretung ist jedoch bei § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG kein Kausalzusammenhang zwischen der befristeten Beschäftigung der Aushilfskraft und dem durch die vorübergehende Abwesenheit des Planstellen- oder Stelleninhabers in der Dienststelle entstandenen Arbeitskräftebedarf erforderlich. Eine rechtliche und fachliche Austauschbarkeit des befristet eingestellten Arbeitnehmers mit dem vorübergehend abwesenden Planstellen- oder Stelleninhaber ist nicht erforderlich. Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Beschäftigte Aufgaben wahrnimmt, die ansonsten einem oder mehreren anderen Arbeitnehmern der Dienststelle übertragen worden wären, die dem Arbeitsbereich des vorübergehend abwesenden Planstellen- oder Stelleninhabers angehören2. Die Auffassung einiger Kammern des LAG Düsseldorf, die für eine „ent- 68 sprechende Beschäftigung“ iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG eine „finanzielle Kongruenz“ verlangen, wonach die Befristung zu dem Zeitpunkt enden muss, zu dem nach der von dem öffentlichen Arbeitgeber anzustellenden Prognose den Stelleninhabern wieder die Bezüge zu gewähren sind, die sie vor ihrer Beurlaubung oder Teilzeitbeschäftigung erhalten haben3, lehnt das BAG ab4. Zum einen entspricht es der Rechtsprechung des BAG, dass die Befristungsdauer keiner sachlichen Rechtfertigung bedarf5. Darauf läuft aber die Auffassung des LAG Düsseldorf hinaus. Zum anderen gestattet das BAG dem Arbeitgeber in Vertretungsfällen, selbst zu entscheiden, ob überhaupt und ggf. für wie lange ein oder mehrere Vertreter den Ausfall des Stammarbeitnehmers überbrücken sollen6. (3) Stellen mit kw-Vermerk Wird ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes aus einer Stelle vergütet, 69 die im Haushaltsplan mit einem auf ein künftiges Haushaltsjahr datierten kw(künftig wegfallend)-Vermerk versehen ist, so rechtfertigt dies nach bisheriger Rechtsprechung nur dann die Befristung des Arbeitsvertrages, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Stelle zu dem im kw-Vermerk genannten Zeitpunkt tatsächlich wegfallen wird. Allein der kw-Vermerk als solcher soll zur sachlichen Rechtfertigung einer Befristung nicht ausreichen7. 1 2 3 4 5 6 7
Dazu Sievers, RdA 2004, 291 (296). BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 19. LAG Düsseldorf v. 21.12.2005 – 12 Sa 1303/05, LAGE § 14 TzBfG Nr. 25. BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 22 f. BAG v. 13.10.2004 – 7 AZR 654/03, NZA 2005, 469 (470 f.). BAG v. 21.2.2001 – 7 AZR 200/00, NZA 2001, 1382 (1383). BAG v. 16.1.1987 – 7 AZR 487/85, NZA 1988, 279 (280); ebenso Dörner, Rz. 232; Arnold/Gräfl/Gräfl § 14 TzBfG Rz. 216 nunmehr auch BAG v. 7.9.2009 – 7 AZR 162/08, NZA 2009, 1257. Groeger
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Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
70 Diese Rechtsprechung ist, insbesondere nach Inkrafttreten von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG, abzulehnen. Sie verkennt die unterschiedliche Bedeutung von kw-Vermerken in der Aufstellung des Haushalts einerseits und dem Vollzug des Hauhalts andererseits. Gemäß § 21 Abs. 1 BHO sind Planstellen bei der Aufstellung des Haushaltsplans als künftig wegfallend zu bezeichnen, soweit sie in den folgenden Haushaltsjahren voraussichtlich nicht mehr benötigt werden. Dies gilt für Stellen entsprechend1. Entweder werden Planstellen und Stellen von vornherein mit einem datierten kwVermerk ausgebracht oder sie werden erst in späteren Haushaltsjahren mit einem kw-Vermerk versehen, wenn sie nicht frei sind. Denn im Zeitpunkt der Entscheidung des Haushaltgebers freie und nach seinem Willen ab Beginn des folgenden Haushaltsjahres wegfallende Planstellen oder Stellen würden erst gar nicht in den Stellenplan aufgenommen werden, sondern wegfallen – sie sind in dem vorangegangenen Haushaltsjahr „realisiert“ worden. 71 Nachdem der Haushaltsplan gesetzlich festgestellt ist, wird er ausgeführt. Die Wirkung von kw-Vermerken bei der Ausführung des Haushaltsplans ist in § 47 BHO geregelt. Insoweit wird unterschieden zwischen kw-Vermerken ohne nähere Angabe (sog. nackter kw-Vermerk) und kw-Vermerken mit Angabe des Zeitpunkts des Wegfalls der Stelle. Bei nackten kw-Vermerken darf die nächste frei werdende Stelle bzw. Planstelle derselben Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppe nicht wieder besetzt werden2. Es kommt also nicht einmal darauf an, dass gerade die mit einem kw-Vermerk versehene Stelle frei wird. In diesen Fällen ist haushaltsrechlich sogar der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages untersagt und es kommt daher im Regelfall auch nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages3. 72 Bei kw-Vermerken mit Angabe des Zeitpunkts des Wegfalls darf über die Stelle (erst) von diesem Zeitpunkt an nicht mehr verfügt werden. Das bedeutet, dass sie ab diesem Zeitpunkt nicht wieder besetzt bzw. in Anspruch genommen werden darf. Nur für die Zeit vor dem angegebenen Zeitpunkt hat der kw-Vermerk keine haushaltsrechtliche Verfügungsbeschränkung zur Folge. Es besteht eine Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass die mit dem datierten kw-Vermerk belastete Stelle vom Wegfallzeitpunkt an unbesetzt ist. Das ist beim Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages der Fall. Es wäre verkürzt, anzunehmen, dass die mittelbewirtschaftende Stelle vor dem im kw-Vermerk angegebenen Zeitpunkt über die Stelle durch Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages auch für Zeiten, die nach diesem Zeitpunkt liegen, disponieren dürfte. Vielmehr hat das BMF mit der Neufassung der VV-BHO bestimmt, dass der Beauftragte für den Haushalt (BfdH) durch geeignete Bewirtschaftungsmaßnah1 Dittrich, BHO, § 21 Rz. 4.2. 2 Dittrich, BHO, § 47 Rz. 4.1. 3 Von dieser Regel stellt § 18 Abs. 2 HG 2008 eine Ausnahme dar, indem das BMF ermächtigt wird zuzulassen, dass Planstellen oder Stellen mit kw-Vermerk nach ihrem Freiwerden unter bestimmten Voraussetzungen mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden dürfen.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 73
Teil 6
men darauf hinzuwirken hat, dass die Planstellen bzw. Stellen mit der Erfüllung der im Haushaltsplan bezeichneten Voraussetzungen wegfallen. Dem hat die Arbeitsgruppe Haushaltsrecht der obersten Bundesbehörden nach den Nrn. 2 und 4.2 der VV zu § 47 BHO zugestimmt. Nach dem Haushaltsführungsschreiben des BMF sind die Ressorts seit dem Haushalt 2000 verpflichtet, die rechtzeitige Erwirtschaftung befristeter kw-Vermerke sicherzustellen. Vor einer Befristung frei werdende Stellen dürfen grundsätzlich nur wieder besetzt werden, wenn sichergestellt ist, dass zum Stichtag eine andere Planstelle bzw. Stelle dieser Besoldungs- oder Vergütungsgruppe frei ist1. Da die Einhaltung dieser haushaltsrechtlichen Vorgaben der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof unterliegt, der die Haushalts- und Wirtschaftsführung in jeder Hinsicht prüft, bliebe der Verwaltung nur die Alternative, datierte kw-Vermerke wie nackte kw-Vermerke zu behandeln, also nach Freiwerden der nächsten Stelle diese überhaupt nicht wieder neu zu besetzen, es sei denn, dass man im datierten kw-Vermerk eine haushaltsrechtliche Vorgabe iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG sieht, dass Mittel aus der Stelle nur für befristete Beschäftigungen längstens bis zu dem im kw-Vermerk genannten Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Diese unterschiedliche Bedeutung von kw-Vermerken im Gesetzgebungs- 73 verfahren einerseits und im Vollzug des Haushaltsgesetzes andererseits verkennt das BAG in seinem Urteil vom 7.9.2009. Es erwähnt nicht § 47 BHO, sondern führt lediglich unter Hinweis auf § 21 Abs. 1 BHO aus, dass, da die Festlegungen des Haushaltsplans nach den Grundsätzen der zeitlichen Bindung nur für das Haushaltsjahr gelten, für das der Haushaltsplan festgestellt ist, der Haushaltgeber in den künftigen Haushaltsjahren erneut über den Finanzbedarf beschließen müsse, ohne dabei an Wegfallvermerke des früheren Haushalts gebunden zu sein. Wegfallvermerke, die sich auf künftige Haushaltsjahre beziehen, hätten daher nur die Funktion eines Erinnerungspostens für die jeweils nächste Haushaltsaufstellung. Der Vermerk sei bei der nächsten Haushaltsaufstellung zu beachten, so dass über ihn nicht mehr ohne besondere Begründung hinweggegangen werden könne. So richtig diese Ausführungen sind, so wenig betreffen sie die hier allein wesentlichen Fragen: (1.) ob die Verwaltung, die einen befristeten Arbeitsvertrag unter der Geltung eines bestimmten Haushaltsgesetzes abschließt, an dieses gebunden ist und (2.) ob der Hinweis darauf, dass Gesetze in der Zukunft geändert werden können, die Bindung der Verwaltung an das geltende Gesetz relativiert. Die Verwaltung ist an das jeweils aktuell geltende (Haushalts)recht gebunden und darf nicht darauf „spekulieren“, dass der Haushaltgeber den kw-Vermerk bei der nächsten Haushaltsaufstellung lediglich in der Weise beachten muss, dass er über ihn nicht mehr ohne besondere Begründung hinweggehen darf. Würde die Verwaltung nach dieser Maxime handeln, würde sie den im aktuellen Haushaltsrecht verankerten kw-Vermerk „aushebeln“. Das Mittel, mit dem das Gesetz der Verwaltung aufgibt, bestimmte Stellen einzusparen, ist und bleibt der kw-Vermerk. Dass der Gesetzgeber von diesem Gebot Ausnahmen zulassen kann, wie 1 Dittrich, BHO, § 47 Rz. 4.2; Heuer/Domnach, § 47 BHO Rz. 3. Groeger
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Teil 6
Rz. 74
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
zB in § 18 Abs. 2 HG 2008, bestätigt die Regel, wonach Stellen mit nacktem kw-Vermerk nach ihrem Freiwerden grundsätzlich überhaupt nicht wieder „besetzt“ bzw. in Anspruch genommen werden dürfen und bei datiertem kw-Vermerk keine über das Datum hinausreichenden Dispositionen getroffen werden dürfen. Dass der Gesetzgeber mit einfacher Mehrheit Gesetze ändern kann und über das Haushaltsgesetz periodisch neu zu entscheiden hat, ist eine juristische „Binsenweisheit“, vermag jedoch die Bindung an das geltende Gesetz nicht zu relativieren. Nach § 18 HG 2008 wird der Bundesfinanzminister ermächtigt zuzulassen, dass von einem kw-Vermerk mit Datumsangabe abgewichen wird, wenn die Planstelle oder Stelle weiter benötigt wird, weil sie nicht rechtzeitig frei wird; in diesem Fall fällt jedoch die nächste frei werdende Planstelle oder Stelle der betreffenden Besoldungs- oder Entgeltgruppe weg. (4) Haushaltsrechtlich „allgemein“ angeordnete Einsparung von Stellen 74 Nach bisheriger Ansicht des BAG war eine haushaltsrechtliche Anordnung allgemeiner Einsparungen nicht geeignet, die Befristung von Arbeitsverträgen sachlich zu rechtfertigen1. Es ist zumindest fraglich, ob an dieser Rechtsprechung unter der Geltung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG für die Bestimmungen in den Haushaltsgesetzen des Bundes der letzten Jahre (zB § 20 Abs. 1 HG 2009), wonach im Haushaltsjahr bei der Bundesverwaltung ein bestimmter Vomhundertsatz der im Bundeshaushaltsplan ausgebrachten Planstellen und Stellen (2009: 0,6 %) kegelgerecht einzusparen ist, festgehalten werden kann. 75 Das Haushaltsgesetz gibt insoweit unmittelbar vor, dass die entsprechende Anzahl von Stellen spätestens am Ende des Haushaltsjahres eingespart wird. Wenn im Verlauf eines Haushaltsjahres eine Stelle frei wird, die unter Beachtung dieses haushaltsrechtlichen Gebots zur kegelgerechten Einsparung am Jahresende entfallen muss, darf die Verwaltung – ebenso wie bei datierten kw-Vermerken – haushaltsrechtlich keine Dispositionen mehr treffen, die künftige Haushaltsjahre belasten könnten. Haushaltsrechtlich sind diese Haushaltsmittel dann längstens für eine befristete Beschäftigung bis zum Ende des Haushaltsjahres bestimmt. Zwar stellt § 20 Abs. 1 HG 2009, ebenso wie § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005, selbst keine Haushaltsmittel für die Einstellung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern bereit. Die Bestimmung enthält jedoch, anders als § 7 Abs. 3 HG NW 2004/2005, keine ausdrückliche, an die Verwaltung gerichtete Ermächtigung für die Beschäftigung von bis zum Ende des Haushaltsjahres befristet beschäftigten Arbeitnehmern. Nur dann, wenn zB § 20 Abs. 1 HG 2009 konkludent die Bestimmung enthielte, dass im Verlauf des Haushaltsjahres frei werdende Stellen, die die Zahl der nach Erreichung der kegelgerechten Einsparungen verbleibenden Stellen überschreiten, nur noch für eine längstens bis zum Jahresende befristete Beschäftigung zur Verfügung stehen, könnten die Mittel für entsprechende befristete Beschäftigungen ge1 Zur fehlenden Relevanz für Kündigungen s. bereits BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, BAGE 3, 245.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 79
Teil 6
nutzt werden. Solange diese Frage nicht geklärt ist, kann dem Bund als Arbeitgeber nur geraten werden, die entsprechenden Haushaltsmittel nur für Arbeitsverträge oder Verlängerungen im Rahmen des § 14 Abs. 2 TzBfG zu nutzen, nicht aber für die Verlängerung von Verträgen, die eines sachlichen Grundes bedürfen und kein anderer Sachgrund als § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gegeben ist. Durch Vorlage der Stellenbesetzungslisten (s. Teil 1 Rz. 255) kann einem 76 befürchteten Missbrauch dieser Befristungsmöglichkeit dahingehend, dass mehr als nur die kegelgerecht einzusparenden Stellen für den Abschluss befristeter Verträge genutzt werden könnten, entgegengetreten werden. (5) Prognoseerfordernis Fraglich ist, ob der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes eine Prognose 77 vortragen muss, aus der sich ergibt, dass in den oben genannten Fällen entweder mit einer Bewilligung von Haushaltsmitteln über die Dauer der Befristung hinaus oder mit einer Aufhebung des datierten kw-Vermerks nicht gerechnet werden kann. (a) Sievers1 meint, dass der öffentliche Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ge- 78 genüber als Einheit auftrete und nicht darauf verweisen könne, dass die linke Hand nicht wisse, was die Rechte mache. Dieses Argument berücksichtigt jedoch nicht den Gewaltenteilungsgrundsatz. Das Haushaltsgesetz wird vom Gesetzgeber verabschiedet. Seine Ausführung ist Aufgabe der Verwaltung. Sie allein tritt dem Arbeitnehmer als Vertreter des Arbeitgebers gegenüber. Nicht nur vordergründig betrachtet ist der Verwaltung eine derartige Prognose nicht möglich, obwohl sie eine ganz entscheidende Rolle im Haushaltsaufstellungsverfahren spielt (s. Teil 1 Rz. 237 ff.). Sie kann dennoch nicht wissen, was der Haushaltgeber künftig beschließt und muss grundsätzlich vom verabschiedeten Haushaltsgesetz ausgehen. Dass jedes Gesetz unter dem immanenten Vorbehalt seiner Änderung steht und das Haushaltsgesetz jeweils nur für ein Jahr gilt, ändert nichts daran, dass es sich bei der Entscheidung des Haushaltgebers um eine haushaltsrechtliche Bestimmung handelt, an die über § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG auch die Arbeitsgerichte gebunden sind. (b) Andererseits kann der 11. Kammer des LAG Hamm nicht gefolgt wer- 79 den, wonach aus dem Grundsatz, dass für die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses maßgeblich sind, folge, dass die Befristung nicht auf eine Bestimmung in einem noch nicht verkündeten Haushaltsgesetz gestützt werden kann, selbst wenn vorangegangene Haushaltsgesetze und auch das zum Abschluss des Arbeitsvertrages geltende Haushaltsgesetz eine inhaltsgleiche Bestimmung enthalten2. Diese Ansicht verkennt zum einen die enge Einbindung der Exekutive im Gesetzgebungsverfahren für das Haushalts1 Sievers, RdA 2004, 291 (296 f.). 2 LAG Hamm v. 25.6.2008 – 11 Sa 281/08, juris. Groeger
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Teil 6
Rz. 80
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
gesetz, zum anderen die „Kräfteverteilung“ im Gesetzgebungsverfahren, wonach der Gesetzgeber typischerweise nicht über die im Gesetzgebungsverfahren von der Exekutive erhobenen Forderungen hinausgeht, sondern sich als Souverän das Recht nimmt, die Forderungen kritisch zu hinterfragen. Schließlich gilt die Rechtsprechung des BAG nicht uneingeschränkt: auch bei der Bewilligung von Fördermitteln kommt es nicht darauf an, dass diese zum Zeitpunkt des Abschlusses eines befristeten Arbeitsvertrages förmlich durch Bescheid zugesagt worden sind1. Das BAG hält es nicht für erforderlich, dass die Haushaltsmittel, aus denen die Vergütung bestritten werden soll, bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Befristung in einem Gesetz ausgebracht sind. Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsschluss aufgrund nachprüfbarer Tatsachen davon ausgehen darf, dass die Vergütung aus Haushaltsmitteln wird bestritten werden können, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind2. Die für die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG erforderliche Prognose ist ausreichend fundiert, wenn der öffentliche Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags aufgrund nachprüfbarer Tatsachen davon ausgehen kann, dass für die gesamte Vertragslaufzeit ausreichende Haushaltsmittel für die Vergütung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers bereitstehen werden. Eine solche Erwartung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Entwurf eines Haushaltsgesetzes, auf dessen Bestimmungen die Befristung gestützt werden könnte, bereits im Gesetzgebungsverfahren befindet oder der Inhalt des Entwurfs feststeht und seine Einbringung in das parlamentarische Verfahren zeitnah erfolgen soll. Die zuständigen Stellen der Landesverwaltung können in diesen Fällen jedenfalls dann von der zukünftigen Verfügbarkeit der erforderlichen Haushaltsmittel ausgehen, wenn der Gesetzentwurf die für die Befristung maßgebliche Bestimmung und gegebenenfalls die erforderlichen Haushaltsmittel des bisherigen Haushaltsgesetzes inhaltlich fortschreibt und keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass dieser Teil des Gesetzentwurfs nicht mit dem im Entwurf enthaltenen Inhalt als Gesetz verabschiedet werden könnte3. 80 (c) Die Einbindung der Situation des Planstellen- oder Stelleninhabers stellt sicher, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags aufgrund der nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel keine dauerhafte, sondern nur eine vorübergehende Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer besteht. Deswegen kann entgegen der Auffassung einiger Kammern des LAG Düsseldorf4 eine finanzielle Kongruenz nicht verlangt werden5. Anders als bei dem Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG muss sich die Prognose des öffentlichen Arbeitgebers im Rahmen von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG auch nicht darauf beziehen, dass die Arbeitsmenge nach Ablauf des befristeten Arbeitsvertrags wieder mit dem 1 2 3 4 5
BAG v. 20.12.1995 – 7 AZR 194/95, NZA 1996, 642. BAG V. 22.4.2009 – 7 AZR 667/08. BAG v. 22.4.2009 – 7 AZR 743/07, NJW 2009, 3048. LAG Düsseldorf v. 21.12.2005 – 12 Sa 1303/05, LAGE § 14 TzBfG Nr. 25. BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 23.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 84
Teil 6
nach dem Stellenplan verfügbaren Personal bewältigt werden kann. Es genügt vielmehr, wenn bei Vertragsschluss die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Mehrbedarf voraussichtlich während der Vertragsdauer des befristet beschäftigten Arbeitnehmers bestehen wird1. Das spricht gegen eine weitergehende Prognose des Arbeitgebers. (6) Befristung des Haushaltsgesetzes Das Haushaltsrecht kann nicht als solches die Befristung von Arbeitsverträgen rechtfertigen2. Soweit die zeitliche Begrenzung des Haushaltsplans auf das Haushaltsjahr, die Ungewissheit, ob ein künftiger Haushaltsplan noch Mittel für eine bestimmte Stelle vorsieht, oder eine zu erwartende allgemeine Mittelkürzung allein angeführt werden, können sie für den auf arbeitsrechtlichen Gesetzen beruhenden Arbeitnehmerschutz keine Rolle spielen3.
81
(a) Der frühere Begründungsansatz des BAG, wonach das Haushaltsrecht nicht unmittelbar in die Rechte Dritter und damit auch nicht in das Arbeitsverhältnis unmittelbar eingreifen könne4, ist jedoch verfehlt, auch wenn vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als dem sozialpolitisch erwünschten Normalfall ausgegangen wird.
82
Beim Abschluss des Arbeitsvertrages herrscht der Grundsatz der Vertrags- 83 freiheit. Öffentliche Arbeitgeber dürfen davon – im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG – nur und insoweit Gebrauch machen, als Mittel für die Erfüllung eines Vertrages haushaltsrechtlich zur Verfügung stehen. Wenn die begrenzten Mittel den Abschluss eines Vertrages auf Dauer nicht gestatten, darf der an das Haushaltsrecht gebundene Arbeitgeber keinen unbefristeten Arbeitsvertrag abschließen5. Zwar ist der befristete Arbeitsvertrag ein „Minus“ gegenüber einem unbefristeten, jedoch kein „Eingriff“ in Rechte des Arbeitnehmers6. Er begründet vielmehr Rechte und Pflichten. Beim Abschluss eines von vornherein befristeten Arbeitsvertrages wird so- 84 mit, anders als bei der nachträglichen Befristung oder der Kündigung, kein vorhandener Besitzstand beseitigt7. Dieser Unterschied ist immerhin so gewichtig, dass es gerechtfertigt ist, bei Befristungsabreden einen Wiedereinstellungsanspruch als vertragliche Nebenpflicht grundsätzlich abzulehnen. Vor Abschluss eines Arbeitsvertrages besteht noch überhaupt kein vertraglich erworbener Besitzstand, sondern lediglich ein gesetzliches Schuldverhältnis, § 311 Abs. 2 BGB. 1 2 3 4 5
BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 18. Dörner, Rz. 221 f. So auch APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 239. BAG v. 16.1.1987 – 7 AZR 487/85, NZA 1988, 279. LAG Hamm v. 9.10.2008 – 17 Sa 927/08, juris; a.A. LAG Berlin v. 25.8.2006 – 6 Sa 592/06, LAGE Art. 33 GG Nr. 16; LAG Berlin-Brandenburg v. 27.2.2009 – 13 Sa 2170/08, nv. (Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt). 6 Dörner, Rz. 225. 7 BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 600/00, AP § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung Nr. 11. Groeger
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Teil 6
Rz. 85
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
85 Die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle dient der Prüfung, ob die Arbeitsvertragsparteien eine grundsätzlich statthafte Vertragsgestaltung objektiv funktionswidrig zu Lasten des Arbeitnehmers verwenden. Sie erfolgt nicht im Wege eines fiktiven Kündigungsschutzprozesses1. Tarifvertragliche Befristungsregelungen, die die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, etwa dem Erfordernis eines sachlichen Grundes, bei Vertragsabschluss abhängig machen, sind Abschluss- und keine Beendigungsnormen2. Nichts anderes kann für § 14 Abs. 1 TzBfG gelten. Der entscheidende Zeitpunkt für die Vertragskontrolle ist der des Abschlusses des Vertrages3, also die „juristische Sekunde“, in der der noch unter „Haushaltsvorbehalt“ stehende Anspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG4 zu einem vertraglichen Besitzstand erstarkt, der jedoch hinter dem Besitzstand eines in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmers zurückbleibt. 86 Mit der Entscheidung vom 7.7.19995 hat das BAG einen Paradigmenwechsel vollzogen; seitdem liegt der Rechtsprechung ein haushaltsrechtlicher Begründungsansatz zugrunde. Danach ist der vertragschließende öffentliche Arbeitgeber gehalten, keine Verpflichtungen einzugehen, die nicht vom Haushaltsgesetz (haushaltsrechtlich) gedeckt sind6. Zwar kann die Erfüllung einer bereits eingegangenen Verpflichtung nicht unter Berufung auf das Fehlen von Haushaltsmitteln verweigert werden, wenn ein Arbeitsvertrag unter Verletzung des Haushaltsgesetzes geschlossen wurde. Für die Entscheidung, sich statt zu einer unbefristeten nur zu einer befristeten Beschäftigung des Arbeitnehmers zu verpflichten, stellt jedoch die Bindung an das Haushaltsrecht einen ausreichenden sachlichen Grund dar. § 3 Abs. 2 BHO bestimmt lediglich, dass durch den Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten nicht aufgehoben werden. Geht es um die Begründung von Ansprüchen durch Abschluss eines Arbeitsvertrages, kommt dem Haushaltsrecht jedoch eine entscheidende Bedeutung zu. 87 (b) Gemäß Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG wird der Haushaltsplan lediglich für ein oder mehrere Rechnungsjahre nach Jahren getrennt durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Dieses sog. „Jährlichkeitsprinzip“ greift § 1 Satz 1 BHO auf und beschränkt es dahin, dass der Haushaltsplan lediglich für höchstens zwei Rechnungsjahre durch das Haushaltsgesetz festgestellt wird. In der Praxis wird er nur für ein Jahr durch das HG verabschiedet. Dieser Haushaltsplan ist Grundlage für die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Er begründet keine Ansprüche oder Verbindlichkeiten, sondern ermächtigt lediglich die Verwaltung, Verpflichtungen einzugehen und Aus1 BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 600/00, AP § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung Nr. 11. 2 BAG v. 14.2.1990 – 7 AZR 68/89, AP § 1 BeschFG 1985 Nr. 12; kritisch die Literatur vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz. 83; Kempen/Zachert, TVG, 4. Aufl., § 1 Rz. 69; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, 1997, S. 586 f. 3 Dörner, Rz. 171 f.; Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 16 f. jew. mwN; BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 11. 4 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, AP Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 56. 5 BAG v. 7.7.1999 – 7 AZR 609/97, NZA 2000, 591 (592). 6 So auch BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2, Rz. 17.
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III. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG
Rz. 89
Teil 6
gaben zu leisten (§ 3 Abs. 1 und 2 BHO). Grundsätzlich sind Maßnahmen, die den Bund verpflichten können, Ausgaben auch in künftigen Haushaltsjahren zu leisten (Haushaltsjahr ist nach § 4 Satz 1 BHO das Kalenderjahr), nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BHO nur zulässig, wenn der Haushaltsplan dazu ermächtigt. Diese grundsätzliche zeitliche Begrenzung der Ausgabenermächtigung war 88 bislang nicht als sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages anerkannt1. Gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 BHO dürfen Verpflichtungen für laufende Geschäfte eingegangen werden, ohne dass die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 vorliegen. Zu den laufenden Geschäften zählen nach Nr. 5.1 der Vorläufigen Verwaltungsvorschrift zu § 38 BHO (VV-BHO) solche, die sich im Rahmen der üblichen Tätigkeit der Verwaltung auf Ausgaben u.a. der Hauptgruppe 4 beziehen. Die Hauptgruppe 4 des Gruppierungsplans (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BHO) umfasst Personalausgaben und schließt Personalausgaben für Arbeitnehmer ein. Die Einstellung von Dauerpersonal im Rahmen des Stellenplans zählt zur üblichen Tätigkeit der Verwaltung. Denn mit dem Stellenplan legt das Parlament den Handlungsspielraum der 89 Verwaltung auf personellem Gebiet auch zur Vorbelastung künftiger Haushaltsjahre fest. Soweit sich die Verwaltung im Rahmen des Stellenplans bewegt, stellt daher der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages ein laufendes Geschäft dar2. § 3 Abs. 2 BHO, wonach durch den Haushaltsplan Ansprüche oder Verbindlichkeiten nicht begründet werden, steht dem nicht entgegen. Denn die Verbindlichkeit wird nicht durch den Haushaltsplan begründet, sondern durch den unbefristeten Arbeitsvertrag, der im Rahmen der haushaltsrechtlichen Ermächtigung vereinbart wurde. Rechtsgrundlage der Verpflichtung ist nicht das Haushaltsgesetz, sondern der Vertrag. Nach § 3 Abs. 1 BHO ermächtigt der Haushaltsplan die Verwaltung, Verpflichtungen einzugehen. § 38 BHO bestimmt, wie weit die Ermächtigung im Hinblick auf Verpflichtungen, die künftige Haushaltsjahre belasten, reicht3. Ob und inwieweit die Verwaltung von dieser Ermächtigung Gebrauch macht, ist eine Frage der Mittelbewirtschaftung und des Organisationsermessens. Deswegen kann beispielsweise ein bereits eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit wieder beendet oder von einer ursprünglich geplanten Beförderung absehen werden. Als eine aus dem Organisationsrecht des Dienstherrn erwachsende verwaltungspolitische Entscheidung berührt der Abbruch des Auswahlverfahrens grundsätzlich nicht die Rechtsstellung von Bewerbern. Das für den Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen ist ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen4. 1 2 3 4
Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 215. Dittrich, BHO, § 38 Rz. 3.1.1. Dittrich, BHO, § 38 Rz. 2.1. BVerwG v. 22.7.1999 – 2 C 14/98, NVwZ-RR 2000, 172; LAG Hamm v. 14.8.2003 – 11 Sa 1743/02, NZA-RR 2004, 335. Groeger
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Teil 6
Rz. 90
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
90 Dass die Verwaltung durch das Jährlichkeitsprinzip nicht gehindert ist, unbefristete Rechtsverhältnisse mit Bediensteten einzugehen, die künftige Haushaltsjahre belasten, ergibt sich auch daraus, dass das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums iSv. Art. 33 Abs. 5 GG gehört1 und Tarifverträge, deren Abschluss durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist, den Abschluss befristeter Arbeitsverträge ausschließen oder zumindest an bestimmte Voraussetzungen knüpfen können. Das im Demokratiegebot verankerte Budgetrecht des Parlaments, das durch das Jährlichkeitsprinzip verstärkt wird2, und die Bindung öffentlicher Arbeitgeber an auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG abgeschlossene Tarifverträge müssen daher unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden. Die Bindung an Tarifverträge ist nicht nur in § 3 Abs. 1 TVG, sondern auch haushaltsrechtlich in § 51 BHO indirekt anerkannt. Folglich stellt das durch § 38 Abs. 4 Satz 1 BHO durchbrochene Jährlichkeitsprinzip keine haushaltsrechtliche Regelung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG dar. 91 Die Ungewissheit, ob ein künftiger Haushaltsplan noch ausreichend Mittel für eine unbefristete Beschäftigung zur Verfügung stellt, ist die Kehrseite des Jährlichkeitsprinzips und somit ebenfalls keine haushaltsrechtliche Bestimmung von Haushaltsmitteln für eine befristete Beschäftigung. Dasselbe gilt für eine zu erwartende allgemeine Mittelkürzung.
IV. Die Vertretung als sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG 1. Einführung 92 Fallen Arbeitnehmer vorübergehend aus, kann der Arbeitgeber frei entscheiden, ob er überhaupt und ggf. wie er den Arbeitsausfall überbrückt. Er kann frei entscheiden, ob er die von dem zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Arbeitsaufgaben einem oder mehreren anderen Arbeitnehmern zuweist oder ob er sie ganz oder teilweise von einer einzustellenden Vertretungskraft erledigen lässt. Die Beschäftigung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers ist allgemein in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG und speziell in § 21 BEEG als Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem Vertreter anerkannt. 93 Entscheidet sich der Arbeitgeber anlässlich des vorübergehenden Ausfalls eines Arbeitnehmers für die Einstellung einer Ersatzkraft und schließt er mit dieser einen nicht unter § 14 Abs. 2 TzBfG fallenden befristeten Arbeitsvertrag ab, setzt der Sachgrund der Vertretung iSd. §§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG, 21 Abs. 1 BEEG einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Fehlt dieser Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den 1 BVerfG v. 10.12.1985 – 2 BvL 18/83, BVerfGE 71, 255 (268). 2 BK/Gröpl, Art. 110 GG Rz. 122.
644 Groeger
IV. Die Vertretung als sachlicher Grund
Rz. 96
Teil 6
Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Die Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung1. In den Fällen der unmittelbaren Vertretung ergibt sich der Kausalzusam- 94 menhang daraus, dass der Arbeitgeber darlegt, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren. In den Fällen der mittelbaren Vertretung hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen2. Dabei steht es dem Arbeitgeber frei, den Arbeitsplan unverändert beizubehalten oder den zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters zum Anlass für eine Umorganisation zu nehmen und infolge dieser Umorganisation einen völlig neuen Arbeitsplan zu erstellen. Das schließt die Möglichkeit ein, dass ein nach seinen Inhalten neuer Arbeitsplatz entsteht, der nach der bisherigen Arbeitsorganisation noch nicht vorhanden war3. Die befristete Beschäftigung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt4. Der Arbeitgeber muss die Vertretungskraft auch nicht für die gesamte voraussichtliche Dauer der Verhinderung einstellen, sondern kann auch einen kürzeren Zeitraum wählen5. 2. Besonderheiten der „dritten Variante“ der Stellvertretung Bereits im Urteil vom 14.8.2001 hat das BAG ausgeführt, dass der Vortrag 95 des Arbeitgebers dazu, in welcher Weise die befristete Einstellung der Befriedigung des Vertretungsbedarfs dient, nicht nur durch Schilderung des bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags vorhandenen Vertretungskonzepts erfolgen, sondern dass sich der Kausalzusammenhang auch aus anderen Umständen ergeben kann6. Im Urteil vom 15.2.20067 hat das BAG, gestützt auf frühere Rechtsprechung, neben den bekannten Formen der unmittelbaren und mittelbaren Vertretung ausdrücklich eine weitere, von diesen beiden abzugrenzende zulässige Form der Vertretung anerkannt8. Werden dem Vertreter die Aufgaben des zu vertretenden Arbeitnehmers 96 weder unmittelbar noch mittelbar übertragen, kann allein aus der befristeten Einstellung eines mit dem Vertretenen nach Ausbildung und Erfahrungswissen vergleichbaren Arbeitnehmers nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit geschlossen werden, dass der Vertragsschluss auf den Vertre-
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BAG v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, AP § 14 TzBfG Nr. 23. BAG v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, AP § 14 TzBfG Nr. 23. BAG v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, AP § 14 TzBfG Nr. 23. BAG v. 10.3.2004 – 7 AZR 397/03, ArbRB 2004, 207. BAG v. 21.2.2001 – 7 AZR 200/00, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 226. 6 BAG v. 14.8.2001 – 7 AZR 263/00, BAGE 98, 337, 343. 7 BAG v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, AP § 14 TzBfG Nr. 23. 8 Ebenso BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 640/05 und 18.4.2007 – 7 AZR 255/06, juris. Groeger
645
Teil 6
Rz. 97
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
tungsfall zurückzuführen ist1. Der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang besteht in diesem Fall, wenn der Vertreter mit Aufgaben betraut wird, die von dem Vertretenen ausgeübt werden könnten. Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber nach dem mit dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrag berechtigt wäre, diesem den Aufgabenbereich des Vertreters zuzuweisen. Außerdem muss der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten gedanklich zuordnen. Diese gedankliche Zuordnung muss jedoch nachprüfbar sein und kann durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bei der Einstellung erfolgen2. 97 Weil der Arbeitgeber frei ist zu entscheiden, ob er den zeitweiligen Ausfall eines Arbeitnehmers überhaupt durch eine Ersatzkraft überbrückt, und weil die befristete Beschäftigung zur Vertretung die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt lässt, muss der Arbeitgeber mit dem Vertreter nicht dieselbe wöchentliche Arbeitszeit vereinbaren wie mit dem vorübergehend ausgefallenen Arbeitnehmer3. Er kann auch einen vollbeschäftigten Angestellten zur Vertretung für zwei teilzeitbeschäftigte Angestellte einstellen4 oder einen Teilzeitbeschäftigten für einen anderen Teilzeitbeschäftigten mit höherer Arbeitszeit5. 98 Der Arbeitgeber muss aber rechtlich und tatsächlich in der Lage sein, dem Vertretenen die Aufgaben des Vertreters zuzuweisen. Das hängt von der Reichweite des Direktionsrechts ab, das gemäß § 106 GewO durch den Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge einschränkt werden kann. Außerdem muss der Vertretene aufgrund seiner Qualifikation fachlich in der Lage sein, die Aufgaben des Vertreters wahrzunehmen. Da es genügt, dass dem oder den zu vertretenden Beschäftigten ein neuer Aufgabenbereich gedanklich zugeordnet wird, bedarf es keines Umsetzungsentschlusses des Arbeitgebers und es wird erst recht nicht gefordert, dass ein solcher Entschluss bereits „greifbare Formen angenommen“ haben müsste oder gar der oder die Arbeitnehmer tatsächlich umgesetzt werden6. 99 Die Reichweite des Direktionsrechts bestimmt sich nach dem Arbeitsvertrag. Sie kann durch Tarifverträge eingeschränkt sein. Im öffentlichen Dienst wird das Direktionsrecht durch die tarifliche Eingruppierung eingeschränkt. Jedenfalls bei gleicher Eingruppierung und hinreichender fachlicher Eignung des Vertretenen ist eine gedankliche Zuordnung der Auf1 BAG v. 13.10.2004 – 7 AZR 654/03, AP § 14 TzBfG Nr. 13. 2 BAG v 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, AP § 14 TzBfG Nr. 23. 3 Zutreffend LAG Rh.-Pf. v 24.4.2007 – 9 Sa 933/06; LAG Köln v. 9.11.2006 – 10 (4) Sa 561/06; LAG Köln v. 26.2.2008 – 9 Sa 1196/07; aA ArbG Bonn v. 13.9.2007 – 3 Ca 1215/07, juris. 4 BAG v 18.4.2007 – 7 AZR 293/06. 5 BAG v. 20.1.2010 – 7 AZR 542/08 z.V.v. 6 BAG v 21.2.2001 – 7 AZR 107/00, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 228.
646 Groeger
IV. Die Vertretung als sachlicher Grund
Rz. 103
Teil 6
gaben des Vertretenen möglich. Allerdings schließen Unterschiede in der Eingruppierung eine gedankliche Zuordnung nicht von vornherein aus. Denn nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT genügt es, dass nur zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die der tariflichen Eingruppierung entsprechen. Mit dieser dritten Variante der Stellvertretung dürfte somit vor allem pro- 100 zessual im Hinblick auf die Darlegungslast des Arbeitgebers eine erhebliche Erleichterung für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge zur Vertretung verbunden sein1. 3. Besonderheiten der „Gesamtvertretung“ im Schuldienst Von den Fällen einer unmittelbaren und mittelbaren Einzelvertretung unterscheidet sich eine Gesamtvertretung bei Lehrkräften im Schulbereich dadurch, dass innerhalb einer durch Organisationsentscheidung festgelegten Verwaltungseinheit der Vertretungsbedarf für das Lehrpersonal eines Schulbereichs bezogen auf ein Schuljahr rechnerisch ermittelt und durch befristet eingestellte Vertretungskräfte abgedeckt wird, die nicht unbedingt an den Schulen der zu vertretenden Lehrkräfte eingesetzt werden oder deren Fachkombinationen unterrichten. Eine darauf gestützte Befristung ist nach der Rechtsprechung des BAG wirksam, wenn sich für ein Schuljahr aufgrund der zu erwartenden Schülerzahlen und der unterrichtsorganisatorischen Vorgaben ein Unterrichtsbedarf ergibt, der für die Unterrichtsversorgung mit den planmäßigen Lehrkräften in diesem Zeitraum aufgrund feststehender Beurlaubung oder aus sonstigen Gründen vorübergehend nicht zur Verfügung steht2.
101
Grundsätzlich könnte der Arbeitgeber den Aushilfsbedarf auch im Wege ei- 102 ner Einzelvertretung abdecken. Dazu würde es genügen, im einzelnen Fall eine vorübergehend nicht zur Verfügung stehende planmäßige Lehrkraft für die Dauer ihrer Abwesenheit förmlich an diejenige Schule abzuordnen, an der die Vertretungskraft eingesetzt und mit Aufgaben beschäftigt wird, die auch die planmäßige Lehrkraft erbringen könnte. Will der Arbeitgeber diese – umständliche und letztlich sinnentleerte – Maßnahme nicht durchführen, bleibt er doch an die dem Sachgrund der Vertretung immanente Vorgabe gebunden, dass diese Umsetzungs- oder Versetzungsmaßnahme tatsächlich möglich ist. Der Sachgrund der Gesamtvertretung im Schulbereich setzt demnach umfassende Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers hinsichtlich der beamteten und angestellten planmäßigen Lehrkräfte sowie der befristet angestellten Vertretungskräfte voraus. Verzichtet wird lediglich auf die förmliche Durchführung von Versetzungsund Umsetzungsmaßnahmen allein zum Nachweis des Aushilfsbedarfs3. Der Sachgrund der Gesamtvertretung bei Lehrkräften setzt nicht voraus, 103 dass der Arbeitgeber den in zulässiger Weise ermittelten Vertretungsbedarf durch die befristete Einstellung von Vertretungskräften völlig abdeckt. 1 Näher dazu Groeger, ArbRB 2008, 65; kritisch Eisenmann, NZA 2009, 1113. 2 BAG v. 23.2.2000 – 7 AZR 555/98, RzK I 9c Nr. 35. 3 BAG v. 23.2.2000 – 7 AZR 555/98, RzK I 9c Nr. 35. Groeger
647
Teil 6
Rz. 104
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
Nach den Wertungsmaßstäben des Sachgrunds der Vertretung ist es ausreichend, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall einer planmäßigen Lehrkraft und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft ein Kausalzusammenhang besteht. Dieser bleibt gewahrt, wenn die Zahl der befristet eingestellten Vertretungskräfte einen zutreffend ermittelten Gesamtvertretungsbedarf für planmäßige Lehrkräfte nicht übersteigt1. 104
Schließt das Land mit Vertretungskräften im Rahmen eines Gesamtvertretungsbedarfs schuljahresbezogene Zeitverträge, muss dieser Vertretungsbedarf auf zeitlich entsprechenden Abwesenheitszeiten planmäßiger Lehrkräfte beruhen. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber bei der Ermittlung des Gesamtvertretungsbedarfs im Schulbereich nicht jede Abwesenheit einer planmäßigen Lehrkraft ungeachtet ihrer voraussichtlichen Dauer zum Anlass für eine schuljahresbezogene Einstellung von Vertretungskräften nehmen darf. Denn ansonsten wäre der Sachgrund der Gesamtvertretung nur noch der äußere Anlass für den Abschluss von Zeitverträgen und damit vorgeschoben, weil ein auf das Schuljahr bezogener tatsächlicher Vertretungsbedarf in diesem Umfang nicht besteht2.
105
Der künftige Vertretungsbedarf wird jedoch nicht nur durch die Ungewissheit bestimmt, in welchem Umfang und für welche Zeitdauer bestehende Beschäftigungsverhältnisse suspendiert sein werden, sondern auch von der Entwicklung des tatsächlichen Arbeitsanfalls. Das erfordert eine zusätzliche Prognose zum tatsächlichen Arbeitskräftebedarf aufgrund der für das jeweilige Schuljahr zu erwartenden Schülerzahlen, der Klassenstärken und der Auswirkungen organisationsspezifischer Unterrichtsvorgaben. Denn ein Gesamtvertretungsbedarf setzt die Deckung eines tatsächlichen Lehrkräftebedarfs voraus, der ohne die Beurlaubung oder sonstige schuljahresbezogene Abwesenheit von planmäßigen Lehrkräften ansonsten nicht entstanden wäre und für den an sich planmäßig angestellte Lehrkräfte auf Dauerarbeitsplätzen vorhanden sind3.
V. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TVöD/TV-L 106
§ 30 Abs. 1 Satz 1 TVöD/TV-L bestimmt deklaratorisch, dass befristete Arbeitsverträge nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sowie anderer gesetzlicher Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverträgen zulässig sind. Die Absätze 2 bis 5 regeln Besonderheiten. Sie gelten nach § 30 Abs. 1 Satz 2 TVöD/TV-L nicht für sämtliche Beschäftigten, die in den persönlichen Geltungsbereich der Tarifverträge fallen, sondern lediglich für Beschäftigte, auf die die Regelungen des Tarifgebiets West4 Anwendung finden und deren Tätigkeit vor dem 1. Januar 2005 der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen hätte; auch für diesen Personenkreis gelten die Absätze 2 bis 5 nicht, wenn für ihr Arbeitsverhältnis die §§ 57a ff. HRG 1 2 3 4
BAG v. 23.2.2000 – 7 AZR 555/98, RzK I 9c Nr. 35. BAG v. 23.2.2000 – 7 AZR 555/98, RzK I 9c Nr. 35. BAG v. 23.2.2000 – 7 AZR 555/98, RzK I 9c Nr. 35. S. § 38 Abs. 1 TVöD/TV-L.
648 Groeger
V. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TVöD/TV-L
Rz. 108
Teil 6
unmittelbar oder entsprechend gelten. Diese Differenzierung ergibt sich daraus, dass für die Beschäftigten im Beitrittsgebiet keine besonderen tarifvertraglichen Regelungen über die Befristung von Arbeitsverhältnissen existierten. Insofern haben § 30 Abs. 2 bis 5 TVöD/TV-L den Charakter von Nachfolgeregelungen für die Sonderregelung zu § 2y BAT, die nur für die Angestellten aus den alten Bundesländern galt. Die Herausnahme der Arbeitsverhältnisse, für die die §§ 57a ff. HRG unmittelbar oder entsprechend gelten, beruht darauf, dass in deren Geltungsbereich tarifvertragliche Regelungen weitestgehend ausgeschlossen waren. Auch § 1 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG bestimmt als Grundsatz, dass von den Vorschriften dieses Gesetzes durch Vereinbarung nicht abgewichen werden kann. Das WissZeitVG ist zweiseitig zwingendes Recht1. Lediglich für bestimmte Fachrichtungen und Forschungsbereiche kann durch Tarifvertrag von den in § 2 Abs. 1 WissZeitVG vorgesehenen Fristen abgewichen und die Anzahl der zulässigen Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge festgelegt werden. § 1 Abs. 2 WissZeitVG lässt jedoch das Recht unberührt, wissenschaftliches Personal unbefristet oder nach Maßgabe des TzBfG befristet zu beschäftigen. 1. Verhältnis zum gesetzlichen Befristungsrecht Soweit das gesetzliche Befristungsrecht tarifdispositiv ist, sind tarifvertrag- 107 liche Regelungen möglich. Für das TzBfG ist in § 22 geregelt, welche seiner Vorschriften dispositiv sind. Nach § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG sind die arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze über befristete Arbeitsverträge nur insoweit anzuwenden, als sie den Vorschriften der Abs. 1 bis 4 nicht widersprechen. Auch das ÄArbVtrG ist damit zweiseitig zwingend2. Im Übrigen gehen die Abs. 2 bis 5 als besondere Regelungen iSv. § 30 Abs. 1 Satz 2 TVöD/TV-L den tarifdispositiven gesetzlichen Vorschriften nach der allgemeinen Regel „lex specialis derogat de lege generali“ vor3. 2. Kalendermäßig befristete Arbeitsverträge mit Sachgrund Das TzBfG enthält lediglich in § 14 Abs. 2, 2a und 3 für kalendermäßig befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund zeitliche Höchstgrenzen. Diese Höchstgrenzen gelten nicht für mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge4. Davon weicht § 30 Abs. 2 Satz 1 TVöD/TV-L ab, wonach auch kalendermäßig befristete Arbeitsverträge mit sachlichem Grund nur zulässig sind, wenn die Dauer des einzelnen Vertrages fünf Jahre nicht übersteigt. Damit wird im Geltungsbereich des § 30 TVöD/TV-L die Vertragsfreiheit der Ar1 2 3 4
Laux/Schlachter, § 1 WissZeitVG Rz. 9. APS/Schmidt, § 1 ÄArbVtrG Rz. 9. APS/Backhaus, vor § 14 TzBfG Rz. 10. Auch europarechtlich ist eine Höchstbegrenzung nicht geboten, wenn die Befristung aus sachlichem Grund erfolgt, da die Schutzmechanismen der Richtlinie 1999/70/EG v. 28.6.1999 die in § 5 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung erwähnten Maßnahmen zur Vermeidung des Missbrauchs von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen nicht kumulativ in das nationale Recht übernommen werden müssen. Groeger
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Teil 6
Rz. 109
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
beitsvertragsparteien weiter eingeschränkt. Nach dem eindeutigen Wortlaut gilt diese Begrenzung jedoch weder für zweckbefristete noch für auflösend bedingte Arbeitsverträge1. Dadurch, dass lediglich die Dauer des einzelnen Vertrages fünf Jahre nicht übersteigen darf, wird nicht ausgeschlossen, dass durch mehrere kalendermäßig befristete aufeinander folgende Arbeitsverträge die Dauer von fünf Jahren insgesamt überschritten wird2. 109
Nach §§ 40 Nr. 8, 41 Nr. 19 TV-L können mit Beschäftigten der Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Länder sowie mit Ärztinnen und Ärzten an Universitätskliniken befristete Arbeitsverträge mit Sachgrund mit einer Höchstdauer von sieben Jahren abgeschlossen werden.
110
Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TVöD/TV-L bleiben weitergehende Regelungen iSv. § 23 TzBfG unberührt. Das bedeutet, dass gesetzliche Vorschriften, die den Abschluss eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages mit Sachgrund für die Dauer von mehr als fünf Jahren ermöglichen, vorgehen. Das gilt zB für § 1 ÄArbVtrG3. 3. Befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund
111
Das TzBfG enthält keine Regelung über die Mindestdauer eines befristeten Arbeitsvertrages ohne Sachgrund. Dagegen muss die Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund nach § 30 Abs. 1 Satz 1 TVöD/TV-L mindestens sechs Monate betragen und soll in der Regel zwölf Monate nicht unterschreiten. Die Höchstdauer und die Höchstanzahl der Verlängerungen richten sich hingegen ausschließlich nach § 14 Abs. 2, 2a und 3 TzBfG, da TVöD/TV-L insoweit nichts Abweichendes bestimmen. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 TVöD/TV-L hat der Arbeitgeber vor Ablauf des Arbeitsvertrages zu prüfen, ob eine unbefristete oder befristete Weiterbeschäftigung möglich ist.
112
Bei den Rechtsfolgen eines nach § 30 Abs. 1 Satz 1 TVöD/TV-L unzulässigen befristeten Arbeitsvertrages ist zu unterscheiden, ob der Tarifvertrag normativ gilt oder lediglich kraft einzelvertraglich vereinbarter Anwendung. Die Unterschreitung der Mindestdauer von sechs Monaten führt jedenfalls bei beiderseitiger Tarifgebundenheit zur Unwirksamkeit der Befristung4. Grundsätzlich soll auch die Unterschreitung der zwölfmonatigen Dauer zur Unwirksamkeit der Befristung und damit zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis führen, wenn für die Unterschreitung keine nachvollziehbaren Gründe vorliegen5. Zum Teil werden rechtfertigende Gründe verlangt6. Welche Gründe dies sein können, ist jedoch völlig offen. Dabei 1 2 3 4
APS/Backhaus, § 30 TVöD Rz. 7. APS/Backhaus, § 30 TVöD Rz. 6. APS/Backhaus, § 30 TVöD Rz. 9. Sponer/Steinherr, TVöD, § 30 Rz. 22; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, § 30 Rz. 396. 5 Sponer/Steinherr, TVöD, § 30 Rz. 23. 6 Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, § 30 Rz. 396.
650 Groeger
V. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TVöD/TV-L
Rz. 114
Teil 6
ist zu beachten, dass ein Sachgrund iSv. § 14 Abs. 1 TzBfG zwar die Befristung als solche sachlich rechtfertigt, aber nicht unbedingt zur Unterschreitung der Zwölfmonatsfrist berechtigt. Es wird deshalb empfohlen, die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG im personellen Geltungsbereich des § 30 Abs. 3 TVöD/TV-L nur dann zu wählen, wenn diese für mindestens zwölf Monate vereinbart werden kann1. Eine geringere Dauer sollte jedenfalls dann zulässig sein, wenn sie auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers vereinbart wird, wobei insoweit nicht die strengen Voraussetzungen des unbenannten Sachgrundes des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG angelegt werden können. Auch andere, triftige Gründe sollten eine Unterschreitung der „in der Regel“ einzuhaltenden „Soll“-Vorschrift rechtfertigen können. Wenn der Tarifvertrag nicht bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages nor- 113 mativ gilt, z.B. weil der Arbeitnehmer erst danach Mitglied der tarifvertragschließenden Gewerkschaft wird, soll gleichwohl die gegen eine Tarifnorm verstoßende Befristungsabrede nachträglich unwirksam werden, weil es sich bei tarifvertraglichen Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen idR. um Beendigungs- und nicht um Abschlussnormen iSv. § 4 Abs. 1 TVG handelt2. Das BAG hat allerdings zur Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der SR 2a MTA, wonach Zeitangestellte nur eingestellt werden durften, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Angestellten liegende Gründe vorliegen, entschieden, dass es sich dabei um eine Abschlussnorm handelt, die zwingend nur dann gilt, wenn bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages beiderseitige Tarifgebundenheit vorliegt3. § 30 Abs. 3 Satz 1 TVöD/TV-L ist vor dem Hintergrund von § 16 Satz 1 TzBfG auszulegen, wonach bei einer rechtsunwirksamen Befristung der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Auch der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelungen spricht dagegen, dass damit verhindert werden soll, dass Arbeitnehmer überhaupt aufgrund eines unzulässig befristeten Arbeitsvertrages in den Betrieb aufgenommen werden sollen, etwa um der Gefahr einer ständigen Fluktuation im Bereich der Randbelegschaft entgegenzuwirken4. Daher handelt es sich bei § 30 Abs. 3 Satz 1 TVöD/TV-L um eine Beendigungsnorm. Da es jedoch für die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Befristung ankommt, kann durch einen Beitritt einer der Arbeitsvertragsparteien erst nach Abschluss des Arbeitsvertrages nicht nachträglich die Unwirksamkeit nach diesen tarifvertraglichen Bestimmungen eintreten. Findet der Tarifvertrag während des befristeten Arbeitsverhältnisses zu kei- 114 ner Zeit normativ, sondern lediglich kraft Bezugnahme im Arbeitsvertrag Anwendung, ist das Ergebnis nicht eindeutig. Zwar soll nach der Rechtsprechung des BAG die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Befristung auch 1 So Sponer/Steinherr, TVöD, § 30 Rz. 23. 2 Wiedemann/Thüsing, § 1 TVG Rz. 648; Kempen/Zachert/Kempen, § 3 TVG Rz. 11; Däubler, Tarifvertragsrecht, Rz. 294. 3 BAG v. 6.12.1989 – 7 AZR 441/89, NZA 1990, 741. 4 Vgl. BAG v. 28.6.1994 – 1 ABR 59/93, AP § 99 BetrVG 1972 Einstellung Nr. 4. Groeger
651
Teil 6
Rz. 115
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
deswegen unwirksam sein können, weil sie die in demselben Arbeitsvertrag kraft einzelvertraglicher Bezugnahme vereinbarten tarifvertraglichen Anforderungen nicht erfüllt1. Diese Rechtsprechung berücksichtigt jedoch zum einen nicht, dass tarifvertragliche Befristungsregelungen Abschlussnormen iSv. § 4 Abs. 1 TVG sein können, sofern sie ihrem Regelungsgehalt nach die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bei Vertragsabschluss abhängig machen und insoweit die Vertragsfreiheit der tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes beschränken2. Zum anderen wird der wirkliche Wille der Parteien im Zweifel nicht dahin gehen, dass mit Abschluss des Arbeitsvertrages zugleich ein zusätzlicher, über § 14 TzBfG hinausgehender Maßstab für die Überprüfung der Wirksamkeit einer Befristungsabrede vereinbart sein soll. Vielmehr wird eine Auslegung des Arbeitsvertrages ergeben, dass die tarifvertraglichen Bestimmungen, die der Wirksamkeit der Befristung entgegenstehen, nicht von der Bezugnahmeklausel erfasst werden3. Insoweit gilt – anders als bei der Vereinbarung der Vergütungsgruppe im Standardarbeitsvertrag für den öffentlichen Dienst –, dass die Befristungsvereinbarung unabhängig von der Bezugnahme auf Tarifverträge gelten soll4. 4. Probezeit und Kündigung bei befristeten Arbeitsverträgen a) Probezeit und Kündigung 115
Aus § 622 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass eine Probezeit dem Arbeitsvertrag nicht immanent ist, sondern einer entsprechenden Vereinbarung bedarf. Ohne Vereinbarung, die ausdrücklich erfolgen oder sich durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen aus dem Arbeitsvertrag ergeben kann5, findet § 622 Abs. 3 BGB keine Anwendung. Die Wirksamkeit einer Probezeitvereinbarung hängt grundsätzlich allein davon ab, dass die Dauer sechs Monate nicht übersteigt. Eine einzelfallbezogene Prüfung der vereinbarten Dauer auf ihre Angemessenheit findet nicht statt6.
116
Die Kündigungsfrist innerhalb dieser Probezeit beträgt nach § 30 Abs. 4 Satz 2 TVöD/TV-L einheitlich 2 Wochen zum Ende eines Kalendermonats und weicht damit hinsichtlich des Kündigungstermins von § 622 Abs. 3 BGB ab. Zugleich liegt darin eine tarifvertraglich vereinbarte ordentliche Kündigung iSv. § 15 Abs. 3 TzBfG. Die tarifvertragliche Regelung unterliegt keiner Inhaltskontrolle (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).
1 2 3 4
Nachweise bei APS/Backhaus, vor § 14 TzBfG Rz. 15. BAG v. 28.8.1996 – 7 AZR 849/95, NZA 1997, 550. So BAG v. 6.12.1989 – 7 AZR 441/89, NZA 1990, 741. Kritisch zur Rspr. des BAG auch APS/Backhaus, vor § 14 TzBfG Rz. 15 und § 22 TzBfG Rz. 28; aA KR/Bader, § 22 TzBfG Rz. 6; vgl. auch ErfK/Müller-Glöge, § 22 TzBfG Rz. 4. 5 APS/Linck, § 622 BGB Rz. 84. 6 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, NJW 2008, 2521.
652 Groeger
VI. Besondere tarifvertragliche Regelungen §§ 31, 32 TVöD/TV-L
Rz. 120
Teil 6
Abweichend davon gilt nach § 30 Abs. 4 TVöD/TV-L im Geltungsbereich 117 dieser Vorschrift bei befristeten Arbeitsverträgen eine Probezeit als vereinbart. Bei befristeten Arbeitsverträgen mit sachlichem Grund gelten die ersten sechs Monate, bei befristeten Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund die ersten sechs Wochen als Probezeit. Für Beschäftigte, die früher der Rentenversicherung der Arbeiter unterlagen, sowie für alle Beschäftigten im Tarifgebiet Ost (vgl. oben Rz. 106) müssen jedoch Probezeit und möglichst auch Fristen für eine Kündigung während der Probezeit vereinbart werden, wenn eine Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung bestehen soll1. b) Kündigung nach Ablauf der Probezeit Eine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit ist gemäß § 30 118 Abs. 5 Satz 1 TVöD/TV-L nur zulässig, wenn die Vertragsdauer mindestens zwölf Monate beträgt. Zwar besteht insoweit ein gewisser Bezug zu der in § 30 Abs. 3 TVöD/TV-L geregelten Mindestsolldauer eines befristeten Arbeitsvertrages ohne Sachgrund (vgl. oben Rz. 111), jedoch gilt § 30 Abs. 5 TVöD/TV-L auch für befristete Arbeitsverträge mit Sachgrund. Die Regelung soll wohl befristete Arbeitsverträge von kurzer Dauer, also von weniger als zwölf Monaten, generell, insbesondere aber wenn sie ohne Sachgrund befristet werden, zurückdrängen. Daraus folgt beispielsweise für einen befristeten Arbeitsvertrag, der für die Dauer von elf Monaten abgeschlossen wird, dass er innerhalb der Probezeit von entweder sechs Wochen oder sechs Monaten mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss gekündigt werden kann, danach nur noch aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB. Die Kündigungsfrist für eine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Pro- 119 bezeit ist in § 30 Abs. 5 Satz 2 TVöD/TV-L geregelt und richtet sich nach der ununterbrochenen Dauer eines oder mehrerer aneinander gereihter Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber. Nach Satz 3 ist eine Unterbrechung von bis zu drei Monaten unschädlich, es sei denn, dass der Beschäftigte das Ausscheiden verschuldet oder veranlasst hat. Die Unterbrechungszeit als solche bleibt jedoch bei der Berechnung der Gesamtdauer der aneinander gereihten Arbeitsverhältnisse unberücksichtigt.
VI. Besondere tarifvertragliche Regelungen §§ 31, 32 TVöD/TV-L Die §§ 31, 32 TVöD/TV-L bleiben gemäß § 30 Abs. 6 TVöD/TV-L von den 120 Regelungen des § 30 Abs. 3 bis 5 TVöD/TV-L unberührt. Sie gehen als speziellere Regelung auch § 30 Abs. 2 Satz 1 TVöD/TV-L vor. Sie gelten für alle unter den Geltungsbereich des TVöD/TV-L fallenden Beschäftigten, nicht nur für die in § 30 Abs. 1 Satz 2 TVöD/TV-L genannten Personen.
1 Sponer/Steinherr, TVöD, § 30 Rz. 27. Groeger
653
Teil 6
Rz. 121
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
1. Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit 121
Überträgt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit nicht auf Dauer, sondern nur vorübergehend, kommt es in einem ersten Schritt darauf an, ob es billigem Ermessen entspricht, dass dem Arbeitnehmer die anders bewertete Tätigkeit überhaupt, wenn auch nur vorübergehend, übertragen wird. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, dass die Tätigkeit nur vorübergehend übertragen wird. Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers daran, die Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und – falls damit verbunden – auch der besseren Bezahlung überwiegt. Insgesamt ist damit eine „doppelte“ Billigkeitsprüfung geboten. Die Billigkeitskontrolle bezieht sich bei vorübergehenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeit auf zahlreiche Angestellte in einer Verwaltung sowohl auf das Gesamtkonzept als auch auf die einzelnen personenbezogenen Übertragungsverfügungen. Die Umstände für die einzelnen vorübergehenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeit vor dem Hintergrund des Gesamtkonzepts müssen deutlich werden. Handelt es sich um eine Übertragung höherwertiger Tätigkeit außerhalb eines bestehenden zu vollziehenden und ausgeführten Gesamtkonzepts, so muss das deutlich werden1. 2. Vorübergehende Übertragung einer Führungsposition
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Von der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist die in §§ 31, 32 TVöD/TV-L vorgesehene Übertragung einer Führungsposition abzugrenzen2. Einerseits genügt die Übertragung einer gegenüber der bisherigen Tätigkeit höherwertigen Tätigkeit nicht, wie sich jeweils aus dem Wortlaut des Abs. 2 der §§ 31, 32 TVöD/TV-L eindeutig ergibt; andererseits ist es aber auch nicht erforderlich, dass die Führungsposition eine gegenüber der bisherigen Tätigkeit bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber höherwertige Tätigkeit ist3. a) Begriff der Führungsposition
123
Nach der übereinstimmenden Definition in § 31 Abs. 2 und § 32 Abs. 2 TVöD/TV-L sind Führungspositionen die ab der Entgeltgruppe 10 auszuübenden Tätigkeiten mit Weisungsbefugnis. Die Weisungsbefugnis wird allgemein verstanden im Sinne der Berechtigung zur Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers gem. § 106 GewO4. Damit scheiden rein fachliche Aufsichtsrechte und damit verbundene Weisungsbefugnisse aus. 1 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, AP § 24 BAT Nr. 23; v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, ZTR 2004, 485. 2 S. auch § 41 Nr. 20 und 21 TV-L (Sonderregelungen für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken). 3 Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, § 31 Rz. 12. 4 Sponer/Steinherr, TVöD, § 31 Rz. 12; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, § 31 Rz. 10; Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Kuner, § 32 TVöD Rz. 1.
654 Groeger
VI. Besondere tarifvertragliche Regelungen §§ 31, 32 TVöD/TV-L
Rz. 127
Teil 6
Hinzukommen müssen somit auch dienstlich organisatorische Weisungsbefugnisse gegenüber Bediensteten, die in derselben Organisationseinheit beschäftigt sind wie die Führungskraft1. b) Besetzung mit externer Führungskraft Besteht zwischen der Führungskraft und demselben Arbeitgeber noch kein Arbeitsverhältnis, ermöglichen §§ 31, 32 Abs. 1 TVöD/TV-L den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. § 31 Abs. 1 TVöD/TV-L ermöglicht die Führung auf Probe, § 32 Abs. 1 TVöD/TV-L die Führung auf Zeit.
124
aa) Führung auf Probe Nach § 31 Abs. 1 TVöD/TV-L kann eine Führungsposition als befristetes 125 Arbeitsverhältnis bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren vereinbart werden. Insoweit besteht hinsichtlich der maximalen Gesamtdauer Übereinstimmung mit § 14 Abs. 2 TzBfG. Allerdings ist § 31 Abs. 1 TVöD/TV-L, wie der Vergleich mit Abs. 3 zeigt, immer dann anwendbar, wenn gegenwärtig kein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber besteht. Demgegenüber kann von § 14 Abs. 2 TzBfG in allen Fällen kein Gebrauch gemacht werden, wenn mit demselben Arbeitgeber jemals zuvor, dh. ohne jede zeitliche Begrenzung2, ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Innerhalb der Gesamtdauer von zwei Jahren ist nach § 31 Abs. 1 TVöD/TV-L eine höchstens zweimalige Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zulässig. Die Erprobung eines Arbeitnehmers ist als sachlicher Grund für den Ab- 126 schluss eines befristeten Arbeitsvertrags allgemein anerkannt3. Der Sachgrund der Erprobung ist in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG ausdrücklich genannt. Am sachlichen Grund der Erprobung fehlt es nur dann, wenn der Arbeitnehmer bereits ausreichende Zeit bei dem Arbeitgeber mit den nunmehr von ihm zu erfüllenden Aufgaben beschäftigt war und der Arbeitgeber die Fähigkeiten des Arbeitnehmers deshalb ausreichend beurteilen konnte4. Die Dauer der Befristung bedarf für sich allein keiner sachlichen Rechtfer- 127 tigung, sondern muss sich lediglich am Befristungsgrund orientieren und mit ihm derart in Einklang stehen, dass sie nicht gegen das Vorliegen eines sachlichen Grundes spricht. Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass der Zweck der Erprobung einer Führungskraft die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zur Höchstdauer von insgesamt zwei Jahren ermöglicht. Fraglich ist, ob innerhalb dieses Rahmens eine einzelfallbezogene 1 BAG v. 22.3.2000 – 4 AZR 118/99, NZA 2001, 282. 2 Ganz hM Arnold/Gräfl/Gräfl, § 14 TzBfG Rz. 256; LAG Berlin-Brandenburg v. 27.2.2009 – 13 Sa 2170/08, LAGE § 14 TzBfG Nr. 50; BAG v. 29.7.2009 – 7 AZN 368/09, ZTR 2009, 544; aA ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 98 f.; Löwisch, BB 2001, 254. 3 BAG v. 31.8.1994 – 7 AZR 983/93, AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 163. 4 BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 636/03, NZA 2004, 1333. Groeger
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Teil 6
Rz. 128
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
Prüfung der vereinbarten Dauer möglich ist. Der 6. Senat des BAG folgt nicht der zu § 622 Abs. 3 BGB vertretenen Auffassung, die Probezeit dürfe nur so lang sein, wie dies zur Erprobung für die betreffende Tätigkeit erforderlich sei1. Die Erwägung, dass der Arbeitgeber während der Probezeit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers prüfen können soll und diese Prüfung nicht lediglich auf die in Aussicht genommene Tätigkeit bezogen, sondern umfassend zu verstehen ist2, trifft auch auf die Neueinstellung einer Führungskraft zu. Zwar ist im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG einzelfallbezogen zu prüfen, ob die vereinbarte Dauer mit dem Zweck der Erprobung derart in Einklang steht, dass sie nicht gegen das Vorliegen eines sachlichen Grundes spricht. Hierbei spielen aber die „Branchenüblichkeit“ und die Person des Arbeitnehmers sowie die zu besetzende Position eine wesentliche Rolle. Diese Gesichtspunkte können auch längere Probezeiten als sechs Monate nicht nur rechtfertigen3, sondern uU sogar gebieten. Insgesamt wird man den Arbeitsvertragsparteien in dieser Hinsicht eine weitgehende Einschätzungsprärogative einräumen müssen, also die einzelfallbezogene Prüfung der Angemessenheit der vereinbarten Dauer des Arbeitsverhältnisses auf Ausnahmefälle zu beschränken haben. Insoweit sollten ähnliche Überlegungen wie bspw. zu § 4 des Manteltarifvertrages für die Orchester- und Chormitglieder des WDR gelten4. 128
Offen ist, ob bei der Verlängerung eines nach § 31 Abs. 1 TVöD/TV-L befristeten Arbeitsvertrages die strenge Rechtsprechung des BAG zur Verlängerung eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden muss. Das würde bedeuten, dass die Verlängerungsvereinbarung noch während der ursprünglich vereinbarten Laufzeit schriftlich zustande kommen müsste, sich grundsätzlich lediglich auf den Beendigungszeitpunkt erstrecken und keine anderen Gegenstände des Arbeitsvertrages ändern dürfte5. Solange diese Frage nicht geklärt ist, sollten diese Beschränkungen auch für Verlängerungsvereinbarungen für ein nach § 31 Abs. 1 TVöD/TV-L befristetes Arbeitsverhältnis beachtet werden6. bb) Führung auf Zeit
129
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 TVöD/TV-L können Führungspositionen als befristetes Arbeitsverhältnis bis zur Dauer von vier Jahren vereinbart werden. Nach Satz 2 ist in den Entgeltgruppen 10 bis 12 die höchstens zweimalige Verlängerung bis zu einer Gesamtdauer von acht Jahren und ab der Entgelt-
1 Vgl. KR-Spilger, § 622 BGB Rz. 155b mwN. 2 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, DB 2008, 1217. 3 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, DB 2008, 1217; vgl. Kittner/Däubler/Zwanziger/Däubler, KSchR, § 14 TzBfG Rz. 89 f. 4 BAG v. 12.9.1996 – 7 AZR 31/96, NZA 1997, 841; ebenso Clemens/Scheuring/ Steingen/Wiese, TV-L, § 31 Rz. 3. 5 BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204. 6 Anders die Durchführungshinweise der TdL v. 12.12.2006 unter Ziff. 31.3.2, wonach inhaltliche Veränderungen oder ein Abschluss einer Verlängerungsvereinbarung nach Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrages zulässig sein sollen.
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VI. Besondere tarifvertragliche Regelungen §§ 31, 32 TVöD/TV-L
Rz. 131
Teil 6
gruppe 13 die höchstens dreimalige Verlängerung bis zu einer Gesamtdauer von zwölf Jahren zulässig. § 32 TVöD/TV-L schafft die Möglichkeit, Führungsebenen auf Zeit ein- 130 zuführen1. Das Ziel eines befristeten Arbeitsvertrages nach § 32 TVöD/ TV-L besteht nicht in der Übertragung der Führungsposition auf Dauer. Die Führung auf Zeit dient, anders als die Führung auf Probe, keinem besonderen Zweck. Sie ist einfach nur zeitlich befristet. Grund dafür kann zum Beispiel ein zeitlich befristetes Projekt sein, bei dem Nachwuchsführungskräfte im Rahmen von Personalentwicklungs- und Personalfördermaßnahmen ihre Führungsqualitäten unter Beweis stellen, aber ein Bedarf an einer dauerhaften Besetzung nicht besteht. Es ist aber auch denkbar, dass Führungspositionen zwar dauerhaft zur Verfügung stehen, eine Besetzung auf Dauer aber nicht gewollt ist2. Gegen die Zulässigkeit sind bislang keine Bedenken erhoben worden3. § 32 131 Abs. 1 TVöD/TV-L enthält zum einen eine nach § 22 Abs. 1 TzBfG zulässige tarifvertragliche Abweichung von § 14 Abs. 2 TzBfG. Sofern mit demselben Arbeitgeber zuvor noch kein Arbeitsverhältnis bestanden hat, kann die Befristung einer Führungsposition gemäß § 32 Abs. 3 TVöD/TV-L auch über die Dauer von zwei Jahren hinaus auf § 32 Abs. 1 TVöD/TV-L gestützt werden. § 32 Abs. 1 TVöD/TV-L gilt seinem Wortlaut nach aber auch dann, wenn zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien zuvor ein Arbeitsverhältnis bereits bestanden hat. Dann kommt eine Befristung nur mit Sachgrund in Betracht. Insoweit stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem TzBfG. Bei der Führung auf Zeit ist, anders als bei der Führung auf Probe, ein Sachgrund nicht unmittelbar ersichtlich, es sei denn, man sieht die lediglich zeitlich befristete Übertragung einer Führungsposition als solche als Sachgrund an4. Folgt man dem nicht, ist es denkbar, dass der Umstand, dass eine bestimmte zusätzliche Führungsebene zunächst erprobt werden soll, also noch nicht feststeht, ob sie als solche dauerhaft beibehalten bleiben soll, einen Sachgrund dargestellt5. Auch umgekehrt könnten bspw. der künftige Entfall einer Führungsebene oder haushaltsrechtliche Gründe die Befristung eines auf der Grundlage § 32 Abs. 1 TVöD/TV-L befristeten Arbeitsvertrages rechtfertigen. Es ist jedoch fraglich, ob die Tarifvertragsparteien die Zulässigkeit der Führung auf Zeit vom Vorliegen anderer sachlicher Gründe abhängig machen wollten. Es ist eher anzunehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 2 TzBfG der Abschluss befristeter Arbeitsverträge in Führungspositionen durch § 32 Abs. 1 TVöD/ TV-L von weniger strengen Voraussetzungen abhängig sein soll und die Tarifnormen einen gegenüber dem Gesetz eigenständigen normativen Re1 Die Regelung wurde aus einem bezirklichen Tarifvertrag für die Beschäftigten der Landeshauptstadt Hannover entwickelt, abgedruckt bei Sponer/Steinherr, Vorbem. 2. zu § 32 TV-L. 2 S. Ziff. 32.1 der Durchführungshinweise der TdL vom 12.12.2006, Sponer/Steinherr, Vorbem. 6. zu § 32 TV-L. 3 Sponer/Steinherr, § 32 TV-L Rz. 3; Bredendiek/Fritz/Tewes, ZTR 2005, 230 (243). 4 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Kuner, § 32 TVöD Rz. 6. 5 Vgl. BAG v. 24.4.1996 – 7 AZR 719/95, NZA 1997, 196. Groeger
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Teil 6
Rz. 132
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
gelungsgehalt aufweisen. Geht man davon aus, dass im Zentrum der Überlegungen der Tarifvertragsparteien die Besetzung von Führungspositionen auf Zeit durch Beschäftigte, mit denen bereits ein Arbeitsverhältnis besteht, gestanden haben könnte, stellt sich § 32 Abs. 1 TVöD/TV-L als eine Maßnahme dar, die bei einer unter Umständen gebotenen öffentlichen Ausschreibung entsprechender Dienstposten und der Auswahl der Bewerber nach dem Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) die Möglichkeit der Befristung für sämtliche externen Bewerber offen halten soll. Ohne diese Möglichkeit würden im Zweifel schon allein wegen der größeren Rechtssicherheit interne Bewerber externen bei der Besetzung von Führungspositionen vorgezogen werden. 132
Bedenken im Hinblick auf die Richtlinie 1999/70/EG bestehen demgegenüber nicht, weil diese alternativ verlangt, dass für aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge entweder sachliche Gründe, die die Verlängerung rechtfertigen, gefordert werden müssen oder dass die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinander folgender Arbeitsverträge oder die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge bestimmt wird. § 32 TVöD/TV-L genügt den beiden letzten Erfordernissen. c) Besetzung mit internen Beschäftigten
133
§§ 31 Abs. 3, 32 Abs. 3 TVöD/TV-L eröffnen die Möglichkeit, einem Beschäftigten, mit dem bereits ein Arbeitsverhältnis besteht, eine Führungsposition innerhalb der in Abs. 1 jeweils geregelten Höchstfristen vorübergehend zu übertragen. § 31 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD/TV-L bestimmt, dass die Erprobung nach Fristablauf endet und bei Bewährung die Führungsposition auf Dauer übertragen wird. Während § 31 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 TVöD/TV-L lediglich für den Fall, dass sich der Beschäftigte nicht bewährt („ansonsten“), bestimmt, dass der Beschäftigte nach Fristablauf eine der bisherigen Eingruppierung entsprechende Tätigkeit erhält, gilt dies nach § 32 Abs. 3 Satz 3 TVöD/TV-L für den Fall der Führung auf Zeit in jedem Fall.
134
Die Übertragung einer Führungsposition aufgrund der §§ 31, 32 Abs. 3 TVöD/TV-L erfolgt nach zutreffender Ansicht im Rahmen des Direktionsrechts1. Es handelt sich nicht um eine befristete Änderung der Arbeitsbedingungen durch Änderung des Arbeitsvertrages2. Infolgedessen kommt eine Inhaltskontrolle, auch wenn die vorübergehende Übertragung zu Dokumentationszwecken in einer Vereinbarung festgehalten wird, nicht in Betracht. Vielmehr bleibt es bei der sog. „doppelten“ Billigkeitskontrolle3. 1 Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, § 31 Rz. 11; § 32 Rz. 14–17; aA Bepler/ Böhle/Martin/Stöhr/Kuner, § 31 TVöD Rz. 10; § 32 Rz. 12; § 31 TV-L Rz. 11; § 32 Rz. 12 (Vertragsänderung); unklar Sponer/Steinherr, TVöD, § 31 Rz. 14; § 32 Rz. 15 (Änderung des Arbeitsvertrages nicht zwingend vorgesehen). 2 So zu § 24 BAT BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, AP § 24 BAT Nr. 23; v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, ZTR 2004, 485; v. 11.9.2003 – 6 AZR 424/02, ZTR 2004, 259; v. 20.4.2005 – 10 AZR 512/04, ZTR 2005, 529. 3 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, AP § 24 BAT Nr. 23.
658 Groeger
VI. Besondere tarifvertragliche Regelungen §§ 31, 32 TVöD/TV-L
Rz. 137
Teil 6
Bedenken gegen die grundsätzliche Zulässigkeit ergeben sich nicht aus ei- 135 ner Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs1. Danach verstößt die Regelung des Art 32a Bay. BeamtenG, wonach Ämter mit leitender Funktion zunächst nur im Beamtenverhältnis auf Zeit übertragen werden, gegen das durch Art. 95 Abs. 1 Satz 2 Bay. Verf. gewährleistete Prinzip der Übertragung eines Amtes auf Lebenszeit. Da das Arbeitsverhältnis in der Regel nicht auf Lebenszeit vereinbart wird (§ 624 BGB) und selbst dann darauf angelegt ist, dass der Arbeitgeber, soweit nicht eine Festlegung durch Arbeitsvertrag, Kollektivvereinbarungen oder gesetzliche Vorschriften erfolgt ist, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann (§ 106 GewO), hat die Entscheidung keine Auswirkungen auf die Frage der Vereinbarkeit der §§ 31, 32 Abs. 3 TVöD/TV-L mit höherrangigem Recht. Fraglich ist auch hier, ob innerhalb des zeitlichen Rahmens der Abs. 1 der 136 §§ 31, 32 TVöD/TV-L eine einzelfallbezogene Prüfung der vereinbarten Dauer geboten bzw. möglich ist. Diese Frage ist zu bejahen. Ob die Dauer der Übertragung der Führungsposition billigem Ermessen entspricht, unterliegt somit der gerichtlichen Überprüfung. Bei dieser Prüfung ist aber zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien zeitliche Grenzen vorgegeben und damit einen Rahmen gesteckt haben, innerhalb dessen im Regelfall eine Entscheidung zur vorübergehenden Übertragung der Führungsposition billigem Ermessen entspricht. Das BAG hat zu § 24 BAT entschieden, dass diese Norm keine zeitliche Grenze vorsieht2. Sie ermöglichte über mehrere Jahre hinweg die Übertragung einer höherwertigen Aufgabe. Da die §§ 31, 32 TVöD/TV-L zeitliche Höchstgrenzen vorsehen, wird die befristete Übertragung einer Führungsposition allenfalls wegen zu kurzer Dauer billigem Ermessen widersprechen können. Dieser Gesichtspunkt wird am ehesten bei einer Übertragung zur Probe nach § 31 TVöD/ TV-L zum Tragen kommen können. Im Rahmen von § 32 TVöD/TV-L fehlen Kriterien, anhand derer die Rechtsprechung eine unbillige Entscheidung durch eine billigem Ermessen entsprechende Entscheidung ersetzen könnte. Die Eingruppierung bei Neueinstellungen richtet sich bei §§ 31, 32 TVöD/ TV-L nach der Entgeltgruppe, der die Führungsposition entspricht. Interne Bewerber bleiben in beiden Fällen in ihrer bisherigen Entgeltgruppe und erhalten eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Tabellenentgelten nach der bisherigen Entgeltgruppe und dem sich bei Höhergruppierung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 ergebenden Tabellenentgelt. Bei der Führung auf Zeit wird nach § 32 Abs. 3 Satz 2 TVöD/TV-L zusätzlich ein Zuschlag gezahlt in Höhe von 75 % des Unterschiedsbetrages zwischen den Tabellenentgelten der Entgeltgruppe, die der übertragenen Funktion entspricht, zur nächsthöheren Entgeltgruppe nach § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 TVöD/TV-L („Attraktivitätsprämie“). Darin liegt eine finanzielle Besser1 BayVGH v. 26.10.2004 – Vf. 15-VII-01, juris; vgl. Kugele, jurisPR-BVerwG 3/2008 Anm. 2; Sponer/Steinherr, TVöD, § 32 Rz. 2. 2 BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 474/04, ZTR 2006, 497. Groeger
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Teil 6
Rz. 138
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
stellung interner Bewerber gegenüber externen und solchen Beschäftigten, die eine Führungsposition auf Dauer zugewiesen bekommen bzw. denen diese Tätigkeit nur vorübergehend nach allgemeinen Kriterien zugewiesen wurde. Diese Besserstellung schafft umgekehrt eine finanzielle Hürde für die Arbeitgeber. Zum anderen bietet sie internen Bewerbern einen finanziellen Anreiz, sich um eine Führungsposition auf Zeit überhaupt zu bewerben.
VII. Befristung nach dem WissZeitVG 138
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) enthält im Wesentlichen Regelungen über die befristete Beschäftigung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die Regelungen gelten für die Qualifizierungsphase und für den Fall, dass eine Beschäftigung aus Drittmitteln finanziert wird. Es ist am 18.4.2007 in Kraft getreten und hat die bisherigen Sonderregelungen des Hochschulrahmengesetzes für die Qualifizierungsphase (§§ 57a ff. HRG) im Wesentlichen übernommen sowie eine neue Möglichkeit zur befristeten Beschäftigung über die Qualifizierungsphase hinaus eingeführt, wenn der Beschäftigte bei einem zeitlich begrenzten, überwiegend durch Drittmittel finanzierten Projekt mitarbeiten soll. 1. Institutioneller Anwendungsbereich
139
Im Rahmen des persönlichen Geltungsbereichs gilt § 1 Abs. 1 WissZeitVG unmittelbar für Personal an Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Bestimmte Vorschriften gelten nach § 4 WissZeitVG entsprechend für Personal an nach Landesrecht staatlich anerkannten Hochschulen. Nach § 5 WissZeitVG gelten diese Vorschriften auch entsprechend für Personal an staatlichen Forschungseinrichtungen sowie an überwiegend staatlich, an institutionell überwiegend staatlich oder auf der Grundlage von Art. 91b GG finanzierten Forschungseinrichtungen. Schließlich erklärt § 3 WissZeitVG diese Bestimmungen für einen befristeten Arbeitsvertrag, den ein Mitglied einer Hochschule, das Aufgaben seiner Hochschule selbständig wahrnimmt, zur Unterstützung bei der Erfüllung dieser Aufgaben mit überwiegend aus Mitteln Dritter vergütetem Personal abschließt (Privatdienstvertrag), für entsprechend anwendbar. a) Staatliche Hochschulen
140
In erster Linie findet das Gesetz Anwendung an nach Landesrecht staatlichen Hochschulen. Staatliche Hochschulen sind alle Einrichtungen, die in den Hochschulgesetzen der Länder als solche bezeichnet und zumeist enumerativ aufgezählt sind1.
1 Preis, WissZeitVG, § 1 Rz. 4 mwN auf das Landesrecht.
660 Groeger
VII. Befristung nach dem WissZeitVG
Rz. 143
Teil 6
In den Ländern, in denen die Universitätsklinika nicht mehr Einrichtungen der Hochschulen, sondern rechtlich verselbständigt sind, kommt es darauf an, wer Vertragsarbeitgeber ist. Besteht das Arbeitsverhältnis zwischen dem wissenschaftlichen Personal und der staatlichen Hochschule, gilt § 1 Abs. 1 WissZeitVG. Besteht das Arbeitsverhältnis mit dem Rechtsträger des Universitätsklinikums, kommt es darauf an, ob der Rechtsträger die Voraussetzungen an eine Forschungseinrichtung nach § 5 WissZeitVG erfüllt1. Nach § 2 Abs. 1 der Universitätsklinikum-Verordnung (UKVONW) dient das Universitätsklinikum dem Fachbereich Medizin der Universität zur Erfüllung seiner Aufgaben in Forschung und Lehre. Es nimmt Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen wahr. Es gewährleistet die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre und dient der ärztlichen Fort- und Weiterbildung sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals. Es nimmt diese Aufgaben als eigene hoheitliche Aufgaben wahr. Insbesondere die Deklarierung dieser Aufgaben als eigene Aufgaben spricht dafür, dass die Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen Forschungseinrichtungen iSv. § 5 WissZeitVG sein können. Im Übrigen gilt das ÄArbVtrG. b) Staatlich anerkannte Hochschulen Die nicht staatlichen Hochschulen bedürfen, um unter das WissZeitVG zu 141 fallen, der staatlichen Anerkennung. Das erfordert § 4 WissZeitVG. Die Anerkennung selbst richtet sich ebenfalls nach Landesrecht und kann durch Gesetz oder durch Verwaltungsakt erfolgen2. Unter § 4 WissZeitVG fallen insbesondere die Hochschulen der Bundeswehr, die Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft und staatlich anerkannte private Hochschulen3. c) Staatliche Forschungseinrichtungen Was staatliche Forschungseinrichtungen sind, ist gesetzlich nicht definiert. 142 Für die Frage, ob es sich um eine staatliche Einrichtung handelt, ist die Trägerschaft bzw. Eigentümerstellung maßgeblich4. Darunter können nur Einrichtungen fallen, deren Träger bzw. Eigentümer der Bund und/oder ein oder mehrere Länder oder andere, ausländische Staaten sind. Forschungseinrichtungen müssen, in Abgrenzung zu Hochschulen, keine 143 Lehraufgaben wahrnehmen, sondern können sich ausschließlich Forschungsaufgaben widmen5. Nicht erforderlich ist, dass die Einrichtung neben der Wahrnehmung von Forschungsaufgaben keine anderen Aufgaben wahrnimmt. Eine derartige Ausschließlichkeit lässt sich dem Gesetz nicht 1 2 3 4 5
Preis, WissZeitVG, § 1 Rz. 6; ErfK/Müller-Glöge, § 1 WissZeitVG Rz. 9. Preis, WissZeitVG, § 4 Rz. 2. Preis, WissZeitVG, § 4 Rz. 3. APS/Schmidt, § 5 WissZeitVG Rz. 2. APS/Schmidt, § 5 WissZeitVG Rz. 2. Groeger
661
Teil 6
Rz. 144
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
entnehmen. Der betriebliche Bereich ist vielmehr weit gefasst und erfordert nach dem Wortlaut nicht einmal, dass die Forschungseinrichtung überwiegend Forschungszwecken dient. Entscheidend dürfte insoweit sein, ob die Wahrnehmung von Forschungsaufgaben der Einrichtung das Gepräge gibt. d) Überwiegend staatlich finanzierte Forschungseinrichtungen 144
Überwiegend staatlich finanzierte Forschungseinrichtungen iSv. § 5 WissZeitVG (1. Alternative) sind Forschungseinrichtungen, bei denen mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen staatlich finanziert wird1.
145
Institutionell überwiegend staatlich finanziert (2. Alternative) sind solche Forschungseinrichtungen, die zwar bezogen auf ihre Gesamteinnahmen nicht überwiegend staatliche Mittel erhalten, deren Grundfinanzierung jedoch überwiegend aus staatlichen Haushalten entstammt2.
146
Auf der Grundlage von Art. 91b GG geförderte Forschungseinrichtungen (3. Alternative) sind solche, die auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung Forschungsförderung zwischen Bund und Ländern gefördert werden3. Zum Teil wird insoweit auf den Bundesbericht Forschung und die darin aufgeführten Forschungseinrichtungen hingewiesen4. Allgemein zählt man darunter die in der Hermann-von-Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren zusammengeschlossenen Forschungseinrichtungen, die Institute der Max-Planck-Gesellschaft, Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft sowie die in der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz zusammengeschlossenen Forschungsinstitute5. e) Privatdienstvertrag
147
Bei einem Privatdienstvertrag iSv. § 3 WissZeitVG ist Arbeitgeber nicht eine Hochschule oder Forschungseinrichtung, sondern ein Mitglied einer Hochschule, das Aufgaben seiner Hochschule selbständig wahrnimmt. Wer Mitglied einer Hochschule ist und Aufgaben seiner Hochschule selbständig wahrnimmt, richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht. Zu diesem Personenkreis zählen nicht nur Professoren, sondern können auch andere wissenschaftlich tätige Personen gehören6. Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass Professoren und Juniorprofessoren einer Hochschule die Aufgaben der Hochschule regelmäßig selbständig wahrnehmen7.
148
Der befristete Arbeitsvertrag muss zwischen dem Mitglied der Hochschule und einem wissenschaftlichen oder künstlerischen Mitarbeiter abgeschlos1 2 3 4 5 6 7
Preis, WissZeitVG, § 5 Rz. 5; APS/Schmidt, § 5 WissZeitVG Rz. 3. Preis, WissZeitVG, § 5 Rz. 6; APS/Schmidt, § 5 WissZeitVG Rz. 3. Preis, WissZeitVG, § 5 Rz. 7; APS/Schmidt, § 5 WissZeitVG Rz. 3. APS/Schmidt, § 5 WissZeitVG Rz. 3. Preis, WissZeitVG, § 5 Rz. 7; APS/Schmidt, § 5 WissZeitVG Rz. 3. Preis, WissZeitVG, § 3 Rz. 5–14. Preis, WissZeitVG, § 3 Rz. 6; APS/Schmidt, § 3 WissZeitVG Rz. 3.
662 Groeger
VII. Befristung nach dem WissZeitVG
Rz. 152
Teil 6
sen werden zur Unterstützung bei der Erfüllung der Aufgaben der Hochschule durch das Mitglied dieser Hochschule. Die Vergütung muss überwiegend aus Mitteln Dritter erfolgen. Weder Mittel der Hochschule noch Mittel des Arbeitgebers sind Drittmittel1. Auch wenn die Hochschule die Mittel im sog. Verwahrkontenverfahren verwaltet, entsteht hierdurch kein (mittelbares) Arbeitsverhältnis zu Hochschule2.
149
2. Persönlicher Anwendungsbereich Die Möglichkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 2 Abs. 1 Wiss- 150 ZeitVG besteht nur mit dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG genannten Personal. Dabei handelt es sich um das wissenschaftliche und künstlerische Personal mit Ausnahme der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer. Die Unterscheidung zwischen wissenschaftlichem und nichtwissenschaftlichem Personal gilt durch entsprechende Bezugnahme auch in den §§ 5 und 6 WissZeitVG sowie in § 4 WissZeitVG, dort unter Einschluss des künstlerischen und nichtkünstlerischen Personals. Das Gesetz definiert den Begriff des wissenschaftlichen und künstlerischen 151 Personals nicht. Es schließt lediglich negativ, dem Qualifizierungsgedanken des Sonderbefristungsrechts entsprechend, die Ebene der Hochschullehrer/innen vom Geltungsbereich aus. Entscheidend für die Zuordnung ist, ob Beschäftigte wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeiten zu verrichten haben. Auf die Bezeichnung der Personalkategorien kommt es hingegen nicht an3. Für die Bestimmung des Inhalts der zu verrichtenden Tätigkeiten ist auf den Arbeitsvertrag abzustellen. Bei Mischtätigkeiten muss das Erbringen wissenschaftlicher/künstlerischer Dienstleistungen das Arbeitsverhältnis prägen. Wird der Arbeitnehmer nicht vertragsgemäß beschäftigt, kann die Befristung nicht auf das WissZeitVG gestützt werden, wenn ein solcher Einsatz bereits bei Vertragsabschluss absehbar war4. Für Einzelheiten, welche Personalkategorien typischerweise zum wissenschaftlichen und künstlerischen Personal gezählt werden können, wird auf die einschlägigen Kommentierungen hingewiesen5. Die Befristung eines Arbeitsvertrages, der überwiegend aus Drittmitteln fi- 152 nanziert wird, ist unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 WissZeitVG auch mit nichtwissenschaftlichen und nichtkünstlerischen Beschäftigten zulässig.
1 2 3 4 5
Preis, WissZeitVG, § 3 Rz. 20; APS/Schmidt, § 3 WissZeitVG Rz. 5. Preis, WissZeitVG, § 3 Rz. 22; APS/Schmidt, § 3 WissZeitVG Rz. 6. APS/Schmidt, § 1 WissZeitVG Rz. 11. APS/Schmidt, § 1 WissZeitVG Rz. 16. Ausführlich Preis, WissZeitVG, § 1 Rz. 9–37; APS/Schmidt, § 1 WissZeitVG Rz. 10–23. Groeger
663
Teil 6
Rz. 153
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
3. Befristungsdauer 153
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Promotion können nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG für maximal sechs Jahre befristet beschäftigt werden, auch dann, wenn sie in dieser Zeit keine Promotion anstreben.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG ist nach abgeschlossener Promotion eine Befristungshöchstgrenze von sechs Jahren, im Bereich der Medizin von neun Jahren zulässig. Wichtig ist, dass eine Promotionsphase von weniger als sechs Jahren honoriert wird, ungeachtet dessen, ob sie innerhalb oder ganz oder teilweise außerhalb eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach Abs. 1 Satz 1 absolviert wurde. Die „eingesparte“ Zeit in der Promotionsphase führt zur entsprechenden Verlängerung der maximalen Befristungsdauer in der Postdoc-Phase, § 2 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WissZeitVG.
155
Die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer verlängert sich bei der Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind, und zwar für jeden Elternteil. 4. Anrechnung von Beschäftigungszeiten
156
Auf die Befristungsdauer werden gemäß § 2 Abs. 3 WissZeitVG alle befristeten Arbeitsverhältnisse angerechnet, die nach dem Abschluss des Studiums liegen und mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit mit einer deutschen Hochschule, einer Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG oder als Privatdienstvertrag gemäß § 3 WissZeitVG abgeschlossen wurden, oder entsprechende Beamtenverhältnisse auf Zeit, unabhängig davon, ob die Arbeitsverhältnisse aufgrund des WissZeitVG oder anderer Rechtsvorschriften befristet abgeschlossen wurden. 5. Drittmittel
157
Nach § 25 Abs. 1 HRG sind Hochschulmitglieder berechtigt, auch solche Forschungsvorhaben durchzuführen, die nicht aus Haushaltsmitteln der Hochschule finanziert werden1. Drittmittel sind daher solche, die der Hochschule oder der Forschungseinrichtung iSv. § 5 WissZeitVG außerhalb ihrer regulären Haushaltsmittel zufließen2.
158
Für die Rechtfertigung einer befristeten Beschäftigung bei Drittelmittelfinanzierung müssen nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG drei Voraussetzungen erfüllt sein:
159
Die Beschäftigung muss überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert werden. Die Finanzierung muss für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt sein. Der Mitarbeiter muss überwiegend der Zweckbestimmung der Drittmittel entsprechend beschäftigt werden. 1 Zu den strafrechtlichen Grenzen beim Einwerben von Drittmitteln s. BGH v. 25.2.2003 – 5 StR 563/02, NStZ-RR 2003, 171, v. 23.10.2002 – 1 StR 541/01, NJW 2003, 763. 2 Preis, WissZeitVG, § 2 Rz. 62; APS/Schmidt, § 2 WissZeitVG Rz. 29.
664 Groeger
VII. Befristung nach dem WissZeitVG
Rz. 164
Teil 6
Nicht das Projekt als Ganzes, sondern die Beschäftigung muss überwie- 160 gend, d.h. zu mehr als 50 % aus Drittmitteln finanziert werden1. Auch insoweit wird nicht auf das Projekt beziehungsweise die innerhalb des Projekts beschäftigten Arbeitnehmer, sondern allein auf die Personalkosten des befristet Beschäftigten abgestellt2. Nach der bisherigen Rechtsprechung kam eine Drittmittelbefristung auch dann in Betracht, wenn es sich um Mittel handelte, die der Hochschule nach Abschluss eines Drittmittelprojekts zur freien Verfügung verblieben waren. Die Zweckbestimmung von Drittmitteln konnte in solchen Fällen auch von der Hochschule vorgenommen werden3. Offen ist, ob daran festgehalten werden kann4. Die Finanzierung aus Drittmitteln muss für eine bestimmte Aufgabe und 161 Zeitdauer bewilligt sein. Damit wird an die Rechtsprechung des BAG angeknüpft, wonach eine pauschale Bestimmung von Mitteln ohne konkrete und nachvollziehbare Zweckbindung nicht ausreichte5. Allerdings verlangt der Wortlaut des Gesetzes nicht, dass die Finanzierung anschließend wegfallen soll. Eine hinreichend sichere Prognose ist vielmehr bereits aufgrund der vom Drittmittelgeber vorgenommenen inhaltlichen und zeitlichen Bestimmung möglich. Auch wenn für länger konzipierte Forschungsvorhaben eine Finanzierung durch Drittmittel nur abschnittsweise erfolgt und die Entscheidung des Drittmittelgebers über die Fortsetzung der Förderung nach jedem Teilabschnitt erneut erfolgt, liegt eine hinreichend sichere Prognose über den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs vor6. Der oder die Beschäftigte muss überwiegend der Zweckbestimmung der 162 Drittmittel entsprechend beschäftigt werden. Die projektbezogene Tätigkeit muss zeitlich mehr als die Hälfte der Arbeitszeit umfassen. Im Rahmen der Drittmittelbefristung kann auch in das mit organisatorisch vorbereitenden, unterstützenden oder technischen Tätigkeiten betraute sonstige Personal befristet beschäftigt werden. Damit soll ein reibungsloser Ablauf der Projekte ermöglicht werden7.
163
6. Zitiergebot Nach § 2 Abs. 4 WissZeitVG ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Be- 164 fristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nicht auf Vorschriften des WissZeitVG gestützt werden.
1 2 3 4 5
Arnold/Gräfl/Rambach, WissZeitVG Rz. 46. APS/Schmidt, § 2 WissZeitVG Rz. 30. BAG v. 15.1.1997 – 7 AZR 158/96, NZA 1998, 29. Bejahend APS/Schmidt, § 2 WissZeitVG Rz. 29. Vgl. BAG v. 26.8.1988 – 7 AZR 101/88, ZTR 1988, 493, v. 15.1.1997 – 7 AZR 158/96, NZA 1998, 29. 6 In diesem Sinne APS/Schmidt, § 2 Rz. 32; kritischer Preis, § 2 Rz. 72; offen ErfK/ Müller-Glöge, § 2 WissZeitVG Rz. 11. 7 Näher APS/Schmidt, § 2 WissZeitVG Rz. 36. Groeger
665
Teil 6
Rz. 165
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
VIII. Befristung nach dem ÄArbVtrG 165
Das ÄArbVtrG regelt die Befristung von Arbeitsverträgen mit Ärzten in der Weiterbildung außerhalb von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, § 1 Abs. 6 ÄArbVtrG. Seine Bestimmungen gehen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätzen über befristete Arbeitsverträge vor, die nach § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG nur insoweit anzuwenden sind, als sie den Vorschriften der Abs. 1 bis 4 nicht widersprechen. Damit enthalten die Abs. 1 bis 4 zweiseitig zwingendes Recht, von dem auch zugunsten der Arbeitnehmer durch Tarifvertrag nicht abgewichen werden kann1. Die damit verbundene Einschränkung der Tarifautonomie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern durch das angestrebte Ziel der Sicherung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung durch qualifiziert ausgebildete Ärzte gerechtfertigt2. 1. Art der Befristung
166
Nach § 1 Abs. 2 Halbs. 2 ÄArbVtrG muss die Befristung kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Daraus folgt, dass zweckbefristete oder auflösend bedingte Arbeitsverträge nicht auf § 1 ÄArbVtrG gestützt werden können3. Das gilt auch für die in § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG vorgesehene Möglichkeit der Befristung. Auch insoweit muss die Befristung kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. 2. Befristungsgrund
167
Ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem Arzt rechtfertigt, liegt nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG vor, wenn die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt oder dem Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt oder dem Erwerb einer Zusatzbezeichnung, des Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung dient. Im Rahmen einer derart zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung kann der Arzt auch mit anderen Tätigkeiten betraut werden. Diese dürfen jedoch nicht die Weiterbildung beeinträchtigen4. 3. Dauer der Befristung
168
§ 1 Abs. 3 ÄArbVtrG regelt sowohl die Mindest- als auch die Höchstbefristungsdauer.
1 2 3 4
APS/Schmidt, ÄArbVtrG Rz. 9. APS/Schmidt, ÄArbVtrG Rz. 11. APS/Schmidt, ÄArbVtrG Rz. 26. APS/Schmidt, ÄArbVtrG Rz. 15.
666 Groeger
VIII. Befristung nach dem ÄArbVtrG
Rz. 172
Teil 6
a) Mindestdauer Die Befristung darf nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG den Zeitraum nicht 169 unterschreiten, für den der weiterbildende Arzt die Weiterbildungsbefugnis besitzt. Auf einen früheren Zeitpunkt darf der Arbeitsvertrag nur dann befristet werden, wenn zu diesem früheren Zeitpunkt der weiterzubildende Arzt den von ihm nachgefragten Weiterbildungsabschnitt beendet oder die Voraussetzungen für die Anerkennung im Gebiet, Schwerpunkt, Bereich sowie für den Erwerb eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung vorliegen. Die Befristung zu einem dieser früheren Zeitpunkte setzt jedoch voraus, dass das Erreichen der Voraussetzungen bei Vertragsabschluss konkret absehbar ist. Denn auch in diesem Fall muss die Befristung kalendermäßig bestimmt oder bestimmt war sein und ist eine Zweckbefristung nicht zulässig1. b) Höchstdauer § 1 Abs. 2 ÄArbVtrG regelt, dass sich die Dauer der Befristung des Arbeits- 170 vertrages im Rahmen der Abs. 3 und 4 ausschließlich nach der vertraglichen Vereinbarung bestimmt. Da nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ÄArbVtrG der Arbeitsvertrag auf die notwendige Zeit für den Erwerb der Anerkennung als Facharzt oder den Erwerb einer Zusatzbezeichnung, höchstens bis zur Dauer von acht Jahren, befristet abgeschlossen werden kann, folgt daraus, dass für die Frage, welche Zeiten notwendig sind, ausschließlich die vertragliche Vereinbarung maßgeblich ist. Zwar bestimmt sich die idR erforderliche Zeit nach den Ausbildungsverordnungen der jeweiligen Landesärztekammern; gleichwohl können diese Zeiten im Hinblick auf die klare Aussage des Gesetzes in § 1 Abs. 2 ÄArbVtrG nur Anhaltspunkte dafür sein, ob die Arbeitsvertragsparteien missbräuchlich von den Möglichkeiten der Befristung nach § 1 ÄArbVtrG Gebrauch gemacht haben. c) Verlängerungen Wird die Weiterbildung im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung abgeleistet 171 und verlängert sich der Weiterbildungszeitraum hierdurch über die zeitlichen Grenzen der Sätze 1 und 2 des § 1 ÄArbVtrG hinaus, so können diese nach Satz 3 um die Zeit dieser Verlängerung überschritten werden. Außerdem werden bestimmte, in § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG aufgeführte Zeiten 172 der Unterbrechung auf die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages nicht angerechnet, sofern der zur Weiterbildung beschäftigte Arzt dies verlangt. In diesem Fall unterliegt der Arbeitgeber einem Kontrahierungszwang. Der Anspruch auf Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages muss durch eine Leistungsklage geltend gemacht werden2.
1 APS/Schmidt, ÄArbVtrG Rz. 19. 2 APS/Schmidt, ÄArbVG Rz. 22. Groeger
667
Teil 6
Rz. 173
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
d) Mehrere befristete Arbeitsverträge 173
Eine Weiterbildung iSv. § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG muss nicht im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages erfolgen. Sie kann auch auf mehrere befristete Arbeitsverträge verteilt werden. In diesem Fall dürfen die befristeten Arbeitsverträge insgesamt die zeitlichen Grenzen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ÄArbVtrG nicht überschreiten, § 1 Abs. 3 Satz 4 ÄArbVtrG.
IX. Besondere tarifvertragliche Regelungen § 30 TV-Ärzte 174
Ähnlich § 30 Abs. 1 Satz 1 TVöD/TV-L bestimmt § 30 Abs. 1 Satz 1 TVÄrzte deklaratorisch, dass befristete Arbeitsverträge nach den gesetzlichen Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverträgen zulässig sind. Ergänzend lautet Satz 2, dass dabei eine ausgewogene Abwägung zwischen den dienstlichen Notwendigkeiten einerseits und den berechtigten Interessen der betroffenen Ärzte andererseits erfolgen soll.
175
Gemäß § 30 Abs. 2 TV-Ärzte ist beim Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit besonders kurzen Vertragslaufzeiten auch das Interesse der Ärzte an einer notwendigen Planungssicherheit zu berücksichtigen. Bei befristeten Beschäftigungen nach dem HRG (WissZeitVG) bzw. einer gesetzlichen Nachfolgeregelung mit dem Zweck der Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt (ÄArbVtrG) soll der erste Vertrag möglichst für eine Laufzeit von nicht weniger als zwei Jahren und der weitere Vertrag bis zum Ende der Mindestweiterbildungszeit geschlossen werden. Sachliche Gründe können eine kürzere Vertragslaufzeit erfordern.
X. Personalvertretungsrechtliche Besonderheiten 1. LPersVG NW 176
Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW (aF) hatte der Personalrat bis zum 17.10.2007 bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen mitzubestimmen. Eine Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, kann nach § 66 Abs. 1 LPVG NW nur mit seiner Zustimmung getroffen werden. Unterliegt eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats, hat der Leiter der Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme zu unterrichten und seine Zustimmung zu beantragen (§ 66 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW). Der Arbeitgeber war dabei nicht verpflichtet, gegenüber dem Personalrat unaufgefordert das Vorliegen des Sachgrunds für die Befristung im Einzelnen darzulegen. Vielmehr genügte er zunächst seiner Unterrichtungspflicht, wenn für den Personalrat der Sachgrund seiner Art nach hinreichend deutlich wurde1. Zu diesen Angaben, die zumindest die typisierende Bezeichnung des Befristungsgrunds umfassen müssen, war der Arbeitgeber auch ohne besondere Aufforderung des Personalrats verpflichtet, da der Personalrat diese Informationen zur ordnungsgemäßen Wahrneh1 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2.
668 Groeger
X. Personalvertretungsrechtliche Besonderheiten
Rz. 179
Teil 6
mung seines Mitbestimmungsrechts nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW (aF) benötigte. Dieses Mitbestimmungsrecht diente dem Schutz des Arbeitnehmers und sollte dessen Interesse an dauerhaften arbeitsvertraglichen Bindungen Rechnung tragen1. Der Personalrat sollte prüfen, ob die beabsichtigte Befristung nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle wirksam ist. Außerdem sollte er auch bei Vorliegen einer Rechtfertigung für die Befristung darauf Einfluss nehmen können, ob im Interesse des Arbeitnehmers von einer Befristung abgesehen oder wegen der dem Arbeitnehmer zugewiesenen Arbeitsaufgaben oder der in Aussicht genommenen Befristungsgründe eine längere Vertragslaufzeit vereinbart werden kann. Dazu war zumindest eine typisierende Benennung des Befristungsgrunds gegenüber dem Personalrat erforderlich. Hielt der Personalrat diese Mitteilung nicht für ausreichend, konnte er 177 nach § 66 Abs. 2 Satz 2 LPVG NW verlangen, dass der Dienststellenleiter die beabsichtigte Maßnahme begründet. Sofern der Personalrat beabsichtigte, der Maßnahme nicht zuzustimmen, hatte er dies innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Aufforderung dem Leiter der Dienststelle mitzuteilen. In diesem Fall war die beabsichtigte Maßnahme mit dem Ziel der Verständigung zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem Personalrat zu erörtern (§ 66 Abs. 2 Satz 3 LPVG NW). Der Beschluss des Personalrats über die beantragte Zustimmung war dem Leiter der Dienststelle – sofern eine Erörterung stattfindet – innerhalb von zwei Wochen nach dem Tag der Erörterung mitzuteilen (§ 66 Abs. 3 Satz 1 LPVG NW). Eine Zustimmung des Personalrats zu den aus Sicht der Dienststelle die Befristung tragenden Gründen war personalvertretungsrechtlich nicht erforderlich. Zustimmungspflichtige Maßnahme iSd. § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NW war nur die beabsichtige Befristung des Arbeitsverhältnisses, nicht die hierfür gegebene Begründung2.
178
2. LPVG Hamburg Nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG HH hat der Personalrat bei der Befristung 179 von Arbeitsverhältnissen mitzubestimmen. Eine der Mitbestimmung des Personalrates unterliegende Maßnahme kann gemäß § 61 Abs. 1 LPVG HH nur mit seiner vorherigen Zustimmung getroffen werden. Das Verfahren ist in § 61 Abs. 3 LPVG HH geregelt. Danach unterrichtet der Leiter der Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme und beantragt seine Zustimmung. Der Personalrat kann verlangen, dass der Leiter der Dienststelle die beabsichtigte Maßnahme begründet; der Personalrat kann jedoch, da es sich um eine Personalangelegenheit handelt, keine schriftliche Begründung verlangen. Der Beschluss des Personalrates über die beantragte Zustimmung ist dem Leiter der Dienststelle innerhalb von zehn Arbeitstagen mitzuteilen. In dringenden Fällen kann der Leiter der Dienststelle diese Frist auf drei Arbeitstage abkürzen. Die Maßnahme gilt 1 BAG v. 8.7.1998 – 7 AZR 308/97, AP § 72 LPVG NW Nr. 18. 2 BAG v. 14.2.2007- 7 AZR 193/06, AP § 14 TzBfG Haushalt Nr. 2. Groeger
669
Teil 6
Rz. 180
Das befristete Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst
als gebilligt, wenn der Personalrat nicht innerhalb der genannten Frist die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert. Versäumt der Personalrat diese Fristen, gilt die Zustimmung nach § 63 Abs. 4 LPVG HH als erteilt. 3. LPVG Brandenburg 180
Nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 LPVG Brandenburg steht dem Personalrat bei der Vereinbarung befristeter Arbeitsverhältnisse ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Missachtung des Mitbestimmungsrechts führt zur Unwirksamkeit der Befristung1. 4. Thür PersVG
181
Nach § 75 Abs. 1 Nr. 3 ThürPersVG hat der Personalrat bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses eingeschränkt mitzubestimmen. Die eingeschränkte Mitbestimmung bedeutet nach § 76 Abs. 3 ThürPersVG, dass der Personalrat die Zustimmung nur verweigern kann, wenn entweder die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Rechtsverordnung, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, eine gerichtliche Entscheidung, den Frauenförderplan oder eine Verwaltungsanordnung verstößt oder die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass durch die Maßnahme der betroffene Beschäftigte oder andere Beschäftigte benachteiligt werden, ohne dass dies aus dienstlichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist, oder die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der Beschäftigte oder Bewerber den Frieden in der Dienststelle durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten stören werde. Auf eine abweichende Qualifikationsbeurteilung kann der Personalrat die Verweigerung seiner Zustimmung nicht stützen. 5. LPersVG Rheinland Pfalz
182
§ 78 Abs. 2 Nr. 2 LPersVG Rh.-Pf. bestimmt, dass der Personalrat bei der Zeit- oder Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses, ausgenommen im Hochschulbereich, mitbestimmt. Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, kann sie gemäß § 74 Abs. 1 LPersVG Rh.-Pf. nur mit seiner Zustimmung getroffen werden. Ist das Mitbestimmungsverfahren nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und stimmt der Personalrat bei nachgeholter Befassung nicht zu, ist die Maßnahme, soweit nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, rückgängig zu machen. Die Zustimmung des Personalrats nach § 78 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 74 Abs. 1 Satz 1 LPersVG Rh.-Pf. ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses2.
1 BAG v. 9.6.1999 – 7 AZR 170/98, NZA 2000, 109. 2 LAG Rh.-Pf. v. 30.6.2005 – 1 Sa 1020/04, NZA-RR 2006, 107; v. 28.2.2001 – 9 Sa 1451/00, NZA-RR 2002, 166.
670 Groeger
X. Personalvertretungsrechtliche Besonderheiten
Rz. 186
Teil 6
6. LPVG Niedersachsen Gemäß § 65 Abs. 2 Nr. 4 LPVG Niedersachsen stimmt der Personalrat bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages mit. Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, bedarf sie gemäß § 68 Abs. 1 LPVG Niedersachsen seiner Zustimmung. Danach unterliegt aber nicht die Befristungsabrede der Mitbestimmung, so dass die Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages nicht zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede führt1.
183
7. LPVG Mecklenburg Vorpommern § 68 Abs. 1 Nr. 8 LPVG MV bestimmt, dass der Personalrat bei der Verlän- 184 gerung eines befristeten Arbeitsvertrages mitbestimmt. Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, kann sie nach § 62 Abs. 1 LPVG MV nur mit seiner Zustimmung getroffen werden. Der Personalrat hat aber nicht grundsätzlich bei der Frage mitzubestimmen, ob ein Arbeitsvertrag befristet oder unbefristet abzuschließen ist2. 8. LPVG Baden Württemberg § 79 Abs. 3 Nr. 15 LPVG bestimmt, dass der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen hat über Personalangelegenheiten der Arbeitnehmer bei der Zeit- oder Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses. Ein Verstoß gegen dieses Mitbestimmungsrecht führt zur Unwirksamkeit der Maßnahme, also der Befristung, § 69 Abs. 1 LPVG3.
185
9. MBG Schleswig Holstein Trotz der sog. Allzuständigkeit des Personalrats nach dem Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein (§ 2 Abs. 1 MBG Schl.-Holst.) bedarf die Befristungsabrede als solche (neben der Einstellung als personeller Maßnahme) keiner gesonderten Zustimmung des Personalrats4.
1 2 3 4
LAG Nds. v. 5.12.2002 – 4 Sa 610/02, ZTR 2003, 531. LAG MV v. 27.11.2003 – 1 Sa 205/03, juris. LAG BW v. 15.2.2007 – 3 Sa 50/06, juris. LAG Schl.-Holst. v. 25.7.2006 – 5 Sa 98/06, ZTR 2007, 156. Groeger
671
186
Teil 7 Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung Rz. I. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage. . . . . . . . . 1. Die Rechtslage unter Geltung des BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen, des MTArb/ MTArb-O sowie des BMT-G-II/ BMT-G-O/TV Arbeiter-Ostdeutsche Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vergütung der Angestellten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vergütung der Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . c) Die Vergütung der Arbeiterinnen und Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtslage unter Geltung des TVöD iVm. dem TVÜ-Bund und dem TVÜ-VKA sowie des TV-L iVm. dem TVÜ-Länder . . . . a) Der TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der TV-L . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die neuen Entgelttabellen . . . d) Die Überleitungstarifverträge . aa) Der Grundsatz der Fortgeltung der „alten“ Eingruppierungsregelungen . . . . . . bb) Die Ausnahmen vom Grundsatz der Fortgeltung der „alten“ Eingruppierungsregelungen . . . . . . . . cc) Die Differenzierung zwischen den überzuleitenden/übergeleiteten Beschäftigten und den Neueinstellungen . . . . . . . (1) Die überzuleitenden/ übergeleiteten Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Neueinstellungen und die Neueingruppierungen . . . . . . . . . . . dd) Die Eingruppierungen ab dem 1.10.2005 bzw. 1.11.2006 . . . . . . . . . . . . . . e) Die neue „alte“ Rechtslage . . . III. Die Grundsätze der Eingruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz der Tarifautomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 5
5 6 8
10
12 12 14 16 22 23
24
25 26 28 29 33 34 34
Rz. 2. Die „auszuübende bzw. übertragene Tätigkeit“ als Bestimmungsfaktor der tariflichen Eingruppierung . . a) Die wirksam zugewiesene Tätigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Veränderung der Tätigkeit des Beschäftigten ohne Mitwirkung des Arbeitgebers . . . . . . . . . 3. Die nicht nur vorübergehend zugewiesene Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Übertragung einer Tätigkeit zur nicht nur vorübergehenden Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besitzstands- und Übergangsregelungen . . . . . . . . . . . bb) Die höherwertige Tätigkeit . cc) Die Voraussetzungen und die Zulässigkeit der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit . . . . (1) Die doppelte Billigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mehrmalige Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit . . . . . . . . . . (3) Die Form der Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Beispiele aus der Rechtsprechung des BAG zur vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die gesamte Tätigkeit zählt . . . . . . . a) Die für die Eingruppierung unerheblichen Kriterien . . . . . . . . . . . b) Der Arbeitsvorgang als maßgebliche Bewertungseinheit . . . . . . . aa) Die Feststellung der Arbeitsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bewertung der Arbeitsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungs- bzw. Entgeltordnung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zusammenfassende Beurteilung aller Arbeitsvorgänge im Rahmen der Bewertung . . . . . . . . . . . . .
Schlewing
40 42 44 47 49 52 54 55
57 58 62 63
65 73 76 77 81 85
86
88
673
Teil 7
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung Rz.
(3) Die Feststellung des zeitlichen Anteils . . . . cc) Die Bewertung der gesamten Tätigkeit . . . . . . . . . . . 5. Die Lücke in der Vergütungsbzw. Entgeltordnung. . . . . . . . . . . IV. Die Höhergruppierung . . . . . . . . . 1. Die Ursachen der Höhergruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Hineinwachsen in eine höherwertige Tätigkeit ohne Zutun des Arbeitgebers . . . . . . c) Die billigem Ermessen nach § 315 BGB nicht entsprechende vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach §§ 14 TVöD/TV-L d) Die falsche Eingruppierung des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . 2. Der „Anspruch auf Höhergruppierung“ außerhalb der Tarifautomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Anspruch auf ein höheres Entgelt aus dem Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der „Anspruch auf Höhergruppierung“ aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . c) Der Schadensersatzanspruch bei Nichthinweis des Arbeitgebers auf Herabgruppierung einer ausgeschriebenen Stelle . d) Der Schadensersatzanspruch des übergangenen Beförderungsbewerbers. . . . . . . . . . . aa) Das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Anspruch auf Beförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Anspruch des übergangenen Bewerbers auf Schadensersatz . . . . . . . . . . (1) Die Ausnahme vom Grundsatz der Entschädigung . . . . . . . . . . (2) Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . .
674 Schlewing
90 91 93 97 99 100 101
102 103 104 105
106
110 112 114 117 119 120
Rz. (3) Kein Anspruch auf Schadensersatz, wenn der übergangene Bewerber nicht die Kriterien des vom öffentlichen Arbeitgeber erstellten Anforderungsprofils erfüllt . . . . . . 124 (4) Kein Schadensersatzanspruch, wenn der übergangene Bewerber nicht der „Bestgeeignete“ war. . . . . . . . . . . . . . 127 V. Die Herabgruppierung . . . . . . . . . . . 128 1. Die Herabgruppierung durch Zuweisung einer geringer zu bewertenden Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Die Herabgruppierung infolge einer Veränderung der Wertigkeit der Tätigkeit ohne Übertragung einer anderen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Die korrigierende Rückgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale und Begriffe der Anlage 1a zum BAT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Der Aufbau der Anlage 1a . . . . . . . . 139 2. Die Struktur/Art der wichtigsten Tätigkeitsmerkmale des Teils I der Anlage 1a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Die Rechtsprechung des BAG zu Definition und Auslegung der wichtigsten Tätigkeitsmerkmale des Teil I der Anlage 1a . . . . . . . . . . . 149 a) Gründliche Fachkenntnisse . . . . 149 b) Gründliche und vielseitige Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Gründliche, umfassende Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Selbständige Leistungen . . . . . . . 155 e) Besonders verantwortungsvolle Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 f) Die besonderen Leistungen . . . . . 158 g) Besondere Schwierigkeit und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 h) Das Maß der Verantwortung . . . . 165 i) Die Erfüllung des besonderen zeitlichen Ausmaßes der Tätigkeitsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . 167 j) Die sonstigen Angestellten . . . . . 172 VII. Die Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
122
VIII. Die Beteiligung des Personalrats bei der Ein- und Umgruppierung und der korrigierenden Rückgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
Teil 7
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
1. Die Mitbestimmungstatbestände a) Die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit . . . . b) Die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Höhergruppierung . . . . . . . d) Die Rückgruppierung . . . . . . . e) Die Eingruppierung . . . . . . . . . 2. Die Folgen der Verletzung der Beteiligungsrechte des Personalrats a) Die Mitbestimmung bei der Höher- und Rückgruppierung und der Eingruppierung . . . . . . b) Die Mitbestimmung bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Überleitung in die neuen Entgeltgruppen . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer im öffentlichen Dienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Eingruppierung von Lehrkräften im Geltungsbereich des BAT (West) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingruppierungsrichtlinien und Eingruppierungserlasse . . b) Die Geltung der Eingruppierungsrichtlinien und der Vergütungs- bzw. Eingruppierungserlasse im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . aa) Die Geltung der Eingruppierungsrichtlinien im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . bb) Die Geltung der Vergütungs- bzw. Eingruppierungserlasse im Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine unmittelbare Geltung . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Geltung vermittelt über den Grundsatz der „Selbstbindung der Verwaltung“ . (3) Geltung aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung . . . . . . . . . . . c) Die Auslegung von Eingruppierungsrichtlinien und Eingruppierungserlassen . . . . . . . . 2. Die Eingruppierung von Lehrkräften im Geltungsbereich des BAT-O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
186
b) Die tarifliche Verweisung „gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien“ . . . . . . . . . 228 aa) Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 315 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Die Eingruppierungsrichtlinien der TdL und die Arbeitgeber-Richtlinien. . . . . . . 233 cc) Die vertragliche Vereinbarung der Lehrer-Richtlinien-O der TdL bzw. von Arbeitgeber-Richtlinien. . . . . . . 238
186 188 189 191 193 194 195
197 200
203 205 206
211 211
214 214
215 216 219 224
X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Das besondere Feststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Die Bestimmtheit des Klageantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Die empfohlenen Klageanträge . . . . 253 4. Die Eingruppierungsfeststellungsklage außerhalb des öffentlichen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 5. Rechtskraftprobleme im Eingruppierungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Die Korrektur nach Rechtsbzw. Sachänderung . . . . . . . . . . . . 257 b) Die Korrektur ohne Rechtsbzw. Sachänderung . . . . . . . . . . . . 260 aa) Die Geltendmachung desselben Entgelts wie im rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozess . . . . . . . . . . . . 261 bb) Die Geltendmachung eines „noch höheren“ Entgelts nach stattgebender Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 263 cc) Die Geltendmachung einer höheren Vergütung nach einer die Klage abweisenden Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 265 6. Die Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess . . . . . . . . . . 267 a) Die Darlegungs- und Beweislast beim Höhergruppierungsverlangen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Darlegungen zu den persönlichen Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 bb) Darlegungen zu den sachlichen Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (1) Darlegungen zur Feststellung der Arbeitsvorgänge und ihres zeitlichen Ausmaßes . . . . . . . . 273
225
Schlewing
675
Teil 7
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung Rz.
Rz.
(2) Darlegungen zur Feststellung der tätigkeitsbezogenen tariflichen Merkmale . . . . . . . . . . . 277
b) Die Darlegungs- und Beweislast bei der korrigierenden Rückgruppierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 7. Verfall und Verjährung . . . . . . . . . . . 286 8. Der Streitwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Schrifttum: Anton, Oberarzt – Titel und Eingruppierung, ZTR 2008, 184; Behrendt/Gaumann/ Liebermann, Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H), ZTR 2009, 614; Bergwitz, Zur Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess, ZTR 2001, 539; Boemke/Sachadae, Die Anerkennung von Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung nach TV-L und TVöD, PersV 2008, 324; Böhle/Poschke, Das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst – Teil 2 –, Eine erste Übersicht mit besonderem Schwerpunkt auf Arbeitszeit, Entgelt und Eingruppierung, Überleitung sowie dem kommunalen Bereich, ZTR 2005, 286; Bredemeier/Neffke, Eingruppierung im BAT und BAT-O, 2001; Bredendiek/Bernd/Tewes, Neues Tarifrecht für den öffentlichen Dienst, ZTR 2005, 230; Fieg/Rothländer, Das ver.di-Modell einer Entgeltordnung zum TVöD und zum TV-L, ZTR 2008, 410; Freitag, Die Eingruppierung von Lehrkräften in den neuen Bundesländern, ZTR 1997, 257; Friedrich/Kloppenburg, Folgen rechtskräftiger Eingruppierungsentscheidungen, ZTR 2003, 314; Hock/Klapproth, Eingruppierung, Höhergruppierung und Stufenzuordnung im TVöD, ZTR 2006, 118; Kiefer, Zur Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess – eine Erwiderung, ZTR 2002, 454; Knörr, Eingruppierung der Oberärzte nach dem TV-Ärzte/VKA und dem TV/Ärzte, ZTR 2009, 50; Krasemann, Das Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O – Praxishandbuch zur Tätigkeitsbewertung, 8. Aufl. 2005; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L – Ansprüche und Verfahren im öffentlichen Dienst –, 2007; Kuner, Der neue TVöD – Allgemeiner Teil und TVÜ –, 2006; Kuner, Eingruppierung und Entgelt im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst, öAT 2010, 1; Kutzki, Der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Zeitenwende oder „alter Wein in neuen Schläuchen“?, FA 2005, 194; Litschen, Neues Tarifrecht für Ärzte – das doppelte Lottchen, ZTR 2007, 230; Marzona, Eingruppierung der Lehrer und Lehrerinnen, PersR 1999, 393; Müller/Preis, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst – mit TVöD und TV-L –, 7. Aufl. 2009; Rambach/Feldmann, AiP-Zeiten als anrechnungsfähige ärztliche Tätigkeit oder berücksichtigungsfähige Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit? Eine Bestandsaufnahme der tariflichen Neuregelungen des TV-Ärzte/TdL, ZTR 2008, 82; Richter/Gamisch, Am Anfang steht der „Arbeitsvorgang“ – Systematisierung und aktuelle Rechtsprechung, RiA 2009, 97; Rothländer, Neues Tarifrecht in Hessen, PersR 2009, 441; Sonntag/Bauer, Die Eingruppierung nach dem BAT, 8. Aufl. 2003; Steinherr, Auszuübende Tätigkeit, Eingruppierung und Direktionsrecht – eine Bestandsaufnahme anhand der Rechtsprechung des BAG, ZTR 2005, 303; Tamm, TVöD und BAT: Was hat sich geändert und was bleibt?, PersV 2006, 44; Wahlers, Die Eingruppierung der Oberärzte nach den neuen TV-Ärzte und TV-Ärzte/VKA, PersV 2008, 204; Zetl, Der neue Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder, ZMV 2006, 169; Zetl, Aktuelle Fragen der Eingruppierung in die „Niedriglohngruppe 1“, ZMV 2009, 68; Zetl, Die neuen Tarifregelungen im Sozial- und Erziehungsdienst und ihre Umsetzung in der Praxis, ZMV 2009, 295; Zimmerling, Zur Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess, ZTR 2002, 354; Zimmerling, Arbeitsrechtliche Konkurrentenklage und Eingruppierungsfeststellungsklage im öffentlichen Dienst, 1999.
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I. Einführung
Rz. 3
Teil 7
I. Einführung Die Eingruppierung, die Umgruppierung und die Rückgruppierung behal- 1 ten auch nach der Reform des Tarifrechts im öffentlichen Dienst ihre Bedeutung für die Entgeltfindung. Sie bleiben nicht nur unter Geltung der Überleitungstarifverträge – also für eine Übergangszeit bis zur Schaffung neuer Eingruppierungsvorschriften mit Entgeltordnung – der für die Entgelthöhe maßgebliche Anknüpfungspunkt; sowohl nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13.9.2005 (TVöD), als auch nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006 (TV-L) bleibt es dabei, dass die Höhe des Entgelts grundsätzlich nicht ausgehandelt wird, sondern von der Zugehörigkeit des Beschäftigten zu einer Entgeltgruppe (vormals Vergütungs- bzw. Lohngruppe) abhängt. Dabei wird unter Eingruppierung gerade diese Zugehörigkeit des Beschäftigten zu einer Entgeltgruppe (Vergütungs- bzw. Lohngruppe) verstanden. Bei der Eingruppierung handelt es sich nicht um einen rechtsgestaltenden Akt, insbesondere nicht um eine Willenserklärung des Arbeitgebers; sie ist vielmehr ein Akt der Rechtsanwendung und die Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses, nämlich die Zuordnung der Tätigkeit des Beschäftigten zu einem Tätigkeitsmerkmal/Tätigkeitsmerkmalen einer bestimmten Entgelt-/Vergütungs- bzw. Lohngruppe1.
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Demgegenüber ist die Umgruppierung die Feststellung des Arbeitgebers, 3 dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht – oder nicht mehr – der Entgelt-/Vergütungs- bzw. Lohngruppe entspricht, in der er eingruppiert ist, sondern einer anderen – ggfls. höheren oder niedrigeren – Gruppe zuzuordnen ist2. Anlass hierfür kann eine Änderung der Tätigkeit des Beschäftigten sein oder eine Änderung der Entgeltgruppenordnung. Auch die Überlegung des Arbeitgebers, die zu einer anderen Bewertung der Rechtslage geführt hat, kann Grund für die Umgruppierung sein3. Die Umgruppierung erfasst demnach im Wesentlichen die Herabgruppierung und die Höhergruppierung. Ein Sonderfall der Herabgruppierung ist die korrigierende Rückgruppierung. Ist die Tätigkeitsbewertung durch den Arbeitgeber nicht richtig vorgenommen worden und erhält der Beschäftigte infolgedessen eine zu hohe Vergütung, dann entspricht der tarifliche Ist-Zustand nicht dem tariflichen Soll-Zustand4. Der Arbeitgeber hat hier die Möglichkeit, den tarifwidrigen Zustand einseitig zu korrigieren, indem er dem Arbeitnehmer im Wege der korrigierenden Rückgruppierung mitteilt, dass er nunmehr tarifgerecht niedriger eingruppiert ist und demzufolge aus einer niedrigeren Gruppe eine geringere Vergütung erhält.
1 BAG v. 20.3.1990 – 1 ABR 20/89, NZA 1990, 699; BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 27.6.2000 – 1 ABR 36/99, NZA 2001, 626; BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286. 2 BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286. 3 BAG v. 20.3.1990 – 1 ABR 20/89, NZA 1990, 699. 4 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Ansprüche und Verfahren im öffentlichen Dienst, 2007, Rz. 760. Schlewing
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Teil 7
4
Rz. 4
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
Obgleich es sich auch bei der Umgruppierung letztlich um eine Eingruppierung handelt, lässt sich für das Verhältnis von Eingruppierung und Umgruppierung dennoch grundsätzlich folgende Faustformel festhalten: Die Eingruppierung ist die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Entgelt-, Vergütungs- bzw. Lohngruppe bei der Einstellung1. Die Umgruppierung ist demgegenüber ein Wechsel der Gruppe während des Laufs des Arbeitsverhältnisses und in dem Sinne eine Neu-Eingruppierung.
II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage 1. Die Rechtslage unter Geltung des BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen, des MTArb/MTArb-O sowie des BMT-G-II/BMT-G-O/TV Arbeiter-Ostdeutsche Sparkassen 5
Bis zum 1.10.2005 bzw. 1.11.2006 richteten sich die Rechtsverhältnisse der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst – sofern beide Parteien tarifgebunden waren oder die Geltung der Tarifverträge durch arbeitsvertragliche Bezugnahme- oder Verweisungsklausel vereinbart war – für die Angestellten nach dem BAT2/BAT-O3/BAT-Ostdeutsche Sparkassen4, für die Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder nach dem MTArb5/MTArb-O6 sowie für die Arbeiterinnen und Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe nach dem BMT-G II7/BMT-G-O8/TV Arbeiter-Ostdeutsche Sparkassen9.
1 Müller/Preis, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst mit TVöD und TV-L, 7. Aufl. 2009, Rz. 580. 2 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.2.1961, zuletzt geändert durch den 78. Tarifvertrag zur Änderung des Bundesangestelltentarifvertrages vom 31.1.2003. 3 Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT/O) vom 10.12.1990, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 13 vom 31.1.2003 zum Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT/O). 4 Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BATOstdeutsche Sparkassen) vom 21.1.1991. 5 Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 6.12.1995, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 4 vom 31.1.2003 zum Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb). 6 Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts für Arbeiter an den MTArb – (MTArb-O) vom 10.12.1990, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 11 vom 31.1.2003 zum Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts für Arbeiter an den MTArb – (MTArb-O). 7 Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe – BMT-G II – vom 31.1.1962. 8 Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe – (BMT-G-O) – vom 10.12.1990. 9 Tarifvertrag über die Anwendung von Tarifverträgen auf Arbeiter (TV ArbeiterOstdeutsche Sparkassen) vom 25.10.1990.
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II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage
Rz. 9
Teil 7
a) Die Vergütung der Angestellten Dabei setzte sich die Vergütung der Angestellten aus einer Grundver- 6 gütung und dem Ortszuschlag zusammen; die Beträge der Grundvergütung und des Ortszuschlags waren in einem besonderen Tarifvertrag (Vergütungstarifvertrag) vereinbart (§ 26 Abs. 1 und 3 BAT/BAT-O/BAT-O-Sparkassen). Zuzüglich der Zulagen und Zuschläge ergaben sich die Bezüge, § 36 BAT/BAT-O/BAT-O-Sparkassen. Im Hinblick auf die Grundvergütung (§ 27 BAT/BAT-O/BAT-O-Sparkassen) 7 war die Zugehörigkeit des Angestellten zu einer Vergütungsgruppe entscheidend. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O erhält der Angestellte Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist, wobei die Eingruppierung sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage 1a und 1b) zu richten hat, § 22 Abs. 1 Satz 1 BAT/BAT-O. Der Angestellte ist dabei in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte, von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht, § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT/BAT-O. Da nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen, ist zentraler Begriff der Tätigkeitsbewertung nach dem BAT nicht die Tätigkeit als solche, sondern der „Arbeitsvorgang“. b) Die Vergütung der Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder Im Hinblick auf die Vergütung der Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder bestimmte § 21 Abs. 3 MTArb/MTArb-O, dass ein Monatstabellenlohn zu zahlen war, der zuzüglich der ständigen Lohnzulagen zum Monatsregellohn (§ 21 Abs. 4 MTArb/MTArb-O) und zuzüglich der übrigen Zulagen und Zuschläge zum Monatslohn wurde (§ 21 Abs. 5 MTArb/ MTArb-O).
8
§ 22 MTArb sah vor, dass die Lohngruppen besonders vereinbart werden. Dies ist durch besondere Tarifverträge über das Lohngruppenverzeichnis geschehen, in deren § 2 Abs. 1 bestimmt ist, dass für die Einreihung in die Lohngruppe die mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszuübende Tätigkeit maßgebend ist, soweit sich aus den Tätigkeitsmerkmalen nichts anderes ergibt. Das Tarifvertragsrecht der Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder kannte mithin nicht den Begriff des „Arbeitsvorgangs“. Die Zuordnung zu einer Lohngruppe erfolgte vielmehr stets in Abhängigkeit von der zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit. Dies steht der Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit oder mehreren jeweils eine Einheit bildenden Teiltätigkeiten für deren jeweils einheitliche tarifliche Bewertung aber nicht entgegen. Dafür
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Teil 7
Rz. 10
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs, lediglich die anzuwenden Maßstäbe sind weniger streng1. c) Die Vergütung der Arbeiterinnen und Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe 10 Die Vergütung der Arbeiterinnen und Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe bestand nach § 20 BMT-G II/BMT-G-O iVm. Nr. 26a – 26c der Anlage zu § 67 ebenso aus einem Monatstabellenlohn (Nr. 26a), der zuzüglich der für alle Arbeitsstunden des Kalendermonats zustehenden Lohnzulagen zum Monatsgrundlohn (Nr. 26b) und zuzüglich der übrigen Zulagen und Zuschläge zum Monatslohn (Nr. 26c) wurde. Nach § 20 Abs. 1 BMT-G wurde der Lohn nach der Arbeitsleistung, der Art und den besonderen Umständen der Arbeit, dem Dienstalter und dem Lebensalter gebildet. 11 Im Rahmentarifvertrag zu § 20 Abs. 1 BMT-G II (Lohngruppen, Oberbegriffe der Lohngruppen) war für das Tarifgebiet West der Grundsatz der Eingruppierung nach der zeitlich mindestens zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit festgelegt, § 2 Abs. 2. Dasselbe wurde durch § 2 Abs. 3 des Tarifvertrages zu § 20 Abs. 1 BMT-G-O für das Tarifgebiet Ost angeordnet. Damit war auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe nicht der „Arbeitsvorgang“, sondern – wie bei den Arbeiterinnen und Arbeitern des Bundes und der Länder – die „Tätigkeit“ der für die tarifliche Bewertung maßgebliche Anknüpfungspunkt. 2. Die Rechtslage unter Geltung des TVöD iVm. dem TVÜ-Bund und dem TVÜ-VKA sowie des TV-L iVm. dem TVÜ-Länder a) Der TVöD 12 Mit dem 1.10.2005 sind für den Bereich des Bundes und der kommunalen Arbeitgeberverbände der TVöD vom 13.9.2005 und die Tarifverträge zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD sowie der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeberverbände in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts, ebenfalls vom 13.9.2005 (TVÜ-Bund und TVÜVKA) in Kraft getreten, wonach die bisherigen Tarifverträge durch den TVöD ersetzt (§ 2 TVÜ-Bund) bzw. abgelöst (§ 2 TVÜ-VKA) werden. 13 Der TVöD ist ein völlig neu gestalteter Tarifvertrag. Er gilt einheitlich für Arbeiterinnen und Arbeiter und Angestellte. Die Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten werden in dem neuen Tarifrecht zu Beschäftigten. Ihre monatliche Vergütung setzt sich zusammen aus einem Tabellenentgelt, dessen Höhe sich nach der Entgeltgruppe bestimmt, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe (§ 15 TVöD) und einem Leistungsentgelt (§ 18 TVöD). Darüber hinaus sieht § 19 TVöD auch die Zahlung von Erschwerniszuschlägen vor. 1 BAG v. 27.8.2008 – 4 AZR 484/07, ZTR 2009, 211; BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 315/08, EzTöD 320 TVÜ-VKA Anlage 3 Entgeltgruppe 1 Nr. 10.
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II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage
Rz. 16
Teil 7
b) Der TV-L Für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder1 sind zum 1.11.2006 der TV-L vom 12.10.2006 sowie der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts, ebenfalls vom 12.10.2006 (TVÜ-Länder) in Kraft getreten, wonach der TV-L in Verbindung mit dem TVÜ-Länder für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder die bisherigen Tarifverträge ersetzt, § 2 Abs. 1 TVÜ-Länder.
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Auch der TV-L kennt die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Ange- 15 stellten nicht mehr, sondern spricht einheitlich von den Beschäftigten. Auch der TV-L unterschied zunächst – wie der TVöD – zwischen einem Tabellenentgelt und einem Leistungsentgelt. Nach § 15 Abs. 1 TV-L bestimmt sich die Höhe des Tabellenentgelts der Beschäftigten nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist, und nach dem für sie/ihn geltenden Stufe. Ab dem 1.1.2007 sollte gemäß § 18 Abs. 1 TV-L zusätzlich zum Tabellenentgelt ein Leistungsentgelt eingeführt werden. Diese Bestimmung wurde mit Wirkung zum 1.1.2009 gestrichen durch § 2 Nr. 7 des Änderungs-TV Nr. 2 vom 1.3.2009. c) Die neuen Entgelttabellen Das Herzstück dieser Tarifreform sind die neue Entgelttabelle und das völ- 16 lig neu gestaltete, auf Qualifikation und Leistung ausgerichtete Entgeltsystem. Sämtliche Entgelttabellen des TVöD und des TV-L sehen je 15 Entgeltgruppen vor. Eine Entgeltgruppe verfügt regelmäßig über sechs Stufen (je 2 Grundentgeltstufen und drei bis vier Entwicklungsstufen). Diese Stufen sind nicht mit den Stufen und Lebensaltersstufen nach altem Recht vergleichbar. Die Zuordnung des Arbeitnehmers zu den Stufen erfolgt vielmehr bei der Einstellung grundsätzlich nach der Dauer der einschlägigen Berufserfahrung (§ 16 Abs. 2 und 3 TVöD-AT – Bund –, § 16 Abs. 2 TVöD – VKA – und § 16 Abs. 2 TV-L); im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses sind die Stufenlaufzeit und die erbrachten Leistungen maßgeblich (§ 16 Abs. 4 TVöD – Bund –, § 16 Abs. 3 TVöD – VKA – und § 16 Abs. 3 TV-L), so dass ein leistungsorientierter Stufenaufstieg ermöglicht wird2. Eine Ausnahme bildet insoweit die neue Entgeltgruppe 1, die mit Stufe 2 beginnt und deshalb nur fünf Stufen hat3. Zulagen sowie Orts- und Sozialzuschläge gibt es nach dem neuen System nicht mehr.
1 Der TV-L gilt nicht in den Ländern Berlin und Hessen, da diese aus der TdL ausgeschieden sind. Zum 1.1.2010 sind in Hessen der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) vom 1.9.2009 sowie der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Hessen in den TV-H und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-H), ebenfalls vom 1.9.2009 in Kraft getreten; vgl. hierzu Behrendt/Gaumann/Liebermann, ZTR 2009, 614 ff.; Rothländer, PersR 2009, 441 ff. 2 Müller/Preis, Arbeitsrecht im Öffentlichen Dienst mit TVöD und TV-L, Rz. 606. 3 Tamm, PersV 2006, 44, 47. Schlewing
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Teil 7
Rz. 17
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
17 Die künftige Entgeltordnung ist tätigkeitsbezogen und gliedert sich in vier ausbildungsbezogene Qualifikationsebenen1. Dabei stellt sich der Aufbau der Entgeltgruppen im Hinblick auf die Wertigkeit der den Entgeltgruppen zugrunde liegenden Tätigkeiten grundsätzlich wie folgt dar2: – Entgeltgruppen 1–4 für un- und angelernte Tätigkeiten: Hierunter fallen Beschäftigte mit Tätigkeiten, die keine oder eine unter dreijährige Ausbildung in einem nach dem BBiG anerkannten Ausbildungsberuf voraussetzen. – Entgeltgruppen 5–8 für Tätigkeiten auf dem Niveau einer abgeschlossenen anerkannten Berufsausbildung von mindestens drei Jahren. – Entgeltgruppen 9–12 für Tätigkeiten auf dem Niveau einer abgeschlossenen Fachhochschulausbildung. – Entgeltgruppen 13–15 für Tätigkeiten auf dem Niveau einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulausbildung. 18 Diese vier Qualifikationsebenen beginnen jeweils mit einer „Einstiegsentgeltgruppe“. Innerhalb der jeweiligen Qualifikationsebenen wird es Heraushebungsentgeltgruppen geben, die höhere inhaltliche Anforderungen aufweisen. Als Anforderungskriterien kommen in Betracht: – Vielseitigkeit – Schwierigkeit – Verantwortung (Führung/Sach- und Finanzmittel) – Selbständigkeit, Belastungen und Kundenkontakt3. 19 Der „sonstige Angestellte“ nach bisherigem Recht wird mit der neuen Entgeltordnung in allen Qualifikationsebenen und für alle Beschäftigtengruppen eingeführt4. Noch unklar ist insoweit, ob die geforderte Verwendungsbreite gegenüber der bisherigen Rechtslage reduziert wird und künftig tätigkeitsbezogen bestimmt ist. 20 Die Zuordnung zu den Stufen der jeweiligen Entgeltgruppe ist in §§ 16 TVöD bzw. TV-L geregelt. Bei der Einstellung erfolgt die Zuordnung des Arbeitnehmers zu den Stufen grundsätzlich nach der Dauer der einschlägigen Berufserfahrung (§ 16 Abs. 2 und 3 TVöD-AT – Bund –, § 16 Abs. 2 TVöD – VKA – und § 16 Abs. 2 TV-L)5. Regelungen über die Stufenlaufzeit, dh. die Zeit, nach der ein Beschäftigter in die nächsthöhere Stufe aufrückt, 1 Bredendiek/Bernd/Tewes, ZTR 2005, 230, 236; Hock/Klapproth, ZTR 2006, 118, 118; Kutzki, FA 2005, 194, 195. 2 Thivessen/Kulok, TV-L, Schnelleinstieg in das neue Tarifrecht der Länder, 2006, 85; Kuner, Der neue TVöD – Allgemeiner Teil und TVÜ –, 2006, Rz. 239; Tamm, PersV 2006, 44, 47. 3 Hock/Klapproth, ZTR 2006, 118, 120. 4 Hock/Klapproth, ZTR 2006, 118, 119. 5 Vgl. hierzu LAG Baden-Württemberg v. 17.9.2009 – 3 Sa 15/09, ZTR 2010, 33; LAG Baden-Württemberg v. 13.2.2009 – 7 Sa 80/08, juris; LAG Baden-Württemberg v. 16.1.2009 – 7 Sa 75/08, juris; LAG Hamm v. 11.8.2009 – 12 Sa 1918/08, ju-
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II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage
Rz. 23
Teil 7
enthalten §§ 16 Abs. 3 (VKA) TVöD, 16 Abs. 4 (Bund) TVöD sowie 16 Abs. 3 TV-L. Diese Vorschriften werden durch §§ 17 Abs. 2 (VKA) und (Bund) TVöD sowie § 17 Abs. 2 TV-L (leistungsabhängige Stufenaufstiege) ergänzt. Für die Einstellung in die neue Entgeltgruppe 1 enthalten die tariflichen 21 Bestimmungen eine Sonderregelung sowohl für die Stufenzuordnung, als auch für die Stufenlaufzeit. Nach §§ 16 Abs. 5 (Bund) TVöD, 16 Abs. 4 (VKA) TVöD sowie 16 Abs. 4 TV-L umfasst die Entgeltgruppe 1 fünf Stufen. Einstellungen erfolgen (zwingend) in der Stufe 2 (Eingangsstufe). Die jeweils nächste Stufe wird nach vier Jahren in der vorangegangenen Stufe erreicht; § 17 Abs. 2 bleibt auch hier unberührt. d) Die Überleitungstarifverträge Die §§ 12 und 13 TVöD und TV-L (Eingruppierung und Eingruppierung in besonderen Fällen) sind derzeit nicht belegt; die neuen Eingruppierungsvorschriften werden im Zusammenhang mit einer (neuen) Entgeltordnung geregelt, die ebenfalls noch nicht in Kraft getreten ist1.
22
aa) Der Grundsatz der Fortgeltung der „alten“ Eingruppierungsregelungen Aus dem Grunde bestimmen die jeweiligen Überleitungstarifverträge in ih- 23 rem § 17 Abs. 1 insoweit den Grundsatz der Fortgeltung des alten Tarifrechts2, nämlich, – (für den Bereich des Bundes in § 17 Abs. 1 TVÜ-Bund) dass bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD (mit Entgeltordnung) die §§ 22, 23 BAT/BAT-O einschließlich der Vergütungsordnung, die §§ 1, 2 Abs. 1 und 2 und § 5 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngV) einschließlich des Lohngruppenverzeichnisses mit Anlagen 1 und 2 sowie die entsprechenden Regelungen für das Tarifgebiet Ost über den 30.9.2005 hinaus fortgelten. Diese Regelungen finden auf übergeleitete und ab dem 1.10.2005 neu eingestellte Beschäftigte im jeweiligen bisherigen Geltungsbereich nach Maßgabe dieses Tarifvertrages Anwendung. – (für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber in § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA) dass bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD (mit Entgeltordnung) die §§ 22, 23, 25 BAT und Anlage 3 zum BAT, die §§ 22, 23 BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen einschließlich der Vergütungsordnung sowie die landesbezirklichen Lohngruppenverzeichnisris; LAG Hamm v. 30.1.2009 – 7 Sa 1656/08, juris; LAG Hamm v. 31.10.2008 – 12 Sa 915/08, juris; Boemke/Sachadae, PersV 2008, 324 ff. 1 Zum ver.di-Modell einer Entgeltordnung zum TVöD und zum TV-L vgl. Fieg/ Rothländer, ZTR 2008, 410 ff.; zu den neuen Tarifregelungen im Sozial- und Erziehungsdienst und der Anlage C (VKA) zum TVöD vgl. Kuner, öAT 2010, 1 ff. und Zetl, ZMV 2009, 295 ff. 2 Vgl. BAG v. 28.1.2009 – 4 ABR 92/07, ZTR 2009, 474; BAG v. 1.7.2009 – 4 AZR 249/08, ZTR 2010, 28. Schlewing
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Teil 7
Rz. 24
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
se gemäß Rahmentarifvertrag zu § 20 BMT-G und des Tarifvertrages zu § 20 Abs. 1 BMT-G-O über den 30.9.2005 hinaus fortgelten. Diese Regelungen finden auf übergeleitete und ab dem 1.10.2005 neu eingestellte Beschäftigte im jeweiligen bisherigen Geltungsbereich nach Maßgabe dieses Tarifvertrages Anwendung. – (für den Bereich der Länder in § 17 Abs. 1 TVÜ-Länder) dass die §§ 22, 23 BAT/BAT-O einschließlich der Vergütungsordnung, die §§ 1, 2 Abs. 1 und § 5 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis der Länder zum MTArb (TV Lohngruppen TdL) einschließlich des Lohngruppenverzeichnisses mit Anlagen 1 und 2 sowie die entsprechenden Regelungen für das Tarifgebiet Ost einschließlich § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8.5.1991 über den 31.10.2006 hinaus fortgelten. Diese Regelungen finden auf übergeleitete und ab dem 1.11.2006 neu eingestellte Beschäftigte im jeweiligen bisherigen Geltungsbereich nach Maßgabe dieses Tarifvertrages Anwendung. bb) Die Ausnahmen vom Grundsatz der Fortgeltung der „alten“ Eingruppierungsregelungen 24 Ausnahmen von diesem Grundsatz sehen die Überleitungstarifverträge in ihrem § 17 Abs. 2 vor: Nach § 17 Abs. 2 TVÜ-Bund gelten abweichend von Abs. 1 – Vergütungsordnung und Lohngruppenverzeichnis nicht für ab dem 1.10.2005 in Entgeltgruppe 1 TVöD neu eingestellte Beschäftigte; diese Abweichung von § 17 Abs. 1 TVÜ-Bund bezieht sich allerdings nur auf die Vergütungsordnung und das Lohngruppenverzeichnis, nicht auf die Eingruppierungsgrundsätze; der Eingruppierungsvorgang selbst richtet sich nach den in § 17 Abs. 1 TVÜ-Bund benannten zentralen Eingruppierungsvorschriften; andernfalls würde für den Eingruppierungsvorgang hinsichtlich der Entgeltgruppe 1 die Rechtsgrundlage fehlen1; – die Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT/BAT-O ab dem 1.10.2005 nicht fort; die Ausgestaltung entsprechender Arbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich. Nach § 17 Abs. 2 TVÜ-VKA gelten abweichend von Abs. 1 – Vergütungsordnungen und Lohngruppenverzeichnisse nicht für ab dem 1.10.2005 in Entgeltgruppe 1 TVöD neu eingestellte Beschäftigte; auch hier gilt, dass sich diese Abweichung von § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA nur auf die Vergütungsordnungen und Lohngruppenverzeichnisse, nicht auf die Eingruppierungsgrundsätze bezieht; der Eingruppierungsvorgang selbst richtet sich nach den in § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA benannten zentralen Eingruppierungsvorschriften; andernfalls würde für den Eingruppierungsvorgang hinsichtlich der Entgeltgruppe 1 die Rechtsgrundlage fehlen2;
1 Vgl. BAG v. 28.1.2009 – 4 ABR 92/07, ZTR 2009, 474. 2 Vgl. BAG v. 28.1.2009 – 4 ABR 92/07, ZTR 2009, 474.
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II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage
Rz. 26
Teil 7
– die Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT/BAT-O/BATOstdeutsche Sparkassen ab dem 1.10.2005 nicht fort; die Ausgestaltung entsprechender Arbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich; – die Entgeltordnung für Ärztinnen und Ärzte1 gemäß § 51 BT-K bzw. § 51 BT-B. Nach § 17 Abs. 2 TVÜ-Länder gelten abweichend von Abs. 1 – Vergütungsordnung und Lohngruppenverzeichnis nicht für ab dem 1.11.2006 in Entgeltgruppe 1 TV-L neu eingestellte Beschäftigte; auch hier gilt, dass sich diese Abweichung von § 17 Abs. 1 TVÜ-Länder nur auf die Vergütungsordnung und das Lohngruppenverzeichnis, nicht auf die Eingruppierungsgrundsätze bezieht; der Eingruppierungsvorgang selbst richtet sich nach den in § 17 Abs. 1 TVÜ-Länder benannten zentralen Eingruppierungsvorschriften; andernfalls würde für den Eingruppierungsvorgang hinsichtlich der Entgeltgruppe 1 die Rechtsgrundlage fehlen2; – die Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT/BAT-O ab dem 1.11.2006 nicht fort; die Ausgestaltung entsprechender Arbeitsverhältnisse erfolgt außertariflich, – für übergeleitete und ab dem 1.11.2006 neu eingestellte Ärztinnen und Ärzte3 im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 die Entgeltordnung gemäß Anlage 2 TVÜ-Länder Teil C. cc) Die Differenzierung zwischen den überzuleitenden/übergeleiteten Beschäftigten und den Neueinstellungen Im Übrigen differenzieren die Überleitungstarifverträge zwischen den über- 25 zuleitenden/übergeleiteten Beschäftigten, dh. denjenigen, deren Arbeitsverhältnis über den 30.9.2005 bzw. 31.10.2006 hinaus fortbesteht und den ab dem 1.10.2005 bzw. 1.11.2006 neu eingestellten Beschäftigten. (1) Die überzuleitenden/übergeleiteten Beschäftigten Für die Zuordnung der überzuleitenden/übergeleiteten Beschäftigten zu ei- 26 ner Entgeltgruppe bestimmt § 4 TVÜ-Bund, dass für ihre Überleitung ihre 1 Zur Eingruppierung der Ärzte nach dem Tarifvertrag für die Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17.8.2005 (TV Ärzte/VKA) und dem TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) vgl. Anton, ZTR 2008, 184 ff.; Knörr, ZTR 2009, 50 ff.; Litschen, ZTR 2007, 230 ff.; Rambach/Feldmann, ZTR 2008, 82 ff.; Wahlers, PersV 2008, 204 ff.; BAG v. 9.12.2009 – 4 AZR 841/08 – ua. 2 Vgl. BAG v. 28.1.2009 – 4 ABR 92/07, ZTR 2009, 474. 3 Zur Eingruppierung der Ärzte nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom 30.10.2006 (TV-Ärzte/TdL) und § 41 Nr. 7 TV-L vgl. Knörr, ZTR 2009, 50 ff.; Rambach/Feldmann, ZTR 2008, 82 ff.; Wahlers, PersV 2008, 204 ff.; BAG v. 23.9.2009 – 4 AZR 382/08; BAG v. 9.12.2009 – 4 AZR 841/08 – ua. Schlewing
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Teil 7
Rz. 27
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
Vergütungs- bzw. Lohngruppe (§ 22 BAT/BAT-O bzw. entsprechende Regelungen für Arbeiterinnen und Arbeiter bzw. besondere tarifvertragliche Vorschriften für bestimmte Berufsgruppen) nach der Anlage 2 TVÜ-Bund den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet wird. Entsprechend – mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte –, enthält § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA für die überzuleitenden/übergeleiteten Beschäftigten die Bestimmung, dass für ihre Überleitung ihre Vergütungs- bzw. Lohngruppe (§ 22 BAT/BAT-O/BATOstdeutsche Sparkassen bzw. entsprechende Regelungen für Arbeiterinnen und Arbeiter bzw. besondere tarifvertragliche Vorschriften für bestimmte Berufsgruppen) nach der Anlage 1 den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet wird. Für Beschäftigte – mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte –, deren Arbeitsverhältnis über den 31.10.2006 hinaus fortbesteht, bestimmt § 4 Abs. 1 TVÜ-Länder schließlich, dass für ihre Überleitung ihre Vergütungs- bzw. Lohngruppe (§ 22 BAT/BAT-O bzw. entsprechende Regelungen für Arbeiterinnen und Arbeiter bzw. besondere tarifvertragliche Vorschriften für bestimmte Berufsgruppen) nach der Anlage 2 TVÜ-Länder Teil A und B bzw. den Anlagen 5A und 5B den Entgeltgruppen des TV-L zugeordnet wird. 27 Für die Zuordnung zu den Stufen der jeweiligen Entgelttabelle wird gemäß §§ 5 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA sowie TVÜ-Länder ein Vergleichsentgelt gebildet. Für die konkrete Stufenzuordnung differenzieren die tariflichen Überleitungstarifverträge in ihren §§ 6 und 7 sodann zwischen den Angestellten und den Arbeiterinnen und Arbeitern1. (2) Die Neueinstellungen und die Neueingruppierungen 28 Für neu eingestellte Beschäftigte bzw. für Neueingruppierungen kommt hingegen § 17 Abs. 7 der jeweiligen Überleitungstarifverträge zum Tragen: – Nach § 17 Abs. 7 TVÜ-Bund werden für Eingruppierungen bzw. Einreihungen zwischen dem 1.10.2005 und dem Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung die Vergütungsgruppen der Allgemeinen Vergütungsordnung (Anlage 1a) und die Lohngruppen des Lohngruppenverzeichnisses gemäß Anlage 4 TVÜ-Bund den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet. – Nach § 17 Abs. 7 TVÜ-VKA werden für Eingruppierungen zwischen dem 1.10.2005 und dem Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung die Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung (Anlage 1a) und die Lohngruppen der Lohngruppenverzeichnisse gemäß Anlage 3 den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet. – Nach § 17 Abs. 7 TVÜ-Länder werden für Eingruppierungen ab dem 1.11.2006 bis zum Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung die Vergütungsgruppen der Allgemeinen Vergütungsordnung (Anlage 1a zum BAT) und die Lohngruppen des Lohngruppenverzeichnisses gemäß Anlage 4 den Entgeltgruppen des TV-L zugeordnet.
1 Vgl. BAG v. 13.8.2009 – 6 AZR 177/08, ZTR 2009, 633.
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II. Ein Überblick über die „alte“ und „neue“ Rechtslage
Rz. 32
Teil 7
dd) Die Eingruppierungen ab dem 1.10.2005 bzw. 1.11.2006 Die Tarifvertragsparteien haben in ihren Überleitungstarifverträgen zwi- 29 schen der systematischen Zuordnung von Vergütungs- bzw. Lohngruppen bei der Überleitung von bereits am 30.9.2005/31.10.2006 vorhandenen Beschäftigten und der Zuordnung im Rahmen von Eingruppierungsvorgängen nach bzw. zum 1.10.2005/1.11.2006 unterschieden1. Eingruppierungsvorgänge nach dem bzw. zum 1.10.2005/1.11.2006 richten sich nach §§ 17 Abs. 7 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA und TVÜ-Länder. Dabei sind unter einer Eingruppierung zum bzw. ab dem 1.10.2005/1.11.2006 nicht nur die Ersteingruppierung bei Neueinstellung, sondern auch die Neueingruppierung, also die Höhergruppierung und die Herabgruppierung zu verstehen. Bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD bzw. des 30 TV-L nebst Entgeltordnung erfolgen Höhergruppierungen – von den Besitzstandsregelungen bei den Bewährungs-, Tätigkeits- und Fallgruppenaufstiegen abgesehen (§§ 17 Abs. 5 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA und TVÜ-Länder) – allerdings ausschließlich bei Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit2. Hierbei ist in zwei Schritten vorzugehen: – Zunächst ist bei der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zu prüfen, ob dies eine Höhergruppierung in eine höhere Vergütungs- bzw. Lohngruppe nach altem Tarifrecht zur Folge hat. – Sodann ist zu prüfen, ob dieser höheren Vergütungs- bzw. Lohngruppe nach den Anlagen 4 (TVÜ-Bund), 3 (TVÜ-VKA) sowie 4 (TVÜ-Länder) eine höhere Entgeltgruppe zugeordnet ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht jede Übertragung einer höher- 31 wertigen Tätigkeit, die nach altem Tarifrecht zu einer Höhergruppierung geführt hätte, zwingend eine Zuordnung zu einer höheren Entgeltgruppe zur Folge hat. Wurde beispielsweise ein Angestellter zum Stichtag 1.10.2005/1.11.2006 von Vergütungsgruppe Vb BAT in Entgeltgruppe 9 übergeleitet und wurde ihm sodann eine höherwertige Tätigkeit der Vergütungsgruppe BAT IVb ohne Aufstiegsmöglichkeit übertragen, hat dies keine Höhergruppierung zur Folge, da die Vergütungsgruppe BAT IVb ohne Aufstieg ebenfalls der Entgeltgruppe 9 zugeordnet ist. Wurde dem Angestellten hingegen eine Tätigkeit der Vergütungsgruppe BAT IVb mit Aufstieg nach IVa übertragen, so führt dies zu einer Höhergruppierung, da diese Vergütungsgruppe der Entgeltgruppe 10 zugeordnet ist3. Bei einer Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Beschäf- 32 tigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2, §§ 17 Abs. 4 TVöD (Bund), TVöD (VKA) sowie TV-L. Im Übrigen sehen die tariflichen Bestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen statt der Zahlung des Unter1 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr (Hrsg.), TVöD – Kommentar zum Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes und der VKA –, (Loseblatt), Stand: Dezember 2009, § 17 TVÜ-Bund Rz. 15, § 17 TVÜ-VKA Rz. 17. 2 Hock/Klapproth, ZTR 2006, 118, 121; Zetl, ZMV 2006, 169, 171. 3 Beispiel nach Hock/Klapproth, ZTR 2006, 118, 121. Schlewing
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Teil 7
Rz. 33
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
schiedsbetrages die Zahlung eines Garantiebetrages vor. Die Stufenlaufzeit beginnt jeweils mit dem Tag der Höhergruppierung. e) Die neue „alte“ Rechtslage 33 Die Eingruppierungsregelungen im TVöD und TV-L folgen den gleichen Grundsätzen wie das bisherige Tarifrecht. Neben einer allgemeinen Grundregelung zur Eingruppierung und einer Eingruppierungsregelung für besondere Fälle (§§ 12, 13 TVöD/TV-L) gibt es in § 14 TVöD/TV-L eine Regelung für die vorübergehende Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit. Diese Bestimmungen haben entsprechende Vorläuferregelungen im BAT/BAT-O, MTArb/MTArb-O und BMT-G/BMT-G-O1. Es steht jedoch zu erwarten, dass sich die zentralen Eingruppierungsvorschriften zukünftig eng an die bisherigen Bestimmungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst, nämlich die §§ 22, 23 BAT anlehnen werden2. In Verbindung mit den von den Tarifpartnern in den Überleitungstarifverträgen getroffenen Regelungen ist für die Eingruppierung und Umgruppierung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst demnach von Folgendem auszugehen: – Bis zum Inkrafttreten neuer Eingruppierungsvorschriften mit Entgeltordnung richtet sich die Umgruppierung übergeleiteter Beschäftigter weiterhin nach den Regelungen des BAT, MTArb bzw. BMT-G. – Bis zum Inkrafttreten neuer Eingruppierungsvorschriften mit Entgeltordnung richten sich Eingruppierung und auch spätere Umgruppierungen für neu eingestellte Beschäftigte nach den Regelungen des BAT, MTArb bzw. BMT-G. – Bewährungs-, Fallgruppen- und Tätigkeitsaufstiege gibt es ab dem 1.10.2005 (§ 17 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA) bzw. ab dem 1.11.2006 (§ 17 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder) nicht mehr. – Die Vergütungsgruppe I BAT ist im Anwendungsbereich des TVöD und des TV-L nicht mehr vorgesehen. Entsprechende Arbeitsverhältnisse müssen außertariflich ausgestaltet werden. – Vergütungs- und Lohngruppenverzeichnisse nach altem Recht gelten nicht für Beschäftigte, die ab dem 1.10.2005 bzw. 1.11.2006 in die neue Entgeltgruppe 1 eingestellt werden. Hier ist der im Rahmen der Überleitungstarifverträge vereinbarte Katalog für die Eingruppierung heranzuziehen3. Dieser Katalog umfasst Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten. Hierzu gehören zum Beispiel: Essens- und Getränkeausgeber/innen, Garderobenpersonal, Spülen und Gemüseputzen und sonstige Tätigkeiten im Haus und Küchenbereich, Reiniger/innen im Außenbereich wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks, Wärter/innen von
1 Dassau/Langenbrinck, TVöD, Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, 2. Aufl. 2006, 125; Thivessen/Kulok, TV-L, 114. 2 Tamm, PersV 2006, 44, 48. 3 Vgl. BAG v. 28.1.2209 – 4 ABR 92/07, ZTR 2009, 474; BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 315/08, EzTöD 320 TVÜ-VKA Anlage 3 Entgeltgruppe 1 Nr. 10.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 34
Teil 7
Bedürfnisanstalten, Servierer/innen, Hausarbeiter/innen, Hausgehilfe/ innen und Bote/Botin (ohne Aufsichtsfunktion). – Alle Eingruppierungen nach altem Recht sind vorläufig und müssen – mit Ausnahme der Entgeltgruppe 1 – nach Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung dem neuen Recht angepasst werden. – Auch in den neuen Eingruppierungsvorschriften nebst Entgeltordnung, soviel lässt sich bereits derzeit sagen, werden sich bestimmte Eckpunkte des heutigen Tarifsystems wieder finden1. Dies gilt sowohl für den Grundsatz der Tarifautomatik2, den Begriff des Arbeitsvorgangs3 als auch für die Anknüpfung an die überwiegend auszuübende Tätigkeit4. – Auch nach Inkrafttreten der neuen Eingruppierungsvorschriften nebst Entgeltordnung kommt es für die Eingruppierung nach den §§ 12, 13 TVöD/TV-L – wie bereits nach altem Recht – auf die gesamte, nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit an5. – Der schon im bisherigen Tarifrecht bekannte Begriff des „sonstigen Angestellten“ wird sich auch in einer TVöD- bzw. TV-L-Eingruppierungsordnung wieder finden. Er wird in allen Qualifikationsebenen vorgesehen6. Ob sich deren Fähigkeiten nicht mehr – wie bisher – auf die gesamten Fähigkeiten beziehen müssen, die in der jeweiligen Ausbildung erworben werden, sondern nur auf den Teil, der für die konkrete Tätigkeit erforderlich ist7, bleibt abzuwarten.
III. Die Grundsätze der Eingruppierung 1. Der Grundsatz der Tarifautomatik Nicht nur bis zum Inkrafttreten der neuen Eingruppierungsvorschriften nebst Entgeltordnung, sondern auch für die Zeit danach gilt der Grundsatz der Tarifautomatik. Der Beschäftigte wird nicht (durch den Arbeitgeber) eingruppiert, sondern ist eingruppiert. Dies folgt aus § 15 Abs. 1 TVöD bzw. § 15 Abs. 1 TV-L, wonach die/der Beschäftigte monatlich ein Tabel-
1 Dassau/Langenbrinck, TVöD, 115; Tamm, PersV 2006, 44, 48; Thivessen/Kulok, TV-L, 114 f. 2 Bepler/Böhler/Meerkamp/Stöhr, TVöD-AT § 14 Rz. 1; Böhle/Poschke, ZTR 2005, 286, 292; Kutzki, FA 2005, 194, 195. 3 Böhle/Poschke, ZTR 2005, 286, 292; Bredendiek/Bernd/Tewes, ZTR 2005, 230, 236; Kutzki, FA 2005, 194, 195; Steinherr, ZTR 2005, 303, 304. 4 Kutzki, FA 2005, 194, 195. 5 Bepler/Böhler/Meerkamp/Stöhr, TVöD-AT § 14 Rz. 1; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbrinck (Hrsg.), TVöD – Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst –, Kommentar zum Tarif- und Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst (Loseblatt), 35. Aktualisierung – Stand: 2/2010, § 12 Rz. 5. 6 Dassau/Langenbrinck, TVöD, 115; Thivessen/Kulok, TV-L, 115. 7 So für den Bereich des TVöD Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, § 15 TVöD-AT Rz. 4f; Bredendiek/Bernd/Tewes, ZTR 2005, 230, 236; Hock/Klapproth, ZTR 2006, 118, 119. Schlewing
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Teil 7
Rz. 35
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
lenentgelt erhält, dessen Höhe sich nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe bestimmt. 35 Das bedeutet, dass sich die Eingruppierung der Beschäftigten als Rechtsfolge automatisch aus dem Tarifvertrag ergibt und alle Erklärungen der Arbeitsvertragsparteien zur Eingruppierung rein deklaratorischer Natur sind. Bei beiderseitiger Tarifgebundenheit ergibt sich die tarifliche Eingruppierung unmittelbar und zwingend aus dem Tarifvertrag. Bei nur vertraglicher Vereinbarung des Tarifvertrages gelten zwar die tariflichen Regelungen nicht unmittelbar und zwingend. Hier soll allerdings die einzelvertragliche Inbezugnahme des Tarifwerks das widerspiegeln, was ansonsten tarifrechtlich gilt1. Auch in solchen Fällen ergibt sich die Eingruppierung deshalb automatisch aus den für die auszuübende Tätigkeit maßgeblichen Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungs- bzw. Entgeltordnung. 36 Davon zu unterscheiden sind allerdings die Fälle, in denen sich die Eingruppierung (Vergütung) aus einzelvertraglichen Regelungen ergibt. Im Arbeitsvertrag mit den Beschäftigten kann vereinbart werden, dass für ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis eine höhere als die sich aus der tariflichen Eingruppierung ergebende Vergütungsgruppe maßgebend sein soll. In der Praxis werden solche Maßnahmen häufig als „übertarifliche Eingruppierung“ bezeichnet2. Da vertragliche Ansprüche nur durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien begründet werden können, ist hier stets zu prüfen, ob eine bestimmte Äußerung des Arbeitgebers tatsächlich als rechtsgeschäftliches Angebot einer bestimmten Vergütung oder lediglich als tatsächliche Mitteilung über das Ergebnis der von ihm vorgenommenen tariflichen Bewertung zu verstehen ist. Dies richtet sich nach den Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB3. 37 Die bloße Angabe der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe und ggfls. der Fallgruppe im Arbeitsvertrag oder in einer Eingruppierungsmitteilung kann nach der ständigen Rechtsprechung des BAG grundsätzlich nicht dahin ausgelegt werden, dass dem Beschäftigten ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine bestimmte Vergütung zustehen soll. Vielmehr wird damit nur wiedergegeben, welche Vergütungsgruppe der Arbeitgeber bei Anwendung der maßgeblichen Eingruppierungsbestimmungen als zutreffend ansieht, ohne dass hieraus eine eigenständige Vergütungsvereinbarung mit dem Inhalt zu entnehmen wäre, die angegebene Vergütung solle unabhängig von den tariflichen Bestimmungen, ggfls. als übertarifliche Vergütung gezahlt werden4. Insoweit hat das BAG mehrfach betont, dass ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine solche Bedeu1 BAG v. 23.11.1983 – 4 AZR 432/81, AP Nr. 81 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, Bundesangestelltentarifvertrag -BAT, Kommentar (Loseblatt), 394. Ergänzungslieferung, Stand: August 2006, § 22 Rz. 82, 83. 3 BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 17.7.2003 – 8 AZR 376/02, ZTR 2004, 28. 4 BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 17.7.2003 – 8 AZR 376/02, ZTR 2004, 28.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 41
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tung der Angabe der Vergütungsgruppe schon deshalb nicht entnehmen könne, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewähren wolle, was dem Arbeitnehmer tarifrechtlich zusteht1. Bei der Angabe einer Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag handelt es sich demnach in der Regel nur um das Ergebnis der eingruppierungsrechtlichen Prüfung durch den Arbeitgeber, nicht dagegen um eine eigenständige Zusage2. Wenn die Parteien hiervon abweichend ohne Rücksicht auf die tarifliche 38 Eingruppierung eine bestimmte Entgeltgruppe einzelvertraglich vereinbaren wollen, müssen sie dies deutlich zum Ausdruck bringen, indem sie etwa im Arbeitsvertrag nach der Bezeichnung der Entgeltgruppe, nach der der Beschäftigte vergütet werden soll, die Vorschriften des TVöD bzw. TV-L nur „im Übrigen“ für anwendbar erklären3. Aus der Tarifautomatik folgt, dass der Arbeitgeber keine individualrecht- 39 lich auf Eingruppierung gerichtete Handlung vornimmt und der Beschäftigte demnach vom Arbeitgeber auch keine Eingruppierung verlangen kann, also keinen Anspruch auf Eingruppierung, sondern vielmehr nur auf Feststellung der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Entgelt aus einer bestimmten Entgeltgruppe hat. 2. Die „auszuübende bzw. übertragene Tätigkeit“ als Bestimmungsfaktor der tariflichen Eingruppierung Nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT ist der Angestellte in der Vergütungs- 40 gruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Damit ist die auszuübende, und nicht die ausgeübte Tätigkeit der maßgebliche Bestimmungsfaktor der tariflichen Eingruppierung. In dieser Bestimmung spiegelt sich wider, dass der Arbeitgeber eben nicht eingruppiert, sondern dem Arbeitnehmer kraft seines Direktionsrechts Tätigkeiten zuweist, wonach der Arbeitnehmer aufgrund der Tarifautomatik eingruppiert ist. Zwar findet sich bislang weder im TVöD, noch im TV-L eine mit § 22 BAT 41 vergleichbare Regelung, die §§ 12 und 13 TVöD und TV-L über die Eingruppierung und die Eingruppierung in besonderen Fällen sind derzeit noch nicht belegt und werden erst im Zusammenhang mit der Entgeltordnung geregelt; allerdings enthalten sowohl der TVöD als auch der TV-L mit § 14 eine Bestimmung, die § 24 BAT nachgebildet ist und die die Rechtsfolgen der nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit regelt. Hieraus und aus der Tatsache, dass das neue Tarifrecht die Eingruppierungsgrundsätze des BAT übernommen hat, kann ohne weiteres geschlossen werden, dass es auch unter Geltung des neuen Tarifrechts für die 1 BAG v. 9.7.1997 – 4 AZR 635/95, NZA 1998, 494; BAG v. 18.2.1998 – 4 AZR 581/96, NZA 1998, 950; BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 28/06, ZTR 2007, 495; BAG v. 21.2.2007 – 4 AZR 187/06, ZTR 2007, 677. 2 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 658. 3 Dassau/Langenbrinck, TVöD, 119. Schlewing
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Rz. 42
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
Eingruppierung der Beschäftigten auf die auszuübende, also übertragene Tätigkeit ankommt1. a) Die wirksam zugewiesene Tätigkeit 42 Die auszuübende Tätigkeit ist allein die dem Arbeitnehmer wirksam zugewiesene Tätigkeit. Dabei muss die Tätigkeit dem Beschäftigten von der für Organisationsfragen/Personalangelegenheiten zuständigen Stelle – schriftlich, mündlich oder konkludent – zugewiesen worden sein2. Andere Tätigkeiten sind für die Eingruppierung hingegen grundsätzlich irrelevant. Das bedeutet, dass solche Tätigkeiten, die der Arbeitnehmer zwar wahrnimmt, die ihm jedoch nicht wirksam übertragen wurden, nicht berücksichtigt werden dürfen3. 43 Probleme in der Praxis entstehen häufig in den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer von seinem unmittelbaren Vorgesetzten (der nicht die für Organisationsfragen/Personalangelegenheiten zuständige Stelle ist) – idR in Unkenntnis der möglichen tarifrechtlichen Folgen – Aufgaben übertragen werden, die zu einer veränderten Eingruppierung führen würden. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer zunächst einmal verpflichtet ist, dienstlichen Anordnungen nachzukommen und er wohl grundsätzlich darauf vertraut, dass die Anordnungen auch von der zuständigen Stelle veranlasst oder mit ihr abgestimmt wurden. Reklamiert der Arbeitnehmer nun die Zahlung einer höheren Vergütung mit der Begründung, er übe eine höherwertige Tätigkeit aus, kommt es häufig vor, dass der Arbeitgeber diesem Begehren mit dem Argument begegnet, die Tätigkeiten seien dem Arbeitnehmer nicht wirksam von der zuständigen Stelle übertragen worden. Während es nach einer älteren Rechtsprechung des BAG für die konkludente Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ausreichen konnte, dass der Angestellte die Tätigkeiten mit Wissen und Billigung seiner Vorgesetzten ausübte, wobei es irrelevant war, ob die Vorgesetzten nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften für die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten zuständig waren4, kommt es nach der neueren Rechtsprechung des BAG entscheidend darauf an, ob die tatsächlich vertretungsberechtigte Stelle Kenntnis hatte und die Wahrnehmung der entsprechenden Tätigkeiten gebilligt hat5. Dies hat das BAG in seinem Urteil vom 26.3.19976 ausdrücklich klargestellt, indem es ausgeführt hat, dass die mit den im Arbeitsumfeld tätigen Kollegen und ggfls. auch mit dem unmittelbaren Fachvorgesetzten abgestimmte Ausübung ei1 Dassau/Langenbrinck, TVöD, 118; Steinherr, ZTR 2005, 303, 304; Thivessen/Kulok, TV-L, 117; Zetl, ZMV 2005, 57, 59. 2 BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 449/93, DB 1994, 2506; BAG v. 26.3.1997 – 4 AZR 489/95, AP Nr. 223 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 3 BAG v. 31.10.1990 – 4 AZR 260/90, AP Nr. 152 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 4 BAG v. 28.10.1970 – 4 AZR 481/69, AP Nr. 34 zu §§ 22, 23 BAT; BAG v. 10.3.1982 – 4 AZR 541/79, DB 1982, 2712; BAG v. 2.12.1981 – 4 AZR 301/79, AP Nr. 52 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 5 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 139. 6 BAG v. 26.3.1997 – 4 AZR 489/95, AP Nr. 223 zu §§ 22, 23 BAT 1975.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 46
Teil 7
ner höherwertigen Tätigkeit durch den Angestellten ohne – auch nur stillschweigende – diesbezügliche Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle des öffentlichen Arbeitgebers einen Anspruch des Angestellten auf Höhergruppierung nicht zu begründen vermag. Dass es allein auf die übertragene Tätigkeit ankommt, hat das BAG im Übrigen durch sein Urteil vom 31.7.20021 nochmals bestätigt. Diese, der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende Rechtsprechung des BAG ist in der Literatur mit dem Argument kritisiert worden, dass dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden könne, jeweils zu prüfen, ob sein Vorgesetzter sich im Rahmen seiner Zuständigkeit gehalten habe und wie die ihm zugewiesene Tätigkeit tarifgerecht zu bewerten sei bzw., dass der Arbeitnehmer darauf vertrauen könne, dass die Anordnungen auch von der zuständigen Stelle ausgesprochen worden seien bzw. auf diese zurückgingen2. Einig ist man sich allerdings insoweit, als der Arbeitnehmer sich dann nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, wenn er genau weiß, dass die Anordnung von einem Vorgesetzten ausgesprochen wurde, der nicht zuständig ist, oder wenn der Arbeitnehmer sich die höherwertige Tätigkeit „selbst an Land gezogen“ hat3. b) Die Veränderung der Tätigkeit des Beschäftigten ohne Mitwirkung des Arbeitgebers Von der zuvor beschriebenen Zuweisung einer Tätigkeit durch den Arbeit- 44 geber zu unterscheiden sind die Fälle, in denen sich die Tätigkeit des Beschäftigten ohne Mitwirkung des Arbeitgebers so ändert, dass sie den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren Entgeltgruppe entspricht. Diese Fallgestaltung wird durch §§ 13 TVöD/TV-L unter der Überschrift „Eingruppierung in besonderen Fällen“ erfasst. Auch diese Vorschrift ist derzeit nicht belegt und soll im Zusammenhang mit der Entgeltordnung geregelt werden. §§ 13 TVöD/TV-L sind als eine dem § 23 BAT vergleichbare Regelung 45 vorgesehen. Sie sollen die Höhergruppierung und ihre Modalitäten in den Fällen regeln, die weder der Regeleingruppierung nach § 12 noch der „vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit“ nach § 14 zugeordnet werden können. Die §§ 12 und 14 betreffen Fälle, in denen dem Beschäftigten unter Mitwirkung des Arbeitgebers eine Tätigkeit übertragen wurde. Die Besonderheit der §§ 13 ist, dass sich die höherwertige Tätigkeit in anderer Weise als durch Übertragung ergeben hat4. Aufgrund der Überleitungsregelungen der §§ 17 TVÜ-Bund, TVÜ-Länder und TVÜ-VKA ist demnach für den Bereich des Bundes und der Vereini1 BAG v. 31.7.2002 – 4 AZR 203/01, AP Nr. 293 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 Bredemeier/Neffke, Eingruppierung im BAT und BAT-O, 2001, Rz. 83; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 666. 3 S. hierzu auch LAG Hamm v. 14.5.1991 – 18 Sa 656/90, ZTR 1992, 107. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 13 Rz. 1; Hindahl/Schart/Slawik/Vesper, Erläuterungen zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD Heft 2), Stand: 2005, TVöD-AT § 13. Schlewing
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46
Teil 7
Rz. 47
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
gung der kommunalen Arbeitgeberverbände ab dem 1.10.2005 und für den Bereich der Länder ab dem 1.11.2006 § 23 BAT in folgender Fassung anzuwenden: „Ist dem Beschäftigten eine andere, höherwertige Tätigkeit nicht übertragen worden, hat sich aber die ihm übertragene Tätigkeit (§ 22 Abs. 2 Unterabsatz 1) nicht nur vorübergehend derart geändert, dass sie den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner bisherigen Entgeltgruppe entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 bis 5), und hat der Beschäftigte die höherwertige Tätigkeit ununterbrochen sechs Monate lang ausgeübt, ist er mit Beginn des darauf folgenden Kalendermonats in der höheren Entgeltgruppe eingruppiert. Für die zurückliegenden sechs Kalendermonate gilt § 14 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L sinngemäß. Ist die Zeit der Ausübung der höherwertigen Tätigkeit durch Urlaub, Arbeitsbefreiung, Kur- oder Heilverfahren oder Vorbereitung auf eine Fachprüfung für die Dauer von insgesamt nicht mehr als sechs Wochen unterbrochen worden, wird die Unterbrechungszeit in die Frist von sechs Monaten eingerechnet. Bei einer längeren Unterbrechungszeit oder bei einer Unterbrechung aus anderen Gründen beginnt die Frist nach der Beendigung der Unterbrechung von neuem. Wird dem Beschäftigten vor Ablauf der sechs Monate wieder eine Tätigkeit zugewiesen, die den Tätigkeitsmerkmalen seiner bisherigen Entgeltgruppe entspricht, gilt § 14 Abs. 1 TVöD bzw. TV-L sinngemäß.“
3. Die nicht nur vorübergehend zugewiesene Tätigkeit 47 Nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT ist der Angestellte in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Damit sind nach § 22 BAT nur dauerhaft übertragene Tätigkeiten eingruppierungsrelevant; lediglich vorübergehend auszuübende Tätigkeiten beeinflussen die Eingruppierung demgegenüber nicht. Wurde dem Beschäftigten nur vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner Vergütungsgruppe entspricht, konnte er unter den Voraussetzungen des § 24 BAT eine persönliche Zulage verlangen. Der Begriff „nicht nur vorübergehend“ diente mithin in erster Linie als Abgrenzungsmerkmal zur nur „vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit“ iSd. des § 24 BAT. 48 Da auch nach dem neuen Tarifrecht der Grundsatz der Tarifautomatik bestehen bleibt und sich sowohl im TVöD, als auch im TV-L mit § 14 eine Bestimmung findet, die § 24 BAT nachgebildet ist, dem Arbeitgeber mithin weiterhin die Übertragung von höherwertigen Tätigkeiten ermöglicht, die nicht auf Dauer angelegt sind, also nicht zur Eingruppierung im rechtlichen Sinne führen, kann ohne weiteres geschlossen werden, dass auch unter Geltung des neuen Tarifrechts nur dauerhaft übertragene Tätigkeiten eingruppierungsrelevant sind1.
1 Dassau/Langenbrinck, TVöD, 121; Thivessen/Kulok, TV-L, 118.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 52
Teil 7
a) Die Übertragung einer Tätigkeit zur nicht nur vorübergehenden Ausübung Da vorübergehend eine Tätigkeitsübertragung nur dann ist, wenn ihre zeit- 49 liche Begrenzung von vornherein feststeht (zB bei Vertretung oder Erprobung)1, sie also zeitlich befristet ist2, ist eine Tätigkeit nur dann zur nicht nur vorübergehenden Ausübung übertragen, wenn sie auf Dauer angelegt ist. Maßgebliches Kriterium für die Eingruppierung bleibt also die nach dem Arbeitsvertrag auf Dauer auszuübende Tätigkeit. Damit ist auch dem sog. „ständigen Abwesenheitsvertreter“ die Tätigkeit auf Dauer übertragen; hier gehört die Vertretung zu der Arbeitsleistung, die der Beschäftigte dem Arbeitgeber schuldet3. Das Gleiche gilt für sog. „Springer“. Auf Dauer auszuübende, also ständige Vertretungstätigkeiten sind mithin in die tarifliche Bewertung einzubeziehen. Auf den zeitlichen Umfang kommt es nicht an. Der zeitliche Umfang der Vertretungstätigkeit ist vielmehr nur für die Frage maßgebend, welchen zeitlichen Anteil an der Gesamttätigkeit der entsprechende Arbeitsvorgang hat4.
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Ob eine Tätigkeit von einem Beschäftigten (nicht) nur vorübergehend aus- 51 zuüben ist, bestimmt sich nach dem bei der Übertragung der Tätigkeit zum Ausdruck gekommenen Willen des Arbeitgebers5. Dabei kann die Zuweisung der Tätigkeit zur dauerhaften Wahrnehmung sowohl schriftlich wie mündlich oder auch durch konkludentes Verhalten erfolgen6. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt es sich jedoch, die Tätigkeitsübertragung unter genauer Bezeichnung der Tätigkeit sowie der Übertragungsart schriftlich vorzunehmen. Ist nämlich streitig, ob einem Beschäftigten ein Aufgabenbereich nur vorübergehend oder auf Dauer übertragen wurde, so gehen nach der Rechtsprechung des BAG diesbezügliche Zweifel zu Lasten des öffentlichen Arbeitgebers7. b) Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Wird Beschäftigten vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen, die 52 den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren Entgeltgruppe als seiner Eingruppierung entspricht, und hat er diese mindestens einen Monat ausgeübt, erhält er für die Dauer der Ausübung eine persönliche Zulage rückwirkend ab dem ersten Tag der Übertragung der Tätigkeit, §§ 14 Abs. 1 TVöD/TV-L. Die Höhe der Zulage ergibt sich aus §§ 14 Abs. 3 TVöD/TV-L. §§ 14 Abs. 2 TVöD/TV-L eröffnen als Rahmenvorschriften zudem die Möglichkeit, durch landesbezirkliche Tarifverträge sowie für den Bund durch besonde1 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 668; Sonntag/Bauer, Die Eingruppierung nach dem BAT, 8. Aufl. 2003, Rz. 46. 2 Bepler/Böhler/Meerkamp/Stöhr, TVöD-AT § 14 Rz. 1. 3 BAG v. 24.3.1993 – 10 AZR 416/91, ZTR 1993, 334; BAG v. 21.10.1998 – 10 AZR 224/98, NZA 1999, 492. 4 Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 22 Rz. 13. 5 BAG v. 25.2.1987 – 4 AZR 217/86, AP Nr. 14 zu § 24 BAT. 6 BAG v. 24.1.1973 – 4 AZR 104/72, AP Nr. 63 zu §§ 22, 23 BAT. 7 BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 642/84, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975. Schlewing
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Teil 7
Rz. 53
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
ren Tarifvertrag auf Bundesebene von dem Erfordernis der mindestens einmonatigen höherwertigen Tätigkeit des Abs. 1 in der Weise bei noch zu bestimmenden Tätigkeiten abzuweichen, dass die persönliche Zulage bereits nach dreitägiger höherwertiger Tätigkeit gezahlt wird1. Diese Bestimmung ist eine typische Ausprägung der Aufgabe der Statustrennung von Arbeiterinnen und Arbeitern auf der einen Seite sowie der Angestellten auf der anderen Seite. Der Abs. 2 der §§ 14 TVöD/TV-L betrifft ausschließlich die „bisherigen“ Arbeiterinnen und Arbeiter, die nach dem BMT-G II und dem MTArb früher in den Genuss von Ausgleichsansprüchen kamen als die Angestellten2. 53 §§ 14 TVöD/TV-L entsprechen im Kern § 24 BAT/BAT-O, weisen jedoch im Vergleich zu den jeweiligen Vorgängerregelungen deutliche Unterschiede auf: – Im bisherigen Angestelltenrecht war es erforderlich, dass der Angestellte die höherwertige Tätigkeit für einen Zeitraum von drei Monaten ausgeübt hatte, § 24 BAT/BAT-O. – Im Arbeiterrecht wurde hingegen eine Zulage für vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeiten bereits dann (rückwirkend ab dem ersten Tag) gezahlt, wenn die höher zu bewertende Tätigkeit für mindestens drei Arbeitstage ausgeübt worden war, vgl. beispielhaft § 9 MTArb/ MTArb-O. – Die Neuregelungen enthalten keine Unterscheidung mehr zwischen einer vorübergehenden und einer vertretungsweisen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Die Tarifvertragsparteien haben sich diesbezüglich jedoch darauf verständigt, dass die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ein Unterfall der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist (für den Bereich des Bundes und der VKA in der Niederschriftserklärung Nr. 2 zu § 14 Abs. 1 TVöD)3. aa) Besitzstands- und Übergangsregelungen 54 Obgleich der TVöD bzw. der TV-L ab dem 1.10.2005 bzw. 1.11.2006 zur Anwendung kommen, sind für eine Übergangsphase spezielle Besitzstandsund Übergangsregelungen zu beachten. – So enthalten §§ 10 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA und TVÜ-Länder spezielle Regelungen über die Fortführung einer vorübergehend übertragenen höherwertigen Tätigkeit und betreffen somit Beschäftigte, denen am Stichtag 30.9.2005 bzw. 31.10.2006 eine Zulage nach dem BAT bzw. den entsprechenden Tarifvorschriften für die Arbeiterinnen und Arbeiter zustand oder die eine Zulagenaspektanz hatten4.
1 2 3 4
Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 14 Rz. 49. Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, TVöD, § 14 vor Allgemeines. Thivessen/Kulok, TV-L, 118. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 14 Rz. 73.
696 Schlewing
III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 57
Teil 7
– §§ 18 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA und TVÜ-Länder regeln hingegen die Ansprüche der übergeleiteten Beschäftigten, denen erst nach dem 30.9.2005 bzw. 31.10.2006 erstmalig außerhalb von § 10 eine höherwertige Tätigkeit vorübergehend übertragen wird. – §§ 18 Abs. 3 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA und TVÜ-Länder bestimmen ferner, dass für alle Beschäftigten bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD bzw. des TV-L die Regelungen des TVöD bzw. des TV-L zur vorübergehenden Übertragung mit der Maßgabe gelten, dass sich die Voraussetzungen für die übertragene höherwertige Tätigkeit nach § 22 Abs. 2 BAT/BAT-O bzw. den entsprechenden Regelungen für Arbeiter bestimmen. bb) Die höherwertige Tätigkeit Ob die vorübergehend übertragene Tätigkeit gegenüber der bisherigen Tätigkeit als höherwertig anzusehen ist, richtet sich ausschließlich nach der Bewertungsskala des TvöD bzw. des TV-L, mithin nach den neuen Entgeltgruppen1.
55
Bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD bzw. des 56 TV-L ist für die Feststellung, ob es sich um eine höherwertige Tätigkeit handelt, zunächst eine Vergütungs- bzw. Lohngruppe nach den fortgeltenden Regelungen des § 22 Abs. 2 BAT/BAT-O bzw. den entsprechenden Regelungen für Arbeiterinnen und Arbeiter zu bestimmen, §§ 18 Abs. 3 TVÜBund, TVÜ-VKA sowie TVÜ-Länder. Im Anschluss daran ist anhand der Anlagen 4 TVÜ-Bund, 3 TVÜ-VKA bzw. 4 TVÜ-Länder zu ermitteln, ob es sich um eine höherwertige Tätigkeit im Sinne des neuen Rechts handelt. Ändert sich lediglich die Bewertung nach den Vergütungs- bzw. Lohngruppen, an die der TVöD bzw. der TV-L anknüpft, ohne dass hierdurch eine höhere Entgeltgruppe des TVöD bzw. TV-L erreicht wird, liegt eine höherwertige Tätigkeit im Sinne des § 14 TVöD bzw. TV-L nicht vor2. cc) Die Voraussetzungen und die Zulässigkeit der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Die Frage nach den Voraussetzungen und der Zulässigkeit der vorüber- 57 gehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit stellt sich bei der Anwendung der §§ 14 TVöD/TV-L genauso wie unter Geltung des § 24 BAT. Da §§ 14 TVöD/TV-L dem § 24 BAT nachgebildet sind, kann die bis-
1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 14 Rz. 18; zu beachten ist, dass beispielsweise § 5 Abs. 3 des Tarifvertrages zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin vom 31.8.2005 (TV-N Berlin) den Anspruch auf die Zulage – abweichend von § 24 BAT – bei vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nicht daran bindet, dass der Arbeitnehmer, dem die höherwertige Tätigkeit durch Anordnung vorübergehend übertragen wird, sämtliche, dh. auch die persönlichen Merkmale der höheren Entgeltgruppe erfüllt (vgl. BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 389/08, ZTR 2009, 424). 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 14 Rz. 33. Schlewing
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Teil 7
Rz. 58
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
herige Rechtsprechung des BAG ohne Einschränkung für die Anwendung und Auslegung der §§ 14 TVöD/TV-L herangezogen werden1. (1) Die doppelte Billigkeitsprüfung 58 Bis zu seiner grundlegenden Entscheidung vom 17.4.20022 hat das BAG in ständiger Rechtsprechung für die Rechtfertigung einer vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit darauf abgestellt, ob für die vorübergehende bzw. vertretungsweise Übertragung der höherwertigen Tätigkeit ein sachlicher Grund vorlag. Eine vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit galt danach als auf Dauer übertragen mit der Folge eines Anspruchs auf eine Vergütung nach der höheren Vergütungsgruppe (Höhergruppierung), wenn die Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT rechtsmissbräuchlich verwendet worden war. War die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt, wurde ein solcher Rechtsmissbrauch angenommen3. Danach war der Angestellte von Beginn der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit an so zu behandeln, als sei ihm diese auf Dauer übertragen worden. Insoweit ging das BAG zwar davon aus, dass die vorübergehende Übertragung in Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers erfolgte; in der Sache stellte es die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit indes der befristeten Übertragung einer Tätigkeit gleich. 59 Diese Rechtsprechung hat das BAG mit der o.g. grundlegenden Entscheidung vom 17.4.20024 aufgegeben. Nunmehr beantwortet sich die Frage, ob eine höherwertige Tätigkeit nach § 24 BAT als auf Dauer übertragen anzusehen ist, nicht mehr danach, ob die Gestaltungsmöglichkeit des § 24 BAT rechtsmissbräuchlich verwendet wurde, weil die vorübergehende Übertragung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt war. Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit der vorübergehenden oder vertretungsweisen Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit an den Regeln zu messen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrechts) entsprechend § 315 Abs. 1 BGB grundsätzlich einzuhalten hat. Die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers hat demnach billigem Ermessen zu entsprechen. Das BAG hat insoweit darauf abgestellt, dass es bei der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit – anders als bei der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen bzw. des Arbeitsverhältnisses – gerade nicht um Fragen des Bestands oder Inhalts des Arbeitsverhältnisses sowie des gesetzlichen Schutzes gegenüber Beendigungs- oder auch Änderungskündigungen gehe. Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses würden durch Maßnahmen, die sich im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts halten, gerade nicht berührt. 1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 14 Rz. 6. 2 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159. 3 BAG v. 26.3.1997 – 4 AZR 604/95, ZTR 1997, 413; BAG v. 16.9.1998 – 5 AZR 183/97, NZA 1999, 384. 4 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 62
Teil 7
Das BAG führt nunmehr eine doppelte Billigkeitskontrolle durch:
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– In einem ersten Schritt – allerdings nur soweit sich der Angestellte gegen die Tätigkeitsübertragung an sich wendet – kommt es darauf an, ob es billigem Ermessen entspricht, dem Arbeitnehmer die anders bewertete Tätigkeit überhaupt, wenn auch nur vorübergehend zu übertragen (Billigkeit der Tätigkeitsübertragung an sich). – In einem zweiten Schritt ist, wenn die Übertragung von Anfang an oder erst nach einer bestimmten Zeit mit einer höheren Vergütung oder einer interimistischen Zulage verbunden ist, zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, sowie – da § 24 BAT für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit eine zeitliche Begrenzung nicht vorsieht – ob die Dauer der Übertragung billigem Ermessen entspricht. Dabei ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers daran, die Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und – falls damit verbunden – auch der besseren Bezahlung überwiegt (Billigkeit der „Nicht-Dauerhaftigkeit“ der Übertragung). Entspricht die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit nicht billigem 61 Ermessen, so erfolgt die Bestimmung der Leistung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch eine richterliche Entscheidung. Diese Entscheidung kann bei der interimistischen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit – je nachdem, worin die Unbilligkeit liegt – darin bestehen, dass die Übertragung der Tätigkeit nicht nur als vorübergehend, sondern als auf Dauer vorgenommen erklärt wird, oder die zeitliche Dauer anders bestimmt wird1. (2) Mehrmalige Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Zwar ist auch in §§ 14 TVöD/TV-L für die Dauer der vorübergehenden 62 Übertragung eine Zeitgrenze nicht bestimmt; wird dem Arbeitnehmer jedoch dieselbe oder eine gleichermaßen höherwertige Tätigkeit mehrmals nacheinander übertragen, ist nicht nur die letzte Übertragung auf ihre Billigkeit hin zu überprüfen, vielmehr unterliegt jeder dieser Übertragungsakte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 BGB. Der Beschäftigte ist hier auch nicht gehalten, einen Vorbehalt hinsichtlich jeder einzelnen vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeit zu erklären. Damit spielt es keine Rolle mehr, ob die zeitlich nachfolgenden interimistischen Übertragungen derselben oder einer höherwertigeren Tätigkeit ihrerseits billigem Ermessen entsprechen, wenn bereits die vorherige Übertragung als auf Dauer erfolgt anzusehen ist2.
1 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80. 2 BAG v. 22.1.2003 – 4 AZR 553/01, ZTR 2003, 514. Schlewing
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Teil 7
Rz. 63
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
(3) Die Form der Übertragung 63 Da auch §§ 14 TVöD/TV-L nicht näher bestimmen, in welcher Weise und unter Beachtung welcher rechtlichen Formalien die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit zu erfolgen hat, kann sich die nur vorübergehende Übertragung der Tätigkeit aus einer entsprechenden ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung des Arbeitgebers und damit je nach Fallgestaltung auch aus den jeweiligen Umständen ergeben. Die Rechtssicherheit fordert allerdings, dass dem Beschäftigten jeweils hinreichend deutlich erkennbar wird, dass er nur vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit ausüben soll. Diesbezügliche Zweifel gehen zu Lasten des öffentlichen Arbeitgebers1. Deshalb kann eine konkludente Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf Dauer auch vorliegen, wenn eine dem Beschäftigten zunächst nur befristet vorübergehend übertragene Tätigkeit nach Ablauf der Befristung mit Wissen und Billigung des Arbeitgebers fortgesetzt wird. Demgegenüber ist von einer konkludenten nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auszugehen, wenn sich dies erkennbar aus den näheren Umständen ergibt. Besteht zum Beispiel die höherwertige Tätigkeit in der Aufsicht über eine Fachkraft, die an einer ABM-Maßnahme teilnimmt und für die die Einrichtung einer Planstelle weder erfolgt noch beabsichtigt ist, so erfolgt die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit idR nur vorübergehend2. 64 Um Auslegungsfragen und ggfls. Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich für die Praxis, die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit stets schriftlich mit einem ausdrücklichen Hinweis auf den nur vorübergehenden Charakter der Maßnahme vorzunehmen. (4) Beispiele aus der Rechtsprechung des BAG zur vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT 65 Zwar beurteilt sich nach der grundlegenden Entscheidung des BAG vom 17.4.20023 die Zulässigkeit einer nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit danach, ob die Übertragung billigem Ermessen entspricht; dennoch können auch Beispiele aus der Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 17.4.2002 herangezogen werden, da jedenfalls dann, wenn ein sachlicher Grund bejaht wurde, die nur vorübergehende Übertragung in der Regel auch billigem Ermessen entspricht4: 66 – Bei der vorübergehenden Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT ist zu unterscheiden zwischen der vorübergehenden Übertragung nach § 24 Abs. 1 BAT und der vertretungsweisen Übertragung der Tätigkeit nach § 24 Abs. 2 BAT. § 24 Abs. 2 BAT regelt einen Sonderfall der vorübergehenden (interimistischen) Ausübung einer höherwertigen 1 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80; BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 642/84, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 14 Rz. 14.1. 3 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159. 4 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 14 Rz. 10.
700 Schlewing
III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 68
Teil 7
Tätigkeit. Um eine Vertretung handelt es sich nur dann, wenn der eigentliche Arbeitsplatzinhaber vorübergehend die ihm dauernd übertragene Tätigkeit nicht wahrnimmt. Die Billigkeit einer vertretungsweisen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit folgt schon aus dem Übertragungsgrund: Nach Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers auf seinen Arbeitsplatz besteht kein Bedürfnis für die Beschäftigung des Vertreters auf diesem Arbeitsplatz. Die vertretungsweise Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für die Zeit der Verhinderung des Vertretenen entspricht daher regelmäßig billigem Ermessen1. Ist die Stelle, auf der der Angestellte beschäftigt wird, allerdings noch nicht besetzt, liegt kein Vertretungsfall vor. In einem solchen Fall handelt es sich vielmehr um eine vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. – Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit kommt 67 in Betracht, wenn die wahrzunehmende Tätigkeit keine Daueraufgabe darstellt, sondern in absehbarer Zukunft wegfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz für einen besser qualifizierten Arbeitnehmer, der in absehbarer Zeit zur Verfügung steht, freihalten will oder wenn er aufgrund sonstiger berechtigter Interessen den Arbeitsplatz noch nicht endgültig besetzen will, zum Beispiel, weil der Arbeitnehmer noch nicht ausreichend qualifiziert ist oder weil zunächst eine Ausschreibung vorgenommen werden soll2. Damit liegt es beispielsweise im berechtigten Interesse eines Arbeitgebers, der sich in einer Umorganisationsphase befindet, zunächst einmal abzuwarten, wie viele Stellen nach Abschluss der Umorganisation überhaupt zur dauerhaften Besetzung zur Verfügung stehen. Auch kann der Arbeitgeber sich ausreichend Zeit zur Prüfung nehmen, um im Wege der Ausschreibung den aus seiner Sicht qualifiziertesten Bewerber für die freigewordene Stelle zu finden. Ebenso kann ein vorübergehend erhöhter Arbeitsbedarf, der durch besondere zusätzliche Aufgaben von begrenzter Dauer oder durch den Bedarf an der Aufarbeitung von Rückständen aufgetreten ist, eine nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit rechtfertigen. – Ferner ist in der Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass die generelle 68 Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, bestimmte Stellen nur mit Beamten zu besetzen und sie daher bis zum Zugang von Beamtenanwärtern freizuhalten, grundsätzlich hinzunehmen ist3. Für eine solche Organisationsentscheidung kann es nach Auffassung des BAG plausible Gründe geben wie zB die leichtere Versetzbarkeit von Beamten, deren breitere Ausbildung oder gar die Verfügbarkeit von Beamten im Falle eines Streiks. Dann muss der Arbeitgeber nachvollziehbar darlegen, dass er eine solche generelle Organisationsentscheidung tatsächlich getroffen hat. Will der Arbeitnehmer hiergegen einwenden, dass die Organisationsentscheidung im Einzelfall rechtsmissbräuchlich ist, muss nun er 1 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159; BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80; BAG v. 12.6.2002 – 4 AZR 453/01, nv. 2 BAG v. 19.6.1985 – 4 AZR 540/83, AP Nr. 9 zu § 24 BAT; BAG v. 21.6.2000 – 5 AZR 805/98, ZTR 2001, 25. 3 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80. Schlewing
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Teil 7
Rz. 69
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
die Gründe für den von ihm behaupteten Rechtsmissbrauch vortragen. Wird hingegen der vorübergehende Einsatz des Angestellten auf einer für einen zugehenden Beamtenanwärter freizuhaltenden Stelle vom Arbeitgeber nicht mit einer generellen Organisationsentscheidung begründet, ist zu prüfen, ob die Einzelentscheidung, die Stelle nur mit einem Beamten zu besetzen, billigem Ermessen entspricht. Damit muss der Arbeitgeber seine Interessen offen legen, die Stelle für einen Beamten freihalten zu wollen. Gegen dieses Interesse ist das Interesse des Arbeitnehmers abzuwägen, die ihm nur vorübergehend zugewiesene Tätigkeit dauerhaft auszuüben. Da es sich in dem Fall, dass der Arbeitgeber die Stelle für einen zugehenden Beamtenanwärter freihalten will, nicht um einen Vertretungsfall handelt, ist vom Arbeitgeber kein Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Angestellten, der vorübergehend eingesetzt worden ist, und der nach dem Zugang vom Beamtenanwärter zu erbringenden Tätigkeit darzulegen. Zu prüfen ist allerdings die Zuordnung des vorübergehenden Einsatzes des Angestellten zu der freizuhaltenden Stelle im Zeitpunkt der Übertragung. Hierzu hat der Arbeitgeber vorzutragen. An der Zuordnung des vorübergehenden Einsatzes des Angestellten zur freizuhaltenden Stelle zum Zeitpunkt der Übertragungsverfügung können insbesondere dann Zweifel bestehen, wenn der Arbeitgeber die vorübergehenden Übertragungen an mehrere vollbeschäftigte Angestellte für dieselbe Zeit mit dem Freihalten der Stelle für denselben zugehenden Beamtenanwärter begründet1. Wird allerdings dieselbe höherwertige Tätigkeit mehrmals nur vorübergehend auf denselben Arbeitnehmer wegen Freihaltens der Stelle für einen anderen Beamten übertragen, so steigen die Anforderungen an die Gründe dafür, dass auch die weitere(n) Übertragung(en) wirksam nur vorübergehend vorgenommen wurde(n). Die tatsächliche Beschäftigung des Angestellten mit der höherwertigen Tätigkeit auf der freigehaltenen Beamtenstelle kann nämlich erweisen, dass die Interessen des Arbeitgebers auch bei Ausübung der Tätigkeit durch den Angestellten gewahrt sind. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Angestellte die Tätigkeit über einen langen Zeitraum, möglicherweise sogar über die gesamte Dauer der Ausbildung des zugehenden Beamten ausgeübt hat. Bei einer solchen Sachlage bedarf die erneute nur vorübergehende Übertragung derselben höherwertigen Tätigkeit der näheren Begründung durch den Arbeitgeber2. 69 – Es entspricht zudem grundsätzlich billigem Ermessen nach § 315 BGB, wenn der öffentliche Arbeitgeber dem Angestellten zum Zwecke seiner Erprobung nach § 24 Abs. 1 BAT eine höherwertige Tätigkeit nur für einen vorübergehenden Zeitraum überträgt3. Die Prüfung der Eignung des Angestellten für ein neues Aufgabengebiet ist ein berechtigtes Interesse 1 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 184/01, nv. 2 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80. 3 BAG v. 12.6.2002 – 4 AZR 431/01, ZTR 2003, 82.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 70
Teil 7
des Arbeitgebers, die höherwertige Tätigkeit nur für einen begrenzten Zeitraum zu übertragen, welches das Interesse des Arbeitnehmers, diese auf Dauer zu behalten, überwiegt1. Zwar lässt sich die zulässige Dauer einer Erprobung nicht schematisch festlegen; sie muss vielmehr die Anforderungen des höherwertigen Arbeitsplatzes und die gegebenen Kenntnisse und Leistungen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen2. Allerdings bedürfen nach ständiger Rechtsprechung des BAG Erprobungszeiten von mehr als sechs Monaten in jedem Fall einer besonderen Begründung3. Dabei kann sich der besondere Grund für eine diesen Zeitraum überschreitende Erprobungszeit durchaus aus einer besonderen Aufgabenstellung ergeben. Hierzu hat der Arbeitgeber vorzutragen. Ist der Angestellte vor der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit zu Erprobungszwecken bereits für einige Monate in eben diese Tätigkeit eingearbeitet worden, lässt dies das Interesse des Arbeitgebers an der Erprobung des Angestellten jedoch nicht ohne weiteres unbillig erscheinen. Eine Einarbeitungszeit ist in aller Regel durch eine Tätigkeit unter Anleitung und Aufsicht geprägt; eine anschließende Erprobungsphase gibt indes Aufschluss darüber, ob der Angestellte befähigt ist, die ihm übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich auszuüben4. Hat der Angestellte allerdings die ihm nunmehr zur Erprobung übertragenen Aufgaben bereits zuvor ausreichende Zeit wahrgenommen und kann der Arbeitgeber deshalb seine Fähigkeiten für den neuen Arbeitsplatz voll beurteilen, entspricht die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB5. – Eine vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten kann 70 schließlich auch aus Haushaltsgründen gerechtfertigt sein. Nach der Rechtsprechung des BAG6 ist es grundsätzlich hinzunehmen, wenn der öffentliche Arbeitgeber die nur vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten mit haushaltsrechtlichen Überlegungen, insbesondere mit fehlenden Haushaltsstellen und mit in der haushaltsrechtlichen Situation liegenden Tatsachen begründet. Stehen dem Arbeitgeber nämlich auf Dauer keine Stellen zur Verfügung, muss ihm die Möglichkeit bleiben, vorhandene Stellen, die zeitweise ganz oder teilweise nicht besetzt sind, vorübergehend zu besetzen, zB durch Beschäftigung von Angestellten anstelle von Beamten, oder außerplanmäßig bereitstehende Mittel entsprechend zu verwenden. Hat der öffentliche Arbeitgeber zeitweise Stellen zur Verfügung, die höherwertig ausgewiesen sind, kann er diese zur vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nutzen. Dies ist dann der Fall, wenn die Vergütung des vorübergehend mit höherwertigen Tätigkeiten beschäftigten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die nur befristet bewilligt wurde. In ei1 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80. 2 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 142/01 –, nv. 3 BAG v. 18.6.1997 – 4 AZR 728/95, AP Nr. 1 zu § 24 BAT-O; BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 184/01, nv.; BAG v. 12.6.2002 – 4 AZR 431/01, ZTR 2003, 82. 4 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80. 5 BAG v. 18.6.1997 – 4 AZR 728/95, AP Nr. 1 zu § 24 BAT-O. 6 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159. Schlewing
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Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
nem solchen Fall ist nämlich anzunehmen, dass sich der Haushaltsgesetzgeber mit den Verhältnissen dieser Stelle befasst und festgestellt hat, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers auf dem höherwertigen Arbeitsplatz nur ein vorübergehender Bedarf besteht. Dabei wird die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer konkreten, vorübergehend freien Planstelle indes nicht gefordert, solange nur sichergestellt ist, dass die Vergütung des vorübergehend mit höherwertigen Tätigkeiten befassten Arbeitnehmers aus den Mitteln einer nur vorübergehend zur Verfügung stehenden Planstelle erfolgt1. 71 – Eine etwaige Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats nach den personalvertretungsrechtlichen Vorschriften bei der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit führt nicht dazu, dass von einer Übertragung der Tätigkeit auf Dauer auszugehen ist mit der Folge, dass der Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung aus der höheren Vergütungsgruppe verpflichtet wäre2. Selbst wenn die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit wegen unterlassener oder fehlerhafter Beteiligung des Personalrats unwirksam wäre, so bedeutet dies gerade nicht, dass dem Arbeitnehmer die Tätigkeit auf Dauer übertragen worden ist; im Gegenteil, hieraus würde nur folgen, dass die Übertragung der Tätigkeit unwirksam und deshalb vom Arbeitgeber wieder zu beseitigen wäre. 72 – Entsprach eine vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB und galt diese Tätigkeit dem Angestellten deshalb als auf Dauer übertragen, so kann dennoch im Einzelfall die Klage des Arbeitnehmers auf Zahlung der Vergütung aus der höheren Vergütungsgruppe unbegründet sein. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an eine vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit längere Zeit mit seinem Einverständnis wieder eine Tätigkeit ausgeübt hat, die für ihn erkennbar seiner vormaligen niedrigeren Eingruppierung entspricht und er auch danach vergütet wurde. Sofern die Übertragung dieser Tätigkeit nicht zeitlich begrenzt war, rechtfertigt dies regelmäßig die Wertung einer konkludenten Änderung seines Arbeitsvertrages dahin, dass die seiner Eingruppierung entsprechende Tätigkeit nunmehr wieder die von ihm auf Dauer auszuübende ist3. In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte die Klägerin die niedriger zu bewertende Tätigkeit über einen Zeitraum von sechseinhalb Monaten vorbehaltlos ausgeübt. Demgegenüber dürfte nach dem Urteil des BAG vom 17.4.20024 die Wahrnehmung der niedriger zu bewertenden Tätigkeit über einen Zeitraum von lediglich etwa einem Monat nicht ausreichen. In dieser Entscheidung hat das BAG ausgeführt, dass eine Unterbrechung zwischen interi1 BAG v. 27.6.2001 – 7 AZR 157/00, ZTR 2002, 187. 2 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 142/01, nv.; BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159. 3 BAG v. 12.6.2002 – 4 AZR 432/01, nv. 4 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 142/01, nv.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 76
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mistischen Übertragungen jedenfalls dann nichts ändere, wenn die Unterbrechung lediglich etwas mehr als einen Monat gedauert habe. 4. Die gesamte Tätigkeit zählt Auch nach neuem Recht wird – entsprechend der Vorgängerregelung in 73 § 22 Abs. 2 BAT – zur tarifgerechten Eingruppierung die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit zu bewerten sein. Demnach ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.
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Da eine auszuübende Tätigkeit häufig aus mehreren Teiltätigkeiten unter- 75 schiedlicher Größe besteht, bedeutet dies auf der einen Seite, dass jeder Teil berücksichtigt werden muss. Tätigkeiten mit einem kleineren Zeitanteil müssen demnach ebenso berücksichtigt werden wie Tätigkeiten mit einem größeren Zeitanteil1. Es kommt auch nicht darauf an, welche Tätigkeit überwiegt oder der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt2. a) Die für die Eingruppierung unerheblichen Kriterien Auf der anderen Seite steht damit zugleich fest, dass ua. folgende Kriterien für die tarifgerechte Eingruppierung unerheblich sind3: – die Entgeltgruppe, aus der der Beschäftigte tatsächlich sein Entgelt erhält, – die Eingruppierung des Vorgängers auf der Stelle, – die Eingruppierung vergleichbarer Beschäftigter, – die Besoldung vergleichbarer Beamter auf dem gleichen Dienstposten, – die Einschätzung des Vorgesetzten, – Stellenausschreibungen,
1 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 670. 2 Sonntag/Bauer, Eingruppierung, Rz. 43. 3 Krasemann, Das Eingruppierungsrecht des BAT/BAT-O, Praxishandbuch zur Tätigkeitsbewertung, 8. Aufl. 2005, 97 ff.; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 671; Sonntag/Bauer, Eingruppierung, Rz. 58 ff. Das BAG hat in seinem Urteil vom 27.8.2008 (– 4 AZR 484/07, ZTR 2009, 211) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Eingruppierung der subjektiven Bewertung des Arbeitgebers entzogen und allein aufgrund objektiver Merkmale nach tariflichen Bestimmungen vorzunehmen ist. Der Inhalt eines Stellenplans sei eingruppierungsrechtlich bedeutungslos. Gleiches gelte für die Einschätzung eines Vorgesetzten des Beschäftigten. Teile ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Ergebnis einer Kommission zur Bewertung der Stellenbeschreibung mit, so äußere er damit nur eine Rechtsauffassung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Bezahlung vergleichbarer Mitarbeiter. Diese Umstände könnten allenfalls für die Begründung eines Anspruchs auf der Grundlage des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes herangezogen werden. Schlewing
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Rz. 77
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
– Stellenbeschreibungen, – die Qualität der geleisteten Arbeit, – die Ausweisung der Stelle im Haushalts- oder Stellenplan. b) Der Arbeitsvorgang als maßgebliche Bewertungseinheit 77 Unter Geltung des TVöD und des TV-L wird auch an dem Begriff des Arbeitsvorgangs und dem Hälftelungsprinzip1 festgehalten werden. 78 Damit entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. 79 Die entsprechende Vorgängerregelung findet sich in § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT/BAT-O. Nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu Abs. 2 des § 22 BAT/ BAT-O sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (zB unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Eintragung in das Grundbuch, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz, jetzt: SGB XII). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. 80 Das bedeutet, dass ein komplexer Bewertungsvorgang vorgenommen werden muss, der sich in den folgenden drei Stufen vollzieht2: – Da die tarifliche Bewertungseinheit der Arbeitsvorgang ist, ist die gesamte auszuübende Tätigkeit des Beschäftigten (Bewertungsgegenstand) zunächst in Arbeitsvorgänge zu zerlegen, dh. es sind die Arbeitsvorgänge festzustellen. – Jeder Arbeitsvorgang ist sodann einzeln zu bewerten. Für jeden Arbeitsvorgang ist mithin der zeitliche Anteil an der Gesamtarbeitszeit zu ermitteln und es ist zu prüfen, welche tariflichen Anforderungen der Arbeitsvorgang erfüllt. – Schließlich erfolgt eine Bewertung der gesamten Tätigkeit. Es ist zu prüfen, ob mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die einem bzw. mehreren Tätigkeitsmerkmalen entsprechen.
1 Zetl, ZMV 2005, 169. 2 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 373 ff.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 82
Teil 7
aa) Die Feststellung der Arbeitsvorgänge Das BAG geht seit dem Jahre 1977 in ständiger Rechtsprechung von folgen- 81 dem Begriff des Arbeitsvorgangs aus1: Ein Arbeitsvorgang ist eine unter Hinzurechnung von Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten. Dabei ist es nach dem BAG zwar rechtlich möglich, dass die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden. Bei sog. Funktionsmerkmalen (zB Arzt, Kassenleiter) ist nach ständiger 82 Rechtsprechung des BAG die gesamte Tätigkeit des Angestellten in dieser Funktion als einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten2. Die Tarifvertragsparteien – so das BAG – hätten durch die Vereinbarung des Funktionsmerkmals als Tätigkeitsmerkmal mit für die Gerichte bindender Wirkung bestimmt, dass bei diesen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen alle Tätigkeiten tarifrechtlich einheitlich bewertet werden sollen und deshalb auch als ein Arbeitsvorgang anzusehen seien. Derartige tarifliche Regelungen seien rechtlich unbedenklich möglich. Dasselbe gilt, wenn die Tarifvertragsparteien zwar keine Funktionsbezeichnung vereinbart haben, die auszuübende Tätigkeit aber Funktionscharakter hat3. Dann sind alle zu diesem Aufgabenbereich gehörenden Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen4. Die vorstehenden Ausführungen gelten ferner in den Fällen, in denen die Tarifvertragsparteien einer Eingruppierungsnorm Bewertungsbeispiele beigefügt haben. In dem Fall bildet das Bewertungsbeispiel die Klammer für alle Arbeitsleistungen des Angestellten, die der Bei-
1 BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 431/96, AP Nr. 226 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 452/96, AP Nr. 10 zu § 12 AVR Caritasverband; BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 30.9.1998 – 4 AZR 539/97, AP Nr. 257 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 8.9.1999 – 4 AZR 688/98, NZA 2000, 378; BAG v. 29.11.2001 – 4 AZR 736/00, BAGE 100, 35; BAG v. 31.7.2002 – 4 AZR 129/01, BAGE 102, 89. 2 BAG v. 7.12.1983 – 4 AZR 405/81, AP Nr. 83 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 15.2.1984 – 4 AZR 264/82, AP Nr. 86 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 27.11.1985 – 4 AZR 436/84, AP Nr. 111 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 25.9.1996 – 4 AZR 200/95, DB 1997, 432; BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 39/96, DB 1998, 1521; BAG v. 29.11.2001 – 4 AZR 736/00, NZA 2002, 1288; BAG v. 21.2.2007 – 4 AZR 242/06, ZTR 2007, 616. 3 Vgl. BAG v. 11.2.2004 – 4 AZR 42/03 – BAGE 109, 308; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 303/07, ZTR 2008, 668. 4 BAG v. 16.10.1985 – 4 AZR 149/84, AP Nr. 108 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 1.4.1987 – 4 AZR 397/86, AP Nr. 136 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 29.1.1992 – 4 AZR 217/91, ZTR 1992, 200; BAG v. 1.3.1995 – 4 AZR 8/95, AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter. Schlewing
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Teil 7
Rz. 83
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
spielstätigkeit dienen1. Abwesenheitsvertretungstätigkeiten, die einem Beschäftigten, zB durch den Geschäftsverteilungsplan auf Dauer übertragen wurden, gehören zur auszuübenden Tätigkeit und sind deshalb in die tarifrechtliche Bewertung einzubeziehen. Diese Vertretungstätigkeiten bilden zumindest einen eigenen Arbeitsvorgang2. 83 Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des BAG maßgebliches Kriterium bei der Bildung von Arbeitsvorgängen das Arbeitsergebnis. Hierzu hat das Gericht mehrfach ausgeführt, dass es bei der Prüfung, welche Arbeitsvorgänge in einer Tätigkeit anfallen, entscheidend auf die jeweiligen Arbeitsergebnisse ankommt3. Die Untersuchung, ob eine Arbeitseinheit den tariflichen Anforderungen des Arbeitsvorgangs gerecht wird, sollte deshalb mit der Feststellung des Arbeitsergebnisses dieser Arbeitseinheit beginnen. Dabei ist davon auszugehen, dass das Arbeitsergebnis das Resultat einer Summe von Arbeitsleistungen ist. Hier sind in der Regel Tätigkeits- bzw. Arbeitsplatzbeschreibungen nicht nur hilfreich, sondern notwendig. 84 Als nächster Schritt ist zu prüfen, ob die Arbeitseinheit unter Berücksichtigung einer sinnvollen vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten tatsächlich abgrenzbar ist. Bei der Prüfung der Abgrenzbarkeit dürfen Zusammenhangstätigkeiten nicht abgetrennt werden. Unter Zusammenhangstätigkeiten versteht das BAG solche Tätigkeiten, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben des Angestellten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger Atomisierung der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind4. Auch wiederkehrende, gleichartige Arbeitsleistungen sind bei gleicher tarifrechtlicher Wertigkeit der einzelnen Arbeitsleistungen zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen (beispielsweise die Bearbeitung von Widersprüchen)5. Im Übrigen ist festzustellen, dass das BAG inzwischen regelmäßig davon ausgeht, dass gerade bei Tätigkeiten mit Führungs- und Leitungsaufgaben ein einziger großer Arbeitsvorgang anzunehmen ist. Hier ist entscheidend, dass alle Aufgaben der Leitungstätigkeit einem Arbeitsergebnis dienen und deshalb einen einzigen großen Arbeitsvorgang bilden6. Andere Arbeitsvor-
1 BAG v. 15.6.1994 – 4 AZR 327/93, AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen; BAG v. 26.7.1995 – 4 AZR 280/94, DB 1996, 1188. 2 BAG v. 15.10.1986 – 4 AZR 548/85, ZTR 1987, 93. 3 Vgl. nur BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 4 BAG v. 14.2.1979 – 4 AZR 414/77, AP Nr. 15 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 15.2.1984 – 4 AZR 553/81, AP Nr. 85 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 21.2.1990 – 4 AZR 603/89, AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen. 5 BAG v. 19.7.1978 – 4 AZR 31/77, AP Nr. 8 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 13.12.1978 – 4 AZR 322/77, AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 28.2.1979 – 4 AZR 427/77, AP Nr. 16 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 12.8.1981 – 4 AZR 15/79, AP Nr. 47 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 6 BAG v. 22.10.1986 – 4 AZR 568/85, AP Nr. 126 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 19.4.1989 – 4 AZR 39/89, AP Nr. 146 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 14.8.1991 – 4 AZR 25/91, NZA 1992, 285; BAG v. 29.4.1992 – 4 AZR 485/91, AP Nr. 162 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 24.3.1993 – 4 AZR 298/92, NZA 1993, 706; BAG v.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 86
Teil 7
gänge, zB zusätzliche Sachbearbeitertätigkeiten, sind demgegenüber von der Leitungsaufgabe zu trennen. bb) Die Bewertung der Arbeitsvorgänge Nach der Ermittlung der Arbeitsvorgänge ist jeder einzelne Arbeitsvorgang daraufhin zu überprüfen, welche der in den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungs-/Entgeltordnung festgelegten Anforderungen er erfüllt und welchen zeitlichen Umfang seine Erledigung in Anspruch nimmt.
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(1) Die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungs- bzw. Entgeltordnung Unter Geltung der Vergütungsordnung des BAT ist bei der Überprüfung, welche der in den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung festgelegten Anforderungen der Arbeitsvorgang erfüllt, zu unterscheiden zwischen: – Den Anforderungen, die sich aus der auszuübenden Tätigkeit ergeben, wie zB schwierige Tätigkeiten, gründliche Fachkenntnisse, selbständige Leistungen (hierzu gehört auch die Heraushebung der Tätigkeit aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe, beispielsweise das Herausheben durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung). Bei der Bewertung ist stets der Aufbau der in Frage kommenden Tätigkeitsmerkmale zu beachten. Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG bei Aufbaufallgruppen, dh. Fallgruppen, die in der Weise aufeinander aufbauen, dass eine Anforderung des niedriger bewerteten Tätigkeitsmerkmals in einem quantitativ höheren Maße gegeben sein muss oder dass allein eine zusätzliche Anforderung gestellt wird, zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Vergütungsgruppe erfüllt sind und anschließend, ob die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe vorliegen1. – Und den Voraussetzungen in der Person des Angestellten; hierunter sind ua. der Nachweis einer bestimmten Ausbildung oder die Erfüllung von Zeiten einer bestimmten Tätigkeit zu verstehen. Die in den Tätigkeitsmerkmalen geforderten personenbezogenen Anforderungen müssen unabhängig von der auszuübenden Tätigkeit erfüllt sein2. – Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien in der Vergütungsordnung des BAT teilweise gleichzeitig eine Alternative zu der geforderten Ausbildung vereinbart. Gleichgestellt werden nämlich „sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben“.
23.10.1996 – 4 AZR 270/95, AP Nr. 220 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 22.4.1998 – 4 AZR 20/97, AP Nr. 240 zu §§ §§ 22, 23 BAT 1975. 1 BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 6.6.2007 – 4 AZR 505/06, ZTR 2008, 156; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 303/07, ZTR 2008, 668. 2 Sonntag/Bauer, Eingruppierung, Rz. 159. Schlewing
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Rz. 87
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
87 Für die künftigen Entgeltordnungen zum TVöD und TV-L steht bislang nur fest, dass sie tätigkeitsbezogen sein und sich in vier ausbildungsbezogene Qualifikationsebenen gliedern werden, wobei diese vier Qualifikationsebenen jeweils mit einer „Einstiegsentgeltgruppe“ beginnen. Innerhalb der jeweiligen Qualifikationsebenen wird es „Heraushebungsentgeltgruppen“ geben, die höhere inhaltliche Anforderungen aufweisen. Auch der „sonstige Angestellte“ nach bisherigem Recht wird mit der neuen Entgeltordnung in allen Qualifikationsebenen und für alle Beschäftigtengruppen eingeführt. Demnach wird auch nach neuem Recht zunächst eine Zuordnung zu einer bestimmten Qualifikationsebene und danach zu einer Einstiegs- oder – unter Berücksichtigung etwaiger Aufbaugruppen – Heraushebungsentgeltgruppe erforderlich sein. Welche höheren inhaltlichen Anforderungen die Heraushebungsentgeltgruppen aufweisen werden, bleibt abzuwarten. (2) Zusammenfassende Beurteilung aller Arbeitsvorgänge im Rahmen der Bewertung 88 § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT bestimmt für den Fall, dass die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden kann (zB vielseitige Fachkenntnisse), dass diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen sind. Diese Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, dass die Vergütungsordnung einige Tätigkeitsmerkmale mit Anforderungen enthält (zB gründliche Fachkenntnisse, gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, gründliche umfassende Fachkenntnisse, besondere Leistungen, erhebliche Heraushebung durch das Maß der Verantwortung, besonders verantwortungsvolle Tätigkeiten), die nach der Natur der Sache bzw. nach ihrem Wesen bei der Erledigung nur eines Arbeitsvorgangs oder mehrerer gleichartiger Arbeitsvorgänge nicht erfüllt werden können. Im Gegenteil: Diese Anforderungen werden häufig erst bei der Betrachtung mehrerer verschiedener Arbeitsvorgänge, insbesondere aus unterschiedlichen Rechts- bzw. Fachgebieten erfüllt. 89 Ob die neuen §§ 12 TVöD/TV-L gleich lautende Bestimmungen enthalten werden, ist derzeit noch offen. Dies hängt von der konkreten Ausgestaltung der zukünftigen Entgeltordnungen ab. (3) Die Feststellung des zeitlichen Anteils 90 Steht die tarifliche Bewertung der von dem Beschäftigten auszuübenden Arbeitsvorgänge fest, ist der zeitliche Anteil eines jeden Arbeitsvorgangs in Bezug auf die Gesamtarbeitszeit festzustellen. Der zeitliche Anteil wird für jeden einzelnen Arbeitsvorgang regelmäßig in einem Prozentsatz der Gesamtarbeitszeit angegeben. Üblicherweise werden die Zeitanteile geschätzt. Zu beachten ist, dass es sich – anders als bei der Feststellung der Arbeitsvorgänge1 – bei der Festlegung der zeitlichen Anteile nicht um eine 1 BAG v. 19.2.2003 – 4 AZR 158/02, ZTR 2003, 511.
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III. Die Grundsätze der Eingruppierung
Rz. 94
Teil 7
Rechtsfrage, sondern um feststellbare Tatsachen handelt, die von den Parteien im Streitfall unstreitig gestellt werden können1. cc) Die Bewertung der gesamten Tätigkeit Abschließend wird die gesamte Tätigkeit auf der Grundlage der Ergebnisse zu aa) und bb) bewertet. Es ist also per Addition zu prüfen, ob insgesamt mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die einem Tätigkeitsmerkmal hinsichtlich der Anforderungen entsprechen und deshalb diesem Tätigkeitsmerkmal endgültig zugeordnet werden können. Zu beachten ist jedoch, dass der tariflich geforderte Anteil nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT nur in der Regel 50 % beträgt. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein hiervon abweichendes zeitliches Maß bestimmt, so gilt nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 4 BAT dieses.
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Enthält eine tarifliche Fallgruppe mehrere Tätigkeitsmerkmale mit unter- 92 schiedlichen Zeitanforderungen (wie zB die ersten Fallgruppen der Vergütungsgruppen VIb, Vc und Vb der allgemeinen Vergütungsordnung), so ist zunächst jeder Arbeitsvorgang einheitlich danach zu bewerten, ob er die tariflichen Tätigkeitsmerkmale erfüllt. Der Arbeitsvorgang darf hinsichtlich der Anforderungen nicht zeitlich aufgespalten werden. Das bedeutet, dass nicht darauf abzustellen ist, ob die Hälfte der die Gesamtarbeitszeit ausmachenden Arbeitsvorgänge ihrerseits jeweils das tariflich geforderte Maß der Qualifizierung erfüllen, sondern dass zu prüfen ist, ob in dem geforderten Ausmaß Arbeitsvorgänge anfallen, die ihrerseits die tariflichen Anforderungen erfüllen2. 5. Die Lücke in der Vergütungs- bzw. Entgeltordnung Zwar verfolgen die Tarifvertragsparteien mit der Schaffung einer Ver- 93 gütungs- bzw. Engeltordnung die Absicht, grundsätzlich alle Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes zu erfassen und damit erschöpfend zu regeln. Wegen der großen Zahl und Vielfalt der Arbeitsplätze ist es den Tarifvertragsparteien jedoch tatsächlich nicht möglich, für jede Tätigkeit eines Arbeitnehmers ein passendes Tätigkeitsmerkmal oder eine entsprechende Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe tarifieren. Damit sind Regelungslücken unvermeidlich. Erfüllt die Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Geltungsbereich eines Tarifvertrages keines der in der tariflichen Vergütungsordnung geregelten Tätigkeitsmerkmale, fehlt ein solches also, handelt es sich um eine Tariflücke. Eine solche Tariflücke kann nur unter bestimmten Voraussetzungen durch die Arbeitsgerichte geschlossen werden. Die Befugnis zur Schließung einer Regelungslücke hängt zunächst davon ab, ob es sich um eine bewusste oder unbewusste Tariflücke handelt. 1 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 684. 2 BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 642/84, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 20.10.1993 – 4 AZR 45/93, NZA 1994, 560; BAG v. 22.3.1995 – 4 AZN 1105/94, NZA 1996, 42. Schlewing
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94
Teil 7
Rz. 95
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
95 Haben die Tarifpartner bewusst eine Regelungslücke in Kauf genommen, liegt eine bewusste Tariflücke vor. Dann ist es den Gerichten aufgrund der Tarifautonomie der Tarifpartner nicht gestattet, diese Lücke durch Auslegung zu füllen. Denn die Gerichte sind nicht befugt, gegen den Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen zu „schaffen“ oder eine schlechte Verhandlungsführung einer Tarifvertragspartei dadurch zu prämieren, dass ihr Vertragshilfe geleistet wird1. Eine bewusste Tariflücke liegt beispielsweise vor, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt gelassen haben und diese Absicht in einer entsprechenden Auslassung ihren Ausdruck gefunden hat2 oder wenn die Tarifvertragsparteien für eine Beschäftigtengruppe zwar spezielle Eingruppierungsnormen vereinbart, diese aber nur auf eine bestimmte Anzahl von Vergütungsgruppen beschränkt haben3. Der umfassende Charakter der Vergütungsordnungen (Entgeltordnungen) spricht indes im Regelfall gegen die Annahme einer bewussten Tariflücke4. 96 Bei der unbewussten Tariflücke handelt es sich um eine Regelungslücke in der Vergütungs- bzw. Entgeltordnung, die nicht aufgrund einer bewussten Entscheidung der Tarifvertragsparteien zustande gekommen ist5. Der Grund hierfür kann entweder in einem unbewussten Unterlassen der Tarifpartner liegen oder darin, dass eine neue Beschäftigtengruppe entstanden ist, für die noch keine speziellen Eingruppierungsnormen vereinbart wurden. Nach alledem ist eine unbewusste Tariflücke eine Regelungslücke, die entgegen dem von den Tarifpartnern angestrebten universalen Charakter und dem Vollständigkeitsprinzip entstanden ist und bei der erkennbar ist, dass sie nicht gewollt war. Unbewusste Tariflücken können nach ständiger Rechtsprechung des BAG von den Arbeitsgerichten unter Beachtung der Auffassung der Tarifpartner ausgelegt und damit ausgefüllt werden6. Voraussetzung ist allerdings, dass sich aus dem Tarifvertrag selbst hineichende Anhaltspunkte zum einen dafür ergeben, dass die Tarifvertragsparteien beabsichtigt hatten, eine vollständige Regelung für alle im Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgeübten Tätigkeiten zu schaffen. Zum anderen müssen die Tätigkeitsmerkmale der vereinbarten Vergütungsordnung in ihrer Bewertung eindeutige Hinweise darauf ergeben, wie die Tarifvertragsparteien die nicht berücksichtigte Tätigkeit bewertet hätten7. Da 1 BAG v. 24.9.2008 – 4 AZR 642/07, ZTR 2009, 81. 2 BAG v. 29.8.1984 – 4 AZR 309/82, AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 10.10.1984 – 4 AZR 411/82, AP Nr. 95 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 23.1.1985 – 4 AZR 14/84, AP Nr. 99 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 11.9.1985 – 4 AZR 141/84, AP Nr. 106 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 28.1.1987 – 4 AZR 147/86, AP Nr. 130 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 163/08, nv. 3 Krasemann, 189. 4 BAG v. 11.9.1985 – 4 AZR 141/84, AP Nr. 106 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 21.10.1992 – 4 AZR 88/92, NZA 1993, 379; BAG v. 5.5.1999 – 4 AZR 313/98, NZA 2000, 53. 5 Krasemann, 192. 6 BAG v. 24.9.1986 – 4 AZR 482/85, AP Nr. 123 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 26.8.1987 – 4 AZR 146/87, AP Nr. 138 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 18.5.1988 – 4 AZR 775/87, AP Nr. 145 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 7 BAG v. 24.9.2008 – 4 AZR 642/07, ZTR 2009, 81.
712 Schlewing
IV. Die Höhergruppierung
Rz. 100
Teil 7
darauf abzustellen ist, wie in der Vergütungsordnung artverwandte und vergleichbare Tätigkeiten bewertet werden, ist eine unbewusste Tariflücke stets durch die analoge Anwendung von anderen speziellen Eingruppierungsnormen zu schließen. Zu beachten ist, dass zur Lückenschließung keine Eingruppierungsnormen herangezogen werden dürfen, die zwischen anderen Tarifvertragsparteien vereinbart wurden1.
IV. Die Höhergruppierung Grundlage der Eingruppierung ist die vom Beschäftigten auf Dauer aus- 97 zuübende Tätigkeit, mithin die Tätigkeit, die ihm vom Arbeitgeber wirksam kraft Direktionsrechts übertragen wurde. Dabei erstreckt sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe erfüllen, in die der Beschäftigte eingestuft wurde. Der Beschäftigte hat dann einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung aus der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist. Höhergruppierung bedeutet demgegenüber die Zuordnung des Beschäftig- 98 ten zu einer höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe. Sie begründet einen entsprechenden Anspruch des Beschäftigten auf Bezahlung aus dieser höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe2. Kennzeichnend für die Höhergruppierung ist, dass der Ist-Zustand der Vergütung nicht dem tariflichen SollZustand entspricht, sondern hinter ihm zurückbleibt. 1. Die Ursachen der Höhergruppierung Für die Abweichung des Ist-Zustandes vom Soll-Zustand kann es unterschiedliche Ursachen geben:
99
a) Die Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit durch den Arbeitgeber So kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer beispielsweise auf Dauer Tä- 100 tigkeiten zugewiesen haben, die den Merkmalen einer höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe entsprechen. Mit dieser Zuweisung der höherwertigen Tätigkeiten ändert sich naturgemäß der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers. Da die Zuweisung einer tariflich höher zu bewertenden Tätigkeit nicht mehr vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist, ist hierfür eine Vertragsänderung erforderlich. Diese Vertragsänderung kommt in der Regel dadurch zustande, dass der Arbeitnehmer die neue auf Dauer zugewiesene Tätigkeit vorbehaltlos ausübt. Die Eingruppierung in die höhere Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe erfolgt dann automatisch kraft Tarifrechts3. 1 BAG v. 23.1.1985 – 4 AZR 14/84, AP Nr. 99 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 749. 3 Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, § 22 Rz. 58; Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/ TV-L, Rz. 749. Schlewing
713
Teil 7
Rz. 101
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
b) Das Hineinwachsen in eine höherwertige Tätigkeit ohne Zutun des Arbeitgebers 101
Eine Höhergruppierung kann auch ohne Zutun des Arbeitgebers automatisch eintreten, und zwar dadurch, dass sich die auszuübende Tätigkeit „aus sich heraus“ so ändert, dass sie den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe entspricht1. Diese Fallgestaltung wird durch §§ 13 TVöD/TV-L unter der Überschrift „Eingruppierung in besonderen Fällen“ erfasst. Diese Vorschriften sind derzeit noch nicht belegt und sollen im Zusammenhang mit der neuen Entgeltordnung geregelt werden. §§ 13 TVöD/TV-L sind jedoch als eine dem § 23 BAT vergleichbare Regelung vorgesehen, so dass unter Beachtung der in §§ 17 TVÜ-Bund, TVÜLänder und TVÜ-VKA getroffenen Überleitungsregelungen die Grundsätze zu § 23 BAT herangezogen werden können. c) Die billigem Ermessen nach § 315 BGB nicht entsprechende vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach §§ 14 TVöD/TV-L
102
Zu einer Abweichung des Ist-Zustandes vom tariflichen Soll-Zustand kann es auch dadurch kommen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach §§ 24 BAT bzw. 14 TVöD/TV-L nur vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen hat und diese Übertragung billigem Ermessen nach § 315 BGB nicht entspricht. In dem Fall gilt die Übertragung der Tätigkeit – sofern nicht nur die zeitliche Dauer anders bestimmt wird – nicht nur als vorübergehend, sondern als auf Dauer vorgenommen2. d) Die falsche Eingruppierung des Arbeitnehmers
103
Letztlich kann es vorkommen, dass die vom Arbeitnehmer nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages auszuübende Tätigkeit nicht seiner Eingruppierung entspricht, dass er also falsch – weil zu niedrig – eingruppiert wurde. In dem Fall hat der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit irrtümlich zu niedrig bewertet. Da der Arbeitgeber durch die Angabe der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag jedoch nur zum Ausdruck bringt, dass er das Entgelt gewähren will, das sich bei Anwendung der tariflichen Bestimmungen ergibt3, hat der Arbeitnehmer aufgrund der Tarifautomatik einen Anspruch auf Bezahlung der Vergütung aus der zutreffenden höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe. 2. Der „Anspruch auf Höhergruppierung“ außerhalb der Tarifautomatik
104
Von den zuvor beschriebenen Fällen der Abweichung des Ist-Zustandes vom tariflichen Soll-Zustand zu unterscheiden sind die Fälle, in denen sich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung/Entgelt aus einer höheren 1 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz 749. 2 BAG v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, ZTR 2003, 80. 3 BAG v. 9.12.1999 – 4 AZR 291/98, ZTR 2000, 460.
714 Schlewing
IV. Die Höhergruppierung
Rz. 108
Teil 7
Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe nicht aufgrund der Tarifautomatik nach den §§ 22 BAT bzw. 12, 13 TVöD/TV-L, sondern aus anderen Rechtsgrundlagen ergibt. a) Der Anspruch auf ein höheres Entgelt aus dem Arbeitsvertrag Die Parteien können ohne weiteres im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass für 105 die Entgeltansprüche des Arbeitnehmers eine höhere als die sich aus der Tarifautomatik ergebende Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe maßgebend sein soll. Da derartige vertragliche Ansprüche nur durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien begründet werden können, ist hier stets genau zu prüfen, ob eine bestimmte Äußerung des öffentlichen Arbeitgebers tatsächlich als rechtsgeschäftliches Angebot einer bestimmten Vergütung/eines bestimmten Entgelts oder lediglich als tatsächliche Mitteilung über das Ergebnis der von ihm vorgenommenen tariflichen Bewertung zu verstehen ist. Bei der hierbei erforderlichen Auslegung der Willenserklärungen des Arbeitgebers nach den §§ 133, 157 BGB ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich alle Beschäftigten tarifgerecht behandeln und deshalb grundsätzlich keine übertarifliche Bezahlung, sondern nur das gewähren will, was dem Arbeitnehmer tariflich zusteht1. b) Der „Anspruch auf Höhergruppierung“ aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Das BAG hatte sich in den letzten Jahren vermehrt mit Höhergruppierungsverlangen zu beschäftigen, die auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt wurden. In der Regel waren die Klagen letztlich allerdings nicht erfolgreich.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BAG schützt der Gleichbehandlungs- 107 grundsatz den Arbeitnehmer allein gegenüber der Gestaltungsmacht des Vertrags-Arbeitgebers, bindet demnach jeden Träger allein in seinem Zuständigkeitsbereich2. Aus dem Grunde kann sich ein Beschäftigter nicht mit Erfolg auf die Eingruppierung vergleichbarer Beschäftigter bei einem anderen Arbeitgeber berufen. Im Übrigen greift der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nach 108 ständiger Rechtsprechung des BAG wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser durch eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hingegen in den Fällen des bloßen Normenvollzugs. Des-
1 BAG v. 9.7.1997 – 4 AZR 635/95, NZA 1998, 494; BAG v. 18.2.1998 – 4 AZR 581/96, NZA 1998, 950; BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 17.7.2003 – 8 AZR 376/02, ZTR 2004, 28. 2 BAG v. 7.3.1995 – 3 AZR 282/94, NZA 1996, 48; BAG v. 3.12.1997 – 10 AZR 563/96, NZA 1998, 438; BAG v. 5.10.1999 – 3 AZR 230/98, NZA 2000, 839. Schlewing
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Teil 7
Rz. 109
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
halb wird ein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Irrtum“ verneint1. Ist der Beschäftigte aufgrund der für ihn geltenden Tarifautomatik mithin richtig eingruppiert, entspricht also der Ist-Zustand seiner Eingruppierung dem tariflichen Soll-Zustand, so kann er sich in der Regel nicht darauf berufen, dass vergleichbare Arbeitnehmer ggfls. irrtümlich eine höhere Vergütung erhalten. 109
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Zwar gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der Vergütung nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Gewährt der Arbeitgeber allerdings Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung, so findet der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung mit der Folge, dass der Arbeitgeber Arbeitnehmer von einer solchen Regelung nur aus sachlichen Gründen ausschließen darf2. Eine solche – eine Gleichbehandlungspflicht auslösende – nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung liegt vor, wenn der Arbeitgeber an andere vergleichbare Arbeitnehmer bewusst zusätzliche freiwillige Leistungen zahlt3. Aber auch dann, wenn der Arbeitgeber an andere vergleichbare Arbeitnehmer eine höhere Vergütung zahlt, weil er sich tariflich für verpflichtet hält, kann dies einen Anspruch auf Gleichbehandlung auslösen. Der Arbeitgeber kann diese Praxis nämlich jederzeit beenden und sich von der rechtsirrtümlich gewährten Vergütung lossagen4. Tut er dies nicht und gewährt er nach Kenntnis von seinem Irrtum die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weiter und macht rechtlich mögliche Rückforderungsansprüche nicht geltend, erbringt er ab dem Zeitpunkt bewusst zusätzliche freiwillige Leistungen und muss deshalb die bislang von der Leistung ausgeschlossenen vergleichbaren Arbeitnehmer gleichbehandeln5. Aber auch dann, wenn der Arbeitgeber erst künftig die Leistungen an die bisher begünstigten Arbeitnehmer einstellt, hat der übergangene Arbeitnehmer zumindest einen Anspruch auf Gleichbehandlung für die Vergangenheit, dh. für den Zeitraum bis zur Einstellung der Leistungen gegenüber den vergleichbaren Mitarbeitern6. Stellt der Arbeitgeber hingegen die rechtsgrundlosen Zahlungen alsbald nach Kenntniserlangung von seinem Irrtum ein und ergreift er alle rechtlich möglichen Maßnahmen zur nachträglichen Korrektur seines Irrtums, 1 BAG v. 24.2.2000 – 6 AZR 504/98, nv.; BAG v. 27.8.2008 – 4 AZR 484/07, ZTR 2009, 211. 2 BAG v. 26.10.1995 – 6 AZR 125/95, DB 1996, 1191; BAG v. 26.11.1998 – 6 AZR 335/97, NZA 1999, 1108; BAG v. 24.2.2000 – 6 AZR 504/98, nv.; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 299/07, ZTR 2008, 670; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 223/07, ZTR 2009, 25. 3 BAG v. 24.2.2000 – 6 AZR 504/98, nv. 4 BAG v. 26.10.1995 – 6 AZR 125/95, DB 1996, 1191; BAG v. 26.11.1998 – 6 AZR 335/97, NZA 1999, 1108; BAG v. 24.2.2000 – 6 AZR 504/98, nv. 5 BAG v. 26.11.1998 – 6 AZR 335/97, NZA 1999, 1108; BAG v. 24.2.2000 – 6 AZR 504/98, nv.; BAG v. 27.8.2008 – 4 AZR 484/07, ZTR 2009, 211. 6 BAG v. 26.10.1995 – 6 AZR 125/95, DB 1996, 1191.
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IV. Die Höhergruppierung
Rz. 114
Teil 7
ist für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum1. c) Der Schadensersatzanspruch bei Nichthinweis des Arbeitgebers auf Herabgruppierung einer ausgeschriebenen Stelle Ein Anspruch auf Höhergruppierung, dh. darauf, aus einer höheren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe vergütet zu werden, kann in Einzelfällen auch als Schadensersatzanspruch in Betracht kommen.
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Schreibt der öffentliche Arbeitgeber eine Stelle unter Angabe einer be- 111 stimmten Entgeltgruppe aus und ist ihm zum Zeitpunkt des Bewerbungsgesprächs bzw. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine mögliche künftige tarifliche Verschlechterung bekannt, so ist er aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, den sich bewerbenden Arbeitnehmer auf eben diese mögliche Verschlechterung der tariflichen Eingruppierung nach den §§ 22 ff. BAT, 12, 13 TVöD/TV-L hinzuweisen. Unterlässt er diesen Hinweis bei dem Bewerbungsgespräch oder dem späteren Vertragsschluss, so ist er dem Arbeitnehmer gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt eine Rückgruppierung des Arbeitnehmers erfolgt2. d) Der Schadensersatzanspruch des übergangenen Beförderungsbewerbers Ferner kann ein Anspruch des Arbeitnehmers darauf, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als sei ihm eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden, auch für einen übergangenen Beförderungsbewerber in Betracht kommen.
112
Da es einen allgemeinen vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen An- 113 spruch eines Arbeitnehmers auf Übertragung einer Beförderungsstelle nicht gibt3, scheidet eine etwaige Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers auf Leistung von Schadensersatz aus Vertrag, Tarif oder Gesetz von vornherein aus. Ein Anspruch auf Leistung von Schadensersatz in der Form, den Arbeitnehmer so zu stellen, als sei ihm der begehrte Beförderungsdienstposten übertragen worden, kann sich jedoch wegen Verletzung des Prinzips der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben. aa) Das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach den genannten Kriterien beurteilt werden. Dies gilt nicht nur für Einstellungen, sondern auch für Beförderungen innerhalb des öffentlichen Dienstes. Dabei sind öffentliche Ämter in diesem Sinne 1 BAG v. 26.11.1998 – 6 AZR 335/97, NZA 1999, 1108. 2 BAG v. 13.6.1996 – 8 AZR 415/94, nv. 3 Vgl. BAG v. 13.6.1991 – 8 AZR 347/89, nv. Schlewing
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Teil 7
Rz. 115
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können1. Die Festlegung auf die in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gibt jedem Bewerber ein subjektives Recht auf chancengleiche Teilhabe am Bewerbungsverfahren. Art. 33 Abs. 2 GG dient nicht nur dem Interesse des einzelnen Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen, sondern als Prinzip der so genannten „Bestenauslese“ auch dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen2. 115
Die aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn ein Beförderungsbewerber mit einem Versetzungsbewerber konkurriert, sofern der öffentliche Arbeitgeber sich dafür entscheidet, die Stelle allein nach Leistungskriterien zu vergeben, ohne davon im Laufe des Bewerbungsverfahrens abzuweichen3.
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Bei der Feststellung der Qualifikation eines Bewerbers nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG steht dem öffentlichen Arbeitgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung einer Befähigungsbeurteilung ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG eingeschränkt. Nur der öffentliche Arbeitgeber soll durch die für ihn handelnden Organe über die Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ein persönlichkeitsbezogenes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Bewerber den fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Daher hat sich die gerichtliche Kontrolle darauf zu beschränken, ob der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat4. Ist dies nicht der Fall, können die Gerichte die getroffene Entscheidung nicht durch ihre eigene Beurteilung ersetzen5. bb) Der Anspruch auf Beförderung
117
Vor dem Hintergrund ist in der Rechtsprechung des BAG anerkannt, dass der benachteiligte Bewerber in der Regel nur das Recht hat, dass seine Bewerbung neu zu beurteilen ist. Ein weitergehender Anspruch auf Beförderung setzt voraus, dass sich jede andere Auswahlentscheidung als rechts1 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, NZA 1998, 884; BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, NZA 2003, 324; BAG v. 19.2.2003 – 7 AZR 67/02, NZA 2003, 1271; BVerwG v. 7.12.1994 – 6 P 35/92, AP Nr. 13 zu § 2 BAT SR 2y; BVerwG v. 26.10.2000 – 2 C 31/99, ZTR 2001, 191. 2 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, NZA 2003, 324; BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901. 3 BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 537/03, NZA 2005, 879. 4 BAG v. 29.10.1998 – 7 AZR 676/96, NZA 1999, 717; BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 537/03, NZA 2005, 879; zur Kontrolle dienstlicher Beurteilungen vgl. BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, ZTR 2007, 566. 5 BAG v. 5.3.1996 – 1 AZR 590/92 (A), 1 AZR 590/92, NZA 1996, 751.
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IV. Die Höhergruppierung
Rz. 120
Teil 7
widrig oder ermessensfehlerhaft erweist, weil die Auswahl zugunsten des übergangenen Bewerbers die einzig rechtmäßige Entscheidung gewesen wäre1. Der weitergehende Anspruch des übergangenen Bewerbers auf Beförderung 118 nach Art. 33 Abs. 2 GG kommt jedoch nur so lange in Betracht, wie es ein öffentliches Amt gibt, das noch nicht besetzt ist. Ist eine mit dem Amt verbundene Stelle rechtlich verbindlich anderweitig vergeben, kann das Amt nicht mehr besetzt werden. Dann ist der subjektive Anspruch des Bewerbers auf Beförderung aus Art. 33 Abs. 2 erschöpft2. Dabei wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine rechtlich verbindliche anderweitige Vergabe der Stelle erst angenommen, wenn der verbeamtete Bewerber auch im statusrechtlichen Sinne befördert wurde. Eine Betrauung des ausgewählten verbeamteten Bewerbers mit der Ausübung eines höher bewerteten Amtes im funktionalen Sinne reicht danach nicht aus3. Diese Auffassung folgt jedoch allein aus der im Beamtenrecht herrschenden Unterscheidung zwischen Amt im funktionalen Sinne und Amt im statusrechtlichen Sinne. Darauf, dass diese Unterscheidung auf das Arbeitsrecht nicht übertragbar ist, hat das BAG bereits hingewiesen4. Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Besetzung des öffentlichen Amtes dann erfolgt, wenn dem ausgewählten Bewerber eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt ist, die der so vorgenommenen Ausgestaltung des Amtes entspricht5. cc) Der Anspruch des übergangenen Bewerbers auf Schadensersatz Hat sich der subjektive Anspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG auf 119 Beförderung dadurch erschöpft, dass die Stelle bereits rechtlich verbindlich anderweitig vergeben wurde, so führt dies jedoch nicht dazu, dass eine Verletzung der in Art. 33 Abs. 2 GG bestimmten Auswahlkriterien folgenlos bliebe. Bei schuldhaftem Verstoß durch den öffentlichen Arbeitgeber können dem zu Unrecht übergangenen Bewerber Schadensersatzansprüche zustehen, die auf Geldersatz gerichtet sind. Dies gilt auch im Arbeitsrecht6. (1) Die Ausnahme vom Grundsatz der Entschädigung Von dem Grundsatz, dass nach Besetzung des Amtes nur noch eine Ent- 120 schädigung in Geld in Betracht kommt, ist unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme zu machen. 1 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, NZA 1998, 884; BAG v. 19.2.2003 – 7 AZR 67/02, NZA 2003, 1271; BAG 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, ZTR 2008, 339. 2 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, NZA 2003, 324; BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901. 3 HessVGH v. 27.11.1990 – 1 TG 2527/90, DÖV 1991, 698. 4 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, NZA 2003, 324. 5 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, NZA 2003, 324; BAG v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, ZTR 2008, 339. 6 BAG v. 13.6.1991 – 8 AZR 347/89, nv.; BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, NZA 1998, 884; BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, NZA 2003, 324; BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016. Schlewing
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Teil 7
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Rz. 121
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
Ein zu Unrecht übergangener Bewerber kann ausnahmsweise dann einen Anspruch auf Wiederherstellung, dh. auf Übertragung des Dienstpostens haben, wenn durch das Verhalten der Verwaltung ein effektiver Rechtsschutz verhindert worden ist, sei es, dass sich der öffentliche Arbeitgeber über eine den Bewerbungsverfahrensanspruch sichernde einstweilige Verfügung nach § 62 Abs. 2 ArbGG hinweggesetzt hat bzw. eine erfolgreiche Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes dadurch vereitelt oder unzumutbar erschwert hat, dass er den unterlegenen Bewerber nicht rechtzeitig über den Ausgang des Auswahlverfahrens unterrichtet hat, oder wenn der öffentliche Arbeitgeber und ein eingestellter Bewerber kollusiv zusammenwirken1. (2) Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs
122
Der Anspruch des Bewerbers, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als sei ihm die ausgeschriebene Stelle übertragen worden, hat folgende Voraussetzungen2: – Der öffentliche Arbeitgeber muss seine Pflicht zur Vornahme der Auswahl nach den Grundsätzen der Bestenauslese sowie zur Erfüllung des Anspruchs des Bewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung verletzt haben. – Diese Pflichtverletzung muss auf einem Verschulden des öffentlichen Arbeitgebers beruhen. – Das Unterbleiben der Beförderung (als Schaden) muss durch die Pflichtverletzung adäquat kausal verursacht worden sein, was nur dann der Fall ist, wenn der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet war, den übergangenen Bewerber zu befördern.
123
Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass in der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs eines Beamten wegen unterlassener Beförderung der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB mit der Folge herangezogen wird, dass eine Ersatzpflicht für rechtswidriges schuldhaftes Handeln nicht eintritt, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden3.
1 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, NZA 2003, 324; BAG v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, ZTR 2008, 339; BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901; OVG Münster v. 7.7.2004 – 1 A 512/02, IÖD 2005, 87. 2 BAG v. 13.6.1991 – 8 AZR 347/89, nv.; BAG v. 7.12.1997 – 9 AZR 445/96, NZA 1998, 884; BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, NZA 1998, 882; BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016; OVG Münster v. 7.7.2004 – 1 A 512/02 –, IÖD 2005, 87 ff. 3 BVerwG v. 5.10.1998 – 2 B 56/98, Buchholz 237.5 § 8 HeLBG Nr. 6; OVG Münster v. 7.7.2004 – 1 A 512/02, IÖD 2005, 87.
720 Schlewing
IV. Die Höhergruppierung
Rz. 126
Teil 7
(3) Kein Anspruch auf Schadensersatz, wenn der übergangene Bewerber nicht die Kriterien des vom öffentlichen Arbeitgeber erstellten Anforderungsprofils erfüllt Ein Schadensersatzanspruch des übergangenen Bewerbers muss von vorn- 124 herein ausscheiden, wenn dieser bereits nicht den Kriterien des vom öffentlichen Arbeitgeber rechtsgültig festgelegten Anforderungsprofils entspricht. Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, welcher Bewerber der Best- 125 geeignete für einen Beförderungsposten ist, kann als wertende Erkenntnis des für die Beurteilung zuständigen Organs gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden. Die Auswahl beruht nämlich auf der Bewertung der durch Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen persönlichen Merkmale, die in Bezug zu dem „Anforderungsprofil“ des jeweiligen Dienstpostens gesetzt werden. Erst dieser Vergleich ermöglicht die Prognose, dass der in Betracht kommende Bewerber den nach der Dienstpostenbeschreibung anfallenden Aufgaben besser als andere Interessenten gerecht werden und damit auch für ein höherwertiges Amt geeignet sein wird1. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Ob der Dienstherr diese Auswahlkriterien selbst beachtet hat, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben – in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene – Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter dieser Voraussetzung bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zuzurechnenden Umständen er das größere Gewicht beimisst2. Da die Bewerber verlangen können, dass die Auswahlentscheidung nach 126 den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien erfolgt, hat der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes vor der Besetzung jeder Stelle zwingend ein Anforderungsprofil festzulegen3. Dies kann auch in einer Stellenausschreibung geschehen. Allerdings ist ein bloßer Hinweis in der Stellenausschreibung auf die vorgesehene Vergütungsgruppe unzureichend, soweit sich die konkreten Anforderungen der zu besetzenden Stelle aus ihr nicht feststellen lassen4. In der Regel muss die Ausschreibung deshalb eine konkrete Aufgabenbeschreibung enthalten, aus der sich das Anforderungsprofil erschließt.
1 BVerwG v. 16.8.2001 – 2 A 3/00, AP Nr. 8 zu § 83 BetrVG 1972. 2 BVerwG v. 16.8.2001 – 2 A 3/00, AP Nr. 8 zu § 83 BetrVG 1972. 3 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP Nr. 59 zu Art. 33 Abs. 2 GG; BAG v. 19.2.2008 – 9 AZR 70/07, NZA 2008, 1016. 4 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP Nr. 59 zu Art. 33 Abs. 2 GG. Schlewing
721
Teil 7
Rz. 127
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
(4) Kein Schadensersatzanspruch, wenn der übergangene Bewerber nicht der „Bestgeeignete“ war 127
Erfüllt der übergangene Bewerber die Kriterien des Anforderungsprofils, so hat er einen Anspruch auf Schadensersatz allerdings nur, wenn das Unterbleiben der Beförderung (als Schaden) durch eine Pflichtverletzung des öffentlichen Arbeitgebers adäquat verursacht wurde. Damit reicht nicht jede Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Rahmen seiner Auswahlentscheidung aus. Adäquat verursacht ist der Schaden des übergangenen Bewerbers nämlich nur dann, wenn sich jede andere Auswahlentscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft erweist, weil die Auswahl zu Gunsten des übergangenen Bewerbers die einzig rechtmäßige Entscheidung gewesen wäre1. Dies ist nur dann der Fall, wenn der übergangene Bewerber der „Bestgeeignete“ war. War hingegen ein anderer Bewerber aufgrund seiner – in der Regel durch dienstliche Beurteilungen nachgewiesenen – Qualifikation nach den Grundsätzen der Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Beurteilung vorzugswürdig, scheidet ein Schadensersatzanspruch aus.
V. Die Herabgruppierung 128
Von einer Herabgruppierung wird gesprochen, wenn der Beschäftigte eine Tätigkeit ausübt, die tariflich geringer bewertet ist als diejenige, für die er sein Entgelt erhält. Auch in diesem Fall entspricht der Ist-Zustand nicht dem tariflichen Soll-Zustand, hier geht er allerdings über den Soll-Zustand hinaus. Der Beschäftigte erhält eine höhere Vergütung als ihm nach dem Tarifrecht zusteht. 1. Die Herabgruppierung durch Zuweisung einer geringer zu bewertenden Tätigkeit
129
Ursache für eine Herabgruppierung kann einmal die Zuweisung einer im Vergleich zu seiner Eingruppierung geringer zu bewertenden Tätigkeit an den Arbeitnehmer sein. Diese Zuweisung bedarf in jedem Fall entweder einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer oder einer wirksamen Änderungskündigung2. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers erstreckt sich nämlich nur auf Tätigkeiten innerhalb der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe. Es berechtigt den Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe zuzuweisen3. Deshalb kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einseitig kraft seines Direktionsrechts nur Tätigkeiten zuweisen, welche die Merkmale der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe erfüllen, in die der Arbeitnehmer ursprünglich eingruppiert wurde.
1 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, NZA 1998, 884; BAG v. 19.2.2003 – 7 AZR 67/02, NZA 2003, 1271. 2 Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 735; Müller/Preis, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst mit TVöD und TV-L, Rz. 599. 3 Bredemeier/Neffke, Eingruppierung, Rz. 299.
722 Schlewing
V. Die Herabgruppierung
Rz. 132
Teil 7
2. Die Herabgruppierung infolge einer Veränderung der Wertigkeit der Tätigkeit ohne Übertragung einer anderen Tätigkeit Es sind Fälle denkbar, in denen sich die Wertigkeit der dem Beschäftigten übertragenen Tätigkeiten verringert, ohne dass der Arbeitgeber dies durch eine Übertragung anderer Tätigkeiten herbeigeführt hätte.
130
Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein bestimmter hochwertiger 131 Teilaufgabenbereich aufgrund einer Gesetzesänderung aus dem „Zuständigkeitsbereich“ des öffentlichen Arbeitgebers und damit aus dem Tätigkeitsbereich des Beschäftigten heraus fällt und infolgedessen die gesamte dem Beschäftigten verbliebene Tätigkeit eine geringere Wertigkeit aufweist1. Obwohl Eingruppierung und Höhergruppierung letztlich keine konstitutiven Akte sind, sondern sich lediglich als Interpretation der Rechtslage darstellen, bedarf es in derartigen Fällen für eine Herabgruppierung, also die Anpassung der Vergütung/des Entgelts einer Vertragsänderung, sei es durch einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen, sei es durch Änderungskündigung2. Solange dies nicht geschehen ist, hat der Beschäftigte nämlich gegen den öffentlichen Arbeitgeber einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zuweisung einer Tätigkeit, die in ihrer Wertigkeit derjenigen entspricht, die er zuvor ausgeübt hat. Darüber hinaus sind Fälle denkbar, in denen das Tarifrecht selbst variable 132 Eingruppierungsvoraussetzungen enthält, die aufgrund einer Änderung des zugrunde liegenden Sachverhalts nun nicht mehr erfüllt sind, die Tätigkeiten also nicht mehr die hohe Wertigkeit haben wie zuvor3. Hierunter fallen hauptsächlich die Fälle, in denen die Eingruppierung von der Zahl der unterstellten Arbeitnehmer abhängt und die tariflichen Grenzzahlen unterschritten werden, ohne dass dies durch eine (sachfremde) Einflussnahme des Arbeitgebers verursacht ist. Ebenso gilt dies für Tätigkeitsmerkmale, die zB auf Durchschnittsbelegungen (bei einer Kindertagesstätte) oder Schülerzahlen (Lehrer-Richtlinien der TdL oder VKA) abstellen. Diese Fallgestaltungen hat das BAG in seinen Entscheidungen vom 7.11.20024, 5.9.20025 und 19.3.20036 dahin entschieden, dass hier – auch bei einer nachträglichen Änderung von Tatsachen – die sog. Tarifautomatik greife und dass es keine gesetzliche Bestimmung gebe, die für eine tarifvertraglich vorgesehene Änderung der Arbeitsbedingungen auf Grund tatsächlicher Umstände zwingend den Ausspruch einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG vorschreibe. Die Änderung der tatsächlichen Umstände betreffe lediglich einen nach der einschlägigen tariflichen Regelung vergütungsrelevanten Umstand, lasse indes die arbeitsvertragliche Position des Arbeitnehmers unberührt. 1 Vgl. Krasemann, 167 f. 2 Müller/Preis, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst mit TVöD und TV-L, Rz. 599; BVerwG v. 31.8.1988 – 6 P 35/85, NJW 1989, 848. 3 Zu diesem Beispielsfall vgl. Krasemann, 161 f. 4 BAG v. 7.11.2002 – 4 AZR 724/00, NZA 2002, 860. 5 BAG v. 5.9.2002 – 8 AZR 620/01, AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 6 BAG v. 19.3.2003 – 4 AZR 391/02, DB 2005, 342. Schlewing
723
Teil 7
Rz. 133
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
3. Die korrigierende Rückgruppierung 133
Von den zuvor aufgeführten Fällen der Herabgruppierung aufgrund wirksamer Zuweisung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit und der Herabgruppierung aufgrund einer Verringerung der Wertigkeit der auszuübenden Tätigkeiten streng zu unterscheiden sind die Fälle der korrigierenden Rückgruppierung.
134
Nicht selten kommt es vor, dass dem Arbeitgeber bei der Tätigkeitsbewertung ein Irrtum unterläuft und er infolgedessen an den Arbeitnehmer eine höhere Vergütung bzw. ein höheres Entgelt zahlt, als diesem bei tarifgerechter Eingruppierung zustehen würde. Auch hier entspricht der individuelle arbeitsrechtliche Ist-Zustand nicht dem tariflichen Soll-Zustand. In einem solchen Fall ist es dem öffentlichen Arbeitgeber unbenommen, diesen Irrtum im Wege der korrigierenden Rückgruppierung zu korrigieren. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG bedarf die Korrektur der irrtümlich fehlerhaften Eingruppierung keiner Vertragsänderung und damit keiner Änderungskündigung, der Arbeitgeber kann diese Korrektur vielmehr einseitig vornehmen1.
135
Auch hier kommt wieder zum Tragen, dass nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BAG die Bezeichnung der Vergütungs-/Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag oder einer Eingruppierungsmitteilung grundsätzlich nicht dahin auszulegen ist, dass dem Beschäftigten ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine bestimmte Vergütung, ein bestimmtes Entgelt zustehen soll. Vielmehr wird nach Auffassung des BAG nur wiedergegeben, welche Vergütungs-/Entgeltgruppe der Arbeitgeber bei Anwendung der maßgeblichen Eingruppierungsbestimmungen als zutreffend ansieht, ohne dass daraus eine eigenständige Vergütungsvereinbarung mit dem Inhalt zu entnehmen ist, die Vergütung solle unabhängig vom tariflichen Anspruch, ggfls. als übertarifliche gezahlt werden. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände könne ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der Angabe der Gruppe eine solche Bedeutung schon deshalb nicht beimessen, weil der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes grundsätzlich keine übertarifliche Vergütung, sondern nur das gewähren wolle, was dem Arbeitnehmer tariflich zusteht2.
136
Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung finden demgemäß nur im Rahmen der Tarifautomatik Anwendung. Nur wenn die Angabe der Gruppe im Arbeitsvertrag lediglich deklaratorische Wirkung hat und damit nur das Ergebnis der eingruppierungsrechtlichen Prüfung durch den Arbeitgeber wiedergibt, kann eine einseitige korrigierende Rückgruppierung durch den Arbeitgeber erfolgen. Ergibt eine Auslegung der Erklärungen des Arbeitgebers nach dem Empfängerhorizont nach den §§ 133, 157 BGB hingegen, dass die Parteien eine übertarifliche Vergütung vereinbart haben, so 1 BAG v. 23.8.1995 – 4 AZR 352/94, ZTR 1996, 169; BAG v. 15.2.2006 – 4 AZR 66/05, ZTR 2006, 538. 2 BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 14.9.2005 – 4 AZR 348/04, AP Nr. 3 zu § 2 BAT-O.
724 Schlewing
VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a
Rz. 138
Teil 7
folgt der Vergütungsanspruch unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag mit der Folge, dass sich der Arbeitgeber von dieser Vereinbarung nur im Wege der einvernehmlichen Vertragsänderung oder durch Änderungskündigung lösen kann. Liegen die Voraussetzungen der korrigierenden Rückgruppierung vor, weil 137 die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit niedriger zu bewerten und dem Arbeitgeber bei der ursprünglichen Bewertung ein Irrtum unterlaufen ist, so kann es dem Arbeitgeber im Einzelfall allerdings nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein, sich auf die Fehlerhaftigkeit der Eingruppierung zu berufen und die korrigierende Rückgruppierung zu vollziehen. Nach dem Verbot des widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) ist ein Verhalten dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen1. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Seite für die andere Seite ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des „status quo“ entstanden ist2. Dabei kann ein solches Vertrauen insbesondere durch Umstände begründet werden, die nach der Eingruppierung eingetreten sind3. Anhaltspunkt kann sein, dass der Arbeitgeber zu erkennen gegeben hat, er werde die Lohn-/Vergütungs-/Entgeltgruppe weiter gewähren, auch wenn deren tariflichen Voraussetzungen nicht vorliegen4. Ebenso kann sich ein solches Vertrauen indes aus der Gesamtschau einzelner Umstände ergeben, von denen jeder für sich allein noch keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen kann5. Einen solchen Vertrauenstatbestand hat das BAG beispielsweise in Fällen angenommen, in denen der Arbeitnehmer über viele Jahre hinweg (zwischen 10 und 20) die strittige Vergütung erhalten hatte und ihm die Eingruppierung mehrfach als korrekt bestätigt wurde6.
VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale und Begriffe der Anlage 1a zum BAT Da bis zur Schaffung neuer Eingruppierungsvorschriften mit Entgeltordnung für die Eingruppierung der Angestellten zunächst weiterhin § 22 BAT und damit auch die Vergütungsordnung zu § 22 BAT maßgeblich bleiben, soll im Folgenden ein kurzer Überblick über die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlagen 1a zum BAT gegeben werden.
1 BAG v. 4.12.1997 – 2 AZR 799/96, NZA 1998, 420. 2 BAG v. 17.7.2003 – 8 AZR 376/02, ZTR 2004, 28; BAG v. 10.3.2004 – 4 AZR 212/03, ZTR 2004, 635. 3 BAG v. 10.3.2004 – 4 AZR 212/03, ZTR 2004, 635. 4 BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 28/06, ZTR 2007, 502. 5 BAG v. 14.9.2005 – 4 AZR 348/04, AP Nr. 3 zu § 2 BAT-O. 6 BAG v. 8.10.1997 – 4 AZR 167/96, AP Nr. 2 zu § 23b BAT; BAG v. 14.9.2005 – 4 AZR 348/04, AP Nr. 3 zu § 2 BAT-O. Schlewing
725
138
Teil 7
Rz. 139
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
1. Der Aufbau der Anlage 1a 139
Die Anlage 1a enthält alle tarifvertraglich vereinbarten Tätigkeitsmerkmale für alle Tätigkeiten außerhalb der Kranken-/Altenpflege. Sie gilt in zwei verschiedenen Fassungen: zum einen in der Fassung für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und zum anderen in der Fassung für den Bereich der VKA. Diese beiden Fassungen unterscheiden sich sowohl inhaltlich, als auch im Aufbau.
140
Die Fassung für den Bereich des Bundes und der TdL hat folgenden Aufbau: – Teil I enthält den Allgemeinen Teil. Er umfasst im Wesentlichen die Angestellten des allgemeinen Verwaltungsdienstes, aber auch Ärzte, Ingenieure ua. – Teil II enthält Zusätzliche Tätigkeitsmerkmale. Diese gelten sowohl für den Bund als auch für die Länder. In Abschnitte aufgeteilt finden sich hier spezielle Tätigkeitsmerkmale für bestimmte Berufe bzw. Bereiche (zB Angestellte in der Datenverarbeitung, in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen, im Sozial- und Erziehungsdienst, in technischen Berufen, an Theatern und Bühnen etc.). – Teil III beinhaltet – wiederum in verschiedene Abschnitte aufgeteilt – Zusätzliche Tätigkeitsmerkmale allein für den Bereich des Bundes (zB Angestellte im Fremdsprachendienst des Bundes, im militärischen Flugsicherungsdienst, Sprachlehrer der Bundeswehr, Sportlehrer an Bundeswehrschulen etc.). – Teil IV umfasst Zusätzliche Tätigkeitsmerkmale ausschließlich für den Bereich der TdL (zB Angestellte im Fremdsprachendienst der Länder, in den Versorgungsverwaltungen der Länder etc.).
141
Die Fassung für den Bereich der VKA hat demgegenüber folgenden Aufbau: – Teil I enthält die Allgemeinen Tätigkeitsmerkmale – Teil II enthält die Tätigkeitsmerkmale für die Angestellten in technischen Berufen. Er gliedert sich seinerseits in wiederum in vier Abschnitte, wobei Abschnitt A. den allgemeinen Teil enthält, der Abschnitt B. die Angestellten in der Datenverarbeitung, der Abschnitt E. die Angestellten im feuertechnischen Dienst und im Fernmeldebetriebsdienst und schließlich der Abschnitt F. die Angestellten im kommunalen feuertechnischen Dienst betrifft. Die Abschnitte C und D sind nicht belegt. – Die Teile III–XII beinhalten die Tätigkeitsmerkmale für weitere bestimmte Berufe und Bereiche (zB Sozial- und Erziehungsdienst, Theater und Bühnen, Angestellte in Versorgungsbetrieben etc.).
142
Bei der tariflichen Eingruppierung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst unter Anwendung von Vergütungssystemen finden sich neben den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen häufig auch spezielle tarifliche Merk-
726 Schlewing
VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a
Rz. 144
Teil 7
male für bestimmte Tätigkeiten. Dabei kann unter Umständen eine Tätigkeit grundsätzlich die Merkmale sowohl der speziellen, als auch der allgemeinen Vergütungs-/Fallgruppe erfüllen. In solchen Fallkonstellationen sind nach dem Spezialitätsprinzip, nach dem bei einer Konkurrenz zwischen einer allgemeinen und einer speziellen Norm derselben Normgeber die Spezialregelung vorgeht, allein die speziellen Tätigkeitsmerkmale maßgeblich. Das heißt, dass der allgemeine Teil bzw. die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Allgemeinen Vergütungsordnung nicht heranzuziehen sind, wenn es für die betreffenden Tätigkeiten des Arbeitsvorgangs spezielle tarifliche Anforderungen gibt1. Diesen Rechtsgrundsatz haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes für das Verhältnis zwischen allgemeinen und besonderen Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT für den Bereich Bund/Länder in der Vorbemerkung Nr. 1 und für den Bereich der VKA in der Bemerkung Nr. 3 zu allen Vergütungsgruppen ausdrücklich normiert. Dieser Spezialitätsgrundsatz gilt allerdings nicht nur dann, wenn die gesamte Tätigkeit eines Angestellten als solche einheitlich als Arbeitsvorgang gewertet wird und somit als ganze dem (speziellen) Tätigkeitsmerkmal zugewiesen wird, sondern auch dann, wenn sich die Tätigkeit aus mehreren Arbeitsvorgängen zusammensetzt. Deshalb ist bei Tätigkeiten, die sich aus mehreren Arbeitsvorgängen zusammensetzen, jeder Arbeitsvorgang für sich genommen einer Bewertung zu unterziehen. Jedoch ist der Rückgriff auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale nur dann ausgeschlossen, wenn und soweit das Tätigkeitsmerkmal einer speziellen Vergütungs-/Fallgruppe auch tatsächlich erfüllt ist2. Damit kann es im Einzelfall sein, dass es sich bei den als erfüllt anzusehenden Tätigkeitsmerkmale zum Teil um spezielle, zum Teil aber auch um allgemeine handelt (Mischtätigkeiten). Alle als erfüllt anzusehenden Tätigkeitsmerkmale sind sodann mit den auf sie entfallenden Anteilen der Gesamtarbeitszeit des Beschäftigten den ihnen entsprechenden Vergütungs- bzw. Lohngruppen zuzuordnen, und die höchste Vergütungs- oder Lohngruppe, in der unter Einbeziehung der „Minderheitsanteile“ aus höheren Gruppen ein Gesamtzeitanteil von 50 Prozent oder mehr erreicht wird, ist diejenige, in die der Beschäftigte eingruppiert ist3. Darüber hinaus sind bei der Anwendung der Vergütungsordnungen stets die Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen (betrifft die Fassung für den Bereich des Bundes und der TdL) sowie die Bemerkungen (betrifft die Fassung für den Bereich der VKA) zu beachten, denn diese enthalten grundsätzliche Bestimmungen und Definitionen.
143
2. Die Struktur/Art der wichtigsten Tätigkeitsmerkmale des Teils I der Anlage 1a Die Tätigkeitsmerkmale des Teils I der Anlage 1a sind unterschiedlich ge- 144 fasst. 1 BAG v. 28.1.2009 – 4 AZR 13/08, ZTR 2009, 481. 2 BAG v. 28.1.2009 – 4 AZR 13/08, ZTR 2009, 481. 3 BAG v. 28.1.2009 – 4 AZR 13/08, ZTR 2009, 481. Schlewing
727
Teil 7
Rz. 145
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
145
Sie knüpfen zunächst an eine Beschäftigtengruppe an, so zum Beispiel „Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst“ (VergGr. Vb Fallgr. 1 Anlage 1a B/L) oder „Ärzte in Anstalten und Heimen“ (VergGr. I Fallgr. 4 Anlage 1a B/L) etc.
146
Sodann gibt es Tätigkeitsmerkmale, die personenbezogene Anforderungen enthalten. Es handelt sich hierbei um eine Anforderung, die der Angestellte in seiner Person zu erfüllen hat. In der Regel ist die personenbezogene Anforderung eine geforderte Ausbildung, so zum Beispiel „Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung“ (VergGr. I Fallgr. 1a. Anlage 1a B/L)1. Wird in einer Eingruppierungsnorm eine Ausbildung gefordert, so haben die Tarifvertragsparteien in den meisten Fällen die Geltung der Tätigkeitsmerkmale auch für die Gruppe der sog. sonstigen Angestellten vereinbart (siehe nur VergGr. I Fallgr. 1a. Anlage 1a B/L). Neben einer geforderten Ausbildung gehören auch die Begriffe „langjährige Berufsausübung“ und „mehrjährige Tätigkeit“ zu den Anforderungen, die der Angestellte in seiner Person zu erfüllen hat. Die in den Tätigkeitsmerkmalen angeführten personenbezogenen Anforderungen müssen unabhängig von der auszuübenden Tätigkeit erfüllt sein.
147
Im Übrigen enthält die Vergütungsordnung die unterschiedlichsten tätigkeitsbezogenen Anforderungen. Diese Anforderungen müssen nicht die jeweiligen Arbeitsplatzinhaber erfüllen, sondern die diesen zugewiesene Tätigkeit muss diese Anforderungen fordern. Hierzu gehört ua. die Anforderung – der gründlichen Fachkenntnisse, – der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse, – der gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse, – der selbständigen Leistungen, – der besonders verantwortungsvollen Tätigkeiten, – der besonderen Leistungen, – der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung, – des Maßes der Verantwortung.
148
Die Tätigkeitsmerkmale sind in ihrer Mehrzahl sehr allgemein gehalten und enthalten so genannte unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Anwendung der uneingeschränkten Nachprüfung durch die Arbeitsgerichte unterliegt. Den jeweiligen Tarifverträgen sind Protokollerklärungen angefügt, die für die Vorschriften gelten, die einen entsprechenden Hinweis enthalten. Protokollerklärungen (im Bereich des Bundes und der TdL werden sie als „Protokollnotiz“ bezeichnet) sind selbst Tarifbestandteil und entfalten mithin Tarifcharakter, dh. haben die gleiche Bindungswirkung wie Tarifnormen2. 1 Bislang noch nicht geklärt ist, wie Absolventen mit den Bildungsabschlüssen „Master“ und „Bachelor“ einzugruppieren sind, vgl. hierzu Richter/Gamisch, RiA 2009, 97 ff. 2 BAG v. 7.12.1977 – 4 AZR 399/76, AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT 1975.
728 Schlewing
VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a
Rz. 152
Teil 7
Für ihre Auslegung gelten daher die von der Rechtsprechung für die Auslegung von Tarifverträgen entwickelten Grundsätze1. 3. Die Rechtsprechung des BAG zu Definition und Auslegung der wichtigsten Tätigkeitsmerkmale des Teil I der Anlage 1a a) Gründliche Fachkenntnisse Zu den Fachkenntnissen sind all diejenigen Kenntnisse eines Angestellten zu rechnen, die unerlässlich sind, um die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen zu können. Gründliche Fachkenntnisse liegen vor, wenn der Angestellte über nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. seines Aufgabengebiets verfügen muss (Klammerdefinition zur VergGr. VIII Fallgr. 1b BAT).
149
Nach der Rechtsprechung des BAG hat dieses Tatbestandsmerkmal sowohl 150 ein qualitatives als auch ein quantitatives Element, wonach Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art erforderlich sind2. Dabei ist es nicht notwendig, dass sich die Fachkenntnisse auf Rechtsvorschriften beziehen. So hat das BAG beispielsweise historische, architekturhistorische und fremdsprachliche Kenntnisse, aber auch bautechnische Kenntnisse sowie Kenntnisse unterschiedlicher Regelwerke für die Flächenberechnung, die Ermittlung der Nutzer sowie der Nutzung und für die Feststellung der Kapazitätswirksamkeit vorhandener Flächen als ausreichend angesehen3. Auch ist es hinlänglich, wenn die gründlichen Fachkenntnisse auf dem abgegrenzten Teilgebiet, in dem der Angestellte beschäftigt ist, benötigt werden. Allseitige Fachkenntnisse auf dem gesamten Gebiet der Verwaltung sind nicht erforderlich4. b) Gründliche und vielseitige Fachkenntnisse Nach dem Klammerzusatz zu VergGr VII Fallgr. 1a Fassung B/L bzw. VII Fallgr. 1b Fassung VKA brauchen sich die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse nicht auf das Gesamtgebiet der Verwaltung (des Betriebs), bei dem der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muss aber so gestaltet sein, dass er nur bei Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.
151
Gefordert wird damit eine Erweiterung der Fachkenntnisse dem Umfang 152 nach5. Dabei kann sich die Vielseitigkeit insbesondere aus der Menge der anzuwenden Vorschriften und Bestimmungen ergeben. Die Vielseitigkeit kann aber ebenso gut erfüllt sein, wenn der Angestellte nur auf einem spe1 BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 412/93, AP Nr. 175 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 BAG v. 28.9.1994 – 4 AZR 542/93, AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 3 BAG v. 4.8.1993 – 4 AZR 512/92, NZA 1994, 39; BAG v. 20.10.1993 – 4 AZR 45/93, NZA 1994, 560. 4 BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 5 BAG v. 28.9.1994 – 4 AZR 542/93, AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975. Schlewing
729
Teil 7
Rz. 153
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
ziellen, abgegrenzten Sachgebiet tätig wird1. Dazu kann auch Erfahrungswissen gehören, das er für die ihm übertragene Tätigkeit benötigt2. c) Gründliche, umfassende Fachkenntnisse 153
Das Merkmal der gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse wird erstmals in der VergGr. Vb Fallgr. 1a BAT verwendet. Nach der Klammerdefinition bedeuten gründliche, umfassende Fachkenntnisse gegenüber den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.
154
Die gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse müssen allerdings nicht für sich, sondern insgesamt gegenüber den Merkmalen „gründlich“ und „vielseitig“ eine Steigerung aufweisen, dh. auch hinsichtlich der Gründlichkeit. Der Begriff „gründliche, umfassende Fachkenntnisse“ ist daher den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen zusammenfassend gegenüberzustellen und einheitlich zu bewerten3. Damit reicht eine größere Breite allein nicht aus. Daneben muss auch eine Steigerung in der Tiefe vorhanden sein; die Tätigkeit muss vertiefte Kenntnisse der Materie erfordern. Nur wenn eine entsprechende Steigerung nach Tiefe und Breite, nach Qualität und Quantität, gegenüber dem Tätigkeitsmerkmal „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ festgestellt werden kann, ist das Tätigkeitsmerkmal „gründliche, umfassende Fachkenntnisse“ erfüllt. Umfassende Fachkenntnisse werden danach für einen Aufgabenkreis jedenfalls dann nicht benötigt, wenn dieser im Verhältnis zu dem Gesamtgebiet oder den Gebieten der beschäftigenden Verwaltung nur einen relativ geringen Ausschnitt darstellt4. d) Selbständige Leistungen
155
Dieses Merkmal wird wiederum erstmals in der VergGr. VIb Fallgr. 1a verwendet. Nach der Klammerdefinition erfordern selbständige Leistungen ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Tätigkeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.
156
Nach der Rechtsprechung des BAG5 darf das Tatbestandsmerkmal „selbständige Leistungen“ nicht mit dem Begriff „selbständig arbeiten“, dh. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig zu sein, verwech1 BAG v. 29.8.1984 – 4 AZR 338/82, AP Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 23.9.2009 – 4 AZR 308/08, BAG v. 23.9.2009 – 4 AZR 308/08. 2 BAG v. 29.8.1984 – 4 AZR 338/82, AP Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 3 BAG v. 8.11.1967 – 4 AZR 9/67, AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT; BAG v. 18.2.1998 – 4 AZR 552/96, ZTR 1998, 321. 4 BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 5 BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 6.6.2007 – 4 AZR 456/06, ZTR 2008, 156; BAG v. 6.6.2007 – 4 AZR 505/06, ZTR 2008, 156; BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 166/08, ZTR 2009, 581.
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VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a
Rz. 157
Teil 7
selt werden. Unter selbständiger Leistung ist vielmehr eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich der einzuschlagenden Wege, wie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nach der Rechtsprechung des BAG – ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe – ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitergebnisses sein1. Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt; der Angestellte muss demnach unterschiedliche Informationen verknüpfen und untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Auch wenn dieser Prozess geistiger Arbeit bei einer entsprechenden Routine durchaus schnell ablaufen kann, bleibt dennoch das Faktum der geistigen Arbeit bestehen. Geistige Arbeit wird also immer dann geleistet, wenn der Angestellte sich bei der Arbeit fragen muss: Wie geht es nun weiter? Worauf kommt es nun an? Was muss als Nächstes geschehen2? Ist der „richtige Weg“ des Angestellten hingegen bis in alle Einzelheiten durch bindende Vorschriften vorgezeichnet, ist für die Annahme eines irgendwie gearteten Gestaltungsspielraums, also für die Annahme selbständiger Leistungen demgegenüber kein Raum3. e) Besonders verantwortungsvolle Tätigkeit Seit seiner grundlegenden Entscheidung vom 29.1.19864 vertritt das BAG 157 zur Auslegung des Heraushebungsmerkmals „besonders verantwortungsvolle Tätigkeit“ iS der VergGr. IVb Fallgr. 1a und b in ständiger Rechtsprechung die folgende Auffassung: – Die Tarifvertragsparteien hätten mit dem Rechtsbegriff der „Verantwortung“ bzw. der „besonders verantwortlichen Tätigkeit“, womit inhaltlich dasselbe gemeint sei, nicht auf die jeweilige zivilrechtliche oder strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angestellten abgestellt, auch nicht auf die sog. „politische Verantwortung“. – Nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der Tarifnormen sei vielmehr auf die Bedeutung des Wortes „Verantwortung“ im allgemeinen Sprachgebrauch zurückzugreifen. Dieser verstehe darunter die mit einer bestimmten Stellung oder Aufgabe verbundene Verantwortung, dh. die Verpflichtung, der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten Verlauf nehme. In diesem Sinne verstünden die Tarifvertragsparteien unter „Verantwortung“ auch im Rahmen des Tarifmerkmals die Verpflichtung des Angestellten, dafür einstehen zu müssen, dass in dem ihm übertragenen Dienst- oder Aufgabenbereich die 1 2 3 4
BAG v. 14.8.1985 – 4 AZR 21/84, AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975. BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975. BAG v. 14.8.1985 – 4 AZR 21/84, AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975. BAG v. 29.1.1986 – 4 AZR 465/84, AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975. Schlewing
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Teil 7
Rz. 158
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
dort – auch von anderen Bediensteten – zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftgemäß ausgeführt würden. – Dabei könne sich – je nach Lage des Einzelfalls – die tariflich geforderte Verantwortung, da sie sich ausdrücklich auf den konkreten Dienst- oder Aufgabenbereich beziehe, auf andere Mitarbeiter oder dritte Personen, Sachen, Arbeitsabläufe, zu gewinnende wissenschaftliche Resultate oder – wie etwa beim Einsatz von Computern – auf technische Zusammenhänge beziehen. Für das Vorliegen der tariflich geforderten Verantwortung könne auch der Umstand sprechen, dass die Tätigkeit des betreffenden Angestellten keiner weiteren oder nur einer lockeren Kontrolle oder Überprüfung unterliegt. – Da die Tarifvertragsparteien darauf verzichteten, konkrete Gründe für die Verantwortung des Angestellten zu normieren, sei daran festzuhalten, dass Mitverantwortung ausreichend und die Unterstellung eines Angestellten unter Vorgesetzte unschädlich sein könne und damit der Annahme der herausgehobenen Verantwortung nicht schlechthin entgegenstehe1. – Von einer „besonderen Verantwortung“ könne nur dort gesprochen werden, wo sich die Tätigkeit des Angestellten, gemessen an und ausgehend von der Summe der Erfordernisse der Vergütungsgruppe, aus welcher sich die Tätigkeit durch eine besondere Verantwortlichkeit herausheben müsse, durch das Maß der geforderten Verantwortung in gewichtiger, beträchtlicher Weise heraushebe2. Gefordert ist ein wertender Vergleich mit dem unausgesprochen in dem letztgenannten Tätigkeitsmerkmal vorausgesetzten Maß der Verantwortung3 f) Die besonderen Leistungen 158
Besondere Leistungen stehen als Tätigkeitsmerkmal bei technischen, vermessungs- und landkartentechnischen sowie gartenbau-, landwirtschaftsund weinbautechnischen Angestellten in Rede. In der Regel werden sie in einem Klammerzusatz zu den entsprechenden Vergütungsgruppen näher definiert. So sind nach dem Klammerzusatz zu VergGr. IVa Fallgruppe 10 bzw. IVb Fallgruppe 21a besondere Leistungen zum Beispiel: „Aufstellung oder Prüfung von Entwürfen, deren Bearbeitung besondere Fachkenntnisse und besondere praktische Erfahrung oder künstlerische Begabung voraussetzt, sowie örtliche Leitung bzw. Mitwirkung bei der Leitung von schwierigen Bauten und Bauabschnitten sowie deren Abrechnung“.
159
Das BAG hat hierzu ausgeführt, die Tarifvertragsparteien hätten den Begriff der „besonderen Leistungen“ durch Anfügung von Beispielen näher konkretisiert und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie den Begriff in einem bestimmten, von ihnen selbst vorgegebenen Sinne verstünden und 1 BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 642/84, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 642/84, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 351/06, nv. 3 BAG v. 27.8.2008 – 4 AZR 470/07, ZTR 2009, 143.
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VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a
Rz. 162
Teil 7
nicht auf bestimmte Qualifizierungsgründe hätten beschränken wollen. Die Beispiele seien nach dem erkennbaren Willen der Tarifpartner als Maß und Richtlinie für die Auslegung des Begriffs der „besonderen Leistungen“ heranzuziehen1. Besondere Leistungen lägen demnach vor, wenn eine deutlich wahrnehmbare erhöhte Qualität der Arbeit (Arbeitsgüte) erforderlich sei, die den Einsatz eines gegenüber den Merkmalen der niedrigeren Vergütungsgruppe erhöhten Wissens und Könnens – gleich welcher Art – oder eine sonstige gleichwertige Qualifikation notwendig mache. Besondere Leistungen könnten sich demnach aus besonderen Fachkenntnissen und Erfahrungen, der Wahrnehmung von Leitungsfunktionen, besonderem Geschick oder besonderer Sorgfalt oder der Notwendigkeit außerordentlicher Entschlussfähigkeit ergeben. Im Einzelfall könne auch die Schwierigkeit der Tätigkeit den Schluss zulassen, dass besondere Leistungen im Tarifsinne erforderlich seien2. g) Besondere Schwierigkeit und Bedeutung Das Heraushebungsmerkmal der „besonderen Schwierigkeit und Bedeu- 160 tung“ wird erstmals in der VergGr. IVa Fallgr. 1a und b erwähnt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG3 bezieht sich die tarifliche Anforderung der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit auf die fachliche Qualifikation des Angestellten, also auf sein fachliches Können und seine fachliche Erfahrung. In der VergGr. IVa Fallgr. 1a und b werde mithin ein Wissen und Können verlangt, das die Anforderungen der VergGr. IVb Fallgr. 1a in gewichtiger Weise, dh. beträchtlich übersteige. Diese erhöhte Qualifikation könne sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, etwa besonderen Spezialkenntnissen. Dabei sei allerdings zu beachten, dass die Tarifvertragsparteien die Anforderungen der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung gegenständlich nicht beschränkt hätten. Sie forderten lediglich, dass die Tätigkeit des Angestellten selbst die erforderliche Qualifikation verlange. Deshalb müsse sich die Schwierigkeit unmittelbar aus der Tätigkeit ergeben, so dass eine Tätigkeit nicht deshalb als besonders schwierig im tariflichen Sinne angesehen werden könne, weil sie etwa unter belastenden oder in sonstiger Weise unangenehmen Bedingungen geleistet werden müsse4.
161
Eine Heraushebung durch eine „besondere Schwierigkeit“ ist dann anzunehmen, wenn die Schwierigkeit der Tätigkeit in herausgehobener, erhöh-
162
1 BAG v. 29.1.1986 – 4 AZR 465/84, AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 BAG v. 29.1.1986 – 4 AZR 465/84, AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 12.12.1990 – 4 AZR 251/90, AP Nr. 154 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 21.10.1992 – 4 AZR 69/92, AP Nr. 164 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 3 BAG v. 1.8.2001 – 4 AZR 298/00, ZTR 2002, 178; BAG v. 25.2.2009 – 4 AZR 20/08, ZTR 2009, 479. 4 BAG v. 4.9.1995 – 4 AZR 174/95, AP Nr. 217 zu §§ 22, 23 BAT 1975. Schlewing
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Teil 7
Rz. 163
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
ter Weise gesteigert ist1. Verlangt wird hier eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung in den fachlichen Anforderungen gegenüber der VergGr. IVb Fallgr. 1a2. 163
Mit dem Merkmal der „Bedeutung“ der Tätigkeit sind nach der Rechtsprechung des BAG die Auswirkungen der Tätigkeit angesprochen3. Die Bedeutung kann, da die Tarifvertragsparteien davon abgesehen haben, den Begriff der Bedeutung gegenständlich oder inhaltlich zu begrenzen, grundsätzlich durch jede Art der Auswirkung der Tätigkeit des Angestellten begründet werden. Dabei kommen Auswirkungen aus der Art oder der Größe des Aufgabengebietes sowie aus der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich oder für die Allgemeinheit in Betracht4.
164
Während bei der Heraushebung durch „besondere Schwierigkeit“ eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung bei den fachlichen Anforderungen gegenüber der VergGr. IVb Fallgr. 1a und b verlangt wird, genügt bei der „gesteigerten Bedeutung“ eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung5. h) Das Maß der Verantwortung
165
Die erstmals in der VergGr. III Fallgr. 1a erwähnte erhebliche Heraushebung durch das „Maß der damit verbundenen Verantwortung“ knüpft wiederum an den Begriff der Verantwortung an. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BAG unter „Verantwortung“ die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, dass in dem ihm übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort – auch von anderen Bediensteten – zu erledigenden Arbeiten sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig ausgeführt werden. Je nach Lage des Einzelfalles kann sich die geforderte Verantwortung auf andere Mitarbeiter, Sachen, Arbeitsabläufe, zu gewinnende wissenschaftliche Ergebnisse oder auf technische Zusammenhänge beziehen6.
166
In der VergGr. III Fallgr. 1a und b fordern die Tarifvertragsparteien eine erhebliche Heraushebung durch das Maß der Verantwortung. Damit ist eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung und damit eine besonders weit reichende hohe Verantwortung zu fordern7. Dieses angesprochene Maß der Verantwortung kann nur in einer Spitzenposition des gehobenen Angestelltendienstes erreicht werden. So erfüllen beispielsweise Angestellte dieses Tätigkeitsmerkmal, die entweder große Arbeitsbereiche bei Verantwortung 1 2 3 4
BAG v. 21.6.2000 – 4 AZR 389/99, ZTR 2001, 125. BAG v. 9.7.1997 – 4 AZR 780/95, AP Nr. 39 zu §§ 22, 23 BAT 1975. BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 191/04, ZTR 2005, 643. BAG v. 29.9.1993 – 4 AZR 690/92, AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 184/08, ZTR 2009, 636. 5 BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 431/96, AP Nr. 226 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 21.6.2000 – 4 AZR 389/99, ZTR 2001, 125; BAG v. 20.6.2001 – 4 AZR 288/00, ZTR 2002, 178; BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 184/08, ZTR 2009, 636. 6 BAG v. 21.6.2000 – 4 AZR 389/99, ZTR 2001, 125. 7 BAG v. 9.7.1997 – 4 AZR 780/95, AP Nr. 39 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; BAG v. 21.6.2000 – 4 AZR 389/99, ZTR 2001, 125.
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VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a
Rz. 168
Teil 7
für mehrere Arbeitsgruppen mit qualifizierten Gruppenleitern leiten oder besonders schwierige Grundsatzfragen bei der Lösung von Fragen richtungweisender Bedeutung für nachgeordnete Bereiche oder die Allgemeinheit bearbeiten1. i) Die Erfüllung des besonderen zeitlichen Ausmaßes der Tätigkeitsmerkmale § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT bestimmt, in welchem zeitlichen Umfang die tätigkeitsbezogenen Anforderungen einer Eingruppierungsnorm erfüllt sein müssen. Danach entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Damit haben die Tarifvertragsparteien sich grundsätzlich auf das „Hälftelungsprinzip“, dh. auf das zeitliche Maß zur Hälfte geeinigt2. Dieser Grundsatz wird durch die Ausnahmeregelung in § 22 Abs. 2 Unterabs. 4 BAT ergänzt. In den Fällen, in denen in einer Eingruppierungsnorm ein hiervon abweichendes zeitliches Maß bestimmt ist, gilt dieses. Dies bedeutet:
167
– Sofern eine Eingruppierungsnorm kein zeitliches Maß enthält, gilt das zeitliche Maß „mindestens zur Hälfte“. – Haben die Tarifvertragsparteien in einer Eingruppierungsnorm ein hiervon abweichendes zeitliches Maß vereinbart, so gilt dieses. Verschiedene Vergütungs- bzw. Fallgruppen sehen im Hinblick auf be- 168 stimmte Tätigkeitsmerkmale ein abweichendes zeitliches Maß und damit eine quantitativ beschränkte Heraushebung auf mindestens 1/3, ¼ bzw. mindestens 1/5 vor. – So ist für eine Eingruppierung in VergGr. IVa Fallgr. 1a zudem erforderlich, dass sich die Tätigkeit des Angestellten mindestens zu 1/3 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgr. 1a heraushebt. – Eine Eingruppierung in VergGr. Vc Fallgr. 1a kommt beispielsweise nur dann in Betracht, wenn die Tätigkeit des Angestellten zudem mindestens zu 1/3 selbständige Leistungen erfordert. – Für eine Eingruppierung in VergGr. VII Fallgr. 1c ist es ua. notwendig, dass sich die Tätigkeit des Angestellten dadurch aus der VergGr. VIII Fallgr. 1a heraushebt, dass sie mindestens zu ¼ gründliche Fachkenntnisse erfordert.
1 BAG v. 9.7.1997 – 4 AZR 780/95, AP Nr. 39 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; BAG v. 20.6.2001 – 4 AZR 288/00, ZTR 2002, 178; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 303/07, ZTR 2008, 668. 2 Krasemann, 241. Schlewing
735
Teil 7
Rz. 169
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
– Für eine Eingruppierung in VergGr. VIb Fallgr. 1a ist wiederum erforderlich, dass die Tätigkeit des Angestellten zudem mindestens zu 1/5 selbständige Leistungen erfordert. 169
Wird in einer Vergütungs- bzw. Fallgruppe die geforderte Heraushebung in zuvor bezeichnetem Sinne quantitativ beschränkt, so stellt sich, da die Tarifvertragsparteien dies nicht ausdrücklich näher bestimmt haben, die Frage nach der rechtlichen Realisierung dieser quantitativen Beschränkung. Das BAG hat hierzu in seiner grundlegenden Entscheidung vom 19.3.19861, mit der es seine bisherige Rechtsprechung2 aufgegeben hat, zunächst auf drei denkbare Lösungsmöglichkeiten hingewiesen: – Lösungsmöglichkeit Nr. 1 Hier wird unter Verzicht auf die Bildung von Arbeitsvorgängen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit des Angestellten abgestellt und demzufolge rein quantitativ geprüft, ob die die Gesamtarbeitszeit des Angestellten ausmachenden Aufgaben die tariflichen Anforderungen in dem geforderten zeitlichen Maß erfüllen. – Lösungsmöglichkeit Nr. 2 Hier wird die Gesamttätigkeit des Angestellten in Arbeitsvorgänge aufgespalten und sodann geprüft, innerhalb welcher Arbeitsvorgänge das tariflich geforderte zeitliche Maß erfüllt ist. – Lösungsmöglichkeit Nr. 3 Auch hier wird die Gesamttätigkeit des Angestellten wiederum in Arbeitsvorgänge aufgespalten. Sodann wird festgestellt, welche Arbeitsvorgänge die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale erfüllen. Dabei ist es zur Erfüllung der tariflichen Anforderungen ausreichend, wenn die Tätigkeitsmerkmale innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegen; nicht erforderlich ist es, dass die Tätigkeitsmerkmale innerhalb eines Arbeitsvorgangs ihrerseits in dem von § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 und 4 BAT bestimmten Maß anfallen.
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Das BAG hat sich in der zuvor erwähnten Entscheidung3 für die 3. Lösungsmöglichkeit entschieden. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass die Tarifvertragsparteien mit § 22 BAT die Arbeitsvorgänge zur grundlegenden und universalen Bezugsgröße für die tarifliche Mindestvergütung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gemacht hätten. Im Übrigen sei nach Nr. 1 Satz 2 der Protokollnotizen zu § 22 Abs. 2 BAT jeder einzelne Arbeitsvorgang zu bewerten und dürfe hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Diese Rechtsprechung hat das BAG in zahlreichen weiteren Entscheidungen fortgeführt4. Dabei hat es zudem 1 BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 642/84, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 BAG v. 28.3.1979 – 4 AZR 446/77, AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 2.12.1981 – 4 AZR 347/79, AP Nr. 53 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 1.9.1982 – 4 AZR 1134/79, AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 3 BAG v. 19.3.1986 – 4 AZR 642/84, AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 4 Vgl. nur BAG v. 18.7.1990 – 4 AZR 25/90, AP Nr. 151 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 461/93, AP Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 22.3.1995 – 4 AZN 1105/94, NZA 1996, 42; BAG v. 6.6.2007 – 4 AZR 456/06, ZTR 2008, 156;
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VI. Die wichtigsten Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a
Rz. 173
Teil 7
ausgeführt, dass der jeweilige Arbeitsvorgang dann in rechtserheblichem Ausmaß die Anforderungen der Qualifizierungsmerkmale erfülle, wenn ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt würde1. Nach alledem sind in der Praxis folgende Schritte vorzunehmen2:
171
– 1. Schritt Die Gesamttätigkeit des Angestellten ist in Arbeitsvorgänge zu zerlegen. – 2. Schritt Sodann ist die Zeit zur Erledigung eines jeden Arbeitsvorgangs zu bestimmen. – 3. Schritt Danach ist festzustellen, welcher Arbeitsvorgang den Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals/der Tätigkeitsmerkmale entspricht. Dabei reicht es aus, wenn die Tätigkeitsmerkmale innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegen. – 4. Schritt Letztlich ist festzustellen, ob die Zeit für die Erledigung der Arbeitsvorgänge, die den Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals bzw. der Tätigkeitsmerkmale entsprechen, mindestens den tariflich geforderten zeitlichen Anteil an der Gesamtarbeitszeit des Angestellten ausmacht. j) Die sonstigen Angestellten Eine Reihe von Tätigkeitsmerkmalen sieht als personenbezogene Anforde- 172 rung eine bestimmte Ausbildung vor. Um zu gewährleisten, dass Arbeitnehmer, die zwar nicht über die formale Vor- bzw. Ausbildung verfügen, aber entsprechende Fähigkeiten – wie auch immer erworben – besitzen, in gleicher Weise vergütet werden wie diejenigen mit dem formalen Abschluss, haben die Tarifvertragsparteien in den meisten Fällen die Geltung der Tätigkeitsmerkmale auch für die sonstigen Angestellten vereinbart. Um sonstiger Angestellter im Sinne der Eingruppierungsnormen des BAT 173 zu sein, müssen nach der Rechtsprechung des BAG kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Subjektiv muss der Angestellte als sonstiger Angestellter über Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, die denen entsprechen, die ein Absolvent der geforderten Ausbildung hat. Dabei wird zwar nicht ein Wissen und Können verlangt, wie es durch die geforderte Ausbildung vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entspre-
BAG v. 6.6.2007 – 4 AZR 505/06, ZTR 2008, 156; BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 166/08, ZTR 2009, 581; BAG v. 23.9.2009 – 4 AZR 308/08. 1 BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 461/93, AP Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 Prüfungsreihenfolge in Anlehnung an Müller/Preis, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst mit TVöD/TV-L, Rz. 591. Schlewing
737
Teil 7
Rz. 174
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
chenden umfangreichen Wissensgebietes. Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem eng begrenzten Teilgebiet sind hingegen nicht ausreichend1. 2. Objektiv muss der Angestellte zudem eine entsprechende Tätigkeit, dh. mit dem der geforderten Ausbildung entsprechenden Zuschnitt auszuüben haben2. 174
Im Hinblick auf die subjektiven Voraussetzungen hat das BAG seine Rechtsprechung dann weiter dahingehend konkretisiert, dass es zwar rechtlich möglich sei, aus der ausgeübten Tätigkeit des Angestellten Rückschlüsse auf seine Fähigkeiten und Erfahrungen zu ziehen3. Hieraus könne jedoch weder ein Rechtssatz noch der allgemeine Erfahrungssatz hergeleitet werden, dass immer dann, wenn ein „sonstiger Angestellter“ eine „entsprechende Tätigkeit“ ausübe, dieser auch über „gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen“ im tariflichen Sinne verfüge. Auch wenn der Angestellte eine „entsprechende Tätigkeit“ ausübe, müsse geprüft werden, ob er das Wissensgebiet eines Angestellten mit der in der 1. Alternative vorausgesetzten Ausbildung mit ähnlicher Gründlichkeit beherrsche4.
175
Ob an dieser zuletzt aufgeführten Einschränkung unter Geltung des neuen Tarifrechts mit neuer Entgeltordnung festgehalten wird, ist derzeit noch nicht geklärt.
176
Ist in einem Tätigkeitsmerkmal eine Vorbildung oder Ausbildung als Anforderung bestimmt, ohne dass sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, von ihm erfasst werden, sind Angestellte, die die geforderte Ausbzw. Vorbildung nicht besitzen, bei Erfüllung der sonstigen Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals nach der Vorbemerkung Nr. 1 Unterabsatz 3 zu allen Vergütungsgruppen – Fassung B/L – bzw. Bemerkung Nr. 4 zu allen Vergütungsgruppen – Fassung VKA – in die nächst niedrigere Vergütungsgruppe eingruppiert.
VII. Die Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 1 177
Nach §§ 17 Abs. 2 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA und TVÜ-Länder gelten die bisherigen Vergütungsordnungen und Lohngruppenverzeichnisse nicht für die ab dem 1.10.2005 in Entgeltgruppe 1 TVöD bzw. ab dem 1.11.2006 in Entgeltgruppe 1 TV-L neu eingestellten Beschäftigten. Diese werden bei Erfüllung der beschriebenen Merkmale verbindlich nach den Regelungen des TVöD bzw. TV-L in die Entgeltgruppe 1 eingruppiert. Dabei handelt es sich um einen bereits geregelten Teilbereich der neuen Entgeltordnung. Dieser 1 BAG v. 18.12.1996 – 4 AZR 319/95, AP Nr. 221 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 8.10.1997 – 4 AZR 151/96, AP Nr. 232 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 25.3.1998 – 4 AZR 670/96, AP Nr. 251 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 22.3.2000 – 4 AZR 116/99, AP Nr. 275 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 BAG v. 22.7.1998 – 4 AZR 399/97, AP Nr. 252 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 3 Vgl. nur BAG v. 8.10.1997 – 4 AZR 151/96, AP Nr. 232 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 4 BAG v. 18.12.1996 – 4 AZR 319/95, AP Nr. 221 zu §§ 22, 23 BAT 1975.
738 Schlewing
VII. Die Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 1
Rz. 181
Teil 7
ist in den Anlagen 4 TVÜ-Bund, 3 TVÜ-VKA sowie 4 TVÜ-Länder niedergelegt. Zu beachten ist, dass die neue Entgeltgruppe 1 keine Stufe 1 hat; der Ein- 178 stieg erfolgt vielmehr zwingend sofort in Stufe 2, §§ 16 Abs. 5 TVöD (Bund), 16 Abs. 4 TV-L/TVöD (VKA). Die jeweils nächste Stufe wird nach jeweils vier Jahren in der vorangegangenen Stufe erreicht; § 17 Abs. 2 bleibt unberührt. Die Stufenlaufzeit beträgt bei der Entgeltgruppe 1 demnach abweichend von allen anderen Entgeltgruppen in jeder Stufe je vier Jahre Beschäftigungszeit1. Damit wird nicht der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Stufen gezählt, sondern die Dauer der Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber2. Die Tarifpartner haben mit der Entgeltgruppe 1 TVöD/TV-L eine völlig neue Entgeltgruppe geschaffen, die die Besonderheit aufweist, dass sie unter dem sonstigen Tarifniveau des öffentlichen Dienstes liegt. Hierdurch sollen die öffentlichen Arbeitgeber erkennbar in die Lage versetzt werden, Arbeitsplätze in solchen Bereichen zu erhalten, in denen private Anbieter die Dienstleistungen infolge eines niedrigeren tarifvertraglichen Lohnniveaus bislang günstiger anbieten können. Mit der Einführung der neuen Entgeltgruppe 1 waren die Tarifvertragsparteien aber zugleich auch in der Pflicht, die für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 1 maßgeblichen Kriterien insoweit festzulegen, dass eine Eingruppierung in diese Entgeltgruppe möglich ist. Dieser Verpflichtung sind sie mit der Ausformulierung der Merkmale der Entgeltgruppe 1 in den Anlagen 3 bzw. 4 TVÜ-Bund, TVÜ-VKA sowie TVÜ-Länder nachgekommen.
179
Danach sind in die Entgeltgruppe 1 Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten eingruppiert, zum Beispiel
180
– Essens- und Getränkeausgeber/innen – Garderobenpersonal – Spülen und Gemüseputzen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich – Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks – Wärter/innen von Bedürfnisanstalten – Servierer/innen – Hausarbeiter/innen – Hausgehilfe/Hausgehilfin – Bote/Botin (ohne Aufsichtsfunktion). Für den Bereich der Länder und der VKA ergibt sich aus den Anlagen 3 und 4, dass Ergänzungen durch landesbezirklichen Tarifvertrag geregelt werden
1 Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, TVöD, § 16 (VKA) TVöD-AT Rz. 34. 2 Böhle/Poschke, ZTR 2005, 286, 292. Schlewing
739
181
Teil 7
Rz. 182
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
können. Für den Bereich des Bundes sieht die Anlage 4 die Möglichkeit der Ergänzungen durch Tarifvertrag auf Bundesebene vor. 182
Das Bundesarbeitsgericht hatte im Jahre 2009 bereits mehrfach die Gelegenheit, sich zur Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 1 und damit auch zur Konkretisierung des Begriffs der „einfachsten Tätigkeiten“ zu äußern1. Danach ist für die Eingruppierung der Beschäftigten ab dem 1.10.2005 bzw. 1.11.2006 in die neue Entgeltgruppe 1 von Folgendem auszugehen: 1. Zunächst ist festzustellen, ob der Beschäftigte eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit, eine überwiegend auszuübende Teiltätigkeit oder mehrere selbständige Teiltätigkeiten zu erbringen hat. 2. Für ermittelte Teiltätigkeiten ist jeweils einzeln tariflich zu bewerten, ob sie die Tätigkeitsmerkmale der begehrten Entgeltgruppe erfüllen. Danach sind die Teiltätigkeiten, die die Merkmale der betreffenden Entgeltgruppe erfüllen, mit ihren Anteilen zusammenzurechnen. Ergeben sie mindestens die Hälfte der auszuübenden Gesamttätigkeit, ist der Beschäftigte in die entsprechende Entgeltgruppe eingruppiert. Die übrigen Teiltätigkeiten bleiben dann unberücksichtigt, sofern diejenigen unter ihnen, die höheren Entgeltgruppen zuzuordnen sind, nicht ihrerseits zusammengerechnet einen zeitlichen Umfang von der Hälfte der Arbeitszeit erreichen und damit rechtserheblich werden. 3. Die neue Entgeltgruppe 1 enthält als Oberbegriff das Merkmal der „einfachsten Tätigkeiten“2. Sodann ist der Oberbegriff der „einfachsten Tätigkeiten“ durch einen nicht abschließenden Katalog von Tätigkeitsbeispielen näher erläutert3. Der Beispielskatalog der Entgeltgruppe 1 zeigt den Schwierigkeitsgrad auf, den die Tarifvertragsparteien mit „einfachsten Tätigkeiten“ belegt haben4. 4. Übt der Beschäftigte eine Tätigkeit aus, die als Beispiel zur Entgeltgruppe 1 genannt ist, so verrichtet er „einfachste Tätigkeiten“. Wird die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfasst, muss grundsätzlich auf den Oberbegriff zurückgegriffen werden. Dieser Rückgriff ist auch dann geboten, wenn die Tätigkeitsbeispiele ihrerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe sind dann ihrerseits im Lichte des Oberbegriffs auszulegen.
1 BAG v. 28.1.2009 – 4 ABR 92/07, ZTR 2009, 474; BAG v. 20.5.2009 – 4 ABR 99/08, ZTR 2010, 22; BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 315/08, EzTöD 320 TVÜ-VKA Anlage 3 Entgeltgruppe 1 Nr. 10; BAG v. 1.7.2009 – 4 ABR 16/08, nv.; BAG v. 1.7.2009 – 4 ABR 17/08, nv.; BAG v. 1.7.2009 – 4 ABR 18/08, ZTR 2010, 25; vgl. Zetl, ZMV 2009, 68 ff. 2 Vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese (Begründer), Kommentar zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), (Loseblatt), 26. Ergänzungslieferung – Dezember 2009 – TVÜ-Länder, Rz. 512; Thivessen/Kulok, Tv-L, 50. 3 Vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, TVÜ-Länder, Rz. 512; Dassau/Langenbrinck, TVöD, 90; Thivessen/Kulok, TV-L, 50. 4 Vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, TVÜ-Länder, Rz. 512.
740 Schlewing
VII. Die Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 1
Rz. 182
Teil 7
5. Bei der Entgeltgruppe 1 TVöD handelt es sich um eine eigenständige Neuregelung ohne Bezug zu bestehenden Vergütungsordnungen und Lohngruppenverzeichnissen. Nach § 17 Abs. 2 TVÜ-Bund/TVÜ-Länder und TVÜ-VKA sind Beschäftigte auch dann nicht in eine höhere Entgeltgruppe einzugruppieren, wenn ihre Tätigkeit in den bisherigen und weiter anwendbaren Vergütungsordnungen oder Lohngruppenverzeichnissen aufgeführt ist. Zur Auslegung des Begriffs der „einfachsten Tätigkeiten“ kann nicht auf die bisherigen Vergütungsordnungen und Lohngruppenverzeichnisse zurückgegriffen werden. 6. Die Bestimmung des Oberbegriffs der „einfachsten Tätigkeiten“ hat von den Maßstäben der Beispieltatbestände der Entgeltgruppe aus zu erfolgen. 7. „Einfachste Tätigkeiten“ sind solche, die an Einfachheit nicht zu überbieten sind. Da bereits „einfache Tätigkeiten“ regelmäßig keine Voroder Ausbildung erfordern, gilt dies umso mehr für „einfachste Tätigkeiten“. Hierunter sind deshalb insbesondere un- und angelernte Tätigkeiten zu verstehen. Es darf keine eingehende fachliche Einarbeitung erforderlich sein. Vielmehr muss eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase in die übernommenen Aufgaben für eine ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglich übertragenen Aufgabe ausreichend sein. Allerdings hat eine Einarbeitungszeit von einem, in besonders gelagerten Einzelfällen auch bis zu maximal zwei Tagen nicht zwingend zur Folge, dass nicht mehr von einer „einfachsten Tätigkeit“ ausgegangen werden kann. Selbst eine „einfachste Tätigkeit“ bedarf zumindest einer kurzen Anlernphase im Sinne einer Einweisung und einer ebensolchen Einarbeitungszeit. Bei der Einarbeitungszeit ist allerdings zu unterscheiden, ob diese erforderlich ist, um ein gewisses Maß an Arbeitsgeschwindigkeit zu erreichen (Erwerb von Routine bei feststehenden Arbeitsabläufen) oder um die Arbeitsabläufe als solche zu beherrschen (etwa wenn verschiedenartige Details der Tätigkeit zu erfassen sind). Im letzteren Fall spricht der Umstand einer mehrtägigen Einarbeitungszeit regelmäßig gegen die Einordnung als „einfachste Tätigkeit“. Bei „einfachsten Tätigkeiten“ muss es sich im Wesentlichen um gleichförmige und gleichartige – gleichsam „mechanisch“ durchzuführende – Tätigkeiten handeln, deren Verrichtung keine nennenswerten eigenen Überlegungen erfordert. Eine „einfachste Tätigkeit“ kann aber auch dann vorliegen, wenn sie ohne weiteres aufgrund von Einzelanweisungen durchgeführt werden kann. Etwas anderes gilt jedoch, wenn dem Beschäftigten im Rahmen der Aufgaben ein eigenständiger, nicht gänzlich unbedeutender Entscheidungs- oder Verantwortungsbereich übertragen wurde. Ebenso kann von Belang sein, dass es im Einzelfall zur Durchführung der Tätigkeit regelmäßig einer Abstimmung mit anderen Personen wie anderen Beschäftigten oder Kunden bedarf. 8. Ob eine Tätigkeit eine „einfachste Tätigkeit“ im Sinne der Entgeltgruppe 1 ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die im Rahmen einer Gesamtbewertung zu würdigen sind. Schlewing
741
Teil 7
Rz. 183
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
9. Maßgebende Kriterien für die Beurteilung, ob eine einfachste Tätigkeit im Sinne der Entgeltgruppe 1 vorliegt, sind demnach neben einer nicht erforderlichen Vor- oder Ausbildung regelmäßig eine sehr kurze Einweisung oder Anlernphase in die übernommene Tätigkeit, eine im wesentlichen gleichförmige und gleichartige – gleichsam „mechanisch“ durchzuführende – Tätigkeit, deren Verrichtung keine nennenswerten eigenen Überlegungen erfordert und das Fehlen eines eigenständigen, nicht gänzlich unbedeutenden Entscheidungs- und Verantwortungsbereichs. 10. Eine Eingruppierung in eine höhere als die Entgeltgruppe 1 kommt nur in Betracht, wenn der Beschäftigte mehr als nur „einfachste Tätigkeiten“ im Sinne der Entgeltgruppe 1 im tariflich maßgebenden Umfang ausübt. 183
Die Entscheidungen des BAG zur Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 1 fußen – wie die vorstehenden Ausführungen belegen – auf seiner ständigen Rechtsprechung zum Verhältnis von Oberbegriff zu Beispielsfällen. Danach ist immer dann, wenn eines der Beispiele erfüllt ist, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt1. Wird indes kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, so ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dessen Bestimmung allerdings von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen hat; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen nämlich Maß und Richtung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben2. Dies wird auch für die Ausbringung weiterer Beispiele durch Tarifvertrag auf Bundesebene oder landesbezirklichen Tarifvertrag zu gelten haben3.
VIII. Die Beteiligung des Personalrats bei der Ein- und Umgruppierung und der korrigierenden Rückgruppierung 184
Nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG hat der Personalrat mitzubestimmen in Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit, Höher- oder Rückgruppierung, Eingruppierung.
185
Die Landespersonalvertretungsgesetze enthalten entsprechende Vorschriften; diese weichen allerdings teilweise in Einzelheiten von der in § 75 BPersVG getroffenen Regelung ab.
1 BAG v. 5.7.1978 – 4 AZR 795/76, AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 29.4.1981 – 4 AZR 1007/78, AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BAG v. 12.12.1990 – 4 AZR 306/90, AP Nr. 1 zu § 12 AVR Diakonisches Werk; BAG v. 10.7.1996 – 4 AZR 139/95, NZA 1997, 558. 2 BAG v. 8.2.1984 – 4 AZR 158/83, AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAG v. 29.1.1986 – 4 AZR 465/84, AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 10.7.1996 – 4 AZR 139/95, NZA 1997, 558. 3 BAG v. 8.10.1997 – 4 AZR 274/96, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Medizinischer Dienst.
742 Schlewing
VIII. Die Beteiligung des Personalrats
Rz. 189
Teil 7
1. Die Mitbestimmungstatbestände a) Die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit Eine höher zu bewertende Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn die Tätigkeit 186 nach einer höheren (Vergütungs-, Lohn- bzw.) Entgeltgruppe bewertet ist als die bisherige Tätigkeit1. Die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit ist demnach nur gegeben, wenn es zu einem Wechsel der (Vergütungs-, Lohn- bzw.) Entgeltgruppe kommt2. Einigkeit bestand von jeher, dass die Übertragung einer höher zu bewerten- 187 den Tätigkeit auf Dauer stets mitbestimmungspflichtig war. Demgegenüber steht erst seit der Entscheidung des BAG vom 28.1.19923 fest, dass auch die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Das BAG hat seine Auffassung damit begründet, dass § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG nicht zwischen einer nur vorübergehenden und einer dauernden Übertragung unterscheide. Zwar führe die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nicht zu einer Höhergruppierung; allerdings habe die Mitbestimmung bei der Ein-, Höher- oder Rückgruppierung einen anderen Inhalt als bei Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit. b) Die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit Für das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit gelten die für die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit aufgeführten Grundsätze – naturgemäß mit umgekehrtem Vorzeichen – entsprechend.
188
c) Die Höhergruppierung Mit der Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit auf Dauer ist 189 aufgrund der Tarifautomatik als Rechtsfolge eine Höhergruppierung „automatisch“ verbunden. Der Begriff der „Höhergruppierung“ in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG erfasst darüber hinaus auch all diejenigen Fälle der Höhergruppierung, die nicht durch die Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit bedingt sind. Dabei handelte es sich nach altem Recht im Wesentlichen um folgende Tatbestände4:
1 Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese (Begründer), Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag – BAT (Loseblatt), 200. Ergänzungslieferung – Juni 2006, § 22 Erl. 14.4.1; Uttlinger/Breier/Kiefer/Dassau/Faber (Hrsg.), BAT- Bundesangestelltentarifvertrag Bund, Länder, Gemeinden, Kommentar (Loseblatt), 199. Aktualisierung – August 2009, § 22 Erl. 26. 2 BAG v. 6.2.1985 – 4 AZR 127/83, DB 1985, 2208; BAG v. 27.4.1988 – 4 AZR 691/87, AP Nr. 4 zu § 10 TV Arbeiter Bundespost; BAG v. 27.11.1991 – 4 AZR 29/91, NZA 1992, 462. 3 BAG v. 28.1.1992 – 1 ABR 56/90 (B), 1 ABR 56/90, NZA 1992, 805. 4 Beispiele nach Uttlinger/Breier/Kiefer/Dassau/Faber, BAT, § 22 Erl. 28. Schlewing
743
Teil 7
Rz. 190
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
– Zum Zeitpunkt der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit erfüllt der Beschäftigte noch nicht alle persönlichen Voraussetzungen für eine Höhergruppierung (zB Ablegung einer Prüfung). – Die Tarifnorm sieht einen Zeitaufstieg vor, so dass eine Höhergruppierung erst mit Ablauf der bestimmten Zeit erfolgen kann. – Die Tarifnorm sieht einen Bewährungsaufstieg vor mit der Folge, dass eine Höhergruppierung erst mit erfolgreichem Ablauf der Bewährungszeit in Betracht kommt. – Der Beschäftigte ist in die höhere Vergütungs-, Lohn- bzw. Entgeltgruppe hineingewachsen, ohne dass ihm die Tätigkeit durch den Arbeitgeber übertragen worden wäre1. 190
Mitbestimmungsfrei ist hingegen die Höhergruppierung, die sich aus einer tarifvertraglichen Änderung der Vergütungs- oder Entgeltordnung ergibt, wenn ein Tätigkeitsmerkmal ohne Inhaltsänderung in eine höhere Vergütungsgruppe übertragen wird. Der betroffene Beschäftigte hat hier einen Rechtsanspruch auf die höhere Vergütung, ohne dass es einer Beteiligung des Personalrats bedürfte2. Ist jedoch nach einer strukturellen Änderung der Vergütungs- bzw. Entgeltordnung darüber zu entscheiden, welcher neuen Vergütungs-, Lohn- bzw. Entgeltgruppe der Beschäftigte zuzuordnen ist, liegt eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme vor3. d) Die Rückgruppierung
191
Unter Rückgruppierung ist die Einreihung eines Beschäftigten in eine niedrigere als die bisherige (Vergütungs-, Lohn- bzw.) Entgeltgruppe zu verstehen. Die Rückgruppierung kann auf unterschiedlichen Ursachen beruhen: – Dem Beschäftigten wird eine im Vergleich zu seiner Eingruppierung geringer zu bewertende Tätigkeit zugewiesen. – Zudem sind Fälle denkbar, in denen sich die Wertigkeit der dem Beschäftigten übertragenen Tätigkeiten verringert, ohne dass der Arbeitgeber dies durch Übertragung anderer Tätigkeiten herbeigeführt hätte. – Daneben sind die Fälle der korrigierenden Rückgruppierung, also die Fälle zu nennen, bei denen sich bei unveränderter Tätigkeit die bisherige Eingruppierung als zu hoch erweist.
192
Bis zum Jahre 1990 hatte das BAG die Auffassung vertreten, dass der Begriff der Rückgruppierung im Sinne von § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG dahingehend auszulegen sei, dass darunter nur die Zuweisung einer Tätigkeit zu verstehen sei, für die die Tätigkeitsmerkmale einer niedrigeren Lohn- bzw. Vergütungsgruppe gelten als für die bisher verrichteten Aufgaben. Demzufolge hatte das Gericht eine mitbestimmungspflichtige Rückgruppierung 1 BAG v. 30.5.1990 – 4 AZR 74/90, NZA 1990, 899. 2 BAG v. 23.2.1966 – 4 AZR 447/64, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: BAVAV. 3 BAG v. 12.1.1993 – 1 ABR 42/92, DB 1993, 1094; BAG v. 9.3.1993 – 1 ABR 48/93, NZA 1993, 1045.
744 Schlewing
VIII. Die Beteiligung des Personalrats
Rz. 193
Teil 7
verneint, wenn ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ohne Änderung der Tätigkeit des Arbeitnehmers lediglich die Weiterzahlung des ohne arbeitsvertragliche Vereinbarung und in Verkennung der tariflichen Merkmale geleisteten Arbeitsentgelts einstellte. Durch diese Korrektur einer ungerechtfertigten Bereicherung werde – so das BAG – die tarifliche oder vertragliche Position des Arbeitnehmers nicht berührt1. Mit seinem Urteil vom 30.5.19902 hat das Gericht dann diese Rechtsprechung aufgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Mitbestimmungstatbestand der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit nach der Systematik der Eingruppierungsregelungen von denjenigen der Höheroder Rückgruppierung zu unterscheiden sei. Aus der Zuweisung einer Tätigkeit durch den Arbeitgeber folge nach der Tarifautomatik ein tariflicher Mindestvergütungsanspruch. Werde dem Arbeitnehmer eine höher oder niedriger zu bewertende Tätigkeit übertragen, führe dies zu einer inhaltlichen Änderung des Arbeitsvertrages, die auf dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, einer Änderungskündigung oder einem Änderungsvertrag beruhen könne. Insoweit sei stets ein Mitbestimmungsrecht bejaht worden. Dieses Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der inhaltlichen Änderung des Arbeitsvertrages sei jedoch von demjenigen bei der Zuordnung einer zugewiesenen Tätigkeit zu einer bestimmten Lohn- oder Vergütungsgruppe (dh. bei der Höher- oder Rückgruppierung) zu unterscheiden. Dem habe der Gesetzgeber dadurch Rechung getragen, dass er die Höher- und Rückgruppierung ausdrücklich neben den Tatbeständen der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit normiert habe. Diese eigenständige Gewährleistung eines Mitbestimmungsrechts bei der Höherund Rückgruppierung gebiete es, ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats auch da zu bejahen, wo der Arbeitgeber bei unveränderter Tätigkeit deren Zuordnung zu einer bestimmten Lohn- oder Vergütungsgruppe ändern wolle. e) Die Eingruppierung Als letzten Mitbestimmungstatbestand enthält § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG die „Eingruppierung“. Da die Mehrzahl der Eingruppierungsfälle – verstanden als die Zuordnung der von einem Arbeitnehmer vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit zu einer Vergütungsgruppe der maßgeblichen Vergütungsordnung3 – bereits durch die Mitbestimmungstatbestände der Höherund Rückgruppierung abgedeckt sind, verbleiben im Anwendungsbereich des Merkmals der „Eingruppierung“ nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG neben der „Ersteingruppierung“ nur die Fälle, in denen eine generelle Überprüfung von Eingruppierungen aufgrund einer strukturellen Änderung der maßgebenden Vergütungs- bzw. Entgeltordnung erfolgt, also die Zuordnung der Mitarbeiter überprüft werden muss und in denen der Arbeitgeber 1 BAG v. 2.12.1981 – 4 AZR 383/79, AP Nr. 6 zu § 75 BPersVG; BAG v. 21.4.1982 – 4 AZR 671/79, DB 1982, 2521; BAG v. 18.5.1988 – 4 AZR 751/87, AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Datenverarbeitung. 2 BAG v. 30.5.1990 – 4 AZR 74/90, NZA 1990, 899. 3 BAG v. 31.10.1995 – 1 ABR 5/95, NZA 1996, 890. Schlewing
745
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Teil 7
Rz. 194
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit in einer arbeitsorganisatorisch neu geschaffenen Position zuweist, „für die eine vergleichbare Eingruppierung noch nicht vorgenommen werden konnte“, auch wenn sich durch diese Zuweisung die Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe nicht ändern sollte1. 2. Die Folgen der Verletzung der Beteiligungsrechte des Personalrats2 194
Im Hinblick auf die Rechtsfolgen fehlerhafter bzw. unterlassener Beteiligung des Personalrats ist danach zu differenzieren, ob dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht in Form eines Mitgestaltungs- oder Mitbeurteilungsrechts zusteht. Zudem ist zwischen den personalvertretungsrechtlichen und individualarbeitsrechtlichen Rechtsfolgen zu unterscheiden. a) Die Mitbestimmung bei der Höher- und Rückgruppierung und der Eingruppierung
195
Bei der Ein-, Höher- und Rückgruppierung als Zuordnung einer Tätigkeit zu den (Lohn-, Vergütungs- oder) Entgeltgruppen handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des BAG3 nicht um eine konstitutive Maßnahme des Arbeitgebers, sondern um einen Akt der Rechtsanwendung. Ein-, Höher- und Rückgruppierungen begründen keine Ansprüche der Arbeitnehmer und lassen solche auch nicht entfallen, sondern haben rein deklaratorische Wirkung, weil sie die Auffassung des Arbeitgebers wiedergeben, welcher Lohn-, Vergütungs- oder Entgeltgruppe die Tätigkeit zutreffender Weise zuzuordnen ist. Die Mitbestimmung des Personalrats ist hierbei demzufolge kein Mitgestaltungsrecht, sondern lediglich ein die tarifliche Bewertung kontrollierendes Mitbeurteilungsrecht. Dieses Mitbeurteilungsrecht dient der Richtigkeitskontrolle; es soll gewährleisten, dass die angesichts der allgemein und weit gehaltenen Fassung der Tätigkeitsmerkmale oft schwierige Prüfung, welcher Lohn-, Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe die Tätigkeit des Arbeitnehmers entspricht, möglichst zutreffend erfolgt, der Arbeitgeber die Tätigkeit mithin der richtigen Lohn-, Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe zuordnet. Das Mitbestimmungsrecht dient nach alledem der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Entgeltordnung in gleichen bzw. vergleichbaren Fällen und damit auch der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Durchschaubarkeit der vorgenommenen Eingruppierungen4.
196
Verletzt der Arbeitgeber dieses Mitbeurteilungsrecht, so zeitigt diese Verletzung des Mitbestimmungsrechts keine individualarbeitsrechtlichen Folgen. Bei einer Ein-, Höher- oder Rückgruppierung als Akt der Rechtsanwendung wird – anders als bei der Übertragung einer höher oder niedriger 1 Beispiele nach Uttlinger/Breier/Kiefer/Dassau/Faber, BAT, § 22 Erl. 31; vgl. im Übrigen BAG v. 21.3.1995 – 1 ABR 46/94, DB 1996, 480. 2 Wegen des Mitbestimmungsverfahrens wird auf die Ausführungen in Teil 9 verwiesen. 3 BAG v. 14.1.2004 – 4 AZR 10/03, ZTR 2004, 643 mwN. 4 BAG v. 30.5.1990 – 4 AZR 74/90, NZA 1990, 899; BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 14.1.2004 – 4 AZR 10/03, ZTR 2004, 643.
746 Schlewing
VIII. Die Beteiligung des Personalrats
Rz. 198
Teil 7
zu bewertenden Tätigkeit, durch die der Inhalt des Arbeitsvertrages gestaltet wird – der aus der Tarifautomatik folgende Entgeltanspruch von vornherein nicht berührt. Bereits deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats in Form der Mitbeurteilung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen höheren oder niedrigeren individuellen Vergütungs- bzw. Entgeltanspruch des Arbeitnehmers1. b) Die Mitbestimmung bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit Demgegenüber stellt sich die Übertragung einer höher oder niedriger zu be- 197 wertenden Tätigkeit als konstitutive Maßnahme dar. Durch die Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit wird der Inhalt des Arbeitsvertrages gestaltet. Es kommt zu einer inhaltlichen Änderung des Arbeitsvertrages, die auf dem Direktionsrecht, einer Änderungskündigung oder einem Änderungsvertrag beruhen kann2. Hier ist dem Personalrat das Mitbestimmungsrecht in Form eines Mitgestaltungsrechts eingeräumt. Während das BAG bis zum Jahre 1990 in ständiger Rechtsprechung für die 198 zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarte Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit und damit einhergehend der Zahlung einer höheren Vergütung die Auffassung vertreten hatte, dass die Ausübung des Mitbestimmungsrechts Wirksamkeitsvoraussetzung der vertraglichen Vereinbarung sei3, führt die ohne Zustimmung des Personalrats getroffene Vereinbarung einer höherwertigen Tätigkeit nach neuerer Rechtsprechung des Gerichts4 indes nicht mehr zur Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Absprache. Der Arbeitgeber könne sich – so das BAG – vielmehr durch Arbeitsvertrag oder Änderung des Arbeitsvertrages verpflichten, dem Arbeitnehmer eine höherwertige Tätigkeit zuzuweisen und ihn entsprechend höher zu vergüten. Eine solche vertragliche Gestaltung werde durch das Personalvertretungsgesetz nicht verboten. Während bei einer Kündigung § 79 Abs. 4 BPersVG bestimme, dass diese unwirksam sei, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden sei, gebe es demgegenüber keine entsprechende Vorschrift, die die Vereinbarung einer höherwertigen Tätigkeit ohne Zustimmung des Personalrats verbiete oder für unwirksam erkläre. Allerdings sei der Arbeitgeber am Vollzug der Vereinbarung einer höherwertigen Tätigkeit durch Zuweisung eines entsprechenden Arbeitsplatzes solange gehindert, wie die Zustimmung des Personalrats nicht vorliege. Die Zuweisung eines entsprechenden Arbeitsplatzes bedürfe nämlich der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG und könne ohne sie nicht durchgeführt werden. Insoweit sei die Mitbestimmung 1 BAG v. 30.5.1990 – 4 AZR 74/90, NZA 1990, 899; BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 14.1.2004 – 4 AZR 10/03, ZTR 2004, 643. 2 BAG v. 30.5.1990 – 4 AZR 74/90, NZA 1990, 899. 3 So noch BAG v. 30.5.1990 – 4 AZR 74/90, NZA 1990, 899. 4 BAG v. 16.1.1991 – 4 AZR 301/90, NZA 1991, 490. Schlewing
747
Teil 7
Rz. 199
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
des Personalrats Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vollzug der Maßnahme. Der Personalrat könne jederzeit die Rückgängigmachung einer ohne seine Zustimmung durchgeführten Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit verlangen. Die vom Arbeitgeber versprochene Leistung könne bei einer endgültigen und wirksamen Zustimmungsverweigerung des Personalrats nachträglich unmöglich werden und uU Schadensersatzansprüche auslösen. Der Arbeitgeber bleibe bis zu einer entsprechenden Änderung des Arbeitsvertrages mithin im Ergebnis verpflichtet, die höhere Vergütung zu zahlen. 199
Hat der Arbeitgeber sich mit dem Arbeitnehmer einvernehmlich auf die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit verständigt, so führt die Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats dazu, dass die Übertragung der geringerwertigen Tätigkeit unwirksam sei. Der Arbeitgeber bleibt hier verpflichtet, den Arbeitnehmer mit seiner bisherigen – höherwertigen – Tätigkeit weiterzubeschäftigen. Wenn der Arbeitnehmer ihm seine frühere Tätigkeit anbietet und der Arbeitgeber ihn aber nicht beschäftigt, so gerät er in Annahmeverzug nach § 615 BGB1. 3. Die Überleitung in die neuen Entgeltgruppen
200
Ob es sich bei der Überleitung in die neue Entgeltordnung um eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung oder Umgruppierung nach den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder handelt, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Hiergegen ließe sich einwenden, dass die Überleitung in die neuen Entgeltgruppen keine wertende Entscheidung des Arbeitgebers darüber erfordert, welche Entgeltgruppe er für die Tätigkeit des Beschäftigten für zutreffend hält; die Überleitungstarifverträge mit ihren jeweiligen Anlagen ordnen die bisherigen Vergütungs- bzw. Lohngruppen zwingend rein schematisch den neuen Entgeltgruppen zu, ohne dass die Frage der tariflich „richtigen“ Eingruppierung in Rede stünde2.
201
Allerdings hat sich auf der einen Seite das Bundesverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 27.8.20083 bereits für ein weites Verständnis des Begriffs der „Eingruppierung“ nach §§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 RhPPersVG, 65 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 NdsPersVG ausgesprochen und auch die Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 TV-L, die bei einem einzustellenden Arbeitnehmer zugleich mit seiner Einordnung in die Entgeltgruppe vorzunehmen ist, als von der Eingruppierung mitumfasst angesehen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, die Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierungen müsse sich auf alle bedeutsamen Parameter erstre1 BAG v. 12.5.2004 – 4 AZR 338/03, AP Nr. 300 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen (Hrsg.), TV-L, Tarif- und Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst der Länder, Kommentar (Loseblatt), 34. Aktualisierung – Dezember 2009 – § 3 TVÜ-Länder Rz. 11; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, TVÜLänder Erl. 84 f.; Dassau/Langenbrinck, TVöD, 15; Thivessen/Kulok, TV-L, 15. 3 BVerwG v. 27.8.2008 – 6 P 11/07, BVerwGE 131, 383 und – 6 P 3/08, PersR 2008, 500.
748 Schlewing
IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer
Rz. 203
Teil 7
cken, die für den Kernbestandteil des tariflichen Entgelts maßgeblich seien; die Richtigkeitskontrolle bleibe unvollständig, wenn sie sich auf die Einreihung in die Entgeltgruppe beschränke, andere für die Bemessung des Grundgehalts wesentlichen Merkmale, bei denen ebenfalls ein Kontrollbedürfnis bestehe, aber nicht erfasse. Auf der anderen Seite hat das BAG mit Beschluss vom 22.4.20091 bereits entschieden, dass es sich bei der Überleitung in die neue Entgeltordnung des TVöD-VKA nach den Vorschriften der §§ 3 bis 7 TVÜ-VKA um eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt. Es hat diese Entscheidung wie folgt begründet: Eine Umgruppierung finde nicht nur statt, wenn dem Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit zugewiesen wird, die den Tätigkeitsmerkmalen einer anderen Vergütungsgruppe entspricht, sondern auch, wenn sich bei gleich bleibender Tätigkeit des Arbeitnehmers die Vergütungsordnung ändere. Dabei sei das Mitbestimmungsverfahren bei einer Umgruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein einheitliches Verfahren, das diesen Vorgang in allen Teilen erfasse und nicht auf einzelne Teile beschränkt werden könne. Nach §§ 3 bis 7 TVÜ-VKA fehle es bei der Überleitung der vormals nach den Vergütungsordnungen des BAT-VKA und des BMT-G II eingruppierten Arbeitnehmern nicht an einer Rechtsanwendung durch den Arbeitgeber. Erforderlich seien in Bezug auf jeden Arbeitnehmer die Ermittlung der für die Überleitung maßgebenden Tatsachen und ihre Subsumtion anhand von Rechtsvorschriften des TVÜ-VKA. Damit einher gehe eine Richtigkeitskontrolle des gefundenen Ergebnisses. Dies begründe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Dass der Arbeitgeber anlässlich der Überleitung in die Entgeltgruppen nicht verpflichtet sei, sämtliche zum Stichtag bestehenden Eingruppierungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, stehe dem nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass sich die Überleitung in die neuen Entgeltgruppen auch nach den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder als mitbestimmungspflichtige Umgruppierung darstellt.
202
IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer im öffentlichen Dienst Die angestellten Lehrerinnen und Lehrer haben im Hinblick auf ihre Ver- 203 gütung bzw. Eingruppierung stets eine Sonderstellung eingenommen. Der Grundsatz, dass sich die Eingruppierung der Angestellten des öffentlichen Dienstes (auch für die Zeit bis zur Schaffung neuer Entgeltordnungen) zunächst gemäß § 22 Abs. 1 BAT/BAT-O nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlagen 1a und b) richtet, gilt für sie nicht. Die Anwendung des § 22 BAT/BAT-O setzt nämlich voraus, dass die Tätigkeit des Angestellten überhaupt von der Vergütungsordnung zum BAT/BAT-O erfasst ist. Dies ist bei den angestellten Lehrkräften indes nicht der Fall. 1 BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286 mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Gegenmeinung. Schlewing
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Teil 7
204
Rz. 204
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Lehrereingruppierung gegeben werden. 1. Die Eingruppierung von Lehrkräften im Geltungsbereich des BAT (West)
205
Im Geltungsbereich des BAT (West) bestand für die Eingruppierung von Lehrkräften von jeher eine bewusste Tariflücke1. Nach der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Allgemeinen Vergütungsordnung (Bund/Land) und der Bemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Allgemeinen Vergütungsordnung (VKA) gilt die Anlage 1a nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte – auch wenn sie nicht unter die SR 2l I fallen – beschäftigt sind, soweit nicht ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist. Dieser Ausschluss bezieht sich ausnahmslos auf alle Lehrkräfte des allgemeinbildenden und berufsbildenden Schuldienstes2. a) Eingruppierungsrichtlinien und Eingruppierungserlasse
206
Dieser Ausschluss hat jedoch nicht zur Folge, dass die Lehrkräfte keine Vergütung nach dem BAT erhielten oder dass ihre Vergütung frei ausgehandelt würde. Vielmehr hat die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zum Zwecke der einheitlichen Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte einseitig, dh. ohne Beteiligung der Gewerkschaften Eingruppierungsrichtlinien3 für Lehrer erlassen, die die Bundesländer überwiegend in Form von ministeriellen Eingruppierungs- bzw. Vergütungserlassen umgesetzt haben.
207
Dabei unterscheiden die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)4 über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Lehrer-Richtlinien der TdL) in den Abschnitten A–C zwischen – den Lehrkräften an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt sind, sog. Erfüller (Abschnitt A), – den sonstigen Lehrkräften im Angestelltenverhältnis an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, sog. Nichterfüller (Abschnitt B) und – den Lehrkräften an Musikschulen (Abschnitt C). 1 Freitag, ZTR 1997, 257, 257. 2 Marzona, PersR 1999, 393, 393. 3 Die Richtlinien der TdL über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte sind abgedruckt bei: Cerff/Winter, TVöD – BAT, Textsammlung, 620. 4 Im Wesentlichen gleich lautende Bestimmungen enthalten die Richtlinien der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen (Lehrer-Richtlinien der VKA); die Richtlinien sind abgedruckt bei Cerff/Winter, TVöD – BAT, Textsammlung, 630.
750 Schlewing
IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer
Rz. 212
Teil 7
Abschnitt A der Lehrer-Richtlinien der TdL, der die sog. Erfüller, mithin 208 diejenigen Lehrkräfte erfasst, die über eine förmliche Lehrbefähigung verfügen, enthält im Wesentlichen eine Verweisung auf das Besoldungsrecht der Beamten. Die Lehrkräfte können in die Vergütungsgruppen des BAT eingruppiert werden, die nach Maßgabe der nachstehenden Übersicht den Besoldungsgruppen entsprechen, denen vergleichbare beamtete Lehrkräfte angehören. Abschnitt B der Lehrer-Richtlinien der TdL ist hingegen wesentlich diffe- 209 renzierter ausgestaltet. Zunächst unterscheiden die Eingruppierungsrichtlinien nach den einzelnen Schulformen, nämlich Lehrkräften an Grundund Hauptschulen (I.), Lehrkräften an Realschulen (II.), Lehrkräften an Sonderschulen (III.), Lehrkräften an Gymnasien (IV.), Lehrkräften an berufsbildenden Schulen (V.), Lehrkräften an integrierten Gesamtschulen sowie an verselbständigten Orientierungsstufen (VI.) und Lehrkräften an Schulkindergärten (VII.). Innerhalb der Unterabschnitte der einzelnen Schulformen erfolgt sodann eine vergütungsmäßige Abstufung nach der Ausbildungsqualifikation1. Darüber hinaus wird in Abschnitt B die Vergütung für spezielle Tätigkeiten bzw. Ausbildungsqualifikationen, wie beispielsweise für Religionslehrer, Musikerzieher, Turn-, Sport- und Gymnastiklehrer geregelt. Die Bundesländer haben die Eingruppierungsrichtlinien der TdL überwiegend nicht nur übernommen, sondern durch eigene Eingruppierungs- bzw. Vergütungserlasse für Erfüller und Nichterfüller umgesetzt und dabei insbesondere hinsichtlich der Erfüller eine differenziertere Ausgestaltung vorgenommen.
210
b) Die Geltung der Eingruppierungsrichtlinien und der Vergütungs- bzw. Eingruppierungserlasse im Arbeitsverhältnis aa) Die Geltung der Eingruppierungsrichtlinien im Arbeitsverhältnis Bei den Eingruppierungsrichtlinien der TdL handelt es sich um einseitige 211 Empfehlungen einer Tarifvertragspartei an ihre Mitglieder. Sie haben weder Normcharakter noch allgemeine Bedeutung und entfalten deshalb für sich genommen im Arbeitsverhältnis keine unmittelbaren Wirkungen. Geltung im Arbeitsverhältnis erlangen die Eingruppierungsrichtlinien nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen aber dann, wenn sie von den Parteien zum Gegenstand des Arbeitsvertrages gemacht wurden2. Enthält der Arbeitsvertrag eine (dynamische) Verweisung auf die Richtlini- 212 en der TdL über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte, so ist eine solche Vereinbarung stets dahin auszulegen, dass der Lehrkraft nicht nur die im Arbeitsvertrag vorgesehene Vergütung zustehen soll, sondern auch eine höhere, sofern die in den Eingruppie1 Marzona, PersR 1999, 393 ff., 393. 2 BAG v. 13.2.1985 – 4 AZR 304/83, AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 21.7.1993 – 4 AZR 498/92, NZA 1994, 702. Schlewing
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Teil 7
Rz. 213
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
rungsrichtlinien (in ihrer jeweils geltenden Fassung) genannten Voraussetzungen erfüllt sind1. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die in dem jeweiligen Bundesland, in dem die Lehrkraft beschäftigt ist, geltende Fassung der Lehrerichtlinien vereinbart ist2. 213
Vereinbaren die Parteien, dass für die Vergütung des Arbeitnehmers bestimmte, jeweils gültige Richtlinien (Jeweiligkeitsklausel) maßgebend sein sollen, wird dadurch dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB eröffnet. Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch Änderung oder Ergänzung der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Richtlinie unterliegt einer gerichtlichen Angemessenheits- und Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB3. bb) Die Geltung der Vergütungs- bzw. Eingruppierungserlasse im Arbeitsverhältnis (1) Keine unmittelbare Geltung
214
Ministeriellen Vergütungs- oder Eingruppierungserlassen kommt nach ständiger Rechtsprechung des BAG im Rahmen der arbeitsvertraglichen Beziehungen der Lehrkraft keine unmittelbare Geltung zu. Erlasse gehören rechtsterminologisch dem Verwaltungsrecht an und haben demgemäß grundsätzlich nur verwaltungsrechtliche bzw. verwaltungsinterne Bedeutung. Mit ihnen wendet sich im Weisungswege ein Staatsorgan – in der Regel das zuständige Ministerium – im Rahmen der allgemeinen Behördenhierarchie an nachgeordnete, weisungsabhängige Organe, Ämter und Dienststellen. Damit fehlt Erlassen jeder normative Charakter, aber auch jede unmittelbare zivilrechtliche und arbeitsrechtliche Bedeutung4. (2) Keine Geltung vermittelt über den Grundsatz der „Selbstbindung der Verwaltung“
215
Auch tritt mit der Schaffung und Veröffentlichung eines ministeriellen Erlasses keine Selbstbindung der Verwaltung dergestalt ein, dass sich der öffentliche Arbeitgeber dahingehend binden würde, auf die Arbeitsverhältnisse der Lehrkräfte die einschlägigen Erlasse anzuwenden. Der Begriff der „Selbstbindung der Verwaltung“ gehört nicht dem privaten Recht, sondern, wie das Rechtsinstitut des Erlasses selbst, dem öffentlichen Recht an. Er betrifft den Ermessensgebrauch der Verwaltung bei öffentlich-rechtlichen Verhältnissen, wenn der Verwaltung im Einzelfall nach gesetzlichen Bestimmungen gegenüber dem Bürger ein Ermessen eingeräumt worden ist. In einem solchen Fall kann sich die Behörde durch ständig gleichmäßigen Ermessensgebrauch selbst in der Weise binden, dass sie ohne sachlichen Grund von dieser Praxis nicht abweichen darf. Im Rahmen bürger1 St. Rspr., BAG v. 13.2.1985 – 4 AZR 304/83, AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 21.7.1993 – 4 AZR 498/92, NZA 1994, 702. 2 BAG v. 15.11.1995 – 4 AZR 489/94, AP Nr. 44 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 3 BAG v. 28.3.1990 – 4 AZR 619/89, AP Nr. 26 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 4 BAG v. 18.5.1988 – 4 AZR 765/87, AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer.
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IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer
Rz. 218
Teil 7
lich-rechtlicher bzw. arbeitsvertraglicher Beziehungen ist indes für die Anwendung dieses dem Verwaltungsrecht angehörenden Grundsatzes kein Raum. Dies folgt bereits daraus, dass die Grundsätze der verwaltungsrechtlichen Selbstbindung spezifisch öffentlich-rechtlichen Charakter tragen und eine Rechtsbeziehung des öffentlichen Rechts voraussetzen. Zudem würde ihre Übernahme in das Privatrecht bzw. ihre Anwendung auf das auf dem Arbeitsvertragsrecht und dem Tarifrecht beruhenden Arbeitsrecht zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst führen, weil außerhalb des öffentlichen Dienstes für die Anwendung dieses Grundsatzes ohnehin kein Raum wäre1. Damit werden durch die Bekanntgabe bzw. Veröffentlichung von Richtlinien und Erlassen die Rechtsbeziehungen zum Dienstherrn – seien sie beamtenrechtlicher oder arbeitsrechtlicher Art – keinesfalls unmittelbar gestaltet; auch kommt der Bekanntgabe bzw. der Veröffentlichung der Richtlinien und Erlasse nicht die Bedeutung eines entsprechenden Vertragsangebotes zu2. (3) Geltung aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Nach ständiger Rechtsprechung des BAG haben ministerielle Vergütungsoder Eingruppierungserlasse nur dann unmittelbare Bedeutung im Arbeitsverhältnis, wenn ihre Geltung zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart wurde3. Dies kann auch erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses und durch schlüssiges Verhalten geschehen. Allerdings muss das Verhalten der Parteien darauf schließen lassen, dass der Eingruppierungserlass insgesamt und nicht nur eine in den Arbeitsvertrag aufgenommene Vergütungsgruppe für den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers maßgebend sein soll4.
216
Haben die Parteien die Anwendung eines ministeriellen Vergütungs- bzw. 217 Eingruppierungserlasses arbeitsvertraglich vereinbart, so ist diese Vereinbarung dahin anzulegen, dass die Lehrkraft nicht nur einen Anspruch auf die im Arbeitsvertrag vorgesehene Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe haben soll, sondern auch eine höhere Vergütung beanspruchen kann, wenn sie die im Erlass hierfür aufgeführten Voraussetzungen erfüllt5. Auch hier gilt: Vereinbaren die Parteien, dass für die Vergütung des Arbeit- 218 nehmers bestimmte, jeweils gültige Erlasse maßgebend sein sollen, wird dadurch dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB eröffnet. Die Ausübung des Leistungsbestim1 BAG v. 18.5.1988 – 4 AZR 765/87, AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 2 BAG v. 28.1.1987 – 4 AZR 147/86, AP Nr. 130 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 3 BAG v. 18.5.1988 – 4 AZR 765/87, AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 21.7.1993 – 4 AZR 489/92, AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 18.10.2000 – 10 AZR 568/99, ZTR 2001, 226; BAG v. 15.3.2000 – 10 AZR 119/99, AP Nr. 81 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 4 BAG v. 21.7.1993 – 4 AZR 489/92, AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 5 BAG v. 23.7.1997 – 10 AZR 646/95, AP Nr. 63 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 11.3.1998 – 10 AZR 313/97, AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. Schlewing
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Teil 7
Rz. 219
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
mungsrechts durch Änderung oder Ergänzung der arbeitsvertraglichen in Bezug genommenen Erlasse unterliegt wiederum einer gerichtlichen Angemessenheits- und Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB1. c) Die Auslegung von Eingruppierungsrichtlinien und Eingruppierungserlassen 219
In Rechtsstreitigkeiten über die zutreffende Eingruppierung von Lehrkräften stellt sich häufig die Frage, wie die in Bezug genommen Richtlinien und Eingruppierungserlasse auszulegen sind.
220
Nach bislang ständiger Rechtsprechung des BAG sind Eingruppierungsbzw. Vergütungserlasse nach den Regeln des Verwaltungsrechts auszulegen. Sie verlören ihren öffentlich-rechtlichen Charakter nicht dadurch, dass sie kraft Vereinbarung als Vertragsrecht im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Anwendung finden. Sie blieben vielmehr Bestandteil des öffentlichen Rechts. Ihre Auslegung richte sich deshalb nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Danach sei der wirkliche Wille des Hoheitsträgers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks der Willenserklärung zu haften, wobei aber nur der Wille berücksichtigt werden könne, der in dem Erlass oder mit ihm im Zusammenhang stehenden Schriftstücken seinen Niederschlag gefunden habe. Hier sei insbesondere die systematische und teleologische Interpretation von Bedeutung. Demgemäß sei auch der Gesamtzusammenhang der Regelungen eines einzelnen Erlasses ein wichtiges Auslegungskriterium2. So könne sich beispielsweise aus den in einem Erlass für eine bestimmte Gruppe von Lehrern getroffenen Spezialregelungen ergeben, dass der Rückgriff auf eine allgemeine Auffangregelung gesperrt sei3.
221
In jüngeren Entscheidungen hat das BAG Zweifel geäußert, ob es bei der Auslegung der Eingruppierungsrichtlinien nach den Regeln des Verwaltungsrechts bleiben kann, oder ob diese, u.a. auch vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der Schuldrechtsreform im Jahre 2002, nicht länger tragfähig ist und bei der Auslegung gemäß den Regeln des Vertragsrechts auf die Sicht des Einzugruppierenden als derjenigen des Vertragspartners des öffentlichen Arbeitgebers abzustellen ist4. Das BAG hat diese Frage jeweils offen lassen können, da es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf ankam.
1 BAG v. 28.3.1990 – 4 AZR 619/89, AP Nr. 26 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 2 BAG v. 6.9.1989 – 4 AZR 302/89, ZTR 1990, 26; BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 524/93, AP Nr. 34 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 3 Vgl. hierzu nur BAG v. 10.9.1980 – 4 AZR 692/78, AP Nr. 40 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 4.4.1984 – 4 AZR 81/82, AP Nr. 88 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 6.9.1989 – 4 AZR 302/89, ZTR 1990, 26; BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 524/93, AP Nr. 34 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 4 BAG v. 24.9.2008 – 4 AZR 685/07, ZTR 2009, 210; BAG v. 18.3.2009 – 4 AZR 79/08, ZTR 2009, 421.
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IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer
Rz. 225
Teil 7
Wird in Arbeitsverträgen nicht die Geltung eigenständiger Eingruppierungserlasse vereinbart, sondern lediglich auf die Eingruppierungsrichtlinien der TdL verwiesen, so kann für die Auslegung nichts anderes gelten. Damit, dass der öffentliche Arbeitgeber allgemein auf die Lehrerrichtlinien der TdL Bezug genommen hat, hat er diese wie einen eigenen Erlass, dh. wie von ihm geschaffene Verwaltungsvorschriften in seinen Willen aufgenommen. Denn es wäre reine Förmelei, von ihm zu verlangen, den Inhalt der Richtlinien zunächst in Erlassform zu gießen, um diesen Erlass dann zum Gegenstand des Arbeitsvertrages zu machen.
222
Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des BAG davon auszugehen, dass 223 es Sinn und Zweck der auf der Grundlage der Lehrerichtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder an die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis anknüpfenden Erfüllererlasse ist, im Beamten- und Angestelltenverhältnis jeweils gleichwertige Lehrkräfte zu beschäftigen1. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des BAG zugleich, dass die nach der fachlichen Qualifikation gleichwertigen Lehrkräfte möglichst auch die gleiche Vergütung für ihre Tätigkeit erhalten sollen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie Beamte oder Angestellte sind2. Dieses Ziel der vergütungsrechtlichen Gleichbehandlung hat dann aber zwangsläufig zur Folge, dass angestellte Lehrkräfte zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden dürfen als vergleichbare Beamte und damit denselben beamten- und haushaltsrechtlichen Einschränkungen unterliegen müssen wie diese3. 2. Die Eingruppierung von Lehrkräften im Geltungsbereich des BAT-O In den neuen Bundesländern haben die Tarifvertragsparteien bei der Regelung der Eingruppierung von Lehrkräften an dem Prinzip festgehalten, keine tariflichen Tätigkeitsmerkmale zu vereinbaren. Hier bestimmt § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8.5.1991, dass die Anlage 1a, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden ist, die als Lehrkräfte – auch wenn sie nicht unter SR 2l I BAT-O fallen – beschäftigt sind.
224
a) Die tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen Allerdings enthält § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum 225 BAT-O vom 8.5.1991 einen für die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte maßgeblichen Grundsatz: „Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungs-
1 BAG v. 13.2.1985 – 4 AZR 304/83, AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 551/03, ZTR 2005, 149. 2 BAG v. 28.3.1990 – 4 AZR 619/89, AP Nr. 26 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 21.7.1993 – 4 AZR 394/92, NZA 1994, 703; BAG v. 23.7.1997 – 10 AZR 646/95, AP Nr. 63 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 551/03, ZTR 2005, 149. 3 S. hierzu auch BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 551/03, ZTR 2005, 149. Schlewing
755
Teil 7
Rz. 226
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
gruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingruppiert wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde.“
226
Damit hat die Eingruppierung der Lehrkräfte im Geltungsbereich des BAT-O kraft tariflicher Verweisung nach den Bestimmungen zu erfolgen, die für beamtete Lehrer gelten.
227
Die in § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O enthaltene tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften wurde vom BAG von jeher für rechtlich zulässig erachtet1. Durch die Verweisung werde erreicht, dass Lehrkräfte, die nach ihren fachlichen Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmalen als gleichwertig anzusehen seien, eine annähernd gleiche Vergütung für ihre Tätigkeit ohne Rücksicht darauf erhielten, ob sie Beamte oder Angestellte seien. Dies sei vor dem Hintergrund, dass angestellte und beamtete Lehrer oft nebeneinander an derselben Schule und außerdem unter weitgehend gleichen äußeren Arbeitsbedingungen tätig seien, sachgerecht. b) Die tarifliche Verweisung „gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien“
228
Fehlt eine beamtenbesoldungsrechtliche Regelung bzw. geht die Verweisung auf das Beamtenrecht ins Leere, so sind nach der Rechtsprechung des BAG für die Eingruppierung aufgrund der in § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O enthaltenen tariflichen Verweisung „gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien“ das Beamtenrecht ergänzende Eingruppierungsrichtlinien heranzuziehen, und zwar – anders als bei der Eingruppierung der Lehrkräfte im Geltungsbereich des BAT (West) –, ohne dass es einer weiteren Legitimation, zB einer vertraglichen Regelung bedarf2. aa) Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 315 Abs. 1 BGB
229
Die Regelung in § 2 Ziff. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O zur Eingruppierung „gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien“ sei – so das BAG3 – dahingehend zu verstehen, dass die Tarifvertragsparteien eine Geltung von das Beamtenrecht ergänzenden Eingruppierungsrichtlinien hätten regeln wollen, ohne dass es einer weiteren Legitimation bedürfe. Die Tarifpartner seien davon ausgegangen, dass für eine Reihe von Fällen die Eingruppierung nicht unmittelbar durch Rückgriff auf Vorschriften des Beamtenbesoldungsrechts möglich sei, sondern – im Rah1 BAG v. 24.11.1993 – 4 AZR 16/93, AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; BAG v. 13.6.1996 – 6 AZR 858/94, AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer. 2 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 647/00, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT-O; BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 203/03, ZTR 2005, 198. 3 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 647/00, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT-O; BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 203/03, ZTR 2005, 198; BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, ZTR 2007, 566.
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IX. Die Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer
Rz. 233
Teil 7
men der im Besoldungsrecht zum Ausdruck gekommenen Wertungen – noch ergänzende und präzisierende Vorgaben durch Richtlinien voraussetzen werde. Insoweit sei dem Arbeitgeber tarifrechtlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt worden. Gegen die Wirksamkeit der Verweisung auf das Beamtenrecht und die die- 230 se ergänzenden Eingruppierungsrichtlinien bestehen keinerlei rechtliche Bedenken. Die Verweisung stellt insbesondere keine unzulässige Delegation von Normsetzungsbefugnissen dar. Die Tarifvertragsparteien können die Verweisung nämlich jederzeit aufheben und damit auch die Rechtsgeltung der vom Arbeitgeber einseitig geschaffenen Verwaltungsvorschriften beenden1. Zu beachten ist zudem, dass die Tarifpartner dem Arbeitgeber nicht die Möglichkeit eröffnet haben, im Wege der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB die in § 2 Abs. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O enthaltenen „Mindestbedingungen“ für die Eingruppierung der Lehrkräfte durch Richtlinien zu verschlechtern oder zu modifizieren. Die Tarifbestimmung lässt vielmehr nur eine spezifizierende Regelung durch Richtlinien im Rahmen der durch die Heranziehung beamtenrechtlicher Besoldungsvorschriften gewonnenen Regelung zu, wodurch der zulässige Inhalt der Richtlinien begrenzt ist. Ist die beamtenrechtliche Regelung indes abschließend, ist für eine Spezifizierung durch Richtlinien kein Raum2.
231
Als einseitige Leistungsbestimmungen des Arbeitgebers unterliegen die 232 Eingruppierungsrichtlinien einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB, die umfassend ist und sich – anders als bei der Eingruppierung der Lehrkräfte nach dem BAT (West) – nicht auf die Änderung oder Ergänzung der Richtlinien beschränkt3. Diese Billigkeitskontrolle erstreckt sich auch auf die Prüfung, ob die Richtlinien dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen, da dieser sicherstellen soll, dass alle Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gleichermaßen nach Recht und Billigkeit behandelt werden4. bb) Die Eingruppierungsrichtlinien der TdL und die Arbeitgeber-Richtlinien Nach der Rechtsprechung des BAG erfasst § 2 Abs. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O nicht nur die Richtlinien der TdL, sondern auch die Lehrereingruppierungsrichtlinien der Länder. Eine Begrenzung auf die Lehrerrichtlinien der TdL lasse sich dem Wortlaut der Tarifnorm nicht entnehmen. Zudem hätten die Tarifpartner in Kenntnis dessen, dass inzwi1 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 647/00, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT-O; BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 203/03, ZTR 2005, 198. 2 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 647/00, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT-O; BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 203/03, ZTR 2005, 198. 3 BAG v. 27.9.2000 – 10 AZR 146/00, AP Nr. 15 zu §§ 22, 23 BAT-O. 4 BAG v. 27.9.2000 – 10 AZR 146/00, AP Nr. 15 zu §§ 22, 23 BAT-O. Schlewing
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Rz. 234
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
schen zahlreiche Bundesländer eigene Eingruppierungsrichtlinien geschaffen haben, am weiten Wortlaut der Tarifnorm festgehalten. Demnach müsse es sich bei den Richtlinien lediglich um abstrakt-generelle Eingruppierungsregelungen handeln, die im Rahmen und unter Berücksichtigung des entsprechenden Beamtenbesoldungsrechts erlassen worden seien1. 234
Gibt es in einem Bundesland demnach Arbeitgeber-Richtlinien, so kommen diese aufgrund der Verweisung mit den oben dargestellten Maßgaben zur Anwendung. Existieren derartige Arbeitgeber-Richtlinien nicht, so sind die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) (Lehrer-Richtlinien-O der TdL)2 für die Eingruppierung maßgeblich.
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Dabei unterscheiden die Lehrer-Richtlinien-O der TdL (ebenso wie die Lehrer-Richtlinien der TdL) in den Abschnitten A und B zwischen – den Lehrkräften an allgemeinbildenden und an berufsbildenden Schulen, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt sind, sog. Erfüller (Abschnitt A) und – den sonstigen Lehrkräften im Angestelltenverhältnis an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, sog. Nichterfüller (Abschnitt B)
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Abschnitt A der Lehrer-Richtlinien-O der TdL, der die sog. Erfüller, mithin diejenigen Lehrkräfte erfasst, die über eine förmliche Lehrbefähigung verfügen, nimmt dabei direkt § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O in Bezug und gibt die tarifliche Regelung wieder, wonach die Lehrkräfte in der Vergütungsgruppe des BAT-O eingruppiert sind, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde.
237
Abschnitt B der Lehrer-Richtlinien-O der TdL ist hingegen wiederum wesentlich differenzierter ausgestaltet. Zunächst unterscheiden die Eingruppierungsrichtlinien nach den einzelnen Schulformen, nämlich Lehrkräften an Grund- und Hauptschulen (I.), Lehrkräften an Realschulen (II)., Lehrkräften an Sonderschulen (III.), Lehrkräften an Gymnasien (IV.), Lehrkräften an berufsbildenden Schulen (V.), Lehrkräften an integrierten Gesamtschulen sowie an verselbständigten Orientierungsstufen (VI.), Lehrkräften an Mittelschulen (VII.) und Lehrkräften an Schulkindergärten oder an Vorschulklassen (VIII.). Innerhalb der Unterabschnitte der einzelnen Schulformen erfolgt sodann eine vergütungsmäßige Abstufung nach der Ausbildungsqualifikation. Darüber hinaus wird in Abschnitt B die Vergütung für spezielle Tätigkeiten bzw. Ausbildungsqualifikationen, wie beispielsweise für Religionslehrer, Musikerzieher, Turn-, Sport- und Gymnastiklehrer geregelt.
1 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 647/00, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT-O. 2 Abgedruckt bei Cerff/Winter, TVöD-BAT, 621.
758 Schlewing
X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 241
Teil 7
cc) Die vertragliche Vereinbarung der Lehrer-Richtlinien-O der TdL bzw. von Arbeitgeber-Richtlinien Selbstverständlich sind die Parteien aufgrund von § 2 Abs. 3 des Ände- 238 rungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O nicht gehindert, die Geltung der Lehrer-Richtlinien-O bzw. von Arbeitgeberrichtlinien vertraglich zu vereinbaren. Haben sie im Arbeitsvertrag die Geltung der Lehrer-Richtlinien-O der TdL in ihrer jeweiligen Fassung vereinbart, ist diese Vereinbarung nach der Rechtsprechung des BAG in der Regel dahin auszulegen, dass in der Zwischenzeit neu geschaffene Arbeitgeber-Richtlinien in ihrer jeweiligen Fassung ebenso Anwendung finden sollen1. Das dem Arbeitgeber durch die vertragliche Vereinbarung eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB wird wiederum durch § 2 Abs. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O bestimmt bzw. begrenzt.
X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage Ist der Beschäftigte der Ansicht, dass ihm ein Entgelt nach einer höheren 239 Entgeltgruppe zusteht als nach derjenigen, aus der er sein Entgelt erhält, so kann er seine Ansprüche auf ein höheres Entgelt mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht gerichtlich geltend machen. Mit einer Eingruppierungsfeststellungsklage begehrt der Beschäftigte, der 240 nach einer niedrigeren tariflichen Entgeltgruppe (vormals: Vergütungsgruppe/Lohngruppe) vergütet und auch sonst rechtlich behandelt wird, die Feststellung der Verpflichtung seines beklagten Arbeitgebers, an ihn ein Entgelt (vormals: eine Vergütung/einen Lohn) nach einer anderen, höheren Entgeltgruppe (vormals: Vergütungsgruppe/Lohngruppe) zu zahlen, worin zugleich das weitere rechtliche Begehren enthalten ist, nicht nur an die betreffende klägerische Partei ein Entgelt (vormals: eine Vergütung/einen Lohn) nach der begehrten höheren Entgeltgruppe (vormals: Vergütungsgruppe/Lohngruppe) zu zahlen, sondern sie auch in sonstiger rechtserheblicher Beziehung entsprechend zu behandeln2. Dabei ist es unerheblich, auf welche Anspruchsgrundlage (vertragliche Zusage, Tarifautomatik, Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. Schadensersatzanspruch3) das Begehren gestützt wird. Von Vornherein unzulässig ist allerdings ein Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass die klagende Partei in eine bestimmte Entgeltgruppe (vormals: Vergütungsgruppe/Lohngruppe) eingruppiert ist. Dieser Antrag ist schon nicht auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern auf das Bestehen einer (Rechts-)Tatsache gerichtet4.
1 BAG v. 22.7.2004 – 8 AZR 352/03, EzBAT §§ 22, 23 BAT M Nr. 125; BAG v. 17.4.2003 – 8 AZR 329/02, ZTR 2003, 560. 2 BAG v. 22.1.2003 – 4 AZR 700/01, AP Nr. 24 zu § 24 BAT. 3 BAG v. 31.10.1985 – 6 AZR 129/83, AP Nr. 5 zu § 46 BPersVG. 4 BAG v. 15.6.1994 – 4 AZR 327/93, AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen. Schlewing
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241
Teil 7
Rz. 242
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
1. Das besondere Feststellungsinteresse 242
Soweit der Beschäftigte mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass der beklagte Arbeitgeber verpflichtet ist, an ihn Entgelt nach einer bestimmten Entgeltgruppe (vormals: Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe/Lohn nach einer bestimmten Lohngruppe) zu zahlen, ist das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO regelmäßig zu bejahen. Es handelt sich dann nämlich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des BAG keine Bedenken bestehen1.
243
Dies gilt auch dann, wenn der Feststellungsantrag auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt ist, wenn hieraus noch Ansprüche abgeleitet werden. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Wird die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, ist sie nur dann zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben2. Da das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, gilt für eine Feststellungsklage, die ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet war, nichts anderes. Wird diese infolge Zeitablaufs und Änderung tatsächlicher Umstände nur für einen vergangenen Zeitraum fortgeführt, bedarf es auch hier der Ableitung konkreter gegenwärtiger oder zukünftiger Rechtsfolgen aus der erstrebten Feststellung3.
244
Ist das Arbeitsverhältnis im Laufe des Rechtsstreits beendet worden, so besteht für die Frage, in welche Entgeltgruppe der Beschäftigte eingruppiert ist, demzufolge nur dann ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, wenn aus der begehrten Feststellung die Zahlung eines höheren Entgelts folgt oder wenn die Feststellung geboten ist, um künftige Ansprüche zu sichern. Dagegen besteht in aller Regel kein Feststellungsinteresse, wenn es lediglich um eine andere Zusammensetzung oder um eine andere Rechtsgrundlage des bereits gezahlten Entgelts geht4.
245
Im Verhältnis der Eingruppierungsfeststellungsklage zur Leistungsklage besteht demzufolge kein Vorrang der Leistungsklage. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG werden Klagen auf Zahlung eines höheren tarifvertraglichen Entgelts im öffentlichen Dienst grundsätzlich als Feststel1 BAG v. 14.6.1995 – 4 AZR 250/04, DB 1995, 2613; BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 29.11.2001 – 4 AZR 736/00, NZA 2002, 1288; BAG v. 31.7.2002 – 4 AZR 163/01, NZA 2003, 445. 2 St. Rspr., vgl. BAG v. 19.6.2001 – 1 AZR 463/00, NZA 2002, 394; BAG v. 19.2.2003 – 4 AZR 708/01, nv.; BAG v. 20.5.2009 – 4 AZR 315/08, EzTöD 320 TVÜ-VKA Anlage 3 Entgeltgruppe 1 Nr. 10. 3 BAG v. 21.9.1993 – 9 AZR 580/90, NZA 1994, 859. 4 BAG v. 5.11.2003 – 4 AZR 632/02, AP Nr. 83 zu § 256 ZPO 1977.
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X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 248
Teil 7
lungsklagen für zulässig erachtet, weil sich die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes der gerichtlichen Entscheidung hierüber in aller Regel beugen und auf diese Weise der Rechtsfrieden wiederhergestellt wird. Im Hinblick auf diese Befriedungswirkung braucht der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes daher keine Leistungsklage oder Stufenklage auf Abrechnung oder Leistung zu erheben1. Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer auch eine Leistungsklage, dh. 246 eine Klage auf Zahlung der Entgeltdifferenz erheben. Allerdings ist er mit dieser Klage mangels Anwendbarkeit des § 258 ZPO auf die Zahlung der bereits fälligen Entgeltdifferenz beschränkt2. Der Kläger muss dann den Streitgegenstand hinreichend bestimmen. Er muss einen bezifferten Antrag stellen und angeben, für welchen Zeitraum die Zahlung des Entgelts begehrt wird3. In der Praxis ist es üblich und rechtlich zulässig, die Eingruppierungsfeststellungsklage mit einer Zahlungsklage zu kombinieren4. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BAG ist der Feststellungs- 247 antrag auch insoweit zulässig, als er Zinsforderungen zum Gegenstand hat5. In Eingruppierungsstreitigkeiten ist ein Feststellungsantrag nach § 256 ZPO nämlich nicht nur für die Hauptsache, sondern ebenso für die Zinsforderung zulässig. Dies folgt daraus, dass die im Verhältnis zur Hauptschuld akzessorische Zinsforderung das rechtliche Schicksal der Hauptforderung auch in prozessualer Beziehung teilen soll6. Dabei kann der Arbeitnehmer seit der Entscheidung des Großen Senats vom 7.3.20007 Zinsen aus der Bruttovergütungsdifferenz verlangen. Hinsichtlich der Zinsforderungen entspricht es gefestigter Rechtsprechung 248 des BAG, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen hat (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB)8. Der Zinsanspruch ist in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB ab dem auf die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag begründet9. Für die nach Eintritt der Rechtshängigkeit fällig werdenden Differenzbeträge fallen Zinsen jeweils ab Fälligkeit an, § 291 Satz 1 2. Halbs. BGB10. Demgegenüber kann der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG bei unzutreffender Eingruppierung in der Regel nicht mit Erfolg vom Arbeitgeber die Zahlung von
1 BAG v. 5.11.2003 – 4 AZR 632/02, AP Nr. 83 zu § 256 ZPO 1977. 2 Zimmerling, Arbeitsrechtliche Konkurrentenklage und Eingruppierungsklage im öffentlichen Dienst, 1. Aufl. 1999, Rz. 204. 3 Vgl. BAG v. 6.3.1996 – 4 AZR 755/94, AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter. 4 Vgl. nur BAG v. 19.2.2003 – 4 AZR 265/02, ZTR 2003, 508. 5 Vgl. nur BAG v. 6.6.2007 – 4 AZR 456/06, ZTR 2008, 156; BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 166/08, ZTR 2009, 581. 6 BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 464/93, nv.; BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 513/93, nv. 7 BAG (GS) v. 7.3.2000 – GS 1/00 –, NZA 2001, 1195. 8 BAG v. 4.10.1981 – 4 AZR 225/79, AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 87. 9 BAG v. 8.10.1997 – 4 AZR 167/96, AP Nr. 2 zu § 23b BAT. 10 BAG v. 12.3.2008 – 4 AZR 93/07, ZTR 2008, 602. Schlewing
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Teil 7
Rz. 249
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
Verzugszinsen verlangen1. Verzug, so das Gericht, setze neben der Fälligkeit der Forderung und einer entsprechenden Mahnung Verschulden auf Seiten des Schuldners voraus. Zwar werde sich das den Verzug begründende Verschulden des Schuldners im allgemeinen bürgerlichen Rechtsverkehr häufig schon daraus ergeben, dass dieser trotz Mahnung und Fälligkeit nicht leiste. Deswegen treffe in derartigen Fällen den Schuldner die Beweislast, dieser müsse sich entlasten. Diese allgemeinen Grundsätze könnten indes im Bereich der Eingruppierungsfeststellungsklagen des öffentlichen Dienstes in der Regel nicht gelten. Es sei zu berücksichtigen, dass ein Schuldner bei schwieriger und zweifelhafter Rechtslage auf die für ihn günstigere Rechtsauffassung vertrauen dürfe; ein unentschuldbarer Rechtsirrtum liege dann auf Seiten des Schuldners nicht vor. Diese Voraussetzungen seien auch im Falle einer Eingruppierungsklage im öffentlichen Dienst erfüllt. Die Lohn- und Vergütungsordnungen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes seien außerordentlich vielfältig geworden, starken inhaltlichen Änderungen unterworfen und wegen der zahlreichen darin verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe und des für deren Anwendung bestehenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraums nicht nur schwer praktisch anwendbar, sondern auch nur mit erheblichen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art judizierbar. Damit könne grundsätzlich in den Fällen der Eingruppierungsfeststellungsklage des öffentlichen Dienstes ohne besonderen Vortrag des Klägers ein die Zahlung von Verzugszinsen oder den Ausgleich weiteren Verzugsschadens begründendes Verschulden des beklagten Dienstherrn nicht angenommen werden. Aus den Gründen sei der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage – entgegen der allgemeinen Regelung der Beweislast in § 285 BGB (aF) – für das Verschulden des Arbeitgebers darlegungs- und beweispflichtig. Diese Rechtsprechung, die das BAG mit seinem Urteil vom 11.6.19972 fortgeführt hat, ist in der Literatur auf Kritik gestoßen3. Kritisiert wird insbesondere, dass es dem Schuldner nicht gestattet werden dürfe, das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage auf den Gläubiger abzuwälzen. 249
Letztlich ist zu beachten, dass das BAG in ständiger Rechtsprechung ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung einer bestimmten Fallgruppe innerhalb einer Vergütungsgruppe abgelehnt hat4. Dies hat das Gericht damit begründet, dass sich die tarifliche Mindestvergütung der unter den BAT fallenden Angestellten und die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgerungen nach der jeweils in Betracht kommenden Vergütungsgruppe und nicht nach Fallgruppen bestimmen. Demzufolge liege eine verfahrensrechtlich zulässige Eingruppierungsfeststellungsklage nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Feststellung der Verpflichtung des Arbeitgebers 1 BAG v. 7.10.1981 – 4 AZR 225/79, AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 12.3.2008 – 4 AZR 93/07, ZTR 2008, 602. 2 BAG v. 11.6.1997 – 10 AZR 613/96, DB 1998, 87. 3 Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, § 22 Erl. 19; Zimmerling, Arbeitsrechtliche Konkurrentenklage und Eingruppierungsfeststellungsklage, Rz. 194. 4 BAG v. 9.7.1980 – 4 AZR 579/78, AP Nr. 14 zu § 23a BAT; BAG v. 23.10.1985 – 4 AZR 216/84, AP Nr. 10 zu § 24 BAT; BAG v. 22.1.2003 – 4 AZR 700/01, AP Nr. 24 zu § 24 BAT.
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X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 253
Teil 7
begehrt, an ihn Vergütung nach einer anderen, höheren Vergütungsgruppe zu zahlen1. 2. Die Bestimmtheit des Klageantrags Zur Bestimmtheit eines Eingruppierungsfeststellungsantrags gehört die ge- 250 naue Angabe der Zeit, ab welcher die Zahlung des höheren Entgelts begehrt wird. Ggfls. ist dies durch Auslegung zu ermitteln. Im Übrigen ist zu beachten, dass die Arbeitsgerichte nach § 139 ZPO verpflichtet sind, darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und sachdienliche Anträge stellen. Das Gleiche gilt, wenn die klagende Partei den Antrag ankündigt fest- 251 zustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, die klagende Partei in eine bestimmte Entgeltgruppe einzugruppieren und diese Eingruppierung ggfls. im Arbeitsvertrag festzuschreiben. Da es eine Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur „Eingruppierung“ nicht gibt – die Eingruppierung ist keine vom Arbeitgeber vorzunehmende Handlung –, wird ein solcher Klageantrag in der Regel dahin auszulegen sein, dass die Feststellung der Verpflichtung der beklagten Partei begehrt wird, die klagende Partei aus einer bestimmten Entgeltgruppe zu vergüten. Dem Antrag auf „Festschreibung der Eingruppierung im Arbeitsvertrag“ kommt daneben keine gesonderte Bedeutung zu. Ggfls. ist seitens des Gerichts auf eine entsprechende Klarstellung hinzuwirken2. Wird ein Zahlungsantrag gestellt, so muss dieser, um hinreichend bestimmt zu sein, grundsätzlich die geforderte Summe angeben. Die Berechnung darf nur offen bleiben, wenn sie anhand allgemein kundiger Daten ohne weiteres möglich ist3.
252
3. Die empfohlenen Klageanträge Nach alledem wird bei Eingruppierungsfeststellungsklagen unter Geltung des TVöD und des TV-L der folgende Klageantrag empfohlen:
… festzustellen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, der klagenden Partei ab dem … Entgelt aus der Entgeltgruppe … zu zahlen und die monatlichen Bruttodifferenzbeträge zwischen dem Entgelt aus der Entgeltgruppe … und dem Entgelt aus der Entgeltgruppe … ab Rechtshängigkeit bezüglich der bis
1 Zur Kritik an der Rechtsprechung des BAG s. Zimmerling, Arbeitsrechtliche Konkurrentenklage und Eingruppierungsfeststellungsklage, Rz. 120 ff.; dagegen: Bredemeier/Neffke, Eingruppierung, Rz. 212. 2 BAG v. 16.1.1991 – 4 AZR 301/90, NZA 1991, 490; BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 134/01, nv. 3 BAG v. 12.3.2008 – 4 AZR 67/07, ZTR 2008, 604. Schlewing
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253
Teil 7
Rz. 254
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
dahin fällig gewesenen Differenzbeträge und dann ab jeweiliger Fälligkeit mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
4. Die Eingruppierungsfeststellungsklage außerhalb des öffentlichen Dienstes 254
Nachdem das BAG die Eingruppierungsfeststellungsklage zunächst nur auf den Bereich des öffentlichen Dienstes beschränkt für zulässig gehalten hat, bestehen nach neuerer Rechtsprechung des Gerichts keinerlei Bedenken gegen die Zulässigkeit von Eingruppierungsfeststellungsklagen auch im Bereich der Privatwirtschaft1. Entsprechendes gilt selbstverständlich auch für Eingruppierungsklagen eines Mitarbeiters einer christlichen Kirche2. 5. Rechtskraftprobleme im Eingruppierungsprozess
255
Während die formelle Rechtskraft die Frage betrifft, ab wann eine Entscheidung nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel angegriffen werden kann, bedeutet die von dieser äußeren Rechtskraft abhängige materielle (innere) Rechtskraft, dass die in der Entscheidung behandelten Fragen durch die am Prozess Beteiligten bei unverändertem Sachverhalt nicht erneut einer Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen unterbreitet werden können3. Dabei liegt die Wirkung der materiellen Rechtskraft von Entscheidungen nicht nur in der Bindungswirkung für das Gericht und die Parteien in einem späteren Prozess und damit in dem Verbot einer abweichenden Entscheidung; vielmehr ist jede neue Verhandlung und Entscheidung über die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge ausgeschlossen4. Das Fehlen entgegenstehender innerer Rechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung ist nach der herrschend vertretenen prozessualen Rechtskrafttheorie nämlich negative Prozessvoraussetzung für die Folgeentscheidung5.
256
Damit sind auch arbeitsgerichtliche Eingruppierungsfeststellungsurteile, die ebenso wie die Urteile der Zivilgerichte nach § 322 ZPO der Rechtskraft insoweit fähig sind, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden ist, einer Korrektur in einem späteren Prozess nur unter engen Voraussetzungen zugänglich.
1 BAG v. 14.6.1995 – 4 AZR 250/94, DB 1995, 1613; BAG v. 10.7.1996 – 4 AZR 759/94, NZA 1997, 229; BAG v. 23.10.1996 – 4 AZR 254/95, nv.; BAG v. 28.5.1997 – 10 AZR 580/96, AP Nr. 1 zu § 3 TV Ang Bundespost.; BAG v. 8.6.2005 – 4 AZR 416/04, nv. 2 BAG v. 21.5.2003 – 4 AZR 420/02, AP Nr. 37 zu § 611 BGB Kirchendienst; BAG v. 14.1.2004 – 4 AZR 10/03, ZTR 2004, 643. 3 BAG v. 6.6.2000 – 1 ABR 21/99, NZA 2001, 156. 4 Vgl. Friedrich/Kloppenburg, ZTR 2003, 314, 315; Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 28. Aufl. 2010, Vor § 322 Rz. 21 mwN. 5 Vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, Vor § 322 Rz. 19 mwN; vgl. BAG v. 6.6.2000 – 1 ABR 21/99, NZA 2001, 156 mwN.
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X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 261
Teil 7
a) Die Korrektur nach Rechts- bzw. Sachänderung Da die Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 1 ZPO verhindern soll, dass 257 durch ein rechtskräftiges Urteil Zugesprochenes mit der Begründung zurückgefordert wird, der Rechtsstreit sei unrichtig entschieden worden, stehen bei einer Änderung der entscheidungserheblichen Rechtslage (insbesondere bei Änderung der tariflichen Eingruppierungsregelungen) bisherige gerichtliche Entscheidungen einer erneuten gerichtlichen Geltendmachung durch den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht entgegen1. Ebenso wenig hindert die materielle Rechtskraft die Parteien demnach da- 258 ran, sich auf Tatsachen zu berufen, die erst nach dem Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung entstanden sind, in der diese Tatsachen spätestens hätten geltend gemacht werden müssen2. Erforderlich ist allerdings eine wesentliche Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Dazu müssen sich diejenigen Tatsachen geändert haben, die für die in der früheren Entscheidung ausgesprochene Rechtsfolge als maßgeblich angesehen wurden3; die neu vorgebrachten Tatsachen müssen möglicherweise eine abweichende Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen, Einwendungen oder Einreden rechtfertigen4. Hauptanwendungsfall ist die einvernehmliche Änderung der Tätigkeit des Beschäftigten nach der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, die dazu führt, dass die Voraussetzungen einer höheren oder niedrigeren Entgeltgruppe vorliegen5. Nach der Rechtsprechung des BAG und der überwiegenden Auffassung in der Literatur reicht indes für eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse eine Rechtsprechungsänderung nicht aus6.
259
b) Die Korrektur ohne Rechts- bzw. Sachänderung Wesentlich schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der Rechtskraft, wenn eine Rechts- oder Sachänderung nicht eingetreten ist.
260
aa) Die Geltendmachung desselben Entgelts wie im rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozess Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, in dem festgestellt wurde, dass dem Be- 261 schäftigten das Entgelt nach einer bestimmten Entgeltgruppe nicht zusteht, ist der Beschäftigte mit einem entsprechenden Begehren in einem weiteren Prozess aufgrund der Rechtskraftwirkung in der Regel ausgeschlossen. Seine neuerliche Klage wäre als unzulässig abzuweisen. 1 2 3 4 5
Friedrich/Kloppenburg, ZTR 2003, 314, 320. BGH v. 2.3.2000 – IX ZR 285/99, NJW 2000, 2022. BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 223/07, ZTR 2009, 25. BGH v. 2.3.2000 – IX ZR 285/99, NJW 2000, 2022. Zu den hiermit verbundenen speziellen Fragen der Rechtskraft vgl. Friedrich/ Kloppenburg, ZTR 2003, 314, 321. 6 BAG v. 12.6.1990 – 3 AZR 524/88, NZA 1991, 20; BAG v. 20.3.1996 – 7 ABR 41/95, NZA 1996, 1058; zu den Literaturnachweisen vgl. BAG v. 6.6.2000 – 1 ABR 21/99, NZA 2001, 156 – hier wurde die Entscheidung offen gelassen –. Schlewing
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Teil 7
262
Rz. 262
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
Da die arbeitsgerichtlichen Urteile nach § 322 ZPO der Rechtskraft allerdings nur insoweit fähig sind, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden wurde, gilt dieser Grundsatz nur, wenn es sich auch um denselben Streitgegenstand handelt. Hierzu hat das BAG in seiner Entscheidung vom 4.9.19961 ausgeführt, dass eine Eingruppierungsfeststellungsklage einen anderen Streitgegenstand habe als eine Klage auf Feststellung des Anspruchs auf Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe wegen Frauendiskriminierung. Ebenso hat nach Ansicht des BAG eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die auf die Erfüllung der Eingruppierungsvoraussetzungen gestützt wird, einen anderen Streitgegenstand als eine auf das Verbot der unterschiedlichen Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bzw. auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützte Eingruppierungsklage2. Dasselbe muss gelten, wenn der Arbeitnehmer die Zahlung des begehrten Entgelts als Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung im Wege der Eingruppierungsfeststellungsklage verfolgt. bb) Die Geltendmachung eines „noch höheren“ Entgelts nach stattgebender Entscheidung
263
Bis zum Jahre 1971 hat das BAG die Auffassung vertreten, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung des Arbeitgebers, an den Arbeitnehmer eine der im Urteilstenor genannten tariflichen Vergütungsgruppe entsprechende Vergütung zu zahlen, dieses Urteil eine Bindungswirkung auf spätere Eingruppierungsfeststellungsklagen entfalte, solange keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten sei3. Diese Rechtsprechung hat es mit Urteil vom 12.5.19714 ausdrücklich aufgegeben mit der Begründung, Streitgegenstand des Vorprozesses sei nur die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung aus der damals begehrten Vergütungsgruppe gewesen. Wegen der Bindung an die Parteianträge habe im Vorprozess nicht geprüft werden dürfen, ob und inwieweit die Tätigkeitsmerkmale einer höheren als der begehrten Vergütungsgruppe erfüllt gewesen seien.
264
Einschränkend ist hier allerdings zu erwähnen, dass in dem neuen Prozess nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen der niedrigeren Vergütungsgruppe ausgegangen werden kann. Die Feststellungen im Vorprozess zu der niedrigeren Vergütungsgruppe haben keine Bindungswirkung. In Rechtskraft ist die Entscheidung nur hinsichtlich der festgestellten Rechtsfolge erwachsen. Demgegenüber sind die Entscheidungsgründe des Urteils im Vorprozess, wonach die Voraussetzungen eines oder mehrer Tätigkeitsmerkmale vorlagen, der materiellen Rechtskraft nicht fähig5. Demnach kann der beklagte Arbeitgeber im Folgeprozess die höhere Eingruppierung 1 2 3 4 5
BAG v. 4.9.1996 – 4 AZN 104/96, NZA 1997, 282. BAG v. 17.4.2002 – 5 AZR 400/00, DB 2003, 341. BAG v. 14.6.1966 – 1 AZR 267/65, DB 1966, 612. BAG v. 12.5.1971 – 4 AZR 247/70, AP Nr. 13 zu § 322 ZPO. Friedrich/Kloppenburg, ZTR 2003, 314, 318 unter Hinweis auf BAG v. 18.7.1990 – 4 AZR 25/90, AP Nr. 151 zu §§ 22, 23 BAT 1975.
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X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 268
Teil 7
mit der Begründung ablehnen, ein Tätigkeitsmerkmal liege nicht vor, von dessen Vorliegen das Gericht im Vorprozess ausgegangen ist1. cc) Die Geltendmachung einer höheren Vergütung nach einer die Klage abweisenden Entscheidung Wurde die Klage auf Entgelt nach einer bestimmten Vergütungsgruppe ab- 265 gewiesen, so steht die Rechtskraft dieser Entscheidung einer erneuten Klage auf Feststellung der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Entgelts nach einer höheren Entgeltgruppe grundsätzlich nicht entgegen. Streitgegenstand im Vorprozess war in einem solchen Fall nämlich das Entgelt nach der niedrigeren Entgeltgruppe; demgegenüber ist Streitgegenstand des Folgeprozesses regelmäßig lediglich die Entgeltdifferenz zwischen der Entgeltgruppe, deren Voraussetzungen zuvor abgelehnt worden waren und der im späteren Verfahren angestrebten Vergütung2. Von dem zuvor bezeichneten Grundsatz hat das BAG allerdings auch Ausnahmen gemacht. Danach kann ausnahmsweise ein rechtskräftig abgewiesener Feststellungsantrag Bindungswirkung bei späterer Geltendmachung eines höheren Entgelts entfalten, wenn in einem Prozess ausnahmsweise rechtskräftig festgestellt worden ist, dass die Voraussetzungen einer konkreten Fallgruppe einer bestimmten Vergütungsgruppe nicht vorliegen. Diese Feststellung führt dazu, dass in einem Folgeprozess ein Bewährungsaufstieg aus dieser konkreten Fallgruppe nicht geltend gemacht werden kann3. Dasselbe gilt, wenn es überhaupt nur eine Fallgruppe gibt, aus der der Bewährungsaufstieg möglich ist4.
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6. Die Darlegungs- und Beweislast im Eingruppierungsprozess Im Zivilprozess hat nach der allgemeinen Grundregel der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm, dh. derjenigen Norm, deren Rechtswirkungen ihr zugute kommen sollen, darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen. Diese Grundregel wird durch das von der herrschenden Meinung angewandte Regel-Ausnahme-Prinzip ergänzt, wonach derjenige, der sich auf das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen beruft, deren tatsächlichen Voraussetzungen in vollem Umfang darzulegen und zu beweisen hat.
267
Bei der Eingruppierungsfeststellungsklage hat der Kläger mithin diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, aus denen sich der von ihm behauptete Anspruch auf Zahlung eines Entgelts (einer Vergütung bzw. eines Lohns) aus der in Anspruch genommenen Entgeltgruppe (Vergütungs- bzw. Lohngruppe) ergibt. Ist Streitgegenstand einer Eingruppierungsfeststellungsklage das Entgelt nach einer bestimmten Entgeltgrup-
268
1 Zur Frage der Rechtskraft beim Bewährungsaufstieg vgl. BAG v. 16.4.1997 – 4 AZR 270/96, AP Nr. 1 zu § 22 MTAng-LV. 2 Vgl. hierzu auch ausführlich Friedrich/Kloppenburg, ZTR 2003, 314, 318. 3 BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 221/96, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 4 BAG v. 16.4.1997 – 4 AZR 270/96, AP Nr. 1 zu § 22 MTAng-LV. Schlewing
767
Teil 7
Rz. 269
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
pe aufgrund vertraglicher Zusage bzw. aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, hat der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das wirksame Zustandekommen der vertraglichen Absprache bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. a) Die Darlegungs- und Beweislast beim Höhergruppierungsverlangen 269
Ist hingegen Streitgegenstand einer Eingruppierungsfeststellungsklage allein die Zuordnung des Beschäftigten zu einer bestimmten höheren Entgelt-, Vergütungs- bzw. Lohngruppe (aufgrund der Tarifautomatik), so hat der Kläger der Eingruppierungsklage diejenigen Tatsachen vorzutragen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass er die von ihm beanspruchten Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe einschließlich der Qualifizierungsmerkmale erfüllt1. Sein Klagevortrag ist nur dann schlüssig, wenn das tatsächliche Vorbringen bei Unterstellung seiner Richtigkeit den Klageantrag begründet erscheinen lässt, so dass im Falle der Säumnis der beklagten Partei ein Versäumnisurteil nach § 331 ZPO ergehen könnte2. aa) Darlegungen zu den persönlichen Anspruchsvoraussetzungen
270
Enthält eine Entgelt-, Vergütungs- oder Lohngruppe subjektive, dh. personenbezogene Anforderungen (zB eine bestimmte Berufsausbildung, schulische Ausbildung, Zeit der Berufsausübung nach Ablegung der Prüfung etc.), so hat der Kläger zunächst vorzutragen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Setzt die Eingruppierungsnorm zudem eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit des Beschäftigten voraus, so ist vom Kläger im Einzelnen darzulegen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten ihm die Ausbildung vermittelt hat und aus welchen Gründen er seine Aufgaben ohne diese Kenntnisse und Fertigkeiten nicht ordnungsgemäß erledigen könnte. Dabei muss erkennbar sein, dass die Ausbildung nicht nur nützlich, sondern für die Tätigkeit erforderlich ist3.
271
Nimmt der Beschäftigte für sich in Anspruch, er verfüge als „sonstiger Angestellter“ (Beschäftigter) über die gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen eines Angestellten, für den in einer Eingruppierungsnorm als personenbezogene Anforderung eine bestimmte Ausbildung gefordert wird, so ist er auch hierfür darlegungs- und im Bestreitensfalle beweispflichtig. Der Beschäftigte hat demnach seine gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen anhand von Tatsachen darzulegen und konkret darzutun, in welcher 1 BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 431/96, AP Nr. 226 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 18.2.1998 – 4 AZR 581/96, NZA 1998, 950; zur Kritik an der Rechtsprechung des BAG vgl. nur Bergwitz, ZTR 2001, 539; Zimmerling, ZTR 2002, 354; Kiefer, ZTR 2002, 454. 2 BAG v. 4.5.1994 – 4 AZR 447/93, ZTR 1994, 507; BAG v. 18.2.1998 – 4 AZR 581/96, NZA 1998, 950. 3 BAG v. 28.9.1994 – 4 AZR 619/93, AP Nr. 38 zu § 2 BeschFG 1985; BAG v. 20.9.1995 – 4 AZR 413/94, AP Nr. 205 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 28.8.2007 – 4 AZR 571/06, ZTR 2008, 210.
768 Schlewing
X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 275
Teil 7
Weise er diese erlangt hat. Hierbei muss er nach derzeitiger Rechtslage zudem darlegen, warum und weshalb die außerhalb der Ausbildung erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen ihn in den Stand versetzen, auch andere Aufgabenbereiche aus dem Aufgabenkreis eines über die Ausbildung verfügenden Beschäftigten auszuüben1. bb) Darlegungen zu den sachlichen Anspruchsvoraussetzungen Sodann hat der Kläger der Eingruppierungsfeststellungsklage schlüssig zu den sachlichen Anspruchsvoraussetzungen vorzutragen.
272
(1) Darlegungen zur Feststellung der Arbeitsvorgänge und ihres zeitlichen Ausmaßes Maßgebliche tarifliche Bewertungseinheit ist der Arbeitsvorgang. Dabei 273 entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit eines Beschäftigten den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltbzw. Vergütungsgruppe erfüllen. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein hiervon abweichendes Maß bestimmt, so gilt dieses. Da es sich bei der Feststellung der Arbeitsvorgänge um eine Rechtsfrage 274 und nicht um feststellbare Tatsachen handelt2, ist es nicht Aufgabe des Beschäftigten, seine Tätigkeit nach Arbeitsvorgängen gegliedert darzustellen. Insbesondere ist der Kläger nicht verpflichtet, dem Arbeitsgericht tagebuchartige oder sonstige Aufzeichnungen über die Einzelheiten seiner Tätigkeiten und die Zeiträume vorzulegen, innerhalb derer er mit den einzelnen Aufgaben befasst ist3. Allerdings ist er aufgrund der ihn treffenden Darlegungslast verpflichtet, 275 diejenigen Tatsachen vorzutragen, die das Gericht kennen muss, um daraus rechtlich folgern zu können, welche Arbeitsvorgänge von dem Beschäftigten zu erbringen sind. Das bedeutet, dass der Beschäftigte zu den Einzelheiten seiner Tätigkeiten vorzutragen hat. Dabei hat er zunächst im Einzelnen die Arbeitsinhalte darzustellen. Darüber hinaus muss er Angaben dazu machen, welche Arbeitsergebnisse zu erarbeiten sind, welche Zusammenhangstätigkeiten anfallen und ob und wie die Einzelaufgaben voneinander abgrenzbar sind4. Die Einreichung umfangreicher Unterlagen (zB Tagebuchaufzeichnungen) genügt allerdings insoweit nicht: Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, solche Unterlagen daraufhin zu überprüfen, ob sich 1 Krasemann, 605; Uttlinger/Breier/Kiefer/Dassau/Faber, BAT, Kommentar (Loseblatt), 199. Aktualisierung – August 2009, § 22 Erl. 38. 2 BAG v. 23.1.2002 – 4 AZR 745/00, nv.; BAG v. 19.2.2003 – 4 AZR 158/02, ZTR 2003, 511. 3 BAG v. 28.2.1979 – 4 AZR 427/77, AP Nr. 16 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 28.3.1979 – 4 AZR 446/77, AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 449/93, DB 1994, 2506. 4 BAG v. 23.1.2002 – 4 AZR 745/00, nv. Schlewing
769
Teil 7
Rz. 276
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
aus ihnen Tatsachen ergeben, die zur Schlüssigkeit des Vorbringens führen können1. 276
Im Hinblick auf das Erfordernis der überwiegend auszuübenden Tätigkeit gehört auch die Angabe der jeweiligen Anteile der Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit zur Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens. Da es sich hierbei nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Tatsachenfeststellung handelt, können die Parteien diese Frage im Prozess unstreitig stellen. Hat der Beschäftigte dem Arbeitsgericht lediglich geschätzte zeitliche Anteile vorgetragen und widerspricht der Arbeitgeber diesen Angaben nicht, so gelten diese zeitlichen Anteile als zugestanden2. Werden die geschätzten Angaben des Klägers hingegen vom Arbeitgeber bestritten, so muss der Kläger mitteilen, aufgrund welcher Unterlagen oder Erhebungen er zu seiner Schätzung gekommen ist. So kann beispielsweise der Durchschnittsbearbeitungszeit für einen Sozialhilfeantrag multipliziert mit der festgestellten Fallzahl und insoweit insbesondere tagebuchartigen Arbeitsaufzeichnungen über einen repräsentativen Zeitraum unter Angabe der jeweiligen Zeitanteile die Qualität einer hinreichenden Schätzungsgrundlage zukommen3. (2) Darlegungen zur Feststellung der tätigkeitsbezogenen tariflichen Merkmale
277
Da sich die Darlegungspflicht immer an den rechtlichen Erfordernissen der einzelnen Tätigkeitsmerkmale zu orientieren hat, muss der Sachvortrag des Klägers erkennen lassen, dass die auszuübenden Tätigkeiten den tariflichen Rechtsbegriff erfüllen. Was hier im Einzelnen vorzutragen ist, hängt entscheidend davon ab, auf welche Tätigkeitsmerkmale bzw. deren Erfüllung der Kläger seine Klage stützt. Es bedarf somit eines substantiierten Sachvortrags im Hinblick auf die jeweils in Betracht kommenden unbestimmten Rechtsbegriffe wie zB gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, selbständige Leistungen etc. Die diesbezüglichen Ausführungen sind zudem den einzelnen Arbeitsinhalten (Arbeitsvorgängen) zuzuordnen. Für einen schlüssigen Tatsachenvortrag reicht indes weder eine formelhafte Wiederholung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale noch eine in tatsächlicher Beziehung lückenlose und genaue Darstellung der Tätigkeiten und Einzelaufgaben aus, wenn sich hieraus nicht zugleich entnehmen lässt, aufgrund welcher konkreter Tatsachen die jeweils in Betracht kommenden Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind4.
278
Beruft sich der Kläger auf ein Heraushebungsmerkmal, so hat er nach der Rechtsprechung des BAG nicht nur seine eigene Tätigkeit im Einzelnen darzustellen. Vielmehr muss er Tatsachen darlegen, die einen wertenden Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten ermöglichen. Der 1 2 3 4
Clemens/Schering/Steingen/Wiese, BAT, § 22 Erl. 18.1. Krasemann, 604. Vgl. Krasemann, 604; vgl. BAG v. 18.5.1994 – 4 AZR 449/93, DB 1994, 2506. BAG v. 19.3.1980 – 4 AZR 300/78, AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 15.6.1994 – 4 AZR 327/93, AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen.
770 Schlewing
X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 279
Teil 7
Vortrag muss insoweit erkennen lassen, wodurch sich die Tätigkeit gerade aus der nicht herausgehobenen Tätigkeit heraushebt1. Bauen die Tätigkeitsmerkmale von Entgelt- oder Vergütungsgruppen auf- 279 einander auf, so ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG zunächst zu prüfen, ob der Kläger die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe erfüllt und anschließend, ob die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe vorliegen2. Das bedeutet, dass der Kläger umfassend zu allen in Betracht kommenden Entgelt- bzw. Aufbaufallgruppen vorzutragen hat und sich in seinem Vortrag nicht von vornherein auf die höhere Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe beschränken darf. Vielmehr muss sein Vortrag den Aufbau der Entgelt- bzw. Vergütungsgruppen widerspiegeln. Der Kläger hat demnach zunächst konkret vorzutragen, dass er die allgemeinen Anforderungen der niedrigeren Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe erfüllt und anschließend, dass auch die Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppe vorliegen3. Zu beachten ist, dass zur Belegung eines Heraushebungsmerkmals einer höheren Entgeltgruppe grundsätzlich nicht Umstände herangezogen werden können, die bereits zur Begründung des Vorliegens der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Entgeltgruppe herangezogen wurden; diese Umstände sind grundsätzlich „verbraucht“4. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn die Tätigkeit des Beschäftigten ausschließlich oder im Wesentlichen aus einer oder mehreren hochwertigen Tätigkeiten besteht, so dass für die Erfüllung der Merkmale der niedrigeren Aufbaufallgruppen keine geringwertigen Tätigkeiten herangezogen werden können. In diesem Fall kann für die Erfüllung der Merkmale der niedrigeren Aufbaufallgruppen auf Teilaufgaben oder Teilfunktionen der auszuübenden hochwertigen Tätigkeit abgestellt werden; diese Tätigkeiten sind dann nicht vollständig „verbraucht“5. Wenn die Parteien die Tätigkeit des Arbeitnehmers als unstreitig ansehen und der Arbeitgeber selbst für die Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt betrachtet, so ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG zwar eine pauschale Prüfung durch das Gericht ausreichend6. Da aber auch eine pauschale Überprüfung erkennen lassen muss, aufgrund welcher konkreten Tatsachen die Merkmale einer 1 BAG v. 1.3.1995 – 4 AZR 8/94, AP Nr. 19 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; BAG v. 24.9.1997 – 4 AZR 431/96, AP Nr. 226 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 27.8.2008 – 4 AZR 470/07, ZTR 2009, 143; BAG v. 25.2.2009 – 4 AZR 20/08, ZTR 2009, 479. 2 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 579/01, AP Nr. 294 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 19.2.2003 – 4 AZR 265/02, ZTR 2003, 508; BAG v. 12.5.2004 – 4 AZR 371/03, AP Nr. 301 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 191/04, ZTR 2005, 643; BAG v. 6.6.2007 – 4 AZR 505/06, ZTR 2008, 156; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 303/07, ZTR 2008, 668. 3 Vgl. Kuner, Arbeitsrecht und TVöD/TV-L, Rz. 686. 4 BAG v. 19.2.2003 – 4 AZR 265/02, ZTR 2003, 508. 5 BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 303/07, ZTR 2008, 668. 6 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 579/01, AP Nr. 294 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 19.2.2003 – 4 AZR 265/02, ZTR 2003, 508; BAG v. 12.5.2004 – 4 AZR 371/03, AP Nr. 301 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 191/04, ZTR 2005, 643; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 303/07, ZTR 2008, 668; BAG v. 22.4.2009 – 4 AZR 166/08, ZTR 2009, 581. Schlewing
771
Teil 7
Rz. 280
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
bestimmten Entgelt- oder Vergütungsgruppen bzw. Fallgruppe als erfüllt anzusehen sind und welche Tatumstände damit für die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe herangezogen werden, ist der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage aufgrund der Rechtsprechung des BAG zur pauschalen Prüfung nicht von jeglichem Vortrag entbunden. Er muss zumindest soviel vortragen, dass dem Gericht eine pauschale Prüfung möglich ist. b) Die Darlegungs- und Beweislast bei der korrigierenden Rückgruppierung 280
Wendet sich der Beschäftigte gegen eine korrigierende Rückgruppierung, hätte er – als Kläger des Eingruppierungsrechtsstreits – an sich nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast die Tatsachen vorzutragen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass er die von ihm beanspruchten Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe einschließlich der Qualifizierungs- und Heraushebungsmerkmale erfüllt, aus der er bislang vergütet wurde.
281
Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BAG wird ihm dies allerdings nicht abverlangt. Vielmehr kann sich der gegen die korrigierende Rückgruppierung klagende Arbeitnehmer zunächst auf die im Arbeitsvertrag angegebene bzw. ihm mitgeteilte Vergütungsgruppe berufen, aus der er auch bezahlt wurde1. Sodann geht die Darlegungs- und Beweislast auf den Arbeitgeber über. Dieser muss zur Begründung der korrigierenden Rückgruppierung die objektive Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten Vergütungsgruppe, dh. die fehlerhafte Bewertung der Tätigkeit im tarifvertraglichen Vergütungsgefüge, und die dieser korrigierten Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen darlegen und, sofern sie hinreichend bestritten werden, beweisen2. Dabei beinhaltet die objektive Fehlerhaftigkeit, dass sich der Arbeitgeber insoweit bei der Rechtsanwendung „geirrt“ hat, als er unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt und/oder eine objektiv unzutreffende rechtliche Bewertung vorgenommen hat. Die vom Arbeitgeber darzulegende Fehlerhaftigkeit ist nach der Rechtsprechung des BAG bereits dann gegeben, wenn auch nur eine der tariflichen Voraussetzungen für die bisherige Eingruppierung fehlt. Die Darlegung eines Tarifirrtums ist nicht erforderlich3. Allerdings ist zu beachten, dass es für eine korrigierende Rückgruppierung nicht ausreicht, überhaupt einen Fehler aufzuzeigen; vielmehr muss die Vermeidung des aufgezeigten Fehlers dazu führen, dass die mitgeteilte Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe nicht diejenige ist, in der der Beschäftigte tarifgerecht eingruppiert ist. Mit anderen Worten muss sich der
1 BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 17.5.2000 – 4 AZR 232/99, NZA 2001, 1395. 2 BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596. 3 BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 17.5.2000 – 4 AZR 232/99, NZA 2001, 1395; BAG v. 22.1.2003 – 4 ABR 12/02, ZTR 2003, 454; BAG v. 5.11.2003 – 4 AZR 689/02, DB 2004, 1105; BAG v. 7.5.2008 – 4 AZR 206/07, ZTR 2008, 553; BAG v. 24.9.2008 – 4 AZR 685/07, ZTR 2009, 210.
772 Schlewing
X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 286
Teil 7
darzulegende Fehler so auswirken, dass die Bezahlung nach der mitgeteilten Entgelt- bzw. Vergütungsgruppe nicht tarifgerecht ist1. Das BAG hat zur Begründung dieser Verlagerung der Darlegungs- und Be- 282 weislast auf den Arbeitgeber darauf abgestellt, dass dieser die tarifliche Bewertung nach § 22 Abs. 2 BAT vorzunehmen habe. Dies habe er sorgfältig und korrekt zu tun. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der Arbeitgeber bei einem Streit um die Berechtigung einer Rückgruppierung keine Begründung für die behauptete Fehlerhaftigkeit der bisherigen Vergütung geben müsste und er den Arbeitnehmer darauf verweisen könne, seinerseits im Einzelnen alle Voraussetzungen für die ursprünglich vom Arbeitgeber als zutreffend angesehene Eingruppierung darzulegen. Im Sinne eines begrenzten Vertrauensschutzes könne sich der Arbeitnehmer demnach zunächst auf die vom Arbeitgeber mitgeteilte Eingruppierung berufen2. Davon zu unterscheiden sind selbstverständlich die Fälle, in denen es dem Arbeitgeber nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf die fehlerhafte Eingruppierung zu berufen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Treuwidrigkeit bzw. des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB trägt wiederum der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.
283
Hat nach alledem der Arbeitgeber schlüssig zu den Voraussetzungen der korrigierenden Rückgruppierung vorgetragen, ist es nunmehr Sache des Arbeitnehmers, seinerseits substantiiert zu bestreiten, dass bei seiner Eingruppierung Tatsachen unzutreffend angenommen oder bewertet wurden oder dass die rechtliche Bewertung seiner Tätigkeit unzutreffend gewesen sei. Der Arbeitnehmer kann dies allerdings auch dadurch erreichen, dass er – wie bei einer normalen Eingruppierungsfeststellungsklage – darlegt, dass die von ihm auszuübende Tätigkeit mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit ein oder mehrere Tätigkeitsmerkmale seiner Vergütungsgruppe erfüllt, mithin keine fehlerhafte Zuordnung zu der bisherigen Vergütungsgruppe vorliegt. Da die Beweislast beim Arbeitgeber verblieben ist, muss dieser dann die Richtigkeit seines eigenen Sachvortrags beweisen.
284
Nach der Rechtsprechung des BAG ergeben sich weder aus dem Nachweis- 285 gesetz, noch aus der EG-Nachweisrichtlinie (RL 91/533/EWG des Rates vom 14.10.1991) eine weitergehende Darlegungs- und Beweislast für den Arbeitgeber bzw. weitergehende Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast für den Arbeitnehmer3. 7. Verfall und Verjährung §§ 37 TVöD bzw. TV-L enthalten eine den Bestimmungen der §§ 70 BAT/ BAT-O nachgebildete Ausschlussfrist. Nach dem Absatz 1 der §§ 37 TVöD/ 1 BAG v. 5.11.2003 – 4 AZR 689/02, DB 2004, 1105. 2 Vgl. nur BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596. 3 Vgl. grundlegend BAG v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, DB 2001, 596; BAG v. 17.5.2000 – 4 AZR 232/99, NZA 2001, 1395. Schlewing
773
286
Teil 7
Rz. 287
Eingruppierung/Umgruppierung/Rückgruppierung
TV-L verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Dabei reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus. 287
Danach muss der Beschäftigte seinen Anspruch auf jeden Fall schriftlich geltend machen. Dies kann er durch einfaches Schreiben an den Arbeitgeber oder durch Klageerhebung beim Arbeitsgericht tun. Zum schlüssigen Vortrag eines Anspruchs, der tariflichen Verfallsfristen unterliegt, gehört zudem die Darlegung der Einhaltung dieser Fristen und damit der fristgerechten Geltendmachung. Die Fristeinhaltung ist materiell-rechtliche Voraussetzung für das Bestehen des behaupteten Anspruchs; ihre Nichteinhaltung ist eine Einwendung, die „von Amts wegen“ zu beachten ist. Deshalb ist es nicht erforderlich, dass der Anspruchsgegner sich auf die Nichteinhaltung der Verfallsfrist beruft. Aus dem Grunde kann eine hinreichende Geltendmachung nicht im prozessualen Sinne unstreitig werden1. Letztlich muss der Beschäftigte darlegen, dass er den Anspruch „geltend“ gemacht hat. Das ist nur dann der Fall, wenn dem Arbeitgeber durch das Anspruchsschreiben hinreichend verdeutlicht wurde, dass er seitens des Beschäftigten wegen einer konkreten und identifizierbaren Forderung in Anspruch genommen wird. Dabei ist es ausreichend, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Würdigung des Verhaltens des Arbeitnehmers erkennen kann, diese wolle eine ihm zustehende Leistung fordern. Der Anspruch muss demnach als solcher bezeichnet werden; allerdings muss dies nicht ausdrücklich geschehen; es genügt, wenn der Arbeitnehmer seine Forderung dergestalt bezeichnet, dass der Arbeitgeber erkennen kann, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll2. Deshalb erfüllt die an den Arbeitgeber gerichtete schriftliche Bitte des Arbeitnehmers „um Prüfung“, ob die Voraussetzungen einer höheren Eingruppierung vorliegen, nicht das Tatbestandsmerkmal der Geltendmachung des Anspruchs3.
288
Zu beachten ist stets, dass nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen können. Da der Beschäftigte nach der Tarifautomatik immer richtig eingruppiert ist, hat er gegenüber dem Arbeitgeber auch keinen Anspruch auf Eingruppierung, so dass ein Eingruppierungsanspruch auch nicht verfallen kann. Verfallen können indes die Ansprüche des Beschäftigten auf Vergütung bzw. Entgelt nach einer bestimmten Vergütungs- oder Entgeltgruppe für einen bestimmten Zeitraum4.
1 BAG v. 23.9.2009 – 4 AZR 308/08, nv. 2 BAG v. 5.4.1995 – 5 AZR 961/93, NZA 1995, 1068; BAG v. 18.3.1999 – 6 AZR 523/97, ZTR 1999, 420; BAG v. 12.3.2008 – 4 AZR 93/07, ZTR 2008, 602. 3 Vgl. BAG v. 10.12.1997 – 4 AZR 228/96, BB 1998, 1063; BAG v. 23.9.2009 – 4 AZR 308/08, nv. 4 Vgl. BAG v. 28.6.1994 – 3 AZR 988/93, NZA 1995, 433; Zimmerling, Arbeitsrechtliche Konkurrentenklage und Eingruppierungsfeststellungsklage, Rz. 125.
774 Schlewing
X. Die Eingruppierungsfeststellungsklage
Rz. 291
Teil 7
Zudem kann der Höhergruppierungsanspruch auch verwirken1. Allerdings ist hier zu beachten, dass nach § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG die Verwirkung tariflicher Rechte ausgeschlossen ist. Eine Verwirkung von Zahlungsansprüchen aus einer höheren Entgeltgruppe kommt daher nur bei arbeitsvertraglicher Vereinbarung des TVöD bzw. TV-L in Betracht. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis unterliegen zudem nicht nur der Ausschlussfrist, sondern fallen auch unter die Verjährung nach §§ 194 ff. BGB.
289
8. Der Streitwert Für die Streitwertfestsetzung bei der Eingruppierungsfeststellungsklage ist § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG maßgebend. Danach ist bei Rechtsstreitigkeiten über Eingruppierungen der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zur begehrten Vergütung maßgebend, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.
290
Nach der Rechtsprechung des BAG bleiben bei der Ermittlung des Differenzbetrages Sonderleistungen wie Treueprämien, zusätzliche Urlaubsgelder, Gratifikationen sowie Zuwendungen nach einem Zuwendungstarifvertrag außer Betracht. Der Streitwert entspricht demnach stets der 36fachen (und nicht der 39fachen) monatlichen Entgeltdifferenz zwischen der Entgeltgruppe, aus der die Zahlung des Entgelts begehrt wird und der Entgeltgruppe, aus der der Beschäftigte tatsächlich vergütet wird2. Angesichts der klaren gesetzgeberischen Regelung ist für den bei einer Feststellungsklage üblichen Abschlag von 20 % nach diesseitiger Auffassung kein Raum.
291
1 Vgl. hierzu BAG v. 17.2.1974 – 4 AZR 192/73, AP Nr. 4 zu § 70 BAT, BAG v. 9.9.1981 – 4 AZR 59/79, AP Nr. 48 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 2 BAG v. 24.3.1981 – 4 AZR 395/78, AP Nr. 3 zu § 12 ArbGG 1979; BAG v. 4.9.1996 – 4 AZN 151/96, NZA 1997, 283. Schlewing
775
Teil 8 Überleitungstarifverträge Rz. I. Einführung in die Systematik der Überleitungstarifverträge. . . . . . . 1. Geltungsbereich des TVÜ-Bund . 2. „Überleitung“ bei fehlender Tarifgebundenheit. . . . . . . . . . . . . II. Das Vergleichsentgelt . . . . . . . . . 1. Überleitung in die neue Entgeltstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung von anderen Zulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kinderbezogene Entgeltbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 7 12 20 23 27
Rz. IV. Konsequenzen und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht . . . . . . . . 1. Berücksichtigung des Ortszuschlags Stufe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenkonkurrenzklauseln. . . . . . . . 3. Kinderbezogene Besitzstandszulage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gegenkonkurrenzklauseln. . . . . . . .
36 39 45 49 55
V. Stufenzuordnung nach Beförderung, Stufenaufstieg . . . . . . . . . . . 56 VI. Strukturausgleich . . . . . . . . . . . . . . . 59
35
VII. Ausschlussfrist § 37 TVöD/TV-L . . 62
I. Einführung in die Systematik der Überleitungstarifverträge Der Geltungsbereich der neuen Tarifverträge für den öffentlichen Dienst 1 ist jeweils in deren § 1 geregelt1. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gilt nach § 1 Abs. 1 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Beschäftigte), die in einem Arbeitsverhältnis zum Bund oder zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Mitgliedverbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gilt nach § 1 Abs. 1 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Beschäftigte), die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) oder eines Mitgliedverbandes der TdL ist. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) bestimmt in § 1 Abs. 1, dass er für Arbeitnehmer des Bundes mit Ausnahme des Bundeseisenbahnvermögens, der Länder und der sonstigen Mitglieder der Arbeitgeberverbände, die der TdL angehören, sowie der Stadtgemeinde Bremen, und der Mitglieder der Arbeitgeberverbände, die der VKA angehören, die in einer der Rentenversicherung der Angestellten unterliegenden Beschäftigung tätig sind (Angestellte), gilt. Ähnliche Bestimmungen enthalten § 1 anderer Tarifverträge, die für Arbeiter oder Beschäftigte in den neuen Bundesländern galten bzw. gelten.
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Der TVöD ist zum 1.10.2005, der TV-L zum 1.11.2006 in Kraft getreten. Die Tarifvertragsparteien haben es aber nicht dabei bewenden lassen, mit Wirkung zu diesen beiden Stichtagen neue Tarifverträge abzuschließen. Sie haben jeweils eigene so genannte Überleitungstarifverträge vereinbart, die nicht nur rechtstechnisch die Überleitung von Beschäftigten vom alten in
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1 BAG v. 10.6.2009 – 4 AZR 77/08, juris. Groeger
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Überleitungstarifverträge
das neue Tarifrecht regeln, sondern auch eine Vielzahl materiell-rechtlicher Regelungen enthalten. 4
Insoweit bestehen, bezogen auf die Mehrzahl der oben genannten öffentlichen Arbeitgeber, 3 Überleitungstarifverträge: der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund), der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-L).
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Diese Überleitungstarifverträge stimmen inhaltlich weitgehend überein. Auch für die spezielleren Tarifverträge, zB den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte), existieren jeweils eigene Überleitungstarifverträge, zB der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte).
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Die Systematik der Überleitungstarifverträge soll beispielhaft anhand des TVÜ-Bund erläutert werden. Der 1. Abschnitt enthält Allgemeine Vorschriften, insbesondere zum Geltungsbereich des TVÜ-Bund und zur Ersetzung bisheriger Tarifverträge durch den TVöD. Der 2. Abschnitt enthält Überleitungsregelungen. Im 3. Abschnitt sind die Besitzstandsregelungen zusammengefasst, der 4. Abschnitt fasst sonstige, vom TVöD abweichende oder ihn ergänzende Bestimmungen zusammen. Der 5. Abschnitt schließlich enthält eine Übergangs- und Schlussvorschrift für den TVÜ-Bund. 1. Geltungsbereich des TVÜ-Bund
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Als Grundsatz bestimmt § 1 Abs. 1 TVÜ-Bund, dass er nur für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis zum Bund über den 30.9.2005 hinaus fortbesteht und die am 1. Oktober 2005 unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses gilt. Grundsätzlich wäre danach jede rechtliche Unterbrechung für die Anwendung des TVÜ-Bund schädlich.
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Die Voraussetzung eines ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses wurde jedoch durch eine Protokollerklärung dahin modifiziert, dass in der Übergangszeit vom 30.9.2005 bis 30.9.2007 Unterbrechungen von bis zu einem Monat unschädlich waren. Die Protokollerklärung ist materieller Bestandteil des Tarifvertrages; ihre Auslegung als normativer Teil des Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auf einen möglichen sachlichen Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen kommt es nicht an. Andererseits ist eine Unterbrechung von einem Monat und einem Tag schädlich. Weder verstößt die Protokollnotiz gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen das Verbot der Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG, noch haben Arbeitgeber, die eine Unterbrechungszeit von mehr als einem Monat eingehalten haben, bevor sie mit demselben Be778 Groeger
I. Einführung in die Systematik der Überleitungstarifverträge
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schäftigten einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, gegen § 242 BGB verstoßen1. Als weitere Ausnahme vom Grundsatz, dass der TVÜ-Bund nur Anwen- 9 dung findet, wenn das Arbeitsverhältnis über den 1.10.2005 hinaus ununterbrochen fortbestanden hat, bestimmt § 1 Abs. 2 TVÜ-Bund, dass die Vorschriften des TVÜ-Bund für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis zum Bund erst nach dem 30.9.2005 begonnen hat und die unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, dann gelten, soweit dies ausdrücklich bestimmt ist. Über diese den personalen Geltungsbereich des TVÜ-Bund bestimmenden 10 Regelungen enthält § 1 Abs. 4 TVÜ-Bund eine weitere Regel-AusnahmeBestimmung sachlicher Art. Danach gelten die Bestimmungen des TVöD, soweit dieser Tarifvertrag, d.h. der TVÜ-Bund, keine abweichenden Regelungen trifft. Entsprechend der Kollisionsregel zwischen Tarifverträgen, wonach die Zeitkollisionsregel gilt und somit der jüngere Tarifvertrag dem älteren vorgeht, also das Günstigkeitsprinzip insoweit keine Anwendung findet2, bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund als zweites grundlegendes Regel-Ausnahme-Verhältnis, dass der TVöD iVm. dem TVÜ-Bund für den Bereich des Bundes die in der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A und der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil B aufgeführten Tarifverträge (einschließlich Anlagen) bzw. Tarifvertragsregelungen ersetzt, soweit im TVöD, im TVÜ-Bund oder in den Anlagen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. In der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A ist unter der laufenden Nr. 1 der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) aufgeführt, der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund „einschließlich Anlagen“ durch den TVöD ersetzt wird. Nach § 2 Abs. 2 TVÜBund sollen „im Übrigen“ solche Tarifvertragsregelungen mit Wirkung vom 1.10.2005 durch den TVöD ersetzt werden, die materiell im Widerspruch zu den Regelungen des TVöD bzw. des TVÜ-Bund stehen oder einen Regelungsinhalt haben, der nach dem Willen der Tarifvertragsparteien durch den TVöD bzw. den TVÜ-Bund ersetzt oder aufgehoben worden ist oder zusammen mit dem TVöD oder dem TVÜ-Bund zu Doppelleistungen führen würden. Während aus § 2 Abs. 1 und 2 TVÜ-Bund der grundsätzliche Wille der Ta- 11 rifvertragsparteien erkennbar ist, das bisherige Tarifrecht möglichst weitgehend durch den TVöD abzulösen, bestimmt § 2 Abs. 3 TVÜ-Bund, dass (lediglich) die in der Anlage 1 Teil C aufgeführten Tarifverträge und Tarifvertragsregelungen in ihrem bisherigen personalen und räumlichen Geltungsbereich weitergelten, soweit im TVöD, im TVÜ-Bund oder in den Anlagen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. 2. „Überleitung“ bei fehlender Tarifgebundenheit Viele nicht tarifgebundene Arbeitgeber verweisen in Arbeitsverträgen – in 12 unterschiedlicher Art und aus unterschiedlichen Gründen – auf „das“ Ta1 BAG v. 27.11.2008 – 6 AZR 856/07, juris. 2 Wiedemann/Wank, TVG, 7. Aufl. 2007, § 4 Rz. 261. Groeger
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rifrecht für den öffentlichen Dienst. Ob und inwieweit diese arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln eine „Überleitung“ in die neuen Tarifverträge bewirken, kann – angesichts der Vielzahl denkbarer Bezugnahmen und dafür vorhandener Gründe oder aber auch „grundloser“ Verweisungen auf ein „branchenfremdes“ Tarifrecht – nicht abstrakt und abschließend dargestellt werden. Dreh- und Angelpunkt kann dabei stets nur die Auslegung konkreter Vereinbarungen sein, die erfahrungsgemäß nicht einmal bei ein und demselben Arbeitgeber über die Zeiten hinweg einheitlich ausgestaltet sind, sondern von Zeit zu Zeit – oft aus später nicht mehr nachvollziehbarem, manchmal sogar ganz ohne Grund – beliebig geändert werden. 13 Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass eine Verweisungsklausel, die nicht auf das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst verweist, dadurch nicht inhaltsleer wird. Denn das Bezugnahmeobjekt, das bisherige Tarifrecht für den öffentlichen Dienst, ist nicht weggefallen. Der BAT – mit Ausnahme der Arbeitszeitvorschriften – besteht nach wie vor ungekündigt. Auch der letzte Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT vom 31.1.2003 wurde durch die Tarifvertragsparteien nicht gekündigt. Dass dynamische Verweisungsklauseln, deren Dynamik inhaltlich nicht so weit reicht, dass sie sich auf das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst erstreckt, damit möglicherweise faktisch nur noch statisch wirken, weil die Tarifvertragsparteien nach dem Abschluss des TVöD/TV-L voraussichtlich keine weiteren Tarifverträge zum BAT mehr abschließen werden, ändert hieran nichts. Damit realisiert sich lediglich ein Risiko, das grundsätzlich jeder dynamischen Verweisung auf Regelungswerke, deren Zustandekommen außerhalb des Einflussbereichs der Vertragsparteien liegt, immanent ist1. Der 4. Senat des BAG geht sogar davon aus, dass die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes bei der Neustrukturierung des öffentlichen Tarifrechts eine mögliche Weitergeltung des BAT für bestimmte Arbeitsverhältnisse berücksichtigt und den BAT auch deswegen nicht gekündigt haben, weil außerhalb seiner normativen Geltung häufig auf ihn verwiesen wurde/wird2. 14 Eine Bezugnahmeklausel, wonach der Arbeitnehmer „die Bezüge der im jeweils geltenden Vergütungstarif zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) mit [VergGr] bezeichneten Position“ bzw. aus „dem jeweiligen Vergütungstarifvertrag zum Bundes-Angestelltentarifvertrag“ erhält, gewährt zwar einen zeitdynamischen Anspruch auf die jeweilige Vergütung; solche Klauseln sind aber nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet. Sie beziehen sich auf den Vergütungstarifvertrag bzw. die Vergütungstarifverträge zum BAT, ohne die diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge zu erwähnen. Sie erfassen damit ihrem Wortlaut nach nicht Vergütungsvereinbarungen, die zum neuen Tarifrecht für den öffentlichen Dienst ergangen sind. Die von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Vergütungen für das neue Tarifrecht können auch nicht als Fortsetzung der Vergütung nach
1 BAG v. 10.6.2009 – 4 AZR 194/08, juris. 2 Ebenso Clemens/Scheuring, TV-L, TVÜ-L Rz. 35.
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der bisher verbindlichen – und nach wie vor normativ geltenden – Vergütungsstruktur des BAT angesehen werden1. Nach § 2 Abs. 1 der Überleitungstarifverträge ersetzt der TVöD bzw. der 15 TV-L in Verbindung mit den Überleitungstarifverträgen nur „für den Bereich des Bundes“ bzw. „bei tarifgebundenen Arbeitgebern, die Mitglied eines Mitgliedverbandes der VKA sind“ bzw. „für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ das bisherige Tarifrecht. Verwendet ein Arbeitgeber, der entweder Mitglied eines Mitgliedverbandes der VKA oder Mitglied der TdL ist oder handelt es sich bei diesem Arbeitgeber um den Bund, eine Verweisungsklausel entsprechend dem seit 1981 vom Arbeitgeberkreis der BAT-Kommission gebilligten Musterarbeitsvertrag, wonach nicht nur der BAT, sondern auch die diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgeblich sind, werden auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer in das neue Tarifrecht übergeleitet. Fraglich war, ob dies angesichts des einschränkenden Wortlauts von § 2 16 Abs. 1 der Überleitungstarifverträge auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist. Wie das BAG festgestellt hat, haben die Tarifvertragsparteien des TV-L und des TVöD den BAT deswegen nicht gekündigt, weil außerhalb seiner normativen Geltung häufig auf ihn verwiesen worden ist2. Mangels Tarifbindung sind die Arbeitsvertragsparteien auch nicht an die Niederschrifterklärungen der Tarifvertragsparteien zum Beispiel zu § 2 Abs. 1 TVÜ-L gebunden, wonach diese davon ausgegangen sind, dass der TV-L und der TVÜ-L das bisherige Tarifrecht auch dann ersetzen, wenn arbeitsvertragliche Bezugnahmen nicht ausdrücklich den Fall der ersetzenden Regelung beinhalten3. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei § 2 Abs. 1 der Überleitungstarifverträge der Sache nach um eine tarifliche Differenzierungsklausel, die grundsätzlich zulässig ist4. Zwar sind Differenzierungsklauseln, wonach bestimmte Leistungen nur tarifgebundenen Arbeitnehmern gewährt werden, in der Praxis häufiger; es entspricht aber der Tarifautonomie, dass die Tarifvertragsparteien auch auf Arbeitgeberseite dahin differenzieren dürfen, dass bestimmte Tarifverträge nur für tarifgebundene Arbeitgeber bislang geltende Tarifverträge ersetzen sollen. Nach Ansicht des 4. Senats des BAG erfasst eine arbeitsvertragliche Bezug- 17 nahmeklausel, die sich auch auf die den BAT „ersetzenden“ Tarifverträge erstreckt, „jedenfalls soweit nur die Anwendbarkeit des TVöD-VKA als einen den BAT-VKA ersetzenden Tarifvertrag in Frage steht, auch diesen Tarifvertrag“5. Das BAG begründet dies damit, dass es sich vorliegend nicht um einen Fall des Tarifwechsels, sondern um eine von den denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages handele. Diese Begründung greift 1 2 3 4 5
BAG v. 10.6.2009 – 4 AZR 194/08, juris. BAG v. 10.6.2009 – 4 AZR 194/08, juris. BAG v. 10.6.2009 – 4 AZR 194/08, juris. BAG v. 18.3.2009 – 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028. BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286. Groeger
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m.E. zu kurz, denn entscheidend ist die Frage, für welche Fälle der Tarifvertrag eine Tarifsukzession regelt. Diese Frage kann entgegen der Ansicht des BAG nicht durch die Arbeitsvertragsparteien und damit durch Auslegung des Arbeitsvertrages beantwortet werden; denn es handelt sich um eine genuin tarifrechtliche Frage, auf die eine Antwort nur die Tarifverträge und deren Auslegung geben können. In anderem Zusammenhang hat das BAG das „Zusammenspiel“ der tariflichen Regelungen zutreffend umschrieben. Danach kann für die Auslegung des Geltungsbereichs des TVöD nicht auf den TVÜ zurückgegriffen werden, denn die Anwendbarkeit des TVÜ setzt die Anwendbarkeit des TVöD voraus. Der TVÜ regelt lediglich die Ablösung bisheriger Tarifverträge, kann jedoch nicht den in § 1 TVöD geregelten Geltungsbereich des TVöD wirksam ändern1. Damit spricht das Argument des BAG, dass es sich vorliegend um eine von den denselben Tarifvertragsparteien vereinbarte Tarifsukzession innerhalb des Geltungsbereichs des bisherigen Tarifvertrages2 handele, nicht für, sondern allenfalls gegen eine Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel in einem von einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber verwandten Arbeitsvertrag dahin, dass damit das neue Tarifrecht gelten soll, weil es sich dabei im Verhältnis zu einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber weder nach § 1 TVöD noch nach § 2 Abs. 1 der Überleitungstarifverträge um einen „ersetzenden“ Tarifvertrag handelt. Gegenüber nicht tarifgebundenen Arbeitgebern kann das neue Tarifrecht aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel daher m.E. nur dann Anwendung finden, wenn sich nach Auslegung des Arbeitsvertrages deutliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass „in jedem Fall“, d.h. ungeachtet einschränkender tariflicher Regelungen, zwischen den Arbeitsvertragsparteien „das“ jeweils „neue“ Tarifrecht für (bestimmte) Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes (Bund, Länder oder Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA) gelten soll. Die dem Musterarbeitsvertrag entstammende Bezugnahmeklausel genügt insoweit m.E. nicht3. 18 Noch weiter geht jedoch eine Entscheidung des 5. Senats des BAG. Danach soll eine Klausel im Arbeitsvertrag, nach der sich „die Eingruppierung und Vergütung … nach Bundesangestelltentarifvertrag Bund/Länder (BAT Bund/TdL) in der jeweils gültigen Fassung (richten)“, zwar zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet, also nur innerhalb des Bezugsobjekts BAT dynamisch ausgestaltet sein. Dadurch, dass das Objekt der Bezugnahme von den Tarifvertragsparteien nicht mehr weiterentwickelt werde, sei die zeitdynamisch ausgestaltete Bezugnahme auf den BAT im Arbeitsvertrag zur statischen geworden. Dieses Verständnis sei aber weder mit dem Wortlaut der Klausel noch dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar; es träte eine statische Fortgeltung der bereits überholten tariflichen Rechtslage des Jahres 2003 ein. Da die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke nicht anders auf den Arbeitsvertrag 1 BAG v. 10.6.2009 – 4 AZR 77/08, juris. 2 BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286. 3 I. Erg. ebenso, jedoch mit anderer Begründung v. Steinau-Steinrück, NJW-Spezial 2005, 561, Hümmerich/Maßen, NZA 2005, 961.
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II. Das Vergleichsentgelt
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einwirke als eine (tiefgreifende) inhaltliche Änderung des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen BAT, würden „mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene“ die Arbeitsvertragsparteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BAT reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten. Wegen der Aufspaltung der bis zum 30.9.2005 gleich lautenden Regelungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Ländern sei ebenfalls durch ergänzende Vertragsauslegung zu bestimmen, welche Nachfolgeregelung für die Vergütung maßgebend sein soll. Es sei danach zu fragen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke die Parteien in Bezug genommen hätten, wenn sie eine Tarifsukzession bedacht hätten. Auszugehen sei dabei von der Bezugnahmeklausel. Lässt sich aus dieser nicht zweifelsfrei feststellen, welches der dem BAT nachfolgenden Tarifwerke nunmehr Anwendung finden soll, sei dieses nach Sinn und Zweck einer Vereinbarung unternehmensfremder tariflicher Regelungen zu ermitteln. Der Zweck dynamischer Inbezugnahmen von Vergütungsregelungen des öffentlichen Dienstes sei es zunächst, eine am öffentlichen Dienst orientierte Vergütungsstruktur zu schaffen, um eine Gleichstellung der Angestellten des Arbeitgebers mit Angestellten des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Zugleich weise eine solche Klausel auf ein Interesse des Arbeitgebers hin, aus Wettbewerbs- und Arbeitsmarktgründen dasjenige Vergütungssystem zur Geltung zu bringen, das typischerweise gelten würde, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes erbracht würden. Unterhält der Arbeitgeber eine Einrichtung, die ihrer Art nach durchweg nicht vom Bund betrieben werden, entspreche die Anwendung des TVöD in der im Bereich der VKA geltenden Fassung nicht dem Willen der Parteien, weil sie im Arbeitsvertrag nicht auf den BAT in der für den Bereich der VKA geltenden Fassung verwiesen haben. Deshalb sei anzunehmen, dass die Parteien, wäre ihnen eine künftige Tarifsukzession bekannt gewesen, Vergütung nach dem TV-L vereinbart hätten1. Obwohl mE der 5. Senat den Großen Senat des BAG hätte anrufen müssen, muss sich die Praxis nunmehr darauf einstellen, dass auch Bezugnahmeklauseln, die nicht auf die den BAT ersetzenden Tarifverträge verweisen, im Wege der ergänzenden Auslegung des Arbeitsvertrages – und gegen den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien, die möglicherweise das neue Tarifrecht bewusst nur für tarifgebundene Arbeitgeber geschaffen haben2 und nicht an nicht tarifgebundene Arbeitgeber „exportieren“ wollten – nicht nur zeit-, sondern auch inhaltdynamische Wirkung entfalten.
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II. Das Vergleichsentgelt Die wesentlichen Neuerungen gegenüber dem bisherigen Tarifrecht betreffen die Vergütung.
1 BAG v. 16.12.2009 – 5 AZR 888/08, juris. 2 BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286. Groeger
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21 Zum einen kennt das neue Regelwerk keine eigenständigen Vergütungstarifverträge mehr, in denen die Entgeltbeträge vereinbart wurden; stattdessen sind die jeweiligen Entgelttabellen Bestandteile der jeweiligen Tarifverträge und gesondert kündbar (§§ 39 Abs. 4c TVöD/39 Abs. 4e TV-L). 22 Zum anderen setzt sich das Entgelt grundsätzlich aus dem Tabellenentgelt (§ 15 TVöD/TV-L) und dem Leistungsentgelt (§ 18 TVöD/TV-L) zusammen. Demgegenüber setzt sich die Vergütung nach dem BAT grundsätzlich aus der Grundvergütung (§ 27 BAT), dem Ortszuschlag (§ 29 BAT) und weiteren Zulagen (§ 33 BAT) zusammen. Dem neuen Tarifrecht liegt damit eine andere Vergütungsstruktur zu Grunde. Sie kennt keine familienbezogenen Entgeltbestandteile, wie den Ortszuschlag, mehr und baut für die Bemessung des Entgelts auf der Berufserfahrung und der Leistung auf. 1. Überleitung in die neue Entgeltstruktur 23 In einem 1. Schritt wird für die Überleitung der Beschäftigten ihre bisherige Vergütungs- bzw. Lohngruppe einer der Entgeltgruppen des TVöD/TV-L zugeordnet. Diese Zuordnung von Vergütungs- bzw. Lohngruppen zu den neuen Entgeltgruppen erfolgt nach der Anlage zu § 4 Abs. 1 TVÜ. Basis für diese Zuordnung nach § 4 Abs. 1 TVÜ ist grundsätzlich die Vergütungsund Lohngruppe, in der der Beschäftigte des Bundes im September 2005 tatsächlich eingruppiert war. Für die Zuordnung ist sowohl die Vergütungsoder Lohngruppe als auch die jeweilige Fallgruppe zu ermitteln, da nach der Anlage bei der Zuordnung zu den einzelnen Entgeltgruppen danach unterschieden wird, ob es sich um eine Aufstiegsfallgruppe innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe handelt oder nicht. Je nach der bestehenden Eingruppierung in einer bestimmten Fallgruppe kann trotz gleicher Vergütungsgruppe eine Zuordnung in eine höhere oder niedrigere Entgeltgruppe erfolgen, wie zB die Anlage 1 zum TVÜ-VKA verdeutlicht (etwa VergGr. IVa BAT: Überleitung in die Entgeltgruppe 10 oder 11 TVöD). Darüber hinaus ist bei der Überleitung die Vorschrift des § 4 Abs. 2 TVÜ zu beachten. Diese enthält eine beschränkte Ausnahme von dem Grundsatz, dass die im Monat September 2005 maßgebende Vergütungs- oder Lohngruppe einschlägig ist. Diejenigen Beschäftigten, die bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts im Oktober 2005 die Voraussetzungen für einen Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstieg erfüllt hätten, werden so behandelt, als wären sie bereits im September 2005 höhergruppiert worden. Andererseits werden aber auch nach § 4 Abs. 3 TVÜ-VKA Beschäftigte, die bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts im Oktober 2005 in eine niedrigere Vergütungsgruppe eingruppiert worden wären, für die Überleitung so angesehen, als hätte die Herabgruppierung bereits im September 2005 stattgefunden. Beide Voraussetzungen müssen anlässlich der Überleitung jeweils für den einzelnen Beschäftigten überprüft werden. Vor diesem Hintergrund geht das BAG davon aus, dass die Überleitung vom früheren in das neue Tarifrecht eine mitbestimmungsrechtliche Umgruppierung iSv.
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II. Das Vergleichsentgelt
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Teil 8
§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist und dem Betriebsrat insoweit ein Mitbeurteilungsrecht zusteht1. In einem 2. Schritt ist gemäß § 5 TVÜ das Vergleichsentgelt nach den in 24 § 5 Abs. 2 bis 7 TVÜ enthaltenen Berechnungsregeln zu ermitteln. Bei der Stufenzuordnung ist zwischen den Regelungen für die bisherigen Statusgruppen der Angestellten (§ 6 TVÜ) und der Arbeiterinnen und Arbeiter (§ 7 TVÜ) zu unterscheiden. Diese Unterscheidung liegt auch § 5 Abs. 2 und 3 TVÜ zugrnde. Für Angestellte setzt sich das Vergleichsentgelt nach § 5 Abs. 2 TVÜ aus 25 der Grundvergütung, der allgemeinen Zulage und dem Ortszuschlag der Stufe 1 oder 2 zusammen. Für Arbeiter wird nach § 5 Abs. 3 TVÜ der Monatstabellenlohn als Vergleichsentgelt zugrunde gelegt. Grundsätzlich bestimmt sich nach § 5 Abs. 1 TVÜ das Vergleichsentgelt auf der Grundlage der im September 2005 erhaltenen Bezüge. Ausnahmsweise werden nach § 5 Abs. 4 TVÜ Beschäftigte, die im Oktober 2005 bei Fortgeltung des bisherigen Rechts die Grundvergütung bzw. den Lohn der nächst höheren Lebensalters- bzw. Lohnstufe erhalten hätten, für die Bemessung des Vergleichsentgelts so behandelt, als wäre der Stufenaufstieg bereits im September 2005 erfolgt. In einem nachfolgenden 3. Schritt erfolgt die Stufenzuordnung der Ange- 26 stellten nach § 6 TVÜ und der Arbeiter nach § 7 TVÜ in die Entgelttabelle des TVöD. Dabei ist nach § 5 Abs. 4 Satz 1 TVÜ eine im Monat Oktober 2005 bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts erreichte höhere Lebensaltersstufe für die Vergleichsberechnung so zu behandeln, als wäre sie bereits im Monat September 2005 erfolgt. Darüber hinaus enthält § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ Konkurrenzregelungen zu den familienbezogenen Entgeltbestandteilen, die es erforderlich machen zu überprüfen, ob auch eine andere Person iSd. § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT ortszuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt ist. Bei der Stufenzuordnung von Arbeitern ist nach § 7 Abs. 1 TVÜ die Beschäftigungszeit nach § 6 BMT-G II zu ermitteln, wobei der Arbeiter derjenigen Stufe zugeordnet wird, die er erreicht hätte, wenn die Entgelttabelle des TVöD bereits zu Beginn der Beschäftigung gegolten hätte. Ist dieses Entgelt geringer als das individuelle Vergleichsentgelt, erfolgt eine Zuordnung zu einer Zwischenstufe, die dem individuellen Vergleichsentgelt entspricht, § 7 Abs. 3 Satz 1 TVÜ. 2. Berücksichtigung von anderen Zulagen Fraglich ist, ob neben der in § 11 Abs. 2 TVÜ erwähnten allgemeinen Zula- 27 ge auch andere Zulagen/Zuschläge entweder bei der Ermittlung des Vergleichsentgelts zu berücksichtigen oder zusätzlich zum Tabellenentgelt als solche fortzuzahlen sind. Eine generelle Antwort auf die Frage ist nicht möglich; auszugehen ist jedoch von folgenden Grundsätzen: 1 BAG v. 22.4.2009 – 4 ABR 14/08, NZA 2009, 1286. Groeger
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Teil 8
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Überleitungstarifverträge
28 Nach § 1 Abs. 4 TVÜ gelten die Bestimmungen des TVöD, soweit dieser Tarifvertrag, dh. der TVÜ, keine abweichenden Regelungen trifft. Sieht der TVöD keinen Anspruch auf eine andere Zulage bzw. einen Zuschlag vor, kommt es darauf an, ob der TVÜ eine Verpflichtung enthält, diese weiterzuzahlen. 29 Entsprechend der Kollisionsregel zwischen Tarifverträgen, wonach die Zeitkollisionsregel gilt und somit der jüngere Tarifvertrag dem älteren vorgeht, also das Günstigkeitsprinzip insoweit keine Anwendung findet, bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund, dass der TVöD iVm. dem TVÜ-Bund für den Bereich des Bundes die in der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A und der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil B aufgeführten Tarifverträge (einschließlich Anlagen) bzw. Tarifvertragsregelungen ersetzt, soweit im TVöD, im TVÜ-Bund oder in den Anlagen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. In der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil A ist unter der lfd. Nr. 1 der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) aufgeführt, der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund „einschließlich Anlagen“ durch den TVöD ersetzt wird. In der Anlage 1 TVÜBund Teil B sind unter den lfd. Nrn. 17 bis 20 Tarifverträge über Zulagen aufgeführt, unter den lfd. Nrn. 21 bis 23 Tarifverträge über Zuschläge und in den folgenden lfd. Nrn. Tarifverträge über Zuwendungen und sonstige zusätzliche Leistungen. 30 Geht es um eine Zulage bzw. einen Zuschlag, die/der nicht in einem der in der Anlage 1 Teil B aufgeführten Tarifvertrag geregelt ist, spräche dies im Grundsatz für eine Weitergeltung dieses Tarifvertrages. Allerdings sollen nach § 2 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich TVÜ-Bund „im Übrigen“ solche Tarifvertragsregelungen mit Wirkung vom 1.10.2005 durch den TVöD ersetzt werden, die einen Regelungsinhalt haben, der nach dem Willen der Tarifvertragsparteien durch den TVöD bzw. den TVÜ-Bund ersetzt oder aufgehoben worden ist. Dabei spielt der Wille der Tarifvertragsparteien, mit der Ersetzung des BAT durch den TVöD/TV-L das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes zu modernisieren, insbesondere Ansprüche auf Zahlungen, die nicht in einem unmittelbaren Austauschverhältnis mit der erbrachten Arbeitsleistung stehen, im neuen Tarifvertrag weitgehend nicht mehr vorzusehen, eine Rolle1. Dies allein kann aber derartige Ansprüche, sofern sie bestehen bzw. am 30.9.2005 sowie 31.10.2006 bestanden haben, nicht zu Fall bringen. 31 Durch die in den Anlagen 1 zum TVÜ-Bund aufgeführten Tarifverträge wird verdeutlicht, dass durch den TVöD insbesondere die Vergütungen für die Beschäftigten transparenter gestaltet und insgesamt vereinfacht werden sollten. Hinzu kommt, dass § 2 Abs. 3 iVm. der Anlage 1 TVÜ-Bund Teil C eine (beschränkte) Ausnahme für die dort unter den lfd. Nrn. 16 bis 22 aufgeführten Tarifverträge über unterschiedliche Zulagen vom Grundsatz des § 2 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich TVÜ-Bund enthält. 32 Das spricht dafür, dass andere Zulagen/Zuschläge nicht weiterzuzahlen sind. Dies gilt insbesondere für solche Zulagen/Zuschläge, die nur noch 1 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 228/07, ZTR 2008, 493.
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III. Kinderbezogene Entgeltbestandteile
Rz. 35
Teil 8
kraft nachwirkender Rechtsnormen des BAT gazahlt wurden, wie zB eine Zulage für Arbeitnehmer im Schreibdienst. Zwar entfällt die Nachwirkung eines abgelaufenen Tarifvertrags nur insoweit, als eine andere Abmachung denselben Regelungsbereich erfasst. Maßgebend ist dabei, inwieweit die andere tarifliche Abmachung die in den nachwirkenden Rechtsnormen behandelten Gegenstände betrifft. Dabei wird aber die Nachwirkung nicht nur dann beendet, wenn der neu in Kraft getretene Tarifvertrag die ursprüngliche Regelung aufgreift, bestätigt, abändert oder ausdrücklich für beendet erklärt. Auch eine stillschweigende Ablösung ist möglich, wenn ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu regelt, der bislang Gegenstand eines anderen Tarifvertrags war1. Regelt ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingun- 33 gen insgesamt neu, ersetzt er nach dem Ablösungsprinzip den vorangehenden Tarifvertrag insoweit grundsätzlich insgesamt. Abweichend von diesem Grundsatz können die Tarifvertragsparteien zwar vereinbaren, dass trotz einer Neuregelung bisher geltende Regelungen auch künftig weiter gelten sollen. In diesem Fall löst der neue Tarifvertrag die alte Ordnung nur in dem vorgesehenen Umfang ab2. Derartige abweichende Regelungen bedürfen jedoch im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit besonderer Bestimmtheit und Deutlichkeit3. Derartige besondere Anhaltspunkte fehlen jedoch in den Überleitungstarifverträgen. Entgegen der hier vertretenen Ansicht hat das ArbG Bonn entschieden, 34 dass nach der Kündigung der Anlage 1a zum BAT der Abschnitt N seit dem 1.1.1984 nur noch kraft Nachwirkung gegolten hat und die Regelung in der Protokollnotiz Nr. 3 der Anlage 1a BAT, Teil II, Abschnitt N, Unterabschnitt I weder durch den Tarifvertrag vom 28.9.1990 noch durch den TVöD iVm. dem TVÜ-Bund abgelöst worden sei, so dass auch weiterhin eine Zulage für Schreibkräfte gezahlt werden müsse4.
III. Kinderbezogene Entgeltbestandteile Bereits aus § 5 Abs. 2 TVÜ, wonach in das Vergleichsentgelt nur der Orts- 35 zuschlag der Stufen 1 oder 2 einfließt, wird deutlich, dass kinderbezogene Teile des Ortszuschlags bei der Bemessung des Vergleichsentgelts nicht berücksichtigt werden. § 11 Abs. 1 TVÜ bestimmt generell für sämtliche kinderbezogenen Entgeltbestandteile, dass diese unter bestimmten Voraussetzungen als Besitzstandszulage fortgezahlt werden. Es muss sich um Kinder handeln, die bereits im September 2005 zu berücksichtigen waren. Die sich auf solche Kinder beziehenden Entgeltbestandteile werden in der im September 2005 zustehenden Höhe als Besitzstandszulage fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem EStG oder nach dem BKGG ununter1 2 3 4
BAG v. 21.10.2009 – 4 AZR 477/08, juris. BAG v. 21.10.2009 – 4 AZR 477/08, juris. BAG v. 20.3.2002 – 10 AZR 501/01, BAGE 100, 377. ArbG Bonn v. 17.9.2009 – 1 Ca 1522/09, nv. (Berufung eingelegt LAG Köln 11 Sa 1300/09). Groeger
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Teil 8
Rz. 36
Überleitungstarifverträge
brochen gezahlt wird (oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG gezahlt würde).
IV. Konsequenzen und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 36 Das BAG geht vom Grundsatz der Tarifautonomie aus, wonach den Tarifvertragsparteien zwar einerseits ein relativ weiter Regelungsspielraum eröffnet ist, sie aber andererseits bei ihren Regelungen an die Wertentscheidungen der Grundrechte gebunden sind. Eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien lehnt der 6. Senat des BAG jedoch ab. 37 Den Tarifvertragsparteien steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen; vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt1. Zwar sind die Tarifvertragsparteien als Vereinigungen des privaten Rechts keine Grundrechtsadressaten iSd. Art. 1 Abs. 3 GG und nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Ihre Grundrechtsbindung folgt aber aus der Schutzfunktion der Grundrechte, die Gesetzgebung und Rechtsprechung dazu verpflichtet, auch die Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien in einer Weise zu begrenzen, dass sachwidrige oder diskriminierende Differenzierungen nicht wirksam werden können2. 38 Der 6. Senat des BAG geht ferner davon aus, dass es den Tarifvertragsparteien im Grundsatz auch freisteht, bisher gewährte tarifvertragliche Leistungen mit Wirkung für die Zukunft einzuschränken oder zu streichen3. Angesichts der Komplexität und der Vielzahl der zu regelnden Beschäftigungskonstellationen sei es unmöglich gewesen, eine Entgeltstruktur zu schaffen, die keine Nachteile für einzelne Beschäftigte oder Beschäftigungsgruppen in der Vergütungsstruktur gegenüber dem bisherigen Recht mit sich brachte. Nur mit Kompromissen beider Tarifvertragsparteien war der Einstieg in eine neue Entgeltstruktur für den öffentlichen Dienst möglich4. Für das Verständnis der tarifvertraglichen Regelungen wesentlich ist auch, dass sie von einem – eingeschränkten modifizierten – Stichtagsprinzip ausgegangen sind. 1. Berücksichtigung des Ortszuschlags Stufe 2 39 Der Ortszuschlag Stufe 2 stellt keine Gegenleistung für erbrachte Leistungen dar, sondern ist ein sozialer Ausgleich für den Mehraufwand, der sich aus den mit einer Ehe typischerweise verbundenen finanziellen Belastungen ungeachtet einer konkreten Bedarfssituation ergibt. Ihm kommt somit in erster Linie eine soziale, familienstandsbezogene Ausgleichsfunktion 1 2 3 4
BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 95/07, BAGE 124, 284. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 95/07, BAGE 124, 284. BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 682/07, NZA 2009, 218. BAG v. 17.12.2009 – 6 AZR 665/08, juris.
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IV. Konsequenzen und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
Rz. 41
Teil 8
zu1. Für den Ortszuschlag Stufe 2 enthält der BAT in § 29 Abschn. B Abs. 5 eine seit dem Inkrafttreten des 49. Änderungstarifvertrags zum BAT am 1.5.1982 geltende „Konkurrenzregelung“. Hierdurch wurde die bis dahin sinngemäß anzuwendende beamtenrechtliche Vorschrift des § 40 BBesG ersetzt. § 40 BBesG sah, wenn beide Ehepartner im öffentlichen Dienst tätig waren, ursprünglich für Beamte die vollen Ehegattenanteile des Ortszuschlags zugunsten beider Ehepartner vor. Durch das Haushaltsstrukturgesetz vom 18.12.1975 wurde die dem (späteren) § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT inhaltlich entsprechende Kürzungsregelung eingeführt, die mit Wirkung zum 1.7.1978 um die dritte Alternative der „entsprechenden Leistung“ ergänzt wurde. Mit der Änderung der Ortszuschlagsregelung für beiderseits im öffentlichen Dienst tätige Ehepartner sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bis dahin derselbe Tatbestand doppelt aus öffentlichen Kassen abgegolten wurde. Die Neuregelung sollte sicherstellen, dass grundsätzlich der volle, genauer: nur ein voller Ehegattenanteil für beide Ehepartner zusammen übrig bleibt2. Da die Tarifvertragsparteien im Jahr 1982 die Neuregelung des § 40 BBesG in den BAT übernommen haben, sind die Überlegungen zum Ziel der gesetzlichen Regelung auf den tariflichen Regelungszweck übertragbar3. Die Konkurrenzregelung in § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT bezweckt, der Erwerbsgemeinschaft der Ehepartner den ihr auf Grund ihrer Familienverhältnisse zustehenden Ortszuschlag grundsätzlich in voller Höhe zu erhalten4. Auch wenn es im Geltungsbereich des TVöD seit dem 1. Oktober 2005 kei- 40 ne familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr gibt, waren die Tarifvertragsparteien nicht gehindert, im Rahmen der Überleitung der Arbeitsverhältnisse vom BAT in den TVöD den Ortszuschlag bei der Bemessung des Vergleichsentgelts zu berücksichtigen und so den Besitzstand der Arbeitnehmer zum Überleitungsstichtag zu sichern. Ob insoweit auch andere Regelungen denkbar gewesen wären, ist jedenfalls im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unerheblich, weil die Zweckmäßigkeit einer Tarifregelung nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt5. Andererseits waren die Tarifvertragsparteien jedenfalls in Bezug auf Leis- 41 tungen mit besonderem Charakter, wie dem tariflichen Ortszuschlag, nicht verpflichtet, ein Regelwerk zu vereinbaren, das sämtliche auch nur mittelbar auftretende Unterschiede berücksichtigt und finanziell ausgleicht. Die Tarifvertragsparteien durften vielmehr – unter Inkaufnahme im Einzelfall eintretender mittelbarer Nachteile – Bestimmungen treffen, die familienbezogene Vergütungsbestandteile in genereller Weise behandeln. Die Tarifvertragsparteien mussten bei der Aufstellung der Überleitungsregelungen nicht den bisherigen Zustand unter Berücksichtigung aller Beschäftigungskonstellationen überzuleitender Paare erhalten6. 1 2 3 4 5 6
BAG v. 27.4.2006 – 6 AZR 437/05, BAGE 118, 123. BVerwG v. 1.9.2005 – 2 C 24/04, NVwZ 2006, 352. BAG v. 6.8.1998 – 6 AZR 166/97, AP § 29 BAT Nr. 14. BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 682/07, NZA 2009, 218. BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 682/07, NZA 2009, 218. BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 682/07, NZA 2009, 218. Groeger
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Rz. 42
Überleitungstarifverträge
42 Aus der Systematik des § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ, dem tariflichen Gesamtzusammenhang und der Tarifgeschichte wird deutlich, dass der Begriff „ortszuschlagsberechtigt“ in dem Sinne zu verstehen ist, dass die Ortszuschlagsberechtigung der anderen Person nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. TVÜ nicht an die tatsächliche Zahlung von Ortszuschlag am Überleitungsstichtag gebunden sein sollte, sondern die andere Person ungeachtet einer tatsächlichen Zahlung von Ortszuschlag bereits dann ortszuschlagsberechtigt war, wenn auf ihr Arbeitsverhältnis am 1.10.2005 eine der in § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz TVÜ genannten Regelungen Anwendung gefunden hat1. 43 Daher ist es nicht zu beanstanden, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ anordnet, dass bei der Überleitung eines Beschäftigten bei der Bildung des Vergleichsentgelts (lediglich) die Stufe 1 des Ortszuschlags zugrunde zulegen ist, wenn der Beschäftigte mit einer Person verheiratet ist, die nach beamtenrechtlichen Grundsätzen einen Familienzuschlag erhält2. Dies gilt auch dann, wenn bspw. der im Anwendungsbereich des BAT verbliebene Ehepartner des überzuleitenden Beschäftigten wegen einer Teilzeitbeschäftigung nur den entsprechend seiner Teilzeit gemäß § 34 BAT gekürzten Ortszuschlag beanspruchen kann3. Zwar haben die Tarifvertragsparteien des TVöD in den Überleitungsvorschriften für die Bildung des Vergleichsentgeltes im Falle einer Teilzeitbeschäftigung eines im Geltungsbereich des BAT verbleibenden Ehegatten keine ausdrückliche Regelung getroffen; es kann aber zum einen auf Grund der Regelungen in § 29 Abschn. B Abs. 5 Satz 2 BAT und zum anderen aufgrund der in § 5 Abs. 5 TVÜ-VKA nebst zugehöriger Protokollnotiz für den Fall enthaltenen Regelung, dass der übergeleitete Beschäftigte teilzeitbeschäftigt ist, nicht davon ausgegangen werden, dass sie sich zum Zeitpunkt der Verhandlungen des Problems nicht bewusst waren. Damit fehlt eine planwidrige Regelungslücke im Tarifvertrag, die Grundvoraussetzung für eine ergänzende Tarifvertragsauslegung sein könnte4. 44 Die Tarifvertragsparteien waren nach der Rechtsprechung des BAG insbesondere deswegen nicht verpflichtet, bei der Aufstellung der Überleitungsregelungen den bestehenden Zustand unter Berücksichtigung jeglicher Beschäftigungskonstellation überzuleitender Ehepaare zu erhalten, weil dies ohnehin nur bezogen auf einen bestimmten Stichtag möglich wäre. Nimmt man zu den möglichen Beschäftigungskonstellationen die finanziellen Veränderungen hinzu, die sich im Lauf der Zeit durch Veränderungen in der wöchentlichen Dauer der Arbeitszeit des teilzeitbeschäftigten Ehegatten oder gar durch einen Wechsel des Arbeitgebers ergeben können, wird ersichtlich, dass eine vollständig „gerechte“ Behandlung aller Fälle nicht erreichbar ist. Reduziert bspw. der zum Überleitungszeitpunkt vollbeschäftigte, ortszuschlagsberechtigte Ehegatte eines übergeleiteten Beschäftigten einige Zeit nach der Überleitung seine Arbeitszeit auf 1 2 3 4
BAG v. 17.12.2009 – 6 AZR 668/08, juris. BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 682/07, NZA 2009, 218. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 95/07, BAGE 124, 284. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 95/07, BAGE 124, 284.
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IV. Konsequenzen und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
Rz. 46
Teil 8
die Hälfte, fällt auch der Unterschiedsbetrag des Ortszuschlages Stufe 1 und 2 im Familieneinkommen nur noch zur Hälfte an. Auf Grund der vollzogenen Überleitung in den TVöD und des damit entfallenen Anspruchs des übergeleiteten Beschäftigten auf den Ortszuschlag kann ein finanzieller Ausgleich bei ihm nicht mehr erfolgen; auch eine nachträgliche Erhöhung des Vergleichsentgeltes scheidet aus. Umgekehrt kann sich infolge einer späteren Erhöhung der Arbeitszeit des im Überleitungszeitpunkt teilzeitbeschäftigten, ortszuschlagsberechtigten Ehegatten die Situation ergeben, dass sich das Familieneinkommen, bezogen auf den Ortszuschlag, nachträglich erhöht1. 2. Gegenkonkurrenzklauseln Nicht nur die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge, sondern 45 auch andere Tarifverträge und kirchliche Arbeitsrechtsregelungen enthielten bzw. enthalten Regelungen, die inhaltlich § 29 Abschn. B Abs. 5 Satz 2 BAT entsprechen oder nachgebildet sind. Diese Regelungen verfolgen denselben Zweck, nämlich eine Entbindung des Arbeitgebers von der Verpflichtung, an den Mitarbeiter den familienstandsbezogenen Anteil des Ortszuschlags zu zahlen, wenn dessen Ehepartner entweder einen Familienzuschlag der Stufe 1 oder Ortszuschlag der Stufe 2 gezahlt bekommt oder jedenfalls eine Leistung erhält, die eine diesen beamten- bzw. arbeitsrechtlichen Zuschlägen entsprechende soziale familienstandsbezogene Ausgleichsfunktion hat. Nach Ansicht des BAG hat mit der Bildung des Vergleichsentgelts ein bis 46 zum 30.9.2005 an den Ehepartner eines Arbeitnehmers gezahlter Ortszuschlag der Stufe 2 seinen bis dahin bestehenden Charakter eines sozialen Ausgleichs für die mit dem Familienstand der Ehe verbundenen finanziellen Belastungen verloren. Deshalb beziehe ein im öffentlichen Dienst beschäftigter, in den TVöD übergeleiteter Ehepartner eines kirchlichen Mitarbeiters seit dem 1.10.2005 auch dann keine Leistung mehr, die wesentlich gleichen Inhalts mit dem familienstandsbezogenen Anteil des Ortszuschlags ist, wenn in die Berechnung seines Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ der Ortszuschlag der Stufe 2 in voller Höhe eingeflossen ist. Der Ortszuschlag der Stufe 2 war zwar bis zum 30.9.2007 als Bestandteil des Vergleichsentgelts noch rechnerisch ermittelbar. Schon in diesem Zeitraum hatten jedoch Änderungen des Familienstands keine Neuberechnung des Vergleichsentgelts zur Folge, während es für den Ortszuschlag kennzeichnend und wesenstypisch war, dass er bei Änderungen der Familienverhältnisse überprüft und gegebenenfalls dem geänderten Familienstand angepasst wurde. Ungeachtet eines etwaigen familienpolitisch unterlegten Motivs, den Ortszuschlag der Stufe 2 in die Berechnung des Vergleichsentgelts einzubeziehen, war das Entgelt im Geltungsbereich des TVöD damit bereits seit Oktober 2005 in seiner Zusammensetzung strukturell grundsätzlich geändert. Die unter der Geltung der abgelösten Tarifverträge des öffentlichen Dienstes verfolgte familienstandsbezogene Ausgleichsfunk1 BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 95/07, BAGE 124, 284. Groeger
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Teil 8
Rz. 47
Überleitungstarifverträge
tion eines Teils des Entgelts ist seit Inkrafttreten des TVöD zugunsten eines reinen Leistungscharakters des Entgelts aufgegeben worden. Seitdem wird der Familienstand bei der Bemessung des Entgelts nicht mehr berücksichtigt. Soweit der Ortszuschlag der Stufe 2 in die Berechnung des Vergleichsentgelts eingeflossen ist, diente dies der Besitzstandswahrung entsprechend dem Status des Arbeitnehmers am Stichtag 30.9.2005. Änderungen des Familienstands nach diesem Zeitpunkt beeinflussten und beeinflussen die Höhe des Entgelts weder zu Gunsten noch zu Lasten des Arbeitnehmers1. 47 Diese Rechtsprechung führt im Ergebnis dazu, dass der Bund und die Kommunen mit der Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz TVÜ die öffentlichen oder ihnen nach § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 3 BAT gleichgestellten Arbeitgeber, die nicht gleichzeitig den TVöD angewendet haben, belastet haben, denn diese haben seit dem 1.10.2005 erstmals den vollen Ortszuschlag der Stufe 2 zu zahlen. Anders ist die Situation hingegen, wenn diese Arbeitgeber rechtzeitig, zumindest also gleichzeitig mit Inkrafttreten des neuen Tarifrechts für den öffentlichen Dienst, ihre Regelungen geändert haben. Derartige Regelungen, die im Ergebnis dazu führen, dass die öffentlichen Arbeitgeber Zahlungspflichten haben, die sie durch § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz TVÜ ausschließen wollten, sind kein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter. Die Tarifvertragsparteien müssen bei ihrer Normsetzung nicht fiskalische Interessen des Bundes, der Länder oder der Kommunen berücksichtigen2. Sie konnten vielmehr Ansprüche auf den Ortszuschlag der Stufe 2 auf bestimmte Fallgestaltungen beschränken oder auch ganz ausschließen. So hat bspw. die ebenfalls seit dem 1.10.2005 geltende Fassung der Gegenkonkurrenzklausel in § 29 Abschn. C Abs. 1 Unterabs. 2 KAT-NEK zur Folge, dass – anders als im Geltungsbereich des BAT – die Erwerbsgemeinschaft der Ehepartner ab diesem Tag nicht durch Zahlung des kirchlichen Arbeitgebers des Ehepartners des in den TVöD übergeleiteten Arbeitnehmers den Ortszuschlag der Stufe 2 erhält. Da § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ jedoch den Besitzstand entsprechend dem Status des Arbeitnehmers zum Überleitungsstichtag sicherstellen soll, kann der Ehepartner des in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten aufgrund der ab dem 1.10.2005 geltenden Fassung des § 29 Abschn. C Abs. 1 Unterabs. 2 KAT-NEK nicht mehr als andere ortszuschlagsberechtigte Person iSv. § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. TVÜ iVm. § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT angesehen werden. Der Beschäftigte ist daher in Bezug auf die Zahlung des Ortszuschlags Stufe 2 so zu behandeln wie ein Angestellter des öffentlichen Dienstes, dessen Ehepartner in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen tätig ist. Bei der Bildung des Vergleichsentgelts musste in diesen Fällen der Ortszuschlag Stufe 2 zugrunde gelegt werden3. 48 Jedenfalls dann, wenn ein bis zum 31.10.2005 abgeschlossener Tarifvertrag eines anderen Arbeitgebers, wie bspw. § 3 Abs. 2 Satz 2 BRK-ÜTV 1 BAG v. 17.7.2008 – 6 AZR 635/07, ZTR 2008, 613; v. 25.6.2009 – 6 AZR 384/08, ZTR 2009, 578. 2 BAG v. 26.11.1998 – 6 AZR 296/97, juris. 3 BAG v. 25.6.2009 – 6 AZR 72/08, ZTR 2009, 522.
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IV. Konsequenzen und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
Rz. 49
Teil 8
2005/2006, vorsieht, dass der Ortszuschlag mit Wirkung ab dem 1.10.2005 auf dem zuletzt, dh. im September 2005, gezahlten Betrag eingefroren wird und hätte dem Ehepartner anderenfalls, d.h. bei unverändertem Tarifrecht, der Ortszuschlag der höheren Stufe ab dem 1.10.2005 gezahlt werden müssen, weil der im öffentlichen Dienst beschäftigte Ehepartner seit dem 1.10.2005 keinen Anspruch auf den Ortszuschlag mehr hatte, besteht aufgrund der Regelung in § 3 Abs. 2 BRK-ÜTV 2005/2006 für die Zeit nach dem 1.10.2005 kein Anspruch des Ehepartners mehr auf Zahlung des ungekürzten Ortszuschlags der Stufe 2. Dies hat zur Folge, dass für den in den TVöD übergeleiteten Angestellten das Vergleichsentgelt unter Einbeziehung des ihm im September 2005 individuell zustehenden Unterschiedsbetrages zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlags zu berechnen war1. 3. Kinderbezogene Besitzstandszulage Die Besitzstandsregelungen des § 11 TVÜ knüpfen nach ihrem eindeutigen 49 Wortlaut daran an, dass Kinder im September 2005 zu berücksichtigen waren, für sie also dem in den TVöD/TV-L übergeleiteten Arbeitnehmer der kinderbezogene Entgeltbestandteil im Ortszuschlag bzw. der Sozialzuschlag gezahlt wurde. Waren beide Ehegatten im öffentlichen Dienst tätig, erhielt nach der Konkurrenzregelung des § 29 Abschn. B Abs. 6 Satz 1 BAT, ggf. iVm. § 33 BMT-G II, nur der Ehegatte den kinderbezogenen Entgeltbestandteil, dem das Kindergeld gewährt wurde oder ohne Berücksichtigung des § 65 EStG oder § 4 BKGG vorrangig zu gewähren gewesen wäre. Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ist das Kind in den gemeinsamen Haushalt von einem Elternteil und dessen Ehegatten aufgenommen worden, bestimmen diese untereinander den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag erhielt also im Konkurrenzfall des § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT bei einem gemeinsamen Hausstand des Ehepaares nur der Ehegatte, den die Eheleute als Anspruchsberechtigten für das Kindergeld bestimmt hatten. Anspruch auf die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-VKA hat in dieser Konstellation daher nur der Ehegatte, zu dessen Gunsten die Eheleute spätestens für September 2005 ihr Wahlrecht nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeübt hatten und der deshalb im September 2005 den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag bzw. den Sozialzuschlag bezog. Dies wird durch § 11 Abs. 1 Satz 2 TVÜ bestätigt. Danach entfällt der Anspruch auf die Besitzstandszulage, wenn die Kindergeldberechtigung wechselt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Anspruch auf die Besitzstandszulage nur der in den TVöD/TV-L übergeleitete Arbeitnehmer hat, der am Stichtag selbst kindergeldberechtigt im tariflichen Sinne war, also Kindergeld bezogen hat2.
1 BAG v. 17.9.2009 – 6 AZR 481/08, juris. 2 BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 712/07, NZA 2009, 214. Groeger
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Teil 8
Rz. 50
Überleitungstarifverträge
50 Die durch den Änderungsvertrag Nr. 2 vom 31.3.2008 zu § 11 Abs. 1 TVÜVKA hinzugefügte Protokollerklärung Nr. 3 gewährt iVm. der Protokollerklärung Nr. 5 Beschäftigten mit mehr als zwei Kindern, die im September 2005 für das dritte und jedes weitere Kind keinen kinderbezogenen Entgeltbestandteil erhalten haben, weil sie nicht zum Kindergeldberechtigten bestimmt waren, für die Zeit ab 1.7.2008 bzw. (bei entsprechendem Antrag vor dem 1.4.2008) ab 1.6.2008 für das dritte und jedes weitere Kind einen Anspruch auf die Besitzstandszulage, solange sie für diese Kindergeld erhalten. Diese Protokollerklärung ist jedoch eine bloße Härtefallregelung, die die mit der Überleitung in den TVöD für den in dieser Regelung angesprochenen Personenkreis der im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehepaare verbundenen Härten abfedern soll, und lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass die Tarifvertragsparteien der Besitzstandsregelung des § 11 TVÜ-VKA einen anderen Inhalt beimessen wollten, als der Wortlaut ergibt1. 51 Die Protokollerklärung zu § 11 TVÜ-L räumt jedoch in Satz 4 den Beschäftigten, die im Oktober 2006 nicht kindergeldberechtigt waren, Anspruch auf die Besitzstandszulage ein, sofern bis zum 31.12.2006 ein Berechtigtenwechsel erfolgt ist. Diese Bestimmung kann aber weder zur Auslegung des § 11 TVÜ-VKA herangezogen werden noch waren die Tarifvertragsparteien verpflichtet, im Geltungsbereich des TVöD Regelungen zu treffen, die denen im Bereich des TV-L vergleichbar wären2. 52 Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Deshalb kann die tarifliche Regelung nicht unmittelbar am Maßstab der Grundrechte gemessen werden, zumal der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 GG sich explizit nur an die staatliche Ordnung, nicht aber an die Tarifvertragsparteien als Vereinigungen privaten Rechts richtet. Die Tarifvertragsparteien haben deshalb nicht die Pflicht, durch tarifliche Regelungen zum besonderen Schutz von Ehe und Familie beizutragen3. Das Grundgesetz will aber keine wertneutrale Ordnung sein, sondern enthält in seinem Grundrechtsabschnitt verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts. Art. 6 Abs. 1 GG ist eine wertentscheidende Grundsatznorm, die nicht nur eine Institutsgarantie beinhaltet, sondern zugleich eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts enthält. Diese Wertentscheidung verpflichtet auch die staatlichen Gerichte, die kraft Verfassungsgebots bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts die sich aus dem Schutzauftrag der Verfassung ergebenden Modifikationen des Privatrechts zu beachten haben. Für die Auslegung und Anwendung tariflicher Normen, die die Belange von Ehe und Familie berühren, folgt daraus, dass die Tarifvertragsparteien aufgrund der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte bei ihrer tariflichen Normsetzung den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG 1 BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 712/07, NZA 2009, 214. 2 BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 712/07, NZA 2009, 214. 3 ErfK/Dieterich, Art. 6 GG Rz. 16.
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IV. Konsequenzen und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht
Rz. 55
Teil 8
beachten müssen, als selbständige Grundrechtsträger dabei aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie aber einen weitergehenden Gestaltungsspielraum als der Gesetzgeber haben. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu. Sie sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt. Dieser Spielraum ist jedoch wiederum durch die Wertentscheidungen des Art. 6 GG, denen die Arbeitsgerichte zur Geltung zu verhelfen haben, eingeengt. An diesem Maßstab gemessen, begegnet die tarifliche Übergangsregelung des § 11 TVÜ-VKA keinen Bedenken1. Allerdings gewährte § 11 TVÜ-VKA/Bund Arbeitnehmern, die im Monat 53 September 2005 in Elternzeit waren, bis zu seiner Änderung durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 31.3.2008 keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage für kinderbezogene Entgeltbestandteile. Durch die mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 2 eingefügten Protokollerklärungen Nr. 1 und 5 zu § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA/Bund wurde den Arbeitnehmern, die im September 2005 Elternzeit genommen hatten, frühestens ab dem 1.6.2008 ein Anspruch auf die tarifliche Besitzstandszulage eingeräumt. Die frühere Regelung war teilweise nichtig. Zwar ist eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Tarifvertrages nicht ohne Weiteres möglich. Die unzulässigerweise ausgeklammerten Personen haben jedoch dann Anspruch auf die Vergünstigung, wenn der Normgeber nur auf diesem Weg dem Gleichheitssatz Rechnung tragen kann oder wenn anzunehmen ist, dass der Normgeber bei Beachtung des Gleichheitssatzes alle zu berücksichtigenden Personen in die Vergünstigung einbezogen hätte. Das war hier der Fall2. Diese für die Elternzeit geltenden Grundsätze finden auch Anwendung, 54 wenn der Arbeitnehmer gem. § 50 Abs. 1 Buchst. a BAT wegen Sonderurlaubs zum Zwecke der Kinderbetreuung im September 2005 keine Arbeitsvergütung erhalten hat. Auch in diesem Fall führte die Stichtagsregelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA bei typisierender Betrachtung zu einer nicht mehr sachgerechten Gruppenbildung. Aufgrund des genannten grundrechtlichen Bezugs auch des Sonderurlaubs gem. § 50 Abs. 1 Buchst. a BAT zum Zwecke der Kinderbetreuung durften die Tarifvertragsparteien bei der gebotenen typisierenden Betrachtung auch Arbeitnehmer nicht allein deshalb aus der tariflichen Besitzstandsregelung ausnehmen, weil diese wegen dieses Sonderurlaubs im September 2005 kein Entgelt bezogen und damit auch keinen kinderbezogenen Entgeltbestandteil von ihrem Arbeitgeber gezahlt erhielten3. 4. Gegenkonkurrenzklauseln Bei der Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ handelt es sich um einen Entgeltbestandteil, der – anders als der familienstandsbezogene Orts1 Eingehend BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 712/07, NZA 2009, 214. 2 BAG v. 18.12.2008 – 6 AZR 673/07, juris. 3 BAG v. 18.12.2008 – 6 AZR 890/07, ZTR 2009, 322. Groeger
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Rz. 56
Überleitungstarifverträge
zuschlag der Stufe 2 – nicht nach § 5 Abs. 2 TVÜ in das Vergleichsentgelt einfließt, sondern getrennt ausgewiesen bleibt. Die Besitzstandszulage ist eine dem Ortszuschlag entsprechende Leistung wesentlich gleichen Inhalts, denn ihre Höhe hängt nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ von der dem Beschäftigten im September 2005 zustehenden Höhe der kinderbezogenen Entgeltbestandteile ab. Des Weiteren nimmt sie gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 TVÜ bei allgemeinen Entgeltanpassungen um den von den Tarifvertragsparteien für die jeweilige Entgeltgruppe festgelegten Prozentsatz an Entgelterhöhungen teil und wird nicht angerechnet. Verlangt eine Gegenkonkurrenzklausel, wie bspw. in der Anlage 1 Abschn. V (i) Abs. 2 AVR, nicht den Bezug einer dem Ortszuschlag in jeder Hinsicht gleichwertigen Leistung, sondern lediglich dass dem Ehegatten eine dem Ortszuschlag entsprechende Leistung wesentlich gleichen Inhalts zusteht, wird diese Anforderung durch die Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ erfüllt1.
V. Stufenzuordnung nach Beförderung, Stufenaufstieg 56 Grundsätzlich erfolgte nach der Stufenzuordnung zur Überleitung für Angestellte nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ der Aufstieg zur nächst höheren regulären Stufe der Entgeltgruppe zum 1.10.2007 und richtete sich nach Satz 3 der weitere Stufenaufstieg nach den Regelungen des TVöD. Für Arbeiter enthält der TVÜ keine eigenständige Regelung über den nächsten Stufenaufstieg innerhalb der Entgeltgruppe, sondern sieht § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ vor, dass sich der weitere Stufenaufstieg nach den Regelungen des TVöD richtet. 57 Für Angestellte bestimmt § 6 Abs. 2 TVÜ, dass dann, wenn sie vor dem 1.10.2007 höhergruppiert worden sind (nach § 8 Abs. 1 und 3 1. Alternative, § 9 Abs. 3 Buchst. a oder aufgrund Übertragung einer mit einer höheren Entgeltgruppe bewerteten Tätigkeit), sie in der höheren Entgeltgruppe Tabellenentgelt nach der regulären Stufe erhalten, deren Betrag mindestens der individuellen Zwischenstufe entspricht, jedoch nicht weniger als das Tabellenentgelt der Stufe 2. Auch dann richtet sich der weitere Stufenaufstieg nach den Regelungen des TVöD. In diesem Fall entfällt ein Aufstieg in die nächst höhere Stufe der Entgeltgruppe zum 1.10.2007 nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ, denn dieser Stufenaufstieg war Arbeitnehmern vorbehalten, die noch zu diesem Zeitpunkt einer individuellen Zwischenstufe zugeordnet waren2. Selbst wenn ein Arbeitnehmer aufgrund des Zeitpunkts, zu dem seine Beförderung vergütungswirksam geworden ist, Vergütungsnachteile sowohl gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern, die vor dem 1.10.2005 befördert worden sind, als auch gegenüber solchen, bei denen dies nach dem 1.10.2007 geschehen ist, erleidet und sogar – vorübergehend – dadurch finanziell schlechter gestellt wird, als wenn er gar nicht befördert worden wäre, sind diese Folgen von der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien gedeckt und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Angestellten 1 BAG v. 13.8.2009 – 6 AZR 319/08, ZTR 2009, 639. 2 BAG v. 13.8.2009 – 6 AZR 244/08, ZTR 2009, 524.
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V. Stufenzuordnung nach Beförderung, Stufenaufstieg
Rz. 58
Teil 8
wurden in den TVöD unter Wahrung ihres individuellen Besitzstandes übergeleitet, der noch die Vergütungsstruktur des BAT abbildete, nach der für die Höhe der Vergütung neben der Art der Tätigkeit das Alter bzw. die Beschäftigungsdauer sowie der Familienstand unter Berücksichtigung des Umstandes, ob der Ehepartner ebenfalls im öffentlichen Dienst beschäftigt war, maßgeblich war. Dies hatte eine unübersehbare Vielzahl von individuellen Zwischenstufen zur Folge, wobei auch Angestellte mit gleicher Tätigkeit aufgrund unterschiedlicher Beschäftigungsdauer und Familienstandes verschiedenen Zwischenstufen zugeordnet sein konnten. Aufgrund der Komplexität und der Vielzahl der zu regelnden Konstellationen war es unmöglich, eine Entgeltstruktur zu schaffen, bei der eine Beförderung in keinem denkbaren Fall vorübergehende finanzielle Nachteile mit sich bringen konnte. Zudem enthält der TVöD eine Entgeltstruktur, die von stark unterschiedlichen Gehaltssteigerungen zwischen den verschiedenen Entgeltgruppen und Stufen gekennzeichnet ist. Eine Sonderregelung zur Vermeidung von Vergütungsnachteilen bei Beförderungen in allen Einzelfällen hätte zu einem noch komplizierteren und schwerer zu handhabenden Regelwerk geführt. Eine solche Regelung hätte zudem entgegen dem Willen der Tarifvertragsparteien das Vergütungssystem des BAT perpetuiert und die endgültige Umstellung auf die neue Entgeltstruktur erheblich verzögert1. Nach § 7 Abs. 1 TVÜ ist für die Stufenzuordnung innerhalb einer Entgelt- 58 gruppe die Dauer der Beschäftigungszeit iSv. § 6 Abs. 1 BMT-G maßgeblich; die Stufenzuordnung erfolgt zu der Stufe, die der Beschäftigte mit der genannten Beschäftigungszeit erreicht hätte, wenn die Entgelttabelle des TVöD bereits seit Beginn der Beschäftigungszeit gegolten hätte2. Nach der aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 TVÜ durchgeführten erstmaligen Zuordnung des Arbeiters zu einer regulären Entgeltstufe der Entgeltgruppen des TVöD erfolgt der weitere Stufenaufstieg erst dann, wenn die gem. § 16 Abs. 3 TVöD erforderliche Zeit in dieser Entgeltstufe in vollem Umfang nach dem 1.10.2005 zurückgelegt worden ist. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Zusammenhang der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ. In § 7 Abs. 1 TVÜ wird eindeutig zwischen der erstmaligen Einstufung in das neue Entgeltsystem des TVöD und dem weiteren Stufenaufstieg in diesem neuen System differenziert. Nur bei der im Rahmen der Überleitung erforderlichen ersten Zuordnung zu einer Stufe des neuen Entgeltsystems war nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TVÜ die Beschäftigungszeit nach § 6 BMT-G zugrunde zu legen. Nach Durchführung der Überleitung ist dagegen die Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten nicht mehr vorgesehen. § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ bestimmt vielmehr für den Regelfall, in dem der Arbeiter nach der Überleitung gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 TVÜ mindestens seinen bisherigen Lohn weiter erhielt, dass sich der weitere Stufenaufstieg ausschließlich nach den Regelungen des TVöD richtet. Für den weiteren Stufenaufstieg spielt die im bisherigen Tarifsystem zurückgelegte Beschäftigungszeit also keine Rolle mehr. Diese Begrifflichkeit und der an sie anknüpfende auto1 Eingehend BAG v. 13.8.2009 – 6 AZR 244/08, ZTR 2009, 524. 2 BAG v. 26.6.2008 – 6 AZR 498/07, ZTR 2008, 547. Groeger
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Teil 8
Rz. 59
Überleitungstarifverträge
matische Aufstieg in den Stufen des Monatstabellenlohns nach § 21a BMT-G ist von den Tarifvertragsparteien mit Einführung des TVöD aufgegeben worden. Nunmehr richtet sich der Aufstieg in den Entgeltstufen des TVöD nach § 16 Abs. 3 TVöD grundsätzlich nach der Zeit in derselben Entgeltgruppe und erfolgt ab der Stufe 3 leistungsabhängig. Für den von § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ erfassten weiteren Stufenaufstieg ist also nur die nach dem 1.10.2005 zurückgelegte Zeit maßgeblich1.
VI. Strukturausgleich 59 Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten gem. § 12 TVÜ-Bund ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1.10.2005, sofern in Anlage 3 TVÜBund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. In den Niederschriftserklärungen zu § 12 haben die Tarifvertragsparteien festgehalten, dass sie sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst sind, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderungen von Exspektanzverlusten hin. 60 Übergeleitete Beschäftigte, die in dem für die Vorschrift maßgebenden Zeitpunkt den Ortszuschlag der Stufen 3 oder höher erhalten haben, haben nach einem Urteil des LAG Niedersachsen keinen Anspruch auf einen Strukturausgleich. Der Ortszuschlag der Stufen 3 und höher ist etwas anderes als der in der Anlage 3 erwähnte Ortszuschlag 2. Der Ortszuschlag 2 schließt den Ortszuschlag 4 nicht ein, wie die Auslegung dieser tarifvertraglichen Bestimmung ergibt2. Das LAG NIedersachsen sieht darin keine Verletzung des Art. 3 GG, weil die Tarifvertragsparteien mit der Anlage 3 zum TVÜ-Bund weitestgehend von einer generalisierenden Regelung abgesehen und stattdessen eine Vielzahl von Einzelfällen normiert haben. Diese Einzelfälle bilden einen Ausnahmecharakter. Die Tarifvertragsparteien waren sich ausweislich der Niederschriftserklärung des Umstandes bewusst, dass eine Systematik in dem Ausgleich nicht erzielt werden kann, lediglich in Einzelfällen der Exspektanzverlust abgemildert werden soll. Wegen des Ausnahmecharakters, durch eine enumerative Aufzählung von Einzelfällen, die hinsichtlich der Anzahl deutlich gegenüber anderen Fällen zurückbleiben, hält das LAG Niedersachsen diese Regelung für „noch vom Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien gedeckt“. Das Argument, die Tarifvertragsparteien hätten generell die Bezieher von Kindergeld von 1 BAG v. 13.8.2009 – 6 AZR 177/08, ZTR 2009, 633. 2 LAG Niedersachsen v. 10.9.2009 – 5 Sa 85/09, juris (Revision eingelegt unter 6 AZR 726/09).
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VII. Ausschlussfrist § 37 TVöD/TV-L
Rz. 62
Teil 8
dem Strukturausgleich ausgeschlossen, was ungerecht sei, mag zwar zutreffen; allein diese Ungerechtigkeit führe jedoch noch nicht zur Verfassungswidrigkeit. „Vergütungsgruppe“ im Sinne von § 12 Abs 1 Satz 2 des TVÜ-Bund iVm. 61 der Anlage 3 ist diejenige Vergütungsgruppe, in welche der Arbeitnehmer aufgrund Erfüllung der materiellen Vergütungsgruppenmerkmale originär eingruppiert war, nicht aber die bspw. durch Zeit- oder Bewährungsaufstieg erreichte Vergütungsgruppe, aus der zum Stichtag der Überleitung in den TVöD tatsächlich Vergütung gezahlt wurde1.
VII. Ausschlussfrist § 37 TVöD/TV-L Die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 TVöD steht einer Neuberech- 62 nung des Vergleichsentgelts nicht entgegen. Sie bezieht sich ebenso wie die des § 70 BAT auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Das sind, soweit es sich um laufende Ansprüche handelt, die monatlich neu entstehenden Ansprüche. Das dem laufend neu entstehenden Anspruch zugrunde liegende Recht unterliegt dagegen nicht der Ausschlussfrist. Nicht dem Verfall unterliegt deshalb das Recht, sich auf eine höhere oder ggf. auch niedrigere als die vom Arbeitgeber zunächst anerkannte Eingruppierung zu berufen. Dagegen ist auf die einzelnen Zahlungsansprüche, die sich aus einer Änderung der Eingruppierung ergeben, die Ausschlussfrist anwendbar. Dementsprechend kann die Berechnung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ auch noch nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 37 TVöD geändert werden. Nur die sich daraus ergebenden Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers bzw. weitergehenden Entgeltansprüche des Arbeitnehmers unterliegen der Ausschlussfrist des § 37 TVöD2.
1 LAG Baden-Württemberg v. 22.10.2008 – 13 Sa 77/08, ZTR 2009, 28. 2 BAG v. 25.6.2009 – 6 AZR 384/08, ZTR 2009, 578. Groeger
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Teil 9 Grundlagen des Personalvertretungsrechts
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ableitung aus dem Grundgesetz . 2. Verfassungsrechtliche Grenzen. . a) Legitimationsstufe 1 . . . . . . . . b) Legitimationsstufe 2 . . . . . . . . c) Legitimationsstufe 3 . . . . . . . .
Rz.
Rz.
1 1 2 4 5 6
2. Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Einleitung des Verfahrens . . . . . . 124 b) Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Verletzung der Anhörungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
II. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dienststelle/Dienstbehörde . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personalvertretung . . . . . . . . . . . . a) Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wahlberechtigung . . . . . . . bb) Wählbarkeit . . . . . . . . . . . . cc) Größe der Personalvertretung . . . . . . . . . . . . . . dd) Wahlverfahren . . . . . . . . . . ee) Wahlanfechtung. . . . . . . . . c) Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geschäftsführung. . . . . . . . . . . e) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsstellung der Personalratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsstellung/Ehrenamt. bb) Versäumnis der Arbeitszeit/Fortzahlung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . cc) Freistellung . . . . . . . . . . . . dd) Berufliche Entwicklung freigestellter Personalratsmitglieder. . . . . . . . . . . ee) Kündigungs- und Versetzungsschutz . . . . . . . . . . . . ff) Übernahme von Auszubildenden . . . . . . . . . . . .
76
III. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. . . . . . . . . . . . . .
81
IV. Art der Beteiligung . . . . . . . . . . . . 1. Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . a) Volles Mitbestimmungsrecht . b) Zustimmungsverweigerungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Initiativrecht (§ 70 Abs. 1 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . e) Letztentscheidung . . . . . . . . . . f) Dienstvereinbarungen . . . . . . .
10 10 10 14 22 27 27 32 33 37 39 40 45 50 51 53 63 63 64 66 68 72
93 94 95 107 111 115 118 120
V. Katalog der Beteiligungsrechte . . . . 133 1. Mitbestimmungsrechte . . . . . . . . . . 134 a) Einstellung (§§ 75 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG) . . . . . . . 136 b) Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit, Höher- und Rückgruppierung, Eingruppierung (§§ 75 Abs. 1 Nr. 2 und 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG), Beförderung, Übertragung, eines anderen Amtes mit höherem Grundgehalt ohne Änderung der Amtsbezeichnung, Verleihung eines anderen Amtes mit anderer Amtsbezeichnung beim Wechsel der Laufbahngruppe, Laufbahnwechsel (§ 76 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Versetzungen und Umsetzungen innerhalb der Dienststelle (§§ 75 Abs. 1 Nr. 3 und 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG) . . . . . . . . . 142 d) Abordnung und Zuweisung nach § 29 BBG für eine Dauer von mehr als drei Monaten (§§ 75 Abs. 1 Nr. 4, 4a und 76 Abs. 1 Nr. 5, 5a BPersVG) . . . . . . 144 e) Weiterbeschäftigung über die Altersgrenzen hinaus (§ 75 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG) und Hinausschieben des Ruhestandes (§ 76 Abs. 1 Nr. 9 BPersVG) . . . . . 145 f) Anordnungen, welche die Freiheit in der Wahl der Wohnung beschränken (§§ 75 Abs. 1 Nr. 6 und 76 Abs. 1 Nr. 6 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . 147 g) Versagung einer beantragten Nebentätigkeitsgenehmigung und Widerruf einer solchen (§ 75 Abs. 1 Nr. 7 und § 76 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG) . . . . . . . . . 148
Sasse
801
Teil 9
Grundlagen des Personalvertretungsrechts Rz.
h) Ablehnung eines Antrages gem. §§ 91, 92, 95 BBG auf Teilzeitbeschäftigung, Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit oder Urlaub (§ 76 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG) . . . . . . . i) Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 75 Abs. 2 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Mitbestimmung in Angelegenheiten des Dienstbetriebes (§§ 75 Abs. 3 und 76 Abs. 2 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . bb) Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Dienstbezüge und Arbeitsentgelte (§ 75 Abs. 3 Nr. 2 BPersVG) . . . . cc) Urlaubsplan und Lage des Urlaubs (§ 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . dd) Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle (§ 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . ee) Sozialeinrichtungen (§ 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG) . . . . ff) Durchführung der Berufsausbildung bei Arbeitnehmern (§ 75 Abs. 3 Nr. 6 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . gg) Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen für Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 3 Nr. 7 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . hh) Inhalte von Personalfragebögen (§ 75 Abs. 3 Nr. 8 und § 76 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . ii) Beurteilungsrichtlinien (§ 75 Abs. 3 Nr. 9 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . jj) Bestellung von Vertrauens- oder Betriebsärzten als Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 3 Nr. 10 BPersVG) . . .
802 Sasse
149 150
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Rz. kk) Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen (§ 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG) 164 ll) Grundsätze über die Bewertung von anerkannten Vorschlägen im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens (§ 75 Abs. 3 Nr. 12 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 mm) Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Umschulungsplänen bei Rationalisierungsmaßnahmen (§ 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG) . . . . . 166 nn) Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten, die besetzt werden sollen (§ 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG) . . . . . 167 oo) Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten (§ 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG) 168 pp) Gestaltung der Arbeitsplätze (§ 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 qq) Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG) . . . . . . . . . . . 173 rr) Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und Erleichterung des Arbeitsablaufes (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG) . . . . . . . . . . . . 175 ss) Fortbildung der Beschäftigten (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 tt) Einführung grundlegender neuer Arbeitsmethoden (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 uu) Erlass von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung und Kündigung (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG) . . . . . . . . . . . . 179 vv) Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen Beschäftigten (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 1 Rz.
ww) Maßnahmen, die der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BPersVG). . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitwirkung des Personalrates. . . a) Mitwirkung des Personalrates bei Kündigungen (§ 79 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkung bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitwirkung bei der Auflösung von Dienststellen (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) . . . . . . . d) Erhebung von Disziplinarklagen (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181 182 182
183 184
Teil 9 Rz.
e) Entlassung von Beamten auf Probe (§ 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 f) Vorzeitige Versetzung in den Ruhestand (§ 78 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Anhörungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Personalanforderungen zum Haushaltsvoranschlag (§ 78 Abs. 3 BPersVG) . . . . . . . . . . 191 b) Neu-, Um- und Erweiterungsbau von Diensträumen (§ 78 Abs. 4 BPersVG) . . . . . . . . . . 192 c) Änderung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen (§ 78 Abs. 5 BPersVG) . . . . . . . . . . 193 4. Sonstige Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
186
Schrifttum: Bieler/Harz/Vogelgesang/Plassmann/Kleffner, Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, Loseblatt; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, Kommentar zum TV-L, Loseblatt; Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht, 2000; Gola/Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, 4. Aufl. 2008.
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen 1. Ableitung aus dem Grundgesetz Eine ausdrückliche Gewährleistung der Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen fehlt im Grundgesetz. Das BVerfG hat mehrfach ausdrücklich offen gelassen, ob die Grundrechte oder das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG den Gesetzgeber verpflichten, für den Bereich des öffentlichen Dienstes in gewissem Umfang Beteiligungsrechte eines gewählten Repräsentationsorgans der Beschäftigten zu schaffen1. Geschützt durch das Grundgesetz ist gemäß Art. 9 Abs. 3 GG die gewerkschaftliche Betätigung in Personalvertretungen2. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für 1 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVWZ 1996, 574, 576; unter Verweis auf BVerfG v. 27.3.1979 – 2 BvL 2/77, NJW 1979, 1877, 1878; Lechler, PersV 2007, 218, 219; RDW/Richardi, Rz. 42, aA Altvater, BPersVG, § 1 Rz. 14, die davon ausgehen, dass die gesetzlichen Regelungen über die Bildung der Personalvertretung auf dem Sozialstaatsprinzip und auf den Grundrechten beruhen; ebenso Rinken, PersR 1999, 523, 525; ähnlich zum BetrVG, DKK/Trümner, BetrVG, § 1 Rz. 7, kritisch dazu, dass sich das BVerfG nicht mit dieser Frage befasst hat, v. Roetteken, NVwZ 1996, 552, 553. Instruktiv zur Frage der Machtbegrenzung durch das BPersVG Steiner, DÖD 2008, 241 ff. 2 BVerfG v. 30.11.1965 – 2 BvR 54/62, NJW 1966, 491; v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78, NJW 1979, 699, 710. Sasse
803
1
Teil 9
Rz. 2
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
das Personalvertretungsrecht folgt aus Art. 73 Nr. 8 GG. Danach steht dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen zu1. Für die Gesetzgebung der Länder sind die §§ 95 bis 106 BPersVG Rahmenvorschriften (§ 94 BPersVG). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Landespersonalvertretungsrecht ergab sich bis zur Föderalismusreform im Jahr 2006 aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG aF. Damit fehlt es nunmehr an einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die §§ 94 bis 106 BPersVG, welche die Rahmenvorschriften für die Länder enthalten. Hier greift nunmehr die Übergangsregelung des Art. 125a Abs. 1 GG ein. Danach gelten diese Vorschriften als Bundesrecht fort. Jedoch besteht eine Ersetzungsbefugnis des Landesgesetzgebers2. 2. Verfassungsrechtliche Grenzen 2
Das BVerfG hat sich nach vorangegangener erheblicher Diskussion mit Beschluss vom 24.5.19953 mit den Fragen der verfassungsrechtlichen Grenzen der Personalvertretung auseinander gesetzt. Anlass für diese Auseinandersetzung war das Mitbestimmungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein. Dieses sah die Mitbestimmung des Personalrates bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Beschäftigten der Dienststelle oder denen gleichgestellte Personen betreffen, vor. Die Beteiligung konnte bis zum Entscheidungsrecht einer unabhängigen Einigungsstelle reichen. Das BVerfG stellte fest, dass einerseits die Mitbestimmung sich nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur so weit gehen dürfe, als die spezifischen, in dem Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigten (Schutzzweckgrenze)4. Andererseits verlangte das Demokratieprinzip für die Ausübung von Staatsgewalt bei Entscheidungen von Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrages jedenfalls, dass die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers gesichert ist (Verantwortungsgrenze)5.
3
Je weniger die zu treffende Entscheidung typischerweise die verantwortliche Wahrnehmung des Amtsauftrages und je nachhaltiger sie die Interessen der Beschäftigten berührt, desto weiter kann die Beteiligung der Personalvertretung reichen6. Dies konkretisiert das Gericht in drei Fallgruppen, die ein aufsteigendes demokratisches Legitimationsniveau beschreiben7.
1 Jarras/Pieroth, GG, Art. 73 Rz. 28; v. Mangoldt/Klein/Starck/Hintzen, GG, Art. 73 Rz. 78, 81. 2 Kritisch zu möglichen Konsequenzen Biermann/Kammradt, PersR 2006, 444, 446. 3 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574 ff. 4 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 576. 5 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 576. 6 BVerfG, v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 576. 7 Kersten, RdA 2001, 23, 24; kritisch gegenüber dieser Zuordnung Rinken, PersR 1999, 523, 524 f.
804 Sasse
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen
Rz. 5
Teil 9
a) Legitimationsstufe 1 Sofern Angelegenheiten in ihrem Schwerpunkt die Beschäftigten in ihrem 4 Beschäftigungsverhältnis betreffen und typischerweise nicht oder nur unerheblich die Wahrnehmung von Amtsaufgaben gegenüber dem Bürger berühren, zB soziale Angelegenheiten gem. § 75 Abs. 2 oder Abs. 3 (mit Ausnahme der Nr. 10, 14 und 17) BPersVG, gestattet das Demokratieprinzip eine weit reichende Mitwirkung der Beschäftigten. Hier kann der Gesetzgeber vorsehen, dass solche Maßnahmen an die Mitbestimmung der Personalvertretung gebunden sind und im Falle einer Nichteinigung die Entscheidung einer weisungsunabhängigen Einigungsstelle überlassen werden kann. Es bedarf aber auch hier einer – abgeschwächten – demokratischen Legitimation. Diese wird dadurch sichergestellt, dass Personalrat und Einigungsstelle bei ihrer Tätigkeit an Recht und Gesetz gebunden sind und zumindest die Mehrheit der Mitglieder der im Nichteinigungsfalle entscheidenden Einigungsstelle jedenfalls in gewissem Maße personell demokratisch legitimiert ist und zusätzlich Entscheidungen, die im Einzelfall wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwohl wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, einem parlamentarisch verantwortlichen Amtsträger vorbehalten bleiben (§ 104 Satz 3 BPersVG). Letzteres kann zB in Form eines Evokationsrechtes vorgesehen werden1. b) Legitimationsstufe 2 Maßnahmen, die den Binnenbereich des Beschäftigungsverhältnisses be- 5 treffen, die Wahrnehmung des Amtsauftrages jedoch typischerweise nicht nur unerheblich berühren, bedürfen eines höheren Maßes an demokratischer Legitimation, diese kann aber auf unterschiedliche Weise bewirkt werden. Hierzu rechnen zB Maßnahmen gem. §§ 75 Abs. 3 Nr. 14 und 17, 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG. Diese Maßnahmen werden in der Regel nicht so weit vorstrukturiert, dass sie sich auf eine messbare richtige Planungsoder Gesetzesdurchführung beschränken. Deshalb muss jedenfalls die Möglichkeit der verbindlichen Letztentscheidung durch einen parlamentarisch verantwortlichen Amtsträger vorbehalten bleiben. Die Kompetenz einer Einigungsstelle könne hier nur unter der Voraussetzung hingenommen werden, dass die Mehrheit ihrer Mitglieder uneingeschränkt personell demokratisch legitimiert sei und die Entscheidung darüber hinaus von einer Mehrheit der so legitimierten Mitglieder getragen werde2. Das BVerfG verweist hier auf Ausführungen von Bockenförde3. Der Gesetzgeber könne den der Einigungsstelle anhaftenden Makel demokratischer Legitimation durch das Letztentscheidungsrecht einer in parlamentarischer Verantwor-
1 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 576. 2 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 576 (doppelte Mehrheit); vgl. hierzu Battis/Kersten, DÖV 1996, 584, 590; BVerfG v 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, NVwZ 2003, 974, 975. 3 Isensee/Kirchhoff/Bockenförde, Handbuch des Staatsrechts I, 1. Aufl., 1987, §§ 22, 25. Sasse
805
Teil 9
Rz. 6
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
tung stehenden oder dem Weisungsrecht eines parlamentarisch verantwortlichen Amtsträgers unterliegenden Stelle ausgleichen1. c) Legitimationsstufe 3 6
Innerdienstliche Maßnahmen, insbesondere organisatorische, personelle und in Einzelfällen soziale Maßnahmen, die schwerpunktmäßig die Erledigung von Amtsaufgaben betreffen, unvermeidlich aber auch die Interessen der Beschäftigten berühren, sind stets von so großer Bedeutung für die Erfüllung des Amtsauftrages, dass die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung für sie keine substantiellen Einschränkungen erfahren darf. Beispielhaft ist hier die Privatisierung von Aufgaben und Dienststellen zu nennen2. Sofern in diesen Fällen Personalvertretung und Einigungsstelle in die Willensbildung und Entscheidungsfindung einbezogen werden, kann dies – jedenfalls auf der letzten Stufe – allenfalls in Form der sog. eingeschränkten Mitbestimmung geschehen. Die Entscheidung der Einigungsstelle darf nur den Charakter einer Empfehlung an die zuständige Dienstbehörde haben3.
7
Auch wenn sich der Beschluss des BVerfG unmittelbar nur auf das Land Schleswig-Holstein bezog, so hat das Gericht in den tragenden Entscheidungsgründen festgestellt, inwieweit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 iVm. Art. 20 Abs. 2 GG einer Beteiligung der Personalvertretung an Maßnahmen im Bereich von Regierung und Verwaltung verfassungsrechtliche Grenzen setzt4. Die Entscheidung bindet gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Dies bedeutet, dass nicht nur der Tenor, sondern auch die tragenden Gründe eine über den Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung entfalten.
8
Nach der Entscheidung des BVerfG vom 24.5.1995 ist der Gesetzgeber untätig geblieben5. Das BVerwG ging in ersten Entscheidungen davon aus, dass in Fällen, in denen die fragliche Maßnahme bei der Aufgabenerfüllung gegenüber dem Bürger wesentliche Auswirkungen hat, ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht6. Das BVerfG hat dann im Jahre 2001 einen Sachverhalt betreffend das Personalvertretungsgesetz des Landes Brandenburg zu entscheiden gehabt. Hier verwies es auf die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung. Auch wenn das Personalvertretungsgesetz des Landes Brandenburg vorsehe, dass eine ordentliche Änderungskündigung von der vorherigen Zustimmung des Personalrates abhängig sei, hätte das vorlegende Gericht erwägen müssen, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung über die Heranziehung des § 73 BbgPersVG zu vermeiden. 1 2 3 4 5 6
BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVWZ 1996, 574, 596. Gutzeit, ZIP 2009, 354, 360 f. BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574, 576. Flintrop/Leuze, PersV 2005, 298. Flintrop/Leuze, PersV 2005, 298, 302; Vogelgesang, ZTR 2003, 366, 367. BVerwG v. 28.3.2000 – 6 P 4.00, ZTR 2001, 376, 378; BVerwG v. 3.12.2001 – 6 P 12.00, NZA-RR 2002, 666, 668 f.; siehe auch v. Roetteken, NZA-RR 2001, 505, 506.
806 Sasse
II. Beteiligte
Rz. 10
Teil 9
Nach dieser Vorschrift hätte der Hauptverwaltungsbeamte von seinem Letztentscheidungsrecht Gebrauch machen können1. In der Folge dieser Entscheidung hat das BVerwG dann seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Es nahm nunmehr das Vorliegen einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Lücke an, welche durch Analogie geschlossen werden kann. Die Entscheidung der Einigungsstelle wird nunmehr als Empfehlung angesehen2. Gegen diese Rechtsprechung wird eingewandt, dass sie schon im Ansatz problematisch sei, weil sie dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften widerspreche und eindeutige gesetzgeberische Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Mitbestimmungssystems korrigiere3. Gleichzeitig wird aber auch festgestellt, dass das BVerwG so zu pragmatischen Lösungen kommt4. Zwischenzeitlich sind erste Landesgesetze modifiziert worden, um den 9 durch das BVerfG aufgestellten Anforderungen5 gerecht zu werden6.
II. Beteiligte 1. Dienststelle/Dienstbehörde a) Begriff Während im Betriebsverfassungsrecht der Betrieb die grundlegende organi- 10 satorische Einheit ist, stellt im Personalvertretungsrecht die Dienststelle diese grundlegende organisatorische Einheit dar. Dabei legt die Exekutive kraft ihrer Organisationsgewalt fest, in welcher Verwaltungsorganisation sie ihre Aufgaben am zweckmäßigsten erfüllt, und bestimmt damit auch die verwaltungsorganisatorische Einheit, an die das Personalvertretungsrecht anknüpft7. Dienststellen im Sinne des Personalvertretungsrechts sind organisatorische Einheiten, die einen selbständigen Aufgabenbereich haben und innerhalb der Verwaltungsorganisation verselbständigt sind. Dabei ist nicht die Aufgabe der entsprechenden Einheit dafür maßgebend, ob sie eine selbständige Dienststelle ist. Dies hängt vielmehr davon ab, ob sie in dem für die öffentliche Verwaltung möglichen Umfang organisatorisch 1 BVerfG v. 20.7.2001 – 2 BvL 8/00, NZA-RR 2002, 334, 336. 2 BVerwG v. 24.4.2002 – 6 P 3.01, NVwZ-RR 2003, 32, 34 f.; BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12.01, NZA-RR 2003; 223, 224; BVerwG v. 30.6.2005 – 6 P 9/04, NZA-RR 2005, 665, 667 f. 3 Altvater, § 104 Rz. 33; Ilbertz/Widmaier, § 69 Rz. 33a; Wahlers, PersV 2003, 18, 20 f. „nichtvertretbare Analogie“. 4 Battis, PersV 2005, 286, 287; ähnlich Vogelgesang, ZTR 2003, 366, 367; RDW/ Kersten, § 104 Rz. 31 nachvollziehbares Anliegen, das methodisch und verfassungsrechtlich nicht überzeugt. 5 Ein Erfordernis der Anpassung der landesgesetzlichen Regelungen verneint Daniels, PersR 2009, 13, 14 ff. 6 Vgl. zum hessischen Personalvertretungsgesetz HessStGH v. 8.11.2006 – P.St. 1981, NVwZ-RR 2007, 217; für Nordrhein-Westfalen: Oberthür, ArbRB 2007, 324 ff.; kritisch zur Berliner Neuregelung Daniels, PersR 2009, 13 ff.; einen allgemeinen Überblick gibt Altvater, PersV 2008, 290 ff. 7 RDW/Benecke, § 6, Rz. 4, Fischer/Goeres/Gronimus, § 6 Rz. 3. Sasse
807
Teil 9
Rz. 11
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
verselbständigt ist1. Für die entsprechende Verselbständigung kommt es darauf an, dass der Leiter der Einrichtung in den Grenzen der für die öffentliche Verwaltung allgemein bestehenden Weisungsgebundenheit – bei den für eine Beteiligung der Personalvertretung in Betracht kommenden personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Angelegenheiten – einen eigenen Entscheidungsspielraum hat2. Die entsprechende Verselbständigung kann bei organisatorischen Änderungen entfallen. Die Dienststelle hört zu dem Zeitpunkt auf zu bestehen, zu dem offensichtlich die Selbständigkeit der Dienststelle entfällt3. 11 Nach der Definition in § 6 Abs. 1 BPersVG, welche in einigen Punkten vom sonstigen Dienststellenbegriff abweicht4, sind Dienststellen die einzelnen Behörden, Verwaltungsstellen und Betriebe der in § 1 BPersVG genannten Verwaltungen sowie Gerichte. Behörden nehmen staatliche Verwaltungsaufgaben wahr5. Verwaltungsstellen nehmen sonstige Verwaltungsaufgaben wahr6. Betriebe übernehmen im Rahmen der öffentlichen Versorgung die Befriedigung von Bedürfnissen der Allgemeinheit zB die öffentliche Versorgung7. Dienststellen im Sinne des Personalvertretungsrechtes sind gemäß § 6 Abs. 1 BPersVG auch die Gerichte des Bundes. Dabei gehören nach § 4 Abs. 1 BPersVG die dort beschäftigten Richter nicht zum persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes. Die bei den Gerichten gebildeten Personalvertretungen vertreten deshalb grundsätzlich nur die dort beschäftigten Beamten und Arbeitnehmer8. Die Aufzählung in § 6 Abs. 1 BPersVG hat keine praktischen Auswirkungen im Bereich des Personalvertretungsrechts. Sie dient lediglich der näheren Konkretisierung des Dienststellenbegriffes9. 12 Die Dienststelleneigenschaft und die Anwendung des Personalvertretungsrechts knüpft an die Rechtsform an, in welcher die entsprechenden Tätigkeiten erbracht werden. Dies ergibt sich aus § 1 BPersVG, wonach in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts Personalvertretungen gebildet werden. Vergleichbare Regelungen gibt es in den Landespersonalvertretungsgesetzen. Soweit eine juristische Person des öffentlichen Rechts mit einer solchen des Privatrechts einen gemeinschaftlichen Betrieb bildet,
1 BVerwG v. 13.8.1986 – 6 P 7.85, NVwZ 1987, 807, 808; BVerwG v. 29.3.2001 – 6 P 7.00, PersV 2001, 298, 299. 2 BVerwG, v. 29.3.2001 – 6 P 7.00, PersR 2001, 298, 299; vgl. auch § 6 Abs. 1 Satz 2 PersVG LSA, welches normiert, dass Einrichtungen keine Dienststelle sind, soweit die Leitung keine Befugnisse hat, die der Beteiligung des Personalrates bedürfen. 3 BVerwG v. 18.1.1990 – 6 P 8.88, PersV 1990, 348, 349. 4 Ilbertz/Widmaier, § 6 Rz. 4. 5 BVerwG v. 12.9.2002 – 6 P 11.01, AP Nr. 2 zu § 86 LPVG Berlin. 6 BVerwG v. 13.8.1986 – 6 P 7.85, NVwZ 1987, 807, 808. 7 BVerwG v. 13.8.1986 – 6 P 7.85, NVwZ 1987, 807, 808. 8 Altvater, § 6 Rz. 5. 9 MünchArbR/Germelmann, § 276 Rz. 18; ähnlich Ilbertz/Widmaier, § 6 Rz. 10.
808 Sasse
II. Beteiligte
Rz. 15
Teil 9
findet das Betriebsverfassungsgesetz für diesen Betrieb Anwendung1. Im Anwendungsbereich des hessischen Landespersonalvertretungsgesetzes hat die Stadt Hanau einen Tarifvertrag zur Beteiligung von Betriebsräten und Personalräten bei dem „Konzern Stadt“ abgeschlossen. Es handelt sich um ein Novum2. Strittig ist, ob auf Fraktionen des Bundestages das BPersVG oder das BetrVG Anwendung findet. Die Mitarbeiter einiger Fraktionen haben einen Betriebsrat und die anderer Fraktionen einen Personalrat gewählt3. U.a. auch folgende Einrichtungen unterfallen dem Personalvertretungsrecht: Sozialversicherungsträger, dh. Rentenversicherungsträger, Unfallversicherungsträger, gesetzliche Krankenversicherungen4, die Bundesagentur für Arbeit (§83 BPersVG), die Deutsche Bundesbank (§ 89 BPersVG), die Deutsche Welle (§90 BPersVG), Sparkassen, Landesbanken, öffentlichrechtliche Versicherungen.
13
b) Aufbau Das BPersVG geht von einem dreistufigen Behördenaufbau aus. Der Begriff der Obersten Dienstbehörde ist im BPersVG nicht erwähnt. Nach der Definition des § 3 BBG ist dies die oberste Behörde des Dienstherren, in deren Dienstbereich der Beamte sein Amt bekleidet. Dies gilt für Arbeitnehmer entsprechend5. Sonderregelungen gibt es für die Sozialversicherungsträger, die Bundesagentur für Arbeit und die Bundesbank (§§ 88, 89 BPersVG).
14
Behörden der Mittelstufe sind der obersten Dienstbehörde unmittelbar 15 nachgeordnet. Ihnen müssen wiederum Unterbehörden oder sonstige Stellen nachgeordnet sein (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BPersVG). Fehlen diese, so handelt es sich um die unterste Stufe, selbst wenn es sich um eine Bundesoberbehörde handelt, zB Statistisches Bundesamt, Bundeskriminalamt6. Wenn einer Bundesoberbehörde unselbständige Stellen nachgeordnet sind, bilden diese eine Dienststelle mit der Oberbehörde (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BPersVG).
1 BAG v. 24.1.1996 – 7 ABR 10/95, NZA 1996, 1110, 1112 f.; BVerwG v. 13.6.2001 – 6 P 8.00, NZA 2003, 115, 116 ff.; zur Frage des nicht bestehenden Wahlrechts der Beamten zu dem Betriebsrat eines solchen Gemeinschaftsbetriebes BAG v. 28.3.2001 – 7 ABR 21/00, NZA 2002, 1294 ff. 2 Siehe die Darstellung von Löwisch/Schuster, ZTR 2009, 58 ff. 3 ArbG Berlin v. 17.1.2003 – 96 Ca 30440/02, NZA-RR 2003, 656 f.: BPersVG findet keine Anwendung; VG Berlin v. 30.9.2008 – VG 72 A. 5.08, insbes. Rz. 16 ff. – keine offensichtliche Verkennung der Personalratsfähigkeit; zum Streitstand Singer, NZA 2008, 789 ff.; zur Frage der Anwendung des BPersVG auf die Büromitarbeiter von Bundestagsabgeordneten Pieroth/Meßmann, PersV 2009, 444 ff. 4 Auch die Betriebskrankenkassen privater Arbeitgeber unterfallen dem Personalvertretungsrecht vgl. BVerwG v. 12.1.2006 – 6 P 6.05, NJOZ 2006, 4041, 4043 (Rz. 9). 5 Altvater, § 6 Rz. 7. 6 Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehack/Faber, § 6 Rz. 21. Sasse
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Teil 9
Rz. 16
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
16 Die einer Behörde der Mittelstufe nachgeordnete Behörde bildet mit den ihr nachgeordneten Dienststellen eine Dienststelle der untersten Stufe. Auch wenn weitere Untergliederungen bestehen, werden diese regelmäßig nicht als besondere Einheiten angesehen. Dies gilt aber gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BPersVG dann nicht, wenn die weiter nachgeordnete Stelle nach Aufgabenbereich und Organisation selbständig ist, dh., wenn sie eine selbständige Dienststelle darstellt. Hierdurch wird den Besonderheiten einer mehr als dreistufig aufgebauten Verwaltung zB bei der Bundeswehr1 Rechnung getragen. Es müssen alle Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen, insbesondere muss der Leiter der Dienststelle in den Angelegenheiten frei entscheiden können, bei denen Beteiligungsrechte der Personalvertretung bestehen2. 17 Das BPersVG sieht in § 6 Abs. 3 BPersVG die Möglichkeit der Verselbständigung von Nebenstellen oder Dienststellenteilen vor. Während § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorsieht, dass die Arbeitnehmer räumlich weit entfernter Betriebsteile an der Wahl des Betriebsrates des Hauptbetriebes teilnehmen, sofern sie dies beschließen, führt gem. § 6 Abs. 3 BPersVG ein Beschluss der Beschäftigten zur Wahl einer eigenen Personalvertretung. Hierfür müssen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 3 BPersVG vorliegen. 18 Nebenstellen sind Verwaltungsstellen, die in ihrem Aufgabenbereich in Abhängigkeit zur Hauptstelle einer Dienststelle stehen3. Teile einer Dienststelle sind Untergliederungen, die aus technischen, organisatorischen oder räumlichen Gründen von den übrigen Untergliederungen abgegrenzt sind. Eine genaue Abgrenzung ist für die Anwendung des § 6 Abs. 3 BPersVG nicht erforderlich4. 19 Die Nebenstelle oder der Dienststellenteil muss räumlich weit entfernt sein. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Entscheidend ist, dass die Personalvertretung sich genügend mit den personellen Angelegenheiten der Beschäftigten befassen kann5. Hierbei sind die bestehenden Verkehrsverbindungen, die Verkehrsdichte und der benötigte Zeitaufwand zu berücksichtigen6. Das BVerwG geht sogar davon aus, dass bei zwei mehr als 20 Kilometer voneinander entfernten Dienstorten eine tatsächliche Vermutung für eine räumlich weite Entfernung spricht, sofern nicht besondere Umstände eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigen7. Insoweit liegt eine Abweichung zur Rechtsprechung des BAG zum BetrVG vor, das auch bei deutlich größeren Entfernungen unter Berücksichtigung aller Umstände eine räumlich weite Entfernung verneint8. Teildienststel1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. hierzu Altvater, § 92 Rz. 7. RDW/Benecke, § 6 Rz. 23. RDW/Benecke § 6 Rz. 25. Altvater, § 6 Rz. 10. BVerwG v. 14.7.1987 – 6 P 9.86, NVwZ-RR 1989, 312 f. BVerwG v. 29.5.1991 – 6 P 12.89, NVwZ-RR 1992, 199, 201. BVerwG v. 29.5.1991 – 6 P 12.89, NVwZ-RR 1992, 199, 201. BAG v. 24.2.1976 – 1 ABR 62/75, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972; siehe auch die Übersicht bei GK-BetrVG/Kraft/Franzen, § 4 Rz. 13 ff.
810 Sasse
II. Beteiligte
Rz. 22
Teil 9
len innerhalb einer Stadt sind regelmäßig nicht weit voneinander entfernt1. Die Beschäftigten müssen einen Verselbständigungsbeschluss fassen. Die 20 weite räumliche Entfernung ist nicht Gegenstand der Abstimmung, sondern dessen Voraussetzung2. Der Beschluss muss durch die Mehrheit der wahlberechtigten Beschäftigten in geheimer Abstimmung getroffen werden. Die Abstimmung erfolgt nicht in Gruppen (Arbeitnehmer, Beamte). Es müssen nicht die Anforderungen der Wahlordnung3 erfüllt sein. Das Verfahren muss aber gewissen Mindestanforderungen genügen4. Die Grundsätze zur Durchführung einer Personalratswahl gelten sinngemäß5. Gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 BPersVG gilt der Verselbständigungsbeschluss für die folgende Wahl und die hieraus hervorgehende Personalvertretung. Hierbei wird an die Amtsperiode des Personalrates der Hauptstelle angeknüpft. Sofern dieser vor Ablauf der regelmäßigen Amtszeit zurücktritt, endet die Amtszeit mit der Neuwahl. Der Verselbständigungsbeschluss verliert seine Wirkung6. Tritt hingegen der Personalrat der Nebenstelle zurück, behält der Verselbständigungsbeschluss seine Wirkung und es können Neuwahlen durchgeführt werden7. Eine gemeinsame Verselbständigung mehrerer Dienststellenteile ist nur ausnahmsweise möglich8. Es bedarf eines gemeinsamen Leiters der Dienststellenteile. Sofern ein Verselbständigungsbeschluss gefasst wird, gilt die entsprechen- 21 de Einheit personalvertretungsrechtlich als selbständige Dienststelle. Die Behördenorganisation wird hierdurch aber nicht verändert. Es werden getrennte Personalräte gebildet. Sofern auf den Beschluss hin keine Wahl erfolgt, werden die Beschäftigten nicht vom Personalrat der Hauptdienststelle repräsentiert9. Der Verselbständigungsbeschluss führt zur Bildung eines Gesamtpersonalrates gem. § 55 BPersVG. c) Vertretung Die Dienststelle wird gem. § 7 Satz 1 BPersVG durch den Dienststellenleiter vertreten. Dies ist der Repräsentant des Dienstherren im Bereich der Personalvertretung. Das Personalvertretungsgesetz legt nicht fest, wer Dienststellenleiter ist. Dies ist den Regeln über die Organisationsstruktur der Verwaltung zu entnehmen10. Der Dienststellenleiter muss nicht be1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BVerwG v. 14.7.1987 – 6 P 9.86, NVwZ-RR 1989, 312, 313. BVerwG v. 17.12.1957 – VII P 3.57, BVerwGE 6, 60, 61 f. Zu Vorabstimmungen vgl. § 4 WO. Altvater, § 4 WO Rz. 8. Ilbertz/Widmaier, § 6 Rz. 24. BVerwG v. 26.1.2001 – 6 P 3.99, NZA-RR 2000, 669, 671; BVerwG v. 26.1.2001 – 6 P 10.99. BVerwG v. 26.1.2001 – 6 P 3.99, NZA-RR 2000, 669, 671; BVerwG v. 26.1.2001 – 6 P 10.99. OVG Koblenz v. 8.2.2000 – 4 B 10148/00. OVG, PersV 2000, 278, 280. RDW/Benecke, § 6 Rz. 33. BVerwG v. 26.8.1987 – 6 P 11.86, NVwZ-RR 1989, 259. Sasse
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Teil 9
Rz. 23
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
rechtigt sein, den Dienstherren rechtsgeschäftlich oder vor Gericht zu vertreten1. Entscheidend kommt es darauf an, dass der Dienststellenleiter den Dienstbetrieb regelt und beaufsichtigt und die Maßnahmen verantwortet, die der Beteiligung der Personalvertretung unterliegen2. Unerheblich ist, dass der Dienststellenleiter dabei internen Weisungen der übergeordneten Behörde ganz oder teilweise unterliegt3. 23 Im Falle der Verselbständigung einer Dienststelle gem. § 6 Abs. 3 BPersVG (siehe oben Rz. 17 ff.) gilt der Leiter dieser Einheit als Dienststellenleiter, auch wenn er keine Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten hat, die der Beteiligung des Personalrates unterliegen4. Im Falle der Zuteilung einer Kleindienststelle gem. § 12 Abs. 2 BPersVG behält der Dienststellenleiter seine Stellung und handelt in seinem Aufgabenbereich für die Dienststelle gegenüber dem Personalrat. 24 Der Dienststellenleiter kann sich im Falle der Verhinderung5 durch den ständigen Vertreter vertreten lassen (§ 7 Satz 2 BPersVG). Dies ist der nach dem Organisationsplan der Dienststelle Zuständige6. Ob ein Vertretungsfall vorliegt, entscheidet der Dienststellenleiter nach pflichtgemäßem Ermessen7. Insbesondere ist der Dienststellenleiter nicht gehalten, unter Außerachtlassung anderer wichtiger dienstlicher Verpflichtungen zunächst mit der Personalvertretung Terminabsprachen zu treffen. Auch eine Verpflichtung zur Begründung besteht nur in Ausnahmefällen8. Sofern ein Vertretungsfall nicht vorliegt, muss dies durch die Personalvertretung unverzüglich gerügt werden. Ansonsten verliert die Personalvertretung ihr Rügerecht und der Mangel ist im Innen- wie im Außenverhältnis unbeachtlich, zB führt er nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung wegen einer mangelhaften Anhörung9. Bei obersten Bundesbehörden kann der Dienststellenleiter auch den Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten zu seinem Vertreter bestellen (§ 7 Satz 3 BPersVG). Bei getrennten Abteilungen erfolgt eine Bestellung jeweils für den Zuständigkeitsbereich10. Bei Bundesoberbehörden ohne nachgeordnete Dienststel1 BVerwG v. 26.8.1987 – 6 P 11.86, PersV 1988, 488, 489. 2 BVerwG v. 13.8.1986 – 6 P 7.85, NVwZ 1987, 807, 808; BVewG v. 29.3.2001 – 6 P 7.00. 3 St. Rspr. BVerwG v. 16.6.1989 – 6 P 10.86, NVwZ 1990, 74, 75; BVerwG v. 22.6.2005 – 6 P 2.05, PersR 2005, 464, 465. 4 BVerwG v. 29.5.1991 – 6 P 12.89, NVwZ-RR 1992, 199, 200. 5 Eine Vielzahl der Landespersonalvertretungsgesetze sehen diese Einschränkung nicht vor, vgl. RDW/Benecke, § 7 Rz. 19. 6 BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 513/96, NZA 1998, 193 f. 7 BAG v. 31.3.1983 – 2 AZR 384/81, AP Nr. 1 zu § 8 LPVG Hessen; BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 743/94, AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG; kritisch hierzu Altvater, § 7 Rz. 3. 8 BAG v. 31.3.1983 – 2 AZR 384/81, AP Nr. 1zu § 8 LPVG Hessen; aA Altvater, § 7 Rz. 3. 9 BVerwG v. 26.8.1987 – 6 P 11.86, NVwZ-RR 1989, 259, 260; BAG v. 26.10.1995 – 2 AZR 743/94, AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG; aA MünchArbR/Berkowsky, § 125 Rz. 118. 10 RDW/Benecke, § 7 Rz. 14.
812 Sasse
II. Beteiligte
Rz. 29
Teil 9
le und Behörden der Mittelstufe können auch die jeweiligen Abteilungsleiter zu Vertretern bestellt werden. Sofern der Personalrat einverstanden ist, können gem. § 7 Satz 4 BPersVG auch sonstige Beauftragte bestellt werden. Diese Vorschrift gilt für die in § 7 Satz 3 BPersVG genannten Behörden1. Neben der Zustimmung muss auch hier ein Vertretungsfall vorliegen.
25
Für die Durchführung von Vorbesprechungen oÄ, zB auch zur Unterrichtung über eine beabsichtigte mitbestimmungspflichtige Maßnahme kann der Dienststellenleiter andere Mitarbeiter, zB einen Personalreferenten, beauftragen. Dies gilt aber nicht für die Vornahme von Handlungen im Vertretungsverfahren2.
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2. Personalvertretung a) Art Das Personalvertretungsgesetz kennt mehrere Arten der Personalvertre- 27 tung. Zunächst gibt es auf der Ebene der Dienststelle die Personalräte (§ 12 BPersVG). Daneben werden als Stufenvertretung bei Behörden der Mittelstufe (s.o. Rz. 15) Bezirkspersonalräte gebildet (§ 53 Abs. 1 BPersVG). Bei den obersten Dienstbehörden (s.o. Rz. 14) werden Hauptpersonalräte gebildet (§ 53 Abs. 1 BPersVG). Dabei wird bei den jeweiligen Dienststellen neben der Stufenvertretung auch ein örtlicher Personalrat gebildet. Sofern gem. § 6 Abs. 3 BPersVG ein Verselbständigungsbeschluss für räum- 28 lich weit entfernt liegende Nebenstellen und Teile einer Dienststelle gefasst wird, wird neben den einzelnen Personalräten ein Gesamtpersonalrat gebildet (§ 55 BPersVG). Der Gesamtpersonalrat fasst die Personalräte gleicher Ebene in horizontaler Organisation zusammen3. Sofern ein Gesamtpersonalrat nicht gebildet wurde, fehlt es an einer beteiligungsfähigen Personalvertretung. Der Leiter der Hauptstellte kann diese Lücke nicht durch eine Beteiligung der einzelnen Personalräte der verselbständigten Dienststelle schließen4. Da im Personalvertretungsrecht eine vom Gesetz abweichende Regelung durch Tarifvertrag oder Dienstvereinbarung nicht möglich ist (§ 3 BPersVG)5, kommt anders als gem. § 3 BetrVG die Schaffung von Personalratsstrukturen zB regional oder nach Sparten durch entsprechende Regelungen nicht in Betracht6.
1 BAG v. 26.1.1995 – 2 AZR 743/94, AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG; aA Altvater, § 7 Rz. 6. 2 Ilbertz/Widmaier, § 7 Rz. 15 a. 3 Ilbertz/Widmaier, § 55 Rz. 2.; Fischer/Goeres/Gronimus, § 55 Rz. 2. 4 BVerwG v. 14.4.1961 – VII P 4.60; BVerwGE 12, 194, 197 f. 5 OVG Münster v. 25.5.2005 – 1 B 453/05.PVL, ZTR 2005, 496; aA Altvater, § 3 Rz. 3 ff. 6 RDW/Richardi, § 3 Rz. 2. Sasse
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Teil 9
Rz. 30
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
30 Ferner sieht das BPersVG noch die Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) in solchen Dienststellen vor, bei denen Personalvertretungen gebildet sind und denen in der Regel mindestens fünf Beschäftigte angehören, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die sich in einer beruflichen Ausbildung befinden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 57 BPersVG). Anders als im BetrVG ist im BPersVG ausdrücklich geregelt, dass eine JAV nur in solchen Dienststellen gewählt wird, in denen auch ein Personalrat besteht, wenngleich auch im BetrVG nur in Betrieben mit einem Betriebsrat die Wahl einer JAV als zulässig angesehen wird1. Die JAV ist kein von der Personalvertretung unabhängiges Mitbestimmungsorgan. Die ihr zugewiesenen Aufgaben sind vorwiegend überwachender oder beratender Art2. 31 Daneben wird noch nach den Vorschriften der §§ 93 ff. SGB IX die Schwerbehindertenvertretung gebildet. Bei dieser handelt es sich um ein selbständiges Organ, welches nicht Teil des Personalrates ist3. Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte werden aber auch betreffend die schwerbehinderten Beschäftigten allein vom Personalrat ausgeübt4. b) Bildung 32 Die Bildung der Personalvertretung erfolgt durch Wahlen. Im Personalvertretungsrecht besteht eine Errichtungspflicht. Jedoch kann die Wahl nicht gegen den Willen der Beschäftigten erzwungen werden5. Personalräte werden in personalratsfähigen Dienststellen gebildet. Diese müssen in der Regel fünf Wahlberechtigte beschäftigen, von denen drei wählbar sind (§ 12 BPersVG). aa) Wahlberechtigung 33 Wahlberechtigt sind gem. § 13 Abs. 1 BPersVG alle Beschäftigten, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, sie haben durch Richterspruch ihr Wahlrecht verloren. Ebenfalls nicht wahlberechtigt sind Beschäftigte, die am Wahltag unter Wegfall der Bezüge mehr als sechs Monate beurlaubt sind. 34 Die Wahlberechtigung besteht in der Dienststelle, welcher der Beschäftigte angehört. Die Dauer der täglichen Arbeitszeit ist unerheblich, sofern die Beschäftigung nicht so nebensächlich ist, dass sie ohne Bedeutung für die Dienststelle ist6. Weiterhin ist eine Eingliederung in die Dienstsstelle erforderlich. Diese liegt bei einer bloß vorübergehenden und nur auf geringfügige Dauer angelegten Tätigkeit nicht vor. Hier geht die Rechtsprechung von einer Dauer von zwei Monaten zB im Zusammenhang mit einer Aus1 2 3 4 5 6
H.M. HWK/Schrader, § 60 BetrVG Rz. 9; aA DKK/Trittin, § 60 Rz. 27. BVerwG v. 8.7.1977 – VII P 22.75, PersV 1978, 309, 310 f. BAG v. 21.9.1988 – 1 AZR 465/88, NZA 1990, 362, 363 f. RDW/Jacobs, § 40 Rz. 36. Altvater, § 12 Rz. 1, Fischer/Goeres/Gronimus, § 12 Rz. 5. BVerwG v. 8.12.1967, BVerwGE 28, 282, 283 ff.
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II. Beteiligte
Rz. 35
Teil 9
hilfe aus1. Strittig ist, ob auch Leiharbeitnehmer ein aktives Wahlrecht haben. Dies ist abzulehnen. Denn anders als in § 7 Satz 2 BetrVG sieht das BPersVG kein Wahlrecht der Leiharbeitnehmer vor2. Arbeitnehmer sind auch während des Laufs der Kündigungsfrist wahlberechtigt3. Beschäftigte sind auch während eines Erholungs- oder Krankheitsurlaubes wahlberechtigt. Hingegen führt die Inanspruchnahme von Elternzeit ohne gleichzeitige Teilzeitarbeit gem. § 15 BEEG zu einem Verlust der Wahlberechtigung4. Ebenso führt der Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit dazu, dass die Wahlberechtigung verloren geht5. Werden Beschäftigte zu einer anderen Dienststelle abgeordnet, werden sie 35 in der aufnehmenden Dienststelle wahlberechtigt, sobald die Abordnung länger als drei Monate gedauert hat. Gleichzeitig verliert der Beschäftigte sein Wahlrecht in der Stammdienststelle (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Ausschlaggebend ist dabei der Tag der Wahl. Maßgebend für die Feststellung der Wahlberechtigung bzw. des Verlustes des Wahlrechtes ist der Tag des Dienstantritts in der neuen Dienststelle6. Eine Abordnung liegt vor, wenn der Beschäftigte vorübergehend bei einer anderen Dienststelle beschäftigt wird als bei derjenigen, welcher er kraft seines Amtes angehört. Die Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ist auf freigestellte Mitglieder einer Stufenvertretung oder des Gesamtpersonalrates nicht anwendbar. Ferner gilt sie nicht, wenn feststeht, dass der Beschäftigte binnen weiterer sechs Monate in die alte Dienststelle zurückkehren wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn die für die Anordnung der Abordnung zuständige Dienststelle dies in der Abordnungsverfügung festgelegt oder auf andere Weise eindeutig erklärt hat7. Sofern der Beschäftigte nacheinander zu mehreren Dienststellen abgeordnet wird, ohne zwischendurch zu seiner Ursprungsdienststelle zurückzukehren, bleibt er bei seiner alten Dienststelle wahlberechtigt, wenn der Aufenthalt bei keiner dieser Dienststellen länger als drei Monate dauert8. Diese Regelungen gelten entsprechend in Fällen einer Zuweisung gem. § 123a BRRG bzw. im Landesdienst gem. § 20 BeamtStG oder aufgrund einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung, dh., wenn Beamten im dienstlichen oder öffentlichen Interesse mit ihrer Zustimmung vorübergehend eine ihrem Amt entsprechende Tätigkeit bei
1 BVerwG v. 25.9.1995 – 6 P 44.93, NZA-RR 1996, 318, 319. 2 RDW/Dörner, § 13 Rz. 8; Fischer/Goeres/Gronimus, § 13 Rz. 7; aA VG Frankfurt v. 3.11.2008 – 23 K 1568.08; Schüren/Hamann, AÜG, § 14 Rz. 569 f.; Ilbertz/Widmaier, § 13 Rz. 9. 3 Strittig ist, ob im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage auch über die Kündigungsfrist hinaus ein Wahlrecht besteht, vgl. RDW/Dörner, § 13 Rz. 14 mit Nachweisen des Streitstandes. 4 BVerwG v. 15.5.2002 – 6 P 8.01, NVwZ 2003, 101, 103; BVerwG v. 15.5.2002 – 6 P 18.01, AP NW LPVG § 10 Nr. 1; aA noch VGH Mannheim v. 26.9.1995 – PB 15 S 1138/95, NZA-RR 1996, 158 f.; Ilbertz/Widmaier, § 13 Rz. 16. 5 BVerwG v. 15.5.2002 – 6 P 8.01, NVwZ 2003, 101, 103; BVerwG v. 19.12.2006 – 6 PB 12.06, NVwZ 2007, 714, 716. 6 Bieler u.a./Vogelgesang, LPersVG SA, § 13 Rz. 38. 7 OVG Koblenz v. 15.5.1981 – 5 A 4/81, DÖV 1983, 125. 8 Bieler u.a.Bieler u.a./Vogelgesang, LPersVG SA, § 13 Rz. 42. Sasse
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Teil 9
Rz. 36
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
einer öffentlichen Einrichtung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zugewiesen wird. 36 Gem. § 13 Abs. 3 BPersVG sind Beamte im Vorbereitungsdienst und Beschäftigte in entsprechender Berufsausbildung nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt. Dies ist die Dienststelle, welche die Gesamtausbildung leitet. Diese Vorschrift ist deshalb von Bedeutung, weil der Vorbereitungsdienst für Beamte und für sich in einer entsprechenden Berufsausbildung befindliche Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst einen häufigen Wechsel der Dienststellen erfordert. Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelung von vornherein etwaigen Zweifeln darüber begegnen, ob und inwieweit in den verschiedenen Ausbildungsdienststellen eine Eingliederung stattfindet1. Dabei gilt, dass die entsprechende Regelung nicht auf dem Berufsausbildungsgesetz unterfallende Ausbildungen, zB zum Fachangestellten für Bürokommunikation, zugeschnitten ist2. Das passive Wahlrecht bestimmt sich nach § 14 BPersVG. Danach sind wählbar alle Wahlberechtigten, die am Wahltag seit sechs Monaten dem Geschäftsbereich ihrer obersten Dienstbehörde angehören und seit einem Jahr in öffentlichen Verwaltungen oder von diesen geführten Betrieben beschäftigt sind. Die Zugehörigkeit zum Geschäftsbereich muss ununterbrochen bestanden haben. Nicht notwendig ist es indes, dass die Tätigkeit in diesem Zeitraum ununterbrochen ausgeübt wurde3. Die einjährige Beschäftigungsdauer soll sicherstellen, dass nur Personen in die Personalvertretung gewählt werden, die durch längere Erfahrung eine gewisse Urteilsfähigkeit in Fragen der öffentlichen Verwaltung erworben haben. Die Zeit muss nicht bei derselben Verwaltung absolviert worden sein. Nicht ausreichend ist es indes, wenn es sich um Betriebe mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt, die dem Privatrecht zuzuordnen sind4. Dies gilt selbst dann, wenn alleiniger Gesellschafter eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes ist. Nicht wählbar ist, wer infolge Richterspruchs nicht die Fähigkeit besitzt, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. bb) Wählbarkeit 37 § 14 Abs. 2 BPersVG regelt, dass Beamte im Vorbereitungsdienst und Beschäftigte in entsprechender Berufsausbildung nicht in eine Stufenvertretung wählbar sind. 38 Nicht wählbar sind die zur Vertretung der Dienststelle gem. § 7 BPersVG berechtigten Personen sowie Beschäftigte, die zur selbständigen Entscheidung in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind (§ 14 Abs. 3 BPersVG). Denn eine Dienstkraft, die personalrechtliche Entscheidungen trifft, soll nicht gleichzeitig als Mitglied der Personalvertretung mit Per-
1 2 3 4
BVerwG v. 11.9.2007 – 6 PB 9.07, NZA-RR 2008, 110, 111 Rz. 11. BVerwG v. 11.9.2007 – 6 PB 9.07, NZA-RR 2008, 110 ff. RDW/Dörner, § 14 Rz. 6. Ilbertz/Wiedmaier, § 14 Rz. 11 f.
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II. Beteiligte
Rz. 39
Teil 9
sonalangelegenheiten befasst sein1. Personalangelegenheiten sind solche gem. §§ 75 Abs. 1, 76 Abs. 1 BPersVG, nicht aber allgemeine personelle Kompetenzen2. Personen, die Entscheidungen lediglich vorbereiten oder bei ihrer Entscheidung an das Einverständnis von Vorgesetzten gebunden sind, sind nicht zu diesem Personenkreis zu rechnen. Sofern ein Beschäftigter allerdings maßgeblichen Einfluss auf die Auswahl von Bewerbern hat, die eingestellt werden sollen, und sofern ihm die Befugnis zusteht, diejenigen Bewerber auszusondern, die nach seiner Auffassung nicht die Voraussetzungen erfüllen, liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 BPersVG vor3. cc) Größe der Personalvertretung Die Größe der Personalvertretung bestimmt sich nach § 16 BPersVG. Die 39 Höchstzahl der Mitglieder beträgt 31 (§ 16 Abs. 2 BPersVG). Sofern in der Dienststelle Angehörige verschiedener Gruppen beschäftigt sind, muss jede Gruppe entsprechend ihrer Stärke im Personalrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht. Sofern die Gruppen (Arbeitnehmer und Beamte) gleich stark sind, entscheidet gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 BPersVG das Los. Gem. § 5 Abs. 4 WOBPersVG ist es Aufgabe des Wahlvorstandes, den erforderlichen Losentscheid durchzuführen. Voraussetzung ist, dass ein Verfahren gewählt wird, das geeignet ist, ein nicht zu beeinflussendes Zufallsergebnis herbeizuführen, und den Teilnehmern gleiche Chancen einräumt4. Die Größe der Gruppen in Abhängigkeit von den Gruppenangehörigen ergibt sich aus § 17 Abs. 3 BPersVG. Wenn in § 17 Abs. 4 BPersVG die Rede von drei Gruppen, die im Personalrat vertreten werden sollen, ausgeht, so geht dies auf das bis zum 30.9.2005 geltende Tarifrecht zurück. Seinerzeit gab es die Gruppen der Arbeiter, der Angestellten und der Beamten. Diese Vorschrift hat nunmehr mit Geltung des TVöD seine Bedeutung verloren, da nur noch von zwei Beschäftigtengruppen auszugehen ist5. § 17 Abs. 5 BPersVG sieht vor, dass Mitglieder einer Kleinstgruppe sich einer anderen Gruppe anschließen können. Diese Vorschrift ist aufgrund der Neuregelung des Tarifrechtes gegenstandslos geworden, weil im Falle des Bestehens einer Kleinstgruppe eine gemeinsame Wahl der Beamten und Arbeitnehmer durchzuführen ist. Die Vorschrift hat allerdings aufgrund der Verweisung in § 51 Abs. 2 SBG weiterhin Bedeutung, falls in einer Dienststelle gem. § 49 Abs. 1 SBG die Gruppe der Soldaten ausnahmsweise keine Vertretung erhält6. Weiterhin ist geregelt, dass der Personalrat sich aus Vertretern verschiedener Beschäftigungsarten zusammensetzen soll. Dies ist nicht mit Gruppe zu verwechseln. Vielmehr geht es darum, zB technische und nicht technische Beschäftigte in dem 1 BVerwG v. 25.6.1974 – 7 P 6.73, BVerwGE 45, 221, 222; BVerwG v. 22.6.2005 – 6 P 2.05, PersV 2006, 18, 19. 2 BVerwG v. 22.6.2005 – 6 P 2.05, PersV 2006, 18. 3 Ilbertz/Wiedmaier, § 14 Rz. 22. 4 Unzulässig: Ziehen von Streichhölzern, BVerwG v. 15.5.1991 – 6 P 15.89, NJW 1991, 3231 f., Entscheidung durch Münzwurf VGH München v. 13.2.1991 – 17 P 903560, NJW 1991, 2306 f. 5 Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehack/Faber, § 17 Rz. 3 a. 6 Altvater, § 17 Rz. 12. Sasse
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Teil 9
Rz. 40
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Personalrat repräsentiert zu sehen. Gem. § 17 Abs. 7 BPersVG sollen die Geschlechter im Personalrat entsprechend den Zahlenverhältnissen vertreten sein. Hierbei handelt es sich nur um eine Soll-Vorschrift. Diese kann eine Wahlanfechtung nicht begründen1. dd) Wahlverfahren 40 Der Personalrat wird gem. § 19 Abs. 1 BPersVG in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Dies verlangt eine schriftliche Stimmabgabe (vgl. § 15 ff. WO). Diese kann auch mittels Briefwahl erfolgen. Die Auszählung erfolgt erst nach Beendigung der Wahlhandlung (§ 20 WO). Sie ist dienststellenöffentlich2. Die Wahl erfolgt durch jeden Bediensteten selber, der eine Stimme hat. Grundsätzlich erfolgt die Wahl in einer Gruppenwahl. Diese findet dann nicht statt, wenn vor der Neuwahl die vorhandenen Gruppen in getrennten, geheimen Abstimmungen die gemeinsame Wahl beschließen. Die entsprechende Abstimmung kann für die anstehende Personalratswahl nicht wiederholt werden, wenn sie in einer Gruppe nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hat3. Die Wahl findet als Verhältniswahl statt, es sei denn, es wird nur ein Wahlvorschlag eingereicht. Die Wahlvorschläge können durch die wahlberechtigten Beschäftigten oder die in der Dienstsstelle vertretenen Beschäftigten gemacht werden. Hinsichtlich der Einzelheiten ist auf § 19 Abs. 4–9 BPersVG zu verweisen. Nach Durchführung der Wahl kann der Gewählte die Wahl ablehnen, obwohl er zuvor sein Einverständnis mit der Aufnahme in den Wahlvorschlag erklärt hat. Die Ablehnung muss gem. § 22 WO binnen drei Tagen nach Mitteilung des Wahlergebnisses gegenüber dem Wahlvorstand erfolgen. 41 Der für die Wahl benötigte Wahlvorstand wird gem. § 20 Abs. 1 BPersVG spätestens acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit durch den Personalrat bestellt. In dem Wahlvorstand sollen die Gruppen vertreten sein. Sofern nicht sechs Wochen vor Ablauf der Amtszeit ein Wahlvorstand besteht, beruft der Dienststellenleiter auf Antrag von drei Wahlberechtigten oder einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft eine Personalversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes ein (§ 20 Abs. 2 BPersVG). Sofern es in der Dienststelle keinen Personalrat gibt, gilt das zur Einberufung einer Personalversammlung durch den Dienststellenleiter Gesagte entsprechend (§ 21 BPersVG). Sollte dies ohne Erfolg bleiben, so kommt nicht wie in § 17 Abs. 4 BetrVG eine Bestellung durch das Arbeitsgericht in Betracht. Vielmehr bestellt auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft der Dienststellenleiter den Wahlvorstand. 42 Die Kosten der Wahl trägt die Dienststelle (§ 24 Abs. 2 BPersVG). Diese umfassen die Kosten für alle zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl Maßnahmen. Hierunter fallen nach ganz allgemeiner Meinung auch die 1 Altvater, § 17 Rz. 14. 2 Ilbertz/Widmaier, § 20 WO Rz. 3. 3 RDW/Dörner § 19 Rz. 34.
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II. Beteiligte
Rz. 45
Teil 9
Kosten für Schulungen der Wahlvorstandsmitglieder, sofern die Schulung erforderlich ist. Umstritten ist, ob der Wahlvorstand sich auf die bei anderen Wahlvorstandsmitgliedern oder Dritten vorhandenen Kenntnisse verweisen lassen muss1. Zu den Kosten gehört weiterhin das Entgelt für die Wahlvorstände, da die Tätigkeit keine Minderung der Dienstbezüge nach sich ziehen darf (§ 24 Abs. 2 Satz 2 BPersVG). Auch die Kosten einer Wahlanfechtung sind Kosten der Wahl2. Die Wahl darf nicht behindert oder in einer gegen die guten Sitten versto- 43 ßenden Weise beeinflusst werden (§ 24 Abs. 1 BPersVG). Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann. Der wichtigste Fall ist die Einflussnahme auf die Wahl durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder Gewährung oder Versprechen von Vorteilen3. Umstritten ist, ob eine Gewerkschaft Mitgliedern mit dem Ausschluss drohen darf, für den Fall, dass diese auf einer Konkurrenzliste antreten. Dies wird als zulässig anzusehen sein4. Anders als § 119 Abs. 1 BetrVG kennt das Personalvertretungsrecht eine Strafvorschrift für den Fall der Wahlbeeinflussung nicht. Die Mitglieder des Wahlvorstandes genießen gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 iVm. 44 § 47 BPersVG Versetzungsschutz, allerdings nur bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Die Landespersonalvertretungsgesetze sehen einen unterschiedlich stark ausgeprägten Versetzungsschutz vor, zB nicht ersetzbare Zustimmung des Personalrates oder auch einen nachwirkenden Versetzungsschutz in unterschiedlicher Intensität5. Daneben genießen die Wahlvorstandsmitglieder Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3 KSchG. ee) Wahlanfechtung Die Wahlen können gem. § 25 BPersVG binnen einer Frist von zwölf Arbeitstagen durch drei Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft6 oder den Dienststellenleiter angefochten werden. In Bezug auf die Anfechtungsfrist von zwölf Arbeitstagen gem. § 25 Satz 1 BPersVG geht die Rechtsprechung von einer Fünf-Tage-Woche aus7. In den Landespersonalvertretungsgesetzen sind diese Fristen teilweise abweichend geregelt8.
1 Str. vgl. RDW/Dörner § 24 Rz. 35; Altvater, § 24 Rz. 15. 2 Unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung BVerwG v. 29.8.2000 – 6 P 7.99, NZA-RR 2001, 110 ff. 3 RDW/Dörner, § 24 Rz. 12. 4 BVerfG v. 24.2.1999 – 1 BvR 123/93, NJW 1999, 2657 f.; Altvater, § 24 Rz. 7 aA RDW/Dörner, § 24 Rz. 16 unter Bezugnahme auf die ältere Rechtsprechung des BGH. 5 Vgl. die Übersicht bei RDW/Dörner, § 24 Rz. 44 ff. 6 Gem. § 86 Nr. 12 BPersVG nicht bei dem Bundesnachrichtendienst, vgl. BVerwG v. 26.11.2008 – 6 P 7.08, NVwZ 2009, 337. 7 BVerwG v. 23.10.2003 – 6 P 10.03, NVwZ 2004, 495, 497. 8 10 Arbeitstage: § 25 PersVG Bbg.; 12 Arbeitstage: § 25 LPVG BW, § 25 SächsPersVG, § 25 ThürPersVG; 12 Werktage: § 19 PersVG RPf; 14 Tage: § Art. 25 BayPVG, § 21 BremPersVG, § 22 HPVG, § 21 NPersVG; zwei Wochen: § 22 Sasse
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Teil 9
Rz. 46
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
46 Voraussetzung einer Wahlanfechtung ist, dass ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vorliegt und die Möglichkeit besteht, dass diese das Wahlergebnis beeinflusst haben. Die Anfechtungsmöglichkeit entfällt, wenn der Fehler durch den Wahlvorstand berichtigt werden kann und wird. Dies kann noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens geschehen1. 47 Die Wahlanfechtung kann nur auf den Verstoß gegen zwingende Vorschriften, nicht aber auf einen Verstoß gegen Soll-Vorschriften gestützt werden2. Zu den fraglichen Vorschriften gehören zB die Bestellung des Wahlvorstandes, Behandlung von Wahlvorschlägen3. Auch eine Behinderung oder Beeinflussung der Wahl sowohl durch die Dienststelle, zB durch das Vorenthalten von notwendigen Informationen4, als auch durch die Gewerkschaften, zB Einsatz von Wahlboten einer Gewerkschaft verknüpft mit einer Tombola5, stellen einen wesentlichen Verstoß dar. Zwischen dem Verstoß und dem Ergebnis muss eine Kausalität bestehen. Diese wird vermutet; der die Wahl verteidigende Beteiligte muss sie widerlegen6. Eine denkbare Möglichkeit reicht dann nicht, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist7. Der Ausnahmetatbestand des § 25 Halbs. 2 BPersVG wird daher durch die Rechtsprechung regelmäßig verneint8. 48 Neben der Anfechtung der Wahl kann auch die Feststellung der Nichtigkeit begehrt werden. Diese liegt dann vor, wenn der Anschein einer dem BPersVG entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt9, zB Wahl in einer Dienststelle ohne Verselbständigungsbeschluss10. 49 Eine erfolgreiche Wahlanfechtung hat zur Folge, dass der fehlerhafte Personalrat ex-nunc sein Amt verliert. Die Wahl ist erneut durchzuführen. Auch ist der Wahlvorstand erneut zu bestellen. Sofern bei einer Gruppenwahl nur die Wahl der einen Gruppe erfolgreich angefochten wurde, hat dies auf die Wahl der Vertreter der anderen Gruppe keinen Einfluss. Diese bleiben im Amt und bilden die Personalvertretung11.
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PersVG Berlin, § 26 HmbPersVG, § 18 PersVG MV, § 22 LPVG NW, § 25 SPersVG, § 27 PersVG LSA, § 18 MBG SchlH. BVerwG v. 8.5.1992 – 6 P 9.91, AP Nr. 3 zu § 25 BPersVG. BVerwG v. 18.4.1978 – 6 P 34.78, PersV 1979, 194, 195. Vgl. die Nachweise der Rechtsprechung bei RDW/Dörner, § 25 Rz. 16 ff. OVG Münster v. 14.4.2004 – 1 A 4408/02, PersR 2004, 442, 4433 f. VG Düsseldorf v. 18.12.2008 – 34 K 4425/08. RDW/Dörner, § 25 Rz. 21. BVerwG v. 7.5.2003 – 6 P 17.02, AP Nr. 1 zu § 28 LPVG Baden-Württemberg. RDW/Dörner, § 25 Rz. 22 m.N. der Rspr. BVerwG v. 5.2.1971 – VII P 10.70, AP Nr. 2 zu § 53 BPersVG. BAG v. 11.7.1991 – 2 AZR 633/98, AP Nr. 1 zu Art. 6 LPVG Bayern. BVerwG v. 13.6.1969 – VII P 10.63, BVerwGE 32, 182, 183 f.
820 Sasse
II. Beteiligte
Rz. 51
Teil 9
c) Vertretung Der Personalrat wird gem. § 32 Abs. 3 BPersVG durch den Vorsitzenden im 50 Rahmen der vom Personalrat gefassten Beschlüsse vertreten. Der Vorsitzende ist Vertreter in der Erklärung. Seine Vertretungsmacht ist auf den Inhalt des zugrunde liegenden Beschlusses des Personalrates begrenzt1. Sofern Angelegenheiten eine Gruppe betreffen, vertritt der Vorsitzende den Personalrat gemeinsam mit einem der Gruppe angehörenden Vorstandsmitglied des Personalrates, wenn er nicht selber der Gruppe angehört (§ 32 Abs. 3 Satz 2 BPersVG). Diese Regelung soll dem Schutz der Gruppeninteressen dienen2. Sofern sich der Vorsitzende bei seinen Erklärungen nicht an den vom Personalrat oder vom Vorstand gefassten Beschluss gehalten hat, sind diese für den Personalrat nicht bindend. Dieser kann aber die entsprechenden Erklärungen genehmigen. Wenn die Genehmigung nicht erfolgt, kann der Personalrat trotzdem nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung an die Erklärung des Vorsitzenden gebunden sein3. Auch wenn eine mit § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vergleichbare Regelung fehlt, umfasst die Vertretungsmacht des Vorsitzenden auch die Befugnis zur Entgegennahme von Erklärungen. Dies gilt auch dann, wenn sie lediglich eine Gruppe betreffen und der Vorsitzende dieser Gruppe nicht angehört4. d) Geschäftsführung Die laufenden Geschäfte werden durch den Vorstand des Personalrates ge- 51 führt (§ 32 Abs. 1 Satz 3 BPersVG). Der Vorstand des Personalrates wird aus der Mitte des Personalrates gebildet. Diesem muss ein Mitglied jeder im Personalrat vertretenen Gruppe angehören. Die Vertreter jeder Gruppe wählen das auf sie entfallende Vorstandsmitglied. Die Wahl des Vorstandes ist eine Rechtspflicht jedes mehrgliedrigen Personalrates. Der Vorstand besteht aus mindestens so vielen Mitgliedern, wie Gruppen im Personalrat vertreten sind. Damit sind, seit dem Wegfall der Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Angestellten, Personalräte in der Regel zweiköpfig. Ausnahmen gelten in Personalräten, in denen auch Soldatenvertreter in den Personalrat zu wählen sind. In Personalräten mit mindestens elf Mitgliedern werden mit einfacher Stimmenmehrheit zwei weitere Mitglieder in den Vorstand gewählt (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Einzelne Landespersonalvertretungsgesetze sehen vor, dass im Vorstand Frauen und Männer entsprechend ihrem Anteil an den gewählten Personalratsmitgliedern zu berücksichtigen sind. Dabei sind aber begründete Ausnahmen möglich5. Gem. § 32 Abs. 2 Satz 1 BPersVG bestimmt der Personalrat, welches Vorstandsmitglied den Vorsitz übernimmt. Weiterhin bestimmt er zugleich den Stellvertreter des Vorsitzenden. Bei der Wahl des Vorsitzenden hat die 1 2 3 4 5
RDW/Jacobs, § 32 Rz. 77. BVerwG v. 21.4.1992 – 6 P 8.90, PersV 1992, 434 f. Altvater, § 32 Rz. 33 (str.). RDW/Jacobs, § 32 Rz. 81. BVerwG v. 4.10.2005 – 6 P 12.04, NVwZ-RR 2006, 335 ff.; eine Übersicht über die Regelungen zur Bildung des Vorstandes des Personalrates findet sich bei Altvater, § 32 Rz. 47 ff. Sasse
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Teil 9
Rz. 52
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Personalvertretung zu berücksichtigen, dass die von den Gruppenvertretern gem. § 32 Abs. 1 Satz 3 BPersVG gewählten Vorstandsmitglieder die geborene Anwartschaft auf den Vorsitz oder die Stellvertretung des Vorsitzenden besitzen1. Soweit in den Vorstand auch Ergänzungsmitglieder gem. § 33 BPersVG gewählt sind, kommen die Ergänzungsmitglieder als Personalratsvorsitzende bzw. Stellvertreter nur dann in Betracht, wenn die gem. § 32 BPersVG gewählten Vorstandsmitglieder zur Übernahme des Vorsitzes oder der Stellvertretung nicht bereit sind2. Die Verpflichtung zur Übernahme der Wahl besteht nicht. Die Wahl gilt grundsätzlich für die ganze Amtsperiode des Personalrates. 52 Der Vorstand ist Organ des Personalrates und führt die laufenden Geschäfte. Anders als § 27 Abs. 2 BetrVG ist die Möglichkeit der Übertragung von Aufgaben zur selbständigen Erledigung auf den Vorstand des Personalrates nicht vorgesehen. Vielmehr sind ihm nur die laufenden Geschäfte übertragen. Hierbei handelt es sich um einen eng auszulegenden Begriff3. Zu den laufenden Geschäften des Personalrates gehört das, was an technischen, organisatorischen und büromäßigen Arbeiten regelmäßig zur Vorbereitung und Durchführung der vom Personalrat zu fassenden und gefassten Beschlüsse notwendig ist, dh. Maßnahmen, denen keine größere Bedeutung zukommt. Es handelt sich um solche, bei denen ein förmlicher oder offizieller Schritt des Personalrates nicht erforderlich ist. Vielmehr ist ausschließlich der Personalrat als Ganzes zur Erfüllung der ihm im Gesetz übertragenen Aufgaben berechtigt und verpflichtet4. e) Kosten 53 Der Ersatz der Kosten der Personalvertretung stellt einen Dauerkonflikt dar, der so alt ist wie die Tätigkeit der Personalvertretung selbst5. Die Kostentragungspflicht der Dienststelle ist in § 44 BPersVG geregelt. Diese Vorschrift wird durch § 46 BPersVG ergänzt. Die Vorschrift des § 44 BPersVG soll den Mitgliedern des Personalrates ermöglichen, ihr Amt ungehindert, dh. ohne finanzielle Belastungen wahrzunehmen. Andererseits soll sichergestellt werden, dass dem Personalrat die zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen6. Die gesetzmäßige Tätigkeit der Personalvertretung darf nicht beschränkt oder behindert werden. Dies auch nicht durch haushaltsrechtliche Einwendungen7. Gleichzeitig aber hat der Personalrat als nicht rechtlich verselbständigter Bestandteil einer Dienststelle den bei der Verwendung öffentlicher Mittel geltenden Grundsatz der Sparsamkeit bei der Verursachung von Kosten der Tätigkeit zu berücksichtigen8. Die Dienststelle hat nur solche Kosten zu 1 2 3 4 5 6 7 8
BVerwG v. 26.10.1977 – 7 P 19.76, BVerwGE 55, 17, 19 ff. Ilbertz/Wiedmaier, § 33 Rz. 7. BVerfG v. 19.12.1994 – 2 BvL 8/88, NVwZ 1996, 157, 158. BVerfG v. 19.12.1994 – 2 BvL 8/88, NVwZ 1996, 157, 158 mwN. Vogelgesang, PersV 2008, 444. RDW/Jacobs, § 44 Rz. 3. BVerwG v. 24.11.1986 – 6 P 3.85, DVBl. 1987, 420 f. BVerwG v. 27.8.1990 – 6 P 26.87, AP Nr. 5 zu § 44 BPersVG.
822 Sasse
II. Beteiligte
Rz. 54
Teil 9
ersetzen, die durch die Tätigkeit des Personalrates entstanden sind. Die Tätigkeit muss zum gesetzlichen Aufgabenbereich des Personalrates gehören1. Ob es sich um eine gesetzliche Aufgabe des Personalrates handelt, ist allein nach objektiven Gesichtspunkten festzustellen. Es kommt hier weder auf die Einschätzung des Personalratsmitgliedes noch auf diejenige der Dienststelle an. Vielmehr ist dies aus Sicht eines vernünftigen Dritten zu beurteilen, der die Interessen der Dienststelle und der Personalvertretung gegeneinander abzuwägen hat2. Der Personalrat hat bei beabsichtigten Schulungsmaßnahmen zusammen mit dem Beschluss auch diejenigen Tatsachen mitzuteilen, die es der Dienststelle ermöglichen, die Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung zu überprüfen. Unterbleibt dies, so führt dies nicht zum Verlust des Anspruchs auf Freistellung und Kostenübernahme, da insoweit keine Präklusionsvorschrift existiert3. Tätigkeiten außerhalb des Aufgabenbereiches des Personalrates bzw. der Personalratsmitglieder führen nicht zu einem Erstattungsanspruch, zB Krankenbesuch bei einem Kollegen, Kosten eines Kranzes anlässlich einer Beerdigung4. Bei den notwendigen Ausgaben des Personalrates handelt es sich um Aus- 54 gaben aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen. Deshalb muss die Verwaltung dem Personalrat diejenigen Haushaltsmittel zur Verfügung stellen, die eine angemessene Aufgabenwahrnehmung ermöglichen5. Dabei ist jeweils auf die Ebene der einzelnen Dienststelle und der dieser Dienststelle zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel abzustellen6. Sobald die der Dienststelle für Zwecke der Personalvertretung zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel erschöpft sind, hat sich der Personalrat grundsätzlich weiterer kostenwirksamer Beschlüsse zu enthalten. Dies gilt dann nicht, wenn Tätigkeitsbereiche betroffen sind, die die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Personalvertretung sicherstellen und keinen zeitlichen Aufschub dulden, zB die regelmäßig durchzuführenden Personalratswahlen7. Kann allerdings zB die Teilnahme eines Personalratsmitgliedes an einer bestimmten Schulungsveranstaltung zunächst zurückgestellt werden, weil der Besuch einer vergleichbaren Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt seinen Zweck ebenfalls noch erfüllt, muss der Personalrat diesen Weg mangels vorhandener Haushaltsmittel einschlagen. Den entsprechenden Einwand des Dienststellenleiters darf der Personalrat nur dann übergehen, wenn die Schulungsteilnahme zu einem späteren Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann8. Deshalb ist der Personalrat gehalten, seinen vorhersehbaren Finanzbedarf rechtzeitig vor Aufstellung des Haushaltsplanes mitzuteilen9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BVerwG v. 18.6.1991 – 6 P 3.90, PersV 1992, 45 f. Vogelgesang, PersV 2008, 444, 445 mwN. BVerwG v. 9.7.2007 – 6 P 9.06, NZA-RR 2007, 668, 670 f., Rz. 21. ff. Ilbertz/Widmaier, § 44 Rz. 6 mwN. Ruppert, PersV 2001, 98, 99. BVerwG v. 26.2.2003 – 6 P 10.02, PersV 2003, 351 f. BVerwG v. 26.2.2003 – 6 P 10.02, PersV 2003, 351 ff. BVerwG v. 26.2.2003 – 6 P 10.02, PersV 2003, 351 ff. BVerwG v. 26.2.2003 – 6 P 10.02, PersV 2003, 351 ff.; ablehnend zu der dargestellten Rechtsprechung des BVerwG Altvater, § 44 Rz. 12 ff.; RDW/Jacobs, § 44 Rz. 14 ff. Sasse
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Teil 9
Rz. 55
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
55 Die Dienststelle hat die Kosten von Schulungen zu tragen, die dem Personalratsmitglied Kenntnisse vermittelt, die für die Personalratsarbeit erforderlich sind iSv. § 46 Abs. 6 BPersVG1. Sofern eine Schulung nur teilweise erforderliche Kenntnisse vermittelt, sind die Kosten nur anteilig zu übernehmen2. Die Kostentragungspflicht der Dienststelle setzt einen entsprechenden vorherigen3 Entsendungsbeschluss des Gremiums voraus. Der Personalrat hat die Dienststelle über den Umfang und den Inhalt der beabsichtigten Schulungsmaßnahme zu informieren. Nur so kann die Dienststelle ihr Prüfungsrecht ausüben. Allerdings führt die nicht vollständige Information nicht zum Erlöschen des Freistellungs- und Kostenübernahmeanspruchs. Dies kann sogar im gerichtlichen Verfahren noch nachgeholt werden4. Sofern ein entsprechender Anspruch besteht, hat die Dienststelle die Schulungskosten, aber auch Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten zu ersetzen. 56 Ein weiterer großer Themenbereich im Rahmen der Kostentragungspflicht gem. § 44 BPersVG ist die Übernahme der Kosten für Rechts- und Regelungsstreitigkeiten. Die Dienstsstelle hat die Kosten zu tragen, wenn das Verfahren in Ausübung der Personalratstätigkeit geführt wird. Der Personalrat musste die Kosten nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich erachten5. Hierzu zählen dann auch die Kosten der Einschaltung eines Rechtsanwalts. Mit diesem kann der Personalrat einen entsprechenden Vertrag auch ohne Einverständnis der Dienststelle abschließen. Voraussetzung ist, dass die Einleitung eines Beschlussverfahrens nicht mutwillig bzw. haltlos ist und ein Beschluss des Personalrates vorliegt6. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass die Vertretung durch einen Gewerkschaftsvertreter möglich gewesen wäre, so dass ein Anwalt nicht hätte hinzugezogen werden müssen7. Außerhalb eines Beschlussverfahrens darf der Personalrat die Hinzuziehung eines Anwalts nur nach sorgfältiger Abwägung und im Ausnahmefall für geboten erachten8. Vor der Einigungsstelle kann sich der Personalrat grundsätzlich allein vertreten9. Es sind aber Fälle denkbar, in denen auch dort eine anwaltliche Vertretung geboten ist, zB 1 Umfassend zur neueren Rechtsprechung zur Schulung von Personalratsmitgliedern Lorse, PersV 2008, 124 ff.; zur Frage der Erforderlichkeit Wank/Maties, NZA 2005, 1033, 1036 ff. 2 BVerwG v. 14.6.2006 – 6 P 13.05, NZA-RR 2007, 163, 167, Rz. 43 ff., aA: BAG v. 4.6.2003 – 7 ABR 42/02, NZA 2003, 1284, 1285, sofern ein zeitweiser Besuch praktisch nicht möglich, ist die Gesamtschulung erforderlich, wenn die erforderlichen Themen mit mehr als 50 % überwiegen. 3 BVerwG v. 9.7.2007 – 6 P 9.06, NZA-RR 2007, 668, 671, Rz. 34. 4 BVerwG v. 9.7.2007 – 6 P 9.06, NZA-RR 2007, 668, 670 ff., Rz. 20 ff. 5 RDW/Jacobs, § 44 Rz. 20, Fischer/Goeres/Gronimus, § 44 Rz. 10. 6 BVerwG v. 9.3.1992 – 6 P 11.90, NVwZ-RR 1992, 572, 573 f.; insbesondere auch zur Frage der Haltlosigkeit OVG Münster v. 29.11.2000 – 1 A 4383/98, NZA-RR 2001, 447, 448; Mutwilligkeit liegt vor, wenn von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen der kostspieligere beschritten wird, vgl. Altvater, § 44 Rz. 29. 7 Ilbertz/Widmaier, § 44 Rz. 16. 8 Ilbertz/Widmaier, § 44 Rz. 14d mwN. 9 OVG Hamburg v. 15.1.1990 – OVG Bs PH 2/98, PersV 1992, 530, 532 f.; kritisch hierzu Altvater, § 44 Rz. 32.
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II. Beteiligte
Rz. 58
Teil 9
bei schwierigen Rechtsfragen1. Dem einzelnen Personalratsmitglied sind die Kosten der anwaltlichen Vertretung zu ersetzen, sofern es sich bei seiner Verfahrensbeteiligung um Personalratstätigkeit handelt2. Dies gilt dann nicht, wenn das Mitglied Beteiligter in einem Beschlussverfahren betreffend die Zustimmungsersetzung zu seiner Kündigung ist3. Reisekosten werden nach den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes 57 ersetzt, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben notwendig waren (§44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG). Gem. § 44 Abs. 2 BPersVG hat die Dienststelle in erforderlichem Umfang 58 Räume, Geschäftsbedarf und Büropersonal zur Verfügung zu stellen. Der Personalrat hat gegen die Dienstsstelle einen Überlassungsanspruch. Er darf die Sachmittel nicht selbst beschaffen. Vielmehr muss er den Anspruch im Beschlussverfahren – ggf. mittels einstweiliger Verfügung – durchsetzen4. Nur ausnahmsweise kommt die Beschaffung durch den Personalrat und die Kostenerstattung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht5. Die Erforderlichkeit ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anhand der konkreten Umstände und der sich stellenden Personalratsaufgabe zu bestimmen. Der Personalrat hat die Interessen der Dienststelle und der Beschäftigten und ihrer Vertretung abzuwägen6. Dabei kommt es darauf an, ob ohne den Einsatz der Sachmittel die Wahrnehmung sonstiger Rechte und Pflichten seitens der Personalvertretung vernachlässigt werden müsste7. Erhebliche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang mittlerweile die Frage nach modernen Kommunikationsmitteln. Dem Personalrat ist die Nutzung einer dem Standard der Dienststelle entsprechenden Telefonanlage zu ermöglichen8. In Dienststellen, in denen es zahlreiche weit entfernte Dienststellenteile oÄ gibt, ist es erforderlich, eine Telefonanlage einzurichten, mit deren Hilfe die Personalratsmitglieder jederzeit erreichbar sind9. Sofern in der Dienststelle ein Faxgerät vorhanden ist, ist dessen Benutzung auch dem Personalrat gestattet. Ist in größerem Umfang Korrespondenz zu erledigen, so besteht auch ein Anspruch auf ein eigenes Faxgerät. Auch hat der Personalrat regelmäßig einen Anspruch auf die Überlassung eines Computers zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die Rechtsprechung verlangt aber, dass die Notwendigkeit dargelegt wird10. Ein eigenständiges vom Netzwerk der Dienststelle unabhän1 2 3 4 5 6 7
Zum BetrVG BAG v. 14.2.1996 – 7 ABR 25/95, NZA 1996, 892 ff. RDW/Jacobs § 44 Rz. 19. BVerwG v. 25.2.2004 – 6 P.12.03, NVwZ-RR 2004, 666 ff. BVerwG v. 29.6.2004 – 6 PB 3.04, NVwZ-RR 2004, 869 (Ls.). Altvater, § 44 Rz. 43. VGH Mannheim v. 9.10.2001 – PL 15 S 2437.00, NZA-RR 2003, 335. Kersten, PersV 2001, 307 f.; zum BetrVG BAG v. 16.5.2007 – 7 ABR 45/06, NZA 2007, 1117, 1120. 8 Besgen, NZA 2006, 959; RDW/Jacobs, § 44 Rz. 77; zurückhaltender Bieler u.a./ Bieler, LPersVG Sachsen-Anhalt, Stand 6/08, § 42 Rz. 77. 9 BAG v. 27.11.2002 – 7 ABR 36/01, NZA 2003, 803 ff.; Ilbertz/Widmaier, § 44 Rz. 20 b. 10 VGH Mannheim v. 9.10.2001 – PL 15 S 2437.00, NZA-RR 2003, 335 f.; zuletzt zum BetrVG BAG v. 16.5.2007 – 7 ABR 45/06, NZA 2007, 1117, 1119 f., Besgen, Sasse
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Teil 9
Rz. 59
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
giges EDV-System ist nicht erforderlich. Der Schutz der Vertraulichkeit kann durch die Nutzung von Passwörtern auch im Netzwerk der Dienststelle gewährleistet werden1. Ob daneben auch ein Laptop oÄ erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab2. Sofern in der Dienststelle ein EDV-gestütztes Kommunikationssystem besteht, darf unter Beachtung der allgemeinen Voraussetzungen auch der Personalrat dieses zur Information der Bediensteten nutzen3. Auch ein Anspruch auf Zugang zum Internet zum Zwecke der tagesaktuellen Informationsbeschaffung besteht, sofern im Betrieb ein Internetzugang vorhanden ist4. 59 Zum Geschäftsbedarf iSv. § 44 Abs. 2 BPersVG gehört auch Fachliteratur. Zu der zur Verfügung zu stellenden Fachliteratur gehören nach hM die für die Personalratsarbeit erforderlichen Texte von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Beamten-, Arbeits- und Sozialrechts, sowie der für die Dienststelle maßgebenden Tarifverträge, Unfallverhütungsvorschriften und sonstigen Arbeitsschutzvorschriften5. Auch ein Kommentar zum Personalvertretungsrecht gehört zu dem Geschäftsbedarf6. Gegebenfalls kann auch ein Kommentar zum TVöD hierzu gehören, sofern der Personalrat mit Fragen des Tarifrechts der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst befasst ist7. Auch eine Zeitschrift zum Personalvertretungsrecht gehört regelmäßig zum Geschäftsbedarf8. Dem Personalrat steht insoweit ein Auswahlrecht zu, sofern in der Dienststelle nicht bereits eine solche Zeitschrift vorhanden ist, die mitgenutzt werden kann9. Für die Frage der Erforderlichkeit stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob der Zugriff auf die Publikation bei Bedarf sofort und ohne jeden Zeitverlust möglich ist. In diesen Fällen kann auch ein Zugriff auf bei der Dienststelle vorhandene Literatur und eine Teilnahme an einem Umlaufverfahren für aktuelle Zeitschriften ausreichen10. Ob an dieser hM auch zukünftig uneingeschränkt festzuhalten ist, erscheint zweifelhaft. Denn der Anspruch auf Überlassung von Gesetzestexten wurde damit begründet, dass der Personalrat sich so ohne erheblichen Zeitaufwand über die jeweils
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NZA 2006, 959, 961, will in mittleren und größeren Betrieben regelmäßig von einer solchen Darlegung absehen. VGH Mannheim v. 9.10.2001 – PL 15 S 2437.00, NZA-RR 2003, 335, 336 aA Altvater, § 44 Rz. 56. Besgen, NZA 2006, 959, 961. OVG Hamburg v. 7.3.2008 – 8 Bf 233/07, PersR 2008, 328, 330 ff. BAG v. 20.1.2010 – 7 ABR 79/08, PM 3/10; LAG Berlin-Brandenburg v. 9.7.2008 – 17 TaBV 607/08, DB 2008, 2143 (Ls.); LAG Düsseldorf v. 2.9.2008 – 9 TaBV 8/08, NZA-RR 2009, 198 ff.; aA, keine grundsätzliche Pflicht, die Informationsbeschaffung mittels des Internets zu ermöglichen, BAG v 23.8.2006 – 7 ABR 55/05, NZA 2007, 337, 339. Altvater, § 44 Rz. 57. BVerwG v. 25.7.1979 – 6 P 29.78, AP Nr. 1 zu § 44 BPersVG. BVerwG v. 21.1.1991 – 6 P 13.89, AP Nr. 9 zu § 44 BPersVG. BVerwG v. 29.6.1988 – 6 P 18.86, NZA 1988, 1132 ff. BVerwG v. 5.10.1989 – 6 P 10.88 AP Nr 4 zu § 44 BPersVG; BVerwG v. 30.1.1991 – 6 P 7.89 AP Nr. 10 zu § 44 BPersVG. BVerwG v. 25.7.1979 – 6 P 29.78, AP Nr. 1 zu § 44 BPersVG; BVerwG v. 29.6.1988 – 6 P 18.86, NVwZ 1988, 1132, 1134; kritisch hierzu Altvater, § 44 Rz. 62.
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II. Beteiligte
Rz. 60
Teil 9
aktuellen Gesetze informieren kann1. Sofern man aber dem Personalrat einen Anspruch auf Zugang zum Internet zur taggenauen Informationsbeschaffung zubilligt (s.o. Rz. 58), wird auch unter Beachtung des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Sparsamkeit im Einzelfall zu überprüfen sein, ob die erforderlichen Gesetze nicht auch im Internet zB auf der Homepage des Bundesjustizministeriums verfügbar sind. Dann wird die Überlassung einer entsprechenden Textsammlung nicht erforderlich sein. Allerdings wird man mit dieser Begründung nicht auch den Anspruch auf eine Zeitschrift oder einen Kommentar verneinen können, weil zwischenzeitlich zB das BVerwG seine Entscheidungen im Internet einstellt. Denn die Kommentare vermitteln ein Bild darüber, wie Normen auszulegen sind. Zeitschriften vermitteln über die Veröffentlichung aktueller Entscheidungen hinaus auch ein Bild über die laufende juristische und rechtspolitische Diskussion, die für die Personalratsarbeit relevant ist2. Dies kann den Internetveröffentlichungen nicht entnommen werden3. Dem Personalrat sind im erforderlichen Umfang Räume zur Verfügung zu 60 stellen. Der Personalrat muss seine Tätigkeit angemessen wahrnehmen können4. Ob dies ständig oder nur stundenweise geschieht, richtet sich nach dem Umfang der Nutzung. Der Raum für Personalratssitzungen oder Sprechstunden kann auch stundenweise zur Verfügung gestellt werden5. Sofern dem Personalratsmitglied ein eigener Raum zur Verfügung steht, spricht in der Regel nichts dagegen, diesen auch für die Personalratstätigkeit zu nutzen6. Für freigestellte Personalratsmitglieder sind besondere Räume bereitzustellen7, dies jedoch nicht zur Alleinnutzung8. Auch für die Bürokraft des Personalrates ist ein eigenes Zimmer zur Verfügung zustellen, wenn die räumliche Situation der Dienststelle dies zulässt9. Die Räume müssen mit entsprechendem Mobiliar ausgestattet und beheizbar sein. Allgemein ist auf den üblichen Standard in der Dienststelle abzustellen. Auch ist die Vertraulichkeit der Personalratsarbeit zu gewährleisten10. Dies schließt ein, dass der Beschäftigte, der den Personalrat aufsucht, in den Räumen nicht beobachtet werden kann11. Der Personalrat hat das Hausrecht an den Räumlichkeiten. Trotzdem darf er die Räume nur in Erfüllung seiner Aufgaben nutzen, so dass er zB einen Journalisten nicht uneingeschränkt in seinem Büro empfangen darf12.
1 VGH Mannheim v. 27.11.1984 – 15 S 2665/83, NZA 1986, 105, 106. 2 BVerwG v. 29.6.1988 – 6 P 18.86, NZA 1988, 1132, 1133. 3 AA LAG Düsseldorf v. 2.9.2008 – 9 TaBV 8/08, NZA-RR 2009, 198, 201, welches das Internet für eine adäquate Informationsquelle hält. 4 Bieler u.a./Bieler, LPersVG SA, § 42 Rz. 32. 5 Altvater, § 44 Rz. 51. 6 OVG Greifswald v. 7.1.2004 – 8 L 219.02, NVwZ-RR 2004, 869, 870. 7 Altvater, § 44 Rz. Rz. 47. 8 OVG Greifswald v. 7.1.2004 – 8 L 219.02, NVwZ-RR 2004, 869, 870. 9 VGH Kassel v. 17.2.1994 – HPV TL 2143.92, NVwZ 1994, 1231 (Ls.). 10 VGH Kassel v. 17.2.1994 – HPV TL 2143.92, NVwZ 1994, 1231 (Ls.). 11 Bieler u.a./Bieler, LPersVG SA, § 42 Rz. 36; DKK/Wedde, § 40 Rz. 91. 12 BAG v.18.9.1991 – 7 ABR 63/90, NZA 1992, 315, 316 f. Sasse
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Teil 9
Rz. 61
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
61 Daneben ist dem Personalrat der nötige Bürobedarf zB Papier, Stempel etc. zur Verfügung zu stellen. 62 Sofern es zur Erledigung der bei dem Personalrat anfallenden Tätigkeiten erforderlich ist, ist auch Büropersonal zur Verfügung zu stellen. Dessen Tätigkeit umfasst Schreibarbeiten und andere Hilfstätigkeiten, zB Botengänge1. Der Personalrat kann nicht darauf verwiesen werden, ein Mitglied des Personalrats zur Erledigung dieser Arbeiten zusätzlich freizustellen, statt ihm Büropersonal zur Verfügung zu stellen2. Dies gilt auch dann, wenn sich unter den Mitgliedern Büropersonal befindet3. Nicht zu den Aufgaben des Büropersonals gehört die Übernahme von Sachbearbeitungsaufgaben4. Die Auswahl der Bürokraft obliegt der Dienststelle. Der Personalrat kann aber mangels Vertrauen die Zusammenarbeit ablehnen5. f) Rechtsstellung der Personalratsmitglieder aa) Rechtsstellung/Ehrenamt 63 Die Personalratsmitglieder führen ihr Amt gem. § 46 Abs. 1 BPersVG unentgeltlich als Ehrenamt. Sie dürfen wegen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weder benachteiligt noch begünstigt werden (§ 8 BPersVG). Diese Prinzipien dienen der Wahrung der inneren wie der äußeren Unabhängigkeit der Personalratsmitglieder6. Das Verbot der Vergütung der Personalratstätigkeit richtet sich nicht nur gegen den Dienstherren/Arbeitgeber, sondern auch gegen Dritte, zB Gewerkschaften7. Auch Aufwandsentschädigungen dürfen nur gezahlt werden, wenn Aufwendungen angefallen sind und in diesem Umfang erforderlich waren8. bb) Versäumnis der Arbeitszeit/Fortzahlung der Vergütung 64 Personalratsmitglieder sollen grundsätzlich ihre Aufgaben während der Arbeitszeit erfüllen. Wenn dies im Einzelfall nicht möglich ist, gibt es gem. § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG einen Anspruch auf Freizeitausgleich. Anders als in § 37 Abs. 3 BetrVG ist es dabei nicht erforderlich, dass die Personalratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist. Für Reisezeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit, zB wegen des Aufsuchens auswärtiger Sitzungen, besteht kein Anspruch
1 OVG Lüneburg v. 21.11.1994 – 18 L 1863.94, NdsVBl 1996, 21 f. 2 OVG Magdeburg v. 20.8.2000 – A 5 S 4.99, PersV 2001, 370, 371 f. 3 VGH Kassel v. 20.2.1980 – HPV TL 23/79, PersV 1982, 161, 162, OVG Lüneburg v. 21.11.1994 – 18 L 1863.94, NdsVBl 1996, 21 f. 4 OVG Magdeburg v. 30.7.2003 – 5 L 5/02, PersR 2003, 508 f. 5 RDW/Jacobs, § 44 Rz. 93, Altvater, § 44 Rz. 65. 6 BAG v. 16.2.2005 – 7 AZR 95/04, NZA-RR 2005, 556, 557; BAG v. 7.11.2007 – 7 AZR 820/06, NZA 2008, 597, 599. 7 BVerwG v. 10.10.1990 – 6 P 22.88, PersV 199/272, 273, Altvater, § 46 Rz. 9, Fischer/Goeres/Gronimus, § 46 Rz. 11 a. 8 RDW/Treber, § 46 Rz. 10.
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II. Beteiligte
Rz. 64
Teil 9
auf Freizeitausgleich1. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Freizeitausgleich bei Teilnahme an Schulungen. Dies gilt auch für teilzeitbeschäftigte Personalratsmitglieder2. Sofern dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist, hat das einzelne Personalratsmitglied einen Anspruch auf Dienstbefreiung. Eine Minderung der Vergütung erfolgt gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG nicht. Die Dienst- bzw. Arbeitsbefreiung erfolgt unmittelbar kraft Gesetzes, es bedarf keiner Zustimmung des Dienststellenleiters3. Die Personalratsmitglieder haben sich allerdings zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebes bei der Dienststelle vor Wahrnehmung der Personalratstätigkeit rechtzeitig unter Angabe von Ort und voraussichtlicher Dauer der Personalratstätigkeit abzumelden4. Die Versäumung der Arbeitszeit muss zur ordnungsgemäßen Erledigung der Personalratsaufgaben erforderlich sein. Das Personalratsmitglied muss sie nach pflichtgemäßem Ermessen unter vernünftiger Würdigung der vorliegenden Tatsachen und der Belange der Dienststelle für notwendig halten dürfen5. Weiterhin muss es sich um eine Aufgabe des Personalrates handeln. Hierzu gehören zB Personalratssitzungen, die Abhaltung von Sprechstunden. Nicht hierzu gehören zB die Teilnahme an Arbeitstagungen mit Personalvertretungen anderer Dienststellen6, der Besuch eines erkrankten Beschäftigten7 oder die gerichtliche Vertretung eines Beschäftigten8. Ob es sich um die Wahrnehmung einer Aufgabe des Personalrates handelt, ist dabei nach objektiven Kriterien zu entscheiden. Das pflichtgemäße Ermessen des Personalrates ist hier nicht maßgeblich9. Sofern die Dienststelle in der Vergangenheit ein bestimmtes Verhalten stets geduldet hat, kann auch hieraus von Seiten des Personalratsmitgliedes abgeleitet werden, dass es sich um eine Personalratstätigkeit handelt10. Als Folge der Freistellung haben die freigestellten Personalratsmitglieder Anspruch auf Weiterzahlung der Bezüge in dem Umfang, wie sie vor Beginn der Freistellung gezahlt wurden. Insoweit gilt das Lohnausfallprinzip. Davon erfasst sind unter anderem auch Überstundenvergütungen, die das Personalratsmitglied erhalten hätte, wenn es keine Per1 BAG v. 22.5.1986 – 6 AZR 526/83, AP Nr. 8 zu § 46 BPersVG; BAG v. 17.10.1990 – 7 AZR 612/89, ZTR 1991, 344; aA Altvater, § 46 Rz. 36. 2 RDW/Treber, § 46 Rz. 139; kritisch hierzu Altvater, § 46 Rz. 116. 3 Peiseler, PersR 2008, 239, 241 f.; RDW/Treber § 46 Rz. 19 mwN. 4 BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94; NZA 1995, 961 f. unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, die auch eine stichwortartige Angabe der Tätigkeit verlangte. Hierin sieht das BAG eine Beeinträchtigung der Amtsausführung. 5 RDW/Treber, § 46 Rz. 17. 6 BVerwG v. 27.4.1979 – 6 P 24.78, PersV 1981, 25 f. 7 BVerwG v. 24.10.1969 – VII P 14.68, BVerwGE 34, 143, 144 ff. 8 BVerwG v. 13.2.1976 – VII P 9.74, BVerwGE 50, 176; ebenso für die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung, wenn individualrechtliche Ansprüche eines Personalrechtsmitgliedes geltend gemacht werden Bieler u.a./Bieler, LPersVG Sachsen-Anhalt, § 44 Rz. 11. 9 BVerwG v. 27.4.1979 – 6 P 24.78; PersV 1981, 25, 26; Bieler u.a./Bieler, LPersVG Sachsen-Anhalt, § 44 Rz. 12; RDW/Treber § 46 Rz. 14, der zunächst davon ausgeht, dass ein objektiver Maßstab gelte, dann jedoch einen Beurteilungsspielraum annimmt. 10 Altvater, § 46 Rz. 16. Sasse
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Grundlagen des Personalvertretungsrechts
sonalratstätigkeit verrichtet hätte1. Ebenso sind bisher gewährte Erschwerniszulagen für den Dienst zu ungünstigen Zeiten weiterzuzahlen2. 65 Nicht fortgezahlt werden indes solche Zulagen, die der Abgeltung der durch die Dienstleistung entstandenen Aufwendungen gelten, die also nicht Besoldung sind, sondern neben dieser und zusätzlich zu ihr gewährt werden3. cc) Freistellung 66 Neben der aus konkretem Anlass begründeten Freistellung sieht § 46 Abs. 3 BPersVG eine generelle Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit vor. Die pauschale Freistellung hängt von zwei Voraussetzungen ab. Sie muss zur Durchführung von Personalratsaufgaben dienen und sie muss nach Umfang und Art der Dienstelle zur Durchführung erforderlich sein. Der Gesetzgeber unterstellt dabei ab einer bestimmten Dienststellengröße, dass die Freistellung einer oder mehrerer Personalratsmitglieder für die Erledigung der Personalratsaufgaben erforderlich ist. Trotz Freistellung bleiben die übrigen Pflichten aus dem Dienst- und Arbeitsverhältnis unberührt. Dies betrifft insbesondere auch Beginn und Ende der Arbeitszeit, die unverändert fortgelten4. Das freigestellte Personalratsmitglied hat auch einen Anspruch auf Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit, wenn er diesen ohne Freistellung erworben hätte5. 67 Durch die Freistellung soll sichergestellt werden, dass die außerhalb von Sitzungen anfallenden Geschäfte des Personalrates ordnungs- und sachgemäß wahrgenommen werden können. Der Umfang der Freistellung richtet sich grundsätzlich nach den Pauschalregelungen des § 46 Abs. 4 BPersVG. Ein Freistellungsanspruch steht als Rechtsanspruch der Personalvertretung, nicht aber dem freizustellenden Mitglied zu. Die Personalvertretung entscheidet durch Beschluss, welches Mitglied vom Dienst freigestellt werden soll6. Bei der Auswahl der freizustellenden Mitglieder hat der Personalrat zunächst die Vorstandsmitglieder und sodann die gewählten Ersatzmitglieder und schließlich weitere Mitglieder zu berücksichtigen. Bei seinen Freistellungsentscheidungen hat sich der Personalrat ausschließlich von sachlichen Erwägungen leiten zu lassen. Insbesondere kann er wegen des gesetzlich vorgesehenen Gruppenschutzes nicht auf eine Freistellung verzichten, wenn dies ausschließlich zu Lasten einer ansonsten gem. § 46 Abs. 3 Satz 3 BPersVG begünstigten Minderheit gehen würde7. Die gesetzlich vorgeschriebene Reihenfolge gem. § 46 Abs. 3 Satz 2 BPersVG räumt
1 BAG v. 16.2.2005 – 7 AZR 95/04, AP Nr. 26 zu § 46 BPersVG. 2 BVerwG v. 13.9.2001 – 3 C 34.00, AP Nr. 1 zu § 39 LPVG Niedersachsen. 3 BVerwG v. 13.7.2000 – 2 C 30.99, DVBl. 2001, 131 ff.; Wahlers, PersV 2009, 204, 207 f. 4 BVerwG v. 14.6.1990 – 6 P 18.88, PersV 1990, 532, 533. 5 BAG v. 7.11.2007 – 7 AZR 820/06, ZTR 2008, 401, 409 f. 6 BVerwG v. 17.1.1969 – VI P 6.67, AP Nr. 2 zu § 42 PersVG. 7 Ilbertz/Widmaier, § 46 Rz. 16.
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der Personalvertretung kein Ermessen bei der Entscheidung über die Reihenfolge der Freistellungen ein1. dd) Berufliche Entwicklung freigestellter Personalratsmitglieder Die Freistellung darf nicht zur Beeinträchtigung des beruflichen Werde- 68 gangs führen (§ 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG). Hierbei handelt es sich um eine Konkretisierung des allgemeinen Behinderungs- und Begünstigungsverbotes, welches das Personalratsmitglied in seiner arbeits- und dienstrechtlichen Stellung schützt. Diese Vorschrift stellt nicht nur ein Verbot der Schlechterstellung, sondern auch ein an den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber gerichtetes Gebot der Gleichstellung, das darin besteht, ein freigestelltes Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre2. Diese Vorschrift ist eine unmittelbar anspruchsbegründende Norm, die den Dienstherrn entsprechend verpflichtet, ohne dass es auf sein Verschulden ankommt. Das Personalratsmitglied hat einen unmittelbaren Anspruch darauf, hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung so gestellt zu werden, wie sie ohne Personalratsamt verlaufen wäre. Hierzu bedarf es einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung, wobei von der beruflichen Entwicklung vergleichbarer Kollegen auszugehen ist3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Festlegung der Vergleichsgruppe ist der der Freistellung4. Bei der Laufbahnnachzeichnung sind die Beurteilungen unter Berücksichtigung einer durchschnittlich zu erwartenden Leistungssteigerung fortzuschreiben5. Sofern die vergleichbaren Kollegen herausragende Leistungen gezeigt haben, kann das freigestellte Personalratsmitglied deren berufliche Entwicklung nicht als Vergleichsmaßstab heranziehen6. Im Falle eines teilweise freigestellten Personalratsmitgliedes ist dessen Werdegang ohne Freistellung fiktiv nachzuzeichnen und die Ergebnisse der Nachzeichnung sind neben der Bewertung der dienstlichen Leistung zu berücksichtigen7. Der Bedienstete nimmt auch am Zeit- und Bewährungsaufstieg teil. Dabei ist auch darauf zu achten, dass das freigestellte Personalratsmitglied im Verhältnis zu den übrigen Beschäftigten nicht entgegen dem Begünstigungsverbot gem. § 8 BPersVG bevorzugt wird8. Bei Vergabe von Beförderungsdienstposten ist das freigestellte Personalratsmitglied grundsätzlich nur zu berücksichtigen, wenn es sich beworben hat. Sofern der Arbeitnehmer sich um eine entsprechende Beförderungs1 BVerwG v.12.1.2009 – 6 PB 24.08, NZA-RR 2009, 226, 227. 2 Altvater, § 46 Rz. 78; ausführlich zur Beförderung freigestellter Beamter Baden, PersR 2009, 107 ff. 3 BAG v. 26.9.1990 – 7 AZR 208/89, NZA 1991, 694 f. 4 RDW/Treber, § 46 Rz. 94. 5 BVerwG v. 7.11.1990 – 1 WB 160.90, BVerwGE 93, 188, 192 ff. 6 OVG Münster v. 14.12.2007 – 6 B 1155/07, PersR 2008, 131, 132. 7 BAG v. 19.3.2003 – 7 AZR 334/02, NZA-RR 2004, 53 ff. 8 BAG v. 27.6.2001 – 7 ARZ 496/99, NZA 2002, 106, 108; zur Problematik der Begünstigung und der Frage der Vergütung der Betriebsratstätigkeit vgl. auch Löwisch/Rügenhagen, DB 2008, 466 f. Sasse
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Rz. 70
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stelle bewirbt, hat der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Diese gelten auch dann, wenn sich ein freigestelltes Personalratsmitglied um einen freien, höher dotierten Arbeitsplatz bewirbt. Allerdings muss den besonderen Umständen im Arbeitsverhältnis eines von der Arbeitsleistung freigestellten Mitarbeiters bei der Entscheidung über die Besetzung der freien Stelle Rechnung getragen werden. Sofern die Bewerbung des freigestellten Personalratsmitgliedes daran scheitert, dass aktuelle Fachkenntnisse fehlen oder der Arbeitgeber sich zur Beurteilung der fachlichen und beruflichen Qualifikation infolge der Freistellung außerstande sieht, ist die Entscheidung gem. Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden. Es kann jedoch in diesen Fällen eine Zahlungspflicht gem. §§ 8, 46 BPersVG entstehen, wenn das Fehlen von feststellbarem, aktuellem Fachwissen gerade aufgrund der Freistellung eingetreten ist1. Weiterhin kann ein Anspruch auf Höhergruppierung dann gegeben sein, wenn das Personalratsmitglied eine Bewerbung von vornherein wegen der Freistellung unterlassen hat und eine ohne die Freistellung erfolgte Bewerbung erfolgreich gewesen wäre2. Auch kann ein Anspruch auf Höhergruppierung bestehen, wenn öffentliche Arbeitgeber Angestellte mit bestimmten Laufbahnvoraussetzungen nach feststehenden Maßstäben und/ oder Zeitabläufen auf frei werdende oder neu geschaffene Stellen einer höheren Vergütungsgruppe befördern und Personalratsmitglieder wegen der Freistellung hiervon ausnehmen3. 70 In diesen Fällen kann der Arbeitnehmer auch direkt auf Zahlung einer entsprechenden Vergütung klagen. Diese für Arbeitnehmer geltende Rechtsprechung ist auf Beamte nicht zu übertragen. Diese müssen vielmehr ihren Dienstherrn auf Beförderung in Anspruch nehmen. Auch kommt eine Klage auf Schadensersatz in Frage. Dies erfordert aber als nicht nachholbare Klagevoraussetzung einen vor Klageerhebung an den Dienstherrn zu stellenden Antrag auf Beförderung4. 71 Im Zusammenhang mit der Beförderung von freigestellten Personalratsmitgliedern kann sich das Problem ergeben, dass nach den entsprechenden laufbahnrechtlichen Vorschriften eine Erprobung erforderlich ist. Nur der erfolgreich Erprobte kann befördert werden. Dies würde aber für freigestellte Personalratsmitglieder zur Folge haben, dass sie ihre Freistellung aufgeben müssten. Hierin liegt aber eine verbotene Benachteiligung. Die Erprobungspflicht und das Benachteiligungsverbot stehen rechtlich auf gleicher Stufe. Das Erfordernis einer tatsächlichen Erprobung würde aber das Personalratsmitglied vor einen Konflikt stellen, der vermieden werden soll. Die widerstreitenden Rechtsgrundsätze sind auszugleichen. Dies kann dergestalt geschehen, dass aufgrund des bisherigen beruflichen Werdegangs des Personalratsmitgliedes und vergleichbarer Bediensteter eine Prognoseentscheidung angestellt wird. Sofern sich eine belastbare Prognose 1 2 3 4
BAG v. 27.6.2001 – 7 AZR 496/99, NZA 2002, 106, 108. BAG v. 27.6.2001 – 7 AZR 496/99, NZA 2002, 106, 108. BAG v. 27.6.2001 – 7 AZR 496/99, NZA 2002, 106, 108. BVerwG v. 10.4.1997 – 2 C 38.95, DVBl. 1998, 191 f. mwN.
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allerdings nicht treffen lässt, dass das freigestellte Personalratsmitglied den Anforderungen des Beförderungsdienstpostens gerecht werden würde, kann von einer tatsächlichen Erprobung nicht abgesehen werden. Das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungsverbot findet hier seine Grenzen in den Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG1. ee) Kündigungs- und Versetzungsschutz Für die Mitglieder der Personalvertretung gilt der besondere Kündigungs- 72 schutz des § 15 KSchG. Mitglieder der Personalvertretung sind gem. § 15 Abs. 2 KSchG nur außerordentlich kündbar. Die außerordentliche Kündigung bedarf der Zustimmung des Personalrates (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Zuständig ist der Personalrat, dem das Mitglied angehört, zB der Hauptpersonalrat und nicht der Personalrat der Dienststelle, bei der es beschäftigt ist2. Gehört das Mitglied mehreren Vertretungen an, so ist die Zustimmung aller Vertretungen einzuholen3. Bei Wahlvorstandsmitgliedern, Wahlbewerbern und JAV-Mitgliedern ist die Vertretung zuständig, für welche die Wahl durchgeführt wird bzw. bei welcher die Jugendvertretung besteht4. Die Zustimmung ist im Falle der Verweigerung oder nicht erfolgten Äußerung zu ersetzen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BPersVG). Sofern ein Personalrat nicht existiert, zB bei der beabsichtigten Kündigung von Wahlbewerbern, oder nicht funktionsfähig ist, ist unmittelbar das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten5. Während § 102 Abs. 2 BetrVG eine Äußerungsfrist von drei Tagen für den Betriebsrat vorsieht, beträgt diese Frist gem. § 47 Abs. 1 BPersVG drei Arbeitstage. Zuständig für die Einleitung des Anhörungsverfahrens und die Zustimmungsersetzung ist der Dienststellenleiter, der für den Ausspruch der Kündigung zuständig ist6. Auch ausgeschiedene Mitglieder der Personalvertretung genießen gem. 73 § 15 Abs. 2 Satz 2 KSchG für ein Jahr nachwirkenden Kündigungsschutz, dh., weiterhin ist die Kündigung nur aus wichtigem Grund möglich. Dieser Schutz besteht gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 KSchG nicht, wenn der Verlust der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht. In diesem Zeitraum besteht nicht mehr das Erfordernis der Zustimmung gem. § 47 BPersVG7. Vielmehr gelten jetzt die allgemeinen Vorschriften betreffend die Personalratsbeteiligung (s.o. Teil 4 D Rz. 25 ff.).
1 BVerwG v. 21.9.2006 – 2 C 13/05, NVwZ 2007, 344 f. 2 BVerwG v. 30.4.1996 – 6 P 5.97, NZA-RR 1998, 573, 576; HWK/Quecke, § 15 KSchG Rz. 49. 3 BVerwG v. 8.12.1986 – 6 P 20.84, NJW 1987, 2601; BAG v. 30.3.1994 – 7 ABR 46/93, AP Nr. 1 zu § 47 BPersVG. 4 BVerwG v. 9.7.1980 – 6 P 43.79, PersV 1980, 370, 371 aA KR-Etzel, §§ 47, 108 Abs. 1 BPersVG Rz. 8; HaKo/Fiebig, § 15 KSchG Rz. 175; differenzierend RDW/ Treber, JAV-Mitglieder der Personalrat, bei welchem die JAV besteht, bei Wahlbewerbern der Personalrat der Dienststelle, welcher der Arbeitnehmer angehört. 5 RDW/Treber, § 47 Rz. 32 f.; Altvater, § 47 Rz. 38. 6 BVerwG v. 3.5.1999 – 6 P 2.98, NZA-RR 1999, 556, 557. 7 LAG Köln v. 6.7.2005 – 3 (7) Sa 193/05, NZA-RR 2006, 52, 53. Sasse
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Grundlagen des Personalvertretungsrechts
74 Ausnahmsweise ist gem. § 15 Abs. 4 bzw. 5 KSchG auch eine ordentliche Kündigung des Personalratsmitgliedes möglich. In diesem Fall greift § 47 BPersVG nicht ein. Die Anhörung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften1. 75 Weiterhin dürfen Personalratsmitglieder gegen ihren Willen gem. § 47 Abs. 2 BPersVG nur versetzt oder abgeordnet werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der Mitgliedschaft im Personalrat aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar ist2. Als Versetzung gilt dabei auch die mit einem Wechsel des Dienstortes verbundene Umsetzung in derselben Dienststelle. Die Versetzung oder Abordnung von Mitgliedern des Personalrates bedarf der Zustimmung des Personalrates. Im Fall der Verweigerung kann auch hier die Zustimmungsersetzung beantragt werden. Eine Ausnahme gilt für Beamte im Vorbereitungsdienst und Beschäftigte in entsprechender Ausbildung gem. § 47 Abs. 3 BPersVG. Die Vorschriften des § 47 Abs. 1 und 2 BPersVG und die §§ 15 und 16 KSchG gelten für diese Personengruppen nicht. ff) Übernahme von Auszubildenden 76 Eine weitere wichtige Schutzvorschrift enthält § 9 BPersVG für Auszubildende, die Mitglieder der Personalvertretung oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung sind. Diese haben einen Anspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung. Geschützt werden nur Personen, die in einer Ausbildung nach den in § 9 Abs. 1 BPersVG genannten Gesetzen stehen. Nicht erfasst werden hingegen Personen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis3. Der Auszubildende muss bei Beendigung der Ausbildung Mitglied der Personal- oder Jugend- und Auszubildendenvertretung sein. Eine Mindestdauer der Mitgliedschaft ist hierbei nicht erforderlich. Es ist auch ausreichend, wenn der Auszubildende innerhalb der letzten drei Monate Mitglied geworden ist4. Gem. § 9 Abs. 3 BPersVG werden auch ausgeschiedene Mitglieder erfasst, sofern die Ausbildung innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit erfolgreich endet. Ersatzmitglieder fallen nur dann unter den Schutz des § 9 BPersVG, wenn sie ersatzweise endgültig in die Vertretung eingerückt sind oder wenn sie vorübergehend, aber in nicht unerheblichem Umfang in Einzelfällen Vertretungstätigkeiten ausgeübt haben5. 1 BAG v. 30.3.1994 – 7 ABR 46/93, AP Nr. 1 zu § 47 BPersVG. 2 Zum Begriff der Unvermeidbarkeit OVG Greifswald v. 25.6.2007 – 8 L 191/06, NJOZ 2008, 1803 ff. 3 BVerwG v. 4.9.1995 – 6 P 20.93, NZA-RR 1996, 198, 200. 4 VGH Mannheim v. 18.1.2005 – 15 S 1129.04, NJOZ 2005, 32643269, insoweit nicht weiter erwähnt in BVerwG v. 31.5.2005 – 6 PB 1.05, NZA-RR 2005, 613 f.; RDW/Treber, § 9 Rz. 13, aA Feudner, NJW 2005, 1462, 1466. 5 BVerwG v. 25.6.1986 – 6 P 27.84, NZA 1986, 839, 840; BVerwG v. 9.10.1996 – 6 P 21.94, NZA-RR 1998, 190, 192, Ilbertz/Widmaier, § 9 Rz. 6; aA BAG v. 15.1.1980 – 6 AZR 726/79, AP Nr. 8 zu § 78a BetrVG 1972; Altvater, § 9 Rn. 10; RDW/Treber, § 9 Rz. 15.
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II. Beteiligte
Rz. 79
Teil 9
Sofern der Arbeitgeber beabsichtigt, die gem. § 9 Abs. 1 BPersVG geschütz- 77 ten Personen nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, muss er dies spätestens drei Monate vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses schriftlich mitteilen. Die Mitteilungspflicht entfällt nicht deshalb, weil der Arbeitgeber ein befristetes Arbeitsverhältnis oder ein Teilzeitarbeitsverhältnis anbieten will1. Verletzt der Arbeitgeber die Mitteilungspflicht, so ist dies unbeachtlich, es sei denn, der Verstoß zielt darauf ab, den Auszubildenden von der Geltendmachung seiner Rechte abzuhalten, insbesondere führt dies nicht dazu, dass ein Arbeitsverhältnis zustande kommt2. Auch Schadensersatzansprüche bestehen entgegen der hM in der Regel nicht, da es der Auszubildende selber in der Hand hat, gem. § 9 Abs. 2 BPersVG vorzugehen und dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass er eine Weiterbeschäftigung verlangt3. Die insoweit zur Begründung der hM herangezogenen Urteile des BAG4 erwähnen lediglich die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen, ohne hierüber abschließend zu entscheiden. Das Mitglied muss gem. § 9 Abs. 2 BPersVG seine Weiterbeschäftigung 78 schriftlich innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses verlangen. Eine vorherige Erklärung begründet kein Arbeitsverhältnis, aber die Erklärung kann wiederholt werden. Die Erklärung muss spätestens am Tag der Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse dem Arbeitgeber zugegangen sein. Durch diese Erklärung kommt nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zustande. Die Erklärung ist frei widerruflich. Auf den Schutz des § 9 BPersVG kann vor Beginn der Dreimonatsfrist nicht verzichtet werden5. Während der Dreimonatsfrist kann der Auszubildende ausdrücklich, aber auch konkludent, zB durch den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages, auf den Schutz verzichten6. Der Arbeitgeber kann gem. § 9 Abs. 4 BPersVG spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses beantragen, festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis gem. § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG nicht begründet wird, oder ein bereits nach diesen Vorschriften begründetes Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Der Antrag kann schon dann gestellt werden, wenn der Auszubildende den Antrag gem. § 9 1 RDW/Treber, § 9 Rz. 24. 2 BVerwG v. 9.10.1996 – 6 P 20/94, NZA-RR 1997, 239, 240; BVerwG v. 31.5.2005 – 6 PB 1.05, NZA-RR 2005, 613, 614; Altvater, § 9 Rz. 7. 3 HWK/Schrader, § 78a BetrVG Rz. 13 aA Altvater, § 9 Rz. 7; DKK/Kittner/Bachner, § 78a Rz. 11; GK-BetrVG/Oetker, § 78a Rz. 47 mwN. 4 BAG v. 15.1.1980 – 6 AZR 621/78, AP Nr. 7 zu § 78a BetrVG 1972; BAG v. 21.10.1985 – 6 AZR 557/84, AP Nr. 15 zu § 78a BetrVG 1972. 5 DKK/Kittner/Bachner, § 78a Rn. 15. 6 BVerwG v. 31.5.2005 – 6 PB 1.05, NZA-RR 2005, 613; BVerwG v. 19.1.2009 – 6 P 1.08, NZA-RR 2009, 228, 229, das aufgrund der Gesamtumstände trotz Abschluss eines befristeten Anstellungsvertrages einen Verzicht verneint. Sasse
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Abs. 2 BPersVG noch nicht gestellt hat, zB weil dies aufgrund der Fristenregelung noch gar nicht möglich war; ihm fehlt lediglich zunächst das Rechtsschutzbedürfnis1. Der Antrag gem. § 9 Abs. 4 Nr. 1 BPersVG, festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird, führt nicht dazu, dass ein Anstellungsverhältnis nicht begründet wird. Vielmehr hat auch in diesen Fällen das Bestehen der Abschlussprüfung zur Folge, dass aufgrund der Fiktion des § 9 Abs. 2 BPersVG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wird2. Der Feststellungsantrag wandelt sich dann ohne förmliche Antragsänderung in einen Auflösungsantrag um3. Im Rahmen dieser Anträge ist als Vorfrage zu klären, ob ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist4. In diesem Verfahren wird der Arbeitgeber durch denjenigen vertreten, der zu seiner gerichtlichen Vertretung befugt ist5. Auch ein Dritter kann bevollmächtigt werden, einen Antrag gem. § 9 Abs. 4 BPersVG zu stellen. Voraussetzung für einen wirksamen Antrag ist aber, dass die schriftliche Vollmacht innerhalb der Frist des § 9 Abs. 4 BPersVG dem Gericht vorliegt6. Da ein Arbeitsverhältnis aufgrund der Fiktion zunächst besteht, kann der Arbeitnehmer seinen Beschäftigungsanspruch mittels einer einstweiligen Verfügung sichern7. Auch der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens die Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht zu beantragen. Allerdings ist hier das Interesse des Arbeitnehmers an der Amtsausübung zu beachten8. 80 In dem Verfahren gem. § 9 Abs. 4 BPersVG wird die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung geklärt. Diese kann sich aus Gründen ergeben, die in der Person des Auszubildendenoder in seinem Verhalten liegen, oder aus zwingenden betrieblichen Gründen. Gründe in der Person oder dem Verhalten begründen die Unzumutbarkeit zumindest unter den Voraussetzungen des wichtigen Grundes des § 626 BGB9. Eine Weiterbeschäftigung ist dann unzumutbar, wenn andere Auszubildende wesentlich fähiger und geeigneter sind10. Aus zwingenden betrieblichen Gründen ist die Weiterbeschäftigung unzumutbar, wenn der Arbeitgeber dem Auszubildenden 1 BVerwG v. 2.11.1994 – 6 P 39.93, NVwZ-RR 1995, 333 f., der Antrag wird durch das spätere Übernahmeverlangen des Auszubildenden wirksam. 2 BVerwG v. 1.12.2003 – 6 P 11.03, NZA-RR 2004, 389, 390 mwN., widersprüchlich Ilbertz/Widmaier, § 9 Rz. 15b. 3 BVerwG v. 28.7.2006 – 6 PB 9.06, NZA-RR 2006, 670, 671. 4 BVerwG v. 9.10.1996 – 6 P 20.94, NZA-RR 1997, 239; zur älteren abweichenden Rechtsprechung des BAG vgl. BAG v. 11.1.1995 – 7 AZR 574/94, NZA 1995, 647, 648. 5 BVerwG v. 8.7.2008 – 6 P 14.07, NZA-RR 2009, 52, 53. 6 BVerwG v. 1.12.2003 – 6 P 11.03, NZA-RR 2004, 389, 390 ff.; BVerwG v. 19.1.2009 – 6 P 1.08, NZA-RR 2009, 228, 230; das BVerwG hat angedeutet, dass diese Grundsätze auch bei der Vertretung durch Rechtsanwälte erwogen werden BVerwG v. 19.8.2009 – 6 PB 19.09, Rz. 6; ausführlich Sasse/Vogel, ArbRB 2009, 339 ff. 7 KR-Etzel, § 78a BetrVG Rz. 53 mwN. 8 Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Aufl., I Rz. 187. 9 GK-BetrVG/Oetker, § 78a Rz. 79 ff., aA Richardi/Thüsing, § 78a Rz. 43. 10 BVerwG v. 17.5.2000 – 6 P 9.99 – AP Nr. 15 zu § 9 BPersVG, 1,33-fache der vollen Notenstufe; BVerwG v. 26.11.2009 – 6 PB 32.09, Rz. 6.
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III. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit
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Teil 9
keinen seiner Ausbildung adäquaten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz zu schaffen1. Sofern ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, darf der Arbeitgeber sich entschließen, diesen mit Überhangpersonal, das aufgrund eines sozialverträglichen Personalabbaus vorhanden ist, statt mit dem Jugendvertreter zu besetzen2. Für die Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit wurde bisher auf die Dienststelle abgestellt3. Das BVerwG weicht von dieser Rechtsprechung nunmehr für Mitglieder der Stufenvertretung unter dem Gesichtspunkt der Ämterkontinuität ab. Denn das Amt wird dienststellenübergreifend ausgeübt. Es ist auf den Bereich abzustellen, für den die entsprechende Vertretung zuständig ist4.
III. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit Dienststelle und Personalvertretung arbeiten gem. § 2 Abs. 1 BPersVG unter 81 Beachtung der Gesetze und Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Beschäftigten und zur Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben zusammen. Dieser Grundsatz wird durch die Verpflichtung zur Monatsbesprechung (§ 66 Abs. 1 BPersVG), die personalvertretungsrechtliche Friedenspflicht (§ 66 Abs. 2 BPersVG) und das Verbot parteipolitischer Betätigung in der Dienststelle (§ 67 Abs. 1 Satz 3 BPersV) flankiert. Der Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit stellt die „magna char- 82 ta“ des Personalvertretungsrechtes dar5. Bei diesem Grundsatz handelt es sich nicht um eine allgemeine Leitlinie, sondern um unmittelbar geltendes Recht. Es handelt sich um eine Generalklausel, die das Verhältnis zwischen Dienststelle und Personalvertretung regelt6. Sie findet keine Anwendung auf das Verhältnis der Personalratsmitglieder oder der Beschäftigten untereinander7. Aus der Generalklausel können keine gesetzlich nicht vorgesehenen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte abgeleitet werden8. Daraus folgt auch, dass eine isolierte Feststellung eines Verstoßes gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht möglich ist. Eine derartige Feststellung kann nur im Rahmen eines Verfahrens betreffend eine dem Personalrat eingeräumte Befugnis getroffen werden9. 1 BVerwG v. 1.11.2005 – 6 P 3.05, NZA-RR 2006, 218, 219; zu weiteren Fallgestaltungen vgl. RDW/Treber, § 9 Rz. 66 f. 2 BVerwG v. 4.6.2009 – 6 PB 6.09, Rz. 12. 3 Zuletzt BVerwG v. 1.11.2005 – 6 P 3.05, NZA-RR 2006, 218, 219 ff. 4 BVerwG v. 19.1.2009 – 6 P 1.08; NZA-RR 2009, 228, 230 ff. 5 Hahn, PersV 1992, 559; Ruppert, PersV 1998, 89, 90. 6 Flintrop/Leuze, PersV 2007, 269, 271; Ilbertz/Widmaier, § 2 Rz. 2. 7 BVerwG v. 11.1.2006 – 6 PB 17.05, NZA-RR 2006, 390, Rz. 6. 8 BVerwG v. 18.8.2003 – 6 P 6.03, PersR 2003, 498, 499; Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung, S. 204; Flintrop/Leuze, PersV 2007, 269, 271. 9 OVG Münster v. 29.11.2000 – 1 A 4383.98.PVL, NZA-RR 2001, 447, 448, Ilbertz/ Widmaier, § 2 Rz. 52; aA Altvater, § 2 Rz. 54. Sasse
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Rz. 83
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Dienststellenleitung und Personalrat stehen sich dabei als gleichberechtigte Partner gegenüber. Dies schließt aber nicht aus, dass es trotz einer auf Kooperation ausgelegten Konzeption zu prononcierten Auseinandersetzungen kommt, bei denen eine ansonsten zwischen Vorgesetzten und Untergebenen unübliche Sprachweise verwendet wird1. 83 Die Personalvertretungen arbeiten mit der Dienststelle unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge vertrauensvoll zusammen. Gesetze im Sinne dieser Vorschrift sind alle geltenden Rechtsvorschriften, also Gesetze im materiellen Sinne. Hierzu gehören das Grundgesetz, Gesetze im formellen Sinne, Rechtsverordnungen, öffentlich rechtliche Satzungen, das Verwaltungsgewohnheitsrecht, das arbeitsrechtliche Gewohnheitsrecht sowie das unmittelbar anzuwendende Recht der EG. Ferner fallen hierunter allgemeinverbindliche Entscheidungen des BVerfG2. Die Hervorhebung der Gesetze erfolgt, weil das Beamtenverhältnis nicht durch Tarifvertrag, sondern durch Gesetze und Rechtsverordnungen gestaltet wird3. 84 Ziele der Zusammenarbeit zwischen Dienststellenleiter und Personalvertretung sind das Wohl der Beschäftigten und die Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben. Die Ziele stehen gleichrangig nebeneinander4. Auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 24.5.19955 ergibt sich keine abweichende Bewertung6. Dienststellenleitung und Personalvertretung haben insoweit das geltende allgemeine Verhaltensgebot zu beachten und sollen sich einvernehmlich für die Lösung von Streitfragen einsetzen und gegenseitig ihre gesetzlichen Aufgabenbereiche respektieren. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist nicht nur bei der Auslegung der im Personalvertretungsrecht konkret normierten Verhaltensvorschriften und Beteiligungsbefugnisse zu beachten, sondern er enthält ein allgemeines Verhaltensgebot für den Dienststellenleiter und den Personalrat7. Insbesondere soll die Zusammenarbeit durch gegenseitiges Vertrauen
1 2 3 4
BVerwG v. 19.9.1984 – 1 D 38.84, NJW 1985, 1721. Altvater, § 2 Rz. 15. RDW/Richardi, § 2 Rz. 24. BVerwG v. 25.6.1984 – 6 P 2.83, NVwZ 1984, 796; aA RDW/Richardi, § 2 Rz. 14, das Eintreten für die Interessen der Belegschaft hat in Unterordnung unter die Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben zu erfolgen; wiederum aA Jordan, PersR 2004, 8, wegen der Reihenfolge der Nennung haben die Interessen der Beschäftigten Vorrang. 5 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574 ff. 6 Ilbertz/Widmaier, § 2 Rz. 13; möglicherweise aA Flintrop/Leuze, PersV 2007, 269, Anerkennung des absoluten Vorrangs der Erfüllung des Amtsauftrages vor Personalmitbestimmung durch die Entscheidung des BVerfG. Diese weisen gleichzeitig aber auch darauf hin, dass durch den Beschluss der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und insbesondere auch Informationsrechte an Bedeutung gewinnen (S. 270 und passim). 7 BVerwG v. 9.3.1990 – 6 P 15.88, NJW 1990, 2483, 2484; HessStGH v. 8.11.2006 – P.St. 1981, NVwZ-RR 2007, 217, 220 f.; Ilbertz/Widmaier, § 2 Rz. 6 mwN der Rechtsprechung. Zur Rechtsprechung (zum BetrVG) siehe auch Hunold NZA-RR 2003, 169 ff.
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III. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit
Rz. 86
Teil 9
und gegenseitige Offenheit gekennzeichnet sein1. Wesentliches Kriterium der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist, dass Dienststellenleiter und Personalrat verpflichtet sind, die wechselseitigen Kompetenzen zu beachten. § 2 Abs. 1 BPersVG sieht ein Zusammenwirken mit den in der Dienststelle 85 vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen vor. Gewerkschaften sind in der Dienststelle bereits dann vertreten, wenn sie einen Beschäftigten zu ihren Mitgliedern zählen. Unerheblich ist es, ob dieser wahlberechtigt ist oder nicht. Einzig muss er zu den Beschäftigten gehören, die durch den Personalrat repräsentiert werden2. Die Organisationen haben beratende Funktionen gegenüber beiden Partnern, dh. der Dienststelle und der Personalvertretung. § 2 Abs. 1 BPersVG sieht kein eigenständiges Recht der Organisationen vor, sich in die Zusammenarbeit einzuschalten. Deshalb ist die Initiative hierzu dem Dienststellenleiter oder der Personalvertretung überlassen3. Da die Organisationen keine Organe der Personalvertretung sind, steht den Gewerkschaften auch kein allgemeines Kontrollrecht über die Tätigkeit der Personalvertretung zu4. Für beide Organisationen gilt das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Folge, dass Personalvertretung und Dienststelle nicht in die verbandspolitischen Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen hereingezogen werden dürfen5. Eine Gewerkschaft im Sinne des Arbeitsrechts ist nach ständiger Recht- 86 sprechung des BAG eine auf freiwilliger Basis errichtete privatrechtliche Vereinigung von Arbeitnehmern, die als satzungsmäßige Aufgabe den Zweck der Wahrnehmung und Förderung jedenfalls auch der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder verfolgt. Sie ist gegnerfrei, in ihrer Willensbildung strukturell unabhängig von Einflüssen Dritter und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert. Sie ist tariffähig, dh., sie besitzt die rechtliche Fähigkeit, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder tarifvertraglich mit normativer Wirkung zu regeln6. Dieser Rechtsprechung folgt auch das BVerwG7. Jedoch gilt als Besonderheit im Personalvertretungsrecht, dass als Bedienstete nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Beamte beschäftigt werden. Somit sind aus Gründen der Gleichbehandlung der Vereinigung von Beamten dieselben Rechte zuzugestehen, wie denjenigen von Arbeitnehmern. Deshalb kann es auf die Tariffähigkeit nicht ankommen, weil die Arbeitsbedingungen von Beamten durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden8. Bei einer Beamtengewerkschaft, die auch für 1 BVerwG v. 26.2.1960 – VII P 4.59, NJW 1960, 1219, 1220; BVerwG v. 29.8.1990 – 6 P 30.87, PersV 1991, 78 f. 2 RDW/Richardi, § 2 Rz. 30 f.; Ilbertz/Widmaier, § 2 Rz. 10. 3 Altvater, § 2 Rz. 30. 4 Ilbertz/Widmaier, § 2 Rz. 11. 5 Hahn, PersV 1992, 369, 370, aA Fischer/Goeres/Gronimus, § 2 Rz. 10a. 6 St. Rspr. des BAG, zuletzt BAG v. 19.9.2006 – 1 ABR 53/05, NZA 2007, 518, 520 Rz. 27 ff. 7 BVerwG v. 25.7.2006 – 6 P 17.05, NZA 2006, 1371, 1373 Rz. 18. 8 BVerwG v. 25.7.2006 – 6 P 17.05, NZA 2006, 1371, 1373 Rz. 20. Sasse
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Teil 9
Rz. 87
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Arbeitnehmer offen ist, scheitert die Einstufung als Gewerkschaft nicht daran, dass diese im Hinblick auf die Arbeitnehmer noch nicht tariffähig ist, also noch nicht die entsprechende Durchsetzungskraft besitzt1. Das BVerwG hat darüber hinaus erwogen, den personalvertretungsrechtlichen Gewerkschaftsbegriff dahingehend zu modifizieren, dass auch solche Vereinigungen von Arbeitnehmern und Beamten als Gewerkschaften anerkannt werden, denen nicht die „externe“ Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem öffentlichen Arbeitgeber bzw. Dienstherren zukommt, die aber immerhin in den Dienststellen über einen beachtlichen Rückhalt unter den Beschäftigten verfügen. Hier soll zB auf den Mitgliederbestand oder eine nennenswerte Anzahl von Dienststellen, in denen Personalratsmandate gewonnen wurden, abgestellt werden. Diese Frage wurde durch das BVerwG aber nicht endgültig entschieden2. 87 Arbeitgebervereinigungen sind Zusammenschlüsse auf freiwilliger Grundlage, welche unabhängig sein müssen, dh., es dürfen ihnen keine Beschäftigten angehören. Sie sind auf überbetrieblicher Grundlage zu errichten3. 88 Gem. § 2 Abs. 2 BPersVG wird den Gewerkschaften ein Zugangsrecht zur Dienststelle eingeräumt. Dienststellenleiter oder Vertreter sind nach vorheriger Unterrichtung verpflichtet, Zugang zur Dienststelle zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Dienstablaufes, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Dienstgeheimnissen entgegensteht. Dieses Zugangsrecht steht den Beauftragten der Gewerkschaften nur zur Wahrnehmung der in dem Gesetz genannten Aufgabe und Befugnisse zu. Das heißt, es besteht kein allgemeines, an keine weiteren Voraussetzungen geknüpftes Zugangsrecht zur Dienststelle oder zu den einzelnen Beschäftigten. Das Zugangsrecht umfasst auch den Zugang zum Arbeitsplatz des einzelnen Arbeitnehmers, sofern sich die Notwendigkeit hierzu aus der zugrunde liegenden Aufgabe ergibt, zB Ausübung von Überwachungsmaßnahmen4. Dagegen besteht kein Zugangsrecht, um mit Arbeitnehmern Fragen von geltenden Tarifverträgen zu besprechen oder Material für den Abschluss eines neuen Tarifvertrages zu sammeln5. Die Gewerkschaften sind darin frei, die Personen auszuwählen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Dienststelle senden wollen. Es braucht sich hierbei nicht um einen in der Dienststelle Beschäftigten zu handeln. Hierbei kann sich eine Gewerkschaft auch durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen6. Die vorherige Unterrichtung hat so rechtzeitig
1 BVerwG v. 25.7.2006 – 6 P 17.05, NZA 2006, 1371, 1373 Rz. 21; aA Ilbertz/Widmaier, BVerwG, § 2 Rz. 43. 2 BVerwG v. 25.7.2006 – 6 P 17.05, NZA 2006, 1371, 1373 Rz. 22; im zu entscheidenden Fall war aber selbst bei einer derartigen weiten Auslegung von einer Gewerkschaft nicht auszugehen (a.a.O. Rz. 31); ablehnend zu diesen Erwägungen Altvater, § 2 Rz. 23a. 3 Ilbertz/Widmaier, § 2 Rz. 44. 4 BAG v. 17.1.1989 – 1 AZR 805/87, AP LPVG NW § 2 Nr. 1. 5 RDW/Richardi, § 2 Rz. 85. 6 Ilbertz/Widmaier, § 2 Rz. 24.
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III. Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit
Rz. 92
Teil 9
durch die Gewerkschaft zu erfolgen, dass der Dienststellenleiter oder sein Stellvertreter prüfen können, ob das behauptete Recht besteht1. Folgende Aufgaben und Befugnisse der Gewerkschaften sind im BPersVG vorgesehen:
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– Zusammenwirken mit Dienststelle und Personalvertretung (§ 2 Abs. 1), – Einreichen von Wahlvorschlägen für die PR-Wahl (§ 19 Abs. 4 Satz 1, Abs. 8 und 9), – Antrag auf Einberufung einer Personalversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes (§ 20 Abs. 2, § 21) und Antrag auf Bestellung des Wahlvorstandes durch den Dienststellenleiter (§ 22), – Teilnahme an Sitzungen des Wahlvorstandes (§ 20 Abs. 1 Satz 4), – Anfechtung der PR-Wahl (§ 25), – Antrag auf Ausschluss einzelner PR-Mitglieder oder auf Auflösung des PR (§ 28 Abs. 1), – Teilnahme an PR-Sitzungen (§ 36), – Hilfe bei der Verständigung nach Aussetzung eines PR-Beschlusses (§ 39 Abs. 1), – Antrag auf Einberufung einer Personalversammlung (§ 49 Abs. 3), – Teilnahme an einer Personalversammlung (§ 52 Abs. 1). Im Hinblick auf §§ 36 und 39 BPersVG gilt, dass die Gewerkschaften hier nicht nur in der Dienststelle, sondern auch im Personalrat vertreten sein müssen2.
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Sofern die Aufgaben der Gewerkschaft auch durch Nutzung moderner 91 Kommunikationsmittel erfüllt werden können, kommt auch die Nutzung anderweitiger Kommunikationsstrukturen in Betracht. Diese müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Hierzu gehören zB die Nutzung des Internets oder dienstlicher E-Mail-Accounts3. Es wird hierbei zu berücksichtigen sein, ob das jeweilige Recht durch diese Form des „Betretens“ wahrgenommen werden kann, zB Informationsgewinnung bei Bediensteten mittels E-Mail. Auch wird die technische Fortentwicklung moderner Kommunikationsmittel zu berücksichtigen sein. § 2 Abs. 3 BPersVG sieht vor, dass Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigung der Arbeitgeber, insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder, durch das Gesetz nicht berührt werden. Die koalitionspolitischen Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber sind bereits durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet. Dabei gilt, dass die 1 Kunze, PersV 2008, 284, 286 f. 2 Altvater, BPersVG, § 36 Rz. 3. 3 BAG v. 20.1.2009 – 1 AZR 515/08, NJW 2009, 1990 ff.; HWK/Gaul, § 2 BetrVG Rz. 14; DKK/Berg, § 2 Rz. 48a aA Gola, MMR 2005, 17, 20; Maschmann, NZA 2008, 613, 615. Sasse
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Teil 9
Rz. 93
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
koalitionsmäßige Betätigung nicht auf einen Kernbereich beschränkt ist, also nur auf das, was unerlässlich für den Koalitionszweck ist1. Diese Erwägungen haben insbesondere im Zusammenhang mit der Frage des sog. koalitionsrechtlichen Zugangsrechts zur Dienststelle zum Zwecke der Mitgliederwerbung Relevanz2. Grundsätzlich erfolgt der Zugang durch Betreten des Betriebes. Jedoch kommt auch die Nutzung elektronischer Medien in Betracht. Hier sind die Grundsätze, zB über die Plakatwerbung, wonach ein wildes Plakatieren unzulässig ist, entsprechend anzuwenden3.
IV. Art der Beteiligung 93 Die Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes sind häufig verwirrend und teilweise im Aufbau unlogisch. Komplizierte Verfahrensregelungen und -abläufe zwingen die Behördenleitung, auf informelle Verfahren auszuweichen4. Diese Vorschriften werden noch komplizierter durch die Entscheidung des BVerfG vom 24.5.1995 (s.o. Rz. 8), denn der Gesetzgeber hat bisher zur verfassungskonformen Auslegung der vollen Mitbestimmung keine Konsequenzen gezogen. Dies löst das BVerwG mit einem Rückgriff auf den Begriff der „planwidrigen Lücke“ (s.o. Rz. 2 ff.)5. Insgesamt ist im Hinblick auf den Aufbau der Vorschriften festzustellen, dass das Augenmerk weniger den Sachfragen als dem verfahrenstechnischen Aufbau gilt6. Die Aufzählung der Mitbestimmungsfälle im BPersVG ist – anders als im BetrVG7 – erschöpfend und zwingend, eine Ausweitung aufgrund des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit oder durch Dienstvereinbarung kommt nicht in Betracht8. 1. Mitbestimmung 94 Die Verfahrensregelungen zum Mitbestimmungsrecht finden sich in den §§ 69 bis 71 BPersVG. a) Volles Mitbestimmungsrecht 95 Im Falle des vollen Mitbestimmungsrechts ist die Dienststelle inhaltlich an die Zustimmung des Personalrates gebunden. Diese muss vorliegen, be1 BVerwG v. 14.11.1995 – 1 BvR 601/92, NJW 1996, 1201, 1202; ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rz. 31. 2 BAG v. 28.2.2006 – 1 AZR 460/04, NZA 2006, 798, 801, Rz. 37 ff., aA RDW/Richardi, PersV, § 2 Rz. 103. 3 RDW/Richardi, PersV, § 2 Rz. 108; Maschmann, NZA 2008, 613, 615 f.; kritisch Lelley, BB 2002, 252 ff., der insbesondere darauf abstellen will, ob die Nutzung des Internets oder Intranets tatsächlich unerlässlich ist. 4 Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung, S. 108 f. 5 Ilbertz/Widmaier, § 69 Rz. 1. 6 Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung, S. 105. 7 Ausweitung durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede vgl. BAG v. 14.8.2001 – 1 AZR 744/00, NZA 2002, 342, 344 f. 8 BVerwG v. 6.12.1978 – 6 P 2.78, BVerwGE 57, 151, 156.
842 Sasse
IV. Art der Beteiligung
Rz. 98
Teil 9
vor eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme vorgenommen wird1. Sofern sich eine Einigung nicht ergibt und auch auf der Ebene der übergeordneten Dienststelle und der Stufenvertretung scheitert, entscheidet die Einigungsstelle gem. § 69 Abs. 4 Halbs. 1 BPersVG. Mitbestimmungspflichtig sind gem. § 69 Abs. 1 BPersVG Maßnahmen der 96 Dienststelle, dh. Handlungen oder Entscheidungen des Dienststellenleiters, die einen der gesetzlich vorgesehenen Mitbestimmungstatbestände betreffen und den Rechtsstand des oder der Beschäftigten berühren2. Handlungen, die lediglich der Vorbereitung einer Maßnahme dienen, zB Vorstellungsgespräche, sind nicht mitbestimmungspflichtig3. Auch negative Entscheidungen, die nicht auf eine Veränderung eines bestehenden Zustandes abzielen, sind – mit Ausnahme der gesetzlich benannten Beispiele (zB § 75 Abs. 1 Nr. 7 oder § 76 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG) – nicht mitbestimmungspflichtig4. Ebenso sind lediglich normvollziehende Entscheidungen Maßnahmen in diesem Sinne, selbst wenn die Dienstsstelle keinen Entscheidungsspielraum besitzt5. Auch wenn das Handeln der Dienststelle ganz oder teilweise von internen Weisungen der übergeordneten weisungsbefugten Dienststelle bestimmt wird, liegt eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme vor, sofern der Dienststellenleiter im vorgegebenen Rahmen zu einer eigenen Entscheidung in der Lage ist6. Dies gilt sogar dann, wenn die übergeordnete Dienststelle eine strikte Weisung erteilt, die keinen Handlungsspielraum lässt7. Das Mitbestimmungsverfahren wird nach Abschluss des internen Willens- 97 bildungsprozesses der Dienststelle eingeleitet. Der Personalrat hat keinen Anspruch darauf, an vorbereitenden Handlungen und der internen Willensbildung beteiligt zu werden8. Allerdings kann es sinnvoll sein, den Personalrat schon im Rahmen der Vorbereitung der Maßnahme einzubeziehen9, da dies die Akzeptanz erhöhen kann. Die Unterrichtung hat rechtzeitig und umfassend und unter Vorlage der er- 98 forderlichen Unterlagen zu erfolgen (§ 68 Abs. 2 BPersVG). Rechtzeitig ist die Information, wenn die Personalvertretung die Möglichkeit hat, sich mit der Angelegenheit auseinander zu setzen. Sie muss in der Lage sein, die Angelegenheit rechtlich und tatsächlich zu überdenken. Auch darf sie nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden10. Bei Beteiligung einer an1 BVerwG v. 15.11.1995 – 6 P 2.94, PersV 1996, 453, 456. 2 St. Rspr. BVerwG v. 18.5.2004 – 6 P 13.03, NZA-RR 2005, 163, 164. 3 BVerwG v. 6.12.1978 – 6 P 2.78, BVerwGE 57, 151, 154 ff.; BVerwG v. 8.10.2008 – 6 PB 21.08, NVwZ 2009, 252, Rz. 10 f. – auch klarstellend, dass die Vorbereitungshandlung einer anderen Dienststelle nur ausnahmsweise im Falle rechtlicher Verbindlichkeit eine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne darstellt. 4 BVerwG v. 1.7.1983 – 6 P 8.81, PersV 1985, 68 f. 5 BVerwG v. 12.8.2002 – 6 P 17.01, NZA-RR 2003, 276, 277. 6 BVerwG v. 10.3.1992 – 6 P 13.91, AP Nr 4 zu § 76 BPersVG. 7 BVerwG v. 30.3.2009 – 6 PB 29.08, Rz. 10. 8 BVerwG v. 18.3.2008 – 6 PB 19.07, NZA-RR 2008, 447, Rz. 5 mwN. 9 Altvater, § 69 Rz. 13. 10 RDW/Gräfl, PersV, § 68 Rz. 59. Sasse
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Teil 9
Rz. 99
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
deren Behörde muss die Information des Personalrates vor Unterrichtung der anderen Behörde erfolgen1. 99 Umfassende Information bedeutet, dass die Personalvertretung so umfassend informiert wird, dass sie die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen und ihre Beteiligungsrechte jederzeit und uneingeschränkt sachgerecht wahrnehmen kann2. Allerdings knüpft die entsprechende Pflicht zur Information und Vorlage von Unterlagen an das Bestehen einer gesetzlichen Aufgabe an. Die Unterrichtung hat mit Bezug zu dieser Aufgabe zu erfolgen3. Hinsichtlich des Umfangs der Unterrichtung kommt es darauf an, was eine „objektive Personalvertretung“ für erforderlich erachten durfte. Es ist ein annähernd gleicher Informationsstand wie bei der Dienststelle herzustellen4. 100
Diese Erwägungen gelten auch für die Vorlage von Unterlagen5. Die Verpflichtung der Dienststelle bezieht sich auf vorhandene oder jederzeit erstellbare Unterlagen. Der Personalrat hat keinen Anspruch auf die Erstellung von Unterlagen nur für ihn6. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Personalrat Anspruch auf die Übermittlung der Unterlagen hat, welche der Dienststelle zur Verfügung standen. Denn diese hat durch die Beiziehung selber deutlich gemacht, dass sie die Unterlagen für bedeutsam hält7. § 68 Abs. 2 BPersVG spricht davon, dass die Unterlagen vorzulegen sind. Dies kann von der vorübergehenden Einsichtnahme bis hin zur dauerhaften Aushändigung abhängig von der in Rede stehenden Aufgabe reichen8. Personalakten dürfen gem. § 68 Abs. 2 Satz 3 BPersVG nur mit Zustimmung der Beschäftigten und nur von den von ihnen bestimmten Personalratsmitgliedern eingesehen werden. Damit kommt eine Überlassung der Personalakten nicht in Betracht. Zu den Unterlagen, die nach der Rechtsprechung vorgelegt werden müssen, gehören zB: – Stellenplan und Personalbedarfsberechnung9 – Lohn- und Gehaltslisten10 – Stellenbewertungsgutachten11 – Bewerbungsunterlagen aller externen und internen Bewerber12
1 BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21.92, NVwZ 1995, 91, 93. 2 St. Rspr., BVerwG v. 24.2.2006 – 6 P 4.05, Rz. 17 mwN. 3 BVerwG v. 21.9.1984 – 6 P 24.83, NJW 1985, 2485; BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21.92, NVwZ 1995, 91, 92. 4 BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21.92, NVwZ 1995, 91, 92; Altvater u.a., § 68 Rz. 31. 5 Altvater, § 68 Rz. 31. 6 BVerwG v. 29.9.2004 – 6 P 4.04, NVwZ 2005, 342, 344. 7 Ilbertz/Widmaier, § 68 Rz. 36 b. 8 BVerwG v. 23.1.2002 – 6 P 5.01 – AP Nr. 7 zu § 68 BPersVG. 9 BVerwG v. 23.1.2002 – 6 P 5.01, AP Nr. 7 zu § 68 BPersVG. 10 BVerwG v. 22.4.1998 – 6 P 4.97, NZA-RR 1999, 274 ff. 11 OVG Lüneburg v. 24.2.1993 – 18 L 8484/91; OVG Sachsen-Anhalt v. 28.5.2009 – 5 M 5/09 (nv.). 12 BVerwG v. 11.2.1981 – 6 P 44.79, DÖV 1981, 632.
844 Sasse
IV. Art der Beteiligung
Rz. 102
Teil 9
– wertende Zusammenfassung der Erkenntnisse über Bewerber1 – überregionale Planungsunterlagen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Schließung einer Schule2 Für die Unterrichtung ebenso wie für den Antrag auf Zustimmung zu einer 101 beabsichtigten Maßnahme ist gesetzlich keine besondere Form vorgesehen. Zweckmäßigerweise erfolgt dies aber schriftlich3. Hinsichtlich des Antrages auf Zustimmung durch den Dienststellenleiter oder eine zur Vertretung berechtigte Person muss sich eindeutig ergeben, dass die Unterrichtung auch den Antrag auf Zustimmung enthält, da nur so eine Frist in Gang gesetzt wird4. Der Personalrat kann über die Unterrichtung hinaus von dem Leiter der Dienstsstelle verlangen, dass dieser die Maßnahme begründet. Außer in Personalangelegenheiten (§§ 75 Abs. 1, 76 Abs. 1 BPersVG) hat diese Begründung schriftlich zu erfolgen. Der Personalrat muss gem. § § 69 Abs. 2 Satz 3 BPersVG binnen zehn Ar- 102 beitstagen seinen Beschluss über die beabsichtigte Maßnahme mitteilen. Voraussetzung für den Fristlauf ist ein Zustimmungsantrag und eine ordnungsgemäße Unterrichtung. Sofern der Personalrat den Antrag oder die Unterrichtung für nicht ordnungsgemäß erachtet, muss er sich innerhalb dieser Frist darauf berufen, da er ansonsten sein Rügerecht verliert (s.o. Rz. 24). Die Frist kann durch den Dienststellenleiter in dringenden Fällen auf drei Arbeitstage abgekürzt werden (§ 69 Abs. 2 Satz 4 BPersVG). Dies wird durch den Dienststellenleiter nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Die Abkürzung der Frist ist dem Personalrat gleichzeitig mit dem Zustimmungsantrag mitzuteilen. Eine Abkürzung ist nur zulässig, wenn gewichtige Gründe dies rechtfertigen und die Einhaltung der Regelfrist nach Lage der Dinge in zumutbarer Weise nicht möglich ist oder jedenfalls zu einer erheblichen Beeinträchtigung öffentlicher Belange führt. Auch das vorangegangene Verhalten des Dienststellenleiters findet Berücksichtigung. Eine unnötige Verzögerung im Vorfeld kann dazu führen, dass kein dringender Fall mehr vorliegt. Der Personalrat muss innerhalb der abgekürzten Frist der Abkürzung widersprechen, sofern er sich darauf berufen will, dass ein dringlicher Fall nicht vorliegt5. Auf eine kürzere Frist als drei Tage kann die Äußerungsfrist nicht abgekürzt werden. Dem Dienststellenleiter bleibt in besonders dringenden Fällen nur die Möglichkeit einer vorläufigen Regelung gem. § 69 Abs. 5 BPersVG. Umstritten ist, ob die Fristen einvernehmlich verlängert werden können. Das BVerwG hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen, geht aber davon aus, dass Absprachen darüber getroffen werden können, wie und wann das Mitbestimmungsverfahren in Gang gesetzt wird6. Im Falle der Zuständigkeit der Stufenvertre1 2 3 4 5 6
BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21.92, NVwZ 1995, 91 ff. BVerwG v. 24.2.2006 – 6 P 4.05, Rz. 17 ff. Ilbertz/Widmaier, § 69 Rz. 5. VGH Mannheim v. 4.6.1991 – 15 S 3176/90, PersV 1992, 352, 353. BVerwG v. 15.11.1995 – 6 P 4.94, NVwZ-RR 1996, 403, 404 f. BVerwG v. 9.12.1992 – 6 P 16.91, NVwZ-RR 1993, 644, 646 f.; siehe auch RDW/ Weber, § 69 Rz. 43. Sasse
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Teil 9
Rz. 103
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
tung bzw. des Gesamtpersonalrates verdoppeln sich die Fristen (§ 82 Abs. 2 Satz 2 BPersVG). 103
Der Personalrat kann dem Antrag ausdrücklich zustimmen. Der Beschluss über die Zustimmung kann mündlich und ohne besondere Begründung ergehen. Sofern die Zustimmung vor Ablauf der Frist erteilt wird, kann der Dienststellenleiter von diesem Zeitpunkt an die Maßnahme durchführen. Sofern die Mitteilung des Personalratsvorsitzenden nicht durch einen entsprechenden Personalratsbeschluss gedeckt ist, fehlt es an einer wirksamen Zustimmungserklärung. Zulässig ist auch eine Vorabzustimmung, dh. ohne Einleitung eines Verfahrens, wenn es sich um formal und inhaltlich gleich liegende, immer wiederkehrende Fälle handelt1.
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Eine Zustimmung unter Bedingungen oder mit Einschränkungen steht einer Ablehnung gleich, wenn der Dienststellenleiter die Bedingungen oder Einschränkungen nicht akzeptiert. Damit die Zustimmungsverweigerung beachtlich ist, muss sie allerdings schriftlich unter Angabe der Gründe erfolgen2. Ausreichend ist dabei auch die Übermittlung per Telefax oder per E-Mail3. Soweit die Erklärung ohne Angabe von Gründen erfolgt, ist sie unwirksam. Die Angabe der Gründe dient hier der Information des Dienststellenleiters4.
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Nach der Fiktion des § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG gilt das Schweigen der Personalvertretung als Zustimmung.
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Soweit bei der Zustimmungsverweigerung des Personalrates Beschwerden oder Behauptungen tatsächlicher Art vorgetragen werden, die für einen Beschäftigten ungünstig sind oder für ihn nachteilig werden können, ist dem Beschäftigten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Die Äußerungen sind aktenkundig zu machen (§ 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG). Diese Vorschrift dient dem Persönlichkeitsschutz des betroffenen Beschäftigten5. Es kann sich dabei um Beschwerden oder Behauptungen tatsächlicher Art handeln6. b) Zustimmungsverweigerungsrecht
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Neben den Fällen der vollen Mitbestimmung sieht das BPersVG für die Fälle der Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten gem. § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG vor, dass der Personalrat seine Zustimmung nur aus den in § 77 Abs. 2 BPersVG genannten Gründen verweigern kann. 1 RDW/Weber, § 69 Rz. 55, aA Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, § 69 Rz. 27. 2 Altvater, § 69 Rz. 29. 3 BAG v. 10.3.2009 – 1 ABR 93/07, NZA 2009, 622 ff.; Sasse, ArbRB 2009, 198 f.; Thannheiser, PersR 2009, 280 ff. 4 Altvater, § 69 Rz. 30. 5 Altvater, § 69 Rz. 34. 6 Fischer/Goeres/Gronimus, § 69 Rz. 13; Altvater, § 69 Rz. 34, aA RDW/Kersten, § 69 Rz. 61: auch Werturteile.
846 Sasse
IV. Art der Beteiligung
Rz. 111
Teil 9
Hinsichtlich des Verfahrens der Mitbestimmung gelten die Ausführungen unter Rz. 97 ff. entsprechend. Abweichend von diesen Ausführungen ist zu berücksichtigen, dass gem. § 69 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BPersVG die Begründung in Personalangelegenheiten nicht schriftlich erteilt werden muss.
108
Hinsichtlich der Zustimmungsverweigerung muss der Personalrat im Rah- 109 men seiner Begründung angeben, aus welchem in § 77 Abs. 2 BPersVG genannten Grund er die Zustimmung verweigert. Dies darf nicht formelhaft geschehen und muss sich auf den Einzelfall beziehen1. Die Begründung muss es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ein Zustimmungsverweigerungsgrund vorliegt2. Der Dienststellenleiter ist berechtigt, zu prüfen, ob die vom Personalrat vorgebrachten Erwägungen es als möglich erscheinen lassen, dass ein Verweigerungsgrund vorliegt. Die Zustimmungsverweigerung ist dann unbeachtlich, wenn die von der Personalvertretung angegebenen Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung liegen. Lassen sie sich dem Inhalt des Mitbestimmungstatbestandes sowie dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungserfordernisses offensichtlich nicht zuzuordnen, so erweist sich das Verhalten des Personalrates als nicht vom Recht geschützt. Es kann nicht die Verpflichtung der Dienststelle auslösen, das Einigungsverfahren einzuleiten3. Diese Rechtsprechung wird teilweise kritisiert, weil sie es dem Dienststellenleiter ermögliche, als „Richter in eigener Sache“ zu entscheiden4. Der Personalrat darf damit die Zustimmung aus jedem nicht ganz offensichtlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes liegenden Grund verweigern5. Gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG kann der Personalrat die Zustimmung gegen eine Maßnahme verweigern, die gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, eine gerichtliche Entscheidung, den Frauenförderplan oder eine Verwaltungsanordnung oder gegen eine Richtlinie iSv. § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG verstößt. Gesetz iSd. Vorschrift sind alle geschriebenen und ungeschriebenen Rechtsnormen, welche bei der beabsichtigten Maßnahme beachtet werden müssen6. ZB kann die Zustimmung hinsichtlich der Einstellung von Beschäftigten unter Hinweis auf gesetzliche Beschäftigungsverbote verweigert werden7.
110
c) Initiativrecht (§ 70 Abs. 1 BPersVG) Die Vorschrift beinhaltet ein echtes Initiativrecht des Personalrates, das jedoch kaum genutzt wird8. Aufgrund des Rechtes ergibt sich, dass bei ei1 2 3 4 5 6 7 8
BVerwG v. 18.4.1986 – 7 P 31.84, NVwZ 1987, 139, 140 f. BVerwG v. 20.6.1986 – 6 P 4.83, NVwZ 1987, 137, 138 f. BVerwG v. 30.4.2001 – 6 P 9.00, PersR 2001, 382 ff. Altvater, § 77 Rz. 23 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BAG zu § 99 Abs. 2 BetrVG; vgl. zur Rechtsprechung des BAG GK-BetrVG/Kraft/Raab, § 99 Rz. 118 f. BVerwG v. 6.9.1995 – 6 P 41.93, AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Hessen. BVerwG v. 26.1.1994 – 6 P 21.92, NVwZ 1995, 91, 94. RDW/Kaiser, § 77 Rz. 39. Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung, S. 154. Sasse
847
111
Teil 9
Rz. 112
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
nem Konflikt über eine vom Personalrat vorgeschlagene Maßnahme ggf. die Einigungsstelle eingeschaltet werden und diese entscheiden kann. Der Personalrat hat ein derartiges Initiativrecht nur in sozialen Angelegenheiten, in denen er gem. § 75 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 und Nr. 11 bis 17 zu beteiligen ist. Für diese Fälle verweist § 70 Abs. 1 Satz 2 BPersVG auf die Vorschrift des § 69 Abs. 3 und 4 BPersVG. Durch das Initiativrecht wird dem Personalrat die Möglichkeit gegeben, Mitbestimmungsrechte aktiv auszuüben. Das Mitbestimmungsrecht dient dem Schutz der Beschäftigten. Daher kann der Personalrat keine Regelungen initiieren, welche die Beschäftigten belasten1. 112
Die Zubilligung des Initiativrechtes darf nicht dazu führen, dass die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechtes in aktiver Form dessen Inhalt erweitert. So hat der Personalrat zB kein Initiativrecht zur Beseitigung von Belastungen, sofern die Mehrbelastung nicht ihrerseits auf mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen, sondern vielmehr auf allgemeinen Umständen beruht2. Daneben sind auch im Zusammenhang mit dem Initiativrecht des Personalrates die Erwägungen der Entscheidung des BVerfG vom 24.5.1995 (oben Rz. 2 ff.) zu berücksichtigen. Das Initiativrecht kann nicht dazu dienen, in einem laufenden Mitbestimmungsverfahren Gegenvorschläge zu machen oder einer bevorstehenden Initiative der Dienststelle zuvorzukommen3. Auch kann die Aufhebung einer mit Zustimmung des Personalrates getroffenen mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nur dann verlangt werden, wenn eine wesentliche Änderung der Sachlage vorliegt4. Die Personalvertretung kann nur ein Handeln des Dienststellenleiters, nicht aber ein Unterlassen fordern. Dies kann auch nicht über ein Initiativrecht erfolgen5. Das Initiativrecht setzt voraus, dass der Dienstellenleiter zur Entscheidung über die entsprechende Maßnahme befugt ist. Der Personalrat hat ihm die entsprechende Maßnahme schriftlich vorzuschlagen. Denn auch wenn das Gesetz keine Begründung vorschreibt, so verlangt es das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, dass der Personalrat seinen Antrag begründet und angeben muss, wie er sich eine Gestaltung vorstellt6.
113
Der Dienstellenleiter hat die entsprechende Maßnahme zu prüfen. Sofern er dem Antrag nicht entsprechen will, hat er diese Entscheidung dem Personalrat mitzuteilen. Er ist gehalten, sich mit dem Personalrat zunächst um eine Einigung zu bemühen7. Das weitere Verfahren richtet sich dann nach § 69 Abs. 3 und 4 BPersVG. Der Dienststellenleiter hat sich binnen 1 BVerwG v. 29.9.2004 – 6 P 4.04, NVwZ 2005, 342, 343, Antrag auf Einführung einer Zeiterfassung. 2 BVerwG v. 9.1.2008 – 6 PB 15.07, NZA-RR 2008, 279, 280; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehack/Faber, § 70 Rz. 9. 3 RDW/Weber, § 70 Rz. 10. 4 RDW/Weber, § 70 Rz. 10. 5 VGH Baden-Württemberg vom 2.7.2002 – PL 15 S 2497/01, NZA-RR 2003, 447 f.; aA Altvater, § 70 Rz. 4. 6 RDW/Weber, § 70 Rz. 13. 7 BVerwG v. 20.1.1993 – 6 P 21.90, AP Nr. 1 zu § 69 BPersVG.
848 Sasse
IV. Art der Beteiligung
Rz. 116
Teil 9
angemessener Frist zu äußern. Er hat die Angelegenheit der übergeordneten Dienststelle vorzulegen, bei der eine Stufenvertretung besteht. Der vorlegende Personalrat hat dann einen Anspruch darauf, dass der Leiter der angerufenen übergeordneten Dienststelle die Vorlage entgegennimmt und die Stufenvertretung zur gemeinsamen Erörterung einschaltet. Können sich in einer mehr als zweistufigen Verwaltung die angerufene Mittelbehörde und der Bezirkspersonalrat im Stufenverfahren nicht einigen, so kann die Stufenvertretung die oberste Dienstbehörde anrufen. Kommt es zwischen der obersten Dienstbehörde und der bei ihr bestehenden Personalvertretung nicht zu einer Einigung, so entscheidet die Einigungsstelle endgültig1. Neben dem Initiativrecht gibt es noch das in § 70 Abs. 2 BPersVG geregelte 114 Antragsrecht. Dieses betrifft die in § 70 Abs. 1 BPersVG nicht benannten Mitbestimmungsrechte. Das Verfahren ist wie in den Fällen des § 70 Abs. 1 BPersVG geregelt, aber mit der Maßgabe, dass die oberste Dienstbehörde abschließend entscheidet, ohne dass hiergegen die Einigungsstelle angerufen werden kann. d) Konfliktlösung Der formale Weg der Konfliktlösung über das Stufenverfahren wird in der 115 Praxis selten gewählt. Vielmehr spielen formlose Verfahren eine große Rolle. Die gesetzlichen Regelungen werden dergestalt umgangen, dass die Behördenspitze häufig im Vorfeld der Maßnahme die Haltung der Personalräte klärt und etwaige Widerstände auszuräumen versucht2. Die formelle Konfliktlösung sieht für den Fall der Zustimmungsverweige- 116 rung durch den Personalrat vor, dass der Leiter der Dienststelle oder der Personalrat die Angelegenheit binnen sechs Arbeitstagen auf dem Dienstweg der übergeordneten Dienststelle, bei der die Stufenvertretung besteht, vorlegen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 BPersVG). Hier ist zu berücksichtigen, dass im Falle der selbständigen Teileinheit einer Dienstelle von dem dortigen Personalrat nicht die Gesamtdienststelle angerufen werden kann, da diese keine übergeordnete Dienstelle ist. Der bei ihr bestehende Gesamtpersonalrat ist keine Stufenvertretung. Bei der Vorlage ist der Dienstweg einzuhalten. Es ist die Vorlage – so sie durch den Personalrat erfolgt – an den Dienststellenleiter zu richten, der sie dann dem Leiter der übergeordneten Dienststelle, bei der eine Stufenvertretung besteht, weiterzuleiten hat3. Die Vorlage bedarf der Schriftform. Sofern dem Dienststellenleiter die Angelegenheit vorliegt, hat er dies gem. § 69 Abs. 3 Satz 5 dem Personalrat unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Trotz der entsprechenden Vorlage können Dienststellenleiter und Personalrat, solange das förmliche Mitbestimmungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, weiterhin versuchen, eine Einigung 1 Fischer/Goeres/Gronimus, § 70 Rz. 13. 2 Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung, S. 153 ff. 3 BVerwG v. 20.1.1993 – 6 P 21.90, AP Nr. 1 zu § 69 BPersVG, aA Altvater, § 69 Rz. 38. Sasse
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Teil 9
Rz. 117
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
zu erzielen1. Die Vorlage hat innerhalb einer Frist von sechs Arbeitstagen zu erfolgen. Sofern eine Stufenvertretung oder der Gesamtpersonalrat als erstzuständige Personalvertretung beteiligt waren und gem. § 82 Abs. 2 BPersVG einem Personalrat Gelegenheit zur Äußerung gegeben haben, führt dies zu einer Verlängerung der Frist auf zwölf Arbeitstage. Die Frist zur Vorlage an die übergeordnete Dienststelle beginnt am ersten Tag nach Zugang der Zustimmungsverweigerung zu laufen. Die Frist ist gewahrt, wenn die Vorlage fristgemäß abgesandt wurde2. Mit der Vorlage der entsprechenden Angelegenheit obliegt es nun der übergeordneten Dienststelle, die Zustimmung der Personalvertretung zu erreichen. Sie kann jedoch, ohne vorher die Stufenvertretung einschalten zu müssen, den Leiter der nachgeordneten Dienststelle anweisen, die Zustimmungsverweigerung zu akzeptieren und das Verfahren zu beenden. Sofern sie sich zur Fortsetzung entschließt, hat sie die Angelegenheit der bei ihr gebildeten Stufenvertretung vorzulegen. Für dieses Verfahren sind gem. § 69 Abs. 3 Satz 3 BPersVG die Vorschriften des Abs. 2 entsprechend anzuwenden. Das Stufenverfahren wird erst zu dem Zeitpunkt wirksam eingeleitet, zu dem die übergeordnete Dienststelle die Stufenvertretung über die ihr vorgelegte streitige Maßnahme vorlegt3. Sofern in einer mehr als zweistufigen Verwaltung zwischen der Mittelbehörde und dem bei ihr bestehenden Bezirkspersonalrat eine Einigung nicht zustande kommt, weil der Bezirkspersonalrat innerhalb der Äußerungsfrist die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert, kann ein zweites Stufenverfahren in Gang gesetzt werden durch den Leiter der Mittelbehörde oder dem Bezirkspersonalrat. Diese legen binnen 6 Arbeitstagen der obersten Dienstbehörde das Verfahren vor. Die soeben gemachten Ausführungen gelten entsprechend. 117
§ 69 Abs. 3 Satz 2 BPersVG sieht vor, dass in Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts als oberste Dienstbehörde das in ihrer Verfassung für die Geschäftsführung vorgesehene oberste Organ im Rahmen des Stufenverfahrens anzurufen ist. Da diese in vielen Fällen selten und unregelmäßig zusammentreten, ist es Aufgabe dieser Organe, Regelungen zu treffen, die eine zügige Bearbeitung der Mitbestimmungsangelegenheiten gewährleisten4. In Zweifelsfällen bestimmt die zuständige oberste Bundesbehörde die anzurufende Stelle (§ 69 Abs. 3 Satz 3 BPersVG). Besonderheiten ergeben sich gem. §§ 88, 89, 90 BPersVG im Bereich der Sozialversicherung, der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Welle. e) Letztentscheidung
118
Sofern das Stufenverfahren scheitert, erfolgt die Letztentscheidung durch die Einigungsstelle. Hier ist zu beachten, dass nur wenige Angelegenheiten
1 2 3 4
Altvater, § 69 Rz. 39. RDW/Weber § 69 Rz. 69. BVerwG v. 2.11.1994 – 6 P 28.92, NVWZ-RR 1995, 407 (Ls.). Fischer/Goeres/Gronimus, § 69 Rz. 33.
850 Sasse
IV. Art der Beteiligung
Rz. 120
Teil 9
zur personalvertretungsrechtlichen Einigungsstelle gelangen1. Die Regelungen betreffend die Einigungsstelle sind gesetzessystematisch verfehlt2. Sie finden sich in §§ 69 Abs. 4 und 71 BPersVG. Die allgemeinen Regelungen betreffend die Grundsätze des Verfahrens und die Errichtung sowie Zusammensetzung der Einigungsstelle finden sich in § 71 BPersVG. In § 69 Abs. 4 BPersVG sind die Regelungen über die Anrufung der Einigungsstelle sowie ihre Kompetenzen enthalten. Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle ist die Erschöpfung des Instanzenzuges im Mitbestimmungsverfahren. Das heißt, zwischen oberster Dienstbehörde und der bei ihr bestehenden zuständigen Personalvertretung ist keine Einigung zustande gekommen. Die Einigungsstelle wird auf Antrag des Leiters der obersten Dienstbehörde tätig. In Fällen des Initiativrechts gem. § 70 Abs. 1 BPersVG kann auch die Personalvertretung die Einigungsstelle anrufen. Eine Frist, innerhalb derer die Anrufung erfolgen muss, ist nicht festgelegt. Allerdings kann das entsprechende Recht verwirkt werden3. Die Einigungsstelle soll gem. § 69 Abs. 4 Satz 2 BPersVG binnen 2 Monaten nach Anrufung zu entscheiden. Hierbei handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, deren Verletzung für die Fortsetzung des Einigungsverfahrens keine Bedeutung hat4. In den Fällen des § 77 Abs. 2 BPersVG stellt die Einigungsstelle fest, ob ein 119 Grund zur Versagung der Zustimmung vorliegt. In den Fällen der §§ 76, 85 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG beschließt die Einigungsstelle eine Empfehlung an die oberste Dienstbehörde, wenn sie sich der Auffassung der obersten Dienstbehörde nicht anschließt. Im Übrigen ergibt sich eine weitere Beschränkung der Kompetenz der Einigungsstelle aus der Entscheidung des BVerfG vom 24.5.1995 (siehe oben Rz. 2 ff.). Abweichend vom Gesetzeswortlaut entscheidet die Einigungsstelle auch in den Fällen des § 75 Abs. 1 BPersVG nicht verbindlich, sondern kann nur eine Empfehlung aussprechen. Dies gilt auch in den in § 75 Abs. 3 Nr. 10, 14 und 17 BPersVG genannten Fällen. Diese sind vom BVerfG in seiner Entscheidung ausdrücklich genannt. Es hat in einem Leztentscheidungsrecht der Einigungsstelle einen Widerspruch zum Demokratiegebot gesehen, so dass auch hier die Einigungsstelle nur eine Empfehlung aussprechen kann5. f) Dienstvereinbarungen Zwischen Dienststelle und Personalrat kann gem. § 73 BPersVG eine Dienstvereinbarung abgeschlossen werden. Dienstvereinbarungen sind gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 BPersVG nur dort zulässig, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Das heißt, eine mit dem § 88 BetrVG vergleichbare Regelung hinsichtlich freiwilliger Betriebsvereinbarungen besteht nicht. Der 1 Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung, S. 155. 2 RDW/Weber, § 69 Rz. 91. 3 OVG Münster v. 29.11.2000 – 1 A 2014/98.PVL, NZA-RR 2001, 615, das Gericht sah auch bei einer erst nach elf Monaten erfolgten Anrufung der Einigungsstelle das Zeitmoment der Verwirkung noch nicht als erfüllt an. 4 RDW/Weber, § 69 Rz. 95. 5 Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, § 69 Rz. 102; RDW/Weber, § 69 Rz. 104. Sasse
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120
Teil 9
Rz. 121
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Zweck von Dienstvereinbarungen ist es, die Beteiligung der Personalvertretung in einer Vielzahl von Einzelfällen mit gleichem Gegenstand zu erübrigen1. Gesetzlich zugelassen sind sie lediglich in §§ 75 Abs. 3 und 76 Abs. 2 BPersVG. Eine weitere Begrenzungs der Zulässigkeit ist der Tarifvorbehalt gem. § 75 Abs. 5 BPersVG2. 121
Die Dienstvereinbarung ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Dienststellenleiter und dem Personalrat, die nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre zustande kommt. In den Fällen des § 75 Abs. 3 BPersVG kann der Spruch der Einigungsstelle auch die Bedeutung einer Dienstvereinbarung haben, da er hier die fehlende Einigung zwischen Hauptpersonalrat und oberster Dienstbehörde ersetzt3.
122
Die Dienstvereinbarung ist schriftlich niederzulegen und von beiden Seiten zu unterzeichnen. Sofern die Dienstvereinbarung auf einem Spruch der Einigungsstelle beruht, ist der Spruch durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle zu unterschreiben. Die Dienstvereinbarung ist in geeigneter Weise bekannt zu machen. Diese Bekanntmachung hat keine konstitutive Bedeutung4. Aufgrund des normativen Charakters der Dienstvereinbarung hat diese unmittelbare und zwingende Wirkung. Sie gilt räumlich für die Dienststelle, für die sie vom zuständigen Personalrat und Dienststellenleiter abgeschlossen wurde. Persönlich werden alle Beschäftigten in der oder den vom räumlichen Geltungsbereich erfassten Dienststellen erfasst. Soweit sich Dienstvereinbarungen überschneiden, haben diejenigen für den größeren Bereich Vorrang vor denjenigen für den kleineren Bereich (§ 73 Abs. 2 BPersVG). Die Dienstvereinbarung kann durch Zeitablauf enden. Sie endet auch mit Untergang der Dienststelle. Sofern ein Gesetz oder ein Tarifvertrag zum gleichen Regelungsgegenstand in Kraft treten, endet die Dienstvereinbarung ebenfalls aufgrund des Vorrangs gesetzlicher oder tariflicher Regelungen. Auch endet die Dienstvereinbarung durch eine zulässige Kündigung. Keinen Einfluss hat der Wechsel des Rechtsträgers einer Dienststelle, sofern diese ihre Identität behält5. Das BPersVG enthält keine mit § 77 Abs. 6 BetrVG vergleichbare Bestimmung, wonach nach Ablauf einer Dienstvereinbarung deren normative Regelungen weitergelten, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Es ist strittig, ob Dienstvereinbarungen eine Nachwirkung entfalten können. Eine Analogie zu § 77 Abs. 6 BetrVG ist dort gegeben, wo im Personalvertretungsrecht die Einigung zwischen Personalvertretung und Dienststelle in der Einigungsstelle ersetzt wird6. Die Voraussetzung liegt allerdings nur bei § 75 Abs. 3 BPersVG vor7.
1 2 3 4 5 6 7
BVerwG v. 17.12.2003 – 6 P 7.03, NVwZ 2004, 747, 750. Baden, PersR 2009, 348, 350 f. BVerwG v. 17.12.2003 – 6 P 7.03, NVwZ 2004, 747, 749. HM, vgl. Altvater u.a., § 73 Rz. 9, aA Ilbertz/Widmaier, § 73 Rz. 14. BVerwG v. 5.6.2003 – 6 P 1.03, AP Nr. 84 zu § 75 BPersVG. BAG v. 5.5.1988 – 6 AZR 521/85, AP Nr. 1 zu § 70 LPVG NW. RDW/Weber, § 73 Rz. 51.
852 Sasse
IV. Art der Beteiligung
Rz. 125
Teil 9
2. Mitwirkung Neben den Mitbestimmungsrechten kennt das Personalvertretungsrecht auch Mitwirkungsrechte. Hierbei handelt es sich um einen feststehenden Begriff im BPersVG. Dort, wo das Gesetz das Beteiligungsrecht ausdrücklich als Mitwirkung bezeichnet, kommt das Verfahren gem. § 72 BPersVG in Betracht1.
123
a) Einleitung des Verfahrens Das Verfahren wird ausschließlich auf Veranlassung des Dienststellenlei- 124 ters eingeleitet. Ein Initiativrecht besteht nicht. Der Dienststellenleiter hat vor Durchführung einer Maßnahme, die der Mitwirkung unterliegt, diese rechtzeitig mit dem Ziele einer Verständigung mit dem Personalrat eingehend zu erörtern. Voraussetzung einer derartigen Erörterung ist zunächst die Unterrichtung der Personalvertretung. Sofern das Gesetz eine Verfahrensvorschrift hier nicht enthält, bestimmt sich dies nach den allgemeinen Regelungen des § 68 Abs. 2 BPersVG. Der Dienststellenleiter hat dem Personalrat rechtzeitig vor der geplanten Maßnahme zu unterrichten. Der Begriff der Rechtzeitigkeit ist im § 72 BPersVG nicht näher definiert. Aus dem Bestehen der Äußerungsfrist von zehn Arbeitstagen gem. § 72 Abs. 2 BPersVG kann allerdings geschlossen werden, dass zumindest diese Frist dem Personalrat zur Verfügung stehen muss. Die Frist knüpft dabei nicht an die Erörterung an2. Die Erörterung kann auch über die Zehn-Tages-Frist des § 72 Abs. 2 BPersVG hinaus fortgesetzt werden, sofern die entsprechende Frist seitens der Personalvertretung durch eine begründete Äußerung gewahrt worden ist3. Die Angelegenheit ist mit dem Personalrat in seiner Gesamtheit zu erörtern4. b) Einwendungen Bei Abschluss der Erörterungen hat der Personalrat darüber zu entscheiden, 125 ob er mit der entsprechenden Maßnahme einverstanden ist oder ob er Einwendungen erhebt. Auch kann er Gegenvorschläge unterbreiten. Dies hat gem. § 72 Abs. 2 Satz 2 BPersVG unter Angabe der Gründe zu geschehen. Der Personalrat kann seine Einwendungen grundsätzlich auf jeden sachlichen Grund stützen5. Lediglich im Falle des § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG kann er gem. § 78 Abs. 2 Satz 3 BPersVG seine Einwendungen nur auf die in § 77 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BPersVG bezeichneten Gründe stützen. Eine schriftliche Begründung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Allerdings ist dies aus Beweisgründen sinnvoll.
1 2 3 4 5
RDW/Weber, § 72 Rz. 3. BVerwG v. 27.1.1995 – 6 P 22.92, NVWZ-RR 1995, 405, 406 f. Altvater, § 72 Rz. 10. Ilbertz/Widmaier, § 72 Rz. 8. Altvater, § 72 Rz. 11. Sasse
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Teil 9
Rz. 126
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
c) Rechtsfolgen 126
Sofern die Dienstelle den Einwendungen des Personalrates nicht oder nicht in vollem Umfang entspricht, teilt sie dies gem. § 72 Abs. 3 BPersVG dem Personalrat unter Angabe der Gründe schriftlich mit. Der Personalrat einer nachgeordneten Dienststelle kann die Angelegenheit dann binnen drei Arbeitstagen nach Zugang der Mitteilung im Dienstweg der übergeordneten Dienststelle, bei der eine Stufenvertretung besteht, mit dem Antrag auf Entscheidung gem. § 72 Abs. 4 BPersVG vorlegen. Eine Abschrift des Antrages hat der Personalrat der Dienststelle zuzuleiten. Bis zur Entscheidung der übergeordneten Dienststelle ist die beabsichtigte Maßnahme gem. § 72 Abs. 5 BPersVG auszusetzen. Sofern die Angelegenheit keinen Aufschub duldet, kann der Dienststellenleiter gem. § 72 Abs. 6 iVm. § 69 Abs. 5 BPersVG eine vorläufige Regelung treffen. Mit der Anrufung der übergeordneten Dienstelle ist die Entscheidungsbefugnis auf diese übergegangen. Sofern sie den Einwendungen des Personalrates nicht oder nicht in vollem Umfang entspricht, entscheidet sie nach Verhandlung mit der bei ihr bestehenden Stufenvertretung. Sofern die übergeordnete Dienststelle den Einwendungen der bei ihr gebildeten Stufenvertretung nicht oder nicht in vollem Umfang entspricht und ihr noch eine oberste Dienstbehörde übergeordnet ist, kann die bei ihr bestehende Stufenvertretung die Angelegenheit binnen drei Arbeitstagen nach Zugang der Mitteilung auf dem Dienstwege wiederum der obersten Dienstbehörde mit dem Antrag auf Entscheidung vorlegen. Die oberste Dienstbehörde entscheidet nach Verhandlung mit der bei ihr bestehenden Stufenvertretung endgültig. In diesem Falle kommt eine Anrufung der Einigungsstelle nicht in Betracht. Die oberste Dienstbehörde hat die Entscheidung den nachgeordneten Dienststellen bekannt zu geben und diese anzuweisen, entsprechend zu verfahren.
127
Die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Beteiligung des Personalrates in Mitwirkungstatbeständen kann unterschiedliche Auswirkungen haben. In den Fällen des § 78 Abs. 1 Nr. 1 (Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen) und 2 (Auflösung u.a. von Dienststellen) BPersVG sind ohne Beteiligung der Personalvertretung zustande gekommene Regelungen nicht unwirksam1. Sofern in Fällen des § 78 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BPersVG die Beteiligung der Personalvertretung fehlt oder diese nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, sind die Verwaltungsakte nicht nichtig, aber anfechtbar2. Sofern die Beteiligung der Personalvertretung in Fällen von Kündigungen nicht ordnungsgemäß war, hat dies gem. § 79 Abs. 4 BPersVG die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Dabei steht die nicht ordnungsgemäße Beteiligung einer unterbliebenen Beteiligung gleich3.
1 RDW/Weber, § 72 Rz. 57. 2 Altvater, § 72 Rz. 22. 3 KR/Etzel, §§ 72, 79, 108 Abs. 2 BPersVG Rz. 54 mwN.
854 Sasse
IV. Art der Beteiligung
Rz. 132
Teil 9
3. Anhörung Als weitere Form der Beteiligung kennt das BPersVG Anhörungsrechte. Diese finden sich zum einen in § 78 Abs. 3–5 BPersVG und zum anderen in § 79 Abs. 3 BPersVG betreffend fristlose Entlassungen und außerordentliche Kündigungen.
128
a) Information Die Mitteilung des Dienststellenleiters an die Personalvertretung im Rah- 129 men der Anhörung muss inhaltlich so umfassend sein, dass diese sich eine ausgewogene Meinung bilden kann. Hierfür wird sie im Regelfall die Unterlagen zur Kenntnis geben müssen, über die sie verfügt1. Die Mitteilung über die beabsichtigte Maßnahme hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass die Personalvertretung Gelegenheit hat, sich anhand der vorgelegten Unterlagen zu äußern. Die entsprechende Anhörung ist Angelegenheit des Plenums2. Im Falle der Anhörung zur außerordentlichen Kündigung hat der Personalrat binnen drei Arbeitstagen seine Bedenken dem Dienststellenleiter schriftlich mitzuteilen. Anders als im Mitbestimmungs- und Mitwirkungsverfahren gibt es einen Instanzenzug hierbei nicht. Es wird vielmehr der Personalrat der Dienststelle beteiligt, die über die Maßnahme zu entscheiden hat3.
130
Sofern für die Anhörung die Stufenvertretung oder der Gesamtpersonalrat 131 zuständig ist, haben diese in Angelegenheiten, die einzelne Beschäftigte oder Dienststellen betreffen, dem örtlichen Personalrat Gelegenheit zur Äußerung zu geben (§ 82 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Hierfür ist es ausreichend, wenn die Stufenvertretung entsprechende Informationen an die örtliche Personalvertretung innerhalb einer angemessenen Frist weiterleitet. Sie ist nicht verpflichtet, sämtliche im Laufe des Mitbestimmungsverfahrens beim Dienststellenleiter beschafften Informationen an die örtliche Personalvertretung weiterzugeben4. b) Verletzung der Anhörungspflicht In den Fällen des § 78 BPersVG führt die nicht durchgeführte Anhörung 132 nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme. Sie ist allerdings als Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu bewerten5. In den Fällen der außerordentlichen Kündigung hat die Verletzung der Anhörungspflicht gem. § 79 Abs. 4 BPersVG die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.
1 llbertz/Widmaier, § 78 Rz. 74; Altvater, § 78 Rz. 54. 2 BVerwG v. 1.12.1982 – 2 C 59.81, ZBR 1983, 189, 190 f. 3 RDW/Benecke, § 78 Rz. 43. Zum Verfahren bei bestehendem Sonderkündigungsschutz gem. § 15 KSchG s.o. Rz. 72. 4 BVerwG v. 2.10.2000 – 6 P 11.99, NZA-RR 2001, 166 f. 5 Fischer/Goeres/Gronimus, § 78 Rz. 29. Sasse
855
Teil 9
Rz. 133
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
V. Katalog der Beteiligungsrechte 133
Nachfolgend sollen die Beteiligungsrechte des Personalrates kurz dargestellt werden. Sofern in anderen Abschnitten dieses Buches Beteiligungsrechte umfangreicher dargestellt sind, wird hierauf verwiesen. Die Darstellung beschränkt sich auf die Beteiligungsrechte nach dem Personalvertretungsrecht. Daneben gibt es auch Beteiligungsrechte außerhalb des Personalvertretungsrechts1, zB im Zusammenhang mit dem Eingliederungsmanagement gem. § 84 Abs. 2 SGB IX2. 1. Mitbestimmungsrechte
134
Die Mitbestimmungsrechte sind teilweise eingeschränkt. So gilt für Personalangelegenheiten solcher Personen, die gem. § 14 Abs. 3 BPersVG nicht in die Personalvertretung wählbar sind, weil sie zur selbständigen Entscheidung in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind, dass der Personalrat gem. §§ 75 Abs. 1 und 76 Abs. 1 BPersVG nur mitbestimmt, wenn diese Bediensteten dies beantragen. Diese Vorschrift will die Unabhängigkeit der leitenden Beschäftigten vor der Einflussnahme durch den Personalrat sichern. Sofern der Personalrat Einfluss auf Einstellung, Beförderung etc. dieser Beschäftigten nehmen könnte, bestünde die Gefahr, dass diese bei Entscheidungen in den ihnen übertragenen Personalangelegenheiten ungerechtfertigterweise Rücksicht auf die Zielsetzung des Personalrates nähmen, um Nachteile im eigenen beruflichen Fortkommen zu vermeiden3. Ebenso bestimmt der Personalrat bei Beamten auf Zeit und Beschäftigten mit überwiegend wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit nur auf Antrag mit.
135
Weiterhin finden § 75 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 14 sowie § 76 Abs. 1 BPersVG für die in § 54 Abs. BBG bezeichneten Beamten für die Beamtenstellung von der Besoldungsgruppe A 16 an aufwärts keine Anwendung. a) Einstellung (§§ 75 Abs. 1 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG)
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Der Personalrat bestimmt gem. § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG bei der Einstellung von Arbeitnehmern und gem. § 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG bei der Einstellung und Anstellung von Beamten mit. Zweck des Mitbestimmungsrechtes ist der kollektive Schutz der in der Dienststelle bereits tätigen Beschäftigten und ihrer hierbei zu berücksichtigenden Interessen4. Ein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle hat der Personalrat mit dem Mitbestimmungsrecht nicht5.
1 2 3 4
Einen Überblick gibt Pulte, NZA-RR 2008, 113 ff. OVG Berlin-Brandenburg v. 20.11.2008 – 60 PV 9.07, ZTR 2009, 342 ff. BVerwG v. 20.3.2002 – 6 P 6.01, AP Nr. 1 zu § 14 BPersVG. BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12.01, AP Nr. 24 zu § 72 LPVG NW – insoweit nicht abgedruckt in NZA-RR 2003, 223 ff. 5 BVerwG v. 22.10.2007 – 6 P 1.07, NVwZ-RR 2008, 195 Rz. 24.
856 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 138
Teil 9
Die Regelung des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ist mit der Regelung des § 99 137 BetrVG vergleichbar. Im Falle der Einstellung eines Angestellten ist mit dem Begriff der Einstellung die tatsächliche Eingliederung in die Dienststelle, dh. die Zuweisung eines Arbeitsplatzes im Sinne einer konkreten Arbeitsaufgabe, nicht aber der Abschluss des Arbeitsvertrages gemeint1. Als Einstellung wird dabei auch die Umwandlung eines befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angesehen2. Auch eine nicht nur vorübergehende und geringfügige Aufstockung einer Teilzeitbeschäftigung ist als Einstellung mitbestimmungspflichtig3. Auf die Rechtsgrundlage für die Einstellung kommt es nicht an, Voraussetzung ist nicht der Abschluss eines Anstellungsvertrages4. Daher kann zB auch die Einstellung von sog. „1-Euro-Jobbern“ der Mitbestimmung des Personalrates unterliegen5. Die Einstellung iSv. § 76 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ist die Ernennung unter Begründung eines Beamtenverhältnisses6. Anstellung im Sinne dieser Vorschrift ist eine Ernennung unter erster Verleihung eines Amtes, das in einer Besoldungsordnung aufgeführt ist oder für das der Bundespräsident eine Amtsbezeichnung festgesetzt hat7. Dieser Tatbestand läuft nach Ende des Jahres 2010 aufgrund der Neuregelungen des Dienstrechtes leer8. Im Übrigen zu diesem Mitbestimmungsrecht vgl. Teil 2 Rz. 87 ff. b) Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit, Höher- und Rückgruppierung, Eingruppierung (§§ 75 Abs. 1 Nr. 2 und 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG), Beförderung, Übertragung, eines anderen Amtes mit höherem Grundgehalt ohne Änderung der Amtsbezeichnung, Verleihung eines anderen Amtes mit anderer Amtsbezeichnung beim Wechsel der Laufbahngruppe, Laufbahnwechsel (§ 76 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) Dieses Mitbestimmungsrecht besitzt eine erhebliche Praxisrelevanz9. Un- 138 ter einer Eingruppierung wird die Eingliederung des Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema verstanden10. Das Mitbestimmungsrecht soll sicherstellen, dass die Rechtsanwendung möglichst zutreffend erfolgt. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich dabei nicht nur auf die Frage der Zuordnung einer Entgeltgruppe, sondern auch auf die Stufenzuordnung inner1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BVerwG v. 12.4.2006 – 6 PB 1.06, NZA-RR 2006, 550 mwN. BVerwG v. 2.6.1993 – 6 P 3.92, 1220, 1222. BVerwG v. 23.3.1999 – 6 P 10.97, NVWZ-RR 2000, 518, 519 f. BVerwG v. 18.6.2002 – 6 P 12.01, NZA-RR 2003, 223, 224 mwN. (Gestellungsvertrag). BVerwG v. 21.3.2007 – 6 P 4.06, NZA-RR 2007, 499 ff., aA OVG Koblenz v. 17.5.2006 – 5 A 11752/05, RDW/Kaiser, § 75 Rz. 20; vgl auch Eichenhofer, RdA 2008, 32 ff. BVerwG v. 13.9.2002 – 6 P 4.02; ausführlich zu diesem Tatbestand nach dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz Goerres, PersV 2009, 324, 326 f. Altvater, § 76 Rz. 20. Goerres, PersV 2009, 324, 328. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 32. St. Rspr., vgl. zuletzt BVerwG v. 22.10.2007 – 6 P 1.07, NVwZ-RR 2008, 195 Rz. 25; BVerwG v. 27.8.2008 – 6 P 11.07, NZA-RR 2009, 108, 109 Rz. 9. Sasse
857
Teil 9
Rz. 139
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
halb der Entgeltgruppe1. Auch die unter dem neuen Recht bestehenden Funktionsstufen sind anders als die Funktionszulagen des alten Tarifrechts in die Mitbestimmung einbezogen2. Weiterhin hat der Personalrat bei Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit mitzubestimmen. Auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer mit der Übertragung dieser Tätigkeit einverstanden ist, hindert das Beteiligungsrecht des Personalrates nicht3. 139
Nicht ausreichend für die Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit ist die Zuweisung oder der Entzug von Aufgaben, welche lediglich zu einem Anspruch auf eine Tätigkeitszulage oder zu deren Wegfall führen4.
140
Im Falle eines Beamten ist Bezugspunkt für die Beantwortung der Frage, ob eine höher zu bewertende Tätigkeit vorliegt, das Amt im statusrechtlichen Sinne. Das heißt, es ist zu überprüfen, ob der dem Beamten zu übertragende Dienstposten dem bisher verliehenen statusrechtlichen Amt entspricht oder höher oder niedriger bewertet ist5. Im Übrigen zu diesem Mitbestimmungsrecht vgl. Teil 7 Rz. 186 ff.
141
Gem. § 76 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG ist die Beförderung, dh. die Ernennung eines Beamten, dem ein anderes statusrechtliches Amt mit höherem Endgrundgehalt und einer anderen Amtsbezeichnung verliehen wird, mitbestimmungspflichtig. Die weiteren in § 76 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG aufgeführten Personalmaßnahmen sind einer Beförderung gleichgestellt. c) Versetzungen und Umsetzungen innerhalb der Dienststelle (§§ 75 Abs. 1 Nr. 3 und 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG)
142
Gem. §§ 75 Abs. 1 Nr. 3 und 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG hat der Personalrat bei der Versetzung zu einer anderen Dienststelle oder bei der Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn sie mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden ist, mitzubestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht dient bei Versetzungen gegen den Willen des Angestellten dem Schutz des Bediensteten6. Weiterhin soll der Personalrat bei der abgebenden Dienststelle prüfen, ob die Versetzung für die Bediensteten mit unzumutbaren Mehrbelastungen verbunden ist7. Im Falle einer Versetzung wirkt diese in der aufnehmenden Dienststelle wie eine Einstellung. Die Personalvertretung dieser Dienststelle hat die kollektiven Belange der Beschäftigten im Rahmen des Mitbestimmungsverfahrens zu schützen8. Versetzung ist die 1 BVerwG v. 27.8.2008 – 6 P 11.07, NZA-RR 2009, 108, 109. 2 BVerwG v. 27.5.2009 – 6 P 9.08, Rz. 34, 41; BVerwG v. 27.5.2009 – 6 P 4.09, Rz. 25, 32, 34. 3 RDW/Kaiser, § 75 Rz. 45. 4 RDW/Kaiser, § 75 Rz. 47. 5 BVerwG v. 12.3.1990 – 6 P 32.87, PersV 1990, 318 f. 6 BVerwG v. 4.6.1993 – 6 P 33.91, NVwZ 1994, 1223, 1225. 7 BVerwG v. 28.5.2002 – 6 P 9.01, PersR 2002, 340, 342. 8 BVerwG v. 29.1.2003 – 6 P 19.01, NZA-RR 2003, 502, 504.
858 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 144
Teil 9
Zuweisung einer auf Dauer bestimmten Beschäftigung bei einer andern Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Mitbestimmungspflichtig ist hier die Ausgliederung des Beschäftigten aus der abgebenden Dienststelle und die Eingliederung in die neue Dienststelle1. Die Versetzung geht stets mit einem Dienststellenwechsel einher2. Die Versetzung muss dauerhaft sein (arg. aus § 75 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG). Nicht erforderlich ist eine wesentliche Änderung im Arbeits- bzw. Dienstpostenbereich3. Unter einer Umsetzung ist die Zuweisung eines anderen, gleich bewerte- 143 ten Arbeitsplatzes innerhalb derselben Dienststelle zu verstehen4. Eine Mitbestimmungspflicht besteht hier allerdings lediglich bei einem Wechsel des Dienstortes. Dies ist nur möglich bei solchen Dienststellen, die auf verschiedene Dienstorte verteilt sind, zB wenn der Arbeitnehmer von einer Hauptdienststelle in eine Nebenstelle umgesetzt wird, die in einem anderen Dienstort als die Hauptdienststelle liegt5. Auch die Umsetzung ist nur mitbestimmungspflichtig, wenn sie auf Dauer geplant ist6. d) Abordnung und Zuweisung nach § 29 BBG für eine Dauer von mehr als drei Monaten (§§ 75 Abs. 1 Nr. 4, 4a und 76 Abs. 1 Nr. 5, 5a BPersVG) Im Falle einer Abordnung für eine Dauer von mehr als drei Monaten (§§ 75 144 Abs. 1 Nr. 4 und 76 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen. Sofern der Beschäftigte gegen seinen Willen abgeordnet wird, dient die Mitbestimmung des Personalrates der abgebenden Dienststelle ebenso wie bei der Versetzung dem Schutz des zu versetzenden Beschäftigten. Weiterhin soll geprüft werden, ob die Abordnung für die Beschäftigten der abgebenden Dienststelle mit unzumutbaren Mehrbelastungen verbunden ist. Bei der aufnehmenden Dienststelle wirkt die Abordnung wie eine Einstellung. Die Interessen der Beschäftigten werden durch die lediglich vorübergehende Eingliederung aber nicht wie bei einer dauerhaften Eingliederung betroffen7. Unter einer Abordnung wird die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Arbeitgebers/Dienstherrn unter Aufrechterhaltung des bestehenden Arbeitsverhältnisses bzw. Beibehaltung des statusrechtlichen und abstrakt funktionalen Amtes bei der bisherigen Dienststelle verstanden8. Die Abordnung muss für mehr als 3 Monate vorgesehen sein. Jedoch unterliegen auch mehrfache Kurzabordnungen, die zusammen einen ununterbrochenen Zeitraum von mehr als 3 Monaten erreichen, dem Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung9. Daneben hat die Personalver1 2 3 4 5 6 7 8 9
RDW/Kaiser, § 75 Rz. 68. BVerwG v. 16.6.2000 – 6 P 6.99, NZA-RR 2001, 278, 279 f. BVerwG v. 30.3.2009 – 6 PB 29.08, ZTR 2009, 339, 341 Rz. 25 ff. BVerwG v. 16.6.2000 – 6 P 6.99, NZA-RR 2001, 278, 279. Altvater, § 75 Rz. 65. Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 22 mwN, aA RDW/Kaiser, § 75 Rz. 82. RDW/Kaiser § 75 Rz. 98. BVerwG v. 29.1.2003 – 6 P 19.01, NZA-RR 2003, 503. VGH Mannheim v. 7.12.1993 – PB15 S 203/93. Sasse
859
Teil 9
Rz. 145
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
tretung auch ein Mitbestimmungsrecht bei einer Zuweisung gem. § 29 BBG, zB bei einem Einsatz bei einer internationalen Organisation. e) Weiterbeschäftigung über die Altersgrenzen hinaus (§ 75 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG) und Hinausschieben des Ruhestandes (§ 76 Abs. 1 Nr. 9 BPersVG) 145
Der Personalrat hat bei einer Weiterbeschäftigung über die Altersgrenzen hinaus mitzubestimmen. Hierbei handelt es sich um einen Sonderfall der Einstellung. Der Mitbestimmungstatbestand liegt nur vor, bei einer Weiterbeschäftigung als Arbeitnehmer1.
146
Weiterhin hat der Personalrat gem. § 76 Abs. 1 Nr. 9 BPersVG bei dem Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand über die Altersgrenzen hinaus mitzubestimmen. Ein derartiger Antrag kann sowohl durch den Beamten als auch durch die oberste Dienstbehörde beantragt werden. f) Anordnungen, welche die Freiheit in der Wahl der Wohnung beschränken (§§ 75 Abs. 1 Nr. 6 und 76 Abs. 1 Nr. 6 BPersVG)
147
Der Personalrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Beschränkungen der Freiheit in der Wahl der Wohnung. Diese treten ein, wenn der Bedienstete eine Dienstwohnung beziehen muss, zB ein Hausmeister. Hierbei handelt es sich um solche Wohnungen, die dem Inhaber eines bestimmten Dienstpostens unter ausdrücklicher Bezeichnung als Dienstwohnung und ohne Abschluss eines Mietvertrages aus dienstlichen Gründen zugewiesen werden2. Es wird allgemein von einer geringen praktischen Bedeutung ausgegangen3. g) Versagung einer beantragten Nebentätigkeitsgenehmigung und Widerruf einer solchen (§ 75 Abs. 1 Nr. 7 und § 76 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG)
148
Für Angestellte bedarf die entgeltliche Nebentätigkeit aufgrund der Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT und § 3 Abs. 4 Satz 1 TV-L keiner Genehmigung mehr. Vielmehr sind sie dem Arbeitgeber lediglich rechtzeitig vor Aufnahme schriftlich anzuzeigen. Allerdings kann der Arbeitgeber die Nebentätigkeit untersagen oder mit Auflagen versehen, sofern diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Arbeitnehmer oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Die Regelungen des Personalvertretungsrechts sind bisher nicht an die Systematik des TVöD bzw. TV-L angepasst worden. Jedoch ist davon auszugehen, dass sie bei der Erteilung von Auflagen oder Untersagungen entsprechend gelten4. Aufgrund der Neuregelung im TV-L wird die Praxisrelevanz weiter abnehmen5. 1 2 3 4 5
Altvater, § 75 Rz. 80. Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 27. Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 Rz. 52. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, TV-L, § 3 Rz. 291. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 148a.
860 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 151
Teil 9
h) Ablehnung eines Antrages gem. §§ 91, 92, 95 BBG auf Teilzeitbeschäftigung, Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit oder Urlaub (§ 76 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG) Der Personalrat bestimmt nur bei der Ablehnung von solchen Anträgen mit. Dies gilt auch für die Ablehnung von Erst-, Änderungs- und Verlängerungsanträgen des Beamten. Auch die teilweise Ablehnung ist mitbestimmungspflichtig. Strittig hingegen ist die Frage, ob auch der Widerruf oder die Rücknahme genehmigter Anträge der Mitbestimmung unterliegen1.
149
i) Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 75 Abs. 2 BPersVG) Die Vorschrift des § 75 Abs. 2 BPersVG bezieht sich auf alle Beschäftigten. Die Mitbestimmungstatbestände des § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BPersVG (Gewährung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen) und § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPersVG (Zuweisung von Dienst- und Pachtland, Festsetzung der Nutzungsbedingungen) haben praktisch keine Bedeutung. Auch die Vorschrift des § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPersVG (Zuweisung und Kündigung von Wohnungen, über die die Dienststelle verfügt, sowie die allgemeine Festsetzung der Nutzungsbedingungen) hat erheblich an Praxisrelevanz verloren2.
150
j) Mitbestimmung in Angelegenheiten des Dienstbetriebes (§§ 75 Abs. 3 und 76 Abs. 2 BPersVG) Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht 151 besteht, ggf. durch Abschluss einer Dienstvereinbarung in sozialen Angelegenheiten mitzubestimmen. Hierbei handelt es sich um die Zentralvorschrift des Personalrates für die Mitbestimmung in Angelegenheiten des Dienstbetriebes3. Die Vorschrift des § 75 Abs. 3 BPersVG bezieht sich – sofern es nicht abweichend geregelt ist – sowohl auf Arbeitnehmer als auch auf Beamte. Hinsichtlich der Beamten ist ergänzend auf die Regelung des § 76 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 BPersVG zu verweisen. Daneben finden sich in § 76 Nr. 5 bis 10 BPersVG Regelungen, die für alle Beschäftigten einschließlich der Beamten gelten. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechtes ist nicht an den Versagungskatalog des § 77 Abs. 2 BPersVG gebunden4. Das Mitbestimmungsrecht ist allerdings eingeschränkt. Es besteht nur, wenn eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Unter einem Gesetz im Sinne dieser Vorschrift ist jedes förmliche oder materielle Gesetz, das heißt einschließlich der Rechtsverordnungen5, des gesetzesvertretenen Richterrechts und des autonomen Satzungsrechts öffentlich-rechtlicher Körperschaften zu verstehen6. Die gesetzliche oder tarifliche Regelung schließt 1 2 3 4 5 6
Altvater, § 76 Rz. 75 mwN. Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 Rz. 58 f. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 208. Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 73. St. Rspr., zuletzt BVerwG v. 7.4.2008 – 6 PB 1.08, NVwZ 2008, 801, Rz. 3 mwN. Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 Rz. 1; Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 74; RDW/Kaiser, § 75 Rz. 214, aA Altvater, § 75 Rz. 114, jeweils mwN. Sasse
861
Teil 9
Rz. 152
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
dann ein Mitbestimmungsrecht aus, wenn der Sachverhalt unmittelbar geregelt ist, es also zum Vollzug keines Ausführungsaktes mehr bedarf. Sie muss vollständig, umfassend und erschöpfend sein1. Sofern aufgrund einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung die Ausgestaltung der Einzelmaßnahmen dem Dienststellenleiter überlassen ist, unterliegt dessen Entscheidung – auch bei reinen normvollziehenden Maßnahmen ohne Ermessensspielraum – der Richtigkeitskontrolle des Personalrates im Wege der Mitbestimmung2. Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein. Dies gilt dann nicht, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen ausdrücklich zulässt (§ 75 Abs. 5 BPersVG). Auch Arbeitsbedingungen, welche lediglich üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden, sperren den Abschluss von Dienstvereinbarungen gem. § 75 Abs. 3 iVm. § 73 Abs. 1 BPersVG3. aa) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG) 152
Die Personalvertretung hat gem. § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Dem Mitbestimmungsrecht unterfällt jede Maßnahme, durch die eine generelle und unmittelbar verbindliche Verteilung der vorgeschriebenen Arbeitszeit und der Arbeitspausen auf die Wochenarbeitszeit oder auf die einzelnen Wochentage erfolgen soll4. Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes der Personalvertretung ist die Einschaltung eines zusätzlichen Überwachungsorgans. Es soll auf die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften bei der Festlegung der Arbeitszeit achten und sicherstellen, dass vor allem die zugunsten weiblicher und jugendlicher Beschäftigter geltenden Bestimmungen beachtet werden. Gleichzeitig soll die Personalvertretung dafür eintreten, dass berechtigte Wünsche von Beschäftigten, die sich beispielsweise aus besonderen Verkehrsverhältnissen ergeben, mit den dienstlichen Erfordernissen in Einklang gebracht werden5. Der Personalrat hat auch hinsichtlich der Frage der Einführung von Schichtarbeit mitzubestimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf das Ob und das Wie der Schichtarbeit6. Das BAG geht davon aus, dass die Anordnung von Rufbereitschaft mitbestimmungspflichtig ist. Das BVerwG hingegen hat bisher die Anordnung von Rufbereitschaft als nicht mitbestimmungs-
1 2 3 4 5 6
BVerwG v. 2.2.2009 – 6 P 2.08, NZA-RR 2009, 340, 341 Rz. 13. BVerwG v. 1.6.2007 – 6 PB 4.07, Rz. 3. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 221. BVerwG v. 23.8.2007 – 6 P 7.06, NVwZ-RR 2008, 119, 120 Rz. 31 mwN. Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 81. BVerwG v. 15.2.1988 – 6 P 29.85, PersV 1988, 437, 438 f.
862 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 154
Teil 9
pflichtig behandelt1. Allerdings hat das BVerwG nunmehr angedeutet, dass erwogen werden könnte, sich der Rechtsprechung des BAG anzuschließen2. Auch hat der Personalrat hinsichtlich des Beginns und Ende der Pausen mitzubestimmen. Weiter hat er auch bei der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden mitzubestimmen3. Abweichend von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG räumt § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG dem Personalrat kein Mitbestimmungsrecht für die Anordnung von Kurzarbeit ein4. Der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG wird durch § 75 Abs. 4 BPersVG eingeschränkt. Das Mitbestimmungsrecht ist auf die Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen, insbesondere für die Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden beschränkt, sofern für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit nach Erfordernissen, welche die Dienststelle nicht voraussehen kann, unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden muss. Beispiele hierfür sind die Polizei und die Feuerwehr oder die Krankheitsvertretung etwa an Schulen5. bb) Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Dienstbezüge und Arbeitsentgelte (§ 75 Abs. 3 Nr. 2 BPersVG) Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 2 BPersVG hat der Personalrat über Zeit, Ort und Art 153 der Auszahlung der Dienstbezüge und des Arbeitsentgeltes mitzubestimmen. Aufgrund abschließender gesetzlicher und tariflicher Regelungen über die Entgeltauszahlung hat diese Vorschrift kaum praktische Bedeutung. cc) Urlaubsplan und Lage des Urlaubs (§ 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG) Die Personalvertretung hat gem. § 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG mitzubestimmen bei der Aufstellung des Urlaubsplanes und der Festsetzung der zeitlichen Lage des Erholungsurlaubs für einzelne Beschäftigte, wenn zwischen dem Dienststellenleiter und dem beteiligten Beschäftigten kein Einverständnis erzielt wird. Dieses Mitbestimmungsrecht ist praktisch relevant. Es führt allerdings kaum zu Streitfällen6. Von dem Mitbestimmungsrecht ist jede Form des Urlaubs erfasst, soweit dieser planbar ist und soweit nicht speziellere Beteiligungstatbestände eingreifen7. Die Mitbestimmung bei der Aufstellung von Urlaubsplänen soll dazu beitragen, die individuelle Urlaubszeit der Beschäftigten so zu koordinieren, dass die Interessen aller Beteiligten möglichst gleichgewichtig berücksichtigt werden. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass der Dienstablauf trotz urlaubsbedingter 1 BVerwG v. 26.4.1988 – 6 P 19.86, AP Nr. 1 zu § 75 LPVG Niedersachsen; ausführlich zu dieser Abweichung Edenfeld, Arbeitnehmerbeteiligung, S. 288 ff. 2 BVerwG v. 23.8.2007 – 6 P 7.06, NVwZ-RR 2008, 119, 122 Rz. 34. 3 BVerwG v. 30.6.2005 – 6 P 9.04, NZA-RR 2005, 665, 667 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung. 4 BAG v. 10.10.2006 – 1 AZR 811/05, NZA 2007, 637, 639 Rz. 19. 5 BVerwG v. 3.12.2001 – 6 P 12.01, NZA-RR 2002, 666, 669. 6 RDW/Kaiser, § 75 Rz. 280. 7 Altvater, § 75 Rz. 137; aA Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 103 – kein Mitbestimmungsrecht bei Sonderurlaub. Sasse
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Teil 9
Rz. 155
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Ausfälle weitgehend aufrechterhalten und eine ordnungsgemäße Aufgabenerledigung selbst dort gewährleistet werden kann, wo sich Urlaubszeiten von Beschäftigten in gleichen Sachgebieten überschneiden1. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich weder auf den Urlaubsanspruch des Einzelnen noch auf die Dauer des Erholungsurlaubes2. Keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift ist die Verhängung einer Urlaubssperre3. 155
Neben der Aufstellung des Urlaubsplans hat der Personalrat mitzubestimmen, sofern hinsichtlich der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Beschäftigte zwischen Dienststellenleiter und dem Beschäftigten kein Einverständnis erzielt werden konnte. Sinn und Zweck der Mitbestimmung ist eine gerechte Abwägung der Bedürfnisse und Wünsche des Betroffenen mit den Vorstellungen anderer Beschäftigter und mit den dienstlichen Erfordernissen4. dd) Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle (§ 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG)
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Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG hat der Personalrat über die Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden mitzubestimmen. Weiterhin besteht ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Festsetzung von Akkordund Prämiensätzen und vergleichbaren leistungsbezogenen Entgelten einschließlich der Geldfaktoren. Ziel des Mitbestimmungsrechtes ist die Gewährleistung der Verteilungsgerechtigkeit. Dabei stellt die Vorschrift eine Generalklausel dar, die ein umfassendes Mitbestimmungsrecht gewährleistet5. Mitbestimmungspflichtig sind lediglich die abstrakt generellen Regelungen. Die individuelle Lohnhöhe ist nicht mitbestimmungspflichtig6. Erfasst werden alle Formen der Vergütung aus Anlass des Arbeitsverhältnisses. Nicht mitzubestimmen hat der Personalrat lediglich über Zahlungen, mit denen Beschäftigten konkret entstehende oder entstandene Auslagen ersetzt werden7. Der Dienststellenleiter kann eine Mitbestimmung nicht dadurch vermeiden, dass er die übertariflichen Zulagen individuell gewährt, ohne ein abstraktes System aufzustellen. In diesem Fall kann der Personalrat sein Mitbestimmungsrecht durch sein Initiativrecht durchsetzen8. Auch wenn die Vorschrift von der Lohngestaltung innerhalb
1 BVerwG v. 23.8.2007 – 6 P 7.06, NVwZ-RR 2008, 119, 123 Rz. 40 mwN. 2 Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 97 a. 3 BVerwG v. 19.1.1993 – 6 P 19.90, NVwZ-RR 1993, 308; kritisch Altvater, § 75 Rz. 140. 4 Altvater, § 75 Rz. 141. 5 BVerwG v. 9.12.1998 – 6 P 6.97, NZA 1999, 1003, 1005 f., BVerwG v. 20.11.2008 – 6 P 17.07, NZA-RR 2009, 283, 284 Rz. 11. 6 BVerwG v. 9.12.1998 – 6 P 6.97, NZA 1999, 1003, 1007. 7 RDW/Kaiser, § 75 Rz. 304. 8 BVerwG v. 28.5.2009 – 6 PB 5.09 Rz. 9.
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V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 158
Teil 9
der Dienststelle spricht, besteht das Mitbestimmungsrecht ebenso bei dienststellenübergreifender Lohngestaltung1. Die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf über- und außertarifliche 157 Zulagen sowie der Widerruf solcher Zulagen aus Anlass und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung unterliegen der Mitbestimmung, wenn sich im Ergebnis hierdurch die Verteilungsgrundsätze ändern2. Im Falle der Anwendung des Akkordlohns oder des Prämienlohns hat der Personalrat bezüglich der Festsetzung aller Bezugsgrößen, dh. nicht nur hinsichtlich des Stück- und des Zeitfaktors, sondern auch hinsichtlich des Geldfaktors mitzubestimmen3. Im Falle des Prämienlohns hat der Personalrat hinsichtlich der den Geldfaktoren beim Akkord vergleichbaren Entgelteinheiten, dh. dem Prämienausgangslohn, den Leistungsstufen und dem Höchstarbeitslohn, mitzubestimmen4. Bei anderen Entgeltformen besteht nur dann eine Mitbestimmung, wenn sie wie Akkord- und Prämienlohn leistungsbezogen sind, wenn also eine vom Beschäftigten erbrachte Leistung gemessen und mit einer Normal- oder Bezugsleistung verglichen wird und die Entgelthöhe hiervon abhängig ist5. Bedeutung erlangt die Zustimmung in Bezug auf das Leistungsentgelt im Zusammenhang mit § 18 TVöD-AT (Bund) und dem hierzu abgeschlossenen Leistungs-TV (Bund). Korrespondierende Regelungen finden sich allerdings auch in § 18 TVöD-VKA bzw. im TV-L6. ee) Sozialeinrichtungen (§ 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG) Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 5 BPersVG bestimmt der Personalrat hinsichtlich der 158 Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform mit. Sozialeinrichtungen sind auf Dauer berechnete, von der Dienststelle geschaffene Einrichtungen, die dazu dienen, dem Beschäftigten soziale Vorteile zukommen zu lassen7. Das Mitbestimmungsrecht wird umfassend gewährt. Die Sozialeinrichtung ist rechtsformunabhängig8. Unter Errichtung ist nicht nur die erstmalige Schaffung einer Sozialeinrichtung zu verstehen, sondern auch für die Benutzer wesentliche Änderungen des Betriebs oder der Rechtsform und der Zuordnung einer solchen Einrichtung, die nicht Verwaltungsmaßnahmen oder Auflösung sind9. Daneben sind auch Verwaltungsmaßnahmen und Auflösung mitbestimmungspflichtig. Voraussetzung für das Vorliegen einer 1 BVerwG v. 20.11.2008 – 6 P 17.07, NZA-RR 2009, 283, 284 Rz. 12, ebenso Altvater, § 75 Rz. 145. 2 RDW/Kaiser, § 75 Rz. 310 mwN. 3 BVerwG v. 26.7.1979 – 6 P 44.78, AP Nr. 4 zu § 75 BPersVG. 4 BVerwG v. 26.7.1979 – 6 P 44.78, AP Nr. 4 zu § 75 BPersVG. 5 Altvater, § 75 Rz. 52; Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, § 75 Rz. 136 b. 6 Zur Beteiligung der Personalvertretung in diesem Zusammenhang: Vesper/Feiter, ZTR 2008, 2, 7 f. 7 St. Rspr., BVerwG v. 9.11.1998 – 6 P 1.98. 8 BVerwG v. 28.6.2000 – 6 P 1.00, NZA 2000, 1123, 1124; BVerwG v. 20.12.2000 – 6 P 3.00, NZA-RR 2001, 391. 9 BVerwG v. 28.6.2000 – 6 P 1.00, NZA 2000, 1123, 1124. Sasse
865
Teil 9
Rz. 159
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Sozialeinrichtung ist weiterhin, dass es sich um ein Sondervermögen handelt, welches von der Dienststelle abgegrenzt ist. Insoweit bedarf es einer gewissen Verselbständigung1. Zu den Sozialeinrichtungen zählen Unterstützungskassen, Kantinen, Bibliotheken, Kinderbetreuungseinrichtungen2. Strittig ist, ob Parkplätze eine Sozialeinrichtung darstellen3. Zutreffend wird man dies wegen der fehlenden Verselbständigung ablehnen müssen4. ff) Durchführung der Berufsausbildung bei Arbeitnehmern (§ 75 Abs. 3 Nr. 6 BPersVG) 159
Die Vorschrift des § 75 Abs. 3 Nr. 6 BPersVG, wonach der Personalrat bei der Durchführung der Berufsausbildung von Arbeitnehmern mitbestimmt, hat geringe praktische Bedeutung5. Der Personalrat bestimmt mit bei der Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung der Berufsausbildung in der Dienststelle. Da aber durch das Berufsbildungsgesetz und die Ausbildungsverordnungen hier vielfache Regelungen geschaffen sind, beschränkt sich das Mitbestimmungsrecht im Wesentlichen auf die organisatorische Umsetzung6. Kein Mitbestimmungsrecht besteht bei der Auswahl der Auszubildenden für eine Erstausbildung, weil diese der Ausbildungsdienststelle noch nicht angehören. Insoweit kommt lediglich ein Mitbestimmungsrecht gem. § 75 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 1 BPersVG in Betracht. gg) Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen für Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 3 Nr. 7 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BPersVG)
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Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 7 BPersVG sowie gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BPersVG bestimmt der Personalrat hinsichtlich der Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen mit. Dem Personalrat obliegt die Aufgabe, darüber zu wachen, dass eine Auswahl der Beschäftigten für berufliche Fortbildungsveranstaltungen nach möglichst gleichmäßigen Kriterien erfolgt und alle Beschäftigten unter Berücksichtigung ihrer Eignung und Leistung die Chance zur Teilnahme daran erhalten7. Nach herrschender Meinung gibt die Vorschrift des § 75 Abs. 3 Nr. 7 BPersVG ein Mitbestimmungsrecht bei Einzelfallentscheidungen8.
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Altvater, § 75 Rz. 156. Zur Übersicht vgl. Altvater, § 75 Rz. 165; RDW/Kaiser, § 75 Rz. 331. Bejahend VGH Kassel v. 25.9.2003 – 22 TL 2300/02. OVG Magdeburg v. 5.10.2005 – 5 L 19/04; Beckmann, PersV 1994, 496, 498. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 346. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 353. BVerwG v. 29.1.2003 – 6 P 16.01, AP Nr. 3 zu § 51 MitbestG Schleswig-Holstein. BVerwG v. 7.3.1995 – 6 P 7.93, PersR 1995, 332, 333; Altvater, § 75 Rz. 183, aA RDW/Kaiser, § 75 Rz. 364.
866 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 163
Teil 9
hh) Inhalte von Personalfragebögen (§ 75 Abs. 3 Nr. 8 und § 76 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG) Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 8 und § 76 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG bestimmt der Personalrat hinsichtlich des Inhalts von Personalfragebögen mit. Ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage der Einführung besteht nicht1. Sinn und Zweck der Mitbestimmung ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten einschließlich der Bewerber2. Der Personalfragebogen unterfällt nur dann dem Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber durch ihn neue, ihm noch nicht bekannte Erkenntnisse gewinnt3. Der Fragebogen muss sich an den Bediensteten selbst richten, so dass zB Patientenbefragungen ausscheiden, auch wenn sie Fragen mit personenbezogenen Elementen enthalten4. Inhaltlich dürfen im Personalfragebogen nur solche Fragen aufgenommen werden, an deren Beantwortung der Arbeitgeber im Hinblick auf die geplante Tätigkeit des Bewerbers oder Arbeitnehmers ein berechtigtes Informationsinteresse hat5.
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ii) Beurteilungsrichtlinien (§ 75 Abs. 3 Nr. 9 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPersVG) Der Personalrat bestimmt hinsichtlich der Beurteilungsrichtlinien gem. § 75 Abs. 3 Nr. 9 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BPersVG mit6. Beurteilungsrichtlinien sind allgemeine Regelungen, welche die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung des Arbeitnehmers verobjektivieren und an einheitlichen Kriterien ausrichten, um zu erreichen, dass die Beurteilungsergebnisse miteinander vergleichbar sind7.
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jj) Bestellung von Vertrauens- oder Betriebsärzten als Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 3 Nr. 10 BPersVG) Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 10 BPersVG hat der Personalrat bei der Bestellung von Vertrauens- oder Betriebsärzten als Angestellten mitzubestimmen. Sofern der Betriebs- oder Vertrauensarzt als Beamter bestellt wird, hat der Personalrat gem. § 76 Abs. 2 Nr. 4 BPersVG mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht greift nur dann ein, wenn die Dienststelle den Betriebsarzt hauptberuflich einstellt. Es besteht sowohl bei der Einstellung eines
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Altvater, § 75 Rz. 185. BVerwG v. 22.12.1993 – 6 P 11.92, NVwZ-RR 1994, 271, 272. BVerwG v. 22.12.1993 – 6 P 11.92, NVwZ-RR 1994, 271, 272. VGH Mannheim v. 29.11.2007 – PL 15 S 5/06, ZTR 2008, 175, 176. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 388. Ein derartiger Mitbestimmungstatbestand ist für die Landespersonalvertretungsgesetze gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben und kann insbesondere auch nicht aus § 104 Satz 1 BPersVG abgeleitet werden (vgl. BVerwG v. 28.7.2006, 6 P 3.06, NVwZ 2007, 103 f. betreffend die Gesetzeslage in Sachsen-Anhalt, welches kein derartiges Mitbestimmungsrecht kennt). 7 BVerwG v. 11.12.1991 – 6 P 20.89, AP Nr. 4 zu § 79 LPVG Baden-Württemberg. Sasse
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163
Teil 9
Rz. 164
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Externen als Betriebsarzt als auch bei Übertragung der Funktion des Betriebsarztes auf einen in der Dienststelle beschäftigten Arzt1. Anders als im Wortlaut des § 9 Abs. 3 ASiG ist in § 75 Abs. 3 Nr. 10 BPersVG nicht ausdrücklich bestimmt, dass der Personalrat auch über die Abberufung von Vertrauens- oder Betriebsärzten mitzubestimmen hat. Jedoch wird nach herrschender Meinung die Abberufung auch von dem Mitbestimmungstatbestand als actus contrarius mit umfasst2. Damit ist die Kündigung eines Betriebsarztes ohne Mitbestimmung der Personalvertretung dann unwirksam, wenn die Kündigung auf Gründe gestützt wird, die sachlich mit der Tätigkeit als Betriebsarzt in untrennbarem Zusammenhang stehen3. kk) Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen (§ 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG) 164
Der Personalrat bestimmt gem. § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG bei Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen mit. Nach der Rechtsprechung des BVerwG soll dieses Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen sein, wenn es um Maßnahmen geht, die wegen ihrer Folgewirkung zur nach außen gerichteten Aufgabenerfüllung der Dienststelle, zB Schule, gehören. Eine Mitbestimmung zB hinsichtlich der Asbestsanierung eines Gebäudes betrifft die Frage, ob und wie eine solche Sanierung durchgeführt wird und damit unmittelbar die Schüler und den Schulbetrieb. Die Entscheidungen hierüber sind dem Schulträger vorbehalten4. Der Personalrat bestimmt bei Maßnahmen mit, die zur Verhütung ergriffen werden sollen, dh. bei solchen Maßnahmen, die darauf abzielen, das Risiko von Gesundheitsschädigungen oder Unfällen innerhalb der Dienststelle zu mindern oder einen effektiven Arbeitsund Gesundheitsschutz zu gewährleisten5. Die Aufhebung einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme unterliegt nur dann der Mitbestimmung, wenn sie selbst auf die Verhütung von Dienst- oder Arbeitsunfällen oder Gesundheitsschädigungen abzielt6. Nicht mitzubestimmen sind Maßnahmen, welche in erster Linie andere Zwecke verfolgen. Ebenfalls nicht mitzubestimmen sind Vorbereitungsmaßnahmen, zB Befragungen zum Zwecke der Bestandsaufnahme7. Mitbestimmungspflichtig sind aber per1 RDW/Kaiser, § 75 Rz. 417. 2 Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 151, aA Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 Rz. 100a. 3 BAG v. 24.3.1988 – 2 AZR 369/87, NZA 1989, 60 ff. zu § 9 Abs. 3 ASiG und der Beteiligung des Betriebsrates. 4 BVerwG v. 2.10.1995 – 6 P 27.93, NZA-RR 1996, 438; BVerwG v. 23.8.2000 – 6 P 12.99, AP Nr. 22 zur § 72 LPVG NW; kritisch hierzu RDW/Kaiser, § 75 Rz. 429 und der Hinweis darauf, dass die Rechtsprechung des BVerfG zum Demokratieprinzip es nicht erfordere, das Mitbestimmungsrecht auszuschließen. Vielmehr sei es ausreichend, dass die Einigungsstelle analog § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG auf eine Empfehlung beschränkt sei; die Rechtsprechung des BVerwG ebenfalls ablehnend v. Roetteken, NZA-RR 2001, 505, 515 f. 5 BVerwG v. 8.1.2001 – 6 P 6.00, NZA 2001, 570 f. 6 BVerwG v. 19.5.2003 – 6 P 16.02, PersR 2003, 314, 318. 7 BVerwG v. 14.10.2002 – 6 P 7.01, NZA-RR 2003, 273, 274.
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V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 166
Teil 9
sonelle Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen, so zB die Bestellung von Gesundheitsschutzbeauftragten im weiteren Sinne1. ll) Grundsätze über die Bewertung von anerkannten Vorschlägen im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens (§ 75 Abs. 3 Nr. 12 BPersVG) Ein Mitbestimmungsrecht besteht hinsichtlich der Grundsätze über die Bewertung von Vorschlägen im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens. Dieses Mitbestimmungsrecht hat geringe praktische Bedeutung, weil der Personalrat weder über die Einführung des betrieblichen Vorschlagswesens noch über die Bewertung einzelner Verbesserungsvorschläge mitbestimmen kann2.
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mm) Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Umschulungsplänen bei Rationalisierungsmaßnahmen (§ 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG) Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG hat der Personalrat ein Mitbestimmungs- 166 recht bei der Aufstellung von Sozialplänen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, welche dem Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen. Zweck dieses Mitbestimmungsrechtes ist es, den Arbeitnehmern bei rationalisierungsbedingten Veränderungen ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes verstärkten Schutz zu gewähren3. Dieses Mitbestimmungsrecht hat wegen Begrenzung auf Rationalisierungsmaßnahmen und den Vorrang gesetzlicher und tariflicher Rationalisierungsschutzregeln nur eine geringe Bedeutung4. Eine Rationalisierungsmaßnahme liegt vor, wenn durch sie die Leistungen der Dienststelle durch eine zweckmäßige Gestaltung von Arbeitsabläufen verbessert werden soll, indem der Aufwand an menschlicher Arbeit oder auch Zeit, Energie, Material und Kapital herabgesetzt wird5. Sofern der Personalbedarf an vorhandene Gegebenheiten angepasst werden soll, handelt es sich nicht um eine Rationalisierungsmaßnahme. Gleiches gilt auch bei Auflösung oder Änderung einzelner Arbeitsplätze, weil sie für Struktur und Arbeitsweise einer Dienststelle nicht von gravierender Bedeutung sind6. Gegenstand des Sozialplans ist nicht die Entscheidung über die Einleitung oder die Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen, sondern allein der Ausgleich oder die Milderung der dadurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile7. Daneben benennt § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG ausdrücklich auch die Möglichkeit von Umschulungen. Die entsprechenden Pläne für Umschulungen sollen vor allem Regelungen über die Frage der 1 2 3 4 5
RDW/Kaiser, § 75 Rz. 441 mwN. Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 161. BVerwG v. 26.3.1986 – 6 P 38.82, PersV 1986, 510, 511. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 458. BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, NVwZ-RR 1993, 563, 564, kritisch Altvater, BPersVG, § 75 Rz. 220. 6 BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, NVwZ-RR 1993, 563, 564. 7 Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 167; Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 Rz. 103. Sasse
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Teil 9
Rz. 167
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Kostentragung und Mindestzeiten vorsehen, zu denen spätestens die Maßnahmen für eine durch Rationalisierung notwendig werdende Umschulung einzusetzen haben1. nn) Absehen von der Ausschreibung von Dienstposten, die besetzt werden sollen (§ 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG) 167
Der Personalrat hat mitzubestimmen gem. § 75 Abs. 3 Nr. 14 BPersVG, sofern von der Ausschreibung von Dienstposten abgesehen werden soll, die besetzt werden sollen. Gegenstand der Mitbestimmung ist dabei nicht eine beabsichtigte Maßnahme, sondern ein Unterlassen2. Der Personalrat hat darüber mitzubestimmen, ob ein neu geschaffener oder frei gewordener, besetzbarer und zur Besetzung vorgesehener Dienstposten ausgeschrieben werden soll oder nicht. Dabei besteht eine grundsätzliche Verpflichtung der Dienststelle, frei werdende Stellen auszuschreiben. Der Personalrat hat dahingehend mitzubestimmen, ob dies erfolgt oder nicht3. Die Rechtsprechung geht dabei von einer Verpflichtung zumindest zur internen Ausschreibung aus4. Sofern nur ein Beschäftigter das durch den Dienststellenleiter im Rahmen seiner Organisations- und Personalhoheit festgelegte Anforderungsprofil erfüllt, ist auch eine dienststelleninterne Ausschreibung überflüssig und rechtlich nicht geboten. In diesem Fall kann auch nicht von einem Absehen von einer Ausschreibung gesprochen werden5. oo) Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten (§ 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG)
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§ 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG gewährt dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht betreffend die Regelungen, die die Ordnung in der Dienststelle und das Verhalten der Beschäftigten betreffen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die Gesamtheit der allgemeinen Verhaltensregeln, die einen störungsfreien und reibungslosen Ablauf des Lebens in der Dienststelle gewährleisten sollen. Es erstreckt sich hingegen nicht auf dasjenige Verhalten, das im Hinblick auf die zu erfüllenden Aufgaben Gegenstand der jeweiligen individuellen Dienst- oder Vertragspflichten ist, also mit der zu erbringenden Arbeitsleistung in unmittelbarem Zusammenhang steht6. Auch rein diensttechnische Regelungen, welche den Ablauf des Dienstbetriebes gestalten, sind von diesem Mitbestimmungsrecht nicht erfasst7. Erforderlich und möglich ist die Beteiligung des Personalrates nur, soweit gesetzliche und tarifliche Regelungen den Dienststellenleiter bei der Auf-
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Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 170. BVerwG v. 29.1.1996 – 6 P 38.93, NVwZ 1997, 286, 287. BVerwG v. 8.3.1988 – 6 P 32.85, NVwZ 1989, 563, 564. BVerwG v. 29.1.1996 – 6 P 38.93, NVwZ 1997, 286, 287. Ilbertz/Widmaier, § 75 Rz. 173. BVerwG v. 28.7.2006 – 6 P 3.06, NVwZ 2007, 103, 104 Rz. 12 mwN. BVerwG v. 13.8.1992 – 6 P 20.91, NVwZ-RR 1993, 368, 369.
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V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 171
Teil 9
stellung von Ordnungs- und Verhaltensregeln einen Spielraum lassen1. Auch muss es sich um kollektive Maßnahmen handeln, welche das Verhalten der Beschäftigten abstrakt regeln. Die Rechtsprechung zu dem Mitbestimmungsrecht2 ist nahezu unüberschaubar. Beispielhaft sollen hier einige Fälle aufgezählt werden: Ein Mitbestimmungsrecht wurde bejaht
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– bei dem Erlass eines allgemeinen Alkoholverbotes in der Dienststelle, wenn die Regelung des allgemeinen Verhaltens der Beschäftigten und der Ordnung in der Dienststelle im Vordergrund steht3. Dies gilt nicht, wenn die Anordnung zB aus Sicherheitsgründen gegenüber Waffen tragendem Personal erfolgt4. – bei der Anordnung zur Abnahme von Fingerabdrücken zum Zwecke der Sicherheitsüberprüfung5, – bei Verwaltungsvorschriften zur Förderung des Selbststeuerns von Dienstfahrzeugen6. Ein Mitbestimmungsrecht wurde verneint – bei der Benennung einer Beschwerdestelle gem. § 13
170 AGG7;
– bei der Anordnung der amts- oder vertrauensärztlichen Untersuchung zur Klärung der Dienstfähigkeit8; – bei der Anordnung einer einheitlichen Standardschrift im dienstlichen Schriftverkehr9. pp) Gestaltung der Arbeitsplätze (§ 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG) Gem. § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG kann der Personalrat bei der Gestaltung 171 der Arbeitsplätze mitbestimmen. Ziel ist es, die Beschäftigten vor Überbeanspruchung oder Gefährdung ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit durch die äußeren Bedingungen der Arbeitsleistung zu schützen10. Eine beabsichtigte Arbeitsplatzgestaltung kann außer § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG auch weitere Mitbestimmungstatbestände betreffen. Nach bisheriger Rechtsprechung des BVerwG tritt das Mitbestimmungsrecht gem. § 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG dann hinter das schwächere Beteiligungs1 BVerwG v. 10.1.1983 – 6 P 11.80, PersV 1983, 507, 508; Fischer/Goeres/Gronimus, § 75 Rz. 107b. 2 Eine Übersicht gibt Altvater, § 75 Rz. 245 f. 3 BVerwG v. 5.10.1989 – 6 P 7.88, NJW 1990, 726 ff.; OVG Münster v. 4.5.1987 – CL 20/85, NJW 1988, 931 f. 4 BVerwG v. 11.3.1983 – 6 P 25.80, PersV 1984, 318, 319. 5 LAG Rheinland-Pfalz v. 8.3.1991 – 6 TaBV 48/90, BB 1991, 1119 (Ls.). 6 BVerwG v. 19.5.2003 – 6 P 16.02, NZA-RR 2003, 616 Ls. 7 VGH Kassel v. 20.3.2008 – 22 TL 2257/07; NZA-RR 2008, 554 f.; zum BetrVG BAG v. 21.7.2009 – 1 ABR 42/08; NZA 2009, 1049 f., Rz. 17 ff. 8 BVerwG v. 23.1.1986 – 6 P 8.83, NJW 1986, 2388 (Ls.). 9 VGH Mannheim v. 17.9.2002 – PL 15 S 623/02. 10 St. Rspr., BVerwG v. 30.8.1985 – 6 P 20.83, NJW 1986, 1360, 1361. Sasse
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Teil 9
Rz. 172
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
recht zurück1. Diese Rechtsprechung wird kritisiert. Es stellt sich die Frage, ob ein vollständiger Ausschluss des Mitbestimmungsrechtes des Personalrates geboten ist oder ob es nicht ausreicht, den Spruch der Einigungsstelle als Empfehlung analog § 69 Abs. 4 Satz 3 BPersVG zu werten2. 172
Maßnahmen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes sind solche, welche sich auf die räumlichen und technischen Bedingungen beziehen, unter denen eine konkret an einer bestimmten Stelle des Betriebes zu erfüllende Arbeitsaufgabe geleistet werden muss, zB Belüftungsmöglichkeiten. Nicht hierunter fällt jedoch, in welchen zeitlichen Abständen zB ein Arbeitsplatz gereinigt wird3. qq) Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG)
173
Einer der zentralen Mitbestimmungstatbestände ist § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG. Hiernach hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes ist es, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz, die von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß eingeschränkt werden sollen. Ein Beschäftigter, der befürchten muss, während der Arbeit mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen jederzeit beobachtet oder in anderer Weise fortlaufend kontrolliert zu werden, kann unter einen Überwachungsdruck geraten, der ihn in der freien Entfaltung der Persönlichkeit behindert, ihn insbesondere unter Anpassungsdruck setzt und ihn in eine erhöhte Abhängigkeit bringt4. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf technische Überwachungseinrichtungen, dh. solche, mit deren Hilfe Beschäftigtendaten technisch aufgenommen, übermittelt, verarbeitet oder ausgewertet werden5. Unter Überwachen im Sinne der Vorschrift ist sowohl das Sammeln und Aufzeichnen von Informationen als auch das Auswerten bereits vorliegender Informationen zu verstehen6. Eine technische Überwachung liegt daher auch vor, wenn anderweitig gewonnene Personaldaten im System gespeichert werden, um sie zur Aussage über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers heranzuziehen, bzw. wenn eine derartige Auswertung zwar nicht beabsichtigt, aber nach technischen Gegebenheiten zumindest möglich ist7.
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BVewG v. 17.7.1987 – 6 P 6.85, NVwZ 1988, 442 ff. RDW/Kaiser, § 75 Rz. 520; ebenfalls kritisch Altvater, § 75 Rz. 254. BVerwG v. 25.8.1986 – 6 P 16.84, NJW 1987, 1658, 1659. St. Rspr.: BVerwG v. 29.9.2004 – 6 P 4.04, NVwZ 2005, 342, 343 mwN. BVerwG v. 29.8.2001 – 6 P 10.00, NZA-RR 2002, 501, 502 f. Altvater, § 75 Rz. 261. Gola/Wronka, Rz. 1651.
872 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 175
Teil 9
Dieser Mitbestimmungstatbestand erlangt auch erhebliche Bedeutung im 174 Zusammenhang mit der Diskussion über Maßnahmen zum Zwecke der Korruptionsbekämpfung, zB bei der Deutschen Bahn AG1. Das Mitbestimmungsrecht wurde in der Rechtsprechung zB angenommen bei Datenverarbeitungssystemen mit möglicher Benutzeridentifikation2, der Einführung von Zeiterfassungssystemen3 oder Telefonanlagen, welche eine automatisierte Gesprächsdatenerfassung für einzelne Beschäftigte zulässt4. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die Einführung und Anwendung technischer Kontrolleinrichtungen. Einführung ist dabei außer der Neueinführung auch eine wesentliche Erweiterung einer bereits bestehenden Überwachungseinrichtung, etwa die Benutzung von PCs. Anwendung ist die Handhabung. Mitzubestimmen hat der Personalrat deshalb auch, wenn die Anwendung einer technischen Einrichtung geändert, etwa die Kontrolle gegenständlich erweitert oder auf andere Personen erstreckt wird5. rr) Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und Erleichterung des Arbeitsablaufes (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG) Der Personalrat hat gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG bei Maßnahmen 175 zur Hebung der Arbeitsleistung mitzubestimmen. Ziel des Mitbestimmungsrechtes ist es, bei Maßnahmen, die darauf abzielen, die Effektivität der Arbeit in der vorgegebenen Zeit qualitativ oder quantitativ zu fördern, also die Güte oder Menge der Arbeitsleistung zu steigern, die betroffenen Dienstkräfte vor einer unnötigen und unzumutbaren Belastung zu bewahren6. Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass keine Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung vorliegen, wenn diese nicht darauf abzielen, die Güte und/oder Menge der zu leistenden Arbeit zu steigern. Deshalb wurde zB die Mitbestimmung bei der Anordnung von Überstunden7 oder bei der Reduzierung der Reinigungshäufigkeit von Diensträumen8 verneint. Als Maßnahme der Hebung der Arbeitsleistung wurde zB die Arbeitsumverteilung bei gleichzeitiger Zuweisung weiterer Aufgaben angesehen9. Weiterhin wird als mitbestimmungspflichtig angesehen die Einführung neuer Techniken10. 1 Zur Diskussion vgl. lediglich Steinkühler, BB 2009, 1294 f. – Verletzung des Mitbestimmungsrechtes; andererseits Diller, BB 2009, 438 f. – keine Verletzung des Mitbestimmungsrechtes. 2 OVG Münster v. 2.9.1994 – 1 A 3511/91.PVL. 3 BVerwG v. 29.9.2004 – 6 P 4.04, NVwZ 2005, 342. 4 OVG Münster v. 17.12.2003 – 1 A 1088/01.PVL.; VGH Kassel v. 29.3.1989 – BPV TK 3992/87, NZA 1989, 651. 5 RDW/Kaiser, § 75 Rz. 546 f. 6 BVerwG v. 9.1.2008 – 6 PB 15.07, NZA-RR 2008, 279 Rz. 6. 7 BVerwG v. 23.1.1996 – 6 P 54.93, NZA-RR 1996, 479 f. 8 VGH Kassel v. 28.9.1995 – TL 2776/94, NZA-RR 1996, 239, 240. 9 VGH Mannheim v. 27.11.1984 – 15 S 3059/83, ZBR 1985, 175 f. 10 BVerwG v. 23.9.1992 – 6 P 26.90, NVwZ-RR 1993, 559, 560 – obiter dictum; RDW/Kersten, § 76 Rz. 143, aA VGH Kassel v. 24.8.1988 – HPV TL 23/81, NJW 1999, 26, 41 f. Sasse
873
Teil 9
176
Rz. 176
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Daneben sind gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG Maßnahmen zur Erleichterung des Arbeitsablaufes mitbestimmungspflichtig. Diese müssen darauf abzielen, Art und Maß der Beanspruchung eines oder mehrerer Beschäftigter zu mindern, um die gewonnene Arbeitszeit durch Übertragung zusätzlicher Aufgaben nutzen zu können1. ss) Fortbildung der Beschäftigten (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BPersVG)
177
Der Personalrat bestimmt bei der Fortbildung von Beschäftigten mit. Fortbildung sind dabei alle Maßnahmen, die an einen vorhandenen Wissensgrundstock anknüpfen, fachliche und berufliche Kenntnisse vertiefen und aktualisieren und die ein Mehr an Kenntnissen vermitteln2. Mitbestimmungspflichtig sind dabei allgemeine Fragen der Fortbildung, also die allgemeinen Grundsätze, die sich jenseits des Einzelfalls stellen und generell entschieden werden müssen3. Nicht mitbestimmungspflichtig ist die Durchführung einer Fortbildung im Einzelfall, zB die konkrete Programmgestaltung4. tt) Einführung grundlegender neuer Arbeitsmethoden (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BPersVG)
178
Der Personalrat bestimmt gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BPersVG mit bei der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. Als Arbeitsmethode werden dabei die Grundlagen der personellen, räumlichen, technischen und sonstigen bedeutsamen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Dienststelle des hieraus entwickelten Modells des Ablaufs derjenigen Arbeiten, welche zur Erfüllung der gestellten Aufgaben geleistet werden müssen, verstanden5. Grundlegend neue Arbeitsmethoden sind solche, die für die Beschäftigten ins Gewicht fallende körperliche und geistige Auswirkungen haben und sich nicht nur gelegentlich und kurzfristig bemerkbar machen6. Als neue Arbeitsmethode wurde dabei zB die Einführung von Telearbeit angesehen7. uu) Erlass von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung und Kündigung (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG)
179
Der Personalrat hat bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien gem. § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG mitzubestimmen. Auswahlrichtlinien legen die persönlichen, fachlichen und sozialen Kriterien und das Verfahren fest, nach denen positive sowie negative Personalentscheidungen in der Dienststelle 1 2 3 4 5 6 7
BVerwG v. 19.6.1990 – 6 P 3.87, NJW 1990, 30, 33. BVerwG v. 17.10.2002 – 6 P 3.02, NVwZ 2003, 476, 477. Fischer/Goeres/Gronimus, § 76 Rz. 47. RDW/Kersten, § 76 Rz. 154. BVerwG v. 30.8.1985 – 6 P 20.83, NJW 1986, 1360, 1364. Ilbertz/Widmaier, § 76 Rz. 42. Altvater, § 76 Rz. 123.
874 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 183
Teil 9
getroffen werden sollen, um eine möglichst große Einheitlichkeit und Transparenz in der Personalwirtschaft herzustellen1. Nicht mitbestimmungspflichtig sind hingegen Anforderungsprofile und Eignungsprofile2. vv) Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen Beschäftigten (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG) Der Personalrat bestimmt gem. § 76 Abs. Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BPersVG mit 180 bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen Beschäftigten. Dies sind alle Haftungsansprüche, die vom Staat gegenüber dem Beamten oder Arbeitnehmer geltend gemacht werden können. Die Mitbestimmung besteht allerdings gem. § 76 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BPersVG lediglich auf Antrag des Bediensteten. Der Personalrat ist gem. § 76 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BPersVG von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen. ww) Maßnahmen, die der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BPersVG) Gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BPersVG bestimmt der Personalrat mit bei 181 Maßnahmen, die der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg dienen. Hierdurch soll die Gleichberechtigung von Frau und Mann gewährleistet werden. Die Aufzählung ist nicht abschließend, so dass alle Maßnahmen der Dienststelle mitbestimmungspflichtig sind, die der Gleichstellung dienen3. 2. Mitwirkung des Personalrates a) Mitwirkung des Personalrates bei Kündigungen (§ 79 BPersVG) Gem. § 79 Abs. 1 BPersVG wirkt der Personalrat bei ordentlichen Kündigungen mit. § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersVG gilt entsprechend. Weiter zu dieser Vorschrift s.o. Teil 4 D Rz. 25 ff.
182
b) Mitwirkung bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG) Der Personalrat wirkt gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG mit bei der Vorberei- 183 tung von Verwaltungsanordnungen einer Dienststelle für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten ihres Geschäftsbereichs, wenn nicht nach § 94 BBG die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften bei der Vorbereitung mit zu beteiligen sind. Der Begriff der Verwaltungsanordnung ist weiter als im Verwaltungs1 BVerwG v. 21.3.2005 – 6 PB 8.04, NZA-RR 2005, 447, 448. 2 RDW/Kersten, § 76 Rz. 179. 3 Schlatmann, PersV 1996, 1. Sasse
875
Teil 9
Rz. 184
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
recht. Unter den Begriff der Verwaltungsanordnung fallen nicht nur hoheitliche Anordnungen, sondern auch allgemeine Weisungen, die für die Arbeitnehmer aufgrund des Direktionsrechts verbindlich sind. Die Regelungen müssen allgemein sein, also einen unbestimmten Teil der Beschäftigten betreffen, nicht einzelne oder abgrenzbare Gruppen1. Derartige Verwaltungsanordnungen müssen eine innerdienstliche Rechtswirkung haben. Soziale Angelegenheiten betreffen das Gesamtgebiet der Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne, dh. sowohl materielle als auch formelle Arbeitsbedingungen. Persönliche Angelegenheiten sind alle diejenigen Maßnahmen, die mit der Einstellung, Eingruppierung, Versetzung, Abordnung und Entlassung im weitesten Sinne zusammenhängen. Neben den Mitbestimmungsrechten gem. § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG und der Mitbestimmung hinsichtlich der Beurteilungsrichtlinie gem. §§ 75 Abs. 3 Nr. 9 und 76 Abs. 2 Nr. 3 BPersVG hat dieses Mitwirkungsrecht geringe Bedeutung2. c) Mitwirkung bei der Auflösung von Dienststellen (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) 184
Ein Mitwirkungsrecht besteht gem. § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG bei der Auflösung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen. Der Begriff der Auflösung entspricht dem der Betriebsstilllegung im BetrVG. Gleichgestellt ist der Auflösung die Auflösung eines wesentlichen Teils der Dienststelle. Daneben sind auch die Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung der Dienststelle oder wesentlicher Teile beteiligungspflichtig. Keine Zusammenlegung liegt vor, wenn eine bisher nach § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigte Nebenstelle oder Dienststelle ihre personalvertretungsrechtliche Selbständigkeit verliert.
185
Besonders diskutiert wird, ob im Falle der Privatisierung der Dienststelle von einer Auflösung auszugehen ist. Dies ist zu verneinen. Eine Auflösung liegt vor, wenn der mit der Dienststelle oder dem Dienststellenteil verfolgte Zweck eingestellt und damit die Organisation aufgelöst wird, durch die nach dem Willen des Dienstherrn die Beschäftigten zu einer Arbeitnehmergemeinschaft zusammengefasst worden sind3. Dies aber liegt im Falle einer Privatisierung nicht vor. Vielmehr geht es um die Weiterführung unter einem neuen Eigentümer4. Die gegenteiligen Auffassungen vermögen nicht zu überzeugen. Sie erläutern nicht, wieso im Falle eines Betriebsübergangs ohne weitere strukturelle Veränderungen keine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG vorliegt, während im Falle eines Betriebsübergangs von der öffentlichen Hand zu einem privaten Arbeitgeber von einer Stilllegung im Sinne des BPersVG ausgegangen werden soll. 1 2 3 4
BVerwG v. 1.9.2004 – 6 P 3.04, AP Nr. 4 zu § 85 LPVG Berlin. RDW/Benecke, § 78 Rz. 7. BVerwG v. 13.3.1964, AP Nr. 4 zu § 73 PersVG. Ilbertz/Widmaier, § 78 Rz. 10a; Fischer/Goeres/Gronimus, § 78 Rz. 14; aA Wollenschläger/von Harbou, NZA 2005, 1081, 1088 f.; RDW/Benecke, § 78 Rz. 15; Altvater, § 78 Rz. 24.
876 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 191
Teil 9
d) Erhebung von Disziplinarklagen (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) Der Personalrat wirkt bei der Erhebung von Disziplinarklagen gegen einen Beamten mit. Der Mitwirkung unterliegt dabei nur das Ob der Klageerhebung1. Hierbei wirkt der Personalrat aber nur auf Antrag des Beamten mit (§ 78 Abs. 2 iVm. § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersVG).
186
Auf andere Disziplinarmaßnahmen bezieht sich der Mitbestimmungstatbestand nicht. Im Übrigen scheidet das Mitwirkungsverfahren gem. § 78 Abs. 2 Satz 1 BPersVG aus, wenn die Disziplinarklage gegen einen Beamten erhoben wird, der unter § 54 Abs. 1 BBG fällt oder eine Beamtenstelle von der Besoldungsgruppe A 16 an aufwärts innehat. Sofern die Disziplinarklage ohne die vom Beamten beantragte Mitwirkung des Personalrates erhoben wird, ist sie unzulässig. Gleiches gilt, wenn die Behörde den Beamten nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, die Beteiligung des Personalrates zu verlangen2.
187
e) Entlassung von Beamten auf Probe (§ 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG) Gem. § 78 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG wirkt der Personalrat bei der Entlassung 188 von Beamten auf Probe oder auf Widerruf mit, sofern diese die Entlassung nicht selbst beantragt haben. Auch hier ist ein Antrag des Beamten gem. § 78 Abs. 2 Satz 2 BPersVG erforderlich. Eine Mitwirkung kommt nur bei einer fristgemäßen, nicht aber bei einer fristlosen Entlassung in Betracht. f) Vorzeitige Versetzung in den Ruhestand (§ 78 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG) Gem. § 78 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG wirkt der Personalrat bei der vorzeitigen 189 Versetzung in den Ruhestand mit. Auch hier erfolgt die Mitwirkung nur auf Antrag. Deshalb kommt das Mitwirkungsrecht regelmäßig nur in Betracht, wenn es sich um eine Zwangspensionierung handelt, der Beamte also nicht selbst die vorzeitige Pensionierung in den Ruhestand beantragt3. 3. Anhörungsrechte § 78 Abs. 3 bis 5 BPersVG sehen Anhörungsrechte des Personalrates vor. Daneben finden sich Anhörungstatbestände hinsichtlich fristloser Entlassungen und außerordentlicher Kündigungen in § 79 Abs. 3 BPersVG (hierzu s.o. Teil 4 D Rz. 17 ff.).
190
a) Personalanforderungen zum Haushaltsvoranschlag (§ 78 Abs. 3 BPersVG) Gem. § 78 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor der Weiterleitung von Personalanforderungen zum Haushaltsvoranschlag anzuhören. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden zur Einflussnahme auf allgemeine personelle 1 BVerwG v. 20.10.2005 – 2 C 12.04, NVwZ 2006, 469 Rz. 14 f. 2 Altvater, § 78 Rz. 35. 3 RDW/Benecke, § 78 Rz. 36. Sasse
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191
Teil 9
Rz. 192
Grundlagen des Personalvertretungsrechts
Grundsatzentscheidungen. Unter Personalanforderungen ist jeder personelle Mehrbedarf zu verstehen, wobei es nicht allein auf die zahlenmäßige Verstärkung ankommt1. Da die Feststellungen des Haushalts auf die personelle Zusammensetzung der Dienststelle Einfluss hat, soll die Personalvertretung im Vorfeld der Planung Gelegenheit zur Stellungnahme haben, soweit sich aus der Personalplanung konkrete Personalanforderungen zum Haushaltsvoranschlag ergeben2. Sofern der Personalrat einer nachgeordneten Dienststelle zu den Personalanforderungen eine Stellungnahme abgibt, so ist diese mit den Personalanforderungen der übergeordneten Dienststelle vorzulegen. Dies gilt auch für Personalplanungen. Die Personalplanung umfasst neben der Bedarfsplanung auch die Beschaffungsplanung, die Entwicklungs- und die Einsatzplanung3. b) Neu-, Um- und Erweiterungsbau von Diensträumen (§ 78 Abs. 4 BPersVG) 192
Gem. § 78 Abs. 4 BPersVG ist der Personalrat bei Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Diensträumen anzuhören. Die Dienststelle hat die Personalvertretung spätestens zu dem Zeitpunkt zu beteiligen, zu dem konkret Entwürfe hinsichtlich baulicher Veränderungen vorliegen. Dabei sind der Personalvertretung in umfassender Weise alle Überlegungen mitzuteilen, die die Dienststelle zu den konkreten Planungsmaßnahmen veranlasst haben4. Unter Neu-, Um- und Erweitungsbauten iSd. Abs. 4 sind alle Maßnahmen zu verstehen, die nicht nur der Erhaltung der baulichen Substanz dienen, wobei es auf den Umfang der Veränderung nicht ankommt5. c) Änderung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen (§ 78 Abs. 5 BPersVG)
193
Gem. § 78 Abs. 5 BPersVG besteht ein Anhörungsrecht des Personalrates auch vor grundlegenden Änderungen von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen. Diese Beteiligung wird in der Regel durch das Mitbestimmungsrecht des Personalrates bei der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden oder bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufes überlagert6. 4. Sonstige Rechte
194
Daneben stehen dem Personalrat Informationsrechte zu. Diese ergeben sich aus § 68 Abs. 2 BPersVG. Nach dieser Vorschrift ist die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Ihr sind die hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Die 1 2 3 4 5 6
BVerwG v. 2.3.1983 – 6 P 12.80, PersV 1984, 240 f. Ilbertz/Widmaier, § 78 Rz. 78. BVerwG v. 23.1.2002 – 6 P 5.01, AP Nr. 7 zu § 68 BPersVG. Ilbertz/Widmaier, § 78 Rz. 33. Fischer/Goeres/Gronimus, § 78 Rz. 37. Altvater, § 78 Rz. 63.
878 Sasse
V. Katalog der Beteiligungsrechte
Rz. 195
Teil 9
entsprechenden Informationen beziehen sich auf alle Aufgaben, die dem Personalrat nach dem Personalvertretungsgesetz oder nach anderen Vorschriften obliegen1. Der Informationsanspruch hat eine hohe Bedeutung für Wahrnehmung der Interessen der Beschäftigten2. Ein von der konkreten Aufgabe unabhängiges Informationsrecht steht dem Personalrat dagegen nicht zu, weil er zu einer allgemeinen Kontrolle der Dienststelle nicht befugt ist3. Zu den Aufgaben, die der Personalrat wahrzunehmen hat, gehören insbesondere die in § 68 Abs. 1 BPersVG festgehaltenen Aufgaben. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden. Der Begriff der Gesetze und Verordnungen ist dabei weit zu fassen. Hierunter fällt auch Richterrecht. Für die Durchführung der Überwachungsaufgaben sieht das Gesetz keine besonderen Verfahren vor. Allerdings obliegt es dem Personalrat nicht, die Aufgabenerfüllung und den inneren Betrieb der Dienststelle allgemein und unabhängig von ihm zugewiesenen Aufgaben zu überwachen4. Neben den allgemeinen Aufgaben und Informationsrechten steht dem Personalrat gem. § 75 Abs. 2 Satz 3 bis 5 BPersVG ein Informationsrecht betreffend an Bedienstete geleistete Unterstützungen, Vorschüsse, Darlehen etc. zu. Darüber hinaus bestehen auch Informationsrechte außerhalb des Personalvertretungsrechts, zB gem. § 7 Abs. 3 TzBfG, § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX5.
1 BVerwG v. 11.2.1981 – 6 P 3.79, BVerwG v. 27.7.1983 – 6 P 42.80, PersV 1985, 86; BVerwG v. 27.11.1991 – 6 P 24.90, PersR 1992, 153. 2 Altvater, PersR 2009, 253, 255. 3 BVerwG v. 29.8.1990 – 6 P 30.87, NJW 1991, 373, 374. 4 BVerwG v. 22.12.1993 – 6 P 15.92, NVwZ 1995, 89, daher tendenziell zu weit VG Saarlouis v. 19.5.2008 – 9 L 362/08. 5 Vgl. hierzu Altvater, § 68 Rz. 27. Sasse
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195
Teil 10 Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten der Beschäftigung im öffentlichen Dienst
I. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten in der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung (Gesetzliche Rentenversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versicherungsfreiheit bei Gewährleistung beamtenähnlicher Versorgung, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personenbezogene Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitgeberbezogene Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versorgungsstatus nach beamtenrechtlichen Grundsätzen . . d) Gewährleistung und Sicherung der Versorgung . . . . . . . . . e) Behördliche Feststellung der Gewährleistung . . . . . . . . . . . . f) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . g) Reichweite der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . h) Versicherungsfreiheit von Rentnern und Hinterbliebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachversicherung bei Beendigung der Versicherungsfreiheit . . a) Eintritt des Nachversicherungsfalls. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Unversorgtes“ Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung . . . . . cc) Verlust der Versorgungsanwartschaft . . . . . . . . . . . b) Nachzuversichernde Beschäftigungszeiten . . . . . . . . . . . . . . c) Durchführung und Wirkung der Nachversicherung . . . . . . . d) Aufschub der Beitragszahlung aa) Die Aufschubgründe im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . bb) Zeitpunkt der Beurteilung cc) Formelle Voraussetzungen des Beitragsaufschubs . . . . dd) Rechtsfolgen des Beitragsaufschubs . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
1
e) Berechnung der nachzuentrichtenden Beiträge . . . . . . . . . . . 81 3. Freiwillige gesetzliche Versicherung, § 7 Abs. 2 SGB VI . . . . . . . . . . . 84 4. Erstattung früherer Rentenversicherungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . 86
7
8 10 13 23 29 33 39 42 46 48 51 53 56 58 59 62 67 69 72 74 77
III. Besonderheiten in der Versorgung bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (Gesetzliche Krankenversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V . . . . . . . . . . . 92 a) Beschäftigte privilegierter Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Fürsorgestatus nach beamtenrechtlichen Grundsätzen . . . . . . . 96 c) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Reichweite der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Erfordernis einer beihilfeergänzenden Zusatzversorgung . . . . . . . . . 103 a) Beihilfekonforme private Krankenversicherung . . . . . . . . . . 107 aa) Kosten der privaten Ergänzungsversicherung . . . . . . . . . 109 bb) Reduzierung des Beitragsanstiegs durch Basistarife bis 31.12.2008 . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Basistarife seit dem 1.1.2009 115 b) Freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Auswirkungen der freiwilligen Versicherung auf den Beihilfeanspruch . . . . . . . . . . 119 cc) Kosten der freiwilligen Versicherung. . . . . . . . . . . . . . 120 dd) Abwägung der Vor- und Nachteile der freiwilligen Versicherung. . . . . . . . . . . . . . 122 c) Durchführung der Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Spätere Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung . . . . . 126
Oberthür
881
Teil 10
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten Rz.
aa) Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eintritt der Versicherungspflicht nach Vollendung des 55. Lebensjahres . . . . . cc) Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner . . . . . . . . dd) Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung mangels anderweitiger Absicherung . . . . . . . . . . . . 3. Versicherungsfreiheit von Rentnern, Hinterbliebenen und Familienangehörigen . . . . . . . . . . 4. Ausschluss der Familienversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Tarifliche Sozialleistungen im Krankheitsfall . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entgeltfortzahlung und Zuschussleistungen im Krankheitsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freistellung bei Erkrankung eines Kindes oder der Betreuungsperson . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten in der Versorgung bei Arbeitslosigkeit (Gesetzliche Arbeitslosenversicherung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. . . a) Beschäftigte privilegierter Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fürsorgestatus nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. . . . . c) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . d) Reichweite der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versicherungsfreiheit von Rentnern, Hinterbliebenen und Familienangehörigen . . . . . . . . . .
127 128 133
135 136 142 146 147 153
157 158 159 160 163
Rz. V. Besonderheiten in der Versorgung bei Pflegebedürftigkeit (Gesetzliche Pflegeversicherung) . . . . . . . . . . 169 1. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung, § 20 Abs. 1 und 3 SGB XI . . . . . . . . . . . . . 172 2. Versicherungspflicht in der privaten Pflegeversicherung, § 23 Abs. 1 SGB XI. . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Versicherungspflicht in der privaten Pflegeversicherung für Beihilfeberechtigte, § 23 Abs. 1 SGB XI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Definition der beamtenähnlichen Beihilfeberechtigung im Pflegefall . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Inhalt und Kosten der beihilfekonformen Pflegeversicherung . . 185 4. Versicherungspflicht für Rentner, Hinterbliebene und Familienangehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 5. Durchführung der Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 VI. Besonderheiten der Unfallfürsorge (Gesetzliche Unfallversicherung) . . 192 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung, § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . 193 a) Arbeitgeberbezogene Voraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen . . . . . . . 195 c) Gewährleistung der Unfallfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 d) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 e) Reichweite der Versicherungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Versorgungsleistungen bei außerdienstlichen Unfällen . . . . . . . . . . . . 206
165 167
Schrifttum: Kommentare/Handbücher: Ambs/Feckler u.a., Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsrecht, Loseblatt, zit.: Bearbeiter in GK-SGB III; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch, Loseblatt; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, Bundes-Angestelltentarifvertrag – BATKommentar, Loseblatt; Eicher/Schlegel, SGB III, Arbeitsförderungsrecht, Loseblatt; Hauck/Noftz, SGB III: Arbeitsförderung, SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung, SGB VI: Gesetzliche Rentenversicherung, SGB XI: Soziale Pflegeversicherung, Loseblatt; Jahn/Klose, Sozialgesetzbuch für die Praxis, Loseblatt; Kasseler Kommentar Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Loseblatt; Kreikebohm, Sozialgesetzbuch – Kommentar zum SGB VI, 2. Aufl. 2003; Lauterbach/Watermann, Unfallversiche-
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I. Allgemeines
Rz. 2 Teil 10
rung – Sozialgesetzbuch VII, Loseblatt; Lueg/v. Maydell/Ruland, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung, Loseblatt, zit.: GK-SGB VI; Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 2. Aufl. 2005; Schmitt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, 2. Aufl. 2004; Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, 1994 ff.; Wannagat/Eichenhofer, Sozialgesetzbuch (SGB), Kommentar zum gesamten Recht des Sozialgesetzbuchs, Loseblatt; Wimmer, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl. 2009. Aufsätze: Beckmann, Rentenreformgesetz 1992 – Versicherungsfreiheit, Befreiung von der Versicherungspflicht und Nachversicherung, Mitt. LVA OMFr 1990, 408; Benz, Dienstordnung und Dienstordnungsangestellte in der gesetzlichen Unfallversicherung, SGb 2000, 53; Clausing, Versicherungsfreiheit/Versicherungspflicht/Versicherungsberechtigung von Beamten und gleichgestellten Personen, DAngVers 1978, 503; Grintsch, Die Versicherungsfreiheit von Beamten und gleichgestellten Beschäftigten, ZTR 1994, 58; Heinz, Aspekte des DO-Rechts, BABl. 1985, 22; Hock, Der Anspruch auf Krankenentgelt im TVöD, ZTR 2005, 614; Lutter, Die private Pflege-Pflichtversicherung, BABl. 1994, 51; Kleinebrink, Der Freistellungs- und Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bei Erkrankung eines Kindes nach dem SGB V, ArbRB 2006, 303; Schmidt, Krankengeldzuschuss in den Manteltarifverträgen des öffentlichen Dienstes, PersR 1999, 71; von Einem, Neuregelung der Nachversicherung im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), ZTR 1993, 270; Zetl, Krankenbezüge nach dem neuen TVöD, ZMV 2006, 72.
I. Allgemeines Beamte, die im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses 1 beschäftigt werden, unterliegen als „Diener des Staates“ auch der besonderen Absicherung durch den Staat. Der Dienstherr hat gem. § 45 BeamtStG1 für das Wohl der Beamten und ihrer Familien sowohl während des Beamtenverhältnisses als auch für die Zeit nach dessen Beendigung zu sorgen. Die Versorgung der Beamten und deren Familienangehörigen in allen Fällen wesentlicher Lebensrisiken ist dementsprechend durch das Beamtenrecht des Bundes und der Länder abgesichert; aufgrund des damit verbundenen Mangels an sozialer Schutzbedürftigkeit sind Beamte in das System der gesetzlichen Sozialversicherung nicht einbezogen. Für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gelten demgegenüber in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zunächst keine Besonderheiten. Sie unterliegen beitrags- wie auch leistungsrechtlich denselben sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen wie die Arbeitnehmer der Privatwirtschaft. Auch soweit die Versicherungspflicht für besondere Beschäftigtengruppen, etwa für Rentner, Studenten, geringfügig Beschäftigte oder für Beschäftigte mit höheren Einkommen in einzelnen Versicherungszweigen entfällt, gelten für den öffentlichen Dienst keine Sonderregelungen. Das Sozialversicherungsrecht berücksichtigt allerdings, dass der öffentliche Dienst aufgrund der besonderen verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 33 Abs. 5 GG systembedingt eigene, außerhalb der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme angesiedelte Sicherungssysteme nicht nur für seine Beamten, sondern auch für seine sonstigen Beschäftigten begründen kann und von diesem Recht auch Gebrauch gemacht hat. Wenn 1 § 45 BeamtStG in der seit 1.4.2009 geltenden Fassung, ehemals § 48 BRRG. Oberthür
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Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
und soweit Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in ein solches, der gesetzlichen Sozialversicherung als mindestens gleichwertig anerkanntes Versorgungssystem einbezogen sind, geht der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Betrachtung davon aus, dass die soziale Absicherung anderweitig gewährleistet und die Einbeziehung in die gesetzliche Versicherungspflicht deshalb entbehrlich ist1. 3
Diese gesetzgeberischen Erwägungen werden durch die Bestimmungen zur Versicherungsfreiheit umgesetzt. Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in den verschiedenen Versicherungszweigen grundsätzlich der Versicherungspflicht; ausnahmsweise sind jedoch Arbeitnehmer, die eine dem Grunde nach sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungsfrei, wenn die Versicherung aufgrund einer gesetzlichen Sonderregelung nicht oder jedenfalls nicht als Pflichtversicherung durchgeführt wird. Die Einbeziehung der versicherungsfreien Arbeitnehmer in die Versicherungspflicht ist in diesem Fall kraft Gesetzes ausgeschlossen; allenfalls kann in einzelnen Versicherungszweigen eine freiwillige Versicherung begründet werden.
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Infolge der Versicherungsfreiheit entstehen in dem jeweiligen Versicherungszweig keine Leistungsansprüche, gleichzeitig aber auch keine Beitragsbelastungen. Ob dies für den Arbeitnehmer im Einzelfall Vor- oder Nachteile begründet, ist aus der Sicht des Sozialversicherungsrechts ohne Belang. Wird aufgrund der gesetzlichen Regelung Versicherungsfreiheit angenommen, kommt es auf die konkrete Schutzbedürftigkeit des im Einzelfall betroffenen Arbeitnehmers nicht an; der in der Sozialversicherung vorherrschende Grundsatz der Solidarität aller Arbeitnehmer schließt es aus, das Bestehen der Versicherungspflicht von einem individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen2.
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Ob eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst ausnahmsweise sozialversicherungsfrei ist, ist demnach anhand der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass jeder Zweig der gesetzlichen Sozialversicherung eigenständige Regelungen zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht enthält, die neben den allgemeinen Regelungen zur Beschäftigung in den §§ 7 ff. SGB IV zu berücksichtigen sind. Insbesondere strahlt die Versicherungsfreiheit etwa in der gesetzlichen Rentenversicherung, die aufgrund ihres wirtschaftlichen und sozialpolitischen Gewichts für die Arbeitnehmer in der Regel die größte Bedeutung besitzt, nicht ohne weiteres auf die übrigen Versicherungszweige der gesetzlichen Sozialversicherung aus. Vielmehr ist das Bestehen der Versicherungspflicht gem. § 2 Abs. 2 SGB IV für jeden Versicherungszweig gesondert zu prüfen3. Dabei sehen alle Versicherungszweige Sonderregelungen für die Arbeitnehmer 1 BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6; BSG v. 10.9.1975 – 3/12 RK 6/74, SozR 2200 § 169 Nr. 1. 2 BSG v. 10.9.1975 – 3/12 RK 6/74, SozR 2200 § 169 Nr. 1; BSG v. 17.6.1999 – B 12 KR 18/98 R, SozR 3-2600 § 5 Nr. 6. 3 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 254/05, NZA 2006, 684; Seewald, in: Kasseler Kommentar, SGB IV, § 2 Rz. 6.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
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des öffentlichen Dienstes vor; doch obgleich sich deren Voraussetzungen inhaltlich ähneln, sind sie nicht in allen Bereichen identisch ausgestaltet. Gemeinsam ist jedoch allen Bereichen der gesetzlichen Sozialversicherung, dass der Ausschluss der Arbeitnehmer aus den Systemen der gesetzlichen Sozialversicherung von der Gewährleistung einer beamtenähnlichen Absicherung durch den Arbeitgeber abhängt. Für den einzelnen Arbeitnehmer ist die Einbeziehung in die außerhalb der 6 gesetzlichen Sozialversicherung angesiedelten Sicherungssysteme regelmäßig vorteilhaft, da hierdurch bei gleichem oder sogar verbessertem Leistungsumfang die Beitragsbelastung reduziert wird. Der Arbeitnehmer hat jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, eine zur Versicherungsfreiheit führende Versorgung durch den öffentlichen Arbeitgeber zu erhalten. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Beamten des Arbeitgebers1. Soweit allerdings der Arbeitgeber nur einem Teil seiner privatvertraglich beschäftigten Arbeitnehmer besondere Versorgungsleistungen gewährt, kann sich bei sachwidriger Differenzierung aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz auch für die benachteiligte Arbeitnehmergruppe ein Anspruch auf die Gewährung der Versorgungsleistungen ergeben2.
II. Besonderheiten in der Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung (Gesetzliche Rentenversicherung) Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unterliegen als Beschäftigte iSd. 7 § 7 Abs. 1 SGB IV iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ebenso wie die Arbeitnehmer der Privatwirtschaft grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. 1. Versicherungsfreiheit bei Gewährleistung beamtenähnlicher Versorgung, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sind jedoch unter bestimmten Vo- 8 raussetzungen ausnahmsweise rentenversicherungsfrei, wenn ihnen eine beamtenähnliche Versorgung gewährleistet wird. Dies gilt gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI3 für „sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, deren Verbände einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften, wenn ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen Anwartschaft auf Versorgung bei vermin-
1 BAG v. 28.6.1995 – 10 AZR 559/94, nv. 2 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 528/05, NZA 2006, 1217. 3 § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist mit dem SGB VI aufgrund des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) vom 18.12.1989 (BGBl. I, 2261) mit Wirkung vom 1.1.1992 in Kraft getreten und ersetzt seitdem die zeitgleich aufgehobenen §§ 6 ff. RVO. Altfälle erfasst die Übergangsregelung des § 230 Abs. 2 SGB VI. Oberthür
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Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
derter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet und die Erfüllung der Gewährleistung gesichert ist.“ 9
§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI begründet damit eine Ausnahme von dem Grundsatz der Versicherungspflicht für diejenigen Arbeitnehmer, die nicht in den Schutzbereich der Rentenversicherung einbezogen werden müssen, weil bereits eine anderweitige Absicherung vorliegt oder zu erwarten ist, und eine Doppelversicherung mit der Folge zusätzlichen Leistungsaufwands für die gesetzliche Rentenversicherung und unnötiger Beitragsbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermieden werden soll1. Das Gesetz unterstellt in diesen Fällen der anderweitigen Sicherung typisierend, dass die Versorgung des Arbeitnehmers in den von der Rentenversicherung abgedeckten Lebensrisiken Alter, Invalidität und Tod bei Eintritt des Versorgungsfalls auch ohne Rückgriff auf die gesetzliche Rentenversicherung gewährleistet ist2. a) Personenbezogene Voraussetzungen
10 Während Beamte ebenso wie Richter und Soldaten bereits gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht ausgenommen sind, erfasst der Begriff der „sonstigen Beschäftigten“ in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI alle anderen Beschäftigten außerhalb dieser Personengruppe. Dabei bestimmt sich die Abgrenzung zwischen einem öffentlich-rechtlichen Beamten- und einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis nicht nach der vertraglichen Bezeichnung, sondern ausschließlich nach der tatsächlichen rechtlichen Stellung des Beschäftigten3. 11 § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfasst demnach vor allem die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die auf der Basis eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages beschäftigt werden. Zu ihnen gehören insbesondere auch die so genannten Dienstordnungs-Angestellten der Sozialversicherungsträger und ihrer Verbände. Dienstordnungsverhältnisse stellen eine Sonderform des Arbeitsverhältnisses dar, indem sie zwar formell als privatrechtliches Arbeitsverhältnis begründet werden, materiell aber kraft einer entsprechenden Dienstordnung besoldungs- und versorgungsrechtlich den Dienstverhältnissen der Beamten gleichgestellt sind4. Aufgrund der mittlerweile weit verbreiteten Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst durch Tarifrecht ist der Anwendungsbereich der Dienstordnungs1 BSG v. 23.9.1980 – 12 RK 41/79, SozR 2200 § 1229 Nr. 12; BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 7/85, SozR 2200 § 1232 Nr. 21. 2 BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6 mwN. 3 BSG v. 23.9.1980 – 12 RK 41/79, SozR 2200 § 1229 Nr. 12; BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 7/85, SozR 2200 § 1232 Nr. 21. 4 BAG v. 30.8.2005 – 3 AZR 391/04, AP Nr. 77 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BAG vom 26.9.19849 – 4 AZR 608/83, AP Nr. 59 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BAG v. 25.4.1979 – 4 AZR 791/77, AP Nr. 49 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BSG v. 28.11.1955 – 3 RK 10/55, AP Nr. 15 zu § 2 ArbGG 1953. Weiterführend zum DO-Recht Heinz, BABl. 1985, 22; Benz, SGb 2000, 53.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
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verhältnisse in den vergangenen Jahrzehnten allerdings erheblich zurückgegangen; die erforderliche gesetzliche Ermächtigung zur Ausgestaltung entsprechender Dienstordnungen existiert derzeit nur noch für die gesetzlichen Krankenkassen und deren Verbände1, die Berufsgenossenschaften2 sowie für die landwirtschaftlichen Alterskassen3. Neben den Arbeitnehmern können jedoch auch Beschäftigte in öffentlich- 12 rechtlichen Beschäftigungsverhältnissen dem Begriff der „sonstigen Beschäftigten“ unterfallen, solange sie nicht Beamte im staatsrechtlichen Sinne sind. Hierzu gehören vor allem Kirchenbeamte und Geistliche der Religionsgemeinschaften4, ebenso die Rechtspraktikanten innerhalb der einstufigen Juristenausbildung5. Beamte auf Widerruf sind demgegenüber aufgrund ihres staatsrechtlichen Beamtenstatus auch dann nicht von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfasst, wenn sie außerhalb des Vorbereitungsdienstes tätig werden und deshalb nicht unter den Geltungsbereich des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI fallen6. b) Arbeitgeberbezogene Voraussetzungen Die Möglichkeit, Arbeitnehmer mit der Folge der Versicherungsfreiheit in 13 der gesetzlichen Rentenversicherung eigenständig zu versorgen, ist nur für diejenigen Arbeitgeber eröffnet, die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI besonders genannt sind. Erfasst ist damit nur der öffentliche Dienst im engeren Sinne, bei dem der Gesetzgeber typisierend eine für die eigenständige Versorgung ausreichende Leistungsfähigkeit für gegeben hält. Die Aufzählung der insoweit privilegierten Arbeitgeber ist abschließend; sie kann als eng auszulegende Ausnahmevorschrift von dem Grundsatz der Versicherungspflicht nicht über den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut hinaus erweitert werden7. Versicherungsfreiheit kann demnach vor allem für die Arbeitnehmer der öffentlich-rechtlich organisierten Arbeitgeber begründet werden, also der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
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Körperschaften des öffentlichen Rechts sind insbesondere die Gebietskörperschaften von Bund, Ländern und Kommunen, die Realkörperschaften
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1 §§ 349–357 RVO, §§ 413, 414b RVO (gem. § 358 RVO begrenzt auf Vertragsabschlüsse bis zum 31.12.1992). 2 §§ 144 ff. SGB VII. 3 §§ 52 Abs. 2, 56 Abs. 3 ALG, § 82 KVLG. 4 Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, § 5 SGB VI Rz. 22; vgl. auch Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. Aufl., S. 5. 5 BSG v. 12.12.1995 – 5/4 RA 52/94, SozR 3-2200 § 1232 Nr. 6; BSG v. 14.9.1995 – 4 RA 118/94, SozR 3-2200 § 1232 Nr. 5; SG München v. 12.9.2002 – S 17 RA 776/96, nv.; zweifelnd BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 7/85, SozR 2200 § 1232 Nr. 21. 6 Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 10; Jahn/Klose/Jansen, § 5 SGB VI Rz. 4; aA Hauck/Noftz/Klattenhoffin:, § 5 SGB VI Rz. 45 und 50 (Fn. 76) unter Verweis auf die hergebrachte Praxis. 7 BSG v. 29.1.1981 – 11 RA 22/80, SozR 2200 § 1303 Nr. 17; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 3. Oberthür
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Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
(bspw. die Handwerkskammern) und die Personalkörperschaften (bspw. die Rechtsanwalts-, Notar- und Ärztekammern). Auch die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung (bspw. die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen einschließlich des Medizinischen Dienstes, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen gem. § 217a SGB V und des Gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 91 SGB V, die Rentenversicherungsträger, die Bundesagentur für Arbeit und die Berufsgenossenschaften) sind öffentlich-rechtliche Körperschaften1. 16 Religionsgemeinschaften zählen zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts, wenn ihnen dieser Status und damit eine der Dienstherreneigenschaft gem. § 121 BRRG vergleichbare Befugnis zur Begründung öffentlichrechtlicher Dienstverhältnisse gem. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 5 WRV verliehen oder belassen worden ist2. Erfasst sind damit u.a. die Kirchengemeinden, Diözesen und Kirchenprovinzen der römisch-katholischen Kirche, die jüdischen Kulturgemeinden, die Evangelische Kirche in Deutschland, die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, die evangelischen Landeskirchen, und – neuerdings – auch die Zeugen Jehova3. Die Vereinigungen der so genannten Scientology-Kirche sind demgegenüber in Deutschland bislang nicht als Religionsgemeinschaft oder öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt4. 17 Anstalten des öffentlichen Rechts sind nicht-mitgliedschaftlich organisierte, (teil-)rechtsfähige Verwaltungsträger zur dauerhaften Verfolgung eines bestimmten Zwecks. Hierzu gehören etwa die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Sendeanstalten wie auch die Stadt- und Kreissparkassen5. 18 Stiftungen des öffentlichen Rechts sind rechtsfähige Verwaltungsträger, die mit einem Kapital- oder Sachbestand ausschließlich öffentliche Zwecke verfolgen und zum Staat selbst oder zu einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft in einer solchen organisatorischen Beziehung stehen, dass die Stiftung als eine öffentliche Einrichtung erscheint. Hierzu gehört etwa die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“6. 19 Demgegenüber sind privatrechtlich organisierte Arbeitgeber grundsätzlich nicht von § 5 Abs. 1 Satz Nr. 2 SGB VI erfasst, auch wenn sie gesellschaftsrechtlich von der öffentlichen Hand getragen oder maßgeblich beeinflusst werden und ihre Arbeitsverhältnisse inhaltlich an den beamtenrechtlichen Bestimmungen ausrichten. Dies zeigt sich vor allem bei der Privatisierung öffentlich-rechtlicher Betriebe. Während die Arbeitnehmer der von den Gebietskörperschaften betriebenen Regie- und Eigenbetriebe bei einem öffent1 Vgl. § 29 Abs. 3 SGB IV iVm. § 367 Abs. 1 SGB III, §§ 4 Abs. 1, 278 SGB V, § 143 Abs. 1 SGB VI, § 114 SGB VII, § 46 Abs. 2 SGB XI. 2 BSG v. 28.8.1984 – 11 RA 74/83, SozR 2200 § 1260c Nr. 15; BSG v. 17.3.1983 – 11 RA 76/82, SozR 2200 § 1260c Nr. 5; Grintsch, ZTR 1994, 58. 3 BVerwG v. 1.2.2006 – 7 B 80/05, NJW 2006, 3156. 4 BAG v. 22.3.1995 – 5 AZB 21/94, BAGE 79, 319. 5 Hauck/Noftz/Klattenhoff, § 5 SGB VI Rz. 51; Grintsch, ZTR 1994, 58. 6 Hauck/Noftz/Klattenhoff, § 5 SGB VI Rz. 51; Grintsch, ZTR 1994, 58.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
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lich-rechtlichen Arbeitgeber iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI beschäftigt sind1, gilt dies ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht mehr, wenn dieser Betrieb in eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft überführt wird, auch wenn die Gebietskörperschaft mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligt ist und die Gesellschaft eine besondere öffentliche Aufgabe wahrnimmt2. Auch politische Parteien gehören nicht zu dem Kreis der privilegierten Arbeitgeber3. Der Gesetzgeber hat privatrechtlich organisierte Arbeitgeber in den Kreis der von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI privilegierten Arbeitgeber nur insoweit aufgenommen, als es sich um die Verbände, Spitzenverbände und Arbeitsgemeinschaften öffentlich-rechtlich organisierter Arbeitgeber handelt. Hierzu gehören zB. die Landes- und Bundesverbände der Orts-, Betriebsund Innungskrankenkassen, der Verband der Angestellten-Krankenkassen und der Verband der Deutscher Rentenversicherungsträger, die Kommunalverbände4 sowie die häufig im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung und in der Sozialversicherung etwa bei der Abwicklung der Rehabilitation behinderter Menschen5 und der Betreuung erwerbsfähiger Arbeitsloser6 gegründeten Arbeitsgemeinschaften oder die Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung7.
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Die Einbeziehung der Verbände und Arbeitsgemeinschaften in den Kreis der 21 privilegierten Arbeitgeber soll den Wechsel der Arbeitnehmer innerhalb der verbundenen Organisationen erleichtern und die Gleichbehandlung zwischen ihnen befördern8. Sie ist auch aus sachlichen Erwägungen gerechtfertigt, da die Verbände und Arbeitsgemeinschaften mit ihren Arbeitnehmern in aller Regel Aufgaben wahrnehmen, die anderenfalls ihre Mitglieder selbst zu besorgen hätten9. Um eine versicherungsrechtliche Gleichstellung der Arbeitnehmer zu erreichen, ist allerdings Voraussetzung, dass den Verbänden und Arbeitsgemeinschaften wiederum ausschließlich10 juristische Personen des öffentlichen Rechts angehören. 1 BGH v. 19.9.1984 – IVb ZB 30/84, NJW 1985, 2708, zu § 1 Abs. 3 VAHRG. 2 BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6, zur Privatisierung der Deutschen Bundespost; LSG Schleswig-Holstein v. 18.1.2006 – L 8 R 95/05, nv.; vgl. auch Hauck/Noftz/Klattenhoff, § 5 SGB VI Rz. 51; Reinhardt, in: LPK-SGB VI, § 5 Rz. 5. 3 BSG v. 31.1.1973 – 12/3 RK 4/71, SozR Nr. 2 zu § 6 AVG. 4 ZB der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag. 5 § 12 Abs. 2 SGB IX. 6 § 44b SGB II; zur Verfassungswidrigkeit der insoweit gebildeten Arbeitsgemeinschaften BVerfG v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, BVerfGE 119, 331. 7 § 303a SGB V. 8 Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, § 5 SGB VI Rz. 22. 9 Hauck/Noftz/Klattenhoff, § 5 SGB VI Rz. 53. 10 Für die Einbeziehung von Verbänden mit privatrechtlich organisierten Mitgliedern, wenn diese wiederum ausschließlich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts getragen werden, vgl. Hauck/Noftz/Klattenhoff, § 5 SGB VI Rz. 53, und ausführlich Boecken, in: Gk-SGB VI, § 5 SGB VI Rz. 56 ff. Oberthür
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Rz. 22
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
22 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfassten Körperschaften und Vereinigungen solche des innerstaatlichen Rechts sein müssen. Supranationale Arbeitgeber wie etwa die Institutionen der Europäischen Gemeinschaft sind mangels Dienstherreneigenschaft nicht privilegiert1. Gleiches gilt für ausländische Arbeitgeber; der sozialversicherungsrechtliche Status ihrer Arbeitnehmer ergibt sich aus dem jeweils anwendbaren internationalen Sozialrecht2. c) Versorgungsstatus nach beamtenrechtlichen Grundsätzen 23 Die Nichteinbeziehung von Arbeitnehmern in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung durch § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI rechtfertigt sich dadurch, dass diese in ein anderes, vergleichbar leistungsfähiges Versorgungssystem einbezogen sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist dabei die Bereitstellung eines Versorgungsstatus „nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen“ erforderlich. 24 Das für Beamte aus Art. 33 Abs. 5 GG hergeleitete Alimentations- und Lebenszeitprinzip sieht vor, dass der Dienstherr seinen Beamten und deren Familien während und nach der Beendigung des Dienstverhältnisses den standesgemäßen Unterhalt zu gewähren hat; dadurch sollen die Beamten wirtschaftlich und sozial befähigt werden, während des Arbeitslebens ihre gesamte Arbeitskraft für den Dienstherrn einzusetzen3. Eine beamtenähnliche Versorgung iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI muss dementsprechend gleichermaßen auf dem Alimentationsprinzip beruhen. Dabei ist die Gewährung einer den beamtenrechtlichen Bestimmungen identischen Versorgung nicht erforderlich; gewisse Abweichungen im Rahmen eigener Versorgungsbestimmungen, die auch in den unterschiedlichen beamtenrechtlichen Bestimmungen der Länder und Kommunen festzustellen sind, sind durchaus zulässig. Der Versorgungsstatus muss aber jedenfalls ungeachtet gewisser Abweichungen nach Voraussetzung, Art und Umfang dem Beamtenrecht entsprechen4. 25 Eine beamtenähnliche Versorgung muss daher eine lebenslange Versorgung für die Lebensrisiken der verminderten Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes (Hinterbliebenenversorgung) in einem Umfang gewährleisten, die eine auskömmliche und angemessene Absicherung bieten5. Unabdingbar ist dabei die Zusicherung einer lebenslangen Versorgung und die Bemessung der Versorgungsleistung nach dem letzten Arbeitsentgelt und der Dauer der Beschäftigung; die Bemessung nach einer niedrigeren als der zuletzt gewährten Vergütung ist als Abkehr von den grundsätzlichen be1 BSG v. 29.1.1981 – 11 RA 22/80, SozR 2200 § 1303 Nr. 17. 2 Hauck/Noftz/Klattenhoff, § 5 SGB VI Rz. 44; Boecken, in: GK-SGB VI, § 5 SGB VI Rz. 51. 3 BSG v. 23.9.1980 – 12 RK 41/79, SozR 2200 § 1229 Nr. 12; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, § 5 SGB VI Rz. 24. 4 BSG v. 10.9.1975 – 3/12 RK 6/74, SozR 2200 § 169 Nr. 1; BSG v. 20.6.1985 – 11a RA 28/84, SozR 2200 § 1260c Nr. 18; BSG v. 15.11.1979 – 11 RZLw 1/79, SozR 5866 § 12 Nr. 5. 5 Brackmann, § 5 SGB VI Rz. 34; Boecken, in: GK-SGB VI, § 5 SGB VI Rz. 71.
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amtenrechtlichen Vorgaben nicht hinnehmbar1. Die Begrenzung des Versorgungsniveaus auf 68 % des zuletzt bezogenen Grundgehalts und Ortszuschlages und die Nichtgewährung von Weihnachtsgeld werden insoweit noch als zulässig angesehen2. Die Versorgungsleistungen müssen jedoch stets denselben wirtschaftlichen und sozialpolitischen Versorgungszweck erfüllen wie die beamtenrechtliche Versorgungsanwartschaft und dürfen nicht etwa nur eine finanzielle Anerkennung besonders langjähriger Dienste beinhalten3. Die Gewährung einer kombinierten Gesamtversorgung dahingehend, dass 26 der Arbeitnehmer freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert und nur bezüglich des Differenzbetrages zwischen der gesetzlichen Rente und dem beamtenähnlichen Ruhegehalt eine Versorgungsgarantie des Arbeitgebers übernommen wird, ist grundsätzlich zulässig, sofern die Gesamtversorgung der Versorgung eines vergleichbaren Beamten entspricht; schließlich ist die Anrechnung anderweitiger Versorgungsbezüge auch dem Beamtenrecht nicht fremd4. Für den öffentlichen Arbeitgeber bietet sich das Modell der Gesamtversorgung vor allem dann an, wenn der Arbeitnehmer vor Aufnahme der versicherungsfreien Beschäftigung bereits in nennenswertem Umfang Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat. Voraussetzung ist allerdings, dass das Prinzip der arbeitgeberseitigen Finanzierung der Versorgungsleistungen dadurch gewahrt bleibt, dass der Arbeitgeber die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung allein trägt5; die Übernahme auch des Arbeitnehmeranteils durch den öffentlichen Arbeitgeber in Abweichung von § 171 SGB VI stellt dabei keinen steuerbaren geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers dar, da die Einbeziehung der gesetzlichen Rentenversicherung nur den Arbeitgeber entlastet, ohne die Versorgungsposition des Arbeitnehmers zu verbessern6. Obgleich das Prinzip der Gesamtversorgung zumindest in der Vergangen- 27 heit überwiegend auch der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes7 zugrunde lag, handelt es sich bei dieser nicht um eine die Versicherungsfreiheit begründende beamtenähnliche Versorgung. Zu den wesentlichen 1 BSG v. 20.6.1985 – 11a RK 28/84, SozR § 1260c Nr. 18; BSG v. 13.8.1981 – 11 RZLw 1/80, SozR 5866 § 12 Nr. 6. 2 BSG v. 20.6.1985 – 11a RK 28/84, SozR § 1260c Nr. 18; BSG v. 15.11.1979 – 11 RZLw 1/79, SozR 2200 5866 § 12 Nr. 5; Boecken, in: GK-SGB VI, § 5 SGB VI Rz. 80, hält dies jedoch angesichts des Gebots einer auskömmlichen Versorgung für die mindestens einzuhaltende Untergrenze. 3 BSG v. 23.9.1980 – 12 RV 41/79, SozR 2200 § 1229 Nr. 12: Ehrensold ehrenamtlicher Bürgermeister in Bayern. 4 BSG v. 28.8.1984 – 11 RA 74/83, SozR 2200 § 1260c Nr. 15; BAG v. 11.2.1966 – 3 AZR 381/65, AP Nr. 107 zu § 242 Ruhegehalt; BAG v. 3.11.1964 – 3 AZR 355/63, AP Nr. 21 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BAG v. 23.9.1958 – 3 AZR 69/57, BAGE 6, 272. 5 Brackmann, § 5 SGB VI Rz. 35; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 21; Clausing, DAngVers 1978, 503; BSG v. 28.8.1984 – 11 RA 74/83, SozR 2200 § 1260c Nr. 15. 6 BFH v. 5.9.2006 – VI R 38/04, DB 2006, 2554. 7 Ausführlich zur Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes Teil 11, Rz. 1 ff. Oberthür
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Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Voraussetzungen einer beamtenähnlichen Versorgung gehört auch, dass der Arbeitgeber die Versorgung in Erfüllung seiner Fürsorge- und Alimentationspflicht selbst zusagt, unmittelbar selbst gewährt und auch das sich aus der Versorgungszusage ergebende wirtschaftliche Risiko selbst trägt, ohne sich hierbei einer gesonderten Versorgungseinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit zu bedienen. Zusatzversorgungskassen mit Leistungen nach einem Versicherungsprinzip auf der Basis von Beitragsleistungen des Arbeitgebers erfüllen diese Voraussetzungen nicht, auch wenn sie dem Arbeitnehmer im Ergebnis eine der Beamtenversorgung vergleichbare Gesamtversorgung sichern. Denn der öffentliche Arbeitgeber leistet lediglich Zuschüsse oder Umlagen zu dieser Versorgungseinrichtung, solange der Arbeitnehmer aktiv in seinen Diensten steht, ohne jedoch die Versorgungsleistungen im Versorgungsfall selbst zu gewähren1. 28 Generell spricht die Einbeziehung des Arbeitnehmers in die Finanzierung des Versorgungssystems gegen eine beamtenähnliche Versorgung, soweit es sich um nicht nur unbedeutende Beiträge handelt oder das Arbeitsentgelt zum Ausgleich für die von dem Arbeitnehmer zu tragenden Beiträge erhöht wird2. Allerdings kann der Arbeitgeber innerhalb dieses Rahmens die Gewährung einer beamtenrechtlichen Versorgung davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer eine angemessene wirtschaftliche Gegenleistung erbringt3; dabei wird die zulässige Grenze der Arbeitnehmerbeteiligung bei etwa 25 % der Beitragsbelastung gezogen4. d) Gewährleistung und Sicherung der Versorgung 29 Die beamtenähnliche Versorgung muss einerseits rechtsverbindlich zugesagt („gewährleistet“) werden. Andererseits muss die Erfüllung dieser Zusage auch tatsächlich „gesichert“ sein, da nur bei einer entsprechenden Sicherung der Versorgungsanwartschaft dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers Genüge getan ist. 30 Gewährleistet ist der beamtenähnliche Versorgungsstatus, wenn er durch die Einräumung einer Anwartschaft rechtsverbindlich zugesagt ist5; Anwartschaft in diesem Sinne ist die rechtlich begründete Aussicht auf einen später, ggf. nach Zurücklegung einer vorgeschriebenen Dienstzeit wirksam
1 BGH v. 27.10.1993 – XII ZB 69/89, NJW-RR 1994, 194; Maier, in: Münchener Kommentar, BGB, § 1587a Rz. 26 f. 2 BSG v. 20.6.1985 – 11a RA 28/84, SozR 2200 § 1260c Nr. 18: nahezu hälftige Beitragsleistung; BSG v. 28.8.1984 – 11 RA 74/83, SozR 2200 § 1260c Nr. 15. 3 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 254/05, NZA 2006, 684: monatlicher Gehaltsverzicht iHv. 270 DM; LAG Rh.-Pf. v. 20.12.2005 – 2 Sa 809/05, nv.; Nds. OVG v. 12.12.2006 – 5 LC 53/06; bestätigt durch BVerfG v. 6.5.2008 – 2 BvR 1926/07; aA (jedenfalls einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bejahend) noch VG Lüneburg v. 18.1.2006 – 1 A 106/04, nv.; OVG Lüneburg v. 27.11.2001 – 5 LB 1309/01, EZBAT § 4 BAT Nebenabrede Nr. 16. 4 BVerwG v. 13.7.1977 – VI C 96.75, BVerwGE 54, 177, in Anlehnung an die VwV Nr. 2 zu § 160 BBG. 5 Boecken, in: GK-SGB VI, § 5 SGB VI Rz. 75.
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werdenden Anspruch auf die Versorgungsbezüge1. Rechtsgrundlage der Anwartschaft kann eine gesetzliche2 oder quasi-gesetzliche3 Versorgungsregelung sein, bspw. eine kirchen- oder satzungsrechtliche Dienstordnung oder ein ministerieller Runderlass, ebenso aber auch eine individual- oder kollektivrechtliche Zusage4. Versicherungsfreiheit besteht dabei nicht nur für Arbeitnehmer, die einen 31 Anspruch auf die Versorgungsleistung bereits erworben haben, sondern auch für diejenigen, die eine mit entsprechender Versorgung ausgestattete Position eingenommen haben, den gesicherten Anspruch auf die Versorgung jedoch erst nach Ablauf einer bestimmten Wartezeit erwerben5. Ebenso genügt es für die Begründung der Versicherungsfreiheit, wenn der Arbeitnehmer zwar rechtlich noch keine Anwartschaft auf Versorgung erworben hat, wenn aber die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse die Annahme rechtfertigen, dass er in eine Rechtsstellung hineinwachsen wird, die eine Anwartschaft auf Versorgung bietet. Dies ist etwa dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer eine Stelle übertragen wird, die nach bestehenden Verwaltungsgrundsätzen den allgemein üblichen Übergang zu einer Anstellung mit späterer Versorgungsanwartschaft bildet6. Eine ausreichende Sicherung der gewährleisteten Versorgung ist nur dann gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass der Arbeitgeber aktuell und in Zukunft wirtschaftlich in der Lage sein wird, die in Aussicht gestellte Versorgung auch tatsächlich zu gewähren7. Dies wird nach der Gesetzesbegründung bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die mit Rücksicht auf ihren öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich und das Fehlen einer übergeordneten Zwangsgewalt weitgehend insolvenzunfähig sind8, grundsätzlich unterstellt, während bei den privatrechtlich organisierten Verbänden und Arbeitsgemeinschaften im Allgemeinen eine zusätzliche Absicherung durch deren Mitglieder gefordert wird9. Eine Präferenz zugunsten bestimmter Sicherungsmaßnahmen lässt sich dem Gesetz dabei nicht entnehmen; entscheidend ist daher allein, 1 Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 8 SGB VI Rz. 16; BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6. 2 BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9. 3 Boecken, in: GK-SGB VI, § 5 SGB VI Rz. 77. 4 BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6: Tarifvertrag für Postbetriebsärzte. 5 BSG v. 10.2.1972 – 1 RA 143/71, SozR § 1250 RVO Nr. 19; Clausing, DAngVers 1978, 503. 6 BSG v. 10.2.1972 – 1 RA 143/71, SozR Nr. 19 zu § 1250 RVO; Zweng/Scheerer/ Buschmann/Dörr, § 5 SGB VI Rz. 26. 7 Bergner, in: KomGRV § 5 SGB VI Rz. 2.2. 8 Detaillierte Darstellung bei Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur InsO, § 12 Rz. 1 ff. Zur Einführung der Insolvenzfähigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen vgl. § 171b SGB V. 9 Begründung zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 150; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 22; Brackmann, § 5 SGB VI Rz. 36; kritisch zu den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, deren Oberthür
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Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
dass die Sicherung den Schutz der Anwartschaftsberechtigten ausreichend sicherstellt. Dies lässt sich ohne zusätzliche Kosten durch die rechtsverbindliche Einbeziehung der (nicht insolvenzfähigen) öffentlich-rechtlichen Mitglieder in die Versorgungszusage erreichen, durch die die Bildung von Versorgungsrückstellungen, aber auch durch externe Sicherungsmaßnahmen wie etwa den Abschluss einer Rückversicherung bei einem privaten oder öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen. e) Behördliche Feststellung der Gewährleistung 33 Die Gewährleistung einer beamtenähnlichen Versorgung und deren Sicherung durch einen privilegierten Arbeitgeber allein genügt allerdings noch nicht, um die Versicherungsfreiheit der begünstigten Arbeitnehmer zu begründen. Erforderlich ist neben der Erfüllung der materiellen gesetzlichen Voraussetzungen zusätzlich der Erlass einer diesbezüglichen formellen behördlichen Feststellung, der sog. Gewährleistungsentscheidung. Inhalt der Gewährleistungsentscheidung ist die positive Feststellung, dass – und seit welchem Zeitpunkt – die gesetzlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt sind1, dass also eine die Versicherungsfreiheit begründende Versorgung rechtlich gewährt wird und deren tatsächliche Erfüllung gesichert ist. Auch die Begründung und Beibehaltung der Versorgungssicherung unterliegt insoweit der Kontrolle durch die zuständige Behörde2. 34 Die Gewährleistungsentscheidung ist damit ihrem Inhalt nach deklaratorisch, da die Versicherungsfreiheit nicht auf der Gewährleistungsentscheidung, sondern allein auf dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit beruht. Auch eine anwartschaftsbegründende Wirkung besitzt die Gewährleistungsentscheidung nicht3. Die Gewährleistungsentscheidung ist jedoch gleichwohl zwingende Voraussetzung der Versicherungsfreiheit; solange sie nicht getroffen ist, kann die Versicherungsfreiheit für eine Beschäftigung gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht angenommen werden4. Damit ist die Gewährleistungsentscheidung ihrer Wirkung nach konstitutiv5. 35 Die Zuständigkeit für die Gewährleistungsentscheidung liegt gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 SGB VI für Arbeitnehmer des Bundes oder einer der Bundesaufsicht unterstehenden Körperschaft bei dem zuständigen Bundesminis-
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Steueraufkommen staatlich vorgeschrieben werden kann, Boecken, in: GK-SGB VI, § 5 SGB VI Rz. 89 mwN. BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1403 Nr. 6; BSG v. 27.11.1984 – 12 RK 18/82, SozR 2200 § 169 Nr. 11. BSG v. 15.12.1983 – 12 RK 48/81, SozR 2200 § 1229 Nr. 18. BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1404 Nr. 6; BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9. BSG v. 28.8.1984 – 11 RA 74/83, SozR 2200 § 1260c Nr. 15; BSG v. 26.10.1982 – 12 RK 29/81, SozR 2200 § 1229 Br. 16; BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9. BSG v. 27.11.1984 – 12 RK 18/82, SozR 2200 § 169 Nr. 11; BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9.
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ter, in allen übrigen Fällen bei der obersten Verwaltungsbehörde des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Durch diese Konzentration der Zuständigkeit soll eine möglichst sachgerechte und einheitliche Beurteilung sowohl im dienst- wie auch im versicherungsrechtlichen Sinn sichergestellt werden1. Die behördliche Entscheidung ist in rechtstatsächlicher Hinsicht für die Träger der Sozialversicherung verbindlich. Diese sind an das Fehlen oder an die Feststellung der Gewährleistungsentscheidung gebunden; sie entscheiden lediglich über die hieraus resultierenden sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen2.
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Die Gewährleistungsentscheidung kann individuell oder generell für eine 37 Vielzahl gleichartiger Beschäftigungsverhältnisse durch Verwaltungsakt getroffen werden3; dabei gilt gem. § 1 SGB X das Verfahrensrecht der Sozialverwaltung4. Sofern sich die Entscheidung jedoch auf eine größere Gruppe von Arbeitnehmern bezieht, die nur nach generellen Merkmalen bestimmbar ist, kommt ein Verwaltungsakt nicht in Betracht; in diesem Fall kann die Gewährleistungsentscheidung durch ministeriellen Erlass, durch Rechtsverordnung oder Gesetz getroffen werden5. Nach der Rechtsnatur der Gewährleistungsentscheidung bestimmt sich 38 auch das für die gerichtliche Überprüfung richtige Verfahren. Rechtsverordnungen und Gesetze sind für den betroffenen Arbeitnehmer allenfalls im Wege der Verfassungsbeschwerde anfechtbar; erfolgt die Gewährleistungsentscheidung demgegenüber durch Verwaltungsakt, so steht den Beteiligten der Rechtsweg unmittelbar offen, wobei allerdings die Frage, welches Gericht für die Überprüfung der Gewährleistungsentscheidung zuständig ist, streitig beurteilt wird. Während zum Teil angenommen wird, dass aufgrund der unmittelbaren sozialversicherungsrechtlichen Auswirkung der Gewährleistungsentscheidung für deren Überprüfung gem. § 51 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig seien6, bestimmt sich nach herrschender Meinung die Zuständigkeit nach dem zwischen dem Beschäftigten und seinem Dienstherrn bestehenden Rechtsverhältnis7. Für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ist damit die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig.
1 BSG v. 11.9.1980 – 1 RA 81/79, SozR 2200 § 1403 Nr. 2. 2 BSG v. 17.12.1996 – 12 RK 2/96; BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1403 Nr. 6; BSG v. 26.10.1982 – 12 RK 29/81, SozR 2200 § 1229 Nr. 16. 3 BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9. 4 LSG Berlin v. 23.5.2003 – L 1 AR 1/02, nv. 5 BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1403 Nr. 6; BSG v. 15.12.1983 – 12 RK 48/81, SozR 2200 § 1229 Nr. 18. 6 Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, § 5 SGB VI Rz. 31. 7 BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 27; Bergner, in: KomGRV, § 5 SGB VI Rz. 9. Oberthür
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Rz. 39
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f) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit 39 Die Versicherungsfreiheit tritt gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 SGB VI zu Beginn desjenigen Monates ein, in dem die beamtenähnliche Versorgung rechtlich zugesichert wird. Diese (erst mit Wirkung vom 17.4.2002 eingeführte1) Regelung verhindert entgegen der früheren Rechtslage2 die rückwirkende Gewährleistung von Versorgungsanwartschaften. Damit sollen einerseits Auslegungsprobleme beseitigt werden, die im Zusammenhang mit der rückwirkenden Gewährleistung beamtenähnlicher Versorgung aufgetreten sind. Vor allem aber soll verhindert werden, dass durch die rückwirkende Gewährleistung der gesetzlichen Rentenversicherung für Zeiträume, in denen diese das Versorgungsrisiko bei Erwerbsminderung und Tod objektiv getragen hat, zu Lasten der Versichertengemeinschaft Beiträge nachträglich entzogen werden3. Die Erstreckung der Versorgungsanwartschaft auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist daher zwar grundsätzlich möglich4; sie vermag die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch nicht rückwirkend zu beseitigen5. 40 Davon zu unterscheiden ist eine etwaige Rückwirkung der behördlichen Gewährleistungsentscheidung auf den Zeitpunkt, zu dem die Anwartschaft tatsächlich zugesichert wurde. Denn von dem Zeitpunkt der tatsächlichen Verleihung der Anwartschaft war die Absicherung durch den Dienstherrn bereits gewährleistet, so dass für diesen Zeitraum ein durch die Sozialversicherung abzudeckendes Risiko objektiv nicht mehr bestanden hat6. Da mit der Gewährleistungsentscheidung auch der Zeitpunkt festgestellt werden muss, ab dem die gesetzlichen Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit erfüllt waren, kann diese im Zeitpunkt der Entscheidung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Gewährleistung der Versorgung zurückwirken. 41 Die Versicherungsfreiheit endet – mit Wirkung für die Zukunft – mit dem Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen oder mit der Aufhebung der Gewährleistungsentscheidung. Die rückwirkende Aufhebung der Gewährleistungsentscheidung ist zwar möglich, da eine § 5 Abs. 1 Satz 3 SGB VI entsprechende Regelung für die Beendigung der Versicherungsfreiheit nicht
1 § 5 Abs. 1 Satz 3 SGB VI ist aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes vom 11.4.2002 (BGBl. I, 1302) mit Wirkung vom 17.4.2002 in Kraft getreten. 2 BSG v. 15.12.1983 – 12 RK 48/81, SozR 2200 § 1229 Nr. 18; BSG v. 2.11.1983 – 11 RA 64/82, SozR 2200 § 1232 Nr. 16; Übergangsregelung für Altfälle in § 230 Abs. 5 SGB VI. 3 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Gesetzentwurf zur Änderung des BVG) v. 30.1.2002, BT-Drucks. 14/8133, S. 4; Jahn/Klose/ Jansen, § 5 SGB VI Rz. 3. 4 BSG v. 2.11.1983 – 11 RA 64/82, SozR 2200 § 1232 Nr. 16; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 26. 5 VG Berlin v. 26.5.2004 – 5 A 141.02, nv.; VG Berlin v. 19.3.2003 – VG 7 A 30.03, nv.; aA noch Brackmann, § 5 SGB VI Rz. 44. 6 BSG v. 27.11.1984 – 12 RK 18/82, SozR 2200 § 169 Nr. 11 zu § 169 AFG.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 43 Teil 10
besteht1, beseitigt aber nicht die Versicherungsfreiheit für zurückliegende Zeiträume. Es bleibt daher für die Vergangenheit bei der Versicherungsfreiheit, der Beschäftigte ist jedoch aufgrund des Wegfalls der beamtenähnlichen Versorgung ggf. in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern (Rz. 48 ff.)2. g) Reichweite der Versicherungsfreiheit Ebenso wie die Frage der grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht 42 sind die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentneversicherung für jedes Beschäftigungsverhältnis eigenständig zu prüfen3. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beschäftigungsverhältnisse bei verschiedenen Arbeitgebern bestehen; übt demgegenüber der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Beschäftigungen aus, so ist unabhängig von der individuellen arbeitsvertraglichen Ausgestaltung der sozialversicherungsrechtliche Status einheitlich festzustellen, wenn es sich um gleichartige Tätigkeiten handelt4. Die Versicherungsfreiheit gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ist damit grundsätzlich beschränkt auf die diesen Status vermittelnde Beschäftigung. Die Anwartschaft einer beamtenähnlichen Versorgung begründet die Versicherungsfreiheit beschäftigungsbezogen nur für die Beschäftigung bei dem privilegierten Arbeitgeber, nicht aber für die gesamte berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers unter Einbeziehung weiterer Beschäftigungsverhältnisse5. Übt der im öffentlichen Dienst beschäftigte Arbeitnehmer daher neben der 43 versicherungsfreien eine weitere Beschäftigung oder eine Nebentätigkeit aus, so ist für diese das Vorliegen der Versicherungspflicht eigenständig zu ermitteln. Dies gilt auch bei der Abordnung zu einem nicht privilegierten Arbeitgeber unter Aufrechterhaltung des versicherungsfreien Arbeitsverhältnisses6. Handelt es sich ausweislich der geltenden gesetzlichen Bestimmungen bei der Tätigkeit für den weiteren Arbeitgeber um eine versicherungspflichtige Beschäftigung, so unterliegt diese auch dann der Sozialversicherungspflicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der bereits bestehenden Versorgungszusage aus der zusätzlichen Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung keine Vorteile ableiten kann. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass die Versicherungspflicht unabhängig von einer etwaigen individuellen Schutzwürdigkeit anhand typisierender Merkmale begründet wird; durch die Einbeziehung in die Sozialversiche1 Jahn/Klose/Jansen, § 5 SGB VI Rz. 3. 2 BSG v. 26.10.1965 – 11/1 RA 98/63, SozR Nr. 7 zu § 73 G 131; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 26; aA Jahn/Klose/Jansen, § 5 SGB VI Rz. 3: rückwirkender Eintritt der Versicherungspflicht. 3 Seewald, in: Kasseler Kommentar, § 2 SGB IV Rz. 6 sowie § 7 SGB IV Rz. 83. 4 BSG v. 16.2.1983 – 12 RK 26/81, SozR 2200 § 168 Nr. 7; Jahn/Klose/Jansen, § 5 SGB VI Rz. 2. 5 Thür. LSG v. 30.8.2005 – L 6 KR 718/03, nv.; BSG v. 10.9.1975 – 3/12 RK 6/74, SozR 2200 § 169 Nr. 1; BSG v. 11.3.1970 – 3 RK 40/67, BSGE 31, 66; Plagemann, in: Münchener Anwaltshandbuch SozR, § 5 Rz. 84. 6 Brackmann, § 5 SGB VI Rz. 30. Oberthür
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Rz. 44
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
rungspflicht soll auch verhindert werden, dass versicherungsfreie Arbeitnehmer wegen des versicherungsfreien Status gegenüber anderen Arbeitnehmern einen nicht zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt haben1. Nur ausnahmsweise profitieren Nebenbeschäftigungen von der befreienden Gewährleistung, wenn sich diese von der die Versicherungsfreiheit begründenden Hauptbeschäftigung nicht abgrenzen lassen; in diesem Fall ist auch die Nebenbeschäftigung versicherungsfrei2. Dies ist jedoch bei einer Beschäftigung, die eine versicherungsfreie Person zur Schadensminderung nach einer unwirksamen Kündigung des versicherungsfreien Dienstverhältnisses aufgenommen hat, nicht der Fall3. 44 Ungeachtet dieser grundsätzlich beschäftigungsbezogenen Betrachtung ist allerdings die Erstreckung der Gewährleistung einer beamtenähnlichen Versorgung durch den privilegierten Arbeitgeber auf andere Beschäftigungen möglich und zulässig. Die Gewährleistungserstreckung erfolgt in der Regel durch die Ausdehnung einer bereits bestehenden Gewährleistung auf ein oder mehrere weitere Beschäftigungsverhältnisse, wobei es insoweit keine Rolle spielt, ob die weitere Beschäftigung bei einem öffentlichen oder privaten Arbeitgeber ausgeübt wird4. Die Gewährleistungserstreckung kann sich auch auf eine Nebenbeschäftigung, auf eine Abordnung zur Ausbildung oder Beschäftigung oder auf die während einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge ausgeübte anderweitige Beschäftigung beziehen, solange nur das Arbeitsverhältnis mit dem privilegierten Arbeitgeber rechtlich weiter besteht5. 45 Ist der Arbeitnehmer in seiner weiteren Beschäftigung bei einem privilegierten Arbeitgeber tätig, so kann dieser selbstverständlich auch mittels einer auf die bei ihm ausgeübte Beschäftigung bezogenen eigenständigen Gewährleistung die Versicherungsfreiheit für diese Beschäftigung herstellen. h) Versicherungsfreiheit von Rentnern und Hinterbliebenen 46 Versicherungsfrei beschäftigte Arbeitnehmer behalten ihren Status auch nach dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung, soweit sie nach dem Erreichen einer Altersgrenze beamtenähnliche Versorgungsleistungen tatsächlich beziehen, § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI. Diese Versicherungsfreiheit gilt absolut; Ruhestandsbeamte und vergleichbare Arbeitnehmer sind daher im Alter auch in einer anderweitig ausgeübten Beschäftigung versicherungsfrei. Voraussetzung ist allerdings, dass die Versorgungsleis1 BSG v. 23.9.1980 – 12 RK 41/79, SozR 2200 § 1229 Nr. 12; BSG v. 14.9.1978 – 12 RK 57/76, SozR 2200 § 169 Nr. 6. 2 BSG v. 31.5.1978, 12 RK 48/76, SozR 2200 § 1229 Nr. 7, zur Ausbildung eines Rechtsreferendars im Rahmen des Vorbereitungsdienstes. 3 Thür. LSG v. 30.8.2005 – L 6 KR 718/03, nv. 4 Bergner, in: KomGRV § 5 SGB VI Rz. 2.5; Kreikebohm/Grintsch, § 5 SGB VI Rz. 13. 5 BSG v. 14.9.1978 – 12 RK 57/76, SozR 2200 § 169 Nr. 6; BSG v. 23.11.1973 – 12 RK 22/72, DAngVers 1874, 139; Reinhardt, in: LPK-SGB VI, § 5 Rz. 7; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 18.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 49 Teil 10
tungen altersabhängig gewährt werden, wobei es nicht auf das Erreichen der Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ankommt, sondern allein auf die nach dem geltenden Versorgungssystem jeweils maßgebliche Altersgrenze. Beruht der Bezug der Versorgungsleistungen demgegenüber auf anderen Gründen als dem Erreichen einer Altersgrenze, tritt die absolute Versicherungsfreiheit auch dann nicht ein, wenn die Höhe der Versorgungsleistungen der üblichen Altersversorgung entspricht1. Auf den rentenversicherungsrechtlichen Status von Familienangehörigen und Hinterbliebenen hat die Versicherungsfreiheit des beamtenähnlich versorgten Arbeitnehmers in der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Einfluss. Dieser ist vielmehr ausschließlich nach dem eigenen sozialversicherungsrechtlichen Status des Angehörigen zu bestimmen.
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2. Nachversicherung bei Beendigung der Versicherungsfreiheit Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die aufgrund der Gewährung ei- 48 ner beamtenähnlichen Versorgung in ihrer Beschäftigung versicherungsfrei gewesen sind, werden gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, wenn sie ohne Anspruch auf Anwartschaft oder Versorgung („unversorgt“) aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben. Die Nachversicherung soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer, die im Hinblick auf eine frühere Versorgungszusage versicherungsfrei gewesen sind, vor einer mit dem Wegfall dieser Versorgung nicht mehr zu rechtfertigenden Benachteiligung gegenüber den Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung geschützt sind. Die Arbeitnehmer haben nämlich während der Zeit ihrer versicherungsfreien Beschäftigung eine kraft Gesetzes an sich rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und hätten als Mitglieder eines Rentenversicherungsträgers den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, wenn sie nicht durch die Einbeziehung in ein anderes, dem Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung im Wesentlichen gleichwertiges Versorgungssystem versicherungsfrei gestellt worden wären. Sie hätten, gäbe es das Institut der Nachversicherung nicht, ab dem Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung aus dieser jedoch keine Rechte, Ansprüche oder Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erlangt. Als Ersatz für die weggefallene Versorgung sollen daher die Arbeitnehmer durch die Nachversicherung ihre soziale Sicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung erhalten, indem sie nachträglich so gestellt werden, als wären sie die gesamte Zeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Durch die Nachversicherung wird damit der Zustand wiederhergestellt, der ohne die
1 BSG v. 17.6.1999 – B 12 KR 18/98 R, SozR 3-2600 § 5 Nr. 6; BSG v. 22.2.1996 – 12 RK 3/95, SozR 3-2600 § 5 Nr. 5. Oberthür
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Teil 10
Rz. 50
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI von Anfang an bestanden hätte1. 50 Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen einer Nachversicherung vor, ist diese zwingend durchzuführen; ein mit dem Arbeitnehmer vereinbarter vertraglicher Ausschluss der Nachversicherung für den Fall des unversorgten Ausscheidens verstößt gegen § 8 Abs. 2 SGB VI und ist damit gem. § 134 BGB nichtig2. a) Eintritt des Nachversicherungsfalls 51 Der Nachversicherungsfall tritt gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ein, wenn ein ehemals versicherungsfreier Arbeitnehmer – unversorgt aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis ausscheidet oder – seinen Versorgungsanspruch verliert. 52 Arbeitnehmer, die vor dem 0.1.1992 aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben, werden aufgrund der Übergangsregelung des § 233 Abs. 1 Satz 1 SGB VI weiterhin nach den bisherigen Vorschriften nachversichert. Die Frage, ob zum Zeitpunkt des Ausscheidens ein Nachversicherungsfall eingetreten ist, beurteilt sich mithin für diese Arbeitnehmer nicht nach den §§ 8, 181 ff. SGB VI, sondern nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Tätigkeit galt3. aa) Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung 53 Nach seinem Wortsinn erfasst das Ausscheiden aus der Beschäftigung zunächst jede rechtliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Dies gilt auch, wenn es sich um eine nur kurzfristige Unterbrechung handelt4. Der Nachversicherungsfall tritt selbst dann ein, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an die rechtliche Beendigung einer versicherungsfreien Beschäftigung eine neue versicherungsfreie Beschäftigung aufnimmt; der erneute Eintritt in eine privilegierte Beschäftigung bewirkt lediglich einen Aufschub der Entrichtung der Nachversicherungsbeiträge (Rz. 67 ff.), lässt aber die Tatsache, dass der Arbeitnehmer aus seinem ersten versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden und be1 BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6; zur Nachversicherung in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gem. § 186 SGB VI vgl. BSG v. 1.9.1888 – 4 RA 18/88, SozR 2400 § 124 Nr. 6. 2 LSG Berlin v. 23.5.2003 – L 1 AR 1/02, nv. 3 BSG v. 23.3.1999 – B 4 RA 50/98 R, SozR 3-2940 § 9 Nr. 1; BSG v. 14.9.1995 – 4 RA 118/94, SozR 3-2200 § 1232 Nr. 5; BSG v. 30.9.1993 – 4 RA 41/92, nv.; BSG v. 31.3.1992 – 4 RA 25/91, SozR 3-2200 § 1232 Nr. 3; BSG v. 16.12.1987 – 11a RA 20/86, SozR 2200 § 1232 Nr. 25. 4 BSG v. 11.9.1980 – 1 RA 81/79, SozR 2200 § 1403 Nr. 2: Unterbrechung von weniger als einem Monat.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 55 Teil 10
züglich dieses Beschäftigungsverhältnisses der Nachversicherungsfall grundsätzlich eingetreten ist, unberührt1. Da es für den Eintritt des Nachversicherungsfalls überdies nicht auf das 54 Ausscheiden aus der Beschäftigung an sich, sondern auf das Ausscheiden aus der sozialversicherungsfreien Beschäftigung ankommt, kann der Nachversicherungsfall auch bei rechtlich fortbestehender Beschäftigung eintreten. Entscheidend ist, wann das Ende der Versicherungsfreiheit eintritt. Bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis endet die versicherungsfreie Beschäftigung in dem Zeitpunkt, in dem die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht (wieder) vorliegen. Wandelt sich daher ein bislang versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis in ein versicherungspflichtiges um, so tritt auch bei ununterbrochener Fortdauer des Arbeitsverhältnisses der Nachversicherungsfall ein2. Dementsprechend beseitigt bspw. eine Änderung der Unternehmensstruktur, mit der ein (bislang privilegierter) öffentlicher Arbeitgeber zu einem von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nicht erfassten privaten Arbeitgeber wird („Privatisierung“), einerseits die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit für die Zukunft; andererseits tritt ungeachtet des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses und der Aufrechterhaltung der bisherigen Versorgungszusage für die Vergangenheit der Nachversicherungsfall ein3. Gleiches gilt, wenn die Gewährleistungsentscheidung (Rz. 33 ff.) nachträglich aufgehoben wird oder sonst eine Voraussetzung der Versicherungsfreiheit nachträglich entfällt. Ein Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung liegt auch 55 beim Tod des Arbeitnehmers vor, sofern dieser während der aktiven Beschäftigung und nicht erst im späteren Ruhestand eintritt4; in diesem Fall erfolgt die Nachversicherung gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB VI jedoch nur dann, wenn ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltend gemacht werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Hinterbliebener vorhanden ist und die gesetzlichen Anforderungen an eine Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. §§ 46 ff. SGB VI, insbesondere die jeweiligen Wartezeiten erfüllt sind5.
1 BSG v. 20.12.2001 – B 4 RA 38/01 R, SozR 3-2600 § 181 Nr. 1; BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4; BSG v. 21.6.1989 – 1 RA 75/87, SozR § 1402 Nr. 9; aA Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 14, 18, der bei einer nur unerheblichen Unterbrechung unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung wegen des Vorliegens eines Aufschubgrundes bereits den Eintritt des Nachversicherungsfalls verneint. 2 BGH v. 27.4.1988 – IVa ZR 10/87, VersR 1988, 702; BSG v. 18.1.1962 – 1 RA 12/60 – SozR Nr. 2 zu § 1402 RVO; BSG v. 21.6.1989 – 1 RA 75/87, SozR 2200 § 1402 Nr. 9; BSG v. 22.11.1974 – 1 RA 31/74, SozR 2200 § 1232 Nr. 1. 3 BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6 zur Privatisierung der Deutschen Bundespost. 4 BSG v. 30.7.2008 – B 5a/5 R 30/07 R, nv.; LSG Berlin-Brandenburg v. 30.3.2007 – L 1 R 188/05, nv. 5 Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 17. Oberthür
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Teil 10
Rz. 56
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
bb) „Unversorgtes“ Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung 56 Das Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung ist unversorgt im Sinne des Gesetzes, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ausscheidens keine Versorgungsleistungen bezieht und auch keine Anwartschaft für den späteren Versorgungsfall besitzt, wobei der Begriff der Versorgung auch die Versorgung etwaiger Hinterbliebener erfasst1. Nach der Gesetzesbegründung ist es auch unerheblich, ob die mangelnde Versorgung auf dem Wegfall des rechtlichen Anspruchs beruht oder darauf, dass der rechtlich fortbestehende Anspruch tatsächlich nicht erfüllt wird2. 57 Entscheidend ist, dass die ursprünglich gewährte Versorgung nicht in dem Umfang verwirklicht wird, wie dies zur Aufrechterhaltung der Versicherungsfreiheit erforderlich wäre. Wird die ursprüngliche Anwartschaft bei einem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung aufgrund berücksichtigungsfähiger „Nachdienstzeiten“ erhöht, liegt kein unversorgtes Ausscheiden vor, da die bisherige Versorgung durch den privilegierten Arbeitgeber aufrechterhalten bleibt3. Demgegenüber steht es aufgrund des reduzierten Versorgungsumfangs der Annahme eines unversorgten Ausscheidens nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer möglicherweise nach den Bestimmungen des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) einen unverfallbaren Anspruch auf die Versorgungsanwartschaft erlangt hat. Die Regelungen des BetrAVG haben keine Auswirkung auf die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen zum Eintritt eines Nachversicherungsfalls. Eine etwaige Nachversicherungspflicht in die Zusatzversorgungseinrichtung des Arbeitgebers gem. § 18 BetrAVG berührt daher die Nachversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht, sondern ist ggf. selbständig neben dieser durchzuführen4. cc) Verlust der Versorgungsanwartschaft 58 Der Nachversicherungsfall tritt schließlich auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer die bisherige Zusage lebenslanger Versorgung verliert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis fortbesteht oder bereits beendet wurde. Auch der zunächst unter Beibehaltung der Versorgungsanwartschaft ausgeschiedene Arbeitnehmer, der die Anwartschaft erst zu einem späteren Zeitpunkt verliert, ist ab diesem Zeitpunkt nachzuversichern5. 1 Begründung zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 152. 2 Begründung zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 152; Beckmann, Mitt. LVA OMFr 1990, 408. 3 BSG v. 23.9.2003 – B 4 RA 9/03 R, SozR 4-2600 § 8 Nr. 1. Anders aber, wenn die unveränderte Versorgungszusage bei einem neuen Arbeitgeber die Versicherungsfreiheit nicht mehr begründen kann, BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 58/98 R, SozR 3-2600 § 8 Nr. 6. 4 BSG v. 20.12.2001 – B 4 RA 38/01 R, SozR 3-2600 § 181 Nr. 1; BSG v. 11.9.1980 – 1 RA 81/79, SozR 2200 § 1403 Nr. 2; BGH v. 27.4.1988 – IVa ZR 10/87, VersR 1988, 702. 5 Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 17.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 63 Teil 10
b) Nachzuversichernde Beschäftigungszeiten Da durch die Nachversicherung lediglich die auf der beamtenähnlichen Versorgung beruhende Versicherungsfreiheit kompensiert werden soll, sind im Falle des unversorgten Ausscheidens lediglich diejenigen Zeiten nachzuversichern, die ohne die Versicherungsfreiheit gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterfallen wären (sog. „Nachversicherungszeitraum“)1.
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Damit scheidet eine Nachversicherung für unentgeltlich geleistete Ausbil- 60 dungszeiten aus, auch wenn in dieser Zeit eine Anwartschaft auf beamtenähnliche Versorgung bestanden hat2. Nur wenn eine innerbetriebliche Ausbildung gegen Entgelt erfolgt ist, innerhalb derer der Auszubildende wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert war und die Ausbildung überwiegend durch praktische Unterweisung im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs sowie anhand der jeweils anfallenden praktischen Arbeitsaufgabe stattgefunden hat, liegt eine die spätere Nachversicherung rechtfertigende Beschäftigung iSd. § 7 Abs. 2 SGB IV iVm. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vor3. Beschäftigungszeiten, die das deutsche Rentenversicherungsrecht bereits 61 dem Grunde nach nicht erfasst, bspw. Beschäftigungszeiten im Ausland, die nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterfallen4, werden von der Nachversicherung ebenfalls nicht umfasst5. c) Durchführung und Wirkung der Nachversicherung Durch den Eintritt des Nachversicherungsfalls entsteht ein dreiseitiges Nachversicherungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer und dem Träger der Rentenversicherung.
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Die Hauptpflicht des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem nachversicherten Arbeitnehmer besteht darin, diesen unmittelbar nach dem unversorgten Ausscheiden zukunftsgerichtet so zu behandeln, als ob er während des Nachversicherungszeitraums versicherungspflichtig beschäftigt gewesen wäre, § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Die Nachversicherung erfolgt von Amts wegen, ein Antrag des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich6.
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1 BSG v. 30.9.1993 – 4 RA 41/92, nv.; BSG v. 16.12.1987 – 11a RA 20, 86, SozR 2200 § 1232 Nr. 25; BSG 30.6.1983 – 11 RA 57/82, SozR 2200 § 1232 Nr. 15; BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9. 2 BSG v. 23.3.1999 – B 4 RA 50/98 R, SozR 3-2940 § 9 Nr. 1, zu § 9 AVG: Maschinenaspirant der Deutschen Bundespost. 3 BSG v. 10.3.1994 – 7 RAr 38/93 – SozR 3-4100 § 104 Nr. 11; BSG v. 6.10.1988 – 1 RA 53/87, SozR 2200 § 1232 Nr. 26. 4 Zur Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrechts auf eine Beschäftigung im Ausland vgl. § 4 Abs. 1 SGB IV. 5 BSG v. 5.11.1980 – 11 RA 118/79, SozR 2200 § 1232 Nr. 9. 6 LSG Sachsen-Anhalt v. 14.11.2007 – L 3 RJ 191/04, nv. Oberthür
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Teil 10
Rz. 64
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
64 Hauptpflicht des Arbeitgebers, bei dem die versicherungsfreie Beschäftigung ausgeübt wurde, ist es, die Nachversicherungsbeiträge für die Dauer der versicherungsfreien Beschäftigung zu tragen und gem. §§ 40 Abs. 1, 41 SGB I unmittelbar an den Rentenversicherungsträger zu zahlen. Die Beiträge trägt der Arbeitgeber allein, § 181 Abs. 5 SGB VI. Für die Rechtsstellung des Arbeitnehmers als nachversichertes Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es jedoch nicht darauf an, dass die nachzuentrichtenden Beiträge von dem Arbeitgeber auch tatsächlich gezahlt werden; es ist vielmehr Sache des Rentenversicherungsträgers, die Beitragsansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen1. 65 Demgegenüber treffen den unversorgt ausgeschiedenen Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Rentenversicherungsträger keine Hauptpflichten, weil er bereits kraft Gesetzes nachversichert ist. Der Arbeitnehmer hat vielmehr gegen den Arbeitgeber Anspruch auf Erteilung einer Nachversicherungsbescheinigung gem. § 185 Abs 3 SGB VI und gegen den Rentenversicherungsträger einen Anspruch auf Vormerkung der Zeit seiner nachversicherten Beschäftigung als nachversicherte Beitragszeit2. 66 Durch die Nachversicherung wird zwar die ursprünglich versicherungsfreie nicht nachträglich in eine versicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt3. Nachversicherte Arbeitnehmer stehen jedoch gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Arbeitnehmern gleich, die versicherungspflichtig sind, so dass es auf die Unterscheidung faktisch nicht ankommt. Dementsprechend gelten die Nachversicherungsbeiträge als rechtzeitig geleistete Pflichtbeiträge, § 185 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Der Arbeitnehmer wird daher so gestellt, als sei er während der privilegierten Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung4 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. d) Aufschub der Beitragszahlung 67 Der Grundsatz, dass bei Eintritt eines Nachversicherungsfalls die Nachversicherung des Arbeitnehmers mit sofortiger Wirkung durchzuführen ist, gilt nicht ausnahmslos. Er wird vielmehr in denjenigen Fällen modifiziert, in denen die tatsächlichen Umstände eine zeitliche Verzögerung der Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung rechtfertigen.
1 BSG v. 9.11.1999 – B 4 RA 3/99 R, RegNr. 24550; BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4 mwN; aA Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 8 SGB VI Rz. 4. 2 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4 mwN. 3 BSG v. 14.5.1985 – 4a RJ 21/84, SozR 1300 § 104 Nr. 6; BSG v. 27.9.1967 – 11 RA 22/66, SozR Nr. 2 zu § 1234 RVO; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 8 SGB VI Rz. 4. 4 Dies gilt nicht für andere Zweige der Sozialversicherung: BSG v. 5.7.2006 – B 12 KR 15/05 R, SozR 4-2500 § 5 Nr. 4, zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Nachversicherung.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 70 Teil 10
Diese Umstände sind in den sog. Aufschubgründen des § 184 Abs 2 Satz 1 68 SGB VI näher definiert. Demnach ist die Nachentrichtung der Beiträge für den Nachversicherungszeitraum aufgeschoben, wenn – die versicherungsfreie Beschäftigung nach einer Unterbrechung, die infolge ihrer Eigenart oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung im Voraus zeitlich begrenzt ist, voraussichtlich wieder aufgenommen wird (Nr. 1); – eine andere Beschäftigung sofort oder voraussichtlich innerhalb von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aufgenommen wird, in der wegen Gewährung einer beamtenähnlichen Versorgung Versicherungsfreiheit besteht oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt, sofern der Nachversicherungszeitraum bei der Versorgungsanwartschaft aus der anderen Beschäftigung berücksichtigt wird (Nr. 2); oder – eine widerrufliche Versorgung gezahlt wird, die der aus einer Nachversicherung erwachsenden Rentenanwartschaft mindestens gleichwertig ist (Nr. 3). aa) Die Aufschubgründe im Einzelnen Die voraussichtliche Wiederaufnahme der bisherigen versicherungsfreien 69 Beschäftigung setzt voraus, dass die Unterbrechung der Beschäftigung entweder infolge ihrer Eigenart oder aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zeitlich begrenzt ist. Eine solche Erwartung liegt typischerweise bei einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge vor1. Wird das der versicherungsfreien Beschäftigung zugrunde liegende Arbeitsverhältnis jedoch auch rechtlich beendet, so setzt eine nur vorübergehende Unterbrechung zumindest einen objektivierten Rückkehrwillen auf der Seite des Arbeitnehmers und auf der Seite des Arbeitgebers die gleichermaßen objektivierte Absicht voraus, das Arbeitsverhältnis später fortzusetzen. Dies kann nicht angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer die Beschäftigung aufgibt, um ein Studium zu absolvieren, wenn die Absicht, danach wieder in die Dienste des Arbeitgebers zu treten, rein subjektiv begründet ist2. Nach Auffassung des BSG sollen bloße Absichtserklärungen generell nicht ausreichen; Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich vielmehr bereits im Zeitpunkt des Ausscheidens rechtsverbindlich über die Fortsetzung der versicherungsfreien Beschäftigung verständigt haben3. Darüber hinaus kann von einer zeitlichen Begrenzung, d.h. einer nur vorübergehenden Unterbrechung dann nicht mehr gesprochen werden, wenn diese voraussichtlich einen Zeitraum von zwei Jahren erheblich überschreitet4. Die (voraussichtliche) Aufnahme einer anderen versicherungsfreien Be- 70 schäftigung begründet einen Aufschub, wenn der Wechsel in eine wiederum versicherungsfreie Beschäftigung entweder sofort oder doch zumindest 1 BSG v. 14.2.1973 – 1 RA 121/72, SozR Nr. 10 zu § 1402 RVO. 2 BSG v. 11.9.1980 – 1 RA 81/79, SozR 2200 § 1403 Nr. 2. 3 BSG v. 27.4.1982 – 1 RA 33/81, SozR 2200 § 1403 Nr. 4; BSG v. 30.6.1983 – 11 RA 43/82, SozR 5750 Art. 2 § 3 Nr. 5. 4 BSG v. 11.9.1980 – 1 RA 81/79, SozR 2200 § 1403 Nr. 2. Oberthür
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Rz. 71
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
innerhalb einer angemessenen Übergangszeit zu erwarten ist. Bei der sofortigen Aufnahme einer anderweitigen Beschäftigung muss der Übergang unmittelbar und nahtlos ohne zeitliche Unterbrechung erfolgen1. Liegt eine zeitliche Lücke zwischen den beiden Beschäftigungen, kommt ein Aufschub nur dann in Betracht, wenn im Zeitpunkt des unversorgten Ausscheidens eine hinreichend sichere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Jahren2 erneut eine Beschäftigung aufnehmen wird, in der er – unter Einbeziehung der bisherigen Nachversicherungszeiträume – wiederum außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert sein wird. Dabei müssen die Gründe, welche die Aufnahme der Beschäftigung innerhalb des Schwebezeitraumes nahe legen – die Absicht des Arbeitnehmers, eine entsprechende Beschäftigung aufzunehmen, und die begründete Annahme, dass dies gelingen wird –, auf objektiven Tatsachen beruhen und so stark überwiegen, dass keine erheblichen praktischen Zweifel daran verbleiben3. Lediglich vage Vermutungen über die Beschäftigungsentwicklung reichen zur Begründung eines Aufschubes daher nicht aus. 71 Schließlich wird die Beitragszahlung aufgeschoben, wenn dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer eine anderweitige Versorgung gewährt wird, auch wenn diese widerruflich ist. Dabei ist erforderlich, dass die Versorgung der aus einer Nachversicherung erwachsenden Rentenanwartschaft zumindest gleichwertig ist4. bb) Zeitpunkt der Beurteilung 72 Die Aufschubgründe müssen im Zeitpunkt des Nachversicherungsfalls vorliegen. Insoweit ist in den Fällen des Wiedereintritts in eine versicherungsfreie Beschäftigung eine vorausschauende Prognoseentscheidung des Arbeitgebers alsbald nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers darüber erforderlich, ob tatsächliche Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Arbeitnehmer in absehbarer Zeit wieder in seiner bisherigen oder einer anderen versicherungsfreien Tätigkeit mit gewährleisteter Versorgung beschäftigt sein wird5. 73 Ob ein Aufschubgrund vorliegt, ist allein unter Berücksichtigung der Erkenntnisse bei Eintritt des Nachversicherungsfalls zu beurteilen. Nachträgliche Entwicklungen, die nicht prognostizierbar gewesen sind, werden 1 BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1403 Nr. 6. 2 Auch eine auch nur kurzfristige Überschreitung der Frist ist schädlich, vgl. BSG v. 27.4.1982 – 1 RA 25/81, SozR 2200 § 1403 Nr. 3, zur Jahresfrist des § 125 Abs. 1 AVG und zu deren Berechnung. 3 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4; BSG v. 20.4.1972 – 1 RA 233/70, BSGE 34, 136; Begründung zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 187 f. 4 Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 184 SGB VI Rz. 13; Begründung zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 188. 5 BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1404 Nr. 6; BSG v. 14.2.1973 – 1 RA 241/72, SozR 2200 § 1403 Nr. 4.
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II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 76 Teil 10
bei der Entscheidung über den Aufschub nicht berücksichtigt1. Die in Ermangelung eines Aufschubgrundes in die gesetzliche Rentenversicherung nachzuentrichtenden Beiträge bleiben deshalb auch dann rechtmäßig, wenn der Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt wider Erwarten erneut eine versicherungsfreie Beschäftigung aufnimmt. cc) Formelle Voraussetzungen des Beitragsaufschubs Ein Aufschub der Beitragsentrichtung tritt nur dann ein, wenn ein Aufschubgrund tatsächlich vorliegt und der Arbeitgeber hierüber gem. § 184 Abs. 3 SGB VI eine entsprechende Entscheidung, die sog. Aufschubentscheidung getroffen hat. Mit der Aufschubentscheidung entscheidet der Arbeitgeber in tatsächlicher Hinsicht darüber, ob mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers Nachversicherungsbeiträge gezahlt werden sollen2.
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Die Bindungswirkung der Aufschubentscheidung beschränkt sich jedoch 75 auf den arbeitsrechtlichen Bereich3. Inhalt der Aufschubentscheidung ist lediglich die Mitteilung, dass und weshalb der Arbeitgeber glaubt, Nachversicherungsbeiträge an den Rentenversicherungsträger (noch) nicht zahlen zu müssen. Über die sozialversicherungsrechtliche Frage, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen für einen Aufschub der Beitragsnachentrichtung tatsächlich gegeben sind, entscheidet allein der Rentenversicherungsträger mit verbindlicher Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber wie auch dem Arbeitnehmer4. Allerdings hat die Aufschubentscheidung insoweit konstitutive Wirkung, als der Aufschub nicht bereits dann eintritt, wenn die gesetzlichen Tatbestände eines Aufschubgrundes erfüllt sind, sondern nur dann, wenn der Arbeitgeber eine Aufschubentscheidung auch objektiv getroffen hat5. Zur Dokumentation seiner Aufschubentscheidung hat der Arbeitgeber dem Träger der Rentenversicherung ebenso wie dem Arbeitnehmer gem. § 184 Abs. 4 SGB VI eine entsprechende Aufschubbescheinigung auszustellen, in der sowohl der Nachversicherungszeitraum als auch die Gründe für den Aufschub anzugeben sind. Die Aufschubbescheinigung ist unverzüglich6 nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers zu erteilen; sie ist notwen1 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4. 2 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 184 SGB VI Rz. 16. 3 Zur Anfechtbarkeit durch den Arbeitnehmer vgl. BSG v. 17.11.1970 – 1 RA 163/69, SozR Nr. 2 zu § 1403 RVO; BSG v. 25.6.1971 – 1 RA 243/70, SozR Nr. 3 zu § 1403 RVO. 4 BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1403 Nr. 6; BSG v. 11.9.1980 – 1 RA 81/79, SozR 2200 § 1403 Nr. 2; BSG v. 17.11.1970 – 1 RA 163/69, SozR Nr. 2 zu § 1403 RVO. 5 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4; BSG v. 30.6.1983 – 11 RA 43/82, SozR 5750 Art. 2 § 3 Nr. 5; BSG v. 11.6.1986 – 1 RA 51/84, SozR 2200 § 1403 Nr. 6; BSG v. 11.9.1980 – 1 RA 81/79, SozR 2200 § 1403 Nr. 2; BSG v. 29.1.1975 – 11 RA 92/73, SozR 2400 § 18 Nr. 18. 6 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4; BSG v. 14.2.1973 – 1 RA 241/72, SozR Nr. 4 zu 1403 RVO. Oberthür
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Rz. 77
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
dige Voraussetzung dafür, dass der Rentenversicherungsträger das Vorliegen von Aufschubgründen überhaupt prüfen kann und muss. Fehlt es an einer form- oder fristgerecht mitgeteilten Aufschubentscheidung des Arbeitgebers, kann und muss der Rentenversicherungsträger die Beitragsansprüche gegen den Arbeitgeber zeitnah geltend machen. dd) Rechtsfolgen des Beitragsaufschubs 77 Durch das Vorliegen eines Aufschubgrundes wird der Eintritt des Nachversicherungsfalls nicht verhindert; der Aufschub ändert daher nichts an der grundsätzlichen Pflicht des Arbeitgebers zur Beitragsnachentrichtung und hat auch keine Auswirkung auf die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge. Jedoch ist das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers an einer Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung in den Aufschubfällen (noch) nicht akut, so dass der Arbeitgeber die Nachversicherungsbeiträge (noch) nicht entrichten muss. Dies wird erreicht, indem die Aufschubgründe die Verpflichtung zur Beitragszahlung gar nicht erst entstehen lassen (sog. anspruchshindernde Aufschubgründe) oder zumindest die Fälligkeit der Beitragszahlung hemmen (fälligkeitshemmende Aufschubgründe)1. 78 Anspruchshindernde Aufschubgründe sind in § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 1. Alt. und Nr. 3 SGB VI enthalten. Demnach wird die Beitragszahlung aufgeschoben, wenn eine andere, die beamtenähnliche Versorgung gewährleistende versicherungsfreie Beschäftigung sofort nach dem unversorgten Ausscheiden aufgenommen wird. Gleiches gilt, wenn eine Versorgung gezahlt wird, die der aus einer Nachversicherung erwachsenen Rentenanwartschaft mindestens gleichwertig ist. In diesen Fällen kommt es bereits nicht zur Entstehung eines Beitragsanspruchs des Rentenversicherungsträgers, weil der Arbeitgeber den nachversicherten Arbeitnehmer wegen der Absicherung in einem beamtenähnlichen Sicherungssystem noch nicht so behandeln muss, als sei er versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; denn solange sich versicherungsfreie oder von der Versicherungspflicht befreite Beschäftigungen aneinander reihen und die hieraus begründeten Versorgungen in anderen Sicherungssystemen die früheren Nachversicherungszeiträume berücksichtigen oder solange eine anderweitige Versorgung tatsächlich gezahlt wird, fehlt es an einem Sicherungsbedürfnis des Arbeitnehmers. Solange die anderweitige Versorgung besteht, ist deshalb der Rentenversicherungsträger aufgrund der Vorrangigkeit dieser Sicherung rechtlich nicht verpflichtet, gegenüber dem nachversicherten Arbeitnehmer Leistungen zu erbringen2.
1 BAG v. 20.12.2001 – B 4 RA 38/01 R, SozR 3-2600 § 181 Nr. 1; BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4; BSG v. 21.6.1989 – 1 RA 75/87, SozR § 1402 Nr. 9; aA Hauck-Noftz/Klattenhoff, SGB VI, § 8 Rz. 2; Hauck-Noftz/Finke, SGB VI, § 184 Rz. 3; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB VI Rz. 14, 18, § 184 SGB VI Rz. 3; von Einem, ZTR 1993, 270 ff.; Beckmann, Mitt. LVA OMFr 1990, 408, die bei Vorliegen eines Aufschubes bereits den Eintritt des Nachversicherungsfalls verneinen. 2 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4.
908 Oberthür
II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 81 Teil 10
Demgegenüber steht bei den fälligkeitshemmenden Aufschubgründen 79 noch nicht abschließend fest, ob der Arbeitnehmer die Sicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung benötigt. Gem. § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI wird die Beitragszahlung aufgeschoben, wenn die Beschäftigung nach einer Unterbrechung, die infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist, voraussichtlich wieder aufgenommen wird. Dasselbe gilt ausweislich der Regelung in § 184 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 2. Alt., wenn eine andere versicherungsfreie Beschäftigung voraussichtlich innerhalb von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aufgenommen wird, sofern die neue Versorgungsanwartschaft den Nachversicherungszeitraum mit erfasst. Bei diesen fälligkeitshemmenden Aufschubgründen handelt es sich damit letztlich um die Einrede der drohenden Zweckverfehlung der Nachversicherungsbeiträge: In beiden Fallgestaltungen ist der Arbeitnehmer – anders als bei den anspruchshindernden Aufschubgründen – für die Zeit bis zu der voraussichtlichen Wiederaufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung auf den sofortigen Schutz des Rentenversicherungsträgers angewiesen, weil er während dieses Schwebezustandes nicht durch ein anderes Versorgungssystem geschützt ist. Sofern es jedoch bis zum Ablauf des Schwebezustandes zu der anfänglich vorausgesehenen (Wieder-)Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung kommt und in der Zwischenzeit Leistungen des Rentenversicherungsträgers nicht zu erbringen waren, würde die Beitragszahlung im wirtschaftlichen Ergebnis nur den öffentlichen Arbeitgeber belasten, ohne dass dem entsprechende Vorteile für den Arbeitnehmer gegenüberstünden1. Dies rechtfertigt es, dem Arbeitgeber eine die Fälligkeit des Beitragsanspruchs des Rentenversicherungsträgers aufschiebende Einrede zu gewähren, die erst wegfällt, wenn feststeht, dass die prognostizierte Beschäftigung wider Erwarten nicht aufgenommen wird. Kommt es zu der prognostizierten (Wieder-)Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung, erstreckt sich der Aufschub auch auf diese Tätigkeit; Nachversicherungsbeiträge werden deshalb gem. § 184 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erst dann fällig, wenn der Arbeitnehmer auch aus der weiteren Beschäftigung unversorgt ausscheidet. In allen Fallgestaltungen des Beitragsaufschubes besteht – jedenfalls zu- 80 nächst – keine fällige Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers. Bereits entrichtete Nachversicherungsbeiträge können daher gem. § 26 Abs. 2 SGB IV zurückgefordert werden2. e) Berechnung der nachzuentrichtenden Beiträge Der Arbeitgeber hat die Beiträge für den Nachversicherungszeitraum nach 81 den Vorschriften zu entrichten, die im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der versicherungsfreien Beschäftigung für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtig Beschäftigte maßgebend sind, § 181 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Entscheidend ist dabei nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Beitragszahlung durch den Arbeitgeber, sondern allein der Zeitpunkt, in dem der 1 BSG v. 29.7.1997 – 4 RA 107/95, SozR 3-2600 § 8 Nr. 4. 2 BSG v. 14.2.1973 – 1 RA 241/72, SozR Nr. 4 zu § 1403 RVO. Oberthür
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Teil 10
Rz. 82
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Nachversicherungsfall rechtlich eintritt; anderenfalls könnte der Arbeitgeber durch die Wahl des Zahlungszeitpunktes die Höhe seiner Beitragsschuld mitbestimmen1. Maßgeblich für die Bemessung der Beitragsschuld sind damit Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitpunkt des Ausscheidens, auch wenn sich deren Höhe bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Beitragszahlung verändern sollte. 82 Bemessungsgrundlage für die nachzuentrichtenden Beiträge sind die beitragspflichtigen Einnahmen aus der versicherungsfreien Beschäftigung bis zur Beitragsbemessungsgrenze2. Dabei sind auch Einnahmen aus anderer Beschäftigung zu berücksichtigen, soweit die Gewährleistung der Versorgung auf diese Beschäftigung erstreckt war, § 181 Abs. 2 SGB VI. Hat der Arbeitnehmer neben seiner versicherungsfreien eine weitere versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt, so bleiben die hierfür von dem Arbeitgeber entrichteten Rentenversicherungsbeiträge auch im Nachversicherungsfall rechtmäßig entrichtet; das für die versicherungsfreie Beschäftigung nachzuversichernde Entgelt ist jedoch diesem Fall gem. § 182 Abs. 1 SGB VI nur insoweit zu berücksichtigen, als es zusammen mit dem Entgelt der Zweitbeschäftigung die Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt; eine Rückzahlung der Beiträge aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zu Lasten der Nachversicherung kommt demgegenüber nicht in Betracht3. 83 Soweit im Nachversicherungszeitraum freiwillige Beiträge des Arbeitnehmers entrichtet wurden, werden diese gem. § 182 Abs. 2 SGB VI erstattet. Sofern freiwillige Beiträge des Arbeitgebers entrichtet worden sind, werden diese nicht erstattet, sondern (dynamisiert) auf die Beiträge für die Nachversicherung angerechnet4. 3. Freiwillige gesetzliche Versicherung, § 7 Abs. 2 SGB VI 84 Arbeitnehmer, die aufgrund der beamtenähnlichen Versorgung versicherungsfrei sind, können in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichert werden, wenn sie die allgemeine Wartezeit5 erfüllt haben. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Versorgung in Form einer
1 BSG v. 20.12.2001 – B 4 RA 38/01 R, SozR 3-2600 § 181 Nr. 1: „normativer Zahlungsbegriff“. AA die herrschende Literaturmeinung, vgl. Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 181 SGB VI Rz. 3; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, § 181 Rz. 5; Beckmann, Mitt. LVA OMFr 1990, 408, unter Verweis auf den Wortlaut des § 181 Abs. 2 SGB VI und die Begründung zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks. 11/4124, S. 187. 2 Zur Berücksichtigung einer Mindestbemessungsgrundlage und zur Dynamisierung der Bemessungsgrundlage vgl. § 181 Abs. 3 und 4 SGB VI. 3 BSG v. 16.6.1982 – 11 RA 49/81, SozR 2200 § 1232 Nr. 14; BSG v. 11.3.1970 – 3 RK 40/67, SozR Nr. 10 zu § 1229 RVO. 4 Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 182 SGB VI Rz. 4 f. 5 Die allgemeine Wartezeit ist erfüllt, wenn mindestens fünf Jahre mit allgemeinen Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen, §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI.
910 Oberthür
II. Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung
Rz. 89 Teil 10
Gesamtversorgung unter Einbeziehung der gesetzlichen Rente gewährt werden soll (Rz. 26). Der Aufbau einer freiwilligen gesetzlichen Altersversorgung durch eigene 85 Beitragsleistungen des Arbeitnehmers ist grundsätzlich ebenfalls möglich. In der Praxis ist dies allerdings wirtschaftlich nicht interessant, da die beamtenrechtlichen Vorschriften, auf denen die beamtenähnliche Versorgung typischerweise beruht, eine Anrechnung einer gesetzlichen Rente auf die Altersbezüge vorsehen1. Der Arbeitnehmer erwirbt daher aus einer gesetzlichen „Zusatzversicherung“ regelmäßig keine wirtschaftlichen Vorteile. 4. Erstattung früherer Rentenversicherungsbeiträge Arbeitnehmer, die bei Aufnahme einer versicherungsfreien Beschäftigung 86 bereits Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet haben, können die Erstattung dieser Beiträge beantragen, wenn die aus der Beitragszahlung resultierenden Versorgungsanwartschaften für sie ohne Wert sind. Voraussetzung der Beitragserstattung ist gem. §§ 210 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 iVm. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, dass
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– der Arbeitnehmer nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung besitzt2, – seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht mindestens 24 Monate vergangen sind und – im Zeitpunkt der Antragstellung nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist. Erstattet werden die Beiträge, die der Arbeitnehmer selbst getragen hat; sofern allerdings von der gesetzlichen Rentenversicherung bereits Leistungen an den Arbeitnehmer erbracht worden sind, können nur die nach dem Leistungszeitpunkt gezahlten Beiträge erstattet werden. Beiträge des früheren Arbeitgebers werden demgegenüber nicht erstattet, so dass dieser durch einen Antrag auf Beitragserstattung nicht entlastet wird3.
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Mit der Beitragserstattung ist das bisherige Versicherungsverhältnis zwi- 89 schen dem Arbeitnehmer und der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 210 Abs. 6 Satz 2 SGB VI aufgelöst4. Ansprüche aus den Zeiten, für die eine Beitragserstattung erfolgt ist, können deshalb auch dann keine rentenrechtlichen Ansprüche mehr begründen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt wieder Versicherungspflicht eintreten und der Arbeitnehmer hieraus
1 Vgl. § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). 2 Hess. LSG v. 19.6.2007 – L 2 R 142/07, DB 2007, 1644; LSG Berlin-Brandenburg v. 29.5.2007 – L 16 R 239/07, nv.; LSG BW v. 20.3.2007 – L 9 R 4964/06, nv. 3 LSG Berlin-Brandenburg v. 8.2.2007 – L 17 RA 60/03, nv.; LSG Berlin-Brandenburg v. 31.7.2006 – L 16 R 1623/05, nv. 4 LSG NW v. 29.5.2008 – L 2 KN 128/07, nv. Oberthür
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Teil 10
Rz. 90
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Leistungsansprüche gegen die gesetzliche Rentenversicherung erwerben sollte.
III. Besonderheiten in der Versorgung bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (Gesetzliche Krankenversicherung) 90 Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) war in der Vergangenheit erheblich durchlässiger ausgestaltet als diejenige in der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen Versicherungszweigen. So besteht zwar gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eine Versicherungspflicht für Arbeitnehmer auch in der gesetzlichen Krankenversicherung. Allerdings führte bislang bereits das erstmalige Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze gem. § 6 Abs. 6 bis 8 SGB V dazu, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr der Versicherungspflicht unterlag. 91 Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz1, das seit dem 1.4.2007 in mehreren Schritten bis zum 1.1.2011 sukzessive in Kraft tritt, ist diese Durchlässigkeit erheblich begrenzt worden. Eine wesentliche Änderung liegt in der Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht für Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben2; damit wird das politische Ziel verfolgt, dass in Deutschland niemand ohne Absicherung im Krankheitsfall sein soll3. Weiterhin wurde der Wegfall der Versicherungspflicht bei höheren Einkommen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auf diejenigen Arbeitnehmer begrenzt, deren Einkommen die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht nur einmalig, sondern drei Jahre in Folge überschritten hat. Damit soll nach der Gesetzesbegründung der Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung erschwert und so zur Stärkung des Solidarprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung beigetragen werden4. Obgleich darüber hinaus eine besondere Regelung der Versicherungsfreiheit für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bestehen bleibt, sind auch diese von den gesetzlichen Änderungen betroffen. 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V 92 Für Arbeitnehmer, die einem eigenständigen Versorgungssystem außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung angehören, gibt es Ausnahmen von der grundsätzlichen Versicherungspflicht. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V5 enthält 1 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) v. 26.3.2007, BGBl. I, 378. 2 § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. 3 Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-WGS v. 24.10.2006, BT-Drucks. 16/3100, S. 94. 4 Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-WGS v. 24.10.2006, BT-Drucks. 16/3100, S. 95. 5 § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ist mit dem SGB V aufgrund des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz – GRG) vom 20.12.1988
912 Oberthür
III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 94 Teil 10
eine an das Rentenversicherungsrecht angelehnte Regelung, die – unabhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts1 – Versicherungsfreiheit für anderweitig versorgte Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes begründet. Nach dieser Vorschrift besteht Versicherungsfreiheit für „Beamte, Richter, Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldaten der Bundeswehr und sonstige Beschäftigte des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen oder Verbänden öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben.“ a) Beschäftigte privilegierter Arbeitgeber Der Kreis der privilegierten Arbeitgeber, die ihre Arbeitnehmer eigenen Sicherungssystemen zuweisen können, ist dem des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nahezu identisch, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann (Rz. 13 ff.). Entscheidend ist auch hier, dass der Arbeitnehmer bei dem privilegierten öffentlichen Arbeitgeber selbst und nicht nur bei einem mit diesem verbundenen privaten Arbeitgeber beschäftigt ist2.
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Ergänzend bezieht das Gesetz in § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V neben den Ge- 94 meinden als kommunalen Gebietskörperschaften ausdrücklich auch die Gemeindeverbände in den Kreis der privilegierten Arbeitgeber mit ein. Zu diesen zählen die öffentlich-rechtlich organisierten kommunalen Zweckverbände, deren Mitglieder Gemeinden oder Gemeindeverbände sind und die in größerem Umfang kommunale Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen3. Dabei hat die Rechtsprechung bislang offen gelassen, ob auch Zweckverbände, deren Mitglieder nicht nur Gebietskörperschaften sind, zu den Gemeindeverbänden zu zählen sind4. Da es jedoch nicht folgerichtig erscheint, einen aus sozialversicherungsrechtlich privilegierten Arbeitgebern zusammengesetzten Verbund, der allein Funktionen erfüllt, die sonst von den einzelnen Mitgliedern selbst wahrgenommen werden müssten, nicht als Gemeindeverband zu behandeln, sind auch die von öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern gebildeten Arbeitsgemeinschaften, die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V anders als im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausdrücklich genannt sind, unter den Begriff des Gemeindeverbandes zu subsumieren. Öffentlich-rechtlich organisierte Arbeitsgemein-
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(BGBl. I, 2477) mit Wirkung vom 1.1.1989 in Kraft getreten und ersetzt seitdem die zeitgleich aufgehobenen §§ 169 Abs. 1, 174 der Reichsversicherungsordnung (RVO). BSG v. 29.6.1993 – 12 RK 91/92, SozR 3-2500 § 10 Nr. 3; Jahn/Klose/Klose, § 6 SGB V Rz. 22. Peters, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rz. 20; Jahn/Klose/Klose, § 6 SGB V Rz. 26; ebenso die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in ihrer Besprechung vom 19/20.11.1997. BSG v. 15.12.1983 – 12 RK 48/81, SozR 2200 § 1229 Nr. 18; BGH v. 11.12.1980 – III ZR 130/79, MDR 1981, 568. BSG v. 15.12.1983 – 12 RK 48/81, SozR 2200 § 1229 Nr. 18. Oberthür
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Teil 10
Rz. 95
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
schaften, die zum Erlass von Verwaltungsakten berechtigt sind, wie regelmäßig etwa die Arbeitsgemeinschaften iSv. § 44b SGB II, sind als Anstalten des öffentlichen Rechts ohnehin privilegiert1. 95 Die Arbeitnehmer der Europäischen Gemeinschaft sind nicht bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber iSd. Sozialversicherungsrechts beschäftigt (Rz. 22); dennoch unterfallen sie, anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung, aufgrund der Sonderregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 8 SGB V nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für sie und ihre Familienangehörigen besteht ein gemeinschaftsrechtliches Krankenfürsorgesystem; um eine Doppelbelastung zu vermeiden, wurde deshalb die Versicherungspflicht von EG-Bediensteten, ihren Familienangehörigen und Hinterbliebenen in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen2. b) Fürsorgestatus nach beamtenrechtlichen Grundsätzen 96 Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung hängt seit dem 1.1.1989 davon ab, dass die Arbeitnehmer „nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge“ haben. Sie ist damit, anders als noch unter der Geltung der Vorgängerregelung des § 169 RVO, unabhängig von dem Umfang der rentenversicherungsrechtlichen Absicherung. Arbeitnehmer, denen etwa im Hinblick auf eine zukünftige Übernahme in ein Beamtenverhältnis eine beamtenähnliche Versorgung iSv. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gewährleistet wird, sind deshalb nicht ohne weiteres auch in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei3. Wenn auch damit der frühere Gleichlauf des Gewährleistungsrechts unterbrochen worden ist, so beinhaltet dies doch eine Verbesserung der Absicherung der Arbeitnehmer, da die Absicherung in den Versorgungsfällen des Alters und der Invalidität nicht ohne weiteres auch eine befriedigende Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet4. Demgegenüber ist für diejenigen Arbeitnehmer, die durch das beamtenrechtlichte System der Krankenfürsorge geschützt sind, eine Einbeziehung in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung ohne weiteres entbehrlich, da sie insoweit vergleichbare Leistungen erhalten. Für den Eintritt der Versicherungsfreiheit erforderlich, aber auch ausreichend, ist daher die Gewährleistung einer den beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprechende Krankenfürsorge. Das Gesetz stellt bei der Benen1 Zu § 44b SGB II: LSG BW v. 17.11.2006 – L 8 AS 3298/06, nv.; LSG v. 30.6.2005 – L 8 AS 2374/05 ER-B, FEVS 57, 40; Hauck/Noftz/Luthe, SGB II, § 44b Rz. 5c; zur Verfassungswidrigkeit der insoweit gebildeten Arbeitsgemeinschaften BVerfG v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, BVerfGE 119, 331. 2 Begründung des Gesetzentwurfs v. 10.11.1986, BT-Drucks. 10/6394, S. 12; BSG v. 21.9.1993 – 12 RK 39/91, SozR 3-2500 § 6 Nr. 6. 3 Hauck/Noftz/Gerlach, § 6 SGB V Rz. 71. 4 Begründung des Gesetzentwurfs zum GRG v. 3.5.1988, BT-Drucks. 11/2237, S. 160; Peters, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rz. 21.
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III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 99 Teil 10
nung der notwendigen Leistungen auf die Schwerpunktbereiche auch in der gesetzlichen Krankenversicherung ab: die Gewährung von Beihilfe oder Heilfürsorge und die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall. Dabei ist, da eine Versorgung nach „beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen“ genügen soll, auch im Krankenversicherungsrecht die völlige Identität der Versorgung mit dem Beamtenrecht nicht erforderlich. Die Versorgung darf jedoch hinter der beamtenrechtlichen Versorgung nicht wesentlich zurückbleiben. Anderenfalls tritt die Versicherungsfreiheit auch dann nicht ein, wenn die gewährten Versorgungsleistungen günstiger sind als die der gesetzlichen Krankenversicherung. Welche Abweichungen von der beamtenrechtlichen Krankenfürsorge noch 97 zulässig sind, ohne die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung zu gefährden, ist von der Rechtsprechung bislang nur punktuell geklärt. Bei der Beurteilung ist deshalb auf die geltenden Prinzipien des Beamtenrechts abzustellen, wobei die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit aufgrund des Schutzbedürfnisses der Arbeitnehmer eng auszulegen sind. Erforderlich ist deshalb eine Leistungsgewährung, die sowohl hinsichtlich der Art als auch des Zeitraums und der Dauer des Anspruchs dem beamtenrechtlichen Leistungsumfang entspricht1; eine Versorgung, die mehr als unwesentlich von dem beamtenrechtlichen Leistungsumfang abweicht, kann die Versicherungsfreiheit nicht begründen. Von maßgeblicher Bedeutung ist auch insoweit das im beamtenrechtlichen Besoldungssystem geltende Alimentationsprinzip. Der beamtenrechtliche Anspruch auf Besoldung entsteht mit Eintritt in das Beamtenverhältnis und bleibt unbegrenzt auch für Zeiten bestehen, in denen der Beamte seinen Dienst wegen Krankheit unverschuldet nicht wahrnehmen kann2. Dementsprechend muss auch die beamtenähnliche Versorgung im Krankheitsfall ausgestaltet sein. Eine adäquat beamtenähnliche Versorgung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall zeitlich begrenzt ist3; auch muss sie bis zu einer etwaigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufrechterhalten werden4. Unzureichend ist auch die Absicherung des Krankheitsfalles lediglich durch den Abschluss einer privaten Krankentagegeldversicherung, selbst wenn der Arbeitgeber hierzu einen Beitragszuschuss leistet5.
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Im Beamtenrecht gilt weiterhin der Grundsatz, dass der Dienstherr neben der Besoldung und Versorgung auch Vorkehrungen dafür treffen muss, dass die angemessene Absicherung des Beamten bei Eintritt besonderer finan-
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1 Hauck/Noftz/Gerlach, § 6 SGB V Rz. 70. 2 §§ 3 Abs. 1, 9 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). 3 BSG v. 11.10.2001 – B 12 KR 7/01 R, SozR 3-4100 § 169 Nr. 7: Notarassessor; Peters, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rz. 21; Plagemann, in: Münchener Anwaltshandbuch SozR, § 5 Rz. 83. 4 Jahn/Klose/Klose, § 6 SGB V Rz. 27. 5 BSG v. 11.10.2001 – B 12 KR 7/01 R, SozR 3-4100 § 169 Nr. 7; BSG v. 29.7.2003 – B 12 KR 15/02 R, SozR 4-4100 § 169 Nr. 1. Oberthür
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Teil 10
Rz. 100
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
zieller Belastungen wie Krankheit, Geburt oder Tod nicht gefährdet wird. Frei in der Entscheidung, wie diese Absicherung ausgestaltet wird, haben sich Bund und Länder insoweit für ein System entschieden, in dem die zumutbare Eigenvorsorge des Beamten durch Beihilfeleistungen ergänzt wird1. Der Beihilfeanspruch gegenüber dem Dienstherrn deckt daher nur einen Teil der Krankheitskosten ab und bleibt insoweit hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zurück. Dies wird jedoch hingenommen, da den beihilfeberechtigten Personen mit ihrer Vergütung ein Alimentationsanteil zur Verfügung gestellt wird, mit dem der von der Beihilfe nicht gedeckte Teil der im Krankheitsfall zu erwartenden Aufwendungen insbesondere durch den Abschluss einer geeigneten Ergänzungsversicherung abgedeckt werden kann2. Ausgehend von diesen Grundsätzen muss eine beamtenähnliche Krankenfürsorge deshalb eine Erstattung der Krankheitskosten in Höhe von zumindest 50 % vorsehen, wie sie in den beamtenrechtlichen Beihilferegelungen des Bundes und der Länder vorgesehen ist3. Darüber hinaus muss es sich um echte Beihilfeleistungen, mithin um eigene Leistungen des Arbeitsgebers handeln; Versicherungsleistungen sind auch dann keine beamtenähnlichen Beihilfen, wenn sie eine vergleichbare Absicherung bieten4. c) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit 100
Seit die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr von der Gewährleistung einer beamtenähnlichen Altersversorgung abhängt, tritt die Versicherungsfreiheit mit Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, also mit der Zusage einer beamtenähnlichen Krankenfürsorge, unmittelbar kraft Gesetzes ein und endet ebenso unmittelbar mit deren Wegfall. Eines behördlichen Aktes in Form einer Feststellung der Versicherungsfreiheit, wie dies im Rentenversicherungsrecht mit der Gewährleistungsentscheidung (Rz. 33) erforderlich ist, bedarf es im Krankenversicherungsrecht nicht.
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Eine zeitliche Rückwirkung kann dem beamtenähnlichen Fürsorgestatus nicht verliehen werden. Die Versicherungsfreiheit kann daher im Zeitpunkt der Erteilung der Fürsorgezusage stets nur für die Zukunft eintreten; eine rückwirkende Gewährleistung der Krankenfürsorge führt nicht zu einem rückwirkenden Wegfall der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung5.
1 Zu dem verfassungsrechtlichen Erfordernis der Ausgestaltung der Beihilfevorschriften nicht durch Verwaltungsvorschriften, sondern durch Gesetz vgl. BVerwG v. 17.6.2004 – 2 C 50/02, BVerwGE 121, 103. 2 BVerfG v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88, BVerfGE 83, 89. 3 Jahn/Klose/Klose, § 6 SGB V Rz. 27; vgl. § 14 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV). 4 BVerwG v. 17.6.2004 – 2 C 50/02, BVerwGE 121, 103. 5 Jahn/Klose/Klose, § 6 SGB V Rz. 28.
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III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 105 Teil 10
d) Reichweite der Versicherungsfreiheit Anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht (mehr1) tätigkeitsbezogen. Die Gewährleistung beamtenähnlicher Krankenfürsorge befreit den Arbeitnehmer daher nicht nur in der zugrunde liegenden Beschäftigung von der Krankenversicherungspflicht, sondern begründet gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V dessen absolute Versicherungsfreiheit. Dadurch soll die Einbeziehung nicht schutzbedürftiger Personen in die gesetzliche Krankenversicherung vermieden werden2. Neben der Versicherungsfreiheit gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V kann daher eine Krankenversicherungspflicht aus den in § 5 Abs. 1 Nr. 1–12 SGB V genannten Gründen nicht entstehen, so dass versicherungsfreie Arbeitnehmer auch in einer anderen Beschäftigung nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen.
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2. Erfordernis einer beihilfeergänzenden Zusatzversorgung Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung hat dem beamtenähnlich versorgten Arbeitnehmer bislang die Wahl gelassen, ob und in welcher Form er die durch die Begrenzung der Beihilfe auf einen Teil der krankheitsbedingten Aufwendungen entstehende Versorgungslücke abdecken will.
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Dies gilt seit dem Inkrafttreten des ersten Teils des GKV-Wettbewerbsstär- 104 kungsgesetzes zum 1.4.2007 nicht mehr uneingeschränkt. Nunmehr sind gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig „Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.“ Durch diese Erweiterung der Versicherungspflicht soll verhindert werden, dass eine größere Anzahl von Menschen nicht über eine Absicherung im Krankheitsfall verfügt und deshalb die im Krankheitsfall entstehenden Aufwendungen aus ihrem Einkommen oder Vermögen – soweit vorhanden – selbst tragen muss3. Ausweislich der Gesetzesbegründung4, die von den Sozialversicherungsträgern umgesetzt wird5, sollen beihilfeberechtigte Arbeitnehmer zwar nicht
1 Zur früheren Rechtslage BSG v. 10.9.1975 – 3/12 RK 6/74, SozR 2200 § 169 Nr. 1 mwN. 2 Begr. des Gesetzentwurfs zum GRG v. 3.5.1988, BT-Drucks. 11/2237, S. 160. 3 Begr. des Gesetzentwurfs zum GKV-WGS v. 24.10.2006, BT-Drucks. 16/3100, S. 94. 4 Begr. des Gesetzentwurfs zum GKV-WGS v. 24.10.2006, BT-Drucks. 16/3100, S. 94. 5 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände „Krankenversicherung und Pflegeversicherung der bisher Nichtversicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum 1.4.2007“ v. 20.3.2007, S. 17. Oberthür
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Teil 10
Rz. 106
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
generell zu den Personen „ohne Absicherung im Krankheitsfall“ zählen, wohl aber dann, wenn sie nicht über eine beihilfeergänzende Krankheitskostenvollversorgung verfügen. Beihilfeberechtigte Arbeitnehmer, die nicht über eine anderweitige Absicherung der verbleibenden Krankheitskosten verfügen, unterfallen daher seit dem 1.4.2007 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie zuletzt gesetzlich krankenversichert waren und damit grundsätzlich dem System der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind. Die insoweit eintretende Versicherungspflicht hat Vorrang vor der Versicherungsfreiheit, die an sich durch die Gewährung der beamtenähnlichen Krankenfürsorge begründet wird. 106
Die Neuregelungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes führen damit zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Versicherungspflicht beihilfeberechtigter Arbeitnehmer, abhängig einerseits von dem tatsächlich bestehenden Versorgungsstatus, andererseits von der Zuordnung zu dem gesetzlichen oder privaten System der Krankenversicherung: – Arbeitnehmer, die eine beihilfekonforme private Krankenversicherung abgeschlossen haben oder zusätzlich freiwillig gesetzlich krankenversichert sind, verbleiben in dieser Versicherung. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung tritt nicht ein. – Arbeitnehmer, die nicht über eine beihilfeergänzende Krankenversicherung verfügen, sind seit dem 1.4.2007 in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. – Arbeitnehmer, die nicht über eine beihilfeergänzende Krankenversicherung verfügen und in der Vergangenheit nicht oder privat krankenversichert gewesen sind, unterliegen nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie hatten seit dem 1.7.2007 Anspruch auf die Begründung eines die Beihilfe ergänzenden privaten Krankenversicherungsvertrages im Standardtarif (Rz. 114); seit dem 1.1.2009 sind sie gem. § 193 Abs. 3 VVG nF gesetzlich verpflichtet, eine private Zusatzversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. a) Beihilfekonforme private Krankenversicherung
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Der Abschluss einer beihilfekonformen Krankenzusatzversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen war bereits in der Vergangenheit weit verbreitet. Gem. § 193 Abs. 3 VVG in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung wird der Abschluss einer privaten Zusatzversicherung für beihilfeberechtigte Arbeitnehmer und die von ihnen gesetzlich vertretenen Personen Pflicht, sofern sie nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.
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Die Ergänzungsversicherung muss künftig, sofern sie nicht bereits vor dem 1.4.2007 abgeschlossen worden ist, mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfassen; sie darf einen Selbstbehalt vorsehen, die jedoch maximal 5000 Euro jährlich – bei beihilfeergän918 Oberthür
III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 112 Teil 10
zender Versicherung maximal den entsprechend dem Leistungsumfang anteiligen Wert – betragen darf. Der Abschluss einer entsprechenden Versicherung muss spätestens einen Monat nach Eintritt der Versicherungspflicht beantragt werden. Bei späterem Abschluss des Versicherungsvertrages sind gem. § 193 Abs. 4 VVG nF für die Zeiten der Nichtversicherung Prämienzuschläge zu entrichten, die sich auf bis zu 15 Monatsbeiträge summieren können. aa) Kosten der privaten Ergänzungsversicherung Die Kosten für die beihilfeergänzende private Krankenversicherung trägt 109 der Arbeitnehmer selbst. Er hat insbesondere weder gegen den öffentlichen noch gegen einen etwaigen weiteren Arbeitgeber einen Anspruch auf Zuschuss zu den Versicherungsbeiträgen gem. § 257 SGB V, da er nicht, wie es der Anspruch auf einen Beitragszuschuss erfordert, (allein) wegen einer Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei ist, sondern wegen der Zugehörigkeit zu einem anderweitigen Versorgungssystem. bb) Reduzierung des Beitragsanstiegs durch Basistarife bis 31.12.2008 Das Versicherungsprinzip der privaten Krankenversicherung führt dazu, 110 dass mit zunehmendem Alter typischerweise ein erheblicher Beitragsanstieg zu verzeichnen ist. Dem wird teilweise durch die Bildung von Altersrückstellungen begegnet, die der Prämienkalkulation zugrunde gelegt werden und zu einem verringerten Anstieg der Versicherungsbeiträge führen. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wird die Portabilität dieser Altersrückstellungen gem. § 204 VVG nF zusätzlich verbessert. Darüber hinaus haben die Unternehmen der privaten Krankenversicherung 111 bislang auch für die die beamtenrechtliche Beihilfe ergänzende Krankenversicherung einen so genannten brancheneinheitlichen Standardtarif angeboten, dessen Versicherungsleistungen gem. § 257 Abs. 2a Satz 1 Nrn. 2 bis 2b SGB V aF1 denjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar waren, und dessen Beitrag bei Einkünften, die unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze lagen, den durchschnittlichen Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung für Einzelpersonen nicht bzw. für Ehepaare und Lebenspartnerschaften um nicht mehr als 50 % überschritten hat. Dieser Tarif musste den beihilfeberechtigten Arbeitnehmern selbst wie auch ihren berücksichtigungsfähigen Angehörigen zur Verfügung gestellt werden. Die Versicherung zu den Bedingungen des Standardtarifs konnte jedoch nur unter besonderen Bedingungen verlangt werden: – die versicherte Person hatte das 65. Lebensjahr vollendet und verfügte über eine Vorversicherungszeit von mindestens zehn Jahren; – die versicherte Person hatte das 55. Lebensjahr vollendet, verfügte über eine Vorversicherungszeit von mindestens zehn Jahren und hatte ein 1 § 257 Abs. 2a SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung. Oberthür
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Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
jährliches Gesamteinkommen nicht über der Jahresarbeitsentgeltgrenze; – die versicherte Person erfüllte die Voraussetzungen einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und hatte diese Rente beantragt; dies erfasste auch Familienangehörige iSd. § 10 SGB V; oder – die versicherte Person bezog ein Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen oder vergleichbaren Vorschriften; dies erfasste auch Familienangehörige iSd. § 10 SGB V. 113
Unabhängig von diesen Voraussetzungen musste der Standard-Zusatztarif – ohne Risikozuschläge – nur denjenigen Versicherten zur Verfügung gestellt werden, die aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung in der privaten Krankenversicherung nicht oder nur gegen Risikozuschläge versichert werden konnten. In diesem Fall musste der Wechsel in den Standardtarif innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Feststellung der Behinderung oder nach Aufnahme der privilegierten Beschäftigung beantragt werden.
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Seit dem 1.7.2007 konnten darüber hinaus alle beihilfeberechtigten Personen, die bislang keinen zusätzlichen Versicherungsschutz besaßen, unabhängig von der Erfüllung der oben gem. § 257 Abs. 2a Satz 1 Nrn. 2 bis 2b SGB V genannten Bedingungen gem. § 315 SGB V nF verlangen, ohne Risikozuschläge in dem beihilfeergänzenden Standardtarif versichert zu werden. cc) Basistarife seit dem 1.1.2009
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Mit Wirkung vom 1.1.2009 wurde der brancheneinheitliche Standardtarif durch einen verpflichtenden branchenweit einheitlichen Basistarif gem. § 12 Abs. 1a VAG ersetzt, dessen Leistungen ebenfalls denjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind und dessen Beitrag den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigt. Für beihilfeberechtigte Arbeitnehmer müssen die Versicherungsunternehmen eine an die Leistungen der Beihilfe angepasste Variante dieses Basistarifs vorsehen.
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Seit diesem Zeitpunkt können alle beihilfeberechtigten Arbeitnehmer die Versicherung in dem Basistarif verlangen, sofern sie zur Erfüllung der nunmehr allgemein bestehenden Versicherungspflicht entsprechenden Versicherungsschutz benötigen. Die am 1.1.2009 bereits privat Versicherten sowie die bislang in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten beihilfeberechtigten Arbeitnehmer konnten innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten in den Basistarif wechseln. b) Freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung
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Für Arbeitnehmer, die vor Aufnahme der privilegierten Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sind, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, diese Versicherung als freiwillige Versiche920 Oberthür
III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 120 Teil 10
rung beizubehalten. Der Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung ist der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der versicherungsfreien Beschäftigung bzw. nach Wegfall der Versicherungspflicht anzuzeigen, § 8 Abs. 2 SGB V. aa) Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung Voraussetzung für eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kran- 118 kenversicherung ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eine Vorversicherungszeit dahingehend, dass vor dem Eintritt der Versicherungsfreiheit entweder eine zwölfmonatige ununterbrochene Versicherung oder in den letzten fünf Jahren eine insgesamt mindestens vierundzwanzigmonatige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden hat. Gleiches gilt gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V für Angehörige, deren Familienversicherung durch die Aufnahme der versicherungsfreien Beschäftigung erlischt. bb) Auswirkungen der freiwilligen Versicherung auf den Beihilfeanspruch Bei der Wahl der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist zu berücksichtigen, dass nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen der Anspruch auf Beihilfeleistungen entfällt, wenn und soweit Sachleistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden können1. Lediglich Zusatzleistungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckt sind, werden in diesem Fall von dem Beihilfeanspruch erfasst2.
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cc) Kosten der freiwilligen Versicherung Die Beiträge für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung trägt der 120 Arbeitnehmer in Ermangelung einer gesetzlichen Zuschussberechtigung allein3. Seit dem 1.1.2009 wird die Beitragsbemessung gem. § 240 Abs. 1 SGB V für freiwillige Mitglieder einheitlich von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei wird die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers berücksichtigt, so dass der Beitragsbemessung nicht nur das Erwerbseinkommen des Arbeitnehmers, sondern alle Einnahmen und Geldmittel zugrunde gelegt werden, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden können, einschließlich der Einkünfte des nicht gesetzlich versicherten Ehegatten oder Lebenspartners4. Der Beitrag eines freiwillig versicherten Arbeitnehmers kann dadurch spürbar höher ausfallen als der eines gesetzlich pflichtversicherten Arbeitnehmers.
1 Vgl. § 5 Abs. 3 der Beihilfevorschriften des Bundes. 2 OVG NW v. 6.7.2007 – 6 A 2438/06, nv. 3 Zur Unzulässigkeit anderweitiger Dienstordnungsbestimmungen vgl. BSG v. 4.12.1985 – 1 RR 3/85, SozR 7223 Art. 8 § 4 Nr. 1; BSG v. 14.4.1983 – 8 RK 28/81, SozR 2200 § 355 Nr. 3. 4 Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung des GKV-Spitzenverbandes v. 27.10.2008. Oberthür
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Teil 10
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Rz. 121
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Eine nur anteilige gesetzliche Versicherung zur Ergänzung der Beihilfeleistungen sieht das SGB V nicht vor, so dass der freiwillig versicherte Arbeitnehmer die volle Beitragslast zu tragen hat. Lediglich für Dienstordnungs-Angestellte der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Verbände besteht gem. § 14 SGB V auf der Basis entsprechender satzungsmäßiger Regelungen die Möglichkeit, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Teilkostenerstattung zu ersetzen. Dadurch soll im Interesse der Krankenkassen und ihrer Verbände sichergestellt werden werden, dass ihre Beamten und Dienstordnungs-Angestellten zur Erhaltung der Betriebsverbundenheit und zur Vermeidung von Loyalitätskonflikten, die bei einer Versicherung in der privaten Krankenversicherung auftreten können, in der eigenen Krankenkasse versichert werden können1. § 14 SGB V ermöglicht damit zumindest den Dienstordnungs-Angestellten der Krankenkassen und ihrer Verbände eine beihilfekonforme und damit beitragsreduzierte2 freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung; eine Erstreckung dieses Versicherungsmodells auf andere beihilfeberechtigte Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ist jedoch nicht möglich3. dd) Abwägung der Vor- und Nachteile der freiwilligen Versicherung
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Bei allein finanzieller Betrachtung ist eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung für beihilfeberechtigte Arbeitnehmer stets nachteilig. Die Arbeitnehmer tragen die gesamte Beitragslast allein, weitgehend ohne die Beihilfeleistungen des Arbeitgebers in Anspruch nehmen zu können.
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Allerdings ist der Wechsel in das System der privaten Krankenversicherung nicht selten endgültig; eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung zu einem späteren Zeitpunkt ist nur unter erschwerten Bedingungen möglich (Rz. 126 ff.). Aus diesem Grund kann es auch für beihilfeberechtigte Arbeitnehmer vorteilhaft sein, eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen und aufrechtzuerhalten, insbesondere dann, wenn die beihilfeberechtigende Beschäftigung absehbar nicht auf Dauer angelegt ist. Auch kann aufgrund des in dem System der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Grundsatzes der Familienversicherung im Einzelfall insbesondere bei Arbeitnehmern mit mehreren Kindern ein Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung günstig sein, da Familienangehörige in der privaten Versicherung jeweils eigenständig versichert werden müssen.
1 Begründung des Gesetzentwurfs zum GRG v. 3.5.1988, BT-Drucks. 11/2237, S. 164; Höfler, in: Kasseler Kommentar, § 14 SGB V Rz. 2. 2 Der Beitrag ist gem. § 243 Abs. 1 SGB V entsprechend dem reduzierten Leistungsumfang zu ermäßigen. 3 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs. 5 SGB V vgl. LSG Berlin v. 15.10.2003 – L 15 KR 492/01, nv.
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III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 126 Teil 10
c) Durchführung der Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Besteht weder eine freiwillige gesetzliche noch eine private Krankenver- 124 sicherung zur Ergänzung der Beihilfeleistungen kommt die zum 1.4.2007 eingeführte Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum Tragen. Ein Verzicht auf diese Pflichtversicherung ist nicht möglich1. Da die nach dieser Regelung begründete Pflichtversicherung jedoch davon abhängt, dass keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall besteht, kann sie insbesondere durch den Abschluss einer privaten Ergänzungsversicherung jederzeit beseitigt werden, § 190 Abs. 13 SGB V nF. Im Vergleich zu der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Kranken- 125 versicherung ist bei der neuen Pflichtversicherung besonders die Ausgestaltung der Beitragslast zu berücksichtigen. Zwar bemessen sich wie bei freiwillig versicherten Arbeitnehmern die Beiträge auch hier gem. § 227 SGB V nF iVm. § 240 SGB V nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers2, nicht allein nach der Höhe des Arbeitseinkommens. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine freiwillige, sondern um eine Pflichtversicherung; dementsprechend sehen §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 3 SGB V nF die hälftige Aufteilung der Beitragslast zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zumindest insoweit vor, als die Beiträge nach dem Arbeitsentgelt bemessen werden. Die durch die Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht nachträglich in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogenen beihilfeberechtigten Arbeitnehmer werden daher hinsichtlich der Beiträge erheblich besser gestellt als freiwillig versicherte Arbeitnehmer; für Letztere empfiehlt sich daher die Kündigung der freiwilligen Mitgliedschaft, um die Versicherungspflicht eintreten zu lassen, §§ 191 Nr. 3, 186 Abs. 11 SGB V nF. d) Spätere Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung Um zu verhindern, dass vor allem junge, gesunde und gut verdienende Arbeitnehmer zunächst in die private Krankenversicherung wechseln, um zu einem späteren Zeitpunkt, etwa bei Familiengründung oder im Alter, in die wegen der solidarischen Beitragsgestaltung dann häufig vorteilhaftere gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren und das Versicherungssystem mit den im Alter erheblich steigenden Leistungsausgaben unzumutbar zu belasten3, ist die Durchlässigkeit beider Systeme in den vergangenen Jahren kontinuierlich begrenzt worden. Davon sind auch Arbeitnehmer betroffen, die aus einer privilegierten Beschäftigung ausscheiden und damit ihre Ansprüche auf die beamtenähnliche Krankenfürsorge verlieren. Sie können, wenn sie nicht auch während der privilegierten Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung verblieben sind, nur unter bestimmten Voraussetzungen in das gesetzliche Versicherungssystem zurückkehren. 1 SG Dresden v. 23.4.2008 – S 25 KR 653/07, NZA 2008, 692. 2 LSG Berlin-Brandenburg v. 19.5.2008 – L 9 B 24/08 KR ER, nv. 3 Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 v. 23.6.1999, BT-Drucks. 14/1245, 59. Oberthür
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Teil 10
Rz. 127
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
aa) Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung 127
Nach dem Ende der Versicherungsfreiheit hängt der versicherungsrechtliche Status maßgeblich von der weiteren Entwicklung der Beschäftigungssituation ab. Insbesondere die Aufnahme einer neuen, nicht privilegierten Beschäftigung führt gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der Regel zu der (erneuten) Begründung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. bb) Eintritt der Versicherungspflicht nach Vollendung des 55. Lebensjahres
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Tritt die (erneute) Versicherungspflicht erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres des Arbeitnehmers ein, ist die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung begrenzt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden haben, diesem System auch im Alter angehören sollen. Gem. § 6 Abs. 3a SGB V in der seit dem 1.7.2000 geltenden Fassung1 sind deshalb Personen, die erst nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig würden, auch weiterhin versicherungsfrei, wenn sie keine ausreichenden Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung aufweisen können.
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Die Verdrängung der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 3a SGB V setzt dabei zunächst voraus, dass der Betroffene in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert war. Bestand in diesem Zeitraum auch nur für eine kurze Zeit eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, gleich ob als Pflichtversicherung, als freiwillige Versicherung oder als Familienversicherung, so bleibt es bei der gesetzlichen Anordnung der Versicherungspflicht.
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§ 6 Abs. 3a Satz 2 SGB V fordert für die Verdrängung der Versicherungspflicht zusätzlich einen qualifizierten Ausschluss des Arbeitnehmers aus der gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend, dass der Arbeitnehmer innerhalb des fünfjährigen Vorversicherungszeitraums mindestens die Hälfte der Zeit zB gem. § 6 SGB V versicherungsfrei gewesen ist. Dadurch sollen nur diejenigen Personen aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen bleiben, die nicht nur nicht versichert gewesen sind, wie dies etwa bei Sozialhilfeempfängern oder Entwicklungshelfern der Fall sein kann, sondern die ausdrücklich und nachhaltig von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen und damit praktisch einem anderen Versicherungssystem zugewiesen waren2. Dabei steht die eigene Versicherungsfreiheit gem. § 6 Abs. 3a Satz 3 SGB V der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft mit einem versicherungsfreien Arbeitnehmer gleich; nicht nur die versicherungsfrei beschäftigten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, 1 Eingeführt durch Art. 1 Nr. 3 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 v. 22.12.1999, BGBl. I, 2626. 2 Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 v. 23.6.1999, BT-Drucks. 14/1245, 60.
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III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 134 Teil 10
auch die Ehegatten bzw. Lebenspartner, die längere Zeit von der Beihilfeberechtigung profitiert haben, können daher durch die spätere Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht ohne weiteres in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren. Arbeitnehmer unterfallen daher im Ergebnis auch bei der späteren Aufnah- 131 me einer (an sich) versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht mehr der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie – bei Eintritt der Versicherungspflicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, – in den vorangegangenen fünf Jahre nicht versicherungspflichtig waren und – innerhalb der vorangegangenen fünf Jahre mindestens 2,5 Jahre versicherungsfrei beschäftigt oder mit einem versicherungsfrei Beschäftigten verheiratet oder verpartnert waren. Die ursprünglich geltende Ausnahme1 für die bislang privat versicherten 132 Bezieher von Arbeitslosengeld II, bei denen der Gesetzgeber wegen der bestehenden Hilfebedürftigkeit im Interesse der Gleichbehandlung eine Einbeziehung auch Älterer in die gesetzlichen Krankenversicherung für geboten gehalten hat2, ist zum 1.1.2009 weggefallen. Der Bezug von Arbeitslosengeld II ermöglicht daher für Personen, die vor dem Bezug des ALG II privat krankenversichert gewesen sind, nicht mehr die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung; sie werden gem. § 5 Abs. 5a SGB V nF dem System der privaten Krankenversicherung zugeordnet und müssen sich auf eigene Kosten privat versichern. cc) Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner Eine zusätzliche Begrenzung der Rückkehr in die gesetzliche Krankenver- 133 sicherung enthält § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für Rentner. Personen, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen oder beantragt haben, unterliegen grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der so genannten Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Dies gilt jedoch nur dann, wenn sie in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens mindestens zu 9/10 Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung oder gem. § 10 SGB V familienversichert waren3. Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes, die während ihres Erwerbslebens von einer beamtenähnlichen Krankenfürsorge profitiert haben, ist damit als Rentner der Weg zurück in die gesetzliche Krankenversicherung praktisch verschlossen, auch wenn sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. 1 Gem. § 6 Abs. 3a Satz 4 SGB V in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung. 2 Begründung des Gesetzentwurfs eines 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 5.9.2003, BT-Drucks. 15/1516, S. 72; kritisch dazu Peters, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rz. 47a. 3 Zur Verfassungswidrigkeit der Einschränkung auf vorangegangene Pflichtmitgliedschaften vgl. BVerfG v. 15.3.2000 – 1 BvL 16/96, BVerfGE 102, 68. Oberthür
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Teil 10
Rz. 135
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
dd) Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung mangels anderweitiger Absicherung 135
Eine Ausnahme von dieser Begrenzung des Rückkehrrechts gilt allerdings seit dem 1.4.2007 für alle Personen, die in Ermangelung einer anderweitigen Absicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in die Versicherungspflicht einbezogen werden. Mit der sukzessiven Einführung einer allgemeinen Versicherungspflicht durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz sollte der Zugang zu der gesetzlichen Versicherung auch für ältere Arbeitnehmer wieder eröffnet werden, wenn diese in der Vergangenheit zuletzt gesetzlich versichert gewesen sind. Beihilfeberechtigte Arbeitnehmer, die in der Vergangenheit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung angehört haben, können daher gem. § 6 Abs. 3a Satz 4 SGB V1 auch nach Vollendung des 55. Lebensjahres in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren, wenn sie nicht zu einem früheren Zeitpunkt privat krankenversichert gewesen sind. Hat der beihilfeberechtigte Arbeitnehmer in der Vergangenheit allerdings keine oder eine private Krankenzusatzversicherung unterhalten, besteht seit dem 1.1.2009 gem. § 193 Abs. 3 VVG die Pflicht zum Abschluss einer privaten Krankenzusatzversicherung; damit endet für die Zukunft die Zuordnung zu dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. 3. Versicherungsfreiheit von Rentnern, Hinterbliebenen und Familienangehörigen
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Arbeitnehmer mit einer beamtenähnlichen Krankenfürsorge verlieren den Status der Versicherungsfreiheit auch dann nicht, wenn sie aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und in den Ruhestand treten. Dies gilt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 6 SGB V jedenfalls dann, wenn ihnen ein Anspruch auf Ruhegehalt zuerkannt ist und sie weiterhin Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen haben. Dadurch soll auch im Alter ein nicht gerechtfertigter Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung vermieden werden2.
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Dabei begründet § 6 Abs. 3 SGB V auch für Rentner ein System der absoluten Versicherungsfreiheit3. Der Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, ob aus eigener oder abgeleiteter Versicherung, die neben den Ruhestandsbezügen geleistet wird, führt deshalb entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nicht zur Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung der Rentner4; eine Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aufgrund mangelnder anderweitiger Versorgung bleibt allerdings möglich (Rz. 124). 1 § 6 Abs. 3a Satz 4 SGB V in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung. 2 Begründung des Gesetzentwurfs zum GRG v. 3.5.1988, BT-Drucks. 11/2237, S. 160. 3 Peters, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rz. 33. 4 Zur abweichenden Rechtslage gem. §§ 173, 173a RVO aF vgl. BSG v. 24.9.1981 – 12 RK 24/80, SozR 2200 § 173a Nr. 7; BSG v. 4.10.1973 – 3 RK 91/72, SozR Nr. 76 zu § 165 RVO.
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III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 141 Teil 10
Familienangehörige der versicherungsfreien Arbeitnehmer, insbesondere 138 deren Ehegatten, profitieren demgegenüber nicht ohne weiteres von dem Status der Versicherungsfreiheit. Als Arbeitnehmer unterliegen sie mit ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit auch dann der Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wenn sie von der Beihilfeberechtigung des versicherungsfreien Arbeitnehmers profitieren. Auch als beihilfeberechtigte Hinterbliebene eines versicherungsfreien Ar- 139 beitnehmers sind Angehörige nicht ohne weiteres selbst versicherungsfrei. Für sie besteht nur als Hinterbliebenenrentner, wenn sie nach beamtenrechtlichen Grundsätzen Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall haben, gem. § 6 Abs. 2 SGB V bei dem Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausnahmsweise Versicherungsfreiheit, wenn der Rentenanspruch ausschließlich von dem versicherungsfreien Arbeitnehmer abgeleitet ist. Die Versicherungsfreiheit als Hinterbliebenenrentner greift jedoch gem. § 6 Abs. 3 SGB V nicht auf andere die Versicherungspflicht begründende Tatbestände über, sondern erfasst als Tatbestand der relativen Versicherungsfreiheit nur die abgeleitete Versorgung1. Die Versicherungspflicht aus anderen Gründen, etwa wegen einer Erwerbstätigkeit oder wegen des Fehlens anderweitiger Absicherung im Krankheitsfall, bleibt davon unberührt. Diese begrenzte Versicherungsfreiheit des beihilfeberechtigten Hinterblie- 140 benenrentners kann aufgrund der zusätzlichen Beitragsbelastung zu einer Benachteiligung führen; dennoch ist die Regelung aufgrund der Berechtigung des Gesetzgebers, generalisierende und typisierende Regelungen zu schaffen, verfassungsgemäß. Es ist durch den sozialpolitischen Willen des Gesetzgebers gerechtfertigt, Personen vorrangig dem Sicherungssystem zuzuordnen, dem ihre eigene Erwerbstätigkeit entspricht, und eine daneben bestehende, von einer anderen Person abgeleitete Sicherung dahinter zurücktreten zu lassen. Dementsprechend sind Beamte und die beamtenähnlich versorgten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auch im Ruhestand ihrem Sicherungssystem zugeordnet. Für Arbeitnehmer steht demgegenüber, auch wenn sie Hinterbliebene versicherungsfrei beschäftigter Arbeitnehmer sind, ein eigenes Sicherungssystem in der Gestalt der gesetzlichen Krankenversicherung bereit, das auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist; dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Hinterbliebenenrentner im Rahmen des beamtenrechtlichen Sicherungssystems nicht gegen den krankheitsbedingten Ausfall des eigenen Arbeitsentgelts geschützt sind, während sie als Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung über den Krankengeldanspruch gem. §§ 44 und 45 SGB V abgesichert sind2. Folgerichtig sind Hinterbliebene von versicherungsfreien Arbeitnehmern nur dann nach § 6 Abs. 2 SGB V von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen, wenn sie keiner eigenen Be1 BSG v. 21.9.1993 – 12 RK 39/91, SozR 3-2500 § 6 Nr. 6; Peters, in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB V Rz. 41. 2 BVerfG v. 25.2.2004 – 1 BvR 1564/94, SozR 4-2500 § 6 Nr. 5. Oberthür
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Teil 10
Rz. 142
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
schäftigung nachgehen und allein aus der Versicherung des verstorbenen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Hinterbliebenenrente beziehen. Eine neben dem Rentenbezug ausgeübte Beschäftigung begründet demgegenüber gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Gleiches gilt gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für den Bezug einer gesetzlichen Rente aus eigener Versicherung; allerdings kann sich der Hinterbliebene, der nur wegen des Rentenbezuges in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig wird, gem. § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen. 4. Ausschluss der Familienversicherung 142
Die Familienmitglieder der in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Arbeitnehmer, also deren Ehegatten, Lebenspartner und Kinder, profitieren in den Fällen, in denen sie etwa wegen Arbeitslosigkeit, Elternzeit o.ä. keinen eigenen Krankenversicherungsschutz besitzen, grundsätzlich von der Familienversicherung gem. § 10 SGB V, indem sie ohne eigene Beitragsbelastung in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen werden. Die Familienversicherung genießt gem. § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V nF auch Vorrang vor der allgemeinen Versicherungspflicht mangels anderweitiger Versicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.
143
Der Geltungsbereich der Familienversicherung ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V jedoch ausgeschlossen für Familienmitglieder, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei sind. Hiervon sind auch Familienmitglieder erfasst, die aufgrund der Zuordnung zu den Sicherungssystemen der Beamten gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherungsfrei sind. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Personen, die sich nachhaltig von der gesetzlichen Krankenversicherung gelöst haben, den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung auch als Angehöriger nicht benötigen1.
144
Die Familienversicherung greift deshalb für versicherungsfreie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bspw. auch dann nicht ein, wenn diese während der Elternzeit nicht mehr über eigenes Einkommen verfügen. Auch in diesem Fall besteht eine beamtenähnliche Versorgung und damit die Versicherungsfreiheit gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fort2. Der Gesetzgeber geht sowohl in der Krankenversicherung für versicherungspflichtige Arbeitnehmer als auch im Beihilferecht für Beamte grundsätzlich davon aus, dass während der Elternzeit dasselbe Sicherungssystem zuständig ist wie vorher während der Ausübung der entgeltlichen Beschäftigung. Maßgebend dafür ist, dass der beamtenrechtliche Sicherungsstatus in einer der Elternzeit entsprechenden Weise fortbesteht und mit dem eines krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmers in der Elternzeit gleichwertig ist; darauf, 1 Begründung des Gesetzentwurfs zum GRG v. 3.5.1988, BT-Drucks. 11/2237, S. 161. 2 Zu den Beihilfeansprüchen der Beamten in der Elternzeit vgl. § 5 der Elternzeitverordnung.
928 Oberthür
III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 148 Teil 10
ob ein individueller Anspruch auf Beihilfe besteht, kommt es nicht entscheidend an. Die mit dem Wegfall des Einkommens verbundene finanzielle Belastung durch die Weiterführung der beihilfeergänzenden privaten Krankenversicherung, die überdies durch die Einführung eines Elterngeldes für ab dem 1.1.2007 geborene Kinder gemildert worden ist, müssen ggf. im Rahmen des dortigen Systems ausgeglichen werden1. Endet demgegenüber die Beihilfeberechtigung und damit auch die Ver- 145 sicherungsfreiheit, so unterfällt der ehemals versicherungsfreie Angehörige bei fehlender eigener Versicherungspflicht grundsätzlich auch wieder der Familienversicherung. Dies gilt nicht nur, wenn der Arbeitnehmer nach der Elternzeit ohne Dienstbezüge beurlaubt wird2, sondern auch bei Arbeitsplatzverlust und nachfolgender Arbeitslosigkeit. 5. Tarifliche Sozialleistungen im Krankheitsfall Für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die keinen Anspruch auf 146 beamtenähnliche Krankenfürsorge besitzen und auch nicht aufgrund der Höhe ihres Einkommens versicherungsfrei sind, bleibt es bei der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Leistungsansprüche dieser Arbeitnehmer richten sich grundsätzlich nach dem gesetzlichen Leistungsniveau. Die Manteltarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen hierbei jedoch zum Teil ergänzende Regelungen vor. a) Entgeltfortzahlung und Zuschussleistungen im Krankheitsfall Während beamtenähnlich versorgte Arbeitnehmer im Krankheitsfalle einen zeitlich unbegrenzten Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung haben, ist dieser Anspruch für andere Arbeitnehmer gem. § 3 EFZG auf sechs Wochen begrenzt. Danach besteht für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer lediglich ein zeitlich begrenzter Anspruch auf Krankengeld gem. § 47 SGB V. Für die Angestellten des öffentlichen Dienstes sehen die tariflichen Regelungen jedoch weitergehende Leistungen vor, die zumindest eine Annäherung an die beamtenähnliche Absicherung beinhalten sollen.
147
Im Anwendungsbereich des BAT (Bundesangestellten-Tarifvertrag) sieht § 71 Abs. 2 BAT für langjährig Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber ununterbrochen bereits am 30.6.1994 bestanden hat3, eine erhebliche Erweiterung des Entgeltfortzahlungszeitraumes über
148
1 BSG v. 28.3.2000 – B 8 KN 10/98 KR R, SozR 3-2500 § 10 Nr. 18; BSG v. 18.3.1999 – B 12 KR 13/98 R, SozR 3-2500 § 10 Nr. 14; BSG v. 29.6.1993 – 12 RK 91/92, SozR 3-2500 § 10 Nr. 3; Peters, in: Kasseler Kommentar, § 10 Rz. 12; seit der Einfügung von § 10 Abs. 1 Satz 3 SGB V zum 1.1.2000 gilt dieselbe Rechtsfolge auch für Arbeitnehmer, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind. 2 BSG v. 28.3.2000 – B 8 KN 10/98 KR R, SozR 3-2500 § 10 Nr. 18; BSG v. 23.10.1996 – 4 RK 1/96, SozR 3-2500 § 10 Nr. 8. 3 Voraussetzung ist eine Beschäftigung im Tarifgebiet West, vgl. BAG v. 27.5.2004 – 6 AZR 6/03, NZA-RR 2005, 387. Oberthür
929
Teil 10
Rz. 149
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
das gesetzliche Maß hinaus vor. Für diese Arbeitnehmer wird nach einer Dienstzeit von mindestens zehn Jahren die Dauer der Entgeltfortzahlung bis zum Ende der 26. Woche der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verlängert. 149
Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30.6.1994 begründet wurde, die zwischenzeitlich zu einem anderen Arbeitgeber innerhalb des öffentlichen Dienstes gewechselt sind oder die auf die Anwendung des § 71 BAT verzichtet haben, bleibt es auch im Anwendungsbereich des BAT bei dem gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen. Diese Arbeitnehmer haben jedoch anschließend gem. § 37 Abs. 3 BAT für Zeiten, für die Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder vergleichbare Leistungen aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung oder nach dem Bundesversorgungsgesetz gezahlt werden, gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf die Gewährung eines Krankengeldzuschusses. Der Krankengeldzuschuss wird ebenfalls nur zeitlich begrenzt geleistet und setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seit mehr als einem Jahr beschäftigt ist; er wird dann bis zum Ende der 13. Woche, bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit geleistet. Dabei muss die maßgebliche Beschäftigungsdauer nicht bereits bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit vollendet sein; es genügt gem. § 37 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT, dass diese im Laufe des Arbeitsunfähigkeitszeitraumes vollendet wird. Schließlich enthält § 37 Abs. 5 BAT eine zeitliche Höchstbegrenzung der Krankenbezüge einschließlich des Krankengeldzuschusses für die Dauer von – je nach Beschäftigungszeit – 13 bzw. 26 Wochen je Kalenderjahr1.
150
Vergleichbare Regelungen gelten für die Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst). Allerdings wurde im TVöD die Differenzierung des BAT zwischen langjährig beschäftigten und anderen Arbeitnehmern aufgegeben. Dieser Tarifvertrag sieht gem. § 22 Abs. 2 TVöD als zusätzliche Leistung zu der gesetzlich vorgesehenen Entgeltfortzahlung einheitlich nur die Leistung eines Krankengeldzuschusses vor. Auch hier setzt die Zahlung des Zuschusses eine Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr voraus; ab einer Beschäftigungsdauer von mehr als drei Jahren verlängert sich der Zuschusszeitraum jedoch sogar bis zum Ende der 39. Woche seit Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Eine jährliche Höchstbegrenzung der Leistungen im Krankheitsfall besteht nicht2.
151
Der Krankengeldzuschuss soll die Differenz zwischen dem Krankengeld und der bisherigen Nettovergütung ausgleichen. Tatsächlich wird ein vollständiger Ausgleich jedoch nicht erreicht, da zur Berechnung des Kranken1 Zu den Details der tariflichen Regelung vgl. etwa Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, Kommentar zum BAT; Dassau/Wiesend-Rothbrust, Kompaktkommentar zum BAT; Schmidt, PersR 1999, 71. 2 Zu den Details der tariflichen Regelung vgl. etwa Sponer/Steinherr, Kommentar zum TVöD; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrink, Kommentar zum TVöD; Zetl, ZMV 2006, 72; Hock, ZTR 2005, 614.
930 Oberthür
III. Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Rz. 154 Teil 10
geldzuschusses gem. § 37 Abs. 8 BAT bzw. § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD auf das Bruttokrankengeld abgestellt wird; aus diesem müssen allerdings Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung entrichtet werden, so dass das verbleibende Nettokrankengeld gemeinsam mit dem Krankengeldzuschuss geringer ist als die bisherige volle Nettovergütung. Für Arbeitnehmer im Geltungsbereich des TVöD, deren Arbeitsverhältnis bereits am 30.6.1994 bestanden hat, enthält § 13 Abs. 1 der Überleitungstarifverträge TVÜ-Bund und TVÜ-VKA jedoch Sonderregelungen, nach denen ein vollständiger Nettoausgleich vorgenommen wird. Auch privat krankenversicherte Arbeitnehmer, die nicht beamtenähnlich 152 versorgt sind, haben Anspruch auf den tariflichen Krankengeldzuschuss. Bei ihnen wird der Berechnung jeweils ein fiktiver Krankengeldanspruch entsprechend den Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse zugrunde gelegt. Ob und in welcher Höhe diese Arbeitnehmer eine private Krankentagegeldversicherung tatsächlich abgeschlossen haben, ist für den Anspruch auf den tariflichen Krankengeldzuschuss unerheblich. b) Freistellung bei Erkrankung eines Kindes oder der Betreuungsperson Arbeitnehmer, die mangels anderweitiger Betreuung ein erkranktes, in der 153 gesetzlichen Krankenversicherung versichertes1 Kind pflegen müssen, das entweder das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist, haben gem. § 45 Abs. 5 SGB V einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung für die Dauer der Erkrankung. Der Anspruch ist für jedes Kind begrenzt auf jeweils 10 Arbeitstage bzw. 20 Arbeitstage für Alleinerziehende, die jährliche Höchstanspruchsdauer ist begrenzt auf 25 Arbeitstage bzw. 50 Arbeitstage für Alleinerziehende2. Diesen Freistellungsanspruch besitzen alle Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob sie in der gesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherung versichert sind. Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer haben für die Dauer der Freistellung einen Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld; bei privat versicherten Arbeitnehmern richtet sich ein etwaiger Anspruch auf Krankentagegeld nach den Bedingungen des privaten Versicherungsverhältnisses. Nur wenn ein Freistellungsanspruch aus § 45 SGB V nicht besteht und im 154 laufenden Jahr auch noch nicht bestanden hat, besteht eine Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur bezahlten Freistellung. In Konkretisierung der gesetzlichen Regelung in § 616 BGB, der einen Anspruch auf bezahlte Freistellung gewährt, wenn die Dauer der pflegebedingten Abwesenheit insgesamt nicht unverhältnismäßig lang ist3, haben Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in diesem Fall gem. § 29 TVöD bzw. § 52 BAT Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Pflege eines erkrankten Kindes, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Voraussetzung ist, dass eine andere 1 BSG v. 31.3.1998 – B 1 KR 9/96 R, SozR 3-2500 § 45 Nr. 2. 2 Ein weitergehender, zeitlich unbegrenzter Freistellungsanspruch besteht bei einer schweren, unheilbaren Erkrankung des Kindes im fortgeschrittenen Stadium, § 45 Abs. 4 SGB V. 3 Vgl. zum Meinungsstand Kleinebrink, ArbRB 2006, 303 mwN. Oberthür
931
Teil 10
Rz. 155
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Pflegeperson nicht sofort zur Verfügung steht und die Pflegebedürftigkeit ärztlicherseits bescheinigt wird. Dieser Anspruch ist begrenzt auf die Dauer von maximal vier Arbeitstagen im Kalenderjahr. 155
Zusätzlich beinhalten die tariflichen Regelungen einen Anspruch auf bezahlte Freistellung bei der schweren Erkrankung des Ehegatten oder einer anderen Betreuungsperson, wenn der Arbeitnehmer statt dieser die Betreuung seines Kindes, das das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder aufgrund einer Behinderung dauerhaft pflegebedürftig ist, übernehmen muss. Auch dieser Anspruch ist begrenzt auf insgesamt vier Arbeitstage im Kalenderjahr.
156
Die tariflichen Ansprüche auf bezahlte Freistellung wegen der Betreuung von Angehörigen und Kindern sind auf insgesamt fünf Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt. Weitergehende Ansprüche können im Geltungsbereich der tariflichen Regelungen auch aus § 616 BGB nicht hergeleitet werden.
IV. Besonderheiten in der Versorgung bei Arbeitslosigkeit (Gesetzliche Arbeitslosenversicherung) 157
Abhängig beschäftigte Arbeitnehmer unterliegen gem. §§ 24, 25 SGB III für die Dauer der Beschäftigung grundsätzlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
158
Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung für beamtenähnlich abgesicherte Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes folgt derjenigen in der Krankenversicherung nach. Gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III1, der in seinem Wortlaut mit der krankenversicherungsrechtlichen Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V übereinstimmt, besteht Versicherungsfreiheit für „Beamte, Richter, Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldaten der Bundeswehr und sonstige Beschäftigte des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen oder Verbänden öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben.“
1 § 27 SGB III wurde durch das Gesetz zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1997 (BGBl 1997/I, S. 594) mit Wirkung vom 1.1.1998 eingeführt; die Vorgängerregelung des § 169 AFG, die auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verwiesen hatte, wurde dabei inhaltlich unverändert übernommen.
932 Oberthür
IV. Arbeitslosigkeit
Rz. 162 Teil 10
a) Beschäftigte privilegierter Arbeitgeber Der in der Arbeitslosenversicherung gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III versicherungsfreie Personenkreis ist demjenigen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V identisch ausgestaltet1, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann (Rz. 93 ff.).
159
b) Fürsorgestatus nach beamtenrechtlichen Grundsätzen Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sind in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei, wenn sie aufgrund der Gewährung einer beamtenähnlichen Krankenfürsorge auch in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei sind.
160
Im Gegensatz zu § 169 AFG in der bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung2 161 stellt § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III für die Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung damit nicht mehr auf die rentenrechtliche Versorgungsanwartschaft ab, die durch Gewährleistungsentscheidung festgestellt werden muss (Rz. 33), sondern auf die Absicherung des Arbeitnehmers im Falle der Krankheit. Zwar weist auch das Merkmal der beamtenähnlichen Heilfürsorge keinen speziellen Bezug zu dem Risiko der Arbeitslosigkeit auf, geht es doch in der Arbeitslosenversicherung nicht darum, den Versicherten gegen den Erwerbsausfall wegen Krankheit zu schützen, sondern darum, den Wegfall des Erwerbseinkommens wegen Arbeitslosigkeit abzusichern. Allerdings geht der Gesetzgeber insoweit typisierend von der Erfahrung aus, dass derjenige, der einer beamtenähnlichen Krankenfürsorge unterfällt, vielfach auch wie ein Beamter gegen den Verlust des Arbeitsplatzes gesichert ist. Auch spricht im Interesse eines einheitlichen und rationellen Beitragseinzuges einiges dafür, für die Beurteilung der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung möglichst einheitliche Maßstäbe zu verwenden. Es lag daher nahe, dem Recht der Krankenversicherung als dem beitragsintensiveren Versicherungsbereich eine einheitliche Vorgabe zu entnehmen und für das Recht der Arbeitslosenversicherung daran anzuknüpfen3. Die Ausführungen zu den Anforderungen an eine beamtenähnliche Für- 162 sorge im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gelten daher für den Bereich der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung entsprechend (Rz. 96 ff.). Zu betonen ist, dass die Ansprüche auf Krankenfürsorge auch hier nicht auf öffentlich-rechtlichen Bestimmungen beruhen müssen; aus-
1 Niesel/Brand, § 27 SGB III Rz. 4; aA Jahn/Klose/Sauer, § 27 SGB III Rz. 8, der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes von der Versicherungsfreiheit nicht erfasst sehen will. 2 Vgl. hierzu BSG v. 23.11.1973 – RK 22/72, DAngVers 1974, 139. 3 BSG v. 11.10.2001 – B 12 KR 7/01 R, SozR 3-4100 § 169 Nr. 7; ebenso BSG v. 27.11.1984 – 12 RK 18/82, SozR 2200 § 169 Nr. 11 zu § 169 AFG, zu der Vorgängerregelung des § 169 AFG aF, der an die Gewährleistung einer beamtenähnlichen Altersversorgung anknüpfte. Oberthür
933
Teil 10
Rz. 163
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
reichend ist eine arbeits- oder tarifvertragliche Gewährleistung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen1. c) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit 163
Seit die Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung nicht mehr von der Gewährleistung einer beamtenähnlichen Altersversorgung abhängt, tritt die Versicherungsfreiheit mit Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unmittelbar kraft Gesetzes ein und endet automatisch mit deren Wegfall. Eines behördlichen Aktes in Form einer Feststellung der Versicherungsfreiheit, wie dies im Rentenversicherungsrecht mit der Gewährleistungsentscheidung erforderlich ist (Rz. 33), bedarf es im Recht der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung nicht2.
164
Eine zeitliche Rückwirkung kann dem beamtenähnlichen Fürsorgestatus nicht verliehen werden; eine rückwirkende Gewährleistung der Krankenfürsorge führt daher nicht zu einem rückwirkenden Wegfall der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Die Versicherungsfreiheit kann daher durch die Erteilung der Fürsorgezusage stets nur für die Zukunft eintreten. d) Reichweite der Versicherungsfreiheit
165
Im Gegensatz zu der krankenversicherungsrechtlichen Beurteilung, bei der sich gem. § 6 Abs. 3 SGB V die Versicherungsfreiheit auch auf andere Beschäftigungen erstreckt, ist die Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung streng tätigkeitsbezogen; die aus der privilegierten Beschäftigung erwachsende relative Versicherungsfreiheit kann nicht auf andere Beschäftigungen oder Nebenbeschäftigungen des Arbeitnehmers erstreckt werden3.
166
Auch Arbeitnehmer, die von einem öffentlichen Arbeitgeber unter Wegfall der Krankenfürsorge zur Beschäftigung in der Privatwirtschaft beurlaubt werden, unterfallen daher der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Dies gilt auch dann, wenn die Beurlaubung mit der Folge des Wiederauflebens der beamtenähnlichen Krankenfürsorge jederzeit einseitig wieder beendet werden kann4 oder wenn eine Ausbildung unter Fortzahlung der vollen Dienstbezüge erfolgt5. Gleiches gilt für eine neben der privilegierten Beschäftigung ausgeübte Nebentätigkeit. Ob sich das Risiko der 1 Eicher/Schlegel, § 27 SGB III Rz. 36; Hauck/Noftz/Timme, § 27 SGB III Rz. 9; aA Gagel/Fuchs, § 27 SGB III Rz. 10; Niesel/Brand, § 27 SGB III Rz. 4. 2 Hauck/NoftzTimme, § 27 SGB III Rz. 5; Eicher/Schlegel, § 27 SGB III Rz. 3. 3 Wannagat/Eichenhofer/Lauterbach, § 27 SGB III Rz. 4; Eicher/Schlegel, § 27 SGB III Rz. 11, 34; Niesel/Brand, § 27 SGB III Rz. 3; Wagner, in: GK-SGB III, § 27 SGB III Rz. 4; Gagel/Fuchs, § 27 SGB III Rz. 19. 4 BSG v. 29.3.2003 – B 12 KR 15/02 R, SozR 4-4100 § 169 Nr. 1: Berufssoldaten; BSG v. 7.11.1995 – 12 BK 91/94, DBlR 4265, AFG/§ 169: Postbeamte; BSG v. 12.11.1975 – 3/12 RK 10/74, SozR 2200 § 172 Nr. 4. 5 BSG v. 14.9.1978 – 12 RK 57/76, SozR 2200 § 169 Nr. 6.
934 Oberthür
V. Pflegebedürftigkeit
Rz. 169 Teil 10
Arbeitslosigkeit für den Arbeitnehmer im Einzelfall tatsächlich verwirklichen kann, ist angesichts der typisierenden Beurteilung der versicherungsrechtlichen Schutzbedürftigkeit nicht entscheidend1. 2. Versicherungsfreiheit von Rentnern, Hinterbliebenen und Familienangehörigen Mit Vollendung des für den Bezug der gesetzlichen Regelaltersrente maßgeb- 167 lichen Lebensalters2 besteht generell Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Auch vor diesem Zeitpunkt führt der Bezug von Versorgungsleistungen in der Arbeitslosenversicherung – anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung (Rz. 46) – nicht ohne weiteres zur Begründung der Versicherungspflicht. Die Arbeitslosenversicherung zieht die Bezieher von Versorgungsleistungen nur dann in den Kreis der Versicherungspflichtigen ein, wenn die Leistung den Charakter einer Entgeltersatzleistung besitzt. Der Bezug beamtenähnlicher Versorgungsleistungen führt dementsprechend nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Der Bezug anderer Versorgungsleistungen, etwa von Krankentagegeld aus einer privaten Krankenversicherung oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, kann zwar gem. § 26 Abs. 2 SGB III zur Versicherungspflicht führen und in Einzelfällen auch beamtenähnliche Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erfassen, doch tritt auch in diesen Fällen Versicherungspflicht nur dann ein, wenn der Versorgungsbezieher vor Beginn des Leistungsbezuges in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig gewesen ist. Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in die beamtenähnlichen Sicherungssystemen einbezogen sind, unterfallen daher auch bei dem Bezug anderweitiger Entgeltersatzleistungen in aller Regel nicht der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Auf den versicherungsrechtlichen Status von Familienangehörigen und Hinterbliebenen hat die Versicherungsfreiheit des beamtenähnlich versorgten Arbeitnehmers keinen Einfluss. Dieser ist vielmehr ausschließlich nach dem eigenen sozialversicherungsrechtlichen Status des Angehörigen zu bestimmen.
168
V. Besonderheiten in der Versorgung bei Pflegebedürftigkeit (Gesetzliche Pflegeversicherung) Die gesetzliche Pflegeversicherung geht gem. § 1 Abs. 2 SGB XI von dem systembezogenen Grundsatz „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“ aus. Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, un1 BVerfG v. 11.3.1980 – 1 BvL 20/76, BVerfGE 53, 313. 2 Die Altersgrenze von bislang 65 Jahren wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersrente an die demographische Entwicklung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 9.3.2007 (BGBl. I, 554) mit Wirkung vom 1.1.2008 auf das individuelle Lebensjahr angehoben, in dem der Anspruch auf die Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung entsteht. Oberthür
935
169
Teil 10
Rz. 170
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
terliegt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung, während derjenige, der privat krankenversichert ist, dem System der privaten Pflegeversicherung zugeordnet ist. 170
Dabei bestand der wesentliche Unterschied zu dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bislang darin, dass auch für Arbeitnehmer, die dem gesetzlichen Krankenversicherungssystem nicht angehörten oder dort lediglich freiwillig versichert waren, nahezu ausnahmslos eine Pflicht zum Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages bestand1, während bei fehlender Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung die Entscheidung über Art und Umfang der eigenen Absicherung für den Krankheitsfall frei getroffen werden konnte. Dieser Unterschied ist nach der sukzessiven Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (Rz. 104) seit dem 1.1.2009 beseitigt. In beiden Systemen gilt nunmehr der im System der Pflegeversicherung von Anfang an bestehende Grundsatz, dass das Fehlen der Versicherungspflicht in dem gesetzlichen Versicherungssystem nicht zur Versicherungsfreiheit führt, sondern vielmehr zur Versicherungspflicht in dem privaten Versicherungssystem.
171
Im Gegensatz zu den übrigen Systemen der gesetzlichen Sozialversicherung gibt es deshalb im Pflegeversicherungsrecht auch für beamtenähnlich abgesicherte Arbeitnehmer keine Versicherungsfreiheit. Von ihrem krankenversicherungsrechtlichen Status hängt lediglich ab, welchem Pflegeversicherungssystem sie zugeordnet sind. 1. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung, § 20 Abs. 1 und 3 SGB XI
172
Der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung unterliegen gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI zunächst diejenigen Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind; dies gilt gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI auch für diejenigen Personen, die mangels anderweitiger Absicherung nunmehr gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden.
173
Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung erfasst darüber hinaus auch Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, § 20 Abs. 3 SGB XI. Arbeitnehmer, die etwa wegen der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze oder wegen der Gewährung einer beamtenähnlichen Krankenfürsorge zwar nicht versicherungspflichtig sind, aber dennoch weiterhin freiwillig dem System der gesetzlichen Krankenversicherung angehören, verbleiben daher auch im Hinblick auf die Pflegeversicherung in diesem System2.
1 Zur Verfassungsmäßigkeit dieser umfassenden Versicherungspflicht BVerfG v. 3.4.2001 – 1 BvR 1681/94, SozR 3-3300 § 23 Nr. 3. 2 Zur Verfassungsmäßigkeit der Pflegeversicherungspflicht freiwillig Krankenversicherter BSG v. 3.9.1998 – B 12 KR 23/97 R, SozR 3-3300 § 20 Nr. 5.
936 Oberthür
V. Pflegebedürftigkeit
Rz. 177 Teil 10
Freiwillig gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer, die bei Eintritt der 174 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung bereits bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind, besitzen jedoch gem. § 22 Abs. 1 SGB XI einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Voraussetzung ist der Nachweis, dass der Arbeitnehmer für sich selbst und seine Angehörigen, die gem. § 25 SGB XI der Familienversicherung in der gesetzlichen Pflegeversicherung unterliegen würden, private Pflegeleistungen beanspruchen kann, die nach Art und Umfang den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung gleichwertig sind (Rz. 177 ff.). Für beihilfeberechtigte Arbeitnehmer genügt insoweit das Vorliegen eines anteiligen Versicherungsvertrages zur Ergänzung der Beihilfeleistungen. Der Befreiungsantrag muss binnen drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der zuständigen Pflegekasse gestellt und kann nicht widerrufen werden. Die von der Versicherungspflicht befreiten Personen sind gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XI verpflichtet, den Pflegeversicherungsvertrag aufrechtzuerhalten, solange sie krankenversichert sind. Der Verstoß gegen diese Verpflichtung kann eine Ordnungswidrigkeit darstellen (Rz. 190).
175
2. Versicherungspflicht in der privaten Pflegeversicherung, § 23 Abs. 1 SGB XI § 23 Abs. 1 SGB XI verpflichtet jedermann, der bei einem privaten Ver- 176 sicherungsunternehmen gegen das Risiko der Krankheit versichert ist, auch einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Dementsprechend sind auch Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die mit einem Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen1 privat krankenversichert sind, verpflichtet, bei diesem oder einem anderen2 Versicherungsunternehmen das Risiko der Pflegebedürftigkeit durch einen privaten Versicherungsvertrag abzusichern. Diese Zuweisung in das System der privaten Pflegeversicherung ist zwingend. Ein Wahlrecht dahingehend, stattdessen eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Pflegeversicherung zu begründen, besteht nach dem – verfassungskonformen3 – Willen des Gesetzgebers nicht. Die private Pflegeversicherung muss in sachlicher, persönlicher und zeitlicher Hinsicht einen bestimmten Umfang aufweisen, der in § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB XI näher definiert ist. Demnach muss der Versicherungsvertrag „ab dem Zeitpunkt der Versicherungspflicht für den Arbeitnehmer 1 Gemeint ist das Bestehen einer Krankheitskostenvollversicherung; reine KrankenZusatzversicherung wie Krankentagegeld-, Sterbe- oder Auslandskrankenversicherungen, die die allgemeinen Krankheitsrisiken nicht absichern, fallen nicht unter diesen Begriff. 2 § 23 Abs. 2 SGB XI. 3 BVerfG v. 3.4.2002 – 1 BvR 1681/94, SozR 3-3300 § 23 Nr. 3; BSG v. 3.9.1998 – B 12 P 3/97 R, SozR 3-3300 § 20 Nr. 4; BSG v. 6.11.1997 – 12 RP 2/96, SozR 3-3300 § 20 Nr. 3. Oberthür
937
177
Teil 10
Rz. 178
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
selbst sowie für seine Angehörigen und Lebenspartner, die gem. § 25 SGB XI in der gesetzlichen Pflegeversicherung der Familienversicherung unterliegen würden, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung gleichwertig sind“. 178
In persönlicher Hinsicht muss der Leistungsumfang des privaten Versicherungsvertrages daher neben dem Arbeitnehmer selbst auch diejenigen seiner Angehörigen erfassen, die in der gesetzlichen Pflegeversicherung gem. § 25 SGB XI familienversichert wären, also den Ehegatten bzw. Lebenspartner sowie die unterhaltsberechtigten Kinder.
179
In sachlicher Hinsicht muss der private Pflegeversicherungsvertrag den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung gleichwertig sein. Dies gilt für die Leistungsvoraussetzungen, die Leistungsstufen und die Leistungshöhe, wobei an die Stelle der im gesetzlichen System gewährten Sachleistung jedoch das Prinzip der Kostenerstattung tritt, da die private Krankenund Pflegeversicherung das Prinzip der Sachleistung ihrem Wesen nach nicht kennt1. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung erfordert das Prinzip der Gleichwertigkeit auch, dass die Leistungen des Versicherungsunternehmens in dem Maße anzupassen sind, wie die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung gem. § 30 SGB XI dynamisiert werden. Weitere inhaltliche Anforderungen an den Versicherungsvertrag ergeben sich aus § 23 Abs. 6 SB XI und § 110 SGB XI. Damit sind insbesondere an die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu der jeweiligen Pflegestufe dieselben Maßstäbe anzulegen wie in der gesetzlichen Pflegeversicherung.
180
In zeitlicher Hinsicht schließlich muss der Leistungsumfang von Beginn der Versicherungspflicht an gewährleistet sein und für die Dauer der Versicherungspflicht bestehen („aufrechterhalten“) bleiben. Der Verstoß gegen diese Verpflichtung kann eine Ordnungswidrigkeit darstellen (Rz. 190). 3. Versicherungspflicht in der privaten Pflegeversicherung für Beihilfeberechtigte, § 23 Abs. 1 SGB XI
181
Auch beihilfeberechtigte Arbeitnehmer, die eine nur anteilige, beihilfekonforme private Krankenversicherung abgeschlossen haben, unterliegen aufgrund ihrer privaten Krankenversicherung gem. § 23 Abs. 1 SGB XI der Pflicht zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung. Für sie enthält § 23 Abs. 3 SGB XI jedoch die Klarstellung, dass dieser Pflicht bereits mit dem Abschluss einer anteiligen, die Beihilfeleistungen ergänzenden Pflegeversicherung genügt ist.
182
Die Streitfrage, ob § 23 Abs. 3 SGB XI darüber hinausgehend eine eigenständige Versicherungspflicht auch für beihilfeberechtigte Arbeitnehmer begründet hat, die weder in der gesetzlichen noch in der privaten Krankenversicherung versichert waren und damit einer Pflegeversicherungspflicht
1 BSG v. 30.3.2000 – B 3 P 21/99 R, SozR 3-3300 § 77 Nr. 3.
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V. Pflegebedürftigkeit
Rz. 187 Teil 10
nach den §§ 20, 23 Abs. 1 SGB XI nicht unterlagen1, ist seit dem 1.1.2009 obsolet, da mit der Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht eine Zuweisung zu einem der beiden Krankenversicherungssysteme zwangsläufig vorliegt. a) Definition der beamtenähnlichen Beihilfeberechtigung im Pflegefall § 23 Abs. 3 SGB XI modifiziert den Versicherungsbedarf für diejenigen Per- 183 sonen, die „nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder Vorschriften bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben“. Eine Beschränkung auf besonders privilegierte öffentliche Arbeitgeber, wie dies in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung vorgesehen ist, enthält das Gesetz dabei nicht. Der Beihilfeanspruch für Bundesbeamten ist in den Beihilfevorschriften des 184 Bundes, derjenige für die Beamten des Landes in den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen enthalten. Dabei übernimmt die Beihilfe je nach Familienstand und Status des Beihilfeberechtigten einen prozentualen Anteil von 50 bis 80 % der beihilfefähigen Aufwendungen2. Dementsprechend müssen auch die Beihilfeleistungen des Arbeitgebers ausgestaltet sein. b) Inhalt und Kosten der beihilfekonformen Pflegeversicherung Die private Pflegeversicherung muss auch für beihilfeberechtigte Arbeitnehmer grundsätzlich Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung gleichwertig sind (Rz. 177 ff.).
185
Allerdings genügt es bei der beihilfekonformen Pflegeversicherung gem. 186 § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XI, dass sich die Gleichwertigkeit mit dem gesetzlichen Leistungsumfang erst aus der Verbindung der privaten Versicherungsleistungen mit den Beihilfeleistungen ergibt; es reicht daher aus, einen nur anteiligen, beihilfekonformen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen3. Die Kosten hierfür trägt der Arbeitnehmer jedoch allein; ein Anspruch auf einen Beitragszuschuss gegen den Arbeitgeber besteht gem. § 61 Abs. 8 SGB XI nicht. 4. Versicherungspflicht für Rentner, Hinterbliebene und Familienangehörige Auch bei Rentnern knüpft die Pflegeversicherung an die Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung an. Beihilfeberechtigte Arbeitneh1 So LSG Berlin-Brandenburg v. 19.6.2008 – L 27 P 6/08, nv.; BSG v. 12.2.2004 – B 12 P 3/02 R, SozR 4-3300 § 23 Nr. 1; BVerfG v. 25.9.2001 – 2 BvR 2442/94, NZS 2002, 87; Schulin/Hübner, § 110 Rz. 22; Lutter, BABl. 1994, 51; aA Hauck/Wilde/Wagner, SGB XI, § 23 Rz. 11; Peters, in: Kasseler Kommentar, § 23 SGB XI Rz. 7. 2 Vgl. §§ 9, 14 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV). 3 Bei der Bemessung der Vertragsleistungen werden dabei einheitlich die Beihilfebemessungssätze gem. § 14 Abs. 1 der Beihilfevorschriften des Bundes zugrunde gelegt, § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XI. Oberthür
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Teil 10
Rz. 188
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
mer im Ruhestand unterliegen regelmäßig nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V (Rz. 136) und damit auch nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI. Entsprechendes gilt für Hinterbliebenenrentner, die ihre Versorgung nur von dem versicherungsfreien Beschäftigten ableiten (Rz. 137). Sie unterliegen bei entsprechender Zugehörigkeit zu dem System der privaten Krankenversicherung auch der privaten Pflegeversicherung. 188
Familienangehörige der beihilfeberechtigten Arbeitnehmer sind nach den näheren Bestimmungen des § 25 SGB XI in der gesetzlichen Pflegeversicherung mitversichert, wenn sie nicht von der Versicherungspflicht befreit oder in der privaten Pflegeversicherung versichert sind. 5. Durchführung der Pflegeversicherung
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Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung führt zu der für die gesetzliche Sozialversicherung typischen unmittelbaren Mitgliedschaft bei dem Träger der Sozialversicherung. Dies ist in der gesetzlichen Pflegeversicherung gem. § 48 SGB XI die Pflegekasse der Krankenkasse, bei der der Arbeitnehmer krankenversichert ist. Der versicherungspflichtige Arbeitnehmer hat sich gem. § 50 SGB XI unverzüglich bei der zuständigen Pflegekasse anzumelden.
190
Die Versicherungspflicht in der privaten Pflegeversicherung begründet demgegenüber keine unmittelbare Zugehörigkeit zu einem Versicherungsunternehmen, sondern lediglich – auf Seiten des Arbeitnehmers wie auch des Versicherungsunternehmens1 – einen gesetzlichen Kontrahierungszwang, dh. den Zwang zum Abschluss eines zivilrechtlichen Versicherungsvertrages. Der Vertragsschluss muss damit rechtsgeschäftlich durchgeführt werden, er wird vom Gesetz weder unmittelbar erzwungen noch fingiert. Kommt der Arbeitnehmer einer Verpflichtung zum Abschluss oder zur Aufrechterhaltung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages nicht nach, so stellt dies bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Handeln eine Ordnungswidrigkeit dar, die gem. § 121 Abs. 1 SGB XI mit einem Bußgeld von bis zu 2500 Euro belegt werden kann. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer mit der Entrichtung von sechs Monatsprämien zur privaten Pflegeversicherung in Verzug gerät, § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI, da auch dies den Fortbestand des Versicherungsvertrages gefährdet. Eine Nachzahlung rückwirkender Versicherungsbeiträge ist demgegenüber vom Gesetz – anders als in der privaten Krankenversicherung (Rz. 108) – nicht vorgesehen2.
191
Beihilfeberechtigte Arbeitnehmer, die weder gesetzlich noch privat krankenversichert sind, werden gem. § 51 SGB XI von ihrem Dienstherrn an das Bundesversicherungsamt gemeldet. Gleiches gilt, wenn private Pflegeversicherungsverträge ohne Neuabschluss gekündigt oder wenn der Ver1 Vgl. § 110 SGB XI, LSG Berlin-Brandenburg v. 19.6.2008 – L 27 P 6/08, nv. 2 LSG Schl.-Holst. v. 14.11.2008 – L 10 P 1/08, nv.
940 Oberthür
VI. Unfallfürsorge
Rz. 194 Teil 10
sicherte mit der Entrichtung von sechs Monatsbeiträgen in Verzug geraten ist. Diese Meldepflichten sollen die Durchsetzung der umfassenden Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung zusätzlich absichern.
VI. Besonderheiten der Unfallfürsorge (Gesetzliche Unfallversicherung) Arbeitnehmer sind als Beschäftigte gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII grund- 192 sätzlich in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Die gesetzliche Unfallversicherung dient neben der Absicherung etwa ehrenamtlicher oder sonst gemeinnütziger Tätigkeiten im Wesentlichen der Absicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Da es sich hierbei um Risiken handelt, die aus dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers stammen, ergeben sich für die Arbeitnehmer, anders als in den übrigen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung, aus der Versicherung keine Beitragslasten. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung beinhaltet für Arbeitnehmer daher keine Beitragserleichterung, sondern lediglich den Ausschluss von Leistungsansprüchen. 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung, § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung knüpft 193 nicht an Versorgungsleistungen in anderen Risikofällen an, sondern konkret an die Absicherung des Arbeitnehmers bei unfallbedingten Nachteilen. Dementsprechend sind Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII1 versicherungsfrei, soweit für sie „beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten“. Auch hier besteht die Annahme des Gesetzgebers, dass der Schutz durch ein eigenständiges Versorgungssystem die Einbeziehung des Arbeitnehmers in das gesetzliche Sicherungssystem entbehrlich macht. Doppelleistungen aus beiden Versorgungssystemen sollen vermieden werden. a) Arbeitgeberbezogene Voraussetzungen Im Unterschied zu den übrigen Versicherungszweigen der gesetzlichen So- 194 zialversicherung stellt die gesetzliche Unfallversicherung nicht darauf ab, ob der Arbeitnehmer bei einem besonders privilegierten Arbeitgeber beschäftigt ist. Insoweit können nicht nur Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im engeren Sinne, sondern auch die Arbeitnehmer jedes privatrechtlich organisierten Arbeitgebers in der gesetzlichen Unfallversicherung
1 In Kraft getreten zum 1.1.1997 aufgrund des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes v. 7.8.1996, BGBl. I, 1254, inhaltlich der Vorgängerregelung des § 541 Abs. 1 RVO entsprechend. Oberthür
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Teil 10
Rz. 195
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
versicherungsfrei sein, sofern nur der Schutz gegen Unfallrisiken den beamtenrechtlichen Regelungen angenähert ist1. b) Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen 195
Auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt der Grundsatz, dass der gewährte Leistungsumfang der besonderen Unfallfürsorgevorschriften in seiner Gesamtheit nach Art und Umfang der Leistungen den beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeleistungen weitgehend entsprechen muss2.
196
Die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften sind in §§ 30 ff. des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) geregelt. Dienstunfall ist gem. § 31 BeamtVG ein „auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist“. Hierzu gehören nach den näheren Bestimmungen in § 31 Abs. 2 bis 5 BeamtVG u.a. auch Dienstwege, Dienstreisen, Dienstgänge und dienstliche Veranstaltungen, ebenso wie bestimmte Erkrankungen und Körperschäden bei Angriffen. Dem muss die beamtenähnliche Unfallfürsorge im Wesentlichen entsprechen.
197
Das Beamtenversorgungsgesetz sieht weiter vor, dass Unfallfürsorge nur dann nicht gewährt wird, wenn der Beamte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat; insoweit würde eine Begrenzung der Versorgungsleistungen bereits in Fällen grober Fahrlässigkeit den beamtenrechtlichen Grundsätzen nicht mehr entsprechen.
198
Das Leistungssystem des Beamtenversorgungsgesetzes umfasst neben dem Heilverfahren (§§ 33, 34 BeamtVG) auch einen Unterhaltsbeitrag für die Dauer der durch einen Dienstunfall eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit, § 38 BeamtVG; diese Leistungen muss eine beamtenähnliche Unfallfürsorge gleichermaßen beinhalten. Zudem darf entsprechend dem Beamtenversorgungsgesetz die Unfallfürsorge nur versagt werden, wenn der Beamte eine die Heilbehandlung betreffende Anordnung ohne gesetzlichen oder sonst wichtigen Grund nicht befolgt hat und dadurch seine Dienstfähigkeit ungünstig beeinflusst wird. c) Gewährleistung der Unfallfürsorge
199
Die beamtenrechtlichen Grundsätze müssen „gelten“, d.h., sie müssen rechtsverbindlich ausgestaltet sein. Dies ist etwa bei den DienstordnungsAngestellten der Unfallversicherungsträger der Fall, bei denen die Anwendung der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge satzungsrechtlich vorgegeben ist. Ausreichend ist jedoch auch, dass die beamtenähnliche Unfallfürsorge 1 Schmitt, § 4 SGB VII Rz. 4; Wannagat/Eichenhofer/Jung, § 4 SGB VII Rz. 3; Lauterbach/Watermann/Schwerdtfeger, § 4 SGB VII Rz. 5; aA (bzw. jedenfalls missverständlich hinsichtlich der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes) Brackmann/ Wiester, § 4 SGB VII Rz. 29. 2 Lauterbach/Watermann/Schwerdtfeger, § 4 SGB VII Rz. 10.
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VI. Unfallfürsorge
Rz. 204 Teil 10
nach privatem Recht auf arbeits- oder tarifvertraglicher Basis zugesagt wurde1. Um zu verhindern, dass die Schutzfunktion der gesetzlichen Unfallver- 200 sicherung zu Lasten der Arbeitnehmer umgangen wird, ist es über den Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI hinaus zusätzlich erforderlich, dass die Erfüllung der Unfallfürsorge gewährleistet ist. Die Rechtsprechung verlangt hierfür zumindest die Begründung eines Rechtsanspruchs auf die Fürsorgeleistungen, die Begründung eines Anspruchs auf bloße Ermessensleistungen des Arbeitgebers genügt nicht2. Überwiegend wird weiterhin gefordert, dass der Fürsorgeanspruch auch mit normativer Wirkung geregelt ist, etwa in der Satzung einer öffentlich-rechtlichen Ruhegehalts- oder Versorgungskasse; der Abschluss einer privaten Unfallversicherung reicht demnach zum Ausschluss des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes nicht aus3. Indes ist – anders als bei der Gewährung einer beamtenähnlichen Altersversorgung – eine behördliche Feststellung des beamtenähnlichen Unfallschutzes im Sinne einer förmlichen Gewährleistungsentscheidung (Rz. 33) nicht erforderlich.
201
d) Beginn und Ende der Versicherungsfreiheit Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung tritt mit der Zusage der beamtenähnlichen Unfallfürsorge kraft Gesetzes ein. In gleicher Weise entfällt die Versicherungsfreiheit, wenn der Beschäftigte die Zusage beamtenähnlicher Unfallfürsorge verliert.
202
Die Zusage der Unfallfürsorge bzw. deren späterer Wegfall hat keine Aus- 203 wirkungen auf die Vergangenheit. Insbesondere kann durch den Wegfall der beamtenähnlichen Fürsorge für einen bereits eingetretenen Leistungsfall nicht rückwirkend die Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung begründet werden4. e) Reichweite der Versicherungsfreiheit Die Versicherungsfreiheit gilt nur, „soweit“ beamtenähnliche Unfallfürsorgevorschriften eingreifen, also ausschließlich für die von der Fürsorgezusage erfasste Tätigkeit. Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist damit nicht personen-, sondern streng tätigkeitsbezogen.
1 Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 4 SGB VI Rz. 3; Wannagat/Eichenhofer/Jung, § 4 SGB VII Rz. 3; enger Lauterbach/Watermann/Schwerdtfeger, § 4 SGB VII Rz. 11, der nur eine tarifvertragliche Zusage genügen lassen will. 2 BSG v. 27.3.1990 – 2 RU 43/89, HV-Info 1990, 1215. 3 Gundel, in: GK-SGB VII, § 4 SGB VII Rz. 6; Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 4 SGB VI Rz. 3; Lauterbach/Watermann/Schwerdtfeger, § 4 SGB VII Rz. 11 mwN. 4 BSG v. 26.5.1966 – 2 RU 222/61, SozR Nr. 6 zu § 541 RVO aF. Oberthür
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204
Teil 10
205
Rz. 205
Sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten
Unfälle, die als Dienstunfälle der versicherungsfreien Tätigkeit zuzurechnen sind, unterfallen daher grundsätzlich nicht der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt auch dann, wenn die beamtenrechtlichen Grundsätze im Einzelfall keine Leistungen vorsehen1 oder wenn der Arbeitnehmer später aus der privilegierten Tätigkeit ausscheidet2. Anderweitige Tätigkeiten des Arbeitnehmers, etwa im Rahmen einer nicht dienstlich veranlassten Abordnung oder einer Nebentätigkeit, sind demgegenüber eigenständig danach zu beurteilen, ob sie gem. § 2 SGB VII dem Anwendungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallen3. Unfälle, die außerhalb der versicherungsfreien Beschäftigung eintreten, können daher in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sein4. 2. Versorgungsleistungen bei außerdienstlichen Unfällen
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Arbeitnehmer mit beamtenähnlicher Unfallfürsorge, die einen Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erleiden, der keinen Dienstunfall darstellt, erhalten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
207
Auch in diesen Fällen wird jedoch eine Angleichung an den beamtenrechtlichen Leistungsstandard angestrebt und insbesondere eine Doppelversorgung im Sinne einer Kumulation von Leistungen nach beamtenrechtlichen Vorschriften und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen. Zum einen werden in diesen Fällen gem. § 82 Abs. 4 SGB VII bei der Bemessung der Versorgungsleistungen lediglich die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, die auch der Berechnung eines Unfallruhegehalts zugrunde zu legen wären, berücksichtigt. Zum anderen wird die Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers gem. § 61 Abs. 1 SGB VII dadurch begrenzt, dass eine Rente nur insoweit auszuzahlen ist, als sie im Einzelfall die Dienst- oder Versorgungsbezüge übersteigt; dabei bleibt der Rentenanspruch jedoch mindestens in der Höhe des Betrages erhalten, der im Falle eines Dienstunfalls nach beamtenrechtlichen Vorschriften als Unfallausgleich beansprucht werden könnte.
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Arbeitnehmer, die dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unterfallen, sind demnach bei außerdienstlichen Unfällen schlechter gestellt als andere Versicherte. Dies ist zwar verfassungsgemäß5, führt aller1 Gundel, in: GK-SGB VII, § 4 SGB VII Rz. 6. 2 BSG v. 10.2.1972 – 1 RA 85/71, SozR Nr. 7 zu § 1252 RVO. 3 BSG v. 13.12.1984 – 2 RU 83/83, HV-Info 1985, 40; BSG v. 16.5.1984 – 9b RU 68/82, SozR 2200 § 636 Nr. 2; BSG v. 26.7.1977 – 8 RU 94/76, SozR 2200 § 539 Nr. 38; BSG v. 10.12.1975 – 8 RU 268/74, SozR 2200 § 539 Nr. 13; Lauterbach/Watermann/Schwerdtfeger, § 4 SGB VII Rz. 8; Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 4 SGB VI Rz. 2. 4 Zur Haftungsprivilegierung gem. § 104 SGB VII bei gleichzeitigem Dienst- und Arbeitsunfall vgl. BSG v. 16.5.1984 – 9b RU 68/82, SozR 2200 § 636 Nr. 2; Gundel, in: GK-SGB VII, § 4 SGB VII Rz. 10; Lauterbach/Watermann/Schwertfeger, § 4 SGB VII Rz. 9. 5 BSG v. 27.8.1981 – 2 RU 41/79, HVGBG RdSchr VB 241/81.
944 Oberthür
VI. Unfallfürsorge
Rz. 208 Teil 10
dings dazu, dass die einschränkenden Regelungen der §§ 61 Abs. 1, 82 Abs. 4 SGB VII als Ausnahmevorschriften einem engen Anwendungsbereich unterliegen. Insbesondere kommt eine entsprechende Anwendung auf Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in Tätigkeiten, in denen sie keinen Anspruch auf Heilfürsorge besitzen, nicht in Betracht1.
1 BSG v. 27.3.1990 – 2 RU 43/98, HV-Info 1990, 1215. Oberthür
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Teil 11 Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst Rz. I. Stellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im System der betrieblichen Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Versorgungsträger und historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Versorgungsträger . . . . . . . . . . . . . a) Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . b) Kommunale und kirchliche Zusatzversorgungskassen . . . . 2. Historische Entwicklung . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesamtversorgung . . . . . . . . . . c) Einführung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den neuen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entwicklung der Finanzierung e) Umstieg auf das Punktemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . 1. Tarifliche Bestimmungen . . . . . . a) TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Altersversorgungstarifvertrag (ATV/ATV-K) . . . . . . . . . . . . . . c) Unmittelbare Geltung der tarifvertraglichen Regelungen . . d) Arbeitsvertragliche Inbezugnahme der Tarifnormen und betriebliche Übung . . . . . . . . . 2. Satzungen der Versorgungsträger a) VBL-Satzung . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusatzversorgungskassen (AKA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsrentenrecht (§§ 17 Abs. 2, 18 BetrAVG) . . . . . . . . . . . a) Sonderregelungen für den öffentlichen Dienst (§ 18 BetrAVG) . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich von § 18 BetrAVG . . . . . . . . . . . bb) Grundsatz: Ausnahme zu den §§ 2, 5, 16, 27, 28 BetrAVG . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderregelung zur Portabilität . . . . . . . . . . . . . dd) Sonderregelung zur Höhe unverfallbarer Anwartschaften . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sonderregelung zur Betriebsrentenanpassung . . .
1 6 6 7 8 12 12 15
19 21 25 31 31 32 34 44 45 51 51 57 64 65 66 67 68 69 70
Rz. ff) Sonderregelung zum Aufeinandertreffen mehrerer Versorgungsleistungen . . . . . gg) Rechtsweg. . . . . . . . . . . . . . . . hh) Sonderregelung für in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreie . . . . b) Insolvenzsicherung im Rahmen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (§ 17 Abs. 2 BetrAVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Überblick über die Rechtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitgeber – Arbeitnehmer (das Grundverhältnis/Versorgungsverhältnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeitgeber – Zusatzversorgungskasse (die Beteiligung/Mitgliedschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitnehmer – Zusatzversorgungskasse (die Versicherung) . . . . .
71 72 73
74 76 77 84 88
V. Das Beteiligungsverhältnis . . . . . . . 90 1. Voraussetzungen der Beteiligung/ Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Mögliche Beteiligte . . . . . . . . . . . 90 b) Anwendung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst oder eines Tarifrechts wesentlich gleichen Inhalts . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Beteiligungsvereinbarung/Aufnahme in die Zusatzversorgungskasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Die Beendigung der Beteiligung/ Ausstieg aus der Zusatzversorgung . 100 a) Kündigung der Beteiligung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . 102 b) Kündigung der Beteiligung/Mitgliedschaft durch die Zusatzversorgungskasse . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Ordentliche Kündigung bei Wegfall der Beteiligungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . 104 bb) Gründe für eine außerordentliche Kündigung, insbesondere Übertragung eines wesentlichen Teils der Pflichtversicherten eines Beteiligten auf einen nicht beteiligten Arbeitgeber . . . . . 106 c) Beendigung der Beteiligung/Mitgliedschaft aus sonstigen Gründen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Betz-Rehm
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Teil 11
3. Folgen des Ausscheidens eines Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ende der Pflichtversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Zahlung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages . aa) Hintergrund für die Verpflichtung zur Zahlung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages . . . . . . . . . . bb) Berechnung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages . cc) Berechnung bei Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Entfallen/Minderung bei Fortsetzung der Pflichtversicherung. . . . . . . . . . . . ee) Keine Dispositionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . ff) Modalitäten der Berechnung/Zahlung . . . . . . . . . . gg) Kritik an den Regelungen des Gegenwerts/des Ausgleichsbetrages . . . . . . . . . . hh) Lohnsteuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflichten des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern (Versorgungsverschaffungsanspruch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Fortsetzung der Beteiligung . a) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . b) Die besondere Beteiligungsvereinbarung und ihre Voraussetzungen („Verbleibemodell“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das „Zäsurmodell“ . . . . . . . . . d) Beteiligungsvereinbarung mit einem Arbeitgeber, der von einem Beteiligten Aufgaben und pflichtversicherte Beschäftigte übernommen hat („Ausgliederungsmodell“) . . . . . . . . . . . . 5. Pflichten aus dem Beteiligungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Versicherung aller versicherungspflichtigen Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . b) Melde- und Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ordnungsgemäße Entrichtung der Umlagen und sonstiger Zahlungen zur Finanzierung der Zusatzversorgung. . . . . . . .
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Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst Rz.
Rz.
114
d) Folge von Verstößen gegen die Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
114 116
117 118 121 122 123 124 125
126
130 133 133
134 136
141 145 147 148
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VI. Die Pflichtversicherung . . . . . . . . . . 160 1. Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . 160 a) Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Beginn der Pflichtversicherung . . 167 c) Ende der Pflichtversicherung . . . 168 d) Beitragsfreie Versicherung . . . . . . 169 2. Betriebsrenten aus der Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Leistungsarten und ihre Voraussetzungen. . . . . . . . . . . . . . 172 b) Erfüllung der Wartezeit . . . . . . . . 178 c) Berechnung der Betriebsrenten nach dem Punktemodell . . . . . . . 182 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Soziale Komponenten . . . . . . 186 (1) Elternzeit gemäß § 15 BEEG sowie Mutterschutzzeiten gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG (§ 9 Abs. 1 ATV/ATV-K; § 37 Abs. 1 VBLS, § 35 Abs. 1 AKA-MS). . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Zurechnungszeit bei Erwerbsminderung . . . . . 188 (3) Mindeststartgutschrift . . 189 cc) Zusatzversorgungspflichtiges Entgelt. . . . . . . . . . . . . . . . 190 dd) Bonuspunkte. . . . . . . . . . . . . . 195 ee) Höhe der einzelnen Versorgungsleistungen . . . . . . . . . . . 197 d) Anpassung und Neuberechnung von Renten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Anpassung der Betriebsrenten aus der Zusatzversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Neuberechnung . . . . . . . . . . . 203 e) Ruhen und Nichtzahlung . . . . . . 205 f) Abfindung und Beitragserstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Beitragserstattung . . . . . . . . . 213 g) Erlöschen des Anspruchs auf Betriebsrente . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 h) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Antrag/Entscheidung/Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Pflichten der Versicherten (Anzeigepflichten, Rückzahlungspflicht, Abtretungsverbot, Schadensersatz gegen Dritte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Versicherungsnachweise . . . . 224 dd) Ausschlussfristen. . . . . . . . . . 226 3. Übergangsvorschriften im Zusammenhang mit der Umstellung auf das Punktemodell . . . . . . . . . . . . . . . 231
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
a) Überblick zur Systemumstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Systemumstellung . . . c) Am 31.12.2001 bzw. 1.1.2002 Rentenberechtigte . . . . . . . . . . d) Anwartschaftsberechtigte zum Stichtag 31.12.2001 (Startgutschriften) . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Grundsätze der Anwartschaftsberechnung . . . . . . . . . . . . . bb) Pflichtversicherte der rentennahen Jahrgänge . . . . . . cc) Pflichtversicherte der rentenfernen Jahrgänge. . . . . . dd) Beitragsfrei Versicherte . . . ee) Einwände gegen die Berechnung der Startgutschriften . . . . . . . . . . . . . . . ff) Rechtsprechung zu den Startgutschriften der rentenfernen Versicherten . . . gg) Rechtsprechung zu den Startgutschriften der rentennahen Versicherten . . . 4. Die Finanzierung der Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umlageverfahren . . . . . . . . . . . b) Sanierungsgelder . . . . . . . . . . . c) Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheiten im Abrechnungsverband Ost der VBL . . . e) Beteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung . . . . . . . . . f) Schuldner der Aufwendungen für die Pflichtversicherung . . . g) Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Aufwendungen für die Pflichtversicherung . . . . . . . . . aa) Umlage . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz.
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bb) Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren. . . . . . . . . 281 cc) Sanierungsgelder . . . . . . . . . . 284
233 234 239 241 243 247 249 250 253 257 260 262 263 266 269 272 277
278 278
VII. Die freiwillige Versicherung . . . . . . 286 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Rechtsgrundlagen und Arten der freiwilligen Versicherung . . . . . . 286 b) Finanzierung der freiwilligen Versicherung und Versicherungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . 287 c) Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Aufwendungen für die freiwillige Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 d) Unverfallbarkeit und Portabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 e) Beitragsfreistellung, Kündigung und Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Freiwillige Versicherung in Anlehnung an das Punktemodell . . . . . . . . 297 a) Grundsätze zur Berechnung der Leistungen. . . . . . . . . . . . . . . . 298 b) Versorgungsleistungen – Flexibilität der freiwilligen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3. Freiwillige fondsgebundene Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . 302 a) Beitragszusage mit Mindestleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Mindest-/Höchsteintrittsalter. . . 303 c) Versorgungsleistungen . . . . . . . . . 304 VIII. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. . 308 3. Zuständigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Die Schiedsgerichtsbarkeit der VBL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Zuständigkeit der Schiedsgerichte der VBL . . . . . . . . . . . . . . 311 c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
Schrifttum: Blomeyer/Rolfs/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, 4. Aufl. 2006; Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unter besonderer Berücksichtigung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Loseblatt-Kommentar; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Bd. I: Arbeitsrecht, Loseblatt-Kommentar; Hügelschäffer, Zusatzversorgung des öffentlichen und kirchlichen Dienstes, in: Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Loseblatt; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/ Pühler, BetrAVG, Kommentar zum Betriebsrentengesetz, 3. Aufl. 2008; Kiefer/Langenbrinck, Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst, Loseblatt-Kommentar; Langenbrinck/Mühlstädt, Betriebsrente der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, 3. Aufl. 2007; VBL (Hrsg.), VBL – Versorgungsanstalt des Bundes und der Betz-Rehm
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Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Länder, Zukunft durch Wandel, Festschrift 75 Jahre VBL, abrufbar über www.vbl.de (Wir über uns/Geschichte), zit.: FS 75 Jahre VBL.
I. Stellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im System der betrieblichen Altersversorgung 1
Das Recht der betrieblichen Altersversorgung ist seit dem Jahr 1974 im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz, BetrAVG) kodifiziert. Wesentliche Regelungsgegenstände des BetrAVG sind insbesondere die Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften im Falle vorzeitigen Ausscheidens vor Eintritt eines Versorgungsfalles und die Höhe solcher unverfallbarer Anwartschaften (§§ 1b, 2 BetrAVG), das Verbot der Abfindung von unverfallbaren Versorgungsanwartschaften und laufenden Rentenzahlungen (§ 3 BetrAVG), die Regelungen zum Auszehrungsverbot und zur Anrechnung von anderen Versorgungsleistungen (§ 5 BetrAVG), die Insolvenzsicherung (§§ 7 bis 15 BetrAVG) sowie die Regelungen zur Anpassung laufender Rentenleistungen (§ 16 BetrAVG)1.
2
Eine weitere wesentliche Grundlage des Rechts der betrieblichen Altersversorgung ist seit jeher die Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit, insbesondere des BAG. Bereits vor Inkrafttreten des BetrAVG hatte das BAG mit verschiedenen Grundsatzentscheidungen wesentlich zur Gestaltung der Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung beigetragen. Nicht zuletzt als Reaktion hierauf und auf dieser Basis erfolgte die gesetzliche Kodifizierung der betrieblichen Altersversorgung im BetrAVG. Auch seit Inkrafttreten des BetrAVG trägt das BAG durch seine Rechtsprechung fortlaufend wesentlich zur Gestaltung des Rechts der betrieblichen Altersversorgung bei.
3
Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ist die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten (Angestellte und Arbeiter) des öffentlichen Dienstes. Sie ist das mit Abstand größte System betrieblicher Altersversorgung in Deutschland (zum Bestand der beteiligten Arbeitgeber sowie der Versicherten s.u. Rz. 7 und 8). Wesentliche Grundlagen dieses Versorgungssystems sind die Versorgungstarifverträge des öffentlichen Dienstes (s.u. Rz. 31 ff.) und die Satzungen der jeweiligen Zusatzversorgungseinrichtungen (s.u. Rz. 51 ff.).
4
Prägend für die Entwicklung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes waren und sind darüber hinaus die Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit (zur Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit aufgrund der Einstufung der Versorgung über die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes als privatrechtlicher Versicherungsvertrag s.u. Rz. 84 ff.), insbesondere 1 Grundlegend zum Recht der betrieblichen Altersversorgung die Kommentierung bei Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Bd. I; Blomeyer/Rolfs/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 4. Aufl. 2006.
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II. Versorgungsträger und historische Entwicklung
Rz. 6 Teil 11
des OLG Karlsruhe1 und des Bundesgerichtshofes sowie nicht zuletzt auch einige Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes. Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes steht dabei nicht grund- 5 sätzlich außerhalb des Anwendungsbereiches des im BetrAVG kodifizierten Betriebsrentenrechts. Gemäß § 17 Abs. 1 BetrAVG erstreckt sich der persönliche Geltungsbereich des BetrAVG auf alle Arbeitnehmer, also auch auf solche des öffentlichen Dienstes. Allerdings hatte der Gesetzgeber aufgrund der Besonderheiten der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BetrAVG bereits historisch gewachsenen und tarifvertraglich geregelten Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in § 18 BetrAVG Sonderregelungen für diesen Bereich geschaffen, die den Besonderheiten Rechnung tragen sollten (s.u. Rz. 65 ff.). § 17 Abs. 2 BetrAVG enthält schließlich eine Ausnahme von der Insolvenzsicherungspflicht (§§ 7 bis 15 BetrAVG) für bestimmte Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, bei denen keine Insolvenzgefahr besteht (s.u. Rz. 74 ff.).
II. Versorgungsträger und historische Entwicklung 1. Versorgungsträger Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung der Zusatzversorgung im öf- 6 fentlichen Dienst und entsprechend der föderalen Struktur existieren in der Bundesrepublik Deutschland verschiedene Einrichtungen zur Durchführung der Zusatzversorgung. Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder („VBL“) führt die Zusatzversorgung für die Arbeiter und Angestellten des Bundes und der meisten Länder durch. Soweit in einzelnen Ländern keine kommunalen Zusatzversorgungskassen bestehen – vor allem im Nordwesten –, ist die VBL auch für den kommunalen Bereich zuständig (so zB in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Teilen Nordrhein-Westfalens). In den meisten Bundesländern existieren jedoch kraft Landesrecht kommunale Gebietskassen, in einigen Bundesländern auch Stadtkassen. Für den kirchlichen Bereich, der das Zusatzversorgungsrecht des öffentlichen Dienstes in weiten Teilen übernahm, bestehen kirchliche Zusatzversorgungskassen. Nach ihrem Regelungscharakter und der Gestaltung der Rechtsverhältnisse handelt es sich bei den Zusatzversorgungskassen zumindest im arbeits- und steuerrechtlichen Sinn um Pensionskassen2 iSv. § 1b Abs. 3 BetrAVG.
1 Aufgrund des Sitzes der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), der größten Zusatzversorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes, in Karlsruhe kommt der Rechtsprechung des insoweit regelmäßig in der Berufungsinstanz zuständigen OLG Karlsruhe eine erhebliche Bedeutung zu. 2 Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 10; Blomeyer/ Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 7. Betz-Rehm
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Rz. 7
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
a) Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder 7
Die größte der 25 bestehenden Zusatzversorgungseinrichtungen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland ist die VBL mit Sitz in Karlsruhe. An der VBL sind insgesamt ca. 5400 Arbeitgeber beteiligt (neben dem Bund und den Ländern rund 1750 kommunale Arbeitgeber, ca. 100 Träger der Sozialversicherung und etwa 3600 sonstige Arbeitgeber). Der Bestand der Versicherten der VBL umfasst ca. 1,8 Mio. Pflichtversicherte und ca. 2,3 Mio. beitragsfrei versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ca. 1,1 Mio. Leistungsempfänger1. Die VBL ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, „VBLS“). Es handelt sich um eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene Einrichtung2, die unter der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen steht (vgl. § 3 Abs. 1 VBLS, für den Abrechnungsverband der freiwilligen Versicherung ist gemäß § 3 Abs. 3 VBLS die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die zuständige Aufsichtsbehörde). Zweck der Anstalt ist es, den Beschäftigten der Beteiligten im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren (vgl. § 2 Abs. 1 VBLS)3. b) Kommunale und kirchliche Zusatzversorgungskassen
8
Für den kommunalen und kirchlichen Bereich bestehen insgesamt 24 kommunale und kirchliche Zusatzversorgungseinrichtungen (13 Gebietskassen, vier Stadtkassen, zwei Sparkasseneinrichtungen, vier evangelische Kassen und eine bundesweit tätige katholische Kasse). Sie betreuen fast 43 000 kommunale und kirchliche Arbeitgeber, versichert sind knapp 6 Millionen Arbeitnehmer, davon mehr als 3,1 Millionen Pflichtversicherte. Über eine Million Rentner haben im Jahr 2007 Versorgungsleistungen erhalten4.
9
Diese Zusatzversorgungskassen sind üblicherweise entweder als unabhängige Einrichtungen (zB Anstalten des öffentlichen Rechts) oder als Sondervermögen der Beamtenversorgungskassen oder der kommunalen Verwal1 Quelle: „Die VBL auf einen Blick“ unter www.vbl.de, Stand Juli 2009. 2 Zu Gründung und Fortbestand der VBL als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts vgl. Gilbert/Hesse, Erläuterungen zu § 1 VBLS; Gründungsverfügung v. 26.2.1929; Ländervereinbarung v. 26.3.1949; Erlass des BMF betr. Aufsicht über die Zusatzversorgungsanstalt des Reichs und der Länder und Beteiligung des Bundes an der Anstalt v. 23.5.1950 (jeweils abgedruckt bei Gilbert/Hesse). 3 Wichtige weiterführende Hinweise zur VBL können auf deren Homepage unter www.vbl.de abgerufen werden, u.a. zu den Rechtsgrundlagen (Satzung der VBL, Versorgungstarifverträge), aktuelle Informationen und Rundschreiben, Hinweise auf Rechtsprechung zur Zusatzversorgung sowie Verweise auf Fachliteratur zu aktuellen Themen der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Die Anschrift der VBL lautet: Hans-Thoma-Str. 19, 76133 Karlsruhe (Telefon: 0721/155-0, Telefax: 0721/155-666). 4 Quelle: „Fachvereinigung Zusatzversorgung“ unter www.aka.de (Zusatzversorgung).
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II. Versorgungsträger und historische Entwicklung
Rz. 12 Teil 11
tung großer Städte organisiert. Basierend auf den jeweiligen landesrechtlichen Rechtsgrundlagen unterstehen diese Zusatzversorgungseinrichtungen üblicherweise der Aufsicht durch das Innenministerium des jeweiligen Bundeslandes (vgl. zB § 1 Abs. 1 der Satzung der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden). Jede dieser Zusatzversorgungseinrichtungen hat kraft ihrer Satzungsautonomie eine Satzung erlassen, in der jeweils die Organisation der Einrichtung, Fragen der Mitgliedschaft, die Finanzierung, das Leistungsrecht sowie Verfahrensfragen geregelt sind. Diese Zusatzversorgungseinrichtungen sind in der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung (AKA) e.V. („AKA“) in deren „Fachvereinigung Zusatzversorgung“ zusammengeschlossen.
10
Aufgabe der AKA ist es, auf eine gleichmäßige Durchführung der Zusatzversorgung im kommunalen und kirchlichen Bereich hinzuwirken, insbesondere durch Vereinheitlichung des Satzungsrechts der Zusatzversorgungseinrichtungen. Zu diesem Zweck ist auf der Ebene des Verbandes AKA eine Mustersatzung („AKA-MS“) erlassen und durch mehrfache Änderungen aktualisiert worden. Diese Mustersatzung bzw. deren Änderungen werden von den jeweiligen Zusatzversorgungskassen regelmäßig für ihren Bereich übernommen. Die regionale Zuständigkeit der einzelnen kommunalen Zusatzversor- 11 gungseinrichtungen erstreckt sich teilweise auf das jeweilige Bundesland, teilweise aber auch auf bestimmte Regionen eines Bundeslandes sowie übergreifend auf bestimmte Gebiete mehrerer Bundesländer. Hinweise zu den einzelnen kommunalen Zusatzversorgungseinrichtungen (mit Anschrift und Kontaktdaten) und deren regionalen Zuständigkeitsbereichen können auf der Homepage der AKA abgerufen werden1. Für die Zuständigkeit entscheidend sind dabei die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen und die Satzungen der Zusatzversorgungseinrichtungen (die üblicherweise über die Homepage der jeweiligen Zusatzversorgungseinrichtung abgerufen werden können). 2. Historische Entwicklung a) Allgemein Die Geschichte der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ist eng ver- 12 knüpft mit der Entwicklung der staatlichen und hoheitlichen Aufgaben und reicht dabei bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Bei 1 Auflistung unter www.aka.de (Zusatzversorgung/Kommunale Zusatzversorgungskassen). Dort finden sich auch weitergehende informative Hinweise zu den in der AKA organisierten Zusatzversorgungseinrichtungen. Neben den bereits genannten Kontaktdaten der einzelnen Zusatzversorgungseinrichtungen sind hier die Mustersatzung der AKA sowie aktuelle Rechtsprechung zur Zusatzversorgung und weiterführende Veröffentlichungen zu aktuellen Themen der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst abrufbar. Die Anschrift der AKA lautet: Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V., Denninger Straße 37, 81925 München (Telefon: 089/9235-8500, Telefax 089/9235-8599). Betz-Rehm
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Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Bahn und Post wurden damals erste Zusatzversorgungseinrichtungen zur Versorgung von deren nicht verbeamteten Arbeitern errichtet, während ansonsten die hoheitlichen Aufgaben im nichttechnischen Bereich überwiegend noch durch Beamte wahrgenommen wurden. Mit der Ausweitung der hoheitlichen und öffentlichen Aufgaben nahm jedoch auch die Zahl der nicht verbeamteten Beschäftigten der öffentlichen Hand zu. Ziel der Zusatzversorgung war es, für diese Personengruppe zusätzlich zur damals noch geringen gesetzlichen sozialen Absicherung eine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, um den Abstand zur Versorgung der Beamten zu verringern und um die Beschäftigten dadurch stärker an den Staat zu binden1. Seit 1900 entstanden vor diesem Hintergrund in fast allen größeren Städten kommunale Versorgungseinrichtungen, die jedoch noch ganz unterschiedliche Leistungen erbrachten. 13 Nach vorangegangenen Verhandlungen zwischen dem Reichsminister der Finanzen und Berufsvertretungen bzw. Gewerkschaften über die Einführung einer zusätzlichen Versicherung der Arbeiter der staatlichen Verwaltungen wurde am 26.2.1929 die Rechtsvorgängerin der heutigen VBL, die Zusatzversorgungsanstalt des Reichs und der Länder („ZRL“) in Berlin gegründet2. Versichert waren zunächst nur die Arbeiter, seit 1933 bestand auch für angestelltenversicherungspflichtige Arbeitnehmer die Möglichkeit einer Versicherung bei der ZRL. Mit Wirkung ab 1.1.1944 waren alle Angestellten ausschließlich bei der ZRL zu versichern3. Im kommunalen Bereich wurden auf der Grundlage des seit April 1938 geltenden einheitlichen Reichstarifrechts und der „Allgemeinen Dienstordnung“ Ende der 30er/Anfang der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts eine Reihe von kommunalen Zusatzversorgungskassen gegründet, die teilweise auch heute noch bestehen4. 14 Nach Ende des zweiten Weltkriegs war die ZRL von Berlin nach Amberg/ Oberpfalz umgesiedelt. Von dort wurde der Geschäftsbetrieb der Zusatzversorgung – erschwert durch die Unterteilung Deutschlands in die Besatzungszonen – wieder aufgenommen. Dies erfolgte nach Untergang des Reichs als Hauptträger der ZRL zunächst nur für die neu gebildeten Länder, wobei eine Fortführung in der sowjetischen Besatzungszone nicht möglich war. Nachdem im Laufe des Jahres 1948 wieder der gesamte Aufgabenbereich in den drei westlichen Zonen von der Anstalt verwaltet wurde, schlossen die Länder der westlichen Besatzungszonen 1949 eine Vereinbarung, in der festgelegt wurde, die ZRL als Anstalt öffentlichen Rechts fortzuführen. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes übernahm im Mai 1 FS 75 Jahre VBL, S. 12. 2 Zur Gründung der ZRL/VBL als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts vgl. die Erläuterungen bei Gilbert/Hesse zu § 1 VBLS; Gründungsverfügung v. 26.2.1929 (abgedruckt bei Gilbert/Hesse). 3 FS 75 Jahre VBL, S. 13–27; Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 5–14. 4 Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 15; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 6 f.
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II. Versorgungsträger und historische Entwicklung
Rz. 17 Teil 11
1950 der Bund durch das Bundesministerium der Finanzen die Aufsicht über die Anstalt und wurde „Mitträger“. In der ersten konstituierenden Sitzung des Verwaltungsrats am 11.1.1951 wurden die neue Satzung und die Namensänderung in „Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder“ beschlossen. 1952 verlegte die VBL ihren Sitz nach Karlsruhe1. b) Gesamtversorgung Das bis 1967 geltende Leistungsrecht der Zusatzversorgung beinhaltete ei- 15 ne statische Zusatzversorgungsrente bestehend aus einem Grundbetrag von 19,5 % des beitragspflichtigen Durchschnittsentgelts der letzten fünf Jahre und Steigerungsbeträgen von 0,38 % der gesamten beitragspflichtigen Arbeitsentgelte, was zu einer (nicht dynamischen) Zusatzversorgung von 21 % bis 26 % der letzten Bruttovergütung unabhängig und zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung führte2. Durch die Einführung der dynamischen Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung und aufgrund der Tatsache, dass die Angestellten vor 1944 regelmäßig in der Angestelltenrentenversicherung überversichert waren, kam es insbesondere bei Arbeitnehmern mit Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung häufig zu einer Überversorgung, während Arbeitnehmer mit einem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze häufig eine Unterversorgung hinnehmen mussten. Nach mehreren Jahren Vorarbeit wurde am 4.11.1966 der Tarifvertrag über 16 die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungs-TV) für den Bereich der VBL und am 6.3.1967 der Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) für den Bereich der kommunalen Zusatzversorgungskassen mit Wirkung zum 1.1.1967 abgeschlossen. Darin einigten sich die Tarifparteien auf die Einführung einer Gesamtversorgung im Rahmen eines der Beamtenversorgung angenäherten Modells. Die Satzungen der VBL und der kommunalen Zusatzversorgungseinrichtungen wurden entsprechend angepasst. Auf dieser Basis bestand nunmehr für Bund, Länder und Gemeinden über die VBL und die jeweiligen kommunalen Zusatzversorgungseinrichtungen inhaltlich ein einheitliches Zusatzversorgungssystem. Für Arbeitnehmer, die bis zum Rentenbeginn im öffentlichen Dienst ver- 17 blieben, wurde durch die sog. Versorgungsrente die Rente aus der Grundversorgung (üblicherweise der gesetzlichen Rentenversicherung) auf 35 % bis zu 75 % des letzten Bruttogehalts (Durchschnitt der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt des Versorgungsfalls) aufgestockt, ansteigend mit der Dauer der Dienstzeit. Als versorgungsfähige Zeit wurden dabei die mit Umlagen belegten Versicherungszeiten und zusätzlich die Hälfte der darüber hinausgehenden Rentenversicherungszeiten (sog. „Halbanrechnungs1 FS 75 Jahre VBL, S. 33–35; Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 15–21. 2 Fieberg, Neue Betriebsrente im öffentlichen Dienst, BetrAV 2002, 230 (231) mwH; Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 14. Betz-Rehm
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Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
verfahren“1) berücksichtigt. Als Versorgungsrente wurde die Differenz zwischen der Gesamtversorgung und der gesetzlichen Rente geleistet. Die Versorgungsrente war dynamisiert entsprechend den Beamtenpensionen. Arbeitnehmer, die vor Eintritt eines Versorgungsfalles aus dem öffentlichen Dienst ausschieden oder deren Arbeitgeber das System der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes verließ, erhielten demgegenüber lediglich eine deutlich niedrigere sog. Versicherungsrente auf der Basis des versicherungsmathematischen Barwerts der eingezahlten Beiträge und Umlagen. Anders als die dynamische Versorgungsrente war die Versicherungsrente nur statisch. 18 In der Folgezeit wurden einige systembedingte Schwächen und Fehlentwicklungen der Zusatzversorgung deutlich, die zu Überversorgungen führten und daher korrigiert wurden: Während zunächst im Rahmen der Gesamtversorgung die gesetzliche Rente nur in Höhe des Betrages ihrer erstmaligen Rentenfestsetzung Berücksichtigung fand, erfolgte seit 1982 eine Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in ihrer jeweils aktuellen Höhe (sog. „Spitzanrechnung“). Unstimmigkeiten entstanden auch durch die seit Mitte der 70er Jahre erfolgten stetigen Steigerungen der Steuern und Sozialabgaben, durch die sich das Verhältnis zwischen Brutto- und Nettoeinkommen deutlich verschob. Diese Entwicklung wurde bei der Berechnung der bruttolohnbezogenen Gesamtversorgung nicht berücksichtigt. Deshalb erfolgte im Jahr 1983 ein Systemwechsel von der Brutto- auf eine Nettogesamtversorgung. Die Gesamtversorgung von weiterhin maximal 75 % des Bruttoeinkommens wurde auf 91,75 % des fiktiv berechneten letzten Nettogehalts begrenzt2. Zur Wahrung von Besitzständen wurden Übergangsvorschriften vorgesehen, insbesondere wurde die Differenz zwischen der Bruttoversorgung und der Nettoversorgung festgestellt und zunächst als Ausgleichsbetrag fortgezahlt, der erst im Laufe von Erhöhungen der Nettoversorgung aufgezehrt wird3. Schließlich wurde zum Ende des Jahres 1991 in Anlehnung an die entsprechenden Änderungen bei der Beamtenversorgung eine lineare Staffelung der Versorgungssätze eingeführt. 1 Dieses Halbanrechnungsverfahren wurde vom BVerfG durch die sog. „Halbanrechnungsentscheidung v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG) für die Zeit nach 2000 als verfassungswidrig eingestuft. Für Versorgungsrentner mit Rentenbeginn bis einschließlich 1.1.2002 ist das Halbanrechnungsverfahren nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 186/02, BetrAV 2004, 188 ff.; BGH v. 10.11.2004 – IV ZR 391/02, NVwZ-RR 2005, 365 f.) jedoch weiterhin zulässig. Diese Rechtsprechung des BGH wurde zwischenzeitlich durch das BVerfG (Beschluss v. 18.4.2008 – 1 BvR 759/05, NJOZ 2008, 3454) bestätigt, das eine dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat. 2 Zu diesen systembedingten Unstimmigkeiten vgl. FS 75 Jahre VBL, S. 57; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 13; Fieberg, Neue Betriebsrente im öffentlichen Dienst, BetrAV 2002, 230 (232). 3 Vgl. hierzu § 97d der VBL-Satzung in deren bis 31.12.2000 geltenden Fassung, abgedruckt bei Gilbert/Hesse.
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II. Versorgungsträger und historische Entwicklung
Rz. 20 Teil 11
c) Einführung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den neuen Bundesländern Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 19 wurde nach längeren Vorbereitungsarbeiten die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in den neuen Bundesländern zum 1.1.1997 flächendeckend eingeführt. Hierdurch erweiterte sich der Versichertenbestand allein der VBL um ca. 480 000 Pflichtversicherte1. Entsprechend der Zuständigkeitsverteilung im Westen erfolgte eine Versicherung der Arbeitnehmer der neuen Bundesländer (incl. Ostberlin) bei der VBL. Die kommunalen Beschäftigten wurden bei den neu gegründeten Zusatzversorgungskassen Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen versichert. Zwar waren der Bund und die Länder auf der Basis des Einigungsvertrages in die bestehenden Arbeitsverhältnisse der Verwaltungen der DDR eingetreten. Die Anwartschaften aus den Zusatzversorgungssystemen der DDR waren in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Der Eintritt in die bestehenden Arbeitsverhältnisse bedeutete aber nicht, dass die Beschäftigten der DDR-Verwaltungen automatisch bei der VBL und den kommunalen Zusatzversorgungskassen versichert worden wären. Dies war vielmehr das Ergebnis langwieriger Tarifvertragsverhandlungen, die letztendlich im Februar 1996 in die Unterzeichnung der Tarifverträge zur Einführung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes für die neuen Bundesländer mündeten (Tarifvertrag zur Einführung der Zusatzversorgung im Tarifgebiet Ost vom 1.2.1996). Bei der Leistungsberechnung der Zusatzversorgung für den öffentlichen 20 Dienst wurden Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR nicht wie Umlagemonate leistungssteigernd berücksichtigt (§ 42 Abs. 2 iVm. § 105a der VBL-Satzung in deren bis 31.12.2000 geltenden Fassung2, „VBLS aF“). Vielmehr wurden für Versicherte, die erstmals mit Einführung der Zusatzversorgung in den neuen Bundesländern ab 1.1.1997 zur Pflichtversicherung angemeldet wurden, die Vordienstzeiten für die Berechnung der Versorgungsrenten nicht berücksichtigt3. Für Versicherte, die bereits vor dem Inkrafttreten der Ausschlussregelung in § 42 Abs. 2 VBLS aF zum 1.11.1995 bei der VBL zur Pflichtversicherung angemeldet worden waren, erfolgte aus Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes allerdings eine hälftige Berücksichtigung der Vordienstzeiten in der DDR als gesamtversorgungsfähige Zeit im Rahmen des Halbanrechnungsverfahrens, nicht jedoch eine volle Berücksichtigung als Umlagemonate4. Aufgrund der Jahre, die seit dem Beitritt der früheren DDR bis zur Einführung der Zusatzversorgung in den neuen Bundesländern zum 1.1.1997 ver1 FS 75 Jahre VBL, S. 63. 2 Abgedruckt bei Gilbert/Hesse. 3 Bestätigt durch BGH v. 14.5.2003 – IV ZR 72/02, VersR 2003, 893 ff.; vgl. auch BVerfG v. 28.4.1999 – 1 BvL 32/95, NJW 1999, 2493 ff. 4 BGH v. 27.9.2000 – IV ZR 140/99, NJW 2001, 41 f.; BGH v. 11.2.2004 – IV ZR 52/02, VersR 2004, 499 f. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 21
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
gangen waren, wurde für Pflichtversicherte aus dem Beitrittsgebiet allerdings in § 105b VBLS aF eine neue Leistungsart in Form einer Versicherungsrente unabhängig von der Erfüllung der ansonsten erforderlichen Wartezeit von 60 Umlagemonaten eingeführt1. d) Entwicklung der Finanzierung 21 Das überwiegend in Reichs- und Staatsanleihen investierte Vermögen der VBL hatte nach der Währungsreform 1948 dramatisch an Wert verloren. Von den Vermögenswerten in Höhe von ca. einer Milliarde Reichsmark blieben nur rund acht Millionen DM übrig. Demgegenüber wurden die Leistungen der VBL wie bei den Sozialversicherungsträgern 1:1 umgestellt. Im Jahr 1948 wies das Deckungsvermögen der Anstalt bereits einen Fehlbetrag von ca. 300 Millionen DM aus. Die Hoffnung der VBL auf Ausgleichszahlungen für die Kriegs- und Währungsverluste erfüllte sich nicht. In der ab 1.1.1952 geltenden neuen VBLS wurde daher die zunächst zwingende Vorschrift der Anwartschaftsdeckung (Kapitaldeckung) in eine reine Sollvorschrift umgewandelt. Auch im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz vom 5.11.1957 waren die öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen von Ausgleichszahlungen ausgeschlossen. Eine spätere Verfassungsbeschwerde der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden hiergegen scheiterte. Der Fehlbetrag des Deckungsvermögens stieg auf ca. acht Milliarden DM2. 22 Vor diesem Hintergrund und im Zusammenhang mit der Umstellung auf das Gesamtversorgungssystem wurde zum 1.1.1967 das Finanzierungssystem der VBL geändert: Ein Mischsystem aus Beiträgen und Umlagen wurde eingeführt und das Anwartschaftsdeckungsverfahren nur noch für die Versicherungsrenten und die Mindestversorgungsrenten beibehalten. Für die darüber hinausgehenden Versorgungsrenten wurde mit der Umlage ein Abschnittsdeckungsverfahren eingeführt, dh., die Umlage wurde für mehrere Jahre festgesetzt (zunächst für zehn Jahre mit einer Überprüfung nach bestimmten Zeiträumen, sog. gleitender Deckungsabschnitt). Die Umlage ist so zu bemessen, dass die im Deckungsabschnitt voraussichtlich zu erbringenden Leistungen und Verwaltungskosten durch die Umlage, die Vermögenserträge und das vorhandene Vermögen finanziert werden können. Dabei soll am Ende des Deckungsabschnitts zusätzlich noch ein bestimmter Kapitalstock als Deckungs- und Liquiditätsreserve vorhanden sein3. Die Beiträge wurden von 6,9 % auf 2,5 % der Entgelte gesenkt, wovon 1,5 % durch die Arbeitgeber und 1 % durch die Arbeitnehmer zu tragen waren. Die allein von den Arbeitgebern zu tragende Umlage wurde zunächst auf 3 % der Entgelte festgesetzt, wobei bewusst in Kauf genommen wurde, dass dieser Umlagesatz zukünftig erheblich steigen würde. Seit 1972 wurden die Beiträge der Arbeitnehmer nach und nach durch die Ar1 FS 75 Jahre VBL, S. 63. 2 FS 75 Jahre VBL, S. 43. 3 Zur Erläuterung des Abschnittsdeckungsverfahrens vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 163; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 242 ff.; vgl. auch § 61 VBLS.
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II. Versorgungsträger und historische Entwicklung
Rz. 24 Teil 11
beitgeber übernommen, bis diese die Beiträge ab 1.7.1973 vollständig übernahmen. Ab 1.1.1978 wurden die Beiträge abgeschafft, das Anwartschaftsdeckungsverfahren gänzlich beendet und eine alleine von den Arbeitgebern zu tragende reine Umlagefinanzierung (gleitendes Abschnittsdeckungsverfahren) eingeführt. Die Dauer des Deckungsabschnitts wurde 1983 von bisher zehn auf fünf Jahre reduziert, um die erforderliche Höhe des Umlagesatzes flexibler festsetzen zu können. Die Aufwendungen der Arbeitgeber für die Zusatzversorgung wurden dadurch bis Ende 1989 auf 4 % der Entgelte begrenzt1. Im Laufe des Deckungsabschnitts 1994 bis 1998 stiegen allerdings die Aus- 23 gaben der VBL erstmals erheblich an, so dass noch im laufenden Deckungsabschnitt der Umlagesatz auf 5,2 % erhöht werden musste. Die Notwendigkeit einer weiteren Steigerung des Umlagesatzes für den nächsten Deckungsabschnitt war dabei bereits erkennbar. Im Rahmen der Lohnrunde 1998 einigten sich die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes deshalb darauf, dass ein über 5,2 % der Entgelte hinausgehender Finanzierungsbedarf von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern je zur Hälfte getragen werden sollte. Ab Januar 1999 betrug der Umlagesatz bei der VBL 7,7 % mit einer Beteiligung der Arbeitnehmer an der Umlage in Höhe von 1,25 %2. Zum 1.1.2002 wurde der Umlagesatz bei der VBL auf 7,86 % mit einem Eigenanteil der Arbeitnehmer entsprechend tarifvertraglicher Regelung von 1,41 % erhöht3. Bei den meisten kommunalen Zusatzversorgungskassen, bei denen eine gewisse Spannweite der Umlagesätze zu verzeichnen ist, griff die Arbeitnehmerbeteiligung noch nicht4. Bei den kommunalen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen wurde dabei häufig eine über dem satzungsrechtlichen Mindestbetrag liegende Umlage erhoben und insoweit Kapital angesammelt, das nicht der Finanzierung der Leistungen individueller Versicherter (wie beim Kapitaldeckungsverfahren) diente, sondern der solidarischen Finanzierung aller Lasten der jeweiligen Zusatzversorgungskasse5. Auf dieser Grundlage bestanden bereits früher und bestehen auch heute noch Unterschiede bei der Finanzierung zwischen den einzelnen Zusatzversorgungskassen, insbesondere Unterschiede hinsichtlich der Kapitaldecke der jeweiligen Kassen. Nach Einführung der Zusatzversorgung in den neuen Bundesländern zum 24 1.1.1997 hatten die dortigen kommunalen Zusatzversorgungskassen aufgrund der noch geringen Verpflichtungen Umlagesätze für ausreichend erachtet, die deutlich unter dem damaligen Umlagesatz der VBL von 4,5 % lagen. Auch für den Bereich der VBL wurde entschieden, dass die Beteiligten aus den neuen Bundesländern nicht demselben Umlagesatz unterliegen sollten, wie die Beteiligten aus den westlichen Bundesländern. Bei der VBL 1 FS 75 Jahre VBL, S. 52 f.; Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 35. 2 FS 75 Jahre VBL, S. 66. 3 § 76 Abs. 4 und 5 VBLS aF (abgedruckt bei Gilbert/Hesse); § 64 Abs. 2 und Abs. 3 VBLS. 4 Fieberg, Neue Betriebsrente im öffentlichen Dienst, BetrAV 2002, 230 (234). 5 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 163. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 25
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
wurde deshalb ein eigener Abrechnungsverband Ost gegründet, für den zunächst eine Umlage von 1 % vorgesehen war1. Zu Einzelheiten zur aktuellen Finanzierung der Pflichtversicherung s.u. Rz. 260 ff. zur Finanzierung der freiwilligen Versicherung s.u. Rz. 287 ff. e) Umstieg auf das Punktemodell 25 Ende der 90er Jahre zeigte sich zunehmend, dass die Entwicklung der Zusatzversorgungsleistungen in ihrer bisherigen Form nicht mehr kalkulierbar und die Finanzierung der Zusatzversorgung damit in Frage gestellt war. Dies hatte sich bereits im Zusammenhang mit der Steigerung der Umlagesätze Mitte der 90er Jahre angedeutet. Aufgrund der Personalreduktion im öffentlichen Dienst und dem Ausscheiden von Arbeitgebern aus dem System der Zusatzversorgung war eine ungünstige Verschiebung des Verhältnisses zwischen pflichtversicherten Beschäftigten und Versorgungsempfängern eingetreten2. Hierzu trugen auch die längeren Rentenlaufzeiten bei, die ihre Ursache nicht zuletzt in der steigenden Lebenserwartung und der Praxis der Frühverrentung hatten. Weitere Belastungen entstanden durch die Entwicklung des Steuer- und Sozialversicherungsrechts, die aufgrund der nettolohnbezogenen Gesamtversorgung unmittelbare Auswirkungen auf die Zusatzversorgung hatten. Die Steuerentlastungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 und die Reduzierung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung führten zu steigenden Nettolöhnen der aktiven Arbeitnehmer3 bei gleichzeitigem Stagnieren des Leistungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung. Steigende Versorgungsrenten aus der Zusatzversorgung wären die Folge gewesen. Ein weiterer Anstieg der zur Finanzierung erforderlichen Umlagen auf bis zu 15 % (bei der VBL) war vor der Systemumstellung insoweit konkret absehbar und hätte zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung der Arbeitgeber sowie der Arbeitnehmer (die über die Eigenbeteiligung an dem Anstieg der Umlage zur Hälfte beteiligt gewesen wären) geführt4. 26 Wesentliche Grundlage für die Systemumstellung waren schließlich einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit weitreichenden Auswirkungen auf die Zusatzversorgung, welche im bisherigen Gesamtversorgungssystem nicht mehr zu bewältigen gewesen wären: – Mit seiner Entscheidung vom 15.7.19985 hatte das BVerfG die ursprüngliche gesetzliche Regelung in § 18 BetrAVG zur Berechnung der Be1 FS 75 Jahre VBL, S. 63. 2 Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 ff. (= ZTR 2004, 231 ff., 278 ff.). 3 Allein hierdurch wäre es bei der VBL zu Mehrbelastungen von ca. 1,4 Mrd. Euro gekommen (FS 75 Jahre VBL, S. 67). 4 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 164. 5 BVerfG v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/98, NZA 1999, 194 (= AP Nr. 26 zu § 18 BetrAVG).
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II. Versorgungsträger und historische Entwicklung
Rz. 26 Teil 11
triebsrente mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis Ende 2000 verpflichtet. Nach der früheren Fassung von § 18 BetrAVG hatten vor Eintritt eines Versorgungsfalles aus dem öffentlichen Dienst ausscheidende Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine ratierliche Versorgung nach § 2 BetrAVG, sondern nur auf eine mit 0,4 % des Endgehalts pro Dienstjahr berechnete Zusatzrente. Mit Wirkung zum 1.1.2001 wurde § 18 BetrAVG daraufhin grundlegend geändert und eine ratierliche Vollversorgung geschaffen. Dies führte allein für die VBL zu einer jährlichen Mehrbelastung von ca. 10 Millionen Euro1. – Mit einem Beschluss vom 25.8.19992 hatte das BVerfG die bisherige Regelung der Zusatzversorgung zur Berechnung der Netto-Gesamtversorgung für Teilzeitbeschäftigte als gleichheitswidrig beanstandet. Anstatt der Zugrundelegung des bei fiktiver Vollbeschäftigung zustehenden Nettogehalts (unter Berücksichtigung der fiktiven Steuerlast und Sozialversicherung einer Vollzeitbeschäftigung) und der Kürzung der sich hieraus ergebenden Gesamtversorgung entsprechend der Teilzeit (anhand des Gesamtbeschäftigungsquotienten) verlangte das BVerfG, für die Berechnung des der Versorgung zugrunde zu legenden Nettogehalts von den niedrigeren Steuerabzügen des Teilzeitentgelts auszugehen. Die Umsetzung dieser Entscheidung kostete allein die VBL jährlich fast 50 Millionen Euro3. – Wesentlicher Auslöser für die Systemumstellung war letztendlich die sog. „Halbanrechnungsentscheidung“ des BVerfG vom 22.3.20004. Diese Entscheidung betraf einen der wesentlichen Punkte des bisherigen Gesamtversorgungssystems: Bei der Berechnung der Gesamtversorgung wurden Rentenversicherungszeiten (Vordienstzeiten) außerhalb der Zusatzversorgung nur zur Hälfte als gesamtversorgungsfähige Zeit anerkannt, während auf die Gesamtversorgung die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (auch aus solchen Zeiten) in voller Höhe anzurechnen war5. Dies hatte das BVerfG zwar als eine zulässige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie für die vorhandene Rentnergeneration noch akzeptiert6, aber deutlich gemacht, dass 1 Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 51; Fieberg, Neue Betriebsrente im öffentlichen Dienst, BetrAV 2002, 230 (233). 2 BVerfG v. 25.8.1999 – 1 BvR 1246//95, NJW 1999, 3549 (= AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Teilzeit); vgl. auch BGH v. 30.9.1998 – IV ZR 262/97, BGHZ 139, 333 (= ZTR 1999, 34). 3 Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 51; Fieberg, Neue Betriebsrente im öffentlichen Dienst, BetrAV 2002, 230 (233). 4 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG). 5 Vgl. § 42 Abs. 2 Buchst. a aa VBLS aF (abgedruckt bei Gilbert/Hesse). 6 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG); vgl. auch BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 186/02, BetrAV 2004, 188 ff. (= ZTR 2004, 86 f.): Für Versicherte, die bis zum 31.12.2000 versorgungsberechtigt geworden sind, ist die Anwendung des Halbanrechnungsverfahrens auch für die Zeit ab 1.1.2001 nicht zu beanstanden. Ebenso BGH v. 10.11.2004 – IV ZR 391/02, NVwZBetz-Rehm
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Teil 11
Rz. 27
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
diese Regelungen nur noch bis Ende 2000 hinnehmbar seien. Das BVerfG beanstandete die Halbanrechnung als gleichheitswidrig, da sie die große Gruppe von Versorgungsberechtigten, die vor ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienst in der Privatwirtschaft gearbeitet haben, in sachlich nicht gerechtfertigter Weise gegenüber denjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern benachteilige, die ihr gesamtes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben. Ferner beanstandete das BVerfG, dass die Mindestversorgungsrente und die Versicherungsrente aus der Zusatzversorgung anders als die Betriebsrenten in der Privatwirtschaft (vgl. § 16 BetrAVG) keiner Dynamisierung unterlagen. Bezeichnend war auch die Feststellung des BVerfG, dass das Satzungswerk der VBL inzwischen eine Komplexität erreicht habe, die es dem einzelnen Versicherten kaum mehr ermögliche, zu überschauen, welche Leistungen er zu erwarten habe und wie sich berufliche Veränderungen im Rahmen des Erwerbslebens auf die Höhe der Leistungen auswirkten. Eine weitere Zunahme dieser Komplexität könne an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen1. Eine Umsetzung dieser Entscheidung innerhalb des Gesamtversorgungssystems hätte bei voller Anrechnung der Vordienstzeiten zu Mehrkosten allein bei der VBL von bis zu 700 Millionen Euro jährlich geführt, bei Wegfall der Halbanrechnung und gleichzeitig nur anteiliger Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wären sogar Mehrausgaben in Milliardenhöhe entstanden2. 27 Hinzu kam weiterhin, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Altersvermögensgesetzes (AVmG)3 durch § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG die öffentliche Zusatzversorgung als umlagefinanziertes Gesamtversorgungssystem von den neuen steuerlichen Förderungsmöglichkeiten ausgenommen hatte. 28 Eine grundlegende Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes war vor diesem Hintergrund unvermeidbar. Entsprechende Tarifverhandlungen begannen im Jahr 2000. Eine Einigung wurde im Herbst 2001durch den Altersvorsorgeplan 20014 gefunden, mit dem die wesentlichen Grundzüge der neuen Zusatzversorgung (Schließung des bisherigen Gesamtversorgungssystems und Einführung des Punktemodells) festgelegt wurden. Auf der Basis des Altersvorsorgeplans wurden die Einzelheiten der neuen Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes durch den Tarifvertrag über die Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifver-
1 2 3 4
RR 2005, 365 f. für Versicherte, die im Laufe des Jahres 2001 oder am 1.1.2002 versorgungsberechtigt geworden sind. BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG). Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 51; Fieberg, Neue Betriebsrente im öffentlichen Dienst, BetrAV 2002, 230 (234); Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 42 ff. V. 26.6.2001, BGBl. I, 1310. V. 13.11.2001; als Anlage 5 zum ATV abrufbar unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter/ATV).
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II. Versorgungsträger und historische Entwicklung
Rz. 30 Teil 11
trag Altersversorgung – ATV) für den Bereich Bund/Länder und den nahezu gleich lautenden Altersvorsorge-Tarifvertrag-Kommunal – ATV-K für den kommunalen Bereich redaktionell umgesetzt. Beide Tarifverträge datieren vom 1.3.2002 und lösen die bisherigen Versorgungstarifverträge (Versorgungs-TV und VersTV-G) von 1967 ab (vgl. § 40 ATV, § 39 ATV-K). Soweit im ATV bzw. ATV-K keine Regelung getroffen ist, findet der Altersvorsorgeplan 2001 als Tarifvertrag Anwendung. Wesentlicher Inhalt dieser grundlegendsten Reform seit Einführung der 29 Gesamtversorgung im Jahr 1967 ist die (rückwirkende) Schließung des bisherigen Gesamtversorgungssystems zum 31.12.2000. Da aus verwaltungstechnischen Gründen das Jahr 2001 als Einführungsphase für das neue System vorgesehen war, entwickelten sich die Anwartschaften im Jahr 2001 technisch noch nach den Berechnungsmethoden des alten Systems fort, so dass im Ergebnis das Gesamtversorgungssystem faktisch erst zum 31.12.2001 geschlossen wurde1. Das bisherige Gesamtversorgungssystem wurde durch ein als Betriebsrentenmodell konzipiertes Punktemodell ersetzt. Im Punktemodell sind diejenigen Leistungen zugesagt, die sich ergeben würden, wenn ein Beitrag von 4 % (fiktiv) in ein kapitalgedecktes System eingezahlt würde. Das Punktemodell hat insoweit den Übergang in ein kapitalgedecktes System zum Ziel, der Beitrag ist dabei aber zunächst nur eine fiktive Rechengröße, da die Finanzierung der Zusatzversorgung bei der VBL und den meisten anderen Kassen weiterhin durch das Umlageverfahren erfolgen muss und erst schrittweise eine Umstellung auf eine kapitalgedeckte Finanzierung vorgenommen werden kann. Der (fiktive) Beitrag von 4 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts wird jährlich in vom Alter des Versicherten abhängige Versorgungspunkte umgewandelt. Im Versorgungsfall wird die Rentenleistung aus der Summe der während der gesamten Versicherungsdauer erworbenen Versorgungspunkte errechnet. Die Umrechnung der Versorgungspunkte in Euro geschieht mittels eines tarifvertraglich festgelegten Messbetrags von 4 Euro. Die bis zum 31.12.2001 von den Versicherten erworbenen Anwartschaften wurden als Startgutschriften in das neue System übertragen. Die am 1.1.2002 bereits laufenden Rentenzahlungen werden als Bestandsrenten weitergezahlt und beginnend ab dem Jahr 2002 jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres mit 1 % dynamisiert. Schließlich erhielten die Arbeitnehmer durch den Systemwechsel die Mög- 30 lichkeit, eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersversorgung durch eigene Beiträge unter Inanspruchnahme der steuerlichen Förderung (Zulagen oder Sonderausgabenabzug gemäß den §§ 10a, 79 ff. EStG – sog. Riesterrente) aufzubauen. Diese Möglichkeit wurde in Form einer freiwilligen Höherversicherung (freiwillige Versicherung) eröffnet, die entweder in Anlehnung an das Punktemodell oder als fondsgebundene Rentenversicherung erfol1 Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (356). Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 31
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
gen kann1. Diese freiwillige Versicherung kann von den Arbeitnehmern auch nach Beendigung der Pflichtversicherung fortgeführt werden.
III. Rechtliche Grundlagen 1. Tarifliche Bestimmungen 31 Die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ist weitgehend durch die tarifvertraglichen Regelungen des öffentlichen Dienstes bestimmt. a) TVöD 32 Ausgangspunkt ist zunächst § 25 TVöD, der anstelle der früheren Vorschriften (§ 46 BAT/BAT-O, § 12 BMT-G/BMT-G-O, § 44 MTArb/MTArb-O) die Grundlage der tarifvertraglichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst bildet. Gemäß § 25 TVöD haben die Beschäftigten Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe des Tarifvertrags über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung – ATV) bzw. des Tarifvertrages über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge-Tarifvertrag-Kommunal (ATV-K) in ihrer jeweils geltenden Fassung. § 25 TVöD ist keine reine Verweisungsnorm. Durch § 25 TVöD soll den Angestellten des öffentlichen Dienstes ein Versorgungsanspruch verschafft werden2. Allerdings ist die in § 25 TVöD enthaltene Verweisung auf die Versorgungstarifverträge (ATV bzw. ATV-K) ein wesentliches Element. Diese in Bezug genommenen Tarifverträge enthalten die nähere Regelung der Anspruchsvoraussetzungen und bestimmen die Ausgestaltung der Zusatzversorgung. Ohne sie ist die Versicherung nicht durchführbar3. 33 Eine entsprechende Regelung ist in § 25 des am 12.10.2006 abgeschlossenen Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) enthalten. b) Altersversorgungstarifvertrag (ATV/ATV-K) 34 ATV und ATV-K enthalten eine detaillierte Ausgestaltung des Leistungsrechts und einige Grundzüge der Finanzierung der Zusatzversorgung. 35 Gemäß § 1 ATV erstreckt sich dessen Geltungsbereich auf Arbeitnehmer und Auszubildende (Beschäftigte), die unter den Geltungsbereich der in Anlage 1 zum ATV aufgeführten Tarifverträge des öffentlichen Dienstes fallen, deren Arbeitgeber Beteiligter der VBL oder Mitglied der ZVK-Saar ist (§ 1 ATV). Demgegenüber gilt der ATV-K für Beschäftigte der Arbeit1 § 26 ATV bzw. ATV-K. 2 So das BAG zu dem im Wesentlichen inhaltsgleichen § 46 BAT, BAG v. 29.7.1986 – 3 AZR 71/85, NZA 1987, 668. 3 So ausdrücklich in BAG v. 29.7.1986 – 3 AZR 71/85, NZA 1987, 668.
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III. Rechtliche Grundlagen
Rz. 39 Teil 11
geber aus dem kommunalen Bereich (Mitglieder eines der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) angehörenden Arbeitgeberverbandes), die nicht Beteiligte der VBL sind, sondern Mitglied einer anderen Zusatzversorgungskasse (§ 1 ATV-K). Die Regelungen des ATV bzw. ATV-K sind bis auf einige wenige Punkte inhaltsgleich. § 2 ATV/ATV-K (Pflichtversicherung) bestimmt die Voraussetzungen und den begünstigten Personenkreis der Pflichtversicherung. Ausnahmen von der Versicherungspflicht ergeben sich aus § 2 Abs. 2 und 3 iVm. Anlage 2 des ATV/ATV-K. Da § 2 ATV/ATV-K insoweit vorschreibt, dass versicherungspflichtige Beschäftigte nur bei öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen zu versichern sind, ergibt sich hieraus, dass die satzungsrechtlichen Regelungen zum Leistungsrecht bei den einzelnen Zusatzversorgungseinrichtungen den im ATV/ATV-K geregelten Vorgaben entsprechen müssen. Die öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen haben somit bei der Regelung des Leistungsrechts im Bereich der Pflichtversicherung keinen eigenen Gestaltungsspielraum1.
36
In § 5 (Versicherungsfall und Rentenbeginn), § 6 (Wartezeit) und § 10 (Be- 37 triebsrente für Hinterbliebene) ATV/ATV-K sind die Voraussetzungen und Einzelheiten der Versicherungsfälle (Alter, Erwerbsminderung sowie Hinterbliebenenrenten bei Tod des Versicherten) geregelt. § 7 (Höhe der Betriebsrente), § 8 (Versorgungspunkte), § 9 (Soziale Komponenten) und § 11 (Anpassung und Neuberechnung) ATV/ATV-K enthalten die Vorschriften zur Berechnung der Versorgungsleistungen. § 19 (Bonuspunkte) ATV/ ATV-K regelt zusätzlich die Zuteilung von Bonuspunkten. § 12 (Nichtzahlung und Ruhen) und § 13 (Erlöschen) ATV/ATV-K enthalten ergänzende Bestimmungen zur zeitlichen Komponente der Leistungserbringung. Anders als zum Leistungsrecht, das durch die tarifvertraglichen Regelungen bis ins Detail vorgegeben ist, wurde die Finanzierung der Pflichtversicherung durch die Tarifvertragsparteien in den §§ 15 bis 19 ATV/ATV-K nur in Grundzügen normiert. In diesem Rahmen wird die Finanzierung der Pflichtversicherung von den Zusatzversorgungseinrichtungen eigenständig geregelt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 ATV/ATV-K), denen insoweit ein eigener Gestaltungsspielraum verbleibt. Durch die Tarifverträge selbst geregelt ist allerdings das zusatzversorgungspflichtige Entgelt (§ 15 Abs. 2 ATV/ATV-K iVm. Anlage 3) als entscheidender Parameter sowohl für die Berechnung der Leistungen als auch für die Finanzierung.
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Wesentliche Grundlage der Finanzierung bleibt bei den meisten Zusatzver- 39 sorgungskassen weiterhin die Umlage (vgl. § 16 ATV/ATV-K), die vom Arbeitgeber – ggf. einschließlich des von den Beschäftigten zu tragenden Umlage-Beitrags – an die Zusatzversorgungseinrichtung abführt wird. Wie bereits aus § 25 TVöD deutlich wird, besteht für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ein Anspruch auf Versicherung nur unter eigener Beteiligung. Bei Plichtversicherten bleiben insoweit die am 1.11.2001 gelten1 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 5; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 31. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 40
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
den Vomhundertsätze für die Erhebung der Umlage-Beiträge der Beschäftigten maßgebend, soweit sich aus § 37 oder § 37a ATV/ATV-K nicht etwas anderes ergibt (§ 16 Abs. 1 Satz 3 ATV/ATV-K). Bereits im Rahmen der früheren Gesamtversorgung war zuletzt vorgesehen gewesen, dass – soweit der Umlagesatz über 5,2 % lag – sich die Beschäftigten mit der Hälfte des übersteigenden Betrages an der Umlage beteiligen mussten (vgl. zB § 7 Abs. 1 Satz 2 VersTV-G). Dieser am 1.11.2001 bestehende Umlage-Beitrag der Beschäftigten wurde durch den ATV/ATV-K festgeschrieben. Da bei den meisten kommunalen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen zum 1.11.2001 der Umlagesatz unter 5,2 % lag, ist dort eine Beteiligung der Beschäftigten an der Finanzierung weiterhin nicht vorgesehen. Für den Bereich der VBL wurde die Beteiligung der Beschäftigten an der Umlage auf 1,41 % festgeschrieben (§ 37 ATV). Für das Tarifgebiet Ost enthält § 37a ATV/ATV-K Sonderregelungen zur Beteiligung der Beschäftigten an der Finanzierung. 40 Neben der Umlagefinanzierung sehen die tarifvertraglichen Bestimmungen in § 15 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 18 ATV/ATV-K auch die Möglichkeit einer schrittweisen Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren vor, worüber die Kassen eigenständig entscheiden können. In § 17 ATV/ATV-K wurde die Erhebung von Sanierungsgeldern vorgesehen. 41 In den §§ 20 bis 24 ATV/ATV-K sind allgemeine Verfahrensregelungen vorgesehen, wie zB Pflichten der Versicherten und Rentenberechtigten (§ 20 ATV/ATV-K), Versicherungsnachweise (§ 21 ATV/ATV-K), Zahlungsmodalitäten (§ 22 ATV/ATV-K), Regelungen zur Beitragserstattung (§ 24 ATV/ ATV-K) und Ausschlussfristen (§ 23 ATV/ATV-K). 42 Die neben der Pflichtversicherung neu geschaffene freiwillige Versicherung ist in den §§ 26, 27 ATV/ATV-K geregelt, wobei die Tarifvertragsparteien – anders als bei der Pflichtversicherung – hier nur einen gewissen Rahmen vorgegeben haben, dessen Ausgestaltung den einzelnen Zusatzversorgungseinrichtungen obliegt. 43 In den §§ 30 und 31 ATV/ATV-K sind schließlich die Übergangsregelungen zur Überführung der Ansprüche der Rentenberechtigten aus dem früheren Gesamtversorgungssystem in das neue Punktemodell geregelt; die §§ 32 bis 34 ATV/ATV-K enthalten die Vorschriften zur Überleitung der Anwartschaften in das neue Punktemodell. c) Unmittelbare Geltung der tarifvertraglichen Regelungen 44 Die Geltung der tarifvertraglichen Grundnorm des § 25 TVöD und auch der dort in Bezug genommenen Versorgungstarifverträge für das jeweilige Arbeitsverhältnis besteht entweder auf der Grundlage unmittelbarer Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG, wenn der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di (oder der Gewerkschaft der Polizei, der IG Bauen-Agrar-Umwelt für den Bereich der Waldarbeiter, der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft oder des Marburger Bundes, die 966 Betz-Rehm
III. Rechtliche Grundlagen
Rz. 47 Teil 11
durch ver.di bezüglich des Tarifabschlusses vertreten wurden) und der Arbeitgeber über die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) oder Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) (bzw. der Bund als eigenständige Tarifvertragspartei) unmittelbar tarifgebunden sind. d) Arbeitsvertragliche Inbezugnahme der Tarifnormen und betriebliche Übung Besteht keine unmittelbare Tarifbindung folgt die Geltung der tarifvertrag- 45 lichen Normen regelmäßig aus einer vertraglichen Inbezugnahme entweder der Versorgungstarifverträge selbst oder allgemein der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Eine solche arbeitsvertragliche Inbezugnahme ist üblicherweise in den Arbeitsverträgen der Arbeitgeber der öffentlichen Hand sowie auch in den Arbeitsverträgen privatrechtlich verfasster Arbeitgeber enthalten, die Aufgaben aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes wahrnehmen oder sich aus sonstigen Gründen an die Beschäftigungsbedingungen des öffentlichen Dienstes anlehnen. Eine ausdrückliche Inbezugnahme des ATV bzw. ATV-K oder deren Vor- 46 gängerregelungen (Versorgungs-TV und VersTV-G) oder eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 25 TVöD oder dessen Vorgängerbestimmungen führt insoweit zu einer (vertraglichen) Anwendung der entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen und damit zu einem Anspruch auf Zusatzversorgung nach deren Maßgabe. Besteht keine ausdrückliche Inbezugnahme der Versorgungstarifverträge 47 selbst oder des § 25 TVöD (bzw. seiner Vorgängernormen), sondern nur eine allgemeine Verweisung auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, führt dies im Verhältnis zwischen einem unmittelbar tarifgebundenen Arbeitgeber, der Mitglied/Beteiligter einer der öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen ist, und einem nicht unmittelbar tarifgebundenen Arbeitnehmer im Zweifel im Sinne einer Gleichstellungsabrede ebenfalls zu einer vertraglichen Anwendung der Versorgungstarifverträge über die Verweisungsnorm des § 25 TVöD. Für ein Unternehmen, das nicht Mitglied einer Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes war, bei dem auf die Versorgungstarifverträge selbst im Arbeitsvertrag nicht verwiesen wurde und nach Art des Unternehmens auch nicht wirksam verwiesen werden konnte, hatte das BAG1 noch zum BAT entschieden, dass allein durch die pauschale Verweisung auf die Regelungen des BAT noch keine Versorgungszusage begründet wird. Für den Fall, dass nicht nur auf den BAT, sondern auch auf die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge verwiesen wurde und der Arbeitgeber zwar nicht Mitglied der Zusatzversorgungskasse war, nach deren Satzungsbestimmungen aber werden konnte, hatte das BAG2 allerdings einen Anspruch auf Zusatzversorgung bejaht. Auch für einen Arbeitgeber, der Mitglied einer Zusatzversorgungskasse 1 BAG v. 29.7.1986 – 3 AZR 71/85, NZA 1987, 668. 2 BAG v. 12.12.2006 – 3 AZR 388/05, AP Nr. 55 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag. Betz-Rehm
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Rz. 48
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
war und im Arbeitsvertrag pauschal auf den BAT verwiesen hatte, obwohl dieser aufgrund seines persönlichen Geltungsbereiches nicht anwendbar war (Ausnahme für ABM-Kräfte), hat das BAG eine arbeitsvertragliche Inbezugnahme der Versorgungstarifverträge über ihren persönlichen Geltungsbereich hinaus und damit eine Versorgungszusage gesehen1. 48 Diese Grundsätze der Rechtsprechung zum BAT können auf den inhaltsgleichen § 25 TVöD zwar grundsätzlich übertragen werden. Dabei ist allerdings ergänzend zu beachten, dass nach der Schuldrechtsmodernisierung die Regelungen zur AGB-Kontrolle auch auf Arbeitsverträge anzuwenden sind. Dies betrifft insbesondere § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Transparenz und § 305c Abs. 2 BGB, nach dem Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders (Arbeitgebers) gehen. Hieraus folgt, dass Verweisungsvereinbarungen im Zweifel weit auszulegen sind. Wird im Arbeitsvertrag umfassend und ohne Einschränkung, insbesondere ohne Ausklammerung der Regelungen zur Zusatzversorgung auf den TVöD (oder den BAT als dessen Vorgänger) verwiesen, entsteht hieraus ein Anspruch der Arbeitnehmer auf eine Zusatzversorgung gemäß § 25 TVöD2 nach Maßgabe der besonderen Regelungen der Versorgungstarifverträge (ATV, ATV-K). 49 Ein Anspruch auf Versorgung kann schließlich auch aufgrund betrieblicher Übung entstehen. Dies wird vom Grundsatz her bereits durch § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG bestätigt, dem gemäß der Verpflichtung aus einer Versorgungszusage Versorgungsverpflichtungen gleichstehen, die auf betrieblicher Übung beruhen. Eine betriebliche Übung liegt vor, wenn der Arbeitgeber bei den betroffenen Arbeitnehmern durch ein gleichförmiges, wiederholtes Verhalten Vertrauen erweckt hat, die Arbeitnehmer also aus dem Verhalten des Arbeitgebers einen konkreten Verpflichtungswillen ableiten können, dass ihnen eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden solle3. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im öffentlichen Dienst nach der ständigen Rechtsprechung des BAG strenge Anforderungen an das Entstehen einer betrieblichen Übung zu stellen sind; ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes kann in der Regel nicht davon ausgehen, übertarifliche Leistungen zu erhalten, da ein an die Grundsätze des Haushaltsrechts gebundener öffentlicher Arbeitgeber regelmäßig nur Leistungen in Vollzug gesetzlicher oder tariflicher Normen erbringt4. Für an die Grundsätze des Haushaltsrechts gebundene öffentliche Arbeitgeber wird daher über die tarifvertraglichen Regelungen hinaus ein Anspruch auf 1 BAG v. 15.9.1992 – 3 AZR 438/91, AP Nr. 39 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen. 2 Für eine weite Auslegung von Verweisungsvereinbarungen auch BAG v. 30.5.2006 – 3 AZR 273/05, AP Nr. 65 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; ebenso, insbesondere unter Heranziehung der sog. Unklarheitenregelung (jetzt § 305c Abs. 2 BGB), die bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes galt, BAG v. 12.12.2006 – 3 AZR 388/05, AP Nr. 55 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz v. 1.4.2009 – 8 Sa 670/08. 3 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 220 ff.; Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang zu § 1 BetrAVG Rz. 17 ff. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 226; Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang zu § 1 BetrAVG Rz. 25; jeweils mwH zur Rechtsprechung.
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III. Rechtliche Grundlagen
Rz. 52 Teil 11
Zusatzversorgung aus betrieblicher Übung nur unter besonderen Umständen in Betracht kommen können. Allein aus dem Beitritt seines Arbeitgebers zu einer Zusatzversorgungskas- 50 se kann ein Arbeitnehmer jedenfalls noch kein Recht herleiten, an dem Versorgungswerk der Kasse beteiligt zu werden1. Für den Fall, dass der Arbeitgeber seinen Beitritt zur Zusatzversorgungskasse im Betrieb verlautbart und praktiziert hat, hat das BAG aber das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs des einzelnen Arbeitnehmers darauf bejaht, dass der Arbeitgeber ihn zur Kasse anmeldet, sofern deren Satzung dies zulässt2. 2. Satzungen der Versorgungsträger a) VBL-Satzung Die Satzung der VBL (VBLS)3 enthält in ihren §§ 1 bis 18 Regelungen zur 51 Verfassung der Anstalt. Organe der VBL sind der Vorstand (§§ 5 bis 9 VBLS) und der Verwaltungsrat (§§ 10 bis 13 VBLS). Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden (Präsidenten) und weiteren 16 Mitgliedern, davon sind der Vorsitzende und zwei weitere Mitglieder hauptamtlich tätig. Die drei hauptamtlichen sowie sechs weitere Vorstandsmitglieder werden von der Aufsichtsbehörde (Bundesministerium der Finanzen) im Einvernehmen mit der Mehrheit der an der VBL beteiligten Länder auf fünf Jahre bestellt. Die übrigen acht Vorstandsmitglieder werden vom Verwaltungsrat nach dem Vorschlag der Gewerkschaften aus dem Kreis der Versicherten für dieselbe Zeitdauer ernannt. Zum Zuständigkeitsbereich des Vorstandes gehören u.a. der Abschluss von Beteiligungsvereinbarungen, die Vermögensanlage, Vorschläge für Satzungsänderungen und Ausführungsbestimmungen zur Satzung sowie Vorschläge für Erlass und Änderungen von Versicherungsbedingungen. Der Verwaltungsrat besteht aus 38 Mitgliedern und ist paritätisch mit 19 nach Vorschlag der Trägerunternehmen und 19 nach Vorschlag der Gewerkschaften von der Aufsichtsbehörde berufenen Mitgliedern besetzt. In den Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsrates fallen u.a. die Beschlussfassung über Satzungsänderungen und Ausführungsbestimmungen, über die Höhe des Umlagesatzes und über die Zuteilung von Bonuspunkten. Die §§ 19 bis 23 VBLS und die hierzu erlassenen Ausführungsbestimmungen (Anhang 1 zur Satzung) enthalten die maßgeblichen Bestimmungen zur Beteiligung von Arbeitgebern an der VBL, insbesondere die Voraussetzungen für eine Beteiligung, die aus der Beteiligung folgenden Pflichten, 1 BAG v. 10.3.1992 – 3 AZR 81/91, NZA 1992, 263; vgl. auch BAG v. 30.5.2006 – 3 AZR 273/05, AP Nr. 65 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, unter B IV der Gründe: Die Satzung der Zusatzversorgungseinrichtung regelt das Versicherungsverhältnis, nicht jedoch die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien. 2 BAG v. 10.3.1992 – 3 AZR 81/91, NZA 1992, 263. 3 Die jeweils aktuell gültige Fassung der VBL-Satzung (VBLS) kann auf deren Homepage unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter) abgerufen werden. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 53
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
die verschiedenen Varianten einer Beendigung der Beteiligung und die hieraus resultierenden Folgen (insbesondere Zahlung des Gegenwerts). 53 Die §§ 24 bis 54 VBLS enthalten die Regelungen zur Versicherung und zum Leistungsrecht, wobei die §§ 26 bis 53 VBLS die weitgehend durch die Altersversorgungstarifverträge vorbestimmten Einzelheiten zur Pflichtversicherung festlegen, während die freiwillige Versicherung über § 54 VBLS durch gesonderte Versicherungsbedingungen1 (Allgemeine Versicherungsbedingungen für die freiwillige Versicherung in Anlehnung an das Punktemodell und Allgemeine Versicherungsbedingungen für die freiwillige fondsgebundene Rentenversicherung) geregelt ist. 54 In den §§ 55 bis 58 VBLS ist die Bildung einer Schiedsgerichtsbarkeit für Klagen gegen Entscheidungen der VBL über Rechte und Pflichten aus dem Versicherungs-, dem Beteiligungsverhältnis oder dem Leistungsverhältnis vorgesehen. 55 Die Finanzierung und das Rechungswesen der VBL sind im Detail in den §§ 59 bis 72 VBLS geregelt. In der VBL erfolgt die Finanzierung der Pflichtversicherung weiterhin durch Umlagen (§ 64 VBLS), daneben werden derzeit im Tarifgebiet West Sanierungsgelder (§ 65 VBLS) und im Tarifgebiet Ost Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren (§ 66a VBLS) erhoben. 56 In den §§ 73 bis 86 VBLS sind schließlich Übergangs- und Schlussvorschriften enthalten, insbesondere in den §§ 75 bis 81 VBLS die durch die Altersversorgungstarifverträge vorgegebenen Regelungen zur Überleitung vom früheren Gesamtversorgungssystem in das neue Punktemodell. b) Zusatzversorgungskassen (AKA) 57 Die Mustersatzung der AKA (AKA-MS) bildet die Grundlage der Satzungen der über die AKA organisierten Zusatzversorgungseinrichtungen, die die Bestimmungen der AKA-MS jeweils übernehmen2. Die AKA-MS ist hinsichtlich der Regelungsgegenstände und ihres Aufbaus vergleichbar der VBLS. Da es sich allerdings um eine Mustersatzung handelt, lässt sie in denjenigen Bereichen, die nicht zwingend durch die tarifvertraglichen Regelungen vorgegeben sind, Entscheidungsspielräume und Varianten für die einzelnen Zusatzversorgungseinrichtungen der AKA offen, insbesondere in den Bereichen der Organisation und der Finanzierung. In diesen Bereichen können die Regelungen der einzelnen Zusatzversorgungseinrichtungen also durchaus Unterschiede aufweisen. Häufig bestehen insoweit landesgesetzliche Grundlagen.
1 AVBextra 01 oder 02 und AVBdynamik 01 oder 02, diese sind auf der Homepage der VBL unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter) abrufbar. 2 Die AKA-MS ist in ihrer jeweils aktuellen Fassung über die Homepage der AKA unter www.aka.de (Rechtsquellen) abrufbar.
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III. Rechtliche Grundlagen
Rz. 64 Teil 11
In den §§ 1 bis 10 AKA-MS ist zunächst das Grundmuster für die Organisation der Zusatzversorgungseinrichtungen geregelt, wobei hier naturgemäß Besonderheiten bei den einzelnen Kassen bestehen.
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In den §§ 11 bis 15 AKA-MS ist das Verhältnis der Arbeitgeber zu den Zu- 59 satzversorgungseinrichtungen geregelt, wobei dieses anders als bei der VBL bei den AKA-Zusatzversorgungskassen als Mitgliedschaft bezeichnet wird. Die §§ 16 bis 23 AKA-MS enthalten die Regelungen zu Voraussetzung und 60 Inhalt der Versicherungsverhältnisse (in den §§ 17 bis 22a zur Pflichtversicherung; die freiwillige Versicherung, § 23 AKA-MS, ist auch für den Bereich der AKA üblicherweise in gesonderten Versicherungsbedingungen geregelt). Die §§ 30 bis 44 AKA-MS enthalten die Regelungen zu den Leistungen, deren Voraussetzungen und Berechnung. In den §§ 45 bis 52 AKA-MS sind Verfahrensvorschriften und einzelne Pflichten der Versicherten enthalten.
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Zur Finanzierung der kommunalen Zusatzversorgungskassen enthalten 62 die §§ 53 bis 68 AKA-MS die maßgebenden Vorschriften, wobei gerade auch im Bereich der Finanzierung Unterschiede zwischen den verschiedenen Zusatzversorgungskassen bestehen, da diese autonom über die Gestaltung ihrer Finanzierung entscheiden. Insbesondere der Grad der Umstellung der Finanzierung auf die Kapitaldeckung kann von Kasse zu Kasse deutlich abweichen. Die AKA-MS sieht zur Finanzierung der Pflichtversicherung insoweit Umlagen (§ 62 AKA-MS), daneben Sanierungsgelder (§ 63 AKA-MS) und Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren (Pflichtbeiträge gemäß § 62 AKA-MS und Zusatzbeiträge gemäß § 64 AKA-MS) vor. Bei den kommunalen Zusatzversorgungskassen besteht dabei regelmäßig ein Abrechnungsverband II (vgl. § 55 AKA-MS), der im Kapitaldeckungsverfahren geführt wird. Zusatzbeiträge fließen in diesen Abrechnungsverband II im Rahmen der schrittweisen Umstellung auf die Kapitaldeckung, Pflichtbeiträge zum Abrechnungsverband II werden erhoben, wenn bereits eine vollständige Umstellung auf eine Kapitaldeckung erfolgt ist oder ein Arbeitgeber in den kapitalgedeckten Abrechnungsverband II gewechselt ist. Für die freiwillige (arbeitnehmerfinanzierte) Versicherung wird ein eigener Anrechnungsverband geführt. Ebenso wie im Bereich der VBL wird auch bei der Vielzahl der kommunalen Zusatzversorgungskassen eine vollständige Umstellung auf eine Kapitaldeckung noch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Die Vorschriften zur Überleitung des bisherigen Gesamtversorgungssystems auf das Punktemodell (welche aufgrund der tarifvertraglichen Vorgaben mit den Regelungen der VBL weitgehend identisch sind) finden sich schließlich in den §§ 69 bis 74 AKA-MS.
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3. Betriebsrentenrecht (§§ 17 Abs. 2, 18 BetrAVG) § 18 BetrAVG enthält Sonderregelungen für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, § 17 Abs. 2 BetrAVG eine Ausnahme von der InsolBetz-Rehm
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Teil 11
Rz. 65
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
venzsicherungspflicht der §§ 7 bis 15 BetrAVG für bestimmte Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes (bei denen keine Insolvenzgefahr besteht). a) Sonderregelungen für den öffentlichen Dienst (§ 18 BetrAVG) 65 Die aktuell gültige Fassung von § 18 BetrAVG ist zum 1.1.2001 an die Stelle von § 18 BetrAVG aF getreten. Die Neufassung des § 18 BetrAVG geht zurück auf die Entscheidung des BVerfG vom 15.7.19981, in der die alte Fassung von § 18 BetrAVG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt wurde2. aa) Anwendungsbereich von § 18 BetrAVG 66 § 18 BetrAVG knüpft nicht an die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes an, sondern bezieht sich auf die Pflichtversicherung über die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes, Zusatzversorgungseinrichtungen, die mit den Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes ein Überleitungsabkommen abgeschlossen haben oder auf eine Versorgung nach dem 1. und 2. Hamburger Ruhegeldgesetz oder nach dem Bremischen Ruhelohngesetz3. § 18 BetrAVG betrifft also auch Versorgungszusagen privatrechtlicher Arbeitgeber, wenn diese über die öffentlichen Zusatzversorgungskassen durchgeführt werden. Die Sonderregelungen für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gelten aber nicht mehr, wenn ein Arbeitgeber aus der Zusatzversorgungseinrichtung ausgeschieden ist und für seine Arbeitnehmer eine ablösende betriebliche Altersversor1 BVerfG v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/98, NZA 1999, 194 (= AP Nr. 26 zu § 18 BetrAVG). 2 Allerdings wird auch die Verfassungsmäßigkeit von § 18 BetrAVG nF im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Zweifel gezogen. Vor dem Bundesverfassungsgericht war unter dem AZ. 1 BvR 1700/02 eine Verfassungsbeschwerde erhoben worden, die sich auch gegen die gesetzliche Neuregelung in § 18 BetrAVG gerichtet hatte. Das BVerfG hat in einem Beschluss v. 9.5.2007 (BetrAV 2007, 576 f.) diese Verfassungsbeschwerde allerdings nicht zur Entscheidung angenommen und damit nicht abschließend über die Verfassungsmäßigkeit von § 18 BetrAVG nF entschieden. Vgl. zu dieser Thematik auch Wein, In Erwartung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2006, 331 (333); Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537 (538); für die Verfassungsmäßigkeit des § 18 BetrAVG auch Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (359); aA Kemper/KistersKölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 23 ff. und Anhang I Rz. 14, die § 18 BetrAVG nF für verfassungswidrig erachten. Auch der BGH hat in seiner Entscheidung zur Systemumstellung für die rentenfernen Versicherten (BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NVwZ 2008, 455 zugrunde gelegt, dass der in § 18 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG enthaltene Faktor von 2,25 pro Pflichtversicherungsjahr nicht den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG standhalte und innerhalb der Gruppe der Versicherten der Zusatzversorgung zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung führe. 3 Zum Anwendungsbereich von § 18 BetrAVG Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 6 ff.; Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 21 f.
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Rz. 69 Teil 11
III. Rechtliche Grundlagen
gung geschaffen hat (auch wenn diese Versorgung inhaltlich identisch sein mag, aber nicht mehr in Form einer Versicherung über eine Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes durchgeführt wird). Es gelten dann die Regelungen des BetrAVG in ihrer allgemeinen Fassung. bb) Grundsatz: Ausnahme zu den §§ 2, 5, 16, 27, 28 BetrAVG § 18 Abs. 1 BetrAVG legt zunächst grundsätzlich fest, dass für den so definierten Geltungsbereich die gesetzlichen Bestimmungen in § 2 BetrAVG (Höhe der unverfallbaren Anwartschaft), § 5 BetrAVG (Auszehrung und Anrechnung), § 16 BetrAVG (Anpassungsprüfungspflicht) sowie die Übergangsregelungen in den §§ 27 und 28 BetrAVG nicht gelten, soweit sich aus § 18 BetrAVG nichts Abweichendes ergibt.
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cc) Sonderregelung zur Portabilität Gemäß § 18 Abs. 1 BetrAVG aE gelten die gesetzlichen Regelungen des § 4 68 BetrAVG zur Übertragung von Versorgungsanwartschaften und laufenden Leistungen nicht, wenn die Anwartschaft oder die laufende Leistung ganz oder teilweise umlage- oder haushaltsfinanziert ist. Es besteht dann also insbesondere kein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Übertragung gemäß § 4 Abs. 3 BetrAVG. Hintergrund dieser Ausnahme ist, dass bei umlage- oder haushaltsfinanzierten Versorgungsanwartschaften kein Kapital vorhanden ist, das übertragen werden könnte. Allerdings kann bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Systems der öffentlichen Zusatzversorgung nach den jeweiligen Satzungsregelungen eine Überleitung bestehender Versicherungen zwischen den verschiedenen Zusatzversorgungskassen nach Maßgabe der zwischen den Zusatzversorgungseinrichtungen bestehenden Überleitungsabkommen erfolgen. Wenn die Anwartschaft bei der Zusatzversorgungskasse jedoch vollständig (und nicht nur teilweise) kapitalgedeckt ist, gelten auch die gesetzlichen Vorschriften zur Portabilität in § 4 BetrAVG1. dd) Sonderregelung zur Höhe unverfallbarer Anwartschaften § 18 Abs. 2 BetrAVG enthält für die Versorgung über die Zusatzversor- 69 gungskassen des öffentlichen Dienstes eine von der Grundnorm der ratierlichen Berechnung gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG abweichende Vorschrift zur Höhe der unverfallbaren Anwartschaften. § 18 Abs. 2 BetrAVG begründet für die vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer einen eigenständigen Anspruch auf eine Zusatzrente. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Neufassung des § 18 BetrAVG noch vor der Systemumstellung von der früheren Gesamtversorgung auf das Punktemodell in Kraft getreten war und daher die Neuregelung der Versorgung noch nicht berücksichtigen konnte. § 18 Abs. 2 BetrAVG basiert weiterhin auf dem früheren Gesamtversorgungssystem. Für die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaften bei 1 Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 16 ff.; Blomeyer/ Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 49. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 70
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Ausscheiden vor Eintritt eines Versorgungsfalles hat § 18 Abs. 2 BetrAVG daher seine Bedeutung faktisch verloren, da die Vorschrift mit den Neuregelungen des Punktemodells nicht in Einklang steht1. Das neue Punktemodell ist ein beitragsorientiertes System. Bei vorzeitigem Ausscheiden vor Eintritt eines Versorgungsfalles bleiben den Arbeitnehmern die aufgrund der bisherigen Beiträge erdienten Anwartschaften erhalten, die Versicherung über die Zusatzversorgungseinrichtung wird als beitragsfreie fortgeführt (vgl. § 30 VBLS, § 21 AKA-MS). Allerdings kommt der in § 18 Abs. 2 BetrAVG niedergelegten Berechnungsmethodik weiterhin eine nicht unerhebliche mittelbare Bedeutung zu, da die Tarifvertragsparteien für die sog. „rentenfernen Jahrgänge“ zur Ermittlung der erdienten Anwartschaften, die als Startgutschrift in das neue Punktemodell zu übertragen waren, auf die Berechnungssystematik des § 18 Abs. 2 BetrAVG verwiesen haben (s. hierzu unten Rz. 247 ff.). ee) Sonderregelung zur Betriebsrentenanpassung 70 Die allgemeinen Vorschriften des § 16 BetrAVG zur Anpassung laufender Renten gelten für die öffentlichen Zusatzversorgungskassen nicht. Stattdessen sieht § 18 Abs. 4 BetrAVG eine jährliche 1 %ige Anpassung jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres vor (im Hinblick auf das frühere Gesamtversorgungssystem noch unter der jetzt nicht mehr relevanten Bedingung, dass im jeweiligen Jahr eine allgemeine Erhöhung der Versorgungsrenten erfolgt). Eine solche jährliche Anpassung der laufenden Leistungen um 1 % ist auch im neuen Punktemodell durch die tarifvertraglichen Vorschriften (§ 11 Abs. 1 ATV/ATV-K) und die dementsprechenden Satzungsregelungen (§ 39 VBLS, § 37 AKA-MS) vorgesehen. Dies entspricht letztendlich § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG, wobei es anders als dort (vgl. § 30c Abs. 1 BetrAVG) gemäß § 18 Abs. 4 BetrAVG allerdings unerheblich ist, ob die Zusage vor oder seit dem 1.1.1999 erteilt wurde. ff) Sonderregelung zum Aufeinandertreffen mehrerer Versorgungsleistungen 71 § 18 Abs. 5 BetrAVG enthält ein Kumulationsverbot: beim Aufeinandertreffen mehrerer Versorgungsleistungen (Versorgungs- oder Versicherungsrenten) mehrerer Zusatzversorgungseinrichtungen iSd. § 18 BetrAVG soll nur die im Zahlbetrag höhere Rente zu leisten sein. Aufgrund der Neuregelung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und der Überführung in das Punktemodell ist auch diese Vorschrift allerdings überholt und hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt mehr2.
1 Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 4, 23; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 147. 2 Vgl. hierzu noch die Kommentierung bei Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/ Pühler, 2. Aufl., § 18 BetrAVG Rz. 49.
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III. Rechtliche Grundlagen
Rz. 74 Teil 11
gg) Rechtsweg In § 18 Abs. 8 BetrAVG ist eine Regelung zum Rechtsweg enthalten. Gegen 72 Entscheidungen der Zusatzversorgungseinrichtung über Ansprüche nach dem BetrAVG ist der Rechtsweg gegeben, der für Versicherte der Einrichtung gilt. Gegen Entscheidungen der Zusatzversorgungseinrichtung selbst ist insoweit (soweit nicht bei der VBL uU ein Schiedsverfahren greift) der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, da es sich bei der Versorgung über die VBL und die anderen Zusatzversorgungsanstalten letztendlich um ein privatrechtliches Versicherungsverhältnis handelt1 (Einzelheiten zum Rechtsweg und zu eventuellen Rechtsstreitigkeiten s.u. Rz. 305 ff.). hh) Sonderregelung für in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreie Eine eigenständige Bedeutung kommt allerdings weiterhin § 18 Abs. 9 73 BetrAVG zu. Demgemäß dürfen bei Personen, die in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungsfrei waren und aus dieser Beschäftigung ausscheiden, die aus der unverfallbaren Anwartschaft resultierenden Ansprüche auf Zusatzversorgung nicht geringer sein, als der Rentenanspruch, der sich ergibt, wenn der Arbeitnehmer für die Zeit seiner versicherungsfreien Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden wäre. Eine solche Nachversicherung käme gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidet. Die Regelung soll die ansonsten bestehende Notwendigkeit einer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung verhindern2. b) Insolvenzsicherung im Rahmen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (§ 17 Abs. 2 BetrAVG) Nach Maßgabe der §§ 7 ff. BetrAVG besteht grundsätzlich eine Verpflich- 74 tung des Arbeitgebers, laufende Leistungen und gesetzlich unverfallbare Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung gegen Insolvenz über den Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) abzusichern. Dies gilt für Ansprüche und Anwartschaften der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes allerdings nicht bzw. nur in Ausnahmefällen. Eine grundsätzliche Bereichsausnahme von den gesetzlichen Regelungen über die Insolvenzsicherungspflicht ist in § 17 Abs. 2 BetrAVG enthalten. 1 Bei den Satzungen der Zusatzversorgungseinrichtungen handelt es sich um allgemeine Versicherungsbedingungen im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages; BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG); st. Rspr. des BGH, vgl. zB BGH v. 14.5.2003 – IV ZR 72/02, MDR 2003, 1051 (= VersR 2003, 893); vgl. hierzu auch § 2 VBLS. 2 Weitere Einzelheiten bei Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 28 ff. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 75
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Von der Pflicht zur Insolvenzsicherung gemäß den §§ 7 bis 15 BetrAVG sind drei Gruppen öffentlicher Arbeitgeber ausgenommen1: Zur ersten Gruppe gehören der Bund, die Länder und die Gemeinden2. Zur zweiten Gruppe gehören sonstige Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes, die (gemäß den jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen) nicht insolvenzfähig sind3. Zur dritten Gruppe gehören schließlich sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes (im formellen oder materiellen Sinn4) die Zahlungsfähigkeit sichert. Hintergrund für die Ausnahme von der Insolvenzsicherungspflicht ist, dass für Arbeitgeber dieser Gruppen ein abzusicherndes Insolvenzrisiko bereits von vorneherein nicht besteht oder zumindest (für die dritte Gruppe) die Zahlungsfähigkeit durch eine Gewährträgerhaftung gesichert ist. Bereits aus diesem Grund besteht für solche Arbeitgeber grundsätzlich keine Insolvenzsicherungspflicht – unabhängig vom Durchführungsweg der jeweiligen Versorgungszusagen. Nicht von dieser Ausnahmeregelung erfasst sind alle nicht genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie juristische Personen des Privatrechts, auch wenn an ihnen der Bund, Länder oder Gemeinden ganz oder überwiegend beteiligt sind. Solche Arbeitgeber unterfallen grundsätzlich den gesetzlichen Bestimmungen zur Insolvenzsicherungspflicht in den §§ 7 bis 15 BetrAVG. 75 Soweit solche grundsätzlich insolvenzsicherungspflichtigen Arbeitgeber eine Versorgung über die öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen gewähren, besteht allerdings ebenfalls keine Insolvenzsicherungspflicht: Bei den öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen handelt es sich im Rahmen der Klassifizierung des BetrAVG um Pensionskassen5. Zusagen auf Pensionskassenleistungen sind nach § 7 BetrAVG nicht insolvenzgesichert6. Die Verpflichtung zur Insolvenzsicherung von Leistungen und Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst beschränkt sich damit auf die seltenen Fälle öffentlicher Arbeitgeber außer-
1 Einen guter Überblick über die bisher gerichtlich entschiedenen Einzelfälle findet sich bei Blomeyer/Rolfs/Otto, § 17 BetrAVG Rz. 158 f. 2 Diese sind gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO (für Bund und Länder) bzw. § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Verbindung mit landesgesetzlichen Vorschriften (für die Gemeinden) nicht insolvenzfähig. 3 Eine gute Übersicht über derartige landsgesetzliche Regelungen findet sich bei Blomeyer/Rolfs/Otto, § 17 BetrAVG Rz. 150. 4 Vgl. hierzu Blomeyer/Rolfs/Otto, § 17 BetrAVG Rz. 155; ErfK/Steinmeyer, § 17 BetrAVG Rz. 17 jeweils mwH. 5 Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 10; Blomeyer/ Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 7. 6 Höfer, § 7 BetrAVG Rz. 4436; Blomeyer/Rolfs/Otto, § 7 BetrAVG Rz. 66, speziell zu den öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen § 17 Rz. 160, § 18 BetrAVG Rz. 55.
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IV. Überblick über die Rechtsbeziehungen
Rz. 78 Teil 11
halb des § 17 Abs. 2 BetrAVG, die ihre betriebliche Altersversorgung über einen insolvenzsicherungspflichtigen Durchführungsweg erbringen1.
IV. Überblick über die Rechtsbeziehungen Bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes über die Zusatzver- 76 sorgungseinrichtungen besteht – wie auch bei anderen Formen der betrieblichen Altersversorgung über einen externen Versorgungsträger – ein Dreiecksverhältnis. Zu unterscheiden sind drei Rechtsverhältnisse: das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (das sog. Grundverhältnis oder Versorgungsverhältnis), das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und der jeweiligen Zusatzversorgungseinrichtung (Beteiligungs- oder Mitgliedschaftsverhältnis) und das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und der jeweiligen Zusatzversorgungseinrichtung (die Versicherung). 1. Arbeitgeber – Arbeitnehmer (das Grundverhältnis/ Versorgungsverhältnis) Üblicherweise aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen (§ 25 TVöD, § 25 77 TV-L iVm. dem ATV/ATV-K), die zwischen den Arbeitsvertragsparteien entweder Kraft beidseitiger Tarifbindung oder durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme gelten (s.o. Rz. 44 ff.), sind die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen verpflichtet, ihre Arbeitnehmer zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei einer der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes (VBL oder Zusatzversorgungskassen der AKA) zu versichern und die Umlage/Beiträge (ggf. zuzüglich einer Beteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung) an die Zusatzversorgungseinrichtung abzuführen. Gemäß § 25 TVöD/TV-L besteht insoweit also ein Versorgungsverschaf- 78 fungsanspruch: Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen bei der Zusatzversorgungseinrichtung anzumelden. Ein Anspruch der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber unmittelbar auf die Erbringung von Versorgungsleistungen durch diesen selbst besteht grundsätzlich nicht. Kommt allerdings der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Anmeldung/Versicherung der Arbeitnehmer bei der Zusatzversorgungseinrichtung nicht nach, hat er aus dem Grundverhältnis für die Erfüllung der Versorgungsleistungen einzustehen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG2). Soweit eine (Nach-)Versicherung bei der zuständigen Versorgungskasse möglich ist, richtet sich der Verschaffungsanspruch hierauf3. Ist eine Nachversicherung allerdings nicht möglich, haftet der Ar1 Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 55. 2 Zum Grundverhältnis und den hieraus folgenden Pflichten grundlegend Blomeyer/Rolfs/Otto, § 1 BetrAVG Rz. 268 mwH. 3 Zur Unterscheidung der Versorgungszusage, der Bestimmung des internen oder externen Durchführungsweges und dem Versorgungsverschaffungsanspruch vgl. auch BAG v. 12.6.2007 – 3 AZR 186/06 – NZA-RR 2008, 537; demgemäß hat der Betz-Rehm
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Rz. 79
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
beitgeber unmittelbar für die Erfüllung der Versorgungsleistungen so, als ob der Arbeitnehmer ordnungsgemäß bei der Zusatzversorgungseinrichtung versichert worden wäre, bzw. er hat in anderer Weise für eine nach Art und Umfang gleiche Versorgung zu sorgen1. Der Versorgungsverschaffungsanspruch ist Erfüllungsanspruch, nicht Schadensersatzanspruch2. Er wird erst mit Eintritt des Versorgungsfalles fällig (jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, die ursprünglich geschuldete Zusatzversorgung zu verschaffen). Er kann deshalb vorher weder verfallen noch verjähren oder verwirken3. Der Versorgungsverschaffungsanspruch umfasst nicht den Ausgleich steuerlicher Nachteile; insoweit kommen ggf. nur ein verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch oder evtl. Bereicherungsansprüche in Betracht4. Der tarifvertragliche Verschaffungsanspruch ist insolvenzgeschützt5. 79 Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Grundverhältnis sind die Arbeitsgerichte zuständig6. 80 Aus den rechtlichen Beziehungen des Grundverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer folgen keine unmittelbaren Rechte und Pflichten zwischen den Arbeitgebern und der jeweiligen Zusatzversorgungskasse bzw. zwischen der Zusatzversorgungskasse und den Arbeitnehmern. Diese Rechtsbeziehungen folgen vielmehr den Satzungsregelungen der jeweiligen Zusatzversorgungskasse. Tarifvertrag bzw. Arbeitsvertrag geben dem Arbeitnehmer einen ggf. einklagbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Versicherung bei der jeweiligen Zusatzversorgungskasse. Sie verpflichten jedoch nicht die Kasse, die Versicherung durchzuführen7. 81 Aus dem Grundverhältnis können Nebenpflichten des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern, insbesondere Belehrungs- und Informationspflichten8, bestehen. Bei Begründung des Arbeitsverhältnisses besteht nach
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Arbeitnehmer einen Anspruch auf Einhaltung des Durchführungsweges, wenn sich dies aus den für den Betriebsrentenanspruch maßgeblichen Regelungen ergibt. Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 16; BAG v. 23.2.1988 – 3 AZR 408/86, NZA 1989, 64; BAG v. 14.12.1999 – 3 AZR 713/98, NZA 2000, 1348; BAG v. 29.8.2000 – 3 AZR 201/00, NZA 2001, 163; zum Versorgungsverschaffungsanspruch bei Betriebsübergang BAG v. 18.9.2001 – 3 AZR 689/00, NZA 2002, 1391. BAG v. 12.11.1991 – 3 AZR 489/90, BB 1992, 1216 (= AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung); BAG v. 20.3.2001 – 3 AZR 276/00, AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG Beamtenversorgung. BAG v. 18.9.2001 – 3 AZR 689/00, NZA 2002, 1391; vgl. auch BAG v. 12.6.2007 – 3 AZR 186/06, NZA-RR 2008, 537. BAG v. 14.12.1999 – 3 AZR 713/98, NZA 2000, 1348. BAG v. 23.3.1999 – 3 AZR 631/97 (A), NZA 2000, 90; BAG v. 29.8.2000 – 3 AZR 201/00, NZA 2001, 163. Stürmer Der Rechtsweg in Fragen der Zusatzversorgung, NJW 2004, 2480 (2482) mwH. Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 36. Grundlegend zu Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten im Betriebsrentenrecht Reinecke, BetrAV 2005, 614 ff. (= RdA 2005, 129 ff.); aus der Rechtspre-
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IV. Überblick über die Rechtsbeziehungen
Rz. 81 Teil 11
der ständigen Rechtsprechung des BAG insoweit die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, die Bewerber oder angestellten Arbeitnehmer auf die Versorgungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst hinzuweisen und über die hierfür erforderlichen Anträge und sonstigen Mitwirkungshandlungen zu unterrichten. Dem Arbeitgeber obliegt es darüber hinaus, richtig, eindeutig und vollständig über die Zweckmäßigkeit der verschiedenen Versorgungswege zu belehren, wenn er auf Verlangen eines Arbeitnehmers auch insoweit Auskunft gibt (wozu allerdings keine grundsätzliche Verpflichtung besteht)1. Solche Informationspflichten waren in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit einem vorzeitigen Ausscheiden von Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis unter der Geltung des Gesamtversorgungssystems streitig geworden. Da ein Anspruch auf dynamische Versorgungsrente nach den maßgeblichen Bestimmungen nur bestand, wenn der Arbeitnehmer bis zum Eintritt eines Versorgungsfalles in einem zusatzversorgungspflichtigen Arbeitsverhältnis stand, verloren solche Arbeitnehmer diesen Anspruch bei einem vorzeitigen Ausscheiden und behielten lediglich einen Anspruch auf die regelmäßig deutlich niedrigere Versicherungsrente. Die Rechtsprechung hatte in derartigen Fällen häufig erweiterte Aufklärungspflichten der öffentlichen Arbeitgeber angenommen (zB insbesondere dann, wenn eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber veranlasst wurde2, ggf. auch, wenn der Abschluss eines Aufhebungsvertrages in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit dem Eintritt in den Ruhestand stand3, nicht jedoch, wenn der Arbeitnehmer die Vertragsbeendigung selbst vorschlägt und so begründet, dass etchung zuletzt BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 71/07, NZA 2010, 63: jedem Arbeitsverhältnis wohnt die Nebenpflicht des Arbeitgebers inne, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Daraus können sich zum einen Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben. Zum anderen hat dieser, wenn er seinen Arbeitnehmern bei der Wahrnehmung ihrer Interessen behilflich ist, zweckentsprechend zu verfahren und sie vor drohenden Nachteilen zu bewahren. Im vorliegenden Fall musste der Arbeitgeber zwar keine detaillierten Auskünfte über die Berechnung der Zusatzversorgung erteilen, sondern durfte die Arbeitnehmer an die VBL verweisen. Er musste aber die Arbeitnehmer in die Lage versetzen, zweckentsprechende Anfragen an die VBL zu stellen. Er musste ihnen mitteilen, was sie zu beachten haben, wenn sie bei der VBL eine Rentenauskunft beantragen. Vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz v. 4.9.2008 – 2 Sa 78/08, BeckRS 2009, 54447 zu Informationspflichten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Bestimmung der Startgutschriften für rentennahe Versicherte (Beibringung einer aktuellen Rentenauskunft der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 33 Abs. 4 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 4 VBLS, § 73 Abs. AKA-MS). 1 BAG v. 23.5.1989 – 3 AZR 257/88, NVwZ 1990, 407; BAG v. 13.12.1988 – 3 AZR 252/87, AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG v. 18.9.1984 – 3 AZR 118/82, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen. 2 BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206. 3 BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen. Betz-Rehm
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Rz. 82
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
waige Rentennachteile erkennbar keine entscheidende Rolle spielen sollen1, oder im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitgeberkündigung2). Da durch die Neuordnung der Zusatzversorgung die Unterscheidung zwischen Versorgungs- und Versicherungsrente nicht mehr besteht, dürfte derartigen Belehrungs- und Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zukünftig wohl eine geringere Bedeutung zukommen, gleichwohl kann das vorzeitige Ausscheiden auf die Versorgung weiterhin Auswirkungen haben (zB wenn ein Arbeitnehmer die für die Versorgung erforderliche Wartezeit von 60 Umlagemonaten gemäß § 34 VBLS noch nicht erfüllt hat). Auch unter der Geltung des neuen Punktemodells sollten deshalb die von der Rechtsprechung statuierten Aufklärungspflichten nicht unberücksichtigt bleiben. Auswirkungen können sich auch aus früheren Verletzungen von Auskunfts- und Informationspflichten ergeben, soweit diese über die Berechnung der Startgutschriften im neuen Punktemodell fortwirken3. 82 Der Arbeitgeber ist dem Arbeitnehmer zu Schadensersatz verpflichtet, wenn er unvollständige oder unrichtige Auskünfte über die Zusatzversorgung erteilt und dem Arbeitnehmer dadurch ein Schaden entsteht4. Hieran hat sich durch die Systemumstellung auf das Punktemodell nichts geändert. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Zusatzversorgungskassen Merkblätter erstellt haben, die Hinweise zur Zusatzversorgung für die Arbeitnehmer enthalten. Für Arbeitgeber dürfte es empfehlenswert sein, auf diese Merkblätter zu verweisen bzw. diese den Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen5 und die Arbeitnehmer im Übrigen bei speziellen Anfragen an die jeweilige Zusatzversorgungskasse zu verweisen. Gemäß Abs. 2 Buchst. d der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS sind die an der VBL beteiligten Arbeitgeber verpflichtet, ihren Beschäftigten die von der VBL zur Verfügung gestellten Informationsmaterialien (insbesondere auch die Satzung) auszuhändigen6 und für den Bereich der Pflichtversicherung ggf. zu erläutern.
1 BAG v. 18.9.1984 – 3 AZR 118/82, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen. Eine Belehrungspflicht kann nach BAG v. 23.5.1989 – 3 AZR 257/88, NVwZ 1990, 407 allerdings auch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Wunsch des Arbeitnehmers uU dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer wegen besonderer Umstände darauf vertrauen durfte, der Arbeitgeber werde sich um die Altersversorgung kümmern. 2 BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 658/02 AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Auskunft. 3 Vgl. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 71/07, NZA 2010, 63. 4 BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, NZA 2001, 206; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 71/07, NZA 2010, 63. 5 Vgl. BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 658/02, AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Auskunft; BAG v. 13.11.1984 – 3 AZR 255/84, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen. 6 BAG v. 15.10.1985 – 3 AZR 612/83, AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen: es besteht insoweit nicht nur eine Pflicht des Arbeitgebers gegenüber der VBL sondern auch gegenüber den Arbeitnehmern.
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IV. Überblick über die Rechtsbeziehungen
Rz. 86 Teil 11
Schließlich folgt aus dem Arbeitsvertrag und dem Versorgungsverschaf- 83 fungsanspruch auch eine über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauswirkende Nebenpflicht des Arbeitgebers zugunsten der Arbeitnehmer, gegenüber der Zusatzversorgungskasse inhaltlich richtige Angaben zu machen, soweit sie für Grund und Höhe des Zusatzversorgungsanspruchs von Bedeutung sein können1, insbesondere über das zusatzversorgungspflichtige Entgelt2. Hat ein Arbeitgeber durch unrichtige Angaben zunächst eine mit Tarifvertrag und Satzung der Zusatzversorgungskasse im Widerspruch stehende Versorgungslage geschaffen, muss er das ihm Mögliche dazu tun, dem Arbeitnehmer die diesem von Rechts wegen zustehende Versorgung zu verschaffen, indem er die unrichtigen Angaben richtig stellt. 2. Arbeitgeber – Zusatzversorgungskasse (die Beteiligung/Mitgliedschaft) Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und der jeweiligen Zu- 84 satzversorgungseinrichtung werden durch deren Satzung geregelt (vgl. für die VBL die §§ 19 ff. VBLS, für die Zusatzversorgungskassen der AKA die §§ 11 ff. AKA-MS) und ggf. durch die Ausführungsbestimmungen zur Satzung. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und der VBL wird als Beteiligung bezeichnet, für Zusatzversorgungskassen der AKA wird üblicherweise der Begriff der Mitgliedschaft verwendet. Die Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und der jeweiligen Zusatzver- 85 sorgungskasse sind privatrechtlicher Natur3. Es handelt sich um ein privatrechtliches Versicherungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Zusatzversorgungskasse (vgl. § 2 Abs. 1 VBLS, § 13 Abs. 1 AKA-MS), um einen Gruppenversicherungsvertrag. Versicherungsnehmer der Pflichtversicherung ist der Arbeitgeber (vgl. § 24 Abs. 2 VBLS, § 16 Abs. 2 AKA-MS), der alle seine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu dieser Gruppenversicherung anmeldet4, Versicherungsnehmer der freiwilligen Versicherung ist jeweils der Arbeitnehmer selbst. Die Zusatzversorgungskassen sind nicht Träger öffentlicher Gewalt. Bei den Satzungsregelungen der Zusatzversorgungskassen handelt es sich 1 BAG v. 21.11.2000 – 3 AZR 415/99, NZA 2001, 661. 2 BAG v. 14.10.1998 – 3 AZR 377/97, NZA 1999, 876; vgl. hierzu nunmehr aber § 51 Abs. 2 VBLS, § 51 Abs. 2 AKA-MS, § 21 Abs. 2 ATV/ATV-K, demgemäß Beschäftigte nur innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang des jährlichen Versicherungsnachweises gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich beanstanden können, dass die von diesem zu entrichtenden Umlagen/Beiträge oder die zu meldenden Entgelte nicht oder nicht vollständig an die Zusatzversorgungskasse abgeführt oder gemeldet worden sind. 3 Lediglich bei der Zusatzversorgungskasse beim kommunalen Versorgungsverband Brandenburg ist die Mitgliedschaft öffentlich-rechtlich ausgestaltet (vgl. § 15 Abs. 1 des Gesetzes über den Kommunalen Versorgungsverband Brandenburg und § 13 Abs. 1 Satz 1 der Kassensatzung); vgl. hierzu Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 170. 4 Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 8 f.; Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 40; BGH v. 11.2.2004 – IV ZR 52/02, VersR 2004, 499, st. Rspr; BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG). Betz-Rehm
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Rz. 87
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
nicht um Normen des öffentlichen Rechts, sondern um allgemeine Geschäftsbedingungen in Form allgemeiner Versicherungsbedingungen1. 87 Aus der privatrechtlichen Natur der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Zusatzversorgungseinrichtung folgt, dass für Streitigkeiten aus der Beteiligung/der Mitgliedschaft die ordentlichen Gerichte zuständig sind2. 3. Arbeitnehmer – Zusatzversorgungskasse (die Versicherung) 88 Auch die Rechtsverhältnisse zwischen den Arbeitnehmern und den Zusatzversorgungskassen basieren auf den Satzungsbestimmungen der jeweiligen Zusatzversorgungskasse und den hierzu erlassenen Ausführungsbestimmungen. Entscheidend sind insoweit die in den Satzungen enthaltenen Bestimmungen zur Versicherung und zum Leistungsrecht (vgl. §§ 24 bis 54 VBLS, §§ 16 bis 52 AKA-MS). Auch insoweit handelt es sich um zivilrechtliche Rechtsbeziehungen im Rahmen des zwischen dem Arbeitgeber und der jeweiligen Zusatzversorgungskasse bestehenden Gruppenversicherungsvertrages. Der Arbeitnehmer ist versicherte Person und Bezugsberechtigter der Versicherung (§ 24 Abs. 2 VBLS, § 16 Abs. 2 AKA-MS). Unmittelbare Ansprüche der Arbeitnehmer gegenüber der Zusatzversorgungskasse entstehen erst mit Eintritt eines Versorgungsfalles3. 89 Auch für etwaige Streitigkeiten zwischen den versicherten Arbeitnehmern und der jeweiligen Zusatzversorgungseinrichtung sind daher nicht die Arbeitsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zuständig4.
V. Das Beteiligungsverhältnis 1. Voraussetzungen der Beteiligung/Mitgliedschaft a) Mögliche Beteiligte 90 Der Kreis der möglichen Beteiligten/Mitglieder ist für die VBL in § 19 VBLS und für die Zusatzversorgungskassen der AKA in § 11 Abs. 1 AKAMS definiert. 91 Eine Beteiligung/Mitgliedschaft ist dabei zum einen für die Rechtsträger aus dem „klassischen Bereich“ der öffentlichen Verwaltung möglich. 1 BVerfG v. 25.8.1999 – 1 BvR 1246/95, NJW 1999, 3549 (= AP Nr. 12 zu § 1 BetrAVG Teilzeit); BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG); BGH v. 16.3.1988 – IVa ZR 154/87, BGHZ 103, 370 (= NVwZ-RR 1988, 104); BGH v. 11.2.2004 – IV ZR 52/02, VersR 2004, 499; OLG Karlsruhe v. 22.9.2005 – 12 U 99/04, ZTR 2005, 588 (die Entscheidungen des OLG Karlsruhe sind auch auf dessen Homepage www.olgkarlsruhe.de veröffentlicht). 2 Gilbert/Hesse, § 20 VBLS Rz. 1. 3 Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 11; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 30. 4 Vgl. Stürmer Der Rechtsweg in Fragen der Zusatzversorgung, NJW 2004, 2480 ff. mwH.
982 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 92 Teil 11
Für die VBL betrifft dies: – die Bundesrepublik Deutschland (§ 19 Abs. 2 Buchst. a VBLS); – die Länder oder Mitglieder einer Landesgruppe, die Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ist (§ 19 Abs. 2 Buchst. b VBLS); – Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstige Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA (§ 19 Abs. 2 Buchst. c VBLS). Bei den sonstigen Mitgliedern eines Mitgliedverbandes der VKA kann es sich sowohl um juristische Personen des öffentlichen Rechts als auch um juristische Personen des Privatrechts handeln1. Für kommunale Arbeitgeber besteht damit die Möglichkeit, entweder eine Beteiligung bei der VBL einzugehen oder Mitglied einer örtlich zuständigen Zusatzversorgungskasse der AKA zu werden; – sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts und deren Verbände, wenn sie das für Bund, Länder oder Gemeinden geltende Tarifrecht oder ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts anwenden (§ 19 Abs. 2 Buchst. d VBLS). Hierunter können zB fallen: bestimmte Kreditinstitute wie die Bundesbank, öffentliche Sparkassen, die Träger der Sozialversicherung, die Universitäten, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern (zB für Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker), bestimmte Religionsgesellschaften (wie zB die evangelische Kirche Deutschlands, die katholische Kirche und deren Bistümer und die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden, auch wenn für den kirchlichen Bereich häufig kirchliche Zusatzversorgungskassen bestehen) und sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts2. Für die kommunalen Zusatzversorgungskassen gilt Vergleichbares. Unter der Voraussetzung, dass ein für die Mitglieder der in der VKA zusammengeschlossenen Arbeitgeberverbände geltendes Versorgungstarifrecht oder in Bezug auf die Leistungen ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts tarifvertraglich oder allgemein einzelarbeitsvertraglich zur Anwendung kommt (§ 11 Abs. 2 AKA-MS), können dort aus dem „klassischen“ Bereich der öffentlichen Verwaltung Mitglied sein: – Gemeinden, Gemeindeverbände und die sonstigen Gebietskörperschaften im Bereich des Landes, in dem die Kasse ihren Sitz hat (§ 11 Abs. 1 Buchst. a AKA-MS); – Verbände dieser juristischen Personen (§ 11 Abs. 1 Buchst. b AKA-MS); – sonstige rechtsfähige Körperschaften, selbständige Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie ihre Verbände (§ 11 Abs. 1 Buchst. c AKA-MS); Beteiligte der VBL können auch die Fraktionen der Parlamente auf der Ebe- 92 ne des Bundes, der Länder und der kommunalen Vertretungskörperschaften sein, wenn sie das für Bund, Länder oder Gemeinden geltende Tarif1 Gilbert/Hesse, § 19 VBLS Rz. 3. 2 Gilbert/Hesse, § 19 VBLS Rz. 4. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 93
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
recht oder ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts anwenden (§ 19 Abs. 2 Buchst. f VBLS). Die Fraktionen kommunaler Parlamente können auch Mitglied einer kommunalen Zusatzversorgungskasse werden, wenn sie das für die Mitglieder der in der VKA zusammengeschlossenen Arbeitgeberverbände geltende Versorgungstarifrecht oder in Bezug auf die Leistungen ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts tarifvertraglich oder allgemein einzelarbeitsvertraglich anwenden (§ 11 Abs. 1 Buchst. f AKA-MS). 93 Aufgrund der seit den 90er Jahren verstärkt einsetzenden Privatisierung von Bereichen der öffentlichen Verwaltung (eines der ersten und prominentesten Beispiele war die Privatisierung der Lufthansa) bestand die Notwendigkeit, auch für juristische Personen des Privatrechts die Möglichkeit einer Beteiligung bei der VBL bzw. einer Mitgliedschaft bei den kommunalen Zusatzversorgungskassen zu eröffnen, da ansonsten eine erhebliche Reduzierung der Beteiligten/Mitglieder und damit zwangsläufig eine Schmälerung der Finanzierungsbasis der Zusatzversorgungskassen gedroht hätte. Derartige Privatisierungsfälle sind häufiger im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs, der Energie- und Wasserversorgung (Stadtwerke) sowie zunehmend auch im Gesundheitswesen (kommunale Krankenhäuser) anzutreffen. 94 Bei der VBL besteht für juristische Personen des Privatrechts daher zum einen bereits nach § 19 Abs. 2 Buchst. c VBLS die Möglichkeit einer Beteiligung, wenn sie Mitglieder eines Mitgliedverbandes der VKA sind. Vergleichbares gilt für den Bereich der Zusatzversorgungskassen der AKA für Arbeitgeber, die juristische Personen des Privatrechts sind, wenn sie unter den Geltungsbereich des ATV-K fallen (§ 11 Abs. 1 Buchst. d AKA-MS). Für sonstige juristische Personen des Privatrechts und sonstige Arbeitgeber besteht die Möglichkeit einer Beteiligung bei der VBL nach Maßgabe von besonderen Ausführungsbestimmungen1 (§ 19 Abs. 2 Buchst. e VBLS). Grundvoraussetzung einer Beteiligung ist auch für diese Gruppe die Anwendung des für Bund, Länder oder Gemeinden geltenden Tarifrechts oder eines Tarifrechts wesentlich gleichen Inhalts. Gemäß den Ausführungsbestimmungen zu § 19 Abs. 2 Buchst. e VBLS kann dabei eine Beteiligung nur vereinbart werden mit – Unternehmen und Einrichtungen, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts (kapitalmäßig) überwiegend beteiligt sind oder auf die juristische Personen des öffentlichen Rechts nach der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag maßgeblichen Einfluss ausüben (zB durch Vertretung in den Organen oder Einräumung besonderer satzungsmäßiger Entscheidungsbefugnisse). Diese überwiegende Beteiligung oder der maßgebliche Einfluss können dabei entweder zugunsten von einer oder auch mehreren juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestehen.
1 Die Ausführungsbestimmungen sind als Anhang 1 zusammen mit der VBLS auf der Homepage der VBL unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter) abrufbar.
984 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 96 Teil 11
Voraussetzung für diese Gruppe ist weiterhin, dass das Unternehmen oder die Einrichtung überwiegend Aufgaben wahrnimmt, die sonst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts obliegen würde. – Einrichtungen, deren langfristiges Fortbestehen hinreichend gesichert ist, die gemäß § 44 BHO oder einer entsprechenden landesrechtlichen Vorschrift Zuwendungen aus Bundes- oder Landesmitteln erhalten und die überwiegend Aufgaben wahrnehmen, die sonst dem Zuwendungsgeber obliegen würden, wenn die Summe der von Bund oder Ländern gewährten Zuwendungen mehr als Hälfte der Haushaltsmittel des Zuwendungsempfängers beträgt. In beiden Fällen besteht grundsätzlich die weitere Voraussetzung, dass mindestens 20 Beschäftigte bei der Anstalt zu versichern sind. Staatlich anerkannte Ersatzschulen (Privatschulen, die in Struktur und Aufgaben den öffentlichen Schulen entsprechen, die staatlich anerkannt sind), können Beteiligte der VBL werden, auch wenn weniger als 20 Beschäftigte zu versichern sind. Mit Zustimmung des Vorstandes der VBL kann gemäß Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu § 19 Abs. 2 Buchst. e VBLS auch unter den dort genannten Voraussetzungen in Ausnahmefällen von der Mindestzahl der zu Versichernden abgewichen werden. Für den Bereich der Zusatzversorgungskassen der AKA besteht die Mög- 95 lichkeit, dass sonstige juristische Personen des Privatrechts (dh. solche, die nicht bereits unter den Anwendungsbereich des ATV-K fallen) Mitglied der Kasse werden, wenn sie überwiegend öffentliche Aufgaben erfüllen oder wenn sie als gemeinnützig anerkannt sind und auf sie eine juristische Person des öffentlichen Rechts einen statutenmäßig gesicherten maßgeblichen Einfluss ausübt (§ 11 Abs. 1 Buchst. e AKA-MS). Da bei derartigen juristischen Personen des Privatrechts grundsätzlich das Risiko der Insolvenzfähigkeit gegeben ist, wodurch die Umlagefinanzierung der Zusatzversorgungskassen gefährdet würde, können die kommunalen Zusatzversorgungskassen weitere Bedingungen für den Erwerb der Mitgliedschaft durch solche juristische Personen des Privatrechts setzen. Regelmäßig sind in derartigen Fällen Sicherheiten (zB durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts) zu stellen, die für den Fall der Insolvenz die aufgelaufenen Anwartschaften und Ansprüche abdecken (§ 11 Abs. 3 AKA-MS)1. Die Einzelheiten können dabei von Kasse zu Kasse variieren. b) Anwendung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst oder eines Tarifrechts wesentlich gleichen Inhalts Einheitliche Voraussetzung aller aufgeführten Fälle einer Beteiligung bei 96 der VBL ist, dass das Mitglied das für Bund, Länder oder Gemeinden geltende Tarifrecht oder ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts anwendet, entweder auf der Basis unmittelbarer Tarifbindung oder auf der Basis vertraglicher Regelungen. Zum Tarifrecht des Bundes, der Länder und der Ge1 Vgl. Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 176. Betz-Rehm
985
Teil 11
Rz. 97
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
meinden gehören insbesondere die in Anlage 1 zu § 1 ATV erwähnten Tarifverträge1, durch die der Anwendungsbereich des ATV konkretisiert wird. Ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts liegt vor, wenn die Arbeitsbedingungen im Wesentlichen entsprechend geregelt sind wie bei Bund, Ländern und Gemeinden2. Entscheidend wird es hierbei auf diejenigen tariflichen Regelungen ankommen, die Einfluss auf die Versorgungsleistungen und die Bestimmung von deren Höhe haben können. Dies betrifft insbesondere die Vergütungsregelungen unter Berücksichtigung der Struktur und Höhe der Vergütung3. 97 Für eine Beteiligung bei den Zusatzversorgungskassen der AKA besteht ebenfalls als einheitliche Grundvoraussetzung aller genannten Fälle das Erfordernis einer Anlehnung an das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes. Anders als für eine Beteiligung bei der VBL kommt es dabei aber nicht auf eine generelle Anwendung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes oder eines Tarifrechts wesentlich gleichen Inhalts an, sondern darauf, dass der Arbeitgeber ein für die VKA geltendes Versorgungstarifrecht (also den ATV oder ATV-K) oder zumindest in Bezug auf die (Versorgungs-)Leistungen ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts tarifvertraglich oder allgemein einzelarbeitsvertraglich anwendet (vgl. § 11 Abs. 2 AKA-MS). Entscheidend sind dabei die Grundzüge des Leistungsrechts der Versorgung. c) Beteiligungsvereinbarung/Aufnahme in die Zusatzversorgungskasse 98 Die Beteiligung eines Arbeitgebers bei der VBL kommt auf der Basis einer schriftlichen Beteiligungsvereinbarung zustande (vgl. § 20 VBLS). Die Beteiligungsvereinbarung ist privatrechtlicher Natur. Sie darf nicht von der Satzung abweichen (§ 20 Abs. 1 VBLS). In der Beteiligungsvereinbarung ist festzulegen, dass alle Beschäftigten zu versichern sind, die nach dem ATV zu versichern wären. Insoweit ist der zu versichernde Personenkreis durch die Satzung zwingend vorgegeben. Abweichungen würden die Umlagegemeinschaft belasten und sind nur in seltenen Ausnahmefällen mit Zustimmung des Gesamtvorstands der VBL zulässig4. Die VBL ist zum Ab1 Gilbert/Hesse, § 19 VBLS Rz. 7; die entsprechende Auflistung wurde nach Abschluss des TVöD und des TV-L durch den 4. Änderungstarifvertrag v. 22.6.2007 zum ATV/ATV-K aktualisiert. 2 Zum Begriff des Tarifrechts wesentlich gleichen Inhalts vgl. Gilbert/Hesse, § 19 VBLS Rz. 7 unter Hinweis auf ein Rundschreiben des BMI v. 8.7.1964, GMBl. S. 334; dort wird ein Kriterienkatalog von 5 Punkten aufgestellt: 1) Entsprechung der allg. Dienstzeiten mit den Regelungen des BAT; 2) grundsätzliche Übereinstimmung von Aufbau und Inhalt des Vergütungssystems mit dem BAT; 3) grundsätzliche Übereinstimmung bzgl. Dauer der Zahlung von Krankenbezügen im Vergleich zum BAT; 4) Staffelung der Kündigungsfristen nach Beschäftigungszeiten und 5) Unkündbarkeit nach längerer Beschäftigungszeit. Nach Gilbert/Hesse, aaO, sind diese strengen Anforderungen für eine Beteiligung bei der VBL allerdings nicht allein maßgebend, sie könnten lediglich ein Anhaltspunkt für die Beurteilung des Tarifrechts sein. Vgl. auch Kiefer/Langenbrinck, Betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst, Kommentar § 19 VBLS Erl. 10, 11. 3 So auch Gilbert/Hesse, § 19 VBLS Rz. 7. 4 Gilbert/Hesse, § 20 VBLS Rz. 2.
986 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 101 Teil 11
schluss einer Beteiligungsvereinbarung nicht verpflichtet. Sie kann in der Beteiligungsvereinbarung neben den in der Satzung und den Ausführungsbestimmungen hierzu vorgesehenen Voraussetzungen die Beteiligung an weitere Bedingungen knüpfen (§ 20 Abs. 2 VBLS), insbesondere daran, dass der Fortbestand des Arbeitgebers und die Einhaltung der für beteiligte juristische Personen des Privatrechts geltenden Voraussetzungen (Anwendung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes) gesichert und eine Mindestzahl von Versicherten gewährleistet ist. Die Mitgliedschaft bei einer Zusatzversorgungskasse der AKA wird übli- 99 cherweise durch Aufnahme in die Kasse (§ 13 Abs. 2 AKA-MS) begründet1. Hierfür stellt der Arbeitgeber einen Aufnahmeantrag, in dem der gewünschte Abrechnungsverband anzugeben ist (wenn die Kasse neben dem im Umlageverfahren finanzierten Abrechnungsverband auch über einen Abrechnungsverband im Kapitaldeckungsverfahren verfügt). Die Kasse entscheidet über den Aufnahmeantrag des Arbeitgebers schriftlich nach pflichtgemäßem Ermessen. In der Entscheidung ist der Zeitpunkt festzusetzen, in dem die Mitgliedschaft beginnt. Für eine Mitgliedschaft juristischer Personen des Privatrechts können die Kassen auch nach der AKAMS weitere Bedingungen setzen (§ 11 Abs. 3 AKA-MS), wenn der dauernde Bestand des Arbeitgebers nicht als gesichert erscheint. 2. Die Beendigung der Beteiligung/Ausstieg aus der Zusatzversorgung Die Thematik „Ausstieg aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Diens- 100 tes“ und damit eine Beendigung der Beteiligung/Mitgliedschaft ist häufig eng mit einer Privatisierung öffentlicher oder mit der öffentlichen Hand verbundener Arbeitgeber verknüpft, sei es, dass im Rahmen einer Privatisierung die oben (Rz. 90 ff.) geschilderten Voraussetzungen der Beteiligung/ Mitgliedschaft entfallen, sei es, dass im Zusammenhang mit einer Ausgliederung oder einem Betriebsübergang Arbeitnehmer auf einen Arbeitgeber übergehen, der nicht am System der Zusatzversorgung teilnimmt, oder sei es, dass sich ein Arbeitgeber dazu entschließt, durch eine Kündigung seiner Beteiligung/Mitgliedschaft das System der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu verlassen. Eine Beendigung der Beteiligung hat für den Arbeitgeber weitreichende 101 Folgen (im Einzelnen s.u. Rz. 114 ff.). Insbesondere führt sie dazu, dass ein Ausgleichsbetrag2 an die Zusatzversorgungskasse zu zahlen ist, der eine erhebliche finanzielle Belastung, je nach Versichertenbestand nicht selten im mehrstelligen Millionenbereich, bedeutet. Gegenüber den bisher versicherten Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber aufgrund der regelmäßig fortbestehenden tarif- oder arbeitsvertraglichen Grundverpflichtung eine nach Art und Umfang gleiche/gleichwertige Versorgung sicherstellen. Diesen Nachteilen stehen nicht zuletzt der Vorteil gegenüber, die Altersver1 Auch insoweit handelt es sich um einen privatrechtlichen Gruppenversicherungsvertrag. 2 Bei der VBL trägt dieser Ausgleichsbetrag die Bezeichnung „Gegenwert“, vgl. § 23 Abs. 2 VBLS. Betz-Rehm
987
Teil 11
Rz. 102
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
sorgung der vorhandenen bisher pflichtversicherten Arbeitnehmer von der umlagebasierten Finanzierung der öffentlichen Zusatzversorgung abkoppeln und einer sofortigen vollständigen Kapitaldeckung zuführen zu können, sowie der Vorteil, unter der Voraussetzung einer ggf. nicht (mehr) bestehenden Tarifbindung die Altersversorgung für neu eintretende Arbeitnehmer kostenorientiert vollständig neu und unabhängig regeln zu können. Einer Beendigung der Beteiligung/Mitgliedschaft durch den Arbeitgeber sollte vor dem Hintergrund dieser komplexen Thematik ein strukturierter Entscheidungsprozess vorangehen, in dessen Rahmen die Vor- und Nachteile eines Ausscheidens gegenübergestellt, die bestehenden Handlungsvarianten geprüft und die wirtschaftlichen Auswirkungen ausreichend bewertet werden. Hierzu ist sowohl eine qualifizierte rechtliche Beratung als auch eine sachverständige versicherungsmathematische Begleitung zu empfehlen. Häufig müssen bereits in diesem Stadium auch vergaberechtliche Fragestellungen berücksichtigt werden. Der tatsächliche Einfluss der Sozialpartner und die politische Dimension dieser Entscheidungsfindung sollten ebenfalls nicht unterschätzt werden. Pauschale Aussagen zum Für und Wider eines Ausstiegs aus der Zusatzversorgung können nicht getroffen werden. Es kommt auf die Interessenlage des Arbeitgebers und die Situation im Einzelfall an1. a) Kündigung der Beteiligung durch den Arbeitgeber 102
Die Beteiligung/Mitgliedschaft kann durch den beteiligten Arbeitgeber ohne weitere Voraussetzungen und ohne die Bindung an bestimmte Gründe mit einer Frist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalenderjahres einseitig gekündigt werden (§ 22 Abs. 1 VBLS, § 14 Abs. 3 AKA-MS). Die Kündigung bedarf der Schriftform, der Zugang der Kündigung ist sicherzustellen und ggf. durch den Kündigenden nachzuweisen (§ 22 Abs. 4 VBLS, § 14 Abs. 5 AKA-MS). b) Kündigung der Beteiligung/Mitgliedschaft durch die Zusatzversorgungskasse
103
Anders als für die beteiligten Arbeitgeber ist eine Kündigung der Beteiligung/Mitgliedschaft durch die VBL bzw. sonstige Zusatzversorgungskassen gemäß den jeweiligen Satzungsbestimmungen nur bei Vorliegen bestimmter Kündigungsgründe zulässig. Eine Kündigung durch die jeweilige Zusatzversorgungskasse kommt dabei entweder als ordentliche Kündigung 1 Weiterführend zum Für und Wider eines Ausstiegs aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes Recktenwald/Stade, Ausstieg aus der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung, BB 2005, 2126 ff.; Höfer/Ververs, Mögliche Entwicklung der Umlagesätze der VBL, DB 2005, 2203 ff.; Wegner-Wahnschaffe, Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Kontext veränderter Rahmenbedingungen ihrer Mitglieder, ZTR 2004, 395 ff., Schipp, Ausstieg aus der Zusatzversorgung, RdA 2001, 150 ff.; Schipp, Arbeitsrechtliche Probleme bei der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, NZA 1994, 865 ff.
988 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 105 Teil 11
unter Einhaltung der auch für die Zusatzversorgungskassen zu beachtenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres in Betracht oder als außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 22 Abs. 2, 3 VBLS, § 14 Abs. 2, 4 AKA-MS). aa) Ordentliche Kündigung bei Wegfall der Beteiligungsvoraussetzungen Eine ordentliche Kündigung der Beteiligung/Mitgliedschaft durch die jeweilige Zusatzversorgungskasse kommt in Betracht, wenn die in der Satzung, den Ausführungsbestimmungen hierzu (bei der VBL) oder in einer besonderen Beteiligungsvereinbarung vorgesehenen maßgeblichen Voraussetzungen für die Beteiligung/Mitgliedschaft entfallen sind (§ 22 Abs. 2 VBLS, § 14 Abs. 2 AKA-MS). Dies betrifft insbesondere die Fälle, dass
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– durch den beteiligten Arbeitgeber nicht mehr das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes oder ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts zur Anwendung gebracht wird (§ 19 Abs. 2 Buchst. d–f, Abs. 3 VBLS, § 11 Abs. 2 AKA-MS); – die bei einer Beteiligung von juristischen Personen des Privatrechts erforderliche überwiegende Beteiligung oder der statutenmäßige maßgebliche Einfluss einer juristischen Person des öffentlichen Rechts entfällt (Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 19 Abs. 2 Buchst. e VBLS, § 11 Abs. 1 Buchst. e AKA-MS); – die beteiligte juristische Person des Privatrechts nicht mehr die vorgesehene Mindestanzahl von Versicherungspflichtigen beschäftigt (Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 19 Abs. 2 Buchst. e VBLS); – ein im Hinblick auf seine Mitgliedschaft bei einem kommunalen Arbeitgeberverband beteiligter Arbeitgeber seine Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband aufgibt (§ 19 Abs. 2 Buchst. c VBLS, § 11 Abs. 1 Buchst. d AKA-MS) und die Voraussetzungen einer sonstigen Beteiligung nicht erfüllt; – das Mitglied im umlagefinanzierten Abrechnungsverband keine Pflichtversicherten mehr beschäftigt (§ 14 Abs. 2 AKA-MS)1. Beabsichtigt der Beteiligte, bei dem die Beteiligungsvoraussetzungen weggefallen sind, eine Fortsetzung seiner Beteiligung im Rahmen einer besonderen Beteiligungsvereinbarung (§ 20 Abs. 3 VBLS, § 12 Abs. 1 AKA-MS), kann/wird eine Kündigung durch die Zusatzversorgungskasse unterbleiben (zur Fortsetzung der Beteiligung s.u. Rz. 133 ff.). Bei der VBL muss für eine Fortsetzung der Beteiligung eine solche besondere Beteiligungsvereinbarung spätestens innerhalb von sechs Monaten nach dem Entfallen der Beteiligungsvoraussetzungen zustande kommen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 VBLS).
1 Bei der VBL ist dies seit der 10. Satzungsänderung sogar ein Grund für eine außerordentliche Kündigung durch die VBL (§ 22 Abs. 3 S. 2 VBLS). Betz-Rehm
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105
Teil 11
Rz. 106
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
bb) Gründe für eine außerordentliche Kündigung, insbesondere Übertragung eines wesentlichen Teils der Pflichtversicherten eines Beteiligten auf einen nicht beteiligten Arbeitgeber 106
Nach den Kassensatzungen steht sowohl dem beteiligten Arbeitgeber als auch der Zusatzversorgungskasse unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist offen (§ 22 Abs. 3 VBLS, § 14 Abs. 4 AKAMS). Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen liegt ein wichtiger Grund dann vor, wenn dem Kündigenden das Festhalten an der Beteiligungsvereinbarung/der Mitgliedschaft nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann1. Die VBLS/AKA-MS enthält insoweit eine exemplarische Aufzählung wichtiger Kündigungsgründe seitens der Zusatzversorgungskasse.
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Ein wichtiger Grund liegt demnach insbesondere vor, wenn ein Beteiligter mit der Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen (mehr als drei Monate) in Verzug ist. Dies betrifft die Zahlung von Umlagen, Sanierungsgeldern und etwaigen Beiträgen im Kapitaldeckungsverfahren (vgl. § 63 VBLS, § 61 AKA-MS) sowie auch von Zuschlägen zur Umlage im Zusammenhang mit einer Fortsetzung der Beteiligung (§ 20 Abs. 3 VBLS, § 12 Abs. 1 Satz 2 AKA-MS) oder auch die Zahlung von Ausgleichsbeträgen beim sog. Zäsurmodell (s.u. Rz. 136 ff.).
108
Von größerer Bedeutung im Zusammenhang mit Umstrukturierungen und Privatisierungen dürfte allerdings der in der VBLS (§ 22 Abs. 3 Satz 3 VBLS) ebenfalls als Grund für eine außerordentliche Kündigung seitens der Zusatzversorgungskasse genannte Fall sein, dass ein Beteiligter einen wesentlichen Teil der über ihn Pflichtversicherten auf einen oder mehrere Arbeitgeber übertragen hat, der/die an der Zusatzversorgungskasse nicht beteiligt ist/sind. Diese Satzungsbestimmung betrifft die nicht seltene Fallgestaltung, dass durch einen beteiligten Arbeitgeber bestimmte Teilbereiche seiner Organisation zusammen mit den betroffenen Arbeitnehmern im Wege eines Betriebsüberganges gemäß § 613a BGB oder im Rahmen von umwandlungsrechtlichen Gestaltungen auf einen anderen (neuen) Arbeitgeber übertragen werden. Beispielhaft kann in diesem Zusammenhang die Ausgliederung der Reinigungsaufgaben oder Küche eines in öffentlicher Trägerschaft betriebenen Krankenhauses auf eigenständige Service-Gesellschaften genannt werden. Die Frage, wann in derartigen Fällen von einer Übertragung eines wesentlichen Teils der Pflichtversicherten ausgegangen werden muss, ist im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Bereits aus dem Wortlaut der Satzungsregelung („eines“, nicht „des“ wesentlichen Teils) wird deutlich, dass auch bereits eine Übertragung von weniger als 50 % der Pflichtversicherten die Sanktion einer außerordentlichen Kündigung auslösen kann2. 1 Gilbert/Hesse, § 22 VBLS Rz. 4; Kiefer/Langenbrinck, § 22 VBLS Erl. 4. 2 Gilbert/Hesse, § 22 VBLS Rz. 5; Kiefer/Langenbrinck, § 22 VBLS Erl. 4.
990 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 110 Teil 11
Letztendlich wird es für die Frage eines „wesentlichen Teils“ sowohl auf qualitative als auch auf quantitative Kriterien ankommen. In qualitativer Hinsicht mag es im jeweiligen Einzelfall eine Rolle spielen, ob durch die Übertragung von Mitarbeitern Kernaufgaben des bisherigen Beteiligten betroffen sind (zB der Pflegebereich eines Krankenhauses) oder lediglich Randbereiche (wie zB die Küche). Je nachdem können ggf. Abstufungen vorgenommen werden, ab welcher Mitarbeiterzahl die Wesentlichkeitsschwelle überschritten wird. Nach der Verwaltungspraxis der Zusatzversorgungskassen (insbesondere auch bei der VBL) ist von einem wesentlichen Teil der Pflichtversicherten üblicherweise jedenfalls ab 10 % der über den jeweiligen Arbeitgeber insgesamt pflichtversicherten Arbeitnehmer auszugehen1. Wenn qualitativ wesentliche Bereiche betroffen sind, kann diese Schwelle aber auch bereits bei einem geringeren Prozentsatz liegen. Entscheidend kann auch die Größe und Struktur des Versichertenbestandes des jeweiligen Arbeitgebers sein; bei einem Beteiligten mit einer großen Anzahl von Pflichtversicherten wird die Umlagegemeinschaft bereits bei einem niedrigeren Prozentsatz stärker belastet. Vergleichbares gilt für Beteiligte mit einem hohen Rentnerbestand2. Ein Zeitraum für die Übertragung eines solchen wesentlichen Teils der Pflichtversicherten ist in den Satzungen der Zusatzversorgungskassen nicht vorgesehen. Der Betrachtungszeitraum kann sich damit auch über größere Zeitabschnitte erstrecken. Damit soll sichergestellt werden, dass auch bei gezielten Umgehungsmaßnahmen eines Arbeitgebers durch eine schrittweise Übertragung von Arbeitnehmern hinreichende Sanktionsmöglichkeiten für die Zusatzversorgungskassen zur Verfügung stehen3. Ist die Übertragung eines wesentlichen Teils der Pflichtversicherten von ei- 109 nem Beteiligten auf einen nicht beteiligten Arbeitgeber festzustellen, droht eine Kündigung der Beteiligung/Mitgliedschaft des „übertragenden“ Arbeitgebers insgesamt, also nicht nur mit Wirkung für die übergehenden Arbeitnehmer, sondern auch im Hinblick auf die Versicherung der beim Arbeitgeber verbleibenden Arbeitnehmer. Dies kann durch den betroffenen Arbeitgeber vermieden werden, wenn er sich verpflichtet, für die ausgeschiedenen Pflichtversicherten einen anteiligen Ausgleichsbetrag/Gegenwert zu zahlen (§ 22 Abs. 3 Satz 4 VBLS; zum Ausgleichsbetrag insgesamt s.u. Rz. 116 ff.). Die AKA-MS enthielt in der Vergangenheit vergleichbare Regelungen zur 110 Übertragung eines wesentlichen Teils der Pflichtversicherten. Ende des Jahres 2003 fand im Bereich der AKA allerdings eine Änderung der Satzungsregelungen statt. Hintergrund war, dass die in den genannten Fällen als Sanktion vorgesehene Kündigung der Mitgliedschaft des übertragenden Arbeitgebers insgesamt eine relativ unflexible Regelung darstellt, die dem 1 Wegner-Wahnschaffe, Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Kontext veränderter Rahmenbedingungen ihrer Mitglieder, ZTR 2004, 395 (401); Kiefer/ Langenbrinck, § 22 VBLS Erl. 4. 2 Wegner-Wahnschaffe, ZTR 2004, 395 (402). 3 Gilbert/Hesse, § 22 VBLS Rz. 6; Kiefer/Langenbrinck, § 22 VBLS Erl. 4. Betz-Rehm
991
Teil 11
Rz. 111
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
eigentlichen Ziel entgegensteht, bestehende Beteiligungen von Arbeitgebern im Sinne einer breiten Umlagegemeinschaft möglichst zu erhalten. Eine vollständige Beendigung der gesamten Beteiligung schießt insoweit auch über das Ziel hinaus, lediglich die durch die Übertragung von Arbeitnehmern für die Umlagegemeinschaft entstehenden finanziellen Nachteile auszugleichen. Auf der anderen Seite entstehen für die Umlagegemeinschaft nicht nur bei einer Übertragung eines wesentlichen Teils der Pflichtversicherten Nachteile, vielmehr führt jede Herausnahme von Pflichtversicherten aus dem Umlagesystem zu einer Schmälerung der Finanzierungsbasis. In der AKA-MS wurde deshalb die Bestimmung zur außerordentlichen Kündigung bei Übertragung eines wesentlichen Teils der Arbeitnehmer auf einen nicht beteiligten Arbeitgeber gestrichen. Stattdessen sieht nunmehr § 15 Abs. 3a AKA-MS vor, dass jede auf einer Vereinbarung zwischen den Arbeitgebern beruhende Übertragung von Arbeitnehmern von einem Mitglied des umlagefinanzierten Abrechnungsverbandes auf einen Arbeitgeber, der dort nicht Mitglied ist, eine anteilige Ausgleichszahlung des übertragenden Arbeitgebers für die ausgeschiedenen Pflichtversicherten und die dem übertragenen Bestand zuzuordnenden Ansprüche und Anwartschaften (von ausgeschiedenen Anwärtern und Rentnern) nach sich zieht1. Um Umgehungsversuche zu unterbinden, gilt dies ebenso, wenn der „neue“ Arbeitgeber (auf Basis einer Vereinbarung mit dem bisherigen Arbeitgeber) mit ausgeschiedenen Pflichtversicherten Arbeitsverhältnisse begründet. Durch diese Regelung kann einer schleichenden „Austrocknung“ des Versichertenbestandes wirksamer begegnet werden. 111
Die Problematik einer (schleichenden) Austrocknung des Versichertenbestandes ist in den Satzungen der Zusatzversorgungskassen allerdings nicht in allen denkbaren Varianten abschließend geregelt. Umgehungsversuche sind weiterhin denkbar und mögen in der Praxis auch immer wieder vorkommen. Zu denken ist zB an Fälle, dass bestimmte Aufgaben auf eine neue Gesellschaft ausgegliedert werden, die nicht Mitglied der Zusatzversorgungskasse ist. Die bisher mit diesen Aufgaben beschäftigten Mitarbeiter verbleiben unter Fortsetzung ihrer Pflichtversicherung bei der Zusatzversorgungskasse beim bisherigen Arbeitgeber und werden an die neue Gesellschaft „ausgeliehen/gestellt“, während Neueinstellungen außerhalb der Tarifkonditionen und außerhalb der Zusatzversorgung nur noch bei der neuen Gesellschaft erfolgen. Auch entgegengesetzte Fälle sind dergestalt denkbar, dass ein Mitglied der Zusatzversorgungskasse selbst keine Neueinstellungen mehr vornimmt und dazu übergeht, neues Personal nur noch im Rahmen einer Personalüberlassung von einem nicht beteiligten (Konzern-)Unternehmen einzusetzen. Ein prominentes Beispiel dieser in vielen
1 Dass dies selbstverständlich auch dann gilt, wenn Arbeitsverhältnisse infolge eines Betriebsüberganges gem. § 613a BGB auf einen Arbeitgeber übergehen, der nicht Mitglieder der Zusatzversorgungskasse (im umlagefinanzierten Abrechnungsverband) ist, wurde durch ein Urteil des LG Stuttgart v. 20.5.2008 – 15 O 8/08, BeckRS 2008, 09749 bestätigt.
992 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 113 Teil 11
Variationen denkbaren Vorgehensweise war die Privatisierung der Gebäudeversicherungsanstalt in Baden-Württemberg1. Derartige Umgehungsversuche sind allerdings nicht ohne Risiken und 112 können – obwohl die Satzungen der Zusatzversorgungskassen derartige Fälle nicht ausdrücklich regeln – eventuell als Grund für eine außerordentliche Kündigung seitens der Zusatzversorgungskasse herangezogen werden oder zumindest als ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gesehen werden, der die Kasse unter Umständen auch zur Forderung eines Ausgleichsbetrages ermächtigen kann. In derartigen Fällen kommt es auch immer auf die Reichweite der Auswirkungen auf die Finanzierung der Zusatzversorgung an. In einer Entscheidung zum genannten Fall der badenwürttembergischen Gebäudeversicherungsanstalt hatte der BGH2 festgehalten, dass Geschäftsgrundlage des nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilenden Beteiligungsvertrages das Finanzierungssystem sei, wie es sich aus der VBLS ergebe. Ein solches Finanzierungssystem, das sich nur aus Umlagen entsprechend der Anzahl der aktiven im öffentlichen Dienst tätigen Beschäftigten speise, habe für seine Funktionsfähigkeit zur Grundlage, dass für die Empfänger von Rentenleistungen eine im Wesentlichen ausreichende Zahl jüngerer Beschäftigter nachrücke. Werde in diese Grundlage eingegriffen, könnte es an der Geschäftsgrundlage für eine Weiterversicherung der bis zur Privatisierung beim bisherigen Arbeitgeber Beschäftigten fehlen. Hieraus könne sich das Erfordernis einer Anpassung des Vertragsverhältnisses zwischen der Zusatzversorgungskasse und dem betreffenden Arbeitgeber ergeben, wobei als Anpassung die Zahlung eines Ausgleichsbetrages durch den betreffenden Arbeitgeber in Betracht kommen könne. Abschließend musste der BGH über diese Frage allerdings nicht entscheiden. Aus dieser Entscheidung wird aber deutlich, dass gezielte Umgehungsversuche nicht in jedem Fall sanktionslos bleiben müssen. c) Beendigung der Beteiligung/Mitgliedschaft aus sonstigen Gründen Die Beteiligung/Mitgliedschaft endet nicht nur durch Kündigung. Sie endet 113 vielmehr auch automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf, wenn das Mitglied aufgelöst oder in eine andere juristische Person überführt wird. Erfasst sind hierdurch auch ein etwaiger Verlust der Rechtsfähigkeit sowie Fälle einer Umwandlung in eine andere juristische Person oder „der Zusammenschluss“ mehrerer juristischer Personen zu einer neuen juristischen Person. Während in der AKA-MS hierzu eine ausdrückliche Regelung enthalten ist (§ 14 Abs. 1 Buchst. a AKA-MS), sind diese Fälle in der VBLS nicht ausdrücklich angesprochen. Auch für den Bereich der VBL wird man in derartigen Fällen aber von einer automatischen Beendigung der Beteiligung ausgehen müssen3. 1 Vgl. hierzu Wegner-Wahnshaffe, ZTR 1998, 485 ff.; Wegner-Wahnschaffe, ZTR 2004, 395 (402); Escher, ZTR 1997, 394 ff. 2 BGH v. 7.5.1997 – IV ZR 179/96, NZA 1997, 827. 3 Vgl. hierzu Gilbert/Hesse, § 22 VBLS Rz. 1, § 23 VBLS Rz. 2. Zur VBLS vertritt Gilbert/Hesse, a.a.O., darüber hinaus die Auffassung, dass eine automatische Beendigung der Beteiligung auch eintritt, wenn der Beteiligte auf Dauer keine versicheBetz-Rehm
993
Teil 11
Rz. 114
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
3. Folgen des Ausscheidens eines Beteiligten a) Ende der Pflichtversicherungen 114
Scheidet der Arbeitgeber aus der Beteiligung/Mitgliedschaft bei der Zusatzversorgungskasse aus, enden die Pflichtversicherungen der bei ihm im Arbeitsverhältnis stehenden Beschäftigten (§ 23 Abs. 1 VBLS, § 20 Abs. 1 AKA-MS). Die Versicherungen der betroffenen Arbeitnehmer bleiben als beitragsfreie Versicherungen bestehen (§ 30 VBLS, § 21Abs. 1 Satz 2 Buchst. a AKA-MS).
115
Anders als nach dem früheren Gesamtversorgungssystem hat eine Beendigung der Beteiligung/Mitgliedschaft des Arbeitgebers im neuen Punktemodell damit keine so gravierenden Auswirkungen mehr. Im Rahmen des früheren Gesamtversorgungssystems entfiel in derartigen Fällen der Anspruch auf die dynamische Versorgungsrente und es verblieb lediglich der Anspruch auf die deutlich geringere statische Versicherungsrente. Der Arbeitgeber hatte jedoch weiterhin im Rahmen des Versorgungsverschaffungsanspruchs (vgl. hierzu Rz. 130 ff.) eine gleichwertige Versorgung zu gewährleisten und musste damit nicht nur für zukünftige Dienstzeiten gleichwertige Anwartschaften gewähren, sondern auch für die bereits abgeleisteten Dienstjahre die Differenz zur Versicherungsrente ausgleichen. Unter dem neuen Punktemodell bleiben die erworbenen Anwartschaften in Form der erreichten Versorgungspunkte aufrechterhalten. Erfüllen die betroffenen Arbeitnehmer bei Eintritt eines Versorgungsfalles die Wartezeit von 60 Monaten1 (§ 34 VBLS, § 32 AKA-MS), resultieren aus den erworbenen Versorgungspunkten entsprechende Rentenansprüche. Lediglich wenn die Wartezeit (bis zur Vollendung des 69. Lebensjahres) nicht erfüllt ist, erlischt die beitragsfreie Versicherung, ohne dass aus ihr Leistungsansprüche erwachsen würden (§ 30 Abs. 3 Buchst. d VBLS, § 21 Abs. 2 AKA-MS). Nur in diesem Fall trifft den aus der Zusatzversorgung ausscheidenden Arbeitgeber dann ein Nachfinanzierungsrisiko zur Gewährung der Versorgung für die bis zum Ausscheiden aus der Zusatzversorgung bereits erdienten Anwartschaften. b) Pflicht zur Zahlung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages
116
Eine wesentliche Folge der Beendigung der Beteiligung/Mitgliedschaft ist die Pflicht des aus der umlagefinanzierten Zusatzversorgung ausscheidenden Arbeitgebers, an die Zusatzversorgungskasse den versicherungsmatherungspflichtigen Arbeitnehmer mehr beschäftigt. Für den Bereich der AKA ist dies gemäß § 14 Abs. 2 AKA-MS lediglich ein Grund für eine ordentliche Kündigung seitens der Zusatzversorgungskasse. 1 Berücksichtigt wird jeder Kalendermonat, für den bis zum Beginn der Betriebsrente mindestens für einen Tag Aufwendungen für die Pflichtversicherung erbracht worden sind. Erfüllt ein Arbeitnehmer die Wartezeit zum Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft des Arbeitgebers noch nicht, kann die Wartezeit gleichwohl noch erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt wieder pflichtversichert wird, zB nach einem Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber, der an der Zusatzversorgung teilnimmt.
994 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 119 Teil 11
matisch berechneten Ausgleichsbetrag (bzw. nach der Diktion der VBL den „Gegenwert“) zu bezahlen. aa) Hintergrund für die Verpflichtung zur Zahlung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages Die Ansprüche und Anwartschaften der über den (ausscheidenden) Arbeit- 117 geber gegenwärtig und in der Vergangenheit pflichtversicherten Arbeitnehmer (aktive und ausgeschiedene Anwärter sowie Versorgungsempfänger) bleiben gegenüber der Zusatzversorgungskasse auch nach der Beendigung der Mitgliedschaft des Arbeitgebers bestehen und müssen durch die Zusatzversorgungskasse erfüllt werden. Im Umlageverfahren sind diese Ansprüche und Anwartschaften allerdings nicht ausfinanziert/kapitalgedeckt. Durch das Ausscheiden aus der umlagefinanzierten Zusatzversorgung trägt der ausscheidende Arbeitgeber zukünftig nicht mehr zur Finanzierung dieser durch ihn begründeten Versorgungsverpflichtungen bei. Die Finanzierungslast würde damit zu Lasten der verbleibenden Umlagegemeinschaft gehen. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sehen die Satzungen der Zusatzversorgungskassen (vgl. § 23 Abs. 2–5 VBLS, § 15 AKA-MS) die Zahlung eines Ausgleichsbetrages/Gegenwertes zur Ausfinanzierung der Verpflichtungen aus der Versicherung der (früheren) Versicherungspflichtigen des ausscheidenden Arbeitgebers vor. Insoweit stellt die Verpflichtung zur Zahlung des Ausgleichsbetrages/Gegenwertes weder eine Verpflichtung zum Schadensersatz noch eine Vertragsstrafe dar1. bb) Berechnung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages Für die Berechnung des Ausgleichsbetrages/Gegenwertes werden die Leistungsansprüche von Rentenberechtigten (also die bestehenden laufenden Rentenleistungen), die Versorgungspunkte aus (unverfallbaren sowie verfallbaren) Anwartschaften sowie die künftigen Leistungsansprüche potentieller Hinterbliebener berücksichtigt.
118
Für die freiwillige Versicherung (s.u. Rz. 286 ff.) fällt kein Ausgleichsbetrag an, da diese bereits vollständig kapitalgedeckt finanziert wird. Dasselbe gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die bei kommunalen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen bereits vollständig im Kapitaldeckungsverfahren ausfinanziert sind2. Die Satzungen der Zusatzversorgungskassen enthalten weitere Parameter zur Berechnung, insbesondere den zugrunde zu legenden Rechnungszins, sowie ggf. die Berücksichtigung einer Rentendynamik, Verwaltungskosten und einen Zuschlag zur Deckung etwaiger Fehlbeträge (vgl. § 23 Abs. 2 VBLS, § 15 Abs. 2 AKA-MS)3. 1 Gilbert/Hesse, § 23 VBLS Rz. 4. 2 Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 190. 3 Zu Einzelheiten der Berechnung vgl. Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 191 ff.; Gilbert/Hesse, § 23 VBLS Rz. 6 ff.; Wegner-Wahnschaffe, Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Kontext veränderter Betz-Rehm
995
119
Teil 11
120
Rz. 120
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Zu beachten ist, dass nach der AKA-MS (§ 15 Abs. 2 Satz 4 AKA-MS) ausdrückliche Geschäftsgrundlage der Berechnungen die derzeitigen Bestimmungen zur Überleitung der früheren Gesamtversorgung in das Punktemodell sind. Insoweit steht bei den Zusatzversorgungskassen der AKA die Berechnung der Ausgleichsbeträge ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer Neuberechnung, wenn aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung und hierauf beruhender tarifvertraglicher Änderungen eine Neubewertung der bis zur Umstellung auf das Punktemodell erdienten Ansprüche und Anwartschaften erforderlich werden sollte. Bei der VBL ist in diesem Zusammenhang auf § 35 Abs. 4 VBLS zu verweisen. Ist es zur Zahlung eines Gegenwertes gekommen, ist die VBL gegenüber den begünstigten Versicherten berechtigt, nachträgliche Leistungsverbesserungen zu verweigern, die bei der Berechnung des Gegenwerts nicht berücksichtigt wurden, es sei denn, der ausgeschiedene Beteiligte (Arbeitgeber) hat mit der VBL gemäß § 23 Abs. 5 Satz 6 VBLS hierfür eine Nachzahlung auf den Gegenwert vereinbart. Ist dies nicht der Fall und erbringt die VBL solche verbesserte Leistungen deshalb nicht, ist es denkbar, dass der Arbeitgeber gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern aus dem arbeitsrechtlichen Grundverhältnis für derartige Leistungsverbesserungen unmittelbar haftet. cc) Berechnung bei Ausgliederung
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Ein Sonderfall für die Berechnung des Gegenwertes liegt vor, wenn der aus der Zusatzversorgung ausscheidende Arbeitgeber ganz oder teilweise durch eine Ausgliederung aus einem anderen Mitglied/Beteiligten hervorgegangen ist (§ 23 Abs. 2 Satz 9 VBLS, § 15 Abs. 2 Satz 5 AKA-MS)1. In diesem Fall sind bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages nicht nur die Verpflichtungen aus den gegenwärtigen oder früheren Pflichtversicherungen des ausscheidenden Arbeitgebers selbst zu berücksichtigen. Vielmehr werden dem ausscheidenden Arbeitgeber auch die Ansprüche und Anwartschaften aufgrund früherer Pflichtversicherungen über das ausgliedernde Mitglied anteilig zugerechnet. Hintergrund ist, dass in derartigen Fällen der ausscheidende Arbeitgeber der Umlagegemeinschaft nicht nur die Renten- und Anwartschaftslasten der im Rahmen der Ausgliederung auf ihn übergegangenen Arbeitnehmer hinterlässt, sondern auch die zum Zeitpunkt der Ausgliederung bereits bestehenden Rentenlasten und Anwartschaften Ausgeschiedener mit zu verantworten hat. Allerdings sehen die Satzungen der ZusatzversorgungskasRahmenbedingungen ihrer Mitglieder, ZTR 2004, 395 (397); kritisch Dierkes/Geyer, FS Kemper, 2005, S. 75 ff.; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, BetrAVG Anhang I Rz. 26 f. 1 Beispiel: Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts betreibt ein Krankenhaus sowie eine Altenpflegeeinrichtung. Der Betrieb der Altenpflegeeinrichtung wird mit allen aktiven Mitarbeitern auf einen selbständigen Rechtsträger (zB einen Verein) ausgelagert, der zunächst ebenfalls Mitglied der Zusatzversorgungskasse wird. Nach kurzer Zeit kündigt allerdings dieser Verein seine Mitgliedschaft bei der ZVK.
996 Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 124 Teil 11
sen eine zeitabhängige lineare Absenkung dieses zuzurechnenden Barwerts vor. Die Zurechnung reduziert sich in Höhe von jeweils einem Zwanzigstel für je zwölf in der Zeit zwischen dem Beginn und dem Ende der Mitgliedschaft im umlagefinanzierten Abrechnungsverband zurückgelegte volle Monate, so dass nach 20 Jahren keine Zurechnung mehr erfolgt1. dd) Entfallen/Minderung bei Fortsetzung der Pflichtversicherung Die Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages/Gegenwertes ent- 122 fällt ganz oder mindert sich anteilig, wenn die Pflichtversicherungen der Beschäftigten des ausgeschiedenen Beteiligten, die in den 36 Monaten vor dem Ausscheiden bestanden haben, ganz oder teilweise über einen oder mehrere andere Beteiligte spätestens drei Monate nach deren Beendigung fortgesetzt werden oder worden sind (§ 23 Abs. 3 VBLS, § 15 Abs. 3 AKAMS)2. Voraussetzung hierfür ist aber nicht nur, dass dieser Beteiligte die Arbeitnehmer übernommen und damit deren Pflichtversicherungen fortgesetzt hat, sondern dass auf ihn auch die Aufgaben des früheren Beteiligten übergegangen sind. Durch diese Regelung (die nicht zuletzt als Reaktion auf den oben (Rz. 112) geschilderten Fall der Privatisierung der Gebäudeversicherungsanstalt Baden-Württemberg in die Satzungen der Zusatzversorgungskassen aufgenommen wurde) soll verhindert werden, dass durch Arbeitnehmerüberlassungsverträge oder Personalgestellungen die Zahlung des Gegenwertes gezielt umgangen wird3. ee) Keine Dispositionsmöglichkeiten Die Zahlung des Ausgleichsbetrages/Gegenwertes steht nicht zur Disposition des beteiligten Arbeitgebers und der versicherten Arbeitnehmer. Selbst wenn die versicherten Arbeitnehmer sich dazu bereit erklären würden, auf ihre Ansprüche gegenüber der jeweiligen Zusatzversorgungskasse zu verzichten, so dass damit die Berechnungsgrundlagen des Ausgleichsbetrages reduziert würden, sind die Zusatzversorgungskassen nicht verpflichtet, einen derartigen Erlassvertrag abzuschließen4.
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ff) Modalitäten der Berechnung/Zahlung Der Ausgleichsbetrag/Gegenwert wird auf Kosten des ausscheidenden Arbeitgebers berechnet (§ 23 Abs. 2 Satz 1 VBLS, § 15 Abs. 2 Satz 3 AKA-MS). Er ist innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung seiner Höhe an die Zusatzversorgungskasse zu zahlen (§ 23 Abs. 4 VBLS, § 15 Abs. 4 AKA1 Vgl. hierzu Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 195 ff.; Gilbert/Hesse, § 23 VBLS Rz. 14. 2 Bei der VBL ist Voraussetzung für eine anteilige Reduzierung, dass die Pflichtversicherungen der Pflichtversicherten, die am ersten des 36. Monats vor dem Ausscheiden über den Beteiligten versichert waren, mindestens zur Hälfte fortgesetzt werden. 3 Vgl. hierzu Gilbert/Hesse, § 23 VBLS Rz. 15 ff. 4 Vgl. BGH v. 17.4.2002 – IV ZR 89/01, VersR 2002, 831 ff. (= EzBAT § 4 Versorgungs-TV Beteiligungsvereinbarung Nr. 1). Betz-Rehm
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124
Teil 11
Rz. 125
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
MS). Eine Stundung der Zahlung unter Berechnung von Zinsen ist möglich. Da der Ausgleichsbetrag/Gegenwert der Ausfinanzierung der bestehenden Ansprüche und Anwartschaften dient und insoweit eine Kapitaldeckung herbeigeführt wird, ist er dem kapitalgedeckten Versorgungskonto II (VBL) bzw. dem Abrechnungsverband II (Zusatzversorgungskassen der AKA) zuzuführen. gg) Kritik an den Regelungen des Gegenwerts/des Ausgleichsbetrages 125
Dass ein Ausgleichsbetrag zur Sicherstellung der Erfüllung der im Umlageverfahren finanzierten Ansprüche und Anwartschaften dem Grunde nach erforderlich und gerechtfertigt sein kann, ist als solches nachvollziehbar. Allerdings wird auch zunehmend Kritik an der Gegenwertzahlung an sich geübt, in jüngster Zeit insbesondere auch unter dem wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkt, dass die Zusatzversorgungskassen, insbesondere die VBL, eine faktische Monopolstellung ausnutzen würden. Kritik wird auch an den Berechnungsparametern des Ausgleichsbetrages geübt. Beanstandet werden dabei insbesondere der niedrige Rechnungszins (im Vergleich zu der am Kapitalmarkt erzielbaren Verzinsung), die Höhe der Verwaltungskostenzuschläge, die pauschalen Zuschläge zur Deckung etwaiger Fehlbeträge sowie die Tatsache, dass bei der Gegenwertberechnung auch die Anwartschaften aus noch verfallbaren Versorgungspunkten berücksichtigt werden (von Anwärtern, welche die 60-monatige Wartezeit noch nicht erfüllt haben), also Anwartschaften, bei denen noch gar nicht sicher ist, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt überhaupt zu einer Zahlungspflicht der Zusatzversorgungskasse führen1. Obergerichtliche Rechtsprechung zur Berechnung des Ausgleichsbetrages existiert – soweit ersichtlich – noch nicht. Vor dem LG Karlsruhe ist allerdings eine Reihe von Verfahren der VBL, überwiegend gegen früher beteiligte Sozialversicherungsträger, aber auch gegen frühere Beteiligte aus dem Krankenhausbereich hinsichtlich der Gegenwertzahlung gemäß § 23 VBLS anhängig. Zwischenzeitlich hat das LG Mannheim in einem erstinstanzlichen Urteil vom 19.6.20092 in einem Verfahren der VBL gegen eine gesetzliche Krankenkasse entschieden, dass die Regelung zur Gegenwertforderung in § 23 Abs. 2 VBLS in den Fassungen seit 1995 (auch in der aktuellen Fassung) die ausscheidenden Beteiligten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Das LG Mannheim geht in dieser Entscheidung zunächst davon aus, dass die als AGB zu qualifizierende Regelung des § 23 Abs. 2 VBLS uneingeschränkt der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliege. Eine tarifvertragsgleiche Wirkung, die einer Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB oder § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB iVm. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB entgegen1 Vgl. zu diesen sowie zu weiteren Kritikpunkten insbesondere Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, BetrAVG Anhang I Rz. 27; Dierkes/Geyer, FS Kemper, S. 75 ff. 2 LG Mannheim v. 19.6.2009 – 7 O 122/08, (n. rkr.), BetrAV 2009, 774.
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V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 125 Teil 11
stehen könne, läge bezüglich § 23 Abs. 2 VBLS nicht vor. Auch beruhe § 23 Abs. 2 VBLS nicht auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien, so dass auch insoweit eine Einschränkung der Inhaltskontrolle nicht greife. § 23 Abs. 2 VBLS stelle auch keine Preisvereinbarung dar, die nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen wäre. Zwar habe die VBL grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einer an das Ausscheiden des Beteiligten geknüpften Finanzierungsregelung. Im Spannungsfeld zwischen künftig ausbleibenden Beitragszahlungen des ausscheidenden Beteiligten und bereits bestehenden Rentenlasten bzw. Anwartschaften dürfe eine Abwicklungsmodalität gefunden werden, welche die Folgen des Ausscheidens nicht der VBL und damit mittelbar den übrigen Beteiligten allein aufbürde. Eine solche Regelung weiche im Grundsatz auch weder von einer gesetzlichen Regelung und deren wesentlichen Grundgedanken ab noch werde hierdurch grundsätzlich die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet (§ 307 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 BGB). Auf Seiten der ausscheidenden Beteiligten sei aber das Interesse zu berücksichtigen, dass durch die Ausgestaltung der Beendigungsfolgen die zulässige Kündigungsmöglichkeit nicht übermäßig behindert werde und dass die geleisteten Prämien in Form der Umlagen und Sanierungsgelder, mit denen der Versicherungsschutz bereits im Grundsatz erworben sei, nicht unberücksichtigt blieben. Unter Abwägung dieser Interessen benachteilige die Regelung des § 23 Abs. 2 VBLS den ausscheidenden Beteiligten unangemessen. Der von der VBLS angeordnete Systemwechsel in der Finanzierung der versicherten Risiken bei Ausscheiden eines Beteiligten (Wechsel zur Kapitaldeckung) unter Außerachtlassen der bereits gezahlten Prämien sei nicht durch das Umlagefinanzierungssystem gerechtfertigt. Das LG Mannheim thematisiert in diesem Zusammenhang verschiedene andere Lösungsmodelle für einen Ausgleich der weiter bestehenden Versorgungslasten der VBLS, welche den ausscheidenden Beteiligten unter Berücksichtigung der Interessen der VBL weniger belasten würden. Das einseitige Aufbürden der Probleme und Friktionen des systematisch nicht vorgesehenen, aber rechtlich erlaubten Ausscheidens auf den Beteiligten sei nicht zu rechtfertigen. Den weiteren (kartellrechtlichen) Einwand des ausscheidenden Beteiligten, § 23 Abs. 2 VBLS sei auch wegen eines Verstoßes gegen Art. 82 EGV und § 19 GWB nichtig, ließ das LG Mannheim dahinstehen. In gleicher Weise hat das LG Mannheim in einem erstinstanzlichen Urteil ebenfalls vom 19.6.20091 bezüglich eines Ausscheidens aus der VBL zum 31.12.2002 mit identischer Begründung argumentiert und zum „alten“ AGB-Recht festgestellt, dass § 23 Abs. 2 VBLS in den Fassungen seit 1995 gleichermaßen nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam sei. Demgegenüber hat zwischenzeitlich eine andere Kammer des LG Mannheim in einem erstinstanzlichen Urteil vom 28.8.20092 unabhängig von der Frage, ob § 23 Abs. 2 VBLS wirksam sei, eine Pflicht zur Zahlung des Gegenwerts vom Grundsatz her anerkannt. Auch in dieser Entscheidung 1 LG Mannheim v. 19.6.2009 – 7 O 123/08 (n. rkr.), BetrAV 2009, 565. 2 LG Mannheim v. 28.8.2009 – 2 O 74/08 (n. rkr.), BeckRS 2009, 26827. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 125
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
geht das LG Mannheim zunächst davon aus, dass Zweifel bestehen könnten, ob sich ein Anspruch auf Zahlung des Gegenwerts aus § 23 Abs. 2 VBLS ergeben könne und verweist hinsichtlich der AGB-rechtlichen Bedenken insoweit auf das Urteil des LG Mannheim vom 19.6.20091. Auf der anderen Seite beruhe die Pflicht zur Zahlung des Gegenwerts nach Ansicht des LG Mannheim im Ansatz nicht auf unsachlichen Erwägungen und entspreche einem im Grunde berechtigten Interesse der VBL. Im Ergebnis lässt das LG Mannheim die Frage, ob § 23 Abs. 2 VBLS einer Inhaltskontrolle standhalte, in dieser Entscheidung unbeantwortet. Selbst bei Unterstellung der Unwirksamkeit von § 23 Abs. 2 VBLS könne sich eine Pflicht zur Zahlung des Gegenwerts nämlich aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung ergebe, dass der Beteiligte beim Ausscheiden aus der VBL zumindest von einer Ausfinanzierung der auf seine Beschäftigten entfallenden und während seiner Beteiligung entstandenen Leistungspflichten durch Zahlung von Deckungskapital an die VBL nicht vollständig befreit sei. Dabei zieht das LG Mannheim allerdings zugunsten des Beteiligten Härten abmildernde Regelungen in Betracht, u.a. eine Partizipation des ausscheidenden Beteiligten an nicht verbrauchtem, überschüssigem Kapital der VBL, eine Stundung des Gegenwerts mit Ratenzahlung sowie hinsichtlich der Berücksichtigung der noch verfallbaren Anwartschaften eine Regelung, die einer betriebswirtschaftlichen Bewertung entspreche. Das konkrete Ergebnis einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung konnte das LG Mannheim aus prozessualen Gründen offen lassen (da der ausgeschiedene Beteiligte auf Feststellung geklagt hatte, dass er in keinem Fall zu einer Gegenwertzahlung verpflichtet sei). Im Hinblick auf Hilfsanträge des klagenden Beteiligten stellte das LG Mannheim sodann aber auch fest, dass die am 3.1.2003 im Bundesanzeiger veröffentlichte Änderung der VBLS nF keine Wirkung für einen mit Ablauf des 31.12.2002 aus dem Beteiligungsverhältnis ausgeschiedenen Beteiligten entfalte. Eine Ermächtigung zur rückwirkenden Änderung der Satzung ergäbe sich aus § 14 VBLS nicht. Jedenfalls werde ein Recht zur Änderung der Vertragsbedingungen mit einem Beteiligten nach dessen Ausscheiden durch § 14 VBLS nicht begründet. Im Ergebnis verwehrte es das LG Mannheim daher der VBL, einen Gegenwert auf Basis einer Berechung gem. § 23 Abs. 2 VBLS nF zu verlangen. Da die Gegenwertberechnung der VBL insoweit an schwerwiegenden Fehlern aus dem Verantwortungsbereich der VBL leide (auf einem bereits im Ansatz verfehlten und von vornherein ungeeigneten Gutachtenauftrag), verneint das LG Mannheim auch eine Pflicht des ausscheidenden Beteiligten, die im Zusammenhang mit der Gegenwertberechung angefallenen Gutachterkosten zu tragen. Diese unterschiedlichen Urteile der ersten Instanz machen deutlich, dass das letzte Wort in punkto Gegenwert sicherlich noch nicht gesprochen sein und eine abschließende Klärung wohl erst durch den BGH erfolgen dürfte.
1 LG Mannheim v. 19.6.2009 – 7 O 122/08 (n. rkr.), BetrAV 2009, 774.
1000
Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 127 Teil 11
hh) Lohnsteuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages Die lohnsteuerliche Behandlung des Ausgleichsbetrages/Gegenwertes war zwischen der Finanzverwaltung und der herrschenden Meinung des Schrifttums lange Zeit umstritten. Während die Finanzverwaltung in ständiger Verwaltungspraxis in der Zahlung des Gegenwertes einen lohnsteuerpflichtigen Zufluss bei den jeweiligen aktiven Arbeitnehmern sah, dabei aber ein Gebrauchmachen von der Pauschalierungsmöglichkeit des § 40b EStG (in der bis 31.12.2004 gültigen Fassung) in unbegrenzter Höhe zuließ1, wurde diese Sichtweise von der Literatur stark kritisiert und eine Steuerpflicht bezüglich des Ausgleichsbetrages/Gegenwertes vehement abgelehnt2.
126
Durch die Rechtsprechung wurde die Auffassung der Finanzverwaltung 127 mit einer erstinstanzlichen Entscheidung des FG München vom 29.10.20043 zunächst bestätigt. Mit Wirkung ab 1.1.2005 fügte der Gesetzgeber durch das Alterseinkünftegesetz mit § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG eine „klarstellende“ Regelung ein, mit der die Auffassung der Finanzverwaltung zur Anwendung des § 40b EStG ebenfalls bestätigt und eine Pauschalversteuerung des Ausgleichsbetrages in voller Höhe mit dem Pauschalsteuersatz von 20 % vorgesehen wurde. Gleichwohl hatte der BFH4 die Kritik aus der Literatur aufgenommen, die Entscheidung des FG München aufgehoben und klargestellt, dass eine Lohnbesteuerung des Gegenwerts/Ausgleichsbetrages nicht in Betracht komme. Der BFH verneinte in dieser Entscheidung von vorneherein das Vorliegen der Voraussetzungen eines steuerpflichtigen Arbeitslohnes gemäß § 19 EStG. Die Gegenwertzahlung diene ausschließlich dem Ausgleich der durch das Ausscheiden des Arbeitgebers aus der Zusatzversorgungskasse verursachten Finanzierungslücke, die Arbeitnehmer erlangten durch die Zahlung des Gegenwertes weder einen geldwerten Vorteil noch könne die Zahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung beurteilt werden. Auf die Regelung in § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes kam es aus zeitlichen Gründen nicht an (der Gegenwert war im Streitfall vor dem Inkrafttreten von § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG gezahlt worden). Der BFH machte dabei aber deutlich, dass es sich bei § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG auch nicht um eine Klarstellung eines auch für frühere Jahre maßgeblichen Rechtszustandes handle. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Frage, ob eine steuerbare Einnahme der Arbeitnehmer vorliege, sei allein § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. § 8 Abs. 1 EStG.
1 Vgl. zur „Klarstellung“ durch § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG idF des Alterseinkünftegesetzes, gültig ab 1.1.2005, BMF-Schreiben v. 17.11.2004, BStBl I 2004, 1065 Rz. 199, 200. 2 Vgl. Heger, BB 2006, 1598 ff.; Seeger, DB 2005, 1588 (= BetrAV 2005, 648); Hügelschäffer, BetrAV 2005, 351 ff.; Heger, BB 2005, 749 (= BetrAV 2005, 447). 3 FG München v. 29.10.2004 – 8 K 1587/03, BetrAV 2005, 500 ff. 4 BFH v. 15.2.2006 – VI R 92/04, BStBl. 2006 II, 528 (= NJW 2006, 1999 f.). Betz-Rehm
1001
Teil 11
128
Rz. 128
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Das BMF reagierte auf die Rechtsprechung des BFH umgehend durch ein Schreiben vom 30.5.20061 und erkannte zwar deren Anwendbarkeit allgemein an. Alle offenen Fälle, in denen eine Gegenwert-/Ausgleichszahlung geleistet wurde, könnten für die Kalenderjahre 2005 und früher unter Beachtung der Rechtsprechung des BFH abgeschlossen werden. Gleichzeitig kündigte das BMF allerdings für Lohnzahlungs- bzw. Veranlagungszeiträume, die nach dem 31.12.2005 enden, u.a. für die steuerliche Behandlung von Sonderzahlungen des Arbeitgebers, die anlässlich seines Ausscheidens aus der VBL geleistet werden (= Gegenwert), eine ausdrückliche gesetzliche Neuregelung an, die zu einer Versteuerung solcher Sonderzahlungen führen werde. Diese gesetzliche Neuregelung erfolgte durch das Jahressteuergesetz 2007 insbesondere durch § 19 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die Streichung von § 40b Abs. 2 Satz 5 EStG und die Einfügung eines neuen Abs. 4 in § 40b EStG. Es wurde damit ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass Zahlungen des Arbeitgebers anlässlich seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung an eine Pensionskasse (= Ausgleichs-/Gegenwertzahlung) zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören. Solche Zahlungen sind nunmehr gemäß § 40b Abs. 4 EStG vom Arbeitgeber mit einem Pauschalsteuersatz von 15 % zu versteuern. Dies gilt für alle Ausgleichs-/Gegenwertzahlungen nach dem 23.8.2006 (Tag des Kabinettsbeschlusses) sowie ebenfalls für alle nach diesem Stichtag geleisteten Teil- oder Restzahlungen (vgl. § 52 Abs. 52b Satz 3 EStG). Die steuerrechtliche Behandlung der Ausgleichs-/Gegenwertzahlung ist damit jetzt eindeutig gesetzlich geregelt (wenn auch weiterhin nicht unumstritten).
129
Anders ist dies hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Gegenwertzahlung. Hier haben Gesetz- und Verordnungsgeber bisher eine eindeutige Regelung der Frage, ob und inwieweit die Ausgleichs-/Gegenwertzahlung in der gesetzlichen Sozialversicherung zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zählt und damit zu einer Verbeitragung führt, nicht eindeutig beantwortet. Gemäß § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Grundsätzlich stellen insoweit Zahlungen des Arbeitgebers an Pensionskassen (hierzu zählen auch die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes) sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt dar. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV besteht jedoch eine Ermächtigung für die Bundesregierung durch Rechtsverordnung zu regeln, dass Zuwendungen an Pensionskassen ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt zählen. Seit dem 1.1.2007 gilt insoweit die Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV2). Gemäß § 1 Abs. 1 1 BMF-Schreiben v. 30.5.2006, BStBl. I 2006, 415. 2 Sie hat die frühere Arbeitsentgeltverordnung sowie die Sachbezugsverordnung abgelöst.
1002
Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 129 Teil 11
Satz 1 Nr. 4a SvEV sind Zuwendungen nach § 40b EStG, die zusätzlich zu Löhnen und Gehältern gewährt werden, nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit nicht § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 SvEV etwas anderes bestimmen. Der nach § 40b Abs. 4 EStG pauschal zu versteuernde Ausgleichsbetrag/Gegenwert kann also grundsätzlich hierunter gefasst werden. Fraglich ist allerdings, ob sich aus § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 SvEV etwas anderes ergibt. Diese Sonderregelungen gelten für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes1 und legen fest, dass pauschal versteuerte Zuwendungen an die Zusatzversorgungskassen bis zur Höhe von 100 Euro monatlich mit einem Hinzurechnungsbetrag von bis zu 2,5 % des für ihre Bemessung maßgebenden Entgelts abzüglich 13,30 Euro monatlich, mit dem Teil, der 100 Euro monatlich übersteigt, vollständig, dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Die Grenze von 100 Euro monatlich wäre bei Ausgleichs-/Gegenwertzahlung regelmäßig überschritten. Diese Bestimmungen zielen primär auf die Verbeitragung der Umlagezahlungen ab (s.u. Rz. 279). Zumindest dem Wortlaut nach können jedoch auch Ausgleichs-/Gegenwertzahlungen unter § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 SvEV gefasst werden und würden insoweit der Beitragspflicht unterliegen. Die Sätze 3 und 4 des § 1 Abs. 1 SvEV passen allerdings sachlich nicht zur Ausgleichs-/ Gegenwertzahlung; wollte man sie auch hierauf anwenden, würden sie eine Vielzahl ungeklärter Fragen2 aufwerfen (nicht zuletzt Fragen nach der Verteilung auf die Beschäftigten und nach dem maßgebenden Entgelt für die Bemessung), so dass es bei der Beitragsfreiheit der Gegenwertzahlung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a SvEV bleiben sollte. Zwischenzeitlich haben die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in einem gemeinsamen Rundschreiben vom 25.9.2008 zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Beiträgen und Zuwendungen zum Aufbau betrieblicher Altersversorgung zu dieser Thematik Stellung genommen3. Die Spitzenverbände weisen in diesem gemeinsamen Rundschreiben darauf hin, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor dem Hintergrund des unverhältnismäßigen Aufwandes für die individuelle Verbeitragung der Sonderzahlungen durch die Arbeitgeber und die damit verbundenen erheblichen Beitragsbelastungen für die Arbeitnehmer geplant habe, die Sonderzahlungen im Rahmen einer Anpassung der Sozialversicherungsentgeltverordnung 2008 von der Beitragspflicht freizustellen. Aufgrund der in der Zwischenzeit anhängigen Verfahren zur Besteuerung der Sonderzahlungen vor dem BFH sei eine entsprechende Regelung allerdings zurückgestellt worden. Bei einem Wegfall der Steuerpflicht der Sonderzahlungen würde sich eine Regelung zu deren beitragsfreier Behandlung erübrigen. Sofern die Steuerpflicht der Sonderzahlungen vom BFH bestätigt werden sollte, 1 Diese sah gerade bis zum 31.12.2000 eine Gesamtversorgung vor, vgl. den Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 3 SvEV. 2 Vgl. hierzu Hügelschäffer, Zweifel an der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Umlagezahlungen, BetrAV 2008, 160 (167). 3 Dort unter Nr. 6.5.2 (S. 48 ff.). Die Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger können u.a. über das Firmenkundenportal der Techniker Krankenkasse unter www.tk-online.de (Firmenkundenportal/TK-lex online) abgerufen werden. Betz-Rehm
1003
Teil 11
Rz. 130
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
müsste über die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Sonderzahlungen abschließend entschieden werden. Damit bestehe in der Zwischenzeit die Beitragspflicht der Sonderzahlungen im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a iVm. Satz 3 und 4 SvEV. Gemäß dem gemeinsamen Rundschreiben werden es die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung bis zur abschließenden Entscheidung der Steuer- und Beitragspflicht der Sonderzahlungen durch den BFH bzw. den Gesetzgeber allerdings nicht beanstanden, wenn Arbeitgeber unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung von der Beitragszahlung für Sonderzahlungen zunächst absehen. Sofern jedoch die Beitragspflicht nachträglich bestätigt werde, seien entsprechende Beiträge nachzuzahlen. Auf die Erhebung von Säumniszuschlägen würde in diesen Fällen verzichtet. c) Pflichten des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern (Versorgungsverschaffungsanspruch) 130
Das Ausscheiden des Arbeitgebers aus der jeweiligen Zusatzversorgungskasse betrifft unmittelbar nur die Beziehungen zwischen Arbeitgeber/Zusatzversorgungskasse (die Beteiligung/Mitgliedschaft, s. Rz. 84 ff., Rz. 90 ff. und zwischen Zusatzversorgungskasse/Arbeitnehmer (die Versicherung, s. Rz. 88 f., Rz. 160 ff.). Das zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehende Grundverhältnis/Versorgungsverhältnis bleibt unberührt. Auf der Basis zumeist tarifvertraglicher oder arbeitsvertraglicher Regelungen besteht für den Arbeitgeber also weiterhin der sog. Versorgungsverschaffungsanspruch (s. Rz. 78 ff.). Auch nach Beendigung der Beteiligung/Mitgliedschaft bei der jeweiligen Zusatzversorgungskasse muss der Arbeitgeber aus diesem Grundverhältnis heraus deshalb in anderer Weise für eine nach Art und Umfang gleiche Versorgung sorgen1, solange er nicht in zulässiger Weise eine Änderung/Ablösung der anwendbaren Versorgungsbestimmungen erreicht hat2. Hinsichtlich der Modalitäten einer etwaigen Ablösung im Zusammenhang 1 Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 16; BAG v. 23.2.1988 – 3 AZR 408/86, NZA 1989, 64; BAG v. 14.12.1999 – 3 AZR 713/98, NZA 2000, 1348; BAG v. 29.8.2000 – 3 AZR 201/00, NZA 2001, 162; zum Versorgungsverschaffungsanspruch bei Betriebsübergang BAG v. 18.9.2001 – 3 AZR 689/00, NZA 2002, 1391. 2 Soweit die Regelungen der öffentlichen Zusatzversorgung nicht lediglich für Neueintritte abgelöst werden sollen (was jederzeit zulässig wäre), sind hierbei die strengen Anforderungen der Rechtsprechung zum Vertrauensschutz und zur Wahrung von Besitzständen, insbesondere die sog. Drei-Stufen-Theorie des BAG zu beachten, vgl. grundsätzlich zur Änderung von Versorgungszusagen weiterführend Höfer, BetrAVG ART Rz. 314 ff.; insbesondere zur Verschlechterung kollektivrechtlicher Versorgungszusagen ART Rz. 367 ff.; zur Wahrung von Besitzständen ART Rz. 565, wobei zu beachten ist, dass ändernde Versorgungs-Tarifverträge keiner Billigkeitskontrolle und auch nicht der strengen Drei-Stufen-Theorie unterliegen, sondern von den Gerichten nur einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterworfen werden, insbesondere dahingehend, ob die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hinreichend berücksichtigt wurden, vgl. hierzu Höfer, ART Rz. 567 ff. mit Hinweisen zur Rechtsprechung; zum Besitzstandsschutz vgl. auch Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang zu § 1 BetrAVG Rz. 615 ff.
1004
Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 131 Teil 11
mit einem Betriebsübergang nach § 613a BGB ist zu beachten, dass eine sog. „Überkreuzablösung“, dh. eine Ablösung tariflich begründeter Versorgungsansprüche durch eine beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarung nicht in Betracht kommt1. Die Verpflichtung, für eine nach Art und Umfang gleiche Versorgung zu sorgen, ist neben der Zahlung des Gegenwertes damit ein weiterer erheblicher Aspekt, sowohl unter Kostengesichtspunkten als auch hinsichtlich der Administration der Versorgung nach dem Ausscheiden aus der jeweiligen Zusatzversorgungskasse. Die Änderungen des Systems der öffentlichen Zusatzversorgung, insbesondere der Wechsel von der Gesamtversorgung zum Punktemodell, haben hierbei aber für die Arbeitgeber spürbare Vereinfachungen bewirkt: Eine Erleichterung bildet bereits der Umstieg von der früheren Gesamtversorgung auf das Punktemodell an sich, da das Punktemodell in seiner Ausgestaltung deutlich einfacher zu handhaben und auch in anderen Durchführungswegen bzw. bei anderen externen Versorgungsträgern leichter abzubilden ist als die frühere Gesamtversorgung (wenngleich eine identische Abbildung über externe versicherungsförmige Versorgungsträger weiterhin nicht vollständig umsetzbar sein dürfte). Eine weitere Erleichterung ergibt sich daraus, dass sich die Verpflichtung, eine nach Art und Umfang gleichwertige Versorgung sicherzustellen, anders als früher nunmehr regelmäßig nur noch auf zukünftige Zeiträume nach dem Ausstieg aus der Zusatzversorgung bezieht. Die vor dem Ausscheiden erworbenen Versorgungspunkte bleiben den Arbeitnehmern (nach Erfüllung der 60-monatigen Wartezeit, § 34 VBLS, § 32 AKA-MS) erhalten, es besteht damit für den Arbeitgeber regelmäßig kein Nachfinanzierungsrisiko für die vergangenen Zeiträume mehr. Anders ist dies für Mitarbeiter, welche die 60-monatige Wartezeit in der Zusatzversorgung bis zur Vollendung des 69. Lebensjahres nicht erfüllt haben und deshalb ihre Anwartschaften gegenüber der Zusatzversorgungskasse verlieren (s.o. Rz. 115). Für diesen Personenkreis muss der Arbeitgeber eine gleichwertige Versorgung unter Einbeziehung auch der Anwartschaftszeiten aus der Zeit vor dem Ausstieg aus der Zusatzversorgung sicherstellen. Da bis zum Eintritt des Versorgungsfalles bei solchen Mitarbeitern nicht von vorneherein feststeht, ob sie die Wartezeit eventuell noch erfüllen (zB durch einen späteren Wechsel zu einem Arbeitgeber, der weiterhin an der Zusatzversorgung über die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes teilnimmt), wird auch für diesen Personenkreis üblicherweise zunächst nur für die Dienstzeit nach dem Ausstieg aus der Zusatzversorgung eine gleichwertige Versorgung im Rahmen der Neuregelungen der Versorgung finanziert und erst 1 Der Sinn und Zweck des § 613a BGB besteht darin, dem Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang die bisherigen Arbeitsbedingungen zu erhalten. Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung sind nur teilmitbestimmt; der Arbeitgeber bestimmt allein über die Dotierung. Schon aus diesem Grund kommt eine sog. „Überkreuzablösung“ nach Einschätzung des BAG nicht in Betracht, vgl. BAG v. 13.11.2007 – 3 AZR 191/06, NZA 2008, 600. Betz-Rehm
1005
131
Teil 11
Rz. 132
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
bei Eintritt des Versorgungsfalles ggf. eine Nachfinanzierung vorgenommen1. Schwierigkeiten im Rahmen einer Ablösung bestehen aber weiterhin im Zusammenhang damit, die sozialen Komponenten des Punktemodells (§ 37 VBLS, § 35 AKA-MS), insbesondere die Zurechnungszeit bei Erwerbsminderung und die Mutterschutzzeit und Elternzeit, in versicherungsförmigen Modellen abzulösen. 132
Wenn der „ausgestiegene“ Arbeitgeber die aus dem Grundverhältnis aufrechtzuerhaltende Versorgung nicht im Wege unmittelbarer Versorgungszusagen abbilden möchte2, wird häufig der Durchführungsweg einer (kongruent rückgedeckten) Unterstützungskasse gewählt. Zwischenzeitlich existieren in diesem Bereich auch einige externe Anbieter mit speziellen „Produkten“. Es sei aber auch an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass gerade im Zusammenhang mit einem Ausstieg aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes eine qualifizierte, auf die Besonderheiten des Einzelfalls eingehende Beratung dringend anzuraten ist. Die ablösende betriebliche Altersversorgung erfordert ein ausgereiftes Management, das sich ebenfalls in den Kosten niederschlägt. Ein am Punktemodell orientiertes ablösendes Versorgungssystem muss daher nach den derzeitigen Erfahrungen nicht selten Beitragssätze von 5 % aufwärts veranschlagen3. 4. Die Fortsetzung der Beteiligung a) Anwendungsfälle
133
Das Wegfallen einer der Voraussetzungen der Mitgliedschaft/Beteiligung bei der jeweiligen Zusatzversorgungskasse oder der Übergang von Arbeitnehmern auf einen zunächst an der Zusatzversorgung nicht beteiligten Arbeitgeber führen nicht in jedem Fall zwangsläufig zu einem Ausscheiden aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Die Satzungen der Zusatzversorgungskassen sehen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeiten einer Fortsetzung der Beteiligung durch den bisherigen Beteiligten („Verbleibemodell“, s. nachfolgend Rz. 134 ff.) oder für den neuen Arbeitgeber, auf den Arbeitnehmer eines Beteiligten übergegangen sind („Ausgliederungsmodell“, s. nachfolgend Rz. 141 ff.), vor. Die Fortsetzung der Beteiligung/Mitgliedschaft erfolgt dabei jeweils auf der Basis einer besonderen Vereinbarung. Dabei ist in beiden Fällen nicht nur eine vollstän1 Eine solche Ausfinanzierung (zB durch einen Einmalbeitrag) ist auch im Durchführungsweg der kongruent rückgedeckten Unterstützungskasse möglich, da steuerrechtlich eine Ausfinanzierung der Zusage bei Eintritt des Versorgungsfalles zulässig ist (§ 4d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Satz 1 EStG). 2 Dies wird wegen der bilanziellen Auswirkungen aufgrund der zu bildenden Rückstellungen häufig nicht gewollt sein. 3 Wegner-Wahnschaffe, Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Kontext veränderter Rahmenbedingungen ihrer Mitglieder, ZTR 2004, 395 (401); bzgl. der Wirtschaftlichkeit eines Ausstiegs Recktenwald/Stade, Ausstieg aus der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung, BB 2005, 2126.
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Betz-Rehm
V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 135 Teil 11
dige Fortsetzung der Zusatzversorgung möglich, dh. für bereits vorhandene sowie auch für alle zukünftigen Arbeitnehmer, sondern auch eine Beschränkung der Fortführung der Zusatzversorgung auf den bereits vorhandenen Mitarbeiterstamm („Zäsurmodell“, s. nachfolgend Rz. 136 ff.). Die Zusatzversorgungskassen sind nicht verpflichtet, eine Vereinbarung zur Fortsetzung der Beteiligung abzuschließen. Vor dem Hintergrund, dass ein erhebliches Interesse der Zusatzversorgungskassen daran besteht, die Umlagegemeinschaft zur Finanzierung der Zusatzversorgung auf eine möglichst breite Basis zu stellen, dürfte eine Fortsetzung der Beteiligung bei Erfüllen der hierfür bestehenden Anforderungen aber regelmäßig nicht auf Schwierigkeiten stoßen. b) Die besondere Beteiligungsvereinbarung und ihre Voraussetzungen („Verbleibemodell“) Das Wegfallen einer der Beteiligungsvoraussetzungen bei einem an der Zu- 134 satzversorgung beteiligten Arbeitgeber hätte eine Beendigung der Beteiligung durch Kündigung seitens der Zusatzversorgungskasse zur Folge (s.o. Rz. 103 ff.). Dies betrifft insbesondere die Fälle, dass der Beteiligte nicht mehr ein dem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes wesentlich gleiches Tarifrecht (bei den Zusatzversorgungskassen der AKA: das Versorgungstarifrecht oder ein hinsichtlich der Leistungen wesentlich gleiches Tarifrecht) anwendet oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht mehr überwiegend an dem Arbeitgeber beteiligt ist bzw. keinen statutenmäßig gesicherten maßgeblichen Einfluss mehr ausübt. Gemäß § 20 Abs. 3 VBLS in Verbindung mit den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen ist in diesen Fällen allerdings eine Fortsetzung der Beteiligung auf der Basis einer besonderen Beteiligungsvereinbarung möglich (für den Bereich der AKA vgl. § 12 Abs. 1 AKA-MS). Bei diesem sog. „Verbleibemodell“ wird die bestehende Beteiligung in vollem Umfang fortgesetzt, dh., sowohl die zu diesem Zeitpunkt bereits Pflichtversicherten als auch die neu einzustellenden Arbeitnehmer werden weiterhin bei der Zusatzversorgungskasse versichert. Da eine solche Fortsetzung der Beteiligung regelmäßig juristische Personen 135 des Privatrechts betrifft, die als solche insolvenzfähig sind, so dass deren Fortbestand und damit die dauerhafte Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der Beteiligung nicht garantiert ist, sehen die Satzungen vor, dass eine Fortsetzung der Beteiligung nur mit bestimmten Sicherheitsleistungen erfolgen kann. Für eine Fortsetzung der Beteiligung bei der VBL ist deshalb durch den beteiligten Arbeitgeber eine Verpflichtungserklärung einer oder mehrerer juristischer Personen des öffentlichen Rechts, deren Insolvenzfähigkeit durch Gesetz ausgeschlossen ist, beizubringen (Abs. 1 Buchst. a der Ausführungsbestimmungen1 zu § 20 Abs. 3 VBLS). Bei dieser Verpflichtungs1 Die Ausführungsbestimmungen sind als Anhang 1 zusammen mit der VBLS auf der Homepage der VBL unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter) abrufbar. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 136
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
erklärung handelt es sich um eine Bürgschaft, die sich auf die Erfüllung aller finanziellen Verpflichtungen des Beteiligten gegenüber der Anstalt bezieht, insbesondere also auf die Gegenwertforderung im Falle der späteren Beendigung der Beteiligung sowie auch auf etwa noch ausstehende Umlagezahlungen1. Es kann stattdessen auch die Beibringung einer entsprechenden unwiderruflichen Deckungszusage eines im Inland zugelassenen Versicherungsunternehmens oder einer Bankbürgschaft vorgesehen werden. Als Alternative zur Stellung derartiger Bürgschaften besteht auch die Möglichkeit, dass der Beteiligte zur jeweiligen Umlage einen Zuschlag in Höhe von 15 % zahlt (Abs. 1 Buchst. b der Ausführungsbestimmungen zu § 20 Abs. 3 VBLS). In der Mustersatzung der AKA ist in deren § 12 Abs. 1 über die dort enthaltene Verweisung auf § 11 Abs. 3 AKA-MS eine vergleichbare Systematik vorgesehen: Die Zusatzversorgungskasse kann für die Beteiligung weitere Bedingungen aufstellen, üblicherweise ist dies die Beibringung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (vgl. zB § 11 Abs. 3 der Satzung der ZVK Bayern). Gemäß § 12 Abs. 1 AKA-MS ist auch bei den Zusatzversorgungskassen der AKA die Erhebung eines Zuschlags zur Umlage in Höhe von 15 % möglich. c) Das „Zäsurmodell“ 136
Anders als beim „Verbleibemodell“ werden beim „Zäsurmodell“ Neueinstellungen nicht mehr bei der Zusatzversorgungskasse versichert. Die Fortsetzung der Beteiligung/Mitgliedschaft beschränkt sich hier auf die zu einem bestimmten Stichtag vorhandenen pflichtversicherten Arbeitnehmer (vgl. Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 20 Abs. 3 VBLS, § 12 Abs. 2 AKA-MS).
137
Für die Fortsetzung der Beteiligung im Rahmen des „Zäsurmodells“ gelten dieselben Voraussetzungen hinsichtlich der Stellung von Sicherheitsleistungen wie beim „Verbleibemodell“ (s.o. Rz. 135).
138
Neben dieser Sicherheitsleistung ist in den umlagefinanzierten Systemen der Zusatzversorgung allerdings zusätzlich die Zahlung eines Ausgleichs-/ Abgeltungsbetrages erforderlich, da zukünftig keine Neueinstellungen der Umlagegemeinschaft mehr zugeführt werden und in diesem Maß das umlagebasierte Finanzierungssystem beeinträchtigt wird. Dieser Ausgleichs-/ Abgeltungsbetrag dient dazu, sicherzustellen, dass zusammen mit den laufenden Aufwendungen für die Pflichtversicherung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen die Verpflichtungen aus den zum Stichtag bestehenden Ansprüchen und Anwartschaften sowie die künftigen Verpflichtungen aufgrund der am Stichtag bestehenden Pflichtversicherungen dauerhaft erfüllt und die Verwaltungskosten abgedeckt werden können. Da die zukünftigen Verpflichtungen zum Stichtag nicht exakt feststehen, ist eine versicherungsmathematische Prognose vorzunehmen. Für die Be1 Vgl. Gilbert/Hesse, § 20 VBLS Rz. 7.
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V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 141 Teil 11
rechnung der abzudeckenden Verpflichtungen gelten ergänzend die Grundsätze, die für die Berechnung des im Fall eines Ausscheidens zu zahlenden Gegenwerts/Ausgleichsbetrages in § 23 Abs. 2 der VBLS (§ 15 Abs. 2 AKAMS) festgelegt sind (Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 20 Abs. 3 VBLS; § 12 Abs. 2 AKA-MS). Die zukünftig noch zu erbringenden Umlagezahlungen werden auf der Basis einer Prognose nach versicherungsmathematischen Grundsätzen bei der Berechnung berücksichtigt und angerechnet. Der verbleibende Betrag ist als Ausgleichs-/Abgeltungsbetrag zu zahlen1. Der Ausgleichs-/Abgeltungsbetrag wird durch die Zusatzversorgungskasse auf Kosten des Beteiligten berechnet. Durch die Zusatzversorgungskasse kann vorgesehen werden, dass der Ausgleichs-/Abgeltungsbetrag nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ganz oder teilweise über einen bestimmten Zeitraum verteilt wird (Abs. 2 Satz 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 20 Abs. 3 VBLS). Da der zu zahlende Ausgleichs-/Abgeltungsbetrag hinsichtlich der zukünf- 139 tigen Verpflichtungen aus den bestehenden Pflichtversicherungen sowie hinsichtlich der anzurechnenden Umlagen auf einer Prognose beruht, kann vorgesehen werden, dass die Berechnung jeweils nach Ablauf eines Deckungsabschnitts periodisch überprüft wird. Ergeben sich Überzahlungen, werden diese zugunsten des Mitglieds verrechnet, bei Fehlbeträgen ist das Mitglied verpflichtet, diese auszugleichen (Abs. 4 der Ausführungsbestimmungen zu § 20 Abs. 3 VBLS; § 12 Abs. 3 AKA-MS). Scheidet ein beteiligter Arbeitgeber, bei dem das „Zäsurmodell“ zur An- 140 wendung gekommen ist, zu einem späteren Zeitpunkt endgültig und vollständig aus der Zusatzversorgung aus, ist der nach den allgemeinen Grundsätzen für diesen Fall vorgesehene Gegenwert/Ausgleichsbetrag (§ 23 VBLS, § 15 AKA-MS) zu zahlen. Hierauf wird allerdings der zuvor im Rahmen des „Zäsurmodells“ bereits geleistete Ausgleichs-/Abgeltungsbetrag angerechnet (Abs. 4 Satz 4 der Ausführungsbestimmungen zu § 20 Abs. 3 VBLS; § 12 Abs. 3 Satz 3 AKA-MS). d) Beteiligungsvereinbarung mit einem Arbeitgeber, der von einem Beteiligten Aufgaben und pflichtversicherte Beschäftigte übernommen hat („Ausgliederungsmodell“) Das sog. „Ausgliederungsmodell“ betrifft die Fallgestaltung, dass ein an 141 der Zusatzversorgung teilnehmender Arbeitgeber, der als solcher auch weiterhin Beteiligter/Mitglied bleibt, bestimmte Aufgaben zusammen mit den diese Aufgaben erfüllenden Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitgeber „ausgliedert“ bzw. überträgt (s.o. Rz. 108 ff.). Auch wenn der „übernehmende“ Arbeitgeber die Voraussetzungen einer Beteiligung/Mitgliedschaft bei der Zusatzversorgungskasse nicht erfüllt, kann der „übernehmende“ Arbeitgeber auf der Basis einer besonderen Vereinbarung mit der Zusatzversorgungskasse die Beteiligung/Mitgliedschaft fortsetzen (vgl. Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu § 20 Abs. 3 VBLS; § 12 Abs. 5 AKA-MS). 1 Vgl. Gilbert/Hesse, § 20 VBLS Rz. 8. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 142
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
142
Auch für diese Fortsetzung der Beteiligung durch den neuen Arbeitgeber gelten dieselben Voraussetzungen hinsichtlich der Stellung von Sicherheitsleistungen wie beim „Verbleibemodell“ (s.o. Rz. 135).
143
Die Fortsetzung der Beteiligung durch den neuen Arbeitgeber ist dabei entweder für die übernommenen Pflichtversicherten und für zukünftige Neueinstellungen möglich, sie kann sich aber auch als „Zäsurmodell“ auf die übernommenen pflichtversicherten Arbeitnehmer beschränken, ohne dass zukünftige Neueinstellungen bei der Zusatzversorgungskasse versichert werden. In diesem Fall ist der neue Arbeitgeber verpflichtet, den Ausgleichs-/Abgeltungsbetrag zu zahlen; es gelten hierfür die Regelungen des Zäsurmodells.
144
Da der „übernehmende“ Arbeitgeber in dieser Fallgestaltung regelmäßig nur einen Teil der Pflichtversicherten des bisherigen Arbeitgebers übernimmt, ist bei der Berechnung des Ausgleichs-/Abgeltungsbetrages eine konkrete Zuordnung der zum Stichtag bestehenden Verpflichtungen und Anwartschaften nicht möglich1; die bestehenden Verpflichtungen und Anwartschaften betreffen im Umlagesystem gerade nicht nur die übergehenden aktiven Anwärter, sondern auch bereits ausgeschiedene Anwärter und Rentner. Für die Berechnung des Ausgleichs-/Abgeltungsbetrages sind deshalb dem „übernehmenden“ Arbeitgeber Ansprüche und Anwartschaften aufgrund früherer Pflichtversicherungen des bisherigen Mitglieds in dem Verhältnis zuzurechnen, das dem Verhältnis der Zahl der übernommenen Beschäftigten zur Gesamtzahl der am Tag vor der Personalübernahme über das bisherige Mitglied pflichtversicherten Beschäftigten entspricht. 5. Pflichten aus dem Beteiligungsverhältnis
145
Wie bereits dargelegt wurde (s.o. Rz. 84 ff.), stellt die Beteiligung/Mitgliedschaft des Arbeitgebers bei einer Zusatzversorgungskasse ein privatrechtliches Versicherungsverhältnis dar (vgl. § 2 Abs. 1 VBLS, § 13 Abs. 1 AKAMS), es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis. Der Inhalt der Mitgliedschaft, also die Rechte und insbesondere auch die Pflichten der beteiligten Arbeitgeber richten sich nach der Satzung der jeweiligen Zusatzversorgungskasse sowie nach der Beteiligungsvereinbarung und den gesetzlichen Bestimmungen (§ 21 Abs. 1 VBLS, § 13 Abs. 1 AKA-MS). Dies betrifft im Wesentlichen die gesetzlichen Bestimmungen des Vertragsrechts, insbesondere den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und die Vorschriften des BGB über Pflichtverletzungen (§§ 280 ff. BGB)2.
146
Als Grundsatz legen die Kassensatzungen fest, dass der beteiligte Arbeitgeber verpflichtet ist, der Zusatzversorgungskasse über alle Umstände und Verhältnisse Auskunft zu erteilen, die für den Vollzug der Satzung und damit der Versicherung von Bedeutung sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 VBLS, § 13 Abs. 3 Satz 1 AKA-MS). Die Satzungen der Zusatzversorgungskassen der 1 Gilbert/Hesse, § 20 VBLS Rz. 9. 2 Gilbert/Hesse, § 21 VBLS Rz. 1.
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V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 150 Teil 11
AKA enthalten sodann eine Reihe von Konkretisierungen, bei der VBL sind diese in den Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS enthalten. a) Pflicht zur Versicherung aller versicherungspflichtigen Arbeitnehmer Wesentlich ist zunächst die Pflicht der beteiligten Arbeitgeber, sämtliche der Pflicht zur Versicherung unterliegenden Beschäftigten bei der Zusatzversorgungskasse anzumelden und bei Wegfall der Voraussetzungen wieder abzumelden (Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS; § 13 Abs. 3 Buchst. a AKA-MS). Eine Selektion der Mitarbeiter ist nicht zulässig. Das Umlagesystem der Zusatzversorgung ist darauf angewiesen, dass die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer auch tatsächlich zur Zusatzversorgung angemeldet werden und dass den Zusatzversorgungseinrichtungen die hierfür erforderlichen Informationen zur Verfügung stehen. Die Meldungen haben unverzüglich zu erfolgen (§ 121 BGB).
147
b) Melde- und Informationspflichten Für die Zusatzversorgungskassen der AKA sind in § 13 Abs. 3 AKA-MS, für 148 die VBL in Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS beispielhaft Einzelheiten zu den Melde- und Informationspflichten enthalten: Bei den Meldungen hat der beteiligte Arbeitgeber die Satzungsbestimmun- 149 gen und die von den Zusatzversorgungskassen vorgegebenen Formalitäten zu berücksichtigen. Für Meldungen haben die Zusatzversorgungskassen zwischenzeitlich weitgehend den elektronischen Datenverkehr vorgesehen; hierbei sind die von der Kasse erlassenen Meldevorschriften anzuwenden. Soweit der Arbeitgeber nicht am elektronischen Datenaustausch teilnimmt, hat er die von der Zusatzversorgungskasse herausgegebenen Formblätter zu verwenden (§ 13 Abs. 3 Buchst. e AKA-MS, Abs. 2 Buchst. f der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS). Die VBL hat zum Melde- und Abrechnungsverfahren gesonderte Richtlinien für das Meldeund Abrechnungsverfahren (RIMA)1 erlassen. Für die automatisierte Datenübermittlung sind darüber hinaus die Allgemeinen Richtlinien der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes für ein einheitliches Verfahren der automatisierten Datenübermittlung (DATÜV-ZVE)2 zu beachten. Der Arbeitgeber hat insbesondere zu den von der jeweiligen Zusatzversorgungskasse vorgesehenen Terminen eine Jahresmeldung für die einzelnen Pflichtversicherten zu übersenden (§ 13 Abs. 5 AKA-MS, Abs. 2 Buchst. b der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Kasse jederzeit Auskunft über bestehende und frühere Arbeitsverhältnisse zu erteilen und ihr eine örtliche 1 Auf der Homepage der VBL unter www.vbl.de (Arbeitgeber/RIMA-Meldeverfahren) abzurufen. 2 Diese können ebenfalls unter www.vbl.de (Service/downloadcenter/DATÜV-ZVE) abgerufen werden. Betz-Rehm
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Rz. 151
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Prüfung der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung und die Entrichtung der Umlagen (bei der AKA ggf. auch Beiträge und Sanierungsgelder) zu gestatten (§ 13 Abs. 3 Buchst. d AKA-MS, Abs. 2 Buchst. e der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS). Die Zusatzversorgungskassen haben also auch die Möglichkeit, die Einhaltung der Satzungsbestimmungen im Rahmen einer „Außenprüfung“ vor Ort zu überwachen. 151
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Beschäftigten die von der jeweiligen Zusatzversorgungskasse zur Verfügung gestellten Druckschriften/Informationsmaterialien auszuhändigen und ggf. zu erläutern (§ 13 Abs. 3 Buchst. c AKA-MS, Abs. 2 Buchst. d der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS). Dies betrifft insbesondere die Satzung der jeweiligen Zusatzversorgungskasse sowie die von dieser für die Versicherten herausgegebenen Merkblätter.
152
Gemäß § 13 Abs. 3 Buchst. b AKA-MS ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Beschäftigten nach Ablauf jeden Kalenderjahres sowie ebenfalls beim Ende der Versicherung den Versicherungsnachweis (§ 51 AKA-MS) auszuhändigen.
153
Für die VBL sieht Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 21 Abs. 2 VBLS ausdrücklich vor, dass eine Unterrichtungspflicht des Beteiligten gegenüber der VBL besteht, wenn er nicht mehr ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts anwendet oder wenn bei einer juristischen Person des Privatrechts die überwiegende Beteiligung oder der maßgebliche Einfluss einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht mehr besteht. Eine vergleichbare Verpflichtung lässt sich für die Zusatzversorgungskassen der AKA aus § 13 Abs. 3 Satz 1 AKA-MS herleiten. Für den Bereich der Zusatzversorgungskassen der AKA sieht § 13 Abs. 3 Buchst. f der AKA-MS eine Unterrichtungspflicht des beteiligten Arbeitgebers gegenüber der Zusatzversorgungskasse vor, wenn er als Mitglied des umlagefinanzierten Abrechnungsverbandes I Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitgeber überträgt, der nicht Mitglied des Umlageverbandes I ist. Diese Unterrichtungspflichten korrespondieren insgesamt mit den Satzungsregelungen zu den Voraussetzungen der Beteiligung/Mitgliedschaft und den Regelungen zur Zahlung des Ausgleichsbetrages. Hieraus wird deutlich, dass auf der Basis von § 21 Abs. 1 Satz 2 VBLS, § 13 Abs. 3 Satz 1 AKA-MS letztendlich eine Verpflichtung des beteiligten Arbeitgebers besteht, der Zusatzversorgungskasse alle relevanten Änderungen mitzuteilen, die auf die Beteiligung bzw. deren Voraussetzungen Einfluss haben. c) Ordnungsgemäße Entrichtung der Umlagen und sonstiger Zahlungen zur Finanzierung der Zusatzversorgung
154
Der beteiligte Arbeitgeber ist verpflichtet, die für die Pflichtversicherung geschuldeten Beiträge, Umlagen und Sanierungsgelder fristgerecht zu entrichten (§ 13 Abs. 4 AKA-MS). Die Beiträge und Umlagen sind in dem Zeitpunkt fällig, in dem das zusatzversorgungspflichtige Entgelt den Versicherten zufließt (§ 65 AKA-MS, §§ 64 Abs. 6, 66a VBLS iVm. Ziff. 5 der RIMA). 1012
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V. Das Beteiligungsverhältnis
Rz. 159 Teil 11
Sanierungsgelder werden monatlich als Abschlagszahlungen gezahlt (§ 65 Abs. 6 VBLS, § 63 Abs. 4 AKA-MS). d) Folge von Verstößen gegen die Pflichten Soweit die Kassensatzungen keine besonderen Regelungen zur Sanktionie- 155 rung von Pflichtverstößen vorsehen, gelten die allgemeinen vertragsrechtlichen Regelungen, insbesondere zum Verzug und der damit verbundenen Pflicht zum Ersatz des Verzugsschadens (§§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB). Werden zB Umlagezahlungen nicht rechtzeitig bei Fälligkeit abgeführt, kommt der beteiligte Arbeitgeber unmittelbar und ohne das Erfordernis einer Mahnung in Verzug (§ 286 BGB)1. Auch bei Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) kann der beteiligte Arbeitgeber gegenüber der jeweiligen Zusatzversorgungskasse zum Ersatz der hieraus entstandenen Schäden verpflichtet sein (§ 280 Abs. 1 BGB). Dies betrifft insbesondere Schäden, die der Zusatzversorgungskasse im Zusammenhang mit unterbliebenen oder falschen Meldungen entstehen können.
156
Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 VBLS ist die VBL zur außerordentlichen Kündi- 157 gung des Beteiligungsverhältnisses berechtigt, wenn der Arbeitgeber mit Zahlungen nach § 20 Abs. 3 oder § 63 VBLS mehr als drei Monate in Verzug ist. Ein Recht zur (außerordentlichen) Kündigung wird in derartigen Fällen auch den Zusatzversorgungskassen der AKA zustehen, auch wenn in den Kassensatzungen dort dieser Beispielsfall einer außerordentlichen Kündigung nicht ausdrücklich geregelt ist. Werden im Übrigen Umlagen, Beiträge oder Sanierungsgelder nicht recht- 158 zeitig bei Fälligkeit gezahlt, sind diese bei den Kassen der AKA bis zum Tage der Gutschrift mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem am Ende des jeweiligen Zinsberechnungszeitraums gültigen Basiszinssatzes gemäß § 247 Abs. 1 BGB zu verzinsen. Bei der VBL besteht ein Pflicht zur Verzinsung verspäteter Zahlungen (unabhängig vom Verschulden des Beteiligten) vom ersten Tag des folgenden Kalenderjahres an mit 4 % über dem Basiszinssatz (§ 64 Abs. 6 VBLS). In § 13 Abs. 6 der AKA-MS ist für die Zusatzversorgungskassen aus dem 159 Bereich der AKA schließlich ein pauschalierter Schadensersatz für den Fall verspäteter Abgabe von Meldungen zur Abrechnung der Beiträge, Umlagen und Sanierungsgelder mit einem Betrag von 25 Euro pro Tag der Fristüberschreitung vorgesehen.
1 Gilbert/Hesse, § 21 VBLS Rz. 1. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 160
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
VI. Die Pflichtversicherung 1. Versicherungspflicht a) Personenkreis 160
Die Pflicht zur Versicherung beginnt regelmäßig mit dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, jedoch nicht, bevor der Beschäftigte das 17. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 Abs. 1 Buchst. a ATV/ATV-K, § 26 Abs. 1 Buchst. a VBLS, § 18 Abs. 1 Buchst. a AKA-MS). Der im Rahmen der Pflichtversicherung zu versichernde Personenkreis ist durch die tariflichen Regelungen des ATV/ATV-K (§§ 1, 2 ATV/ATV-K) vorgegeben. Für die Satzungen der Zusatzversorgungskassen besteht hier kein Spielraum, sie haben den Kreis der Versicherungspflichtigen aus den tariflichen Bestimmungen übernommen. Auf Basis der tariflichen Bestimmungen (ggf. in Verbindung mit individualrechtlichen Grundlagen) ist der Arbeitgeber gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern zur Versicherung verpflichtet. Auf Basis der Satzungsbestimmungen besteht eine Pflicht zur Versicherung gegenüber der jeweiligen Zusatzversorgungskasse.
161
Grundsätzlich fallen unter die Pflicht zur Versicherung Beschäftigte, dh. nach den entsprechenden tariflichen Bestimmungen und den inhaltsgleichen Satzungsregelungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Auszubildende (§ 2 Abs. 1 iVm. § 1 ATV/ATV-K, § 26 Abs. 1 Satz 2 VBLS, § 18 Abs. 1 Satz 3 AKA-MS). Insoweit ist für die Frage der Versicherungspflicht zunächst zu prüfen, ob es sich um solche Beschäftigte handelt, für die entweder aufgrund unmittelbarer Tarifbindung oder kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag eine Pflicht zur Versicherung besteht (vgl. § 26 Abs. 1 Buchst. c VBLS). Entscheidend ist damit, ob die betreffenden Beschäftigten unter den Geltungsbereich des § 1 ATV/ATV-K fallen (also vom Geltungsbereich der als Anlage 1 zu § 1 ATV/ATV-K aufgelisteten Tarifverträge erfasst sind bzw. die Geltung des ATV/ATV-K arbeitsvertraglich vereinbart wurde). Für vertretungsberechtigte Organmitglieder eines Mitglieds besteht dann eine Versicherungspflicht, wenn die Teilnahme an der Zusatzversorgung durch Dienstvertrag vereinbart wurde (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 VBLS, § 18 Abs. 1 Satz 4 AKA-MS). Organmitglieder (zB Geschäftsführer, Vorstände) können dadurch ebenfalls im Rahmen der Pflichtversicherung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes versorgt werden. Vergleichbares gilt für Chefärzte, leitende Angestellte bzw. Angestellte mit einer Vergütung, die über das Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 15 hinausgeht sowie Hochschullehrer und bestimmte wissenschaftliche Kräfte an Hochschulen (welche gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. a, b, s TVöD nicht unter diesen Tarifvertrag fallen). Auch für diese Gruppe von Beschäftigten kann arbeitsvertraglich eine Pflicht zur Versicherung vereinbart werden (§ 26 Abs. 2 Satz 1 VBLS, § 19 Abs. 1 Buchst. k AKA-MS).
162
Voraussetzung für die Pflichtversicherung ist in allen Fällen, dass der Beschäftigte vom Beginn der Pflichtversicherung an die 60-monatige Wartezeit (§ 6 ATV/ATV-K, § 34 VBLS, § 32 AKA-MS) erfüllen kann (§ 2 Abs. 1 Buchst. b ATV/ATV-K, § 26 Abs. 1 Buchst. b VBLS, § 18 Abs. 1 Buchst. b 1014
Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 164 Teil 11
AKA-MS). Die Wartezeit muss bis zum Ablauf des Monats erfüllt werden können, in dem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vollendet1 (§ 2 Abs. 1 Satz 2 ATV/ATV-K, § 26 Abs. 1 Buchst. b VBLS, § 18 Abs. 1 Satz 2 AKA-MS). Frühere Versicherungszeiten, die auf die Wartezeit gemäß den einschlägigen Satzungsbestimmungen angerechnet werden, sind dabei zu berücksichtigen. Für bestimmte Personengruppen ist die Versicherungspflicht durch eine 163 Katalogbestimmung (§ 2 Abs. 3 iVm. Anlage 2 zum ATV/ATV-K2) ausdrücklich ausgeschlossen. Dies betrifft zB Beschäftigte mit Anwartschaften oder Ansprüchen auf lebenslängliche Versorgung nach beamten- oder soldatenrechtlichen Grundsätzen, Beschäftigte, die einer anderen Zusatzversorgungseinrichtung (Versorgungsanstalten der deutschen Bühnen, der Kultur oder der Bahn) angehören müssen, Bezieher von Altersrente (als Vollrente) sowie kurzfristig geringfügig Beschäftigte iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Demgegenüber unterliegen entgeltgeringfügig Beschäftigte iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV grundsätzlich der Versicherungspflicht. Eine Sonderregelung besteht für Beschäftigte mit einer wissenschaftlichen 164 Tätigkeit an Hochschulen oder Forschungseinrichtungen, die für ein befristetes Arbeitsverhältnis eingestellt werden, in dem sie wegen der Dauer der Befristung die 60-monatige Wartezeit nicht erfüllen können (§ 2 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 28 Abs. 1 VBLS, § 19 Abs. 1 Buchst. m AKA-MS). Haben solche befristet Beschäftigte bisher noch keine Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung, können sie auf ihren Antrag hin von der Versicherungspflicht befreit werden. Der Antrag muss durch den Beschäftigten spätestens innerhalb von zwei Monaten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses gestellt werden und bedarf der Schriftform. Die Befreiung von der Versicherungspflicht erfolgt durch den Arbeitgeber (§ 2 Abs. 2 Satz 1 ATV/ATV-K). Diese Regelung dient dazu, diesem Personenkreis (trotz Nichterfüllen der Wartezeit) eine Zusatzversorgung zu verschaffen. Zugunsten dieser von der Pflichtversicherung Befreiten sind Anwartschaften auf eine freiwillige Versicherung (§ 26 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 54 VBLS) zu begründen, mit Beiträgen in Höhe der auf den Arbeitgeber entfallenden Aufwendungen für die Pflichtversicherung einschließlich eines etwaigen Arbeitnehmerbeitrages (im Tarifgebiet Ost gemäß § 37a ATV/ATV-K) höchstens jedoch mit 4 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. Durch die Verweisung auf § 26 Abs. 3 Satz 1 ATV/ATV-K ist klargestellt, dass diese freiwillige Versicherung nur im Punktemodell vollzogen wird und nicht im Rahmen der (bei der VBL für die freiwillige Versicherung sonst auch möglichen) fondsgebundenen Versicherung. Die Zahlung der Beiträge für die freiwillige Versicherung erfolgt im System der Kapitaldeckung; zusätzliche Umlagezahlungen des Arbeitgebers sowie Sanierungsgelder fallen für solche 1 Früher musste die Wartezeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt werden können; die Änderung der Regelungen basiert auf der stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. 2 Vgl. die entsprechenden Regelungen der Satzungen der Zusatzversorgungskassen, zB § 28 Abs. 2 VBLS iVm. V der Ausführungsbestimmungen, § 19 Abs. 1 AKA-MS. Betz-Rehm
1015
Teil 11
Rz. 165
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Beschäftigten daher nicht an. Die so im Rahmen der freiwilligen Versicherung begründeten Anwartschaften bleiben den Beschäftigten unabhängig von der Erfüllung der Wartezeit erhalten. Eine solche Befreiung von der Versicherungspflicht mit Begründung von Anwartschaften in der freiwilligen Versicherung sollte durch die betroffenen Arbeitnehmer allerdings gut überlegt sein, da sie sich im Falle einer Verlängerung der befristeten Beschäftigung auch als nachteilig erweisen kann: Wird das befristete Arbeitsverhältnis verlängert oder fortgesetzt, beginnt die Pflichtversicherung mit dem Ersten des Monats, in dem die Verlängerung oder Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über fünf Jahre hinaus vereinbart wurde; eine rückwirkende Behandlung als Pflichtversicherung wird nicht vorgenommen. Die Zeiten der freiwilligen Versicherung werden auch weder auf die Erfüllung der Wartezeit der Pflichtversicherung (§ 6 ATV/ATV-K, § 34 VBLS, § 32 AKA-MS) noch auf die für die Gewährung von Bonuspunkten von ausgeschiedenen (beitragsfrei) Versicherten erforderliche Zeit von 120 Umlage- oder Beitragsmonaten (§ 19 ATV/ATV-K, § 68 VBLS, § 66 AKA-MS) angerechnet. In der freiwilligen Versicherung werden anders als in der Pflichtversicherung auch keine sozialen Komponenten gewährt (s.u. Rz. 298). 165
Sonderregelungen für die Höhe des zusatzversorgungsfähigen Entgelts bestehen schließlich für Beschäftigte des Bundes und von Arbeitgebern, die der Tarifgemeinschaft deutscher Länder angehören, wenn sie eine Vergütung erhalten, die das 1,181-fache des Betrages der Entgeltgruppe 15 Stufe 5 TVöD übersteigt (vgl. § 39 Abs. 1 ATV, § 82 Abs. 1 VBLS). Für diese Personengruppe sind (zusätzlich zur Umlage und zu etwaigen Sanierungsgeldern) Beiträge in die freiwillige Versicherung zu zahlen. Hierdurch soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung Gehaltsbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze nicht leistungserhöhend wirken. Ähnliches gilt für Beschäftigte, für die für Dezember 2001 schon und für Januar 2002 noch eine zusätzliche Umlage nach § 29 Abs. 4 VBLS aF/§ 62 Abs. 4 AKA-MS aF gezahlt wurde (vgl. § 39 Abs. 2 ATV/§ 38 ATV-K, § 82 Abs. 2 VBLS, § 76 AKA-MS, dies betrifft Mitarbeiter mit einer Vergütung oberhalb der Vergütungsgruppe I BAT).
166
Generell gilt für die Pflichtversicherung, dass in entgeltlosen Zeiten eines fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses kein Recht der Arbeitnehmer auf Fortführung mit eigenen Beiträgen besteht. Dieses an sich in § 1 Abs. 2 Nr. 4 iVm. § 1a Abs. 4 BetrAVG verankerte Recht wurde durch § 2 Abs. 4 ATV/ATV-K gemäß § 30e Abs. 2 BetrAVG ausgeschlossen. b) Beginn der Pflichtversicherung
167
Sowohl die Prüfung der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht als auch die Anmeldung bei der Zusatzversorgungskasse sind Sache des Arbeitgebers. Der Beschäftigte erhält durch die Zusatzversorgungskasse einen Nachweis über die Anmeldung. Die Pflichtversicherung des einzelnen Arbeitnehmers entsteht mit dem Eingang der Anmeldung bei der VBL bzw. sonstigen Zusatzversorgungskasse, falls die Voraussetzungen der Versiche1016
Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 170 Teil 11
rungspflicht gegeben sind (vgl. § 27 Abs. 1 VBLS, § 17 AKA-MS). Technischer Versicherungsbeginn ist der Zeitpunkt, der in der Anmeldung angegeben ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 VBLS, § 17 Satz 2 AKA-MS). Die Anmeldung ist für die jeweilige Zusatzversorgungskasse verbindlich, sie bedarf keiner gesonderten Annahme, weder die jeweilige Zusatzversorgungskasse noch der Arbeitgeber haben die Möglichkeit einer Risikoauslese1. c) Ende der Pflichtversicherung Die Pflichtversicherung endet mit dem Zeitpunkt, zu dem ihre Vorausset- 168 zungen entfallen, spätestens mit dem Zeitpunkt, der auf der Abmeldung von der Versicherung durch den Arbeitgeber als Versicherungsende angegeben ist. Die Pflichtversicherung endet insbesondere mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem an der Zusatzversorgung beteiligten Arbeitgeber bzw. wenn die Beteiligung/Mitgliedschaft des Arbeitgebers endet (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 4 ATV/ATV-K, § 27 Abs. 2 VBLS, § 20 Abs. 1 AKA-MS). d) Beitragsfreie Versicherung Endet die Pflichtversicherung vor Eintritt eines Versicherungsfalles, ent- 169 steht automatisch eine beitragsfreie Versicherung (§ 3 ATV/ATV-K, § 30 Abs. 1 VBLS, § 21 Abs. 1 AKA-MS). Die erworbenen Versorgungspunkte bleiben bestehen2. Hat der Beschäftigte die 60-monatige Wartezeit bereits erfüllt oder erfüllt er diese (durch eine spätere erneute Pflichtversicherung) noch bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles, erhält er bei Eintritt eines Versicherungsfalles aus den erworbenen Versorgungspunkten die entsprechenden Versorgungsleistungen3. Beitragsfrei Versicherte nehmen auch an der Zuteilung etwaiger Bonuspunkte und damit an der hieraus resultierenden Erhöhung ihrer Versorgungsanwartschaften teil, jedoch nur, wenn sie bei Beendigung der Pflichtversicherung bereits 120 Umlage-/Beitragsmonate erfüllt haben (§ 19 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 68 Abs. 1 VBLS, § 66 Abs. 3 AKA-MS). Die beitragsfreie Versicherung als solche endet bei Eintritt eines Versicherungsfalles, Tod des Beschäftigten, Erlöschen der Anwartschaft, Überleitung der Versicherung auf eine andere Zusatzversorgungskasse oder bei Eintritt einer erneuten Versicherungspflicht (§ 3 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 30 Abs. 3 VBLS, § 21 Abs. 2 AKA-MS). Das Erlöschen der Anwartschaft betrifft insbesondere den Fall, dass ein Beschäftigter bis zur Vollendung des 1 Gilbert/Hesse, Einl. Rz. 41 f.; Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 11. 2 Hierin liegt eine der wesentlichen Verbesserungen zugunsten der Beschäftigten gegenüber dem früheren Gesamtversorgungssystem: In dessen Rahmen hatte sich im Falle einer Beendigung der Pflichtversicherung vor Eintritt eines Versorgungsfalles die Anwartschaft auf dynamische Gesamtversorgung in eine wesentlich niedrigere Anwartschaft auf statische Versicherungsrente umgewandelt. 3 Für Versicherte des Abrechnungsverbandes Ost der VBL bleiben diejenigen Anwartschaften, die auf Arbeitnehmerbeiträgen und etwaigen Altersvorsorgezulagen (nach Abschnitt XI EStG) beruhen, auch erhalten, wenn die 60-monatige Wartezeit nicht erfüllt ist (§ 34 Abs. 4 VBLS). Betz-Rehm
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170
Teil 11
Rz. 171
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
69. Lebensjahres die 60-monatige Wartezeit nicht erfüllt (vgl. § 30 Abs. 3 Buchst. d VBLS) oder dass ein Beschäftigter, der die 60-monatige Wartezeit nicht erfüllt hat, einen Antrag auf Erstattung der von ihm geleisteten Beiträger gestellt hat (§ 24 Abs. 1 ATV/ATV-K, §§ 30 Abs. 3 Buchst. e, 44 Abs. 1 VBLS, § 42 Abs. 2 AKA-MS). 2. Betriebsrenten aus der Pflichtversicherung 171
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst basiert nach Ablösung des früheren Gesamtversorgungssystems durch den Altersvorsorgeplan und den ATV/ATV-K auf dem Versorgungspunktemodell. Die Leistungen der Zusatzversorgung werden unabhängig von der Gesamtschau der früher maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Anlehnung an die Beamtenversorgung und der Einbeziehung der gesetzlichen Rentenversicherung, berechnet. Anders als beim früheren Gesamtversorgungssystem, in dessen Rahmen eine endgehaltsbezogene Berechnung auf Basis der Vergütung der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt eines Versorgungsfalles stattfand, werden beim Versorgungspunktemodell die während der gesamten versicherungspflichtigen Beschäftigungszeit erzielten versicherungspflichtigen Entgelte und die darauf beruhenden Umlagen/Beiträge berücksichtigt. Die Betriebsrenten aus der Zusatzversorgung werden neben der Rente aus der Grundversorgung (gesetzliche Rentenversicherung oder eine diese ersetzende, zB berufsständische Versorgung) gezahlt und berechnet1. Eine enge Verknüpfung mit dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung besteht allerdings weiterhin, soweit es um die Voraussetzungen für den Eintritt der jeweils versicherten Leistungsfälle geht. a) Leistungsarten und ihre Voraussetzungen
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Als Betriebsrenten der öffentlichen Zusatzversorgung werden von den Zusatzversorgungskassen Altersrente und Erwerbsminderungsrente für Versicherte sowie Hinterbliebenenrenten für Witwen, Witwer und Waisen der Versicherten erbracht (§ 25 VBLS, § 30 AKA-MS). Die Zahlung eines Sterbegeldes war nur noch im Rahmen von Übergangsregelungen (§ 35 ATV/ ATV-K, § 85 VBLS, § 75 AKA-MS) vorgesehen. Sie entfällt ab dem Jahr 2008. Für die Voraussetzungen der jeweiligen Versicherungsfälle besteht eine enge Anknüpfung an die Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung.
173
Der Versicherungsfall tritt bei einem Beschäftigten, der in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist, mit dem Ersten des Monats ein, von dem an der Anspruch auf gesetzliche Rente wegen Alters als Vollrente bzw. wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung besteht, wenn der Beschäf1 Anschaulich insoweit die Zusammenfassung bei Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 57 ff.; vgl. auch die von der VBL herausgegebene Broschüre „VBLklassik. Mehr Sicherheit. Die Betriebsrente der VBL aus der Pflichtversicherung.“, abrufbar unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter/Infomaterial/VBLklassik).
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 174 Teil 11
tigte die 60-monatige Wartezeit erfüllt hat. Der Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Teilrente (§ 42 SGB VI) löst keinen Anspruch auf Betriebsrente aus der Zusatzversorgung aus. Der Anspruch ist durch Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuweisen (§ 5 ATV/ATV-K, § 33 VBLS, § 31 AKA-MS) und bedarf eines schriftlichen Antrags des Beschäftigten. Die Betriebsrente beginnt – wenn kein Fall einer Nichtzahlung bzw. des Ruhens gemäß § 12 ATV/ATV-K vorliegt – mit dem Beginn der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Hinterbliebenenrente wird an die Ehegattin/den Ehegatten eines ver- 174 storbenen Betriebsrentenberechtigten oder eines Versicherten gezahlt, der die Wartezeit erfüllt hat (§ 10 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 38 Abs. 1 VBLS, § 36 Abs. 1 AKA-MS). Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sind bei wörtlichem Verständnis der maßgeblichen tariflichen Bestimmungen und Satzungsbestimmungen nicht anspruchsberechtigt1. Dem kann unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH2, des BAG3 und 1 In einer Entscheidung v. 14.2.2007 – IV ZR 267/04, NJW-RR 2007, 1441 hatte der BGH noch festgestellt, diese Differenzierung sei rechtmäßig und verstoße weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes, das eine Privilegierung der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG ausdrücklich zulasse, noch gegen europäisches Recht (insbesondere Art. 141 EG und die Richtlinie 2000/78/EG). Nach dieser Entscheidung des BGH liege keine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung vor, da die Regelungen an den Familienstand und nicht an die sexuelle Ausrichtung anknüpften. Die Ehe dürfe im Hinblick auf Fortpflanzung und Erziehung eigenen Nachwuchses, einem für die Zukunft der Gesellschaft wesentlichen Anliegen, bevorzugt werden. Diese Entscheidung des BGH wurde zwischenzeitlich durch das BVerfG mit Beschluss v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07, DB 2009, 2441 aufgehoben. 2 Zwischenzeitlich hat der EuGH in einem Urteil v. 1.4.2008 – C-267/06, NZA 2008, 459 – Maruko – für ein berufsständisches Versorgungssystem festgehalten, dass Art. 1 iVm. Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG einer Regelung entgegenstehe, wonach der überlebende Partner nach Versterben seines Lebenspartners keine Hinterbliebenenversorgung entsprechend einem überlebenden Ehegatten erhalte, obwohl die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht Personen gleichen Geschlechts in eine Situation versetze, die in Bezug auf diese Hinterbliebenenversorgung mit der Situation von Ehegatten vergleichbar sei. 3 Das BAG hat sich der Entscheidung des EuGH v. 1.4.2008 zwischenzeitlich in einem Urteil v. 14.1.2009 – 3 AZR 20/07, NZA 2009, 489 ausdrücklich angeschlossen. Die Entscheidung des BAG betraf eine auf einem Tarifvertrag beruhende betriebliche Hinterbliebenenversorgung. Gemäß den Feststellungen des BAG befänden sich hinterbliebene Lebenspartner eines Arbeitnehmers nach deutschem Recht in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung seit dem 1.1.2005 in einer Situation, die mit der Situation von hinterbliebenen Ehegatten eines Arbeitnehmers vergleichbar sei. Ihr Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung stelle deshalb im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine unmittelbare Benachteiligung des Versorgungsberechtigten wegen der sexuellen Identität (§§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG) dar, wenn dem überlebenden Ehegatten eines Versorgungsberechtigten eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt sei. Eine europarechtskonforme Auslegung des AGG ergebe, dass eingetragenen Lebenspartnern in der betrieblichen Altersversorgung im selben Umfange wie Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zustehe. Der vom BAG zu entscheidende Fall unterlag allerdings noch nicht dem zeitlichen Anwendungsbereich des AGG, da der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer bereits vor Inkrafttreten des AGG verstorben war. Das BAG stellte zur BeBetz-Rehm
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Teil 11
Rz. 174
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
des BVerfG1 nicht mehr gefolgt werden. Als Reaktion auf den Beschluss des BVerfG vom 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07 hat der Verwaltungsrat der VBL am 14.12.2009 beschlossen, dass die für Ehegatten geltenden Regelungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auf eingetragene Lebenspartner Anwendung finden sollen. Dieser Zeitpunkt knüpft an die gesetzliche Einbeziehung der Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung an. Da hier eine Hinterbliebenenrente an eingetragene Lebenspartner auch dann gezahlt werde, wenn der Todesfall vor dem 1. Januar 2005 eingetreten ist, werde die VBL ebenso verfahren. Eine Anpassung der Satzung der VBL erfolge aber erst dann, wenn sich die Tarifvertragsparteien auf eine neue Regelung im Tarifvertrag Altersversorgung verständigt hätten. Den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes stehe es offen, die Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern auch durch eine andere Regelung sicherzustellen. Der Verwaltungsrat der VBL hat beschlossen, dass die VBL bis zu einer Einigung der Tarifvertragsparteien hinterbliebene eingetragene Lebenspartner wie Witwen und Witwer behandeln und entsprechende Leistungen ab dem 1.1.2005 zahlen wird. Dies gelte sowohl für die VBLklassik (die Pflichtversicherung) als gründung der Gleichbehandlung von Ehegatten und Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aber zusätzlich auch auf den allgemeinen Gleichheitssatz ab. Wegen der vom deutschen Gesetzgeber durch das Überarbeitungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz ab dem 1.1.2005 geschaffenen vergleichbaren Lage seien Eheleute und eingetragene Lebenspartner in der betrieblichen Altersversorgung hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung ab diesem Zeitpunkt gleichzubehandeln. Eine Vorlage an den GmS-OGB hielt das BAG trotz der früheren, abweichenden Entscheidung des BGH sowie abweichender Rechtsprechung des BVerwG nicht für erforderlich, da diese abweichenden Urteile vor der maßgeblichen Entscheidung des EuGH ergangen waren. 1 Das BVerfG hat durch Beschluss v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07, DB 2009, 2441 das Urteil des BGH v. 14.2.2007 – IV ZR 267/04, NJW-RR 2007, 1441 aufgehoben und festgestellt, dass die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die bei der VBL zusatzversichert sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Gehe die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar seien, rechtfertige der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG eine solche Differenzierung nicht. Es sei verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen seien. Hier bedürfe es jenseits der bloßen Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertige. Es bestünden allerdings keine solchen, die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede zwischen Versicherten der VBL, die verheiratet sind, und solchen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Der Gleichheitsverstoß könne nicht durch bloße Nichtanwendung des § 38 VBLS beseitigt werden, weil ansonsten entgegen der zugrunde liegenden Konzeption Hinterbliebenenrenten auch für Ehegatten ausgeschlossen wären. Der mit der Hinterbliebenenversorgung nach § 38 VBLS verfolgte Regelungsplan lasse sich mithin nur dadurch vervollständigen, dass die für Ehegatten geltende Regelung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 auch auf eingetragene Lebenspartner Anwendung finde.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 177 Teil 11
auch für die VBLextra (die freiwillige Versicherung in Anlehnung an das Punktemodell) und die VBLdynamik (die freiwillige fondsgebundene Rentenversicherung). Die Witwen-/Witwerrente wird als kleine oder große Betriebsrente für Witwen/Witwer gezahlt, wenn und solange ein Anspruch auf (kleine oder große) Witwen-/Witwerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 46 SGB VI) besteht oder bestehen würde, wenn kein Rentensplitting unter den Ehegatten durchgeführt worden wäre. Der Anspruch auf Witwen-/Witwerrente besteht damit für längstens 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist. Die Art der Rente (kleine oder große Witwen-/Witwerrente) richtet sich nach den Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Hat die Ehe weniger als zwölf Monate gedauert, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente (Problematik der „Versorgungsehe“). Der hinterbliebene Ehepartner kann allerdings den Nachweis antreten, dass es nach den besonderen Umständen des Falles nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe/dem Witwer eine Betriebsrente zu verschaffen. Gelingt diese Widerlegung der Vermutung einer reinen Versorgungsehe, besteht ein Anspruch auf Witwen-/Witwerrente unabhängig von der Ehedauer1. Anspruch auf Waisenrente für Voll- oder Halbwaisen (§ 10 Abs. 1 Satz 4 175 ATV/ATV-K, § 38 Abs. 1 Satz 4 VBLS, § 36 Abs. 1 Satz 4 AKA-MS) haben die Kinder eines verstorbenen Betriebsrentenberechtigten oder eines Versicherten, der die Wartezeit erfüllt hat, die eine entsprechende Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 48 SGB VI) erhalten. Kinder sind die leiblichen und angenommene Kinder sowie Pflegekinder iSv. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG, soweit sie nach § 32 Abs. 3 und 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Abs. 5 EStG berücksichtigungsfähig sind. Auch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente sind durch Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuweisen.
176
Für Beschäftigte, die in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ver- 177 sichert sind, gelten diese Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu den Versicherungsfällen und zum Beginn der Rente entsprechend (§ 14 ATV/ATV-K, § 45 VBLS, § 43 AKA-MS). Soweit auf Regelungen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung Bezug genommen wird, ist die Regelung so anzuwenden, wie dies bei unterstellter Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall wäre. Hinsichtlich der erforderlichen rentenversicherungsrechtlichen Zeiten sind anstelle der Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung die Zeiten der Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zugrunde zu legen. Eine volle oder teilweise Erwerbsminderung ist durch einen von der Zusatzversorgungskasse zu bestimmenden Facharzt nachzuweisen. In jedem Fall ist auch bei nicht gesetzlich Rentenversicherten ein schriftlicher An-
1 Vgl. OLG Karlsruhe v. 17.7.2008 – 12 U 207/07, BeckRS 2008, 17108. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 178
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
trag des Beschäftigten Voraussetzung für einen Anspruch auf Betriebsrente aus der Zusatzversorgung1. b) Erfüllung der Wartezeit 178
Voraussetzung für alle Leistungen aus der Zusatzversorgung ist die Erfüllung der Wartezeit von 60 Monaten (§ 6 ATV/ATV-K, § 34 VBLS, § 32 AKAMS). Für die Erfüllung der Wartezeit wird jeder Kalendermonat berücksichtigt, für den bis zum Beginn der Betriebsrente für mindestens einen Tag Aufwendungen für die Pflichtversicherung (Umlagen oder Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren) erbracht wurden. Die Wartezeit muss nicht ohne Unterbrechung erfüllt werden, ggf. erfolgt eine Zusammenrechnung von Zeiten verschiedener Pflichtversicherungsverhältnisse. Ebenso werden bei verschiedenen Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes zurückgelegte Pflichtversicherungszeiten zusammengerechnet, wenn diese Zusatzversorgungskassen jeweils am Verfahren zur Überleitung von Versicherungen teilnehmen. Bis zur Systemumstellung (31.12.2000) nach dem alten Recht als Umlagemonate zu berücksichtigende Zeiten werden auf die Erfüllung der Wartezeit ebenfalls angerechnet. Jedenfalls bei der VBL gilt die Wartezeit auf jeden Fall für den Teil der Anwartschaft aus der Pflichtversicherung als erfüllt, der nach § 1b Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 und § 30f BetrAVG unverfallbar ist (vgl. § 34 Abs. 4 Satz 2 VBLS). Als Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage gilt dabei der Beginn der Versicherung bei der VBL durch den Arbeitgeber, bei dem das Arbeitsverhältnis mindestens fünf Jahre bestanden hat. Die Dauer der Versorgungszusage ist dabei für jedes Arbeitsverhältnis gesondert zu betrachten2.
179
Zeiten und Aufwendungen der freiwilligen Versicherung werden auf die Erfüllung der Wartezeit demgegenüber nicht angerechnet, auch wenn die Aufwendungen der freiwilligen Versicherung ausnahmsweise vom Arbeitgeber getragen wurden.
180
Die Wartezeit gilt auch schon vor Ablauf der 60 Monate als erfüllt, wenn der Versicherungsfall durch einen Arbeitsunfall eingetreten ist, der im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis steht, das Grundlage für die Pflichtversicherung war (§ 6 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 34 Abs. 2 VBLS, § 32 Abs. 2 AKA-MS). Ob ein Arbeitsunfall vorgelegen hat, ist durch Bescheid des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung nachzuweisen.
1 In einem Urteil v. 12.12.2008 – 6 O 323/07, BeckRS 2009, 11741 bestätigt das LG Karlsruhe insoweit, dass für den Beginn der Betriebsrente in der Zusatzversorgung eines nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten der Antrag des Versicherten bei der VBL maßgeblich sei (§ 45 Abs. 1, § 33 Satz 4 VBLS iVm. § 99 Abs. 1 SGB VI und nicht § 52 VBLS). Vgl. auch OLG Karlsruhe v. 3.7.2008 – 12 U 8/08. 2 Vgl. hierzu die Erläuterungen in VBLinfo Ausgabe 2/Oktober 2009, abrufbar unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter/VBLinfo).
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Betz-Rehm
Rz. 184 Teil 11
VI. Die Pflichtversicherung
Schließlich werden Zeiten einer nach dem Beginn der Pflichtversicherung liegenden Mitgliedschaft im Europäischen Parlament, im Bundestag oder im Parlament eines Landes auf die Wartezeit angerechnet (§ 6 Abs. 3 ATV/ ATV-K, § 34 Abs. 3 VBLS, § 32 Abs. 3 AKA-MS).
181
c) Berechnung der Betriebsrenten nach dem Punktemodell aa) Grundsatz Im Rahmen des Punktemodells sind Leistungen in der Höhe zugesagt, die 182 sich ergeben würde, wenn ein Beitrag in Höhe von 4 % des Entgelts (fiktiv) in ein kapitalgedecktes System einbezahlt würde1. Die Berechnung der Betriebsrente nach dem Punktemodell erfolgt dabei in ähnlicher Weise wie die Berechnung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Es werden für jeden Pflichtversicherten jährlich Versorgungspunkte ermittelt, die auf zwei individuellen Komponenten (dem zusatzversorgungspflichtigen Entgelt des Mitarbeiters im jeweiligen Kalenderjahr sowie dem Altersfaktor) sowie einer statischen Komponente (dem von den Tarifvertragsparteien festgelegten Referenzentgelt) beruhen. Die Anzahl dieser sich für das zusatzversorgungspflichtige Entgelt ergebenden Versorgungspunkte eines Kalenderjahres wird ermittelt, indem ein Zwölftel des zusatzversorgungspflichtigen Jahresentgelts (s.u. Rz. 190 ff.) des Pflichtversicherten ins Verhältnis zu dem von den Tarifvertragsparteien festgelegten Referenzentgelt von 1000 Euro gesetzt und mit dem Altersfaktor multipliziert wird (§ 8 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 36 Abs. 2 VBLS, § 34 Abs. 2 AKA-MS). Im Versorgungsfall wird die monatliche Rente aus der Summe der während der gesamten Versicherungsdauer erworbenen Versorgungspunkte ermittelt. Die Summe der Versorgungspunkte wird dabei mit dem tarifvertraglich festgelegten Messbetrag von 4 Euro multipliziert, dh., jeder Versorgungspunkt entspricht einem Wert von 4 Euro monatlicher Rente (§ 7 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 1 VBLS, § 33 Abs. 1 AKA-MS). Die Berechnung der Betriebsrenten nach dem Versorgungspunktemodell er- 183 gibt sich damit aus folgenden Berechnungsformeln: Versorgungs- 1/ = 12 versorgungspfl. Jahresentgelt / Referenzentgelt × Altersfaktor punkte Monatliche Betriebsrente = Summe Versorgungspunkte × Messbetrag
Über die Altersfaktoren werden die im Punktemodell enthaltenen Zins- 184 effekte berücksichtigt. Die Altersfaktoren beinhalten dabei eine Verzinsung von 3,25 % während der Anwartschaftsphase und 5,25 % während des Rentenbezugs. Im Übrigen sind über die Altersfaktoren auch die sonstigen biometrischen Faktoren berücksichtigt (zB Lebenserwartung, Häufigkeit von Hinterbliebenenrenten oder Erwerbsminderungsrenten etc.). Die 1 Vgl. bereits Ziff. 2.1 des Altersvorsorgeplans (Anlage 5 zum ATV/ATV-K) sowie die Präambel des ATV/ATV-K. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 185
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Altersfaktoren der Zusatzversorgung basieren dabei noch auf den (zwischenzeitlich veralteten) Richttafeln 1998 von Klaus Heubeck. Der für den Versicherten im jeweiligen Jahr anzuwendende Altersfaktor ergibt sich aus der Tabelle gemäß § 8 Abs. 3 ATV/ATV-K (§ 36 Abs. 3 VBLS, § 34 Abs. 3 AKA-MS). Dabei gilt als Alter die Differenz zwischen dem jeweiligen Kalenderjahr und dem Geburtsjahr. Je jünger der Pflichtversicherte ist, desto höher sind dabei die Altersfaktoren, weil der Verzinsungszeitraum dementsprechend länger ist. 185
Folgendes Beispiel soll die Berechnungsmethode verdeutlichen: Ein Pflichtversicherter ist im Jahr 1972 geboren und erhält im Jahr 2008 ein zusatzversorgungspflichtiges Jahresentgelt von 36 000 Euro. 1/12 des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts entspricht damit 3000 Euro. Der anzuwendende Altersfaktor im Jahr 2008 beträgt 1,7. Hieraus ergeben sich 5,1 Versorgungspunkte (3 × 1,7), dies entspricht einer monatlichen Rente von 20,40 Euro.
bb) Soziale Komponenten 186
Versorgungspunkte ergeben sich nicht nur aus dem zusatzversorgungspflichtigen Entgelt. Vielmehr werden zusätzlich soziale Komponenten berücksichtigt, aus denen sich Versorgungspunkte auch für bestimmte Zeiten ergeben, ohne dass dem der Bezug eines zusatzversorgungspflichtigen Entgelts gegenübersteht. Als solche sozialen Komponenten werden berücksichtigt: (1) Elternzeit gemäß § 15 BEEG sowie Mutterschutzzeiten gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG (§ 9 Abs. 1 ATV/ATV-K; § 37 Abs. 1 VBLS, § 35 Abs. 1 AKA-MS).
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Für jeden vollen Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis wegen einer Elternzeit ruht, werden für jedes Kind, für das ein Anspruch auf Elternzeit besteht, Versorgungspunkte berücksichtigt, die sich bei einem zusatzversorgungspflichtigen Entgelt von 500 Euro in diesem Monat ergeben würden. Je Kind werden dabei höchstens 36 Kalendermonate berücksichtigt. Zeiten des Mutterschutzes nach der Geburt werden der Elternzeit gleichgestellt. Steht der Elternzeitberechtigte in mehreren zusatzversorgungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, kann die soziale Komponente nur für eines dieser Arbeitsverhältnisse in Anspruch genommen werden. Entscheidend für die Anwendung dieser sozialen Komponente ist zunächst, dass das Arbeitsverhältnis wegen der Elternzeit tatsächlich ruht. Unerheblich ist, ob in der Zeit des ruhenden Arbeitsverhältnisses (zB aus einer Nachzahlung aus der vorangegangenen Beschäftigungszeit) noch Arbeitsentgelt zufließt. Entscheidet sich der Elternzeitberechtigte allerdings zu einer Teilzeittätigkeit während der Elternzeit, kommt die soziale Komponente nicht zum Tragen; vielmehr richten sich die Versorgungspunkte dann nach dem zusatzversorgungspflichtigen Entgelt der Teilzeittätigkeit. Der Betrag von 500 Euro wird für jedes Kind berücksichtigt, für das ein Anspruch auf Elternzeit besteht, bei mehreren Kindern also mehrfach (zB bei 1024
Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 187 Teil 11
einer Mehrlingsgeburt oder bei sich überschneidenden Elternzeiten für mehrere Kinder). Unerheblich ist die Höhe des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts, das der Elternzeitberechtigte vor der Inanspruchnahme der Elternzeit bezogen hat, insbesondere erfolgt keine „Deckelung“ der sozialen Komponente durch die Höhe des bisherigen Entgelts. Zu berücksichtigen ist, dass die Elternzeit, während derer das Arbeitsverhältnis ruht und daher kein Entgeltanspruch besteht, nicht für die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 6 ATV/ATV-K, § 34 VBLS, § 32 AKA-MS (s.o. Rz. 178 ff.) zählt, da für diese entgeltfreien Zeiten keine Umlage zu entrichten ist. Hinzuweisen ist im Zusammenhang mit den Mutterschutzzeiten noch auf eine Entscheidung des EuGH vom 13.1.20051 und auf eine darauf basierende Entscheidung des BGH vom 1.6.20052. Beide Entscheidungen betrafen noch das VBL-Satzungsrecht in seiner alten Fassung, können aber auch Auswirkungen auf die aktuelle Rechtslage haben: Während der gesetzlichen Mutterschutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG erhalten Arbeitnehmerinnen Mutterschaftsgeld (vgl. § 13 MuSchG) sowie einen (Arbeitgeber-)Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (vgl. § 14 MuSchG). Beide Leistungen sind steuerfrei (§ 3 Nr. 1 Buchst. d EStG) und zählen daher nicht zum zusatzversorgungspflichtigen Entgelt. Nach § 44 VBLS aF führte dies dazu, dass für solche Zeiten keine Anwartschaft auf die frühere Versicherungsrente erworben werden konnte. Der EuGH ebenso wie der BGH sahen hierin einen Verstoß gegen den europarechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherung (Art. 6 der Richtlinie 86/378/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/97/EG des Rates vom 20.12.1996) und entschieden, dass die Mutterschutzzeiten bei der Berechnung der Anwartschaft auf eine Versicherungsrente nach § 44 VBLS aF wie Umlagemonate zu werten sind. Auch wenn nach dem aktuellen Recht der Zusatzversorgung Mutterschutzzeiten nach § 6 Abs. 1 MuSchG zumindest wie erläutert teilweise leistungserhöhend berücksichtigt werden, ist es die Aufgabe der Tarifvertragsparteien, ggf. eine Neuregelung unter Beachtung dieser Rechtsprechung vorzusehen. Dies bleibt abzuwarten3.
1 EuGH v. 13.1.2005 – C 356/03, NZA 2005, 347 (= BetrAV 2005, 292). 2 BGH v. 1.6.2005 – IV ZR 100/02, NJW-RR 2005, 1161. 3 Der Verwaltungsrat der VBL hat hierzu am 6.12.2005 beschlossen, in gleich gelagerten Klagefällen, in denen ein Ruhen des Verfahrens nicht vereinbart werden kann, die Mutterschutzzeiten gemäß §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG entsprechend der Rechtsprechung wie Umlagemonate mit laufendem zusatzversorgungspflichtigem Entgelt zu werten (allerdings nur unter Berücksichtigung der satzungsrechtlichen Ausschlussfristen). Zugleich wurden die Tarifvertragsparteien zur Aufnahme von Verhandlungen über diese Thematik aufgerufen. Weiterhin hat der Verwaltungsrat der VBL darauf hingewiesen, dass diese Rechtsprechung nur Mutterschutzzeiten während der Pflichtversicherung nach dem 17.5.1990 betreffe. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 188
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
(2) Zurechnungszeit bei Erwerbsminderung 188
Als weitere soziale Komponente werden sog. Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderung gewährt (§ 9 Abs. 2 ATV/ATV-K; § 37 Abs. 2 VBLS, § 35 Abs. 2 AKA-MS). Bei Eintritt eines Versicherungsfalles wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres werden Pflichtversicherten für jeweils zwölf volle, bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres fehlende Kalendermonate so viele Versorgungspunkte hinzugerechnet, wie dies dem Verhältnis des durchschnittlichen monatlichen zusatzversorgungspflichtigen Entgelts der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt des Versicherungsfalles zum Referenzentgelt von 1000 Euro entspricht. Bei der Berechnung des durchschnittlichen Entgelts werden Monate ohne zusatzversorgungspflichtiges Entgelt nicht berücksichtigt. Ist in den letzten drei Kalenderjahren vor Eintritt des Versicherungsfalles überhaupt kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt angefallen, ist für die Berechnung das Entgelt zugrunde zu legen (und durch den Arbeitgeber zu ermitteln), das sich als durchschnittliches zusatzversorgungspflichtiges Entgelt im Kalenderjahr vor dem Rentenbeginn ergeben hätte. (3) Mindeststartgutschrift
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Im Zusammenhang mir der Systemumstellung der Zusatzversorgung vom früheren Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell steht schließlich die Regelung in § 9 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 37 Abs. 3 VBLS, § 35 Abs. 3 AKAMS zur Gewährung einer Mindeststartgutschrift. Bei der Umstellung des früheren Gesamtversorgungssystems zum Punktemodell wurden die bis zur Umstellung erworbenen Besitzstände in Versorgungspunkte umgerechnet und in das Punktemodell als sog. Startgutschrift eingebracht (vgl. zur Systemumstellung im Einzelnen unten Rz. 231 ff.). Für langjährige Pflichtversicherte, die zum 1.1.2002 bereits 20 Jahre pflichtversichert1 waren, wurden dabei für jedes volle Kalenderjahr der Pflichtversicherung bis zum 31.12.2001 mindestens 1,84 Versorgungspunkte berücksichtigt. Für Teilzeitbeschäftigte mit einem Gesamtbeschäftigungsquotienten2 kleiner 1,0 gilt dies proportional. Hierdurch wird für diesen Personenkreis eine bestimmte Mindestversorgung garantiert. cc) Zusatzversorgungspflichtiges Entgelt
190
Die Definition des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts ist in § 15 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 64 Abs. 4 VBLS, § 62 Abs. 2 AKA-MS und den jeweiligen Ausführungsbestimmungen enthalten, also in Regelungen, die eigentlich die Finanzierung der Zusatzversorgung betreffen, gleichwohl aber auch für 1 Die Regelung verweist ausdrücklich auf Zeiten einer Pflichtversicherung – nicht wie zB bei der Wartezeit auf Pflichtversicherungszeiten, die mit einer Umlage oder Beiträgen belegt sind. Damit kommt es für die Erfüllung der Dauer der Pflichtversicherung bei der Mindeststartgutschrift nicht darauf an, ob diese Zeiten auch jeweils mit zusatzversorgungspflichtigem Entgelt belegt waren, vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 9 ATV Erl. 4. 2 Vgl. § 43a VBLS aF.
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 193 Teil 11
die Berechnung der Versorgungsleistungen von wesentlicher Bedeutung sind. Zusatzversorgungspflichtiges Entgelt ist demgemäß grundsätzlich der steuerpflichtige Arbeitslohn, begrenzt auf den 2,5-fachen Wert1 der jeweils anwendbaren (West oder Ost) monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Steuerfreie Entgeltbestandteile gehören nicht zum zusatzversorgungspflichtigen Entgelt. Das tatsächlich zu versteuernde Einkommen ist demgegenüber nicht maßgeblich, da zB auf der Lohnsteuerkarte vermerkte oder in die Lohnsteuertabellen eingearbeitete Lohnsteuerfreibeträge das zusatzversorgungspflichtige Entgelt nicht mindern2. Es gilt insoweit das steuerrechtliche Zuflussprinzip gemäß § 11 EStG; entscheidend ist damit, zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Entgeltbestandteile dem Arbeitnehmer tatsächlich zugeflossen sind. Die Regelungen zum zusatzversorgungspflichtigen Entgelt sehen vor, dass bestimmte Entgeltbestandteile, die nach dieser Definition an sich zum steuerpflichtigen Arbeitslohn zählen würden, nicht zusatzversorgungspflichtig sind. Einzelheiten hierzu enthalten Anlage 3 des ATV/ATV-K, § 62 Abs. 2 AKA-MS bzw. die Ausführungsbestimmungen zu § 64 Abs. 4 Satz 1 VBLS3.
191
Für Teilzeitbeschäftigte bestehen insoweit keine Besonderheiten. Die Teilzeittätigkeit wird insoweit bereits über die niedrigere Teilzeitvergütung berücksichtigt4.
192
Für Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.2002 eine Altersteilzeit vereinbart 193 haben, besteht in § 15 Abs. 2 Satz 2 ATV/ATV-K, § 62 Abs. 3 AKA-MS bzw. Abs. 6 der Ausführungsbestimmungen zu § 64 Abs. 4 Satz 1 VBLS eine Sonderregelung5: Zusatzversorgungspflichtiges Entgelt während des Altersteilzeitverhältnisses ist – unter Berücksichtigung der allgemeinen Regelungen des zusatzversorgungspflichtigen Entgeltes – das 1,8-fache der zur Hälfte zustehenden Bezüge gemäß § 4 TV ATZ (das zusatzversorgungspflichtige Entgelt entspricht damit 90 % des bisherigen Entgelts). Vergütungsbestandteile, die dem Arbeitnehmer trotz der Altersteilzeit in voller Höhe zustehen, werden als solche – ohne zusätzliche Erhöhung um den Faktor 1,8 – berücksichtigt. Für vor dem 1.1.2003 vereinbarte Altersteilzeit gilt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 ATV/ATV-K, § 36 Abs. 2 Satz 2 VBLS, § 34
1 Wird eine zusatzversorgungsfähige Jahressonderzahlung gewährt, ist dieser Wert einmal jährlich im Monat der Zahlung der Jahressonderzahlung zu verdoppeln. 2 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 201. 3 Zu den Einzelheiten des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts mit alphabetischer Auflistung verschiedener typischer Entgeltbestandteile und deren Behandlung vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 15 ATV Erl. 3–5. 4 Anders als nach dem früheren Gesamtversorgungssystem bedarf es daher keiner Bildung eines Gesamtbeschäftigungsquotienten mehr, der Arbeitgeber muss gegenüber der Zusatzversorgungskasse auch nicht mehr den jeweiligen Beschäftigungsumfang melden (vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 59). 5 Ausführlich hierzu Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 71 ff. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 194
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Abs. 2 Satz 2 AKA-MS hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Leistungen letztendlich dasselbe1. 194
Für zusatzversorgungspflichtige Arbeitgeber in einer wirtschaftlichen Notlage sehen schließlich § 15 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 64 Abs. 5 VBLS, § 62 Abs. 4 AKA-MS für einen begrenzten Zeitraum von drei Jahren (der durch landesbezirklichen Tarifvertrag allerdings verlängert werden kann) die Möglichkeit einer abgesenkten Zusatzversorgung vor. Durch landesbezirklichen Tarifvertrag kann insoweit von der Höhe der zugesagten Leistungen bis zu einer Mindesthöhe von 2 % (anstelle der in § 8 Abs. 2 ATV/ATV-K vorgesehenen 4 %) abgewichen werden2. Die wirtschaftliche Notlage ist dabei durch eine paritätische Kommission der betroffenen Tarifvertragsparteien festzustellen. dd) Bonuspunkte
195
Versorgungspunkte könne schließlich in Form von Bonuspunkten zugeteilt werden (§ 19 ATV/ATV-K, § 68 VBLS, § 66 AKA-MS). Bei den Bonuspunkten handelt es sich um eine (fiktive) Überschussbeteiligung an den Erträgen der Zusatzversorgungskasse und damit um eine versicherungsförmige Dynamisierung (Zinsdynamik) der Zusatzversorgung in der Anwartschaftsphase. Bonuspunkte kommen für die am Ende des laufenden Kalenderjahres Pflichtversicherten in Betracht sowie für die zum gleichen Zeitpunkt beitragsfrei Versicherte, die eine Wartezeit von mindestens 120 Umlage-/Beitragsmonaten erfüllt haben. Über die Vergabe von Bonuspunkten entscheidet das zuständige Gremium3 der Zusatzversorgungskasse in Abstimmung mit dem verantwortlichen Aktuar. Insoweit wird durch die Zusatzversorgungskasse jeweils zum Jahresende für das vorangegangene Geschäftsjahr festgestellt, in welchem Umfang aus verbleibenden Überschüssen Bonuspunkte zugeteilt werden können. Die Berechnung erfolgt (jeweils getrennt für den umlagefinanzierten sowie einen ggf. vorhandenen kapitalgedeckten Abrechnungsverband) auf Basis einer nach anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen durch den verantwortlichen Aktuar erstellten fiktiven versicherungstechnischen Bilanz4. Soweit in der jeweiligen Zusatzversorgungskasse eine Kapitaldeckung vorhanden ist, werden die 1 Ein Unterschied besteht insoweit nur hinsichtlich der Finanzierung: Während für vor dem 1.1.2003 vereinbarte Altersteilzeit für die Umlage/Beiträge nur das (50 %ige) Altersteilzeitentgelt zugrunde zu legen ist, gilt auch für die Berechnung der Umlage/Beiträge für ab dem 31.12.2002 vereinbarte Altersteilzeit das um den Faktor 1,8 erhöhte Altersteilzeitentgelt; nach dem 31.12.2002 vereinbarte Altersteilzeit ist damit für den Arbeitgeber „teurer“. 2 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 15 ATV-K Erl. 6. 3 Bei der VBL ist dies der Verwaltungsrat (§§ 10 ff. VBLS), bei den Zusatzversorgungskassen der AKA üblicherweise der Verwaltungsausschuss (§§ 5 ff. AKA-MS), also jeweils das aus Vertretern der beteiligten Arbeitgeber und der versicherten Arbeitnehmer paritätisch besetzte Organ. 4 Vgl. für die VBL weitere Einzelheiten in den Ausführungsbestimmungen zu § 68 Abs. 3 VBLS.
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 196 Teil 11
tatsächlichen Kapitalerträge zugrunde gelegt. Soweit keine Kapitaldeckung vorhanden ist (Umlagefinanzierung), wird die durchschnittliche Verzinsung der zehn nach der Bilanzsumme größten Pensionskassen gemäß dem jeweils aktuellen Geschäftsbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht herangezogen. Ergibt diese fiktive versicherungstechnische Bilanz einen Überschuss1, wird dieser zunächst um den Aufwand für die sozialen Komponenten2 (s.o. Rz. 186 ff.) und um die Verwaltungskosten3 der Zusatzversorgungskasse vermindert. Der verbleibende Überschuss wird auf die genannten Berechtigten als Bonuspunkte verteilt. Ergibt die fiktive versicherungstechnische Bilanz eine Unterdeckung, wird diese in das nächste Jahr vorgetragen und mindert dort das (fiktive) Ergebnis. Bei der VBL wurde in der Pflichtversicherung im Jahr 2006 erstmals für die 196 Jahre 2004 und 2005 entschieden, Bonuspunkte in Höhe von insgesamt 0,25 % der bis 31.12.2005 insgesamt erworbenen Versorgungspunkte zu vergeben. Die VBL hatte in diesem Zusammenhang allerdings bereits eine Vielzahl von Beanstandungen der Versicherungsnachweise 2004 und 2005 erreicht, die bezüglich der Zuteilung der Bonuspunkte auch bereits Gegenstand anhängiger Klagen sind. Zur Vermeidung weiterer Verfahren hatte die VBL im Jahr 2006 schließlich auf die Einhaltung der sechsmonatigen Ausschlussfrist für die Beanstandung der Versicherungsnachweise 2004 und 2005 sowie auf die Einrede der Verjährung bis zu einer rechtskräftigen höchstrichterlichen Entscheidung dieser Thematik verzichtet. In einem erstinstanzlichen Urteil hat zwischenzeitlich das AG Karlsruhe4 eine Klage auf die Erteilung von (zusätzlichen) Bonuspunkten für die Jahre 2002 bis 2005 abgewiesen. Im Jahr 2007 erfolgte bei der VBL für die zum 31.12.2007 Bonuspunkteberechtigten eine Zuteilung von Bonuspunkten in Höhe von 0,25 % aller bis zum 31.12.2006 erworbenen Versorgungspunkte. Auch in den Jahren 2008 und 2009 erfolgte jeweils eine Zuteilung von Bonuspunkten in Höhe von 0,25 % der bis zum 31.12.2007 bzw. 31.12.2008 erworbenen Versorgungspunkte.
1 Bei der Berechnung ist dabei die in das Punktemodell über die Altersfaktoren eingearbeitete Garantieverzinsung von 3,25 % während der Anwartschaftsphase und 5,25 % in der Rentenphase zu berücksichtigen, dh. nur eine darüber hinausgehende (fiktive) Verzinsung steht überhaupt zur Verteilung zur Verfügung (vgl. Kiefer/ Langenbrinck, § 19 ATV Erl. 2; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 61). 2 Elternzeit, Zurechnungszeit bei Erwerbsminderung und Mindeststartgutschrift (§ 9 ATV/ATV-K, § 37 VBLS, § 35 AKA-MS). 3 Soweit keine Kapitaldeckung vorhanden ist, werden als Verwaltungskosten der Zusatzversorgungskasse zwei Prozent der fiktiven Zinserträge angesetzt. 4 AG Karlsruhe v. 8.6.2007 – 2 C 441/06; vgl. hierzu Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537 (541). Diese Entscheidung wurde in der 2. Instanz zwischenzeitlich v. LG Karlsruhe durch Urteil v. 27.6.2008 – 6 S 38/07 bestätigt (Revision ist zugelassen): Zivilrechtliche Ansprüche auf Bonuspunkte entstehen für die Versicherten erst, wenn ihnen von der VBL auch Bonuspunkte zugeteilt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VBLS) bzw. im Versicherungsnachweis ausgewiesen wurden (§ 51 Abs. 2 Satz 2 VBLS). Für die Zeit davor stehen dem Einzelnen zivilrechtliche Ansprüche auf eine individuelle Überschussbeteiligung nicht zu. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 197
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
ee) Höhe der einzelnen Versorgungsleistungen 197
Die Höhe der monatlichen Altersrente bei Erreichen der Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung berechnet sich nach dem oben (Rz. 182 ff.) beschriebenen Grundsatz. Sie ergibt sich aus der Anzahl der Versorgungspunkte multipliziert mit dem Messbetrag von 4 Euro.
198
Wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen und erfolgt deshalb eine Kürzung dieser Rente, so wird auch die Rente aus der Zusatzversorgung gekürzt, und zwar um 0,3 % je Monat, für den der sog. Zugangsfaktor der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 77 SGB VI) herabgesetzt ist, maximal jedoch um insgesamt 10,8 % (vgl. § 7 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 3 VBLS, § 33 Abs. 3 AKA-MS).
199
Die Erwerbsminderungsrenten werden nach demselben Prinzip (also nach den erreichten Versorgungspunkten unter Berücksichtigung der Zurechnungszeit gemäß § 9 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 37 Abs. 2 VBLS, § 35 Abs. 2 AKA-MS berechnet. Die Betriebsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung beträgt dabei allerdings lediglich die Hälfte der Rente, die sich demgemäß bei voller Erwerbsminderung ergeben würde (§ 7 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 2 VBLS, § 33 Abs. 2 AKA-MS). Auch für die Erwerbsminderungsrenten sind die Rentenabschläge von 0,3 % je Monat, für den der Zugangsfaktor der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 77 SGB VI) herabgesetzt ist, anzuwenden1. Bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist dabei der Rentenabschlag gemäß § 7 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 3 VBLS, § 33 Abs. 3 AKA-MS erst nach Anwendung der Halbierungsregelung des § 7 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 2 VBLS, § 33 Abs. 2 AKA-MS in Ansatz zu bringen2.
200
Die Höhe der (kleinen oder großen) Witwen-/Witwerrente aus der Zusatzversorgung richtet sich nach den entsprechenden Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 10 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 38 Abs. 1 VBLS, § 36 Abs. 1 AKA-MS). Es gelten die nach Ablauf des Sterbevierteljahres maßgebenden Rentenartfaktoren aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 67 Nr. 5 und 6, § 255 Abs. 1 SGB VI, dh. für die kleine Witwen-/ Witwerrente ein Faktor von 25 % und für die große Witwen-/Witwerrente ein Faktor von 55 % (60 %, wenn der Ehegatte vor dem 1.1.2002 verstorben 1 Dies hatte das AG Karlsruhe (v. 9.1.2007 – 2 C 519/05) für Zeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres bei der Erwerbsminderungsrente allerdings in Anlehnung an ein (umstrittenes und gegen die Praxis der gesetzlichen Rentenversicherung stehendes) Urteil des BSG (v. 16.5.2006 – B 4 RA 22/05 R, NJW 2007, 2139) abgelehnt. Das LG Karlsruhe hat durch Urteil v. 1.6.2007 – 6 O 127/03 die Anwendung der Rentenabschläge auf Erwerbsminderungsrenten der Zusatzversorgung zwischenzeitlich bestätigt. Diese Rechtsprechung hat das LG Karlsruhe durch ein Urteil v. 24.10.2008 – 6 S 36/08, BeckRS 2009, 04658 (Revision ist zugelassen) zwischenzeitlich mit ausführlichen Hinweisen zum Meinungsstand in Lit. und Rspr. erneut bestätigt, ebenso das OLG Karlsruhe in einem Urteil v. 6.5.2008 – 12 U 103/07. Vgl. zu dieser Thematik auch Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537 (541). 2 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 7 ATV Erl. 4.
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Betz-Rehm
Rz. 202 Teil 11
VI. Die Pflichtversicherung
ist oder die Ehe vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 2.1.1962 geboren ist). Bemessungsgrundlage der Hinterbliebenenrenten ist dabei die Betriebsrente, die der Verstorbene bezogen hat oder hätte beanspruchen können, wenn er zum Zeitpunkt seines Todes wegen voller Erwerbsminderung ausgeschieden wäre. Die in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Sterbevierteljahr (bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach dem Tod des Ehegatten) vorgesehene Weiterzahlung der vollen Rente des Verstorbenen an den überlebenden Ehegatten (vgl. § 67 Nr. 5 und 6 SGB VI) greift für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ausweislich des eindeutigen Wortlauts von § 10 Abs. 1 ATV/ATV-K nicht1. Für die Höhe der Waisenrenten gilt Entsprechendes (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 4 201 ATV/ATV-K, § 38 Abs. 1 Satz 4 VBLS, § 36 Abs. 1 Satz 4 AKA-MS). Der Rentenartfaktor der Waisenrente für Vollwaisen beträgt 20 % (§ 67 Nr. 8 SGB VI), für Halbwaisen 10 % (§ 67 Nr. 7 SGB VI). Betriebsrenten für Witwen/Witwer und Waisen dürfen zusammen den Betrag der Betriebrente des Verstorbenen nicht überschreiten, ansonsten werden sie anteilig gekürzt (§ 10 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 38 Abs. 3 VBLS, § 36 Abs. 3 AKA-MS). d) Anpassung und Neuberechnung von Renten aa) Anpassung der Betriebsrenten aus der Zusatzversorgung Laufende Renten aus der Zusatzversorgung werden (beginnend ab dem Jahr 202 2002) jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres2 um 1,0 % dynamisiert (§ 11 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 39 VBLS, § 37 AKA-MS). Diese Regelung entspricht inhaltlich § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG. Im Vergleich zum früheren Gesamtversorgungssystem, das zum einen an die Entwicklung der Beamtenversorgung, zum anderen aber auch an die Entwicklung der anzurechnenden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt war und deshalb zu schwankenden Renten führen konnte, ist insoweit eine deutliche Vereinfachung und eine auch für die Begünstigten leichter verständliche Regelung geschaffen worden3. Die einprozentige Anpassung des neuen Punktemodells gilt dabei für die Rentenanpassung von bis zum Versorgungsfall Pflichtversicherten wie von beitragsfrei Versicherten gleichermaßen; die im früheren Gesamtversor-
1 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 10 ATV Erl. 2. 2 Eine Erhöhung der Betriebsrente zeitgleich mit einem Rentenbeginn zum 1. Juli eines Jahres ist nicht vorgesehen, vgl. LG Karlsruhe v. 28.11.2008 – 6 S 101/08. 3 Die Umstellung der Dynamisierung von der Anpassung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts entsprechend der Entwicklung der Versorgungsbezüge der Versorgungsempfänger des Bundes auf eine jährliche Anpassung um 1 % ihres Betrages jeweils zum 1. Juli ist wirksam, vgl. BGH v. 17.9.2008 – IV ZR 191/05, DB 2008, 2547; vgl. auch BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008, 82 (= AP Nr. 68 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen); bestätigt durch BAG v. 29.1.2008 – 3 AZR 214/06, NZA-RR 2008, 438 (= AP Nr. 70 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 203
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
gungssystem enthaltene Unterscheidung zwischen der dynamischen Versorgungsrente und der statischen Versicherungsrente ist entfallen. Eine Dynamisierung des Rentenanspruchs erfolgt auch, wenn ein Fall der Nichtzahlung oder des Ruhens gemäß § 12 ATV/ATV-K, § 41 VBLS, § 39 AKA-MS (s. hierzu unten Rz. 205 ff.) vorliegt, da in diesen Fällen der Rentenanspruch als solcher weiter besteht und lediglich nicht geltend gemacht werden kann. Nach Wegfall des Ruhenstatbestandes ist die Rente dann in ihrer zwischenzeitlich dynamisierten Höhe weiterzuzahlen1. bb) Neuberechnung 203
Gemäß § 11 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 40 VBLS, § 38 AKA-MS ist eine Neuberechnung der Rente vorzunehmen, wenn bei einem Betriebsrentenberechtigten ein neuer Versicherungsfall eintritt und seit der Festsetzung der Betriebsrente auf Basis des früheren Versicherungsfalles zusätzliche Versorgungspunkte zu berücksichtigen sind. Es kommt in solchen Fällen zu einer Erhöhung der bisherigen Rente um den Betrag, der sich aus den zusätzlich zu berücksichtigenden Versorgungspunkten ergibt. Ein etwaiger Rentenabschlag wegen vorzeitigen Rentenbeginns (Zugangsfaktor, § 7 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 3 VBLS, § 33 Abs. 3 AKA-MS, s.o. Rz. 198 f.) wird für diesen Teil neu bestimmt (für die bei der bisherigen Betriebsrente bereits berücksichtigten Versorgungspunkte bleibt es bei dem ursprünglichen Zugangsfaktor). Versorgungspunkte aus einer Zurechnungszeit bei Erwerbsminderung (s.o. Rz. 188) aus dem früheren Versicherungsfall werden nur noch insoweit berücksichtigt, als sie die zusätzlichen (neuen) Versorgungspunkte (ohne Bonuspunkte) aus einer Pflichtversicherung übersteigen oder soweit in dem für die Zurechnungszeit maßgebenden Zeitraum keine Pflichtversicherung mehr bestanden hat. Ansonsten würde eine doppelte Berücksichtigung vorliegen.
204
Eine solche Neuberechnung erfolgt insbesondere bei einem Wechsel von einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder wegen Alters (§ 11 Abs. 2 Satz 3 ATV/ATV-K, § 40 Abs. 3 VBLS, § 38 Abs. 3 AKA-MS). In diesem Fall wird die bisher (gemäß § 7 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 2 VBLS, § 33 Abs. 2 AKA-MS) wegen der nur teilweisen Erwerbsminderung nur zur Hälfte gezahlte Rente nunmehr voll gezahlt. Im umgekehrten Fall eines Wechsels von einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wird die bisherige Rente nur noch zur Hälfte gezahlt. Sind in der Zwischenzeit weitere Versorgungspunkte angefallen, sind diese nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen zu berücksichtigen. Vergleichbare Neuberechnungsfälle bei Hinterbliebenenrenten sind der Wechsel von einer kleinen zu einer großen Witwen-/Witwerrente und umgekehrt sowie der Wechsel von einer Vollwaisen- zu einer Halbwaisenrente. Auch in diesen Fällen kommt es zu einer entsprechenden Neuberechnung. 1 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 12 ATV Erl. 2; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 80.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 206 Teil 11
Nach der Rechtsprechung des LG Karlsruhe1 ist die Zusatzversorgungskasse (VBL) im Übrigen grundsätzlich berechtigt, fehlerhafte Berechnungen unabhängig von den Voraussetzungen des § 40 VBLS jederzeit zu korrigieren. Ein solches Korrekturrecht sei auch in § 53 VBLS vorausgesetzt, denn die dort geregelte Rückforderung überzahlter Renten setze die vorherige Korrektur der Rentenmitteilungen voraus. Anerkannt ist dabei, dass § 53 VBLS auch auf andere als die dort ausdrücklich geregelten Überzahlungstatbestände anwendbar ist. Die Zusatzversorgungskasse hat jedoch nach der Rechtsprechung des LG Karlsruhe für eine Rückforderung überzahlter Leistungen im Rahmen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Anlehnung an die Grundsätze des § 48 VwVfG eine Gesamtabwägung aller zu berücksichtigender Umstände vorzunehmen. Das Vertrauen der Versicherten, eine bereits gewährte Rente behalten zu dürfen, sei dabei in der Regel schutzwürdig, wenn die gewährten Leistungen bereits verbraucht wurden. Bei der Gewährung von geringfügigen Leistungen könne insoweit auch grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das Geld für eine Verbesserung der Lebensführung ausgegeben wurde und mithin ein Verbrauch vorliegt. e) Ruhen und Nichtzahlung Die Rente aus der Zusatzversorgung kann unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise ruhen. Diese Fälle sind in § 12 ATV/ATV-K, § 41 VBLS, § 39 AKA-MS geregelt. Der Anspruch auf Rente aus der Zusatzversorgung wird dem Grunde nach durch das Ruhen nicht tangiert, für die Zeit des Ruhens kann er aber nicht geltend gemacht werden. Nach Wegfall des Ruhenstatbestandes ist die Betriebsrente ab diesem Zeitpunkt wieder zu zahlen. Stirbt ein Berechtigter während des Ruhens, sind die Hinterbliebenenrenten so zu berechnen, als hätte die Rente des Verstorbenen nicht geruht2.
205
Die einzelnen Ruhens- bzw. Nichtzahlungstatbestände sind am Recht der gesetzlichen Rentenversicherung orientiert. Sie verfolgen – ebenso wie die entsprechenden Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung – den Zweck, eine Kumulation von Leistungen zu verhindern. Die Betriebsrente wird von dem Zeitpunkt an nicht gezahlt, von dem an 206 die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze nach § 100 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 34 Abs. 2 SGB VI endet. Auf Antrag wird die Betriebsrente aus der Zusatz1 Vgl. LG Karlsruhe v. 19.9.2008 – 6 S 48/07, BeckRS 2009, 12068 (die Entscheidungen des LG Karlsruhe sind auch auf dessen Homepage www.landgericht-karlsruhe.de veröffentlicht). Vgl. auch LG Karlsruhe v. 17.7.2009 – 6 O 186/08, BeckRS 2009, 23669. Zur fortgesetzten, zukünftigen Gewährung einer fehlerhaft berechneten Versorgungsrente vgl. LG Karlsruhe vom 25.9.2009 – 6 O 190/08, BeckRS 2009, 26175: Der Gedanke der Solidarität gebietet es, die Finanzierung der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes nicht mit der Gewährung von Renten zu belasten, auf die nach den Satzungsbestimmungen kein Anspruch besteht. Auf eine fehlerhaft gewährte Zusatzrente kann daher nur in außerordentlichen Ausnahmesituationen Anspruch auch in die Zukunft bestehen. 2 Kiefer/Langenbrinck, § 12 ATV Erl. 2. Betz-Rehm
1033
Teil 11
Rz. 207
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
versorgung vom Ersten des Monats an wieder gezahlt, für den die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wieder geleistet wird (§ 12 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 41 Abs. 1 VBLS, § 39 Abs. 1 AKA-MS). Zu beachten ist dabei, dass nach Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung keine Hinzuverdienstgrenze mehr gilt. Wird die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Eintritt eines Versicherungsfalles nur als Teilrente gezahlt (vgl. §§ 42, 34 Abs. 2 SGB VI), wird auch die Rente aus der Zusatzversorgung nur in Höhe eines entsprechenden Anteils (1/3, ½, 2/3) gezahlt. Wichtig ist, dass in diesen Fällen kein zusätzlicher Versicherungsfall einer Teilrente geschaffen wird – gemäß § 5 ATV/ATV-K bleibt es weiterhin Voraussetzung für den Eintritt eines Versicherungsfalles, dass zunächst ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente bestand1. 207
Ist der Versicherungsfall wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung eingetreten und wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Hinzuverdienstes nicht oder nur zu einem Anteil gezahlt (§ 96a SGB VI), wird auch die Rente aus der Zusatzversorgung nicht oder nur zu einem entsprechenden Anteil gezahlt (§ 12 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 41 Abs. 2 VBLS, § 39 Abs. 2 AKA-MS).
208
Die Rente aus der Zusatzversorgung ruht, solange die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ganz oder teilweise versagt wird (§ 12 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 41 Abs. 3 Buchst. a VBLS, § 39 Abs. 3 AKA-MS), zB bei fehlender Mitwirkung des Berechtigten (§ 66 SGB I) oder in Fällen des § 104 SGB VI (Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einer Straftat)2.
209
Die Betriebsrente ruht auch, wenn der Berechtigte seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt dauerhaft außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union hat und trotz Aufforderung der Zusatzversorgungskasse keinen Empfangsbevollmächtigten im Inland bestellt (§ 12 Abs. 4 ATV/ ATV-K, § 41 Abs. 3 Buchst. b VBLS, § 39 Abs. 4 AKA-MS).
210
Ein Ruhenstatbestand besteht auch, soweit ein Zusammentreffen der Rente aus der Zusatzversorgung mit Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegt und soweit das Krankengeld bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht bereits gemäß § 96a Abs. 3 SGB VI auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen oder bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Altersrente als Vollrente dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten ist (§ 12 Abs. 5 ATV/ATV.K, § 41 Abs. 4 VBLS, § 39 Abs. 5 AKA-MS). Übersteigt das Krankengeld eines Monats die Rente aus der Zusatzversorgung, wird der nicht angerechnete Teil auf die Betriebsrente der Folgemonate angerechnet3.
1 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 12 ATV Erl. 3. 2 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 12 ATV Erl. 5. 3 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 12 ATV Erl. 7.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 212 Teil 11
Für Hinterbliebenenrenten gelten die Vorschriften der gesetzlichen Ren- 211 tenversicherung über das Zusammentreffen zwischen Rente und Einkommen entsprechend mit der Maßgabe, dass eventuelle Freibeträge sowie das Einkommen, das auf die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet wird, unberücksichtigt bleiben (§ 12 Abs. 6 ATV/ATV-K, § 41 Abs. 5 VBLS, § 39 Abs. 6 AKA-MS). Dies betrifft im Wesentlichen die gesetzlichen Anrechnungsregelungen in § 97 SGB VI iVm. §§ 18a bis 18e SGB IV. Demgemäß wird Einkommen iSd. § 18a SGB IV (dh. nicht nur Arbeitsentgelte, sondern auch andere dort aufgeführte Leistungen) nach Abzug bestimmter Pauschalbeträge (§ 18b SGB IV) auf die Rente aus der Zusatzversorgung zu 40 % angerechnet, soweit es die in § 97 Abs. 2 SGB VI vorgesehenen Freibeträge übersteigt. Eine Doppelanrechnung von Einkommen, das bereits auf die gesetzliche Rentenversicherung angerechnet wurde, erfolgt nicht. In jedem Fall müssen dem Hinterbliebenen mindestens 35 % der Hinterbliebenenrente verbleiben (§ 12 Abs. 6 Buchst. b ATV/ ATV-K, § 41 Abs. 5 Buchst. b VBLS, § 39 Abs. 6 Buchst. b AKA-MS)1. f) Abfindung und Beitragserstattung aa) Abfindung In § 22 Abs. 2 ATV/ATV-K ist vorgesehen, dass sog. Kleinstrenten, die ei- 212 nen Monatsbetrag von 30 Euro nicht überschreiten, von der Zusatzversorgungskasse auf der Grundlage entsprechender Satzungsregelungen abgefunden werden können. Darüber hinaus kann eine Abfindung ermöglicht werden, wenn die Kosten der Übermittlung der Betriebsrente übermäßig hoch sind. Einzelheiten zur Abfindung sind in § 43 VBLS in Verbindung mit den hierzu ergangenen Ausführungsbestimmungen sowie in § 41 der AKA-MS enthalten. Die Abfindungsmöglichkeit betrifft dabei generell nur die Renten aus der Pflichtversicherung, nicht Renten aus der freiwilligen Versicherung (s.u. Rz. 286 ff.), da bei Nutzung der sog. „Riester-Förderung“ im Rahmen der freiwilligen Versicherung durch eine Abfindung eine schädliche Verwendung gemäß § 93 EStG vorliegen würde2. Sowohl bei der VBL, als auch nach der AKA-MS ist eine automatische Abfindung (ohne Antragserfordernis) vorgesehen, wenn die monatliche Rente 1 Diese Anrechnungsgrenze wurde durch die Tarifvertragsparteien erst durch den Änderungstarifvertrag Nr. 4 v. 22.6.2007 geschaffen. Sie beruht auf einem Urteil des BGH v. 20.9.2006 (IV ZR 304/04, NJW 2006, 3774 (= BetrAV 2007, 182), mit dem der BGH festgestellt hatte, dass die Ruhensbestimmung in ihrer bisherigen Fassung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, wenn die Anrechnung von Einkommen zu einem vollständigen Ruhen der Rente führe. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete es, dem überlebenden Ehegatten wenigstens einen Rest des vom verstorbenen Ehegatten erdienten Versorgungsanspruchs zu belassen. Vgl. hierzu Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537 (540). Die rückwirkend zum 1.1.2007 in Kraft getretene Neuregelung des § 41 Abs. 5 VBLS hält nach einem Urteil des LG Karlsruhe v. 28.11.2008 – 6 O 113/08 nunmehr einer Inhaltskontrolle stand. 2 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 22 ATV Erl. 3. In den allgemeinen Versicherungsbedingungen für die freiwillige Versicherung sind insoweit eigenständige, eingeschränkte Abfindungsregelungen enthalten. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 213
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
den Monatsbetrag nach § 3 Abs. 2 BetrAVG (1 % der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV) nicht übersteigt1. Ansonsten kann eine Abfindung (auf Antrag) gezahlt werden, wenn die Übermittlungskosten unverhältnismäßig hoch sind. Erwerbsminderungsrenten (im Bereich der AKA auch Waisenrenten) werden allerdings generell nur auf Antrag abgefunden. Ein Antrag auf Abfindung kann nur innerhalb einer Ausschlussfrist von drei (bei der VBL) bzw. sechs (AKA-MS) Monaten nach Zugang der Entscheidung der Zusatzversorgungskasse über den Antrag auf Rente gestellt werden. Die Höhe der Abfindung wird berechnet, indem die Rente, die dem Berechtigten zum Zeitpunkt ihres Entstehens zustand, mit einem dem Lebensalter entsprechenden Altersfaktor multipliziert wird (vgl. die entsprechenden Tabellen zu § 43 VBLS bzw. § 41 AKA-MS, die zwischen der Abfindung des Versicherten selbst, Witwen/Witwer und Waisen unterscheiden). Nach Entstehen des Anspruchs auf Betriebsrente bereits gezahlte Leistungen werden auf die Abfindung angerechnet. Mit der Abfindung erlöschen alle Ansprüche und Anwartschaften aus der Versicherung bei der Zusatzversorgungskasse. bb) Beitragserstattung 213
Ein Anspruch auf Beitragserstattung besteht für beitragsfrei Versicherte (s.o. Rz. 169 f.), welche die Wartezeit von 60 Umlage-/Beitragsmonaten (s.o. Rz. 178 ff.) nicht erfüllt haben (§ 24 ATV/ATV-K, § 44 VBLS, § 42 Abs. 2–4 AKA-MS). Eine Beitragserstattung erfolgt nur auf Antrag2 des beitragsfrei Versicherten, der nur bis zur Vollendung des 69. Lebensjahres gegenüber der Zusatzversorgungskasse gestellt und nicht widerrufen werden kann. Wurde der Antrag nicht zu Lebzeiten durch den Versicherten gestellt, kann die Antragstellung nach dessen Tod nicht durch die Hinterbliebenen nachgeholt werden; es erfolgt in einem solchen Fall keine Beitragserstattung3. Stirbt demgegenüber der Versicherte nach Stellung des Antrags, aber vor tatsächlicher Durchführung der Beitragserstattung, geht der Anspruch nicht auf die Erben, sondern auf die Hinterbliebenen über, die betriebsrentenberechtigt sind (§ 24 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 44 Abs. 2 VBLS; § 41 Abs. 3 AKA-MS). Mit der Zahlung an einen der Hinterbliebenen erlischt der Anspruch der übrigen Berechtigten gegen die Zusatzversorgungskasse. Der Antrag auf Beitragserstattung erstreckt sich auf die vom Versicherten selbst getragenen Beiträge, dies sind die für die Zeit vor dem 1.1.1978 entrichteten Pflichtbeiträge einschließlich der Arbeitnehmeranteile an den Er1 Diese Abfindungsregelungen sind nicht zu beanstanden, vgl. BGH v. 25.11.2009 – IV ZR 340/07, BeckRS 2010, 02097. 2 Die VBL ist im Zusammenhang mit der Stellung eines Antrags auf Beitragserstattung nicht verpflichtet, von sich aus die einzelnen Versicherungsverhältnisse zu überwachen und die Versicherten jeweils auf die Möglichkeiten der Gestaltung der Versicherung hinzuweisen oder von nachteiligen Entscheidungen (auch im Hinblick auf die vom Arbeitgeber erteilte Versorgungszusage) abzuhalten, vgl. LG Karlsruhe Urteil v. 24.10.2008 – 6 O 148/08. 3 vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 24 ATV Erl. 2; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 92; LG Karlsruhe Urteil v. 28.11.2008 – 6 S 37/08, BeckRS 2009, 11742 (Revision ist zugelassen).
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 214 Teil 11
höhungsbeträgen, die für die Zeit nach dem 31.12.1977 entrichteten Arbeitnehmeranteile an den Erhöhungsbeträgen, die für die Zeit vor dem 1.1.2002 entrichteten Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung sowie die für die Zeit nach dem 31.12.1998 entrichteten Eigenanteile der Pflichtversicherten an der Umlage (§§ 16, 37, 37a ATV/ATV-K)1. Von der Erstattung nicht erfasst werden die vom Arbeitgeber getragenen Umlagezahlungen oder Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren sowie Arbeitnehmerbeiträge zum Kapitaldeckungsverfahren der Pflichtversicherung2. Ist gemäß § 1b Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 und § 30f BetrAVG eine unverfallbare Anwartschaft nach dem Betriebsrentengesetz entstanden und gilt deshalb die Wartezeit gemäß § 34 Abs. 4 Satz 2 VBLS als erfüllt, kann eine Beitragserstattung gemäß § 44 VBLS nicht mehr verlangt werden. Es wird dann bei Eintritt eines Versicherungsfalles die entsprechende Rente gezahlt. Die Beiträge werden ohne Zinsen erstattet (§ 24 Abs. 1 Satz 4 ATV/ATV-K, § 44 Abs. 1 Satz 4 VBLS, § 42 Abs. 2 Satz 4 AKA-MS). Rechte aus der Versicherung für Zeiten, für die Beiträge erstattet werden, erlöschen mit der Antragstellung. g) Erlöschen des Anspruchs auf Betriebsrente Die Tatbestände, die zu einem vollständigen Erlöschen des jeweiligen Anspruchs auf Betriebsrente aus der Zusatzversorgung führen, sind in § 13 ATV/ATV-K, § 42 VBLS, § 40 AKA-MS enthalten. Im Gegensatz zu den Fällen eines Ruhens oder der Nichtzahlung der Betriebsrente (s.o. Rz. 205 ff.), bei denen die Rente lediglich für eine bestimmte Zeit nicht geltend gemacht werden kann, führt das Erlöschen zum dauerhaften Wegfall des jeweiligen Betriebsrentenanspruchs dem Grunde nach. Eines rechtsgestaltenden Tätigwerdens der jeweiligen Zusatzversorgungskasse bedarf es insoweit bei Vorliegen der jeweiligen Merkmale nicht3. Das Erlöschen des Anspruchs aus der Zusatzversorgung tritt mit Ablauf des Monats ein, – in dem der jeweilige Betriebsrentenberechtigte gestorben ist, – für den bei Erwerbsminderung die Rente nach § 43 bzw. § 240 SGB VI letztmals gezahlt worden ist oder 1 In den neuen Bundesländern bestanden solche Eigenanteile an der Umlage nur in der Zeit v. 1.1.2003 bis zum 31.12.2003 (vgl. für die VBL § 64 Abs. 3 VBLS), ab dieser Zeit erfolgt die schrittweise Umstellung auf eine Kapitaldeckung, der Arbeitnehmeranteil an der Finanzierung wird seither als Beitrag zur Kapitaldeckung gezahlt (vgl. für die VBL § 66a VBLS). 2 Aus den Arbeitnehmerbeiträgen zum Kapitaldeckungsverfahren entstehen sofort unverfallbare Anwartschaften, für die keine Wartezeit erfüllt werden muss und die zu einer anteiligen Betriebsrente führen (vgl. § 34 Abs. 4 VBLS, § 32 Abs. 4 AKA-MS), so dass hierfür eine Beitragserstattung ausscheidet, Dies betrifft insbesondere die ab 1.1.2004 bei der VBL im Abrechnungsverband Ost anfallenden Arbeitnehmerbeiträge zum Kapitaldeckungsverfahren. 3 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 13 ATV Erl. 1; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 83. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 215
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
– der in den Fällen einer Überleitung der Versicherung auf eine andere Zusatzversorgungskasse dem Monat vorangeht, von dessen Beginn an die Zusatzversorgungskasse, auf welche die Versorgung übergeleitet wurde, zur Zahlung verpflichtet ist. Für Witwen/Witwer erlischt der Anspruch auf Rente im Übrigen mit Ablauf des Monats der Wiederverheiratung. Für das Wideraufleben der Witwen-/Witwerrente gilt § 46 Abs. 3 SGB VI entsprechend, dh., der Rentenanspruch kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen wieder aufleben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für unwirksam erklärt wird. Für den Bereich der VBL sieht schließlich der ATV (anders als der ATV-K für die kommunalen Zusatzversorgungskassen) ein Erlöschen des Betriebsrentenanspruchs bei einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein deutsches Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Tat sowie in Fällen einer rechtskräftigen Verurteilung in bestimmten anderen Fällen vor (§ 13 Abs. 3 ATV, § 42 Abs. 3 VBLS). In diesen Fällen ist eine Beitragserstattung (s.o. Rz. 213) vorzunehmen. h) Verfahren aa) Antrag/Entscheidung/Zahlung 215
Alle Leistungen werden durch die jeweilige Zusatzversorgungskasse nur auf schriftlichen Antrag des jeweiligen Begünstigten gezahlt, dieser Antrag ist bei Pflichtversicherten über den Arbeitgeber einzureichen, bei dem der Pflichtversicherte zuletzt in dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat (§ 5 Satz 3 ATV/ATV-K, § 46 Abs. 1 VBLS, § 45 Abs. 1 AKA-MS). Dem Antrag sind die von der Zusatzversorgungskasse geforderten Unterlagen und Nachweise beizufügen (insbesondere also zB der entsprechende Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung).
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Die Zusatzversorgungskasse entscheidet schriftlich über den jeweiligen Antrag. Wird die Leistung erbracht, teilt sie deren Berechnung und Beginn mit, wird eine Leistung abgelehnt (oder eine Betriebsrente eingestellt), ist dies zu begründen (§ 46 Abs. 2 VBLS, § 46 Abs. 1 AKA-MS).
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Die (laufende) Rente aus der Zusatzversorgung wird monatlich im Voraus auf ein Girokonto des Berechtigten innerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union überwiesen. Eine Barzahlung ist ausgeschlossen. Hat der Berechtigte seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, kann die Zahlung der Rente von der Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten im Inland abhängig gemacht werden (§ 22 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 47 Abs. 1 VBLS, § 47 Abs. 1, 3 AKA-MS). Die Kosten der Überweisung auf ein Konto im Inland oder in einem Mitgliedstaat der EU mit Ausnahme der Kosten der Gutschrift trägt die Zusatzversorgungskasse.
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Grundsätzlich werden die Renten aus der Zusatzversorgung für volle Monate gezahlt. Besteht allerdings der Betriebsrentenanspruch nicht für einen 1038
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 221 Teil 11
vollen Kalendermonat (zB bei einem Fall des Ruhens oder der Nichtzahlung), wird der Teil gezahlt, der auf den Anspruchszeitraum entfällt (§ 22 Abs. 1 Satz 3 ATV/ATV-K, § 47 Abs. 2 VBLS, § 47 Abs. 1 Satz 3 AKA-MS). Von der Zusatzversorgungskasse sind von der Betriebsrente die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Rentner einzubehalten und an die Sozialversicherungsträger abzuführen (soweit eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-/Pflegeversicherung besteht). Die Beiträge sind jeweils von den Rentnern alleine zu tragen (vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 226 Abs. 1 Nr. 3, 229 Abs. 1 Nr. 5, 250 Abs. 1, 256 SGB V; §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11, 57 Abs. 1, 59 Abs. 1, 60 Abs. 1 SGB XI). bb) Pflichten der Versicherten (Anzeigepflichten, Rückzahlungspflicht, Abtretungsverbot, Schadensersatz gegen Dritte) Die Versicherten sind verpflichtet, der Zusatzversorgungskasse alle für die 219 Prüfung des Anspruchs auf Betriebsrente notwendigen Angaben zu machen und die erforderlichen Nachweise beizubringen (§ 20 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 48 VBLS, § 48 AKA-MS). Dies betrifft alle für den Anspruch auf Betriebsrente dem Grunde oder der Höhe nach relevanten Umstände. Die Satzungen der Zusatzversorgungskassen enthalten insoweit Einzelheiten zur Konkretisierung dieser Pflicht (vgl. § 48 VBLS, § 48 AKA-MS). Grundsätzlich sind zB unaufgefordert Angaben zu machen über jede Änderung der Anschrift sowie Umstände, die den Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung betreffen und damit auch mittelbar den Anspruch auf Betriebsrente aus der Zusatzversorgung (wie zB Versagung oder Beendigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Änderungen bezüglich einer Erwerbsminderung, den Bezug von Arbeitseinkommen oder Lohnersatzleistungen, die Wiederverheiratung bei Witwen/Witwern oder bei Waisen nach Vollendung des 18. Lebensjahres den Abschluss der Ausbildung etc.). Darüber hinaus sind Versicherte sowie Betriebsrentenberechtigte auf Anforderung der Zusatzversorgungskasse verpflichtet, innerhalb einer von der Zusatzversorgungskasse gesetzten Frist Auskünfte zu erteilen und Nachweise (zB Lebensbescheinigungen) vorzulegen. Solange ein Versicherter oder Betriebsrentenberechtigter diesen Anzeigepflichten nicht nachkommt, ist die Zusatzversorgungskasse berechtigt, die Betriebsrente zurückzubehalten (§ 20 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 48 Abs. 3 VBLS, § 48 Abs. 3 AKA-MS).
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Ohne Rechtsgrund bezogene Leistungen sind an die Zusatzversorgungs- 221 kasse in Höhe ihres Brutto-Betrages zurückzuzahlen oder werden von der Kasse mit zukünftigen Leistungen verrechnet (§ 20 Abs. 5 ATV/ATV-K, § 53 VBLS, § 47 Abs. 4 AKA-MS). Auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann sich ein Versicherter oder Betriebsrentenberechtigter dabei nicht stützen, wenn er seine Anzeige- und Nachweispflichten verletzt hat1. 1 Vgl. zur Korrektur von Rentenmitteilungen und allgemein zur Rückzahlungspflicht LG Karlsruhe v. 19.9.2008 – 6 S 48/07, BeckRS 2009, 12068: § 53 VBLS ist auch auf andere als die dort ausdrücklich geregelten Überzahlungstatbestände anwendbar. Die Zusatzversorgungskasse hat jedoch für eine Rückforderung überBetz-Rehm
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Teil 11
Rz. 222
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
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Eine Abtretung, Verpfändung oder Beleihung der Ansprüche auf Betriebsrente durch den Berechtigten ist ausgeschlossen (§ 20 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 49 VBLS, § 50 AKA-MS). Nach den Kassensatzungen zulässig bleiben allerdings Abtretungen an den Arbeitgeber, über den der Berechtigte pflichtversichert ist, sowie Abtretungen an eine andere Zusatzversorgungskasse, die an der Überleitung von Versicherungen zwischen den Zusatzversorgungskassen teilnimmt. Von dem Abtretungsverbot ebenfalls unberührt bleibt die Pfändbarkeit der Rente aus der Zusatzversorgung wie Arbeitseinkommen gemäß den §§ 850 ff. ZPO.
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Ist ein Versicherungsfall aus der Zusatzversorgung durch1 ein Verhalten Dritter verursacht worden, sind demgegenüber der Versicherte oder die versorgungsberechtigten Hinterbliebenen verpflichtet, die gegenüber dem Dritten bestehenden Schadensersatzansprüche bis zur Höhe des Bruttobetrages der Betriebsrente an die Zusatzversorgungskasse abzutreten. Dies gilt gleichermaßen für den Fall, dass durch ein schadensersatzpflichtiges Verhalten eine Erhöhung einer Leistung der Zusatzversorgung eingetreten ist (§ 20 Abs. 4 ATV/ATV-K, § 50 VBLS, § 49 AKA-MS). Der Übergang kann nicht zum Nachteil der anspruchsberechtigten Person geltend gemacht werden, dh., wenn die Schadensersatzansprüche nicht zur vollständigen Befriedigung der Zusatzversorgungskasse und etwaiger weitergehender Ansprüche des Berechtigten ausreichen, findet eine gleichmäßige Aufteilung des Schadensersatzes zwischen der Zusatzversorgungskasse und dem Berechtigten statt2. Verweigern die anspruchsberechtigten Personen die Abtretung oder die Beibringung von zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlichen Unterlagen, steht der Zusatzversorgungskasse ein Zurückbehaltungsrecht zu. cc) Versicherungsnachweise
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Pflichtversicherte erhalten jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres sowie bei Beendigung der Pflichtversicherung von der Zusatzversorgungskasse einen schriftlichen Nachweis über ihre bisher insgesamt erworbene Anwartschaft auf Betriebsrente wegen Alters (§ 21 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 51 Abs. 1 VBLS, § 51 Abs. 1 AKA-MS). Dabei sind neben der Höhe der Anwartschaft auch die Anzahl der bisher erworbenen Versorgungspunkte (einschließlich zahlter Leistungen im Rahmen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Anlehnung an die Grundsätze des § 48 VwVfG eine Gesamtabwägung aller zu berücksichtigender Umstände vorzunehmen. Das Vertrauen der Versicherten, eine bereits gewährte Rente behalten zu dürfen, sei dabei in der Regel schutzwürdig, wenn die gewährten Leistungen bereits verbraucht wurden. Dies wird aber wohl in dem ausdrücklich geregelten Fall, dass der Versicherte/Betriebsrentenberechtigte seine Anzeige- und Nachweispflichten verletzt hat, nicht gelten können. Vgl. auch LG Karlsruhe v. 17.7.2009 – 6 O 186/08, BeckRS 2009, 23669; LG Karlsruhe vom 25.9.2009 – 6 O 190/08, BeckRS 2009, 26175. 1 Erforderlich ist ein ursächlicher Zusammenhang, dieser besteht nicht bzw. fällt wieder weg, wenn die Zusatzversorgungskasse auch ohne das schädigende Ereignis eine Leistungspflicht treffen würde, zB ab Erreichen der Regelaltersgrenze (vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 20 ATV Erl. 4). 2 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 20 ATV Erl. 4.
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 227 Teil 11
der Versorgungspunkte aus den sozialen Komponenten sowie der jeweils zugeteilten Bonuspunkte) sowie der Messbetrag (von 4 Euro) anzugeben. Unbedingt zu beachten ist, dass Beanstandungen gegen den Versicherungs- 225 nachweis (bzw. die darin enthaltenen Feststellungen) nur innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang des Versicherungsnachweises geltend gemacht werden können (§ 21 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 51 Abs. 2 VBLS, § 51 Abs. 2, 3 AKA-MS, s. hierzu nachfolgend Rz. 226 ff.). In die Versicherungsnachweise ist ein Hinweis auf diese Ausschlussfrist aufzunehmen. Erfolgt der Versicherungsnachweis im Zusammenhang mit einer Beendigung der Pflichtversicherung, ist weiterhin anzugeben, dass die aufgrund der Pflichtversicherung erworbene Anwartschaft bis zum Beginn einer erneuten Pflichtversicherung oder bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles nicht dynamisiert wird, wenn die Wartezeit von 120 Beitrags-/Umlagemonaten (gemäß § 19 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 68 Abs. 1 VBLS, § 66 Abs. 3 AKAMS) nicht erfüllt ist. dd) Ausschlussfristen Ausschlussfristen dienen dem Zweck, innerhalb angemessener Frist Klar- 226 heit darüber zu schaffen, ob und in welcher Höhe Ansprüche geltend gemacht werden können. Außerdem ist eine Aufklärung anspruchsrelevanter Tatsachen zeitnah zu ihrem Entstehen regelmäßig besser zu bewerkstelligen als nach Ablauf einer längeren Zeitspanne, wenn bestimmte Tatsachen eventuell nicht mehr eindeutig aufgeklärt werden können. Ausschlussfristen haben eine materiellrechtliche Wirkung. Sie bewirken, dass nach Ihrem Verstreichen ein Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann. Es handelt sich um eine Einwendung, die im Falle eines Prozesses (anders als die Einrede der Verjährung) von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Im Zusammenhang mit den Versicherungsnachweisen sind zwei wichtige 227 Ausschlussfristen in § 21 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 51 Abs. 2 VBLS; § 51 Abs. 2, 3 AKA-MS enthalten: – Will ein pflichtversicherter Beschäftigter geltend machen, dass die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge oder die vom Arbeitgeber zu meldenden Entgelte nicht oder nicht vollständig an die Zusatzversorgungskasse abgeführt oder gemeldet wurden, muss er dies unter Einhaltung einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang des betreffenden Versicherungsnachweises gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich beanstanden. – Beanstandungen hinsichtlich der im Versicherungsnachweis ausgewiesenen Bonuspunkte sind innerhalb von sechs Monaten nach Zugang des Versicherungsnachweises schriftlich unmittelbar gegenüber der Zusatzversorgungskasse geltend zu machen1. 1 Nachdem die VBL bezüglich der Zuteilung von Bonuspunkten eine Vielzahl von Einsprüchen gegen die Versicherungsnachweise 2004 und 2005 erreichten und zu Betz-Rehm
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Teil 11
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Rz. 228
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Zwei weitere materielle Ausschlussfristen sind in § 23 ATV/ATV-K, § 52 VBLS, § 52 AKA-MS enthalten1. Beide Ausschlussfristen setzen allerdings voraus und beginnen nur zu laufen, wenn in der jeweiligen Mitteilung über die Leistung auf die Ausschlussfrist hingewiesen wurde: – Gemäß § 23 Satz 1 ATV/ATV-K, § 52 Satz 1 VBLS, § 52 Abs. 1 AKA-MS kann der Anspruch auf Betriebsrente für einen Zeitraum, der mehr als zwei Jahre vor dem Ersten des Monats liegt, in dem der Antrag auf Betriebsrente bei der Zusatzversorgungskasse eingegangen ist, nicht mehr geltend gemacht werden2. Gleiches gilt bezüglich der Mitteilung eines Berechtigten, die zu einem höheren Anspruch führt (zB Mitteilung des Wechsels von einer teilweisen zu einer vollen Erwerbsminderung, Mitteilung von Tatsachen, die Auswirkungen auf Ruhenstatbestände haben). Der Antrag bzw. die Mitteilung ist jeweils unmittelbar an die Zusatzversorgungskasse zu richten. – Gemäß § 23 Satz 3 ATV/ATV-K, § 52 Satz 3 VBLS, § 52 Abs. 2 AKA-MS kann eine Beanstandung, dass die mitgeteilte laufende monatliche Betriebsrente, eine Rentennachzahlung, eine Abfindung, eine Beitragserstattung oder eine Rückzahlung nicht oder nicht in der mitgeteilten Höhe erfolgt sei, nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr gegenüber der Zusatzversorgungskasse geltend gemacht werden. Diese Frist beginnt bei laufenden Renten mit dem Ersten des Monats, für den die Betriebsrente zu zahlen ist, ansonsten mit dem Zugang der Mitteilung über die entsprechende Leistung.
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Hinsichtlich der Überleitung der früheren Gesamtversorgung in das Punktemodell und der in diesem Zusammenhang erteilten Startgutschriften enthalten § 32 Abs. 5 ATV/ATV-K; § 78 Abs. 3 VBLS, § 72 Abs. 3 AKA-MS eine sechsmonatige Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Beanstandungen gegen die mitgeteilte Startgutschrift (hierzu sowie zur Problematik der fehlenden Eindeutigkeit des Hinweises im Zusammenhang mit der Mitteilung der Startgutschriften durch die VBL s.u. Rz. 242).
230
Aus Arbeitgebersicht ist schließlich zu berücksichtigen, dass der Anspruch des Arbeitgebers auf Einbehaltung des Arbeitnehmerbeitrags zur Zusatzdieser Frage Gerichtsverfahren anhängig wurden, hat sich die VBL auf Basis eines Verwaltungsratsbeschlusses v. 30.11.2006 bereit erklärt, hinsichtlich der Versicherungsnachweise für 2004 und 2005 in der Frage der Vergabe von Bonuspunkten auf die Einhaltung der sechsmonatigen Ausschlussfrist für die Beanstandung dieser Versicherungsnachweise sowie auf die Einrede der Verjährung zu verzichten (vgl. VBL Info Ausgabe 2/Dezember 2006, abrufbar unter www.vbl.de/Service/Downloadcenter/VBLinfo). 1 Die Ausschlussfristregelung des § 52 VBLS ist (auch in Verbindung mit dem Antragserfordernis des § 33 VBLS) nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer maßgebenden Grundentscheidung der Tarifparteien und unterliegt insoweit nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, vgl. LG Karlsruhe Beschluss v. 25.8.2008 – 6 T 12/08, BeckRS 2008, 21316. 2 Dies kann insbesondere solche Fälle betreffen, in denen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (ggf. nach einem Rechtsstreit mit dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger) rückwirkend gewährt wird.
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 232 Teil 11
versorgung einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis darstellt, welcher der Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit gemäß § 37 TVöD/ TVL unterliegt1. 3. Übergangsvorschriften im Zusammenhang mit der Umstellung auf das Punktemodell a) Überblick zur Systemumstellung Zwischen den Tarifvertragsparteien bestand im Rahmen der Verhandlun- 231 gen zur Ablösung des bisherigen Gesamtversorgungssystems von Anfang an Einigkeit darüber, eine komplette Umstellung des Systems vorzunehmen, also alle Rentner und aktiven Beschäftigten in das neue System zu überführen. Es sollte vermieden werden, dass über Jahrzehnte hinweg das bisherige System mit seinen unvermeidlichen Übergangs- und Verwaltungsproblemen neben dem neuen Punktemodell vorgehalten werden muss. Insbesondere bestand die Problematik, dass bei Beibehaltung des alten Rechts für den vorhandenen Bestand u.a. die genannte Halbanrechnungsentscheidung des BVerfG2 hätte umgesetzt werden müssen (s.o. Rz. 26). Der Aufwand hierfür wäre nicht vertretbar gewesen. Mit den Regelungen der §§ 30 bis 34 ATV/ATV-K setzten die Tarifvertragsparteien diese Zielsetzung konsequent um und sahen detaillierte Regelungen zur Überführung des bisherigen Gesamtversorgungssystems auf das neue Punktemodell vor. Diese Regelungen wurden in die Neufassungen der Satzungen der Zusatzversorgungseinrichtungen fast unverändert übernommen (vgl. §§ 75 bis 81 VBLS sowie §§ 69 bis 74 AKA-MS). Das neue Punktemodell wurde mit Wirkung zum 1.1.2001 eingeführt. Dabei wurde das Jahr 2001 aus verwaltungstechnischen Gründen als Übergangszeitraum berücksichtigt, während dessen sich die Anwartschaften und Renten noch nach dem alten System entwickelten. Faktisch wurde das bisherige Gesamtversorgungssystem daher erst zum 31.12.2001 geschlossen und in das neue Punktemodell überführt. Im Rahmen der Überleitung auf das Punktemodell sind dabei vier Personengruppen zu unterscheiden: die Bezieher laufender Versorgungsleistungen (Versorgungsrenten, Versicherungsrenten), die sog. rentennahen Jahrgänge, die rentenfernen Jahrgänge und schließlich die bisher beitragsfrei Versicherten. Die Gruppe der Bezieher von Versorgungsleistungen umfasste ca. 1,6 Millionen Versicherte. Deren laufende Bestandsrenten (mit Rentenbeginn vor oder am 1.1.2002) werden grundsätzlich als Besitzstandsrente weitergezahlt (§§ 30, 31 ATV/ATV-K, §§ 75 bis 77 VBLS, §§ 69 bis 71 AKA-MS). Die Gruppe der rentennahen Jahrgänge umfasste – AKA und VBL zusammengerechnet – ca. 600 000 Versicherte. Die Anwartschaften dieser Versicherten werden weitestgehend nach den Grundsätzen des ehemaligen 1 Vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 23 ATV Erl. 1. 2 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG). Betz-Rehm
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232
Teil 11
Rz. 233
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Gesamtversorgungssystems ermittelt (vgl. § 33 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 2 VBLS, § 73 Abs. 2 AKA-MS). Die Gruppe der rentenfernen Jahrgänge setzte sich demgegenüber aus den jüngeren Mitarbeitern zusammen und repräsentierte mit 4,8 Millionen Versicherten bei den AKA-Mitgliedskassen und der VBL den weitaus größeren Teil. Deren Startgutschriften wurden gemäß § 33 Abs. 1 ATV/ ATV-K, § 79 Abs. 1 VBLS, § 73 Abs. 1 AKA-MS auf der Grundlage des § 18 Abs. 2 BetrAVG berechnet1. Die am 1.1.2002 beitragsfrei Versicherten (ca. 3,8 Millionen Versicherte) hatten nach dem bisherigen Recht keine Anwartschaft auf Versorgungsrente (Gesamtversorgung), sondern nur eine Anwartschaft auf eine statische Versicherungsrente (§§ 34, 37 Abs. 1 Buchst. b, 44, 44a VBLS aF2). Für diese Personengruppe wurde die Anwartschaft auf Versicherungsrente in eine Startgutschrift umgewandelt (vgl. § 34 ATV/ATV-K, § 80 VBLS, § 74 AKA-MS). b) Grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Systemumstellung 233
Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Systemumstellung vom bisherigen Gesamtversorgungssystem zum neuen Punktemodell durch Tarifvertrag wird in der überwiegenden Literatur3 und der Rechtsprechung4 nicht in Zweifel gezogen. Das BVerfG selbst hatte in der Halbanrechnungsentscheidung5 einen Systemwechsel angemahnt. Einer gesetzlichen Grundlage bedurfte es für die 1 Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (355). 2 Abgedruckt bei Gilbert/Hesse. 3 Weitere Hinweise zB bei Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (355); Hügelschäffer, Die Entscheidung des BGH zur Systemumstellung in der Zusatzversorgung des öffentlichen und kirchlichen Dienstes – eine Zwischenbilanz, BetrAV 2008, 254; Rengier, NZA 2004, 817 (818); Wein, In Erwartung der höchstrichterlichen Rechsprechung zur Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2006, 331; Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537. 4 Nachdem bereits das LG Karlsruhe in erster Instanz sowie auch das OLG Karlsruhe in 2. Instanz die Systemumstellung an sich für zulässig erklärt hatten, vgl. LG Karlsruhe v. 30.1.2004 – 6 O 197/03, EzBAT § 33 Abs. 2 ATV Nr 1; LG Karlsruhe v. 30.1.2004 – 6 O 125/03, EzBAT § 33 Abs. 2 ATV Nr. 2 (die Entscheidungen des LG Karlsruhe sind auch auf dessen Homepage www.landgericht-karlsruhe.de veröffentlicht); OLG Karlsruhe v. 22.9.2005 – 12 U 99/04, ZTR 2005, 588–593 (= EzBAT § 3 Abs 2 ATV Nr 3); OLG Karlsruhe v. 24.11.2005 – 12 U 102/04; OLG Karlsruhe v. 7.12.2006 – 12 U 91/05 (die Entscheidungen des OLG Karlsruhe sind auch auf dessen Homepage www.olgkarlsruhe.de veröffentlicht), hat zwischenzeitlich auch der BGH durch Urteil v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NVwZ 2008, 455, die Systemumstellung als solche ausdrücklich gebilligt. Auch das BAG hatte bereits zuvor durch Urteil v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008, 82, die Systemumstellung nicht beanstandet. Ebenso zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Systemumstellung bei einer kirchlichen Zusatzversorgungskasse BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06 NZA 2009, 1275. 5 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG).
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 234 Teil 11
Systemumstellung nicht1. Bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes handelt es sich um eine Versorgung im Wege einer privatrechtlichen Versicherung (vgl. § 2 VBLS) und nicht um eine vom Gesetzgeber delegierte Aufgabe; die Zusatzversorgungseinrichtungen treten nicht als Träger öffentlicher Gewalt auf2. Darüber hinaus beruht die Zusatzversorgung – insbesondere die detaillierten Regelungen zur Systemumstellung – auf Tarifrecht, das dem Schutz der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG untersteht3. Es ist insoweit in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine auf Tarifvertrag beruhende Versorgung durch nachfolgenden Tarifvertrag auch zu Lasten der Versorgungsberechtigten wieder geändert werden kann4. Es gilt das Ablösungsprinzip5. Die bisher geltenden Tarifverträge (Versorgungs-TV und VersTV-G) sind zum 1.1.2001 außer Kraft getreten (§ 40 Abs. 3 ATV, § 39 Abs. 3 ATV-K). Der ATV bzw. ATV-K ist an deren Stelle getreten. Auch das Satzungsrecht der Zusatzversorgungseinrichtungen konnte insoweit nicht zuletzt aufgrund des in den Satzungen enthaltenen Änderungsvorbehalts (vgl. § 14 Abs. 1, 3 VBLS aF und nF; § 2 Abs. 3 AKA-MS) auch mit Wirkung für bestehende Versicherungen geändert werden6. Allerdings sind die Änderungen einer Rechtskontrolle durch die Gerichte nicht vollständig entzogen (s.u. Rz. 253 ff., 257 ff.). c) Am 31.12.2001 bzw. 1.1.2002 Rentenberechtigte Für am 31.12.2001 Versorgungsrentenberechtigte und für versorgungsrentenberechtigte Hinterbliebene werden die sich ohne Berücksichtigung 1 Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (355); BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008, 82 (= AP Nr. 68 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen); OLG Karlsruhe v. 7.12.2006 – 12 U 91/05; aA noch Kühn/Kontusch, BetrAV 2004, 283 (285). 2 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG). 3 Sowohl der BGH als auch das BAG haben in den genannten Entscheidungen festgehalten, dass die Systemumstellung eine von den Tarifvertragsparteien getroffene Grundentscheidung sei, die von den Gerichten als solche grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden dürfe. Dies gebiete die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie, vgl. BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NJW 2008, 1378 (= BetrAV 2008, 203), BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008, 82 (= AP Nr. 68 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). 4 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008, 82 (= AP Nr. 68 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen); BAG v. 13.12.2005 – 3 AZR 478/04, NZA 2006, 456 (= AP Nr. 48 zu § 1 BetrAVG Ablösung); BAG v. 14.12.1982 – 3 AZR 251/80, BB 1983, 1034 (= AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Besitzstand); ebenso BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NJW 2008, 1378 (= BetrAV 2008, 203); OLG Karlsruhe v. 22.9.2005 – 12 U 99/04, ZTR 2005, 588, -593 (= EzBAT § 33 Abs 2 ATV Nr 3). 5 Rengier, NZA 2004, 817 (818); Höfer, BetrAVG ART Rz. 367, Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rz. 501 ff. 6 Gegen die Wirksamkeit des Änderungsvorbehalts sprechen nach ständiger Rechtsprechung des BGH keine Bedenken, vgl. BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NJW 2008, 1378 (= BetrAV 2008, 203) mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 235
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
von Nichtzahlungs- und Ruhensregelungen ergebenden Versorgungsrenten nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Satzungsrecht zum 31.12.2001 festgestellt. Diese festgestellten Versorgungsrenten werden vorbehaltlich einiger nachfolgend beschriebener Sonderregelungen als Besitzstandsrenten in Höhe des bisherigen Zahlbetrages weitergewährt und – wie künftig alle Renten – jährlich zum 1. Juli eines jeden Jahres um 1 % dynamisiert (§ 30 ATV/ATV-K, § 75 VBLS; § 69 AKA-MS). Diese von der bisherigen Entwicklung der Beamtenversorgung und der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 56 VBLS aF) abgekoppelte Anpassung der Renten ist nicht zu beanstanden1, nicht zuletzt da sich die Tarifvertragsparteien damit an dem gesetzlichen Regelungsmodell von § 16 Abs. 3 Nr. 1 und § 18 Abs. 4 BetrAVG orientiert haben. 235
Abbaubare Ausgleichsbeträge (vgl. §§ 97c, 97d VBLS aF) werden in Höhe der Dynamisierung aufgezehrt, nicht abbaubare Ausgleichsbeträge nicht dynamisiert2 (§ 30 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 75 Abs. 2 VLS, § 69 Abs. 2 AKA-MS). Im Hinblick auf die Feststellung der sich zum 31.12.2001 nach dem alten Satzungsrecht ergebenden Versorgungsrenten ist dabei weiterhin das sog. Halbanrechnungsverfahren zu beachten, dh., es werden auch für die Ermittlung der Besitzstandsrenten Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes nur zur Hälfte berücksichtigt während die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe angerechnet wird. Dies ist für die Versorgungsrentenberechtigten mit Rentenbeginn bis einschließlich 1.1.2002 nicht zu beanstanden3.
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Im Übrigen sind u.a. folgende Maßgaben zu beachten: – Für die Nichtzahlung und das Ruhen von Renten gelten die Regelungen des alten (Satzungs-)Rechts4 fort (§ 30 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 75 Abs. 3 Buchst. a VBLS, § 69 Abs. 2 AKA-MS).
1 OLG Karlsruhe v. 26.7.2005 – 12 U 67/05, ZTR 2005, 533; BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008, 82 (= AP Nr. 68 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen); ebenso BGH v. 17.9.2008 – IV ZR 191/05, DB 2008, 2547 unter Bezugnahme auf die Gründe des vorgenannten Urteils des BAG v. 27.3.2008. 2 Bei der Umwandlung von der Brutto- auf die Nettogesamtversorgung (vgl. § 41 Abs. 2b VBLS aF) zum 1.1.1985 waren seinerzeit aus Gründen des Besitzstandsschutzes bestimmten Personengruppen Ausgleichsbeträge gewährt worden, durch welche die Nachteile aus der Umstellung auf die Nettogesamtversorgung ausgeglichen werden sollten. Dabei wurde zwischen sog. abbaubaren Ausgleichsbeträgen (§ 97c Abs. 3; § 97d Abs. 2 VBLS aF) unterschieden, die schrittweise entsprechend der Anpassung der Gesamtversorgung reduziert werden, und nicht abbaubaren Ausgleichsbeträgen (§ 97c Abs. 4–6, § 97d Abs, 3 VBLS aF), die den Rentnern in unveränderter Höhe verblieben (vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 102; Kiefer/ Langenbrinck, § 30 ATV Erl. 4). 3 BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 186/02, BetrAV 2004, 188 (= ZTR 2004, 86 f.); BGH v. 10.11.2004 – IV ZR 391/02, NVwZ-RR 2005, 365; BVerfG v. 18.4.2008 – 1 BvR 759/05, NJOZ 2008, 3454. 4 Beispiele hierzu bei Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 101, vgl. §§ 62a und 65 VBLS aF; Kiefer/Langenbrinck, § 30 ATV Erl. 3.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 236 Teil 11
– Tritt ein neuer Versicherungsfall ein (zB volle Erwerbsminderung statt teilweiser Erwerbsminderung), bei dem seit Beginn der bisherigen Rente zusätzliche Versorgungspunkte zu berücksichtigen sind, gelten für die Neuberechnung die Regelungen des neuen (Satzungs-)Rechts (§ 40 VBLS, § 38 AKA-MS), dh. bei der Neuberechnung sind zusätzlich zu der bisherigen Rente die Versorgungspunkte zu berücksichtigen, die im neuen Punktemodell in der Zeit nach dem 1.1.2002 erworben wurden (dies ist zB denkbar in Fällen, bei denen der Bezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung weiterhin eine zusatzversorgungspflichtige Teilzeitbeschäftigung ausübt). Ein Sonderfall besteht, wenn bei einer solchen Neuberechnung noch Zeiten vor dem 1.1.2002 zu berücksichtigen sind, also ein Rentenberechtigter nach dem Rentenbeginn bis zum 31.12.2001 neben dem Bezug seiner Rente eine zusatzversorgungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hatte. Für diese Fälle wird eine (fiktive) Startgutschrift entsprechend den §§ 78 bis 81 VBLS (§§ 72 bis 74 AKA-MS) berechnet und mit der sich aus der Zusatzversorgung am 31.12.2001 ergebenden Rente verglichen. Ist die (fiktive) Startgutschrift höher, wird der Differenzbetrag dem Versorgungskonto gutgeschrieben und erhöht die Bestandsrente (§ 30 Abs. 3 Buchst. a ATV/ATV-K, § 75 Abs. 3 Buchst. b VBLS, § 69 Abs. 3 Buchst. a AKA-MS)1. – Versorgungsrenten, die vor dem 1.1.2002 geendet haben2, werden – wenn die Möglichkeit einer erneuten Rentengewährung besteht – in eine Startgutschrift umgerechnet. Insoweit erfolgt die Berechnung nicht nach den allgemeinen, für die Startgutschriften geltenden Regeln; stattdessen wird die Versorgungsrente, die sich unter Außerachtlassung von Nichtzahlungs- und Ruhensvorschriften und ohne Berücksichtigung eines Ausgleichsbetrag am 31.12.2001 ergeben hätte. durch den Messbetrag von 4 Euro geteilt. Die sich hieraus ergebenden Versorgungspunkte werden dem Versorgungskonto gutgeschrieben (§ 30 Abs. 3 Buchst. c ATV/ATV-K, § 75 Abs. 3 Buchst. d VBLS, § 69 Abs. 3 Buchst. c AKA-MS). Im Übrigen gelten in diesen Fällen die Vorschriften des Punktemodells, u.a. sind daher anstelle der bisherigen Nichtzahlungs- und Ruhensvorschriften nur die neuen Nichtzahlungs- und Ruhensvorschriften des Punktemodells (§ 12 ATV/ATV-K, § 41 VBLS, § 39 AKA-MS) zu beachten. Denkbare Fälle sind Witwen-/Witwerrenten, die wegen Wiederverheiratung vor dem 1.1.2002 geendet haben, oder Waisenrenten, die vor dem 1.1.2002 zB wegen Aufnahme einer Beschäftigung geendet haben. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn der Versicherungsfall vor dem 1.1.2002 eingetreten ist, die Versorgungsrente jedoch erst nach dem 1.1.2002 beginnen würde. Denkbare Fälle hierfür sind zB befristete Erwerbsminderungsrenten, für die noch vor dem 1.1.2002 die Voraussetzungen einer Erwerbsminderung erfüllt waren, die allerdings erst nach dem 1.1.2002 (zB aufgrund der Sperrfrist von sechs Monaten in der ge-
1 Vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 105; Kiefer/Langenbrinck, § 30 ATV Erl. 6. 2 Vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 106. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 237
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
setzlichen Rentenversicherung für befristete Erwerbsminderungsrenten, § 101 SGB VI) zur Auszahlung kommen1. – Verstirbt ein Rentenberechtigter, der zum 31.12.2001 eine Versorgungsrente bezogen hat, gelten für die Hinterbliebenenrenten die Vorschriften des Punktemodells (§ 10 ATV/ATV-K, § 38 VBLS, § 36 AKA-MS) entsprechend (§ 30 Abs. 4 ATV/ATV-K, § 75 Abs. 5 VBLS, § 69 Abs. 5 AKA-MS). Die Hinterbliebenen erhalten also den in Anlehnung an die gesetzliche Rentenversicherung vorgesehenen Prozentsatz der letzten Versorgungsrente des Verstorbenen. 237
Für Versicherungsrentenberechtigte und versicherungsrentenberechtigte Hinterbliebene, deren Versicherungsrente spätestens am 31.12.2001 begonnen hat, wird die am 31.12.2001 maßgebende Versicherungsrente festgestellt. Auch diese zum 31.12.2001 festgestellten Versicherungsrenten werden als Besitzstandsrenten weitergezahlt. Eine wesentliche Neuerung zum bisherigen (Satzungs-)Recht, nach dem die Versicherungsrenten statisch waren (auch dies war vom BVerfG in der sog. Halbanrechnungsentscheidung2 bemängelt worden), ist, dass nunmehr auch diese BesitzstandsVersicherungsrenten jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres um 1 % dynamisiert werden (§ 31 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 76 Abs. 2 VBLS, § 70 Abs. 2 AKA-MS). Im Übrigen gelten die bei der Überleitung der Versorgungsrenten zu berücksichtigenden besonderen Maßgaben entsprechend.
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Für Rentenberechtigte, deren Versorgungs- oder Versicherungsrente am 1.1.2002 begonnen hat, finden die vorstehenden Grundsätze für die Überleitung von Versorgungs- oder Versicherungsrenten, die bis spätestens 31.12.2001 begonnen haben, entsprechend Anwendung (§ 30 Abs. 5, § 31 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 77 VBLS, § 71 AKA-MS). d) Anwartschaftsberechtigte zum Stichtag 31.12.2001 (Startgutschriften)
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Für Anwartschaftsberechtigte enthalten die §§ 32 bis 34 ATV/ATV-K, §§ 78 bis 81 VBLS, §§ 72 bis 74 AKA-MS die maßgeblichen Überleitungsregelungen. Dabei werden zunächst allgemeine Grundsätze für die Anwartschaftsberechnung aufgestellt (§ 32 ATV/ATV-K, § 78 VBLS, § 72 AKA-MS). Für die konkrete Berechnung der Startgutschriften erfolgt sodann eine Differenzierung anhand der Schutzwürdigkeit der Personengruppen zwischen den sog. rentennahen Jahrgängen (§ 33 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 2 VBLS, § 73 Abs. 2 AKA-MS), den rentenfernen Jahrgängen (§ 33 Abs. 1
1 Vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 106; vgl. BGH vom 18.11.2009 – IV ZR 75/07, BeckRS 2010, 00547: Waren die Anspruchsvoraussetzungen für die gesetzliche Rente bereits vor dem Stichtag des 31.12.2001 erfüllt, ist damit der Versicherungsfall in der Zusatzversorgung gem. § 33 Satz 1 VBLS eingetreten, und zwar unabhängig davon, ob die Pflichtversicherung über den Stichtag hinaus fortbestand und die gesetzliche Rente erst nach dem Stichtag ausgezahlt worden ist. Die Startgutschrift richtet sich in einem solchen Fall nach § 75 Abs. 3 Buchst. d Satz 2 VBLS. 2 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG).
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 241 Teil 11
ATV/ATV-K, § 79 Abs. 1 VBLS, § 73 Abs. 1 AKA-MS) und den beitragsfrei Versicherten (§ 34 ATV/ATV-K, § 80 VBLS, § 74 AKA-MS). Voraussetzung einer Berechnung der Startgutschrift nach den für die 240 Pflichtversicherten geltenden Regelungen (sowohl für die rentennahen als auch die rentenfernen Jahrgänge) ist, dass am 31.12.2001 schon und am 1.1.2002 noch eine Pflichtversicherung bestand (§ 33 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 1 VBLS, § 73 Abs. 1 AKA-MS). Nicht erforderlich ist dagegen, dass zum Umstellungszeitpunkt tatsächlich auch ein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt bezogen wurde (zB bei Elternzeit, Beurlaubung ohne Bezüge etc.)1. Ist die Voraussetzung einer Pflichtversicherung nicht erfüllt, wird die Startgutschrift nach den für beitragsfrei Versicherten geltenden Regelungen berechnet. aa) Allgemeine Grundsätze der Anwartschaftsberechnung Für die Berechnung der Anwartschaften sind die Rechengrößen (insbesonde- 241 re Entgelt, Gesamtbeschäftigungsquotient2, Steuertabelle, Sozialversicherungsbeiträge, Familienstand, aktueller Rentenwert der gesetzlichen Rentenversicherung, Mindestgesamtversorgung3) vom 31.12.2001 maßgebend (§ 32 Abs. 4 ATV/ATV-K, § 78 Abs. 2 VBLS, § 72 Abs. 2 AKA-MS). Bezüglich der Berücksichtigung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts ist auf die Kalenderjahre vor dem 1.1.2002 (ohne Berücksichtigung einer Erhöhung zum 1.1.2002) abzustellen4. Für die Rentenberechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ist das am 31.12.2001 geltende Rentenrecht maßgebend. Die Pflichtversicherten mussten insoweit ihrem Arbeitgeber bis 31.12.2002 ihren Familienstand mitteilen sowie ob sie Kindergeld erhalten (§ 33 Abs. 6 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 6 VBLS, § 73 Abs. 6 AKA-MS). Der ermittelte Anwartschaftsbetrag wird in Versorgungspunkte umgerechnet, indem der Anwartschaftsbetrag ohne Berücksichtigung der Altersfaktoren5 durch den Messbetrag von 4 Euro geteilt wird. Die Versorgungspunkte werden dem Versorgungskonto gutgeschrieben (sog. Startgutschrift, § 32 Abs. 1 ATV/ATV-K; § 78 Abs. 1 VBLS, § 72 Abs. 1 AKA-MS). Eine Verzinsung der Startgutschrift findet (vorbehaltlich einer Überschussbeteiligung durch
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Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 119 ff. § 43a VBLS aF. § 41 Abs. 4 VBLS aF. Für das Regelentgelt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 bis 3 VBLS aF) kommt es damit auf die Kalenderjahre 1999 bis 2001 an, für das Sonderentgelt (Entgelt für Arbeitleistungen außerhalb der tarifvertraglich oder arbeitsvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 43 Abs. 1 Satz 4, 5 VBLS aF) kommt es auf die Kalenderjahre 1991 bis 2001 an. Nach einem Urteil des LG Karlsruhe v. 13.1.2009 – 6 O 162/08, BeckRS 2009, 03638 kann dabei nicht verlangt werden, dass bei der Berechnung der Startgutschrift das gesamtversorgungsfähige Entgelt entsprechend § 43 Abs. 2 VBLS aF bzw. taggenau ermittelt wird, jedenfalls dann nicht, wenn in dem dreijährigen Referenzzeitraum ein Verdienstausfall von lediglich ca. zwei Monaten liege. 5 § 8 Abs. 3 ATV/ATV-K; § 36 Abs. 3 VBLS; § 34 Abs. 3 AKA-MS. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 242
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
die Zuteilung von Bonuspunkten1) nicht statt. Für die Erteilung der Startgutschrift ist es nicht erforderlich, dass die Pflichtversicherten zum Zeitpunkt der Umstellung die Wartezeit von 60 Umlagemonaten2 erfüllt hatten. Leistungen aus der Startgutschrift und der weiteren Pflichtversicherung werden später aber nur gezahlt, wenn der Versicherte bei Eintritt des Versicherungsfalls die Wartezeit von 60 Umlagemonaten insgesamt erfüllt hat3. 242
Beanstandungen gegen die mitgeteilten Startgutschriften mussten innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang der Mitteilung über die Startgutschrift schriftlich unmittelbar gegenüber der jeweiligen Zusatzversorgungseinrichtung erhoben werden (§ 32 Abs. 5 ATV/ATV-K; § 78 Abs. 3 VBLS, § 72 Abs. 3 AKA-MS). Hierauf war in der Mitteilung über die Höhe der Startgutschrift hinzuweisen. Allerdings hat zwischenzeitlich das OLG Karlsruhe in einem Urteil vom 1.3.20074 die Auffassung vertreten, dass die entsprechenden Mitteilungen der VBL nicht hinreichend klar und unmissverständlich gewesen seien, da sie insbesondere nicht auf die Rechtsfolge einer Versäumung der Ausschlussfrist hingewiesen hätten. Die Belehrung kläre nicht deutlich genug darüber auf, dass der Versicherte ggf. durch bloßen Zeitablauf seinen Leistungsanspruch im Versicherungsfall insoweit verliert, als die Startgutschrift zu niedrig festgesetzt worden ist. Die Belehrung sei insgesamt unwirksam und habe die Ausschlussfrist nicht wirksam in Gang setzen können mit der Folge, dass ein Beanstandungsausschluss nicht eingetreten sei. Ebenso unerheblich sei die Versäumung der sechsmonatigen Klagefrist des § 46 Abs. 3 VBLS (in der bis einschließlich der 10. Satzungsänderung geltenden Fassung5). Entscheidungen der VBL seien keine Verwaltungsakte mit entsprechender Bindungswirkung. Schon die gleich lautende Bestimmung des § 61 Abs. 3 VBLS aF sei deshalb dahin verstanden worden, dass sich die dortige Ausschlussfrist nur auf Rechtsbehelfe gegen die jeweilige Mitteilung beziehe und der Berechtigte gegen neue Mitteilungen, auch soweit diese auf denselben Berechnungen beruhten wie die frühere, erneut vorgehen könne. Dies gelte auch für § 46 Abs. 3 VBLS6. Im Rahmen einer späteren Mitteilung der VBL könne deshalb die Richtigkeit der Startgutschriftenmitteilung noch überprüft werden. Auf der anderen Seite soll die VBL nach der Rechtsprechung des LG Karlsruhe7 grundsätzlich berechtigt sein, fehlerhafte Startgutschrift-Berechnungen jederzeit (auch zu Ungunsten der Versicherten) zu korrigieren. 1 2 3 4 5
§ 19 Abs. 1 ATV/ATV-K; § 68 Abs. 1 VBLS; § 66 AKA-MS. § 38 VBLS aF. § 6 ATV/ATV-K, § 34 VBLS, § 32 AKA-MS; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 112. OLG Karlsruhe v. 1.3.2007 – 12 U 40/06, VersR 2007, 1503. Diese ursprünglich in § 46 Abs. 3 VBLS enthaltene sechsmonatige Klagefrist wurde mit Wirkung zum 1.1.2008 (11. Satzungsänderung) gestrichen. Diese Klagefrist fand aber, sofern sie im jeweiligen Fall noch vor dem 1.1.2008 zu laufen begonnen hatte, trotz ihrer Abschaffung auch nach dem 1.1.2008 noch Anwendung (so das LG Karlsruhe in einem Urteil v. 16.1.2009 – 6 O 92/06). 6 Vgl. auch LG Karlsruhe v. 19.9.2008 – 6 O 84/08, BeckRS 2009, 03639; LG Karlsruhe v. 21.8.2009 – 6 O 130/04, BeckRS 2009, 23528. 7 LG Karlsruhe v. 15.5.2009 – 6 O 356/05 (die Entscheidungen des LG Karlsruhe sind auch auf dessen Homepage www.landgericht-karlsruhe.de veröffentlicht).
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 243 Teil 11
Jedenfalls wenn die ursprüngliche Startgutschrift noch vor der ersten Rentenmitteilung nach unten korrigiert werde, würden auch Vertrauensschutzgesichtspunkte regelmäßig nicht eingreifen (demgegenüber hat es das LG Karlsruhe in dieser Entscheidung angedeutet, dass bei Rentenüberzahlungen, insbesondere hinsichtlich vergangener Zeiträume, insoweit Vertrauensschutz bestehen könne1). bb) Pflichtversicherte der rentennahen Jahrgänge Eines besonderen Vertrauensschutzes hinsichtlich der erworbenen Besitz- 243 stände bedurften solche Pflichtversicherte, die zum Zeitpunkt der Systemumstellung kurz vor dem Rentenbeginn standen (sog. rentennahe Jahrgänge). Diese Personengruppe konnte sich aufgrund der zeitlichen Nähe zum Rentenbeginn bereits darauf einrichten, dass sie die im bisherigen Gesamtversorgungssystem vorgesehenen Leistungen erhalten würden2. Zum Kreis der rentennahen Pflichtversicherten zählen: – die Beschäftigten im Tarifgebiet West bzw. Beschäftigte, für die der Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West maßgeblich ist (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 3 VBLS) oder die Pflichtversicherungszeiten vor dem 1.1.1997 haben3, und die am 1.1.2002 das 55. Lebensjahr vollendet hatten (§ 33 Abs. 2 Satz 1 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 2 Satz 1 VBLS, § 73 Abs. 2 Satz 1AKA-MS); – Schwerbehinderte4, die am 31.12.2001 das 52. Lebensjahr vollendet haben und eine Rente für schwerbehinderte Menschen5 beanspruchen könnten, wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits das 60. Lebensjahr voll1 Vgl. zur Thematik des Vertrauensschutzes bei Rentenüberzahlungen LG Karlsruhe v. 19.9.2008 – 6 S 48/07, BeckRS 2009, 12068; vgl. LG Karlsruhe v. 17.7.2009 – 6 O 186/08, BeckRS 2009, 23669; LG Karlsruhe v. 25.9.2009 – 6 O 190/08, BeckRS 2009, 26175. 2 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 95; Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (357). 3 Also Versicherte mit Pflichtversicherungszeiten vor Einführung der Zusatzversorgung in den neuen Bundesländern. 4 Die Sonderregelungen für schwerbehinderte Versicherte in § 79 Abs. 2 Satz 4 und 5 VBLS sind wirksam, vgl. BGH v. 4.11.2009 – IV ZR 118/07, BeckRS 2009, 87664. 5 Zwischenzeitlich hat der BGH durch Urteil v. 3.12.2008 – IV ZR 104/06, NVwZ 2009, 800 entschieden, dass es zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 VBLS ausreicht, wenn der mindestens 52-jährige, schwerbehinderte Versicherte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine Rente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Sozialversicherung am Umstellungsstichtag (31.12.2001) einseitig hätte schaffen können. Diese Entscheidung betraf die Frage der für die gesetzliche Rente für schwerbehinderte Menschen erforderlichen Erfüllung einer Wartezeit von 35 Jahren (§ 236a Abs. 4 Nr. 3 SGB VI in der am 31.12.2001 geltenden Fassung). Hänge das Bestehen eines Anspruchs auf gesetzliche Rente nur noch von der Erfüllung einer Wartezeit ab, die am Umstellungsstichtag zwar noch nicht erreicht gewesen wäre, deren Erreichen der Versicherte jedoch durch eine ihm zustehende Nachzahlungsmöglichkeit am Umstellungsstichtag hätte herbeiführen können, reiche dies für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 4 VBLS aus. Ob der Versicherte von dieser Möglichkeit Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 244
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
endet hätten (§ 33 Abs. 2 Satz 4 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 2 Satz 4 VBLS, § 73 Abs. 2 Satz 4 AKA-MS); – die Beschäftigten im Tarifgebiet West bzw. Beschäftigte, für die der Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West maßgeblich ist (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 3 VBLS) oder die Pflichtversicherungszeiten vor dem 1.1.1997 haben, die vor dem 14.11.20011 eine Altersteilzeit oder Vorruhestand vereinbart hatten (§ 33 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 3 VBLS, § 73 Abs. 3 AKA-MS; auf den Beginn der Altersteilzeit oder des Vorruhestandes kommt es dabei nicht an). Eine besondere Gruppe bilden Pflichtversicherte, die zunächst nicht zu den rentennahen Jahrgängen gehört und eine Startgutschrift für rentenferne Pflichtversicherte erhalten haben, bei denen aber der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung vor dem 1.1.2007 eingetreten ist. Sofern solche Pflichtversicherte am 31.12.2001 das 47. Lebensjahr vollendet und mindestens 120 Umlagemonate zurückgelegt haben, werden diese im Wege einer zusätzlichen Startgutschrift faktisch den rentennahen Versicherten gleichgestellt (§ 33 Abs. 3a ATV/ATV-K; § 79 Abs. 3a VBLS; § 73 Abs. 3a AKA-MS)2. 244
Die Anwartschaft der rentennahen Versicherten wird entsprechend den bisher geltenden Bestimmungen des Gesamtversorgungssystems ermittelt. Ausgangswert für die Startgutschrift ist die Versorgungsrente, die sich für den Berechtigten unter Berücksichtigung etwaiger Mindestleistungen (einfache Versicherungsrente3, qualifizierte Versicherungsrente4 oder Mindestgesamtversorgung5) bei Vollendung des 63. Lebensjahres nach altem Recht ergeben würde. Hinsichtlich der gesamtversorgungsfähigen Zeit wird dabei eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres unterstellt6. Hatte der Pflichtversicherte am 31.12.2001 bereits das 63. Lebensjahr vollendet, wird die Gesamtversorgung zum Stichtag 31.12.2001 ermittelt. Für Schwerbehinderte aus der Gruppe der renten-
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tatsächlich Gebrauch gemacht habe oder auch nur gemacht hätte, sei dagegen ohne Belang. Dh. vor Abschluss des Altersvorsorgeplans 2001. Vgl. LG Karlsruhe v. 6.3.2009 – 6 O 114/08, BeckRS 2009, 23527: Nach dem Stichtag vom 13.11.2001 getroffene Altersteilzeitvereinbarungen eröffnen nicht den Anwendungsbereich des § 79 Abs. 3 VBLS. Damit geht einher, dass auch spätere Aufhebungen und Änderungen der Altersteilzeitverträge unbeachtlich sind. Vgl. bereits BGH v. 17.9.2008 – IV ZR 64/05, NVwZ 2009, 129 ff. Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (358); Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 111, 145a. § 40 Abs. 4 i.V.m. § 44 VBLS aF. § 40 Abs. 4 i.V.m. § 44a VBLS aF. § 41 Abs. 4 VBLS aF. Für eine Berücksichtigung zusätzlicher Ausbildungszeiten gem. § 207 SGB VI sowie von über drei Jahre hinausgehenden, unbewerteten Anrechnungszeiten der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI in der ab 1.1.2002 gültigen Fassung als gesamtversorgungsfähige Zeit im Rahmen der Berechnung der Startgutschriften vgl. LG Karlsruhe v. 27.6.2008 – 6 O 161/07.
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 245 Teil 11
nahen Versicherten ist anstelle des 63. Lebensjahres das entsprechende, für sie frühestmögliche Eintrittsalter in die abschlagsfreie gesetzliche Rente für schwerbehinderte Menschen maßgeblich. Wenn der Schwerbehinderte zwischen diesem Hochrechnungszeitpunkt und dem 63. Lebensjahr die Voraussetzungen für die Mindestgesamtversorgung erfüllt, erfolgt die Hochrechnung bezogen auf diesen Zeitpunkt (§ 33 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 2 VBLS, § 73 Abs. 2 AKA-MS). Für Altersteilzeitmitarbeiter oder Mitarbeiter mit Vorruhestandsvereinbarungen aus der Gruppe der rentennahen Jahrgänge tritt an die Stelle des 63. Lebensjahres das Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bzw. das Alter, zu dem nach der Vorruhestandsvereinbarung die Rente beginnen würde (§ 33 Abs. 3 ATV/ ATV-K; § 79 Abs. 3 VBLS; § 73 Abs. 3 AKA-MS)1. Zur Berechnung der Gesamtversorgung ist wie bisher die Rente aus der ge- 245 setzlichen Rentenversicherung anzurechnen, wobei auf die Rente abzustellen ist, die der Pflichtversicherte bei Vollendung des 63. Lebensjahres erhalten würde. Die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird dabei nicht nach dem Näherungsverfahren, sondern konkret und individuell aufgrund einer Rentenauskunft des zuständigen Rentenversicherungsträgers zum Stichtag 31.12.2001 nach Durchführung einer Kontenklärung ermittelt. Insoweit bestand für die Versicherten die Verpflichtung, bis spätestens 30.9.2002 eine entsprechende Rentenauskunft beim gesetzlichen Rentenversicherungsträger zu beantragen, sofern sie nicht bereits über eine entsprechende Rentenauskunft aus dem Jahr 2001 verfügten. Wenn bis 31.12.2002 bereits ein bestands- oder rechtskräftiger Rentenbescheid der gesetzlichen Rentenversicherung vorlag, war dieser der Berechnung zugrunde zu legen (§ 33 Abs. 4 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 4 VBLS, § 73 Abs. AKA-MS)2. Sofern die Rentenauskunft aus von dem Pflichtversicherten zu vertretenden Gründe nicht bis spätestens 31.12.2003 beigebracht wurde, erfolgte die Berechnung der Startgutschrift nach den für die rentenfernen Jahrgänge geltenden Grundsätzen3. Aus der Auskunft des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers konnte die bis 31.12.2001 tatsächlich erworbene Anwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde gelegt werden. Da die Startgutschrift allerdings so berechnet wird, als ob der Pflichtversicherte mit dem 63. Lebensjahr in Rente gehen 1 Rengier, NZA 2004, 817, 818; zu Details der Berechnungen vgl. Langenbrinck/ Mühlstädt, Rz. 123 ff.; Kiefer/Langenbrinck, § 33 ATV Erl. 4. 2 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 115. 3 Nach einer Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz v. 4.9.2008 – 2 Sa 78/08, BeckRS 2009, 54447 (Revision zugelassen) soll allerdings ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bestehen können, wenn ein Hinweis des Arbeitgebers unterblieben ist, dass die Rentenauskunft innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist der Zusatzversorgungskasse vorgelegt werden muss und deshalb nach einer verspäteten Vorlage der Rentenauskunft eine Berechnung nach den für rentenferne statt für rentennahe Jahrgänge geltenden Grundsätzen erfolgt. In seiner Begründung stützt sich das LAG dabei u.a. darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern entgegen den Satzungsvorschriften die Druckschriften der Zusatzversorgungskasse nicht zur Verfügung gestellt hatte. Außerdem hatte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer Im Rahmen der Auskunftseinholung zunächst unterstützt, einen eindeutigen Hinweis auf die Ausschlussfrist aber unterlassen. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 246
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
würde, muss die anzurechnende gesetzliche Rente ebenfalls auf das 63. Lebensjahr hochgerechnet werden. Hierzu wird der jährliche Durchschnitt der im Zeitraum 1.1.1999 bis 31.12.2001 in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Entgeltpunkte in Ansatz gebracht (§ 33 Abs. 5 Satz 1 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 5 Satz 1 VBLS, § 73 Abs. 5 Satz 1 AKA-MS)1. Bei Pflichtversicherten, die von ihrem Arbeitgeber Zuschüsse zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung oder einer Lebensversicherung erhalten haben, wird entsprechend dem bisherigen Recht2 1,25 % der doppelten Summe der bis zum 31.12.2001 geleisteten Arbeitgeberzuschüsse angerechnet. Für die Zeit ab dem 1.1.2002 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres werden solche Zuschüsse auf der Basis des jährlichen Durchschnitts der Jahre 1999 bis 2001 hochgerechnet (§ 33 Abs. 5 Satz 2 ATV/ATV-K; § 79 Abs. 5 Satz 2 VBLS; § 73 Abs. 5 Satz 2 AKA-MS)3. 246
Von der nach den Bestimmungen des alten Rechts derart berechneten Anwartschaft ist schließlich derjenige Betrag abzuziehen, den der Pflichtversicherte aus dem neuen Punktemodell bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres (vor Berücksichtigung des Abschlags wegen vorzeitiger Renteninanspruchnahme4) noch erwerben kann, wenn für ihn zusatzversorgungspflichtiges Entgelt in Höhe des gesamtversorgungsfähigen Entgelts (unter Berücksichtigung des Gesamtbeschäftigungsquotienten) gezahlt würde (§ 33 Abs. 2 Satz 2 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 2 Satz 2 VBLS, § 73 Abs. 2 Satz 2 AKA-MS). Ansonsten würde die Zeit zwischen dem Umrechnungsstichtag und der Vollendung des 63. Lebensjahres bei der Berechnung der Versorgung doppelt berücksichtigt (einmal über die Startgutschrift und einmal über die nach dem neuen Punktemodell tatsächlich noch erdienten Versorgungspunkte). Wie oben (Rz. 241) bereits dargestellt wurde, sind bei der Berechnung die Verhältnisse zum 31.12.2001 zugrunde zu legen. Im Ergebnis sind die rentennahen Jahrgänge durch die Umstellung damit nur insoweit nachteilig betroffen, als sich spätere günstige Veränderungen in der Steuerklasse und künftige Gehaltssteigerungen nicht mehr anwartschaftssteigernd auswirken5.
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Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 134. § 40 Abs. 2 Buchst. c, d VBLS aF. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 135. § 7 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 35 Abs. 3 VBLS § 33 Abs. 3 AKA-MS. Rengier, NZA 2004, 817 (818). Vgl. BGH v. 2.12.2009 – IV ZR 279/07, BeckRS 2010, 01370. Geschütztes Vertrauen kann nur hinsichtlich der Berechnungsgrößen entstanden sein, die bis zur Systemumstellung sicher feststanden. Dem trägt die Übergangsregelung für rentennahe Versicherte, nach der eine Festschreibung der Rechengrößen, wie etwa des Entgelts, des Familienstandes und der Steuerklasse zum 31.12.2001 zugrunde gelegt wird, ausreichend Rechnung. Dies ist rechtlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn dadurch eine erst unmittelbar nach dem Umstellungsstichtag wirksame, erhebliche Gehaltserhöhung des Versicherten in der Startgutschrift unberücksichtigt bleibt.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 248 Teil 11
cc) Pflichtversicherte der rentenfernen Jahrgänge Bei den jüngeren Pflichtversicherten ist das zu schützende Vertrauen nicht zuletzt aufgrund der kürzeren „Betriebstreue“ geringer. Auch bei Fortbestand des Gesamtversorgungssystems hätte sich die Höhe der Leistungen (zB aufgrund beruflicher Veränderungen) noch ändern können. Für diese Gruppe besteht auch eher noch die Möglichkeit, etwaige durch die Neuregelung eintretende Einschnitte bei der Versorgung anderweitig auszugleichen1. Bei diesen Pflichtversicherten, die nicht zum Kreis der rentennahen Jahrgänge gehören, haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 33 Abs. 1 ATV/ATV-K insoweit ein pauschaliertes Verfahren zur Ermittlung der Startgutschriften vorgesehen. Dies erfolgte gerade auch vor dem Hintergrund, dass das bisherige Gesamtversorgungssystem zeitnah geschlossen werde sollte, was auf der Basis einer individuellen Berechnung für diesen Personenkreis aufgrund des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes unmöglich gewesen wäre2.
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Die Berechnung der Startgutschriften für die rentenfernen Jahrgänge rich- 248 tet sich nach § 18 Abs. 2 BetrAVG (§ 33 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 1 VBLS, § 73 Abs. 1 AKA-MS). Dies bedeutet, dass die rentenfernen Pflichtversicherten so behandelt werden, als seien sie zum 31.12.2001 aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden. Die Regelungen in § 33 Abs. 1 ATV/ ATV-K, § 79 Abs. 1 VBLS, § 73 Abs. 1 AKA-MS zielen mit ihrem Verweis auf § 18 Abs. 2 BetrAVG im Grundsatz darauf ab, den rentenfernen Versicherten bei der Berechnung ihrer Startgutschrift die nach dem Betriebsrentengesetz bis zum Umstellungsstichtag unverfallbar gewordenen Rentenanwartschaften in das neue Betriebsrentensystem zu übertragen. Zunächst ist das gesamtversorgungsfähige Entgelt zum Stichtag 31.12.2001 zu ermitteln (aus dem durchschnittlichen Regelentgelt3 der Jahre 1999 bis 2001 und dem durchschnittlichen Sonderentgelt4 der Jahre 1991 bis 2001). Hieraus ist nach dem bisherigen (Satzungs-)Recht das fiktive Nettoarbeitsentgelt zu ermitteln. In einem nächsten Schritt wird auf dieser Basis die vom Pflichtversicherten höchstmöglich erreichbare fiktive Gesamtversorgung berechnet, die er erhalten hätte, wenn er 40 Jahre im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen wäre (bei durchgängiger Vollzeitbeschäftigung entspricht dies dem maximalen Nettoversorgungssatz von 91,75 %). Hierauf ist die (fiktive) gesetzliche Rente anzurechnen. Die Berechnung der gesetzlichen Rente erfolgt jedoch nicht wie bei den rentennahen Jahrgängen unter Berücksichtigung der individuellen, konkreten Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern nach dem pauschalen steuerrechtlichen Näherungsverfahren5. Der dabei einzusetzende Korrekturfaktor wird für alle rentenfernen Versicherten einheitlich mit 0,9086 festgelegt (Anlage 4 Nr. 5 Satz 2 zum ATV). Aus der Differenz zwischen der 1 2 3 4 5
Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 95. Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 116 ff. § 43 Abs. 1 Satz 1 bis 3 VBLS aF. § 43 Abs. 1 Satz 4, 5 VBLS aF. Zum Näherungsverfahren vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto, § 2 BetrAVG Rz. 422 ff., Höfer, BetrAVG § 2 Rz. 3373 ff. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 249
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
maximal erreichbaren Gesamtversorgung und der nach dem Näherungsverfahren ermittelten gesetzlichen Rente ergibt sich die sog. Voll-Leistung. Für die Berechnung der Anwartschaft werden schließlich für jedes Jahr der Pflichtversicherung 2,25 % der Voll-Leistung zugrunde gelegt. Dies bedeutet, dass die höchstmögliche Versorgung (erst) nach einer Zeit von 44,44 Jahren erreicht werden kann (während dies nach dem alten Recht gemäß § 41 Abs. 2 VBLS aF bereits nach 40 Jahren der Fall gewesen wäre). Beitragslose Zeiten werden nicht berücksichtigt. Ein (Mindest-)Anspruch auf die qualifizierte Versicherungsrente (§ 44a VBLS aF) besteht nicht1. dd) Beitragsfrei Versicherte 249
Bei den beitragsfrei Versicherten handelt es sich um ehemalige Arbeitnehmer, die entweder am 31.12.2001 oder am 1.1.2002 oder an beiden Tagen nicht mehr pflichtversichert waren (mangels Arbeitsverhältnis zu einem bei der VBL oder einer anderen Zusatzversorgungseinrichtung beteiligten Arbeitgeber). Im früheren Gesamtversorgungssystem hatten diese Versicherten lediglich eine Anwartschaft auf eine statische Versicherungsrente in Höhe des versicherungsmathematischen Barwerts der eingezahlten Beiträge und Umlagen. Diese beitragsfrei Versicherten erhalten eine Startgutschrift nach den Berechnungen der sog. einfachen Versicherungsrente (§ 44 VBLS aF), ein Anspruch auf die qualifizierte Versicherungsrente (§ 44a VBLS aF) besteht für die Berechnung der Startgutschrift der beitragsfrei Versicherten nicht2. Anders als die bisherigen Versicherungsrenten werden nach dem neuen (Satzungs-)Recht ab Eintritt eines Versorgungsfalles auch die Leistungen aus diesen Startgutschriften jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres um 1 % angepasst3. ee) Einwände gegen die Berechnung der Startgutschriften
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Angesichts der vollständigen Systemumstellung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, den damit verbundenen Einschnitten bei der Versorgung (insbesondere bei den rentenfernen Jahrgängen) und der Anzahl der Betroffenen war es nicht verwunderlich, dass die Systemumstellung an sich, vor allem aber die Berechnung der Startgutschriften in die Kritik ge1 Zur Berechnungsmethodik insgesamt Rengier, NZA 2004, 817 (818); Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (358); Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 143 ff.; Kiefer/Langenbrinck, § 33 ATV Erl. 3. 2 Aus der Rechtsprechung des BGH zur Unverbindlichkeit der Startgutschriften für die rentenfernen Jahrgänge (BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NVwZ 2008, 455, s.u. Rz. 255) folgert allerdings das LG Karlsruhe zwischenzeitlich, dass auch die Startgutschriften der beitragsfrei Versicherten unverbindlich seien, sofern die Anwartschaften bereits unverfallbar gewesen wären (vgl. LG Karlsruhe v. 17.7.2009 – 6 S 131/08, BeckRS 2009, 23817; LG Karlsruhe v. 19.9.2008 – 6 O 326/07, BeckRS 2008, 21702; LG Karlsruhe v. 28.11.2008 – 6 O 234/04, BeckRS 2009, 11740). 3 Vertiefend zur Berechnung der Startgutschriften für die beitragsfrei Versicherten vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 146; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 121.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 251 Teil 11
riet. Eine Vielzahl betroffener Versicherter beanstandete die von den Zusatzversorgungseinrichtungen mitgeteilten Startgutschriften. Insgesamt erreichten die Zusatzversorgungseinrichtungen (VBL und die in der AKA zusammengeschlossenen Kassen) bis 1.3.2004 insgesamt ca. 436 000 Beanstandungen (allein die VBL war bei mehr als 1,9 Mio. Pflichtversicherten mit über 223 000 Beanstandungen betroffen). In insgesamt 2000 Fällen wurde allein gegen die VBL vor den ordentlichen Gerichten, in 5000 Fällen vor deren Schiedsgericht Klage erhoben. Allerdings konnten wegen der Vielzahl von gleich gelagerten Rechtsfragen ca. 840 Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und ungefähr 1500 Fälle vor dem Schiedsgericht zum Ruhen gebracht werden1. Wesentliche Einwände gegen die Berechnung der Startgutschriften der rentenfernen Jahrgänge waren dabei insbesondere2: – Die Festschreibung der zum Stichtag 31.12.2001 für den jeweiligen Versicherten bestehenden Steuerklasse (I/0 oder III/0) zur Ermittlung des Nettoarbeitsentgelts bewirkt, dass etwaige für den Versicherten günstige, spätere Änderungen der persönlichen Verhältnisse unberücksichtigt bleiben. Zur Rechtfertigung dieser Berechnungsweise wurde vorgebracht, dass es sich hierbei um eine ausdrückliche Grundsatzentscheidung der Tarifvertragsparteien3 handle, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterworfen sei. Die stichtagsbezogene Festschreibung dieser Bemessungsgrundlagen entspricht im Übrigen dem im BetrAVG für die Berechnung unverfallbarer Anwartschaften festgelegten Prinzip (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 1, § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c BetrAVG). – Weiterhin wurde eingewandt, dass die Regelungen zur Mindestversorgung gemäß der sog. qualifizierten Versicherungsrente4 (§ 44a VBLS aF) nicht zur Anwendung kommen, die für beitragsfrei Versicherte galten, 1 Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (355); Wein, In Erwartung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2006, 331. 2 Zu den verschiedenen Streitfragen der Rechtmäßigkeit der Berechnung der Startgutschriften vgl. Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354; Rengier, NZA 2004, 817; Stebel, Neuere Rechtsprechung zur Zusatzversorgung, BetrAV 2004, 333, (336); Kühn/Kontusch, BetrAV 2004, 283; Preis/ Temming, Verfassungsrechtliche Probleme der neuen betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst, ZTR 2003, 262; Wein, In Erwartung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2006, 331; Ackermann, Rechtsprechung des OLG Karlsruhe zur Unverbindlichkeit der Startgutschriften für die sog. rentenfernen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, BetrAV 2006, 247. 3 Siehe hierzu Nr. 6 der Niederschriftserklärung der Tarifvertragsparteien zum 2. Änderungstarifvertrag zum ATV/ATV-K. 4 Die Regelungen der qualifizierten Versicherungsrente basierten auf der vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten, bis zum 31.12.2000 gültigen Fassung des § 18 BetrAVG. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 251
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
welche nach Vollendung des 35. Lebensjahres aufgrund eines ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses mindestens zehn Jahre in der Zusatzversorgung pflichtversichert oder bei zwölfjähriger Betriebszugehörigkeit zum selben Arbeitgeber wenigsten drei Jahre pflichtversichert waren. Gegen diesen Einwand wurde angeführt, dass diese Nichtberücksichtigung der qualifizierten Versicherungsrente letztendlich aus der Grundsatzentscheidung folge, die Startgutschrift der rentenfernen Jahrgänge gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG zu berechnen. § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. e BetrAVG sieht ausdrücklich vor, dass Mindestleistungen (hierzu gehört insbesondere auch die qualifizierte Versicherungsrente) bei der Ermittlung der Voll-Leistung keine Anwendung finden. – Bemängelt wurde außerdem, dass bei der Berechnung der Startgutschriften der rentenfernen Jahrgänge nur Pflichtversicherungszeiten Berücksichtigung finden, nicht dagegen sonstige Zeiten (insbesondere Vordienstzeiten, die nach dem bisherigen Halbanrechnungsverfahren zumindest zur Hälfte berücksichtigt wurden). Hiergegen wurde zur Rechtfertigung vorgebracht, dass das BVerfG in der sog. Halbanrechnungsentscheidung1 selbst deutlich gemacht habe, dass eine Berücksichtigung von Vordienstzeiten im Rahmen der Zusatzversorgung grundsätzlich nicht geboten sei. Die Nichtberücksichtung solcher Zeiten im Rahmen der Neuregelung entspreche insoweit einer von den Tarifvertragsparteien getroffenen Grundsatzentscheidung, die nur eingeschränkt überprüfbar sei. Diese Entscheidung diene letztendlich der Beseitigung der vom BVerfG in seiner Halbanrechnungsentscheidung beanstandeten Ungleichbehandlung. – Kritisch wurde auch gesehen, dass die festgestellten und in Startgutschriften umgerechneten Anwartschaften nicht dynamisiert oder verzinst werden und insbesondere nicht einer Steigerung durch Berücksichtigung der Altersfaktoren unterliegen. Hierauf wurde von den Befürwortern der Systemumstellung erwidert, dass die Tarifvertragsparteien eine Weiterentwicklung der Anwartschaften über eine Zuteilung von Bonuspunkten vorgesehen und damit einen Wechsel von dem bisherigen Endgehaltsbezug (Lohndynamik) zu einer Zinsdynamik vorgesehen hätten. – Ein wesentlicher Kritikpunkt war die ausschließliche Anwendung des Näherungsverfahrens zur Bestimmung der anzurechnenden gesetzlichen Rente bei den Versicherten der rentenfernen Jahrgänge. Eingewandt wurde, dass insoweit in vielen Fällen eine zu hohe gesetzliche Rente angerechnet würde und auch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den rentennahen Jahrgängen vorliege, bei denen auf der Basis einer individuellen Rentenauskunft die konkreten Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden. Hieraus wurde die Folgerung gezogen, dass auch bei den rentenfernen Jahr1 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG).
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 251 Teil 11
gängen zumindest auf Antrag des Versicherten eine konkrete Rentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers zugrunde gelegt werden müsse. – Darüber hinaus wurde eingewandt, die Anwendung von § 18 Abs. 2 BetrAVG zur Berechnung der Startgutschriften der rentenfernen Jahrgänge sei nicht geeignet, die erworbenen Besitzstände zu wahren. § 18 Abs. 2 BetrAVG sei auf das vorzeitige Ausscheiden von Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst zugeschnitten, dies könne nicht auf die Systemumstellung übertragen werden. Es müssten vielmehr die Grundsätze von § 2 Abs. 1 BetrAVG herangezogen werden. Die Befürworter der Systemumstellung hielten diesem Einwand entgegen, dass § 18 Abs. 2 BetrAVG für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes lex specialis sei. § 18 Abs. 2 BetrAVG lege zutreffend den vom Fortbestand des Dienstverhältnisses unabhängigen Sockelbetrag fest, den der Beschäftigte erdient habe1. Im Übrigen sei auf den weitgehenden Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien hinzuweisen: Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ist die allgemeine Vorschrift zur Berechnung unverfallbarer Anwartschaften in § 2 BetrAVG bereits selbst tarifdispositiv. Der Gesetzgeber habe den Tarifvertragsparteien insoweit die Befugnis eingeräumt, von Schutznormen des BetrAVG auch zuungunsten der Arbeitnehmer abzuweichen. Dies könne auch auf den Schutz von Besitzständen im Rahmen der Systemumstellung übertragen werden. Gegen eine Anwendung von § 18 Abs. 2 BetrAVG wurde darüber hinaus (zumindest implizit) geltend gemacht, auch die zum 1.1.2001 in Kraft getretene Neuregelung des § 18 Abs. 2 BetrAVG sei im Hinblick auf die allgemeine Unverfallbarkeitsregelung des § 2 BetrAVG verfassungswidrig2. – Gegen die Rechtmäßigkeit der Berechnung der Startgutschriften der rentenfernen Versicherten wurde schließlich eingewandt, dass das vom BAG zum Schutz von Versorgungsbesitzständen vor verschlechternden Eingriffen entwickelte sog. Drei-Stufen-Modell nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Nach diesem Drei-Stufen-Modell bedürfen Eingriffe in Versorgungsordnungen umso gewichtigerer Rechtfertigungsgründe, je schützenswerter das Vertrauen auf die bisher erreichte Rechtsposition ist. Eingriffe in die 1 Wein, In Erwartung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2006, 331. 2 Die hiergegen beim Bundesverfassungsgericht eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde von diesem allerdings nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG v. 9.5.2007 – 1 BvR 1700/02, BetrAV 2007, 576 f.); nähere Einzelheiten hierzu bei Wein, In Erwartung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2006, 331 (333); Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537 (538); zur Verfassungsmäßigkeit von § 18 Abs. 2 BetrAVG vgl. auch Hügelschäffer, Die Startgutschriften der Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes auf dem Prüfstand, BetrAV 2004, 354 (359). Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 251
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
erdienten Anwartschaften sind nur ausnahmsweise zulässig bei Vorliegen zwingender Gründe, die einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gleichkommen. Eingriffe in eine zeitanteilig erdiente Dynamik (zB bei Endgehaltsbezug einer Versorgung) sind nur aus triftigen Gründen möglich. In noch nicht erdiente zukünftige Zuwächse kann demgegenüber bereits bei Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe eingegriffen werden1. Hierzu ist anzumerken, dass nach der Rechtsprechung des BAG diese Dreistufentheorie auf eine verschlechternde Neuordnung von Versorgungsanwartschaften durch Tarifvertrag nicht unbesehen zur Anwendung kommt2. Den Tarifvertragsparteien steht bei einer verschlechternden Abänderung tarifvertraglicher Versorgungsregelungen aufgrund der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie ein erweiterter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zur Verfügung3. Tarifverträge unterliegen deshalb keiner Billigkeitskontrolle. Die Gerichte haben sie nur daraufhin zu prüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen. – Allerdings sind die Tarifvertragsparteien – ebenso wie der Gesetzgeber – an die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sowie an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden4. Umstritten ist in diesem Zusammenhang insbesondere, was die erdiente und zu schützende Anwartschaft im Rahmen des früheren Gesamtversorgungssystems ist: Auf der einen Seite wird vertreten, dass sich die erdiente Anwartschaft auf die dynamische Versorgungsrente der Gesamtversorgung bezieht. Dem wird entgegengehalten, dass im Gesamtversorgungssystem die bisher erreichte „Anwartschaft“ auf Versorgungsrente bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles noch verfallbar ist; nur wenn unmittelbar bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles eine Pflichtversicherung bestand, erhielt der Versicherte die dynamische Versorgungsrente, ansonsten bestand nur Anspruch auf die statische Versicherungsrente. Deshalb könne nicht von einer bis zum Stichtag der Umstellung erdienten Anwartschaft auf Versorgungsrente ausgegangen 1 St. Rspr. des BAG seit BAG v. 17.4.1985 – 3 AZR 72/83, NZA 1986, 57; BAG v. 29.7.2003 – 3 AZR 630/02, AP Nr. 45 zu § 1 BetrAVG Ablösung; BAG v. 18.2.2003 – 3 AZR 81/02, NZA 2004, 98; BAG v. 10.9.2002 – 3 AZR 635/01, BB 2003, 2749; BAG v. 11.12.2001 – 3 AZR 128/01, NZA 2003, 1407. 2 BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, NZA 2006, 1285; BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 14/05, NZA 2006, 335; BAG v. 25.4.2004 – 3 AZR 123/03, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Überversorgung. 3 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008, 82; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, NZA 2006, 1285; BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 14/05, NZA 2006, 335; BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NVwZ 2008, 455; Erfk/Steinmeyer, Vorbem. BetrAVG Rz. 23; Höfer, BetrAVG Rz. 367 f., 567 ff.; ebenso Blomeyer/Rolfs/Otto, Anhang zu § 1 BetrAVG Rz. 607 ff., der allerdings für eine Anwendung des Drei-Stufen-Modells plädiert. 4 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, NZA-RR 2008; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, NZA 2006, 1285; BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 14/05, NZA 2006, 335; BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NVwZ 2008, 455.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 254 Teil 11
werden. Erdient sei nur die Versicherungsrente. In diese Richtung ging auch bereits eine frühere Entscheidung des BGH zum Versorgungsausgleich1. Gegen die Berechnung der Startgutschriften für die rentennahen Jahrgänge wurden vergleichbare Einwände erhoben2 (wobei es allerdings nicht auf die Streitfragen der Anwendung von § 18 Abs. 2 BetrAVG und des Näherungsverfahrens ankommt).
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ff) Rechtsprechung zu den Startgutschriften der rentenfernen Versicherten Bezüglich der rentenfernen Pflichtversicherten wurde die Berechnung der 253 Startgutschriften zunächst durch das LG Karlsruhe3 als unzulässiger Eingriff in die erdienten Rentenanwartschaften beanstandet und gefordert, dass die Betriebsrente bei Eintritt des Versicherungsfalls mindestens den geringeren Betrag erreichen müsse, der sich nach bisherigem Recht zum Umstellungsstichtag 31.12.2001 oder zum Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalls ergäbe, wobei das LG Karlsruhe hierzu auf konkrete Vergleichsberechnungen abstellte. Weiterhin verlangte das LG Karlsruhe, dass auf Antrag des Versicherten die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anstatt nach dem Näherungsverfahren auf der Grundlage einer konkreten Rentenauskunft berücksichtigt werden müsse. Im Übrigen müsste die errechnete Startgutschrift mit den Altersfaktoren (§ 36 Abs. 3 VBLS) multipliziert werden. Das OLG Karlsruhe4 hob diese Entscheidung in der 2. Instanz zwar auf, be- 254 wertete jedoch die Berechnung der Startgutschriften für die rentenfernen Pflichtversicherten ebenfalls als einen unzulässigen Eingriff in erdiente Besitzstände und stellte fest, dass die von der VBL gemäß ihrer Satzung erteilte Startgutschrift den Wert der bis zum 31.12.2001 erlangten Anwartschaft nicht verbindlich festlege. Das OLG Karlsruhe vertrat die Auffassung, die Rentenanwartschaften müssten in Anlehnung an das Drei-Stufen-Modell gemäß § 2 BetrAVG und nicht nach § 18 Abs. 2 BetrAVG berechnet werden und unterlägen als solche dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Auf dieser Basis kam das OLG Karlsruhe zu dem Ergebnis, dass aufgrund einer Verschlechterung mehrerer Berechnungsfaktoren, insbesondere der Maßgeblichkeit der letzten Arbeitsentgelte vor dem Umstellungsstichtag anstelle des früheren Endgehaltsbezuges, der Verringerung des jährlichen 1 BGH v. 26.5.1982 – IVb ZB 718/81, NJW 1982, 1989: In dieser Entscheidung hatte der BGH zum Umfang der unverfallbaren Anwartschaft aus der Zusatzversorgung festgestellt, dass als unverfallbar die Anwartschaften gelten, die nach den maßgeblichen Bestimmungen in ihrem Versorgungswert durch die künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung des Versicherten nicht mehr beeinträchtigt werden, sondern ihm verbleiben, wenn er vor Eintritt des Versicherungsfalles aus dem Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst ausscheidet. 2 Vgl. die im Urteil des LG Karlsruhe v. 30.1.2004 – 6 O 125/03, EzBAT § 33 Abs. 2 ATV Nr 2 behandelten Problempunkte. 3 LG Karlsruhe v. 30.1.2004 – 6 O 197/03, EzBAT § 33 Abs. 2 ATV Nr. 1. 4 OLG Karlsruhe v. 22.9.2005 – 12 U 99/04, ZTR 2005, 588. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 255
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Anteilssatzes1, der ausschließlichen Berücksichtigung von Pflichtversicherungszeiten ohne Vordienstzeiten im Rahmen des § 18 Abs. 2 BetrAVG, der fehlenden Anwendung der Mindestleistungsregeln des früheren Satzungsrechts (§§ 40 Abs. 4, 44a VBLS aF), der Anrechnung der gesetzlichen Rente ausschließlich nach dem Näherungsverfahren sowie der alleinigen Maßgeblichkeit der Rechengrößen zum Stichtag (wie zB der Lohnsteuerklasse) ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die erdienten Anwartschaften vorliege, der den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit nicht standhalte. Auch werde der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowohl bezüglich der alleinigen Anwendung des Näherungsverfahrens als auch hinsichtlich nicht nachvollziehbarer Unterschiede innerhalb der Gruppe der rentenfernen Pflichtversicherten verletzt. Die Übergangsregelung für rentenferne Versicherte sei unwirksam und den Tarifpartnern deshalb Gelegenheit zu einer Neuregelung zu geben. Diese Rechtsprechung hatte das OLG Karlsruhe seither mehrfach bestätigt. In der Literatur war diese Rechtsprechung des OLG Karlsruhe zu den Startgutschriften der rentenfernen Pflichtversicherten teilweise auf erhebliche Kritik gestoßen2. 255
Gegen diese Entscheidungen wurde durch die VBL (und großenteils auch die jeweiligen Kläger) zum BGH Revision eingelegt. In einer Entscheidung vom 14.11.20073 hat der BGH daraufhin ausführlich zur Berechnung der Startgutschriften für die rentenfernen Versicherten Stellung genommen und dabei sowohl die Systemumstellung an sich als auch die grundsätzliche Systematik der Berechnung der Startgutschriften für die rentenfernen Versicherten gebilligt. Allerdings sah der BGH in der Höhe des jährlichen Anteilssatzes von 2,25 % eine sachwidrige, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten, die im Ergebnis zu einer Unwirksamkeit der betreffenden Besitzstandsregelung führe. Zunächst stellte der BGH in dieser Entscheidung fest, dass die Übergangsregelungen einer Inhaltskontrolle nach den AGB-rechtlichen Bestimmungen entzogen seien, da sie auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der 1 Nach § 41 Abs. 2, 2b VBLS aF wurde der höchstmögliche Versorgungssatz nach 40 Pflichtversicherungsjahren erreicht. Hingegen legt der jährliche Anteilssatz der Voll-Leistung von 2,25 % gem. § 18 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG zugrunde, dass die höchstmögliche Versorgung erst nach 44,44 Jahren erreicht wird. 2 Zu den wesentlichen Kritikpunkten: Wein, In Erwartung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reform der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2006, 331; Ackermann, Rechtsprechung des OLG Karlsruhe zur Unverbindlichkeit der Startgutschriften für die sog. rentenfernen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, BetrAV 2006, 247; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 133 ff. 3 BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NVwZ 2008, 455; diese Entscheidung wird ausführlich kommentiert von Hügelschäffer, Die Entscheidung des BGH zur Systemumstellung in der Zusatzversorgung des öffentlichen und kirchlichen Dienstes – Eine Zwischenbilanz, BetrAV 2008, 254; Wein, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Startgutschriften, BetrAV 2008, 451; Wagner, Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst – Schaffung einer verfassungskonformen Neuregelung der Satzung der VBL?, BetrAV 2008, 153; Konrad, Reform der Zusatzversorgung – Ende des Streits um die Startgutschriften in Sicht, ZTR 2008, 296.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 255 Teil 11
Tarifpartner beruhten. Weiterhin stellte der BGH (anders als das OLG Karlsruhe) darauf ab, dass die in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erworbenen Rentenanwartschaften, jedenfalls soweit sie die nach dem BetrAVG unverfallbaren Beträge übersteigen, nicht unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG fielen. Anders als das OLG Karlsruhe (das bei der Berechnung des erdienten Besitzstandes auf Art. 2 Abs. 1 BetrAVG abgestellt hatte) beanstandete der BGH auch die Berechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG grundsätzlich nicht. Ferner stellte der BGH fest, dass die Übergangsregelungen zwar teilweise zu Eingriffen in die sog. erdiente Dynamik (zweite Besitzstandsstufe im Sinne der Drei-Stufen-Theorie) führen könnten, die Tarifpartner dabei aber den ihnen eröffneten Handlungsspielraum nicht überschritten hätten. Die Aufrechterhaltung der früheren Dynamik hätte dem Ziel der Systemumstellung, die Zusatzversorgung zeitnah von den bisherigen externen Faktoren abzukoppeln, widersprochen. Ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit läge nicht vor, da insoweit triftige Gründe bestünden. Auch sei die Dynamisierung aufgrund der Erteilung von Bonuspunkten nicht vollständig entfallen. Einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sah der BGH auch nicht im Entfallen der früheren Regelungen zu Mindestleistungen. Auch die Tatsache, dass die früher zu berücksichtigende hälftige Anrechnung von Vordienstzeiten (Halbanrechnungsverfahren) in die neue Berechnungsmethode nicht übernommen worden sei, verletzt nach Einschätzung des BGH keine verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen, insbesondere nachdem das BVerfG bereits in der sog. Halbanrechnungsentscheidung1 deutlich gemacht hatte, dass die bisherige Regelung nicht mehr aufrechterhalten werden könne und dass die Anrechnung von Vordienstzeiten im Rahmen der Betriebsrente als solche nicht geboten wäre. Auch die Anwendung des sog. Näherungsverfahrens zur Berechnung der in Abzug zu bringenden voraussichtlichen gesetzlichen Rente begegnet nach Einschätzung des BGH keinen grundsätzlichen Bedenken. Vom BGH angesprochen, letztendlich aber offen gelassen, wurde allerdings die Frage, ob die ausschließliche Anwendung des Näherungsverfahrens ohne die Möglichkeit einer Berechnung aufgrund einer konkreten Rentenauskunft einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle. Durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG begegnete nach der Entscheidung des BGH schließlich aber der nach § 33 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 79 Abs. 1 VBLS iVm. § 18 Abs. 2 BetrAVG der Startgutschriftenberechnung zugrunde zu legende Versorgungssatz von 2,25 % für jedes Jahr der Pflichtversicherung. Dieser Steigerungssatz geht davon aus, dass insgesamt 44,44 Pflichtversicherungsjahre notwendig sind, um den höchstmöglichen Versorgungssatz von 100 % zu erreichen. Dies führe zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten. Der Gesetzgeber habe den Prozentsatz von 2,25 % in § 18 Abs. 2 BetrAVG an statistischen Beobachtungen ausgelegt, die den 1 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG). Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 256
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
früheren Höchstversorgungssatz und die nach der früheren Satzung von den Versicherten erreichten versorgungsfähigen Jahre betrafen. Nach dem früheren Satzungsrecht (§ 41 Abs. 2 Sätze 1 und 5, Abs. 2b Sätze 1 und 5 VBLS aF) richtete sich aber sowohl die Höhe des Bruttoversorgungssatzes als auch des Nettoversorgungssatzes nicht nach den Pflichtversicherungsjahren, sondern nach der gesamtversorgungsfähigen Zeit (zu der nicht nur die auf der Pflichtversicherung beruhenden Umlagemonate sondern auch die der gesetzlichen Rente zugrunde gelegten Beitragszeiten und beitragsfreien Zeiten gehörten). Gesamtversorgungsfähige Zeit und Pflichtversicherungsjahre könnten deutlich voneinander abweichen. Infolge der Inkompabilität der Faktoren (Steigerungssatz 2,25 und Zahl der Pflichtversicherungsjahre) würden viele Arbeitnehmer, insbesondere Arbeitnehmer mit längeren Ausbildungszeiten, wie etwa Akademiker, vom Erreichen des 100 %-Wertes ohne ausreichenden sachlichen Grund von vorneherein ausgeschlossen, da sie 44,44 Pflichtversicherungsjahre überhaupt nicht erreichen könnten und deshalb überproportionale Abschläge hinnehmen müssten. Die in § 78 Abs. 1, 2, § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS iVm. § 18 Abs. 2 BetrAVG für die rentenfernen Versicherten getroffene Übergansregelung sei deshalb unwirksam, mit der Folge, dass die erteilten Startgutschriften einer ausreichenden rechtlichen Grundlage entbehrten. Der BGH sah sich allerdings mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 geschützte Tarifautonomie daran gehindert, diese Lücke durch eine gerichtliche Regelung oder bestimmte verbindliche Vorgaben für die Neuberechnung der Startgutschriften zu ersetzen und forderte vielmehr die Tarifparteien auf, eine verfassungskonforme Neuregelung vorzusehen. Als denkbare Lösungswege zeigte der BGH am Ende der Entscheidungsgründe schließlich auf, entweder im Rahmen der bisherigen Berechnungsformel einen anderen Prozentsatz als 2,25 vorzusehen oder aber den anderen (Unverfallbarkeits-)Faktor der Formel zu verändern, um so im Ergebnis entweder auf das Verhältnis erreichter Pflichtversicherungsjahre zu erreichbaren Pflichtversicherungsjahren oder aber auf das Verhältnis der erreichten gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit zur erreichbaren gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit abzustellen. Auch eine Veränderung der gesamten Berechnungsformel (und nicht nur eine Korrektur ihrer Faktoren) stehe den Tarifvertragsparteien offen. Hinsichtlich der Anwendung des Näherungsverfahrens bestünden ebenfalls verschiedene Lösungswege. 256
Gegen diese Entscheidung des BGH hatte schließlich der Kläger Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eingelegt, u.a. mit der Begründung, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Das BVerfG hat allerdings durch Beschluss vom 30.5.20081 die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da der Rechtsweg nicht erschöpft gewesen sei (der Kläger hatte versäumt eine Anhörungsrüge nach § 312a ZPO gegen das Urteil des BGH einzulegen). 1 BVerfG v. 30.5.2008 – 1 BvR 27/08; diese Entscheidung kann u.a. auf der Homepage der VBL unter www.vbl.de (Aktuelles/Newsarchiv/16.6.2008) abgerufen werden.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 258 Teil 11
Das OLG Karlsruhe1 geht davon aus, dass auch die durch § 79 Abs. 3a VBLS besonders geschützten pflichtversicherten Angehörigen rentenferner Jahrgänge2, denen nachträglich eine zusätzliche Startgutschrift gewährt wurde und die damit im Ergebnis eine Startgutschrift wie pflichtversicherte Angehörige rentennaher Jahrgänge erhalten (vgl. oben Rz. 243), sich dennoch auf die Unwirksamkeit der ihnen nach den Regeln für die rentenfernen Jahrgänge erteilten Startgutschrift berufen können. § 79 Abs. 3a VBLS komme nicht zum Tragen, wenn eine (künftige) verfassungskonforme Neuregelung der Startgutschriften für die pflichtversicherten Angehörigen rentenferner Jahrgänge, auf die auch die Begünstigten von § 79 Abs. 3a VBLS einen Anspruch hätten, bei diesen zu einem Betrag führen sollte, der denjenigen der nach § 79 Abs. 2 VBLS berechneten Startgutschrift übersteige. In diesem Fall sei der zu zahlenden Betriebsrente dann allein die sich aus der (künftigen) verfassungskonformen Neuregelung ergebende Startgutschrift zugrunde zu legen. gg) Rechtsprechung zu den Startgutschriften der rentennahen Versicherten Obwohl die Anwartschaften für die rentennahen Pflichtversicherten wei- 257 testgehend nach den Grundsätzen des ehemaligen Gesamtversorgungssystems ermittelt werden, wurde die Berechnung der Startgutschriften dieses Personenkreises vom LG Karlsruhe3 mit weitgehend inhaltsgleicher Begründung wie zu den rentenfernern Jahrgängen ebenfalls als unzulässiger Eingriff in die erdienten Rentenanwartschaften gewertet. Auch insoweit forderte das LG Karlsruhe, dass die Betriebsrente bei Eintritt des Versicherungsfalls mindestens den geringeren Betrag erreichen müsse, der sich nach bisherigem Recht zum Umstellungsstichtag 31.12.2001 oder zum Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalls ergibt, und dass die errechnete Startgutschrift mit den Altersfaktoren (§ 36 Abs. 3 VBLS) multipliziert werden müsste. Durch das OLG Karlsruhe4 wurde diese Entscheidung allerdings aufgeho- 258 ben und die Berechnung der Startgutschriften für die rentennahen Jahrgänge insgesamt für rechtmäßig erklärt. Das OLG Karlsruhe hatte auch in dieser Entscheidung eine Bewertung in Anlehnung an die Drei-Stufen-Theorie vorgenommen und zur Berechnung des erdienten Besitzstandes auf § 2 Abs. 1 BetrAVG abgestellt. Anders als in den Verfahren zu den rentenfernen Versicherten kommt das OLG Karlsruhe auf der Basis von Vergleichsberechnungen bei den rentennahen Versicherten zu dem Ergebnis, dass ein Eingriff in den erdienten Teilbetrag 1 OLG Karlsruhe v. 6.5.2008 – 12 U 103/07, BeckRS 2008, 15536. 2 Pflichtversicherte, die am 31.12.2001 das 47. Lebensjahr vollendet und mindestens 120 Umlagemonate zurückgelegt haben und bei denen der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung vor dem 1.1.2007 eingetreten ist. 3 LG Karlsruhe v. 30.1.2004 – 6 O 125/03, EzBAT § 33 Abs. 2 ATV Nr 2. 4 OLG Karlsruhe v. 7.12.2006 – 12 U 91/05, ZTR 2007, 317; eine ausführliche Kommentierung dieser Entscheidung findet sich bei Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537 (538). Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 259
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
(erste Besitzstandsstufe der Drei-Stufen-Theorie) nicht vorliege. Einen Eingriff in die erdiente Dynamik (zweite Besitzstandsstufe) sowie in spätere dienstzeitabhängige Zuwächse (dritte Besitzstandsstufe) bejahte das OLG Karlsruhe demgegenüber. Diese Eingriffe sind nach Auffassung des OLG Karlsruhe jedoch gerechtfertigt. Es stellte hierzu darauf ab, dass die Tarifpartner und die VBL anhand der ihnen vorliegenden versicherungsmathematischen Sachverständigengutachten davon ausgehen mussten, bei unveränderter Fortführung des bisherigen Systems würden die künftigen Umlagen der Beteiligten nicht ausreichen, die Versorgungsverbindlichkeiten zu erfüllen. Es habe sich bereits mittelfristig eine Gefährdung des gesamten Zusatzversorgungssystems durch Substanzauszehrung ergeben. Diese Situation habe es nicht nur gerechtfertigt, einen Systemwechsel herbeizuführen, sondern darüber hinaus auch, Eingriffe in die erdiente Dynamik zu erwägen. Nach Einschätzung des OLG Karlsruhe verstießen die angegriffenen Besitzstandsregelungen für die rentennahen Jahrgänge damit weder gegen höherrangiges Recht noch verletzen sie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes und seien auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar. 259
Auch gegen die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe zur Berechnung der Startgutschriften für die rentennahen Versicherten wurde durch den Kläger Revision zum BGH eingelegt. Am 24.9.2008 hat der BGH auch ein Grundsatzurteil1 bezüglich der Startgutschriften für die rentennahen Versicherten getroffen, die Revision des Klägers zurückgewiesen und damit im Ergebnis die Entscheidung des OLG Karlsruhe bestätigt. Der BGH stellte in dieser Entscheidung zunächst erneut2 fest, dass die Satzung der VBL auch ohne Zustimmung der Versicherten wirksam geändert werden konnte. Unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung prüfte der BGH sodann, ob durch die Satzungsänderung ein Verstoß gegen das Grundgesetz erfolgt sei. Unter Bezugname auf das Urteil vom 14.11.2007 zu den rentenfernen Versicherten betonte der BGH erneut, dass ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG nicht vorliege. Die Satzungsbestimmungen seien aber insbesondere an den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sowie ferner am allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu messen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass den Tarifvertragsparteien bei der inhaltlichen Gestaltung tarifvertraglicher Regelungen besondere Beurteilungs- und Ermessensspielräume sowie eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zustünden. Für den Systemwechsel habe ein ausreichender Anlass bestanden. Mit der Übergangsregelung hätten die Tarifvertragsparteien dem erhöhten Schutzbedürfnis der rentennahen Versicherten Rechnung getragen. Nach Einschätzung des BGH begegne es insbesondere keinen Bedenken, dass die Versorgungsrente, die der Startgutschriftenberechnung als Aus1 BGH v. 24.9.2008 – IV ZR 134/07, NVwZ, 2009, 539. 2 Wie bereits im Urteil v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, NVwZ 2008, 455.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 261 Teil 11
gangswert zugrunde liegt, auf den Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres hochzurechnen sei. Die Regelung stelle einen pauschalen, aber sachgerechten Interessenausgleich dar, mit dem die Tarifvertragsparteien den ihnen eingeräumten weiten Handlungsspielraum nicht überschritten hätten. Entsprechendes gelte, soweit zur Bestimmung der Startgutschriften auf die am Umstellungsstichtag geltenden Rechengrößen, insbesondere auf das gesamtversorgungsfähige Entgelt vor dem Umstellungsstichtag abzustellen sei. Ein Eingriff in die sog. erdiente Dynamik stehe nicht fest, da weiterhin eine Dynamisierung über die Bonuspunkte bestehe. Jedenfalls sei ein solcher Eingriff aber gerechtfertigt. Dieselben Erwägungen gelten nach Einschätzung des BGH auch, soweit andere Rechengrößen, insbesondere die Lohnsteuerklasse festgeschrieben werden. Auch nach dem alten Recht habe eine Differenzierung nach individuellen Besonderheiten oder weiteren Steuerklassen nicht stattgefunden. Ebenso begegne es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn bei den rentennahen Versicherten im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit sog. Vordienstzeiten weiterhin nur zur Hälfte berücksichtigt werden. Denn damit werde nicht das bisherige System als solches aufrechterhalten. Den rentennahen Versicherten würden lediglich die Vorteile der hälftigen Anrechnung von Vordienstzeiten zur Wahrung eines vor der Systemumstellung erworbenen Besitzstandes belassen. Ein schützenswertes Vertrauen der Versicherten auf eine Vollanrechnung sei zu keiner Zeit begründet worden. Schließlich stellte der BGH fest, dass kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gegeben sei, soweit der Kläger verlangte, zumindest eine Startgutschrift nach den für die rentenfernen Jahrgänge geltenden Berechnungsregelungen zu erhalten. Die unterschiedlichen Übergangsregelungen beruhten auf einer generalisierenden und pauschalierenden Betrachtung, die im Grundsatz das Ziel verfolge, den rentennahen Versicherten einen weitgehenden Schutz ihres Besitzstandes zu gewährleisten. Dennoch mit der Übergangsregelung verbundene Härten und Ungerechtigkeiten seien hinzunehmen, solange sie nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Versicherten beträfen und die jeweilige Ungleichbehandlung nicht sehr intensiv sei. 4. Die Finanzierung der Pflichtversicherung Die Finanzierung der Pflichtversicherung wird von den Zusatzversorgungs- 260 kassen grundsätzlich eigenständig geregelt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 ATV/ATV-K; vgl. bereits Ziff. 4.1 des Altersvorsorgeplans 2001). Durch die Tarifvertragsparteien wurden allerdings eine Reihe von Eckpunkten zur Finanzierung festgelegt (vgl. §§ 15–18 ATV/ATV-K, §§ 37, 37a ATV, § 37a ATV-K; vgl. auch bereits Ziff. 1.4 und 4. des Altersvorsorgeplans 2001). Diese sind von den jeweiligen Zusatzversorgungskassen bei der Finanzierung zu beachten. Als Grundformen des Finanzierungsverfahrens bestehen grundsätzlich auf der einen Seite das sog. Kapitaldeckungsverfahren, bei dem die gezahlten Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 262
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Beiträge zur (Aus-)Finanzierung der jeweils individuell zugesagten Leistungen verwendet werden (Bildung eines Kapitalstocks), und auf der anderen Seite das Umlageverfahren, bei dem die Umlagezahlungen nicht zum Aufbau eines Kapitalstocks für den einzelnen Versicherten verwendet werden, sondern zur solidarischen Finanzierung der jeweils laufenden Renten der Zusatzversorgungskasse1. Bei den Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes bestand die Finanzierung bis zum Systemwechsel grundsätzlich im Wege eines modifizierten Umlageverfahrens, dem sog. Abschnittsdeckungsverfahren (vgl. zB § 61 VBLS; zur historischen Entwicklung der Finanzierung s.o. Rz. 21 ff.). Auch nach der Systemumstellung der Zusatzversorgung vom Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell bleibt die Umlagefinanzierung zunächst weitgehend beibehalten. Ein wesentlicher Gesichtspunkt der Systemumstellung der Zusatzversorgung war es jedoch, auch eine Umstellung der Finanzierung auf eine Kapitaldeckung zu ermöglichen. Bereits in Ziff. 1.4 des Altersvorsorgeplans 2001 sowie nachfolgend in § 15 Abs. 1 Satz 2 ATV/ATV-K wurde deshalb vorgesehen, dass entsprechend den Möglichkeiten der jeweiligen Zusatzversorgungskassen die Umlagefinanzierung schrittweise durch eine Kapitaldeckung abgelöst werden kann (sog. Kombinationsmodell). Für die Zusatzversorgungskassen besteht dabei die Möglichkeit, neben den (oder auch anstelle der) Umlagen Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren zu erheben, um so schrittweise eine Kapitaldeckung zu erreichen2. Die Einzelheiten können bei den verschiedenen Zusatzversorgungskassen unterschiedlich geregelt sein. Eine sofortige Umstellung auf eine vollständige Kapitaldeckung kam aufgrund des hierfür erforderlichen Finanzierungsaufwandes (für die im bisherigen Gesamtversorgungssystem entstandenen Rentenzahlungen, Anwartschaften und die nach dem neuen Punktemodell neu hinzu kommenden Anwartschaften) nicht in Betracht3. Auch in näherer Zukunft wird für die meisten Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes ein vollständiger Umstieg auf das Kapitaldeckungsverfahren nicht möglich sein4. a) Umlageverfahren 262
Von den Zusatzversorgungskassen wird jeweils eine monatliche Umlage in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (s.o. Rz. 190 ff.) der pflichtversicherten Beschäftigten festgelegt (§ 16 Abs. 1 ATV/ATV-K, § 64 VBLS, § 62 Abs. 1 AKA-MS). Im Abschnittsdeckungsverfahren ist der Umlagesatz dabei jeweils so festgelegt, dass die für die Dauer des Deckungsabschnitts zu entrichtende Umlage zusammen mit den übrigen zu erwartenden Einnahmen und dem verfügbaren Ver1 Eine anschauliche Gegenüberstellung des Umlageverfahrens gegenüber dem Kapitaldeckungsverfahren ist bei Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 159 ff. zu finden. 2 Zu den Finanzierungsmodellen vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 166 ff. 3 Mit Ausnahme der kirchlichen Zusatzversorgungskassen, die mit der Systemumstellung unmittelbar auf das Kapitaldeckungsverfahren übergewechselt sind; vgl. Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 247. 4 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 172.
1068
Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 263 Teil 11
mögen ausreicht, die Ausgaben während des Deckungsabschnittes sowie einer bestimmten darüber hinausgehenden Zeit (VBL: sechs Monate, AKA: häufig ein Jahr) zu erfüllen (§ 61 Abs. 1 VBLS, § 60 AKA-MS). Durch Ziff. 4.1 des Altersvorsorgeplans 2001 (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 2 VBLS, § 62 Abs. 1 AKA-MS) wurde durch die Tarifvertragsparteien dabei festgelegt, dass in der Pflichtversicherung die am 1.11.2001 geltenden Prozentsätze für die Erhebung der Umlage bei der jeweiligen Zusatzversorgungskasse maßgeblich bleiben (die Höhe der Umlage also auf die bei der jeweiligen Zusatzversorgungskasse am 1.11.2001 geltenden Prozentsätze eingefroren wird), soweit nicht in § 37 ATV (Sonderregelungen für die VBL) oder § 37a ATV/ATV-K (Sonderregelung für das Tarifgebiet Ost, s.u. Rz. 269 ff.) etwas abweichendes vorgesehen ist. In der VBL (Abrechnungsverband West) betrug der Umlagesatz zum 1.11.2001 7,7 %. Seit 1.1.2002 beträgt der Umlagesatz 7,86 %, § 64 Abs. 2 VBLS (aufgrund einer Erhöhung der Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Umlage durch Ziff. 4.2 des Altersvorsorgeplans, § 37 Abs. 1 ATV). Bei den kommunalen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen betrugen die Umlagesätze zum 1.11.2001 (und betragen insoweit weiterhin) zwischen 4 % bis 7,3 % im Tarifgebiet West1. Die Umlage ist vom Arbeitgeber – ggf. einschließlich eines von den Beschäftigten zu tragenden Umlage-Beitrags (s.u. Rz. 272 ff.) – an die Zusatzversorgungskasse abzuführen. Die Umlage ist jeweils in dem Zeitpunkt fällig, in dem das maßgebliche zusatzversorgungspflichtige Entgelt dem Pflichtversicherten zufließt (§ 64 Abs. 6 VBLS, § 65 AKA-MS). b) Sanierungsgelder Zwar wurden im Zusammenhang mit der Systemumstellung der Zusatz- 263 versorgung vom früheren Gesamtversorgungssystem auf das Punktemodell die Umlagesätze als solche auf den Stand November 2001 eingefroren. Es war allerdings bei der Systemumstellung absehbar, dass allein durch diese Umstellung die Schwierigkeiten der Finanzierung der Zusatzversorgung (welche der maßgebliche Auslöser für die Systemumstellung waren) nicht zu beheben und dass weitere Ausgabensteigerungen nicht auszuschließen sein würden. Die Tarifvertragsparteien hatten sich deshalb bereits durch Ziff. 4.1 des Altersvorsorgeplans 2001 darauf verständigt, dass ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf über die Umlage 2001 hinaus durch steuerfreie, pauschale Sanierungsgelder gedeckt werden sollte. Eine entsprechende Konkretisierung ist in § 17 ATV/ATV-K, § 65 VBLS, § 63 AKA-MS erfolgt. Derartige Sanierungsgelder dienen der Deckung des infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels vom Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell entstehenden zusätzlichen Finanzbedarfs und betreffen insoweit die Finanzierung der Ansprüche und Anwartschaften, die vor dem 1.1.2002 begründet worden sind (ohne dass durch die Zah-
1 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 163. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 264
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
lung solcher Sanierungsgelder eine Erhöhung der Versorgungsleistungen erfolgen würde). Die Erhebung derartiger Sanierungsgelder ist allerdings nur zulässig, wenn der Umlagesatz der jeweiligen Zusatzversorgungskasse zum 1.11.2001 mehr als 4 % betragen hatte (§ 17 Abs. 2 ATV/ATV-K). Im Abrechnungsverband Ost der VBL sowie bei den Zusatzversorgungskassen der neuen Bundesländer, bei denen der Umlagesatz jeweils niedriger war, kommt damit die Erhebung von Sanierungsgeldern nicht in Betracht. Gemäß den einschlägigen Satzungsregelungen können Sanierungsgelder erhoben werden, solange das Kassenvermögen der jeweiligen Zusatzversorgungskasse am Ende des Deckungsabschnitts ohne Berücksichtigung des Sanierungsgeldes den versicherungsmathematischen Barwert der zu diesem Zeitpunkt bestehenden und vor dem 1.1.2002 begründeten Ansprüche und Anwartschaften (voraussichtlich) unterschreitet (§ 65 Abs. 1 Satz 2 VBLS, § 63 Abs. 2 AKA-MS). Voraussetzung für die Erhebung von Sanierungsgeldern ist also das Bestehen eines tatsächlichen Sanierungsbedarfs. Bei der VBL wurde die Gesamthöhe der Sanierungsgelder für die Zeit ab 1.1.2002 auf 2,0 % der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte aller Pflichtversicherten im Jahr 2001 festgelegt. Dabei ist diese Summe der Entgelte jährlich entsprechend der Anpassung der Betriebsrenten gemäß § 39 VBLS (1 %-Anpassung) zu erhöhen, dementsprechend findet also eine Dynamisierung auch des Sanierungsgeldes statt (vgl. § 65 Abs. 2 VBLS). 264
Zur Verteilung dieses am tatsächlichen Finanzierungsbedarf ausgerichteten Gesamtumfangs der Sanierungsgelder auf die einzelnen Beteiligten/ Mitglieder der jeweiligen Zusatzversorgungskasse enthielt bereits Ziff. 4.3 des Altersvorsorgeplans 2001 Vorgaben, die in die Satzungsregelungen der jeweiligen Zusatzversorgungskassen einbezogen wurden: Die Verteilung der Sanierungsgelder bestimmte sich demgemäß nach dem Verhältnis der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten der jeweiligen Zusatzversorgungskasse zuzüglich der neunfachen (Kassen der AKA: fünffachen) Rentensumme aller Renten zu den entsprechenden Werten, die dem jeweiligen Arbeitgeber bzw. den jeweiligen Arbeitgeberverbänden zuzurechnen sind (§ 65 Abs. 3, 4 VBLS, § 63 Abs. 3 AKA-MS). Die Verteilung erfolgt dabei im Wesentlichen nach Arbeitgebergruppen (Bund, Mitglieder der TdL, Mitglieder der KAV sowie sonstige Arbeitgeber). Diese etwas gröbere Aufteilung wurde allerdings bei der VBL insbesondere durch kommunale und sonstige Arbeitgeber beanstandet. Dies hatte zur Folge, dass für die Zeit ab 2006 eine stärker verursachungsgerechte Differenzierung der Verteilung der Sanierungsgelder vorgenommen wird1.
1 Bei der VBL wurde dies zum 1.1.2006 durch die 7. bis 9. Satzungsänderung umgesetzt, zu den Einzelheiten vgl. § 65 Abs. 5a VBLS mit den hierzu bestehenden Ausführungsbestimmungen. Vgl. zu diesen generell stärker differenzierenden Regelungen bei den Kassen der AKA und der VBL Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung Rz. 256 ff.; Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes BetrAV 2007, 537 (542).
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 267 Teil 11
Im Bereich der VBL hatte bis zum Ende des Jahres 2005 (noch vor der 7. Sat- 265 zungsänderung) eine große Anzahl von Arbeitgebern (ca. 1700 Beteiligte) die Erhebung der Sanierungsgelder beanstandet und die Rückzahlung der seit 2002 (vermeintlich) zu viel gezahlten Sanierungsgelder gefordert. Gegen die VBL war insoweit vor dem LG Karlsruhe eine als Pilotverfahren konzipierte Klage auf Rückzahlung überzahlter Sanierungsgelder erhoben worden, auf die sich auch die anderen Beteiligten stützten. Nachdem die VBL zunächst zur Vermeidung einer Vielzahl von Einzelverfahren auf die Einrede der Verjährung bis 31.1.2007 verzichtet hatte, wurde mit einer großen Anzahl der betroffenen Arbeitgeber (allerdings nicht mit allen) eine Musterprozessvereinbarung geschlossen. Das LG Karlsruhe hatte in ersten Entscheidungen vom 31.3.20081 die Rechtmäßigkeit der Erhebung der Sanierungsgelder bei der VBL in erster Instanz festgestellt. Diese Entscheidungen wurden auch durch das OLG Karlsruhe2 bestätigt. Durch das LG Karlsruhe wurde diese Rechtsprechung zwischenzeitlich erneut bekräftigt und weiter entwickelt3. c) Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren Beim Kapitaldeckungsverfahren werden die Beiträge für die Finanzierung der individuellen Ansprüche/Anwartschaften des einzelnen Versicherten verwendet, sie sind also einschließlich der jeweiligen Erträge aus dem gebildeten Kapital (welche die versicherte Leistung über die Zuteilung von Bonuspunkten erhöhen) jeweils dem individuellen Versicherten zugeordnet4.
266
Die Erhebung von Beiträgen im Kapitaldeckungsverfahren ist in § 18 ATV/ ATV-K sowie in § 66 VBLS bzw. den §§ 62 und 64 AKA-MS geregelt. § 18 Abs. 1 ATV/ATV-K sieht dabei vor, dass die Höhe der vom Arbeitgeber zu tragenden Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren auf 4 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (Zielgröße der Umstellung auf das Punktemodel) begrenzt ist. § 18 Abs. 2 und Abs. 3 ATV/ATV-K stellt klar, dass diese Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren einschließlich der daraus erzielten Zinserträge auf einem gesonderten personenbezogenen Versorgungskonto (Versorgungskonto II) getrennt zu führen und zu verwalten sind. Bei der VBL ist in § 66 VBLS zwar vorgesehen, dass Beiträge für eine 267 schrittweise Umstellung des Finanzierungsverfahrens auf eine Kapitaldeckung erhoben oder zugelassen werden können. Tatsächlich ist dies bei der VBL im Abrechnungsverband West derzeit jedoch nicht der Fall (zu den Besonderheiten des Abrechnungsverbandes Ost der VBL s.u. Rz. 269 ff.). 1 LG Karlsruhe v. 31.3.2008 – 6 O 34/07 sowie 6 O 38/07. Vgl. hierzu auch Wein, Aktuelle Rechtsprechung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, BetrAV 2007, 537 (542). 2 OLG Karlsruhe v. 3.3.2009 – 12 U 81/08. 3 LG Karlsruhe v. 13.2.2009 – 6 O 41/07. Das LG Karlsruhe hält in dieser Entscheidung eindeutig fest, dass auch die in § 65 Abs. 4 VBLS enthaltene Gruppenbildung rechtlich nicht zu beanstanden ist. 4 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 177. Betz-Rehm
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Teil 11
268
Rz. 268
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Bei den Zusatzversorgungskassen der AKA ist hinsichtlich der Erhebung von Beiträgen im Kapitaldeckungsverfahren noch zwischen sog. Pflichtbeiträgen und Zusatzbeiträgen zu unterscheiden. Pflichtbeiträge (§ 62 Abs. 1 AKA-MS) werden im Rahmen einer vollständige Kapitaldeckung anstelle einer Umlage erhoben. Mehrere kommunale Zusatzversorgungskassen haben in diesem Zusammenhang neben der umlagefinanzierten Pflichtversicherung einen sog. Abrechnungsverband II geschaffen, in dem die Ansprüche/Anwartschaften aus der Pflichtversicherung vollständig kapitalgedeckt finanziert werden. Dieser Abrechnungsverband II ist zum einen für neu eintretende Mitglieder der Zusatzversorgungskasse interessant, welche die Pflichtversicherung ihrer Arbeitnehmer von Anfang an in diesem kapitalgedeckten System führen können. Zum anderen besteht bei solchen Zusatzversorgungskassen die Möglichkeit, dass auch bisher an der Umlagefinanzierung teilnehmende Arbeitgeber in den kapitalgedeckten Abrechnungsverband II wechseln (§ 55 Abs. 1a Satz 2 AKA-MS). In einem solchen Fall besteht allerdings eine Verpflichtung des Mitglieds, seine bestehenden Versorgungsverpflichtungen auszufinanzieren, also den sog. Ausgleichsbetrag (§ 15 AKA-MS) an die Zusatzversorgungskasse zu leisten (s.o. Rz. 116 ff.). Zusatzbeiträge (§ 64 AKA-MS) werden von Zusatzversorgungskassen, die das sog. Kombinationsmodell anwenden, neben den Umlagen erhoben. Sie dienen der schrittweisen Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren. Durch solche Zusatzbeiträge werden jeweils Teile der (neu entstehenden) Anwartschaften (Versorgungspunkte) kapitalgedeckt finanziert. Derartige Zusatzbeiträge werden (außer durch einige Zusatzversorgungskassen in Westdeutschland, zB der ZVK Bayern) insbesondere durch die kommunalen Zusatzversorgungskassen in den neuen Bundesländern erhoben1. d) Besonderheiten im Abrechnungsverband Ost der VBL
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In den neuen Bundesländern wurde die Zusatzversorgung zum 1.1.1997 eingeführt. Vor dem Hintergrund, dass dort keine „Altlasten“ entsprechend der Entwicklung der Zusatzversorgung im Westen zu finanzieren waren, wurde bei der VBL für die Zusatzversorgung in den neuen Bundesländern ein eigener Abrechnungsverband Ost (§ 61 Abs. 5 VBLS) mit einem Umlagesatz ab dem 1.1.1997 in Höhe von lediglich 1,0 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (§ 64 Abs. 2 Satz 3 VBLS) eingerichtet. Für die Zeit vom 1.1.2003 bis 31.12.2003 erhöhte sich dieser Umlagesatz (im Hinblick auf die zum 1.1.2003 durch § 37a ATV/ATV-K eingeführte Beteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung der Pflichtversicherung im Tarifgebiet Ost) auf 1,2 %. Seit 1.1.2004 beträgt dieser Umlagesatz im Abrechnungsverband Ost wieder 1,0 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts.
1 Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 251 f.; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 179.
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 271 Teil 11
Der Abrechnungsverband Ost der VBL umfasst grundsätzlich die Versicherungen aus dem Beitrittsgebiet (§ 61 Abs. 5 VBLS)1. Für Pflichtversicherungen von Beschäftigten, deren zusatzversorgungspflichtiges Entgelt sich nach Tarifvertragsregelungen für das Tarifgebiet West bemisst, bleibt allerdings der Umlagesatz West auch nach einem Wechsel auf einen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet bei demselben Arbeitgeber maßgeblich (§ 64 Abs. 2 Satz 4 VBLS).
270
Zum 1.1.2004 wurde durch § 66a VBLS im Abrechnungsverband Ost der 271 VBL schließlich das Kombinationsmodell (Mischfinanzierung) eingeführt. Zusätzlich zu der ab diesem Zeitpunkt geltenden Umlage von 1 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts werden demgemäß Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren erhoben. Zur Höhe dieser Beiträge sieht § 66a Abs. 2 VBLS vor, dass sie ab 1.1.2004 zunächst 1,0 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (einschließlich eines Eigenanteils der Pflichtversicherten, s.u. Rz. 272 ff.) betragen. Für jeden Prozentpunkt, um den der allgemeine Bemessungssatz Ost von 92,5 % angehoben wird, sollen sich sodann auch die Beiträge zum Kapitaldeckungsverfahren im Abrechnungsverband Ost zeitgleich um 0,4 Prozentpunkte (bei einer nicht in vollen Prozentpunkten erfolgenden Anhebung des allgemeinen Bemessungssatzes Ost anteilig) erhöhen. Aufgrund der unterschiedlichen Tarifentwicklung im Tarifgebiet Ost und der insoweit seit 1.7.2005 für die Bereiche Bund, Länder und Kommunen geltenden unterschiedlichen Bemessungssätze hatte man bei der VBL allerdings zunächst entschieden, den Beitragssatz für alle Beteiligten des Abrechnungsverbandes Ost einheitlich bei 1,0 % zu belassen. Durch satzungsergänzenden Beschluss des Verwaltungsrates der VBL vom 23.11.20072 wurde die Anhebung des Beitragssatzes zum 1.1.2008 zwischenzeitlich konkretisiert. Für Beteiligte, die das Tarifrecht der VKA anwenden, beträgt der Beitragssatz ab dem 1.1.2008 einheitlich 4 %. Für die Bereiche Bund und Länder ist keine stufenweise Anhebung des Bemessungssatzes vorgesehen. Es kommt insoweit auf die (durch den Arbeitgeber vorzunehmende) Zuordnung zu den Entgelt- bzw. Vergütungsgruppen an. Für Arbeitnehmer mit EG 1 bis EG 9 bzw. BAT X bis BAT Vb kommt es zum 1.1.2008 ebenfalls zu einer Anhebung des Beitragssatzes auf 4 %. Für Arbeitnehmer mit EG 10 bis EG 15Ü bzw. BAT Va bis BAT I bleibt es zunächst bei einem Beitragssatz von 1 %; für diesen Bereich tritt eine Erhöhung des Beitragssatzes auf 4 % zum 1.1.2010 ein. Für Arbeitgeber, die das Tarifrecht nicht unmittelbar anwenden, ist der Beitragssatz desjenigen Tarifbereichs entscheidend, dem sie in tatsächlicher Hinsicht (unabhängig von der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband) zugeordnet werden kön-
1 Nach Gilbert/Hesse, § 21 VBLS Rz. 13, ist für die Zuordnung zum jeweiligen Abrechnungsverband vorrangig die sozialversicherungsrechtliche Einordnung maßgebend, also die Frage, ob die Rechengrößen (insbesondere die Beitragsbemessungsgrenze) der gesetzlichen Rentenversicherung West oder Ost anzuwenden sind. 2 Dieser Beschluss kann unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter/Satzung) abgerufen werden. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 272
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
nen1. Von 2010 an gilt im Abrechnungsverband Ost für alle Beteiligten ein einheitlicher Beitragssatz von 4 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. e) Beteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung 272
Eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung der Zusatzversorgung hatte bereits im Rahmen des früheren Gesamtversorgungssystems im Tarifgebiet West bestanden. Im Rahmen der Lohnrunde 1998 hatten sich die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes darauf geeinigt, dass ein über 5,2 % der Entgelte hinausgehender Finanzierungsbedarf von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern je zur Hälfte getragen werden sollte. Bei der VBL betrug der Umlagesatz ab Januar 1999 7,7 % mit einer dementsprechenden Beteiligung der Arbeitnehmer an der Umlage in Höhe von 1,25 % (vgl. § 64 Abs. 3 Satz 1 VBLS). Bei vielen kommunalen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen lag der Umlagesatz demgegenüber noch unter dieser Grenze (im Abrechnungsverband Ost der VBL sowie bei den Zusatzversorgungskassen der neuen Bundesländer war dies durchgängig der Fall), so dass eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung dort nicht bestand.
273
Bereits durch Ziff. 4.1 Abs. 3 des Altersvorsorgeplans 2001 hatten die Tarifvertragsparteien deutlich gemacht, dass im Zusammenhang mit der Systemumstellung der Zusatzversorgung eine über den damaligen Status quo2 hinausgehende Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung nicht beabsichtigt war. Dementsprechend wurde durch § 16 Abs. 1 Satz 3 ATV/ATV-K vorgesehen, dass für die Beteiligung der Pflichtversicherten an der Finanzierung die am 1.11.2001 geltenden Prozentsätze für die Erhebung der Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Umlage grundsätzlich weiterhin unverändert maßgeblich bleiben sollten. Abweichend von diesem Grundsatz wurde für die VBL (Tarifgebiet West) eine Anhebung der Eigenbeteiligung auf 1,41 % ab dem 1.1.2002 vereinbart (§ 37 Abs. 1 ATV, § 64 Abs. 3 Satz 1 VBLS, vgl. bereits Ziff. 4.2 des Altersvorsorgeplans 2001). Für den Bereich der kommunalen Zusatzversorgungskassen der AKA besteht eine Beteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung der Zusatzversorgung seither nur, wenn und soweit bereits am 1.11.2001 eine entsprechende Eigenbeteiligung an der Umlage bestand.
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Im Abrechnungsverband Ost der VBL sowie bei den Zusatzversorgungskassen der neuen Bundesländer bestand damit auch nach der Systemumstellung zunächst keine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung. Mit Wirkung ab 1.1.2003 wurde allerdings durch den Ände1 Weitergehende Erläuterungen finden sich in der VBLinfo, Ausgabe 1/Januar 2008. Diese kann unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter/VBLinfo) abgerufen werden. 2 Angesichts der Finanzierungsprobleme der Zusatzversorgung im Rahmen des Gesamtversorgungssystems war ein Anstieg der Umlagen auf bis zu 15 % (bei der VBL) unmittelbar absehbar, was auch zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Arbeitnehmer geführt hätte, vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 164.
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Betz-Rehm
Rz. 277 Teil 11
VI. Die Pflichtversicherung
rungstarifvertrag Nr. 1 mit einer Neuregelung in § 37a ATV/ATV-K eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung der Pflichtversicherung auch für das Tarifgebiet Ost (Abrechnungsverband Ost der VBL und die Zusatzversorgungskassen der neuen Bundesländer) in Höhe von 0,2 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts ab 1.1.2003 und 0,5 % ab 1.1.2004 eingeführt. Für jeden Prozentpunkt, um den der allgemeine Bemessungssatz Ost von 92,5 % angehoben wird, soll sich sodann auch der Arbeitnehmerbeitrag an der Finanzierung der Pflichtversicherung zeitgleich um 0,2 Prozentpunkte (bei einer nicht in vollen Prozentpunkten erfolgenden Anhebung des allgemeinen Bemessungssatzes Ost anteilig) bis zu einem Höchstsatz von 2 % erhöhen. In der VBL wurde diese Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung im Abrechnungsverband Ost für die Zeit vom 1.1.2003 bis 31.12.2003 zunächst im Wege einer Beteiligung an der Umlage in Höhe von 0,2 % umgesetzt (§ 64 Abs. 3 Satz 3 VBLS). Mit dem Einstieg in das Kapitaldeckungsverfahren des Abrechnungsverbandes Ost der VBL wurde diese Arbeitnehmerbeteiligung an der Umlage schließlich durch eine hälftige Beteiligung der Arbeitnehmer an den Beiträgen zum Kapitaldeckungsverfahren im Abrechnungsverband Ost der VBL gemäß § 66a Abs. 3 VBLS abgelöst (zum Anstieg der Beiträge zum Kapitaldeckungsverfahren im Abrechnungsverband Ost der VBL ab 1.1.2008 und der daraus folgenden steigenden Arbeitnehmerbeteiligung s.o. Rz. 271). Eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an den Zusatzbeiträgen einer kommunalen Zusatzversorgungskasse (§ 64 AKA-MS) im Tarifgebiet West hat das BAG in einer Entscheidung vom 30.5.20061 auf der Basis einer arbeitsvertraglichen Verweisung auf den BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge (ATV-K) abgelehnt.
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Soweit keine aufgrund unmittelbarer Tarifbindung bestehende Verpflichtung zur Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Pflichtversicherung gegeben ist, hängt es von den arbeitsvertraglichen Absprachen ab, ob eine entsprechende Eigenbeteiligung zur Anwendung kommt (zB auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme der maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen).
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f) Schuldner der Aufwendungen für die Pflichtversicherung Schuldner der Aufwendungen für die Pflichtversicherung (Umlagen, Sanie- 277 rungsgelder, Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren) einschließlich einer etwaigen tarif- oder arbeitsvertraglich vereinbarten Eigenbeteiligung der Pflichtversicherten ist der beteiligte Arbeitgeber (§ 63 Abs. 1 VBLS, § 61 AKA-MS). Dieser ist also gegenüber der jeweiligen Zusatzversorgungskasse unmittelbar zur Zahlung der gesamten jeweils vorgesehenen Aufwendungen aus dem Versicherungsverhältnis der Pflichtversicherung verpflichtet. Ob und inwieweit eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer erfolgt, welche 1 BAG v. 30.5.2006 – 3 AZR 273/05, AP Nr. 65 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 278
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
vom Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt einbehalten werden kann, richtet sich demgegenüber nach den maßgeblichen tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Regelungen. g) Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Aufwendungen für die Pflichtversicherung aa) Umlage 278
Umlagezahlungen unterlagen bereits vor der Systemumstellung der vorgelagerten Besteuerung im Rahmen einer Pauschalversteuerung nach § 40b EStG. Angesichts zunehmender Kritik1 an dieser ständigen Praxis der Finanzverwaltung hatte der Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 2007 in § 19 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine klarstellende Regelung eingefügt, dass laufende Beiträge und laufende Zuwendungen des Arbeitgebers aus einem bestehenden Dienstverhältnis für eine betriebliche Altersversorgung an eine Pensionskasse (wie dies die Zusatzversorgungskassen zumindest im steuerrechtlichen Sinn durchgehend sind2) grundsätzlich zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören3. Eine Steuerfreiheit der Umlagezahlungen gemäß § 3 Nr. 63 EStG scheidet aus, da der Gesetzgeber diese Regelung durch das Alterseinkünftegesetz (rückwirkend zum 1.1.2002) ausdrücklich auf eine kapitalgedeckte Altersversorgung beschränkt und damit die umlagefinanzierte Zusatzversorgung ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich von § 3 Nr. 63 EStG herausgenommen hat. Diesen Standpunkt hatte die Finanzverwaltung bereits zuvor vertreten4.
1 Gefordert wird insoweit statt der vorgelagerten Besteuerung der Aufwendungen eine nachgelagerte Besteuerung der Leistungen der Zusatzversorgung; vgl. hierzu Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 276 f., 281 ff.; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 184. 2 Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 182f; Blomeyer/Rolfs/Otto, § 18 BetrAVG Rz. 7. 3 Zwar hatte das FG Niedersachsen in einem Urteil v. 11.1.2007 – 11 K 307/06, DStRE, 2007, 599 zur Rechtslage vor dem Jahressteuergesetz 2007 zunächst noch entschieden, die Umlagezahlungen stellten keine steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Diese Entscheidung wurde allerdings zwischenzeitlich durch den BFH mit Urteil v. 7.5.2009 – VI R 8/07, DStR 2009, 1522 aufgehoben. In diesem Urteil stellt der BFH eindeutig fest, dass Umlagezahlungen des Arbeitgebers an die VBL, die dem Arbeitnehmer einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die VBL verschaffen, im Zeitpunkt ihrer Zahlung zu Arbeitslohn führen. § 3 Nr. 63 EStG sei auf die Umlagezahlungen nicht anwendbar. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat der BFH zudem mit Urteilen v. 7.5.2009 – VI R 16/07, VI R 5/08 und VI R 37/08 dazu Stellung genommen, welche einkommensteuerrechtlichen Folgen beim Arbeitnehmer das Ausscheiden seines Arbeitgebers aus der VBL hat. 4 Die Finanzverwaltung hatte bereits nach dem Inkrafttreten des Altersvermögensgesetzes (dessen Fassung von § 3 Nr. 63 EStG noch nicht die ausdrückliche Einschränkung auf eine kapitalgedeckte Altersversorgung enthielt) diese Auffassung vertreten (BMF-Schreiben v. 5.8.2002 – IV C 4 - S 2222-295/02, BStBl. I 2002, 767 ff.). Aktuell vgl. BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 204.
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VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 278 Teil 11
Wie bereits vor der Systemumstellung der Zusatzversorgung kommt demgegenüber für die Umlagezahlungen weiterhin eine Pauschalbesteuerung gemäß § 40b EStG in Betracht. Im Rahmen dieser Bestimmung, die seit dem 1.1.2005 durch das Alterseinkünftegesetz ausdrücklich auf die umlagefinanzierte (Zusatz-)Versorgung beschränkt wurde, können die Zuwendungen des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis zum Aufbau einer nicht kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung an eine Pensionskasse bis zu einem Höchstbetrag von 1752 Euro im Kalenderjahr pauschal mit einem Pauschalsteuersatz von 20 % versteuert werden. § 40b EStG in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes gilt dabei unterschiedslos sowohl für vor dem 1.1.2005 erteilte Altzusagen, als auch für nach diesem Zeitpunkt erteilte Neuzusagen1. Die Pauschalsteuer trägt der Arbeitgeber. Durch § 16 Abs. 2 ATV/ATV-K ist in diesem Zusammenhang tarifvertraglich festgelegt, dass der Arbeitgeber die auf ihn entfallende Umlage bis zu einem Betrag von monatlich 89,48 Euro (bei der VBL im Tarifgebiet West: 92,03 Euro, § 37 Abs. 2 ATV) pauschal zu versteuern hat, dh., der für eine Pauschalversteuerung zur Verfügung stehende Rahmen des § 40b EStG ist insoweit tarifvertraglich eingeschränkt. Darüber hinausgehende Umlagezahlungen werden mit dem individuellen Steuersatz des jeweiligen Pflichtversicherten versteuert, wobei diese „normale“ Lohnversteuerung vom Arbeitnehmer zu tragen ist2. Durch das Jahressteuergesetz 2007 wurde schließlich (nicht zuletzt im Hinblick auf die Kritik an der Ausnahme der Umlage aus dem System der nachgelagerten Besteuerung) für die Zeit ab 1.1.2008 eine stufenweise Einbeziehung der Umlagezahlungen in das System der nachgelagerten Besteuerung (mit steuerfreien Zahlungen in der „Ansparphase“) vorgesehen. Die insoweit neu geschaffene Regelung in § 3 Nr. 56 EStG3 sieht vor, dass Umlagezahlungen aus dem ersten Dienstverhältnis ab 1.1.2008 in Höhe von maximal 1 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (West) steuerfrei bleiben. Dieser Höchstbetrag erhöht sich zum 1.1.2014 auf 2 %, zum 1.1.2020 auf 3 % und zum 1.1.2025 auf 4 %. Diese steuerfreien Beträge der Umlage sind allerdings gemäß § 3 Nr. 56 EStG um die nach § 3 Nr. 63 Satz 1, 3 oder 4 steuerfreien Beträge zu mindern, dh., sie stehen nur insoweit zur Verfügung, als sie nicht durch andere nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfreie Zahlungen aufgebraucht sind. Dies bedeutet, dass Beiträge des Arbeitgebers im Kapitaldeckungsverfahren (zB bei der VBL im Abrechnungsverband Ost oder bei kommunalen Zusatzversorgungskassen mit Mischfinanzierung) ebenso wie Beiträge der Arbeitnehmer zur freiwilligen Versicherung, die im Wege einer Entgeltumwandlung 1 Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 295; vgl. BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 243, 260. 2 Bei den genannten tarifvertraglichen Grenzwerten handelt es sich um Monatsbeträge, dh., nicht voll ausgeschöpfte Beträge können nicht durch andere Monate aufgefüllt werden; vgl. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 185 f. 3 Vgl. hierzu BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 236 ff.; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 278 ff.; Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 184a. Betz-Rehm
1077
Teil 11
Rz. 279
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
durchgeführt wird, den Steuerfreibetrag des § 3 Nr. 56 EStG mindern oder ganz aufzehren1. Soweit die Versorgungsleistungen durch steuerfreie Umlagen erworben werden, unterliegen diese dann (wie bei der kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung) vollständig der nachgelagerten Besteuerung2 (§ 22 Nr. 5 EStG). 279
Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Umlagezahlungen ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a iVm. § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 SvEV geregelt. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a SvEV sind an sich die nach § 3 Nr. 56 EStG steuerfreien bzw. gemäß § 40b EStG pauschalbesteuerten Zuwendungen (= Arbeitgeberumlagen der Zusatzversorgung) nicht dem sozialversicherungspflichtigen Entgelt zuzurechnen und würden damit nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterliegen. Diese Beitragsfreiheit wird allerdings durch die für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes geltenden Sonderregelungen3 in § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 SvEV eingeschränkt bzw. wieder aufgehoben. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 SvEV wird die Summe des steuerfreien Teils der Umlage gemäß § 3 Nr. 56 EStG und des pauschal besteuerten Teils der Umlage gemäß § 40b EStG durch einen sog. Hinzurechnungsbetrag in Höhe von 2,5 % des für ihre Bemessung maßgeblichen Entgelts dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt hinzugerechnet; von diesem Betrag sind monatlich 13,30 Euro abzuziehen. Soweit die Summe des steuerfreien Teils der Umlage gemäß § 3 Nr. 56 EStG und des pauschal besteuerten Teils der Umlage gemäß § 40b EStG über monatlich 100 Euro hinausgeht, sind die Arbeitgeberumlagen der Zusatzversorgung dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt in voller Höhe zuzurechnen. Auch derjenige Teil der Arbeitgeberumlage, der weder steuerfrei gemäß § Nr. 56 EStG ist noch einer Pauschalversteuerung nach § 40b EStG unterliegt (wegen eines Überschreitens der durch § 16 Abs. 2 bzw. § 37 Abs. 2 ATV/ATV-K festgelegten Höchstgrenzen der Pauschalbesteuerung von 89,48 Euro bzw. 92,03 Euro) ist voll dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt hinzuzurechnen4. 1 Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 279 f. 2 Zur Versteuerung der Versorgungsleistungen, insbesondere zur Aufteilung zwischen geförderten und nicht geförderten Leistungen, vgl. BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 268 ff. 3 Die Zusatzversorgung sah gerade bis zum 31.12.2000 eine Gesamtversorgung vor, vgl. den Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 3 SvEV. 4 Zur Sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Zuwendungen der Zusatzversorgung weiterführend (auch mit Hinweisen zum historischen Hintergrund des sog. Hinzurechnungsbetrages sowie mit instruktiven Berechnungsbeispielen und auch mit kritischen Anmerkungen zur geltenden Rechtslage) Hügelschäffer, Zweifel an der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Umlagezahlungen, BetrAV 2008, 160; Sieben, Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Zuwendungen des Arbeitgebers zu umlagefinanzierten Pensionskassen aufgrund des ab 1.1.2008 geltenden Rechts, BetrAV 2008, 169. Zwischenzeitlich haben auch die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in einem gemeinsamen Rundschreiben v. 25.9.2008 zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Beiträgen und Zuwendungen zum Aufbau betrieblicher Altersversorgung, abrufbar zB über das Firmenkundenportal der Techniker Krankenkasse unter www.tk-online.de (Fir-
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Betz-Rehm
VI. Die Pflichtversicherung
Rz. 281 Teil 11
Die Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer an der Umlage wird vom Arbeitgeber aus dem versteuerten und verbeitragten Nettolohn einbehalten1. Sie ist also weder nach § 40b EStG noch nach § 3 Nr. 56 EStG2 steuerlich begünstigt und unterliegt als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt insoweit auch der „normalen“ Beitragspflicht in der Sozialversicherung.
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bb) Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren Beiträge im Kapitaldeckungsverfahren (also zB die Arbeitgeberbeiträge zum Kapitaldeckungsverfahren im Abrechnungsverband Ost der VBL gemäß § 66a VBLS, Arbeitgeberbeiträge an kommunale Zusatzversorgungskassen mit Mischfinanzierung bzw. zum kapitalgedeckten Abrechnungsverband II sowie Beiträge der Arbeitnehmer zur freiwilligen Versicherung, wenn diese im Rahmen einer Entgeltumwandlung betrieben werden) sind unter den Voraussetzungen und in den Grenzen des § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei3. Gemäß § 3 Nr. 63 EStG sind Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an eine Pensionskasse zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung bis zur Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (West) steuerfrei. Es handelt sich um einen Jahresbetrag, dh., eine zeitanteilige Kürzung ist nicht vorzunehmen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht während des ganzen Jahres besteht oder nicht für das ganze Jahr Beiträge gezahlt werden. Der Höchstbetrag erhöht sich um 1800 Euro, wenn die Beiträge aufgrund einer Versorgungszusage geleistet werden, die nach dem 31.12.2004, sog. „Neuzusage“, erteilt wurde (§ 3 Nr. 63 Satz 3 EStG)4.
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menkundenportal/TK-lex online), zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Beiträge, Umlagen und sonstigen Zuwendungen zur Finanzierung der Zusatzversorgung Stellung genommen. Ausführungen zur Verbeitragung der Umlagen finden sich mit Berechnungsbeispielen dort unter Nr. 6.2. Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 187. Vgl. BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 237 aE. Vgl. hierzu Langenbrinck/Mühlstädt, Rz. 190 ff. Der zusätzliche Erhöhungsbetrag kann jedoch nicht in Anspruch genommen werden, wenn für den Arbeitnehmer in dem Kalenderjahr Beiträge gemäß § 40b EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung pauschal besteuert werden (§ 52 Abs. 6 Satz 3 EStG), was für sog. Altzusagen (§ 52 Abs. 52b EStG), also vor dem 1.1.2005 erteilte Zusagen grundsätzliche neben § 3 Nr. 63 EStG anstelle des Erhöhungsbetrages von 1800 Euro in Betracht kommen kann. Einzelheiten zur steuerlichen Förderung im Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG sowie zur Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen vgl. BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 202 ff. (zum Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG), Rz. 245 ff. (zur Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen). Zur Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen im Bereich der Zusatzversorgung vgl. auch Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 301 ff. Die Anwendung von § 40b EStG nF, dh. die Pauschalversteuerung von Umlagen, hindert die Inanspruchnahme des Erhöhungsbetrages von 1800 Euro nicht (BMF-Schreiben v. 20.1.2009, a.a.O., Rz. 260). Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 282
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
282
Zu beachten ist, dass Eigenbeiträge der Arbeitnehmer im Kapitaldeckungsverfahren (also insbesondere Eigenbeiträge der Arbeitnehmer im Tarifgebiet Ost gemäß § 37a ATV/ATV-K, soweit diese im Kapitaldeckungsverfahren erhoben werden, wie zB bei der VBL gemäß § 66a VBLS) nicht unter § 3 Nr. 63 EStG fallen, da es sich insoweit nach Auffassung der Finanzverwaltung1 nicht um „Beiträge des Arbeitgebers“ handelt.
283
Soweit kapitalgedeckte Beiträge nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei sind werden sie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV bis zur Grenze von insgesamt 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (West)2 auch nicht dem sozialversicherungspflichtigen Entgelt hinzugerechnet und bleiben damit auch in der Sozialversicherung beitragsfrei3. Soweit bei einer bis 31.12.2004 erteilten Altzusage kapitalgedeckte Beiträge nach § 40b EStG aF pauschal versteuert werden, zählen auch diese gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SvEV nicht zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt. cc) Sanierungsgelder
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Sanierungsgelder gehören gemäß der durch das Jahresteuergesetz 2007 eingefügten klarstellenden4 Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 und 4 EStG nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und sind damit steuerfrei. Zu den nicht zu besteuernden Sanierungsgeldern gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 EStG die Sonderzahlungen des Arbeitgebers, die er anlässlich der Umstellung der Finanzierung des Versorgungssystems von der Umlagefinanzierung auf die Kapitaldeckung für die bis zur Umstellung bereits entstandenen Versorgungsverpflichtungen oder -anwartschaften noch zu leisten hat. Gleiches gilt für Zahlungen, die der Arbeitgeber im Falle der Umstellung auf der Leistungsseite für diese vor der Umstellung bereits entstandenen Versorgungsverpflichtungen und -anwartschaften leistet5. 1 BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 205. 2 Der zusätzliche steuerfreie Betrag von 1800 Euro gemäß § 3 Nr. 63 EStG ist demgegenüber nicht sozialversicherungsfrei. 3 Zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Beiträge vgl. die Ausführungen unter Nr. 5.2 des gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 25.9.2008 zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Beiträgen und Zuwendungen zum Aufbau betrieblicher Altersversorgung. 4 Zuvor hatte bereits der BFH durch Urteil v. 14.9.2005 – VI R 32/04, DB 2005, 2445, festgestellt, dass mit der Zahlung von Sanierungsgeldern im Zusammenhang mit der Schließung des Umlagesystems dem Arbeitnehmer kein steuerpflichtiger Arbeitslohn zufließt. 5 Zum Begriff der Sanierungsgelder und den Anforderungen der Finanzverwaltung vgl. BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 200 f.: Die Finanzverwaltung verlangt, dass eine deutliche Trennung zwischen bereits entstandenen und neu entstehenden Versorgungsverpflichtungen und -anwartschaften sichtbar, der finanzielle Fehlbedarf zum Zeitpunkt der Umstellung hinsichtlich der bereits entstandenen Versorgungsverpflichtungen und -anwart-
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Betz-Rehm
VII. Die freiwillige Versicherung
Rz. 287 Teil 11
Sanierungsgelder sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 SvEV sozialversicherungsfrei1.
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VII. Die freiwillige Versicherung 1. Grundlagen a) Rechtsgrundlagen und Arten der freiwilligen Versicherung Rechtsgrundlage der freiwilligen Versicherung sind die §§ 26 und 27 ATV/ ATV-K sowie § 54 VBLS bzw. § 23 AKA-MS, jeweils in Verbindung mit speziellen allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)2 für die freiwillige Versicherung.
286
Die Tarifvertragsparteien haben in § 26 Abs. 3 ATV/ATV-K vorgesehen, dass die freiwillige Versicherung entweder in Anlehnung an das Punktemodell erfolgen kann (s.u. Rz. 297 ff.), wahlweise aber auch als fondsgebundene Rentenversicherung (s.u. Rz. 302 ff.), sofern die jeweilige Zusatzversorgungskasse Entsprechendes anbietet. Eine fondsgebundene Rentenversicherung wird neben der freiwilligen Versicherung in Anlehnung an das Punktemodell allerdings bisher nur bei der VBL angeboten (sog. VBLdynamik). b) Finanzierung der freiwilligen Versicherung und Versicherungsnachweis Die freiwillige Versicherung ist bei den Zusatzversorgungskassen vollständig kapitalgedeckt finanziert. Es existiert für die kapitalgedeckte freiwillige Versicherung ein von der Pflichtversicherung getrennter Abrechnungsverschaften ermittelt und dass dieser Betrag ausschließlich vom Arbeitgeber als Zuschuss geleistet wird. 1 Vgl. Nr. 6.5.1 des gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 25.9.2008 zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Beiträgen und Zuwendungen zum Aufbau betrieblicher Altersversorgung. 2 Für die VBL sind dies die AVBextra 01 und 02 für die freiwillige Versicherung in Anlehnung an das Punktemodell und die AVBdynamik 01 und 02 für die freiwillige fondsgebundene Rentenversicherung; beide können auf der Homepage der VBL unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter) abgerufen werden. Die Unterscheidung in der Nummerierung (01 oder 02) betrifft im Wesentlichen die für den jeweiligen Tarif zugrunde gelegte Verzinsung. Verträge, die bis zum 31.12.2003 abgeschlossen wurden, sind auf Basis eines Rechnungszinses von 3,25 % in der Versicherungsphase und 5,25 % in der Rentenbezugsphase (Tarif AVBextra 01) bzw. auf Basis eines einheitlichen Rechnungszinses von 3,25 % (Tarif AVBdynamik 01) kalkuliert. Für Vertragsabschlüsse ab 1.1.2004 wurde ein neuer Tarif auf Basis eines Rechnungszinses von 2,75 % eingeführt (Tarif AVBextra 02 und AVBdynamik 02). Vgl. hierzu und zu sonstigen Unterschieden der verschiedenen AVB auch den Bericht aus den Gremien der VBL v. 27./28.11.2008, abrufbar unter www.vbl.de (Service/Downloadcenter/Sonstiges). Für die Zusatzversorgungskassen der AKA existieren Muster-AVB, die auf der Homepage der AKA unter www.aka.de (Rechtsquellen) abgerufen werden können. Die für die jeweilige kommunale Zusatzversorgungskasse geltenden allgemeinen Versicherungsbedingungen können dort bezogen werden, regelmäßig über die Homepage der jeweiligen Zusatzversorgungskasse (für die ZVK Bayern zB als Anlage zur Satzung). Betz-Rehm
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287
Teil 11
Rz. 288
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
band, in dem die Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kapitalanlage gesondert geführt und verwaltet werden (vgl. § 27 Abs. 2 ATV/ATV-K, § 70 VBLS, § 55 Abs. 1 AKA-MS). Für jeden Versicherten wird ein separates Kapitalkonto geführt, auf dem die eingezahlten Beiträge einschließlich der Erträge von den sonstigen Einnahmen der Zusatzversorgungskasse getrennt geführt werden (§ 27 Abs. 1 ATV/ATV-K). 288
Die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung im Rahmen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes besteht nur für Arbeitnehmer eines Arbeitgebers, der Mitglied/Beteiligter einer Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes ist.
289
Finanziert wird die freiwillige Versicherung durch eigene Beiträge der Versicherten, die entsprechend schriftlicher Ermächtigung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber unmittelbar aus dem Arbeitsentgelt an die Zusatzversorgungskasse abgeführt werden (§ 26 Abs. 2 ATV/ATV-K). Es handelt sich insoweit um eine Eigenbeitragszusage iSv. § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG, soweit der Arbeitnehmer nicht im kommunalen Bereich oder im Bereich der Länder von der Möglichkeit der Entgeltumwandlung iSv. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG Gebrauch macht (in beiden Fällen liegt betriebliche Altersversorgung im Sinne des BetrAVG vor, für die den Arbeitgeber grundsätzlich eine Einstandspflicht treffen kann). Besteht während der Pflichtversicherung kein Anspruch auf Arbeitsentgelt, können die Beiträge während dieser Zeit vom Versicherten auch unmittelbar an die Zusatzversorgungskasse abgeführt werden (§ 25 AVBextra 01 und 02, § 20 AVBdynamik 01 und 02 der VBL, § 19 Muster AVB der AKA; vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 4 iVm. § 1a Abs. 4 BetrAVG). Hinzu kommen im Rahmen der Riester-Förderung ggf. die steuerlichen Förderbeträge (Altersvorsorgezulagen) sowie Erträge aus der Kapitalanlage des jeweiligen Versorgungskontos. Der Arbeitgeber kann zu einer freiwilligen Versicherung der Beschäftigten Beiträge außerhalb einer Entgeltumwandlung leisten. Er ist hierzu allerdings (soweit nicht eine spezielle, zB arbeitsvertragliche Grundlage besteht) nicht verpflichtet1.
290
Wie bei der Pflichtversicherung erhalten die Versicherten auch im Rahmen der freiwilligen Versicherung jeweils nach Ablauf des Kalenderjahres sowie zusätzlich bei Beendigung der freiwilligen Versicherung einen Versicherungsnachweis, der sich im Rahmen der freiwilligen Versicherung neben den eingezahlten Beiträgen sowie Art und Umfang der erworbenen Anwartschaften auch auf die steuerlich vorgeschriebenen Angaben erstreckt 1 Eine Ausnahme besteht für Beschäftigte mit einer wissenschaftlichen Tätigkeit an Hochschulen oder Forschungseinrichtungen mit einem auf weniger als fünf Jahre befristeten Arbeitsverhältnis, die gemäß § 2 Abs. 2 ATV/ATV-K auf die Pflichtversicherung verzichtet haben, sowie für Pflichtversicherte, deren Arbeitsentgelt bestimmte Grenzwerte übersteigt und für die gemäß § 39 ATV, § 38 ATV-K verpflichtende Arbeitgeberbeiträge zur freiwilligen Versicherung zu leisten sind (s. hierzu oben Rz. 164 f.).
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Betz-Rehm
VII. Die freiwillige Versicherung
Rz. 292 Teil 11
(§ 27 Abs. 3 ATV/ATV-K, § 19 AVBextra 01 und 02, § 17 AVBdynamik 01 und 02 der VBL, § 21 Muster AVB der AKA). Die Versicherten können auch im Rahmen der freiwilligen Versicherung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Zugang des Versicherungsnachweises unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber beanstanden, dass Beiträge nicht oder nicht vollständig an die Kasse abgeführt wurden. Beanstandungen hinsichtlich der ausgewiesenen Bonuspunkte sind demgegenüber innerhalb derselben Ausschlussfrist unmittelbar gegenüber der Zusatzversorgungskasse zu erheben. c) Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Aufwendungen für die freiwillige Versicherung Mit dem AVmG1 hatte der Gesetzgeber steuerliche Anreize zur Förderung der Altersversorgung durch die sog. „Riesterrente“ sowie in § 3 Nr. 63 EStG die Möglichkeit zur steuerfreien Beitragszahlung u.a. an Pensionskassen eröffnet. Voraussetzung dieser steuerlichen Förderungen ist allerdings in beiden Fällen, dass es sich um ein kapitalgedecktes System handelt.
291
Ein wesentlicher Inhalt der Neuordnung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst war insoweit von Anfang an2, den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu eröffnen, eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersversorgung durch eigene Beiträge unter Inanspruchnahme der steuerlichen Förderung aufzubauen (Riester-Rente), nicht zuletzt, um hierdurch auch die Absenkung des Leistungsniveaus der Zusatzversorgung ausgleichen zu können. Bei der „Riester-Förderung“ werden die Beiträge aus dem versteuerten und in der Sozialversicherung verbeitragten Nettoeinkommen geleistet. Eine steuerliche Förderung erfolgt – je nachdem, was für den Steuerpflichtigen günstiger ist – entweder im Wege des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10a EStG oder mittels Förderung durch Zulagen gemäß den §§ 79 ff. EStG3. Eine Möglichkeit zur Entgeltumwandlung bestand beim Systemwechsel 292 zunächst noch nicht. Sie wurde im kommunalen Bereich allerdings mit Wirkung zum 1.1.2003 durch den Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/ VKA) vom 18.2.20034 eröffnet. Für den Bereich der Länder besteht eine Möglichkeit zur Entgeltumwandlung seit 1.11.2006 auf Basis des Tarifvertrages zur Entgeltumwandlung für die Beschäftigten der Länder (TV-EntgeltU-L) vom 12.10.20065. Beide Tarifverträge sehen in ihrem § 6 vor, dass 1 Altersvermögensgesetz v. 26.6.2001, BGBl. I, 1310. 2 Vgl. hierzu bereits Ziff. 1.3 des Altersvorsorgeplans 2001 (Anlage 5 zum ATV/ ATV-K). 3 Einzelheiten zur steuerlichen Förderung im Rahmen der „Riester-Rente“ vgl. BMF-Schreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 1 ff. 4 Dieser Tarifvertrag kann auf der Homepage der Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden unter www.versorgungskammer.de (Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden/ZVK im Überblick/Rechtsgrundlagen) abgerufen werden. 5 Dieser Tarifvertrag kann auf der Homepage der Tarifgemeinschaft der Deutschen Länder unter www.tdl.bayern.de (Weitere Tarifverträge) abgerufen werden. Betz-Rehm
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Teil 11
Rz. 292
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
die Entgeltumwandlung grundsätzlich bei den öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen (für Beschäftigte der Länder bei der VBL) durchzuführen ist1. Tarifvertragliche Regelungen zur Entgeltumwandlung existieren zwischenzeitlich u.a. auch für die Universitätskliniken in Baden-Württemberg2 sowie für Ärzte an kommunalen Krankenhäusern3 und an Universitätskliniken im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)4. Für Beschäftigte des Bundes besteht bisher noch keine tarifliche Möglichkeit zur Entgeltumwandlung. Im Rahmen einer Entgeltumwandlung kann die steuerliche Förderung gemäß § 3 Nr. 63 EStG (steuerfreie Beitragszahlung) genutzt werden5. Die steuerfreien Beiträge gehören dabei bis zur Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auch nicht zum sozialversicherungspflichtigen Entgelt, darüber hinaus (insbesondere in Höhe des steuerlich geförderten Zusatzbetrages von 1800 Euro) sind die Beiträge sozialversicherungspflichtig6. 1 Zur Frage, ob hierdurch vergaberechtliche oder kartellrechtliche Themen betroffen sein können, vgl. Anton, ZTR 2006, 296, zu wettbewerbsrechtlichen Aspekten des EU-Rechts vgl. Kiefer/Langenbrinck, § 26 ATV Erl. 13, jeweils mit weiterführenden Hinweisen. 2 Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung v. 27.6.2007 für die Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden der Universitätsklinika Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm (TV UK-EntgeltU), abrufbar u.a. über die Homepage der VBL unter www.vbl.de (Versicherte/Universitätsklinika BaWü). 3 Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Ärztinnen und Ärzte (TV-EUmw-Ärzte/ VKA) v. 31.10.2008, abrufbar u.a. über die Homepage der VKA unter www.vka.de (Materialien). 4 Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Ärztinnen und Ärzte im Geltungsbereich des TV-Ärzte (TV-Entgeltumwandlung-Ärzte) v. 27.8.2009. 5 Gemäß § 3 Nr. 63 EStG sind Beiträge des Arbeitgebers (auch solche aus Entgeltumwandlung) aus dem ersten Dienstverhältnis an eine Pensionskasse zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung bis zur Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steuerfrei. Es handelt sich um einen Jahresbetrag, dh., eine zeitanteilige Kürzung ist nicht vorzunehmen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht während des ganzen Jahres besteht oder nicht für das ganze Jahr Beiträge gezahlt werden. Der Höchstbetrag erhöht sich um 1800 Euro, wenn die Beiträge aufgrund einer Versorgungszusage geleistet werden, die nach dem 31.12.2004, sog „Neuzusage“, erteilt wurde (§ 3 Nr. 63 Satz 3 EStG). Dieser zusätzliche Erhöhungsbetrag kann jedoch nicht in Anspruch genommen werden, wenn für den Arbeitnehmer in dem Kalenderjahr Beiträge gemäß § 40b EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung pauschal besteuert werden (§ 52 Abs. 6 Satz 3 EStG), was für sog. Altzusagen (§ 52 Abs. 52b EStG), also vor dem 1.1.2005 erteilte Zusagen, grundsätzlich neben § 3 Nr. 63 EStG anstelle des Erhöhungsbetrages von 1800 Euro in Betracht kommen kann. Die Anwendung von § 40b EStG nF, dh. die Pauschalversteuerung von Umlagen, hindert hingegen die Inanspruchnahme des Erhöhungsbetrages von 1800 Euro nicht. Einzelheiten zur steuerlichen Förderung im Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG vgl. BMFSchreiben v. 20.1.2009 – IV C 3 - S 2496/08/10011, BStBl. I 2009, 273, Rz. 190 ff. (zur Entgeltumwandlung); Rz. 202 ff. (zum Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG), Rz. 245 ff. (zur Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen). 6 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 9 SvEV; die zeitliche Begrenzung der Sozialversicherungsfreiheit von Beiträgen aus der Entgeltumwandlung bis zum 31.12.2008 wurde durch das Gesetz zur Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge und zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch v. 10.12.2007, BGBl. I, 2838 aufgehoben. Vgl. zur beitragsrechtlichen Behandlung insgesamt das gemeinsame Rundschreiben der
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Betz-Rehm
VII. Die freiwillige Versicherung
Rz. 295 Teil 11
Selbstverständlich kann eine freiwillige Versicherung auch unabhängig von einer steuerlichen Förderung (Riester oder § 3 Nr. 63 EStG) durch die Arbeitnehmer genutzt werden, also zB Beiträge über die steuerliche Förderung hinaus für eine freiwillige Versicherung der Zusatzversorgung verwendet werden. d) Unverfallbarkeit und Portabilität Endet das Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versicherungsfalles, behalten 293 die Versicherten ihre Anwartschaften aus der freiwilligen Versicherung (§ 26 Abs. 4 ATV/ATV-K; vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 4 iVm. § 1b Abs. 5 BetrAVG). Anders als bei der Pflichtversicherung ist die Erfüllung einer Wartezeit hierfür nicht Voraussetzung. Nach Beendigung der Pflichtversicherung kann die freiwillige Versiche- 294 rung durch die Arbeitnehmer – unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine steuerliche Förderung vorliegen – weiter fortgeführt werden, längstens bis zum Eintritt des Versicherungsfalles. Zu beachten ist dabei, dass eine solche Fortsetzung innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Beendigung der Pflichtversicherung durch den Versicherten bei der Zusatzversorgungskasse beantragt werden muss (§ 26 Abs. 1 Satz 2, 3 ATV/ ATV-K, § 2a AVBextra 01 und 02, § 2a AVBdynamik 01 und 02 der VBL, § 19 Muster AVB der AKA). Bei Wechsel des Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Arbeitgeber be- 295 steht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zur Portabilität gemäß § 4 Abs. 3 BetrAVG für den Arbeitnehmer auf entsprechenden Antrag, der innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestellt werden muss, auch die Möglichkeit, dass der Wert der unverfallbaren Anwartschaft (Übertragungswert) auf den neuen Arbeitgeber bzw. dessen Versorgungseinrichtung übertragen wird, wenn der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt (§ 12b AVBextra 01, § 12a AVBextra 02, § 12a AVBdynamik 01 und 02 der VBL, § 20 Abs. 3 Muster AVB der AKA; vgl. § 4 Abs. 3 BetrAVG). Eine Übertragung ist also nicht auf die Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes untereinander beschränkt. Die Portabilität ist allerdings auf solche Zusagen beschränkt, die nach dem 31.12.2004 erteilt wurden (§ 12a AVBextra 02, AVBdynamik 01 und 02, § 12b AVBextra01 der VBL, § 30b BetrAVG). Eine Übertragung kann selbstverständlich auch zwischen den Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes im Rahmen der hierfür bestehenden Überleitungsabkommen erfolgen; zu beachten ist, dass in einem solchen Fall ein Antrag auf Überleitung bereits innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestellt werden muss
Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger v. 25.9.2008 zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Beiträgen und Zuwendungen zum Aufbau betrieblicher Altersversorgung. Betz-Rehm
1085
Teil 11
Rz. 296
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
(§ 26 Abs. 4 Satz 4 ff. ATV/ATV-K, § 12b AVBextra 02, AVBdynamik 01 und 02, § 12c AVBextra 01 der VBL). e) Beitragsfreistellung, Kündigung und Abfindung 296
Schließlich kann die freiwillige Versicherung durch den Arbeitnehmer auch jederzeit durch schriftliche Erklärung beitragsfrei gestellt werden (§ 2 Abs. 2 AVBextra 01 und 02, AVBdynamik 01 und 02 der VBL, § 18 Muster AVB der AKA). Auch eine Kündigung der freiwilligen Versicherung ist möglich; sie führt bei einer im Wege einer Entgeltumwandlung durchgeführten freiwilligen Versicherung sowie bei der VBL in jedem Fall zu einer Beitragsfreistellung (§ 2 Abs. 2 Satz 3 AVBextra 01 und 02, AVBdynamik 01 und 02 der VBL, § 18 Abs. 1 Muster AVB der AKA). Bei den Zusatzversorgungskassen der AKA kann der Versicherte im Falle der Kündigung einer nicht im Wege der Entgeltumwandlung durchgeführten freiwilligen Versicherung stattdessen auch eine Abfindung beantragen. In diesem Fall erhält der Versicherte seine eingezahlten Beiträge – abzüglich einer etwaigen steuerlichen Förderung (die Abfindung stellt eine sog. schädliche Verwendung iSv. § 93 EStG dar) – ohne Zinsen zu 90 % zurück (§ 26 Abs. 4 Satz 2f ATV/ATV-K, § 20 Abs. 2 Muster AVB der AKA). 2. Freiwillige Versicherung in Anlehnung an das Punktemodell
297
Wird die freiwillige Versicherung in Anlehnung an das Punktemodell durchgeführt, gelten gemäß den einschlägigen allgemeinen Versicherungsbedingungen vergleichbare Regelungen wie für die Pflichtversicherung (vgl. zur Berechnung der Pflichtversicherung oben Rz. 182 ff.), so weit nicht in den einschlägigen AVB etwas Abweichendes geregelt ist. a) Grundsätze zur Berechnung der Leistungen
298
Zur Berechnung der Betriebsrente werden für jedes Jahr auf Basis der gezahlten Beiträge unter Berücksichtigung von Altersfaktoren Versorgungspunkte ermittelt. Zur Ermittlung der Versorgungspunkte werden die in einem Kalenderjahr gezahlten Beiträge (einschließlich etwaiger Altersvorsorgezulagen gemäß der steuerlichen Riester-Förderung) durch einen Regelbeitrag von 480 Euro (bei Zusatzversorgungskassen der AKA ggf. 1200 Euro) geteilt und mit dem Altersfaktor multipliziert. Die Summe aller erreichten Versorgungspunkte multipliziert mit dem Messbetrag von 4 Euro ergibt den Betrag der Betriebsrente aus der freiwilligen Versicherung. Im Gegensatz zur Pflichtversicherung gibt es bei der freiwilligen Versicherung keine Versorgungspunkte für soziale Komponenten. Unterschiede zur Pflichtversicherung bestehen auch hinsichtlich der garantierten Verzinsung: Über die Tabelle der Altersfaktoren ist grundsätzlich eine bestimmte Verzinsung vorgesehen, im Tarif AVBextra 01 der VBL für Versicherungsabschlüsse bis 31.12.2003 sind dies 3,25 % während der Anwartschaftsphase und 5,25 % ab Rentenbeginn. Diese Verzinsung im Tarif AVBextra 01 ist allerdings nicht vollständig, sondern nur zu 75 % ga1086
Betz-Rehm
VII. Die freiwillige Versicherung
Rz. 299 Teil 11
rantiert. Bei unerwartet ungünstiger Entwicklung von Risiko und/oder Kapitalertrag können die Anwartschaften und Ansprüche um bis zu 25 % ihres ursprünglichen Betrages herabgesetzt werden (§ 8 AVBextra 01 der VBL). Für Versicherungsabschlüsse ab 1.1.2004 ist bei der VBL in den AVBextra 02 demgegenüber eine Verzinsung von 2,75 % sowohl in der Anwartschaftsphase, als auch in der Rentenphase vorgesehen. Darüber hinaus wird aber ein nicht garantierter Gewinnzuschlag aus Überschüssen ab Rentenbeginn von bis zu 20 % auf die Betriebsrente gewährt (§ 8 AVBextra 02 der VBL). Sowohl bei den Zusatzversorgungskassen der AKA als auch bei der VBL kann sich die Betriebsrente im Übrigen durch die Zuteilung von Bonuspunkten erhöhen, die im gesonderten Abrechnungsverband der freiwilligen Versicherung getrennt von den Bonuspunkten der Pflichtversicherung ermittelt werden und von der tatsächlichen Entwicklung der Überschüsse aus der Kapitalanlage und den Bewertungsreserven abhängen (§ 26 AVBextra 01 und 02 der VBL, § 5 Muster AVB der AKA; bei den Versicherungen des Tarifs AVBextra 02 der VBL wird aus etwaigen Überschüssen dabei vorrangig der Gewinnzuschlag finanziert und nur, wenn darüber hinaus Überschüsse verbleiben, werden diese als Bonuspunkte zugeteilt). Auch beitragsfrei Versicherte nehmen im Rahmen der freiwilligen Versicherung an der Zuteilung etwaiger Bonuspunkte teil, anders als bei der Pflichtversicherung ist hierbei die Erfüllung einer Wartezeit nicht erforderlich. b) Versorgungsleistungen – Flexibilität der freiwilligen Versicherung Ebenso wie in der Pflichtversicherung sind auch in der freiwilligen Ver- 299 sicherung als Versorgungsleistungen grundsätzlich Altersrente, Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung sowie Renten an Hinterbliebene (Witwe/Witwer und Waisen) vorgesehen. Die einzelnen Versorgungsfälle sind dabei wie in der Pflichtversicherung eng an die entsprechenden Versorgungsfälle der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt. Die freiwillige Versicherung zeichnet sich dabei allerdings zugunsten der Versicherten durch ein hohes Maß an Flexibilität aus. Der Versicherte kann bei Begründung der freiwilligen Versicherung durch schriftlichen Antrag die Mitversicherung von Hinterbliebenenleistungen und/oder Leistungen bei Erwerbsminderung mit Wirkung für die Zukunft ausschließen. Ein solcher Antrag kann auch zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit mit Wirkung für die Zukunft gestellt werden. Schließlich besteht auch die Möglichkeit solche Leistungen an Hinterbliebene und/oder Leistungen bei Erwerbsminderung zu einem späteren Zeitpunkt in die Versicherung mit Wirkung für die Zukunft wieder mit einzuschließen, wenn sie zuvor zunächst ausgeschlossen waren (§ 3 Abs. 2 AVBextra 01 und 02 der VBL, § 1 Abs. 2 Muster AVB Modell 1 der AKA)1. 1 Die Einzelheiten können bei den Versorgungskassen der AKA ggf. abweichen. In den Muster AVB der AKA für das sog. Modell 2 ist (abweichend zum sog. Modell 1) vorgesehen, dass im Fall einer Erwerbsminderung die Möglichkeit besteht, eine lebenslange Erwerbsminderungsrente aus dem zu diesem Zeitpunkt gebildeten Kapital in Anspruch zu nehmen. In diesem Modell ist im Übrigen der HinterblieBetz-Rehm
1087
Teil 11
Rz. 299
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Hat der Versicherte die Mitversicherung eines oder beider dieser Versorgungsfälle (Erwerbsminderung, Hinterbliebene) abgewählt, erhöhen sich die verbleibenden versicherten Leistungen. Dabei bestehen Unterschiede zwischen den bei der VBL und den bei den Zusatzversorgungskassen der AKA geltenden Regelungen (abhängig von Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses): Bei der VBL erhöhen sich für ab dem 1.1.2004 abgeschlossene Versicherungen (AVBextra 02) die Versorgungspunkte auf die Beiträge, soweit das Erwerbsminderungsrisiko ausgeschlossen ist, bei männlichen Versicherten bis zum Alter 45 jeweils um 20 %, bei weiblichen Versicherten um 15 %; für jedes weitere Lebensjahr vermindert sich dieser Erhöhungsbetrag um 1,0 % bei männlichen und 0,75 % bei weiblichen Versicherten. Soweit auf die Mitversicherung von Hinterbliebenenrenten verzichtet wurde, erhöhen sich bei der VBL auf diese Beiträge die Versorgungspunkte bei männlichen Versicherten bis zum Alter 45 um 38 % und bei weiblichen Versicherten um 8 %; für jedes weitere Lebensjahr vermindert sich dieser Erhöhungsbetrag bei männlichen Versicherten um 0,75 % und 0,25 % bei weiblichen Versicherten. Die unterschiedlichen Prozentwerte für männliche und weibliche Versicherte sind jeweils durch die unterschiedliche Lebenserwartung begründet und gerechtfertigt1. Wird sowohl auf die Mitversicherung des Erwerbsminderungsrisikos als auch von Hinterbliebenenrenten verzichtet, sind die genannten Erhöhungsbeträge zusammenzuzählen (vgl. § 6 Abs. 3 AVBextra 02 der VBL). Waren Hinterbliebenenrenten und/oder das Risiko der Erwerbsminderung nur während eines Teiles des Versicherungsverlaufes mitversichert, besteht bei Eintritt des entsprechenden Versorgungsfalles zwar grundsätzlich Anspruch auf die jeweilige Leistung; bei der Ermittlung der Betriebsrente wegen Erwerbsminderung und/oder der Hinterbliebenenrente bleiben dann aber die Rententeile unberücksichtigt, die auf Versorgungspunkten basieren, für die eine Mitversicherung des jeweiligen Risikos ausgeschlossen wurde (vgl. § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 3 Satz 2 AVBextra 02 der VBL). Für Versicherungsabschlüsse bis 31.12.2003 bei der VBL (AVBextra 01) bestehen vergleichbare Regelungen: Bei einem Verzicht auf die Versicherung von Hinterbliebenenleistungen werden diese Versorgungspunkte bei männlichen Versicherten um 20 % und bei weiblichen Versicherten um 5 % (unabhängig vom Alter) erhöht. Wird das Erwerbsminderungsrisiko ausgeschlossen, erhöhen sich diese Versorgungspunkte bis zum Alter 45 (unabhängig vom Geschlecht) um 20 %, für jedes weitere Lebensjahr vermindert sich dieser Erhöhungssatz um jeweils 1 % (vgl. § 6 Abs. 3 AVBextra 01 der VBL).
benenschutz in der Anwartschaftsphase zunächst obligatorisch vorgesehen, bei Beginn der Alters- oder Erwerbsminderungsrente kann bei diesem Modell aber dauerhaft auf den Hinterbliebenenschutz verzichtet werden, was dann zu einer Erhöhung der Rente des Versicherten führt. 1 Zur Thematik der Gleichbehandlung in diesem Zusammenhang Hügelschäffer, ZTR 2004, 186; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 89.
1088
Betz-Rehm
VII. Die freiwillige Versicherung
Rz. 302 Teil 11
Die Leistungsfälle sind im Übrigen wie bei der Pflichtversicherung in en- 300 ger Anknüpfung an die gesetzliche Rentenversicherung geregelt und erfordern grundsätzlich, dass eine entsprechende Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen und durch den Bescheid des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen wird. Ist der Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versichert, besteht ein Anspruch auf Leistungen aus der freiwilligen Versicherung der Zusatzversorgung ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestünde, wenn dort eine Versicherung gegeben wäre. Dasselbe gilt, wenn ein in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherter gegenüber dieser nur deshalb keinen Anspruch hat, weil er die allgemeine Wartezeit (§ 50 SGB VI) oder für Witwen-/Witwerrenten die Mindestehedauer (§ 46 Abs. 2a SGB VI) nicht erreicht oder weil er die Hinzuverdienstgrenze (§ 34 Abs. 2 SGB VI) überschreitet (§§ 4, 13 AVBextra 01 und 02 der VBL, § 2 Muster AVB der AKA Modell 11). Anders als in der Pflichtversicherung, bei der im Regelfall nur Rentenleis- 301 tungen vorgesehen sind, können die Versicherten im Rahmen der freiwilligen Versicherung bei Inanspruchnahme der Altersrente bzw. die Witwe/ der Witwer bei Inanspruchnahme einer großen Witwen-/Witwerrente eine (hinsichtlich der Riester-Förderung gemäß § 93 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 4 AltZertG steuerunschädliche) Auszahlung eines Teilkapitalbetrages von bis zu 30 % des vorhandenen Kapitals beantragen (§ 5 Abs. 5, § 7 Abs. 5 AVBextra 01 und 02 der VBL, § 8 Abs. 1 Muster AVB der AKA). Wird hingegen anstelle der Altersrente oder der Witwen-/Witwerrente eine vollständige Auszahlung als Einmalkapital beantragt (was bei der VBL bei ab dem 1.1.2004 geschlossene Versicherungen als auch den Zusatzversorgungskassen der AKA möglich ist, vgl. § 9 AVBextra 02 der VBL, § 8 Abs. 2 Muster AVB der AKA), handelt es sich um eine sog. schädliche Verwendung iSv. § 93 EStG, die eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Riester-Förderung zur Folge hat. 3. Freiwillige fondsgebundene Rentenversicherung a) Beitragszusage mit Mindestleistung Die fondsgebundene Rentenversicherung der VBL (VBLdynamik) ist eine 302 betriebliche Altersversorgung in der Form einer Beitragszusage mit Mindestleistung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG), dh., der Arbeitgeber haftet (unbeschadet etwaiger von der VBL übernommener Zinsgarantien) nur für den Erhalt der eingezahlten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden (vgl. § 26 Abs. 3 Satz 3 ATV/ATV-K).
1 Die Einzelheiten können bei den Versorgungskassen der AKA ggf. abweichen; je nach Ausgestaltung der AVB ist uU eine Inanspruchnahme der Altersrente nach Wahl des Versicherten ab Vollendung des 62. Lebensjahres ohne weitere Voraussetzungen möglich. Betz-Rehm
1089
Teil 11
Rz. 303
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Der Versicherte erhält bei Eintritt des Versicherungsfalles eine lebenslange Betriebsrente (soweit nicht eine Zahlung als Einmalkapital gewählt wurde, was allerdings hinsichtlich einer etwaigen Riesterförderung steuerschädlich wäre), die sich aus dem vorhandenen Deckungskapital, mindestens aber aus der Summe der eingezahlten Beiträge ggf. einschließlich der Altersvorsorgezulagen errechnet (§ 6 Abs. 1 AVBdynamik 01 und 02 der VBL). Das Deckungskapital setzt sich aus einem Garantie-Deckungskapital und einem Fonds-Deckungskapital zusammen. Die gezahlten Beiträge werden insoweit in einen Sparbeitrag, einen Anlagebeitrag und einen Kostenanteil zur Deckung der laufenden Verwaltungskosten aufgeteilt (§ 21 AVBdynamik 01 und 02 der VBL). Der Sparanteil wird dazu verwendet, die garantierte Mindestleitung sicherzustellen (§ 22 AVBdynamik 01 und 02 der VBL). Der Anlagebeitrag wird in zwei Spezialfonds angelegt, einem reinen Aktienfonds und einem reinen Rentenfonds (§ 23 AVBdynamik 01 und 02 der VBL). Die Aufteilung des Kapitals richtet sich dabei für jeden Versicherten nach dem sog. Lebenszyklus-Konzept: Bei jungen Versicherten ist demgemäß der Aktienanteil höher, der ein größeres Renditepotential verspricht, allerdings auch mit höheren Risiken behaftet ist; mit steigendem Alter und damit Näherrücken des Versicherungsfalles (Altersgrenze) werden die Beiträge in zunehmendem Maße in dem Rentenfonds (mit garantierter Leistung) angelegt und es erfolgt auch eine entsprechende Umschichtung (Rebalancing) des bereits vorhandenen Deckungskapitals. Die Aufteilung des Anlagebeitrags sowie die Anpassung (Rebalancing) der bereits erworbenen Anteilsscheine folgen dabei einer vorgegebenen Aktien-/Rentenquote pro erreichtem Lebensjahr. Diese Vorgaben des Lebenszyklus-Konzepts bestehen für alle Versicherten gleichermaßen. Wahlrechte der Versicherten, insbesondere eine eigene Steuerungsmöglichkeit im Lebenszyklus-Konzept durch den Versicherten sowie eine Möglichkeit, andere als die beiden vorgesehenen Fonds als Anlageprodukte zu wählen, bestehen nicht. b) Mindest-/Höchsteintrittsalter 303
Voraussetzung der Begründung einer freiwilligen Versicherung als fondsgebundene Rentenversicherung ist, dass der Versicherte das 17. Lebensjahr bereits vollendet und das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 3 AVBdynamik 01 und 02 der VBL). c) Versorgungsleistungen
304
Als Versorgungsleistungen sind bei der fondsgebundenen Rentenversicherung der VBL eine lebenslange Altersrente sowie Hinterbliebenenrenten bei Tod des Versicherten vor Rentenbeginn vorgesehen. Sowohl hinsichtlich der Altersrente als auch der Witwen-/Witwerrente kann dabei eine (hinsichtlich der Riester-Förderung steuerunschädliche Teilkapitalauszahlung oder eine (steuerschädliche) vollständige Zahlung als Einmalkapital gewählt werden. Zugunsten der Hinterbliebenen kann auch für die Zeit nach Beginn der Altersrente eine Rentengarantiezeit von – je nach vertrag1090
Betz-Rehm
VIII. Rechtsweg
Rz. 306 Teil 11
licher Vereinbarung – ein bis 15 Jahren eingeschlossen werden. Erwerbsminderungsleistungen sind bei der fondsgebundenen Rentenversicherung demgegenüber nicht vorgesehen. Eine (Mindest-)Anpassung der laufenden Renten (wie die 1 %ige Mindestanpassung in der Pflichtversicherung) ist bei der fondsgebundenen Rentenversicherung nicht vorgesehen und – da es sich um eine Beitragszusage mit Mindestleistung handelt – auch nicht erforderlich (§ 16 Abs. 3 Nr. 3 BetrAVG). Es besteht jedoch die Möglichkeit einer Erhöhung der laufenden Rente aus der Überschusszuteilung und der Zuteilung von Bewertungsreserven ab Rentenbeginn (§ 26 Abs. 3 Satz 3 AVBdynamik 01 und 02 der VBL).
VIII. Rechtsweg Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Systemumstellung der Zusatz- 305 versorgung des öffentlichen Dienstes stellt sich die Frage, vor welchen Gerichten etwaige Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung geltend zu machen sind. Im Betriebsrentenrecht ist in § 18 Abs. 8 BetrAVG lediglich festgehalten, dass gegen Entscheidungen der Zusatzversorgungseinrichtung über Ansprüche nach dem BetrAVG der Rechtsweg gegeben ist, der für Versicherte der Einrichtung gilt. Letztendlich kommt es für die Bestimmung des Rechtsweges damit auf allgemeine zivilrechtliche und zivilprozessuale Erwägungen an. 1. Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte Bei den Satzungen der Zusatzversorgungseinrichtungen handelt es sich um 306 Allgemeine Versicherungsbedingungen im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages1. Die Rechtsbeziehungen zwischen der jeweiligen Zusatzversorgungseinrichtung und dem jeweiligen versicherten Arbeitnehmer sind zivilrechtlicher Natur (vgl. oben Rz. 88 f.). Nach herrschender Meinung ist daher für Angelegenheiten zwischen einer Zusatzversorgungskasse und ihren Versicherten bzw. Versorgungsempfängern der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben2, soweit nicht bei der VBL gemäß deren Satzungsregelungen alternativ der Weg zu einem Schiedsgericht eröffnet wird (s.u. Rz. 309 ff.). Dies können zB Streitigkeiten über die Höhe der Versorgungsleistungen sein (vgl. insbesondere die Verfahren über die Wirksamkeit und die Auswirkungen der Systemumstellung) sowie zB auch Streitigkeiten über die Frage, ob ein Versorgungsfall eingetreten ist oder noch andauert.
1 BVerfG v. 22.3.2000 – 1 BvR 1136/96, NJW 2000, 3341 (= AP Nr. 27 zu § 18 BetrAVG); st. Rspr. des BGH, vgl. zB BGH v. 14.5.2003 – IV ZR 72/02, MDR 2003, 1051 (= VerSR 2003, 893); vgl. hierzu auch § 2 VBLS. 2 Stürmer, Der Rechtsweg in Fragen der Zusatzversorgung, NJW 2004, 2480 mwH; Hügelschäffer, in Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, Rz. 126 ff.; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, § 18 BetrAVG Rz. 21 f.; generell zum Rechtsweg bei mittelbaren Versorgungszusagen Küpper, FS Kemper, S. 273. Betz-Rehm
1091
Teil 11
307
Rz. 307
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
Auch die Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und der jeweiligen Zusatzversorgungskasse aus dem Versicherungsverhältnis (Gruppenversicherungsvertrag, vgl. § 2 Abs. 1 VBLS, § 13 Abs. 1 AKA-MS) sind privatrechtlicher Natur. Aus der privatrechtlichen Natur der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Zusatzversorgungseinrichtung folgt, dass auch für Streitigkeiten aus der Beteiligung/der Mitgliedschaft die ordentlichen Gerichte zuständig sind1. Dies kann zB rechtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Finanzierung betreffen (zB die Verteilung der Sanierungsgelder) sowie zB Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Zusatzversorgungskasse im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Arbeitgebers, insbesondere bezüglich der Zahlung des Ausgleichsbetrages/ Gegenwertes. 2. Zuständigkeit der Arbeitsgerichte
308
Für Rechtsstreitigkeiten über Fragen der Zusatzversorgung besteht allerdings auch eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, nämlich immer dann, wenn der (versicherte) Arbeitnehmer unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung geltend macht. Wie bereits oben (Rz. 76 ff.) dargelegt wurde, handelt es sich bei den rechtlichen Beziehungen im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes um ein Dreiecksverhältnis. Hinter dem versicherungsvertraglichen Deckungsverhältnis steht die (regelmäßig auf tarifvertraglicher Grundlage bestehende) arbeitsrechtliche Grundverpflichtung, das Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Grundverhältnis sind die Arbeitsgerichte zuständig2. Dies kann zB Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Versorgungsverschaffungsanspruch betreffen sowie Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Verletzung von Nebenpflichten aus dem Grundverhältnis. 3. Zuständigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit
309
Für Streitigkeiten aus dem Versicherungsverhältnis hat darüber hinaus die VBL auch ein Schiedsverfahren im Rahmen einer besonderen Schiedsgerichtsbarkeit als Alternative zur Anrufung der ordentlichen Gerichte eingerichtet. In den §§ 55 ff. VBLS sind hierzu Regelungen über die Errichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit sowie über deren Zuständigkeit und Verfahren enthalten.
1 Gilbert/Hesse, § 20 VBLS Rz. 1. 2 Vgl. Stürmer, Der Rechtsweg in Fragen der Zusatzversorgung, NJW 2004, 2480 (2482) mwH; generell zur Frage des „richtigen“ Beklagten im Betriebsrentenrecht Reinecke, FS Kemper, S. 383.
1092
Betz-Rehm
VIII. Rechtsweg
Rz. 311 Teil 11
a) Die Schiedsgerichtsbarkeit der VBL Bei der VBL existiert eine zweistufige Schiedsgerichtsbarkeit.
310
§ 55 VBLS sieht die Bildung eines erstinstanzlichen Schiedsgerichtes vor, das aus einer oder mehreren Kammern bestehen kann (derzeit bestehen zwei Kammern). Jede Kammer ist mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern besetzt, für die jeweils ein Vertreter bestellt wird. Sowohl der Vorsitzende und sein Stellvertreter als auch die Beisitzer und ihre Stellvertreter werden von der Aufsichtsbehörde (Bundesministerium der Finanzen) bestellt, der Vorsitzende und sein Vertreter im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat. Jeweils ein Beisitzer und sein Vertreter werden auf Vorschlag der Vertreter der beteiligten Arbeitgeber im Verwaltungsrat bestellt, der andere Beisitzer und sein Stellvertreter auf Vorschlag der Versichertenvertreter im Verwaltungsrat. Die Mitglieder des Schiedsgerichts müssen Beamte oder Richter bei einem Beteiligten oder Versicherte der VBL sein (§ 55 Abs. 1 Satz 6 VBLS). Das Amt als Mitglied des Schiedsgerichts endet nach vier Jahren, eine Wiederbestellung für eine weitere Amtsperiode ist jedoch möglich. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Dienstverhältnisses zum beteiligten Arbeitgeber, mit Beendigung der Versicherung sowie mit Beendigung der Beteiligung des Dienstherren/Arbeitgebers bei der VBL endet das Amt als Mitglied des Schiedsgerichts1. § 56 VBLS sieht die Bildung eines Oberschiedsgerichts bei der VBL vor, das über Berufungen gegen Entscheidungen des Schiedsgerichts entscheidet. Das Oberschiedsgericht ist insgesamt mit dem Vorsitzenden und sechs von der Aufsichtsbehörde bestellten Beisitzern (nebst je einem Vertreter) besetzt. Es entscheidet ebenfalls in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern (je einer auf Vorschlag der Versichertenvertreter sowie auf Vorschlag der Beteiligtenvertreter bestellt). Der Vorsitzende sowie sein Stellvertreter werden vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs bestellt. b) Zuständigkeit der Schiedsgerichte der VBL Die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes wird nur durch den Abschluss ei- 311 nes entsprechenden Schiedsvertrages begründet (§ 46 Abs. 3 Buchst. a VBLS, § 14 Abs. 3 AVBextra 01 und 02 der VBL, § 13 Abs. 3 AVBdynamik 01 und 02 der VBL, vgl. §§ 1029 ff. ZPO), in dem vereinbart wird, dass die Entscheidung eines bestimmten Rechtsstreits anstelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Entscheidung durch das Schiedsgericht unterworfen wird. Ohne einen entsprechenden Schiedsvertrag kann eine Zuständigkeit des Schiedsgerichtes (insbesondere einseitig durch die VBL oder den Versicherten) nicht begründet werden. Gemäß § 57 Abs. 1 VBLS entscheidet das Schiedsgericht über Klagen gegen Entscheidungen der VBL gemäß § 46 Abs. 2 VBLS, § 14 Abs. 2 AVBextra 01 und 02 der VBL, § 13 Abs. 2 AVBdynamik 01 und 02 der VBL (Entscheidung 1 Vertiefend zu den Voraussetzungen für das Amt des Schiedsrichters bei der VBL vgl. Gilbert/Hesse, § 55 VBLS Rz. 2–4, sowie die Kommentierung bei Kiefer/Langenbrinck zu § 55 VBLS. Betz-Rehm
1093
Teil 11
Rz. 312
Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst
über einen Antrag auf Gewährung von Leistungen). Weiterhin entscheidet das Schiedsgericht über Klagen gegen sonstige Entscheidungen der VBL über Rechte und Pflichten aus dem Versicherungs-, dem Beteiligungs- oder dem Leistungsverhältnis. Auch wenn der Wortlaut von § 57 VBLS grundsätzlich nur Klagen gegen die VBL als Beklagte betrifft, wird hierdurch nicht ausgeschlossen, dass das Schiedsgericht auch über eine Klage der VBL als Klägerin rechtsverbindlich entscheiden kann, wenn die VBL zB Ansprüche gegen einen Versicherten oder einen beteiligten Arbeitgeber geltend macht und die sonstigen Voraussetzungen für die Durchführung eines Schiedsverfahrens gemäß der ZPO erfüllt sind (insbesondere ein entsprechender Schiedsvertrag besteht)1. c) Verfahren 312
Für das schiedsgerichtliche Verfahren gelten die Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren (§§ 1025 ff. ZPO). Gemäß § 1042 Abs. 4 ZPO bestimmt das Schiedsgericht damit das Verfahren grundsätzlich nach seinem freien Ermessen2, soweit sich aus den Bestimmungen der ZPO über das schiedsgerichtliche Verfahren nicht zwingend etwas anderes ergibt. In der VBLS selbst sind dabei einige grundlegende Verfahrensregelungen festgeschrieben, daneben hat das Schiedsgericht eine Geschäftsordnung aufgestellt3. Gemäß § 46 Abs. 4 Buchst. a VBLS ist eine Klage zum Schiedsgericht schriftlich bei der VBL einzureichen, welche die Klage dann unverzüglich an das Schiedsgericht weitergibt. Eine anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich. Die Parteien können sich aber jederzeit durch einen schriftlich Bevollmächtigten vertreten lassen. Gemäß § 57 Abs. 2 VBLS entscheidet das Schiedsgericht grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung, der Vorsitzende kann die Beisitzer aber auch schriftlich befragen. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist in jedem Fall zu beachten (vgl. § 1042 Abs. 1 ZPO). Das Schiedsgericht überprüft die Entscheidungen der VBL nicht nur im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit der VBLS, sondern auch, ob sie mit höherrangigem Recht (insbesondere dem Grundgesetz) vereinbar sind. Gemäß § 57 Abs. 3 VBLS fertigt das Schiedsgericht die (schriftlich zu fassenden, vgl. § 1054 ZPO) Schiedssprüche aus und stellt sie dem Kläger und der VBL zu. Die Schiedssprüche sind mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Die Berufung4 ist zulässig gegen Schiedssprüche des Schiedsgerichts über Klagen auf die Gewährung von Anstaltsleistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht (§ 58 Abs. 1 Buchst. a VBLS), gegen Schiedssprüche über Rechte und Pflichten aus dem Beteiligungsverhältnis (§ 58 Abs. 1 Buchst. b VBLS) sowie gegen Schiedssprüche über andere Klagen, wenn wegen 1 Gilbert/Hesse, § 57 VBLS Rz. 1; aA Kiefer/Langenbrinck, § 57 VBLS Erl. 1. 2 Vertiefend zum Verfahren vor dem VBL-Schiedsgericht vgl. die Kommentierung bei Gilbert/Hesse zu den §§ 55 und 57 VBLS. 3 Gilbert/Hesse, § 55 VBLS Rz. 8; Kiefer/Langenbrinck, § 55 VBLS Erl. 5. 4 Vertiefend die Kommentierung bei Gilbert/Hesse zu § 58 VBLS.
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Betz-Rehm
VIII. Rechtsweg
Rz. 312 Teil 11
grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Berufung durch das Schiedsgericht ausdrücklich zugelassen wurde (§ 58 Abs. 1 Buchst. c VBLS). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Schiedsspruchs schriftlich beim Schiedsgericht (nicht beim Oberschiedsgericht) einzulegen (§ 58 Abs. 2 VBLS). In der ersten Instanz ist das Schiedsverfahren gerichstkostenfrei. Ein Anspruch des Gegners der VBL auf Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht nur, wenn er obsiegt hat und das Schiedsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Kostenerstattung ausdrücklich anordnet1. In der zweiten Instanz können die Kosten, welche durch die Berufung entstehen, ganz oder teilweise dem Berufungskläger auferlegt werden, wenn die Berufung offensichtlich unbegründet ist (§ 58 Abs. 4 VBLS). Die Entscheidung des Schiedsgerichts bzw. auf fristgerechte Berufung hin die Entscheidung des Oberschiedsgerichts hat gemäß § 1055 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils2.
1 Vgl. Gilbert/Hesse, § 55 VBLS Rz. 8. 2 Vgl. Gilbert/Hesse, § 57 VBLS Rz. 2. Betz-Rehm
1095
Teil 12 Restrukturierung und Privatisierung, Betriebsübergang* A. Restrukturierung und Privatisierung Rz. I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation im öffentlichen Dienst. . . . . . . . . . . . 1. Erscheinungsformen der Restrukturierung innerhalb des öffentlichen Dienstes . . . . . . . . . . a) Umstrukturierung von Dienststellen . . . . . . . . . . . . . . b) Restrukturierung durch Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligungsrechte der Personalvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitwirkung bei Auflösung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dienststellenbegriff. . . . . . bb) Beteiligungssachverhalte . (1) Auflösung von Dienststellen . . . . . . . . . . . . . . (2) Verlegung von Dienststellen . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenlegung von Dienststellen . . . . . . . . (4) Wesentliche Teile von Dienststellen . . . . . . . . (5) Privatisierung als selbständiger Beteiligungssachverhalt . . . . . . . . . . cc) Ablauf des Mitwirkungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . b) Mitbestimmung bei Personalangelegenheiten gemäß § 75 Abs. 1 BPersVG . . . . . . . . c) Sozialplanmitbestimmung . . . aa) Anwendungsbereich . . . . . bb) Initiativrecht . . . . . . . . . . . cc) Gestaltung von Sozialplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schicksal der Personalvertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schicksal von Dienstvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tarifvertragliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 3 6 12
13 14 18 18 22 24 26 28 29 39 41 42 45 48 53 59
Rz. a) Rationalisierungsschutztarifvertrag für Angestellte (Tarifgebiet West) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Unterrichtungspflichten . . . . 71 dd) Arbeitsplatzsicherung . . . . . . 73 ee) Fortbildung/Umschulung . . . 78 ff) Sonderkündigungsschutz . . . 79 gg) Vergütungssicherung . . . . . . . 80 hh) Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . 84 ii) Ausschluss- und Kürzungsklauseln des § 8 RatSchTV . . 90 b) Rationalisierungsschutztarifvertrag für Arbeiter (Tarifgebiet West) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Tarifvertrag zur sozialen Absicherung (Tarifgebiet Ost) . . . . . . . 95 aa) Weiterbeschäftigungspflicht . 97 bb) Fortbildung und Umschulung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Arbeitszeitreduzierung . . . . . 101 dd) Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Kündigungsrechtliche Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Grundsätze der betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Anwendbarkeit des KSchG . . 111 bb) Unternehmerische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 112 cc) Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Einzubeziehender Personenkreis . . . . . . . . . . 118 (2) Bewertung der Sozialkriterien . . . . . . . . . . . . . . 121 (3) Auswahlrichtlinien . . . . . 124 (4) Namensliste der zu kündigenden Beschäftigten . . 128 dd) Sonderkündigungsschutz für Mitglieder der Personalvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . 130
62
* Unter Mitarbeit von Yvonne Dietzel, LL.M. (UWA, Perth), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Dresden. Steffek/Dietzel
1097
Teil 12 A
Restrukturierung und Privatisierung Rz.
b) Beteiligungsrechte der Personalvertretung beim Ausspruch von Kündigungen . . . . c) Besonderheiten der Massenentlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpflichtung zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige . . . . . . . . . (1) Begriff des Betriebes . . (2) Wirtschaftlicher Zweck des Betriebes der öffentlichen Hand . bb) Sperrfrist nach § 18 KSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatisierungsformen . . . . . . . . . a) Rechtsformprivatisierung . . . . b) Kapitalprivatisierung . . . . . . . . 2. Wege der Privatisierung . . . . . . . . a) Privatisierung durch Gesetz . . b) Privatisierung durch Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133 135 136 137 141 143 144 144 144 145 146 146 147
Rz. aa) Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Outsourcing . . . . . . . . . . . . . . 149 dd) Betriebsführungsvertrag . . . . 150 c) Privatisierung durch Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Privatisierung und Arbeitsvertrag . . 154 a) Auswirkungen der Privatisierung auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . 154 b) Auswirkungen der Privatisierung auf die Dienstverhältnisse von Beamten . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Tarifrechtliche Folgen. . . . . . . . . . . . 163 a) Normative Fortgeltung . . . . . . . . 164 b) Fortgeltung wegen Verweisen in Arbeitsverträgen. . . . . . . . . . . . 166 5. Personalvertretungsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Schicksal der Personalvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Fortgeltung von Dienstvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . 176
Schrifttum: Albicker/Wiesenecker, Freiwillige Kollektivvereinbarungen in Betrieb und Dienststelle, NZA 2007, 842; Besgen/Langner, Zum Übergangsmandat des Personalrats bei der privatisierenden Umwandlung, NZA 2003, 1239; Blanke, Beteiligungsrechte der Personalvertretung bei Privatisierung, PersR 2000, 43; Blanke/Trümmer (Hrsg.), Handbuch Privatisierung, 1998; Däubler, Das Arbeitsrecht im neuen Umwandlungsgesetz. RdA 1995, 136; Ferme/Lipinski, Änderung der Rechtsprechung des BAG bei Massenentlassungen – Systemwandel im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht? NZA 2006, 937; Frohner, Das Übergangsmandat des Personalrats und die Weitergeltung von Dienstvereinbarungen bei der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, insbesondere im kommunalen Bereich, PersR 1995, 99; Gaul, Betriebsbedingte Kündigung mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG, BB 2004, 2686; Kummer/Giesberts, Rechtsfragen der Privatisierung kommunaler Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung, NVwZ 1996, 1166; Kast/Freihube, Privatisierung öffentlicher Arbeitgeber, DB 2004, 2530; Kopke, Plädoyer für eine Streichung des Kriteriums „Lebensalter“ bei der Sozialauswahl nach § 1 KSchG, ZRP 2009, 41; Krause, Das Übergangsmandat des Betriebsrats im Lichte der novellierten Betriebsübergangsrichtlinie, NZA 1998, 1201; Lingemann/Grothe, Betriebsbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst, NZA 1999, 1072; Mayen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben: Rechtliche Grenzen und rechtliche Möglichkeiten, DÖV 2001, 110; Rieble, Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen und ihre Folgen für Schuldverhältnisse mit Dritten, ZIP 1997, 301; Schipp, Arbeitsrechtliche Probleme bei der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, NZA 1994, 865; Steuck, Die privatisierende Umwandlung – Zur Ausgliederung von Regie- und Eigenbetrieben der Gebietskörperschaften u.a. nach dem neuen Umwandlungsrecht, NJW 1995, 2887; Thüsing, Das Übergangsmandat und das Restmandat des Betriebsrats nach § 21a und § 21b BetrVG, DB 2002, 738; Witte/Rafiqpoor, Privatisierung öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute, WM 2003, 1885; Zeiss, Public Private Partnerships und gemischtwirtschaftliche Gesellschaften am Ende?, DÖV 2005, 819.
1098
Steffek/Dietzel
Rz. 5 Teil 12 A
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation im öffentlichen Dienst Restrukturierungen und Privatisierungen im Bereich des öffentlichen 1 Dienstes können verschiedene Motive haben. Sie dienen beispielsweise der Kostenreduzierung durch die Einsparung von Personalkosten, der Effizienzsteigerung oder haben den Zweck, bestehende Schulden der öffentlichen Hand durch eine Veräußerung öffentlicher Unternehmen abzubauen. 1. Erscheinungsformen der Restrukturierung innerhalb des öffentlichen Dienstes Bei Restrukturierungen der öffentlichen Hand sind zwei Grundformen zu 2 unterscheiden. Die Restrukturierung kann auf eine verwaltungsinterne Umstrukturierung beschränkt werden. Oft ist sie aber mit einer Privatisierung verbunden, um das Einsparungspotential für die öffentliche Hand – zB durch die Ablösung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes – zu erhöhen. a) Umstrukturierung von Dienststellen Eine Kostensenkung kann partiell durch eine verwaltungsinterne Umstrukturierung der Dienststellen erreicht werden. Bestehende Dienststellen können zu diesem Zweck verlegt, zusammengelegt oder aber auch aufgelöst werden.
3
Aktuelles Beispiel einer solchen Umstrukturierung ist die Verwaltungs- 4 reform in Sachsen nach dem Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29.1.20081. Im Zuge dieser Reform wurden zahlreiche Aufgaben vom Freistaat Sachsen auf die Landkreise übertragen und die verbleibenden Zuständigkeiten den neu gegründeten Landesdirektionen zugewiesen oder aber bei Sonderbehörden gebündelt. So wurden zB die bestehenden Integrationsämter aufgelöst und deren Aufgaben dem Kommunalen Sozialverband Sachsen übertragen2 sowie die Anzahl der Landkreise von zuvor zehn auf sieben reduziert3. Ein weiteres Mittel zur verwaltungsinternen Umstrukturierung ist die Än- 5 derung der bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsform. So kann zB eine bisher als Regiebetrieb geführte Dienststelle in einen Eigenbetrieb – ggf. als Vorstufe zu einer späteren Privatisierung – umgewandelt werden. Eine solche Umwandlung hat keinen Einfluss auf die Defizithaftung der öffentlichen Hand. Der Eigenbetrieb ist aber im Vergleich zu dem Regiebetrieb organisatorisch und haushaltsrechtlich selbständiger sowie wirtschaftlich unabhängiger. 1 SächsGVBl. 2008, Bl.-Nr. 3, S. 138. 2 Vgl. § 3 Nr. 9 des Gesetzes über den Sächsischen Kommunalverband. 3 Vgl. § 3 des Gesetzes zur Neugliederung des Gebietes der Landkreise des Freistaates Sachsen v. 29.1.2008. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 6
Restrukturierung und Privatisierung
b) Restrukturierung durch Privatisierung 6
Viele Regierungsprogramme sehen zur Sanierung der öffentlichen Haushalte Privatisierungen vor. Diverse Gemeindeordnungen der Länder enthalten ferner Bestimmungen, dass Gemeinden nur dann Wirtschaftsbetriebe führen sollen, wenn diese nicht besser durch private Rechtsträger geführt werden können1.
7
Im Wege der Privatisierung werden Aufgaben, die bisher von der öffentlichen Hand wahrgenommen worden sind, auf den privaten Sektor verlagert. Bei der formalen Privatisierung, die auch Organisationsprivatisierung genannt wird, kommt es lediglich zu einem Wechsel der Rechtsform, ohne dass ein Privater einen bestimmenden Einfluss auf das privatisierte Unternehmen erhält2. Die öffentliche Hand behält dabei ihren Einfluss auf die private Gesellschaft durch eine Mehrheitsbeteiligung.
8
Häufig anzutreffendes Beispiel für eine formale Privatisierung ist die Umwandlung eines in öffentlicher Trägerschaft stehenden Krankenhauses aus der Form eines Eigenbetriebes oder eines Regiebetriebes in eine privatrechtliche Gesellschaftsform – meist die der gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), selten auch die der Aktiengesellschaft (AG).
9
Bei der materiellen Privatisierung, die auch als Aufgabenprivatisierung bezeichnet wird, wird der privatisierte Bereich dagegen vollständig einem Privaten übertragen und damit aus dem öffentlichen Bereich ausgegliedert3. Sie ist die weitestgehende Form der Privatisierung. So fusionierten zB 2005 die Universitätskliniken Gießen und Marburg zum Universitätsklinikum Gießen und Marburg (Umstrukturierung). In einem zweiten Schritt wurde das Universitätsklinikum, das zuvor als Anstalt öffentlichen Rechts geführt worden war, in eine GmbH umgewandelt (formale Privatisierung). Kurz nach der Umwandlung veräußerte das Land Hessen schließlich die überwiegende Mehrheit der Anteile an der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH an die Rhön-Klinikum AG und nahm damit eine materielle Privatisierung vor.
10 Beispiele für die Umwandlung in eine AG sind die Amper-Kliniken AG in Dachau sowie die Gesundheit Nordhessen Holding AG in Kassel, wobei die Amper-Kliniken AG durch die Veräußerung der Mehrheit der Aktien an die Rhön-Klinikum AG später ebenfalls materiell privatisiert wurde. 11 Diese beiden Privatisierungsmodelle können auch mit der Folge variiert werden, dass Mischformen entstehen. Bei den sog. gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen sind an den privaten Gesellschaften nicht nur der staatliche Aufgabenträger, sondern auch private Rechtsträger beteiligt. In 1 So zB § 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGemO, § 121 Abs. 1 Nr. 3 HGO, § 108 Abs. 1 Nr. 3 NGO, § 102 Abs. 1 Nr. 3 BadWürttGO und § 101 Abs. 1 Nr. 3 SHGO. 2 Beispielsweise durch die Umwandlung eines kommunalen Eigenbetriebes in eine Eigengesellschaft in Form der AG oder GmbH. 3 Kummer/Giesberts, NVwZ 1996, 1166; Mayen, DÖV 2001, 110.
1100
Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 13 Teil 12 A
diesen Fällen spricht man auch von Public Private Partnership (PPP). Die private Beteiligung kann in Form einer Beteiligung des privaten Investors als Gesellschafter erfolgen1. In Deutschland werden allein etwa 300 Stadtwerke als Public Private Partnership mit privatem Kapitalanteilseigner betrieben2. Eine private Finanzierungsgesellschaft kann sich aber auch als stille Gesellschafterin an einer kommunalen Eigengesellschaft beteiligen3. Dieses Modell der stillen Beteiligung wurde zB bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe gewählt4. Neben dem Bereich der Ver- und Entsorgungseinrichtungen finden sich Public-Private-Partnership-Projekte vor allem im Zusammenhang mit Verkehrseinrichtungen, Schulen und Bildungseinrichtungen sowie Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtungen. 2. Beteiligungsrechte der Personalvertretung Die Beteiligungsrechte der Personalvertretung bei Umstrukturierungen 12 und Privatisierungen durch den öffentlichen Dienstgeber richten sich auf Bundesebene nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Auf der Ebene der Länder und der Kommunen sind die Beteiligungsrechte nach den Personalvertretungsgesetzen der jeweiligen Länder zu beachten5. Die Beteiligungsrechte sind dabei äußerst unterschiedlich ausgestaltet und reichen von der Mitbestimmung6 bis zur bloßen Anhörung7 des Personalrates. a) Mitwirkung bei Auflösung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen Gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG8 wirkt der Personalrat bei der Auflösung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen mit9. Das Beteiligungsrecht der Personalvertretung 1 2 3 4 5 6 7 8
9
Kummer/Giesberts, NVwZ 1996, 1166. Zeiss, DÖV 2005, 819. Witte/Rafiqpoor, WM 2003, 1885. Vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe v. 17.5.1999. Die Darstellung im folgenden Abschnitt beschränkt sich aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Regelungen des BPersVG. Besonderheiten in den einzelnen Bundesländern werden durch Hinweise in den Fußnoten dargestellt. ZB § 72 Abs. 3 Nr. 7 NWPersVG. ZB § 80 Abs. 3 Nr. 6 BWPersVG. Beteiligungsrechte bei der Auflösung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen sind in allen Landespersonalvertretungsgesetzen enthalten: § 76 Abs. 2 Nr. 4 BayPersVG, § 90 Nr. 4 PersVG-Berlin, § 68 Abs. 1 Nr. 2 BbgPersVG, § 80 Abs. 1 Nr. 2 BWPersVG, § 81 Abs. 2 HessPersVG, § 75 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG, § 80 Abs. 2 Nr. 12 RhPfPersVG, § 83 Abs. 1 Nr. 9 SPersVG, § 77 Nr. 2 SächsPersVG, § 51 Abs. 1 MBG Schl.-H., § 66 Abs. 1 Buchst. a BremPVG, § 87 Abs. 1 Nr. 30 HmbPersVG, § 70 Abs. 1 Nr. 11 MVPersVG, § 73 Nr. 3 NWPersVG, § 69 Nr. 8 PersVG LSA und § 75a Abs. 2 Nr. 4 ThürPersVG. Gemäß § 91 Abs. 4 Soldatengesetz findet die Vorschrift bei militärischen Dienststellen und Einrichtungen keine Anwendung, soweit militärische Gründe entgegenstehen. Steffek/Dietzel
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13
Teil 12 A Rz. 14
Restrukturierung und Privatisierung
besteht aber nur dann, wenn die Organisationsentscheidung durch die Dienststellenleitung getroffen wird. Eine Beteiligung der Personalvertretung ist dagegen ausgeschlossen, wenn die Entscheidung zur Auflösung der Dienststelle unmittelbar auf einer gesetzlichen Regelung beruht1. aa) Dienststellenbegriff 14 Dem Personalrat steht ein Beteiligungsrecht immer nur bezogen auf die jeweilige Dienststelle zu. Die Dienststelle im Personalvertretungsrecht ist die grundlegende organisatorische Einheit. Der Begriff ist in § 6 BPersVG bzw. in den entsprechenden Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze geregelt. 15 Bei der Dienststelle handelt es sich um die kleinste organisatorisch abgrenzbare Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes Aufgabengebiet zugewiesen und die innerhalb der Verwaltungsorganisation verselbständigt ist2. Auf die von der Dienststelle zu erfüllenden Aufgaben kommt es nicht an, es können hoheitliche Aufgaben, sonstige Verwaltungsaufgaben oder Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge sein. 16 Anders als für die Bestimmung der Grenzen eines Betriebes im Betriebsverfassungsrecht ist für die Grenzziehung bei einer Dienststelle nicht die räumliche Einheit entscheidend, maßgeblich ist vielmehr die Verwaltungsorganisation. Ob eine Dienststelle Selbständigkeit besitzt, ist anhand des Umfangs der organisatorischen Gestaltungsbefugnisse des Dienststellenleiters zu ermitteln. Entscheidend ist, dass dieser eine eigenständige Regelungskompetenz in personellen und sachlichen Fragen besitzt3. 17 Für weitere Einzelheiten zum Dienststellenbegriff wird auf die Ausführungen in Teil 9 Rz. 10 ff. verwiesen. bb) Beteiligungssachverhalte (1) Auflösung von Dienststellen 18 Bei der Auflösung einer Dienststelle endet deren Existenz als Organisationseinheit. Die Auflösung einer Dienststelle entspricht damit der Stilllegung eines Betriebes im Betriebsverfassungsrecht4. Aufgelöst werden kann eine Dienststelle zB durch den Wegfall der bisherigen Aufgabe oder aber durch die Übertragung der Aufgabe auf eine andere Dienststelle bzw. auf einen privaten Träger. 1 RDW/Benecke, § 78 BPersVG Rz. 15; Lorenzen, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehack/Faber, § 78 BPersVG Rz. 25 mit dem Beispiel des 10. Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes v. 23.7.1992, das die Auflösung der Bundesanstalt für Flugsicherung anordnete. 2 BVerwG v. 18.1.1990 – 6 P 8.88, PersV 1990, 348. 3 Vgl. BVerwG v. 15.12.1978 – 6 P 18.78, PersV 1980, 151; BVerwG v. 14.7.1987 – 6 P 9/86, BVerwGE 78, 34; BVerwG v. 13.8.1986 – 6 P 7.85, PersV 1987, 254. 4 Altvater, § 78 BPersVG Rz. 14; Fischer/Goeres/Gronimus, GKÖD V, K § 78 BPersVG Rz. 14.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 23 Teil 12 A
Die bloße Übernahme der Beschäftigten einer Dienststelle durch einen an- 19 deren Dienstherrn bei Fortbestand der Dienststelle führt nicht zur Auflösung der Dienststelle und ist daher nicht mitwirkungspflichtig1. Demnach handelt es sich beispielsweise bei der Übernahme des Personals eines Schulhorts aus dem Landesdienst in den kommunalen Dienst durch den Abschluss entsprechender Änderungsverträge nicht um die mitwirkungspflichtige Auflösung einer Dienststelle2. Im Falle der Privatisierung einer Dienststelle endet dagegen deren Existenz und ein Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne entsteht. Hierin liegt auch eine Auflösung der Dienststelle, bei der dem Personalrat ein Mitwirkungsrecht zusteht3.
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Der Auflösung gleichgestellt ist die Einschränkung einer Dienststelle, die 21 dann gegeben ist, wenn der Aufgabenbereich der Dienststelle in sachlicher oder örtlicher Beziehung wesentlich vermindert wird4. Beruht die Einschränkung auf dem Haushaltsplan oder einer gesetzlichen Regelung, ist das Mitwirkungsrecht jedoch mangels Entscheidungsspielraumes der Dienststelle ausgeschlossen5. (2) Verlegung von Dienststellen Die Verlegung von Dienststellen setzt eine Veränderung der örtlichen Lage 22 voraus. Sie muss ins Gewicht fallen. Im Regelfall ist eine örtliche Veränderung innerhalb des Dienstortes keine Verlegung iSd. § 78 BPersVG6. In Großstädten oder Großgemeinden kann aber auch die Verlegung der Dienststelle in einen entfernten Ortsteil genügen7. Ausreichend war für das Hamburgische OVG zB die Verlegung des Sitzes 23 des Sozialgerichtes um 4,3 Straßenkilometer8. Gleiches hat das BVerwG für die Verlegung einer Behörde um 4,3 Straßenkilometer in Berlin ent1 OVG Sa.-Anh. v. 5.4.2000 – A 5 S 2/99, PersV 2000, 509. 2 OVG Sa.-Anh. v. 5.4.2000 – A 5 S 2/99, PersV 2000, 509. 3 Hess. VGH v. 1.6.1994 – TL 864/94, NZA 1994, 903 zu § 81 Abs. 2 HessPersVG; RDW/Benecke, § 78 BPersVG Rz. 15; Blanke/Trümmer/Trümmer, Handbuch Privatisierung, Rz. 684; PdK-NRW/Gronimus, Personalvertretungsrecht, 13.6.2.7, C 17a NW; Haas/Schmitt, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehack/Faber, § 78 BPersVG Rz. 25; aA Fischer/Goeres/Gronimus, GKÖD V, § 78 BPersVG Rz. 14. 4 BVerwG v. 13.3.1964 – VII P 15.62, AP Nr. 4 zu § 73 PersVG; OVG Magdeburg v. 5.4.2000 – A 5 S 2/99, PersV 2000, 509; RDW/Benecke, § 78 BPersVG Rz. 18. 5 BVerwG v. 5.2.1960 – VII P 4.58, BVerwGE 10, 140; Fischer/Goeres/Gronimus, GKÖD V, K § 78 BPersVG Rz. 15; Lorenzen, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehack/Faber, § 78 BPersVG Rz. 26; MünchArbR/Germelmann, § 372 Rz. 15. 6 BVerwG v. 27.7.1979 – 6 P 25.78, PersV 1981, 73; Lorenzen, in: Lorenzen/Etzel/ Gerhold/Schlatmann/Rehack/Faber, § 78 BPersVG Rz. 26; aA Altvater, § 78 BPersVG Rz. 16. 7 OVG Hamburg v. 8.11.1999 – 8 Bs 368/99 PVL, PersR 2000, 252; BAG v. 17.8.1982 – 1 ABR 40/80, NJW 1983, 1870 f. zu § 111 BetrVG. 8 OVG Hamburg v. 8.11.1999 – 8 Bs 368/99 PVL, PersR 2000, 252. Steffek/Dietzel
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Restrukturierung und Privatisierung
schieden1. Dagegen hat das BVerwG in einem anderen Fall eine Verlegung des Dienstortes um 4 km nicht als relevante Änderung eingeordnet2. (3) Zusammenlegung von Dienststellen 24 Eine Zusammenlegung iSv. § 78 BetrVG liegt vor, wenn mehrere Dienststellen zu einer neuen Dienststelle zusammengeschlossen werden3. 25 Fusionieren zB mehrere regionale Betriebsgenossenschaften zu einer überregionalen Betriebsgenossenschaft, hat der Personalrat wegen der Zusammenlegung mehrerer Dienststellen ein Beteiligungsrecht4. (4) Wesentliche Teile von Dienststellen 26 Die Mitwirkungsrechte des Personalrates bestehen auch dann, wenn es sich nicht um die Auflösung, Verlegung oder Zusammenlegung einer Dienststelle, sondern lediglich eines wesentlichen Dienststellenteils handelt. Ein Dienststellenteil liegt nur dann vor, wenn die Dienststelle aus Teilen zusammengesetzt ist, die räumlich oder organisatorisch über eine gewisse Selbständigkeit verfügen5. Wesentlich ist ein Dienststellenteil dann, wenn es sich um eine abgrenzbare Organisationseinheit handelt, deren Fortfall oder Veränderung sich auf den Aufgabenbereich der Dienststelle derart auswirkt, dass sie zu einer wesensmäßig anderen Dienststelle wird; der Dienststellenteil muss also innerhalb der Organisation der Dienststelle von prägender Bedeutung sein6. 27 Vor diesem Hintergrund hat das BVerwG7 entschieden, dass die Notaufnahme einer medizinischen Klinik kein solcher wesentlicher Dienststellenteil ist. In dem zu entscheidenden Fall waren die Notaufnahmen zweier Kliniken zusammengelegt worden, wobei die Zahl der betroffenen Mitarbeiter im Verhältnis zu der Zahl der Gesamtbeschäftigten nicht ins Gewicht viel. Ebenso wurde für die medizintechnische Abteilung eines Krankenhauses8 bzw. bei der Privatisierung einer untergeordneten Organisationseinheit entschieden, in der lediglich 2,1 % der Beschäftigten der gesamten Dienststelle tätig waren9.
1 BAG v. 17.8.1982 – 1 ABR 40/80, NJW 1983, 1870 f. zu § 111 BetrVG; ebenso Hess. LAG v. 28.10.1986 – 4 TaBV 13/86, AiB 1987, 292. 2 BVerwG v. 27.7.1979 – 6 P 25.78, PersV 1981, 73. 3 Altvater, § 78 BPersVG Rz. 17; RDW/Benecke, § 78 BPersVG Rz. 20. 4 OVG Münster v. 25.5.2005 – 1 B 453/05 PVL, NZA-RR 2005, 504. 5 BVerwG v. 30.9.1987 – 6 P 19.85, PersV 1988, 491; BVerwG v. 13.3.1964 – VII P 15.62, AP Nr. 4 zu § 73 PersVG. 6 BVerwG v. 30.9.1987 – 6 P 19.85, PersV 1988, 491. 7 BVerwG v. 23.1.1985 – 6 P 40.82, PersR 1986, 93. 8 VGH BW v. 29.6.1999 – PL 15 S 1670/98, PersR 1999, 505. 9 OVG Hamburg v. 15.2.1991 – Bs PB 1/91, nv.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 32 Teil 12 A
(5) Privatisierung als selbständiger Beteiligungssachverhalt Anders als das BPersVG enthalten einige Landespersonalvertretungsgesetze selbständige Beteiligungsrechte des Personalrates für den Fall der Privatisierung. Die Qualität des jeweiligen Beteiligungsrechtes und auch der Wortlaut der einzelnen Vorschriften variiert jedoch erheblich. Die Beteiligungsrechte reichen von einer bloßen Anhörung bis zur (eingeschränkten) Mitbestimmung des Personalrates1.
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cc) Ablauf des Mitwirkungsverfahrens Der Ablauf des Mitwirkungsverfahrens ist in § 72 BPersVG2 geregelt (de- 29 taillierte Darstellung unter Teil 9 Rz. 123 ff.). Das Mitwirkungsverfahren ist durchzuführen, wenn bei der entscheidungsbefugten Dienststelle ein Personalrat besteht3. Das Verfahren beginnt mit der Unterrichtung der Personalvertretung, im 30 Rahmen derer der Personalrat eine Erörterung der Maßnahme verlangen kann. Ist der Dienststellenleiter nicht bereit, die – fristgerecht erhobenen – Einwendungen des Personalrates zu berücksichtigen, so kann der Personalrat die Angelegenheit den übergeordneten Dienststellen vorlegen, wenn bei diesen Dienststellen eine Stufenvertretung besteht. Mit der Vorlage geht die Entscheidungsbefugnis auf die übergeordnete Dienststelle über und die Maßnahme ist gemäß § 72 Abs. 5 BPersVG auszusetzen. Scheitert auch auf der Ebene der übergeordneten Dienstbehörde eine Einigung, kann die Stufenvertretung die Angelegenheit der obersten Dienstbehörde vorlegen, wenn dort ein Hauptpersonalrat besteht. Die Entscheidung der obersten Dienstbehörde nach Verhandlungen mit dem Hauptpersonalrat ist endgültig. Ein Verfahren vor der Einigungsstelle nach § 71 BPersVG ist nicht vorgesehen.
31
In den Bundesländern Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig- 32 Holstein, in denen die allgemeinen Beteiligungsvorschriften der Mitbestimmung anzuwenden sind, ist dagegen auf Antrag zusätzlich das Verfahren vor der Einigungsstelle durchzuführen. Der Spruch der Einigungsstelle hat jedoch keine bindende Wirkung, sondern nur empfehlenden Charakter4, so 1 Anhörung: § 80 Abs. 3 Nr. 6 BWPersVG; Erörterung: § 83 Nr. 4 RhPfPersVG; Mitwirkung: § 68 Abs. 2 Nr. 2 BbgPersVG; § 77 Nr. 3 SächsPersVG; Benehmen: § 75 Nr. 12 NPersVG; eingeschränkte Mitbestimmung: § 72 Abs. 3 Nr. 7 NWPersVG, § 81 Abs. 1 Satz 1 HessPersVG, § 84 Nr. 7 SPersVG. 2 Entsprechende Regelungen: § 72 BWPersVG, § 72 BayPersVG, § 84 PersVG-Berlin, § 67 BbgPersVG, § 72 HessPersVG, § 62 Abs. 10 MVPersVG, § 69 NWPersVG, § 74 SPersVG, § 76 SächsPersVG und § 69a ThürPersVG. Abweichungen zwischen den Regelungen bestehen insbesondere bei den maßgeblichen Fristen. In Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein fehlen spezielle Vorschriften zur Mitwirkung. Es gelten die allgemeinen Vorschriften zur Mitbestimmung der Personalvertretung. 3 RDW/Weber, § 72 BPersVG Rz. 8. 4 Vgl. § 59 Abs. 5 BremPVG; § 81 Abs. 6 HmbPersVG (abschließende Entscheidung durch den Senat); § 62 Abs. 7 PersVG LSA; § 54 Abs. 4 MBG Schl.-H. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 33
Restrukturierung und Privatisierung
dass die Letztentscheidungsbefugnis der obersten Dienstbehörde bzw. in Hamburg dem Senat zukommt. 33 Die Organisationsentscheidungen zur Auflösung, Verlegung oder Zusammenlegung von Dienststellen werden durch Fehler bei der Beteiligung der Personalvertretungen nicht unwirksam, wenn – wie auf Bundesebene und in der Mehrzahl der Bundesländer – lediglich ein Mitwirkungsrecht des Personalrates besteht1. 34 Der Personalvertretung steht zudem nach der Rechtsprechung des BVerwG kein Unterlassungsanspruch gegen entsprechende Maßnahmen zu2. Dass das Personalvertretungsrecht im Gegensatz zum Betriebsverfassungsrecht keine unmittelbar gerichtlich durchsetzbaren materiellrechtlichen Leistungsansprüche (Unterlassungs- und Handlungsansprüche) vorsieht, ergibt sich daraus, dass derartige Ansprüche – wie sie in §§ 23 Abs. 3, 98 Abs. 5 und 101 BetrVG gegen den Arbeitgeber geregelt sind – im Personalvertretungsrecht nicht existieren. Das erklärt sich aus dem unterschiedlichen Regelungsbereich beider Gesetze. Während bei Pflichtverstößen des Arbeitgebers in der Privatwirtschaft ohne entsprechende Vorschriften keine Mittel gegeben wären, die Durchführung der Beteiligungsrechte und sonstigen Aufgaben der Betriebsvertretungen sicherzustellen, ist das in den öffentlichen Verwaltungen deshalb nicht erforderlich, weil der Staat oder die öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Anstalten selbst im Wege der Dienstaufsicht und notfalls durch disziplinäre Maßnahmen sicherstellen können, dass dem Gesetz Genüge getan wird3. 35 Die Personalvertretung kann allerdings im Beschlussverfahren nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG die Verletzung ihres Beteiligungsrechtes feststellen lassen. Stellt das Gericht die gerügte Verletzung fest, ist die Dienststelle verpflichtet, das Mitwirkungsverfahren nachzuholen4. Diesen Anspruch auf Nachholung des Mitwirkungsverfahrens kann der Personalrat ebenfalls im Beschlusswege durchsetzen5. 36 Soweit dem Personalrat bei der Auflösung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen nicht nur ein Mitwirkungsrecht, sondern ein Mit1 MünchArbR/Germelmann, § 372 Rz. 8; RDW/Weber, § 78 BPersVG Rz. 57, Fischer/Goeres/Gronimus, GKÖD V, K § 78 BPersVG Rz. 24; Gerhold, in: Lorenzen/ Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehack/Faber, § 78 BPersVG Rz. 40. 2 BVerwG v. 15.12.1978 – 6 P 13.78, PersV 1980, 145, BVerwG v. 27.7.1990 – 6 PB 12.89, AP Nr. 25 zu § 72a ArbGG 1979; ebenso VGH BW v. 6.7.1982 – 15 S 811/82, PersV 1985, 331; aA Altvater, § 69 BPersVG Rz. 21; MünchArbR/Germelmann, § 371 Rz. 55. 3 BVerwG v. 15.12.1978 – 6 P 13.78, PersV 1980, 145; VGH Mannheim v. 26.11.1991 – 15 S 2471/91, PersV 1992, 359. 4 BVerwG v. 16.9.1994 – 6 P 33.93, AP Nr. 7 zu § 76 BPersVG; BVerwG v. 20.1.1993 – 6 P 18.90, AP Nr. 6 zu § 79 LPVG BW; BVerwG v. 4.6.1993 – 6 P 31.91, AP Nr. 2 zu § 79 LPVG Berlin; MünchArbR/Germelmann, § 371 Rz. 55; RDW/Weber, § 78 BPersVG Rz. 57. 5 BVerwG v. 20.1.1993 – 6 P 18.90, AP Nr. 6 zu § 79 LPVG BW; BVerwG v. 4.6.1993 – 6 P 31.91, AP Nr. 2 zu § 79 LPVG Berlin; BVerwG v. 16.9.1994 – 6 P 33.93, AP Nr. 7 zu § 76 BPersVG.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 38 Teil 12 A
bestimmungsrecht zusteht, dh. in den Ländern Hamburg, Bremen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Verstöße gegen das Mitbestimmungsverfahren zur Unwirksamkeit der getroffenen Organisationsentscheidung führen. So ist das BAG für Verletzungen der Mitbestimmungsrechte des Personalrates bei personellen Einzelmaßnahmen bisher von der Unwirksamkeit der Maßnahme ausgegangen, soweit die Maßnahme zu Lasten der betroffenen Beschäftigten wirkt1. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage steht bisher aber noch aus. Gegen eine Übertragung der Rechtsprechung des BAG zu personellen Einzelmaßnahmen auf Organisationsentscheidungen spricht, dass auch nach dieser Rechtsprechung nur Rechtsgeschäfte unwirksam sind2. Die getroffene Organisationsentscheidung selber ist aber kein solches Rechtsgeschäft, sondern lediglich die Basis für spätere rechtsgeschäftliche Einzelmaßnahmen (zB Kündigungen, Versetzungen, etc.). Damit wären allenfalls die personellen Einzelmaßnahmen zur Umsetzung der geplanten Organisationsentscheidung unwirksam. Für diese Einzelmaßnahmen bestehen jedoch spezielle Mitbestimmungstatbestände zum Schutz der Beschäftigten (vgl. Rz. 39 f.). Der Personalrat hat zudem bei Organisationsentscheidungen lediglich ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht, nachdem der Spruch der Einigungsstelle nur empfehlenden Charakter hat und das Letztentscheidungsrecht bei der obersten Dienststelle verbleibt (Rz. 31 f.).
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Auch ein Vergleich zum Betriebsverfassungsrecht spricht schließlich gegen 38 eine Unwirksamkeit der getroffenen Organisationsentscheidung. So besteht bei Betriebsänderungen nach §§ 111 ff. BetrVG, wie zB der Stilllegung eines Betriebes, zwar kein echtes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, wohl aber eine Verpflichtung, über den Abschluss eines Interessenausgleiches zu verhandeln. Verstößt das Unternehmen gegen diese Verhandlungsverpflichtung, so kann der Betriebsrat allenfalls die Umsetzung der getroffenen Organisationsentscheidung (zB den Ausspruch von geplanten Kündigungen) per einstweiliger Verfügung verhindern3. Die Wirksamkeit der getroffenen Organisationsentscheidung selbst wird hiervon aber nicht berührt.
1 BAG v. 27.9.2000 – 7 AZR 412/99, AP Nr. 1 zu § 61 LPVG Brandenburg (zur Mitbestimmung bei der Befristung eines Arbeitsvertrages); BAG v. 14.7.1965 – 4 AZR 358/64, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge – BAVAV (zur Mitbestimmung bei einer Umgruppierung); Altvater, § 69 BPersVG Rz. 11. 2 BAG v. 13.4.1994 – 7 AZR 651/93, NZA 1994, 1099. 3 So zB LAG München v. 22.12.2008 – 6 TaBVGa 6/08, nv.; LAG Hamm v. 21.8.2008 – 13 TaBVGa 16/08, BeckRS 2008, 57206; Hess. LAG v. 27.6.2007 – 4 TaBVGa 137/07, BeckRS 2007, 47237; LAG Nds. v. 4.5.2007 – 17 TaBVGa 57/07, BeckRS 2007, 45980. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 39
Restrukturierung und Privatisierung
b) Mitbestimmung bei Personalangelegenheiten gemäß § 75 Abs. 1 BPersVG 39 Um- und Restrukturierungen sind im Regelfall mit Versetzungen, Umgruppierungen oder ähnlichen Maßnahmen für die Beschäftigten verbunden. Für solche Personalangelegenheiten besteht sowohl nach § 75 Abs. 1 BPersVG als auch nach den Personalvertretungsgesetzen der Länder1 ein Mitbestimmungsrecht des Personalrates. Entsprechende Maßnahmen können nur mit Zustimmung des Personalrates durchgeführt werden. Bei einer Versetzung ist zudem nicht nur der Personalrat der abgebenden, sondern auch jener der aufnehmenden Dienststelle zu beteiligen2. Das Mitbestimmungsverfahren richtet sich nach § 69 BPersVG (detaillierte Darstellung unter Teil 9 F Rz. 94 ff.). 40 Versetzungen, Abordnungen oder Umsetzungen, die der Dienststellenleiter unter Verstoß gegen die Beteiligungsrechte des Personalrates durchführt, sind unwirksam3. Der Dienstherr darf den Verstoß gegen die Beteiligungsrechte aber nicht zum eigenen Vorteil nutzen, er darf sich also nicht zum Nachteil für den betreffenden Beschäftigten auf die Unwirksamkeit berufen4. Daher kann beispielsweise nach der Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit ohne Zustimmung der Personalvertretung ein Beschäftigter die höhere Vergütung beanspruchen. Die Personalvertretung kann aber jederzeit die Rückgängigmachung der tatsächlichen Übertragung der Tätigkeit wegen des Verstoßes gegen ihr Mitbestimmungsrecht verlangen, so dass der Beschäftigte zwar die höhere Vergütung erhalten muss, nicht aber mit der neuen Tätigkeit betraut werden darf5. c) Sozialplanmitbestimmung 41 § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG6 gewährt dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Plänen für Umschulungen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen 1 Vgl. Art. 75 Abs. 1 BayPersVG, § 76 Abs. 1 BWPersVG, § 51 Abs. 1 MBG Schl.-H., § 65 Abs. 2 NPersVG, § 86 Abs. 3 PersVG-Berlin, § 63 Abs. 1 BbgPersVG, § 75 Abs. 1 ThürPersVG, § 80 Abs. 1 SächsPersVG, § 77 Abs. 2 HessPersVG, § 72 Abs. 1 NWPersVG, § 78 Abs. 1 RhPfPersVG, § 80 Abs. 1 Buchst. b SPersVG, § 67 Abs. 1 PersVG LSA, § 65 Abs. 1 BremPVG, § 87 Abs. 1 HmbPersVG, § 68 Abs. 1 MVPersVG. 2 BVerwG v. 16.9.1994 – 32.92 und 33.92, PersV 1995, 16, 20 – zur Versetzung von Beamten; LAG Köln v. 11.8.1995 – 13 Sa 97/95, NZA-RR 1996, 280; LAG Hamm v. 13.7.1995 – 17 Sa 101/95, NZA-RR 1996, 116; RDW/Kaiser, § 75 BPersVG Rz. 85. 3 BAG v. 15.1.1991 – 1 AZR 105/90, AP Nr. 4 zu § 4 BPersVG; BAG v. 6.8.1991 – 1 AZR 573/90, nv. 4 BAG v. 13.4.1994 – 7 AZR 651/93, NZA 1994, 1099; BAG v. 16.9.1986 – GS 1/82, NZA 1987, 168; BAG v. 15.8.2006 – 9 AZR 571/06, NZA 2007, 1310 – Mitwirkung bei der Zuordnung zum Stellenpool gemäß § 99c PersVG-Berlin; BAG v. 12.5.2004 – 4 AZR 338/03, AP Nr. 300 zu §§ 22, 23 BAT 1975. 5 BAG v. 16.1.1991 – 4 AZR 301/90, NZA 1991, 490. 6 Ebenso § 79 Abs. 1 Nr. 11 BWPersVG, Art. 75 Abs. 4 Nr. 12 BayPersVG, § 85 Abs. 1 Nr. 9 PersVG-Berlin, § 69 Nr. 5 MVPersVG, § 72 Abs. 2 Nr. 5 NWPersVG),
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I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 45 Teil 12 A
Nachteilen, die Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen. In einigen Bundesländern hat der Personalrat auch dann ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Sozialplänen, wenn die geplante Umstrukturierung nicht als Rationalisierungsmaßnahme qualifiziert werden kann1. aa) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich von § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG ist auf „Rationalisierungsmaßnahmen“ begrenzt, ein allgemeines Mitbestimmungsrecht des Personalrates bei der Aufstellung von Sozialplänen besteht nicht2.
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Rationalisierungsmaßnahmen dienen der Effizienzsteigerung. Entschei- 43 dendes Merkmal ist, dass hierdurch die Leistung des Betriebes bzw. der Dienststelle durch eine zweckmäßigere Gestaltung der Arbeitsabläufe verbessert werden soll, indem der Aufwand an menschlicher Arbeit oder an Zeit, Energie, Material und Finanzkraft herabgesetzt wird3. Die bloße Anpassung der Personalstärke an die allgemeine Marktsituation oder die Kundennachfrage ist dagegen keine Rationalisierungsmaßnahme in diesem Sinne4. Die Bedeutung dieses Mitbestimmungsrechtes wird gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 BPersVG durch den Vorrang tarifvertraglicher und gesetzlicher Rationalisierungsschutzregelungen reduziert. So enthalten die Rationalisierungsschutztarifverträge im öffentlichen Dienst (Rz. 62 ff.) vorrangig zu berücksichtigende Vorgaben, die durch einen Sozialplan nach § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG allenfalls ergänzt werden können. Zumeist spielt dieses Mitbestimmungsrecht daher nur eine geringe Rolle5.
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bb) Initiativrecht § 70 Abs. 1 BPersVG räumt dem Personalrat ein Initiativrecht für die Aufstellung von Sozialplänen ein. Der Personalrat kann also den Abschluss eines Sozialplanes verlangen, sobald eine Rationalisierungsmaßnahme ge-
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§ 80 Abs. 1 Nr. 2 RhPfPersVG, § 80 Abs. 3 Nr. 13 SächsPersVG, § 54 Abs. 4 Satz 3 Nr. 9 MBG Schl.-H. und § 74 Abs. 2 Nr. 7 ThürPersVG. § 64 Nr. 5 BbgPersVG – auch bei der Auflösung, Einschränkung oder Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen, § 63 Abs. 1 Buchst. m BremPVG – Aufstellung von Sozialplänen, § 86 Abs. 1 Nr. 14 iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 30 HmbPersVG – auch bei der Auflösung, Einschränkung, Erweiterung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen, § 74 Abs. 1 Nr. 15 HessPersVG – auch bei Betriebsänderungen, § 66 Abs. 1 Nr. 12 NPersVG – auch bei sonstigen organisatorischen Maßnahmen oder § 78 Abs. 1 Nr. 19 SPersVG – Aufstellung von Sozialplänen. Zu beachten sind aber weitergehende Regelungen in einigen Ländern – vgl. vorstehende Fußnote. BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, AP Nr. 40 zu § 75 BPersVG. BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, AP Nr. 40 zu § 75 BPersVG. RDW/Kaiser, § 75 BPersVG Rz. 458. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 46
Restrukturierung und Privatisierung
plant ist1 und vorrangige gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen nicht bestehen (vgl. § 75 Abs. 3 Satz 1 BPersVG). Es besteht jedoch kein Anspruch des Personalrats auf den Abschluss eines vorsorglichen Sozialplans2. Geplant ist eine Rationalisierungsmaßnahme erst, wenn die Vorgaben so konkretisiert sind, dass der Leiter der Dienststelle – vorbehaltlich einer Beratung mit dem Personalrat – entsprechend verfahren will; ein förmlicher Beschluss des Dienststellenleiters ist hierfür nicht erforderlich3. 46 Kommt eine Einigung über den Sozialplan zwischen der Personalvertretung und dem Dienststellenleiter nicht zustande, ist das Einigungsverfahren nach § 69 BPersVG einzuleiten. Wird auch zwischen der obersten Dienstbehörde und der dortigen Personalvertretung keine Einigung erzielt, kann sowohl der Leiter der obersten Dienststelle als auch die zuletzt zuständige Personalvertretung, dh. der Hauptpersonalrat oder der Personalrat der obersten Dienstbehörde, die Einigungsstelle anrufen, § 69 Abs. 4 BPersVG. Die Einigungsstelle entscheidet sodann verbindlich über den Sozialplan4. Das entsprechende Verfahren wird unter Teil 9 F Rz. 115 ff. im Detail dargestellt. 47 § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG als auch die landesrechtlichen Vorschriften zur Aufstellung von Sozialplänen geben dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht nur in Bezug auf Maßnahmen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich dagegen nicht auf das „Ob“ der jeweiligen Maßnahme. Schon deshalb hat der Personalrat keinen Anspruch auf Unterlassung der geplanten Maßnahme vor Abschluss eines Sozialplanes. Zudem hat die Rechtsprechung dem Personalrat bisher nur für personelle Einzelmaßnahmen einen Unterlassungsanspruch zuerkannt. Gegen Maßnahmen zur Umstrukturierung (zB Auflösung der Dienststelle) steht dem Personalrat dagegen kein Unterlassungsanspruch zu (vgl. Darstellung unter Rz. 34)5. Verweigert die Dienststellenleitung die Durchführung von Verhandlungen über einen Sozialplan ist der Personalrat daher darauf verwiesen, sein Mitbestimmungs- und Initiativrecht im Beschlussverfahren nach § 83 BPersVG gerichtlich feststellen zu lassen. cc) Gestaltung von Sozialplänen 48 Der Sozialplan dient dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die Beschäftigten, die sich aus den Rationalisierungsmaßnahmen ergeben. Sozialpläne können zunächst finanzielle Leistungen
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OVG Rh.-Pf. v. 7.4.1992 – 4 A 10818/91, PersR 1994, 367. LAG Bdb. v. 4.4.1997 – 5 Sa 541/96, AP Nr. 1 zu § 75 BPersVG-DDR. RDW/Kaiser, § 75 BPersVG Rz. 480 mwN. RDW/Kaiser, § 75 BPersVG Rz. 480, 482 mwN. BVerwG v. 29.10.1991 – 6 PB 19.91, PersR 1992, 24; VG Dresden v. 5.7.2004 – 9 K 1566/04, BeckRS 2005, 12289 – kein Anspruch auf Unterlassung von Kündigungen vor Abschluss eines Sozialplans.
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I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 51 Teil 12 A
wie Abfindungen oder sonstige Ausgleichszahlungen1 vorsehen. Daneben können Regelungen der Arbeitsbedingungen vereinbart werden, wie zB die Rückzahlungsmodalitäten von Arbeitgeberdarlehen oder aber die Gewährung von Freizeit für die Stellensuche. § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG benennt schließlich als weiteren Regelungsgegenstand die Umschulung der Beschäftigten. Der Personalrat ist dabei nicht nur im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Umschulungsmaßnahmen zu beteiligen, sondern auch bei der Entscheidung, „ob“ Umschulungen durchgeführt werden sollen2.
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Bei den Sozialplanregelungen ist der Vorrang der Tarifverträge zum Ratio- 50 nalisierungsschutz zu beachten. Der Abschluss eines Sozialplanes ist also ausgeschlossen, wenn auf die geplante Rationalisierungsmaßnahme bereits ein entsprechender Tarifvertrag anzuwenden ist, es sei denn die Tarifvertragsparteien haben den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen zugelassen3. Hierfür genügt es, wenn in dem Tarifvertrag deutlich zum Ausdruck kommt, dass ergänzende Vereinbarungen zulässig sein sollen, eine ausdrückliche Öffnungsklausel ist nicht erforderlich4. Dem BAG genügte zB als Öffnungsklausel eine Regelung im Tarifvertrag darüber, dass Leistungen aus einer Betriebsvereinbarung auf die tariflichen Ansprüche anzurechnen sind5. Falls eine solche Anrechnung stattfinden soll, müsse auch der Abschluss derartiger ergänzender Vereinbarungen möglich sein. Sowohl § 4 TVsA6 als auch § 10 RatSchTV7 enthalten ähnliche Anrechnungsregelungen, so dass ergänzende Sozialpläne möglich sind8. Sozialpläne enthalten oft auch Regelungen, die nicht dem Ausgleich wirt- 51 schaftlicher Nachteile dienen, sondern bereits deren Eintritt verhindern oder zeitlich verzögern sollen, zB Kündigungsverbote, Versetzungs- und Umschulungspflichten zum Zwecke der Weiterbeschäftigung, verlängerte Kündigungsfristen oder Zuweisung von Ersatzarbeitsplätzen9. Derartige Regelungen sind aber nicht mehr von § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG ge-
1 ZB Zahlung eines Lohnausgleichs bei Übertragung einer geringwertigeren Arbeit, Übernahme der Fahrt- oder Umzugskosten bei einer örtlichen Versetzung. 2 RDW/Kaiser, § 75 BPersVG Rz. 478. 3 BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, AP Nr. 40 zu § 75 BpersVG. Der Tarifvertrag für die Ersatzkassen (§ 10 der Anlage 12 zum EKT: Tarifvertrag über Rationalisierungsschutz) enthält zB eine ausdrückliche Öffnungsklausel. 4 BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 573/01, NZA 2003, 393 zu § 77 Abs. 3 BetrVG; ebenso wohl auch RDW/Kaiser, § 75 BPersVG Rz. 220 unter Verweis auf eine ausdrückliche tarifliche Zulassung von Dienstvereinbarungen; Altvater, § 75 BPersVG Rz. 90. 5 BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 573/01, NZA 2003, 393 zu § 77 Abs. 3 BetrVG. 6 Tarifvertrag zur sozialen Absicherung v. 13.9.2005. 7 Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte v. 9.1.1987 idF v. 2.4.2002. 8 Möglich gehalten wohl auch von BAG v. 11.2.1998 – 10 AZR 326/97, BeckRs 1998, 30368441 für den TVsA. 9 RDW/Kaiser, § 75 BPersVG Rz. 479. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 52
Restrukturierung und Privatisierung
deckt1. Da das BPersVG2 das Instrumentarium freiwilliger Dienstvereinbarungen nicht kennt, sondern in § 73 Abs. 1 BPersVG den Abschluss von Dienstvereinbarungen auf die gesetzlich geregelten Fälle beschränkt, sind diese überschießenden Regelungen unwirksam3. Ein entsprechender Spruch der Einigungsstelle wäre unzulässig4. Auch die Beschäftigten können sich auf solche überschießenden und damit unwirksamen Regelungen in Dienstvereinbarungen nicht berufen, selbst wenn sie für die Beschäftigten günstig sind5. 52 Soweit die Landespersonalvertretungsgesetze den Abschluss freiwilliger Dienstvereinbarungen zulassen6, können dagegen entsprechende Regelungen vereinbart werden; sie sind aber nicht über das Verfahren vor der Einigungsstelle erzwingbar7. d) Schicksal der Personalvertretungen 53 Die Existenz der Personalvertretungen ist untrennbar mit der zugehörigen Dienststelle verbunden. Gibt es die Dienststelle nach einer Restrukturierung nicht mehr, hat dies zwangsläufig auch das Ende der dortigen Personalvertretung zur Folge8. Der Personalrat hat aber bis zur vollständigen Abwicklung der Dienststelle ein Restmandat9. 54 Für die einzelnen Fälle der verwaltungsinternen Umstrukturierung (zur Privatisierung vgl. die Darstellung in Rz. 171 ff.) ergibt sich damit folgende Rechtslage: 55 Bei der Auflösung einer Dienststelle endet deren Existenz, so dass dem Personalrat nur noch ein Restmandat für die Abwicklung der Dienststelle zukommt. Die örtliche Verlegung der Dienststelle oder aber die Veränderung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform berührt die Existenz der Personalvertretung dagegen nicht. Auch der bloße Wechsel des Rechtsträgers der 1 AA OVG Bremen v. 9.7.1991 – PV-B 2/91, PersR 1992, 58 – Umsetzung als zulässiger Inhalt eines Sozialplans; ebenso Altvater, § 75 BPersVG Rz. 67. 2 Ebenso Art. 73 Abs. 1 BayPersVG, § 73 Abs. 1 BWPersVG, § 113 Abs. 2 HessPersVG, § 72 Abs. 1 ThürPersVG, § 84 Abs. 1 SächsPersVG und § 76 Abs. 1 SPersVG. 3 Albicker/Wiesenecker, NZA 2007, 842; RDW/Weber, § 73 BPersVG Rz. 16. 4 BAG v. 17.9.1991 – 1 ABR 23/91, NZA 1992, 227 zu § 112 BetrVG. 5 BAG v. 23.5.2007 – 10 AZR 295/06, NZA 2007, 940; zum Ganzen Albicker/Wiesenecker, NZA 2007, 842. 6 Eine solche Generalklausel zum Abschluss freiwilliger Dienstvereinbarungen ist in folgenden Personalvertretungsgesetzen enthalten: § 74 Abs. 1 PersVG-Berlin, § 70 Abs. 1 BbgPersVG, § 62 Abs. 1 BremPVG, § 83 Abs. 1 HmbPersVG, § 66 Abs. 1 MVPersVG, § 70 Abs. 1 PersVG LSA, § 78 Abs. 1 NPersVG, § 76 Abs. 1 RhPfPersVG, § 70 Abs. 1 NWPersVG und § 57 Abs. 1 MBG Schl.-H. 7 Vgl. BAG v. 17.9.1991 – 1 ABR 23/91, NZA 1992, 227 zu § 112 BetrVG. 8 BVerwG v. 20.2.1976 – VII P 7.73; OVG Münster v. 25.5.2005 – 1 B 453/05 PVL, NZA-RR 2005, 504. 9 BVerwG v. 3.10.1983 – 6 P 23.81, nv., BVerwG v. 21.9.2005 – 2 A 5.04, BeckRS 2006, 22159; Bayerischer VGH v. 5.4.1995 – 18 P 2942/94, PersR 1995, 436, Buchholz, 238.3 A § 83 Nr. 22.
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I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 58 Teil 12 A
Dienststelle lässt die Identität der Dienststelle und damit den Bestand der Personalvertretung unberührt1. Für den Fortbestand der Personalvertretung bei der Zusammenlegung zwei- 56 er Dienststellen oder sonstigen Veränderungen einer Dienststelle kommt es darauf an, ob die Dienststelle durch die jeweilige Maßnahme ihre Identität bewahrt2. Wenn zwei Dienststellen so zusammengelegt werden, dass die Mitarbeiter der einen Dienststelle vollständig in die bestehende Organisation der anderen Dienststelle integriert werden, wird hierdurch die Identität der aufnehmenden Dienststelle nicht betroffen, solange sich der zugewiesene Aufgabenbereich der aufnehmenden Dienststelle nicht wesentlich ändert3. Die Personalvertretung der aufnehmenden Dienststelle bleibt im Amt und ist nunmehr auch für die aufgenommenen Mitarbeiter zuständig. Anders ist dagegen die Rechtslage, wenn zwei Dienststellen zu einer neuen 57 Dienststelle vereinigt werden. Ein Übergangsmandat der vorherigen Personalvertretungen oder aber des Wahlvorstandes für diese neu gebildete Dienststelle ist im BPersVG nicht vorgesehen4. Ein solches Übergangsmandat kann zudem weder durch Tarifvertrag noch durch eine Dienstvereinbarung begründet werden5. Eine tarifvertragliche Regelung scheitert an § 3 BPersVG, wonach tarifvertraglich vereinbarte Abweichungen vom BPersVG unzulässig sind6. Eine Regelung per Dienstvereinbarung ist aufgrund der nur eingeschränkten Zulässigkeit von Dienstvereinbarungen nach § 73 BPersVG ausgeschlossen. Einzelne Landespersonalvertretungsgesetze sehen im Gegensatz zum BPersVG ausdrücklich ein Übergangsmandat des Personalrates vor7. Zudem können Übergangsmandate durch spezialgesetzliche Regelungen begründet werden. So hat der Hamburger Senat bei der Zusammenlegung des Landesbetriebes Hamburger Stadtreinigung mit zwei weiteren Stadtrei-
1 BVerwG v. 25.6.2003 – 6 P 1.03, AP Nr. 84 zu § 75 BPersVG; Fischer/Goeres/Gronimus, GKÖD V, K § 73 BPersVG Rz. 23. 2 BVerwG v. 25.6.2003 – 6 P 1.03, AP Nr. 84 zu § 75 BPersVG. 3 BVerwG v. 25.6.2003 – 6 P 1.03, AP Nr. 84 zu § 75 BPersVG. 4 OVG Münster v. 25.5.2005 – 1 B 453/05 PVL, NZA-RR 2005, 504; aA Fischer/Goeres/Gronimus, GKÖD V, K § 26 BPersVG Rz. 26. 5 OVG Münster v. 25.5.2005 – 1 B 453/05 PVL, NZA-RR 2005, 504; Blanke/Trümmer/Trümmer, Handbuch Privatisierung, Rz. 714 ff., 720 zum Abschluss von Dienstvereinbarungen. 6 Besgen/Langner, NZA 2003, 1239 (1242). 7 § 32 BbgPersVG – gemeinsame Geschäftsführung der bisherigen Personalräte für längstens sechs Monate bis zur Neuwahl; §§ 32 SächsPersVG, 32 ThürPersVG – Übergangsmandat für längstens vier Monate; § 44 NWPersVG – Bestellung einer Personalkommission durch die betroffenen Personalräte; § 106 BWPersVG – Bildung eines Übergangspersonalrates für die Dauer von maximal einem Jahr bei Zusammenlegungen und Eingliederungen, im Übrigen Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelunge eines Übergangsmandates der Personalvertretungen; § 117 NPersVG – Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung eines Übergangsmandats. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 59
Restrukturierung und Privatisierung
nigungen bis zur Neuwahl eines Personalrates ein Übergangsmandat des Personalrates der Hamburger Stadtreinigung gesetzlich angeordnet1. e) Schicksal von Dienstvereinbarungen 59 Die kollektivrechtliche Fortgeltung von Dienstvereinbarungen ist an das Schicksal der Personalvertretung geknüpft. Bleibt die Personalvertretung auch nach der Umstrukturierung im Amt, gelten die Dienstvereinbarungen unverändert fort. 60 Entfällt der Personalrat dagegen mit der Umstrukturierungsmaßnahme, verlieren zugleich auch die abgeschlossenen Dienstvereinbarungen ihre zwingende kollektivrechtliche Wirksamkeit2. Dies gilt auch, soweit dem Personalrat auf Basis einer gesetzlichen Sonderregelung ein Übergangsmandat zusteht. Nur soweit die Umstrukturierung mit einem Betriebsübergang nach § 613a BGB verbunden ist, werden die Dienstvereinbarungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in die Arbeitsverhältnisse transformiert und gelten individualvertraglich fort3. 61 Beruht die Umstrukturierung auf einem Gesetz, kann in diesem Gesetz auch die Fortgeltung der Dienstvereinbarungen angeordnet werden4. 3. Tarifvertragliche Rahmenbedingungen 62 Maßnahmen zum Ausgleich von Nachteilen im Zusammenhang mit Restrukturierungsmaßnamen sind für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Tarifgebiet West in dem „Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte“ und dem „Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter“ sowie im Tarifgebiet Ost in den „Tarifverträgen zur sozialen Absicherung“ geregelt. a) Rationalisierungsschutztarifvertrag für Angestellte (Tarifgebiet West) 63 Bereits seit 1987 gilt der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9.1.1987 (RatSchTV)5. Er ist in seinem Anwendungsbereich aber auf das Tarifgebiet West beschränkt. Bei der Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses zu dem Tarifgebiet West oder zu dem Tarifgebiet Ost ist zunächst auf den Ort der Begründung des Arbeitsverhältnisses abzustellen6. Wurde der Arbeitsvertrag im Gebiet der alten Bundesländer abgeschlossen, so gilt der RatSchTV. Nach der Rechtsprechung ist der 1 Vgl. § 19 Abs. 2 des Hamburger Stadtreinigungsgesetzes v. 9.3.1994. 2 BVerwG v. 25.6.2003 – 6 P 1.03, AP Nr. 84 zu § 75 BPersVG. 3 Für eine normative Fortgeltung: Blanke/Trümmer/Trümmer, Handbuch Privatisierung, Rz. 591; Seiter, DB 1980, 877. 4 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 693, NZA 2005, 833. 5 Der Tarifvertrag wurde durch den Bund, die TdL sowie die VKA mit den Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ver.di), DAG (ver.di), GGVöD (dbb tarifunion) sowie dem Marburger Bund abgeschlossen. 6 Vgl. § 38 Abs. 1 Buchst. a TVöD; Bredemeier/Neffke, § 1 BAT/BAT-O Rz. 16.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 66 Teil 12 A
RatSchTV aber auch dann einschlägig, wenn für ein zunächst im Beitrittsgebiet begründetes Arbeitsverhältnis der Bezug zum Tarifgebiet Ost nicht mehr besteht1. So ist der RatSchTV zB auch anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet worden ist, der Beschäftigte aber nunmehr für eine Dienststelle im Tarifgebiet West tätig ist2. aa) Persönlicher Anwendungsbereich Der RatSchTV ist nur auf Angestellte anzuwenden. Für Arbeiter gilt dagegen der nahezu inhaltsgleiche Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter. Zwar wurde mit der Neuregelung der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten aufgegeben. Eine Zusammenfassung der Tarifverträge zum Rationalisierungsschutz für Angestellte und Arbeiter steht bisher aber noch aus.
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bb) Sachlicher Anwendungsbereich Die Ansprüche nach dem RatSchTV setzen eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des Tarifvertrages voraus. Gemäß § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 RatSchTV sind Rationalisierungsmaßnahmen vom „Arbeitgeber veranlasste erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, wenn diese Maßnahmen für Angestellte zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen“. Der Tarifvertrag ist damit nicht auf alle Maßnahmen mit nachteiligen Folgen für das Personal anzuwenden.
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§ 1 Abs. 2 RatSchTV benennt mögliche Beispiele für Rationalisierungsmaßnahmen:
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– Stilllegung oder Auflösung einer Verwaltung/eines Betriebes bzw. eines Verwaltungs-/Betriebsteils – Verlegung oder Ausgliederung einer Verwaltung/eines Betriebes bzw. eines Verwaltungs-/Betriebsteils – Zusammenlegung von Verwaltungen/Betrieben bzw. eines Verwaltungs-/Betriebsteils – Verlagerung von Aufgaben zwischen Verwaltungen/Betrieben – Einführung anderer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren Die Beispiele entsprechen im Wesentlichen dem Katalog der Betriebsänderungen nach § 111 Satz 3 BetrVG. Während im BetrVG aber unwiderleglich vermutet wird, dass diese Sachverhalte eine nach den §§ 111 ff. BetrVG mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung darstellen, ist für die Anwendung des RatSchTV als weitere Voraussetzung zu prüfen, ob die geplante Maßnahme tatsächlich eine Rationalisierung der Arbeitsweise bezweckt. 1 Zur Abgrenzung der Tarifgebiete unter Geltung des BAT/BAT-O: BAG v. 24.2.1994 – 6 AZR 588/93, NZA 1995, 133. 2 BAG v. 20.3.1997 – 6 AZR 10/96, AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 67
Restrukturierung und Privatisierung
67 Entscheidendes Merkmal einer Rationalisierungsmaßnahme ist dabei – wie bei § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG –, „dass durch sie die Leistungen des Betriebes bzw. der Dienststelle verbessert werden sollen, indem der Aufwand an menschlicher Arbeit oder auch an Zeit, Energie, Material und Kapital herabgesetzt wird.“1 Bloße Anpassungen des Personalbestandes an den bestehenden Bedarf, ohne dass zugleich Maßnahmen zur Effizienzsteigerung – wie zB die Einführung einer rationelleren Arbeitsorganisation – ergriffen werden, gelten daher nicht als Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne des Tarifvertrages2. Abzugrenzen ist dabei von der Situation, dass aus einer Organisationsänderung, die der Effizienzsteigerung der Dienststelle dient, ein reduzierter Personalbedarf folgt3. 68 Auch die Rechtsprechung zu Betriebsstilllegungen zeigt, dass Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne des Tarifvertrages der Leistungssteigerung dienen müssen. Eine Rationalisierungsmaßnahme nach § 1 Abs. 1 RatSchTV liegt nämlich nur dann vor, wenn die bisher erledigte Aufgabe nach der Stilllegung durch einen anderen Betrieb erledigt wird, auf den der Inhaber des bisherigen Betriebes Einfluss hat. Soweit die Aufgabe ersatzlos entfällt, liegt mangels Effizienzsteigerung keine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des Tarifvertrages vor4. 69 Schließlich setzt eine Rationalisierungsmaßnahme nach § 1 RatSchTV eine erhebliche Änderung der Arbeitstechnik bzw. wesentliche Änderung der Arbeitsorganisation zur Effizienzsteigerung voraus. Ob die Änderung wesentlich bzw. erheblich ist, wird nach der Protokollnotiz Nr. 1 des RatSchTV nicht anhand des Umfangs der Änderung, sondern nach ihren Auswirkungen bestimmt. Eine wesentliche Änderung wird regelmäßig vorliegen, wenn eine Vielzahl von Angestellten durch die Maßnahme betroffen wird. 70 Nach § 1 Abs. 3 RatSchTV werden Betriebsübergänge nach § 613a BGB (vgl. hierzu Teil 12 B Rz. 2 ff.) ausdrücklich von dem Anwendungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen. cc) Unterrichtungspflichten 71 § 2 Abs. 1 RatSchTV verpflichtet den Arbeitgeber, die zuständige Personaloder Betriebsvertretung vorab über die geplanten Rationalisierungsmaßnahmen zu unterrichten. Diese Unterrichtungspflicht ergänzt die Unter-
1 BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, NVwZ-RR 1993, 563. 2 Vgl. Protokollnotiz Nr. 3 zu § 1 Abs. 1 RatSchTV; BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, NVwZ-RR 1993, 563. 3 BVerwG v. 17.6.1992 – 6 P 17.91, NVwZ-RR 1993, 563. 4 BAG v. 17.3.1988 – 6 AZR 634/86, NZA 1988, 581 – ersatzlose Schließung eines Kinderheims; LAG München v. 28.7.2005 – 2 Sa 86/05, LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 75 – ersatzlose Schließung eines gemeindlichen Krankenhauses.
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I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 76 Teil 12 A
richtungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach dem BetrVG bzw. des Personalrates nach dem jeweils anwendbaren PersVG1. Nach § 2 Abs. 3 RatSchTV soll der Arbeitgeber außerdem die betroffenen Angestellten rechtzeitig vor der Durchführung der Maßnahme informieren.
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dd) Arbeitsplatzsicherung § 3 RatSchTV verlangt von dem Arbeitgeber, dass er die Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung eines betroffenen Angestellten umfassend prüft. Auch eine Fortbildung oder Umschulung des Angestellten ist zu erwägen. Nur wenn keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung besteht, darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigen.
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Vorrangig ist dem Angestellten hiernach ein gleichwertiger Arbeitsplatz zu sichern, wobei ein Arbeitsplatz dann als gleichwertig gilt, wenn die bisherige Eingruppierung und der bisherige zeitliche Beschäftigungsumfang erhalten bleiben. Bei der Prüfung ist gemäß § 3 Abs. 2 RatSchTV nachfolgende Stufenreihenfolge einzuhalten, wobei Abweichungen mit Zustimmung des Betroffenen möglich sind:
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– gleichwertiger Arbeitsplatz in derselben Verwaltung/demselben Betrieb im selben Ort, – gleichwertiger Arbeitsplatz in einer anderen Verwaltung/in einem anderen Betrieb oder an einem anderen Ort oder – gleichwertiger Arbeitsplatz in einer anderen Verwaltung/in einem anderen Betrieb und an einem anderen Ort. Wenn dem Angestellten kein gleichwertiger Arbeitsplatz angeboten wer- 75 den kann, ist gemäß § 3 Abs. 3 RatSchTV auch zu prüfen, ob zumindest ein anderer, dh. niedriger bewerteter Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Bei der Prüfung ist erneut die obige Stufenreihenfolge zu beachten. Der Arbeitnehmer ist zudem bei späteren Bewerbungen für einen gleichwertigen Arbeitsplatz bevorzugt zu berücksichtigen. § 3 RatSchTV beschränkt die Verpflichtung nicht auf Arbeitsplätze bei demselben Arbeitgeber, sondern verlangt zugleich, dass der Arbeitgeber sich ergänzend um einen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes bemüht. Diese Verpflichtung ist auf eine Beschäftigung am selben Ort beschränkt, § 3 Abs. 4 RatSchTV. Zudem geht ein niedriger bewerteter Arbeitsplatz beim selben Arbeitgeber einer Beschäftigungsmöglichkeit bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes vor. Schließlich kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 5 RatSchTV einen Arbeitsplatz bei einem Arbeitgeber nach § 29 B Abs. 7 BAT nachweisen. 1 ZB § 106 Abs. 2 BetrVG Information des Wirtschaftsausschusses, § 111 Satz 1 BetrVG Information des Betriebsrates zu Betriebsänderungen, § 66 Abs. 1 BPersVG regelmäßige Besprechung des Personalrates mit der Dienststellenleitung. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 77
Restrukturierung und Privatisierung
77 Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich verpflichtet, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz anzunehmen, es sei denn, ihm ist die Annahme der Stelle nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht zuzumuten. Zumutbar ist dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit, die seinem Sach- und Erfahrungswissen entspricht (Kenntnisse), wenn er die körperliche und geistige Eignung zur Erfüllung der Anforderungen hat (Fähigkeiten). Bei einer ungerechtfertigten Verweigerung des Arbeitnehmers entfällt sowohl der Kündigungsschutz des § 3 RatSchTV als auch der Abfindungsanspruch nach § 7 RatSchTV. ee) Fortbildung/Umschulung 78 Die Regelungen zur Kostenübernahme von Fortbildungsmaßnahmen nach § 4 RatSchTV setzen an der Verpflichtung des Arbeitgebers an, bei der Prüfung von Beschäftigungsmöglichkeiten auch die Möglichkeit zur Weiterbildung des Angestellten zu prüfen. Neben der vollständigen Übernahme der Kosten einer solchen Fortbildungsmaßnahme ist der Angestellte unter Fortzahlung der Bezüge für die Dauer von bis zu zwölf Monaten von der Arbeit freizustellen. Im Gegenzug darf der Angestellte die Zustimmung zu einer geplanten Weiterbildungsmaßnahme nicht ohne berechtigten Grund verweigern. ff) Sonderkündigungsschutz 79 Übernimmt der Arbeitnehmer zur Sicherung seines Arbeitsverhältnisses eine andere Tätigkeit, so ist er gemäß § 5 Abs. 1 RatSchTV für die Dauer von neun Monaten sowohl vor betriebsbedingten Kündigungen als auch vor Kündigungen wegen des Vorwurfs mangelnder Einarbeitung geschützt. Dieser Zeitraum verlängert sich auf zwölf Monate, wenn der Beschäftigte die neue Tätigkeit bereits während einer hierfür erforderlichen Umschulung oder Fortbildung ausübt. Gemäß § 5 Abs. 2 RatSchTV sind betriebsbedingte Kündigungen nur zulässig, wenn zuvor Arbeitsplatzsicherungsmaßnahmen gemäß § 3 RatschTV gescheitert sind. Die Mindestkündigungsfrist wird zugleich auf drei Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres verlängert. Bei unkündbaren Beschäftigten wird schließlich das Recht zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung auf den Fall beschränkt, dass der Beschäftigte nicht bereit ist, einen anderen Arbeitsplatz anzunehmen, § 5 Abs. 2 Unterabs. 2 RatschTV. Die Einzelheiten hierzu werden in Teil 4 B Rz. 59 ff. erläutert. gg) Vergütungssicherung 80 Ist der Angestellte bereit, zur Beschäftigungssicherung einen anderen Arbeitsplatz anzunehmen und würde sich hierdurch sein Entgelt reduzieren, wird gemäß § 6 RatSchTV das neue Entgelt durch Zahlung einer persönlichen Zulage aufgestockt. Der Angestellte hat hierauf auch dann einen Anspruch, wenn er qua Direktionsrecht im Rahmen einer Rationalisierungs-
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I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 86 Teil 12 A
maßnahme auf eine neue Stelle versetzt wird, die zB durch den Wegfall von Zulagen niedriger vergütet wird1. Die Zulage wird gemäß § 6 Abs. 3 RatSchTV für die Dauer der tariflichen Kündigungsfrist, bei unkündbaren Angestellten für die Dauer von sechs Monaten gezahlt. Ist der Angestellte bereits mehr als fünf Jahre beschäftigt, wird der Differenzbetrag auch über diese Frist fortgezahlt, allgemeine Entgelterhöhungen werden aber gemäß § 6 RatSchTV auf die Zulage angerechnet.
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Die Höhe der persönlichen Zulage ergibt sich aus einem Vergleich zwi- 82 schen dem nach § 6 Abs. 2 RatSchTV zu berechnenden Sicherungsbetrag zu den Bezügen der neuen Tätigkeit abzüglich der anfallenden Zeitzuschläge sowie Vergütungen für Überstunden, Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften. Die Berechnung des Sicherungsbetrages nach § 6 RatSchTV orientiert sich dabei an der Vergütungsstruktur des BAT. Soweit der Angestellte nunmehr nach dem TVöD oder TV-L vergütet wird, muss daher geprüft werden, welche Vergütungsbestandteile einander entsprechen. Nach dem RatSchTV erhält der Angestellte jedenfalls das Grundgehalt, den 83 Ortszuschlag der Stufe 1, die allgemeine Zulage sowie bestimmte in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 6 Abs. 2 RatSchTV benannte Zulagen. Dieser Betrag entspricht im Wesentlichen dem Tabellenentgelt nach § 15 TVöD/TV-L2. hh) Abfindung Wird das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Rationalisierungsmaßnahme beendet, erhält der Angestellte gem. § 7 RatschTV eine Abfindung in Abhängigkeit von seinem Alter und seiner Beschäftigungszeit:
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– Wartezeit von drei bzw. fünf Jahren – zwei bis 18 Monatsbezüge Der Monatsbezug ergibt sich nach § 7 Abs. 1 Unterabs. 2 RatSchTV aus der 85 Grundvergütung und dem Ortszuschlag, der allgemeinen Zulage und den Zulagen aus der Protokollnotiz Nr. 1 zur Berechnung des Sicherungsbetrages. Dies entspricht im Wesentlichen dem Tabellenentgelt nach dem TVöD/TV-L. Der Abfindungsanspruch entsteht unabhängig davon, ob der Angestellte ei- 86 ne Kündigungsschutzklage erhebt. Die Abfindung wird aber im Falle der Kündigung nicht bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst mit Ablauf der Klagefrist fällig. Erhebt der Angestellte eine Kündigungsschutzklage, tritt die Fälligkeit erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ein.
1 BAG v. 19.10.2000 – 6 AZR 291/99, NZA 2002, 339. 2 Vgl. § 5 Abs. 2 TVÜ. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 87
Restrukturierung und Privatisierung
87 Ein Abfindungsanspruch des Angestellten kommt nur in Betracht, wenn der Angestellte die Kündigung nicht zu vertreten hat, indem er insbesondere die Angebote des Arbeitgebers nach den Vorschriften des RatSchTV nutzte1. 88 Der Abfindungsanspruch entfällt, wenn der Angestellte nach § 2 RatSchTV zu einem anderen Arbeitgeber vermittelt wurde. Auch ein befristetes Arbeitsverhältnis ist geeignet, die Entstehung der Abfindung zu verhindern2. Wenn erst später, aber noch innerhalb der Wirkungsdauer der Abfindung ein entsprechendes Arbeitsverhältnis begründet wird, verringert sich die Abfindung entsprechend. 89 Sonstige Leistungen, wie zB Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG oder aus Sozialplänen, sind nach § 10 Abs. 1 RatSchTV auf die Abfindung anzurechnen. Eine Anrechung ist aber nur dann zulässig, wenn die Leistungszwecke übereinstimmen. Aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages folgt, dass die Abfindung den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigen soll3. Damit kommt zB eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes, das primär Lohnersatzfunktion hat, nicht in Betracht4. ii) Ausschluss- und Kürzungsklauseln des § 8 RatSchTV 90 Gemäß § 8 Abs. 1 RatSchTV bestehen die obigen Ansprüche aus diesem Tarifvertrag nicht, wenn der Angestellte erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist5 oder wenn die Möglichkeit zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente besteht. 91 Gemäß § 8 Abs. 2 RatSchTV ist die Abfindung zu reduzieren, wenn der Angestellte das 65. Lebensjahr innerhalb eines Zeitraumes vollendet, der kleiner ist als die der Abfindung zugrunde liegende Zahl der Monatsbezüge. § 8 1 Kein Abfindungsanspruch: BAG v. 18.4.1996 – 6 AZR 607/95, NZA 1997, 553 – Ablehnung einer Teilzeitbeschäftigung mit ¾ der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten; BAG v. 21.4.2005 – 6 AZR 361/04, AP Nr. 42 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz – Ablehnung eines Arbeitsplatzes bei einem anderen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, auch wenn das Angebot nicht von dem bisherigen Arbeitgeber ausgeht; BAG v. 30.1.1997 – 6 AZR 859/95, NZA 1998, 111. Ein Abfindungsanspruch besteht dagegen, wenn eine Reduzierung der Stelle um 37,5 % erfolgen soll, obwohl sich das Gesamtarbeitsvolumen der Dienststelle nur um 25 % reduziert. 2 BAG v. 17.4.1997 – 6 AZR 868/95, NZA 1997, 1006. 3 BAG v. 20.2.1997 – 6 AZR 760/95, NZA 1997, 834. 4 BAG v. 20.2.1997 – 6 AZR 760/95, NZA 1997, 834; aA Anrechnung, soweit der Arbeitgeber zur Erstattung des Arbeitslosengeldes nach § 128 AFG (entspricht § 147a SGB III) verpflichtet sei: Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Rationalisierungsschutz, TV 1987, § 10 Erl. 42; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT, Stand März 1997, Anhang C Nr. 9, Rationalisierungsschutz für Angestellte; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Februar 1997, Teil IV Nr. 1.1, § 10 TV Rationalisierung unter Bezugnahme auf die Durchführungshinweise der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. 5 Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Absenkung des Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 94 Teil 12 A
Abs. 2 RatSchTV verweist damit auf das noch geltende Renteneintrittsalter von 65 Jahren. Ob zur Aufrechterhaltung der Vorschrift eine ergänzende Auslegung zur Anpassung an das angehobene Renteneintrittsalter zulässig ist, wurde bisher höchstrichterlich nicht entschieden1. b) Rationalisierungsschutztarifvertrag für Arbeiter (Tarifgebiet West) Während die aktuellen Tarifverträge im öffentlichen Dienst sowie der 92 TVsA nicht mehr zwischen Angestellten und Arbeitern unterscheiden, sondern allgemein auf den Begriff des Beschäftigten abstellen, ist der RatSchTV ausschließlich auf Angestellte im öffentlichen Dienst anwendbar. Für die beim Bund und den Ländern beschäftigten Arbeiter wurde ergänzend der nahezu inhaltsgleiche Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder (RatSchTVArb)2 abgeschlossen. Der Anwendungsbereich des RatSchtTVArb ist wie auch der RatSchTV auf das Tarifgebiet West beschränkt (zur Differenzierung oben Rz. 63). Für das Tarifgebiet Ost gilt für Arbeiter und Angestellte dagegen einheitlich der TVsA. Für die Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten ist auf die bis zum 31.12.2004 geltende Vorschrift des § 133 Abs. 2 SGB VI zurückzugreifen, die bestimmte Tätigkeiten dem Begriff des Angestellten zuordnet3. Greift keines der dort benannten Beispiele ein, kann ergänzend der Berufsgruppenkatalog4 angewendet werden. Ist auch hierüber keine eindeutige Zuordnung möglich, ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu entscheiden5.
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Inhaltlich stimmt der Tarifvertrag zum Rationalisierungsschutz für Arbei- 94 ter mit den Tarifnormen des RatSchTV überein. Unterschiede ergeben sich aber bei der Berechnung des Sicherungsbetrages, da hierfür auf die Vorschriften des Manteltarifvertrages für Arbeiterinnen und Arbeiter6 sowie die zugehörigen Vergütungstarifverträge7 verwiesen wird.
1 Für eine entsprechende Auslegung: ErfK/Rolfs, § 41 SGB VI Rz. 9a; Breier/Dassau/ Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 33 TVöD Rz. 9.2. 2 Der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9.1.1987 wurde zwischen dem Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder mit der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ver.di) abgeschlossen. Anders als der RatSchTV gilt der RatSchTVArb damit nicht für die bei den Kommunen beschäftigten Arbeiter. 3 Staudinger/Richardi, Vorbemerkungen zu §§ 611 ff. BGB Rz. 287 ff. 4 Durch den Reichsarbeitsminister aufgestellte Rechtsverordnung eines Berufsgruppenverzeichnis v. 8.3.1924 (RGBl. I 274), abgeändert durch Rechtsverordnung v. 4.2. und 15.7.1927 (RGBl. I 58 und 222). 5 Vgl. BAG v. 24.7.1957 – 4 AZR 445/54, AP Nr. 5 zu § 49 HGB. 6 Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder v. 6.12.1995. 7 ZB Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb v. 11.7.1966 oder Tarifvertrag über Zulage an Arbeiter bei Justizvollzugseinrichtungen und Psychiatrischen Krankenanstalten v. 27.11.1975. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 95
Restrukturierung und Privatisierung
c) Tarifvertrag zur sozialen Absicherung (Tarifgebiet Ost) 95 Der Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 13.9.2005 (TVsA) gilt ausschließlich für das Tarifgebiet Ost des TVöD. Dies gilt entsprechend für den gleich lautenden Tarifvertrag – TV-SozAb-L – der Beschäftigten der Länder1. 96 Der TVsA ist sachlich anwendbar, wenn den Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgrund von Umstrukturierungen betriebsbedingte Kündigungen drohen2. Der Begriff der Umstrukturierung ist dabei nicht auf organisatorische Veränderungen, wie zB die Auflösung der Dienststelle, beschränkt3. Erfasst werden vielmehr auch sonstige inhaltliche Änderungen der Dienststelle. Der TVsA war daher zB auch bei der Umgestaltung einer naturwissenschaftlichen Forschungseinrichtung hin zu einer stark geisteswissenschaftlich geprägten Einrichtung anzuwenden4. aa) Weiterbeschäftigungspflicht 97 Eine Reduzierung der Arbeitszeit auf Basis des Tarifvertrages ist nur dann zulässig, wenn eine Umverteilung der Beschäftigten innerhalb des öffentlichen Dienstes nicht möglich ist (§ 1 Abs. 1 TVsA). Bei der Prüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten ist nachfolgende Stufenreihenfolge zu beachten: – gleichwertige Beschäftigung am selben Ort beim selben Arbeitgeber, § 1 Abs. 1 TVsA, – gleichwertige Beschäftigung am selben Ort bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, § 1 Abs. 2 TVsA, – niedriger bewerteter Arbeitsplatz am selben Ort beim selben Arbeitgeber, § 1 Abs. 3 iVm. Abs. 1 TVsA oder – niedriger bewerteter Arbeitsplatz am selben Ort bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes § 1 Abs. 3 iVm. Abs. 2 TVsA. Ein Arbeitsplatz ist gleichwertig, soweit die bisherige Eingruppierung oder Einreihung unverändert bleibt, § 1 Abs. 1 Satz 2 TVsA.
1 Tarifvertrag zur sozialen Absicherung v. 13.9.2005 (TV-SozAb-L), abgeschlossen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der VKA mit den Gewerkschaften ver.di, Gewerkschaft der Polizei, Industriegewerkschaft Bauen – Agrar – Umwelt, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie der dbb tarifunion. Soweit nachfolgend auf die Vorschriften des TVsA Bezug genommen wird, umfasst die Darstellung zugleich auch die identischen Vorschriften des TV-SozAb-L v. 12.10.2006. Auf Abweichungen wird gesondert hingewiesen. 2 Vgl. Vorbemerkung zum TVsA. 3 ZB BAG v. 18.4.1996 – 6 AZR 607/95, NZA 1997, 553 – Auflösung eines Internats; BAG v. 30.1.1997 – 6 AZR 859/95, AP Nr. 18 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz – Zentralisierung der Verwaltung; BAG v. 21.4.2005 – 6 AZR 361/04, AP Nr. 42 zu § 4 TVG Rationalisierungsschutz – Privatisierung der Reinigungsarbeiten. 4 Vgl. BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 738/07, PersV 2009, 144.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 101 Teil 12 A
Entscheidet sich der Beschäftigte, einen niedriger bewerteten Arbeitsplatz anzunehmen, ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 TVsA für die Dauer eines Jahres sowohl die Herabsetzung seiner Arbeitszeit nach § 3 TVsA als auch eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen.
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bb) Fortbildung und Umschulung Um sowohl betriebsbedingte Kündigungen als auch eine kollektive Absen- 99 kung der Arbeitszeit zu vermeiden, fordert § 2 TVsA eine vorrangige Fortbildung oder Umschulung der Beschäftigten. So ist der Beschäftigte für die Dauer der Maßnahme bis zu zwölf Monate unter Fortzahlung des Lohnes freizustellen1. Zusätzlich sind die Kosten der Umschulung oder Fortbildung durch den Arbeitgeber zu übernehmen. Gemäß § 2 Abs. 2 TVsA ist der Beschäftigte zur Rückzahlung der Kosten verpflichtet, soweit das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Schulung aus einem von ihm zu vertretenden Grund beendet wird2.
100
cc) Arbeitszeitreduzierung Die in dem Tarifvertrag vorgesehene Möglichkeit zur Reduzierung der re- 101 gelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist landesbezirklichen Tarifverträgen vorbehalten3. Zulässig ist eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf bis zu 75 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Auch bei bereits teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ist eine weitere Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 75 % der Arbeitszeit bei einer Vollzeitbeschäftigung möglich. Ein – teilweiser – Lohnausgleich wegen der Arbeitszeitreduzierung ist nur erforderlich, wenn die Arbeitszeit auf unter 80 % abgesenkt wird. Eine Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist zudem längstens für die Dauer von drei Jahren möglich. Im Gegenzug werden für die Dauer der Herabsetzung der Arbeitszeit betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Tarifverträge auf Basis des TVsA können noch bis zum 31.12.20094 abgeschlossen werden5.
1 Nach § 28 TVöD besteht außerhalb der Regelung des TVsA lediglich ein Anspruch auf unbezahlten Sonderurlaub. 2 Dh. bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitgebers oder aber eine Eigenkündigung des Beschäftigten, es sei denn, der Arbeitgeber hat die Gründe für die Kündigung gesetzt. Der Beschäftigte hat auch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu vertreten, wenn dieser Vertrag auf seine Veranlassung und in seinem Interesse abgeschlossen worden ist. 3 ZB TV LSA 2007 für die Beschäftigten des Landes Sachsen-Anhalt; TV MV 2004 für die Beschäftigten der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommern; TV-PM 2005 für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an öffentlichen Schulen (einschließlich der Internate und Wohnheime) des Landes Sachsen-Anhalt. 4 Tarifverträge nach dem TV-SozAb-L können bis zum 31.12.2011 abgeschlossen werden. 5 Bereits § 15c BAT-O in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung beschränkte Tarifverträge zur Reduzierung der Arbeitszeit auf die Dauer von drei Jahren. Steffek/Dietzel
1123
Teil 12 A Rz. 102
Restrukturierung und Privatisierung
dd) Abfindung 102
Wenn Beschäftigungssicherungsmaßnahmen nach den §§ 1 bis 3 TVsA einen Personalabbau nicht verhindern können, besteht gemäß § 4 TVsA ein Abfindungsanspruch der Beschäftigten. Dieser setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis aus Gründen des Personalabbaus beendet wurde. Als Beendigungsgründe sind ausdrücklich die (betriebsbedingte) Kündigung und der Abschluss eines Auflösungsvertrages benannt. Neueinstellungen in anderen Bereichen hindern eine Anwendung des § 4 TVsA nicht1.
103
§ 4 Abs. 1 TVsA verlangt nicht, dass der Auflösungsvertrag durch den Arbeitgeber veranlasst wurde2. Abfindungsansprüche kommen daher auch dann in Betracht, wenn die Parteien einen Aufhebungsvertrag wegen eines anstehenden Personalabbaus schließen, ohne dass der konkrete Arbeitsplatz des Beschäftigten wegfallen sollte3.
104
Schließlich besteht ein Abfindungsanspruch im Wege der ergänzenden Auslegung des Tarifvertrages auch dann, wenn der Beschäftigte durch den Arbeitgeber wegen des anstehenden Personalabbaus zu einer Eigenkündigung bestimmt wird4. Der Beschäftigte muss dafür aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers ernsthaft mit einer betriebsbedingten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen und mit seiner Eigenkündigung dieser betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers lediglich zuvorkommen wollen5.
105
Die Abfindung nach § 4 Abs. 2 TVsA beträgt 25 % des Tabellenentgeltes, mindestens aber ein halbes Tabellenentgelt und maximal das Fünffache des Tabellenentgeltes6. Um Anreize zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schaffen, kann bei Abschluss eines Auflösungsvertrages die Abfindung auf bis zum Siebenfachen des Tabellenentgeltes erhöht werden.
106
§ 4 TVsA soll den Beschäftigten einen Mindestabfindungsanspruch gewähren. Abfindungen nach sonstigen Tarifverträgen7 oder aber aus Sozialplänen sowie aus Vergleichen oder Auflösungsanträgen in Kündigungsschutzverfahren nach §§ 9, 10 KSchG sind daher auf die nach § 4 Abs. 2 TVsA zu berechnende Abfindung anzurechnen.
1 BAG v. 30.10.2008 – 6 AZR 738/07, NZA-RR 2009, 280. 2 So aber § 112a Abs. 1 Satz 2 BetrVG bei Aufhebungsverträgen aus Gründen einer Betriebsänderung. 3 So aber § 112a Abs. 1 Satz 2 BetrVG: BAG v. 28.4.1993 – 10 AZR 222/92, BB 1993, 1807; Richardi/Annuß, § 112 BetrVG Rz. 109. 4 Zu §§ 112 f. BetrVG: BAG v. 15.1.1991 – 1 AZR 80/90, NZA 1991, 692; BAG v. 19.7.1995 – 10 AZR 885/94, BB 1995, 2534; BAG v. 29.10.2002 – 1 AZR 80/02, NJOZ 2003, 1859. 5 Zu §§ 112 f. BetrVG: BAG v. 15.5.2007 – 1 AZR 370/06, ZIP 2007, 1575; BAG v. 20.5.2008 – 1 AZR 203/07, NZA-RR 2008, 636. 6 Beschäftigungszeiten von über 20 Jahren sind damit abfindungsneutral. 7 ZB Übergangsgeld nach §§ 62 ff. BAT oder Abfindungen aus Tarifsozialplänen.
1124
Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 111 Teil 12 A
Der Abfindungsanspruch steht gemäß § 4 Abs. 5 Buchst. a TVsA unter 107 dem Vorbehalt, dass der Beschäftigte die Kündigung nicht zu vertreten hat. Das heißt, der Beschäftigte erhält keine Abfindung, wenn er einen zumutbaren anderen Arbeitsplatz abgelehnt oder aber sich geweigert hat, an Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen. Gleiches gilt, wenn der Beschäftigte dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Erwerber gemäß § 613a BGB widerspricht und sodann eine betriebsbedingte Kündigung notwendig wird1. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist im Übrigen auf Kündigungen beschränkt, eine entsprechende Anwendung auf Aufhebungsverträge kommt nicht in Betracht2. Ein Beschäftigter kann daher auch dann eine Abfindung nach § 4 TVsA verlangen, wenn er nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages einen Ersatzarbeitsplatz ablehnt. Darüber hinaus entsteht gemäß § 4 Abs. 5 Buchst. b TVsA kein Abfindungsanspruch, wenn der Angestellte bei einem anderen Arbeitgeber im Geltungsbereich des TVöD oder aber des BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen weiterbeschäftigt wird3. Gleiches muss in entsprechender Anwendung der Vorschrift gelten, wenn der Beschäftigte unter Geltung des TV-L weiterbeschäftigt wird. Der Anspruch auf die gesetzliche Rente steht gemäß § 4 Abs. 7 TVsA einer Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst gleich.
108
4. Kündigungsrechtliche Rahmenbedingungen Die kündigungsrechtlichen Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst weichen von denen in der Privatwirtschaft teilweise erheblich ab und sind besonders zu beachten, wenn im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden sollen.
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a) Grundsätze der betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst Die Grundsätze der betriebsbedingten Kündigung im öffentlichen Dienst werden in Teil 4 B Rz. 22 ff. im Detail behandelt. Nachfolgend sollen daher nur Besonderheiten im Zusammenhang mit Restrukturierungsmaßnahmen erläutert werden.
110
aa) Anwendbarkeit des KSchG Gemäß § 23 Abs. 1 KSchG gelten die Vorgaben des § 1 KSchG auch für Betriebe und Verwaltungen des öffentlichen Rechts. Bei der Bestimmung der Schwellenwerte ist also nicht auf den Begriff der Dienststelle, sondern auf
1 BAG v. 19.2.1998 – 6 AZR 367/96, NZA 1998, 1239 – nur im Ausnahmefall sei dem Beschäftigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem Erwerber unzumutbar. 2 BAG v. 30.1.1997 – 6 AZR 784/95, NZA 1998, 49. 3 Für den TV-SozAb-L ist auf eine Weiterbeschäftigung im Geltungsbereich des TV-L, TVöD sowie BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen abzustellen. Steffek/Dietzel
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111
Teil 12 A Rz. 112
Restrukturierung und Privatisierung
den Begriff der Verwaltung abzustellen1. Sind also mehrere Dienststellen zu einer administrativen Hierarchie (Verwaltung) zusammengefasst, ist die gesamte Organisationseinheit entscheidend2. Das BAG hat auf dieser Basis bereits entschieden, dass die italienischen Kulturinstitute keine eigenständigen Verwaltungen sind, da ihnen keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt. Vielmehr seien sie dem Außenministerium des italienischen Staates zuzuordnen3. In einer weiteren Entscheidung hat das BAG festgestellt, dass nicht die einzelne Schule als Verwaltung im Sinne des KSchG gelte, sondern das gesamte Schulamt4. bb) Unternehmerische Entscheidung 112
Bei dem Ausspruch von Kündigungen ist zu beachten, dass auch im öffentlichen Dienst eine wirksame betriebsbedingte Kündigung eine vorherige „unternehmerische“ Entscheidung voraussetzt, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt.
113
Eine solche Entscheidung kann zB darin liegen, dass in einem Haushaltsplan eine Stelle gestrichen5, im Stellenplan ein kw-Vermerk angebracht6 oder aber aus einem Personalbedarfsplan der Wegfall der Stelle ersichtlich wird7. Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass die zu streichende Stelle bereits nach sachlichen Merkmalen konkretisiert ist8. Ein kw-Vermerk als solcher rechtfertigt die Kündigung zudem nur, wenn für den Wegfall zumindest eine bestimmbare Frist angegeben ist und dem Stellenbedarf der Dienststelle ein konkretes Konzept zugrunde liegt9.
114
Hat der Haushaltsgesetzgeber eine solche konkretisierte Entscheidung zur Stelleneinsparung im Rahmen einer Restrukturierung getroffen, können die Arbeitsgerichte lediglich prüfen, ob die Stellenstreichung der Umgehung von Gesetzen oder Tarifverträgen dient oder sich nur unter Verstoß gegen Tarif- und Gesetzesbestimmungen verwirklichen lässt10. Die innere Berechtigung der Stellenstreichung als solche ist dagegen einer Überprü1 BAG v. 23.4.1998 – 2 AZR 489/97, AP Nr. 19 zu § 23 KSchG 1969 – Zusammenfassung der italienischen Kulturinstitute in Deutschland zu einer Verwaltung; APS/Moll, § 23 KSchG Rz. 20; ErfK/Kiel, § 23 KSchG Rz. 6. 2 BAG v. 23.4.1998 – 2 AZR 489/97, AP Nr. 19 zu § 23 KSchG 1969. 3 BAG v. 23.4.1998 – 2 AZR 489/97, AP Nr. 19 zu § 23 KSchG 1969. 4 BAG v. 29.8.1996 – 8 AZR 35/95, NZA 1997, 604. 5 So bereits der Große Senat des BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG, ebenso BAG v. 9.11.2006 – 2 AZR 509/05, AP Nr. 1 zu § 311a BGB; BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 122/04, NZA 2005, 352. 6 BAG v. 6.9.1978 – 4 AZR 84/77, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 4; BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 122/04, NZA 2005, 352. 7 BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 77/99, NZA 2000, 484; BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 326/02, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 8 BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 326/02, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 9 BAG v. 17.2.2000 – 2 AZR 109/99, nv.; BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 77/99, NZA 2000, 484. 10 BAG v. 7.10.2004 – 2 AZR 122/04, NZA 2005, 352.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 116 Teil 12 A
fung entzogen1. Es obliegt allein der Entscheidung des Haushaltgebers, ob er eine Stelle als entbehrlich ansieht; er entscheidet frei über den Beschäftigungsbedarf. Der öffentliche Arbeitgeber muss in diesem Fall daher weder eine Veränderung der Arbeitsorganisation noch entsprechende Auswirkungen auf das Beschäftigungsvolumen darlegen. Die gerichtliche Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 KSchG beschränkt sich damit auf das Fehlen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sowie die ordnungsgemäße Sozialauswahl2. Bei betriebsbedingten Kündigungen, die nicht direkt aus dem Haushaltsoder Stellenplan folgen, sind die allgemeinen Grundsätze für betriebsbedingte Kündigungen zu beachten. Die Dienststellenleitung muss sich also zu einer organisatorischen Maßnahme entschlossen haben, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Beschäftigter entfällt3. Diese Entscheidung darf nicht gegen Gesetze oder Tarifverträge verstoßen, deren Umgehung dienen oder sich nur unter Verstoß gegen Gesetzes- oder Tarifrecht realisieren lassen4. Ein solcher Verstoß ist beispielsweise gegeben, wenn die Entscheidung zu einer tarifwidrigen Arbeitszeitgestaltung führen würde5. Im Übrigen kann die Entscheidung nur auf Rechtsmissbrauch, grobe Unvernunft und Willkür überprüft werden6.
115
Nach den obigen Grundsätzen ist der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich 116 frei, darüber zu entscheiden, ob er bestimmte Tätigkeiten mit eigenem Personal durchführt oder aber an Fremdfirmen vergibt7. Werden aber beispielsweise die Tätigkeiten im Wege des Outsourcings einer Organgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG übertragen, die wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch in das bisherige öffentliche Unternehmen eingegliedert ist, so ist dieses Vorgehen rechtsmissbräuchlich, wenn bei der Übertragung ein Betriebsübergang vermieden wird, so dass trotz gleich bleibender Arbeitsabläufe die bisherigen Arbeitsplätze verloren gehen sollen8. Ein solches Vorgehen dient nach Auffassung des BAG allein dazu, den Beschäftigten ihren Kündigungsschutz zu nehmen und die Arbeiten von anderen, schlechter bezahlten Arbeitnehmern verrichten zu lassen9.
1 BAG v. 28.11.1956 – GS 3/56, AP Nr. 20 zu § 1 KSchG. 2 APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 534. 3 BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06, NZA 2008, 878; BAG v. 25.4.1996 – 2 AZR 609/95, NZA 1996, 1197. 4 BAG v. 17.6.1999 – 2 AZR 456/98, NZA 1999, 1157; BAG v. 7.12.2000 – 2 AZR 391/99, NZA 2001, 495. 5 BAG v. 18.12.1997 – 2 AZR 709/96, NZA 1998, 304. 6 BAG v. 25.4.1996 – 2 AZR 609/95, NZA 1996, 1197; BAG v. 3.7.1996 – 2 AZR 813/95, NZA 1997, 607; BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 442/05, NZA 2007, 139. 7 BAG v. 26.9.2002 – 2 AZR 636/01, AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 16.12.2004 – 2 AZR 66/04, NZA 2005, 761. 8 BAG v. 26.9.2002 – 2 AZR 636/01, AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 9 BAG v. 26.9.2002 – 2 AZR 636/01, AP Nr. 124 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 117
Restrukturierung und Privatisierung
cc) Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG 117
Sollen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, hat auch der öffentliche Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 3 KSchG bei der Auswahl der zu kündigenden Beschäftigten das Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit, die Unterhaltspflichten oder aber eine bestehende Schwerbehinderung angemessen zu berücksichtigen. (1) Einzubeziehender Personenkreis
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Die Sozialauswahl ist bezogen auf die jeweilige Dienststelle durchzuführen1. Anders als im Rahmen von § 23 KSchG (Bestimmung der Schwellenwerte zur Anwendbarkeit des KSchG) kommt es also bei der Sozialauswahl nicht auf die Verwaltung an. Eine Beschränkung der Sozialauswahl auf einzelne Abteilungen der Dienststelle ist jedoch nicht zulässig2.
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Innerhalb einer Dienststelle sind regelmäßig nur die Beschäftigten einer Vergütungsgruppe miteinander vergleichbar, da das Direktionsrecht des Arbeitgebers die Zuweisung der Tätigkeit einer anderen Vergütungsgruppe nicht erlaubt3. Beruht die Eingruppierung aber auf einem Bewährungsaufstieg, so gilt dies nur, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer die Voraussetzungen für eine originäre Eingruppierung in die höhere Vergütungsgruppe erfüllt4. Anderenfalls sind nur die Mitarbeiter der Vergütungsgruppe, aus welcher der Bewährungsaufstieg erfolgte sowie die Mitarbeiter, die ebenfalls nur über einen entsprechenden Bewährungsaufstieg in die höhere Vergütungsgruppe eingruppiert worden sind, in die Sozialauswahl einzubeziehen5.
120
Innerhalb des über die Vergütungsgruppe bestimmten Personenkreises kommt es darüber hinaus für die Vergleichbarkeit darauf an, ob die Beschäftigten ihrem Arbeitsvertrag nach austauschbar sind6. Austauschbar sind Beschäftigte dann, wenn der Arbeitgeber dem zu kündigenden Beschäftigten die Tätigkeit des anderen im Wege des Weisungsrechtes zuweisen könnte, ohne eine Änderungsvereinbarung abzuschließen oder eine Änderungskündigung aussprechen zu müssen7. Siehe auch Teil 4 B.
1 BAG v. 25.9.1956 – 3 AZR 102/54, NJW 1957, 79; LAG BW v. 30.9.1998 – 22 (11) Sa 178/97, NZA-RR 1999, 301; APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 673. 2 LAG BW v. 30.9.1998 – 22 (11) Sa 178/97, NZA-RR 1999, 301. 3 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 23/05, AP Nr. 81 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; BAG v. 23.11.2004 – 2 AZR 38/04, AP Nr. 70 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. 4 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, AP Nr. 142 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. 5 BAG v. 2.2.2006 – 2 AZR 38/05, AP Nr. 142 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. 6 BAG v. 24.5.2005 – 8 AZR 398/04, AP Nr. 284 zu § 613a BGB. 7 BAG v. 24.5.2005 – 8 AZR 333/04, NZA 2006, 31; BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 675/05, NZA 2007, 798.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 124 Teil 12 A
(2) Bewertung der Sozialkriterien Nach § 1 Abs. 3 KSchG dürfen nur die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltsverpflichtungen und eine ggf. bestehende Schwerbehinderung in die Auswahlentscheidung einfließen1.
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Bei der Berücksichtigung des Lebensalters ist vor dem Hintergrund der An- 122 tidiskriminierungsrichtlinie2 problematisch, in welchem Umfang dieses Kriterium noch berücksichtigt werden darf. Der EuGH hat mit der Mangold-Entscheidung zu § 14 TzBfG bereits anerkannt, dass die geringeren Chancen älterer Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt eine Benachteiligung jüngerer Beschäftigter rechtfertigen können3. Er hat jedoch gleichzeitig klargestellt, dass die jeweilige gesetzliche Regelung sicherstellen müsse, dass der betroffene ältere Arbeitnehmer tatsächlich geringere Chancen am Arbeitsmarkt habe. Eine bloße Wahrscheinlichkeit von Nachteilen am Arbeitsmarkt genügte dem EuGH zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht. Überträgt man diese Entscheidung des EuGH auf § 1 Abs. 3 KSchG, so ist 123 das Lebensalter und auch die Beschäftigungszeit nur dann bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen, wenn sich für den Beschäftigten aufgrund seines Alters bzw. seiner langen Beschäftigungszeit tatsächlich Nachteile am Arbeitsmarkt ergeben4. § 1 Abs. 3 KSchG wäre entsprechend europarechtskonform auszulegen5. Das BAG hat dagegen in seiner Rechtsprechung zur Anwendung von Punkteschemata mehrfach festgestellt, dass bei der Sozialauswahl die typischerweise schlechteren Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden dürfen6. Anders als der EuGH in der Mangold-Entscheidung verlangt das BAG somit keine Prüfung, ob für den Arbeitnehmer aufgrund seines Alters tatsächlich geringere Chancen am Arbeitsmarkt bestehen. Ob diese Bewertung den Vorgaben der Antidiskriminierungsrichtlinie genügt, kann nur durch eine Entscheidung des EuGH verbindlich klargestellt werden. (3) Auswahlrichtlinien Wenn – was sinnvoll ist – für die Sozialauswahl ein Punkteschema verwen- 124 det werden soll, ist dieses Punkteschema als Auswahlrichtlinie iSd. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG gemeinsam mit dem Personalrat festzulegen7.
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BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 276/06, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl. Richtlinie 2000/78/EG v. 27.11.2000, ABl. EG Nr. L 303/16. EuGH v. 22.11.2005 – C-144/04 – Mangold, NZA 2005, 1345. Kamanabrou, RdA 2007, 199; APS/Kiel, § 1 KSchG 718. MünchKommBGB/Thüsing, § 10 AGG Rz. 46; APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 717 ff., aA Kopke, ZRP 2009, 41 (42). 6 BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 387/06, NZA 2008, 405; BAG v. 19.6.2007 – 2 AZR 304/06, NZA 2008, 105. 7 Mit Ausnahme der Personalvertretungsgesetze in Brandenburg, Bremen, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein enthalten die Landespersonalvertretungsgesetze § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BPersVG entsprechende Regelungen. In den Ländern, wo Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 125
Restrukturierung und Privatisierung
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Gemäß § 1 Abs. 4 KSchG wird bei der Verwendung eines Punkteschemas von einem Arbeitsgericht die Gewichtung der einzelnen Sozialdaten des § 1 Abs. 3 KSchG nur auf grobe Fehler überprüft. Verstößt der Arbeitgeber bei der Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter allerdings gegen die Vorgaben einer solchen Auswahlrichtlinie, so kann sich der Arbeitgeber nicht auf das Privileg des § 1 Abs. 4 KSchG berufen. Das heißt, die Sozialauswahl ist nicht nur bei groben Fehlern, sondern bereits bei einfachen Verstößen gegen die Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG angreifbar. Zudem ist die Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a KSchG bereits dann unwirksam, wenn der Personalrat wegen der Abweichung von dem vereinbarten Punkteschema der Kündigung widerspricht.
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Die unterlassene Beteiligung der Personalvertretung bei der Aufstellung einer Auswahlrichtlinie macht die Kündigung dagegen nicht per se unwirksam1. Der Arbeitgeber kann sich bei einem Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte aber nicht auf das Privileg des § 1 Abs. 4 KSchG berufen.
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Nach der Rechtsprechung des BAG zu Auswahlrichtlinien nach dem BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass eine ohne seine Beteiligung aufgestellte Auswahlrichtlinie nicht angewendet werden darf2. Diesem Vorgehen entspricht im Personalvertretungsrecht die Feststellung der Verletzung der Beteiligungsrechte nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG. Ein im einstweiligen Rechtsschutz durchsetzbarer Unterlassungsanspruch steht dem Personalrat dagegen nicht zu (vgl. Rz. 34). Eine klarstellende Entscheidung des BAG zu dieser Frage steht bisher jedoch aus. (4) Namensliste der zu kündigenden Beschäftigten
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Bei Betrieben, die in der Form des Privatrechtes (zB GmbH, AG) geführt werden, wird die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nur auf grobe Fehler geprüft, wenn die zu kündigenden Mitarbeiter in einem Interessenausgleich mit Namensliste erfasst worden sind. Die Beschränkung auf die Feststellung grober Fehler bezieht sich dabei nicht nur auf die Bewertung der Sozialdaten, sondern auch auf die Frage, ob betriebliche Gründe die Kündigung erforderlich machen3, das Fehlen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten4 und die Frage der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer5.
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Ob § 1 Abs. 5 KSchG auch für Verwaltungen und Betriebe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt, wenn die zu kündigenden Mitarbeiter
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eine solche Regelung fehlt, können entsprechende Auswahlrichtlinien aber über eine freiwillige Dienstvereinbarung geregelt werden. BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 443/05, NZA 2007, 197. BAG v. 26.7.2005 – 1 ABR 29/04, NZA 2005, 1372. BAG v. 17.11.2005 – 6 AZR 107/05, AP Nr. 19 zu § 113 InsO; BAG v. 7.5.1998 – 2 AZR 536/97, NJW 1998, 3586. BAG v. 7.5.1998 – 2 AZR 536/97, NJW 1998, 3586. BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, AP Nr. 316 zu § 613a BGB.
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Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 132 Teil 12 A
in einer Dienstvereinbarung namentlich benannt werden, ist noch nicht geklärt. Da § 1 Abs. 5 KSchG aber nur auf das BetrVG verweist, während in § 1 Abs. 4 KSchG die Auswahlrichtlinien nach den Personalvertretungsgesetzen ausdrücklich benannt werden, ist davon auszugehen, dass sich die Betriebe und Verwaltungen, die in öffentlicher Rechtsform geführt werden, nicht auf das Privileg des § 1 Abs. 5 KSchG berufen können1. dd) Sonderkündigungsschutz für Mitglieder der Personalvertretung Die Mitglieder der Personalvertretungen haben den Sonderkündigungs- 130 schutz des § 15 Abs. 2 KSchG. Während der Amtszeit und für einen Nachwirkungszeitraum von einem Jahr sind daher ordentliche Kündigungen ausgeschlossen. Ein entsprechender Schutz besteht nach § 15 Abs. 3 KSchG auch für Mitglieder des Wahlvorstandes und Wahlbewerber, wobei der Nachwirkungszeitraum auf sechs Monate ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses beschränkt ist. Wird die Dienststelle oder aber eine Abteilung der Dienststelle aufgelöst, sind betriebsbedingte ordentliche Kündigungen auch gegenüber den Mitgliedern der Personalvertretung möglich2. Die Kündigung ist aber frühestens zum Zeitpunkt der Auflösung der Dienststelle bzw. der Abteilung zulässig, es sei denn, aus zwingenden Gründen ist eine frühere Kündigung erforderlich, § 15 Abs. 4 KSchG. Bezieht sich die Stilllegung nur auf eine Abteilung der Dienststelle, muss das Personalratsmitglied zudem vorrangig in einer anderen Abteilung der Dienststelle weiterbeschäftigt werden. Gegebenenfalls muss sogar ein anderer Arbeitnehmer gekündigt werden, um die Weiterbeschäftigung eines noch amtierenden Mitgliedes des Personalrates zu ermöglichen3. Anders als die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG erstreckt sich diese Verpflichtung aber nicht auf andere Dienststellen4.
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Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Mitglieder des Personalrates nach § 15 KSchG besteht nicht, wenn ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt. Eine Betriebsstilllegung und die Veräußerung eines Betriebes schließen sich gegenseitig aus5.
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1 Ebenso Gaul, BB 2004, 2686 (2689); aA Lingemann/Grothe, NZA 1999, 1072 (1076). 2 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 83/05, NZA 2006, 998; APS/Linck, § 15 KSchG Rz. 169a; Däubler/Hjort/Hummel/Wolmerath/Fiebig, § 15 KSchG Rz. 77; HaKo/Fiebig, § 15 KSchG Rz. 96. 3 BAG v. 2.3.2006 – 2 AZR 83/05, NZA 2006, 998; BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 494/99, NJW 2001, 2420. 4 APS/Linck, § 15 KSchG Rz. 185b; ErfK/Kiel, § 15 KSchG Rz. 45a; MünchKommBGB/Hergenröder, § 15 KSchG Rz. 195. 5 BAG v. 27.7.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1994, 222; BAG v. 28.4.1988 – 2 AZR 623/87, NZA 1989, 265. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 133
Restrukturierung und Privatisierung
b) Beteiligungsrechte der Personalvertretung beim Ausspruch von Kündigungen 133
Die Personalvertretung ist nach § 79 BPersVG vor Ausspruch einer Kündigung zu beteiligen. Das Mitwirkungsverfahren richtet sich hierfür nach § 72 BPersVG1. Die möglichen Einwendungen der Personalvertretung sind dabei in § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersVG katalogisiert. Kündigungen unter Verstoß gegen die Beteiligungsrechte der Personalvertretung sind gemäß § 77 Abs. 4 BPersVG unwirksam. Gemäß § 108 Abs. 2 BPersVG gilt dies ebenfalls bei der Kündigung von Beschäftigten der Länder.
134
Für den Ausspruch von Kündigungen der Beschäftigten der Länder schreibt § 104 Abs. 1 BPersVG zunächst eine Beteiligung der Personalvertretung zwingend vor. Bei der Ausgestaltung des Beteiligungsrechtes sollen sich die Länder an den Vorschriften des BPersVG orientieren2. Die konkrete Ausgestaltung der Beteiligungsrechte obliegt aber den Landesgesetzgebern3. c) Besonderheiten der Massenentlassung
135
Übersteigt die Zahl der infolge einer Restrukturierung zu entlassenden Beschäftigten die in § 17 Abs. 1 KSchG geregelten Schwellenwerte4, handelt es sich um eine Massenentlassung, die eine Anzeigepflicht bei der Agentur für Arbeit auslöst. Wird eine Massenentlassungsanzeige trotz Überschreitens der Schwellenwerte nicht erstattet, sind die Kündigungen unwirksam. aa) Verpflichtung zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige
136
Gemäß § 23 Abs. 2 KSchG ist eine Massenentlassungsanzeige auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung erforderlich, wenn ein von der öffentlichen Verwaltung geführter Betrieb wirtschaftliche Zwecke verfolgt. (1) Begriff des Betriebes
137
§ 17 KSchG knüpft bei der Bestimmung der Schwellenwerte an den Begriff des Betriebes an, ohne dass dieser Begriff näher definiert wird. Hierfür ist, 1 Darstellung des Mitwirkungsverfahrens unter Teil 9 F Rz. 123 ff. 2 § 79 BPersVG entsprechende Regelungen: § 77 BWPersVG, Art. 77 BayPersVG, § 82 RhPfPersVG, §§ 78, 73 Abs. 6 SächsPersVG und § 78 ThürPersVG; Weitergehende Mitbestimmungsrechte bei dem Ausspruch ordentlicher Kündigungen: § 87 Nr. 8 PersVG-Berlin, § 63 Nr. 17 BbgPersVG, § 65 Abs. 1 Buchst. c BremPVG, § 87 Abs. 1 Nr. 14 HmbPersVG, § 77 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. i HessPersVG, § 65 Abs. 2 Nr. 9 NPersVG, § 72a Abs. 1 NWPersVG, § 68 Abs. 1 Nr. 2 MVPersVG, § 80 Abs. 1 Buchst. b Nr. 8 SPersVG und § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA. 3 BVerfG v. 6.3.2001 – 2 BvL 2/96, NVwZ 2001, 1394. 4 Innerhalb von 30 Kalendertagen Entlassung von mehr als 5 Arbeitnehmern in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern, in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern im Umfang von 10 % oder mehr als 25 Arbeitnehmern, in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern von mindestens 30 Arbeitnehmern.
1132
Steffek/Dietzel
I. Strukturelle Änderungen der Arbeitsorganisation
Rz. 140 Teil 12 A
wie auch bei der Bestimmung der Schwellenwerte des § 23 KSchG an den Begriff der Verwaltung (vgl. Rz. 111) anzuknüpfen1. So ist zB bei der Kündigung von Mitarbeitern einer städtischen Musikschule nicht auf die Anzahl der dort beschäftigten Mitarbeiter, sondern auf die Gesamtzahl der Beschäftigten der Stadt abzustellen2. Ob das BAG sich dieser Auffassung anschließt, ist ungewiss, nachdem der 138 EuGH den Begriff des Betriebes in der Richtlinie 98/95/EG zu Massenentlassungen sehr weit fasst. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist hierfür weder eine rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie erforderlich3 noch muss die Leitungsebene befugt sein, selbständig Massenentlassungen vorzunehmen4. Selbst eine räumliche Trennung von anderen Einheiten und Einrichtungen des Unternehmens sei nicht erforderlich, damit ein Betrieb vorliegt5. Vorsorglich sollte daher vor Ausspruch von Kündigungen eine Massenentlassungsanzeige erstattet werden, wenn der Schwellenwert des § 17 KSchG zwar nicht für die betreffende Verwaltung, wohl aber für die Dienststelle erreicht wird. Für die Feststellung der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer 139 ist auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen6. Stellen, die auf Dauer nicht besetzt worden sind, dürfen also nicht berücksichtigt werden7. Maßgebender Zeitpunkt ist dabei der Ausspruch der Kündigungserklärung8. Schwankt die Zahl der Arbeitnehmer, so ist auf den Personalbestand wäh- 140 rend des überwiegenden Teils eines Jahres abzustellen. Eine Berechnung des Jahresdurchschnittes ist zur Bestimmung der Regelanzahl der Beschäftigten nicht ausreichend9. Vorübergehende Erhöhungen aufgrund eines außergewöhnlichen Arbeitsanfalls, aber auch eine nur vorübergehende Verringerung des Personalbestandes sind hierfür unbeachtlich10.
1 LAG BW v. 22.11.1999 – 15 Sa 69/99, EzBAT § 54 BAT Unkündbare Angestellte Nr. 10. 2 LAG BW v. 22.11.1999 – 15 Sa 69/99, EzBAT § 54 BAT Unkündbare Angestellte Nr. 10. 3 EuGH v. 26.10.2006 – Rs. C-270/05 – Athinaiki Chartopoiía AE/l. Panagiotidis, EuZW 2007, 280. 4 EuGH v. 7.12.1995 – Rs. C-449/93 – Rockfon A/S/Specialarbejderforbundet i Danmark, NZA 1996, 471. 5 EuGH v. 26.10.2006 – Rs. C-270/05 – Athinaiki Chartopoiía AE/l. Panagiotidis, EuZW 2007, 280 (281). 6 BAG v. 29.5.1991 – 7 ABR 27/90, AP Nr. 1 zu § 17 BPersVG. 7 BVerwG v. 15.3.1968 – VII P 5.67, AP Nr. 1 zu § 13 BPersVG. 8 ErfK/Kiel, § 17 KSchG Rz. 11; APS/Moll, § 17 KSchG Rz. 19. 9 BAG v. 13.4.2000 – 2 AZR 215/99, AP Nr. 13 zu § 17 KSchG 1969; ErfK/Kiel, § 17 KSchG Rz. 11. 10 BAG v. 22.3.2001 – 8 AZR 565/00, AP Nr. 59 zu Art. 101 GG; BAG v. 13.4.2000 – 2 AZR 215/99, AP Nr. 13 zu § 17 KSchG 1969. Steffek/Dietzel
1133
Teil 12 A Rz. 141
Restrukturierung und Privatisierung
(2) Wirtschaftlicher Zweck des Betriebes der öffentlichen Hand 141
Ein wirtschaftlicher Zweck wird durch den jeweiligen Betrieb verfolgt, wenn er den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Einzelnen dienen soll. Hierzu ist es nicht erforderlich, dass der Betrieb mit Gewinnerzielungsabsicht tätig ist1. Anzeigepflichtig sind zB Sparkassen, Theater und Sportstätten2. Keine Anzeigepflicht besteht dagegen für Schulen, Kindergärten, Museen, Universitäten oder Wohlfahrtseinrichtungen3. Uneinheitlich ist schließlich die Einordnung der öffentlichen Versorgungsbetriebe wie Gas-, Wasserund Elektrizitätswerke oder aber der Verkehrsunternehmen der öffentlichen Hand4. Trotz der Zuordnung dieser Leistungen zur Daseinsvorsorge beteiligen sich diese Unternehmen der öffentlichen Hand wie ein privatwirtschaftlicher Betrieb am Wirtschaftsleben, so dass nach richtiger Ansicht § 17 KSchG Anwendung findet, jedenfalls aber von diesen Unternehmen bei Erreichen der Schwellenwerte des § 17 KSchG vorsorglich eine Massenentlassungsanzeige erstattet werden sollte.
142
Momentan ungeklärt ist die Frage, ob § 23 Abs. 2 KSchG auch auf juristische Personen des Privatrechtes anzuwenden ist, wenn die Mehrheit der Anteile von der öffentlichen Hand gehalten wird5. Der Wortlaut der Vorschrift lässt eine solche Auslegung des § 23 Abs. 2 KSchG zu. Das BAG hat in einer jüngeren Entscheidung § 17 KSchG jedoch auf eine GmbH angewandt, ohne vorab § 23 Abs. 2 KSchG zu prüfen, obwohl die Anteile vollständig in staatlicher Hand lagen6. Juristische Personen des Privatrechtes sollten daher vorsorglich eine Massenentlassungsanzeige erstatten, um die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen zu vermeiden. bb) Sperrfrist nach § 18 KSchG
143
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die geplanten Massenentlassungen vor dem Ausspruch7 der Kündigungen bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzuzeigen. Anderenfalls sind die Kündigungen unwirksam. Außerdem gilt gemäß § 18 KSchG eine Sperrfrist von einem Monat ab Erstattung der Anzeige, dh., die Kündigungen werden erst mit Ablauf dieser Sperrfrist
1 2 3 4
ErfK/Kiel, § 23 KSchG Rz. 20. APS/Moll, § 23 KSchG Rz. 43. APS/Moll, § 23 KSchG Rz. 43. Für eine Qualifikation als wirtschaftliche Betätigung – APS/Moll, § 23 KSchG Rz. 43; HaKo/Pfeiffer, § 23 KSchG Rz. 41; aA ErfK/Kiel, § 23 Rz. 20. 5 So ErfK/Kiel, § 23 KSchG Rz. 20; Däubler/Hjort/Hummel/Wolmerath/J. Schubert/M. Schubert,§ 23 KSchG Rz. 38; KR/Weigand, § 23 KSchG Rz. 71; ebenso LAG Berlin v. 27.5.2005 – 6 Sa 1499/04, NZA-RR 2005, 516. 6 BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05, AP Nr. 152 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 7 BAG v. 23.3.2006 – 2 AZR 343/05, AP Nr. 21 zu § 17 KSchG 1969; BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 520/05, AP Nr. 80 zu § 1 KSchG 1969; BAG v. 13.7.2006 – 6 AZR 198/06, AP Nr. 22 zu § 17 KSchG 1969.
1134
Steffek/Dietzel
II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung
Rz. 146 Teil 12 A
wirksam1. Die Agentur für Arbeit kann die Sperrfrist im Einzelfall auf bis zu zwei Monate verlängern, § 18 Abs. 2 KSchG.
II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung 1. Privatisierungsformen a) Rechtsformprivatisierung Bei der Rechtsformprivatisierung werden zuvor in öffentlicher Rechtsform 144 (Anstalt des öffentlichen Rechts, Eigenbetrieb, Regiebetrieb etc.) geführte Unternehmen in eine privatrechtliche Gestaltungsform (AG, GmbH etc.) überführt. Dieser Wechsel der Rechtsform ist im Wege der Ausgliederung nach den §§ 168 ff. UmwG oder aber durch einen Formwechsel nach den §§ 301 ff. UmwG möglich. Der bloße Wechsel der Gestaltungsform bewirkt noch keine materielle Privatisierung, der jeweilige Verwaltungsträger ist auch weiterhin für die Erledigung der betreffenden Aufgabe zuständig. Er lässt sie lediglich nicht mehr in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform erledigen, sondern bedient sich hierfür der privatrechtlichen Form. Die öffentliche Hand kann hierdurch das Betreiberrisiko durch die jeweils geltenden Haftungsvorschriften deutlich begrenzen2. b) Kapitalprivatisierung Erst mit der Übertragung von Anteilen des Unternehmens auf private Investoren oder aber durch die Veräußerung des Unternehmens kommt es zu einer „echten“ Privatisierung und die Verwaltung überträgt die Erfüllung der Aufgabe vollständig dem privaten Sektor.
145
2. Wege der Privatisierung a) Privatisierung durch Gesetz Die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben kann per Gesetz umgesetzt 146 werden3. Zwingend erforderlich ist dies, wenn dem privaten Dritten hoheitliche Letztentscheidungsbefugnisse übertragen werden sollen4.
1 BAG v. 6.11.2008 – 2 AZR 935/07, BB 2009, 725; APS/Moll, § 18 KSchG Rz. 33; MünchKommBGB/Hergenröder, § 18 KSchG Rz. 2; aA Ferme/Lipinski, NZA 2006, 937 – Beginn der Kündigungsfrist erst mit Ablauf der Sperrfrist. 2 ZB Beschränkung der Haftung auf die Stammeinlage gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG oder § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG. 3 ZB Privatisierung der Deutschen Post durch das Postneuordnungsgesetz v. 14.9.1994, BGBl. I, 2325, oder die Privatisierung der Bahn durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens v. 27.12.1993, BGBl. I, 2089. 4 BVerwG v. 19.1.1989 – 7 C 31.87, NVwZ 1989, 864; BVerwG v. 7.6.1984 – 7 B 153.83, NVwZ 1985, 48. Steffek/Dietzel
1135
Teil 12 A Rz. 147
Restrukturierung und Privatisierung
b) Privatisierung durch Rechtsgeschäft aa) Asset Deal 147
Die rechtsgeschäftliche Veräußerung bestimmter Organisationseinheiten der öffentlichen Hand an einen privatrechtlichen Erwerber kann im Wege eines Asset Deals vollzogen werden. Hierbei wird die Gesamtheit der einzelnen Wirtschaftsgüter des betreffenden öffentlichen Unternehmens oder aber eines abgrenzbaren Teilbereiches an den Erwerber veräußert1. bb) Share Deal
148
Auch per Share Deal kann privatisiert werden. In diesem Fall überträgt die öffentliche Hand die Gesellschaftsanteile, die sie an einer privatrechtlichen Eigengesellschaft hält, an einen Privaten. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile ist rechtlich eine Forderungsabtretung nach den §§ 398 ff. BGB und wird regelmäßig in einem Kaufvertrag eingebettet sein. cc) Outsourcing
149
Beim Outsourcing werden bisher von der öffentlichen Hand selbst ausgeführte Tätigkeiten vertraglich an private Fremdfirmen vergeben. Beispielsweise können Reinigungsarbeiten, die bisher von öffentlichen Bediensteten erbracht wurden, an ein privates Reinigungsunternehmen übertragen werden. Alternativ kann eine neu zu gründende Servicegesellschaft (ggf. unter Beteiligung eines privaten Dienstleisters) mit der Tätigkeit beauftragt werden. Ist diese Servicegesellschaft weiterhin finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein öffentliches Unternehmen eingegliedert (steuerliche Organschaft), fällt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG für die erbrachten Dienstleistungen keine Umsatzsteuer an. dd) Betriebsführungsvertrag
150
Eine weitere Möglichkeit zur Privatisierung ist der Abschluss eines Betriebsführungsvertrages. Rechtlich handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 611 ff., 675 BGB), wobei ein Dritter zur Kosteneinsparung mit der Übernahme der Betriebsführung beauftragt wird. Üblich ist der Abschluss von Betriebsführungsverträgen beispielsweise für den Betrieb städtischer Mülldeponien. c) Privatisierung durch Umwandlung
151
Das Umwandlungsgesetz lässt die Privatisierung öffentlicher Unternehmen durch Umwandlung nur im Wege der Ausgliederung nach § 168 UmwG oder aber eines Formwechsels nach § 301 UmwG zu. Die Ausglie1 Im Jahr 2003 bestanden zB Planungen, die Sparkasse Hansestadt Stralsund durch den vollständigen Verkauf ihrer Vermögensgegenstände zu privatisieren. Das Vorhaben ist jedoch an einer kurzfristigen Änderung des Sparkassengesetzes MV durch den Schweriner Landtag gescheitert.
1136
Steffek/Dietzel
II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung
Rz. 155 Teil 12 A
derung eines öffentlichen Unternehmens ist dabei gemäß § 168 UmwG auf die Neugründung einer Kapitalgesellschaft bzw. einer eingetragenen Genossenschaft oder aber auf die Aufnahme in eine bereits bestehende Kapitalgesellschaft, eingetragene Genossenschaft oder Personenhandelsgesellschaft beschränkt. Zur Vorbereitung der Ausgliederung ist gemäß § 136 UmwG ein Spaltungs- 152 plan aufzustellen, der die Aufteilung der Verbindlichkeiten regelt. In diesem Spaltungsplan ist insbesondere auch zu entscheiden, ob die Pensionsverpflichtungen bereits ausgeschiedener Mitarbeiter durch das ausgegliederte Unternehmen zu übernehmen sind. Eine Zustimmung des Mitarbeiters für die gewählte Zuordnung ist nicht erforderlich1. Jedoch besteht gemäß §§ 172 f., 157 UmwG für die Dauer von fünf Jahren eine gesamtschuldnerische Haftung zwischen der ausgliedernden Körperschaft und dem neu gegründeten Unternehmen, wenn die Verbindlichkeit dem neuen Unternehmen zugeordnet worden ist. Als weitere Option zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen lässt das 153 Umwandlungsgesetz gemäß §§ 191 Abs. 1 Nr. 6, 301 UmwG den Formwechsel von Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts in Kapitalgesellschaften zu. In der Praxis beruhen entsprechende Formwechsel aber regelmäßig auf Spezialgesetzen2. 3. Privatisierung und Arbeitsvertrag a) Auswirkungen der Privatisierung auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten Die Auswirkungen einer Privatisierung auf die Arbeitsverhältnisse unterscheiden sich nach der jeweiligen Privatisierungsform.
154
Basiert die Privatisierung auf einem Gesetz, so kann dieses Gesetz die 155 Überleitung der Beschäftigten auf das privatisierte Unternehmen anordnen. Anderenfalls bleiben die Arbeitsverhältnisse unverändert bestehen. Den Mitarbeitern steht kein Widerspruchsrecht gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zu; § 613a BGB findet keine Anwendung3. Die gesetzliche Regelung muss aber sicherstellen, dass sich die Arbeitsbedingungen nicht wesentlich verschlechtern und den Beschäftigten mit dem neuen Arbeitgeber ein hinreichend solventer Schuldner gegenübersteht4.
1 BAG v. 22.2.2005 – 3 AZR 499/03, NJW 2005, 3371. 2 ZB Gesetz zur Umwandlung der Deutschen Genossenschaftsbank (DG-Bank UmwG) v. 13.8.1998, BGBl. I, 2102; Gesetzes über die Umwandlung der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank in eine Aktiengesellschaft v. 16.12.1999, BGBl. I, 2441. 3 BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 660/07, AP Nr. 366 zu § 613a BGB; BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 124/05, NZA 2006, 849; BAG v. 28.9.2006 – 8 AZR 441/05, AP Nr. 26 zu § 419 BGB Funktionsnachfolge. 4 BAG v. 28.9.2006 – 8 AZR 441/05, NZA 2007, 352. Steffek/Dietzel
1137
Teil 12 A Rz. 156
Restrukturierung und Privatisierung
156
Im Falle einer rechtsgeschäftlichen Übertragung des Unternehmens, zB im Wege des Outsourcings, ist danach zu unterscheiden, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht. Liegen die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges nach § 613a BGB vor, gehen die Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB Abs. 1 BGB unverändert auf den Erwerber über (unten B Rz. 4 ff.). Anderenfalls bleiben die Arbeitsverhältnisse beim Veräußerer bestehen, es sei denn, der Beschäftigte stimmt einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Rechtsträger zu1. Verweigert der Beschäftigte die Zustimmung, riskiert er jedoch eine betriebsbedingte (Änderungs-)Kündigung, wenn durch die Privatisierung sein Arbeitsplatz entfallen ist.
157
Wird die Privatisierung schließlich durch eine Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz durchgeführt, bleiben die Arbeitsverhältnisse bei einem bloßen Formwechsel mit dem bisherigen Arbeitgeber bestehen. Bei einer Ausgliederung nach § 168 UmwG ist dagegen gemäß § 324 UmwG zu prüfen, ob zugleich die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegen. Im Falle eines Betriebsüberganges gehen die Arbeitsverhältnisse der in dem ausgegliederten Bereich tätigen Beschäftigten nach § 613a Abs. 1 BGB auf das neu gegründete Unternehmen über. In den übrigen Fällen bleiben die Arbeitsverhältnisse bei dem bisherigen Arbeitgeber bestehen. b) Auswirkungen der Privatisierung auf die Dienstverhältnisse von Beamten
158
Für die Umbildung von Körperschaften, einschließlich der dienstherrenfähigen Anstalten und Stiftungen öffentlichen Rechts (vgl. §§ 133, 121 BRRG), regelt § 129 BRRG als Bestandteil der für die Bund und Länder unmittelbar geltenden Vorschriften des Beamtenrechtsrahmengesetzes umfassend die Folgen für die Dienstverhältnisse der betroffenen Beamten. Diese Regelungen finden aber nur Anwendung, wenn gerade keine Privatisierung stattfindet, sondern die öffentliche Hand die Aufgaben weiterhin selbst in öffentlich-rechtlicher Rechtsform durchführt.
159
Bei einer Privatisierung gehen die Dienstverhältnisse von Beamten selbst dann nicht auf den neuen privaten Träger über, wenn es zu einem Betriebsübergang kommt. § 613a BGB ist auf diese Dienstverhältnisse nicht anwendbar2. Auch im Umwandlungsrecht ist hierzu nichts geregelt. Uneingeschränkt steht gemäß § 121 BRRG die Dienstherrenfähigkeit ausschließlich Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts zu.
160
Für die dauerhafte Weiterbeschäftigung von Beamten in privatisierten Unternehmen wurden bisher vier Modelle entwickelt: – Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Antrag und Begründung eines privaten Arbeitsverhältnisses, 1 Vgl. § 613 Satz 2 BGB; Blanke/Trümmer/Blanke, Handbuch Privatisierung, Rz. 869; Boecken, ZIP 1994, 1087; Däubler, RdA 1995, 136. 2 BAG v. 26.7.2005 – 1 ABR 29/4, NZA 2005, 1372.
1138
Steffek/Dietzel
II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung
Rz. 163 Teil 12 A
– Gewährung von Sonderurlaub auf Antrag und Begründung eines privaten Arbeitsverhältnisses, – Dienstleistungsüberlassung und – Zuweisung zur Dienstleistung an private Rechtsträger1. Jede dieser Lösungen ist mit Nachteilen verbunden. Für die ersten beiden 161 Lösungen ist die Einwilligung der betroffenen Beamten notwendig, die sich oft nur schwer erreichen lassen wird. Auch die Dienstleistungsüberlassung, bei der die Beamten im Dienstverhältnis mit dem öffentlichen Dienstherrn verbleiben und nur das Ergebnis ihrer Arbeit an den privaten Rechtsträger „verkauft wird“, hat entscheidende Nachteile, insbesondere für den Arbeitsablauf beim privaten Rechtsträger, dem das Weisungsrecht gegenüber den Beamten in dieser Konstellation nicht übertragen wird. Die vierte Lösung, die Zuweisung von Beamten an den privaten Rechtsträger, wurde lange Zeit dadurch erschwert, dass es – abgesehen von den Sonderregelungen für Bahn und Post – an einer allgemeinen Rechtsgrundlage fehlte. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten wurden teilweise durch den am 162 1.7.1997 in Kraft getretenen § 123a Abs. 2 BRRG behoben. Hiernach kann dem Beamten einer Dienststelle, die ganz oder teilweise in eine öffentlichrechtlich organisierte Einrichtung ohne Dienstherreneigenschaft oder eine privatrechtlich organisierte Einrichtung der öffentlichen Hand umgewandelt wird, auch ohne seine Zustimmung eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit bei dieser Einrichtung zugewiesen werden, wenn dringende öffentliche Interessen dies erfordern. Die Rechtsstellung des Beamten bleibt aber von der Zuweisung an einen privaten Rechtsträger unberührt (vgl. § 123a Abs. 3 BRRG). Der private Rechtsträger erwirbt lediglich das Weisungsrecht, wohingegen der öffentliche Dienstherr weiterhin für personelle Angelegenheiten zuständig bleibt2. Auch hierdurch findet demnach keine vollständige Überleitung der Beamtenverhältnisse auf den privaten Rechtsträger statt, so dass auch diese Lösung die Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand zur vollständigen Privatisierung von Aufgaben jedenfalls im Hinblick auf die Dienstverhältnisse von Beamten einschränkt. 4. Tarifrechtliche Folgen Bei einer Privatisierung können die zuvor geltenden Tarifverträge aufgrund beidseitiger Tarifbindung nach § 4 Abs. 1 TVG, aufgrund von arbeitsvertraglichen Regelungen (Bezugnahmeklauseln) oder aber im Falle eines Betriebsüberganges gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB (s. B Rz. 43 ff.) fortgelten.
1 Steuck, NJW 1995, 2887 mwN. 2 Semler/Stengel/Perlitt, § 168 UmwG Rz. 99. Steffek/Dietzel
1139
163
Teil 12 A Rz. 164
Restrukturierung und Privatisierung
a) Normative Fortgeltung 164
Für gewerkschaftszugehörige Beschäftigte gilt ein bisher einschlägiger Verbandstarifvertrag nach § 4 Abs. 1 TVG fort, wenn der Rechtsnachfolger des privatisierten öffentlichen Unternehmens ebenfalls an den bisher geltenden Tarifvertrag gebunden ist1. Eine solche Tarifbindung ist auch im Falle einer Privatisierung nicht ausgeschlossen, denn die kommunalen Arbeitgeberverbände sind nicht nur für juristische Personen des öffentlichen Rechts geöffnet, sondern auch sonstige Unternehmen können unter bestimmten Voraussetzungen eine Mitgliedschaft erwerben2. Ein Übergang der Verbandsmitgliedschaft im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge, zB in Umwandlungsfällen, kommt jedoch nicht in Betracht3.
165
Galt für die zuvor bei einem öffentlichen Rechtsträger beschäftigten Arbeitnehmer ein Haustarifvertrag, gilt dieser im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge, zB bei einer Umwandlung oder aber einer Übertragung der Gesellschaftsanteile, fort. Der private Rechtsträger tritt dann durch die Gesamtrechtsnachfolge als Vertragspartei in den Haustarifvertrag ein4. Wird ein Unternehmen dagegen durch eine Veräußerung seiner einzelnen Vermögensgegenstände privatisiert (Asset Deal), endet damit auch die normative Wirkung der Haustarifverträge5. b) Fortgeltung wegen Verweisen in Arbeitsverträgen
166
Die (Formular-)Arbeitsverträge des öffentlichen Dienstes verweisen üblicherweise auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in der jeweils geltenden Fassung. Eine übliche – lange Zeit verwendete – Klausel hierzu lautet:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen.“
167
Enthält der Arbeitsvertrag eines Beschäftigten, der nach dem 31.12.2001 abgeschlossen worden ist, eine solche Bezugnahmeklausel, gelten die in Bezug genommenen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes dynamisch – also in der jeweils geltenden Fassung – fort, selbst wenn die Tarifbindung 1 Gaul, NZA 1995, 717 (719); Däubler, TarifvertragsR, Rz. 1533, 1577; Kania, DB 1995, 625. 2 Vgl. zB § 3 Abs. 1 der Satzung des KAV Bayern oder § 3 Abs. 1 der Satzung des KAV Nordrhein-Westfalen. 3 Moll/Cohnen/Tepass, § 51 Rz. 73. 4 BAG v. 24.6.1998 – 4 AZR 208/97, AP Nr. 1 zu § 20 UmwG; Däubler/Deinert, § 4 TVG Rz. 88; Staudinger/Annuß, § 613a BGB Rz. 254. 5 Keine Fortgeltung im Falle der Einzelrechtsnachfolge: BAG v. 29.8.2001 – 4 AZR 332/00, NZA 2002, 513; BAG v. 20.6.2001 – 4 AZR 295/00, NZA 2002, 517; HaKo/ Mestwerdt, § 613a BGB Rz. 85; aA Däubler/Hjort/Hummel/Wolmerath/Karthaus/ Richter, § 613a BGB Rz. 117.
1140
Steffek/Dietzel
II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung
Rz. 170 Teil 12 A
des Arbeitgebers im Zuge der Privatisierung entfällt1. Von dieser dynamischen Anbindung des Arbeitsverhältnisses an die vereinbarten Tarifverträge kann sich der Arbeitgeber nur durch einen Änderungsvertrag mit dem Arbeitnehmer oder aber durch eine Änderungskündigung lösen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Bezugnahmeklausel die eindeutige Regelung enthält, dass mit dem Wegfall der Tarifbindung die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch fortgelten sollen (Gleichstellungsabrede)2. Eine entsprechende Klausel könnte wie folgt lauten:
168
„Auf das Arbeitsverhältnis findet unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit des Beschäftigten der jeweils für den Arbeitgeber kraft eigenen Abschlusses oder kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband gültige Tarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung. Dies ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der TVöD in der Fassung vom …. Entfällt die Tarifbindung des Arbeitgebers, zB durch Austritt aus dem Arbeitgeberverband oder bei einem Betriebsübergang, finden die Bestimmungen des Tarifvertrages in der Folgezeit in ihrer zum Zeitpunkt des Wegfalls der Tarifbindung geltenden Fassung Anwendung. Der Beschäftigte hat keinen Anspruch auf Weitergabe zukünftiger Tarifänderungen.“ Aber auch wenn der Arbeitgeber eine große dynamische Verweisungsklau- 169 sel vereinbaren will, dh., wenn die Klausel auf den jeweils für den Betrieb fachlich bzw. betrieblich geltenden Tarifvertrag verweisen soll, muss dies eindeutig aus dem Wortlaut der Klausel hervorgehen3. Anderenfalls führt zB ein Verbandswechsel nicht zu einem Austausch der aufgrund der Bezugnahmeklausel anwendbaren Tarifverträge. Eine entsprechende Klausel könnte wie folgt lauten:
„Das Arbeitsverhältnis unterliegt den jeweils für den Arbeitgeber fachlich/betrieblich anzuwendenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. Dies sind zurzeit die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für den Bereich der VKA.“ Wurde der Arbeitsvertrag bis zum 31.12.2001 mit einem tarifgebundenem Arbeitgeber abgeschlossen, gelten die Tarifverträge auch ohne eine entspre-
1 Vgl. BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536, NZA 2006, 607; BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, AP Nr. 53 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; BAG v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323. 2 BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536, NZA 2006, 607; BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, AP Nr. 53 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; BAG v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323. 3 BAG v. 22.10.2008 – 4 AZR 784/07, NZA 2009, 151. Steffek/Dietzel
1141
170
Teil 12 A Rz. 171
Restrukturierung und Privatisierung
chende Klarstellung beim Wegfall der Tarifbindung nur statisch fort1. Dies gilt also auch dann, wenn die in Rz. 166 zitierte Formulierung verwendet wurde. 5. Personalvertretungsrechtliche Folgen a) Schicksal der Personalvertretung 171
Im Fall einer Privatisierung gilt für die Interessenvertretung der Arbeitnehmer gemäß § 130 BetrVG nicht mehr das BPersVG bzw. das jeweilige Landespersonalvertretungsgesetz, sondern das BetrVG. Die Zuordnung zwischen BetrVG und BPersVG erfolgt dabei strikt nach der gewählten Rechtsform2. Selbst wenn alle Anteile einer GmbH oder AG durch die öffentliche Hand gehalten werden, ist das BetrVG und nicht das BPersVG anzuwenden. Zuständig für die Interessenvertretung ist damit nicht mehr der Personalrat, sondern es ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 BetrVG ein Betriebsrat zu wählen. Mit der Privatisierung einer öffentlichrechtlichen Einheit endet daher das Amt des Personalrates.
172
Beruht die Privatisierung auf einem Gesetz, kann das jeweilige Privatisierungsgesetz dem Personalrat ein Übergangsmandat einräumen. Entsprechende Übergangsmandate wurden zB bei der Privatisierung der Post und der Bahn für den jeweiligen Personalrat vorgesehen3. Ein solches Übergangsmandat hat den Zweck, die Interessenvertretung der Beschäftigten bis zur Wahl eines Betriebsrates für die neue privatrechtlich organisierte Einheit sicherzustellen.
173
Ob auch außerhalb von speziellen gesetzlichen Regelungen ein Übergangsmandat des Personalrates besteht, ist bisher nicht abschließend geklärt und sehr umstritten4. Das BetrVG ordnet mit § 21a BetrVG lediglich ein Übergangsmandat des Betriebsrates im Falle der Spaltung eines Betriebes an. Für andere Gremien nach dem BetrVG oder aber den Personalrat besteht keine entsprechende Regelung. Die insoweit bestehende Regelungslücke ist jedoch nicht planwidrig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 21a BetrVG im Jahre 2001 die Regelung des § 321a UmwG abgelöst hat. Bereits damals wurde ein Übergangsmandat des Personalrates diskutiert. So hatten sowohl der DGB als auch die DAG im Zusammenhang mit der geplanten Novellierung des BetrVG die Schaffung eines Übergangsmandates für den Personalrat gefordert5. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber bei der Novelle des BetrVG auf die Schaffung eines Übergangsmandates für Betriebsräte nach § 21a BetrVG beschränkt. Nach wohl überwiegender Ansicht scheidet damit mangels einer planwidrigen Regelungs-
1 BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, AP Nr. 53 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag. 2 ErfK/Kania,§ 130 BetrVG Rz. 2. 3 Vgl. § 15 DBGrG und § 25 PostPersRG. 4 Vgl. zum Ganzen Vogelsang, PersV 2005, 4. 5 Vgl. Besgen/Langner, NZA 2003, 1239.
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Steffek/Dietzel
II. Arbeitsrechtliche Fragen der Privatisierung
Rz. 176 Teil 12 A
lücke ein solches Übergangsmandat im Wege der Analogie zu § 21a BetrVG aus1. Andererseits verpflichtet die Richtlinie 2001/23/EG zum Betriebsübergang 174 nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 4 die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass „die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer, die vor dem Übergang vertreten wurden, während des Zeitraums, der für die Neubildung oder Neubenennung der Arbeitnehmervertretung erforderlich ist, … weiterhin angemessen vertreten werden.“ Von dieser Richtlinie werden auch Privatisierungen der öffentlichen Hand erfasst. Ausgenommen vom Anwendungsbereich der Richtlinie sind nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. c lediglich Umstrukturierungen von Verwaltungsbehörden sowie die Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere. Aus diesem Grunde wird befürwortet, dass jedenfalls seit dem 17.7.2001 – dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2001/23/EG – die Arbeitsgerichte zur unmittelbaren Anwendung der Richtlinie befugt und die Personalratsmitglieder übergangsweise entsprechend § 21a BetrVG mit der Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben zu betrauen seien2. Eine solche unmittelbare Anwendung der Richtlinie kommt jedoch nur bei einer formellen Privatisierung in Betracht, da eine horizontale Direktwirkung von Richtlinien zwischen privaten Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgeschlossen ist3. In den Fällen der materiellen Privatisierung, dh., wenn ein in privater 175 Rechtsform geführtes Unternehmen der öffentlichen Hand an einen Privaten veräußert wird, ist dagegen nur eine europarechtskonforme Auslegung des BetrVG zu prüfen. Eine solche Auslegung ist aber an die allgemeinen Auslegungsgrundsätze gebunden, dh., eine Auslegung in Widerspruch zu dem klaren Willen des Gesetzgebers ist nicht möglich4. Mit Blick auf die Gesetzesentstehung des § 21a BetrVG ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen ein Übergangsmandat des Personalrates entschieden hat, so dass eine europarechtskonforme erweiternde Auslegung des § 21a BetrVG ausscheidet5. Es obliegt vielmehr dem Gesetzgeber, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen. b) Fortgeltung von Dienstvereinbarungen Weder das BPersVG noch die Personalvertretungsgesetze der Länder enthalten Regelungen zum rechtlichen Schicksal bestehender Dienstverein1 LAG Köln v. 11.2.2000 – 4 TaBV 2/00, NZA-RR 2001, 87; OVG Münster v. 29.9.1999 – 1 A 1083/98.PVB, PersR 2000, 455; Richardi/Annuß, § 130 BetrVG Rz. 13; Thüsing, DB 2002, 738; Fitting, § 21a BetrVG Rz. 5; Besgen/Langner, NZA 2003, 1239; aA ArbG Berlin v. 19.2.2001 – 60 BVGa 4065/01, NZA-RR 2002, 92 – Übergangsmandat für die Dauer von maximal drei Monaten als „Notbetriebsrat“; Frohner, PersR 1995, 99; Blanke, PersR 2000, 43. 2 Düwell, § 21a BetrVG Rz. 15 mwN. 3 Vgl. BAG v. 18.2.2003 – 1 ABR 2/02, NZA 2003, 742. 4 BVerfG v. 24.5.1995 – 2 BvF 1/92, NVwZ 1996, 574 zur verfassungskonformen Auslegung von Normen; BAG v. 18.2.2003 – 1 ABR 2/02, NZA 2003, 742. 5 Richardi/Annuß, § 130 BetrVG Rz. 13; Kast/Feihube, DB 2004, 2530; aA Krause, NZA 1998, 1201 (1204); Düwell, § 21a BetrVG Rz. 15. Steffek/Dietzel
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Teil 12 A Rz. 177
Restrukturierung und Privatisierung
barungen bei einer Privatisierung. Zwar ist für Betriebsvereinbarungen anerkannt, dass diese bei Weiterbestehen der organisatorischen Einheit, für die sie abgeschlossen worden sind, trotz eines Inhaberwechsels gemäß § 613a BGB kollektivrechtlich fortgelten1. Dies gilt für Dienstvereinbarungen aber nur dann, wenn eine Dienststelle im Rahmen einer Umstrukturierung von einem öffentlich-rechtlichen Träger auf einen anderen übergeht und der Personalrat trotz dieses Übergangs im Amt bleibt (vgl. Rz. 54 ff.)2. 177
Wird die Dienststelle dagegen privatisiert, ist die Rechtslage umstritten. Nach zutreffender Ansicht endet mit dem Übergang auf einen privaten Rechtsträger sowohl das Amt des Personalrates (vgl. Rz. 169 ff.) als auch die kollektivrechtliche Wirkung der Dienstvereinbarungen3. Sie gelten nur dann gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB individualvertraglich fort, wenn ein Betriebsübergang stattfindet und die Dienstvereinbarung nicht durch eine beim Erwerber bestehende Betriebsvereinbarung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst wird4.
178
Im Falle einer Privatisierung per Gesetz kann das Privatisierungsgesetz selbst die kollektivrechtliche Weitergeltung von Dienstvereinbarungen als Betriebsvereinbarungen anordnen5. Der Bund ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG nur für die Regelung der Beschäftigungsverhältnisse der Angestellten des Bundes ausschließlich zuständig, so dass entsprechende gesetzliche Regelungen der Landesgesetzgeber für ihre Beschäftigten möglich sind.
1 BAG v. 5.2.1991 – 1 ABR 32/90, AP Nr. 89 zu § 613a BGB; BAG v. 27.7.1994 – 7 ABR 37/93, NZA 1995, 222. 2 Staudinger/Annuß, § 613a BGB Rz. 261. 3 Schipp, NZA 1994, 865. 4 Schipp, NZA 1994, 865; Staudinger/Annuß, § 613a BGB Rz. 261; BeckOK/Gussen, § 613a BGB Rz. 219; APS/Steffan, § 613a BGB Rz. 119; aA (kollektivrechtliche Weitergeltung) Frohner, PersR 1995, 99; Blanke, PersR 2000, 43; Blanke/Trümmer/ Blanke, Handbuch Privatisierung, Rz. 723; Gaul, ZTR 1995, 387. 5 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 639/03, NZA 2005, 833.
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I. Kein Betriebsübergang bei behördeninterner Verlagerung
Rz. 2
Teil 12 B
B. Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
I. Kein Betriebsübergang bei behördeninterner Verlagerung hoheitlicher Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Betriebes/Betriebsteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang auf einen neuen Inhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fortbestand der funktionellen Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Übergang bei lediglich formwechselnder Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Outsourcing als Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Neuausschreibung von Aufträgen als Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übergang durch Rechtsgeschäft .
Rz.
Rz.
2
III. Kündigungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4 5 10 10 13 14 19 22
IV. Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers und Rechtsfolgen. . . . . . . . 1. Vorherige Unterrichtung der Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Widerspruchsrecht bei Erlöschen des Rechtsträgers . . . . . . . . . . 3. Kein Widerspruchsrecht bei Privatisierung per Gesetz . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebsbedingte Kündigung nach Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordentlich kündbare Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ordentlich unkündbare Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 29 34 35 36 38 39
V. Fortgeltung von Tarifverträgen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Schrifttum: Annuß, Der Betriebsübergang nach „Ayse Süzen“ NZA 1998, 70; Besgen/Langner, Zum Übergangsmandat des Personalrats bei der privatisierenden Umwandlung, NZA 2003, 1239; Boecken, Der Übergang von Arbeitsverhältnissen bei Spaltung nach dem neuen Umwandlungsrecht, ZIP 1994, 1087; Gaul, Das Schicksal von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen bei der Umwandlung von Unternehmen, NZA 1995, 717; Gaul, Die Privatisierung von Dienstleistungen als rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang (§ 613a BGB) Teil I und Teil II, ZTR 1995, 387; Kania, Tarifbindung bei Ausgliederung und Aufspaltung eines Betriebs. DB 1995, 625.
Abhängig von der konkreten Gestaltung einer Restrukturierungsmaßnah- 1 me kann es auch bei der Verlagerung von Tätigkeiten der öffentlichen Hand zu einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB mit der Folge kommen, dass die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten auf den neuen privaten Inhaber bzw. den neuen öffentlich-rechtlichen Träger der hoheitlichen Aufgabe übergehen. Hingegen bleibt die Dienstherrenstellung innerhalb der öffentlichen Hand mangels Arbeitnehmereigenschaft bei Beamten von einem Betriebsübergang unberührt1.
I. Kein Betriebsübergang bei behördeninterner Verlagerung hoheitlicher Tätigkeiten Die bloße strukturbedingte Verlagerung hoheitlicher Tätigkeiten von einem öffentlichen auf einen anderen öffentlichen Träger eröffnet den 1 Moll/Cohnen/Tepass, § 50 Rz. 35; ErfK/Preis § 613a BGB Rz. 67. Steffek/Dietzel
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2
Teil 12 B
Rz. 3
Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
Anwendungsbereich des § 613a BGB nicht1. Insbesondere findet die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG auf solche Konstellationen keine Anwendung, denn die Richtlinie soll Arbeitnehmer vor solchen Nachteilen schützen, die sich aus Änderungen in Unternehmensstrukturen ergeben können, welche durch die wirtschaftliche Entwicklung bedingt sind2. Bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben besteht für diesen Schutz kein Bedarf. Allein die Übertragung von Verwaltungsaufgaben einer Behörde auf eine andere Behörde bewirkt daher keinen Übergang der Arbeitsverhältnisse3. 3
Auch bei einer verwaltungsinternen Umstrukturierung kann aber sowohl nach Auffassung des EuGH4 als auch des BAG5 ein Betriebsübergang stattfinden, wenn es nicht um die Übertragung hoheitlicher, sondern wirtschaftlicher Tätigkeiten geht. So hat das BAG zB bei der Übertragung des ehemaligen DDR-Rundfunkvermögens auf den Mitteldeutschen Rundfunk6 oder dem Übergang einer Schule von einem öffentlichen Träger auf einen anderen7 die Anwendbarkeit des § 613a BGB bejaht.
II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs 4
Geht es nicht nur um die behördeninterne Verlagerung hoheitlicher Tätigkeiten, ist § 613a BGB auch im Bereich der öffentlichen Hand anwendbar, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Inhaber übergeht. Demnach müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: – übergehen muss ein Betrieb oder Betriebsteil, – durch den Übergang muss ein Wechsel des Betriebs(teil)inhabers eintreten, – der Übergang muss durch ein Rechtsgeschäft vollzogen werden. 1. Begriff des Betriebes/Betriebsteils
5
Auch wenn die Begriffe Betrieb und Betriebsteil dem Bereich der öffentlichen Hand fremd sind, kann es in diesem Bereich zu einem Betriebsübergang kommen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob eine Dienststelle bzw. ein Betrieb vollständig auf einen anderen Inhaber übergeht. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist – auch im Bereich des öffentlichen Dienstes – allein darauf abzustellen, ob eine wirtschaftliche Einheit vorhanden ist, 1 BAG v. 26.6.1997 – 8 AZR 426/95, AP Nr. 165 zu § 613a BGB; BAG v. 20.3.1997 – 8 AZR 856/95, AP Nr. 24 zu Art. 13 Einigungsvertrag. 2 EuGH v. 15.10.1996 – Rs. C-298/94, AP Nr. 13 zur EWG-Richtlinie Nr. 77/187. 3 BAG v. 20.3.1997 – 8 AZR 856/95, AP Nr. 24 zu Art. 13 Einigungsvertrag. 4 EuGH v. 14.9.2000 – Rs. C-343/98 – Collino, NZA 2000, 1279; EuGH v. 26.9.2000 – C-175/99 – Mayeur, NZA 2000, 1327. 5 BAG v. 25.9.2003 – 8 AZR 421/02, AP Nr. 261 zu § 613a BGB; BAG v. 20.3.1997 – 8 AZR 856, NZA 1997, 1225; BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 928/93, NZA 1996, 424. 6 BAG v. 20.3.1997 – 8 AZR 856/95, AP Nr. 24 zu Art. 13 Einigungsvertrag. 7 BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 928/93, AP Nr. 131 zu § 613a BGB.
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II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs
Rz. 7
Teil 12 B
die trotz eines Inhaberwechsels ihre Identität bewahrt hat. Hierfür muss eine wirtschaftliche Einheit bestehen, die auf den Erwerber übertragen wird, wobei die bestehende funktionelle Verknüpfung der übertragenen Produktionsfaktoren beim Erwerber beibehalten wird1. Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben schließt nicht aus, dass es sich bei einer öffentlich-rechtlich organisierten Einheit um eine wirtschaftliche Einheit handelt2. § 613a BGB findet grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn der bisherige oder der neue Inhaber der Staat oder eine sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist3. Lediglich die Verlagerung hoheitlicher Tätigkeiten innerhalb der Verwaltung ist vom Anwendungsbereich des § 613a BGB ausgenommen (vgl. hierzu auch oben Rz. 2).
6
Ob eine wirtschaftliche Einheit übertragen wird, entscheidet sich nach der 7 Rechtsprechung des EuGH4, der sich auch das BAG5 angeschlossen hat, anhand einer Gesamtwürdigung sämtlicher, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen, namentlich – der Art der betreffenden Dienststelle/des Betriebes, – dem Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva wie Gebäude und bewegliche Güter, – dem Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs, – der Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, – dem Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft bzw. der Auftraggeber sowie – dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit und – der Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit (sog. 7-Punkte-Katalog). 1 EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-466/07 – Klarenberg, NZA 2009, 251. 2 BAG v. 25.9.2003 – 8 AZR 421/02, AP Nr. 261 zu § 613a BGB. 3 BAG v. 6.2.1980 – 5 AZR 275/78, AP Nr. 21 zu § 613a BGB; BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 928/93, AP Nr. 131 zu § 613a BGB. 4 EuGH v. 18.3.1986 – Rs. C-24/85 – Spijkers, Slg. 1986, 1119; EuGH v. 11.3.1997 – Rs. C-13/95 – Ayse Süzen, AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187; EuGH v. 15.12.2005 – Rs. C-232/04 – Güney-Görres, NZA 2006, 29. 5 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, AP Nr. 169 zu § 613a BGB – Reinigungsarbeiten im Krankenhaus; BAG v. 18.2.1999 – 8 AZR 500/97, nv. – Gebäudereinigung im Krankenhaus; BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 52/96, EzA § 613a BGB Nr. 166 – Verpackungsabteilung; BAG v. 14.5.1998 –8 AZR 418/96, NZA 1999, 483 – Bewachungsauftrag; BAG v. 3.9.1998 – 8 AZR 306/97, NZA 1999, 147 – Möbelauslieferung und -montage; BAG v. 25.9.2003 – 8 AZR 421/02, AP Nr. 261 zu § 613a BGB – Schießplatz; BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 639/02, NZA 2004, 845 – Schwimmtrainerin; BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 693/06, AP Nr. 64 zu § 111 BetrVG 1972 – Handling auf Großflughafen; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431 – technische Dienstleistung in Universitätsklinik. Steffek/Dietzel
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Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
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Die Bedeutung der einzelnen Kriterien hängt von der Art des Betriebs bzw. den von dem bisherigen Inhaber erfüllten Aufgaben ab. Zu unterscheiden ist, ob die materiellen oder immateriellen Betriebsmittel charakteristisch für die jeweilige Art der wirtschaftlichen Einheit sind oder ob die menschliche Arbeitskraft der wirtschaftlichen Einheit das Gepräge gibt1. Bei Produktionsbetrieben setzt ein Betriebsübergang die Übernahme der materiellen Betriebsmittel, etwa der Produktionsstätte und der Maschinen voraus. Bei Dienstleistungsbetrieben, in denen es eher auf die menschliche Arbeitskraft ankommt (zB Gebäudereinigung, Wachdienste), kann für einen Betriebsübergang dagegen bereits die freiwillige Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals genügen2. Im Einzelfall kann ein Kriterium von derart entscheidender Bedeutung sein, dass alle anderen Umstände in den Hintergrund treten3.
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Diese Grundsätze gelten auch für Betriebs- bzw. Dienststellenteile. Das BAG fordert jedoch, dass der betreffende Betriebsteil bereits beim Veräußerer als solcher vorhanden gewesen sein muss, denn nur eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit kann auf einen anderen Erwerber übergehen4. Das BAG hat daher einen Betriebsübergang abgelehnt, nachdem der bisherige Betreiber einer Müllsortieranlage die Hälfte der Sortiermenge an ein anderes Unternehmen vergeben hatte5. Eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit setze eine bestimmte Organisationsstruktur voraus. Hieran fehlt es, wenn lediglich eine bestimmte Tätigkeit beim Erwerber fortgeführt wird. Es liegt dann eine bloße Funktionsnachfolge und kein Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang vor6. 2. Übergang auf einen neuen Inhaber a) Fortbestand der funktionellen Verknüpfung
10 Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB liegt nur dann vor, wenn der Erwerber die bisherige funktionelle Verknüpfung der übertragenen Produktionsfaktoren beibehält, um derselben oder aber einer gleichartigen wirtschaft-
1 Vgl. BAG v. 24.4.1997 – 8 AZR 848/94, NZA 1998, 253; BAG v. 22.5.1997 – 8 AZR 101/96, AP Nr. 154 zu § 613a BGB; BAG v. 26.6.1997 – 8 AZR 426/95, AP Nr. 165 zu § 613a; BAG v. 11.9.1997 – 8 AZR 555/95, NZA 1998, 31. 2 EuGH v. 11.3.1997 – Rs. C-13/95 – Ayse Süzen, AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, AP Nr. 172 zu § 613a BGB; vgl. dazu Annuß, NZA 1998, 70. 3 EuGH 20.11.2003 – Rs. C-340/01 – Abler, AP Nr. 34 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187. 4 BAG v. 16.2.2006 – 8 AZR 204/05, AP Nr. 300 zu § 613a BGB; BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05, AP Nr. 302 zu § 613a BGB; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 249/04, AP Nr. 303 zu § 613a BGB. 5 BAG v. 27.9.2007 – 8 AZR 911/06, BeckRS 2008, 52468. 6 BAG v. 22.5.1985 – 5 AZR 30/84, NJW 1986, 451; BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 45/05, NZA 2006, 263; BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 693/06, NZA 2007, 1296; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 156/95, NZA 1999, 486; BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NJW 1998, 1885.
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II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs
Rz. 12
Teil 12 B
lichen Tätigkeit nachzugehen1. Diese funktionelle Verknüpfung wird – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG2 – nicht allein dadurch aufgehoben, dass der Erwerber das übernommene Personal oder aber die übergegangenen Produktionsmittel in seine eigene Organisationsstruktur eingliedert3. Die Folgen der Entscheidung des EuGH vom 12.2.2009 (vgl. Rz. 7 mit Fn. 4), die auf einen Vorlagebeschluss des LAG Düsseldorf4 zurückgeht, lassen sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Ein Unternehmen entscheidet sich, zukünftig einen externen Dienstleister mit der Lohnbuchhaltung zu beauftragen, wobei die bisherigen Mitarbeiter von dem neu beauftragten Serviceunternehmen übernommen werden. Bisher konnte ein Betriebsübergang vermieden werden, indem die übernommenen Mitarbeiter zB auf verschiedene Niederlassungen des beauftragten Serviceunternehmens verteilt wurden und damit die bisherige Organisationsstruktur der Abteilung zerschlagen wurde5. Zukünftig wird eine solche Zerschlagung der bisherigen Struktur wohl nicht mehr genügen, wenn die Mitarbeiter gleichwohl die Lohnbuchhaltung ihres vorherigen Arbeitgebers bearbeiten. Welche konkreten Kriterien das BAG zukünftig anwenden wird, um den Betriebsübergang von der bloßen Funktionsnachfolge abzugrenzen, ist jedoch ungewiss. Der EuGH verweist hierfür auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände, ohne klare Abgrenzungskriterien vorzugeben6.
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Ein Betriebsübergang scheidet jedenfalls aus, wenn der Betrieb vor bzw. di- 12 rekt nach der Veräußerung stillgelegt wird oder aber der Erwerber den bisherigen Betriebszweck wesentlich verändert7. Ein Betriebsübergang liegt demnach nicht vor, wenn der Erwerber von Produktionsmaschinen anders als der Veräußerer keine Massenproduktion von Schuhen mehr betreibt, sondern Muster und Prototypen handwerklich ausgerichtet herstellt8. Allein die örtliche Verlagerung der Produktion oder Tätigkeit genügt jedoch nicht, um einen Betriebsübergang auszuschließen9.
1 EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-466/07 – Klarenberg, NZA 2009, 251; EuGH v. 14.4.1994 – Rs. C-392/92 – Christel Schmidt, NZA 1994, 545. 2 BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05, AP Nr. 152 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 249/04, NZA 2006, 1039; BAG v. 25.9.2003 – 8 AZR 421/02, NZA 2004, 316. 3 EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-466/07 – Klarenberg, NZA 2009, 251. 4 LAG Düsseldorf v. 6.4.2006 – 9 Sa 303/07, NZA-RR 2008, 17. 5 Vgl. BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05, AP Nr. 152 zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung – Überleitung von Aufgaben der Treuhandanstalt auf das BaRoV. 6 EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-466/07 – Klarenberg, NZA 2009, 251. 7 BAG v. 13.5.2004 – 8 AZR 331/03, AP Nr. 273 zu § 613a BGB; BAG v. 22.5.1997 – 8 AZR 101/96, AP Nr. 154 zu § 613a BGB – Einstellung des Geschäftsbetriebes eines Einzelhandelsgeschäftes für die Dauer von neun Monaten. 8 BAG v. 13.5.2004 – 8 AZR 331/03, AP Nr. 273 zu § 613a BGB. 9 BAG v. 13.5.2004 – 8 AZR 331/03, AP Nr. 273 zu § 613a BGB; BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93. Steffek/Dietzel
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Rz. 13
Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
b) Kein Übergang bei lediglich formwechselnder Privatisierung 13 Da der bloße Formwechsel nicht zu einer Änderung der Identität des Betriebsinhabers führt, ist die Anwendung von § 613a BGB in diesem Fall ausgeschlossen. Ein Übergang auf einen anderen Inhaber findet nicht statt1. Eine nur formwechselnde Privatisierung liegt zB vor, wenn eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird (vgl. § 301 UmwG). c) Outsourcing als Betriebsübergang 14 Ob es beim Outsourcing, also der Fremdvergabe von bisher durch die öffentliche Hand erledigten Aufgaben an einen privaten Dritten, zu einem Betriebsübergang kommt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls und unter Heranziehung der allgemeinen Kriterien zu ermitteln. 15 Überträgt der öffentliche Träger eine Aufgabe zur vollständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung an einen privaten Dienstleister und übernimmt dieser beispielsweise den wesentlichen Teils des Personals, kann bereits aus diesem Grund ein Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen, wenn es sich bei der übertragenen Aufgabe um eine Dienstleistung handelt, der die menschliche Arbeitskraft das Gepräge gibt (zB bei der Gebäudereinigung oder dem Wachdienst)2. Gründet demnach ein Kommunalunternehmen, das Krankenhäuser betreibt, eine Service GmbH und übernimmt diese alle Reinigungskräfte dieser Krankenhäuser, liegt ein Betriebsübergang vor, wenn die GmbH im Wege der Arbeitnehmerüberlassung alle übernommenen Reinigungskräfte an das Kommunalunternehmen „zurückentleiht“ und diese dort die gleichen Tätigkeiten verrichten wie bisher3. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die von der Service GmbH übernommenen Reinigungskräfte nicht auch an andere Unternehmen entliehen werden4. 16 Wann es sich um die Übernahme des „wesentlichen Teils“ des Personals handelt, ist abhängig vom Einzelfall. Das BAG hat in einem Fall der Ausgliederung eines Reinigungsbetriebs die Übernahme von 85 % des Personals als ausreichend angesehen und einen Betriebsübergang bejaht5. 17 Übernimmt der private Dienstleister kein Personal, wohl aber Betriebsmittel des öffentlichen Trägers (materielle Betriebsmittel wie zB Küchengeräte, Reinigungsutensilien bzw. immaterielle Betriebsmittel wie das Knowhow), liegt nur dann ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vor, wenn durch die Übertragung dieser Betriebsmittel die wirtschaftliche Einheit bei 1 BAG v. 25.5.2000 – 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115; Semler/Stengel/Perlitt, § 302 UmwG Rz. 38; HaKo/Mestwerdt, § 613a BGB Rz. 46; MünchArbR/Wank, § 124 Rz. 216. 2 EuGH v. 11.3.1997 – Rs. C-13/95 – Ayse Süzen, AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, AP Nr. 172 zu § 613a BGB. 3 BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 481/07, DB 2009, 291. 4 BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 481/07, DB 2009, 291. 5 BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, AP Nr. 172 zu § 613a BGB.
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II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs
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Teil 12 B
dem privaten Dienstleister gewahrt bleibt. Dies ist nur bei solchen Dienstleistungen denkbar, deren Identität nicht vollständig oder ganz überwiegend durch das Personal bestimmt wird. Werden weder Betriebsmittel noch Personal übertragen, liegt in der bloßen 18 Auftragsvergabe an einen privaten Dienstleister kein Betriebsübergang. Es handelt sich dann um eine bloße Funktionsnachfolge, die nicht der Vorschrift des § 613a BGB unterfällt1. d) Die Neuausschreibung von Aufträgen als Betriebsübergang Die bloße Neuausschreibung eines Auftrages löst als solche keinen Be- 19 triebsübergang nach § 613a BGB aus (Funktionsnachfolge)2. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um den einzigen Auftrag des Betriebes handelt3. Ein Betriebsübergang liegt nur dann vor, wenn der neue Auftragnehmer wesentliche Betriebsmittel4 oder aber einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft übernimmt5. Eine eigenwirtschaftliche Nutzung der übernommenen Betriebsmittel 20 durch den neuen Auftraggeber wird von der Rechtsprechung des BAG6 für die Übernahme wesentlicher Betriebsmittel nicht mehr verlangt7, nachdem der EuGH festgestellt hat, dass eine solche Einschränkung der Richtlinie 2001/23/EG widerspricht8. Es genügt vielmehr, dass der Erwerber wesentliche Betriebsmittel für die Durchführung des Auftrages weiter nutzt. Wesentlich sind alle jene Betriebsmittel, die unverzichtbar zur Durch-
1 BAG v. 22.1.1998 – 8 AZR 243/95, AP Nr. 173 zu § 613a BGB. 2 EuGH v. 11.3.1997 – Rs. C-13/95, NZA 1997, 433; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 156/95, NZA 1999, 486. 3 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431. 4 BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05, NZA 2006, 1105 – Neuvergabe der Bereederung eines Forschungsschiffes; BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, BB 2007, 1675 – Durchführung von Schlachtarbeiten in einem Schlachthof; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04, BB 2006, 2697 – technische Anlage zur Fertigstellung einer Zeitung; BAG v. 13.6.2006 – 8 AZR 271/05, AP Nr. 305 zu § 613a BGB – technische Geräte und Anlagen zur Personenkontrolle am Flughafen; BAG v. 27.9.2007 – 8 AZR 941/06, NZA 2008, 1130 – Müllsortieranlage. 5 EuGH v. 11.3.1997 – Rs. C-13/95 – Ayse Süzen, AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534 – 60 von 70 Mitarbeitern eines Reinigungsunternehmens; BAG v. 14.5.1998 – 8 AZR 418/96, NZA 1999, 483 – Die Übernahme von 22 der 36 Beschäftigten kann genügen, wenn es sich um qualifiziertes Personal (Schichtführer, Führungspersonal) handelt. 6 BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05, NZA 2006, 1105; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04, BB 2006, 2697. 7 So noch BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 426/94, NZA 1998, 532; BAG v. 14.5.1998 – 8 AZR 328/96, BeckRS 1998, 30369837; BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 276/97, BeckRS 1998, 30371135; BAG v. 25.5.2000 – 8 AZR 337/99, nv.; BAG v. 29.6.2000 – 8 AZR 520/99, BeckRS 2008, 52723. 8 EuGH v. 15.12.2005 – Rs. C-232/04 – Güney-Görres, NZA 2006, 29. Steffek/Dietzel
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Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
führung des Auftrages sind1. So hat das BAG für die Durchführung von Ausbein-, Zerlege- und Schlachtarbeiten in einem Schlachthof die Förderbänder, die Hebeeinrichtungen, die Fellabzugsmaschine, die Fräsen und Pumpen, die Waagen sowie die Kühlräume und Hygieneschleusen für wesentlich erachtet2. Die Messer, Wetzstäbe, Handschuhe und Arbeitskleidung waren dagegen keine wesentlichen Betriebsmittel, da sie leicht austauschbar und auf dem Markt unschwer zu erwerben waren3. 21 Zweiter Ansatzpunkt für einen Betriebsübergang bei der Neuvergabe eines Auftrages ist die Übernahme der Hauptbelegschaft des bisherigen Auftragnehmers durch den neuen Auftragnehmer. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen altem und neuem Auftragnehmer ist hierzu nicht erforderlich, sondern es genügt, dass der neue Auftragnehmer bei Betrieben, die wesentlich von der menschlichen Arbeitskraft geprägt werden, willentlich die Hauptbelegschaft des Vorgängers übernimmt4. Feste prozentuale Werte, welcher Anteil der Belegschaft übernommen werden muss, bestehen nicht, sondern die Entscheidung ist in Abhängigkeit von der Struktur der wirtschaftlichen Einheit zu treffen. Als Grundregel gilt, dass bei einem geringen Qualifikationsgrad der Arbeitnehmer eine große Anzahl der Beschäftigten zu übernehmen ist, während bei hoch qualifizierten Mitarbeitern geringere Übernahmequoten ausreichen5. So genügte dem BAG bei der Neuvergabe eines Auftrages für Hol- und Bringdienste in einem Krankenhaus die Übernahme von sechs der acht Beschäftigten (75 %) nicht6, ausreichend war dagegen die Übernahme von 85 % der Belegschaft zur Durchführung eines Reinigungsauftrages7. 3. Übergang durch Rechtsgeschäft 22 Vom Geltungsbereich des § 613a BGB sind solche Übergänge ausgenommen, die unmittelbar im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes oder eines sonstigen Hoheitsaktes vollzogen werden8. So hat zB das Land Berlin mit dem Gesetz über die Stiftung „Oper in Berlin“ vom 17.12.20039 die drei Berliner Opern, die zuvor als Landesbetriebe geführt worden waren, unter einer Stiftung zusammengefasst. Mit § 9 dieses Gesetzes wurde 1 BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05, NZA 2006, 1105; BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, BB 2007, 1675. 2 BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, BB 2007, 1675. 3 BAG v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, BB 2007, 1675; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04, AP Nr. 299 zu § 613a BGB. 4 BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95, NJW 1998, 1885; BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 676/97, NJW 1999, 420; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534. 5 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 676/97, NJW 1999, 420; BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534. 6 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 676/97, NJW 1999, 420. 7 BAG v. 11.12.1997 – 8 AZR 729/96, NZA 1998, 534. 8 BAG v. 10.3.1982 – 5 AZR 839/79, AP Nr. 1 zu § 104 KVLG; BAG v. 26.8.1999 – 8 AZR 827/98, AP Nr. 197 zu § 613a BGB; BAG v. 6.4.2006 – 8 AZR 222/04, NJW 2006, 2138; BAG v. 8.5.2001 – 9 AZR 95/00, AP Nr. 219 zu § 613a BGB – „Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg“ mwN. 9 GVBl. Berlin, S. 609.
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II. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs
Rz. 24
Teil 12 B
zugleich die Übernahme der Arbeitsverhältnisse durch die Stiftung angeordnet, ohne dass ein Widerspruchsrecht der Beschäftigten vorgesehen war. § 613a BGB ist auf diesen gesetzlich angeordneten Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht anzuwenden1. Wenn das Gesetz allerdings eine Umsetzung durch den Abschluss eines 23 Rechtsgeschäfts zwischen den beteiligten Rechtsträgern vorsieht, ist § 613a BGB anwendbar2. Dies gilt auch für den Fall, dass der Übergang nicht durch Gesetz, sondern durch eine Verwaltungsvereinbarung geregelt ist3. Das Land Berlin hat zB mit dem „Gesetz über die Anstalt öffentlichen Rechts Berliner Bäder-Betriebe“ vom 25.9.19954 den Betrieb der städtischen Schwimmbäder auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts übertragen. § 13 dieses Gesetz regelt den Übergang bestimmter Arbeitsverhältnisse auf die neu gegründete Anstalt Berliner Bäder-Betriebe. § 613a BGB war auf diesen Übergang der Arbeitsverhältnisse anzuwenden, da die zugehörigen Grundstücke und das Inventar per Pachtvertrag auf die Anstalt übertragen werden sollten5. Der EuGH fasst den Begriff der „vertraglichen Übertragung“, wie ihn die 24 Richtlinie verwendet, erheblich weiter. Selbst wenn die Entscheidung durch einen einseitigen Akt getroffen wird, könne ein Betriebsübergang vorliegen6. Entscheidend sei allein, dass dem Betriebsübergang vertragliche Beziehungen zugrunde liegen. Nicht erforderlich ist dagegen eine solche vertragliche Beziehung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Betriebes, die Übertragung kann vielmehr auch in zwei Schritten unter Einschaltung eines Dritten erfolgen7. Es genügt zB, dass ein Unternehmen per Pachtvertrag an den neuen Betreiber übertragen wird, nachdem der bisherige Pachtvertrag gekündigt wurde8. Einem Betriebsübergang liegen aber auch dann vertragliche Beziehungen zugrunde, wenn ein im Mietkauf übertragenes Unternehmen durch eine gerichtliche Entscheidung auf den ursprünglichen Veräußerer zurückübertragen wird9. Ein rechtsgeschäftlicher Übergang soll schließlich selbst dann vorliegen, wenn eine Gemeinde die Subventionierung einer Stiftung einstellt und zukünftig die Subventio1 BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 125/05, NZA 2006, 848. 2 BAG v. 25.1.2001 – 8 AZR 336/00, AP Nr. 215 zu § 613a BGB. 3 BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 260/99, nv. – Übergang eines Truppenübungsplatzes; BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 928/93, AP Nr. 131 zu § 613a BGB – Verwaltungsvereinbarung zum Übergang einer Schule zwischen zwei öffentlichen Trägern. 4 GBVl. Berlin, S. 617. 5 BAG v. 25.1.2001 – 8 AZR 336/00, AP Nr. 215 zu § 613a BGB. 6 EuGH v. 19.5.1992 – Rs. C-29/91, NZA 1994, 207 – Gewährung einer Subvention; EuGH v. 14.9.2000 – Rs. C-343/98, NZA 2000, 1279 – Übertragung der Aufgaben per ministeriellem Dekret; EuGH v. 14.9.2000 – C-175/99, NZA 2000, 1279 – Wiedereingliederung einer juristischen Person des Privatrechts in eine Gebietskörperschaft. 7 EuGH v. 25.1.2001 – Rs. C-172/99, EuZW 2001, 150; EuGH v. 7.3.1996 – Rs. C-171, 172/94, NZA 1996, 413. 8 EuGH v. 17.12.1987 – Rs. C-287/86, Slg. 1987, 5465; EuGH v. 10.2.1988 – Rs. C-324/86 – Daddy’s Dance Hall, Slg. 1988, 739. 9 EuGH v. 5.5.1988 – Rs. C-144, 145/87, NZA 1990, 885. Steffek/Dietzel
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Rz. 25
Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
nen an eine andere Stiftung gewährt, denn es könne keinen Unterschied machen, ob die Subventionierung durch einseitigen Hoheitsakt oder durch den Abschluss von Subventionsverträgen realisiert wird1. 25 Ist der Betriebs(teil)übergang mit einer Ausgliederung nach § 168 UmwG verbunden, ist für die Zuordnung aktiver Arbeitsverhältnisse gemäß § 324 UmwG die Vorschrift des § 613a BGB anzuwenden. Abweichende Zuordnungen können nur mit Zustimmung der betroffenen Beschäftigten vereinbart werden2. Da § 613a BGB aber nur die Rechtsverhältnisse aktiver Arbeitnehmer regelt3, steht § 613a BGB einer freien Zuordnung der Rechtsverhältnisse ehemaliger Arbeitnehmer – zB im Hinblick auf Pensionsverpflichtungen – nicht im Wege4.
III. Kündigungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang 26 Nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB sind sowohl die Beendigungskündigung als auch die Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten unwirksam, sofern sie wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils durch den bisherigen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber ausgesprochen werden. Dabei handelt es sich um ein selbstständiges Kündigungsverbot, auf das sich der Beschäftigte unabhängig vom Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz berufen kann. Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB außerordentlich eng, wie nicht zuletzt § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB zeigt. Ist nämlich eine Kündigung nach den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt, kann sie niemals „wegen des Betriebsübergangs“ ausgesprochen und daher nicht gemäß § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam sein. Denn durch einen Arbeitgeberwechsel im Rahmen eines Betriebsübergangs sollen die Rechte des betroffenen Beschäftigten zwar nicht geschmälert, jedoch auch nicht über den bisherigen Standard hinaus ausgedehnt werden, der bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Arbeitgeber bestünde5. 27 Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB erfasst daher nur solche Fälle, in denen der Inhaberwechsel als solcher zum Anlass für eine Kündigung genommen wird, ohne dass wenigstens daneben eine nach allgemeinen Grundsätzen anerkennenswerte Unternehmerentscheidung vor1 EuGH v. 19.5.1992 – Rs. C-29/91, NZA 1994, 207, ebenso EuGH v. 25.1.2001 – Rs. C-172/99, EuZW 2001, 150 für die Auftragserteilung aufgrund einer öffentlichrechtlichen Vergabeentscheidung oder EuGH v. 7.3.1996 – Rs. C-171, 172/94, NZA 1996, 413 für die Neuerteilung einer Vertriebsberechtigung. 2 APS/Steffan, § 324 UmwG Rz. 7; Heidenhain, NJW 1995, 2773; Willemsen, NZA 1996, 791. 3 Vgl. nur BAG v. 24.3.1998 – 9 AZR 57/97, NZA 1999, 145 mwN. 4 WHSS/Doetsch/Rühmann, J Rz. 544; Gaul, Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 35 Rz. 29. 5 LAG Köln v. 9.1.2008 – 7 Sa 1072/07, BeckRS 2008, 57635.
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IV. Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers und Rechtsfolgen
Rz. 31
Teil 12 B
liegt. Unwirksam ist eine Kündigung in diesem Sinne insbesondere dann, wenn sie allein damit begründet werden kann, dass der neue Inhaber – in vielen Fällen also der private Investor – anderenfalls zur Übernahme des Betriebs(teils) nicht bereit ist.
IV. Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers und Rechtsfolgen Kommt es im Rahmen einer Restrukturierung zu einem Betriebsübergang, 28 können die Beschäftigten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den neuen Inhaber gemäß § 613a Abs. 6 BGB binnen eines Monats schriftlich widersprechen. Widerspricht der Beschäftigte form- und fristgerecht dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, bleibt das Arbeitsverhältnis mit dem öffentlichen Arbeitgeber bestehen. 1. Vorherige Unterrichtung der Beschäftigten Die Frist zur Erklärung des Widerspruchs beginnt erst mit Zugang eines vollständigen Unterrichtungsschreibens an den Beschäftigten zu laufen. Der Beschäftigte ist dabei nicht nur über den Betriebsübergang als solchen zu informieren, sondern das Schreiben muss gemäß § 613a Abs. 5 BGB folgende Informationen enthalten:
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– (geplanter) Zeitpunkt des Betriebsübergangs, – Grund für den Betriebsübergang, – rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs für die Beschäftigten und – die hinsichtlich der Beschäftigten in Aussicht genommenen Maßnahmen. Das BAG hat den erforderlichen Inhalt eines solchen Unterrichtungs- 30 schreibens insbesondere in zwei Urteilen vom 13.7.20061 konkretisiert. Nach diesen Entscheidungen muss das Unterrichtungsschreiben die korrekte Firmenbezeichnung und Anschrift des Erwerbers benennen und die unternehmerischen Gründe für die Übertragung der wirtschaftlichen Einheit zumindest schlagwortartig mitteilen. Bereits die fehlerhafte Wiedergabe des Vornamens des Geschäftsführers des Erwerberunternehmens (Jochen oder Joachim) kann ggf. die Unterrichtung fehlerhaft machen2. Der Schwerpunkt der Unterrichtung liegt in der Erläuterung der recht- 31 lichen Folgen des Betriebsübergangs für die Beschäftigten3. Hierzu gehören insbesondere die Darstellung der gesamtschuldnerischen Haftung nach
1 BAG v. 13.7.2007 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268; BAG v. 13.7.2007 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273. 2 BAG v. 13.7.2007 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 3 BAG v. 22.1.2009 – 8 AZR 808/07, BeckRS 2009, 60034; BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 174/07, ZIP 2009, 929. Steffek/Dietzel
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Rz. 32
Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
§ 613a Abs. 3 BGB1 sowie Angaben zu drohenden Kündigungen2 und zur Fortgeltung von Tarifverträgen und Dienstvereinbarungen3. 32 Die Arbeitnehmer müssen zB eindeutig darauf hingewiesen werden, dass die Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes – und nicht auf Basis einer bloßen Vereinbarung – auf den Erwerber übergehen4. Hierfür genügt es nicht, dass in dem Unterrichtungsschreiben auf einen „automatischen“ Übergang der Arbeitsverhältnisse verwiesen wird5. Außerdem muss aus dem Unterrichtungsschreiben deutlich hervorgehen, ob und in welchem Umfang der bisherige Inhaber für die Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis haftet6. Ein pauschaler Verweis auf die gesamtschuldnerische Haftung nach § 613a Abs. 3 BGB ist nicht ausreichend, sondern es ist zu erläutern, dass der bisherige Inhaber mit dem Erwerber gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten haftet, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits bestanden und binnen eines Jahres fällig werden7. Für die Darstellung zur Fortgeltung von Tarifverträgen und Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen ist es nicht erforderlich, dass diese detailliert bezeichnet werden. Anzugeben ist aber, ob die Kollektivverträge nach dem Betriebsübergang kollektivrechtlich oder aber nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB individualvertraglich fortgelten8. Schließlich sind die Arbeitnehmer über die korrekte Ausübung des Widerspruchsrechtes (Form, Frist, Adressat) und dessen Folgen aufzuklären9. 33 Genügt das Informationsschreiben den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht, beginnt die Frist zur Erklärung des Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB nicht zu laufen10. Eine zeitliche Einschränkung des Widerspruchsrechtes kann sich dann allenfalls aus den Grundsätzen der Verwirkung ergeben11. Allein die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim Betriebserwerber genügt aber für eine Verwirkung des Widerspruchsrechtes nicht12. 2. Kein Widerspruchsrecht bei Erlöschen des Rechtsträgers 34 Ein Widerspruchsrecht des Beschäftigten besteht dann nicht, wenn der bisherige Arbeitgeber im Zuge des Betriebsübergangs erlischt13. Das Wider1 BAG v. 22.1.2009 – 8 AZR 808/07, BeckRS 2009, 60034; BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 174/07, ZIP 2009, 929. 2 BAG v. 22.1.2009 – 8 AZR 808/07, BeckRS 2009, 60034. 3 BAG v. 13.7.2007 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 4 BAG v. 22.1.2009 – 8 AZR 808/07, BeckRS 2009, 60034; BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 174/07, ZIP 2009, 929. 5 BAG v. 20.3.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. 6 BAG v. 22.1.2009 – 8 AZR 808/07, BeckRS 2009, 60034; BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 174/07, ZIP 2009, 929. 7 BAG v. 20.3.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. 8 BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, NZA 2007, 682. 9 BAG v. 20.3.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. 10 BAG v. 13.7.2007 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 11 BAG v. 24.7.2008 – 8 AZR 205/07, NZA 2009, 1294. 12 BAG v. 24.7.2008 – 8 AZR 205/07, NZA 2009, 1294. 13 BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815; aA Rieble, ZIP 1997, 301; Semler/Stengel/Simon, § 324 UmwG Rz. 52.
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IV. Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers und Rechtsfolgen
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spruchsrecht soll zwar verhindern, dass dem Arbeitnehmer gegen seinen Willen ein neuer Arbeitgeber aufgedrängt wird. Der Widerspruch soll gleichzeitig aber auch bewirken, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht1. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn der bisherige Arbeitgeber bei dem Betriebsübergang erlischt. Will der Beschäftigte das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht fortsetzen, kann er das Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen2. Praktisch kommt ein Erlöschen des Rechtsträgers nur bei der Umwandlung durch Verschmelzung bzw. bei der Aufspaltung in Betracht. 3. Kein Widerspruchsrecht bei Privatisierung per Gesetz Ein Widerspruchsrecht der Beschäftigten gegen den Übergang des Arbeits- 35 verhältnisses kann auch dann nicht aus § 613a BGB abgeleitet werden, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Gesetzes auf den neuen Arbeitgeber übergeleitet wird. Nach der Rechtsauffassung des BAG3 liegt bei einer solchen Privatisierung per Gesetz kein rechtsgeschäftlicher Übergang gemäß § 613a BGB vor. Zudem sei die Betriebsübergangsrichtlinie auf diese Form der Privatisierung nicht anwendbar. 4. Betriebsbedingte Kündigung nach Widerspruch Widerspricht ein Beschäftigter dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Rechtsträger, kann der bisherige öffentlich-rechtliche Träger das Arbeitsverhältnis ggf. betriebsbedingt kündigen.
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Bei der bloßen Übertragung eines Dienststellenteils bzw. einer wirtschaftlichen Teileinheit eines Betriebes ist eine betriebsbedingte Kündigung aber nur nach Durchführung einer Sozialauswahl, die sich nicht auf die widersprechenden Arbeitnehmer beschränken darf, möglich4.
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a) Ordentlich kündbare Beschäftigte Bei ordentlich kündbaren Beschäftigten ergeben sich im Falle einer Kündigung nach dem Widerspruch gegen einen Betriebsübergang keine Besonderheiten zu den sonst geltenden Grundsätzen.
38
b) Ordentlich unkündbare Beschäftigte Steht nach einem Widerspruch eines tariflich unkündbaren Beschäftigten5 39 kein Arbeitsplatz bei der bisherigen Dienststelle bzw. dem bisherigen Be1 2 3 4
BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815. BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815. BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 660/07, AP Nr. 366 zu § 613a BGB. BAG v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, NZA 2005, 285; BAG v. 31.5.2007 – 2 AZR 276/06, NZA 2008, 33. 5 Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD und § 34 Abs. 2 Satz 1 TVL sind Angestellte nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren nach Vollendung des 40. Lebensjahres unkündbar. Steffek/Dietzel
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Rz. 40
Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
trieb mehr zur Verfügung, kann diesem nur außerordentlich gekündigt werden, wobei die Kündigung zudem nicht fristlos, sondern nur mit einer sozialen Auslauffrist erklärt werden kann, die der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen muss1. 40 Eine solche außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber auf Dauer unzumutbar wäre2. Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Kündigung sind erheblich. Nicht jede Umorganisation oder Schließung einer Dienststelle oder eines Betriebes, die zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst führt, kann deshalb eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist rechtfertigen3. 41 Der öffentliche Arbeitgeber muss mindestens die Bemühungen aufgebracht und umgesetzt haben, die in den Tarifverträgen zum Rationalisierungsschutz für den Wegfall von Arbeitsplätzen vorgesehen sind (vgl. A Rz. 63 ff.). Ihn trifft die Pflicht, mit allen zumutbaren Mitteln, und zwar auch durch eine entsprechende Umorganisation und das Freimachen gleichwertiger Arbeitsplätze, eine Weiterbeschäftigung – ggf. auch bei anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes – zu versuchen4. 42 Ein dauerhaft unzumutbares – sinnentleertes – Arbeitsverhältnis liegt aus diesen Gründen zB noch nicht vor, wenn die bisherige Tätigkeit eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers durch eine Übertragung dieser Aufgaben auf Dritte entfallen ist und der Zeitraum bis zum endgültigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aufgrund der tariflichen Altersgrenze deutlich unter fünf Jahren liegt5.
V. Fortgeltung von Tarifverträgen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB 43 Bei einem Betriebsübergang gehen die Rechte und Pflichten aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf den Erwerber über. Soweit Tarifverträge nicht aufgrund fortbestehender Tarifbindung oder Gesamtrechtsnachfolge weiterhin zwingend für die Arbeitsverhältnisse der übergegangenen Beschäftigten gelten (vgl. Rz. 44), finden die Sonderregelungen des § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB für die Fortgeltung von Tarifverträgen beim Erwerber Anwendung.
1 BAG v. 11.3.1999 – 2 AZR 427/98, NZA 1999, 818; BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 325/00, AP Nr. 5 zu § 54 BAT. 2 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, AP Nr. 8 zu § 53 BAT. 3 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, AP Nr. 8 zu § 53 BAT. 4 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, AP Nr. 8 zu § 53 BAT. 5 BAG v. 6.10.2005 – 2 AZR 362/04, AP Nr. 8 zu § 53 BAT; BAG v. 5.2.1998 – 2 AZR 227/97, AP Nr. 143 zu § 626 BGB – Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung über fünf Jahre.
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Steffek/Dietzel
V. Fortgeltung von Tarifverträgen
Rz. 46
Teil 12 B
Sind sowohl der Beschäftigte als auch der Erwerber aufgrund Mitglied- 44 schaft im Arbeitgeberverband und entsprechender Gewerkschaftszugehörigkeit an den gleichen Tarifvertrag gebunden, sind auf das Arbeitsverhältnis gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB die nunmehr nach § 4 Abs. 1 TVG einschlägigen Tarifverträge anzuwenden. Voraussetzung ist jedoch eine übereinstimmende Tarifbindung des Erwerbers und des jeweiligen Beschäftigten, dh., der Erwerber muss in jenem Arbeitgeberverband organisiert sein, mit dem die Gewerkschaft des Beschäftigten den entsprechenden Tarifvertrag abgeschlossen hat1. Ein Günstigkeitsvergleich zwischen den bisher für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifvereinbarungen und den nun einschlägigen Tarifverträgen findet nicht statt2. Besteht nach dem Betriebsübergang keine übereinstimmende Tarifbindung 45 zwischen Erwerber und Beschäftigtem, werden die vor dem Betriebsübergang kollektivrechtlich geltenden Tarifverträge in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Teil der Arbeitsverträge. Die Tarifverträge verlieren ihre kollektivrechtliche Rechtsnatur und gelten individualvertraglich fort. Spätere Änderungen der Tarifverträge, wie zB eine Vereinbarung über die Erhöhung der Tabellenentgelte, wirken nicht auf das Arbeitsverhältnis ein. Die Tarifverträge gelten nur statisch in der Fassung weiter, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs galt3. Eine Transformation der Tarifverträge in das Arbeitsverhältnis findet aber nur statt, wenn sowohl der Betriebsveräußerer als auch der Beschäftigte tarifgebunden waren oder die Tarifverträge qua Allgemeinverbindlichkeit galten4. Für das Eingreifen des Ablösungsmechanismus nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB genügt es also nicht, wenn ein Tarifvertrag vor dem Übergang kraft individualvertraglicher Bezugnahme im Arbeitsverhältnis anwendbar war. In diesem Fall tritt der Erwerber bereits gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die aus der arbeitsvertraglichen Verweisung folgenden Rechte und Pflichten ein5. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ordnet zugleich – und wiederum nur dann, wenn die Regelungen eines Tarifvertrages zuvor zwingend galten und gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert wurden – für die Dauer eines Jahres eine Veränderungssperre an. Erst nach Ablauf dieser Jahresfrist ist der Abschluss nachteiliger Änderungsvereinbarungen oder aber der Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Gemäß § 613a Abs. 1 Satz 4 BGB gilt die Veränderungssperre jedoch nicht, wenn der in das Arbeitsverhältnis transformierte Tarifvertrag keine zwingende Wirkung mehr entfaltet. Dies ist der Fall, wenn der Tarifvertrag nur noch nachwirkt, also entweder beim Betriebsübergang bereits gekündigt war oder innerhalb der Jahresfrist ge1 BAG v. 30.8.2000 – 4 AZR 581/99, NZA 2001, 510; BAG v. 21.1.2001 – 4 AZR 18/00, NZA 2001, 1318. 2 BAG v. 16.5.1995 – 3 AZR 535/94, NZA 1995, 1166. 3 BAG v. 13.11.1985 – 4 AZR 309/84, NZA 1986, 422; BAG 13.9.1994 – 3 AZR 148/94, NZA 1995, 740. 4 BAG v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 930; BAG v. 21.8.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442. 5 ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 111. Steffek/Dietzel
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Teil 12 B
Rz. 46
Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
kündigt wurde, sowie dann, wenn der Tarifvertrag vor dem Betriebsübergang durch Fristablauf geendet hatte oder innerhalb der Jahresfrist endet1. Die Veränderungssperre gilt ferner dann nicht, wenn der Erwerber mit dem Beschäftigten die Geltung eines anderen Tarifvertrages, der nicht schon aufgrund beiderseitiger Tarifbindung gilt, vereinbart. Diese Regelung ermöglicht es dem Betriebserwerber mit den übernommenen Beschäftigten die Anwendung eines Tarifvertrages zu vereinbaren, der bereits zwischen ihm und den zuvor bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern gilt2.
1 ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 121. 2 ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 122.
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Teil 13 Sparten- und berufsgruppenspezifische Regelungen im öffentlichen Dienst A. Hintergrund, Rechtsgrundlagen und Systematik berufsgruppenspezifischer Regelungen im öffentlichen Dienst Rz. I. Die Situation vor Inkrafttreten des TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sonderregelungen im BAT . . . . . . 2. Sonderregelungen für Arbeiter am Beispiel MTArb . . . . . . . . . . . . 3. Sonderentwicklungen an Bühnen, Hochschulen und für Chefärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berufsgruppenspezifische Regelungen der neuen Tarifverträge im öffentlichen Dienst (TVöD, TV-L) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 4 7 8
Rz. 1. Neuregelung und Systematik der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes – die Tarifwende 2005/2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spartenbezogene Systematik des TVöD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Systematik des TV-L . . . . . . . . . . . . . 4. Überleitungstarifverträge . . . . . . . . . a) Bund und VKA . . . . . . . . . . . . . . . b) Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 16 22 23 23 26
11
Schrifttum: Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Vergütungsordnung BL, Loseblatt; Dörner, Neues aus dem Befristungsrecht, NZA 2007, 57; Kortstock, Reform des Hochschulbefristungsrechts – Entwurf eines Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, ZTR 2007, 2.
I. Die Situation vor Inkrafttreten des TVöD Unter dem Dach des öffentlichen Dienstes vereinen sich – neben der all- 1 gemeinen Verwaltung – so verschiedene Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie Krankenhäuser, Entsorgungsbetriebe und Flughäfen. Daneben unterhalten vor allem die Kommunen und die Länder Theater und Hochschulen. Dieser Bandbreite trugen von jeher besondere tarifliche Regelungen Rech- 2 nung. Für eine angemessene Differenzierung reichte die allgemeine – nunmehr überkommene – Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten nicht aus, die in verschiedenen Tarifverträgen verankert war – angefangen beim Bundesangestelltentarifvertrag vom 1.4.1969 für Angestellte des Bundes, der Länder und Kommunen (BAT) über den Manteltarifvertrag Arbeiter (MTArb) für die Arbeiter des Bundes und der Länder vom 6.12.1995 bis hin zum Bundesmanteltarifvertrag der Kommunen (BMT-G). So gab es von Beginn an neben den für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geltenden Mantelteilen besondere Eingruppierungsregelungen und andere Sonderregelungen, die sich in Anlagen zu den jeweiligen TarifVogel
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Teil 13 A Rz. 3
Hintergrund, Rechtsgrundlagen und Systematik
verträgen fanden. Die Tarifpartner wollten damit die Vielfalt der Aufgaben des öffentlichen Dienstes widerspiegeln1. 3
Neben der „horizontalen“ Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten gab es eine „vertikale“ Differenzierung, die sich in unterschiedlichen Sonderregelungen für Beschäftigte bei Bund, Ländern oder Kommunen niederschlug. 1. Sonderregelungen im BAT
4
Der für Angestellte geltende BAT ist wie folgt aufgebaut: – Mantelteil §§ 1–74 BAT – Anlagen 1a und 1b (Eingruppierungsregelungen) – Anlage 2a bis 2z (Sonderregelungen) – Anlage 3 (Prüfungs- und Ausbildungspflicht für die Kommunen) – Anlage 4 (Regelungen für die Teilnahme von Angestellten an militärischen Übungen)
5
Bereits vor Inkrafttreten des BAT waren die Vergütungsordnungen in Anlagen geregelt, die durch Eingruppierungstarifverträge ergänzt wurden2. Die Anlage 1a enthält für Beschäftigungsgruppen allgemeine und spezielle Tätigkeitsmerkmale. Neben den Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst enthält sie spezielle Eingruppierungstarifverträge für 30 besondere Beschäftigungsgruppen wie zB Technische Angestellte, Ärzte, Meister, Bezügerechner, Angestellte an Theatern und Bühnen, Angestellte im sozialen Erziehungsdienst, Musikschullehrer etc. Die Anlage 1b zum BAT, die sich in die Abschnitte A und B gliedert, enthält die Eingruppierungsregelungen für Angestellte im Pflegedienst, insbesondere in Krankenhäusern, Altenheimen und sonstigen Heimen. Diese Vergütungsordnungen sind Bestandteil der Tarifvorschriften, was sich sowohl aus der ausdrücklichen Bezugnahme in § 22 BAT als auch aus der Gestaltung des Katalogs im Einzelnen ergibt3.
6
Neben den Eingruppierungsregelungen, die sicherstellen sollen, dass Beschäftigte ihrer Tätigkeit entsprechend entlohnt werden, enthält der BAT in den Anlagen 2a bis 2z zahlreiche Sonderbestimmungen für 25 verschiedene Beschäftigungsgruppen. Mit Ausnahme der Sonderregelung 2y (SR 2y), die Befristungsregelungen für alle Zeitangestellten, Angestellten mit Aufgaben von begrenzter Dauer und für Aushilfsangestellte des öffentlichen Dienstes enthält, handelt es sich bei allen anderen Sonderregelungen in der Anlage 2 um spezifische Regelungen, die entweder an den aus-
1 Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, A Einführung Rz. 12. 2 Vgl. zur Entwicklung Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, VergO BL, Einführung Nr. 1.1. 3 Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, VergO BL, Einführung Nr. 6.1.
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I. Die Situation vor Inkrafttreten des TVöD
Rz. 10 Teil 13 A
geübten Beruf (zB als Arzt oder Lehrer) oder an die Einrichtung anknüpfen, in der die Tätigkeit erbracht wird (zB Flughafen- oder Entsorgungsbetrieb). 2. Sonderregelungen für Arbeiter am Beispiel MTArb Ähnlich wie der BAT regelt der für die Arbeiter des Bundes und der Länder 7 geltende MTArb berufsgruppenspezifische Besonderheiten nicht im Tarifvertrag selbst, sondern in Anlagen. Die Anlage 2a enthält die Sonderregelung für den Bund, Anlage 2b die für die Länder. Insgesamt bestehen für Bund und Länder jeweils elf tätigkeits- bzw. berufsgruppenspezifische Sonderregelungen. Bemerkenswert ist, dass es Sonderregelungen für einzelne Bundesländer gibt – zB SR 2I als Sonderregelung für Moorarbeiter in Niedersachsen. 3. Sonderentwicklungen an Bühnen, Hochschulen und für Chefärzte Neben den Sonderregelungen in den „klassischen“ Tarifverträgen des öf- 8 fentlichen Dienstes wie BAT, MTArb und BMTG hat sich für die Arbeitsverhältnisse von Künstlern an öffentlich-rechtlich verfassten oder beherrschten Bühnen ein eigenes Arbeitsrecht entwickelt. Nach § 3 Nr. 10 BAT sind dementsprechend künstlerisches Theaterpersonal, technisches Theaterpersonal mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit und Orchestermusiker vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen. Es besteht ein eigener Tarifvertrag, der die besonderen Bräuche an Bühnen berücksichtigt (s. Teil 13 G). Dagegen galt der BAT für sonstiges Theaterpersonal mit den ergänzenden Bestimmungen in der Sonderregelung 2k. Einige Berufsgruppen im öffentlichen Dienst werden von tarifvertraglichen 9 Regelungen ganz oder teilweise ausgenommen, insbesondere wissenschaftlich oder künstlerisch Beschäftigte an Hochschulen. Aufgrund der besonderen Aufgabe von Hochschulen, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, hat der Gesetzgeber in den §§ 57a ff. HRG1 spezielle Befristungsregelungen vorgesehen. Die gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten an Hochschulen2 sind in ein eigenes Wissenschaftszeitvertragsgesetz überführt und neu geregelt worden3. Für Chefärzte, für die normalerweise kein Tarifvertrag gilt, werden in der 10 Regel einzelvertragliche Abreden vor allem im Hinblick auf die Vergütung getroffen, um den Besonderheiten der Aufgabenstellung und des Verantwortungsbereichs Rechnung zu tragen.
1 Hochschulrahmengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.1.1999 (BGBl. I, 18), zuletzt geändert durch Gesetz v. 27.12.2004 (BGBl. I, 3835). 2 Vgl. zur jüngsten wechselhaften Geschichte der Befristungsregelungen Dörner, NZA 2007, 57 (59 ff.). 3 Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft v. 12.4.2007 BGBl. I, 506; zu den Regelungen des Gesetzentwurfes Kortstock, ZTR 2007, 2. Vogel
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Teil 13 A Rz. 11
Hintergrund, Rechtsgrundlagen und Systematik
II. Berufsgruppenspezifische Regelungen der neuen Tarifverträge im öffentlichen Dienst (TVöD, TV-L) 1. Neuregelung und Systematik der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes – die Tarifwende 2005/2006 11 Mit der Neuregelung des öffentlichen Tarifrechts verfolgten die Tarifparteien auch das Ziel, den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben flexiblere Strukturen für die Personalwirtschaft als bisher zur Verfügung zu stellen. Gerade angesichts des zunehmenden Wettbewerbsdrucks von privaten Anbietern – zB im Krankenhauswesen – wurden berufsgruppenspezifische Regelungen nicht nivelliert, sondern beibehalten oder sogar ausgebaut. Das Tarifrecht soll sowohl dem Bedarf der öffentlichen Verwaltung als auch dem Bedarf von Sparten wie zB Krankenhäusern, Sparkassen, Flughäfen oder Entsorgungsbetrieben ausreichend Rechnung tragen1. Dieses Ziel erreichten die Tarifparteien, indem sie spartenspezifische Regelungen vereinbarten. 12 Hervorstechendstes Merkmal des neuen Tarifrechts ist die Überwindung der horizontalen Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten; die tariflichen Regelungen gelten nunmehr unterschiedslos für alle Beschäftigten2. 13 Die vertikale Tarifzersplitterung konnte dagegen nicht überwunden werden, was ursprünglich Ziel der Tarifparteien war. Die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) scherte letztlich aus. Nunmehr herrscht Gleichlauf für die Beschäftigten beim Bund und in den Kommunen durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.9.2005, der wiederum Sonderregelungen für die Kommunen bzw. den Bund enthält. 14 Die TdL hat sich in den Tarifverhandlungen mit der vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der DBB Tarifunion am 19.5.2006 aber ebenfalls über die Einführung eines modernen Tarifrechts geeinigt und den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12.10.2006 abgeschlossen. 15 Zudem wurden für Bund, Länder und Kommunen Überleitungstarifverträge geschlossen, die in erster Linie den Übergang von ehemaligen tarifrechtlichen Besitzständen in die jeweils neuen Tarifverträge regeln. 2. Spartenbezogene Systematik des TVöD 16 Der TVöD gliedert sich in einen Allgemeinen Teil und sechs Besondere Teile. Es sind dies: – Besonderer Teil Verwaltung (BT-V): §§ 40–56 – Besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen (BT-B): §§ 40–55 1 Dassau/Langenbrinck, TVöD – Schnelleinstieg, A 1. 2 Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 1 Rz. 31.
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II. Berufsgruppenspezifische Regelungen der neuen TVe
Rz. 20 Teil 13 A
– Besonderer Teil Krankenhäuser (BT-K): §§ 40–58 – Besonderer Teil Entsorgung (BT-E): §§ 40–46 – Besonderer Teil Flughäfen (BT-F): §§ 40–44 – Besonderer Teil Sparkassen (BT-S): §§ 40–50 Während der Allgemeine Teil des TVöD der Grundbaustein für alle Be- 17 schäftigungsverhältnisse ist, enthalten die Besonderen Teile spezielle Regelungen für die fünf wichtigsten Sparten im öffentlichen Dienst. Sie werden daher auch als Spartentarifverträge bezeichnet. Bei den Besonderen Teilen handelt es sich wie beim TVöD – Allgemeiner Teil um eigenständige Tarifverträge, die jeweils einen eigenen Geltungs- und Anwendungsbereich haben, der auf den Geltungsbereich des TVöD-AT Bezug nimmt und diesen spartenspezifisch erweitert1. In den Spartentarifverträgen sind die typischen Besonderheiten insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsentgelt und Arbeitsformen geregelt.
Û
Hinweis: Zur besseren Übersicht und Lesbarkeit haben die Tarifver- 18 tragsparteien aus dem Allgemeinen Teil des TVöD und dem jeweiligen Besonderen Teil entsprechend durchgeschriebene Fassungen für die fünf Dienstleistungsbereiche erstellt. Die Tarifvertragsparteien haben festgehalten, dass der Allgemeine Teil und die Besonderen Teile rechtlich selbständige Tarifverträge bleiben und die durchgeschriebenen Fassungen ausschließlich Rechtsnormen für die Anwendungsebene im Außenverhältnis enthalten. Die durchgeschriebenen Fassungen werden wir folgt bezeichnet: Verwaltung: TVöD-V (§§ 1–39) Pflege- und Betreuungseinrichtungen: TVöD-B (§§ 1–39) Krankenhäuser: TVöD-K (§§ 1–39) Entsorgung: (TVöD-E (§§ 1–39) Flughäfen: TVöD-F (§§ 1- 39) Sparkassen: TVöD-S (§§ 1–39)
Für die Praxis ist davon auszugehen, dass die durchgeschriebenen Fassun- 19 gen auch zitiert werden. Die Besonderen Teile haben allerdings den Vorteil, dass sich aus ihnen unmittelbar die entsprechende Abweichung vom allgemeinen Teil des TVöD ergibt.
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Hinweis: Für die Ermittlung der einschlägigen Tarifbestimmungen sind folgende Prüfschritte einzuhalten: 1. Handelt es sich beim Arbeitgeber um den Bund oder um ein Mitglied eines kommunalen Arbeitgeberverbands? 2. Findet der Besondere Teil für Krankenhäuser, Pflege- und Betreuungseinrichtungen, Sparkassen, Flughäfen oder Entsorgung Anwendung?
1 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 173. Vogel
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Teil 13 A Rz. 21
Hintergrund, Rechtsgrundlagen und Systematik
Wenn nein: fi Findet sich eine Regelung im Besonderen Teil Verwaltung? Wenn nein: fi Anwendung der entsprechenden Regelung des Allgemeinen Teils. 21 Auch der Besondere Teil Verwaltung enthält berufsgruppenspezifische Sonderregelungen (vgl. dazu Teil 13 B). 3. Systematik des TV-L 22 Der für die Länder geltende TV-L enthält keine spartenbezogene Systematik. Er enthält ebensowenig Besondere Teile wie der TVöD. Sonderregelungen für bestimmte Beschäftigungsgruppen finden sich in den §§ 40–49 TV-L. 4. Überleitungstarifverträge a) Bund und VKA 23 Um den Übergang des bis zum 30.9.2005 bestehenden Tarifrechts auf den TVöD zu regeln, wurden für Bund und Kommunen separate Überleitungstarifverträge (TVÜ-Bund und TVÜ-VKA) geschlossen. Diese sollen den verlustlosen Einstieg in den TVöD und dessen Entgelttabelle durch rechtswahrende Zuordnung der bisherigen Vergütungs- und Lohngruppen zu den neuen Entgeltgruppen ermöglichen und für die Zeit ab Inkrafttreten des TVöD einen möglichst neutralen Einkommensverlauf sicherstellen1. Für die unter den Geltungsbereich des jeweiligen TVÜ fallenden Beschäftigten sind auch besitzstandswahrende berufsgruppenspezifische Klauseln enthalten, so in der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund bzw. § 24 TVÜ-VKA, der Sonderregelungen des BAT für Hausmeister aufrechterhält. Da die Überleitungstarifverträge einen besitzstandswahrenden Charakter haben, genießen ihre Regelungen Vorrang gegenüber dem TVöD – natürlich nur, sofern ihr Anwendungsbereich eröffnet ist. Die Geltungsbereiche von TVÜ und TVöD greifen ineinander. 24 Nach § 1 Abs. 1 TVÜ findet der Überleitungstarifvertrag unter folgenden Voraussetzungen Anwendung: – Geltung für Arbeiter und Angestellte; – Geltung für Arbeitsverhältnisse bei einem Arbeitgeber, der Mitglied eines kommunalen Arbeitgeberverbandes ist (TVÜ-VKA), oder für Arbeitsverhältnisse mit dem Bund (TVÜ-Bund); – das Arbeitsverhältnis muss über den 30.9.2005 hinaus ununterbrochen fortbestanden haben und – das Arbeitsverhältnis muss am 1.10.2005 unter den Geltungsbereich des TVöD fallen, der in § 1 TVöD geregelt ist.
1 Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Winter, TVöD, § 1 TVÜ-Bund Rz. 4.
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II. Berufsgruppenspezifische Regelungen der neuen TVe
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Rz. 28 Teil 13 A
Praxistipp: Bevor man die berufsgruppenspezifischen Regelungen des TVöD anwendet, ist zunächst zu prüfen, ob noch eine nach den Überleitungstarifverträgen aufrechterhaltene Sonderregelung aus dem BAT bzw. BMT-G gilt. Eine Prüfung sollte grundsätzlich bei allen bereits vor dem 30.9.2005 im öffentlichen Dienst Beschäftigten vorgenommen werden.
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b) Länder Den Übergang im Bereich der Länder in den TV-L vollzieht der Tarifvertrag 26 zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder vom 12.10.2006). Er regelt den Übergang des bis zum 31.10.2006 geltenden „alten“ Tarifrechts in das „neue“ Tarifrecht des TV-L, der am 1.11.2006 in Kraft trat. Nach § 1 Abs. 4 TVÜ-Länder gehen die abweichenden Bestimmungen des Überleitungstarifvertrages den Bestimmungen des TV-L vor. Nach § 1 Abs. 1 TVÜ-Länder gilt dieser für Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter,
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– deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der TdL oder eines Mitgliedsverbandes der TdL ist, über den 31.10.2006 hinaus fortbesteht und – die am 1.11.2006 unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen, für die Dauer des ununterbrochenen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses. §§ 23 und 25 TVÜ-Länder bestimmen in erster Linie, welche Sonderregelungen der bis 31.10.2006 geltenden Tarifverträge den neuen Sonderregelungen in §§ 40 bis 49 TV-L vorgehen.
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B. Verwaltung Rz. I. Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes – Besonderer Teil Verwaltung (TVöD-BT-V) . . . . . . . . . 1. Sonderregelungen für die Beschäftigten des Bundes . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . b) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zu Auslandsdienststellen des Bundes entsandte Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschäftigte im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung. . . . . . . . . cc) Beschäftigte des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen dd) Beschäftigte im forstlichen Außendienst . . . . . .
1 4 4 7 7 8 9
Rz. 2. Sonderregelungen für die Beschäftigten der Kommunen (VKA) . . . . . . a) Sonderregelungen für Beschäftigte der Feuerwehr. . . . . . . . . . . . b) Sonderregelungen für Beschäftigte im forstlichen Außendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderregelungen für Lehrkräfte aa) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten . . . . . . . . . . . . d) Sonderregelungen für Lehrkräfte an Musikschulen . . . . . . . . . . . . . aa) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . bb) Besonderheiten . . . . . . . . . . . .
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II. Sonderregelungen für die Beschäftigten der Länder (TV-L) . . . . . . . . . . 29
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Schrifttum: Uttlinger/Breier/Kiefer, Bundesangestellten-Tarifvertrag – BAT, Loseblatt; Rohlfing, Zum arbeitsrechtlichen Status von (Honorar-)Lehrkräften, NZA 1999, 1027.
I. Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes – Besonderer Teil Verwaltung (TVöD-BT-V) 1
Der TVöD-BT-V gilt gemäß § 40 für alle Beschäftigten, die unter § 1 TVöD fallen. Die anderen Spartentarifverträge gehen aufgrund des Spezialitätsprinzips vor. Der Besondere Teil Verwaltung des TVöD übt also eine Auffangfunktion aus. Er gilt für alle Beschäftigte, die gem. § 1 TVöD unter die Geltung des TVöD fallen, es sei denn, es gilt ein anderer Besonderer Teil. Die Systematik des TVöD entspricht damit der des Bürgerlichen Gesetzbuchs1.
2
Der TVöD-BT-V setzt wie die anderen Spartentarifverträge die Paragrafenzählung des Allgemeinen Teils fort. Der TVöD-BT-V beginnt mit Abschnitt VII, knüpft damit also an den TVöD-AT an. Der Abschnitt VII enthält allgemeine Vorschriften, die für Bund und Kommunen gleichermaßen gelten. Dagegen finden sich im Abschnitt VIII Sonderregelungen für Beschäftigte mit besonderen Aufgaben, getrennt nach Bund und VKA. Den Abschnitt VIII gibt es also in zwei Versionen.
1 Kuner, Der neue TVöD, Rz. 4.
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I. Besonderer Teil Verwaltung
Rz. 7
Teil 13 B
Schematischer Überblick
3 TVöD-AT §§ 1–39
TVöD-BT-V §§ 40–44
Sonderregelungen Bund §§ 45–49 TVöD-BT-V
Sonderregelungen Kommunen §§ 45–55 TVöD-BT-V
1. Sonderregelungen für die Beschäftigten des Bundes a) Anwendungsbereich Die Sonderregelungen Bund des TVöD-BT-V gelten für Beschäftigte
4
– die zu Auslandsdienststellen des Bundes entsandt sind, § 45 – des Bundesministeriums der Verteidigung, § 46 – des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, § 47 – im forstlichen Außendienst, § 48 Zu beachten ist, dass nach Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund umfangreiche, vom 5 TVöD abweichende Sonderregelungen für Beschäftigte, auf die der TVÜBund Anwendung findet, weiter gelten.
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Hinweis: Bei der rechtlichen Vertretung eines Arbeitnehmers, auf den 6 die Kriterien einer Sonderregelung zutreffen, muss daher zur Ermittlung der gültigen Rechtsgrundlage unbedingt der Anwendungsbereich der TVÜ beachtet werden, die im konkreten Fall möglicherweise Abweichendes regeln. Greift keine Übergangsregelung, so findet der TVöD unmittelbar Anwendung.
b) Überblick aa) Zu Auslandsdienststellen des Bundes entsandte Beschäftigte Die Regelungen in § 45 TVöD-BT-V für Beschäftigte in Auslandsdienststellen entsprechen im Wesentlichen der Sonderregelung 2d zum BAT1. Geregelt werden Abweichungen von den allgemeinen Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit und Vergütung, die aufgrund des Auslandeinsatzes nötig werden. Diese werden insbesondere durch zahlreiche Verweise auf beamtenrechtliche Regelungen umgesetzt. 1 Vgl. dazu Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, BAT, Erläuterung zu Anlage Sr 2d BAT. Vogel
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Teil 13 B
Rz. 8
Verwaltung
bb) Beschäftigte im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung 8
§ 46 TVöD-BT-V regelt für die Beschäftigten des Bundesministeriums der Verteidigung besondere Arbeitsbedingungen, vorrangig für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Für Schiffsbesatzungen sind ebenfalls spezifisch mit der Tätigkeit an Bord zusammenhängende Rechte und Pflichten, insbesondere zur ärztlichen Untersuchung bzw. zum Ruf- und Bereitschaftsdienst, sowie Erschwerniszuschläge geregelt. Auch für Ärzte und Zahnärzte in Bundeswehrkrankenhäusern sind Sonderregelungen zu beachten, wobei Sonderregelung Nr. 18 zu § 46 grundsätzlich die Anwendung des Spartentarifvertrages Krankenhäuser anordnet. cc) Beschäftigte des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
9
§ 47 TVöD-BT-V (Bund) enthält Sonderregelungen für Beschäftigte der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie für Besatzungen von Schiffen des Bundesamts für Seeschifffahrt. Zu beachten sind vor allem abweichende Arbeitszeitregelungen sowie Erschwerniszuschläge. dd) Beschäftigte im forstlichen Außendienst
10 Nach § 48 TVöD-BT-V gilt für Beschäftigte im forstlichen Außendienst ein Arbeitszeitkorridor von 48 Stunden. Als Überstunden gelten dabei nur Arbeitsstunden, die über diesen Arbeitszeitkorridor hinausgehen. Weitere Besonderheiten bestehen nicht. 2. Sonderregelungen für die Beschäftigten der Kommunen (VKA) a) Sonderregelungen für Beschäftigte der Feuerwehr 11 § 46 TVöD-BT-V enthält eine Sonderregelung für bei der kommunalen Berufsfeuerwehr beschäftigte Arbeitnehmer. Deren Arbeitszeit richtet sich nach den entsprechenden für Beamte geltenden Bestimmungen. Zudem ist eine Feuerwehrzulage für Beschäftigte im Einsatzdienst geregelt (beachte: hier gibt es eine Übergangsregelung in § 25 TVÜ-VKA). Bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist zu beachten, dass Beschäftigte im Einsatzdienst auf schriftliches Verlangen bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres zu dem Zeitpunkt in Ruhestand treten können, der für vergleichbare Beamte im Einsatzdienst gilt. Beschäftigte, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, haben einen Anspruch auf Übergangsversorgung. Zu beachten ist auch, dass abweichend vom Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ vom 5.5.1998) einem Antrag von Beschäftigten im Einsatzdienst auf Altersteilzeitarbeit auch schon vor der Vollendung des 60. Lebensjahres entsprochen werden soll.
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b) Sonderregelungen für Beschäftigte im forstlichen Außendienst Für Beschäftigte im kommunalen forstlichen Außendienst gelten inhaltlich dieselben Bestimmungen wie für die Bundesbeschäftigten (vgl. § 48 TVöD-BT-V).
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c) Sonderregelungen für Lehrkräfte aa) Geltungsbereich Auch für Lehrer gelten nach § 51 TVöD-BT-V VKA Sonderregelungen. Der Geltungsbereich entspricht im Wortlaut der Sonderregelung 2l BAT und umfasst Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).
13
Unter „allgemeinbildenden Schulen“ sind Schulen im Sinne des Schulrechts der Länder zu verstehen, die eine Allgemeinbildung vermitteln und daher außerhalb der eigentlichen Berufsausbildung stehen (Grund-, Haupt-, Real-, Gesamt-, Sonderschulen und Gymnasien). Unter berufsbildenden Schulen werden Schulen verstanden, die der beruflichen Grundausbildung oder Weiterbildung dienen (Berufsschulen, Berufsfachschulen, Fachschulen und andere berufsbildende Anstalten). Volkshochschulen gelten nicht als allgemeinbildende oder berufsbildende Schule iSv. § 51 TVöD-BT-V.
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Ausgenommen sind Lehrkräfte an Schulen und Einrichtungen der Verwal- 15 tung, die der Ausbildung oder Fortbildung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes dienen, sowie Kräfte an Krankenpflegeschulen und anderen der Ausbildung dienenden Einrichtungen. Neben den angestellten Lehrkräften gibt es vorwiegend Lehrer im Beamtenverhältnis. Von den Sonderregelungen werden nur Beschäftigte im Angestelltenverhältnis erfasst.
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Von angestellten Lehrern sind freie Mitarbeiter abzugrenzen. Das Bundesarbeitsgericht hat folgende Kriterien für die Einordnung als angestellter Lehrer oder freier Mitarbeiter entwickelt:
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– Wie ist die betroffene Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden? – In welchem Umfang kann sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten? – Inwieweit kann sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden1? Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen sind in der Regel Arbeitnehmer, 18 selbst wenn sie ihren Beruf nur nebenberuflich ausüben. Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, können auch als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Dabei ist unerheblich, ob es sich bei ihrem Unterricht um aufeinander abgestimmte Kurse mit vorher fest-
1 BAG v. 9.3.2005 – 5 AZR 493/04, AP Nr. 167 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten. Vogel
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gelegtem Programm handelt1. Nach Ansicht des BAG liegt auch bei einer Lehrtätigkeit, die nicht durch das Ziel der Vermittlung eines förmlichen schulischen Abschlusses geprägt ist, der Vergleich mit Lehrkräften an einer Volkshochschule außerhalb schulischer Lehrgänge nahe2. bb) Besonderheiten 19 Für die Arbeitszeit von angestellten Lehrkräften finden die §§ 6–10 TVöD keine Anwendung. Es gelten die entsprechenden Regelungen für vergleichbare Beamte. 20 Auch für Teilzeitbeschäftigte gelten damit arbeitszeitrechtlich die beamtenrechtlichen Vorschriften. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings die beamtenrechtlichen Vorschriften in der konkreten Anwendung auf Teilzeitarbeitsverhältnisse an dem Benachteiligungsgebot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG bemessen. So hat es die in Nr. 3 der Sonderregelung 2l Abs. 1 BAT enthaltene Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG als unwirksam erachtet, weil sonst teilzeitbeschäftigte angestellte Lehrer durch den Ausschluss von § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 BAT im Verhältnis zu ihren vollzeitbeschäftigten Kollegen vergütungsrechtlich schlechter gestellt worden wären3. 21 Nach § 51 Nr. 3 TVöD-BT-V ist der Urlaub in den Schulferien zu nehmen. § 51 Nr. 4 VTöD-BT-V bestimmt als Besonderheit bei der Altersgrenzenregelung, dass abweichend von § 33 TVöD-AT das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des Monats, an dem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Ereichen der Regelaltersrente vollendet hat, sondern das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des darauf folgenden Schulhalbjahres. 22 Da die Arbeitsverhältnisse mit Lehrkräften vielfach befristet werden, hat die Rechtsprechung zur Befristungskontrolle für die befristeten Arbeitsverhältnisse von Lehrkräften besondere Bedeutung. Für die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG finden die Einschränkungen von § 30 Abs. 3 ff. TVöD-AT Anwendung. Als Sachgrund für die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Lehrkräften (§ 14 Abs. 1 TzBfG) spielen die Befristung aufgrund befristeter Haushaltsmittel (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG) oder die Befristung zur Vertretung (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG eine besondere Rolle (vgl. im Einzelnen zu den Befristungsgründen Teil 6). Im Hinblick auf den Sachgrund der Vertretung hat die Rechtsprechung bereits in den 80er Jahren für den Schulsektor den so genannten Gesamtvertretungsbedarf anerkannt4. Zur Rechtfertigung einer Befristung ist es danach nicht notwendig, dass die befristet eingestellte Aushilfskraft einer bestimmten beurlaubten oder erkrankten Lehrkraft so zugeordnet wird, dass sie diese in ihren Auf1 BAG v. 9.3.2005 – 5 AZR 493/04, AP Nr. 167 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten (II 1b der Gründe). 2 BAG v. 9.7.2003 – 5 AZR 595/02, AP Nr. 158 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten (II 2 der Gründe). 3 BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, AP Nr. 159 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten. 4 APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 342.
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gabengebieten in ihrer Schule vertritt. Es reicht aus, wenn in einem Schuljahr aufgrund der zu erwartenden Schülerzahlen im Bezirk einer Schulverwaltungsbehörde ein Unterrichtsbedarf besteht, der mit den vorhandenen planmäßigen Lehrkräften deshalb nicht voll abgedeckt werden kann, weil ein Teil dieser planmäßigen Lehrkräfte aufgrund einer feststehenden Beurlaubung für Unterrichtstätigkeiten vorübergehend ausfällt1. Wird der Gesamtvertretungsbedarf schultypenübergreifend ermittelt, so kann die Befristung der Arbeitsverträge mit den Vertretungskräften nur dann gerechtfertigt werden, wenn die zuständige Verwaltungseinheit die planmäßigen Lehrkräfte auch ungeachtet ihrer Lehrbefähigung und ihres jeweiligen Status zur Abdeckung vorübergehender Bedarfslagen an allen Schulen einsetzen kann2. d) Sonderregelungen für Lehrkräfte an Musikschulen aa) Geltungsbereich Auch für Beschäftigte als Lehrkräfte an Musikschulen enthält der TVöD- 23 BT-V in § 52 Sonderregelungen. Diese greifen dann, wenn der betreffende Musiklehrer in einem Arbeitsverhältnis steht. Ob eine Lehrkraft freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer ist, wird danach entschieden, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist und in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise seiner Erteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestalten kann3. Lehrkräfte an Musikschulen werden dabei den außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichtenden Volkshochschuldozenten gleichgestellt. Unter Musikschulen werden Bildungseinrichtungen verstanden, die die 24 Aufgabe haben, ihre Schüler an die Musik heranzuführen, ihre Begabungen frühzeitig zu erkennen, sie individuell zu fördern und ihnen bei entsprechender Begabung gegebenenfalls eine studienvorbereitende Ausbildung zu erteilen. Nicht erforderlich ist, dass Musikschulen eine studienvorbereitende Ausbildung anbieten oder aufrechterhalten. Dies ergibt sich aus der Formulierung „gegebenenfalls“4. bb) Besonderheiten § 52 Nr. 2 TVöD-BT-V definiert abweichend zu § 6 TVöD die regelmäßige Arbeitszeit von Lehrkräften an Musikschulen. Die Arbeitszeit bemisst sich danach grundsätzlich nach den erteilten Unterrichtsstunden. Vollbeschäftigt ist eine Lehrkraft dann, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Wochenarbeitszeit 30 Unterrichtsstunden zu je 1 BAG v. 3.12.1986 – 7 AZR 354/85, AP Nr. 110 zu BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag. 2 BAG v. 20.1.1999 – 7 AZR 640/97, AP Nr. 138 zu BGB § 611 Lehrer, Dozenten. 3 BAG v. 24.6.1992 – 5 AZR 384/91, AP Nr. 61 zu § 611 Abhängigkeit; Rohlfing, NZA 1999, 1027 (1029). 4 Vgl. zur im Wortlaut identischen Regelung in Sr 2l II. Uttlinger/Breier/Kiefer/ Hoffmann/Dassau, BAT, Sr 2l II. Erl. 1. Vogel
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45 Minuten (= 1350 Unterrichtsminuten) beträgt. Bei kürzeren Unterrichtsstunden erhöht sich deren Anzahl entsprechend. Der Tarifvertrag bestimmt nicht, in welchem zeitlichen Umfang die Lehrkraft neben dem Unterricht für die Musikschule tätig sein muss. Vielmehr gehen die Tarifparteien davon aus, dass mit der Ermittlung der durchschnittlichen wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl eine Pauschalregelung getroffen wurde, die auch andere Aufgaben als den reinen Unterricht mit umfasst. Diese Aufgaben sind in einer Protokollerklärung aufgeführt. Dazu gehören insbesondere die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, die Abhaltung von Sprechstunden und Teilnahme an Schulkonferenzen und Elternabenden, die Mitwirkung an Veranstaltungen der Musikschule sowie die Teilnahme an Musikschulfreizeiten an Wochenenden und in den Ferien etc. Einzelvertraglich kann vereinbart werden, dass neben den in der Protokollnotiz vom Arbeitszeitdeputat umfassten Aufgaben auch andere Aufgaben wahrgenommen werden können. Ein entsprechender Zeitausgleich kann in einer Vereinbarung durch Reduzierung der Unterrichtszeiten getroffen werden. Solche Nebenabreden sind mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende auch kündbar. 26 § 52 Nr. 2 Abs. 2 TVöD-BT-V regelt, dass einzelvertraglich günstigere Arbeitszeitregelungen von Beschäftigten, die seit dem 28.2.1987 ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis stehen, nicht durch die tarifvertraglichen Regelungen berührt werden. 27 § 52 Nr. 3 TVöD-BT-V enthält zudem eine vom allgemeinen Teil abweichende Urlaubsregelung. Lehrkräfte an Musikschulen müssen ihren Urlaub während der unterrichtsfreien Zeit nehmen und können außerhalb des Urlaubs während der unterrichtsfreien Zeit auch zur Arbeit herangezogen werden. 28 Musikschullehrer haben auch keinen Anspruch auf Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach dem SGB IX während der Unterrichtszeit. Der Arbeitgeber kann den Zusatzurlaub in der unterrichtsfreien Zeit gewähren1.
II. Sonderregelungen für die Beschäftigten der Länder (TV-L) 29 Die §§ 40 bis 49 TV-L enthalten für Beschäftigte der Länder berufsgruppenspezifische Sonderregelungen. Diese betreffen – Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen (§ 40) (s. dazu Teil 13 E) – Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (§ 41) (s. dazu Teil 13 F) – Ärztinnen und Ärzte außerhalb von Universitätskliniken (§ 42) (s. dazu Teil 13 F)
1 BAG v. 13.2.1996 – 9 AZR 79/95, AP Nr. 12 zu § 47 Schwerbehindertengesetz 1986.
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II. Sonderregelungen für die Beschäftigten der Länder (TV-L)
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– nicht ärztliche Beschäftigte in Universitätskliniken und Krankenhäusern (§ 43) (s. dazu Teil 13 F) – Beschäftigte als Lehrkräfte (§ 44) – Beschäftigte an Theatern und Bühnen (§ 45) (s. dazu Teil 13 G) – Beschäftigte auf Schiffen und schwimmenden Geräten (§ 46) – Beschäftigte im Justizvollzugsdienst der Länder und im feuerwehrtechnischen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg (§ 47) – Sonderregelungen für Beschäftigte im forstlichen Außendienst (§ 48) – Beschäftigte in landwirtschaftlichen Verwaltungen und Betrieben, Weinbau- und Obstanbaubetrieben (§ 49).
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C. Entsorgungsbetriebe und Flughäfen
I. Regelung für Beschäftigte von Entsorgungsbetrieben (TVöD-BT-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungs- und Geltungsbereich 2. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Regelungen für Beschäftigte der Verkehrsflughäfen . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Regelungs- und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
I. Regelung für Beschäftigte von Entsorgungsbetrieben (TVöD-BT-E) 1. Regelungs- und Geltungsbereich 1
Für Entsorgungsbetriebe haben die Tarifvertragsparteien einen Spartentarifvertrag beschlossen, der den spezifischen Besonderheiten und Herausforderungen der Branche Rechnung tragen soll. Da die Entsorgungsleistungen ausgeschrieben werden, besteht enormer Konkurrenzdruck durch private Anbieter, die sich regelmäßig durch ein erheblich geringeres Tarifniveau auszeichnen1. § 40 Abs. 1 TVöD-BT-E regelt den Geltungsbereich des Tarifvertrags. Dieser gilt für alle Beschäftigten des Bundes und der Kommunen, die in einem Entsorgungsbetrieb arbeiten. Dabei ist es gleichgültig, in welcher Rechtsform der Entsorgungsbetrieb geführt wird. Damit erstreckt sich die Tarifbindung auf städtische Regie- und Eigenbetriebe ebenso wie auf privatrechtlich organisierte Arbeitgeber, die Mitglied eines kommunalen Arbeitgeberverbandes sind. 2. Besonderheiten
2
§ 41 TVöD-BT-E regelt, dass die tägliche Rahmenzeit auf bis zu zwölf Stunden in der Zeitspanne von 6 bis 22 Uhr verlängert werden kann. Es wird damit von § 6 Abs. 7 TVöD abgewichen, nach dem nur durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung eine tägliche Rahmenarbeitszeit von bis zu zwölf Stunden in der Zeit von 6 bis 20 Uhr eingeführt werden kann. Der Arbeitgeber eines Entsorgungsbetriebes muss dem Wortlauf nach gerade keine Betriebsoder Dienstvereinbarung abschließen. Mit dieser Regelung der zeitlichen Ausweitung auf bis zu 22 Uhr wird dem hohen Flexibilisierungsbedarf bei der Gestaltung der Entsorgungsabläufe Rechnung getragen.
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Hinweis: Die tägliche Höchstarbeitszeit und die höchstmögliche Wochenarbeitszeit werden durch § 3 ArbZG vorgegeben. Der Begriff der Rahmenzeit ist daher nicht zu verwechseln mit der persönlich zu leistenden Arbeitszeit der Beschäftigten. Die Rahmenzeit ermöglicht lediglich eine Anpassung der tatsächlich vorhandenen Arbeitszeit an den jeweiligen Bedarf der Arbeitsaufgabe2.
1 Dassau/Langenbrinck, Schnelleinstieg – TVöD, N 5. 2 Vgl. Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 6 Rz. 80.
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I. Regelung für Beschäftigte von Entsorgungsbetrieben
Rz. 8 Teil 13 C
§ 42 TVöD-BT-E enthält eine Öffnungsregelung für befristete Arbeitsver- 4 träge. § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG regelt, dass die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung abweichend vom in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gelegten Zeitraum von zwei Jahren in einem Tarifvertrag festgelegt werden darf. § 42 Abs. 1 TVöD-BT-E erlaubt den Entsorgungsbetrieben eine sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von vier Jahren. Während dieser Dauer kann der befristete Arbeitsvertrag höchstens dreimal verlängert werden. Diese Erweiterung der Befristungsmöglichkeiten ist nach § 42 Abs. 2 bis 4 TVöDBT-E allerdings nur mit vorheriger Zustimmung des Personal- bzw. Betriebsrats zulässig. Zudem darf ein Arbeitgeber von dieser Möglichkeit dann nicht Gebrauch machen, wenn bereits mehr als 40 % der Arbeitnehmer in sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind. Nach § 42 Abs. 4 TVöD-BT-E ist bei Inanspruchnahme der erweiterten Befristungsmöglichkeiten auch die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern nicht zulässig, wobei mit der Zustimmung des Personalrats in begründeten Einzelfällen davon wieder abgewichen werden darf. § 42 Abs. 5 TVöD-BT-E gibt Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis länger als zwei Jahre sachgrundlos befristetet war, einen Anspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, sofern im Falle des Ausscheidens für den betreffenden Funktionsbereich ein befristetes Arbeitsverhältnis mit anderen Beschäftigten begründet würde.
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Die Tarifvertragsparteien haben in § 43 TVöD-BT-E umfassende Regelungen zum betrieblichen Arbeitsschutz getroffen. So ist der Arbeitgeber tariflich verpflichtet, die Beschäftigten mindestens jährlich über die zu beachtenden Gesetze und Verordnungen sowie Unfallverhütungsvorschriften zu unterrichten. Aufgrund der regelmäßig hohen Anzahl an ausländischen Beschäftigten verpflichtet der Tarifvertrag den Arbeitgeber, diese in einer für sie verständlichen Sprache zu unterweisen.
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Vergütungsrechtlich ist für das Entsorgungsgewerbe § 15 Abs. 3 TVöD zu 7 beachten. Danach kann im Rahmen von landesbezirklichen Regelungen in den Entgeltgruppen 1 bis 4 von der tariflichen Vergütung abgewichen werden. So kann zB die Zahl der Entgeltgruppen verringert oder die Zahl der Stufen verändert oder nur eine Stufe vereinbart werden. Solche abweichenden Vereinbarungen sind als Instrument der Gegensteuerung vorgesehen in von Outsourcing oder Privatisierung bedrohten Bereichen, zu denen die Entsorgungswirtschaft gehört1. Nach § 44 TVöD-BT-E kann den Beschäftigten eine Erfolgsbeteiligung eingeräumt werden, wenn sie eine Mehrleistung erbringen. Sie müssen Qualität und Menge der erbrachten Mehrleistung nachweisen. Die Erfolgsbeteiligung ist nicht zusatzversorgungspflichtig und wird in einem betrieblich zu vereinbarenden System, also vorrangig in einer Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung, festgelegt. Einen besonderen Rang räumen die Tarifvertragsparteien der Qualifizierung ein. Es handelt sich aber eher um Programmsätze als um rechtsverbindliche Ansprüche. Ein Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen gibt 1 Dassau/Wiesend-Rothbrust, TVöD, § 15 Rz. 12. Vogel
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Teil 13 C Rz. 9
Entsorgungsbetriebe und Flughäfen
der Tarifvertrag nicht. Beschäftigte können lediglich ein regelmäßiges Gespräch mit der jeweiligen Führungskraft verlangen, in dem festgestellt werden soll, ob und welcher Qualifizierungsbedarf besteht.
II. Regelungen für Beschäftigte der Verkehrsflughäfen 1. Regelungs- und Anwendungsbereich 9
Nach § 40 TVöD besonderer Teil Flughäfen (TVöD-BT-F) gilt der Tarifvertrag für alle Beschäftigten der Verkehrsflughäfen, insbesondere im Bereich der Bodenverkehrsdienstleistungen. Kleine Sportflughäfen werden nicht vom TVöD-F erfasst. 2. Besonderheiten
10 Die Tarifvertragsparteien haben eine landesbezirkliche Öffnungsklausel in § 41 TVöD-BT-F für Wechselschichtarbeit vorgesehen, nach der abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 2 TVöD vereinbart werden kann, dass die gesetzlichen Pausen bei Wechselschichtarbeit nicht in die Arbeitszeit einzurechnen sind. Nur die landesbezirklichen Tarifpartner können zudem abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD vereinbaren, dass Wechselschichtarbeit erst dann vorliegt, wenn der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird. 11 § 42 TVöD-BT-F enthält Sonderregelungen für Beschäftigte im Rampendienst. Der Rampendienst umfasst die Tätigkeiten, die auch durch den Begriff des Bodenverkehrsdienstes oder des Bodenabfertigungsdienstes abgedeckt werden. Es handelt sich insbesondere um Tätigkeiten zur Abfertigung der Flugzeuge, also insbesondere Beladen, Entladen bzw. Betanken etc.1. Diese erhalten für je sechs Arbeitstage einen freien Arbeitstag. § 42 Abs. 2 TVöD-BT-F regelt, was als freier Tag gilt und wie dieser gewährt werden muss. 12 Abweichend von § 8 Abs. 1 TVöD ist für Rampendienstbeschäftigte ein Zeitzuschlag von pauschal 12 % des auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der Stufe drei der jeweiligen Entgeltgruppe vorgegeben. 13 § 43 TVöD-BT-F enthält für das Feuerwehr- und Sanitätspersonal eine Öffnungsklausel, wonach das monatliche Entgelt landesbezirklich oder sogar betrieblich geregelt werden kann. Aufgrund des Wortlautes wird man davon ausgehen müssen, dass hier eine landesbezirkliche tarifvertragliche Regelung einer betrieblichen Regelung ausnahmsweise nicht vorgehen muss. Unklar bleibt, wie weit diese Öffnungsklausel zu verstehen ist.
1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 7.1 TVöD-F Rz. 1.
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II. Regelungen für Beschäftigte der Verkehrsflughäfen
Rz. 14 Teil 13 C
Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dürfen zwar Arbeitsentgelte, die üblicher- 14 weise durch Tarifvertrag geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG können aber Tarifverträge ergänzende Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulassen. Als betriebliche Regelung iSv. § 43 Abs. 1 TVöD-BT-F kommen an sich nur Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen in Betracht.
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D. Sparkassen* Rz. I. Rechtsgrundlagen/Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen vom Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze für leistungsund erfolgsorientierte variable Entgelte, §§ 41 BT-S/ 18.1 TVöD-S . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dienstvereinbarungen zur Gewährleistung der Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . bb) Gemeinsamer Ausschuss . b) Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . aa) Zielvereinbarungen . . . . . . bb) Parteien der Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhalte der Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 3 6 7 9 10
12 15 18 24 24 26
Rz. dd) Anpassung der Zielvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zielerreichung . . . . . . . . . . . . c) Sparkassensonderzahlung . . . . . . aa) Voraussetzung der SSZ . . . . . bb) Garantieanteil . . . . . . . . . . . . cc) Variabler Anteil . . . . . . . . . . . dd) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusatzversorgungspflicht . . . ff) Bestehende betriebliche Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Systematische Leistungsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vermögenswirksame Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sondervereinbarungen mit Beschäftigten der Entgeltgruppe 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Entgelt für Auszubildende . . . . . . 2. Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 35 38 41 44 45 53 54 55 56 61 63 64 65
III. Bankgeheimnis/Schweigepflicht. . . 74
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I. Rechtsgrundlagen/Geltungsbereich 1
Für die Beschäftigten der Sparkassen wurden im TVöD eigene Regelungen getroffen, um die Besonderheiten dieser Arbeitsverhältnisse entsprechend zu berücksichtigten. Der TVöD – Besonderer Teil Sparkassen (BT-S) bildet im Zusammenhang mit dem allgemeinen Teil des TVöD den Tarifvertrag für die Sparte Sparkassen (TV-S). Die Regelungen des BT-S gehen dabei den Regelungen des Besonderen Teils des TVöD vor. Der TV-S ist somit wie folgt zu lesen: 1. TVöD Allgemeiner Teil, §§ 1 bis 39 2. BT-S, Besonderer Teil für die Sparkassenarbeitsverhältnisse, §§ 40 bis 50
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Die beiden Teile sind als einheitlicher Tarifvertrag für die Sparte Sparkassen anzusehen. Zur besseren Übersicht und Lesbarkeit haben die Tarifvertragsparteien aus dem TVöD-AT und dem BT-S eine durchgeschriebene Fassung erstellt, den TVöD-S. Hier wird der BT-S direkt in die Regelungen des TVöD-AT an passender Stelle integriert.
* Unter Mitarbeit von Marion Strolka, Rechtsanwältin, Lörach.
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Vogel/Strolka
I. Rechtsgrundlagen/Geltungsbereich
Rz. 8
Teil 13 D
1. Geltungsbereich a) Arbeitgeber Der TV-S gilt für alle Sparkassenangestellten, deren Arbeitgeber (Sparkasse) 3 Mitglied in einem Mitgliedsverband der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (dh. eines Kommunalen Arbeitgeberverbandes, KAV) ist, § 1 TVöD-S. Zwischen den Arbeitsvertragsparteien kann die Geltung des TVöD-S vereinbart werden, so zB wenn eine Sparkasse nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist. Als Arbeitgeber gelten alle Sparkassen als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Hierunter fallen sowohl Sparkasseneinrichtungen mit unselbständigen Töchtern sowie auch verselbständigte Tochterunternehmen, soweit diese Mitglied im KAV sind1.
Û
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Hinweis: Eine Ausnahme besteht allerdings für Bayern. Hier sind nicht 5 die Sparkassen selbst Arbeitgeber, sondern ihre Gewährsträger, zB die Landkreise2. Diese wären im Falle eines Prozesses auch Beklagte.
b) Arbeitnehmer Unter Sparkassenangestellten sind sämtliche Arbeitnehmer zu verstehen, die bei einer Sparkasse angestellt sind. Der TVöD-S gilt dabei sowohl für Arbeitnehmer im Kunden- und Schalterdienst, für Außendienstmitarbeiter und Mitarbeiter der Verwaltung als auch für Pförtner und Reinigungskräfte3. Der Tarifvertrag gilt jedoch nur dann unmittelbar und zwingend, wenn diese Beschäftigten ebenfalls tarifgebunden, dh im konkreten Fall Mitglied einer vertragschließenden Gewerkschaft sind. Für die nicht tarifgebundenen Beschäftigten kann die Geltung des Tarifvertrags einzelvertraglich vereinbart werden. Der TVöD-S entfaltet seine Wirkung dann nicht unmittelbar und zwingend, sondern durch die Bezugnahme im Arbeitsvertrag.
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2. Ausnahmen vom Geltungsbereich Die Regelungen des TV-S gelten nicht für Beschäftigte, die leitende Ange- 7 stellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG sind, wenn ihre Arbeitsbedingungen einzelvertraglich vereinbart sind, sowie für Beschäftigte, die ein über das Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 15 hinausgehendes regelmäßiges Gehalt bekommen. Bei der Ermittlung des regelmäßigen Entgelts werden Leistungsentgelt, Zulagen und Zuschläge nicht berücksichtigt4. Des Weiteren sind Auszubildende, Volontäre und Praktikanten aus- 8 geschlossen, ebenso Beschäftigte, für die Eingliederungszuschüsse nach den §§ 217 ff. SGB III gewährt werden; auch Beschäftigte, die Arbeiten nach 1 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 1 TVöD-S Rz. 8. 2 Vgl. BAG v. 29.8.1979 – 4 AZR 840/77, AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT-Sparkassenangestellte. 3 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 1 TVöD-S Rz. 14. 4 Vgl. Niederschriftserklärung zu § 1 Abs. 2 Buchst. b TVöD-S. Vogel/Strolka
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Teil 13 D
Rz. 9
Sparkassen
den §§ 260 ff. SGB III verrichten, Leiharbeitnehmer von Personalserviceagenturen und geringfügig Beschäftigte sind vom Geltungsbereich ausgenommen.
II. Besonderheiten 9
Der TVöD-S enthält für die Sparkassenangestellten spezifische Besonderheiten, so die Einführung eines flexiblen und leistungsorientierten Vergütungssystems sowie eine besondere Ausgestaltung der Schweigepflicht im Hinblick auf das Bankgeheimnis. Im Bereich des Vergütungssystems bleibt im Übrigen ein Spielraum für die Betriebsparteien, die über Dienstvereinbarungen das System der leistungsorientierten Vergütung näher – und somit betriebsspezifischer – ausgestalten können. 1. Vergütung
10 Die §§ 41 bis 45 BT-S, die den §§ 18.1 bis 18.4, § 1 Abs. 4 TVöD-S entsprechen, betreffen die besonderen Vergütungsregelungen der Sparkassenangestellten. 11 Der TVöD-S eröffnet die Möglichkeit eines leistungsbezogenen Entgelts. Die §§ 41 bis 44 BT-S/§§ 18.1 bis 18.4 TVöD-S ersetzen spartenspezifisch für den Bereich der Sparkassen die allgemeinen Tarifregelungen zum Leistungsentgelt in §§ 18 ff. TVöD-AT, die für den Bereich der Sparkassen nicht gelten1. Es handelt sich um Spezialregelungen, die dem allgemeinen Teil des TVöD vorgehen. Während § 41 BT-S/§ 18.1 TVöD-S den Rahmen und die Durchführung dieses Systems regelt, erfolgt die genaue Festlegung in §§ 42 und 43 BT-S/§§ 18.2 bis 18.4 TVöD-S. Schlussendlich schließen die Sparkassensonderzahlungen, geregelt in § 44 BT-S/§ 18.4 TVöD-S, die Grundsätze für leistungs- und erfolgsorientierte variable Entgelte ab. a) Grundsätze für leistungs- und erfolgsorientierte variable Entgelte, §§ 41 BT-S/18.1 TVöD-S 12 Durch einvernehmliche Dienstvereinbarung können individuelle sowie teambezogene leistungs- und erfolgsorientierte Prämien oder Zulagen als betriebliche Systeme eingeführt werden. Als Bemessungsmethoden gelten die in § 42 BT-S/§ 18.2 TVöD-S beschriebene Zielvereinbarung und die systematische Leistungsbewertung, § 43 BT-S/§ 18.3 TVöD-S. Die Dienstvereinbarungen diesbezüglich sind befristet und unter Ausschluss der Nachwirkung zu treffen. 13 Die Intention des leistungs- und erfolgsorientierten variablen Entgelts ist im Sparkassenbereich nicht anders als in sonstigen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Die Motivation und Eigenverantwortung der Mitarbeiter soll gestärkt werden, des Weiteren dienen solche Entgeltformen der Effek1 Vgl. Protokollerklärung Nr. 4 zu § 18 TVöD-AT.
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II. Besonderheiten
Rz. 18
Teil 13 D
tivität und Effizienz der Organisation. Durch die Gewährung variabler Entgelte können zB Dienstleistungen der Sparkassen verbessert und die Kundenfreundlichkeit gesteigert werden1. Bei der Entwicklung, Einführung und der Kontrolle der betrieblichen Syste- 14 me wirkt außerdem ein Gemeinsamer Ausschuss mit, dessen Mitglieder je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Personalrat aus dem Betrieb benannt werden. Der Ausschuss ist damit paritätisch besetzt. Es soll gewährleistet werden, dass die entwickelten Ziele tatsächlich erreichbar sind und als „Motivation“ für die Mitarbeiter gelten können. aa) Dienstvereinbarungen zur Gewährleistung der Mitbestimmung Gemäß § 41 BT-S/§ 18.1 TVöD-S können Dienstvereinbarungen zur Ge- 15 staltung der leistungs- und erfolgsorientierten variablen Entgelte eingeführt werden. Aus dem Begriff „Vereinbarung“ folgt, dass hier eine einvernehmliche Regelung erfolgen muss. Entsprechend § 38 Abs. 3 TVöD-AT liegt eine einvernehmliche Dienstvereinbarung nur ohne Entscheidung der Einigungsstelle vor. Konnte eine Einigung daher nicht bereits durch die Betriebsparteien herbeigeführt werden, so kann diese auch nicht durch die Einigungsstelle ersetzt werden. Die Tarifvertragsparteien haben keine detaillierte Vorgaben zur Ausgestal- 16 tung der Dienstvereinbarungen getroffen, sondern lediglich Rahmenpunkte vereinbart. Je nach betrieblichen Anforderungen kann die Dienstvereinbarung dann im Rahmen dieser Grundsätze betriebsspezifisch ausgestaltet werden. So können in einer Sparkasse zB auch ohne weiteres einzelne Abteilungen ganz unterschiedliche Zielvereinbarungs- und Leistungsentgeltregelungen erarbeiten2. Dienstvereinbarungen sind gemäß § 41 Abs. 1 BT-S/§ 18.1 Abs. 1 TVöD-S zu befristen und unter Ausschluss der Nachwirkung zu treffen. Dies berücksichtigt, dass sich nach einer gewissen Zeit Änderungen oder Neuentwicklungen ergeben können, die Änderungen der bisherigen oder die Vereinbarung neuer Ziele erfordern. Die Variabilität des Entgelts und die Leistungsdifferenzierung behalten somit ihre Effektivität. Bei Dienstvereinbarungen mit längeren Laufzeiten könnte außerdem, um dieses System zu gewährleisten, eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit vereinbart werden.
17
bb) Gemeinsamer Ausschuss Der Gemeinsame Ausschuss hat die Aufgabe und Kompetenz, für das Funktionieren des variablen Entgeltsystems zu sorgen. Er wirkt mit bei der Entwicklung, Einführung und dem Controlling der betrieblichen Systeme bzgl. der Kriterien und Verfahren, einschließlich Weiterentwicklung und Plausibilitätsprüfung, § 41 Abs. 1 BT-S/18.1 Abs. 2 TVöD-S. 1 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.1 TVöD-S, Erl. 1, Rz. 411. 2 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.1 TVöD-S Rz. 15. Vogel/Strolka
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18
Teil 13 D
Rz. 19
Sparkassen
19 Der Gemeinsame Ausschuss entspricht in seiner Funktion und Aufgabenstellung dem Begriff der Betrieblichen Kommission in § 18 TVöD-AT. Hier ist ausdrücklich vorgegeben, dass die Mitwirkung nicht die Vergabeentscheidung als solche über Leistungsentgelte im Einzelfall erfasst1. Dies muss auch hier gelten. Die Aufgaben des Gemeinsamen Ausschusses beziehen sich nur auf die Ausgestaltung der Systeme. 20 Der Gemeinsame Ausschuss ist für die Beratung von schriftlich begründeten Beschwerden zuständig, die sich auf Mängel des Systems bzw. seiner Anwendung beziehen. Hier wird dem Arbeitgeber jedoch letztendlich die Entscheidungsbefugnis belassen. Er entscheidet gem. § 41 Abs. 3 BT-S/§ 18.1 Abs. 3 TVöD-S auf Vorschlag des Gemeinsamen Ausschusses darüber, ob und in welchem Umfang der Beschwerde im Wege der Korrektur des Systems bzw. von Systembestandteilen oder auch einzelnen konkreten Anwendungsfällen abgeholfen werden soll. Weitergehende Rechte der betrieblichen Mitbestimmung werden hiervon nicht berührt. 21 Die Tarifvertragsparteien haben für die Einlegung von Beschwerden ausdrücklich die Schriftform gefordert. Mündliche Beschwerden, die zB auch einmal aus einer Kurzschlusshandlung von Beschäftigten heraus resultieren können, sind demnach nicht zu verfolgen. 22 Der Gemeinsame Ausschuss ist nicht für Einzelfallentscheidungen zuständig. Es geht bei der Beratung über die Beschwerden lediglich um die Prüfung des Systems und seiner Anwendung an sich2. 23 Der Tarifvertrag enthält keine Vorgaben zur Größe des Gemeinsamen Ausschusses. Hier kann je nach Betriebsgröße variiert werden. Jedoch sollte darauf geachtet werden, die Personenzahl des Ausschusses nicht zu groß zu fassen, um die Funktionalität und gegebenenfalls auch schnelle Entscheidungen zu gewährleisten3. b) Zielvereinbarung aa) Zielvereinbarungen 24 § 42 BT-S/§ 18.2 TVöD-S normiert die Zielvereinbarungen als mögliche Ausgestaltung des Systems der leistungsorientierten Vergütung. Unter Zielvereinbarung wird allgemein eine verbindliche Abrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Erreichung von Leistungszielen in einem bestimmten Zeitraum verstanden, die typischerweise mit variablen monetären Leistungsanreizen verbunden sind4. § 18 Abs. 5 Satz 2 TVöDAT definiert die Zielvereinbarung als freiwillige Abrede zwischen der Führungskraft und einzelnen Beschäftigten bzw. Beschäftigtengruppen über objektivierbare Leistungsziele und die Bedingungen ihrer Erfüllung. Im Bereich des TVöD-S gilt nichts anderes. 1 2 3 4
Vgl. Niederschriftserklärung zu § 18 Abs. 7 TVöD-AT. Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.1 TVöD-S Rz. 21. Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.1 TVöD-S Rz. 20. Vgl. ErfK-Preis, § 611 BGB Rz. 504.
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II. Besonderheiten
Rz. 29
Teil 13 D
Gemäß der Niederschriftserklärung zu § 18.2 TVöD-S stimmen die Tarif- 25 vertragsparteien überein, dass aus Motivationsgründen die Vereinbarung von Zielen freiwillig erfolgt. Eine freiwillige Zielvereinbarung kann auch die Verständigung auf zum Teil vorgegebene oder übergeordnete Ziele sein, zB bei der Umsetzung gesetzlicher oder haushaltsrechtlicher Vorgaben bzw. von Grundsatzentscheidungen der Verwaltungs-/Unternehmensführung. Die Erklärung entspricht der Niederschriftserklärung zu den Zielvereinbarungen des Allgemeinen Teils des TVöD1. bb) Parteien der Zielvereinbarung Die Zielvereinbarungen werden nach der Regelung des § 42 BT-S/§ 18.2 26 TVöD-S von Arbeitgeber und Beschäftigten gemeinsam für einen bestimmten Zeitraum festgesetzt. Parteien einer Zielvereinbarung sind somit Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch sie werden die jeweiligen Ziele miteinander besprochen und festgelegt. Aus dem Begriff der Vereinbarung ergibt sich, dass die Absprache von Zielen einvernehmlich erfolgen soll. Die Ziele werden also nicht einseitig von Arbeitgeberseite vorgegeben, auch wenn in der Regel der Arbeitgeber zunächst die Grundsätze bestimmter Ziele festlegen und vorgeben wird. Eine Motivationssteigerung wird beim Arbeitnehmer jedoch regelmäßig erst dann erreicht, wenn diese Ziele auch realistisch sind und mit dem entsprechenden Mitarbeiter besprochen werden. Nur wenn der Mitarbeiter eine konkrete Möglichkeit der Verwirklichung dieser Ziele sieht, wird er auch entsprechend darauf hinarbeiten und der Zielvereinbarung somit zu dem für beide Seiten erhofften Erfolg verhelfen. Beteiligungsrechte des Personalrats hinsichtlich der Inhalte der zu vereinbarenden Ziele bestehen nicht2.
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cc) Inhalte der Zielvereinbarung Während § 42 Abs. 1 Satz 1 BT-S/§ 18.2 Abs. 1 Satz 1 TVöD-S somit eine Legaldefinition für die Zielvereinbarungen im Bereich der Sparkassen festsetzt, werden in den jeweiligen Sätzen 2 bis 7 bestimmte Rahmenkriterien der Zielvereinbarung vorgeschlagen und empfohlen:
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Die anzuschreibenden Ergebnisse, welche insbesondere mit Leistungsprä- 29 mien honoriert werden, sollen festgelegt werden. Pro Zielvereinbarungszeitraum sind dabei mehrere Ziele zu vereinbaren; es sind quantitative und auch qualitative Ziele möglich. Auch eine unterschiedliche Gewichtung kann erfolgen, für einzelne Ziele können Zielerreichungsstufen festgelegt werden. Insgesamt müssen sich die Ziele und Kriterien auf den Arbeitsplatz und das Team sowie die damit verbundenen Arbeitsaufgaben bezie-
1 Vgl. Niederschriftserklärung zu § 18.2 TVöD-S, Niederschriftserklärung zu § 18 Abs. 5 Satz 2 TVöD-AT. 2 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.2 TVöD-S Rz. 12. Vogel/Strolka
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Teil 13 D
Rz. 30
Sparkassen
hen. Die Erfüllung der Ziele muss in der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit möglich sein, §§ 42 Abs. 1 Satz 2 BT-S, 18.2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-S. 30 Es soll gewährleistet werden, dass keine unmöglichen Ziele aufgestellt werden, die zB zu einem Motivationsverlust der Mitarbeiter führen können. 31 Die Ziele sollen auf gemeinsam angestrebte Ergebnisse und Erfolge gerichtet sein und dem Unternehmensgesamterfolg dienen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Ziele ist eine im Vorfeld intensive Planung und Zielerarbeitung, sowie eine Festsetzung und Definition der entsprechende Zielvorgaben (Norm). 32 Die in der Zielvereinbarung festgelegten Kriterien sollten außerdem bestimmte Vorgaben erfüllen und auf den spezifischen Aufgabenbereich angepasst sein. Eine klare Formulierung bietet sich an, damit die Arbeitnehmer erkennen können, was von ihnen verlangt wird. Auch sollte die geforderte Leistung messbar sein, um überhaupt die Erreichung des Ziels erkennen zu können. Die Erreichbarkeit des Ziels sollte möglich sein; ansonsten würden die Zielvereinbarungen ihre Intention verfehlen. Unerreichbare Ziele würden nicht zum gewünschten Erfolg – weder für die Mitarbeiter noch für den Arbeitgeber – führen. dd) Anpassung der Zielvereinbarung 33 Sollten sich die maßgeblichen Rahmenbedingungen für die Zielvereinbarung gravierend geändert haben, sind im Einzelfall auch Korrekturen einvernehmlich möglich (§ 42 Abs. 2 BT-S/§ 18.2 Abs. 2 TVöD-S). Hier könnten zB lang andauernde Erkrankungen, Mutterschutz und Elternzeiten berücksichtigt werden, die zwangsläufig dazu führen, dass die zunächst vereinbarten und für einen bestimmten Zeitraum definierten Ziele nicht erreicht werden können. Durch diese Regelung ist somit gewährleistet, dass die Zielvereinbarungen nicht starr an den zuvor vereinbarten Punkten festhalten, sondern im Einzelfall einvernehmlich angepasst werden können. 34 Die Tarifvertragsparteien haben jedoch mit § 42 Abs. 2 BT-S/§ 18.2 Abs. 2 TVöD-S vorgegeben, dass Korrekturen und Anpassungen nicht generell erfolgen müssen, sondern nur im Einzelfall einvernehmlich erfolgen können. Die Rahmenbedingungen, auf die hier abgestellt wird, können dabei neben der bereits beschriebenen personellen Natur (Mutterschutz, Elternzeit usw.) auch wirtschaftlicher Natur sein. Sie können zB in Gesetzesänderungen liegen, die unvorhersehbare unternehmenspolitische Entscheidungen erfordert haben, welche mit den vorgegebenen Zielen nicht in Einklang zu bringen sind1. ee) Zielerreichung 35 Ob die jeweiligen Ziele erreicht wurden, entscheidet der Arbeitgeber. Die jeweilige Zielerreichung wird auf Grundlage eines Soll-/Ist-Vergleiches fest1 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.2 TVöD-S Rz. 15.
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II. Besonderheiten
Rz. 40
Teil 13 D
gestellt und auf Wunsch dem Beschäftigten auch erläutert, § 42 Abs. 3 Satz 1 BT-S/§ 18.2 Abs. 3 Satz 1 TVöD-S. Die Feststellung, dass Ziele nicht erreicht wurden, darf für sich allein nicht zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen führen, § 42 Abs. 3 Satz 2 BT-S/§ 18.2 Abs. 3 Satz 2 TVöD-S. Hiermit soll zB gewährleistet werden, dass eine Kündigung wegen Minderleistung nicht ausschließlich aufgrund nicht erreichter Ziele ausgesprochen werden darf. Dies bedeutet umgekehrt jedoch nicht, dass der Arbeitnehmer gegebenen- 36 falls wegen (weiterer) Leistungsmängel nicht auch abgemahnt oder dass ihm – sind die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG gegeben – gekündigt werden kann. Das leistungs- und erfolgsorientierte Entgelt bedeutet eine zusätzliche Belohnung für besondere Leistungen, es liefert jedoch keine Schutzvorschrift für Schlechtleister. § 42 Abs. 3 Satz 3 BT-S/§ 18.2 Abs. 3 Satz 3 TVöD-S stellt daher klar, dass die Teilnahme an einer Zielvereinbarung arbeitsrechtliche Maßnahmen nicht ausschließt.
37
c) Sparkassensonderzahlung Einen zusätzlichen Vergütungsbestandteil stellt die Sparkassensonderzah- 38 lung dar, die in § 44 BT-S/§ 18.4 TVöD-S geregelt ist. Sie wird anstelle der bisherigen Sonderzuwendungen und der Überstundenpauschalvergütung gewährt. Sie besteht aus einem garantierten und einem variablen Anteil. Der variable Anteil setzt sich wiederum aus einem individuell-leistungs- 39 bezogenen und einem unternehmenserfolgsbezogenen Teil zusammen, § 44 Abs. 1 BT-S/§ 18.4 Abs. 1 TVöD-S. Es gilt das folgende Modell:
SSZ
garantierter Anteil
50 % individuell-Leistungsbezogen
variabler Anteil
50 % unternehmenserfolgsbezogen
Anspruch auf die Sparkassensonderzahlung haben nicht alle Sparkassenbeschäftigten, sondern lediglich die „bankspezifisch“ Beschäftigten. Aus der Protokollerklärung ergibt sich, dass hiermit die früheren Angestellten gemeint sind. Die „übrigen“ Beschäftigten („Arbeiter und Arbeiterinnen“) Vogel/Strolka
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Teil 13 D
Rz. 41
Sparkassen
erhalten von den Sparkassensonderzahlungen nur den Garantieanteil. Für diese Mitarbeiter sind jedoch eigene leistungsdifferenzierte Systeme nicht ausgeschlossen1. Insgesamt nicht in den Anwendungsbereich der Regelung der Sparkassensonderzahlung fallen auch diejenigen Mitarbeiter, auf die der TV-S von vornherein keine Anwendung findet, so zB Auszubildende, Praktikanten und Volontäre sowie freie Mitarbeiter. Ausgeschlossen sind auch Arbeitnehmer oberhalb der Entgeltgruppe 15 sowie Arbeitnehmer dieser Entgeltgruppe, wenn mit ihnen eine Nichtanwendung der Regelung zur Sparkassensonderzahlung vereinbart wurde2. aa) Voraussetzung der SSZ 41 Die Sparkassensonderzahlung (SSZ) setzt voraus, dass der Beschäftigte am 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres in einem Arbeitsverhältnis steht. Sie vermindert sich um 1/12 für jeden Kalendermonat, in dem der Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt, Entgelt im Krankheitsfall oder Fortzahlung des Entgeltes während des Erholungsurlaubes hat, § 44 Abs. 1 Satz 8 BT-S/§ 18.4 Abs. 1 Satz 8 TVöD-S. In bestimmten Fällen unterbleibt jedoch diese Verminderung, so zB bei der Ableistung von Grundwehrdienst oder Zivildienst, bei Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz oder aufgrund der Inanspruchnahme von Elternzeit sowie wenn Beschäftigten nur aufgrund der Höhe des zustehenden Krankengeldes ein Krankengeldzuschuss nicht gezahlt worden ist, § 44 Abs. 1 Satz 9 BT-S/§ 18.4 Abs. 1 Satz 9 TVöD-S. 42 Endet das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers jedoch vor dem 1. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres, so besteht kein Anspruch auf die Sparkassensonderzahlung, auch nicht anteilig. Einen Anspruch auf anteilige Zahlung in diesen Fällen (zB bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum 30.11.) sieht der Tarifvertrag gerade nicht vor. Dies wird insbesondere auch durch die in der Protokollerklärung normierte Ausnahme für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse deutlich. Für einen Anspruch auf die Jahressonderzahlung kommt es daher nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses an. 43 Die Protokollerklärung Nr. 3 zu § 44 Abs. 1 BT-S/§ 18.4 Abs. 1 TVöD-S legt fest, dass für Altersteilzeitarbeitnehmer eine Vertrauensschutzregelung besteht, wenn ihre Altersteilzeitvereinbarung bis zum 31.12.2005 abgeschlossen wurde. Diese Beschäftigten haben auch dann einen Anspruch auf Sparkassensonderzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Rentenbezugs vor dem 1.12. des Kalenderjahres endet. Für den Abschluss der Alterteilzeitvereinbarung ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung abzustellen. Auf den Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses kommt es insoweit nicht an3. In diesem Fall tritt an die Stelle des Bemessungsmonats Oktober der letzte Kalendermonat vor Beendigung des 1 Vgl. Protokollerklärung zu § 44 Abs. 1 BT-S. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 18.4 TVöD-S Rz. 3. 3 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 18.4 TVöD Rz. 14.
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II. Besonderheiten
Rz. 47
Teil 13 D
Arbeitsverhältnisses. Des Weiteren haben die Tarifvertragsparteien in der Niederschriftserklärung Nr. 4 zu § 44 Abs. 1 BT-S zum Ausdruck gebracht, dass die Sparkassensonderzahlungsentgelte Bezüge iSd. § 4 TV-ATZ sind und deshalb in den Aufstockungsbetrag mit einfließen. bb) Garantieanteil Der Garantieanteil steht jedem Beschäftigten zu. Er tritt an die Stelle der Zuwendung. Der Garantieanteil beträgt ein Monatstabellenentgelt, § 44 Abs. 1 Satz 3 BT-S/§ 18.4 Abs. 1 Satz 3 TVöD-S. Als Monatstabellenentgelt gilt die Bruttovergütung des Monats Oktober, die sich aufgrund der individuell für diesen Monat vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit ergibt, § 44 Abs. 2 BT-S/§ 18.4 Abs. 2 TVöD-S. Wechseln Arbeitnehmer während des Kalenderjahres in Teilzeit oder umgekehrt in Vollzeit, ist auch hierfür das Monatstabellenentgelt des Monats Oktober (für „diesen Monat“), dh. nur das Tabellenentgelt für die jeweilige Arbeitszeit im Monat Oktober, maßgeblich. Entsprechendes gilt auch für unterjährige Höher- oder Herabgruppierungen in andere Entgeltgruppen1. Eine anteilige Berücksichtigung des vorherigen Verdienstes erfolgt nicht. Dies würde dem klaren Wortlaut des Tarifvertrages entgegenstehen.
44
cc) Variabler Anteil Der variable Anteil ist individuell festzusetzen. Er tritt an die Stelle der 45 Überstundenpauschalvergütung. Die Höhe kann dabei mit einem Prozentsatz variiert werden. Der variable Anteil ist sowohl individuell-leistungsbezogen als auch unternehmenserfolgsbezogen (zu je 50 %). (1) Der individuell-leistungsbezogene Teil des variablen Anteils setzt sich wie folgt zusammen: Für jeden Beschäftigten wird jährlich ein Betrag in Höhe eines halben Mo- 46 natstabellenentgelts in ein Leistungsbudget eingestellt. Die jährliche Ausschüttung des Leistungsbudgets an die Beschäftigten erfolgt dann in Form von Leistungszulagen oder Prämien auf Grundlage individueller und/oder teambezogener Leistungskriterien. Bemessungsmethode hierfür ist die systematische Leistungsbewertung, (§ 43 BT-S/§ 18.3 TVöD-S und für Leistungsprämien die Zielvereinbarung, § 42 (§ 44 Abs. 3 Sätze 1 bis 4) BT-S/§ 18.2 (§ 18.4 Abs. 3 Sätze 1 bis 4) TVöD-S. Nach der Intention der Tarifvertragsparteien sollen die Maßstäbe vorrangig möglichst über die Zielvereinbarungen geregelt werden. Wann immer praktizierbar und zweckmäßig, sind diese abzuschließen, ansonsten sind systematische Leistungsbewertungen durchzuführen. Auch Mischformen sind möglich2.
1 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 18.4 TVöD-S Rz. 28. 2 Vgl. Niederschriftserklärung zu § 44 Abs. 3 BT-S. Vogel/Strolka
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Teil 13 D
Rz. 48
Sparkassen
48 Insgesamt ist sicherzustellen, dass das jeweilige Auszahlungsvolumen den beteiligten Beschäftigten nach einem System und auf alle anzuwendenden Maßstab zugeordnet wird. Werden Ziele nur teilweise erreicht, so können auch Teilzahlungen erfolgen, wenn die Zielvereinbarung dies vorsieht. Insgesamt ist jedoch die vollständige Ausschüttung des Gesamtbudgets zu gewährleisten. Weitere Einzelheiten werden in einer einvernehmlichen Dienstvereinbarung geregelt. Bis diese abgeschlossen ist, werden 25 % eines Monatstabellenentgelts bezahlt, § 44 Abs. 3 BT-S/§ 18.4 Abs. 3 TVöD-S. Es ist sicherzustellen, dass für alle Mitarbeiter ein Betrag in Höhe eines halben Monatstabellenentgelts in das Leistungsbudget eingestellt wird, so dass, bei vollständiger Zielerreichung durch alle Mitarbeiter, auch alle Mitarbeiter an dem System teilnehmen können und die entsprechenden Beträge ausbezahlt werden. Auch die Niederschriftserklärung zu § 44 BT-S/§ 18.4 TVöD-S verdeutlicht dies noch einmal. Die Sparkassensonderzahlungen sollen nicht zur Einsparung von Personalkosten dienen. Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass es aus Anlass der Einführung dieser neuen Regelungen nicht zu einer Verrechnung von bestehenden Hausregelungen kommen soll. Es wurde somit Wert darauf gelegt, den Sparkassenangestellten eine zusätzliche Leistung zu gewähren und vor allem deren Auszahlung sicherzustellen. (2) Der unternehmenserfolgsbezogene Teil des variablen Anteils berechnet sich folgendermaßen: 49 Für jeden Beschäftigten wird jährlich ein Betrag in Höhe eines halben Monatstabellenentgelts in ein Unternehmenserfolgsbudget eingestellt, § 44 Abs. 4 Satz 2 BT-S/§ 18.4 Abs. 4 Satz 2 TVöD-S. Es handelt sich hier nicht etwa um Geld, das den Arbeitnehmern bereits gehört (also von diesen eingebracht wurde). Vielmehr wird es vom Arbeitgeber als Personalaufwand eingeplant und muss von den Mitarbeitern entsprechend zunächst verdient werden1. Die Höhe des Ausschüttungsvolumens bestimmt sich dann nach der Erreichung von institutsindividuellen Geschäftszielen der Sparkasse. Die Definition dieser Geschäftsziele erfolgt vor Beginn des Kalenderjahres durch den Arbeitgeber im Rahmen seiner Unternehmensplanung, § 44 Abs. 4 Satz 3 BT-S/§ 18.4 Abs. 4 Satz 3 TVöD-S. Der Personalrat ist an der Festlegung der maßgeblichen Geschäftsziele nicht beteiligt. Die für den unternehmenserfolgsabhängigen Anteil relevanten Ziele müssen den definierten Geschäftszielen entsprechen, § 44 Abs. 4 Satz 5 BT-S/§ 18.4 Abs. 4 Satz 5 TVöD-S. Weitere Einzelheiten, insbesondere ein Katalog relevanter Ziele und Kriterien für Geschäftszielerreichung und Fälligkeit, werden in einer Dienstvereinbarung geregelt. Bei Zielerreichung ist dann jedem Beschäftigten das halbe Monatstabellenentgelt auszubezahlen, § 44 Abs. 4 Sätze 6, 7 BT-S/§ 18.4 Abs. 4 Sätze 6, 7 TVöD-S. Grundsätzlich besteht nur ein Anspruch der Arbeitnehmer auf den unternehmenserfolgsbezogenen Anteil der Sparkassensonderzahlung bei voller Zielerreichung. Hier tragen die Beschäftigten daher auch ein Stück Unternehmensrisiko2.
1 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.4 TVöD-S Rz. 28. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter,TVöD, § 18.4 TVöD-S Rz. 37.
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II. Besonderheiten
Rz. 55
Teil 13 D
Eine teilweise Zielerreichung und anteilige Ausschüttung ist im Rahmen ei- 50 ner Dienstvereinbarung aber vereinbar. Zielübererfüllungen können ebenfalls zu höheren Ausschüttungen führen, § 44 Abs. 4 Sätze 8, 9 BT-S/§ 18.4 Abs. 4 Sätze 8, 9 TVöD-S. Kommt bis zum Ende des zu bewertenden Kalenderjahres keine Einigung 51 durch die Dienstvereinbarung zustande, besteht nur ein Anspruch auf 25 % eines Monatstabellenentgelts, der restliche Anteil verfällt. Um das Zustandekommen einer Dienstvereinbarung sicherzustellen, wird 52 auf Antrag einer Betriebspartei der Gemeinsame Ausschuss um jeweils einen Vertreter der Landesbezirkstarifvertragsparteien ergänzt. Der ergänzte Gemeinsame Ausschuss unterbreitet dann den für die Vereinbarung zuständigen Betriebsparteien einen Konsensvorschlag bis spätestens zum 30. Juni1. dd) Fälligkeit Der garantierte Anteil der SSZ wird mit dem Entgelt des Monats November, der variable Anteil spätestens mit dem Entgelt für den Monat April des folgenden Kalenderjahres ausbezahlt. Die Beschäftigten haben keinen tarifvertraglichen Anspruch auf weitere Jahressonderzahlungen bzw. manteltarifrechtliche Einmalzahlungen, § 44 Abs. 5 und 7 BT-S/§ 18.4 Abs. 5 und 7 TVöD-S.
53
ee) Zusatzversorgungspflicht Alle ausbezahlten Anteile stellen zusatzversorgungspflichtiges Entgelt dar, 54 § 44 Abs. 1 Satz 6 BT-S/§ 18.4 Abs. 1 TVöD-S. Da die Sparkassensonderzahlung, trotz ihrer Aufspaltung in einen garantierten und variablen Teil, als einheitliche Leistungsbezahlung geregelt ist, ist sie an die Zusatzversorgungskasse auch als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt (dann zeitlich) zu melden, wenn sie in ihrer Gesamtheit feststeht2. ff) Bestehende betriebliche Systeme Die Tarifvertragsparteien sind bei der Regelung von § 44 BT-S/§ 18.4 55 TVöD-S davon ausgegangen, dass es aus Anlass der Einführung dieser neuen Sonderzahlung nicht zu einer Verrechnung von bestehenden Hausregelungen kommt. Die Vereinbarung der Sparkassensonderzahlung dient des Weiteren nicht zur Einsparung von Personalkosten. Um eine ausreichende Einführungs- oder Übergangsphase über die Sparkassensonderzahlung zu ermöglichen, können im Einvernehmen mit den Betriebsparteien die betrieblichen Systeme auch eine undifferenzierte Verteilung der variablen Entgeltbestandteile vorsehen3. 1 Niederschriftserklärung zu § 44 Abs. 4 BT-S/§ 18.4 Abs. 4 TVöD-S. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 18.4 TVöD-S Rz. 54. 3 Niederschriftserklärung Nr. 1 bis 3 zu § 44 BT-S/§ 18.4 TVöD-S. Vogel/Strolka
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Teil 13 D
Rz. 56
Sparkassen
d) Systematische Leistungsbewertung 56 Die systematische Leistungsbewertung knüpft im Rahmen eines Systems an konkrete Tatsachen und Verhaltensweisen an. Hierdurch werden insbesondere die Leistungszulagen begründet, § 43 Abs. 1 BT-S/§ 18.3 Abs. 1 TVöD-S. Bewertungskriterien sind nach § 43 Abs. 2 BT-S/§ 18.3 Abs. 2 TVöD-S zB Arbeitsquantität, Arbeitsqualität, Kundenorientierung, Teamfähigkeit und Führungsverhalten. Diese werden in einer einvernehmlichen Dienstvereinbarung mit gegebenenfalls unterschiedlichen Gewichtungen festgelegt. Grundsätzlich können nur Kriterien herangezogen werden, die für den Arbeitsplatz auch relevant und vom Beschäftigten beeinflussbar sind. 57 Bei der systematischen Leistungsbewertung erfolgt somit eine persönliche Bewertung der von den Arbeitnehmern erbrachten Leistung anhand bestimmter festgelegter Kriterien. Im Vergleich zur Festsetzung und Überprüfung der Umsetzung von Zielvereinbarungen ist die systematische Leistungsbewertung einfacher und mit weniger Aufwand umsetzbar. Gerade in der Anfangsphase der Einführung eines Leistungsentgeltsystems, wenn evtl. Ziele noch gar nicht erarbeitet wurden, kann über eine systematische Leistungsbewertung eine sachgerechte Beurteilung der Arbeitnehmer erfolgen1. 58 In der Praxis kann bei der systematischen Leistungsbewertung durch den Arbeitgeber zB eine Bewertungsskala festgelegt werden, anhand derer die Arbeitnehmer beurteilt werden. Das Arbeitsergebnis kann so unter dem Aspekt der Arbeitsmenge pro benötigter Zeit berücksichtigt werden, Teamfähigkeit, Flexibilität, Führungsverhalten, Weiterbildungsbereitschaft, Arbeitsqualität und -quantität sowie Kundenorientierung werden beispielhaft als Bewertungskriterien im TV-S benannt. Es können daher nicht nur die Einzelkriterien für sich beurteilt, sondern auch ihr Verhältnis zueinander bewertet werden2. 59 Die Leistungsbewertung wird durch eine Führungskraft, die für den entsprechenden Mitarbeiter zuständig ist, vorgenommen. Der Bewertungsentwurf wird dann mit dem Beschäftigten selbst besprochen, von der Führungskraft begründet und schließlich auch entschieden, § 44 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BT-S/§ 18.4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 TVöD-S. 60 Die Tarifvertragsparteien haben vorgesehen, dass Regelbeurteilungen für die Feststellung von Leistungszulagen ausgeschlossen sind3. Der Begriff der Regelbeurteilung entspricht jeder regelmäßigen Mitarbeiterbeurteilung, die als Instrument der Personalentwicklung dient, um die Eignung und das Leistungspotential von Beschäftigten für bestimmte Tätigkeiten einzuschätzen und die vorhandenen Leistungspotentiale zu erkennen und
1 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.3 TVöD-S Rz. 1. 2 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 18.3 TVöD-S Rz. 2. 3 Niederschriftserklärung zu § 43 BT-S/§ 18.3 TVöD-S.
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Vogel/Strolka
II. Besonderheiten
Rz. 64
Teil 13 D
zu fördern1. Die systematische Leistungsbeurteilung knüpft somit im Rahmen des betrieblichen Systems an konkrete Tatsachen und Verhaltensweisen an und schließt damit eine willkürliche Beurteilung aus. e) Vermögenswirksame Leistungen § 49 BT-S/§ 23 Abs. 1 TVöD-S regelt die vermögenswirksamen Leistungen. 61 Nach Maßgabe des Vermögensbildungsgesetzes haben Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis voraussichtlich mindestens 6 Monate dauert, einen Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen. Dieser beträgt für Vollzeitbeschäftigte für jeden vollen Kalendermonat 40 Euro, § 49 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BT-S/§ 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TVöD-S. Der Anspruch der Beschäftigten bei Sparkassen auf vermögenswirksame Leistungen liegt damit deutlich über dem Betrag, der den Beschäftigten gewährt wird, die „nur“ unter den TVöD-AT fallen. Hier beträgt die vermögenswirksame Leistung nur 6,65 Euro (§ 23 Abs. 1 Satz 2 TVöD-AT). Nicht-Vollbeschäftigte erhalten den ihrer vereinbarten Arbeitszeit entsprechenden Anteil2. Der Anspruch entsteht frühestens für den Kalendermonat, in dem der Be- 62 schäftigte dem Arbeitgeber die erforderlichen Angaben schriftlich mitteilt, sowie für die beiden vorangegangenen Monate desselben Kalenderjahres. Die vermögenswirksame Leistung wird nur für Kalendermonate gewährt, für die den Beschäftigten Tabellenentgelt, Entgeltfortzahlung oder Krankengeldzuschuss zusteht. Es handelt sich dabei nicht um zusatzversorgungspflichtiges Entgelt, § 49 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 BT-S/§ 23 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 TVöD-S. Vermögenswirksame Leistungen enthalten auch die Auszubildenden der Sparkassen, § 49 Abs. 2 BT-S/§ 23 Abs. 1 Satz 7 TVöD-S. f) Sondervereinbarungen mit Beschäftigten der Entgeltgruppe 15 Mit Beschäftigten der Entgeltgruppe 15 können gem. § 45 BT-S/§ 1 Abs. 4 TVöD-S einzelarbeitsvertraglich vom Tarifvertrag abweichende Regelungen zum Entgelt und zur Arbeitszeit getroffen werden. Der BT-S enthält somit eine Öffnungsklausel. Dem Arbeitgeber und dem Beschäftigten ist es gestattet, abweichende Entgeltregelungen zu treffen. Ansonsten bleibt es jedoch bei der Anwendbarkeit des TVöD-S auch für Beschäftigte, die sich nicht in eine Entgeltgruppe einordnen lassen.
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g) Entgelt für Auszubildende § 48 BT-S/§ 17.1 TVöD-S regelt abweichend ein Entgelt für Auszubildende. Die Auszubildenden der Sparkassen, die unter den Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) fallen, erhalten im ersten, zweiten und dritten Ausbildungsjahr das nach dem TVAöD maßgebliche Ausbildungsentgelt für das zweite, dritte bzw. vierte Ausbildungsjahr, dh. jeweils die Ausbildungsvergütung des nächsthöheren Ausbildungsjahres. 1 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 18.3 Rz. 2. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 23 TVöD-S Rz. 6. Vogel/Strolka
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Die Auszubildenden der Sparkassen erhalten damit eine höhere Ausbildungsvergütung als die Auszubildenden des öffentlichen Dienstes, die unter den TVöD-AT fallen. 2. Qualifizierung 65 Die Qualifizierung dient der Steigerung von Effektivität und Effizienz der Sparkassen, der Nachwuchsförderung und der Steigerung von beschäftigungsbezogenen Kompetenzen. Des Weiteren verstehen die Tarifvertragsparteien die Qualifizierung auch als Teil der Personalentwicklung, § 47 Abs. 1 BT-S/§ 5.1 TVöD-S. 66 Dennoch haben die Tarifvertragsparteien keinen individuellen Anspruch der Mitarbeiter auf Qualifizierung geregelt. Die Qualifizierung stellt nach dem Tarifvertrag lediglich ein Angebot dar, aus dem die Beschäftigten jedoch gerade keinen Anspruch herleiten können. Das Angebot kann durch einvernehmliche Dienstvereinbarung näher ausgestaltet werden. Weitergehende Mitbestimmungsrechte werden nicht berührt, § 47 Abs. 2 BT-S/§ 5.1 Abs. 2 TVöD-S. 67 Qualifizierungsmaßnahmen sind zB die Fortentwicklung der fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen für übertragene Tätigkeiten, der Erwerb zusätzlicher Qualifikationen, die Qualifizierung zur Arbeitsplatzsicherung sowie die Einarbeitung bei längerer Abwesenheit, § 47 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a bis d BT-S/§ 5.1 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a bis d TVöD-S. Die Teilnahme an solchen Qualifizierungsmaßnahmen ist zu dokumentieren und schriftlich zu bestätigen, § 47 Abs. 3 Satz 2 BT-S/§ 5.1 Abs. 3 Satz 2 TVöD-S. Auf derartige Nachweise haben die Arbeitnehmer durch die tarifliche Regelung damit einen Anspruch. 68 Gemäß § 47 Abs. 4 BT-S/§ 5.1 Abs. 4 TVöD-S haben Beschäftigte Anspruch auf ein regelmäßiges Gespräch mit der jeweiligen Führungskraft, in dem festgestellt wird, ob und welcher Qualifizierungsbedarf besteht. Dieses kann auch als Gruppengespräch geführt werden, § 47 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BT-S/§ 5.1 Abs. 4 Sätze 1 und 2 TVöD-S. Hierzu genügt ein Gespräch mit dem Personal- oder Abteilungsleiter, dies wird sich je nach Größe und Struktur der Sparkasse nicht generell bestimmen lassen1. Auch legt § 47 Abs. 4 BT-S/§ 5.1 Abs. 4 TVöD-S nicht fest, in welchen Abständen diese Qualifizierungsgespräche zu führen sind. Werden jedoch keine betrieblichen Regelungen getroffen, so sind diese Gespräche einmal jährlich zu führen, § 47 Abs. 4 Satz 3 BT-S/§ 5.1 Abs. 4 Satz 3 TVöD-S. An dieser Stelle ist auf § 47 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d BT-S/§ 5.1 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d TVöD-S zu verweisen. Im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahmen wird festgelegt, dass diese auch in der Einarbeitung bei längerer Abwesenheit (Wiedereinstiegsqualifizierung) zu sehen sind. Diese Wiedereinstiegsqualifizierungen sind grundsätzlich bei dem Wiedereinstieg von Müttern und Vätern nach der Elternzeit sowie nach längerer Erkrankung von Mitarbeitern notwen1 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 5.1 TVöD-S Rz. 8.
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II. Besonderheiten
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dig. Man wird daher anerkennen können, dass zumindest in diesen Fällen auch ein Anspruch auf eine Qualifizierungsmaßnahme (um die es sich bei der Einarbeitung handelt) besteht. Zumindest wird in diesen Situationen ein Anspruch auf ein auch außerturnusmäßiges Qualifizierungsgespräch gegeben sein. Die Kosten für eine vom Arbeitgeber veranlasste Qualifizierungsmaßnahme werden grundsätzlich von diesem getragen. Auch Reisekosten werden erfasst, soweit sie nicht von Dritten getragen werden. Ein möglicher Eigenbeitrag oder evtl. Rückzahlungspflichten bei vorzeitigem Ausscheiden werden in einer Qualifizierungsvereinbarung geregelt. Dabei sollen die Grundsätze einer fairen Kostenverteilung unter Berücksichtigung des betrieblichen und individuellen Nutzens geregelt werden.
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Aufgrund des erhöhten Eigeninteresses der Arbeitnehmer an einer eigenen 70 Qualifizierung kann somit einvernehmlich mit den Mitarbeitern ein möglicher Eigenbeitrag an der Qualifizierungsmaßnahme geregelt werden, § 47 Abs. 5 Satz 4 BT-S/§ 5.1 Abs. 5 Satz 4 TVöD-S. Des Weiteren stellt § 47 Abs. 6 BT-S/§ 5.1 Abs. 6 TVöD-S klar, dass Zeiten einer vereinbarten Qualifizierungsmaßnahme als Arbeitszeit gelten. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, dass auch Rückzahlungsverpflichtungen bei vorzeitigem Ausscheiden mit den Arbeitnehmern geregelt werden dürfen. Der Arbeitgeber steckt gegebenenfalls erhebliche Kosten in die Qualifizierung seiner Mitarbeiter. Ihm soll somit auch ein gewisser Nutzen zugutekommen. Scheidet ein Mitarbeiter vor Ablauf einer bestimmten Zeit nach Ende der Qualifizierungsmaßnahme aus dem Betrieb aus, so kann er daher – auf Basis einer einvernehmlichen Regelung – zur Rückzahlung verpflichtet werden. Diese Rückzahlungsverpflichtungen müssen jedoch vor der entsprechenden Qualifizierungsmaßnahme mit den Beschäftigten vereinbart werden und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beachten1.
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Abschließend regelt § 47 Abs. 7 BT-S/§ 5.1 Abs. 7 TVöD-S, dass gesetzliche 72 Förderungsmöglichkeiten in die Qualifizierungsplanung einbezogen werden können. Soweit spezielle gesetzliche Regelungen zur Qualifizierung (zB in Weiterbildungsgesetzen) bestehen, bleiben diese von den tariflichen Regelungen somit unberührt. Werden Qualifizierungsmaßnahmen angeboten, so sind diese für Beschäftigte mit individuellen Arbeitszeiten so zu gestalten, dass ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme ermöglicht wird, § 47 Abs. 8 BT-S/§ 5.1 Abs. 8 TVöD-S. Hier wäre zB auf Teilzeitbeschäftigte einzugehen, die aufgrund ihrer geringeren Beschäftigung nur beschränkte Möglichkeiten haben, den Qualifizierungsmaßnahmen (sollten diese zB wochenweise angeboten wer-
1 Vgl. hierzu BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, AP BGB § 307 Nr. 1b; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559. Vogel/Strolka
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Sparkassen
den) nachzugehen. Hier sollte eine entsprechende Lösung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gefunden werden.
III. Bankgeheimnis/Schweigepflicht 74 Die Beschäftigten der Sparkassen müssen über alle Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet worden ist, Verschwiegenheit bewahren. Dies gilt auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. Der Beschäftigte hat das Bankgeheimnis auch dann zu wahren, wenn dies nicht ausdrücklich vom Arbeitgeber angeordnet ist, § 46 BT-S/§ 3 Abs. 1 Satz 2 TVöD-S. 75 § 46 BT-S/§ 3 Abs. 1 Satz 2 TVöD-S spezifiziert damit nochmals die allgemeine Verschwiegenheitspflicht. Diese dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich innewohnende Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitsgebers dient im Bereich des allgemeinen öffentlichen Dienstes jedoch auch dem Schutz vor Privatgeheimnissen des Bürgers. Nur bei Wahrung der Verschwiegenheitspflicht kann sich auch das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltungseinrichtung, im konkreten Fall den Sparkassenangestellten, und dem Bürger entwickeln1. Gerade im Sparkassenwesen ist es von besonderem Interesse, über interne Angelegenheiten Stillschweigen zu bewahren. Aufgrund der im Bereich des Bankwesens sensiblen Daten über Vermögensverhältnisse von Kunden gilt die Verschwiegenheitspflicht für Sparkassenangestellte daher auch ohne besondere Anordnung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. 76 Selbstverständlich schulden die Sparkassenangestellten auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ihren Kunden gegenüber eine umfassende Geheimhaltung des Geschäftsverkehrs. Das Bankgeheimnis, das es den Sparkassenbeschäftigten untersagt, gegenüber Dritten Auskünfte zu erteilen, ob ein Kunde (und ggf. in welcher Höhe) ein Konto/Guthaben bei der betreffenden Sparkasse hat2, besteht in diesem Fall auch gegenüber Behörden, unterliegt hier jedoch Einschränkungen durch bestimmte Gesetze. So besteht gem. den §§ 90 ff. AO eine Offenbarungspflicht gegenüber den Steuerbehörden. Auch bestehen Einsichtsrechte für die Deutsche Bundesbank. Vom Bankgeheimnis ist nicht nur die Frage nach dem Kontostand, sondern auch die nach den Kontobewegungen erfasst, außerdem alle mit dem Konto des Sparkassenkunden zusammenhängenden Angelegenheiten3. 77 Aus einer Verletzung des Bankgeheimnisses und der Schweigepflicht können umfassende Schadensersatzpflichten gegenüber den betroffenen Kunden resultieren. Aufgrund der Sensibilität dieser Informationen ist davon auszugehen, dass sich diese in ganz erheblichem Rahmen bewegen können. Daher sind arbeitsrechtliche Maßnahmen gegenüber denjenigen Be1 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 3 TVöD-S Rz. 5. 2 Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Vesper/Feiter, TVöD, § 3 TVöD-S Rz. 3. 3 Vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 3 TVöD-S Rz. 7.
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III. Bankgeheimnis/Schweigepflicht
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schäftigten möglich, die gegen diese Verschwiegenheitspflicht und die Wahrung des Bankgeheimnisses verstoßen haben. Je nach den Umständen kann auch eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein.
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E. Hochschulen Rz. I. Grundgesetzliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . 1. Professoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wissenschaftliche Mitarbeiter . . 3. Lehrbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . 4. Arbeitgeberstellung . . . . . . . . . . .
3 3 4 6 9
III. Tarifvertragliche Bestimmungen 1. Tarifrechtliche Entwicklung . . . . 2. Regelungen des TV-L . . . . . . . . . .
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Rz. a) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderregelungen des TV-L für Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen . . aa) Allgemeine Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Arbeitszeitrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . cc) Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Befristung . . . . . . . . . . . . . . . .
15 21 23 27 29 33 34
Schrifttum: Löwisch, Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal bei Großforschungseinrichtungen, WissR 1992, 56; Löwisch, Die Ablösung der Befristungsbestimmungen des Hochschulrahmengesetzes durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, NZA 2007, 479; Hartmer/Detmer, Hochschulrecht – Ein Handbuch für die Praxis, 2004.
I. Grundgesetzliche Rahmenbedingungen 1
Die Arbeitsbedingungen von wissenschaftlichem Hochschulpersonal werden wesentlich durch die in Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Freiheit der Wissenschaft und Forschung beeinflusst. Bedeutung hat diese grundrechtliche Dimension bei der Ausgestaltung des Befristungssonderrechts für Hochschulen. Da die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Befristungskontrolle als Hemmnis für die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gesehen wurde, hat der Gesetzgeber reagiert. 1985 wurden durch Artikel 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14.6.19851 die Befristungsmöglichkeiten der §§ 57a bis 57f und § 70 Abs. 6 HRG in das Hochschulrahmengesetz eingefügt. Mit dieser Regelung sollte die personelle Erneuerungsfähigkeit der Universitäten und Forschungseinrichtungen gesichert und die Heranbildung wissenschaftlichen Nachwuchses gefördert werden2. Um diesem Zweck umfassende Wirksamkeit zu verleihen, sind die Vorschriften der §§ 57a bis 57f HRG zweiseitig zwingend, so dass auch für den Arbeitnehmer günstigere Vereinbarungen unwirksam sind3. Zudem wurde eine Tarifsperre in § 57a Abs. 1 Satz 3 HRG vereinbart, die nur für bestimmte Fachrichtungen Abweichungen durch Tarifverträge zulässt4. Das 1 2 3 4
BGBl. I 1985, 1065. Vgl. Löwisch, WissR 1992, 56. BAG v. 24.1.1996 – 7 AZR 342/95, AP Nr. 7 zu § 57b HRG. ErfK/Müller-Glöge, § 57a HRG Rz. 29.
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II. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften
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BVerfG1 hat den gesetzlichen Eingriff in die Tarifautonomie durch hinreichend gewichtige, grundrechtlich geschützte Belange für gerechtfertigt gehalten. Mittlerweile ist das Befristungssonderrecht an Hochschulen durch das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft2 eigenständig geregelt3. Die verfassungsrechtliche Absicherung der Freiheit von Forschung und Lehre wirkt sich daneben auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus. Das Direktionsrecht erstreckt sich nur auf die äußeren Bedingungen der Tätigkeit, etwa die Zuweisung von Räumen, Öffnungs- und Schließzeiten und die zeitliche Vorgabe von Lehrveranstaltungen. Dies betrifft vor allem das Direktionsrecht gegenüber Professoren4. § 40 Nr. 2, 3 TV-L bestimmt folgerichtig, dass der Arbeitgeber bei der Wahrnehmung des Direktionsrechts die Grundrechte der Wissenschaftsfreiheit und Kunstfreiheit sowie das Grundrecht der Gewissensfreiheit zu beachten hat. In Streitfällen soll eine Ombudsperson oder eine Schlichtungskommission Empfehlungen zur Konfliktlösung aussprechen.
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II. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften 1. Professoren Hauptamtliche Professoren an staatlichen Hochschulen sind überwiegend 3 Beamte. Nur als Ausnahme kommt ein privatrechtliches Anstellungsverhältnis in Betracht. Es handelt sich dabei überwiegend um Fälle von Lehrstuhlvertretungen oder Konstellationen, in denen eine Berufung in das Beamtenverhältnis rechtlich nicht möglich ist5. An privaten Hochschulen sind Professoren stets in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis tätig, selbst wenn die Hochschulen nach § 70 HRG staatlich anerkannt werden. Daneben können Professoren auch in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen eigener Art beschäftigt werden. Sieht das Hochschulrecht keine Bindungen für die dienstrechtliche Gestaltung bei Verwaltern einer Professorenstelle vor, ist sowohl der Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages als auch die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zulässig6. 2. Wissenschaftliche Mitarbeiter Wissenschaftliche Mitarbeiter werden in der Regel als Angestellte beschäf- 4 tigt. Ausnahmsweise werden sie zu Beamten ernannt. Ein wissenschaftlicher oder künstlerischer Mitarbeiter zeichnet sich dadurch aus, dass er 1 BVerfG v. 24.4.1996 – 1BvR 712/86, NZA 1996, 1157. 2 Wissenschaftszeitvertragsgesetz vom 12.4.2007, BGBl. I, 506. 3 Vgl. zu den Regelungen des Gesetzentwurfes Kortstock, ZTR 2007, 2; zum Gesetz ausführlich Löwisch, NZA 2007, 479. 4 Hartmer/Detmer/Löwisch/Wertheimer, Kap. VII Rz. 60 f. 5 Siehe dazu Hartmer/Detmer/Löwisch/Wertheimer, Kap. VII Rz. 2. 6 BAG v. 25.2.2004 – 5 AZR 62/03, AP Nr. 1 zu § 36 HRG mit Anm. Leuze. Vogel
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Rz. 5
Hochschulen
weit überwiegend zugeordnet oder in eigener Verantwortung wissenschaftliche und künstlerische Dienstleistungen in Forschung und Lehre erbringt, die zur Vorbereitung einer Promotion oder zur Erbringung zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen dem Erwerb einer weiteren wissenschaftlichen Qualifikation förderlich sind1. Dabei soll nach dem Willen des Gesetzgebers (§ 53 Abs. 1, 4 HRG) den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Lehre übertragen werden können. Daneben soll ihnen in der Vorbereitung einer Promotion im Rahmen ihrer Dienstaufgaben ausreichend Gelegenheit zu eigener wissenschaftlicher Arbeit gegeben werden (§ 53 Abs. 2 HRG). Sie unterliegen im Übrigen dem Direktionsrecht des Arbeitgebers in vollem Umfang. 5
Auch die studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte sind Arbeitnehmer. Dabei differenziert zumindest das Befristungsrecht nicht mehr zwischen wissenschaftlichen Hilfskräften und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Vielmehr spricht man von einer wissenschaftlichen Hilfskraft, wenn diese die Tätigkeit nebenberuflich, dh. mit einer vertraglichen Arbeitszeit von weniger als der Hälfte der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit, an der Hochschule ausübt2. Merkmal des wissenschaftlichen Mitarbeiters und der wissenschaftlichen Hilfskraft ist, dass sie über einen ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss verfügen. Dies grenzt sie zugleich von den studentischen Hilfskräften ab. 3. Lehrbeauftragte
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Lehrbeauftragte, die mit bestimmten Lehrverpflichtungen im Semester betraut werden, können sowohl in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis besonderer Art als auch in einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis stehen. Ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis wird begründet, wenn der Lehrauftrag durch eine einseitige Maßnahme der Hochschule erteilt wird3.
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In der Regel werden die Lehrbeauftragten aber aufgrund selbständiger Dienstverträge tätig. Bei ihnen handelt es sich überwiegend nicht um Arbeitsverträge, da der Lehrbeauftragte den Inhalt der Lehrveranstaltung frei gestalten und Einfluss auf deren zeitliche Lage nehmen kann. Einem Lehrbeauftragten kommt daher aufgrund seiner Weisungsfreiheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung keine Arbeitnehmereigenschaft zu4.
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Hinweis: Lehrbeauftragte können allerdings in einem Arbeitsverhältnis stehen. Je enger die Hochschule oder das Land dem Lehrbeauftragten die Unterrichtsinhalte sowie die Lage der Unterrichtsstunden vor-
1 BAG v. 5.6.2002 – 7 AZR 281/01, NZA 2002, 1360. 2 ErfK/Müller-Glöge, § 57a HRG Rz. 18. 3 BAG v. 27.6.1984 – 5 AZR 567/82, AP Nr. 42 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten; MünchArbR/Freitag, § 190 Rz. 20. 4 Hartmer/Detmer/Löwisch/Wertheimer, Kap. VII Rz. 15.
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III. Tarifvertragliche Bestimmungen
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gibt und diesen in den Hochschulapparat eingliedert, desto eher wird ein Arbeitsverhältnis begründet werden1. 4. Arbeitgeberstellung Arbeitgeber ist in der Regel das jeweilige Bundesland (vgl. z.B. § 9 UG-Ba- 9 Wü) und nicht die Hochschule. Universitätskliniken sind dagegen teilweise als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert, so dass sie selbst Arbeitgeber sind.
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Praxistipp: Bei Bestandsschutzstreitigkeiten von Hochschulbeschäftig- 10 ten ist genau zu prüfen, ob die Hochschule oder das Bundesland Arbeitgeber ist. Sonst besteht die Gefahr, dass man den falschen Beklagten wählt und die Kündigung wegen Verstreichens der Klagefrist nach §§ 4, 7 KSchG wirksam wird. Eine Passivrubrumsberichtigung kommt dann regelmäßig nicht mehr in Betracht.
Ob die Stelle aus dem Universitätshaushalt oder aus Drittmitteln finanziert wird, spielt in der Regel keine Rolle. Allerdings ist es möglich, dass der Arbeitsvertrag auch unmittelbar zwischen dem die Drittmittel empfangenden Hochschulmitglied und dem Bewerber abgeschlossen wird. Bei einem solchen Privatdienstvertrag wird kein Arbeitsverhältnis zu der Universität bzw. dem jeweiligen Bundesland begründet2.
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Hinweis: Bei einem Privatdienstvertrag hat der wissenschaftliche Mit- 12 arbeiter in der Regel keinen Kündigungsschutz, da ein Hochschulmitglied selten mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen wird (vgl. § 23 Abs. 1 KSchG).
III. Tarifvertragliche Bestimmungen 1. Tarifrechtliche Entwicklung Nach § 3g BAT waren Lektoren, Verwalter von Stellen wissenschaftlicher Assistenten, wissenschaftliche Hilfskräfte und Lehrbeauftragte an Hochschulen, Akademien und wissenschaftlichen Forschungsinstituten sowie künstlerische Lehrkräfte an Kunsthochschulen, Musikhochschulen und Fachhochschulen für Musik vom Geltungsbereich des BAT ausgenommen. Damit galt der BAT nur für wissenschaftliche Mitarbeiter. Für wissenschaftliche Mitarbeiter an Hochschulen enthielt der BAT keine Sonderregelungen.
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In dem Angebot der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder an die vereinte 14 Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vom 19.5.2006 (sog. „Eckpunktepapier“) wurde zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart, dass der noch 1 BAG v. 19.11.1997 – 5 AZR 21/97, AP Nr. 133 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten. 2 BAG v. 29.6.1988 – 7 AZR 552/86, AP Nr. 1 zu § 25 HRG; Hartmer/Detmer/Löwisch/Wertheimer, Kap. VII Rz. 10. Vogel
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Rz. 15
Hochschulen
abzuschließende Tarifvertrag für die Länder (TV-L) auch Regelungen für Beschäftigte in der Wissenschaft enthalten solle. Unter VIII Ziffer 5 wurde vorgesehen, dass eine Arbeitsgruppe Wissenschaft prüft, welche bisher vom Geltungsbereich der Manteltarifverträge (gemeint ist der BAT) ausgeschlossenen Personalkategorien an den Hochschulen künftig in den Geltungsbereich des TV-L einbezogen werden sollen. 2. Regelungen des TV-L a) Geltungsbereich 15 Der TV-L gilt nach § 1 Abs. 3 nicht für – Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, – wissenschaftliche und künstlerische Hilfskräfte, – studentische Hilfskräfte, – Lehrbeauftragte an Hochschulen, Akademien und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen sowie künstlerische Lehrkräfte an Kunst- und Musikhochschulen. 16 Daneben sind nach der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 3 TV-L auch wissenschaftliche und künstlerische Assistenten und Lektoren ausgenommen, deren Arbeitsverhältnis am 31.10.2006 bestanden hat. Die Ausnahme gilt für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses. Neuverträge mit diesem Personenkreis oder den an ihre Stelle tretenden landesrechtlichen Personalkategorien fallen künftig unter den Geltungsbereich des TV-L. Durch die Beschränkung der Ausnahmevorschrift auf die am 31.10.2006 bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse wird ein Eingriff in bestehende Arbeitsverträge vermieden. Der Begriff des „ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses“ erfasst auch Verlängerungen von befristeten Arbeitsverträgen, sofern die übrigen Vertragsbedingungen nicht geändert werden. Der Begriff der Verlängerung ist entsprechend den Regelungen in § 14 Abs. 2 TzBfG bei der Verlängerung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge auszulegen1. 17 Im Wesentlichen gelten also die Ausnahmen vom tariflichen Geltungsbereich, wie sie § 3g BAT vorgesehen hat, auch für den Bereich des TV-L. Für Hochschullehrer im Anstellungsverhältnis finden also weiterhin Tarifverträge keine Anwendung. Dieser Ausschluss von Hochschullehrern aus dem Geltungsbereich des TV-L ist nicht gleichheitswidrig2. Lektoren, die nach dem 1.11.2006 eingestellt werden, unterfallen nunmehr dem TV-L. Der Ausschluss dieser Berufsgruppe aus dem Geltungsbereich des BAT3
1 Vgl. BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204. 2 So BAG v. 19.3.2002 – 3 AZR 121/01, AP Nr. 53 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung (zum Ausschluss von Hochschullehrern aus dem Geltungsbereich des Bundesangestelltentarifvertrages). 3 Zur Verfassungsmäßigkeit: BAG v. 12.10.2004 – 3 AZR 571/03, AP Nr. 2 zu § 3g BAT.
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III. Tarifvertragliche Bestimmungen
Rz. 20
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wurde von den Tarifvertragsparteien in der Neuregelung nicht aufrechterhalten. Der TV-L gilt auch nicht für wissenschaftliche Hilfskräfte. Wissenschaftli- 18 che Hilfskräfte erbringen ebenso wie die wissenschaftlichen Mitarbeiter wissenschaftliche Dienstleistungen. Sie unterscheiden sich von den wissenschaftlichen Mitarbeitern dadurch, dass sie die wissenschaftlichen Dienstleistungen nur nebenberuflich, dh. mit weniger als 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit erbringen1. Das BAG legt den Begriff „wissenschaftliche Hilfskraft“ nicht nach den hochschulrechtlichen Regelungen in den Ländergesetzen aus, sondern kommt zu einer bundeseinheitlichen Auslegung2. Zu beachten ist, dass das BAG – selbst wenn es von einem Ausschluss der wissenschaftlichen Hilfskräfte aus dem Tarifvertrag ausgeht – bezogen auf die jeweils ergänzenden Tarifverträge prüft, ob im konkreten Fall der Ausschluss gerechtfertigt ist. So hat das BAG im Falle von wissenschaftlichen Hilfskräften, die nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft beschäftigt sind, geprüft, ob ein Ausschluss aus dem BAT und damit dem Versorgungstarifvertrag sachlich gerechtfertigt ist. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts können mit Daueraufgaben betraute wissenschaftliche Hilfskräfte, die nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, nicht wirksam aus der Zusatzversorgung ausgeschlossen werden, da der generelle Ausschluss nur bei vorübergehend beschäftigten wissenschaftlichen Hilfskräften gerechtfertigt sei. In diesen Fällen sei häufig die Wartezeit nach der VBL-Satzung (siehe hierzu Teil 11) nicht erfüllt bzw. der Arbeitgeber habe kein Interesse daran, den Arbeitnehmer an den Betrieb zu binden3. Auch studentische Hilfskräfte sind von dem Geltungsbereich des TV-L 19 ausgenommen. Entsprechend § 57e HRG definieren die Tarifvertragsparteien den Begriff der studentischen Hilfskraft als Beschäftigte, zu deren Aufgaben es gehört, das hauptberufliche wissenschaftliche Personal in Forschung und Lehre sowie bei außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu unterstützen. Für die Arbeitsbedingungen der wissenschaftlichen und studentischen 20 Hilfskräfte, die vom TV-L nicht erfasst werden, gelten die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 23.4.1986 mit der Maßgabe, dass im Eingangssatz des Abschnitts I die Worte „nach § 3g BAT vom Geltungsbereich des BAT“ durch die Worte „nach § 1 Abs. 3 TV-L vom Geltungsbereich des TV-L“ zu ersetzen sind.
1 KR/Lipke, § 57a HRG Rz. 28; zum BAT Dassau/Wiesend-Rothbrust, BAT, § 3 Rz. 30. 2 BAG v. 10.9.2002 – 3 AZR 454/01, AP Nr. 1 zu § 3g BAT. 3 Vgl. BAG v. 10.9.2002 – 3 AZR 454/01, AP Nr. 1 zu § 3g BAT (zu Mentoren der Fernuniversität Hagen). Vogel
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Hochschulen
b) Sonderregelungen des TV-L für Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen 21 Während der BAT für Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen keine Sonderregelungen vorsah, wurden in § 40 Nr. 1–8 TV-L für Beschäftigte an Hochschulen Sonderregelungen vereinbart. 22
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Hinweis: Die Sonderregelungen gelten nur für Beschäftigte, die überhaupt unter den Geltungsbereich des TV-L fallen.
aa) Allgemeine Arbeitsbedingungen 23 Im Hinblick auf die allgemeinen Arbeitsbedingungen wurden einige Regelungen in § 3 TV-L modifiziert. So muss die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung von Beschäftigten an Hochschulen in Übereinstimmung mit dem Zweck der Einrichtung, also den spezifischen Aufgaben in Forschung, Lehre und Weiterbildung ausgeführt werden. Damit wird durch die Verpflichtung zur gewissenhaften und ordnungsgemäßen Forschung, Lehre und Weiterbildung die Hauptpflicht von wissenschaftlichen Beschäftigten näher konkretisiert. Die Fälschung von Forschungsergebnissen oder die Verletzung des Urheberrechts anderer stellen eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, die je nach den Umständen mit einer Abmahnung oder einer Kündigung sanktioniert werden kann. 24 Wissenschaftliche Beschäftigte müssen alle Nebentätigkeiten rechtzeitig vorher schriftlich ihrem Arbeitgeber anzeigen. Sonstige Beschäftigte müssen dagegen nur entgeltliche Nebentätigkeiten anzeigen. 25 Weiter wird bestimmt, dass der Arbeitgeber bei der Wahrnehmung des Direktionsrechts die Grundrechte der Wissenschaftsfreiheit und der Kunstfreiheit sowie das Grundrecht der Gewissensfreiheit zu beachten hat. Damit verbleibt dem Beschäftigten ein wissenschaftlicher bzw. künstlerischer Freiraum, der zB eine Beeinflussung des Arbeitgebers von Forschungsergebnissen oder künstlerischer Gestaltung verbietet. Kommt es zwischen Arbeitgeber und dem Beschäftigten zu einem Streit über den Umfang des Direktionsrechts, so können Personalrat und Arbeitgeber eine Ombudsperson oder eine Schlichtungskommission bestimmen, die Empfehlungen zur Konfliktlösung aussprechen kann. Dieser Regelung haben offensichtlich die an den Universitäten vorgesehenen „Lauterkeitskommissionen“ Pate gestanden. Zu dem genauen Verfahren vor der Ombudsperson bzw. der Schlichtungskommission schweigt der Tarifvertrag. 26 Der TV-L regelt zudem – wie bereits § 53 Abs. 2 HRG –, dass den befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern ausreichend Zeit für die Vorbereitung einer Promotion oder die Erbringung zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen gegeben werden soll.
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III. Tarifvertragliche Bestimmungen
Rz. 30
Teil 13 E
bb) Arbeitszeitrechtliche Besonderheiten Für wissenschaftliche Mitarbeiter und das nicht wissenschaftliche Per- 27 sonal gilt nach § 6 Abs. 1a iVm. dem Anhang zu § 6 TV-L für jedes Bundesland im Tarifgebiet West eine unterschiedliche Arbeitszeit. Nach § 6 Abs. 1c TV-L beträgt die Arbeitszeit im Tarifgebiet Ost 40 Stunden. Für Beschäftigte an Universitätskliniken beträgt die Arbeitszeit im Tarifgebiet West 38,5 Stunden. Die Sonderregelung in § 40 Nr. 3 TV-L sieht vor, dass für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht wie im TV-L ein Zeitraum von bis zu einem Jahr gilt, sondern ein fester Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist. Um die beim wissenschaftlichen Arbeiten notwendige Flexibilität zu gewährleisten, kann nach der Sonderregelung in Nr. 3 für bestimmte Beschäftigungsgruppen oder -bereiche ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 48 Stunden durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung eingerichtet werden. Dies sind drei Stunden mehr als für andere Beschäftigte vorgesehen. Zudem kann durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung für bestimmte Beschäftigungsgruppen oder -bereiche geregelt werden, dass der Beschäftigte seine Arbeitszeit unter Berücksichtigung betrieblicher Belange selbstverantwortlich festlegen kann. Auch durch diese Regelung soll dem forschenden oder lehrenden Beschäftigten eine für wissenschaftliches Arbeiten notwendige eigenverantwortliche Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit ermöglicht werden. § 40 Nr. 4 TV-L regelt, dass bei der Festlegung eines Arbeitszeitkorridors von 48 Stunden nur die darüber hinausgehenden Arbeitsstunden als Überstunden zählen (bei den übrigen Beschäftigten sind dies die Arbeitsstunden über 45).
28
cc) Entgelt Auch im Hinblick auf das Entgelt sind die Sonderregelungen in § 40 Nr. 5 29 TV-L flexibler als für andere Beschäftigte ausgestaltet. Danach werden grundsätzlich bei Beschäftigten der Entgeltgruppen 13 bis 15 Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung an anderen Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen bei der Einstellung anerkannt. Auch für die Entgeltgruppen 9 bis 12 ist die Regelung bei der Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten flexibler. Beschäftigte, die im Rahmen der Planung, Vorbereitung, Durchführung, Aus- und/oder Bewertung von wissenschaftlichen Vorhaben einen wesentlichen Beitrag leisten, können ebenfalls Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung bei anderen Arbeitgebern anerkannt bekommen. Diese Regelung gibt den Hochschulen besonders im wissenschaftlichen Mittelbau Möglichkeiten, Leistungsträger, die sich bereits an anderen Universitäten bewährt haben, weiter zu beschäftigten, ohne dass diese einen Nachteil bei der Vergütung haben. Die Regelung soll ersichtlich die Mobilität junger Wissenschaftler fördern. Die Wissenschaftler mit einem Entgelt der Endstufe können bis zu 25 % 30 der Stufe 2 zusätzlich erhalten. Voraussetzung ist, dass sie entweder aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation besondere projektbezogene Anforde-
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Teil 13 E
Rz. 31
Hochschulen
rungen erfüllen oder eine besondere Personalbindung bzw. Personalgewinnung erreicht werden soll. Auch dies ist ein zusätzliches Instrument der Hochschulen, interessante Wissenschaftler zu gewinnen bzw. an sich zu binden. 31 Für Beschäftigte im Drittmittelbereich enthalten die Sonderregelungen einen weiteren Leistungsanreiz. Der Arbeitgeber kann diesen Beschäftigten eine Sonderzahlung gewähren. Dazu ist es zunächst erforderlich, dass aus den Mitteln privater Dritter nach Deckung der einzelnen Gemeinkosten des Drittmittelvorhabens entsprechende Erträge verbleiben. Die begünstigten Beschäftigten müssen besondere Leistungen erbringen, wobei der Tarifvertrag ausdrücklich die Einwerbung der Drittmittel erwähnt. Die Sonderzahlung kann bis zu 10 % des Jahrestabellenentgeltes betragen und ist nicht zusatzversorgungspflichtig. 32 Zudem kann der Arbeitgeber Beschäftigten unabhängig von den bereits erwähnten Leistungsanreizen noch eine sog. Leistungszulage zahlen, wenn diese dauerhaft oder projektbezogen besondere Leistungen erbringen. Diese Zulage kann befristet werden und ist widerruflich. Der Arbeitgeber hat weiter die Möglichkeit, eine einmalige Leistungsprämie zu zahlen, wenn Beschäftigte besondere Leistung erbracht haben. dd) Urlaub 33 Für den Urlaub gelten die allgemeinen tarifvertraglichen Regelungen mit der Ausnahme, dass der Erholungsurlaub nicht wie in § 26 Abs. 2 Buchst. a TV-L zum 31.3.2006 (bzw. bei Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/ dienstlichen Gründen 31.5.2006) angetreten werden muss, sondern bis zum 30.9. des folgenden Jahres genommen werden muss. ee) Befristung 34 Der Tarifvertrag lässt für alle Beschäftigten an Hochschulen eine siebenjährige Befristung des einzelnen Arbeitsvertrages zu, während für die übrigen Beschäftigten § 30 Abs. 2 TV-L einen Höchstbefristungszeitraum von fünf Jahren vorsieht. Voraussetzung ist, dass es sich um einen kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrag mit sachlichem Grund handelt. 35
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Praxistipp: Bei einer Zeitbefristung gem. § 15 Abs. 1 TzBfG bedarf die Dauer der Befristung keiner eigenständigen sachlichen Rechtfertigung1. Die Befristungsdauer muss sich jedoch am Befristungsgrund orientieren. Je länger die Befristung dauert, desto höher sind die Anforderungen an den Sachgrund der Befristung2.
36 Zu den gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten für wissenschaftliche und künstlerische Beschäftigte an den Hochschulen vgl. Teil 6 Rz. 138 ff. 1 BAG v. 13.10.2004 – 7 AZR 654/03, NZA 2005, 469. 2 BAG v. 11.12.1991 – 7 AZR 431/90, NZA 1992, 883 (886); HWK/Schmalenberg, § 14 TzBfG Rz. 93.
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F. Krankenhäuser Rz. I. Grundlagen und Besonderheiten von Arbeitsverhältnissen in Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff des Krankenhauses . . . . . . 2. Organisation des Krankenhauses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungs- bzw. Wirtschaftsleitung . . . . . . . . . . . . . . b) Pflegedienst. . . . . . . . . . . . . . . . c) Ärztlicher Dienst . . . . . . . . . . . aa) Ärztlicher Direktor . . . . . . bb) Leitender Arzt (Chefarzt) . cc) Oberarzt . . . . . . . . . . . . . . . dd) Assistenzarzt . . . . . . . . . . . II. Berufs- und verfassungsrechtliche Aspekte der ärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus. . . . . . 1. Bedeutung des freien Berufes . . . . 2. Arbeitsrechtliche Pflichten der Krankenhausärzte . . . . . . . . . . . . . 3. Gewissensfreiheit als Schranke der Leistungspflicht . . . . . . . . . . . III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und allgemeine Vertragsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tarifrechtliche Situation . . . . . . . a) Vorbemerkung – Historie . . . . b) Übersicht über die Tarifsituation . . . . . . . . . . . . . . aa) Tarifverträge der Kommunen . . . . . . . . . . . . (1) Regelungen des TVöD. (2) Tarifvertrag Marburger Bund (TV-Ärzte/VKA) . bb) Tarifrechtliche Regelungen im Bereich der Länder c) Bestimmung des einschlägigen Tarifvertrages (am Beispiel der Tarifverträge der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmung des Tarifvertrages bei beiderseitiger Tarifbindung. . . . . . . . . . . . bb) Ärzte ohne Tarifbindung. . cc) Arbeitgeber ohne Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arztspezifische Regelungen des TVöD (TVöD-K und TVöD-B) . . . a) Regelungen des TVöD-K . . . . . aa) Anwendungs- und Geltungsbereich. . . . . . . . . . . .
1 1 5 6 7 9 10 12 13 14
15 15 17 20 21 21 23 23 25 25 25 32 33
34 35 47 52 55 55 55
Rz. bb) Allgemeine Arbeitsbedingungen – Vertragspflichten . . 61 cc) Arbeitszeit, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft . . 69 (1) Regelmäßige Arbeitszeit . 69 (2) Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft . . . . . . . . . 72 dd) Vergütung (Entgelt und Eingruppierung) . . . . . . . . . . . 81 ee) Sonstige tarifliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 ff) Überleitung der Ärzte in den neuen Tarifvertrag . . . . . . . . . 88 b) TVöD-B (Ärzte in Pflegeeinrichtungen) – Wesentliche Abweichungen vom TVöD-K . . . . . . . . . 89 4. Regelungen des TV-Ärzte/VKA . . . . 93 a) Vorbemerkung. . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Eingruppierung und Entgelt . . . . 107 5. Sonstige tarifliche Regelungen . . . . 117 6. Beteiligung von nachgeordneten Ärzten am Liquidationspool . . . . . . 123 a) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . 123 b) Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten (leitenden Krankenhausärzten) . . . . . . . . . . . . . 134 1. Arbeitsrechtliche Stellung der Chefärzte im Allgemeinen . . . . . . . . 134 a) Beamten- oder Anstellungsverhältnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Chefarzt als leitender Angestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Der Chefarzt als leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes . 137 bb) Der Chefarzt als leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes . . 142 c) Arbeitszeitrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . 144 d) Geltung von Tarifverträgen . . . . . 145 e) Beendigung von Chefarztverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Inhalts- und AGB-Kontrolle von Chefarztanstellungsverträgen . . . . . 157 a) Vorbemerkung – AGB-Kontrolle . 157 b) Einzelne Regelungen . . . . . . . . . . 164 aa) Dienstaufgaben . . . . . . . . . . . 164 bb) Verpflichtung auf wirtschaftliche Grundsätze . . . . . 167
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Teil 13 F
cc) Entwicklungsklauseln . . . 3. Vergütung und Privatliquidation a) Vergütung aus dem Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . b) Privatliquidation . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Formen . . . . . . bb) Liquidationsrecht im stationären wahlärztlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Liquidationsrechte für ambulante Leistungen . . . dd) Liquidationsbefugnis für gutachterliche Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krankenhäuser Rz.
Rz.
168 176
V. Arbeitsrechtliche Besonderheiten nichtärztlicher Berufsgruppen im Krankenhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Verwaltungspersonal. . . . . . . . . . . . . 205 2. Nichtärztliches Heil- und Pflegepersonal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Heil- und Heilhilfspersonal . . . . . 206 b) Berufsausbildung und Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Nichtärztliche Heilberufe . . . 209 bb) Heil- und Hilfsberufe . . . . . . . 212 c) Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . 214
177 190 190 195 202 203
Schrifttum: Andreas/Debong/Bruns, Handbuch – Arztrecht in der Praxis, 2001; Annuß, AGBKontrolle im Arbeitsrecht: Wo geht die Reise hin?, BB 2002, 458; Annuß, Arbeitsrechtliche Aspekte von Zielvereinbarungen in der Praxis, NZA 2007, 290; Annuß, Tarifbindung durch arbeitsvertragliche Bezugnahme, ZfA 2005, 405; Anzinger/Koberski (begründet von Zmarzlik), Kommentar zum Arbeitszeitgesetz, 9. Aufl. 2009; Baeck/Deutsch, Arbeitszeitgesetz: ArbZG, 2. Aufl. 2004; Bauer/Diller/Göpfert, Zielvereinbarungen auf dem arbeitsrechtlichen Prüfstand, BB 2002, 882; Bayreuther, Der Arbeitskampf des Marburger Bundes – Ein Lehrstück zur Tarifeinheit im Betrieb, NZA 2006, 642; Behrens/Rinsdorf, Am Ende nicht am Ziel? – Probleme mit der Zielvereinbarung nach einer Kündigung, NZA 2006, 830; Behrens/Rinsdorf, Beweislast für die Zielerreichung bei Vergütungsansprüchen aus Zielvereinbarungen, NZA 2003, 364; Biermann/Ulsenheimer/Weißauer, Liquidation wahlärztlicher Leistungen, Medizinrecht 2000, 107; Bitter/Heuwerth, AR Blattei, Krankenpflege- und Heilhilfspersonal I, SD 990.1, 1997; Bredemeier/Neffke, BAT/BAT-O; Buchner, Der „Funktionseliten“-Streik – Zu den Grenzen der Durchsetzbarkeit von Spartentarifverträgen, BB 2003, 2121; Buchner, Tarifverträge im Wettbewerb, ZFA 2004, 229; Dahm/Lück, Der Chefarzt – „Leitender Angestellter“ im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG oder nur „Leitender Abteilungsarzt“?, Medizinrecht 1997, 1; Gaul, Bezugnahmeklauseln – zwischen Inhaltskontrolle und Nachweisgesetz, ZfA 2003, 75; Hanau, Die Rechtsprechung des BAG zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifverträge, NZA 2005, 489; Heinze/Ricken, Verbandaustritt und Verbandsauflösung im Spannungsfeld von Tarifeinheit und Tarifpluralität, ZFA 2001, 174; Henssler, Arbeitsrecht und Schuldrechtsreform, RdA 2002, 129; Hidalgo/Rid, Wie flexibel können Zielbonussysteme sein?, BB 2005, 2686; Hohenstatt, Problematische Ordnungsvorstellungen des BAG im Tarifrecht, DB 1992, 1678; Kempen/Zachert, TVG – Tarifvertragsgesetz, 4. Aufl. 2006; Kuhlmann, Zum Liquiditationsrecht von Chefärzten bei vor dem 1.1.1993 mit dem Krankenhausträger geschlossenen Verträgen, Medizinrecht 2003, 689; Laufs, Die Ärzte-GmbH und das Berufsrecht, MedR 1995, 11; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. 2002; Lindemann/Simun, Tarifpluralität – Abschied vom Grundsatz der Tarifeinheit, BB 2006, 1852; Lingemann/ Gotham, AGG – Benachteiligungen wegen des Alters in kollektivrechtlichen Regelungen, NZA 2007, 663; Moll, Der Chefarzt als leitender Angestellter iS des Kündigungsschutzgesetzes, Medizinrecht 1997, 293; Narr, Ärztliches Berufsrecht, Januar 2005; Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2005; Reinecke, Gerichtliche Kontrolle von Chefarztverträgen, NJW 2005, 3383; Rieble/Dedler, Altersdiskriminierung in Tarifverträgen, ZfA 2006, 273; Riesenhuber/von Steinau-Steinrück, Zielvereinbarungen, NZA 2005, 785; Säcker/Oetker, Tarifeinheit im Betrieb – ein Akt unzulässiger richterlicher Rechtsfortbildung?, ZfA 1993, 1; Schliemann, Allzeit bereit – Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft zwischen Europarecht, Arbeitszeitgesetz und
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I. Grundlagen und Besonderheiten
Rz. 3 Teil 13 F
Tarifvertrag, NZA 2004, 513; Sievers, Individualrechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Entgeltreduzierung, NZA 2002, 1182; Thüsing, Tarifkonkurrenz durch arbeitsvertragliche Bezugnahme, NZA 2005, 1280; Vogel, Kündigungsschutz leitender Angestellter, NZA 2002, 313; Wern, Arbeitsrecht im Krankenhaus, 2. Aufl. 2003; Weth/Thomae/Reichold, Arbeitsrecht im Krankenhaus, 2007; Wiedemann/Arnold, Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Teil I und II), ZTR 1994, 443.
I. Grundlagen und Besonderheiten von Arbeitsverhältnissen in Krankenhäusern 1. Begriff des Krankenhauses Nach der Definition des § 2 Nr. 1 KHG1 sind Krankenhäuser Einrichtun- 1 gen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen Krankheiten, Leiden, Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können. Dieser Krankenhausbegriff ist sehr weit und schließt insbesondere Einrichtungen der Vorsorge und Rehabilitations- sowie Kurkrankenhäuser ein2. Der Krankenhausbegriff nach § 2 Nr. 1 KHG setzt also die – ärztliche und pflegerische Hilfeleistung, – Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden, – Möglichkeit der Unterbringung und Verpflegung voraus. Den Krankenhäusern obliegt demnach die stationäre Versorgung im Ge- 2 sundheitssystem. Die gesetzliche Krankenversicherung differenziert nach § 107 SGB IV des Weiteren zwischen Akutkrankenhäusern und Vorsorgeoder Rehabilitationseinrichtungen. Ein Krankenhaus muss gemäß § 107 Abs. 5 Satz 1 SGB IV – ständig fachlich medizinische ärztliche Leistung, – dem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, – Arbeiten nach wissenschaftlich anerkannten Methoden, – jederzeit verfügbares Pflege-, Funktions- sowie medizinisch-technisches Personal und – Unterbringungs- und Verpflegungsmöglichkeiten anbieten. Nach der Definition des § 2 Nr. 1 KHG scheiden pflegerische, sozialpflegerische und andere soziale Betreuungseinrichtungen aus dem Krankenhaus-
1 Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG idF v. 23.11.1985, BGBl. I 1986, 33. 2 Quaas/Zuck, § 23 Rz. 35. Vogel
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Teil 13 F Rz. 4
Krankenhäuser
begriff aus, in erster Linie Heime, deren begriffliche Abgrenzung nach § 1 Abs. 1 HeimG erfolgt. 4
Krankenhäuser können in privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Form betrieben werden. Kirchliche Krankenhäuser spielen ebenfalls eine große Rolle. 2. Organisation des Krankenhauses
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Krankenhäuser sind herkömmlich vertikal und horizontal strukturiert. Innerhalb der horizontalen Gliederung finden sich der ärztliche, der pflegerische sowie der Verwaltungs- und Wirtschaftsbereich1. Vertikal entspricht die Krankenhausstruktur drei Säulen, an deren Spitze der ärztliche Direktor, die Pflegedienstleitung und der Verwaltungs-/Wirtschaftsdirektor stehen. Die Krankenhausgesetze der Länder gehen in der Regel von dieser vertikalen und horizontalen Gliederung aus. Die Organisation und die Aufgaben- und Verantwortungszuordnung des ärztlichen Dienstes im Verhältnis zu den beiden anderen Säulen Management und Pflege erfolgen in der Regel durch Dienst- bzw. Geschäftsordnung, Stellenbeschreibungen und Festlegung in den Anstellungsverträgen. Solche Regelungen sind nicht nur aus verwaltungstechnischen, sondern vor allem aus haftungsrechtlichen Gründen erforderlich. Die Organisation und fachliche Strukturierung des ärztlichen Dienstes hat eine wesentliche Bedeutung für die juristische Verantwortung des Krankenhausträgers. Ist dieser Bereich nicht oder nur ungenügend geregelt, so haftet der Träger unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens2. Die drei Säulen sind wie folgt aufgebaut: a) Verwaltungs- bzw. Wirtschaftsleitung
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Die Verwaltungs- und Wirtschaftsleitung verantwortet neben den klassischen Aufgaben des Personals und der Verwaltung die nicht pflegerischen Organisationsbereiche wie zB Reinigungsdienst, Küche etc. Sie besitzen (begrenzte) Disziplinarbefugnisse gegenüber Ärzten und dem Pflegepersonal. Bei privatrechtlich organisierten Krankenhäusern obliegt die Verwaltungsleitung regelmäßig dem Geschäftsführer bzw. Vorstand. b) Pflegedienst
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Der Pflegedienst wird von der Pflegedienstleitung geführt. Darunter führen die Stationsleiter die einzelnen Stationen und sichern die allgemeine, umfassende und fachkundige Pflege des Patienten. Im Einzelnen kann es schwierig sein, zwischen Aufgaben der Pflege und des ärztlichen Dienstes zu unterscheiden. Bei der spezifischen Behandlungspflege und der Assistenz bei ärztlichen Verrichtungen trägt der Krankenhausarzt die Anordnungsverantwortung und die Pflegekraft die Durchführungsverantwortung jeweils alleine. 1 Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 89 Rz. 7; Quaas/Zuck, § 15 Rz. 3. 2 Vgl. auch Quaas/Zuck, § 13 Rz. 119 ff.
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I. Grundlagen und Besonderheiten
Rz. 13 Teil 13 F
Die Pflegeleistungen selbst muss der Arzt weder beaufsichtigen, noch 8 muss er bei ihnen präsent sein1. c) Ärztlicher Dienst Gemäß dem Versorgungsauftrag von Krankenhäusern, eine umfassende und optimale medizinische Versorgung von Patienten zu gewährleisten, muss die medizinische Letztverantwortung stets bei einem Arzt liegen. Der Arzt benötigt daher einen weisungsfreien Raum, der es ihm ermöglicht, seiner Verantwortung gerecht zu werden. Eine gute Organisation des ärztlichen Dienstes ist gerade aus Haftungsgründen unerlässlich. In der Regel sehen Krankenhäuser folgende Struktur vor:
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aa) Ärztlicher Direktor Der ärztliche Direktor übt für den ärztlichen Bereich wesentliche Führungs- und Leitungsfunktionen (zB die Dienstaufsicht) aus. Er ist Mitglied der Krankenhausbetriebsleitung und vertritt in dieser Eigenschaft die medizinisch ärztlichen Belange gegenüber dem Krankenhausträger. Die Entscheidung, wer ärztlicher Direktor wird, liegt beim Krankenhausträger, der dabei beurteilen muss, ob die betreffende Person für die Führungs- und Leitungsfunktion die entsprechende Eignung hat2.
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In der Regel ist der ärztliche Direktor zugleich Chefarzt. Ihm steht aber 11 aufgrund seiner – zum Teil auch nur für bestimmte Zeit übertragenen – Funktion gegenüber den nachgeordneten ärztlichen und nicht ärztlichen Mitarbeitern ein Weisungsrecht zu, das sich aber nicht auf die ärztliche Entscheidung bei der medizinischen Behandlung erstreckt3. bb) Leitender Arzt (Chefarzt) Der leitende Arzt vertritt in seiner Fachabteilung oder seinem Funktions- 12 bereich sein Fachgebiet medizinisch selbständig. Er ist verantwortlich für Diagnostik und Therapie aller Patienten seiner Abteilung oder des ihm unterstehenden Bereichs. Er trägt rechtlich die Gesamtverantwortung für die ärztliche Versorgung der ihm zugeordneten Patienten. In diagnostischer und therapeutischer Hinsicht ist er fachlich weisungsberechtigter Vorgesetzter des ärztlichen und medizinisch technischen Personals sowie des Pflegepersonals seiner Abteilung, wenn es um medizinische Fragen geht4. cc) Oberarzt Der Oberarzt fungiert als ständiger Vertreter des Chefarztes und ist in aller 13 Regel Gebietsarzt. Seine Aufgabe ist die Anleitung und Überwachung der 1 2 3 4
Quaas/Zuck, § 15 Rz. 6. Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 89 Rz. 21. MünchArb/Richardi, § 204 Rz. 3c. Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 89 Rz. 23. Vogel
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Krankenhäuser
in seinem Fachgebiet in einer Weiterbildung tätigen Ärzte. Er kann an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, wenn er die Voraussetzungen dafür erfüllt1. dd) Assistenzarzt 14 Der Assistenzarzt ist angestellter Arzt und unterliegt der Aufsicht, Weisung und Verantwortung des leitenden Arztes. Er ist in der Regel zum Zwecke der Weiterbildung tätig. Trotz der Weisungsgebundenheit hat er die Pflicht, sich ein eigenes Urteil über den Zustand des Patienten und über die Wirksamkeit und Gefährlichkeit der vom Chefarzt angeordneten Maßnahmen zu bilden und Bedenken vorzutragen. Leitet oder beaufsichtigt er eine Station, so spricht man vom Stationsarzt2.
II. Berufs- und verfassungsrechtliche Aspekte der ärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus 1. Bedeutung des freien Berufes 15 Für angestellte Krankenhausärzte gilt das allgemeine Arbeitsrecht. Allerdings wirkt sich § 1 der Bundesärzteordnung (BÄO), wonach der Arzt einen seiner Natur nach freien Beruf ausübt, auf die allgemeine arbeitsrechtliche Stellung des Arztes in einem Krankenhaus aus. Durch die Definition als freier Beruf wird die Freiheit des Arztberufes verstärkt. Auch der angestellte Arzt unterliegt diesem Gebot. Dass der Beruf des Arztes als freier Beruf gilt, steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses ebenso wie bei angestellten Rechtsanwälten nicht entgegen3. 16 Der freie Beruf wirkt sich auf die Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers bei Dienstaufgaben unmittelbar aus. Unzulässig sind besonders Weisungen, die den Arzt als Angestellten mit seinem ärztlichen Gewissen in Konflikt bringen. In seiner eigentlichen heilkundlichen Tätigkeit darf der Arzt deswegen auch als Angestellter nicht von Weisungen seines Dienstvorgesetzten abhängig gemacht werden4. Dieses Prinzip bringt die Musterberufsordnung in § 2 zum Ausdruck, wonach der Arzt keine Grundsätze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten darf, die mit seiner Aufgabe nicht vereinbar sind oder deren Befolgung er nicht verantworten kann. Der Arzt darf hinsichtlich seiner ärztlichen Entscheidung keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen5. In besonderem Maße trifft diese Freiheit von Weisungen für Chefärzte zu, die im Rahmen ihrer medizinisch fachlichen Aufgabe völlig weisungsfrei bleiben und uneingeschränkte Führungs- und Handlungsverantwortung haben. Auch gegenüber 1 Laufs/Uhlenbruck/Laufs, § 12 Rz. 10. 2 Laufs/Uhlenbruck/Laufs, § 12 Rz. 11. 3 MünchArbR/Richardi, § 204 Rz. 1; Ausnahmen: Staudinger/Richardi, BGB, Vor §§ 611 ff. BGB Rz. 1282. 4 BGH v. 30.11.1977 – IV ZR 69/76, NJW 1978, 589; Laufs, MedR 1995, 11 ff. 5 Narr, B 5001.
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II. Berufs- und verfassungsrechtliche Aspekte
Rz. 20 Teil 13 F
nachgeordneten Ärzten steht dem Krankenhaus als Arbeitgeber im medizinisch fachlichen Bereich kein Weisungsrecht zu, da die Freiheit des ärztlichen Berufes jederzeit gewährleistet sein muss. Nachgeordnete Ärzte haben selbständige Handlungsverantwortung, wohingegen die Führungskompetenz beim Chefarzt verbleibt1. 2. Arbeitsrechtliche Pflichten der Krankenhausärzte Im Kern schulden angestellte Krankenhausärzte, den Patienten nach den 17 Regeln der medizinischen Wissenschaft zu untersuchen und zu behandeln sowie ihn zu informieren. Es handelt sich hierbei um die wesentlichen Bestandteile der Arbeitsleistungspflicht der angestellten Ärzte. Daraus ergibt sich die Pflicht zur Anamnese, die Untersuchungspflicht sowie die Diagnose- und Therapiepflicht. Daneben ist wesentlicher Bestandteil der arbeitsvertraglichen Aufgaben, die ärztliche Dokumentationspflicht zu erfüllen, die zum Inhalt des medizinischen Behandlungsvertrages gehört. Diese Verpflichtung ist gleichsam eine berufsrechtliche Verpflichtung nach § 10 Musterberufsordnung2. Die Dokumentationspflicht bezieht sich auf die Anamnese, Diagnose und Therapie. Zu den Kernaufgaben gehört auch die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Der Arzt ist zu einer umfassenden, auf den Einzelfall abstellenden Aufklärung verpflichtet, die je nach Bedeutung und Schwere der Krankheit und möglichen Risiken einer Heilbehandlung in therapeutische Aufklärung, Selbstbestimmungsaufklärung und Risikoaufklärung unterteilt werden kann3.
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Daneben gelten für Krankenhausärzte selbstverständlich alle sonstigen ar- 19 beitsrechtlichen Grundpflichten insbesondere zur Arbeitszeit etc. 3. Gewissensfreiheit als Schranke der Leistungspflicht Unter bestimmten Umständen ist ein angestellter Arzt trotz Weisung sei- 20 nes Arbeitgebers berechtigt, eine geschuldete Arbeitsleistung zu verweigern. Weisungen, die gesetzeswidrig sind, muss ein Arzt – wie alle anderen Arbeitnehmer – nicht befolgen, da diese unzulässig und nach § 134 BGB nichtig sind4. Aber auch Weisungen, die gegen die Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG verstoßen, können unter gewissen Umständen eine Rolle spielen. Als Beispiel sei die Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch genannt. Das BVerfG hat festgestellt, dass das Recht, die Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen – mit Ausnahme medizinisch indizierter – zu verweigern, in den Schutzbereich des durch das ärztliche Berufsrecht geprägten Persönlichkeitsrechts falle. Ein Arzt, der sich generell weigert, medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche vor1 MünchArbR/Richardi, § 204 Rz. 26. 2 Narr, B 547. 3 MünchArbR/Richardi, § 203 Rz. 50; vgl. ausführlich zur ärztlichen Aufklärungspflichten Narr, B 121 ff. 4 HWK/Lembke, § 106 GewO Rz. 110. Vogel
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Krankenhäuser
zunehmen, darf wegen dieser Entscheidung regelmäßig keine beruflichen Nachteile erfahren. Ausnahmsweise komme eine Kündigung in Betracht, wenn der Arbeitgeber keine andere Möglichkeit hat, den Arzt zu beschäftigen1. § 12 SCHKG2 sieht vor, dass niemand verpflichtet ist, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Insoweit steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Eine Weigerung ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Mitwirkung notwendig ist, um von der betroffenen Frau eine nicht abwendbare Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung abzuwenden (§ 12 Abs. 2 SCHKG). Das grundsätzliche Leistungsverweigerungsrecht gilt selbst dann, wenn der Arzt sich zuvor vertraglich verpflichtet hat, an Schwangerschaftsabbrüchen mitzuwirken3.
III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte 1. Begriff und allgemeine Vertragsinhalte 21 Nachgeordnete Ärzte an Krankenhäusern werden fast ausnahmslos als Arbeitnehmer beschäftigt. Nachgeordnete Ärzte sind die Ärzte, die dem Leiter der Abteilung, also dem Chefarzt, unterstehen. Man unterscheidet zwischen Oberärzten und Assistenzärzten. Auf Oberärzte findet grundsätzlich Tarifrecht Anwendung, ohne dass der Begriff des Oberarztes tariflich näher definiert wird. Der Oberarzt fungiert in der Regel als ständiger Vertreter des Chefarztes, wobei zu seinen Aufgaben die Anleitung und Überwachung der in seinem Fachgebiet in einer Weiterbildung tätigen Ärzte gehört. Er kann – muss aber nicht – im Rahmen einer Nebentätigkeitserlaubnis im ambulanten Bereich Wahlleistungen privat liquidieren4. Assistenzärzte werden in einem Krankenhaus unter Aufsicht, Weisung und Verantwortung des leitenden Arztes oder seines Stellvertreters tätig. 22 Zwar sind auch nachgeordnete Ärzte in Bezug auf ihre ärztliche Tätigkeit nicht weisungsgebunden. Sie üben ihren ärztlichen Beruf daher eigenverantwortlich aus. Im Übrigen sind sie aber bei ihrer Tätigkeit im Wesentlichen vom Krankenhausträger persönlich abhängig und an dessen Weisungen gebunden5. Sie erfüllen damit den von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Arbeitnehmerbegriff. In Ausnahmefällen kommt für die öffentlich-rechtlichen Träger auch eine Berufung in das Beamtenverhältnis in Betracht. Sie erfolgt allerdings regelmäßig nur bei beamteten Hochschullehrern der Universitätskliniken, die zugleich Aufgaben der stationären Krankenversorgung wahrnehmen6. 1 BVerfG v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92, NJW 1993, 1751 (1763); kritisch MünchArbR/Richardi, § 204 Rz. 32. 2 Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz) v. 27.6.1992, BGBl. I, 1398, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 21.8.1995, BGBl. I, 1050. 3 Weth/Thoemae/Reichold/Reichold, Teil 3 E Rz. 9. 4 Vgl. LAG Hamm v. 18.6.1998 – 17 Sa 2414/97, BeckRS 1998 Nr. 30461087. 5 BAG v. 27.7.1961 – 2 AZR 255/60, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche. 6 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 7.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 25 Teil 13 F
2. Tarifrechtliche Situation a) Vorbemerkung – Historie Die Arbeitsverhältnisse in Krankenhäusern werden entscheidend durch 23 Kollektivvereinbarungen geprägt, in erster Linie durch die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge. In öffentlich-rechtlich organisierten Krankenhäusern fanden bis zur Tarif- 24 reform auf angestellte nachgeordnete Ärzte überwiegend die Regelungen des BAT Anwendung, ergänzt um die Sonderregelung SR 2c, Anwendung. Für den Bund und die Kommunen wurde der BAT durch den TVöD mit Wirkung zum 1.10.2005 abgelöst. Der TVöD enthält eine Spartenregelung, einen besonderen Teil für Krankenhäuser. Der Marburger Bund, der bis 1976 die Tarifverträge im öffentlichen Dienst nicht selbst unterzeichnet hatte, sondern Anschlusstarifverträge abschloss, hatte seit dem 29.11.1976 zusammen mit der DAG (Deutsche Angestelltengewerkschaft) die Änderungstarifverträge und ergänzenden Tarifverträge zum BAT als Teilnehmer der Tarifgemeinschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst unterzeichnet. Anfang der neunziger Jahre wurde diese Tarifgemeinschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst beendet. Der Marburger Bund schloss daraufhin mit Datum vom 11.11.1994 mit der DAG eine „Vereinbarung über eine tarifliche Zusammenarbeit“, in der als Anlage die DAG bevollmächtigt wurde, mit bindender Wirkung für den Marburger Bund Tarifforderungen zu erheben, Tarifverhandlungen zu führen, Tarifverträge abzuschließen und solche zu kündigen. Mit Datum vom 9.2.2005 unterzeichnete die Nachfolgeorganisation der DAG, ver.di, zugleich handelnd für den Marburger Bund, eine tarifliche Einigung, in der sich die Parteien zum Abschluss des TVöD unter Berücksichtigung verschiedener bereits festgelegter Eckpunkte verpflichteten. Mit Schreiben vom 10.9.2005 an ver.di widerrief der Marburger Bund mit sofortiger Wirkung die an den DAG erteilte Vollmacht und forderte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände zu Tarifverhandlungen über einen arztspezifischen Tarifvertrag auf1. Mit diesem Schritt wurde die tarifrechtliche Zersplitterung für die Berufsgruppe der Ärzte eingeleitet. b) Übersicht über die Tarifsituation aa) Tarifverträge der Kommunen (1) Regelungen des TVöD Am 30.9.2005 wurde der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst unter- 25 zeichnet, der in seinem besonderen Teil Krankenhaus auch spezielle Vorschriften für Ärzte enthielt. Dieser Tarifvertrag ist am 1.10.2005 in Kraft getreten. Aufgrund der vom Marburger Bund erhobenen Forderungen haben auch ver.di und die VKA den besonderen Teil Krankenhäuser zum 1.8.2006 grundlegend geändert. Die Spartenregelungen des TVöD wurden dabei um 1 Ausführlich zur Tarifgeschichte: ArbG Kiel v. 30.6.2006 – 1 Ga 11 b/06, BeckRS 2006 Nr. 42854. Vogel
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eine eigenständige Sparte ergänzt. Der ursprüngliche besondere Teil Krankenhäuser fand zunächst auch für Pflege- und Betreuungseinrichtungen Anwendung. Diese einheitliche Regelung wurde nunmehr aufgespalten in – den besondern Teil Krankenhäuser (BT-K) und – den besonderen Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen (BT-B). 26 In beiden Tarifverträgen gibt es Sonderregelungen für Ärzte. 27 Der TVöD-K gilt nach § 1 Abs. 1 Buchst. a–c für Beschäftigte in – Krankenhäusern, einschließlich psychiatrischen Fachkrankenhäusern, – medizinischen Instituten von Krankenhäusern oder – sonstigen Einrichtungen (zB Rehabilitationseinrichtungen, Kureinrichtungen), in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, wenn die Behandlung von Ärztinnen oder Ärzten vorgenommen wird, die in der Einrichtung beschäftigt sind. 28 Die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 TVöD-K stellt klar, dass von dem Geltungsbereich auch Fachabteilungen (zB Pflege-, Altenpflege- und Betreuungseinrichtungen) in psychiatrischen Zentren oder Rehabilitations- und Kureinrichtungen erfasst werden, soweit diese mit einem psychiatrischen Fachkrankenhaus oder einem Krankenhaus desselben Trägers einen Betrieb bilden. Davon kann durch landesbezirkliche Anwendungsvereinbarung abgewichen werden. Im Übrigen werden die Altenpflegeeinrichtungen eines Krankenhauses von dem Geltungsbereich TVöD-BT-K nicht erfasst, selbst wenn sie mit einem Krankenhaus desselben Trägers einen Betrieb bilden. 29 Daneben sieht der TVöD eine besondere Regelung für Pflege- und Betreuungseinrichtungen vor und übernimmt bei der Abgrenzung zu den Krankenhäusern im Wesentlichen die in § 107 Abs. 1 und 2 SGB V geregelten Definitionen (vgl. dazu Rz. 2). Der TVöD-BT-B gilt nach § 1 Abs. 1 auch für Ärzte, wenn sie in – Heil-, Pflege- und Entbindungseinrichtungen, – medizinischen Instituten von Heil- und Pflegeeinrichtungen, – sonstigen Einrichtungen und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, wenn die Behandlung durch nicht in den Einrichtungen selbst beschäftigte Ärztinnen oder Ärzte stattfindet, oder in – Einrichtungen oder Heimen, die der Förderung der Gesundheit, der Erziehung, Fürsorge oder Betreuung von Kindern und Jugendlichen, der Fürsorge und Betreuung von obdachlosen, alten, gebrechlichen, erwerbsbeschränkten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen dienen, auch wenn diese Einrichtungen nicht der ärztlichen Behandlung der betreuten Personen dienen, beschäftigt sind.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 35 Teil 13 F
Die aufgezählten Einrichtungen dürfen nicht vom Geltungsbereich des BT-K erfasst werden. Die Abgrenzung, ob auf Ärzte der BT-K oder der BT-B Anwendung findet, kann im Einzelfall schwierig sein. Insbesondere § 1 Abs. 1 Buchst. c BT-K schließt die Anwendung des Tarifvertrages BT-B aus, wenn Ärzte behandelnd tätig werden. Es wird sich dann regelmäßig um sonstige Einrichtungen iSd. § 1 Abs. 1 Buchst. c BT-K handeln, so dass dann der Tarifvertrag für Krankenhäuser Anwendung finden wird.
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Hinweis: Die genannten Tarifverträge finden nur für Mitglieder der 31 Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Anwendung!
(2) Tarifvertrag Marburger Bund (TV-Ärzte/VKA) Am 17.8.2006 schlossen die Vereinigungen der kommunalen Arbeitgeber- 32 verbände (VKA) und die Gewerkschaft Marburger Bund den „Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA)“. Nachdem die Tarifverhandlungen im November 2006 abgeschlossen waren, setzten die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag rückwirkend zum 1.8.2006 in Kraft. Daneben wurde ein Überleitungstarifvertrag (TVÜ-Ärzte/VKA) vereinbart. Während die mit ver.di geschlossenen Tarifverträge für alle Beschäftigtengruppen im Krankenhaus gelten und nur Sonderregelungen enthalten, handelt es sich bei dem TV-Ärzte/VKA um einen berufsspezifischen Tarifvertrag, der ausschließlich für Ärzte und Zahnärzte gilt. bb) Tarifrechtliche Regelungen im Bereich der Länder Am 1.11.2006 ist der zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in Kraft getreten, der in § 41 Sonderregelungen für Ärzte an Universitätskliniken und in § 42 Sonderregelungen für Ärzte außerhalb von Universitätskliniken enthält. Mit dem Marburger Bund schloss die TdL am 30.10.2006 den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte).
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c) Bestimmung des einschlägigen Tarifvertrages (am Beispiel der Tarifverträge der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) Da die Ärzte unter den Geltungsbereich verschiedener Tarifverträge fallen können, ergibt sich das für die Praxis bedeutsame Problem, welcher Tarifvertrag im Einzelfall gilt. Ausschlaggebend ist, ob Tarifverträge normativ oder aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel gelten.
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aa) Bestimmung des Tarifvertrages bei beiderseitiger Tarifbindung Für Mitglieder des kommunalen Arbeitgeberverbandes gelten die abgeschlossenen Tarifverträge nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG normativ und zwingend. Da der kommunale Arbeitgeberverband mit dem Marburger Bund einen ausschließlich für Ärzte vorgesehenen Tarifvertrag abgeschlosVogel
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sen hat, zugleich aber zwingend an den TVöD mit dem besonderen Teil Krankenhäuser, der ebenfalls arztspezifische Regelungen enthält, gebunden ist, besteht die Problematik, welcher Tarifvertrag gelten soll. Schließen zwei unterschiedliche Gewerkschaften mit demselben Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag ab, so liegt ein Fall der Tarifpluralität vor1. 36 Beispiel: In einem Krankenhaus arbeiten Ärzte, die zum Teil Mitglieder von ver.di, zum Teil Mitglieder des Marburger Bunds sind. Für ein und dasselbe Krankenhaus finden daher grundsätzlich der TV-Ärzte/VKA und der TVöD mit dem besonderen Teil Krankenhäuser Anwendung.
37 Denkbar ist auch, dass in der Tarifpluralität ein Fall der Tarifkonkurrenz eintritt. Tarifkonkurrenz liegt vor, wenn dasselbe Sachgebiet in mehr als einem anwendbaren Tarifvertrag angesprochen wird oder dasselbe Arbeitsverhältnis von mehreren Tarifverträgen erfasst wird2. 38 Beispiel: Ein Krankenhausarzt ist Mitglied des Marburger Bunds und von ver.di. Auf sein Arbeitsverhältnis können grundsätzlich zwei Tarifverträge Anwendung finden.
39 Die Rechtsprechung des BAG löste die Probleme der Tarifkonkurrenz und der Tarifpluralität traditionell einheitlich. Immer soll der Grundsatz der Tarifeinheit gelten3. Das BAG will eine Konkurrenz mehrerer Tarifverträge im gleichen Betrieb um jeden Preis vermeiden und verfährt nach dem Prinzip: Ein Betrieb – ein Tarifvertrag. Es soll grundsätzlich der speziellere, dh. der räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehende Tarifvertrag Anwendung finden. Ein Firmentarifvertrag verdrängt daher regelmäßig einen Verbandstarifvertrag4. 40 Bei Tarifverträgen gleicher Sachnähe entscheidet jeweils die größere Zahl der tariflich erfassten Arbeitnehmer5. Allerdings gilt der Tarifvertrag, der als spezieller ermittelt wird, in Anbetracht der §§ 3 Abs. 1 und 4 TVG unmittelbar und zwingend nur für diejenigen Arbeitnehmer, die Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sind. Für nicht oder vor allem für anders Organisierte entsteht ein tariffreier Raum6. Das BAG leitet das Prinzip der Tarifeinheit im Betrieb aus den Grundsätzen der Rechtssicherheit, Rechts1 Wiedemann/Wank, TVG, § 4 TVG Rz. 271; BAG v. 14.6.1989 – 4 AZR 200/89, AP Nr. 16 zu § 4 TVG, Tarifkonkurrenz. 2 Wiedemann/Wank, § 4 TVG Rz. 270; Kempen/Zachert/Wendeling-Schröder, TVG, § 4 Rz. 150; BAG v. 20.3.1991 – 4 AZR 455/90, AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz. 3 BAG v. 29.3.1957 – 1 AZR 208/55, AP Nr. 4 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG v. 25.7.2001 – 10 AZR 599/00, AP Nr. 242 zu § 1 Tarifverträge: Bau; BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 113/02, AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Buchner, BB 2003, 2121 (2124); Heinze/Ricken, ZFA 2001, 174. 4 BAG v. 24.1.2001 – 4 AZR 655/99, AP Nr. 173 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie. 5 BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 113/02, AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz. 6 BAG v. 14.6.1989 – 4 AZR 200/89, AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Kempen/Zachert/Wendeling-Schröder, TVG, § 4 Rz. 152.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 42 Teil 13 F
klarheit sowie aus Praktikabilitätserwägungen her. Nur die Geltung eines einzigen Tarifvertrages im Betrieb gewährleiste eine praktisch handhabbare und durchschaubare Regelung. Diese Auslegung garantiere vom Belegschafts- und Gewerkschaftswechsel unabhängige Arbeitsbedingungen. Wenn einzelne Arbeitnehmer durch diese Grundsätze ihren Tarifschutz verlören, sei dies im Interesse der genannten Grundsätze in Kauf zu nehmen. Ein Arbeitnehmer, der durch diese Auslegung seinen Tarifschutz einbüße, habe es in der Hand, durch Beitritt zu einer Gewerkschaft den erneuten Tarifschutz zu erlangen. Bei dem Grundsatz der Tarifeinheit im Betrieb handele es sich um eine zulässige Rechtsfortbildung1. Während ein kleiner Teil der Literatur dem BAG zustimmt2, wird von der herrschenden Literatur die Auffassung des BAG abgelehnt3. Die Rechtsprechung des BAG stelle eine unzulässige Rechtsfortbildung dar, die im Tarifvertragsgesetz noch nicht einmal eine Andeutung finde. Die BAGRechtsprechung bedeute einen Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit derjenigen Gewerkschaft, deren Tarifvertrag verdrängt werde. Ihr werde dadurch der Zugang zu einem bestimmten Unternehmen, unter Umständen zu einem ganzen Wirtschaftszweig versperrt4. Sogleich liege auch ein Eingriff in die individuelle Koalitionsfreiheit desjenigen Arbeitnehmers vor, der unter den Geltungsbereich des verdrängten Tarifvertrages falle5.
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Auch angesichts der Kritik in der Literatur deutet sich in der neueren 42 Rechtsprechung ein Abrücken von diesen Grundsätzen an. Das BAG hat am 11.2.2007 entschieden, dass unterschiedliche Arbeitszeiten von verschieden organisierten Arbeitnehmern im Flugbetrieb (Cockpit- und Kabinenpersonal) bei der Auslegung von Tarifverträgen unter dem Gesichtspunkt der „gewillkürten Tarifpluralität“ hinzunehmen sind6. Es war daher bereits erwartet worden, dass das BAG den Grundsatz der Tarifeinheit jedenfalls in den Fällen der Tarifpluralität im Rahmen eines Beschlussverfahrens (4 ABR 19/05) überprüfen und aufgeben, gegebenenfalls differenzieren werde7. Der mit Spannung erwarteten Entscheidung, die für den 21.3.2007 angekündigt war, entzog der antragstellende Arbeitgeber die Grundlage, in dem er seine Zustimmungsersetzungsanträge zurücknahm. Damit besteht die Unsicherheit weiter, ob und inwieweit an dem Grundsatz der Tarifeinheit festgehalten wird. Nach einer Entscheidung des LAG Köln im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, können Tarifverträge mit einem spezielleren Inhalt – zB für einen Teil der Belegschaft – neben den Grundtarifverträgen in ein und demselben Betrieb zur Anwendung gelan1 BAG v. 26.1.1994 – 10 AZR 611/92, AP Nr. 22 zu § 4 TVG; BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 113/02, AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz. 2 Säcker/Oetker, ZfA 1993, 1 (9 ff.); Buchner, BB 2003, 2121 (2124). 3 Löwisch/Rieble, § 4 TVG Rz. 290 ff.; Kempen/Zachert/Wendeling-Schröder, § 4 TVG Rz. 156; Hanau/Kania, Anmerkung zu BAG v. 20.3.1991, AP Nr. 20 zu § 4 TVG; Hohenstatt, DB 1992, 1678; Wiedemann/Arnold, ZTR 1994, 443. 4 Wiedemann/Arnold, ZTR 1994, 443 (446). 5 Wiedemann/Wank, TVG, § 4 Rz. 277. 6 BAG v. 11.2.2004 – 4 AZR 94/03, NZA 2005, 655. 7 Lindemann/Simon, BB 2006, 1852. Vogel
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Teil 13 F Rz. 43
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gen. Damit können Arbeitnehmer, die einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einem anderen Tarifvertrag unterliegen als die Mehrheit der verbleibenden Arbeitnehmer1. Der vierte Senat des BAG will nun den Grundsatz der Tarifeinheit aufgeben und hat deshalb eine Divergenzanfrage (§ 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG) an den zehnten Senat gerichtet. Die Begründung des Vierten Senats entspricht weitgehend den in Rz. 43 dargestellten Aspekten2. 43 Der Grundsatz der Tarifeinheit führt in seiner strikten Anwendung gerade bei berufsgruppenspezifischen Tarifverträgen zu einem nicht hinzunehmenden Eingriff in die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die Individualkoalitionsfreiheit umfasst nämlich nicht nur die Befugnis, sich zur Koalition zusammenzuschließen, einer bestehenden Koalition beizutreten, in ihr zu verbleiben und sich für sie zu betätigen, sondern vor allem – das ist sogar der Hauptzweck der Mitgliedschaft – die Früchte der Aktivitäten der ganzen Koalition, in erster Linie also den Schutz der Tarifverträge, in Anspruch nehmen zu können3. Das Wesen eines Krankenhauses wird dadurch geprägt, dass jeweils verschiedene, in sich homogene Berufsgruppen wie Ärzte, Pflegepersonal und Verwaltungsangestellte nebeneinander tätig sind. Die Auflösung der Pluralität durch das konkurrenzentscheidende Kriterium der größeren Sachnähe zum Betrieb ist für diese Konstellation nicht geeignet. Für jede dieser Berufsgruppen stellt sich das Kriterium der Sachnähe anders. Ebenso wie in Theatern und anderen Spartenbetrieben muss daher auch in Krankenhäusern ein Nebeneinander verschiedener Tarifverträge möglich sein, die für die jeweilige Berufsgruppe eine größere Sachnähe aufweisen4. 44 Gelangt man demnach zur grundsätzlichen Zulässigkeit von arztspezifischen Tarifverträgen, so stellt sich die weitere Problematik, ob der vom Marburger Bund abgeschlossene TV-Ärzte/VKA oder die Regelungen des TVöD mit dem besonderen Teil Krankenhäuser, die ebenfalls arztspezifische Besonderheiten enthalten, Anwendung finden. Lässt man Tarifpluralität uneingeschränkt zu, könnte dies für die Berufungsgruppe der Ärzte bedeuten, dass je nach Tarifbindung unterschiedliche Tarifverträge anzuwenden wären. Sowohl TVöD/TV-L als auch der TV-Ärzte/VKA enthalten spezielle Regelungen für Ärzte. Ein sachliches Spezialitätskriterium lässt sich hier nicht ausmachen. Es erscheint allerdings ebenso wenig praktikabel, für eine bestimmte Beschäftigungsgruppe innerhalb eines Krankenhauses mehrere Tarifverträge zur Anwendung zu bringen, obwohl allein dies 1 LAG Köln v. 12.12.2005 – 2 Ta 457/05, NZA 2006, 62. 2 BAG, Beschl. v. 27.1.2010 – 4 AZR 549/08 (A). 3 Kempen/Zachert/Wendeling-Schröder, TVG § 4 Rz. 167 unter Bezugnahme auf BVerfG v. 4.7.1995 – 1 BvF 2/86, 1/87, 2/87, 3/87, 4/87 und 1 BvR 1421/86, BVerfGE 92, 365 (393). 4 So auch Bayreuther, NZA 2006, 642 (643 ff.); kritisch zu Spartentarifverträgen Buchner, ZfA 2004, 229 (247 ff.), der nur dann Spartentarifverträge zulassen will, wenn eine Branchengewerkschaft eine bestimmte Berufsgruppe tariflich nicht versorgt und diese ausschließlich von einer Spartengewerkschaft vertreten wird (zB das Cockpit-Personal).
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 48 Teil 13 F
einer puristischen Auslegung von Art. 9 Abs. 3 GG entspräche. Hier wird man angesichts der gleichen Sachnähe der vertraglichen Regelungen auf das Kriterium der größeren Zahl der tariflich erfassten Arbeitnehmer zurückgreifen müssen1. Unter Berücksichtigung der höheren Anzahl der Mitglieder wird dies der mit dem Marburger Bund abgeschlossene TV-Ärzte/ VKA sein2. Zu beachten ist noch, dass die Tarifvertragsparteien (Marburger Bund und 45 VKA) in § 2 Abs. 1 TVÜ-Ärzte/VKA selbst eine Konkurrenzregelung getroffen haben. Danach soll der TVÜ-Ärzte/VKA bei tarifgebundenen Arbeitgebern mit Wirkung zum 1.8.2006 den TVöD und den BT-K ersetzen und damit vorrangig gelten. Die gewillkürte Verdrängung eines mit einer anderen Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrages ist aber rechtlich nicht möglich, so dass die Konkurrenzregelung zumindest für ver.di-Mitglieder keine Anwendung finden kann. Es ergibt sich aber aus dieser Regelung, dass zumindest die Arbeitgeberverbände davon ausgehen, dass der Marburger Bund die Ärzteschaft eher repräsentiert als ver.di.
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Hinweis: Nach dem bisherigen Grundsatz der Tarifeinheit würde der 46 TV-Ärzte/VKA durch den TVöD mit den Sonderregelungen für Krankenhäuser verdrängt. Dieses Ergebnis erscheint allerdings zweifelhaft. Man wird daher davon ausgehen müssen, dass für die Ärzte in erster Linie der TV-Ä Anwendung findet. Dies entspricht auch im Wesentlichen der von den Krankenhäusern geübten Praxis. Auch die Arbeitgeberverbände im öffentlichen Dienst gehen bei den Arbeitsvertragsmustern für Ärzte wie selbstverständlich von einer ausschließlichen Geltung der Tarifverträge mit dem Marburger Bund aus3.
bb) Ärzte ohne Tarifbindung Sind Ärzte nicht Mitglied im Marburger Bund oder bei ver.di, so enthalten 47 die Arbeitsverträge im öffentlichen Dienst regelmäßig Bezugnahmeklauseln. Bislang waren nach der Rechtsprechung des BAG Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen tarifgebundener Arbeitgeber als Gleichstellungsabrede auszulegen4. Danach sollte die arbeitsvertragliche Bezugnahme die fehlende Gewerkschaftsmitgliedschaft des Arbeitnehmers ersetzen, dh. ihn einem tarifgebundenen Arbeitnehmer gleichstellen5. Für die nicht tarifgebundenen Ärzte bedeutet die Auslegung als Gleichstellungsabrede, dass der Tarifvertrag anzuwenden ist, der auch für die tarifgebundenen Arbeitnehmer des Betriebes gilt, was in diesem Fall aufgrund 1 BAG v. 4.12.2002 – 10 AZR 113/02, AP Nr. 28 zu § 4 Tarifkonkurrenz. 2 So auch Weth/Thomae/Reichold/Reichold, 10 A Rz. 34. 3 S. für den Bereich der Länder: Rundschreiben der TdL v. 31.10.2006 – 2.06/1113/06-D/2. 4 BAG v. 14.2.1973 – 4 AZR 176/72, BAGE 25, 34; 19.3.2003 – 4 AZR 331/02, NZA 2003, 1207; BAG v. 27.11.2002 – 4 AZR 540/01, NZA 2003, 1278. 5 Zustimmend Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rz. 232; Gaul, ZFA 2003, 75 (91); kritisch Hanau, NZA 2005, 489; Hüssing, NZA 2005, 1280; Annuß, ZFA 2005, 405. Vogel
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der Mehrheit der im Marburger Bund organisierten Ärzte (vgl. Rz. 44 f.) der TV-Ärzte/VKA wäre. Eine Ausnahme gilt, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Bezugnahmeklausel selbst nicht mehr tarifgebunden war. Dann gilt der in Bezug genommene Tarifvertrag und es liegt keine Gleichstellungsabrede vor. 49 Zu berücksichtigen ist, dass das BAG in seiner Entscheidung vom 14.12.2005 für erst ab dem 1.1.2002 abgeschlossene Arbeitsverträge diese Auslegung von Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede nicht mehr fortführen will1. Dabei stützt sich der Senat vorrangig auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB. Die bisherige Auslegung nahm einen Umstand an, der in dem an sich eindeutigen Wortlaut dynamischer einzelvertraglicher Inbezugnahme von Tarifverträgen keinen Anhalt findet. Man könne ohne weiteres Bezugnahmeklauseln eindeutig formulieren und im Vertragstext zweifelsfrei zum Ausdruck bringen, was die Arbeitsvertragsparteien tatsächlich gewollthätten. Der bisherigen Auslegung steht auch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen2. 50 Allein entscheidend für die Anwendung des TV-Ärzte/VKA oder des TVöD-BT-K ist, welcher Tarifvertrag tatsächlich in Bezug genommen wurde. 51
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Praxistipp: Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sollte der Arbeitgeber in Arbeitsverträgen klar regeln, auf welche Tarifverträge für die Ärzte verwiesen werden soll. Diese sollten eindeutig bezeichnet werden. Da es die Ärzte durch Eintritt in den Marburger Bund auch jederzeit in der Hand haben, die Geltung durch eine unmittelbare Tarifbindung zu erzeugen, empfiehlt es sich, auf die Tarifverträge des Marburger Bunds (TV-Ärzte/VKA) zu verweisen.
cc) Arbeitgeber ohne Tarifbindung 52 Sind Krankenhäuser nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband, wenden allerdings die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes an, so spielt die Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer keine Rolle. Es fehlt an der beiderseitigen Tarifgebundenheit, so dass weder der TV-Ärzte/VKA noch der TVöD mit den Sonderregelungen des BT-K normativ gelten kann. Eine Auslegung als Gleichstellungsabrede ist bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern nur möglich, wenn diese zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages tarifgebunden waren3 und der Arbeitsvertrag vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurde4. 53 Welcher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis von Ärzten mit Bezugnahmeklausel Anwendung finden wird, ist in den Fällen mangelnder Tarifgebundenheit allein durch die Formulierung im Arbeitsvertrag zu erschlie1 2 3 4
BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607. BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607 (610). BAG v. 1.12.2004 – 4 AZR 50/04, NZA 2005, 478. BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 56 Teil 13 F
ßen. Wird in neu abgeschlossenen Arbeitsverträgen auf „den TVöD und die ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge“ verwiesen, so gilt allein dieser Tarifvertrag im Arbeitsverhältnis. In älteren Arbeitsverträgen, in denen auf den „Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) sowie die ergänzenden ersetzenden Tarifverträge“ verwiesen wird, ist die Bestimmung, ob der TV-Ä oder der TVöD Anwendung findet, schwierig. Für die Geltung des TVöD-BT-K als ersetzenden Tarifvertrag spricht insbesondere, dass diese Tarifverträge zeitlich vor dem TV-Ärzte/VKA abgeschlossen wurden. Dagegen kann man die Auffassung vertreten, dass der BAT zumindest für die Beschäftigtengruppe der Ärzte nicht durch Inkrafttreten des TVöD abgelöst wurde und daher für die Mitglieder des Marburger Bundes die Regelungen des BAT nicht abgelöst wurden1.
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Praxistipp: Für nicht tarifgebundene Arbeitgeber empfiehlt es sich, an- 54 gesichts der Unsicherheiten bei der Auslegung von Bezugnahmeklauseln mit den Ärzten eindeutige Regelungen zu vereinbaren, welche Tarifverträge Grundlage der Bezugnahmeklausel sein sollen.
3. Arztspezifische Regelungen des TVöD (TVöD-K und TVöD-B) a) Regelungen des TVöD-K aa) Anwendungs- und Geltungsbereich Vom Geltungsbereich des TVöD-K2 werden mit Ausnahme der Chefärzte 55 alle anderen im Krankenhaus tätigen Ärzte erfasst, also auch die Oberärzte. Die Ausnahme in § 1 Abs. 2 Buchst. b TVöD-K, nach der der Tarifvertrag für Mitarbeiter keine Anwendung findet, die eine regelmäßige Vergütung oberhalb der Entgeltgruppe 15 erhalten, gilt nicht für Ärzte, weil für diese eine gesonderte Vergütungsgruppe gilt. Ärzte werden also auch vom Geltungsbereich des TVöD-K erfasst, wenn deren Vergütung das Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 15 übersteigt3.
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Hinweis: Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 TVöD-K kann mit – Ärzten als ständige Vertreter der leitenden Ärzte, – Ärzten, die einen selbständigen Funktionsbereich innerhalb einer Fachabteilung oder innerhalb eines Fachbereich mit mindestens 10 Mitarbeitern leiten – Ärzten, denen mindestens 5 Ärzte unterstellt sind, sowie – ständigen Vertretern von leitenden Zahnärzten mit 5 unterstellten Zahnärzten eine abweichende Regelung über die Tarifgeltung getroffen werden. Dies bedeutet, dass neben einem anderen Entgelt auch die sonstigen tariflichen Regelungen, zB besonderer Kündigungsschutz, Arbeitszeit
1 So etwa LAG Köln v. 12.12.2005 – 2 Ta 457/05, NZA 2006, 62. 2 Zum Anwendungsbereich des TVöD-K, insbesondere zur Abgrenzung zum auf Pflege- und Betreuungseinrichtungen Anwendung findenden TVöD-B vgl. Rz. 29. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 1 TVöD-K Rz. 11. Vogel
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Teil 13 F Rz. 57
Krankenhäuser
etc. vertraglich abbedungen werden können. Entscheidend wird aber sein, dass mit diesen Ärzten zumindest ein Entgelt über der Entgeltgruppe 15 vereinbart wird. 57 Nach der Protokollerklärung Nr. 2 zu § 1 TVöD-K sind Ärzte vom Geltungsbereich des TVöD-K ausgenommen, die sich bereits vor dem 1.8.2006 in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis befinden. Für sie verbleibt es bei der Anwendung des TVöD-K in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung. Wurde die Altersteilzeit bereits vor dem 1.8.2006 vereinbart, diese aber erst nach diesem Zeitpunkt begonnen, ist auf Verlangen die Aufhebung der Altersteilzeitvereinbarung zu prüfen. 58 Diese Regelung gilt entsprechend, wenn sich der Arzt am 1.8.2006 in Altersteilzeit befindet, jedoch nur, wenn bei – Altersteilzeit im Blockmodell am 1.8.2006 ein Zeitraum von nicht mehr als 1/3 der Arbeitsphase, – Altersteilzeit im Teilzeitmodell am 1.8.2006 ein Zeitraum von nicht mehr als 1/3 der Altersteilzeit zurückgelegt ist. 59 Der Arzt in Altersteilzeit hat damit keinen Rechtsanspruch auf die Aufhebung der Altersteilzeitvereinbarung. Allerdings muss der Arbeitgeber den Antrag prüfen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob und inwieweit die Vereinbarung aufzuheben und auf den Arzt der neue Tarifvertrag anzuwenden ist. Der Arzt ist an eine Frist zur Geltendmachung der Aufhebung nicht gebunden. Wird die Altersteilzeitvereinbarung aufgehoben, so gelten die neu vereinbarten Regelungen nur für die Zukunft. Es dürfte zulässig sein, die entsprechenden Altersteilzeitverhältnisse in beiderseitigem Einvernehmen abzuändern und andere Regelungen, gegebenenfalls auch die Anwendung des TV-Ärzte (Marburger Bund) zu vereinbaren. 60
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Hinweis: Werden Förderleistungen der Bundesagentur für Arbeit beansprucht, sollte die Vertragsumstellung in enger Abstimmung mit der zuständigen Arbeitsagentur erfolgen.
bb) Allgemeine Arbeitsbedingungen – Vertragspflichten 61 Die Regelungen hinsichtlich allgemeiner Arbeitsbedingungen entsprechen im Wesentlichen den Bestimmungen des TVöD (Allgemeiner Teil). Dazu gehören die Geheimhaltungsverpflichtung, das Verbot der Annahme von Geschenken oder sonstiger Vergünstigungen und das Anzeigegebot von Nebentätigkeiten. Zudem haben sich auch Ärzte nach § 3 Abs. 4 TVöD-K bei begründeter Veranlassung auf Weisung des Arbeitgebers untersuchen zu lassen. Im Hinblick auf Versetzung, Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung gelten ebenfalls die allgemeinen Regelungen des TVöD. 62 Bei der Haftungseinschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit handelt es sich um eine tarifliche Besserstellung der Beschäftigten im öffent1224
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 65 Teil 13 F
lichen Dienst im Hinblick auf die sonst geltende Gesetzeslage. Nach der Rechtsprechung des BAG muss nämlich der Arbeitnehmer grundsätzlich auch bei mittlerer Fahrlässigkeit einen Beitrag zur Begleichung des Schadens leisten. Der Schaden ist dann unter Berücksichtigung aller Umstände quotal zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verteilen1. Ein Arzt, der von einem Patienten wegen eines Schadens in Anspruch genommen wird, der nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht, hat gegenüber dem Krankenhausträger einen Freistellungsanspruch2. Die Haftungsbeschränkung gilt bei „betrieblich veranlassten Tätigkeiten“. Haftungsfälle „bei Gelegenheit“ betrieblicher oder dienstlicher Tätigkeiten werden nicht erfasst3. § 3.1 TVöD-K regelt spezifische Pflichten der Ärzte. Zu den Dienstaufgaben nachgeordneter Ärzte gehört vorrangig die Pflicht,
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– ärztliche Bescheinigungen auszustellen, – am Rettungsdienst im Notarztwagen und Hubschrauber auf Verlangen des Arbeitgebers teilzunehmen, – auf Verlangen des Arbeitgebers im Rahmen der zugelassenen Nebentätigkeit von leitenden Ärzten oder für Belegärzte innerhalb der Einrichtung ärztlich tätig zu werden, – Gutachten und wissenschaftliche Ausarbeitungen zu erstellen, die nicht von einem Dritten angefordert und vergütet werden. Zudem kann der Arzt verpflichtet werden, als Nebentätigkeit Unterricht 64 zu erteilen sowie Gutachten und wissenschaftliche Ausarbeitungen, die von einem Dritten angefordert werden, zu erstellen, und zwar auch im Rahmen einer zugelassenen Nebentätigkeit des leitenden Arztes. In diesem Fall haben die Ärzte nach Maßgabe ihrer Beteiligung einen Anspruch auf einen Teil der Vergütung, wenn diese dem Krankenhaus ausschließlich zusteht. Des Weiteren sind sie berechtigt, für die Nebentätigkeit einen Anteil der von dem Dritten zu zahlenden Vergütung anzunehmen. Falls die Vergütung offenbar nicht dem Maß der Beteiligung des Arztes entspricht, kann der Arzt die Übernahme der Nebentätigkeit verweigern. In diesem Fall trägt der Arzt aber das Risiko, dass vom Gericht die angebotene Vergütung als nicht offenbar ungenügend erachtet wird. Der Arzt hat dann im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber eine Pflichtverletzung begangen, wenn er sich geweigert hat, die Aufgabe zu erfüllen. § 5.1 TVöD-K enthält eine auf Ärzte bezogene umfassende Regelung zur 65 Qualifizierung. Der Arbeitgeber hat für Beschäftigte, die sich im FacharztSchwerpunkt Weiterbildung oder Zusatzausbildung nach dem Gesetz über 1 BAG v. 24.11.1987 – 8 AZR 524/82, AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; BAG v. 16.2.1995 – 8 AZR 493/93, AP Nr. 106 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 2 Vgl. zum Begriff des „Vorsatzes“ BGH v. 11.2.2003 – VI ZR 34/02, NJW 2003, 1605 und zum Begriff der „groben Fahrlässigkeit“ BAG v. 23.3.1983 – 7 AZR 391/79, AP Nr. 82 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 TVöD-K Rz. 6. Vogel
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Teil 13 F Rz. 66
Krankenhäuser
befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG) befinden, einen Weiterbildungsplan aufzustellen, der unter Berücksichtigung des Standes der Weiterbildung die zu vermittelnden Ziele und Inhalte der Weiterbildungsabschnitte sachlich und zeitlich gegliedert festlegt. Die zu vermittelnden Ziele und Inhalte ergeben sich aus den jeweiligen Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern. § 5.1 Abs. 1 TVöD-K enthält insoweit keine über die bisherige Rechtslage hinausgehenden Verpflichtungen des Krankenhausträgers, vermittelt aber den Ärzten einen unmittelbaren arbeitsrechtlichen Anspruch auf Erstellung eines Weiterbildungsplans. Es handelt sich also nicht mehr nur um eine öffentlich-rechtliche, in der Weiterbildungsordnung vorgesehene Verpflichtung des Arbeitgebers1. Es verbleibt auch – wie das BAG festgestellt hat – beim Grundsatz, dass für die Weiterbildung der leitende Arzt als ermächtigter Angehöriger der Ärztekammer entsprechend den Vorschriften der Weiterbildungsordnung verantwortlich ist. Der Chefarzt ist insoweit aber kein Erfüllungsgehilfe des Krankenhausträgers2. Der Krankenhausträger muss den Chefarzt (§ 5.1 Abs. 1 TVöD-K) dazu anhalten, einen Weiterbildungsplan zu erstellen. Verweigert sich der Chefarzt dieser Dienstaufgabe, so kommen unter Umständen Sanktionen des Krankenhausträgers, zB eine Abmahnung etc., in Betracht. 66 Den Arbeitgeber trifft nach § 5.1 Abs. 1 TVöD-K die Verpflichtung, die Weiterbildung im Rahmen des Versorgungsauftrags bei wirtschaftlicher Betriebsführung so zu organisieren, dass der Beschäftigte die festgelegten Weiterbildungsziele in der von der Weiterbildungsverordnung vorgesehenen Zeit erreichen kann. Hat der Arbeitgeber zu vertreten, dass Weiterbildungsziele in der vereinbarten Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht erreicht werden können, so ist die Dauer des Arbeitsvertrages nach § 5.1 Abs. 3 TVöD-K entsprechend zu verlängern. Ein Vertretenmüssen des Arbeitgebers kommt vor allem in Betracht, wenn der Arzt überwiegend mit fachfremden Aufgaben beschäftigt wird oder der leitende Arzt die Weiterbildung des Beschäftigten blockiert, weil die zur Weiterbildung notwendigen Operationen nicht zugeteilt werden und der Arbeitgeber trotz entsprechenden Hinweises des Arztes nicht eingreift3. Da die Regelung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung unberührt bleibt, muss sich auch eine Verlängerung gemäß § 5.1 Abs. 3 Satz 1 TVöD-K immer in den zeitlichen Grenzen dieses Gesetzes halten. Im Falle lang andauernder Arbeitsunfähigkeit sollen die Vorschriften des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung sinngemäß angewendet werden. Wenn Ärzte wegen einer lang andauernden Arbeitsunfähigkeit ihre Weiterbildungsziele nicht erreichen können, sollen diese Zeiten entsprechend § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG nicht auf die Dauer des befristeten Arbeitsvertrages angerechnet werden. Lang andauernde Arbeitsunfähigkeit setzt jedenfalls die Überschreitung des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraumes von sechs Wochen voraus. Entsprechend § 1 1 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 5.1 TVöD-K Rz. 4. 2 BAG v. 22.2.1990 – 8 AZR 584/88, NZA 1990, 845. 3 Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, § 5.1 TVöD-K Rz. 7.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 71 Teil 13 F
Abs. 4 Nr. 1, 2 und 5 ÄArbVtrG beschränkt sich die Nichtanrechnung der Krankheitszeiten auf maximal zwei Jahre. Der Arzt in Weiterbildung hat in diesen Fällen grundsätzlich einen An- 67 spruch auf Abschluss eines weiteren befristeten Anstellungsvertrages, sofern dies noch nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung zulässig ist. Dieser Anspruch steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Verlängerung mit dem Versorgungsauftrag und der wirtschaftlichen Betriebsführung vereinbar ist. Im Einzelfall bedarf es also einer Abwägung der Interessen des Arztes mit den unternehmerischen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers, wobei der Tarifvertrag hier keine weiteren Abwägungskriterien vorgibt. Für die Teilnahme an Arztkongressen, Fachtagungen und ähnlichen Ver- 68 anstaltungen ist dem Arzt Arbeitsbefreiung bis zu drei Arbeitstagen im Kalenderjahr unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren. Die Arbeitsbefreiung wird auf einen Anspruch nach den Weiterbildungsgesetzen der Länder angerechnet. Erstatten Dritte die Kosten, kann eine Freistellung für bis zu fünf Arbeitstage erfolgen (§ 5.1 Abs. 4 TVöD-K). cc) Arbeitszeit, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft (1) Regelmäßige Arbeitszeit Die regelmäßige Arbeitszeit für Ärzte beträgt nach § 6 Abs. 1.1 TVöD-K durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich. Bei der Berechnung der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Der TVöD-K überlässt also dem Arbeitgeber und dem Betriebs-/Personalrat einen Entscheidungsspielraum, während der TV-Ä (Marburger-Bund-Tarifvertrag) bei der Berechnung von einem festen Zeitraum von einem Jahr ausgeht.
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Der Arbeitgeber hat die Verpflichtung, die Arbeitszeiten der Ärzte durch 70 elektronische Zeiterfassung oder auf andere Weise zu dokumentieren. Die Tarifvertragsparteien gehen insoweit über die in § 16 Abs. 2 ArbZG geregelte Pflicht zur Aufzeichnung hinaus. Gesetzlich ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen. Nunmehr ist nach der tariflichen Regelung davon auszugehen, dass auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes und der Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft dokumentiert werden müssen. Der Arbeitgeber hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Arbeitszeit- 71 gesetzes und des Arbeitsschutzgesetzes bei Ärzten im Schichtdienst die tägliche Arbeitszeit bis zu zwölf Stunden ausschließlich der Pausen auszudehnen (§ 6 Abs. 4.1 TVöD-K). Macht der Arbeitgeber von diesem Recht Gebrauch, darf er solche Schichten nicht mit Bereitschaftsdienst kombinieren. Zudem dürfen in unmittelbarer Folge nicht mehr als vier Zwölfstundenschichten und innerhalb von zwei Kalenderwochen nicht mehr als acht Zwölfstundenschichten geleistet werden. Bei der Einführung der Vogel
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Teil 13 F Rz. 72
Krankenhäuser
Zwölfstundenschichten sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebs- oder Personalrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bzw. entsprechende Vorschriften nach den Landespersonalvertretungsgesetzen) zu beachten. (2) Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft 72 Zu dem Aufgabenbereich eines nachgeordneten Arztes gehört die Teilnahme am Bereitschaftsdienst und an der Rufbereitschaft. Dies gilt unmittelbar für Assistenzärzte. Oberärzte sind grundsätzlich nur verpflichtet, im Bereitschaftsdienst Oberarzttätigkeiten zu verrichten, es sei denn, die Vertragsparteien haben eine Regelung getroffen, nach der der Oberarzt im Bereitschaftsdienst auch mit Assistenzarzttätigkeiten beschäftigt werden kann1. 73 Von Bereitschaftsdienst spricht man, wenn der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um sobald als notwendig seine Arbeit aufzunehmen2. Solange kein persönlicher Arbeitseinsatz erforderlich ist, darf der Arbeitnehmer während des Bereitschaftsdienstes ruhen oder sich anderweitig beschäftigen. Nach Auffassung des EuGH ist Bereitschaftsdienst, der in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsort geleistet wird, insgesamt als Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG vom 23.11.1993 anzusehen3. Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch das BAG angeschlossen4. Der deutsche Gesetzgeber hat das Arbeitszeitgesetz zwischenzeitlich der europäischen Rechtslage angepasst5. 74 Rufbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich nicht an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, sondern nur jederzeit erreichbar sein muss, um seine beruflichen Aufgaben auf Abruf unverzüglich wahrnehmen zu können. Die Rufbereitschaft ist keine Arbeitszeit im Sinne des ArbZG und der Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG6. 75
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Beachte: Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit im Sinne des öffentlichrechtlichen Arbeitsschutzes. Der EuGH hat allerdings betont, dass sich die Richtlinie 93/104/EG nur auf Arbeitszeit, nicht aber auch auf das Arbeitsentgelt bezieht. Daher können grundsätzlich Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft anders als die tatsächlich geleistete Arbeit vergütet werden7.
76 Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst werden in § 7.1 TVöD-K neu geregelt. Die Norm enthält eine von §§ 3, 5 und 6 Abs. 1 ArbZG abweichende Regelung. Damit machen die Tarifvertragsparteien von der Kompetenz ge1 Andreas/Debong/Bruhns, Rz. 245. 2 BAG v. 5.6.2003 – 6 AZR 114/02, NZA 2004, 164; BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 93/03, NZA 2004, 927. 3 EuGH v. 3.10.2000 – Rs. C 303/98 (Simap), NZA 2000, 1227; EuGH v. 9.9.2003 – Rs. C-151/02 (Jaeger), NZA 2003, 1019. 4 BAG v. 16.3.2004 – 9 AZR 93/03, NZA 2004, 927. 5 Vgl. zur Rechtsentwicklung Schliemann, NZA 2004, 513 ff. 6 EuGH v. 3.10.2000 – Rs. C 303/98 (Simap), NZA 2000, 1227. 7 EuGH v. 1.12.2005 – Rs. C-14/04, NZA 2006, 89.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 80 Teil 13 F
mäß § 7 ArbZG Gebrauch, nach der Abweichungen von der Tageshöchstarbeitszeit durch Tarifvertrag oder durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung auf der Grundlage eines Tarifvertrages möglich sind. Nach der Regelung kann die tägliche Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes über acht Stunden hinaus verlängert werden, wenn die acht Stunden überschreitende Zeit im Rahmen von Bereitschaftsdienst geleistet wird, wobei zwischen den Bereitschaftsdiensten der Stufe I einerseits und den Bereitschaftsdiensten der Stufen II und III andererseits differenziert wird. Bei Bereitschaftsdiensten der Stufe I kann die tägliche Arbeitszeit über acht Stunden hinaus bis zu insgesamt max. 16 Stunden täglich verlängert werden. Die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen verlängern diesen Zeitraum nicht. Bei Bereitschaftsdiensten der Stufen II und III kann die tägliche Arbeitszeit bis zu max. 13 Stunden verlängert werden, wobei auch hier die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen diesen Zeitraum nicht verlängern. Die Betriebsparteien haben weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten. Sie können aufgrund einer Betriebs-/Dienstvereinbarung weitergehende Arbeitszeitmodelle vereinbaren. Im Rahmen des § 7 ArbZG kann unter den Voraussetzungen
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a) einer Prüfung alternativer Arbeitszeitmodelle, b) einer Belastungsanalyse gem. § 5 ArbSchG und c) gegebenenfalls daraus resultierender Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitszustandes aufgrund einer Betriebs-/Dienstvereinbarung von den Regelungen des ArbZG abgewichen werden. Die Arbeitszeit ausschließlich der Pausen darf allerdings max. 24 Stunden betragen. Nach § 7.1. Abs. 4 TVöD-K sind auch sog. Opt-out-Modelle zulässig. Sofern die oben genannten Voraussetzungen vorliegen, kann die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich verlängert werden, wobei
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a) bei Bereitschaftsdiensten der Stufe I eine wöchentliche Arbeitszeit von bis zu max. durchschnittlich 58 Stunden, b) bei Bereitschaftsdiensten der Stufen II und III eine wöchentliche Arbeitszeit von bis zu max. durchschnittlich 54 Stunden zulässig ist.
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Beachte: Wollen die Betriebsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch 79 machen, müssen sie gemäß § 7.1 Abs. 6 TVöD-K bei Aufnahme von Verhandlungen über eine solche Betriebs-/Dienstvereinbarung nach den Absätzen 3 und 4 die Tarifvertragsparteien auf landesbezirklicher Ebene informieren.
Für den Bereitschaftsdienst und den Rufbereitschaftsdienst haben die Tarif- 80 vertragsparteien im TVöD-K besondere Entgelte vereinbart1. 1 S. hierzu TVöD-K-Lexikon/Schwerdle, Stichwort 3a Rz. 22 mit ausführlichen Beispielen. Vogel
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Teil 13 F Rz. 81
Krankenhäuser
dd) Vergütung (Entgelt und Eingruppierung) 81 Die Tarifvertragsparteien haben in § 12.1 TVöD-K eine Sonderregelung für die Eingruppierung von Ärzten vereinbart. Der TVöD-K sieht nur zwei Entgeltgruppen mit Tätigkeitsmerkmalen vor und zwar: Entgeltgruppe I: Ärztinnen und Ärzte mit entsprechender Tätigkeit, und zwar in – Stufe I: bis zu einjähriger ärztlicher Berufserfahrung, – Stufe II nach einjähriger ärztlicher Berufserfahrung – Stufe III: nach dreijähriger ärztlicher Berufserfahrung, – Stufe IV: nach fünfjähriger ärztlicher Berufserfahrung, – Stufe V: nach neunjähriger ärztlicher Berufserfahrung, Entgeltgruppe II: Fachärztinnen und Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit, und zwar in – Stufe I: mit weniger als vierjähriger fachärztlicher Berufserfahrung – Stufe II: nach vierjähriger fachärztlicher Berufserfahrung – Stufe III: nach achtjähriger fachärztlicher Berufserfahrung – Stufe IV: nach zwölfjähriger ärztlicher Berufserfahrung. Inwieweit Zeiten ärztlicher Berufserfahrung anerkannt werden, bestimmt § 12.1 Abs. 2 TVöD-K. 82 Für Oberärzte und leitende Oberärzte sieht der TVöD-K keine eigene Entgeltgruppe vor. Vielmehr erhalten diese Funktionszulagen. Bei den Funktionszulagen ist zu unterscheiden zwischen Ärzten, denen aufgrund ausdrücklicher Anordnung die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Funktionsbereich innerhalb einer Fachabteilung oder eines Facharztbereiches seit dem 1.9.2006 übertragen worden ist (Oberarzt), und Fachärzten, die als ständige Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes) durch ausdrückliche Anordnung bestellt sind (leitende Oberärzte/leitender Oberarzt). Als leitender Oberarzt nach der Protokollerklärung zu § 12.1 Abs. 3 TVöD-K ist derjenige anzusehen, der den leitenden Arzt in der Gesamtheit seiner Dienstaufgaben vertritt. Das Tätigkeitsmerkmal kann innerhalb einer Abteilung (Klinik) nur von einem Oberarzt erfüllt werden. Gemäß der Protokollerklärung zu § 12.1 Abs. 4 TVöD-K sind Funktionsbereiche, die ein Oberarzt wahrnimmt, „wissenschaftlich anerkannte Spezialgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebietes“, zB Radiologie oder sonstige vom Arbeitgeber ausdrücklich definierte Funktionsbereiche. 83
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Beachte: Beim Zusammentreffen mehrerer Funktionszulagen wird nur eine Funktionszulage, gegebenenfalls die höhere bezahlt. Bei Wegfall der Funktion entfällt auch die Funktionszulage (§ 12.1 Abs. 5 Satz 1 TVöD-K). Dies kommt insbesondere bei einvernehmlicher Einigung über den Wegfall der Funktion oder mit Ablauf einer lediglich befristeten Übertragung einer Leitungsfunktion nach §§ 31, 32 TVöD-K in Betracht.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 90 Teil 13 F
Bei der Stufenzuordnung ist die ärztliche Tätigkeit zu berücksichtigen. Möglich ist auch eine sog. Vorweggewährung von Stufen (§ 17 Abs. 4.1 Satz 1 TVöD-K), dh., dass im Rahmen einer Entscheidung des Arbeitgebers im Einzelfall ein um bis zu 2 Stufen höheres Entgelt innerhalb einer Entgeltgruppe gezahlt werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass dies zur
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– regionalen Differenzierung, – Deckung des Personalbedarfs oder – Bindung von qualifizierten Fachkräften erforderlich ist. Nach § 18 TVöD-K haben die Ärzte auch einen Anspruch auf ein Leis- 85 tungsentgelt. ee) Sonstige tarifliche Regelungen Die tariflichen Regelungen für Ärzte im Hinblick auf Urlaub, Zusatzurlaub, Sonderurlaub und Arbeitsbefreiung (§§ 26 bis 29 TVöD-K) enthalten mit einer Ausnahme keine Besonderheiten. Lediglich § 27 Abs. 3.1 TVöD-K enthält eine Konkretisierung zum Anspruch auf Zusatzurlaub für Nachtarbeit. Auch die Regelungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§§ 30 bis 35 TVöD-K) sind für Ärzte nicht abweichend getroffen.
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frei.
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ff) Überleitung der Ärzte in den neuen Tarifvertrag Der TVöD-K in der bis zum 31.7.2006 gültigen Fassung ist gemäß § 3 BT-K 88 in den seit 1.8.2006 neu gefassten TVöD-K übergeleitet. Die Überleitungsregelung enthält insbesondere die Überleitung der Entgeltgruppen in die für Ärzte neu geschaffenen Entgeltgruppen I und II und Regelungen über die Gewährung von Einmalzahlungen. b) TVöD-B (Ärzte in Pflegeeinrichtungen) – Wesentliche Abweichungen vom TVöD-K Die Regelungen für Ärzte in Pflegeeinrichtungen entsprechen im Wesentlichen den Regelungen, die auch für das nicht ärztliche Personal gelten. So bestehen zB im Gegensatz zum TVöD-K für Ärzte in Altersteilzeit keine Sonderregelungen, vgl. dazu Rz. 57 ff. Ärzte in Betreuungseinrichtungen haften auch für mittlere Fahrlässigkeit. Die Haftungsprivilegierung in § 3 TVöD-K gilt insoweit nicht.
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Auch die Arbeitszeiten für Ärzte in Pflege- und Betreuungseinrichtungen 90 unterscheiden sich nicht vom nicht ärztlichen Personal. Die Regelungen zur Verlängerung der Arbeitszeit im Bereitschaftsdienst sind entsprechend im TVöD-K enthalten, wobei die Bereitschaftsdienststufen A und B des TVöD-B der Bereitschaftsdienstsstufe I TVöD-K entsprechen.
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Teil 13 F Rz. 91
Krankenhäuser
91 Die Eingruppierung ist abweichend vom TVöD-K in § 12.1 TVöD-B mit folgender besonderer Stufenzuordnung geregelt: a) Entgeltgruppe 14 Stufe I: Ärztinnen und Ärzte ohne Berufserfahrung mit entsprechender Tätigkeit b) Entgeltgruppe 14 Stufe II: Ärztinnen und Ärzte mit entsprechender Tätigkeit nach einjähriger Berufserfahrung c) Entgeltgruppe 14 Stufe III: Fachärztinnen und Fachärzte mit entsprechender Tätigkeit d) Entgeltgruppe 14 Stufe IV: Fachärztinnen und Fachärzte nach fünfjähriger entsprechender Tätigkeit e) Entgeltgruppe 14 Stufe V: Fachärztinnen und Fachärzte nach neunjähriger entsprechender Tätigkeit f) Entgeltgruppe 14 Stufe VI: Fachärztinnen und Fachärzte nach dreizehnjähriger entsprechender Tätigkeit. 92 Daneben sind für Oberärzte und leitende Oberärzte Funktionszulagen (vgl. § 12.1. Abs. 2, 3 und 4 TVöD-B) vorgesehen. 4. Regelungen des TV-Ärzte/VKA a) Vorbemerkung 93 Der TV-Ärzte/VKA enthält viele Bestimmungen, die wörtlich den Bestimmungen des TVöD-K entsprechen. Die Tarifvertragsparteien haben beim TV-Ärzte/VKA nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Sonderregelungen für Ärzte auf Basis des TVöD bzw. TV-L zu vereinbaren, sondern einen eigenständigen und durchgeschriebenen Tarifvertrag vereinbart. Arbeitsverhältnisse von neu eingestellten Ärzten, die Mitglied des Marburger Bunds sind oder deren Arbeitsvertrag auf den TV-Ärzte/VKA Bezug nimmt, richten sich nunmehr ausschließlich nach den in den mit dem Marburger Bund geschlossenen Tarifverträgen niedergelegten Arbeitsbedingungen. Dies hatte zur Folge, dass zunächst einige wichtige Tarifverträge für den öffentlichen Dienst, wie der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9.1.1987 (TV-Rat), keine Anwendung fanden. Zwischenzeitlich wurden in der Tarifeinigung 2008 der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte mit Wirkung vom 1.1.2008 für Ärzte wieder in Kraft gesetzt und damit die Lücke geschlossen. Gleiches gilt für den Tarifvertrag zur sozialen Absicherung. Der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (TV-ATZ) vom 5.5.1998 wurde rückwirkend zum 1.8.2006 wieder in Kraft gesetzt. Dieser ist allerdings zum 31.12.2009 ausgelaufen.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 99 Teil 13 F
Zur Altersversorgung enthält § 26 TV-Ärzte/VKA ausdrücklich die Bestimmung, dass die entsprechenden Tarifverträge über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und die Tarifverträge über die zusätzliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge-TV-Kommunal – in der jeweils geltenden Fassung von den Beschäftigten in Anspruch genommen werden können.
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b) Arbeitszeit Nach § 7 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA beträgt die regelmäßige wöchentliche Ar- 95 beitszeit 40 Stunden. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein fester Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen, während beim TVöD-K die Tarifvertragsparteien die Regelung von bis zu einem Jahr getroffen haben. Die Regelung im TV-Ärzte/VKA ist daher weniger flexibel. In § 6 Abs. 6 bzw. 7 TV-Ärzte/VKA ist den Betriebsparteien durch Betriebs-/Dienstvereinbarung eröffnet, für Ärzte einen wöchentlichen Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden und eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden einzurichten. Während diese Möglichkeiten nach § 6 Abs. 8 TVöD-K nur alternativ zulässig sind, können nach dem TV-Ärzte/ VKA diese Modelle auch eingeführt werden, wenn die Ärzte Wechselschicht- oder Schichtdienst leisten.
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Ein weiterer Unterschied zum TVöD besteht darin, dass im Bereich des TV-Ärzte/VKA ein Arbeitszeitkonto nicht zwingend eingerichtet werden muss. Damit können auch Regelungen abweichend von § 10 TVöD-K für die Ärzte vereinbart werden.
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Beachte: Nach § 7 Abs. 9 TV-Ärzte/VKA müssen die Arbeitgeber, die 98 von den Flexibilisierungsmöglichkeiten der Erweiterung des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors bzw. der täglichen Rahmenzeit Gebrauch machen, den jeweiligen kommunalen Arbeitgeberverband und den entsprechenden Landesverband des Marburger Bundes unverzüglich über den Abschluss einer entsprechenden Betriebs-/Dienstvereinbarung informieren. Diese haben im Einzelfall die Möglichkeit, binnen vier Wochen dem Inkrafttreten dieser Dienst-/Betriebsvereinbarung im Hinblick auf die Ärzte zu widersprechen. In diesem Fall wird für Ärzte die Wirksamkeit der Dienst-/Betriebsvereinbarung ausgesetzt. Die Tarifvertragsparteien haben Verhandlungen über diesen Einzelfall aufzunehmen. Der Tarifvertrag sieht aber insoweit nur einen Verhandlungsanspruch vor, dh., dass eine Regelung nicht erzwungen werden kann.
Entsprechendes gilt auch, wenn eine Dienst-/Betriebsvereinbarung über die Flexibilisierung von Arbeitszeiten von Ärzten zB am Widerstand des Betriebsrates oder Personalrates scheitert. Auch dann können die Verhandlungspartner auf Landesbezirksebene abweichende Regelungen verhandeln.
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Teil 13 F Rz. 100
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Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass den Ärzten nicht durch im Regelfall mehrheitlich von anderen Beschäftigtengruppen dominierte Betriebs- bzw. Personalräte einseitig Regelungen auferlegt werden, die gegen die Interessen der im Krankenhaus beschäftigten Ärzte verstoßen.
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Aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen lässt der Tarifvertrag in § 7 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA weitere Abweichungen von § 7 Abs. 1, 2 und § 12 ArbZG in Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen zu. Der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass diese Möglichkeit nur in Ausnahmefällen besteht und nicht als Grundlage für generelle Regelungen, zB die Einführung von 24-Stunden-Schichten herangezogen werden kann. Auch über den Abschluss einer solchen Betriebs-/Dienstvereinbarung sind sowohl der Arbeitgeberverband als auch der Landesverband des Marburger Bundes entsprechend zu informieren.
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Der Bereitschaftsdienst ist ähnlich wie im TVöD-K (vgl. dazu Rz. 72 ff.) geregelt. Allerdings bedarf die Verlängerung der Arbeitszeit nach dem TVÄrzte/VKA keiner Betriebs-/Dienstvereinbarung. Die Zustimmung des Betriebs-/Personalrats ist nach § 10 Abs. 3 Satz 2 TV-Ä allerdings dann notwendig, wenn bei Bereitschaftsdienst der Stufe III die tägliche Arbeitszeit auf mehr als 18 Stunden bis zu max. 24 Stunden verlängert werden soll.
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Zu beachten ist, dass nach § 10 TV-Ärzte/VKA die Vollarbeit bei Verlängerung der täglichen Arbeitszeit über zehn Stunden hinaus in allen Fällen nur höchstens acht Stunden betragen darf. Es ist demnach zwingend, dass mindestens die die acht Stunden überschreitende Zeit als Bereitschaftsdienst abgeleistet wird. Dagegen lässt § 7.1 Abs. 2 TVöD-K eine Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 24 Stunden zu, wenn in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst anfällt (ca. 1/3).
104
Auch die Opt-out-Möglichkeit in § 10 Abs. 5 TV-Ärzte/VKA ist anders als in TVöD-K geregelt. Nach dem TV-Ärzte/VKA darf die wöchentliche Arbeitszeit durchschnittlich bis zu 60 Stunden betragen. Durch Tarifverhandlungen auf Landesebene kann in begründeten Einzelfällen sogar eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von bis zu 66 Stunden vereinbart werden, wobei hier die Einführung von Opt-out-Regelungen nicht durch Betriebs-/Dienstvereinbarung erfolgen muss. Allerdings bedarf das konkrete Schichtmodell der Mitbestimmung des Betriebs-/Personalrates.
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Bei der Rufbereitschaft unterscheidet sich das auf eine Stunde entfallende individuelle Stundenentgelt dann, wenn weniger als zwölf Stunden Rufbereitschaft geleistet werden müssen. Für jede angefangene Stunde der Rufbereitschaft muss dann 12,5 % des auf die Stunde entfallenen individuellen Stundenentgelts bezahlt werden.
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III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 108 Teil 13 F
c) Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung Nach § 13 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA haben Ärzte Anspruch auf Reduzierung ihrer vertraglich festgelegten Arbeitszeit, wenn sie Kinder unter 18 Jahren oder einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen und pflegen und dringende dienstliche oder betriebliche Belange nicht entgegenstehen. Der Anspruch geht insoweit weiter als der gesetzliche Anspruch nach § 8 TzBfG, wonach der Arbeitgeber einen Teilzeitantrag aus betrieblichen Gründen ablehnen darf. Der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung entspricht insoweit § 15 Abs. 7 BEEG1, der für Mitarbeiter in Elternzeit einen Teilzeitanspruch vorsieht, dem der Arbeitgeber ebenfalls nur aus dringenden betrieblichen Gründen widersprechen kann.
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d) Eingruppierung und Entgelt Der TV-Ä sieht vier Entgeltgruppen vor. Nach § 16 TV-Ärzte/VKA gliedern sich diese wie folgt:
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a) Entgeltgruppe I: Arzt mit entsprechender Tätigkeit b) Entgeltgruppe II: Facharzt mit entsprechender Tätigkeit c) Entgeltgruppe III: Oberarzt mit entsprechender Tätigkeit d) Entgeltgruppe IV: Leitender Oberarzt – das ist derjenige Arzt, dem die ständige Vertretung des leitenden Arztes vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.
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Beachte: Die Bezeichnung „Oberarzt“ führt nicht per se dazu, dass die 108 Entgeltgruppe III Anwendung findet. Vielmehr müssen die zusätzlichen Merkmale erfüllt sein. So genannte „Funktionsoberärzte“ können zwar die Bezeichnung Oberärzte weiter führen; soweit sie aber nicht die tariflichen Voraussetzungen ihrer Tätigkeit erfüllen, verbleibt es bei der Entgeltgruppe II. Die Bezeichnung Oberarzt ist demnach für die Eingruppierung nicht entscheidend, es kommt allein auf den faktisch wahrgenommenen Verantwortungsbereich an2. § 18 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA sieht für Oberärzte und leitende Oberärzte vor, dass nach Ablauf einer angemessenen Zeit in der letzten tariflich ausgewiesenen Stufe ein außertarifliches Entgelt vereinbart werden kann. Ein Rechtsanspruch wird aber durch die tarifliche Regelung nicht begründet3.
1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz v. 5.12.2006, BGBl. I, 2748. 2 BAG v. 9.12.2009 – 4 AZR 841/08. 3 LAG Baden-Württemberg v. 17.12.2007 – 5 Ca 410/07. Vogel
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Krankenhäuser
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§ 19 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA regelt die Stufenlaufzeiten. Diese unterscheiden sich vom TVöD insoweit, als dort die nächste Stufe nach einer gewissen, in der jeweiligen Stufe verbrachten Zeit, erreicht wird. Nach dem TVöD ist bei Ärzten für die Stufenzuordnung die gesamte vom Beschäftigten ausgeübte ärztliche/fachärztliche Tätigkeit entscheidend. So kann ein Arzt die Stufe IV nach insgesamt dreijähriger ärztlicher Tätigkeit erreichen. Er verbleibt dann lediglich ein Jahr in Stufe III.
110
§ 19 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA regelt die Anrechnung von Zeiten ärztlicher Tätigkeiten bei der Stufenzuordnung in Entgeltgruppe I1. Dabei gilt eine Tätigkeit als Arzt im Praktikum nicht als ärztliche Tätigkeit2. Bei der Entgeltgruppe II werden Zeiten fachärztlicher Tätigkeit in der Regel ebenfalls angerechnet. Dies bedeutet, dass ein Arbeitgeber, der fachärztliche Tätigkeiten nicht anrechnen will, dies nur in begründeten Ausnahmefällen tun kann, zB wenn ein Arzt zwischenzeitlich für eine längere Dauer nicht in der Patientenbehandlung tätig war, etwa weil er in der Industrie tätig wurde. Nach der Protokollerklärung zu § 19 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA werden Zeiten ärztlicher Tätigkeit im Ausland dann berücksichtigt, wenn sie von einer Ärztekammer im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als der inländischen ärztlichen Tätigkeit gleichwertig anerkannt werden.
111
Der Stufenaufstieg kann abhängig von der Leistung in den Stufen II bis V verlängert oder verkürzt werden. Im TVöD-K ist diese Möglichkeit nur in den Stufen IV bis VI eröffnet. Wird die Stufenlaufzeit verlängert, kann sich der Arzt mit einer schriftlich begründeten Beschwerde an eine betriebliche Kommission wenden, deren Mitglieder je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebs-/Personalrat benannt wurden. Der Betriebs-/Personalrat kann in diese Kommission nur Ärzte entsenden. Die Kommission erarbeitet einen Vorschlag, auf dessen Grundlage der Arbeitgeber darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang der Beschwerde abgeholfen werden soll. Das Letztentscheidungsrecht liegt also beim Arbeitgeber. Dieser kann in gewissem Rahmen auch von der Entscheidung der Kommission abweichen. Die Kommission fungiert demnach nicht als Schiedsstelle und ist damit auch nicht Dritter iSd. § 317 BGB, was zur Folge hätte, dass die von ihr getroffene Entscheidung nur erfolgreich angegriffen werden könnte, wenn sie offenbar unbillig wäre (§ 319 BGB). Der von einer Verlängerung der Stufenlaufzeit betroffene Arzt hat demnach die Möglichkeit, die Entscheidung des Arbeitgebers arbeitsgerichtlich darauf überprüfen zu lassen, ob sie billigem Ermessen entsprach.
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Bei Höher- bzw. Herabgruppierung erhält der Arzt gem. § 20 Abs. 4 TV-Ä das Tabellenentgelt der sich aus § 19 Abs. 1 TV-Ä ergebenden Stufen. Dies bedeutet, dass bei einer Höhergruppierung aufgrund absolvierter Facharztausbildung der Arzt – ohne die Möglichkeit der Anrechnung entsprechender Vorbeschäftigungszeiten – in Stufe I eingeordnet wird. Nach dem Wortlaut des Tarifvertrages sind im Rahmen der Stufenzuordnung nur Tä1 Vgl. zur Anrechnung und Ausgestaltung des Stufenaufstiegs ausführlich TVöDKrankenhauslexikon/Schwerdle, Stichwort 3a. 2 BAG v. 23.9.2009 – 4 AZR 382/08 zum TV-Ärzte/TdL.
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Vogel
III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 118 Teil 13 F
tigkeiten bei demselben Arbeitgeber anzurechnen, so dass etwaige Tätigkeiten als Oberarzt in einer anderen Klinik bei der Höhergruppierung zum Funktionsoberarzt nicht anzurechnen wären. In der Praxis bedeutet dies, dass Höhergruppierungen sich oft nicht wie vom Arzt erwartet gehaltsmäßig niederschlagen werden. Nach § 20 Abs. 5 TV-Ärzte/VKA kann der Arbeitgeber Stufen vorweg ge- 113 währen. Voraussetzung ist, dass dies zur regionalen Differenzierung, zur Deckung des Personalbedarfs oder zur Bindung von qualifizierten Fachkräften erforderlich ist. Der Arbeitgeber kann dann Ärzten ein um bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise vorweg gewähren. Haben die Ärzte bereits die Endstufe der jeweils geltenden Entgeltgruppe erreicht, kann ihnen unter den genannten Voraussetzungen ein um bis zu 20 % der Stufe II ihrer jeweiligen Entgeltgruppe höheres Entgelt gezahlt werden. Nach § 11 Abs. 4 und 5 TV-Ärzte/VKA haben Ärzte Anspruch auf eine 114 Wechselschichtzulage bzw. eine Schichtzulage. Die Wechselschichtzulage beträgt derzeit 105 Euro monatlich bei ständiger Wechselschichtarbeit und 0,63 Euro pro Stunde bei nicht ständiger Wechselschichtarbeit. Eine Schichtzulage beträgt monatlich 40 Euro bei ständiger Schichtarbeit und 0,24 Euro pro Stunde bei nicht ständiger Schichtarbeit. § 11 TV-Ärzte/VKA regelt zudem den Anspruch auf Zeitzuschläge. Die Tarifvertragsparteien Marburger Bund und VKA haben noch keine Bestimmung über die Einführung eines Leistungsentgelts getroffen. Die dem TV-Ärzte/VKA unterfallenden Ärzte sind aus der Bemessung der für das Leistungsentgelt zur Verfügung stehenden Mittel nach § 18 TVöD nicht zu berücksichtigen.
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Ärzte, die dem TV-Ärzte/VKA unterfallen, erhalten keine Jahressonderzahlung.
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5. Sonstige tarifliche Regelungen Die Regelungen des TV-Ärzte/VKA zur Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und an Feiertagen sowie zu besonderen Auszahlungen des Entgelts (§ 22 bis 25 TV-Ä) entsprechen den allgemeinen Regelungen des TVöD. Reise- und Umzugskosten regelt § 24 Abs. 4 TV-Ä.
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Nach § 27 TV-Ärzte/VKA haben Ärzte einen nach dem Lebensalter gestaf- 118 felten Urlaubsanspruch von 26 bis 30 Arbeitstagen. Da bei dieser Regelung auf das 30. bzw. 40. Lebensjahr abgehoben wird, bestehen Bedenken, ob diese Regelung mit den Bestimmungen des AGG vereinbar ist. Zwar wird vertreten, dass für ältere Arbeitnehmer begünstigende Regelungen dem Zweck dienen können, mögliche altersbedingte Minderungen der Leistungsfähigkeit auszugleichen. So trügen Zusatzurlaub und Verkürzung der Arbeitszeit einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung1. Diese Voraussetzung liegt aber bei der im TV-Ärzte/VKA vorgesehe1 Rieble/Zedler, ZFA 2006, 273 (297); Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663 (666). Vogel
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Krankenhäuser
nen Staffelung nicht vor, so dass diese Unterscheidung nicht durch § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt erscheint. Ob sich damit auch die unter 40-Jährigen auf einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen berufen können, ist umstritten. Ein Gleichheitsverstoß kann grundsätzlich dazu führen, dass die unter 40-jährigen sich auch auf einen höheren Urlaubsanspruch berufen können. Davon wird man nicht ohne weiteres ausgehen können, zumal dieses Ergebnis wohl nicht dem hypothetischen Willen der Tarifpartner entspricht. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass es angesichts der umfangreichen Diskussionen zur Altersdiskriminierung und zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz unverständlich ist, warum sich die Arbeitgebervertreter auf eine solche Regelung eingelassen haben. Von daher scheint es nicht abwegig, dass die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hier eine Anpassung nach oben vornimmt1. 119
Zusatzurlaub erhalten Ärzte nach § 28 TV-Ärzte/VKA, wenn sie ständig oder nicht ständig Wechselschicht oder Schichtarbeit bzw. Nachtarbeit leisten. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub dürfen aber nach § 28 Abs. 4 TV-Ä zusammen 35 Arbeitstage bzw. 36 Tage bei Wechselschichtarbeit nicht überschreiten. Für Ärzte, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, gilt eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen.
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Die Regelung zur Beendigung und zur Befristung von Arbeitsverhältnissen (§§ 31 bis 36 TV-Ärzte/VKA) entsprechen den Bestimmungen des TVöD.
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Die Ausschlussfrist beträgt nach § 37 TV-Ärzte/VKA für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sechs Monate nach Fälligkeit.
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Zur Existenz- und Beschäftigungssicherung eröffnet § 39 TV-Ärzte/VKA die Möglichkeit, an einzelnen Krankenhäusern durch einen Tarifvertrag zwischen kommunalem Arbeitgeberverband und dem Marburger Bund andere Regelungen zu treffen. Der Wortlaut „zur Vermeidung“ spricht dafür, dass die Möglichkeit eines abweichenden Tarifvertrages dann eröffnet ist, wenn zB aufgrund von Gesetzesänderungen wirtschaftliche Probleme noch nicht eingetreten sind, in Zukunft aber konkret erwartet werden. 6. Beteiligung von nachgeordneten Ärzten am Liquidationspool a) Rechtliche Grundlagen
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Unter einer Poolbeteiligung (Mitarbeiterbeteiligung) versteht man die Beteiligung der nachgeordneten Ärzte am Liquidationserlös der leitenden Ärzte, den diese in Ausübung des ihnen vertraglich eingeräumten Liquidationsrechts für wahlärztliche Leistungen gegenüber dem Wahlleistungspatienten nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) aus eigenem Recht liquidieren (§ 17 Abs. 3 KHEntgG2) bzw. aufgrund der ihnen vom Krankenhausträger erteilten Nebentätigkeitserlaubnis, ambulant Selbstzahler oder 1 Zu den möglichen Rechtsfolgen nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlungen ausführlich Lingemann/Gotham, NZA 2007, 663 (666 ff.). 2 Krankenhausentgeltgesetz v. 23.4.2002, BGBl. I, 1412 (1422).
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Vogel
III. Arbeitsrecht der nachgeordneten Krankenhausärzte
Rz. 126 Teil 13 F
nach Maßgabe einer Ermächtigung (§ 106 SGB V) Kassenpatienten zu behandeln und hierfür zu liquidieren, oder in sonstiger Weise (zB bei der Anfertigung von Gutachten im Nebentätigkeitsbereich) erzielt haben1. Der Chefarzt erzielt seine Liquidationseinnahmen in der Regel im dienstlichen Aufgabenbereich, allerdings nicht ausschließlich durch eigene Leistung, sondern mit Hilfe ärztlicher Mitarbeiter, an die er auch bei der Behandlung von Wahlleistungspatienten Teilleistungen der Behandlung oder bei zusätzlicher Vertretung die Behandlung selbst delegieren kann2. Um die nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter an dem Erlös der Leistungen, bei denen sie mitgewirkt haben, die sie aber nicht liquidieren können, zu beteiligen, sehen das Berufsrecht, der Gesetzgeber und gegebenenfalls die Vertragsparteien in individuellen Chefarztverträgen bestimmte Regelungen zur Mitarbeiterbeteiligung vor. Nach einigen Krankenhausgesetzen der Länder3 bestehen gesetzliche Rege- 124 lungen zur Mitarbeiterbeteiligung in Form von Mitarbeiterpools. Die landesgesetzlichen Regelungen sehen keinen individualrechtlichen Anspruch auf Beteiligung der nachgeordneten Ärzte an den Pooleinnahmen vor. Es handelt sich um öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die keine unmittelbaren Zahlungsansprüche gegenüber dem Chefarzt oder dem Krankenhausträger auslösen4.
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Hinweis: Die Krankenhausgesetze sehen nur eine Beteiligung an Einnahmen im stationären Bereich vor. Eine Beteiligung an Einnahmen für ambulante Leistungen kann nach § 612 Abs. 2 BGB5 gerechtfertigt sein, wenn der Anstellungsvertrag des nachgeordneten Arztes mit dem Krankenhausträger nicht regelt, dass die ärztliche Betreuung von Patienten in der Privatpraxis des leitenden Arztes zu den Dienstaufgaben des nachgeordneten Arztes gehört.
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Das Berufsrecht sieht in § 29 Abs. 3 Satz 2 Musterberufsordnung die 126 Pflicht des liquidationsberechtigten Arztes vor, bei Zuziehung angestellter Ärzte zur Erbringung liquidationsfähiger Leistungen, den Ertrag an die daran beteiligten Mitarbeiter in geeigneter Form abzuführen. Das Berufsrecht bindet den liquidationsberechtigten Arzt aber nur gegenüber der zuständigen Ärztekammer. Dem nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter verleiht es keine Ansprüche. Der nachgeordnete Arzt kann sich in einer Anzeige an die zuständige Ärztekammer wenden, die dann auch disziplinarische Maßnahmen treffen kann6. 1 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 20; Weth/Thomae/Reichold/Zimmerling, 5 D Rz. 43. 2 Narr, B 562. 3 ZB Hessen: § 15 Abs. 2–5 Hessisches Krankenhausgesetz 2002 v. 6.11.2002, GVBl. I 662; Baden-Württemberg: §§ 34–37a LKHG idF v. 29.11.2007, GBl. 2008, 13. 4 BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 570/03, AP Nr. 65 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; BAG v. 3.8.1983 – 5 AZR 306/81, AP Nr. 36 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 91 Rz. 66; MünchArbR/Richardi, § 204 Rz. 54; aA Narr, B562. 5 So BAG v. 20.7.2004 – 9 AZR 570/03, AP Nr. 65 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche. 6 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 23. Vogel
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Teil 13 F Rz. 127
Krankenhäuser
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Die Krankenhausträger setzen in der Regel die gesetzlichen Verpflichtungen zur Mitarbeiterbeteiligung in vertraglichen Absprachen mit dem angestellten Chefarzt um. Hier lassen sich detaillierte Regelungen über Art und Höhe der Mitarbeiterbeteiligung abschließen. Denkbar ist es auch, einen Vertrag zwischen Krankenhausträger und Chefarzt als Vertrag zugunsten der nachgeordneten Ärzte zu gestalten, mit der Folge, dass der nachgeordnete Arzt als Dritter die Mitarbeiterbeteiligung gegebenenfalls gerichtlich geltend machen kann. Eine solche Regelung muss aber klar und eindeutig sein, andernfalls gehen die Zahlungsklagen des nachgeordneten Arztes ins Leere1.
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In Betracht kommen auch vertragliche Absprachen zwischen dem Chefarzt und seinen nachgeordneten Ärzten über eine Beteiligung an Liquidationserlösen. In der Regel wird die vertragliche Absprache zwischen Chefarzt und nachgeordnetem ärztlichen Personal über eine Mitarbeiterbeteiligung kein Arbeitsverhältnis begründen.
Hinweis: Kirchliche Krankenhäuser werden nach allen Landeskrankenhausgesetzen von der gesetzlichen Poolpflicht ausgenommen2. Hier sind die nachgeordneten Ärzte auf die Vereinbarung zwischen kirchlichem Träger und Chefarzt in besonderem Maße angewiesen.
b) Verteilung 130
Die Höhe der Beteiligung und die Obergrenzen legen die Landeskrankenhausgesetze teilweise in Verbindung mit Rechtsverordnungen über die Mitarbeiterbeteiligung3 fest. Die gestaffelten Sätze beziehen sich auf den eine bestimmte Schwelle überschreitenden Betrag und bewegen sich zwischen 10 und 50 %. Berufsrechtlich gibt es nach § 29 Abs. 3 der Musterberufsordnung nur eine Verpflichtung der leitenden Ärzte, die nachgeordneten Kollegen angemessen zu vergüten.
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Dem Krankenhausträger wird im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Mitarbeiterpools auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften die Stellung eines Treuhänders gegenüber den nachgeordneten Ärzten eingeräumt4. Der Krankenhausträger hat dafür zu sorgen, dass die zur Privatliquidation berechtigten Ärzte ihre Abgabe vollständig entrichten.
Hinweis: Es empfiehlt sich, die Höhe der Poolbeteiligung vertraglich im Rahmen der Vorgaben der Landeskrankenhausgesetze exakt zu regeln, um Streitigkeiten zu vermeiden.
1 BAG v. 14.1.1981 – 5 AZR 853/78, AP Nr. 29 zu § 611 BGB. 2 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 21. 3 So zB in Baden-Württemberg § 35 LKHG iVm LKHG-MAVO v. 21.12.1987, geändert durch Gesetz v. 20.11.2001, GBl., 605. 4 BAG v. 19.10.1983 – 5 AZR 64/81, AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 136 Teil 13 F
Der ärztliche Mitarbeiter kann zwar vom Krankenhausträger so lange kei- 133 ne Auszahlung eines höheren Anteils verlangen, wie der zur Privatliquidation berechtigte Arzt den geschuldeten Fondsbeitrag noch nicht geleistet hat. Der Krankenhausträger kann allerdings denjenigen nachgeordneten ärztlichen Mitarbeitern, die Rechte am Fonds haben, zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er die von dem zur Privatliquidation berechtigten Arzt geschuldeten Fondsabgaben nicht oder nicht rechtzeitig gegebenenfalls auch gerichtlich geltend macht1. Da der Anspruch des nachgeordneten Arztes auf Abschlagszahlung aus dem Fonds oder auf Auszahlung des zu seinen Gunsten festgesetzten Betrages sich gegen den Krankenhausträger als Verwalter eines Sonderfonds richtet, handelt es sich nicht um eine Inanspruchnahme des Krankenhausträgers als Arbeitgeber, sondern als Verwalter eines Sonderfonds. Daher findet die Ausschlussklausel des § 70 BAT (nunmehr § 37 Abs. 1 TV-Ä/VKA bzw. TVöD-K) keine Anwendung2.
IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten (leitenden Krankenhausärzten) 1. Arbeitsrechtliche Stellung der Chefärzte im Allgemeinen a) Beamten- oder Anstellungsverhältnis Chefärzte, die Arbeitnehmer von juristischen Personen des öffentlichen 134 Rechts sind, können unter den bundes-/landesrechtlichen Voraussetzungen in das Beamtenverhältnis berufen werden. Insbesondere Professoren an Universitätskliniken sind in der großen Mehrzahl Beamte. Sie sind dann keine Arbeitnehmer; ihre Stellung wird nach den einschlägigen Bundesoder Landesbeamtengesetzen geregelt. Häufig erhalten beamtete Ärzte noch ein sog. Liquidationsrecht3. Die große Mehrzahl der Chefärzte befindet sich in einem privatrechtlichen 135 Anstellungsverhältnis. Es handelt sich dabei um Arbeitsverträge (§ 611 BGB). Mit Ausnahme der Universitätskliniken stellen auch rein öffentlichrechtlich organisierte Kliniken Chefärzte fast ausschließlich als Arbeitnehmer an. b) Chefarzt als leitender Angestellter Es ist umstritten, ob Chefärzte leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bzw. des Kündigungsschutzgesetzes sind. Die Einordnung von Chefärzten hat besonders im Hinblick auf deren kündigungsrechtliche Situation Auswirkungen. Dabei spielen in erster Linie § 5 Abs. 3 1 BAG v. 19.10.1983 – 5 AZR 64/81, AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche. 2 BAG v. 19.10.1983 – 5 AZR 64/81, AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche. 3 Vgl. zu beamteten Chefärzten ausführlich Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 90 Rz. 5–21. Vogel
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Teil 13 F Rz. 137
Krankenhäuser
BetrVG, § 14 Abs. 2 KSchG sowie § 1 SprAuG eine Rolle. So findet das Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich keine Anwendung auf leitende Angestellte (Ausnahme: § 105 BetrVG). Die Angestellten, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern befugt sind, genießen zwar grundsätzlich Kündigungsschutz, allerdings mit der Besonderheit, dass gemäß § 14 Abs. 2 KSchG das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers ohne Begründung durch das Gericht gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden kann1. aa) Der Chefarzt als leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes 137
Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist der Auffassung, dass Chefärzte keine leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind2. Von Teilen der Rechtsprechung und Literatur werden Chefärzte dagegen als leitende Angestellte iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG gesehen3. Für eine Stellung der Chefärzte als leitende Angestellte spricht, dass diese im Rahmen ihrer medizinisch fachlichen Aufgaben völlig weisungsfrei bleiben und als Leiter ihrer Abteilung eine für den Bestand und die Entwicklung des Krankenhauses erhebliche Bedeutung haben. Der Chefarzt gehört zur obersten medizinischen Führungsebene4 und übernimmt in der Regel auch Budgetverantwortung. Er steht in besonderer Verantwortung für die Qualität der medizinischen Versorgung seiner Abteilung und damit auch für den wirtschaftlichen Erfolg des Krankenhauses5.
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Vor der Kündigung eines Chefarztes muss zumindest der Betriebsrat nach § 105 BetrVG rechtzeitig informiert werden. Ein Verstoß gegen diese Mitteilungspflicht bleibt allerdings ohne Folgen.
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Handelt es sich um einen öffentlich-rechtlich organisierten Krankenhausträger, so richtet sich die Beteiligung vor einer Kündigung nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz oder dem jeweiligen Landespersonalver-
Hinweis: Gerade weil die Frage, ob Chefärzte leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind, nicht höchstrichterlich entschieden ist, empfiehlt es sich, bei Kündigungen von Chefärzten vorsorglich den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß anzuhören. Wird dies versäumt und hält das zuständige Arbeitsgericht den betreffenden Chefarzt für keinen leitenden Angestellten, ist die Kündigung unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).
1 Vogel, NZA 2002, 313 (315 f.). 2 LAG BW v. 13.2.1992 – 11 Sa 79791, LAGE Nr. 2 zu § 14 KSchG; LAG Thür. v. 6.7.2000 – 1 TaBV 16/99, ArztR 2002, 101; Dahm/Lück, MedR 1992, 1; Quaas/ Zuck, § 15 Rz. 32. 3 LAG Köln 20.11.1990 – 9 Sa 452/90, nv.; MünchArbR/Richardi, § 204 Rz. 60; Laufs/Uhlenbruck/Laufs, § 12 Rz. 8. 4 Moll, MedR 1997, 293 (299). 5 Moll, MedR 1997, 293 (300).
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 142 Teil 13 F
tretungsgesetz. Der Begriff des leitenden Angestellten ist im Personalvertretungsrecht unbekannt. Nach § 79 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 77 Abs. 1 Satz 2 BPersVG muss der Personalrat nur dann nicht vor einer Kündigung beteiligt werden, wenn der Chefarzt eine Vergütung erhält, die der Besoldungsgruppe A16 oder höher entspricht. Dabei ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bei Chefärzten nicht die Vergütung hinzuzurechnen, die sie aus Eigenliquidation oder garantiertem Mindesteinkommen erhalten1. Bei Chefärzten, die unter der Vergütungsgruppe BAT I liegen, ist daher der Personalrat zu beteiligen.
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Beachte: Während im Betriebsverfassungsgesetz der Betriebsrat vor ei- 141 ner ordentlichen Kündigung nur anzuhören ist, sehen die Landespersonalvertretungsgesetze2 vor, dass der Personalrat bei der Kündigung mitwirkt. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung ein (oft langwieriges) Beteiligungsverfahren durchführen muss. Anderes gilt bei einer fristlosen Kündigung, bei der der Personalrat nur ein Anhörungsrecht hat. Eine ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (siehe nur: § 79 Abs. 4 BPersVG).
bb) Der Chefarzt als leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes Nach überwiegender Auffassung ist der Chefarzt kein leitender Angestell- 142 ter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG. Nach § 14 Abs. 2 KSchG sind nur diejenigen leitende Angestellte, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind3. Voraussetzung für eine selbständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis ist, dass der Angestellte sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis zum Arbeitgeber Personal selbständig einstellen oder entlassen kann4. In der Regel wird ein Chefarzt diese Befugnisse nicht vertraglich eingeräumt bekommen. Zu beachten ist auch, dass nach der Rechtsprechung des BAG eine selbständige Einstellungsbefugnis des Chefarztes dann nicht gegeben ist, wenn dieser für die Einstellung nachgeordneter Ärzte der vorherigen Zustimmung und Stellenfreigabe der Krankenhausleitung bedarf und die Abwicklung und Einstellung durch den Verwaltungsdirektor des Krankenhauses erfolgt. In diesen Fällen ist die Einstellungsbefugnis allein auf die Beurteilung der fachlichen Qualifikation des Bewerbers reduziert5. So sehen auch die entsprechenden Formulierungen des DKG-Mustervertrages6 eine entsprechende Einstellungs- oder 1 BVerwG 7.11.1975 – VII P 8/74, BVerwGE 49, 337. 2 So zB § 77 Abs. 1 LPVG Baden-Württemberg idF v. 1.2.1996 (GBl., 205), zuletzt geändert durch Art. 6 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung der Förderalismusreform im Hochschulbereich v. 3.12.2008, GBl. 435. 3 Zum Begriff des leitenden Angestellten nach § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG: Vogel, NZA 2002, 313 (314 f.). 4 BAG v. 27.9.2001 – 2 AZR 176/00, AP Nr. 6 zu § 14 KSchG 1969; LAG BW v. 13.2.1992 – 11 Sa 79/91, LAGE § 14 KSchG Nr. 2; KR/Rost, § 14 KSchG Rz. 29. 5 BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 903/98, AP Nr. 5 zu § 14 KSchG 1969. 6 DKG, Beratungs- und Formulierungshilfe Chefarzt-Vertrag, 6. Aufl. 2002. Vogel
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Teil 13 F Rz. 143
Krankenhäuser
Entlassungsbefugnis nicht vor, sondern räumen lediglich ein Mitwirkungsrecht ein. Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss sich auf eine ins Gewicht fallende Anzahl von Personen beziehen. Es dürfte allerdings ausreichen, wenn der Chefarzt die alleinige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis für seine nachgeordneten ärztlichen Mitarbeiter hat, sofern die Abteilung eine gewisse Größe hat. 143
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Beachte: Wird dem Chefarzt vertraglich die Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis gewährt, so kann ihm die Eigenschaft als leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 KSchG zukommen. Private Klinikträger, die bislang in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft bzw. Beteiligung geführte Kliniken übernehmen, bieten Chefärzten oft neue Anstellungsverträge an, die eine Entlassungs- oder Einstellungsbefugnis vorsehen. Damit eröffnen sich für diesen Träger Möglichkeiten, sich im Rahmen von § 14 Abs. 2 KSchG von missliebigen Chefärzten zu trennen. Bei der Beratung von Chefärzten bei Privatisierungen ist hierauf besonders zu achten.
c) Arbeitszeitrechtliche Besonderheiten 144
Soweit der Anstellungsvertrag des Chefarztes nicht auf den BAT bzw. den TV-Ä oder den TVöD-K Bezug nimmt, gilt arbeitszeitrechtlich das allein zwischen dem Krankenhausträger und dem Chefarzt vereinbarte Arbeitszeitvolumen. Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) finden auf Chefärzte keine Anwendung (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG). Unerheblich ist, ob das Krankenhaus öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich betrieben wird1. Da der Chefarzt in § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG ausdrücklich genannt wird, ist es auch nicht entscheidend, ob ein Chefarzt als leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG qualifiziert wird2. Ein Chefarzt kann also verpflichtet sein, in Abweichung von §§ 3 und 4 ArbZG täglich mehr als zehn Stunden oder länger als neun Stunden ohne Ruhepause zu arbeiten. Grenzen der Arbeitspflicht von Chefärzten ergeben sich aber zum einen aus der vertraglichen Regelung, zum anderen aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. So hat gemäß § 618 Abs. 1 BGB der Arbeitgeber die Pflicht, das Leben und die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber auch Chefärzte gesundheitlich nicht überfordern darf. Ihm sind wie jedem Arbeitnehmer auch ausreichende Ruhezeiten zu belassen3. d) Geltung von Tarifverträgen
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Auf Arbeitsverhältnisse von Chefärzten fand der BAT in der Regel keine Anwendung. Gemäß § 3 Buchst. i BAT galt der BAT für Chefärzte nur, wenn ihre Arbeitsbedingungen einzelvertraglich nicht besonders vereinbart wurden. § 3 Buchst. i BAT wurde dabei so ausgelegt, dass in den Fällen, 1 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 18 Rz. 20; Zmarzlik/Anzinger, ArbZG, § 18 Rz. 10. 2 Baeck/Deutsch, ArbZG, § 18 Rz. 20. 3 Vgl. dazu ausführlich Weth/Thomae/Reichold/Wern, 5 A Rz. 21 ff.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 148 Teil 13 F
in denen wesentliche Fragen vom BAT abweichend individuell vereinbart wurden, der BAT gänzlich, d.h. auch in allen übrigen Fragen, unanwendbar blieb1. Entscheidend zur Bestimmung des Anwendungsbereiches des BAT und zur Abgrenzung für Chefarztverträge war daher die Auslegung des Begriffs der „wesentlichen Arbeitsbedingungen“. Wesentlich war es etwa, wenn die Vergütung insgesamt gesondert vereinbart wurde, unwesentlich hingegen, wenn über die BAT-Vergütung hinausgehend verhältnismäßig geringe zusätzliche Gratifikationen versprochen worden sind2. Im Zuge der Reform des Tarifrechts im öffentlichen Dienst wurden die 146 Chefärzte nun insgesamt aus dem Geltungsbereich der Tarifverträge ausgeschlossen. Nach § 1 Abs. 2 Buchst. a TVöD bzw. TV-L sind „leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG, wenn ihre Arbeitsbedingungen einzelvertraglich besonders vereinbart sind, sowie Chefärztinnen/Chefärzte“ vom tariflichen Geltungsbereich ausgenommen. Diese „Sowie-Formel“ kann nur so verstanden werden, dass es für Chefärzte anders als für sonstige leitende Angestellte gerade nicht mehr darauf ankommt, ob einzelvertraglich besondere Vereinbarungen getroffen worden sind3. Die Tarifgemeinschaft der Länder vertritt hier allerdings eine andere Ansicht und will die Regelung wie § 3 Buchst. i BAT verstanden wissen. Dagegen spricht jedoch bereits, dass die Tarifpartner sowohl im Bereich des TVöD-K als auch des TVÄrzte keine Entgeltgruppe für Chefärzte vereinbart haben. Die Tarifpartner sind also offensichtlich davon ausgegangen, dass Chefärzte in keinem Falle mehr vom Geltungsbereich der tariflichen Regelung unmittelbar erfasst werden. Für die Chefärzte, die bislang unmittelbar unter den BAT fielen oder deren Arbeitsvertrag die übliche Bezugnahmeklausel („Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis der Bundesangestelltentarifvertrag sowie die ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge“) beinhaltet, stellt sich das Problem, ob und inwieweit das Arbeitsverhältnis noch durch die neuen Tarifverträge geregelt wird. Von Bedeutung sind insbesondere diejenigen Chefarztverträge, die auf den BAT arbeitsvertraglich Bezug nehmen. Als problematisch erweist sich, ob durch die Bezugnahmeklausel auf den mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag (TVöD-K) oder auf den mit dem Marburger Bund geschlossenen Tarifvertrag TV-Ä verwiesen werden soll oder der BAT statisch weitergilt.
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Ausgehend von dem Begriff der „BAT ersetzenden Tarifverträge“, kann 148 grundsätzlich die Bezugnahmeklausel so ausgelegt werden, dass die neuen Tarifverträge (TV-Ä bzw. TVöD-K oder -B) nicht in Bezug genommen werden. Die Chefärzte sind bei diesen Tarifverträgen ausdrücklich aus dem Geltungsbereich ausgenommen, so dass zumindest für den Personenkreis der Chefärzte diese Tarifverträge keinen ersetzenden Charakter haben. In der Regel ist aber anzunehmen, dass die Vertragsparteien bei Abschluss des 1 Dassau/Wiesend/Rothbrust, BAT, A I 1 § 3 Rz. 33. 2 Bredemeier/Neffke, BAT, § 3 Rz. 16. 3 Missverständlich Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 1 Rz. 11, wo die Regelungen von § 3 Buchst. i BAT als Vorgängerregelung bezeichnet werden. Vogel
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Teil 13 F Rz. 149
Krankenhäuser
Arbeitsvertrages nicht davon ausgehen können, dass sich die Tariflage entscheidend ändert. Hätten die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewusst, dass der BAT durch Tarifverträge ersetzt wird, die Chefärzte ausnahmslos vom Geltungsbereich ausschließen, wird man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon ausgehen können, dass sich die Arbeitsverhältnisse dennoch nach den „modernisierten“ Tarifverträgen zu richten haben. Dies spricht gegen eine statische Beibehaltung des BAT-Chefärzte. 149
Auch auf Chefärzte, deren Vertrag eine Bezugnahmeklausel auf die den BAT ersetzenden Tarifverträge enthält, sind somit „im Übrigen“ die tariflichen Regelungen des TV-Ä bzw. TVöD-K oder -B anwendbar. Ob im konkreten Einzelfall der TV-Ä oder der TVöD-K den BAT vertraglich ersetzt, muss ebenfalls im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf die Problematik der Tarifpluralität (s. dazu Rz. 34 ff.) bestimmt werden. Es ist davon auszugehen, dass, hätten die Parteien zum Zeitpunkt des bei Vertragsschluss nicht vorherzusehenden Falles gewusst, dass zwei verschiedene Tarifverträge den BAT ersetzen, sie auf den in der jeweiligen Klinik geltenden ersetzenden Tarifvertrag Bezug nehmen wollten. Werden in der Klinik die ärztlichen Mitarbeiter daher nach dem TV-Ä behandelt, so spricht dies dafür, dass auch für Chefärzte der TV-Ä grundsätzlich Anwendung findet. Gleiches gilt im umgekehrten Fall.
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Ein Sonderproblem besteht darin, dass die Tarifsvertragsparteien für Chefärzte keine Entgeltgruppe mehr vorgesehen haben. Auch hier muss nach den Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmt werden, welche Vergütung in Zukunft gelten soll. Es ist hier davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien bei entsprechender Kenntnis der tariflichen Entwicklung zumindest keine Verschlechterung der Vergütung gewollt hätten. So verbleibt als Mindestsatz die bisherige Vergütung nach BAT. e) Beendigung von Chefarztverträgen
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In der Regel werden Anstellungsverträge von Chefärzten auf unbestimmte Zeit geschlossen. Sie sind grundsätzlich unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfristen kündbar, wobei sich die Fristen häufig an die Regelungen im BAT/TVöD-K oder TV-Ä anlehnen. Zum Teil finden sich in älteren Chefarztverträgen auch noch Befristungen auf das 65. Lebensjahr, dh. die entsprechenden Anstellungsverhältnisse sind dann vor Befristungsablauf nur außerordentlich kündbar. Chefärzte unterliegen dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz und den besonderen Schutzvorschriften der SGB IX, MuSchG, BEEG etc. Da sie vom Geltungsbereich der Tarifverträge häufig ausgenommen sind, findet der besondere tarifliche Kündigungsschutz nach § 35 Abs. 2 TV-Ä (entspricht § 34 Satz 2 TVöD-K bzw. TVöD-B bzw. § 53 Abs. 2 BAT grundsätzlich keine Anwendung.
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Beachte: Chefärzte, deren Arbeitsverträge auf den BAT bzw. TV-Ä oder TVöD-K Bezug nehmen, können sich auf den besonderen tariflichen
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 157 Teil 13 F
Kündigungsschutz berufen, sofern ihr Anstellungsverhältnis 15 Jahre bestanden hat und sie das 40. Lebensjahr vollendet haben. Sie sind dann nur noch außerordentlich kündbar.
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Praxistipp: Um einen Ausschluss der Kündbarkeit zu vermeiden, sollte in Chefarztverträgen nicht – auch nicht ergänzend – auf die entsprechenden Tarifverträge Bezug genommen werden.
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Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Chefärzten ist nur dann 154 wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist (§ 1 KSchG). Es müssen demnach Gründe in der Person des Arbeitnehmers, seinem Verhalten oder dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Betriebsbedingte Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn die Abteilung, der der Chefarzt vorsteht, geschlossen wird bzw. das ganze Krankenhaus geschlossen wird. Bei einer Veräußerung des Krankenhauses kommt je nach der vertraglichen Gestaltung ein Betriebsübergang in Betracht. Für den Chefarzt gelten dann ebenfalls die Regelungen des § 613a BGB, dh. der Chefarzt kann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Krankenhausbetreiber widersprechen (§ 613a Abs. 5 BGB). In der Regel wird in Chefarztverträgen eine Altersgrenze für das Ausschei- 155 den vereinbart. Eine Vereinbarung, die eine Beendigung des Dienstvertrages vor Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, ist in der Regel nicht wirksam1. Es ist kein sachlicher Grund für eine entsprechende Befristung ersichtlich, da man nicht ohne weiteres davon ausgehen kann, dass Chefärzte im Allgemeinen aufgrund fortschreitenden Alters weniger leistungsfähig sind. Eine Regelung, die das Ausscheiden des Chefarztes vor Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, kann zudem gegen das Verbot der Benachteiligung wegen Alters nach § 7 iVm. § 1 AGG verstoßen, wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass eine solche Regelung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine wesentliche oder entscheidende berufliche Anforderung darstellt.
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Beachte: Ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz macht die Regelung der Altersgrenze nicht nur unwirksam, sondern kann nach § 15 AGG auch Entschädigungs- bzw. Schadensersatzpflichten auslösen.
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2. Inhalts- und AGB-Kontrolle von Chefarztanstellungsverträgen a) Vorbemerkung – AGB-Kontrolle Aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung im Krankenhausbetrieb und wegen – auch gesetzgeberisch bedingter – Unwägbarkeiten des Gesundheits-
1 Zur Frage der Zulässigkeit frühzeitiger Altersgrenzenvereinbarung vgl. auch Bocken, ArztR 2005, 60 ff.; zur Anwendbarkeit des TzBfG auf vorgezogene Altersgrenzen BAG v. 11.6.1997 – 7 AZR 186/96, NZA 1997, 1290; MünchArbR/Wank, § 116 Rz. 148i; zur Altersgrenze von Piloten und Fluglotsen zuletzt BAG v. 20.2.2002 – 7 AZR 748/00, NZA 2002, 789. Vogel
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Teil 13 F Rz. 158
Krankenhäuser
systems haben sich für Chefarztverträge in der Praxis besondere inhaltliche Anforderungen entwickelt. 158
Die Verträge sind daher meist im Hinblick auf die Dienstaufgaben, Nebentätigkeiten, Vergütungsstrukturen und sog. Entwicklungsklauseln ausführlich formuliert. In der Praxis lehnen sich die meisten Chefarztverträge an die Empfehlungen der deutschen Krankenhausgesellschaft zur Gestaltung von Chefarztverträgen an1. Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 unterliegen auch Arbeitsverträge mit Chefärzten einer Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB). Auswirkungen auf die Anstellungsverträge von Chefärzten haben die Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsrechts, die Vorschriften der Landeskrankenhausgesetze und das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung2.
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Die Rechtsgrundlage für die Kontrolle von Arbeitsverträgen hat sich durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 mit Wirkung zum 1.1.2002 geändert. Die §§ 305 bis 310 BGB unterscheiden zwei Arten der Kontrolle, nämlich die Einbeziehungskontrolle und die Ausübungskontrolle. Bei der Einbeziehungskontrolle ist entscheidend, was Vertragsbestandteil geworden ist. Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Klauseln, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. § 305c Abs. 2 BGB enthält die sog. Unklarheitenregel, wonach die Auslegung zuungunsten dessen erfolgt, der die Unklarheit verursacht hat, bei Chefarztverträgen also in der Regel das Krankenhaus. Das Gesetz unterscheidet in §§ 308 und 309 BGB Klauselverbote mit oder ohne Wertungsmöglichkeit. Als Auffangtatbestand dient die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB:
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Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Da der Arbeitnehmer Verbraucher iSv. § 13 BGB ist, findet eine Inhaltskontrolle von Arbeitsvertragsbedingungen aber auch statt, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB)3. Chefarztverträge unterliegen damit der Vertragskontrolle nach den §§ 305 bis 310 BGB, soweit sie
Hinweis: Chefarztverträge sollten jedenfalls aus Sicht des Krankenhauses nicht auf tarifvertragliche Bestimmungen – auch nicht ergänzend – Bezug nehmen, insbesondere um den besonderen tariflichen Kündigungsschutz zu vermeiden.
1 DKG, Beratungs- und Formulierungshilfe Chefarzt-Vertrag, 8. Aufl. 2007. 2 Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 90 Rz. 27; Quaas/Zuck, § 15 Rz. 33. 3 HWK/Gotthardt, § 305 Rz. 4; das BAG hat den Arbeitnehmer als Verbraucher eingeordnet, vgl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 (1112).
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 165 Teil 13 F
nicht im Einzelnen ausgehandelt werden. Dies erfordert allerdings, dass der Krankenhausträger verhandlungsbereit ist und ein wirkliches Aushandeln stattfindet, dh., der Arbeitgeber muss den gesetzesfremden Kern der Klausel ernsthaft zur Disposition des Chefarztes stellen und diesem die Möglichkeit einräumen, den Inhalt der vertraglichen Klausel zu beeinflussen1.
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Beachte: Nach § 307 Abs. 3 BGB gelten die Vorschriften zur Inhaltskontrolle „nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden“. Die vom Chefarzt geschuldeten Leistungen und die Vergütung unterliegen damit nicht der Inhaltskontrolle2.
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Neben der reinen AGB-Kontrolle findet auch noch eine sog. Ausübungskontrolle nach § 315 BGB statt. Dies bedeutet, dass Klauseln, die wirksam vereinbart worden sind, darauf geprüft werden, ob der Arbeitgeber bei der Ausübung seiner Rechte die Grenzen des billigen Ermessens wahrt3.
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b) Einzelne Regelungen aa) Dienstaufgaben Chefarztverträge enthalten meist sehr detailliert aufgeführte Einzelpflichten, die unmittelbar oder mittelbar Ausfluss der dem Chefarzt übertragenen Verantwortung für einen geordneten Dienstbetrieb seiner Abteilung und sachgerechten medizinischen Versorgung der Patienten seiner Abteilung sind4.
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Zu den zentralen Dienstaufgaben des Chefarztes gehören die fachliche Lei- 165 tung der Abteilung, dh. die Übernahme der medizinischen Verantwortung für die ordnungsgemäße Behandlung aller Patienten seiner Abteilung, wozu auch die bei allen Kranken persönlich durchzuführende Visite gehört. Diese darf bei Abwesenheit des Chefarztes allein von dessen ständigem Vertreter durchgeführt werden. Er ist zudem verantwortlich für die Untersuchung und Mitbehandlung von Patienten anderer Abteilungen. Als weitere Dienstaufgaben werden häufig die Untersuchung oder Befundung der von anderen Einrichtungen eingesandten Materialien oder Präparate und die ambulante Behandlung von Notfällen5 vertraglich festgehalten. Ist das Krankenhaus zur Erbringung von Krankenhausleistungen im ambulanten Bereich rechtlich zugelassen, gehören auch die damit verbundenen medizinischen Leistungen zu den Dienstaufgaben des Chefarztes (zB ambulantes Operieren, sozialpädiatrische Betreuung, psychiatrische oder psychothera1 2 3 4 5
BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, AP Nr. 6 zu § 307 BGB. Reinecke, NJW 2005, 3383 (3385). Reinecke, NJW 2005, 3383 (3385). Narr, B 544. Deren Zuordnung als Dienstaufgabe ohne ausdrückliche Regelung ist umstritten: befürwortend Quaas/Zuck, § 15 Rz. 36; Narr, B 544; Andreas/Debong/Bruns, Rz. 271 ff. Vogel
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Teil 13 F Rz. 166
Krankenhäuser
peutische Behandlung, Durchführung von Früherkennungsuntersuchungen etc.). Der Chefarzt ist in der Regel auch verantwortlich für die Sicherstellung des organisatorischen Bereitschaftsdienstes. Grundsätzlich ist es auch möglich, den Chefarzt zur Teilnahme am Rufbereitschaftsdienst zu verpflichten, wobei der höchstzulässige Einsatz eines Chefarztes in der Rufbereitschaft umstritten ist1. 166
Zu den weiteren, nicht medizinischen Dienstaufgaben gehören insbesondere organisatorische Tätigkeiten und die Führung der Mitarbeiter2. Hierzu gehören die Diensteinteilung, die Zuweisung von Aufgaben und Tätigkeiten an ärztliche und nicht ärztliche Mitarbeiter. Der Chefarzt ist dafür verantwortlich, dass die einzel- oder tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten der nachgeordneten Ärzte und nicht ärztlichen Mitarbeiter eingehalten werden, er muss Zeugnisse für nachgeordnete Ärzte anfertigen. Daneben muss er ärztliche Anzeige- und Meldepflichten beachten, an Sitzungen der Gremien des Krankenhauses teilnehmen und sich an Qualitätssicherungsmaßnahmen beteiligen sowie Aus-, Weiter- und Fortbildungsaufgaben für ärztliche und nicht ärztliche Mitarbeiter seiner Abteilung übernehmen. bb) Verpflichtung auf wirtschaftliche Grundsätze
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In modernen Chefarztverträgen ist in aller Regel die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes als Dienstaufgabe definiert. Damit verbunden ist eine Budgetverantwortung für die eigene Abteilung. Der Chefarzt wird vertraglich verpflichtet, auf eine nach Maßgabe der Budgetplanung des Krankenhauses anzustrebende Belegung unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes sowie auf die Einhaltung eines nach seiner Anhörung vom Krankenhausträger festgelegten internen abteilungsbezogenen Budgets hinzuwirken. Der Chefarzt soll zur zweckmäßigen und wirtschaftlichen Mittelverwendung angehalten werden. Insbesondere Zielvereinbarungen dienen dazu, den Chefarzt zur Erfüllung dieser Verpflichtungen anzuhalten. Von großer Wichtigkeit ist, dass der Arzt die in seiner Abteilung erbrachten Leistungen ordnungsgemäß erfasst, dokumentiert und steuert, damit diese abgerechnet werden können. Hierbei kann es immer wieder zu Konfliktsituationen kommen, wenn etwa die ärztliche Therapiefreiheit zu zusätzlichem finanziellem Aufwand für den Krankenhausträger führt. Der Chefarzt darf grundsätzlich durch den Krankenhausträger nicht wegen haushaltsmäßiger Schwierigkeiten an der Wahrnehmung seiner ärztlichen Verantwortung für die Versorgung seiner Patienten gehindert werden. Die aufgrund dieser Verantwortung getroffene Therapieentscheidung darf nicht von haushaltsrechtlichen Erwägungen abhängig gemacht werden3. Bonus- und Malusregelungen, mit deren Hilfe gezielt unmittelbar die ärztliche Behandlungsmethode beeinflusst werden soll, sind im Hinblick auf die ärztliche Therapiefreiheit (§ 1 Abs. 2 BÄO) rechtlich problematisch. Sie können im konkreten Einzelfall nichtig sein. Unbedenklich 1 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 37. 2 Ausführlich: Weth/Thomae/Reichold/Wern, 5 A Rz. 39 ff. 3 ArbG Gelsenkirchen v. 20.12.1996 – 1 GA 45/96, MedR 1997, 224.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 170 Teil 13 F
sind aber Regelungen im Sinne einer Bemühenspflicht und Begründungspflicht bei Abweichungen1. Eine Folge der wirtschaftlichen Verantwortung des Chefarztes ist auch, dass der Chefarzt mit dem Krankenhausträger bei der Einführung neuer diagnostischer und therapeutischer Untersuchungsund Behandlungsmethoden, die wesentliche Mehrkosten verursachen, ein Einvernehmen herbeizuführen hat. Das gilt ausnahmsweise nicht, wenn solche Maßnahmen und Methoden medizinisch unumgänglich sind2. cc) Entwicklungsklauseln Fast alle Chefarztverträge enthalten sog. Entwicklungsklauseln. Diese erlauben dem Krankenhausträger, einseitige – zum Teil näher bezeichnete – strukturelle und organisatorische Änderungen im Krankenhaus vorzunehmen, zB die Abteilung zu teilen, die Bettenzahl zu ändern, neue Chefärzte auch derselben Fachrichtung einzustellen etc. Solche Maßnahmen haben unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Einkünfte des Chefarztes3.
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Entwicklungsklauseln erweitern das allgemeine Direktionsrecht des Arbeitgebers4. Sie sind sehr unterschiedlich gestaltet. So sehen Entwicklungsklauseln teilweise vor, dass einseitige Maßnahmen an bestimmte formale Voraussetzungen geknüpft werden müssen, insbesondere „nach Anhörung“, oder „im Benehmen“ mit dem betroffenen Chefarzt vorgenommen werden können5.
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Nach dem BAG ist unter dem Begriff des Benehmens eine Mitwirkungs- 170 form zu verstehen, die schwächer ist als das Einvernehmen oder die Zustimmung. Es bedürfe gerade keiner Willensübereinstimmung; allerdings wird verlangt, dass der Chefarzt ein Mindestmaß an Einfluss auf die Willensbildung des Krankenhausträgers hat. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der von einer solchen Abrede Begünstigte eigene Argumente vor einer endgültigen Entscheidung des anderen einbringen und deren Inhalt 1 Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 90 Rz. 31 Fn. 47; LAG Hessen, ArztR 1994, 293. 2 Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 90 Rz. 31 Fn. 48. 3 Die Entwicklungsklausel im Mustervertrag der DKG (Beratungs- und Formulierungshilfe Chefarztvertrag, 6. Aufl.) lautete wie folgt: § 15 Abs. 1. „Der Krankenhausträger kann nach Anhörung des Arztes strukturelle und organisatorische Änderungen im Krankenhaus vornehmen. 1. Den Umfang der …-Abteilung sowie die Zahl und Aufteilung der Betten in dieser Abteilung ändern; 2. die Ausführung bestimmter Leistungen von der …-Abteilung ganz oder teilweise abtrennen und anderen Fachabteilungen, Funktionsbereichen, Instituten, Untersuchungs- oder Behandlungseinrichtungen oder Ärzten zuweisen; 3. weitere selbständige Fachabteilungen, Funktionsbereiche oder Institute – auch gleicher Fachrichtung – im Krankenhaus neu einrichten, unterteilen, abtrennen oder schließen; 4. weitere Ärzte – auch gleicher Fachrichtung – in anderen Abteilungen als leitende Abteilungsärzte einstellen oder als Belegärzte zulassen.“ 4 BAG v. 28.5.1997 – 5 AZR 125/96, NZA 1997, 1160. 5 S. dazu Reinecke, NJW 2005, 3383 (3386). Vogel
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Teil 13 F Rz. 171
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noch beeinflussen kann. Stärker als eine Anhörung setze das Benehmen eine Fühlungnahme voraus, die von dem Willen getragen werde, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen1. Es verbleibt aber auch in diesen Fällen, ebenso wie bei der Formulierung „Einvernehmen ist anzustreben“ beim Letztentscheidungsrecht des Krankenhausträgers. Nach der Rechtsprechung des BAG vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform war die Aufnahme einer Entwicklungs- und Anpassungsklausel in Chefarztverträge ein krankenhaustypisches und zulässiges Gestaltungsmittel. Eine Vereinbarung, die dem Arbeitgeber vertraglich das Recht zur einseitigen Änderung einzelner Vertragsbedingungen einräume, sei grundsätzlich zulässig. Sie sei nur dann unwirksam, wenn sie zur Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes führe. Dies sei in der Regel dann der Fall, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrags einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde2. Die Ausübungskontrolle nahm das BAG nach § 315 BGB danach vor, ob die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind3. Eine Vereinbarung von Entwicklungsklauseln sollte nur dann zur Entschädigungspflicht führen, wenn die Gesamtvergütung des Chefarztes nach Durchführung der Maßnahme weniger als 60 bis 65 % der bisherigen Durchschnittsvergütung erreichte4. 171
Nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes unterliegen die Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen nunmehr einer strengeren Kontrolle. Zunächst ist die Frage der Wirksamkeit der Entwicklungsklausel nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu prüfen. Anschließend stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts, also die Anpassung des Vertrages, billigem Ermessen entspricht und daher zulässig ist. Entwicklungsklauseln sind Beispiele für arbeitsvertragliche Änderungsvorbehalte. Umstritten ist, ob das besondere Klauselverbot des § 308 Nr. 4 BGB oder die allgemeine Vorschrift des § 307 BGB den Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit von Änderungsvorbehalten darstellt5. Die Beurteilung von Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen muss sich nach der Entscheidung des BAG vom 12.1.20056 richten, in der es grundsätzlich zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen von Widerrufsklauseln Stellung nahm. 1 2 3 4 5
BAG v. 13.3.2003 – 6 AZR 557/01, NZA 2004, 735. BAG v. 28.5.1997 – 5 AZR 125/96, NZA 1997, 1160. BAG v. 28.5.1997 – 5 AZR 125/96, NZA 1997, 1160. BAG v. 28.5.1997 – 5 AZR 125/96, NZA 1997, 1160; Quaas/Zuck, § 15 Rz. 40. Henssler, RDA 2002, 129 (138); Zievas, NZA 2002, 1182 (1184); BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NJW 2005, 1820; gegen eine Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB ErfK/Preis, §§ 305 bis 310 BGB Rz. 53; Annuß, BB 2002, 458 (482), da diese Vorschrift bei Änderungsvorbehalten im Arbeitsrecht regelmäßig nicht eingreife, weil sie sich ausweislich ihres Wortlauts bei Arbeitsverträgen nur auf Änderungen und Abweichungen hinsichtlich der Vergütungspflicht des Arbeitgebers beziehen könne. Im Arbeitsverhältnis sei nämlich die versprochene Leistung iSv. § 308 Nr. 4 BGB die Vergütungspflicht des Arbeitgebers. 6 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NJW 2005, 1820.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 173 Teil 13 F
Das BAG hat Widerrufsklauseln sowohl an § 308 Nr. 4 BGB als auch an § 307 BGB gemessen. Nach der Wertung des § 307 BGB seien Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrages nicht zulässig. Insofern nimmt das BAG auf die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Widerrufsvorbehalts Bezug. Die gebotene Interessenabwägung müsse zu einer Zumutbarkeit der Klausel für den Arbeitnehmer führen. Entsprechend § 307 BGB müsse diese Interessenabwägung insbesondere nach der Art und Höhe der Leistung, die widerrufen werden soll, nach der Höhe des verbleibenden Verdienstes und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen vorgenommen werden. Nach der Wertung des § 307 Abs. 2 BGB, der Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses nicht zulasse, sei die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes nur zulässig, soweit der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25–30 % liege und der Tariflohn nicht unterschritten werde1. Nach § 308 Nr. 4 BGB sei die Vereinbarung eines Widerrufsrechts allerdings nur dann zumutbar, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolge, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sei. Für die Vertragsgestaltung bedeutet dies, dass sich aus der Regelung Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderung möglichst konkret ergeben müssen. Ein Widerruf oder die Änderung kann nicht ohne Grund erfolgen. Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein, damit der Arbeitnehmer erkennen kann, was gegebenenfalls auf ihn zukommt. Den Widerrufsgründen muss sich zumindest die Richtung entnehmen lassen, weshalb der Widerruf möglich ist (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitsnehmers). Überträgt man die Rechtsprechung zu Widerrufsvorbehalten auf Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen, so sind diese grundsätzlich weiterhin zulässig. Die inhaltlichen Anforderungen müssen aber genau und transparent formuliert sein. Insbesondere reicht es nicht mehr aus – wie es die Musterformulierung der DKG in der Beratungs- und Formulierungshilfe Chefarztvertrag in der 6. Auflage 2002 noch vorsah, den Krankenhausträgern einschneidende Rechte gegenüber dem Chefarzt einräumen, ohne die möglichen Gründe aufzuführen.
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Hinweis: In der 8. Auflage 2007 der Beratungs- und Formulierungshilfe 172 Chefarztvertrag der DKG ist dieser Rechtsprechung durch § 15 Abs. 2, in dem die Sachgründe für strukturelle und organisatorische Änderungen aufgezählt sind, Rechnung getragen.
Bei der Formulierung von Entwicklungsklauseln ist also ein Änderungsgrund anzugeben2. Reinecke nennt hierfür vor allem wirtschaftliche oder organisatorische Gründe, etwa eine Gesetzesänderung sowie wissenschaftliche oder gesellschaftliche Entwicklungen. Es reicht aber nicht aus, nur wirtschaftlich „sachliche“ Gründe vorzusehen. Grundsätzlich sollte es auch möglich sein, Änderungen aufgrund des Verhaltens von Chefärzten 1 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NJW 2005, 1820; Reinecke, NZA 2005, 953 (958). 2 Reinecke, NJW 2005, 3383 (3387). Vogel
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Teil 13 F Rz. 174
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durchzuführen, beispielsweise eine Abteilung aufzuteilen, wenn der bisherige Chefarzt seiner medizinischen oder Führungsverantwortung nicht gerecht werden kann. In der entsprechenden Klausel sollte auch geregelt werden, inwiefern der Chefarzt bei den anstehenden Änderungen beteiligt werden soll. Je stärker Beteiligung und Einflussmöglichkeiten des Chefarztes ausgestaltet sind, desto eher wird die Klausel als angemessen beurteilt werden müssen. 174
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Bei der Gestaltung von Entwicklungsklauseln ist die vertragliche Festlegung des Anteils am Gesamtverdienst, der dem Chefarzt bei Änderungen aufgrund von Entwicklungsklauseln verbleiben muss, unbedingt notwendig. Fehlt eine solche Festlegung, sind Entwicklungsklauseln, die nach dem 31.12.2001 vereinbart wurden, unwirksam, weil sie zu stark in das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung eingreifen. Nach § 306 Abs. 2 BGB ist auch eine geltungserhaltende Reduktion unzulässig2. In der Formulierung einer Entschädigungspflicht sollte eine Untergrenze von 75 % entsprechend dem Urteil des BAG vom 12.1.20053 vorgesehen werden. Die noch 1997 ermittelte Untergrenze von 60 % bezog sich auf einen der gut verdienenden Chefärzte, während die heutigen Chefärzte in aller Regel weniger verdienen4. Die Entscheidung selbst, ob von der vertraglich vorgesehen Entwicklungsklausel Gebrauch gemacht wird, unterliegt der Ausübungskontrolle. Sie muss gemäß § 315 BGB billigem Ermessen entsprechen und kann von den Arbeitsgerichten überprüft werden.
Hinweis: Von Entwicklungsklauseln mit Neuverhandlungspflicht1 ist den Krankenhausträgern abzuraten, da diese lediglich einen Verhandlungsanspruch mit einer entsprechenden Verhandlungsförderungspflicht haben. Weigert sich der Chefarzt, einer anstehenden Änderung zuzustimmen, so ist es – jedenfalls in angemessener Zeit – unmöglich, Änderungen gegen den Willen des Chefarztes vorzunehmen.
3. Vergütung und Privatliquidation 176
Bei der Vergütung von Chefärzten ist zwischen der Vergütung für die Dienstaufgaben und der Vergütung im Rahmen erlaubter Nebentätigkeiten zu unterscheiden. Ob es sich um Dienstaufgaben oder erlaubte Nebentätigkeiten handelt, spielt insbesondere bei der Beurteilung des dem Chefarzt eingeräumten Rechts auf Privatliquidation eine Rolle. a) Vergütung aus dem Anstellungsverhältnis
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Bei der Gestaltung der Vergütung für die anstellungsvertraglich geschuldete Tätigkeit sind Chefarzt und Krankenhausträger frei. In der Regel vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien neben einer Festvergütung auch variable 1 2 3 4
Wern, S. 327 ff. mwN. Reinecke, NJW 2005, 3385 (3388). 5 AZR 364/04, NJW 2005, 1820. Reinecke, NJW 2005, 3385 (3388); aA Quaas/Zuck, § 15 Rz. 40, die eine Untergrenze von 60 % unter Umständen für wirksam halten.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 180 Teil 13 F
Bestandteile. Die Festvergütung wurde bislang sehr häufig an die höchste Vergütungsgruppe des BAT (BAT I) angelehnt. Da nunmehr die einschlägigen Tarifverträge für die Chefärzte keine Entgeltgruppe mehr vorsehen, wird ein frei ausgehandelter Festbetrag vereinbart werden. Ob ein Chefarzt Weihnachtszuwendungen, Urlaubsgeld oder sonstige Leistungen erhält, hängt auch davon ab, ob sein Anstellungsvertrag hinsichtlich der Vergütung auf einen Tarifvertrag verweist. Andernfalls besteht regelmäßig kein Anspruch des Chefarztes etwa aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die nachgeordneten Ärzte derartige Leistungen beziehen und diese dem Chefarzt nicht gewährt werden. Es besteht aufgrund der frei vereinbarten Vergütung mit dem Chefarzt und der herausgehobenen Position ein sachlicher Grund, ihn von diesen Leistungen auszuschließen. Mit den variablen Bezügen wird die Erledigung der Dienstaufgaben des 178 Chefarztes für Wahlleistungspatienten und für sonstige Tätigkeiten honoriert, für die dem Krankenhaus oder dem Chefarzt ein Liquidationsrecht eingeräumt ist. Insoweit ist zwischen der Beteiligungsvergütung und den Einnahmen des Chefarztes aus eigenem Liquidationsrecht zu unterscheiden1. Während früher in der Regel dem Chefarzt ein eigenes Liquidationsrecht 179 eingeräumt wurde, sehen nunmehr die Musterverträge der DKG als Empfehlung vor, den Chefarzt lediglich prozentual an den Einnahmen des Krankenhausträgers aus dem dienstlichen Aufgabenbereich des Chefarztes zu beteiligen2. Der Mustervertrag sieht demnach vor, die Dienstaufgaben des Chefarztes möglichst umfangreich zu regeln und nur wenig oder keine Nebentätigkeitsbereiche zu belassen. So ist zB die Ermächtigung zur ambulanten Behandlung durch Krankenhausärzte nach § 116 SGB V, die faktisch zum Nebentätigkeitsbereich gehört, ebenfalls als Dienstaufgabe genannt. Besonderheit der Beteiligungsvergütung ist, dass das Liquidationsrecht vom Krankenhausträger und nicht vom Chefarzt ausgeübt wird. Das Krankenhaus ist Gläubiger der Forderungen und Schuldner der Leistung. Der Chefarzt ist – da es sich nicht um einen Bereich der Nebentätigkeit handelt – zur Leistung, also beispielsweise zur wahlärztlichen Behandlung, nach Weisung des Krankenhausträgers verpflichtet. Die Honorare werden, gleich ob stationär oder ambulant, vom Krankenhausträger abgerechnet. Der Chefarzt erhält dann eine in der Regel gestaffelte Beteiligung an den Einnahmen des Krankenhauses, wobei entscheidend für die Berechnungsgröße die Bruttoliquidationseinnahmen sind3.
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Beachte: Bei der Abfassung von Verträgen und bei Vertragsverhandlun- 180 gen ist strikt zwischen der Vergütung für den dienstlichen Aufgabenbereich und für die Nebentätigkeiten zu unterscheiden. Je weiter der dienstliche Aufgabenkreis gezogen ist, desto eher wird ein Krankenhausträger zur Form der Beteiligungsvergütung tendieren. Der Chefarzt wird in der Regel erpicht sein, zumindest einige Aufgaben in den
1 Vgl. Quaas/Zuck, § 15 Rz. 43; Kuhlmann, MedR 2003, 689. 2 Vgl. § 8 Abs. 2 DKG-Mustervertrag, S. 13. 3 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 44. Vogel
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Teil 13 F Rz. 181
Krankenhäuser
Nebentätigkeitsbereich zu verlagern, um dort unter Einräumung des Liquidationsrechtes selbst abrechnen zu können. 181
Immer mehr Chefarztverträge sehen Bonus- oder Zielvereinbarungen vor. Zielvereinbarungen ermöglichen dem Unternehmen eine Flexibilisierung der Arbeitsvergütung. Sie dienen insbesondere der Förderung der Motivation und stellen einen zusätzlichen Anreiz für Mehrleistung der Mitarbeiter dar1. Zielvereinbarungen sind nach richtiger Auffassung als im Synallagma stehende Vergütung im engeren Sinne zu beurteilen, was unmittelbare Auswirkungen auf die Flexibilisierungsmöglichkeiten hat2. Zu unterscheiden sind Zielvereinbarung und Zielvorgaben. Zielvorgaben sind die einseitige Bestimmung von Zielen durch den Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts. Dies bedeutet, dass die Vorgabe bereits vom Arbeitsvertrag gedeckt sein muss3. Dagegen werden Zielvereinbarungen einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelt.
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Mit der Zielvereinbarung wird bezweckt, die Leistung des Chefarztes mit den Zielen der Klinik zu verknüpfen und sie damit auch zu einem zentralen Bestandteil der Personalentwicklungs- und Nachfolgeplanung zu machen4. Der DKG-Mustervertrag5 zählt insoweit Sach- und Personalkosten, die Einführung neuer Behandlungsmethoden, Zielgrößen für Leistung nach Menge und Art, Maßnahmen und Ergebnis der Qualitätssicherung, die Inanspruchnahme nicht ärztlicher Wahlleistung sowie die Beteiligung an Strukturmaßnahmen auf. In der Praxis treten häufig Probleme auf, wenn es darum geht, die Erreichung der Ziele festzustellen. Insbesondere dann, wenn die Erreichung der Ziele nicht nach objektiven Kriterien beurteilt werden kann, sondern eine wertende Entscheidung voraussetzt, führt dies zu Konflikten.
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Wichtig: Die konkrete Zielvereinbarung sollte klar und eindeutig formuliert werden. Aufgrund der Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB gehen bei der Vorformulierung durch den Arbeitgeber Unklarheiten zulasten des Arbeitgebers. Eine klare und eindeutige Regelung ist auch deshalb zu empfehlen, weil sonst die Gefahr von Unstimmigkeiten zwischen Krankenhausträger und Chefarzt besteht und der Zweck der Zielvereinbarung ins Gegenteil verkehrt würde. Aus Anreizgesichtspunkten sollten auch Ziele vereinbart werden, die dem jeweiligen Chefarzt zumindest erreichbar erscheinen.
Tipp: Entscheidend bei der Abfassung von Zielvereinbarungen ist daher nicht nur die Festlegung der Ziele, sondern auch die Bestimmung der Person, der die Kompetenz zur Feststellung des Zielerreichungsgrades zugewiesen wird. Es kann auch empfehlenswert sein, eine Rege-
1 Hidalgo/Ried, BB 2005, 2686; Lindemann/Simon, BB 2002, 1807. 2 Hidalgo/Ried, BB 2005, 2686; Riesenhuber/von Steinau-Steinbrück, NZA 2005, 792; aA Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882. 3 Riesenhuber/von Steinau-Steinbrück, NZA 2005, 785 (787). 4 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 47; Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882. 5 Vgl. § 8 Abs. 3 DKG-Mustervertrag.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 188 Teil 13 F
lung für den Fall zu treffen, dass der Chefarzt mit dem ihm zuerkannten Zielerreichungsgrad nicht einverstanden ist1. Man kann dann diese Aufgabe einer Schiedsstelle überlassen, die Dritter iSd. § 317 BGB ist, so dass die von ihr getroffene Entscheidung nur erfolgreich angegriffen werden kann, wenn „sie offenbar unbillig ist“ (vgl. § 319 BGB2). Ist die Zielerreichung nicht festgestellt worden oder ist der Arbeitnehmer 185 ansonsten mit der Feststellung der Zielerreichung nicht einverstanden, muss er sämtliche für die Feststellung der Zielerreichung maßgeblichen Umstände darlegen und beweisen3. In den Fällen, in denen die Zielvereinbarung bestimmt, dass der Arbeitnehmer nach Vorstellung der Parteien unter gewöhnlichen Umständen und bei einer gut durchschnittlichen Arbeitsleistung einen bestimmten Zielerreichungsgrad verwirklichen kann, kann die Verteilung der Beweislast entsprechend den im Zeugnisrecht bekannten Grundsätzen modifiziert werden. Die Beweislast für eine überdurchschnittliche Leistung trifft dann den Arbeitnehmer, die für eine unterdurchschnittliche Leistung den Arbeitgeber4. Oft werden Rahmenregelungen entworfen, auf deren Basis die jährlichen Ziele vereinbart werden. Praktische Probleme tauchen auf, wenn keine konkrete Zielvereinbarung zustande kommt oder eine Zielvorgabe durch den Arbeitgeber nicht erfolgt5.
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Bei unterbliebenen Zielvorgaben können diese durch das Gericht gemäß § 315 Abs. 2 Satz 2 BGB ersetzt werden. Der Arbeitgeber behält aber auch bei Anrufung des Gerichts sein Leistungsbestimmungsrecht bei und kann Ziele auch nach Anrufung des Gerichts bzw. nach Ablauf der Zielerreichungsperiode festlegen6. Können sich Chefarzt und Krankenhausträger nicht auf eine Zielvereinbarung verständigen, kann der Chefarzt unmittelbar auf Zahlung klagen. Teilweise wird zur Begründung dieser Ansicht § 162 BGB herangezogen7. Eine andere Ansicht will § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB entsprechend anwenden8, während andere dem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch zuerkennen9.
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Das BAG hält im Fall einer nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung nach 188 Ablauf der Zielperiode eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers für möglich. Falls auch den Arbeitnehmer ein Verschulden am Nichtzustande-
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Hannes, NZA 2007, 290 (294). Annuß, BB 2002, 458 (482). Annuß, BB 2002, 458 (482); Behrens/Rinsdorf, NZA 2003, 364 (366). Annuß, BB 2002, 458 (482); Riesenhuber/von Steinau-Steinbrück, NZA 2005, 785 (791). S. hierzu Fallkonstellationen bei Annuß, NZA 2007, 290 (294 f.). Staudinger/Rieble, BGB, § 315 Rz. 262. LAG Köln v. 23.5.2002 – 7 Sa 71/02, NZA-RR 2003, 305; Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882 (883). ArbG Düsseldorf v. 13.8.2003 – 10 Ca 10348/02, DB 2004, 1103 (1104); Behrens/ Rinsdorf, NZA 2006, 830 (835). So Riesenhuber/von Steinau-Steinbrück, NZA 2005, 785 (789). Vogel
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Teil 13 F Rz. 189
Krankenhäuser
kommen der Zielvereinbarung trifft, ist dieses Mitverschulden angemessen zu berücksichtigen1. 189
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Praxistipp: In eine Rahmenregelung für eine Zielvereinbarung kann eine Bestimmung aufgenommen werden, welche Ansprüche der Chefarzt bei unterbliebenen Zielvorgaben haben soll.
Regelungen, die den Chefarzt an Verlusten beteiligen, sind aufgrund einer möglicherweise unzulässigen Verlagerung von Unternehmerrisiken auf Chefärzte bedenklich2. b) Privatliquidation aa) Begriff und Formen 190
Das Recht der Chefärzte, für persönlich im oder am Krankenhaus erbrachte ärztliche Leistungen Vergütung fordern zu können, wird als Liquidationsrecht bezeichnet3. Der Inhalt des Liquidationsrechts erfolgt ausschließlich aus dem mit dem Krankenhaus oder Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag. Liquidiert wird die nach Art und Schwere der Erkrankung des Patienten medizinisch zweckmäßige und gebotene ärztliche Leistung. Liquidationsrechte werden regelmäßig für die stationäre ärztliche Behandlung von Wahlleistungspatienten (sog. wahlärztliche Behandlung), für ambulante Tätigkeiten und für gutachterliche Tätigkeiten eingeräumt.
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Die Einräumung des Liquidationsrechts zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen geschieht durch Vereinbarung zwischen Krankenhausarzt und Krankenhausträger. Dabei muss unterschieden werden, ob das Liquidationsrecht für Tätigkeiten gewährt wird, die zu den Dienstaufgaben des Chefarztes gehören oder die in den Nebentätigkeitsbereich fallen. Die Rechtsprechung des BAG versteht die Einräumung eines Privatliquidationsrechts nicht automatisch als Bestandteil der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung4. Vielmehr ist es stets eine Frage der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung, welche Vergütung der Arbeitgeber schuldet. Die Arbeitsvertragsparteien haben es in der Hand, den Umfang von Leistung und Gegenleistung zu bestimmen. Dementsprechend betont das BAG, dass die Liquidationsbefugnis „bei entsprechender Vertragsgestaltung“ Teil der Vergütung sei. In Chefarztverträgen werde im Regelfall die tarifliche Vergütung und das Liquidationsrecht im Vertrag ausdrücklich als Vergütung für die geschuldete Hauptamtstätigkeit als Chefarzt bezeichnet. Das Liquidationsrecht gelte allerdings nur dann als Teil der Vergütung, „soweit die Arztverträge nicht etwas anderes ergeben“. Entscheidender Ge-
1 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 408; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256. 2 So auch Quaas/Zuck, § 15 Rz. 45. 3 Vgl. MünchArbR/Richardi, § 204 Rz. 44; Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 91 Rz. 1; Wern, S. 167. 4 BAG v. 22.3.2001 – 8 AZR 536/00, AR-Blattei ES250 Nr. 56.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 193 Teil 13 F
sichtspunkt ist also nicht, ob jemand als Chefarzt tätig wird, sondern welche Vergütungsvereinbarung er mit seinem Vertragspartner getroffen hat. Im Regelfall wird man davon ausgehen können, dass das Liquidationsrecht zumindest im wahlärztlichen Bereich bei der Behandlung stationärer Patienten seinem Inhalt nach eine Erwerbstätigkeit darstellt, die Teil der Vergütung ist, welcher der Krankenhausträger dem liquidationsberechtigten Arzt als Gegenleistung für dessen Arbeit nach § 611 Abs. 1 BGB schuldet1. Auch der BFH2 weist darauf hin, dass stationäre Wahlleistungen vom Chefarzt selbständig oder unselbständig erbracht werden können. Dies beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere danach, ob wahlärztliche Leistungen innerhalb oder außerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden. Bei Nichtselbständigkeit muss der Krankenhausträger den Lohnsteuerabzug vornehmen, da es sich dann um Arbeitslohn handelt. Von nicht selbständiger Tätigkeit ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Vertrag über die Erbringung der wahlärztlichen Leistung zwischen Krankenhaus und Patient geschlossen wird, wobei unerheblich ist, dass die Zahlung an den Arzt geht. Bei einem Vertrag zwischen Arzt und Patient wird die wahlärztliche Leistung nicht selbständig erbracht, wenn die Liquidation (im Namen und für Rechnung des Arztes) durch das Krankenhaus erfolgt. Als Arbeitslohn ist nach dem BFH nur der Betrag anzusetzen, der dem Chefarzt nach Abzug der gesetzlich und vertraglich geschuldeten und aus den Liquidationserlösen zu bestreitenden Zahlungen verbleibt. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit liegen dann vor, wenn Vertrag und Liquidation zwischen Arzt und Patient erfolgen. Der BFH macht hier keine Unterschiede zwischen ambulant und stationär erbrachten Leistungen.
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Hinweis: Bei der Gestaltung von Chefarztverträgen, in denen das Li- 192 quidationsrecht eingeräumt wird, ist genau darauf zu achten, dass das Privatliquidationsrecht getrennten Regelungen unterworfen wird, je nachdem, ob es sich auf die Dienstaufgaben oder auf die Nebentätigkeitsbereiche bezieht,. Im Hinblick auf die Verpflichtung des Krankenhausträgers zum Lohnsteuerabzug muss auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung entsprechend berücksichtigt werden.
Die Frage einer scharfen Trennung zwischen Vergütung für Arbeitsleistung 193 und der Privatliquidation als selbständige Nebentätigkeit ist u.a. auch entscheidend dafür, welche Eingriffsbefugnisse im Falle geänderter Bedingungen für den Arbeitgeber zulässig sind. Handelt es sich um einen Teil der Arbeitsvergütung und ist der Krankenhausträger nicht in der Lage, die Ausübung des Liquidationsrechts zu gewährleisten, liegt Unmöglichkeit vor, die entsprechend nach § 280 Abs. 1 BGB zu lösen ist. Liegt dagegen eine Leistungsverweigerung des Krankenhausträgers vor, so findet § 615 Satz 1 1 BAG v. 9.1.1980 – 5 AZR 71/78, AP Nr. 6 zu § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag; MünchArbR/Richardi, § 204 Rz. 45, der allerdings für die stationäre Behandlung von Wahlleistungen das Liquidationsrecht ausschließlich als Arbeitsvergütung auffasst, was von der in der Fußnote zitierten Entscheidung des BAG nicht gedeckt ist. 2 BFH v. 5.10.2005 – VI R 152/01, NZA-RR 2006, 368. Vogel
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Teil 13 F Rz. 194
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BGB Anwendung, mit der Folge, dass es auf ein Verschulden des Krankenhausträgers nicht ankommt1. Handelt es sich bei dem Liquidationsrecht nicht um einen Teil der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung, kommt nur ein Schadensersatzanspruch in Betracht, der auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt werden kann2. 194
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Hinweis: Handelt es sich bei der Einräumung der Privatliquidationsbefugnis um eine Vergütung im Dienstaufgabenbereich, so ist der Chefarzt verpflichtet, das ihm eingeräumte Liquidationsrecht auch auszuüben3. Handelt es sich allerdings um eine Vergütung im Nebentätigkeitsbereich, kann der Chefarzt grundsätzlich nicht gezwungen werden, Einnahmen aus der Nebentätigkeit zu erzielen, es sei denn, dies ist als vertragliche Verpflichtung ausdrücklich vorgesehen. Es obliegt nämlich jedem Arbeitnehmer selbst zu entscheiden, ob er von einer vertraglich eingeräumten Nebentätigkeitserlaubnis auch tatsächlich Gebrauch macht.
bb) Liquidationsrecht im stationären wahlärztlichen Bereich 195
Das Liquidationsrecht für die Erbringung wahlärztlicher Leistungen (vgl. § 17 Abs. 3 KHEntgG) besteht für die Behandlung von stationären Patienten, die von dem leitenden Krankenhausarzt höchstpersönlich behandelt werden wollen und die meist als Wahlleistungspatienten bezeichnet werden. Die Patienten leisten eine besondere Vergütung, die ihnen einen Anspruch auf persönliche Betreuung durch einen Arzt ihres Vertrauens zuerkennt, der ihnen nach Stellung, Kenntnissen und Erfahrungen besonders vertrauenswürdig erscheint. Wahlärztliche Leistungen werden im Rahmen aller bekannten Formen von Krankenhausaufnahmeverträgen erbracht. Sie können im Rahmen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages, eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages mit Arztzusatzvertrag und auch im Ausnahmefall eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrages erbracht werden4.
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Der privat liquidierende Chefarzt ist dem Krankenhaus nach § 19 Abs. 2 KHEntgG gegenüber verpflichtet, die auf die Wahlleistung im Pflegesatzzeitraum entfallenden nicht pflegesatzfähigen Kosten zu erstatten. Die gesetzlichen Abzüge beruhen weiter auf § 6a der GOÄ5. Diese gesetzlich vorgeschriebene Kostenerstattung ist in der Regel in den Anstellungsvertrag des Chefarztes integriert6. Bei der Festlegung der Höhe der Kostenerstattung (§ 19 Abs. 2 KHEntgG) ist zwischen vor dem 1.1.1993 abgeschlosse1 Ausführlich Wern, S. 260 ff. 2 BAG v. 22.3.2001 – 8 AZR 536/00, AR-Blattei ES250 Nr. 56; zu Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen, die sich auf das Liquidationsrecht auswirken können, s. Rz. 171 ff. 3 LAG Hamm v. 18.6.1998 – 17 Sa 2414/97, ArztR 1999, 21. 4 Vgl. dazu Laufs/Uhlenbruck/Genzel, § 93 Rz. 2 ff. 5 Gebührenordnung für Ärzte idF v. 12.1.1982, BGBl. I, 522, geändert durch Gesetz v. 23.12.1995, BGBl. I, 1861. 6 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 48.
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IV. Arbeitsrechtliche Besonderheiten bei Chefärzten
Rz. 201 Teil 13 F
nen Altverträgen und solchen Verträgen zu unterscheiden, bei denen die Liquidationsberechtigung auf einem mit dem Krankenhausträger nach dem 1.1.1993 abgeschlossenen Vertrag beruht (Neuverträge). Entscheidend für die Zuordnung ist allein der Zeitpunkt der erzielten Einigung, nicht der der Arbeitsaufnahme1. Dagegen stellt der Vorteilsausgleich eine vertragliche Beschränkung des Liquidationsrechts dar. Unter Vorteilsausgleich versteht man das pauschale Entgelt für nicht exakt messbare wirtschaftliche Vorteile, die der liquidationsberechtigte Arzt durch die Bereitstellung der für die Ausübung seiner Liquidationstätigkeit erforderlichen Personal- und Sachmittel des Krankenhauses erhält.
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Beachte: Ohne vertragliche Vereinbarung ist der Arzt nicht zur Zahlung eines Vorteilsausgleiches verpflichtet.
Der Vorteilsausgleich wird in der Regel nach Prozenten der Privateinnah- 199 men pauschaliert. Üblich sind feste Prozentsätze von 10 bis 40 %, wobei ein Abzug von 15 % der Regelfall ist2. Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform unterliegen formularvertragliche Vorteilsausgleichsregelungen nach §§ 307 ff. BGB einer Inhaltskontrolle. Der Krankenhausträger kann sich typischerweise auf ein gerechtfertigtes Interesse an der Vereinbarung eines Vorteilsausgleichs berufen. Die gegenseitigen Interessen müssen aber nach § 307 Abs. 1 BGB angemessen berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass ein Vorteilsausgleich, der das Liquidationsrecht übermäßig einschränkt bzw. offensichtlich nicht den zugrunde liegenden Sach- und Materialkosten entsprechen kann, unwirksam ist. Bei der Gestaltung einer Vertragsklausel sollte auch Wert darauf gelegt werden, genau zu bestimmen, für welche Leistungen des Krankenhausträgers der Vorteilsausgleich gewährt werden soll3. Einige Landeskrankenhausgesetze sowie § 29 Abs. 3 MBO-Ärzte sehen vor, 200 dass liquidationsberechtigte Ärzte andere nachgeordnete Ärzte, soweit sie diese zu ärztlichen Verrichtungen bei Patienten heranziehen, denen gegenüber nur sie einen Liquidationsanspruch haben, an den Honorareinnahmen beteiligen müssen (vgl. dazu ausführlich Rz. 123 ff.). Räumt ein Krankenhausträger dem Chefarzt ein Liquidationsrecht ein, so 201 ist er verpflichtet, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass sich das Liquidationsrecht zum Vergütungsanspruch konkretisieren kann. Er muss insbesondere die Aufnahmebedingungen so gestalten, dass der Arzt die Möglichkeit zur Erbringung wahlärztlicher Leistungen erhält und mit dem Patienten rechtswirksame, den schuld- und pflegesatzrechtlichen Grundsätzen entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Daneben muss das Krankenhaus gewährleisten, dass dem Chefarzt die personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die dieser zur Behandlung von Wahl1 Wern, S. 141. 2 Quaas/Zuck, § 15 Rz. 51. 3 Wern, S. 147 ff. Vogel
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Teil 13 F Rz. 202
Krankenhäuser
leistungspatienten benötigt. Der Krankenhausträger muss zudem die ordnungsgemäße Abrechnung der Leistungen ermöglichen bzw. – falls er selbst nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KHEntgG beauftragt ist – die Vergütung nach Abzug der Kosten an den liquidationsberechtigten Arzt weiterleiten1. cc) Liquidationsrechte für ambulante Leistungen 202
Bei den Liquidationsrechten im ambulanten Bereich wird zwischen der vom Krankenhausträger selbst getragenen (Krankenhaus- oder Institutsambulanz, vgl. § 115b Abs. 2 SGB V) und der vom leitenden Arzt (Chefarztambulanz) getragenen Ambulanz unterschieden. In der Instituts- bzw. Krankenhausambulanz kann ein Liquidationsrecht des Chefarztes nicht begründet werden, da das KHEntgG eine gesonderte Vereinbarung und Berechnung von ärztlichen Leistungen hier nicht vorsieht. Der Chefarzt kann lediglich an den Einnahmen beteiligt werden2. Für die Chefarztambulanz besteht die Möglichkeit der privaten Liquidation gegenüber dem Patienten. Es handelt sich hier in der Regel um Einnahmen, die der Chefarzt im Rahmen einer Nebentätigkeit erzielt. In der Nebentätigkeitsgenehmigung wird meist zugleich das Recht zur Privatliquidation vorgesehen. Die oben dargestellten Grundsätze für die Entrichtung von Abgaben in Form des Vorteilsausgleichs finden entsprechende Anwendung. Dies gilt auch für die Pflicht zur Mitarbeiterbeteiligung. Die gesetzliche Pflicht zur Kostenerstattung nach § 19 Abs. 2 KHEntgG bezieht sich nur auf stationäre Leistungen. Entsprechende Abgaben bzw. der Vorteilsausgleich müssen daher vertraglich vereinbart werden, wobei hier ein großzügiger Rahmen bei der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB angebracht ist, da es sich lediglich um eine Vergütung für eine Nebentätigkeit handelt. dd) Liquidationsbefugnis für gutachterliche Tätigkeiten
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Liquidationsrechte für gutachterliche Tätigkeiten ermöglichen dem Chefarzt, seine Gutachtertätigkeit gegenüber dem Patienten besonders abzurechnen3. Wie bei allen Regelungen ist hier ebenfalls entscheidend, ob die Gutachtertätigkeit den Dienstaufgaben oder den Nebentätigkeiten zuzuordnen ist. Die oben dargestellten Grundsätze zu den Wahlleistungen finden entsprechend Anwendung (vgl. dazu Rz. 195 ff.).
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Chefärzte, die mit der Herstellung von Gutachten beauftragt sind, müssen höchstpersönlich tätig werden. Eine Vertretung kommt nicht in Betracht. Gemäß § 19 Abs. 3 KHEntgG kann auch eine Gutachtertätigkeit unter Umständen zu einer Kostenerstattungspflicht des Chefarztes führen.
1 Biermann/Ulsenheimer/Weißauer, MedR 2000, 107 (109). 2 Wern, S. 177 f. 3 Vgl. Laufs/Uhlenbruck/Schlund, § 122 Rz. 15 ff.
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V. Nichtärztliche Berufsgruppen im Krankenhaus
Rz. 207 Teil 13 F
V. Arbeitsrechtliche Besonderheiten nichtärztlicher Berufsgruppen im Krankenhaus 1. Verwaltungspersonal Verwaltungspersonal an Krankenhäusern unterliegt ebenfalls den tarifli- 205 chen Bestimmungen des TVöD-K. Allerdings sind aufgrund der Aufgaben der Verwaltung viele Sonderregelungen des TVöD-K, zB Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst, in der Praxis nicht relevant. Von daher unterscheiden sich die allgemeinen Arbeitsbedingungen von Verwaltungspersonal an Krankenhäusern nicht von denen anderer Arbeitnehmer in Verwaltungseinheiten des öffentlichen Dienstes. 2. Nichtärztliches Heil- und Pflegepersonal a) Heil- und Heilhilfspersonal Die Versorgung von stationären Patienten in Krankenhäusern erfolgt neben 206 der ärztlichen Behandlung durch die Beschäftigten der Krankenpflege. Diese wird durch besonders ausgebildetes Krankenpflege- und Heilhilfspersonal wahrgenommen. Man unterschiedet üblicherweise zwischen nichtärztlichen Heil- und Heilhilfsberufen1. Der Gesetzgeber hat in dem Bereich der nichtärztlichen Heil- und Heilhilfsberufe Bestimmungen getroffen, die die Anforderungen an die Führung bestimmter Berufsbezeichnungen zur Ausübung einer Tätigkeit unter solchen Berufsbezeichnungen regeln. So bedarf es zur Führung von Berufsbezeichnung und Ausübung der Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung oftmals einer Erlaubnis, die das Bestehen entsprechender Prüfungen voraussetzt2. Zu den nichtärztlichen Heilberufsgruppen zählen
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– Ergotherapeuten, – Diätassistenten, – Hebammen und Entbindungspfleger, – Heilpraktiker, – Krankenschwestern und Kinderkrankenschwestern, – Krankenpfleger und Kinderkrankenpfleger, – Masseure, – medizinische Bademeister sowie – Physiotherapeuten und schließlich – psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeuten.
1 Vgl. MünchArbR/Richardi, § 205, Rz. 2. 2 Ausführlich: Bitter/Heuwerth, AR-Blattei, 990.1 Rz. 5 ff. Vogel
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Teil 13 F Rz. 208
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Krankenhäuser
Heilhilfsberufe sind zB Krankenpflegerhelfer, Arzthelfer, pharmazeutischtechnische Assistenten sowie medizinisch-technische Assistenten. b) Berufsausbildung und Tarifvertrag aa) Nichtärztliche Heilberufe
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In den nichtärztlichen Heilberufen ist in der Regel eine spezielle Ausbildung erforderlich und die Ausübung der Tätigkeit unter einer bestimmten Berufsbezeichnung wird im Allgemeinen von einer staatlichen Erlaubnis abhängig gemacht1. Die Erteilung der Erlaubnis wird von einer erfolgreich absolvierten Berufsausbildung abhängig gemacht.
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So regelt zB das Krankenpflegegesetz2, welche Voraussetzungen zur Führung der Berufsbezeichnung Krankenschwester, Krankenpfleger, Kinderkrankenschwester, Kinderkrankenpfleger erfüllt sein müssen. Diese müssen bestimmte Ausbildungslehrgänge abschließen und eine Prüfung vor staatlichen Prüfungsausschüssen ablegen. Als Kranken- und Kinderkrankenpfleger dauert die Ausbildung drei Jahre, als Krankenpflegehelfer nur ein Jahr.
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Für Auszubildende und Schüler in der Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Entbindungs- und Altenpflege gilt ein eigener Ausbildungstarifvertrag (Tarifvertrag Ausbildung für den öffentlichen Dienst – TVAöD vom 13.12.2005). Dieser enthält ebenfalls einen besonderen Teil Pflege. bb) Heil- und Hilfsberufe
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Die Ausübung von Heil- und Hilfsberufen ist nicht erlaubnispflichtig. So absolvieren zB Krankenpflegehelferinnen und Helfer zwar in der Regel auch eine Ausbildung, diese unterliegt aber nicht den Regelungen des Krankenpflegegesetzes. Auch die Berufsbezeichnung ist insoweit nicht geschützt.
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Beachte: Auszubildende der Krankenpflegehilfe wurden nicht in den Geltungsbereich des TVAöD einbezogen. Der Bundesgesetzgeber kann nach einem Urteil des BVerfG3 das Ausbildungsrecht der Heil- und Hilfsberufe nicht regeln. Diese Ausbildungsgänge müssen landesrechtlich geregelt werden. Die Tarifvertragsparteien haben vor diesem Hintergrund davon abgesehen, die Auszubildenden in Heilhilfsberufen in den tarifvertraglichen Geltungsbereich mit aufzunehmen.
1 MünchArbR/Richardi, § 205 Rz. 3; Bitter/Heuwerth, HR-Blattei SD 990.1 Rz. 5, 7. 2 Krankenpflegegesetz idF v. 16.7.2003, BGBl. I S. 1442, zuletzt geändert durch Art. 12a des Gesetzes v. 17.7.2009, BGBl. I, 1990. 3 BVerfG v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, NJW 2003, 41.
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V. Nichtärztliche Berufsgruppen im Krankenhaus
Rz. 215 Teil 13 F
c) Arbeitsbedingungen Nach absolvierter Ausbildung gelten für Heil- und Hilfsberufe die all- 214 gemein für das Krankenhaus anwendbaren Arbeitsbedingungen, insbesondere die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Je nach Einsatzgebiet (Krankenhaus oder Pflege- und Betreuungseinrichtung) findet auf die Arbeitsverhältnisse der TVöD mit seinem Besonderen Teil Krankenhäuser bzw. der TVöD mit dem Besonderen Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen Anwendung (vgl. zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs oben Rz. 25 ff.). TVöD-K und TVöD-B enthalten insbesondere Abweichungen vom allgemeinen TVöD, die der pflegerischen Tätigkeit im Krankenhaus oder in Altenpflege- bzw. Betreuungseinrichtungen Rechnung tragen sollen. Auch die Vergütung ist in einer gesonderten Entgelttabelle geregelt.
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G. Bühnenarbeitsverhältnisse Rz. I. Arbeitsverträge mit künstlerischem Personal und Musikern auf der Grundlage des Normalvertrags Bühne und des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Normalvertrag Bühne (NVBühne) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Regelungen . . . . . b) Sonderregelungen (SR) Solo. . . c) Sonderregelungen (SR) Bühnentechniker. . . . . . . . . . . . . . .
Rz. d) Sonderregelungen (SR) Tanz . . . . 23 e) Sonderregelungen (SR) Chor . . . . 24 2. Der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) . . . . . . . . . . 27
1 2 3 16 22
II. Sonstige Arbeitsverhältnisse im Bühnenbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit . 1. Geltungsbereich und Organisation . 2. Grundzüge des schiedsgerichtlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Aufhebungsklage . . . . . . . . . . . .
40 40 48 59
Schriftum: Bolwin/Sponer, Bühnentarifrecht, Loseblatt; Stand Februar 2010; Kurz, Praxishandbuch Theaterrecht, 1999; Nix/Hegemann/Hemke, Normalvertrag Bühne, Handkommentar, 2008.
I. Arbeitsverträge mit künstlerischem Personal und Musikern auf der Grundlage des Normalvertrags Bühne und des Tarifvertrags für die Musiker in Kulturorchestern 1
Für das Bühnenpersonal im engeren Sinne, nämlich für das künstlerische Theaterpersonal, für technisches Theaterpersonal mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit und Orchestermusiker, gelten besondere Tarifverträge. Dementsprechend nehmen § 1 Abs. 2 Buchst. n TVöD und § 1 Abs. 2 Buchst. j TV-L die genannten Personengruppen von ihrem ansonsten umfassenden Geltungsbereich aus. Für die Anwendung des zutreffenden Tarifrechts ist stets sorgfältig zu prüfen, ob der Arbeitnehmer zu dem künstlerischen Bühnenpersonal gehört. Die Bühnentarifverträge und der TVöD widersprechen sich also nicht, sondern ergänzen sich dadurch, dass wesentliches Kriterium der Abgrenzung die – überwiegend – künstlerische Tätigkeit des Bühnenschaffenden ist1. 1. Der Normalvertrag Bühne (NV-Bühne)
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Der NV-Bühne vom 15.10.2002 ist am 1.1.2003 in Kraft getreten. Er hat die bis dahin geltenden Normalverträge Solo und Chor/Tanz sowie die Tarifverträge für die technischen Angestellten mit künstlerischer oder überwiegend künstlerischer Tätigkeit (BTT/BTTL) einschließlich der jeweiligen Zusatzverträge ersetzt. Der NV-Bühne regelt die Arbeitsverhältnisse der rund 20 000 an den deutschen Bühnen künstlerisch Tätigen kraft Tarifgebundenheit oder arbeitsvertraglicher Inbezugnahme. Für die Orchester1 Vgl. VGH München v. 2.2.2007 – 17 P 06.470, juris.
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musiker gilt weiterhin der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK). a) Allgemeine Regelungen Dem NV-Bühne unterfallen nach § 1 Abs. 1 Solomitglieder und Bühnentechniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder an Bühnen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die von einem Bundesland oder von einer Gemeinde oder von mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband oder mehreren Gemeindeverbänden ganz oder überwiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden. Die eingeschränkte Geltung für die in § 1 Abs. 7 genannten Mitglieder an Privattheatern regelt die Anlage 1 zum NV-Bühne.
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In den Absätzen 2 bis 4 des § 1 NV-Bühne wird näher definiert, wer nach 4 Ansicht der Tarifparteien als Bühnenmitglied anzusehen ist. So handelt es sich bei den Solomitgliedern vor allem um Einzeldarsteller (zB um Schauspieler und Gesangssolisten), aber auch um Dirigenten, Repetitoren, Disponenten, Bühnenbildner, Inspizienten, Souffleure, Theaterpädagogen sowie Personen in ähnlicher Stellung. Für die tarifrechtliche Zuordnung kommt es im Zweifel auf die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit an1. Wenn etwa Theaterfotografen und Theaterpädagogen in den künstlerischen Betrieb eingegliedert sind, dann können sie zu den Bühnenmitgliedern im Sinne des Bühnentarifrechts gehören2. Bühnentechniker sind vor allem Technische Direktoren und technische 5 Leiter, Chefmaskenbildner, Tonmeister und vergleichbares Leitungspersonal im technischen Bereich. Beschäftigte unterhalb der Leitungsebene sollen Bühnentechniker im Sinne des NV-Bühne sein, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind. Für die Rechtsnatur des Vertrags ist allerdings nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern die wahre Natur der von ihnen getroffenen Vereinbarungen maßgeblich3. Jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitnehmer auf die Umgehung zwingenden oder tarifdispositiven Gesetzesrechts beruft, ist zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis den notwendigen künstlerischen Bezug hat4. Bühnenmitgliedern im tariflichen Sinne ist gemeinsam, dass sie durch ihre Tätigkeit an der Erarbeitung und Umsetzung der künstlerischen Konzeption eines Werkes unmittelbar mitarbeiten, indem sie entweder direkt an der Aufführung eines Stücks mitwirken oder 1 Vgl. ArbG Frankfurt v. 17.10.2002 – 19 Ca 1042/02, juris, verneinend für eine Pressereferentin und persönliche Referentin des Intendanten. 2 Vgl. LAG Köln v. 17.6.1993 – 6 Sa 190/93, ZTR 1993, 457. 3 Vgl. BAG v. 24.9.1986 – 7 AZR 663/84, AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 28; BAG v. 2.7.2003 – 7 AZR 613/02, NZA 2004, 1119; großzügiger BAG v. 25.2.2009 – 7 AZR 942/07, juris; BAG v. 28.1.2009 – 4 AZR 987/07, MDR 2009, 1344. 4 Vgl. BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 156/96, NZA 1998, 220; ferner APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 193; zum Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Einstellung einerseits Bay. VGH München v. 2.2.2007 – 17 P 06.470, andererseits OVG Münster v. 27.10.2006 – 1 A 464/05.PVL, ZTR 2007, 164. Kalb
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das aufzuführende Stück bereits im Vorfeld gestalten und verantworten und die konzeptionelle Umsetzung überwachen1. 6
Zu den Opernchormitgliedern gehören nach § 1 Abs. 4 NV-Bühne auch Chormitglieder, die Operetten und Musicals singen.
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Für Solomitglieder, mit denen Gastspielverträge abgeschlossen werden, gilt der Tarifvertrag bis auf § 53 (Bühnenschiedsgerichtsbarkeit), § 60 (Vermittlungsgebühr – Solo) und § 98 (Ausschlussfristen) nicht. Ebenso wenig anwendbar ist der NV-Bühne auf Mitglieder, die von Fall zu Fall (Aushilfen) oder auf Stückdauer für einzelne Inszenierungen beschäftigt werden. Gastspielverträge sind nach der tariflichen Definition in § 1 Abs. 5 NV-Bühne Verträge, die der Arbeitgeber zur Ergänzung seines ständigen Personals und zur Ausgestaltung seines Spielplans mit Solomitgliedern in der Weise abschließt, dass sie nicht als ständige Solomitglieder angestellt, sondern nur zur Mitwirkung für eine bestimmte Anzahl von Aufführungen, aber nicht für mehr als 72 während der Spielzeit, verpflichtet werden. Auch die jahrelange Beschäftigung einer Opernsängerin auf der Grundlage mehrerer Gastspielverträge ist danach zulässig. Für die Unterscheidung eines Gastspielvertrags von dem Arbeitsvertrag eines ständigen Bühnenmitglieds ist nicht entscheidend, dass der Gast nur für eine vorübergehende Zeit angestellt wird. Maßgebend ist vielmehr, dass der Künstler für bestimmte im Vertrag bezeichnete Rollen und für eine bestimmte Anzahl von Aufführungen engagiert wird2. Der Gastvertrag ist kein Werkvertrag, sondern Dienstvertrag iSd. § 611 BGB, auf den bei kurzfristiger Dienstverhinderung, etwa bei krankheitsbedingtem Ausfall für eine Vorstellung, an sich § 616 BGB Anwendung findet, der aber vertraglich abbedungen werden kann3.
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Eine generelle Öffnungsklausel für abweichende Individualvereinbarungen mit leitenden Bühnenmitgliedern enthält § 1 Abs. 6 NV-Bühne.
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Mit dem Bühnenmitglied ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag nach einem der vorgegebenen Muster (Anlagen 2 bis 6) abzuschließen. Auch Änderungen bedürfen gemäß § 2 Abs. 1 NV-Bühne der – konstitutiven – Schriftform.
10 Der Arbeitsvertrag ist nach § 2 Abs. 2 NV-Bühne mit Rücksicht auf die künstlerischen Belange der Bühne stets ein Zeitvertrag. Daher sehen alle Musterverträge vor, dass das Arbeitsverhältnis für eine oder mehrere Spielzeiten begründet wird und es zu einem bestimmten Datum beginnt und endet, sowie ergänzend, dass es sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit) verlängert, wenn nicht eine Nichtverlängerungsmitteilung entsprechend der für die jeweilige Gruppe geltenden Sondervorschriften (dazu unten Rz. 16 ff.) ausgesprochen wurde. 1 BAG v.16.11.1995 – 6 AZR 229/95, NZA 1996, 720; vgl. ferner Kurz, S. 264 f. Rz. 21; HK-NV-Bühne/Nix, § 1 Rz. 4. 2 Vgl. BAG v. 2.7.2003 – 7 AZR 613/02, NZA 2004, 1119. 3 Vgl. BAG v.7.2.2007 – 5 AZR 270/06, ZTR 2007, 391; Zust. HK-NV-Bühne/Nix, § 1 Rz. 7, 8.
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Daneben kann nach § 43 NV-Bühne das Recht der ordentlichen Kündigung 11 im Arbeitsvertrag vereinbart werden, allerdings nur mit der Maßgabe, dass zum Schluss eines Vertragsjahrs oder einer Spielzeit mit einer Frist von sechs Wochen gekündigt werden darf. Die Kündigung bedarf ebenso wie nach § 623 BGB der Schriftform. Das gilt auch für die unter bestimmten Voraussetzungen ohne vorherige Vereinbarung zulässige betriebsbedingte Änderungskündigung bzw. Änderungs-Nichtverlängerungsmitteilung (§ 43 Abs. 2 und 3 NV-Bühne). Letztere kann analog § 2 KSchG unter dem Vorbehalt gerichtlicher Nachprüfung der geänderten Bedingungen auf ihre inhaltliche Zumutbarkeit angenommen werden1. Wird eine ordentliche (Änderungs-)Kündigung des Bühnenarbeitsverhältnisses ausgesprochen, so muss sie sich uneingeschränkt am KSchG messen lassen. Nahezu wortgleich mit § 626 BGB erlaubt § 44 NV-Bühne die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Der Prüfungsmaßstab entspricht dem des § 626 BGB, so dass die hierzu von der Rechtsprechung insbesondere des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätze zur Anwendung kommen2.
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Einen besonderen Beendigungstatbestand bildet die Feststellung der vollen Erwerbsminderung des Mitglieds (§ 45 NV-Bühne). Das Arbeitsverhältnis endet dann unmittelbar aufgrund der tariflichen Rechtsfolge mit dem Ende des Monats, in dem der Bescheid des Rentenversicherungsträgers zugestellt wird.
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Wenn für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Auflösung des Thea- 14 ters oder die Auflösung der jeweiligen Sparte des Theaters oder die Zusammenlegung des Theaters mit einem oder mehreren anderen Theatern ursächlich ist, dann erhält das Bühnenmitglied nach näherer Maßgabe des § 46 NV-Bühne ein Übergangsgeld von maximal sechs monatlichen Vergütungen. Vergleichbare Leistungen, etwa eine Abfindung aufgrund des KSchG, werden angerechnet. § 98 NV-Bühne statuiert eine allgemeine Ausschlussfrist. Danach verfallen Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Mitglied oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Sachlich erfasst werden damit alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob einzelvertraglich oder normativ begründet, also auch Ansprüche aus Vertragsverletzungen, Bereicherungsansprüche (Rückzahlung von Vorschüssen, Überzahlungen) und Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, soweit sie mit der Arbeitsleistung in engem Zusammenhang stehen3. Ergänzend kann auf die Kommentierung zur inhaltsgleichen Ausschlussklausel des § 37 TVöD verwiesen werden4. 1 2 3 4
Vgl. LAG Köln v. 14.9.2000 – 6 Sa 797/00, juris. Vgl. ebenso Kurz, S. 420 Rz. 3; HK-NV-Bühne/Hemke, § 44 Rz. 11. Vgl. HWK/Henssler, § 1 TVG Rz. 96 mwN; HK-NV-Bühne/Maier, § 98 Rz. 20. Vgl. Bepler/Böhle/Martin/Stöhr/Bepler, TVöD, § 37 Rz. 18 ff. Kalb
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b) Sonderregelungen (SR) Solo 16 Nach § 61 Abs. 2 NV-Bühne verlängert sich der mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossene Arbeitsvertrag zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der anderen bis zum 31. Oktober der laufenden Spielzeit schriftlich mit, dass sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern. Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende der Spielzeit ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), muss die Nichtverlängerungsmitteilung bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein. Dieses tarifliche System der Fiktion befristeter Vertragsverlängerungen bei Ausbleiben der Nichtverlängerungsmitteilung bleibt trotz § 15 Abs. 5 TzBfG zulässig, weil die Vorschrift im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte aus Art. 5 Abs. 3 und 9 Abs. 3 GG restriktiv anzuwenden ist1. 17 Nach mehr als 15 Jahren bzw. Spielzeiten kann der Arbeitgeber in der Regel nur noch eine Änderungs-Nichtverlängerungsmitteilung aussprechen, um das Arbeitsverhältnis unter anderen Vertragsbedingungen – auch außerhalb der im Arbeitsvertrag angegebenen Bühne(n) – fortzusetzen. Als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht muss diese Änderungsmaßnahme billigem Ermessen entsprechen2. Hat das Solomitglied zu dem letztmöglichen Zugangszeitpunkt ferner bereits das 55. Lebensjahr vollendet, kommt nur noch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen bei der im Arbeitsvertrag festgelegten Bühne in Betracht (§ 61 Abs. 3 NV-Bühne). 18 Weitere Wirksamkeitsvoraussetzung für die Nichtverlängerungsmitteilung ist die Anhörung des Solomitglieds und/oder bestimmter Vertrauenspersonen nach näherer Maßgabe des § 61 Abs. 4 bis 6 NV-Bühne. Da hierfür wiederum bestimmte Fristen einzuhalten sind, muss der Arbeitgeber rechtzeitig seine Nichtverlängerungsabsicht mitteilen. Er hat dem Bühnenmitglied eine auf die Person bezogene, konkrete und nachvollziehbare Begründung für die beabsichtigte Nichtverlängerung zu geben3. Die Anhörung soll nämlich soziale Härten vermeiden helfen und den Intendanten veranlassen, seine Entscheidung unter Berücksichtigung der vom Bühnenmitglied vorgetragenen Gegenargumente erneut zu überdenken bzw. zu überprüfen. Die Nichtverlängerungsgründe müssen nicht schon in einem Einladungsschreiben, sondern erst bei der Anhörung genannt werden. Dabei geht es letztlich nur um die Offenlegung der subjektiven Motivation, nicht um den Nachweis objektiver Gründe, die einer gerichtlichen Richtigkeitskontrolle zugänglich wären4. Es empfiehlt sich, die Anhörung unter 1 Vgl. näher APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rz. 92; ferner LAG Köln v. 21.1.2008 – 2 Sa 1046/07, LAGE § 14 TzBfG Nr. 42. 2 Vgl. BAG v. 3.11.1999 – 7 AZR 898/98, NZA 2000, 491. 3 Vgl. BAG v. 11.3.1982 – 2 AZR 233/81, AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 19 m. zust. Anm. Herschel; v. 23.1.1986 – 2 AZR 243/85, EzA § 4 TVG Bühnen Nr. 2 m. abl. Anm. Dütz; v. 18.4.1986 – 7 AZR 114/85, AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 27 m. zust. Anm. Schimana; v. 29.5.1991 – 7 AZR 79/90, NZA 1991, 942. 4 Vgl. BAG v. 3.11.1999 – 7 AZR 898/98, NZA 2000, 491.
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möglichst genauer Darlegung der Gründe durchzuführen und zu Beweiszwecken schriftlich festzuhalten. Beruht die Nichtverlängerung auf einem Intendantenwechsel, so reicht der entsprechende Hinweis bei der Anhörung aus1. Die Reglementierungen der Absätze 3 bis 6 des § 61 NV-Bühne gelten 19 nicht, wenn das Solomitglied bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine andere Versorgung durch den Arbeitgeber abgesichert ist. Sie gelten ferner nicht, wenn die Nichtverlängerungsmitteilung zum Ende der Spielzeit ausgesprochen wird, in der das Bühnenmitglied das 65. oder ein späteres Lebensjahr vollendet (§ 61 Abs. 9 NV-Bühne). Unabhängig von der Klagefrist aus § 17 TzBfG statuiert § 61 Abs. 8 NVBühne eine besondere Klagefrist: Danach sind Klagen gegen Nichtverlängerungsmitteilungen innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach den letztmöglichen Zugangsterminen zu erheben.
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Die tarifliche Befristungsregelung ist sachlich gerechtfertigt und von der 21 Rechtsprechung im Grunde seit langem anerkannt2. Dabei wird vor allem auf die Verantwortung des Intendanten für das künstlerische Konzept abgestellt. Ihm muss daher die Möglichkeit verbleiben, bei der jährlichen Festlegung des Programms das Ensemble auszuwechseln und gemäß seinen künstlerischen Vorstellungen zusammenzustellen. Diesem Aspekt trägt auch die Vorschrift des § 62 NV-Bühne Rechnung, die eine besondere Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass eines Intendantenwechsels vorsieht. Die Höhe der Abfindung orientiert sich wie das Übergangsgeld an der Dauer der Beschäftigung. c) Sonderregelungen (SR) Bühnentechniker Für Bühnentechniker gelten nach den §§ 69, 70 NV-Bühne im Hinblick auf 22 Nichtverlängerungsmitteilung und besondere Entschädigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Anlass eines Intendantenwechsels die gleichen Regeln wie für Solomitglieder. Im Grundsatz ist auch hier die befristete Beschäftigung des künstlerisch tätigen Bühnenpersonals sachlich gerechtfertigt3. Im Einzelfall kann die Zuordnung nach Maßgabe eines relevanten Einflusses auf das künstlerische Konzept jedoch zweifelhaft sein. Dabei reicht es entgegen der tariflichen Konstruktion nicht aus, im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, dass der Arbeitnehmer überwiegend künstlerisch tätig ist. Im Gegensatz zu einer tariflichen Festlegung wie etwa für den Chefmaskenbildner kann einer solchen Parteivereinbarung auch keine Indizwirkung beigelegt werden, die vom Arbeitnehmer zu erschüttern wä1 Vgl. BAG v. 15.3.1989 – 7 AZR 316/88, AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 35; Opolony, NZA 2001, 1351, 1354. 2 Vgl. grundlegend BAG v. 21.5.1981 – 2 AZR 1117/78, AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 15. 3 Vgl. BAG v. 27.1.1993 – 7 AZR 124/92, AP ArbGG 1979 § 110 Nr. 3 für den Zeitvertrag eines Chefmaskenbildners. Kalb
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re1. Zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht steht nicht zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien. Ob der Arbeitnehmer wie vereinbart „überwiegend künstlerisch tätig ist“, muss daher im Streitfall von der Partei dargelegt und bewiesen werden, die sich auf die Sonderregelungen des Bühnentarifrechts beruft2. d) Sonderregelungen (SR) Tanz 23 Auch für Tanzgruppenmitglieder gelten nach den §§ 96, 97 NV-Bühne im Wesentlichen die zuvor für Solomitglieder dargestellten Regeln für die Nichtverlängerungsmitteilung und Abfindung bei Vertragsbeendigung aus Anlass eines Intendantenwechsels. Bei Tanzgruppenmitgliedern lässt sich die Befristung der Arbeitsverhältnisse als Regelfall ohne weiteres aus künstlerischen Gründen rechtfertigen3. Das individuelle Erscheinungsbild und die tänzerische Ausdruckskraft des einzelnen Mitglieds sind für den künstlerischen Gesamteindruck der Tanzgruppe von entscheidender Bedeutung, weil meistens jedes Mitglied auf der Bühne sichtbar ist und häufig in ständigem Wechsel in den Vordergrund tritt4. Der Arbeitgeber muss in einem Anhörungsgespräch vor einer Nichtverlängerung jedenfalls dann keinen Dolmetscher stellen, wenn er von dem Arbeitnehmer nicht rechtzeitig über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers informiert wird5. e) Sonderregelungen (SR) Chor 24 Auch bei den Opernchormitgliedern gibt es zunächst einen eher formalen Bestandsschutz durch Anhörung vor Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung insofern, als nach § 83 Abs. 3 NV-Bühne spätestens zwei Wochen vor den letztmöglichen Zugangsterminen der sog. Opernchorvorstand vom Arbeitgeber schriftlich über die Nichtverlängerungsabsicht zu unterrichten und ihm mit dem Ziel der Einigung Gelegenheit zur Aussprache oder schriftlichen Stellungnahme innerhalb einer Woche zu geben ist. Der Arbeitgeber soll die Stellungnahme des Opernchorvorstands mit in seine Erwägungen über die beabsichtigte Nichtverlängerung einbeziehen (§ 83 Abs. 4 NV-Bühne). Nach ausdrücklicher Anordnung des § 83 Abs. 7 NVBühne ist die Nichtverlängerung des Arbeitsvertrags unwirksam, wenn die Unterrichtung nach § 83 Abs. 3 NV-Bühne unterbleibt oder der Arbeitgeber dem Opernchorvorstand keine Gelegenheit zur Aussprache oder Stellungnahme gibt. Wegen des Umfangs der Unterrichtung kann auf das oben bei den anderen Gruppen zur Anhörung des Bühnenmitglieds Ausgeführte ver1 Vgl. APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 193. 2 Vgl. BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 156/96, NZA 1998, 220; allein auf die Vereinbarung abstellend aber BAG v. 25.2.2009 – 7 AZR 942/07, juris. 3 Vgl. BAG v.18.4.1986 – 7 AZR 114/85, AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 27; BAG v. 23.10.1991 – 7 AZR 56/91 AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 45. 4 Vgl. BAG v. 18.8.1986 – 7 AZR 418/85, juris; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 192; Meinel, FS Raue, 2006, S. 566. 5 Vgl. LAG Köln v. 18.9.2009 – 4 Sa 1301/08, juris.
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wiesen werden. Sinn und Zweck der Beteiligung des Opernchorvorstands gebieten die Offenlegung der subjektiven Motivation, damit noch auf die Entscheidung des Arbeitgebers Einfluss genommen werden kann. Das Opernchormitglied trägt im Streitfall die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Nichtverlängerungsmitteilung ein Opernchorvorstand bestanden hat1. Im Unterschied zu der Regelung bei den anderen Gruppen ist die Nichtver- 25 längerungsmitteilung nach § 83 Abs. 8 NV-Bühne ferner unwirksam, wenn künstlerische Belange der Bühne durch die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht beeinträchtigt werden und wenn die Interessen des Opernchormitglieds an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gebieten. Die Voraussetzungen für diesen materiellen Bestandsschutz müssen kumulativ vorliegen. Werden also künstlerische Belange beeinträchtigt, kommt es auf das Vorliegen der zweiten Voraussetzung nicht mehr an, die Nichtverlängerungsmitteilung ist wirksam. Der Begriff der künstlerischen Belange muss unter dem Aspekt der Kunstfreiheit weit verstanden werden und schließt Auswirkungen anderer Ursachen ein. So können Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Chormitglieds, etwa Mängel im sängerischen und/oder darstellerischen Bereich oder Störungen des Betriebsfriedens, die künstlerischen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen2. Ob und inwieweit das auch für betriebsbedingte Gründe gilt, ist allerdings streitig. Das BAG hat in einem nicht veröffentlichten Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde3 gemeint, es sei offenkundig, dass der Begriff der künstlerischen Belange nicht auch solche wirtschaftlicher oder organisatorischer Art umfasse. Danach wären zB notwendige Sparmaßnahmen kein ausreichender Grund zur Nichtverlängerung4. Andererseits ist in der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass künstlerische Belange betroffen sind, wenn betriebsbedingt der gesamte Opernchor aufgelöst werden muss5. Gleiches kann dann auch angenommen werden, wenn einzelne Opernchorstellen aus betriebsbedingten Gründen gestrichen werden und die Stellenreduktion in künstlerisch sinnvoller Weise auf die Kunstfächer verteilt wird6. Zur Beweislastverteilung ordnet § 83 Abs. 10 NV-Bühne an, dass die künst- 26 lerischen Belange der Bühne vom Arbeitgeber, die übrigen Umstände, zB die Leistungsfähigkeit oder die sonstige Eignung, vom Opernchormitglied zu beweisen sind. Ist beispielsweise unstreitig, dass bei Vorliegen der vom Arbeitgeber behaupteten unsauberen Intonation des Sängers künstlerische Belange beeinträchtigt sind, und sind streitig allein seine stimmlichen und
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Vgl. BSchG Chor v. 25.5.1994 – C 7/93. Vgl. Bolwin/Sponer, § 83 NV-Bühne Rz. 56. BAG v. 15.3.1995 – 7 AZN 847/94. Vgl. Bezirksschiedsgericht Köln v. 18.12.1995 – BSchG 18/95; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 206. 5 Vgl. Bolwin/Sponer, § 83 NV-Bühne Rz. 57 mwN. 6 Vgl. ebenso Bezirksschiedsgericht Berlin v. 30.4.1999 – BSchG 5/99; Bolwin/Sponer, § 83 NV-Bühne Rz. 57. Kalb
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stimmtechnischen Möglichkeiten, dann trägt nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer die Beweislast1. 2. Der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) 27 Für die Arbeitsverhältnisse von Musikern in Kulturorchestern, deren Arbeitgeber ein Unternehmermitglied des Deutschen Bühnenvereins ist, gilt der TVK in der Neufassung vom 31.10.2009, die am 1.1.2010 in Kraft getreten ist2. Kulturorchester sind nach der Definition in § 1 Abs. 2 TVK Orchester, die regelmäßig Operndienst versehen oder Konzerte ernst zu wertender Musik spielen und nicht überwiegend Operettendienst leisten. Der TVK findet nach § 2 Abs. 1 keine Anwendung auf Kapellmeister, für die der NV-Bühne gilt, und auf Orchesteraushilfen, die von Fall zu Fall beschäftigt werden. Orchesteraushilfen sind nach der Protokollnotiz der Tarifparteien auch Musiker, die ohne Verpflichtung für den allgemeinen Dienst für bestimmte musikalische Aufgaben verpflichtet werden, auch wenn die Verpflichtungsdauer sich über einen größeren Zeitraum erstreckt. Davon kann jedenfalls bei einer „Daueraushilfe“ nicht mehr die Rede sein3. 28 Mit dem Musiker ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag – auf unbestimmte Zeit – nach dem Muster der Anlage zum TVK abzuschließen. Nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TVK dürfen Zeitverträge nur abgeschlossen werden, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Musikers liegende Gründe vorliegen. Zudem ist der Abschluss von Zeitverträgen für die Dauer von mehr als drei Jahren unzulässig. 29 Im Gegensatz zu den übrigen künstlerischen Beschäftigtengruppen ist daher bei den Orchestermusikern die unbefristete Beschäftigung der tarifliche Regelfall. Da die Zulässigkeit von Zeitverträgen an zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen geknüpft wird, ist die Abschlussfreiheit der Arbeitgeber teilweise eingeschränkt. So kommt eine sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 TzBfG nicht in Betracht, weil es sich bei § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TVK um eine für den Arbeitnehmer günstigere Tarifnorm handelt, die eine Befristung von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als das Gesetz4. Zu dem Erfordernis des sachlichen Grundes kann im Übrigen auf die Aufzählung in § 14 Abs. 1 TzBfG verwiesen werden, das ergänzend zur Anwendung kommt, soweit der TVK nichts anderes bestimmt. So steht die normierte 1 Vgl. BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 952/98, NZA 2000, 1345. 2 Vgl. zur Tarifgeschichte Bolwin/Sponer, § 59 TVK a.F. Rz. 2. 3 Vgl. LAG Köln v. 4.6.1985 – 1 Sa 960/82, zitiert nach Bolwin/Sponer, § 2 TVK Rz. 9a; vorgehend BAG v. 5.7.1984 – 2 AZR 84/83, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 18. 4 Vgl. früher bereits zum Verhältnis von § 1 BeschFG und SR 2y BAT BAG v. 25.9.1987 – 7AZR 315/86, AP § 1 BeschFG Nr. 1; v. 31.8.1994 – 7 AZR 983/93, AP § 620 BGB Befr. Arbeitsvertrag Nr. 163; Bolwin/Sponer, § 3 TVK Rz. 35; zur Zulässigkeit der von § 14 Abs. 2 TzBfG abweichenden Tarifnorm APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rz. 406 mwN.
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Höchstdauer eines Zeitvertrages dem Abschluss eines von vornherein auf die Dauer von mehr als drei Jahren befristeten Arbeitsvertrages entgegen. Die mehrfache Befristung des Arbeitsverhältnisses etwa zur Vertretung der in Elternzeit befindlichen Kollegin darf demgegenüber den Zeitraum von drei Jahren überschreiten1. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 TVK gilt für Orchestermusiker grundsätzlich die Zeit 30 vom Beginn der Beschäftigung bis zum Ende des 24. Monats der Beschäftigung als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis nach § 43 Abs. 1 TVK mit einer Frist von drei Monaten zum Ende der Probezeit oder zum Ende des für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahrs gekündigt werden. Da nach Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG aber die zwingenden Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes eingreifen, kann der Musiker die Kündigung im Kündigungsschutzprozess auf ihre soziale Rechtfertigung überprüfen lassen2. Bei längerer Probezeit empfiehlt sich daher der Abschluss eines entsprechend befristeten Arbeitsvertrages, der ohne Kündigung endet. Bei einem Konzertmeister in einem Symphonieorchester kann nämlich die Ausschöpfung der gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 TVK tariflich zulässigen Probezeit (bis 18 Monate) für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich gerechtfertigt sein3. In § 43 TVK ist das Recht zur ordentlichen Kündigung geregelt, das im Un- 31 terschied zu den im Regelfall in Zeitverträgen beschäftigten Künstlergruppen nicht besonders im Arbeitsvertrag vereinbart werden muss. Nach Ablauf der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist sechs Monate zum Ende des für das einzelne Orchester üblichen Beschäftigungsjahres. Für die Kündigung des Arbeitgebers gelten im Übrigen die zwingenden Vorschriften des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes (KSchG, BEEG, MuSchG, SGB IX). Ferner sind die Beteiligungsrechte von Betriebs- oder Personalrat (insbesondere § 102 BetrVG, § 79 BPersVG) zu beachten. In § 44 TVK wird das Recht zur außerordentlichen Kündigung voraus- 32 gesetzt. Insoweit kommt anders als bei § 44 NV-Bühne die allgemeine Regelung des § 626 BGB unmittelbar zur Anwendung. Darüber hinaus sieht § 44 Abs. 1 TVK in Anlehnung an § 55 BAT/34 Abs. 2 TVöD eine tarifliche ordentliche Unkündbarkeit dann vor, wenn der Musiker 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber oder seinem Rechtsvorgänger beschäftigt war und das 40. Lebensjahr vollendet hat. Für spezielle wichtige Gründe, etwa bei Auflösung und Verkleinerung des Orchesters, Feststellung einer dauerhaften Berufsunfähigkeit, lässt der TVK eine außerordentliche Kündigung mit langer Auslauffrist, nämlich zwölf Monaten zum Ende des üblichen Beschäftigungsjahres, zu. Bei der Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats ist zu beachten, dass diese befristet außerordentliche Kündigung an die Stelle ei-
1 Vgl. BAG v. 10.2.1999 – 7 AZR 593/97, juris; Bolwin/Sponer, § 3 TVK Rz. 38. 2 Vgl. BAG v. 15.8.1984 – 7 AZR 228/82, AP § 1 KSchG Nr. 8. 3 Vgl. LAG Köln v. 11.1.1995 – 7 Sa 902/94, MDR 1995, 934; BAG v. 12.9.1996 – 7 AZR 31/96, NZA 1997, 47. Kalb
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Teil 13 G
Rz. 33
Bühnenarbeitsverhältnisse
ner ansonsten auszusprechenden ordentlichen Kündigung tritt1. Zulässig bleibt nach § 44 Abs. 2 TVK schließlich auch eine befristet außerordentliche Änderungskündigung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung in dem gleichen Orchester zu anderen als den bisherigen Bedingungen. 33 Nach näherer Maßgabe des § 50 TVK steht dem Musiker bei unverschuldetem Ausscheiden ein Übergangsgeld bzw. in dem Sonderfall der Auflösung oder Verkleinerung des Orchesters nach § 53 TVK eine – monatliche – Abfindung zu, und zwar längstens bis zum Ende des Monats, in dem der Musiker das 65. Lebensjahr vollendet! 34 Ebenso wie § 98 NV-Bühne statuiert § 61 TVK eine beiderseitige Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von sechs Monaten nach Fälligkeit. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige schriftliche Geltendmachung aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen zu wahren.
II. Sonstige Arbeitsverhältnisse im Bühnenbereich 35 Für das Bühnenpersonal im weiteren Sinne gelten bei entsprechender Tarifbindung oder vertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des TVöD oder TV-L und im Übrigen die zwingenden gesetzlichen Normen des Arbeitsrechts. Die §§ 55 TVöD und 45 TV-L enthalten wie früher die SR 2k BAT bzw. die vergleichbaren Regeln des BMT-G/MTArb einige Sonderregelungen für Beschäftigte an Theatern und Bühnen. Darunter fallen Beschäftigte in der Verwaltung und Orchesterwarte, ferner Beschäftigte mit mechanischen, handwerklichen oder technischen Tätigkeiten einschließlich der Meister insbesondere in den Bereichen – Licht-, Ton- und Bühnentechnik – handwerkliche Bühnengestaltung (zB Dekorationsabteilung, Requisite) – Vorderhaus, – Garderobe, – Kostüm und Maske. 36 Unter diese Sonderregelungen fallen auch technische Inspektoren/Oberinspektoren, Theater- und Kostümmaler, Maskenbildner, Kascheure und Gewandmeister, wenn sie nicht überwiegend künstlerisch tätig sind. 37 Die tariflichen Regelungen tragen den besonderen Bedürfnissen des Theaterbetriebs Rechnung. So kann in den Arbeitsverträgen der Beschäftigten eine Probezeit bis zur Dauer einer Spielzeit vereinbart werden. Die Beschäftigten sind auch verpflichtet, an Reisen zu auswärtigen Aufführungen teilzunehmen. Besonders geregelt ist wie im künstlerischen Bereich auch die Arbeitszeit: Die genannten Arbeitnehmer sind an Sonn- und Feiertagen 1 Vgl. BAG v. 4.2.1993 – 2 AZR 469/92, EzA § 626 BGB Nr. 144; BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99, DB 2001, 338.
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Kalb
III. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit
Rz. 42
Teil 13 G
ebenso zu Arbeitsleistungen verpflichtet wie an Werktagen. Zum Ausgleich für die Arbeit an Sonntagen ist jede Woche ein ungeteilter freier Tag zu gewähren, der mindestens in jeder siebenten Woche auf einen Sonnoder Feiertag fallen soll. § 45 Nr. 1 Abs. 3 TV-L sieht darüber hinaus vor, dass die Arbeitsbedingungen des Abendpersonals (insbesondere Platzanweiser, Logenschließer, Garderobenpersonal, Toilettenpersonal, Aushilfen) gesondert vereinbart werden.
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Das Bühnenpersonal im weiteren Sinne wird regelmäßig im unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt, weil eben nicht aus künstlerischen Gründen ein Zeitvertrag sachlich gerechtfertigt ist. Allerdings kann auch der Bühnenarbeitgeber nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen des TzBfG befristete Arbeitsverträge abschließen, soweit etwa die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG gegeben sind oder einer der klassischen Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG (zB Aushilfe, Vertretung, Erprobung) vorliegt.
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III. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit 1. Geltungsbereich und Organisation Nach § 53 NV-Bühne sind für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten iSd. § 2 ArbGG zwischen den Arbeitsvertragsparteien unter Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den Tarifparteien nach Maßgabe der vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsordnungen eingesetzten Schiedsgerichte zuständig. Der Deutsche Bühnenverein hat mit der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) einen Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit – Bühnenschiedsgerichtsordnung (BSchGO) – und mit der Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer in der DAG (VdO) einen Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre (BSchGO-C) abgeschlossen.
40
Demgegenüber gibt es keine Schiedsgerichtsvereinbarung für den Bereich des TVK. Die Rechtsstreitigkeiten zwischen den Orchestermusikern und ihren Arbeitgebern sind daher sogleich vor den staatlichen Arbeitsgerichten auszutragen.
41
Durch das schiedsgerichtliche Verfahren wird die staatliche Gerichtsbar- 42 keit nach Maßgabe der §§ 101 ff. ArbGG ersetzt. Zwar ist das schiedsgerichtliche Verfahren kein Teil des staatlichen Arbeitsgerichtsverfahrens, was insbesondere daran deutlich wird, dass ein Schiedsspruch nicht ohne weiteres vollstreckbar ist, sondern erst vom zuständigen ArbG für vollstreckbar erklärt werden muss (§ 109 Abs. 1 ArbGG). Funktionell betreiben aber auch die Schiedsgerichte Rechtsprechung: Ein rechtskräftiger Schiedsspruch hat dieselben Wirkungen wie ein rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts (§ 108 Abs. 4 ArbGG).
Kalb
1277
Teil 13 G
Rz. 43
Bühnenarbeitsverhältnisse
43 Die allein zulässige tarifliche Schiedsklausel, wie sie in § 53 NV-Bühne geregelt ist1, kann nach § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG auch durch einzelvertragliche Vereinbarung auf nicht tarifgebundene Arbeitsverhältnisse erstreckt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen nach dem TV regeln muss. Insoweit reicht jede – auch formlos mögliche – Inbezugnahme auf den TV oder eine sog. Gleichstellungsabrede mit dem tarifgebundenen Arbeitgeber aus. Die lediglich herausgreifende Bezugnahme auf einzelne Bestimmungen eines TV erfüllt diese Voraussetzung nicht. Die einzelvertragliche Vereinbarung der Schiedsklausel ist überdies nur für solche Arbeitsverhältnisse zulässig, die nach dem konkreten Inhalt der ausgeübten Tätigkeit einer Berufsgruppe zuzuordnen sind, für die nach § 101 Abs. 2 Satz 1 ArbGG bei Tarifbindung der Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit wirksam geregelt werden kann2. Es muss also im Einzelfall geprüft werden, ob ein Bühnenkünstler betroffen ist. Das ist verneint worden zB bei einem einfachen Tontechniker, der nach dem maßgebenden Inhalt seiner tatsächlichen Beschäftigung keinerlei künstlerische Aufgaben zu erfüllen hatte3. 44 Die von der einzelvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrages zu unterscheidende besondere Übernahmevereinbarung hinsichtlich der Schiedsklausel muss ausdrücklich und schriftlich erfolgen. Wird die Schriftform nach Maßgabe des § 126 BGB nicht eingehalten, so kann sich jeder Vertragspartner auf den Mangel der Form berufen. Der Formmangel, aber nur dieser und nicht das Fehlen der übrigen Voraussetzungen, wird nach Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 durch Einlassung auf die schiedsgerichtliche Verhandlung zur Hauptsache geheilt4. 45 Welche Bühnenschiedsgerichtsordnung im konkreten Fall anwendbar und welches Bühnenschiedsgericht damit zuständig ist, hängt davon ab, wie der klagende Arbeitnehmer organisiert ist, ob er der GDBA – dann Bezirksschiedsgericht – oder der VdO – dann Chorschiedsgericht – angehört. Gehört er bei Vertragsschluss und bei Klageerhebung keiner auf Arbeitnehmerseite beteiligten Tarifvertragspartei an, kann er das Bühnenschiedsgericht seiner Wahl anrufen. Das ist nunmehr ausdrücklich in allen Musterarbeitsverträgen zum NV-Bühne vorgesehen. 46 Sachlich zuständig sind die Bühnenschiedsgerichte für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis iSd. § 2 ArbGG. Erfasst werden daher insbesondere auch alle Bestandsschutzklagen (Kündigungsschutzklagen, Entfristungs- und Verlängerungsklagen). Gleiches gilt für Streitigkeiten aus Nachwirkungen eines Arbeitsverhältnisses und aus unerlaubten Handlungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis.
1 Vgl. BAG v. 25.2.2009 – 7 AZR 942/07, juris. 2 Vgl. BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 156/96, NZA 1998, 220; BAG v. 25.2.2009 – 7 AZR 942/07, juris; BAG v. 28.1.2009 – 4 AZR 987/07, MDR 2009, 1344. 3 BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 156/96, NZA 1998, 220. 4 Vgl. HWK/Kalb, § 101 Rz. 17.
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Kalb
III. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit
Rz. 50
Teil 13 G
Die Bühnenschiedsgerichte entscheiden in zwei Instanzen. Nach der Büh- 47 nenschiedsgerichtsordnung sind sechs regional zuständige sog. Bezirksschiedsgerichte in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt/M., München und Chemnitz und ein Bühnenoberschiedsgericht in Frankfurt/M. als Berufungsgericht gebildet. Für Sänger und Tänzer im Bereich der VdO sind ein Bühnenschiedsgericht und ein Bühnenoberschiedsgericht für Opernchöre in Köln mit bundesweiter Zuständigkeit errichtet. Die Bühnenschiedsgerichte werden in der Besetzung mit dem Obmann bzw. dem stellvertretenden Obmann, die die Befähigung zum Richteramt haben müssen, und je einem (Chorschiedsgericht) bzw. zwei Beisitzern jeder Seite tätig. Die Hinzuziehung der Beisitzer zu den einzelnen Sitzungen ist Sache der Tarifvertragsparteien. 2. Grundzüge des schiedsgerichtlichen Verfahrens Die beklagte Partei kann sich nach § 102 Abs. 1 ArbGG auf die vorrangige 48 Zuständigkeit des Schiedsgerichts berufen. Mit der Schiedseinrede wird das Fehlen einer Prozessvoraussetzung gerügt. Die etwaige Zuständigkeit eines Schiedsgerichts wird nicht von Amts wegen geprüft. Es handelt sich vielmehr um eine jederzeit verzichtbare prozesshindernde Einrede, auf die sich der Beklagte in jeder Instanz berufen muss. Sie kann daher auch in der Revisionsinstanz noch entfallen1. Da die unter Umgehung des Schiedsgerichts sogleich vor dem Arbeitsgericht erhobene Klage bis zur Erhebung der Einrede zulässig ist, werden dadurch gesetzliche oder tarifliche Klagefristen gewahrt. Diese fristwahrende Wirkung bleibt auch erhalten, wenn auf die Schiedseinrede hin die Klage beim Arbeitsgericht zurückgenommen und unverzüglich Klage vor dem Schiedsgericht erhoben wird2. Ist die Schiedseinrede wirksam erhoben worden, so hat das Arbeitsgericht 49 die Klage als unzulässig abzuweisen. Eine Verweisung an das Schiedsgericht ist mangels gesetzlicher Zulassung ausgeschlossen. Möglich bleibt eine formlose Abgabe der Akten nach Klagerücknahme durch den Kläger, um das Verfahren beim Schiedsgericht nahtlos fortzuführen. Unzulässig ist eine Aussetzung des Verfahrens durch das Arbeitsgericht, bis das – gleichzeitig oder später – angerufene Schiedsgericht seine Entscheidung getroffen hat3. Denn eine Vorgreiflichkeit iSd. § 148 ZPO liegt nicht vor. Das rechtskräftige Prozessurteil des Arbeitsgerichts bindet das Schiedsgericht mit der Maßgabe, dass ein wirksamer Schiedsvertrag besteht und das Schiedsverfahren eröffnet ist. Zu den Grundregeln des staatlichen Prozessrechts, die auch im Schiedsverfahren Anwendung finden, gehören zunächst die allgemeinen und besonderen Prozessvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das Schiedsgericht über das Klagebegehren verhandeln und entscheiden kann. Als 1 BAG v. 30.9.1987 – 4 AZR 233/87, EzA § 72 ArbGG 1979 Nr. 9. 2 Vgl. BAG v. 24.9.1970 – 5 AZR 54/70, AP Nr. 37 zu § 3 KSchG; Düwell/Lipke/ Schunck, ArbGG § 102 Rz. 4. 3 AA Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, § 102 Rz. 8. Kalb
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50
Teil 13 G
Rz. 51
Bühnenarbeitsverhältnisse
persönliche Prozessvoraussetzungen müssen insbesondere die Parteifähigkeit (§ 50 ZPO), Prozessfähigkeit (§§ 51–57 ZPO) und die Prozessführungsbefugnis gegeben sein. Unverzichtbare sachliche Voraussetzungen sind die Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung (§ 253 ZPO), ein Rechtsschutzbedürfnis und die Zuständigkeit des Gerichts. Das Schiedsgericht muss also von Amts wegen prüfen, ob es sachlich und örtlich zuständig ist. 51 Soweit das Schiedsgericht materiell für die Streitentscheidung zuständig ist, werden durch die Schiedsklage gesetzliche oder tarifvertragliche Fristen gewahrt. Dies gilt insbesondere für die nach § 4 KSchG fristgebundene Kündigungsschutzklage. Eine Verfristung droht allerdings in dem Fall der sich nachträglich herausstellenden Unzuständigkeit des Schiedsgerichts, weil eine Verweisung an das staatliche Arbeitsgericht zur Rettung der Frist nicht in Betracht kommt. Bei Zweifeln an der Zuständigkeit empfiehlt es sich daher, die Kündigungsschutzklage vorsorglich bei beiden Gerichten zu erheben. Wenn die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zweifelsfrei feststeht, kann die Klage beim Arbeitsgericht zurückgenommen werden. 52 Ein elementarer Grundsatz des rechtsstaatlichen Verfahrens ist das Verbot der Überraschungsentscheidung. Auch im schiedsgerichtlichen Verfahren ist den Parteien daher rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 139 Abs. 2 ZPO). Verstöße der Schiedsgerichte gegen diesen Verfahrensgrundsatz können im Aufhebungsverfahren gerügt werden1. 53 Stets zu beachten sind etwaige Verfahrensregelungen in dem zugrunde liegenden Schiedsvertrag. Im Bühnentarifrecht haben die Verbände spezielle Bühnenschiedsgerichtsordnungen geschaffen, die zum Teil vom staatlichen Prozessrecht abweichen. Das ist zulässig, soweit nicht zwingende Grundsätze des staatlichen Rechts, wie sie insbesondere in den §§ 105 bis 110 ArbGG enthalten sind, entgegenstehen. So trägt etwa nach § 13 Nr. 1 BSchGO die unterliegende Partei schon im erstinstanzlichen Verfahren abweichend von § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG auch die außergerichtlichen Kosten des Gegners. Demgegenüber sieht § 13 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre (BSchGO-C) vor, dass ein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes im ersten Rechtszug nicht besteht. Soweit in den Bühnenschiedsgerichtsordnungen nichts anderes bestimmt ist, sind die gesetzlichen Bestimmungen des GVG, des ArbGG und der ZPO kraft ausdrücklicher Anordnung (§ 39 BSchGO, § 38 BSchGO-C) entsprechend anzuwenden. Damit haben die Tarifparteien sichergestellt, dass weitgehend auf die Verfahrensregeln des staatlichen Prozessrechts zurückgegriffen werden kann. 54 Einzelheiten zur Anhörung der Parteien und zur Beweisaufnahme sind in den §§ 105 und 106 ArbGG geregelt. Es gibt kein Säumnisverfahren, weil trotz der Säumnis einer Partei eine abschließende Sachentscheidung ergehen kann. Das Schiedsgericht kann nur die Beweise erheben, die ihm „zur 1 BAG v. 11.5.1983 – 4 AZR 545/80 – AP Nr. 21 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag m. Anm. v. Schimana und Fessmann.
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Kalb
III. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit
Rz. 58
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Verfügung gestellt werden“. Es hat anders als das staatliche Gericht keine Zwangsmittel, um die Beweismittel zu beschaffen. Eine etwaige Weigerung kann aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Beweisvereitelung durch den Gegner des Beweisführers gewertet werden. Der nach § 107 ArbGG von den Streitparteien und den Mitgliedern des Schiedsgerichts zu unterschreibende Vergleich vor dem Schiedsgericht ist kein Prozessvergleich, also kein Vollstreckungstitel nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Vollstreckbar wird er erst aufgrund besonderer Vollstreckbarkeitserklärung durch das Arbeitsgericht nach § 109 ArbGG. Selbst bei ausdrücklicher Unterwerfung des Schuldners unter die sofortige Zwangsvollstreckung gilt nichts anderes, weil das Schiedsgericht keine Amtsbefugnisse iSd. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO besitzt1. Vor der Vollstreckbarkeitserklärung prüft der zuständige Kammervorsitzende des Arbeitsgerichts von Amts wegen, ob die Voraussetzungen des § 107 ArbGG erfüllt sind, wobei etwa fehlende Unterschriften jederzeit nachgeholt werden können2.
55
Nach § 108 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist der Schiedsspruch mit dem Datum sei- 56 nes Zustandekommens zu versehen und von sämtlichen Mitgliedern des Schiedsgerichts zu unterschreiben. Da eine besondere Verkündung im Gesetz nicht vorgesehen ist, kann die abschließende Entscheidung auch im schriftlichen Verfahren getroffen werden. Abweichend hiervon bestimmt etwa § 26 Abs. 1 Satz 2 BSchGO-C, dass der Schiedsspruch zu verkünden oder den Parteien zuzustellen ist. In der Praxis wird daher wie bei den Gerichten für Arbeitssachen regelmäßig im Anschluss an die mündliche Verhandlung der von den Schiedsrichtern unterschriebene Schiedsspruch verkündet. Bereits mit dem unterschriebenen Tenor der Entscheidung ist dem gesetzlichen Unterschriftserfordernis Genüge getan. Gleichwohl werden regelmäßig auch die schriftlich begründeten Schiedssprüche vor der Zustellung an die Parteien von allen Schiedsrichtern unterschrieben. Mit der Zustellung an die Streitparteien tritt die urteilsgleiche Wirkung 57 des Schiedsspruchs nach § 108 Abs. 4 ArbGG ein. Dieselben Wirkungen wie ein rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts kann der Schiedsspruch aber erst dann haben, wenn er im Schiedsverfahren mit Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar ist. Lässt der Schiedsvertrag wie im Bühnenbereich die Berufung zum Oberschiedsgericht zu, ist die Gleichstellungswirkung aufschiebend bedingt durch den letztinstanzlichen Schiedsspruch. Die Möglichkeit einer Aufhebungsklage nach § 110 ArbGG hindert den Eintritt der Gleichstellungswirkung dagegen nicht, wie der Umkehrschluss aus § 109 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ergibt. Die Zwangsvollstreckung kann gemäß § 109 ArbGG nur aus einem Schiedsspruch oder einem Schiedsvergleich betrieben werden. Der an keine Frist gebundene Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung ist an das Arbeitsgericht zu richten, das für die Geltendmachung des Anspruchs zustän1 Vgl. Düwell/Lipke/Schunck, ArbGG, § 107 Rz. 5. 2 Vgl. HWK/Kalb, § 107 ArbGG Rz. 2. Kalb
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58
Teil 13 G
Rz. 59
Bühnenarbeitsverhältnisse
dig wäre. Eine Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts kommt nicht in Betracht1. Bei Zuständigkeit mehrerer Arbeitsgerichte hat der Antragsteller ein Wahlrecht. Aus der schiedsvertraglichen Prorogation des Aufhebungsgerichts iSd. § 110 ArbGG folgt nicht ohne weiteres auch die Zuständigkeit als Vollstreckungsgericht. Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 12 bis 40 ZPO. 3. Die Aufhebungsklage 59 Das Aufhebungsverfahren führt zu einer rechtlichen Überprüfung des Schiedsspruchs nach näherer Maßgabe des § 110 ArbGG. Es hat revisionsähnlichen Charakter2. Daraus folgt, dass neue Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden können. Die Beweiswürdigung des Schiedsgerichts kann nur mit einer Verfahrensrüge als fehlerhaft angegriffen werden. Das Revisionsrecht der ZPO ist entsprechend anzuwenden, soweit dies mit der selbständigen Ausgestaltung des Schiedsgerichtsverfahrens einerseits und des arbeitsgerichtlichen Aufhebungsverfahrens andererseits vereinbar ist3. Das Aufhebungsgericht ist daher gemäß § 557 Abs. 3 ZPO nicht an die geltend gemachten Aufhebungsgründe gebunden. Allerdings dürfen Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, nur geprüft werden, wenn sie nach den §§ 551, 554 Abs. 3 ZPO rechtzeitig gerügt worden sind, dh. unverzüglich nach Erhebung der Aufhebungsklage, mindestens aber innerhalb der einmonatigen Revisionsfrist4. Anwendbar ist ferner § 559 Abs. 2 ZPO, wonach das Aufhebungsgericht die vom Schiedsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen hat. 60 Demgegenüber scheidet eine analoge Anwendung des § 563 ZPO im Verhältnis zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und Arbeitsgerichtsbarkeit aus5: Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die (Bühnen-)Schiedsgerichtsbarkeit ist ausgeschlossen, weil das Schiedsgerichtsverfahren mit dem Erlass des Schiedsspruchs verbraucht ist und die Kompetenz zur Sachentscheidung nach Aufhebung des Schiedsspruchs allein den Gerichten für Arbeitssachen zusteht. Eine andere Handhabung wäre auch mit dem Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung kaum vereinbar. Wenn das Arbeits- bzw. Landesarbeitsgericht weitere tatsächliche Feststellungen für erforderlich hält, hat es diese selbst zu treffen und den Rechtsstreit in der Sache abschließend zu entscheiden6.
1 Vgl. LAG Bremen v. 18.7.2003 – AR 4/03, juris. 2 BAG v. 2.7.2003 – 7 AZR 613/02, NZA 2004, 1119; v. 18.4.1986 – 7 AZR 114/85, AP Nr. 27 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag; v. 7.11.1995 – 3 AZR 955/94, AP Nr. 48 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag. 3 BAG v. 27.1.1993 – 7 AZR 124/92, EzA § 110 ArbGG 1979 Nr. 1. 4 Vgl. BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 925/98, NZA 2000, 1345; v. 26.4.1990 – 6 AZR 462/88, AP Nr. 42 zu § 611 BGB Bühnenengagementvertrag; LAG Köln v. 18.9.2009 – 4 Sa 1301/08, juris. 5 BAG v. 27.1.1993 – 7 AZR 124/92, AP Nr. 3 zu § 110 ArbGG 1979. 6 LAG Köln v. 12.11.1998 – 6 Sa 1225/97, juris.
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Kalb
III. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit
Rz. 63
Teil 13 G
Die Aufhebungsgründe sind in § 110 Abs. 1 ArbGG abschließend genannt: 61 Unzulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens, Verletzung einer Rechtsnorm oder Restitutionsklagegründe. Die Rechtsprüfung durch das Aufhebungsgericht bezieht sich auf die Rechtslage, die zum Zeitpunkt des Schiedsspruchs bestanden hat. Spätere Änderungen von Gesetzen oder Tarifnormen können mangels Rückwirkung grundsätzlich ebenso wenig berücksichtigt werden wie neue Tatsachen. Erst wenn die Tatsachenfeststellung durch das Schiedsgericht infolge der Aufhebung des Schiedsspruchs keinen Bestand mehr hat, können im Rahmen des weiteren Sachverfahrens auch neue Tatsachen vorgebracht werden. Für die Aufhebungsklage ist nach § 110 Abs. 2 ArbGG an sich das Arbeits- 62 gericht örtlich zuständig, das für die Geltendmachung des Anspruchs zuständig wäre. Nach § 48 Abs. 2 ArbGG können die Tarifparteien allerdings die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Arbeitsgerichts mit Wirkung für die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren. Für den Bühnenbereich ist eine solche Prorogation in § 38 BSchGO, § 37 BSchGO-C vorgenommen worden: Danach ist die Aufhebungsklage gegen einen Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts, gegen den eine Berufung nicht zulässig ist, sowie gegen einen Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts binnen einer Notfrist von zwei Wochen ausschließlich beim Arbeitsgericht Köln zu erheben. Der Fristbeginn richtet sich nach dem Zustellungszeitpunkt an die jeweils betroffene Partei1. Durch die Aufhebung des Schiedsspruchs kann die Rechtslage eintreten, dass über den Streitgegenstand in der Sache keine abschließende Entscheidung ergangen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Klage vom Schiedsgericht abgewiesen oder zugesprochen wurde. Daher sollte wegen der dann gegebenen Sachentscheidungskompetenz der Gerichte für Arbeitssachen der Sachantrag vorsorglich in das Aufhebungsverfahren mit einbezogen werden, sei es als Klagehäufung des erfolglosen Schiedsklägers oder als (Hilfs-)Widerklage des Aufhebungsbeklagten, der vor den Schiedsgerichten obsiegt hatte2.
1 Vgl. HWK/Kalb, § 110 ArbGG Rz. 16. 2 Vgl. zu Einzelheiten HWK/Kalb, § 110 ArbGG Rz. 20 ff. Kalb
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63
Teil 14 Besonderheiten des kirchlichen Dienstes Rz. I. Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche . . . . . . . . . . 1. Staatskirchenrechtliche Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zum Europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . a) Europarechtliche Beurteilung . b) Folgerung für die arbeitsrechtliche Ordnung der Kirchen . . . II. Organisationsstruktur der Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Evangelische Kirche . . . . . . . . . . . a) Landeskirchen . . . . . . . . . . . . . b) Einrichtungen der Diakonie . . 2. Katholische Kirche . . . . . . . . . . . . a) Diözesanverfassung . . . . . . . . . b) Orden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Juristische Personen des öffentlichen Rechts außerhalb der verfassten Kirche . . . . . . . . d) Caritas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtslage bei den Seelsorgeorganisationen in Bundeswehr und Bundespolizei . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gestaltungsformen des kirchlichen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kirchliche Ämterorganisation. . . a) Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kirchlichen Dienstverfassung . . . . . . . . . . . b) Ergänzende Gewährleistung der Eigenständigkeit durch den Status als Köperschaft des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . 2. Kirchliche Arbeitsverhältnisse . . a) Arbeitsvertrag als Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderstellung in der Arbeitsrechtsordnung aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kirchlichrechtliche Grundsatzregelungen für Arbeitsverhältnisse im Bereich der evangelischen Kirche . . . . . . . . . . . . d) Grundordnung der katholischen Kirche. . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgrundlage . . . . . . . . bb) Regelungsinhalt . . . . . . . . . cc) Geltungsbereich . . . . . . . .
1 1 7 7 11 12 12 12 15 16 16 18 19 21 22 24 24 24
28 34 34
35
40 44 44 47 49
Rz. IV. Besonderheiten des kirchlichen Dienstes im Arbeitsvertragsrecht . . 1. Personenauswahl. . . . . . . . . . . . . . . . a) Kirchliches Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Evangelische Kirche . . . . . . . . . . . c) Katholische Kirche . . . . . . . . . . . . 2. Kirchenspezifische Loyalitätsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kircheneigene Kompetenz zur Festlegung der Loyalitätsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kirchenrechtliche Festlegung kirchenspezifischer Loyalitätsobliegenheiten. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kündigung und Kündigungsschutz . a) Gesetzesregelung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses als „für alle geltendes Gesetz“ . . b) Bedeutung der Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts für die Interpretation des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts . . . . . . . c) Kirchengesetzliche Festlegung kirchenspezifischer Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verstoß gegen das kirchliche Eherecht als Kündigungsgrund . . e) Kirchenaustritt als Kündigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Koalitionsfreiheit im kirchlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zur Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarifvertragssystem und Arbeitskampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Koalitionsbetätigung im kirchlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitsrechtsregelungsverfahren in der evangelischen Kirche . . . . . . . a) Kirchengesetzliche Festlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht des „Dritten Weges“ . . . . . c) Arbeitsrechtsregelungsverfahren im Bereich der Diakonie . . . . 4. KODA-Regelung der katholischen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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53 53 53 56 58 61 61 63 65 65
66 70 73 76 77 77 79 79 83 86 88 88 89 92 94
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Teil 14
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
a) Rechtsgrundlagen. . . . . . . . . . . b) Diözesaner Bereich . . . . . . . . . c) Arbeitsrechtsregelungsverfahren im Bereich des Deutschen Caritasverbandes . . . . . . . . . . . 5. Gleichwertigkeit des kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens mit dem Tarifvertragssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Einordnung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichstellung mit dem Tarifvertrag bei einer Abweichung von zwingendem Gesetzesrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltungsbereich des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD . . . . 3. Organisation der Mitarbeitervertretung nach dem MVG.EKD . . . a) Zweistufigkeit des Mitarbeitervertretungsaufbaus . . . . . . . b) Größe und Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung . . . . c) Bildung der Mitarbeitervertretung durch Wahl . . . . . . . . . . . . d) Amtszeit der Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Geschäftsführung der Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . . f) Persönliche Rechtsstellung der Mitarbeitervertreter. . . . . . 4. Einrichtungen neben der Mitarbeitervertretung nach dem MVG.EKD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitarbeiterversammlung . . . . b) Interessenvertretung besonderer Mitarbeitergruppen . . . . . . c) Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen . . . . . . . . 5. Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung nach dem MVG.EKD . . . 6. Formen der Beteiligung nach dem MVG.EKD . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . c) Eingeschränkte Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitbestimmungsregelung bei Kündigungen. . . . . . . . . . . . . . . e) Initiativrecht. . . . . . . . . . . . . . .
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Rz.
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94 96
7. Dienstvereinbarung als Gestaltungsform innerbetrieblicher Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
101
103 103
104 107 108 108 113 114 114 116 117 118 120 122 124 124 125 126 127 129 129 130 133 138 141
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche . . . . . . . . . . . . . 145 1. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Geltungsbereich der MAVO . . . . . . . 146 a) Verfasste Kirche und Caritas . . . . 146 b) Orden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Organisation der Mitarbeitervertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Einrichtung als Organisationseinheit für die Bildung einer Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . 149 b) Begriff des Mitarbeiters zur Bestimmung des von der Mitarbeitervertretung repräsentierten Personenkreises . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Bildung einer Mitarbeitervertretung durch Wahl . . . . . . . . . . . . . . 152 d) Amtszeit der Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 e) Weiterführung der Geschäfte, Übergangsmandat und Restmandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 f) Geschäftsführung der Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 g) Persönliche Rechtsstellung der Mitglieder einer Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Einrichtungen neben der Mitarbeitervertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Mitarbeiterversammlung. . . . . . . 169 b) Besondere Formen der Vertretung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Interessenvertretung besonderer Mitarbeitergruppen . . . . . . . . . . . 173 5. Grundsätze für die Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . . . . 175 a) Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . 175 b) Gesetzestechnische Gestaltung der Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Informationsrecht der Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . . . . . . 178 d) Mitwirkungsrechte der Mitarbeitervertretung. . . . . . . . . . . . . 180 aa) Anhörung und Mitberatung . 180 bb) Vorschlagsrecht . . . . . . . . . . . 181 e) Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung . . . . . . . . . 182 aa) Zustimmungsrecht . . . . . . . . 182 bb) Antragsrecht . . . . . . . . . . . . . . 183 f) Dienstvereinbarung . . . . . . . . . . . 185
I. Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche
Rz. 2 Teil 14
Rz. 6. Beteiligung der Mitarbeitervertretung in Personalangelegenheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einstellung und Anstellung . . b) Eingruppierung und weitere personelle Einzelmaßnahmen c) Kündigung. . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Strukturveränderungen . . . . . . . . 1. Rechtstatsächliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strukturveränderungen ohne oder durch Wechsel des Rechtsträgers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übernahme eines Betriebs oder einer Dienststelle . . . . . . . . . . . . . a) Übernahme durch eine kirchliche Einrichtung . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf die Vertragsrechtsstellung des Arbeitnehmers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernahme einer kirchlichen Einrichtung durch einen anderen kirchlichen Rechtsträger . 4. Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammenschluss mit einem anderen kirchlichen Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Leiharbeit im kirchlichen Dienst
186 186 189 191 194 194 198 200 200 203 207 208 209 210 212
Rz. IX. Gerichtsschutz bei Rechtsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zur Entscheidung im Urteilsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Kircheneigene Rechtskontrolle bei Streitigkeiten aus dem kollektiven Arbeitsrecht . . . . . . . . . . 220 2. Gerichtsbarkeit in der evangelischen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Aufbau und Zuständigkeit . . . . . 221 b) Verfahren im ersten Rechtszug . . 224 c) Verfahren im zweiten Rechtszug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung der katholischen Kirche . . . . . . . . . . 227 a) Sonderregelung der kirchlichen Gerichtsbarkeit aufgrund eines Mandats des Heiligen Stuhls . . . . 227 b) Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen . . . . . 229 c) Aufbau der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen . . . . . . . . . . . . . 230 d) Verfahren vor den Kirchlichen Arbeitsgerichten . . . . . . . . . . . . . . 235 e) Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgerichtshof . . . . . . . . . . . . 239 f) Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . 241
Schrifttum: v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl. 2006; Listl/Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde., 1994/1995; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 5. Aufl. 2009; Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, 2006.
I. Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche 1. Staatskirchenrechtliche Ordnung Der Staat hat sein Verhältnis zu den Kirchen durch Rezeption der Kirchen- 1 artikel aus der Weimarer Reichsverfassung in Art. 140 GG festgelegt. Die für die Begründung und Gestaltung von Dienstverhältnissen maßgebliche Garantie enthält Art. 137 Abs. 3 WRV. Es heißt dort: Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.
Nicht minder wichtig ist die Verfassungsgarantie in Art. 137 Abs. 5 WRV: Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiRichardi
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Teil 14
Rz. 3
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
che Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
3
Die Ordnungsgewalt des Staates begründet im Verhältnis zu den Kirchen keine Unterordnung. Der Staat respektiert vielmehr die Eigenständigkeit der kirchlichen Rechtsordnung, weil er als säkularisierter Staat sich nicht zum Wesen und Auftrag der Kirche äußern kann. Auch durch die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts werden die Kirchen nicht in den organisatorisch gestuften Staatsaufbau einbezogen1. Sie begründet nur eine Heraushebung über die Religionsgesellschaften des Privatrechts, weil ihr die Überzeugung des Staates von der besonderen Bedeutung des Öffentlichkeitsauftrags der Kirche für die gesellschaftliche Ordnung, „von ihrer gewichtigen Stellung in der Gesellschaft und der sich daraus ergebenden Gewähr der Dauer zugrunde liegt“2. Mit der Gewährung des öffentlichrechtlichen Sonderstatus erkennt der Staat an, dass die Kirchen nach ihrem Selbstverständnis nicht auf der Privatautonomie ihrer Angehörigen, sondern auf einer eigenständigen Ordnung beruhen, zu deren Wahrung ihnen dem öffentlichen Recht eigentümliche Gestaltungsformen eröffnet sind.
4
Die Weimarer Kirchenartikel sind, wie es in Art. 140 GG heißt, Bestandteil des Grundgesetzes; sie bilden mit dem Grundgesetz ein „organisches Ganzes“3. Die Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz schließt es aus, die staatskirchenrechtliche Ordnung von den sonstigen Teilen des Grundgesetzes zu isolieren. Das gilt vor allem für ihr Verhältnis zum Grundrecht der Religionsfreiheit, das in Art. 4 GG garantiert wird. Gewährleistet wird dort nicht nur die Freiheit des Einzelnen, sondern es wird generell bestimmt: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“ (Art. 4 Abs. 1 GG). Ergänzend heißt es deshalb: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“ (Art. 4 Abs. 2 GG). Der Religionsfreiheit dient daher als notwendige Ergänzung die institutionsrechtliche Gewährleistung, dass die Kirche ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnet und verwaltet (Art. 137 Abs. 3 WRV). Das Grundrecht der Religionsfreiheit verbietet dem Staat, sich zum Inhalt einer Glaubenslehre verbindlich zu äußern. Entsprechend hat deshalb der Staat bei der Bestimmung der eigenen Angelegenheiten das Selbstverständnis der Kirche von ihrem Wesen und Auftrag zu respektieren und kann auch über den Schrankenvorbehalt keine Ordnungsgewalt für sich in Anspruch nehmen.
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Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erschöpft sich nicht in einer Ausübungsgarantie des Grundrechts der Religionsfreiheit, sondern hat durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV eine selbständige Ausprägung erhalten. Dennoch besteht rechtsdogmatisch ein 1 BVerfGE 18, 385 (386 f.); 19, 129 (133); 66, 1 (19 f.); 102, 370 (388). 2 BVerfGE 66, 1 (20). 3 BVerfGE 53, 366 (400); 66, 1 (22); 70, 138 (167).
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I. Grundlagen des Verhältnisses von Staat und Kirche
Rz. 8 Teil 14
enger Zusammenhang; denn beide Verfassungsgarantien bestimmen das Grundverhältnis zwischen Staat und Kirche. Die Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten iSd. Art. 137 Abs. 3 WRV ist „in ihrer funktionalen Bedeutung auf Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der kollektiven kirchlichen Bekenntnis- und Kultfreiheit (Art. 4 GG) angelegt“1. Deshalb können Beeinträchtigungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zugleich als Verletzung des Art. 4 GG gerügt werden. Durch diesen verfassungssystematischen Zusammenhang ist es den Kirchen und ihren rechtlich selbständigen Einrichtungen möglich, durch Verfassungsbeschwerde, deren Zulässigkeit die Behauptung einer Grundrechtsverletzung voraussetzt (§ 90 Abs. 1 BVerfGG), das BVerfG anzurufen, das im Rahmen der zulässigen Verfassungsbeschwerde bei der materiell-rechtlichen Prüfung nicht darauf beschränkt ist, zu untersuchen, ob eine der gerügten Grundrechtsverletzungen vorliegt, sondern die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit unter jedem in Betracht kommenden verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt prüfen kann2. Die Einheit der Verfassung als Interpretationsziel öffnet nicht nur den Zu- 6 gang zum BVerfG, sondern ist auch für die Interpretation des Art. 137 Abs. 3 WRV von Bedeutung. Da das Grundrecht der Religionsfreiheit nicht unter einem Gesetzesvorbehalt steht, kann er auch nicht durch den Schrankenvorbehalt in Art. 137 Abs. 3 WRV hergestellt werden. Die Bindung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts an das für alle geltende Gesetz hat dort ihre Schranke, wo es um die Verfassung der Kirche und ihren Auftrag geht. Der Staat muss deshalb auch bei einem für alle geltenden Gesetz den Kirchen eigene Wege offen halten, damit sie von der zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässlichen Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung Gebrauch machen können3. 2. Verhältnis zum Europäischen Gemeinschaftsrecht a) Europarechtliche Beurteilung Das Staat-Kirche-Verhältnis in der Bundesrepublik Deutschland steht 7 nicht zur Disposition des Europäischen Gesetzgebers. Die Europäische Union hat kein Staatskirchenrecht, das die nationalen Regelungssysteme verdrängt. Soweit das Gemeinschaftsrecht unmittelbar auf dem Gebiet der Gemeinschaft gilt, bestimmt es zwar auch das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Sein Anwendungsvorrang hat aber nicht zur Folge, dass die Verschiedenheit der staatskirchenrechtlichen Ordnungen in den Mitgliedstaaten beseitigt wird. Nach dem Vertrag von Lissabon, der am 1.12.2009 in Kraft getreten ist, 8 achtet die Europäische Union den „Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Vorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht“ (Art. 17 Abs. 1 AEUV). 1 BVerfGE 42, 312 (322). 2 Vgl. BVerfGE 42, 312 (325 f.); 53, 366 (390). 3 Vgl. BVerfGE 53, 366 (405). Richardi
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Rz. 9
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Zum Status, den die Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland sogar nach deren Verfassungsrecht genießen, gehört das im Grundgesetz verbürgte Selbstbestimmungsrecht, das sich nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht in der Gewährleistung eines Tendenzschutzes erschöpft (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 und 5 WRV)1. 9
Soweit das Gemeinschaftsrecht der Regelungsbefugnis der Kirchen und sonstigen Religionsgesellschaften Schranken setzt, ergibt sich deshalb aus Art. 17 Abs. 1 AEUV eine Schranken-Schranke. Sie gilt nicht nur für den Bereich der verfassten Kirche, sondern auch für privatrechtlich verselbständigte Einrichtungen, durch die die Kirche ihren religiös geprägten Sendungsauftrag erfüllt.
10 Nach dem Gemeinschaftsrecht muss deshalb die Europäische Union bei ihrer Rechtsetzung anerkennen, wie in der Bundesrepublik Deutschland Inhalt und Reichweite des den Kirchen verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts interpretiert werden. Das gilt insbesondere auch für die Vorgaben des Europäischen Gemeinschaftsrechts zur Antidiskriminierung. Nach Art. 19 AEUV ist der Rat nur ermächtigt, „im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten“ geeignete Vorkehrungen zu treffen, um „Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen“. Sekundärrecht, das der Diskriminierung entgegenwirkt, muss den Status der Kirchen unangetastet lassen2. Gewährleistet ist nicht bloß ein Tendenzschutz, sondern die „Ausprägung des deutschen Selbstbestimmungsrechts der Kirchen, etwa bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den verfassten Kirchen, aber auch in ihren Einrichtungen in Caritas und Diakonie nach deren Kirchenzugehörigkeit zu unterscheiden“3. Die Richtlinie 2000/78/EG muss in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 entsprechend interpretiert werden, soweit dort den Mitgliedstaaten gestattet wird, in Bezug auf berufliche Tätigkeiten in Kirchen die Religion einer Person nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung als eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung anzuerkennen4. Was zu den beruflichen Anforderungen in diesem Sinne gehört, darf in den Grenzen des Willkürverbots nicht der Staat bestimmen, sondern er muss dies den Kirchen überlassen.
1 So bereits die Bremer Pastoren-Entscheidung vom 21.9.1976, BVerfGE 42, 312 (333); vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 6 Rz. 30. 2 So zutreffend bereits vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Schliemann, FS Richardi, 2007, S. 959 (966). 3 Schliemann, FS Richardi, 2007, S. 959 (966). 4 Ebenso v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 363; Germann/de Wall, GdS Blomeyer, 2004, S. 549 (557 f.); Link, GdS Blomeyer, 2004, S. 675 (684 ff., 689); Fischermeier, FS Richardi, 2007, S. 875 (883 ff.); Joussen NZA 2008, 675 (678 f.).
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Richardi
II. Organisationsstruktur der Kirchen
Rz. 12 Teil 14
b) Folgerung für die arbeitsrechtliche Ordnung der Kirchen Die Grundsätze, die das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum deut- 11 schen Recht beherrschen, haben zur Folge, dass die arbeitsrechtliche Ordnung der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland gemeinschaftsfest ist. Eine Bindung an das Gemeinschaftsrecht besteht nur, soweit es der Privatautonomie Schranken setzt und insoweit zu dem für alle geltenden Gesetz iSd. Art. 137 Abs. 3 WRV gehört. Daraus folgt zugleich, dass das Gemeinschaftsrecht den Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland eigene Wege offen halten muss, damit sie von der zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unerlässlichen Freiheit der Bestimmung über Organisation, Normsetzung und Verwaltung Gebrauch machen können.
II. Organisationsstruktur der Kirchen 1. Evangelische Kirche a) Landeskirchen Die evangelische Kirche hat in Deutschland aus historischen Gründen eine 12 föderale Struktur. Zu ihr gehören 22 weithin selbständige lutherische, reformierte und unierte Landeskirchen: Ev. Landeskirche Anhalts, Ev. Landeskirche in Baden, Ev.-Luth. Kirche in Bayern, Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig, Bremische Ev. Kirche, Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, Lippische Landeskirche, Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, Ev. Kirche in Mitteldeutschland, Nordelbische Ev.-Luth. Kirche, Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, Ev. Kirche der Pfalz, Pommersche Ev. Kirche, Ev.-reformierte Kirche, Ev. Kirche im Rheinland, Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Ev.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe, Ev. Kirche von Westfalen, Ev. Landeskirche in Württemberg1.
1 Adressen in www.ekd.de. Richardi
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Teil 14
Rz. 13
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
SchleswigHolstein
Nordelbien
MecklenburgVorpommern
Hamburg
Reformierte Kirche*
Pommern
Mecklenburg
Bremen
Bremen Niedersachsen
Oldenburg
Brandenburg
Hannover SchaumburgLippe
Berlin SachsenAnhalt
Braunschweig Lippe
Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz
Anhalt
Westfalen
NordrheinWestfalen
Evangelische Kirche in
KurhessenWaldeck
Mitteldeutschland Thüringen
Rheinland
Sachsen
Sachsen
Hessen
Hessen und Nassau RheinlandPfalz
Bayern
Saarland
Pfalz BadenWürttemberg
Bayern
Württemberg
Baden
13 Die Landeskirchen haben sich föderativ in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zusammengeschlossen. Einen weiteren Zusammenschluss innerhalb der EKD bilden die unierten Landeskirchen in der Union Ev. Kirchen (UEK), die lutherischen Landeskirchen in der Vereinigten Ev.Luth. Kirche Deutschlands (VELKD) sowie auf regionaler Ebene die evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen in der Konföderation Ev. Kirchen in Niedersachsen und die Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs, die 1292
Richardi
II. Organisationsstruktur der Kirchen
Rz. 17 Teil 14
Nordelbische Ev.-Luth. Kirche und die Pommersche Ev. Kirche im Verband der Ev.-Luth. Kirchen in Norddeutschland. Die Landeskirchen und die hier genannten Zusammenschlüsse sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dasselbe gilt für die evangelischen Kirchengemeinden und Kirchenkreise.
14
b) Einrichtungen der Diakonie Der evangelischen Kirche sind staatskirchenrechtlich die Einrichtungen der Diakonie zugeordnet. Sie sind dem Diakonischen Werk der EKD unmittelbar oder durch Mitgliedschaft in einem landeskirchlichen diakonischen Werk mittelbar angeschlossen. Bei ihnen handelt es sich um privatrechtliche Organisationsformen, die einen kirchlichen Dienst in Verbindung mit der verfassten Kirche erfüllen.
15
2. Katholische Kirche a) Diözesanverfassung Die römisch-katholische Kirche ist als Weltkirche verfasst, die vom Papst 16 und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Die Rechtsgrundlage bildet vor allem der Codex Iuris Canonici (CIC). Teilkirchen, in denen und aus denen die katholische Kirche besteht, sind vor allem die Diözesen, an deren Spitze ein Bischof steht. Die 27 deutschen Bistümer sind kirchlich in sieben Kirchenprovinzen mit den Erzdiözesen Bamberg, Berlin, Hamburg, Freiburg, Köln, München-Freising und Paderborn gegliedert1. Kirchenrechtlich liegt die Leitungskompetenz einschließlich der Gesetzgebungsbefugnis bei den Bischöfen. Die Bistümer (Erzdiözesen und Diözesen) und der Verband der Diözesen Deutschlands sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, weiterhin die Kirchengemeinden und Kirchengemeindeverbände, nicht dagegen die Kirche als Weltkirche, weil diese für den Staat nicht als staatskirchenrechtliches, sondern als völkerrechtliches Rechtssubjekt in Betracht kommt.
1 Adressen in www.dbk.de. Richardi
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Teil 14
Rz. 18
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
b) Orden 18 Die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben in Bayern die Niederlassungen der Orden und religiösen Kongregationen aufgrund des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Bayern vom 29.3.1924 (BayBS II S. 639)1. 1 BAG v. 30.7.1987, AP BetrVG 1972 § 130 Nr. 3.
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II. Organisationsstruktur der Kirchen
Rz. 23 Teil 14
c) Juristische Personen des öffentlichen Rechts außerhalb der verfassten Kirche In öffentlich-rechtlicher Trägerschaft befinden sich teilweise kirchliche 19 Hochschulen und Fachhochschulen sowie allgemeinbildende Schulen. So ist zB die „Stiftung Regensburger Domspatzen“ eine rechtsfähige öffentliche Stiftung des öffentlichen Rechts, die aus der Sicht des Staatskirchenrechts dem kirchlichen Bereich zugeordnet ist, hier dem Bischöflichen Domkapitel. Eine Sonderregelung gilt für die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt. Ihr Rechtsträger ist die „Stiftung Katholische Universität Eichstätt, Kirchliche Stiftung des öffentlichen Rechts“. Aus der Stiftungsverfassung ergibt sich, dass bis zum Inkrafttreten eines kirchlichen Personalvertretungsrechts Stiftung und Universität das Bayerische Personalvertretungsgesetz entsprechend anwenden (Art. 17 Abs. 2 Stiftungsverfassung). Entsprechend wird verfahren, obwohl eine kirchliche Regelung in der Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Eichstätt besteht.
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d) Caritas Der katholischen Kirche sind staatskirchenrechtlich die Einrichtungen der Caritas zugeordnet. Sie sind dem Deutschen Caritasverband e.V. unmittelbar oder durch Mitgliedschaft in einem Diözesan-Caritasverband mittelbar angeschlossen. Bei ihnen handelt es sich um privatrechtliche Organisationsformen, die einen kirchlichen Dienst in Verbindung mit der verfassten Kirche erfüllen.
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3. Rechtslage bei den Seelsorgeorganisationen in Bundeswehr und Bundespolizei Das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr ist als Kirchenkanzlei 22 und zugleich als Bundesoberbehörde errichtet, und entsprechend ist das Katholische Militärbischofsamt die Kurie des Militärbischofs und zugleich Bundesoberbehörde. Die dort beschäftigten Hilfskräfte stehen in einem Dienstverhältnis zum Bund. Der Staat ist nur für die Organisation und Finanzierung der Militärseelsor- 23 ge zuständig, während die Militärseelsorge selbst im Auftrag und unter Aufsicht der Kirche ausgeübt wird. Die Militärseelsorge ist eine Funktion der Kirche. Gleichwohl sind die Behörden dem Staat zugeordnet.
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Teil 14
Rz. 24
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
III. Gestaltungsformen des kirchlichen Dienstes 1. Kirchliche Ämterorganisation a) Verfassungsrechtliche Gewährleistung der kirchlichen Dienstverfassung 24 Das Recht der Kirchen und sonstigen Religionsgesellschaften, „ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten“ (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV), sichert die Eigenständigkeit einer kirchlichen Dienstverfassung. Ausdrücklich wird verfassungsrechtlich gewährleistet, dass jede Religionsgesellschaft ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde verleiht. Deshalb ist es ausschließlich Sache der Kirche, zu bestimmen, welche Ämter in ihr bestehen, welche Anforderungen an die Person des Amtsinhabers zu stellen sind und welche Rechte und Pflichten mit dem Amt verbunden sind. 25 Für die Ämterorganisation ist das bekenntnismäßige Verständnis prägend. Für den Bereich der katholischen Kirche findet deshalb staatskirchenrechtlich Anerkennung, dass die Kirche eine hierarchische Struktur hat und daher für ihre Dienstverfassung die Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien unumstößlich ist. Für die evangelische Kirche ist entsprechend gewährleistet, dass sie nach Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments, wie es für sie bis 1918 bestand, ebenfalls eine ihrem Bekenntnis entsprechende autonome Ämterorganisation schaffen kann. 26 Soweit Geistliche ihr Amt ausüben, findet Arbeitsrecht auf das Dienstverhältnis keine Anwendung; denn es fehlt bereits der Ansatz für seine Geltung, wenn die Kirche diesen Personenkreis nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags, sondern entsprechend ihrem Amt beschäftigt. Wer als Priester tätig ist, erlangt diese Funktion durch das Sakrament der Weihe, „das in den Stufen der Bischofs- und der Priesterweihe eine unverlierbare personale Prägung zu einem entsprechenden Vorsteherdienst gibt“. Durch sakramentale Weihe erfolgt die Aufnahme in den Klerikerstand, mit der zugleich kirchenrechtlich die Eingliederung in eine Diözese oder einen klösterlichen Verband verbunden ist (cc. 265 f. CIC). Durch die Inkardination werden Rechte und Pflichten von verbandsrechtlichem Charakter begründet: Der Kleriker untersteht in seiner Amtsausübung und in seiner persönlichen Lebensführung seinem Diözesanbischof, dem er Gehorsam schuldet, und dieser ist ihm gegenüber zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts verpflichtet (cc. 273 ff. CIC). Die Übertragung des Pfarramts erfolgt durch kanonische Verleihung (can. 523 CIC). Damit ist das Pfarrerdienstverhältnis in der katholischen Kirche durch das kirchliche Recht geregelt und findet in dieser Ausprägung staatskirchenrechtlich Anerkennung. 27 Nach evangelischem Verständnis wird die Zugehörigkeit zum geistlichen Stand nicht durch sakramentale Weihe begründet. Sie erfolgt aber ebenfalls durch einen besonderen Rechtsakt, die Ordination, die zwar nicht als Sakrament verstanden wird, durch die aber der Pfarrer sein Leben in den 1296
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III. Gestaltungsformen des kirchlichen Dienstes
Rz. 29 Teil 14
Dienst der kirchlichen Verkündigung stellt und mit der er das Recht der öffentlichen Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung erhält. Konfessionell begründete Bedenken, ob und inwieweit mit dem Pfarrer ein weltliches Dienstverhältnis besteht, haben staatskirchenrechtlich keine Auswirkungen; denn die evangelischen Kirchen sind, soweit sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, nach Art. 137 Abs. 5 WRV berechtigt, das Pfarrerdienstverhältnis als ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zu regeln1. b) Ergänzende Gewährleistung der Eigenständigkeit durch den Status als Köperschaft des öffentlichen Rechts Für die kirchliche Dienstverfassung wird die Verfassungsgarantie des 28 Selbstbestimmungsrechts dadurch ergänzt, dass den Kirchen der Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts erhalten blieb und, sofern eine Religionsgesellschaft ihn nicht hat, die Möglichkeit eingeräumt ist, ihn nach dem Gleichheitssatz zu erwerben (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 5 WRV)2. Zu den Kompetenzen, die mit der Körperschaftsqualität verbunden sind, gehört vor allem die Dienstherrnfähigkeit3. Sie ermöglicht den Gliederungen der katholischen Kirche, die die Qualität einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben, sowie den evangelischen Landeskirchen und ihren Zusammenschlüssen, die Dienstverhältnisse nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zu ordnen, ohne dabei den Normen des Arbeitsrechts zu unterliegen. § 135 Satz 2 BRRG stellt dies klar, wenn es dort heißt, dass es den Kirchen überlassen bleibt, die Rechtsverhältnisse ihrer Beamten und Seelsorger diesem Gesetz entsprechend zu regeln. Die Verfassungsgarantie beschränkt die Kirchen nicht auf eine Kompetenz, 29 die Dienstverhältnisse ihrer geistlichen Amtsträger öffentlich-rechtlich zu regeln, sondern die Dienstherrnfähigkeit bedeutet allgemein, wie es in der Umschreibung des § 121 BRRG heißt, das Recht, Beamte zu haben. Deshalb können die Kirchen, soweit sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, auch zur Bewältigung von Aufgaben, die nicht eine Zugehörigkeit zum geistlichen Stand voraussetzen, Beamtenverhältnisse begründen und für sie kirchengesetzliche Regelungen geben. Machen die Kirchen von dieser Befugnis Gebrauch, so hat dies die gleichen Konsequenzen wie im staatlichen Bereich: Das Dienstverhältnis wird nicht durch Vertrag, sondern einseitig durch Hoheitsakt begründet. Auf ihn findet das Arbeitsrecht keine Anwendung, sondern für den Inhalt des Dienstverhältnisses gilt ausschließlich die kirchliche Ordnung, für die eine Schranke nur insoweit besteht, als sie an die Grundsätze des Berufsbeamtentums gebunden
1 Die kirchengesetzlichen Gestaltungen des Pfarrerdienstrechts sind von der ursprünglichen Anlehnung des evangelischen Kirchentums an den Staat geprägt: In den Pfarrerdienstgesetzen wird deshalb das Dienstverhältnis mit einem evangelischen Pfarrer als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis charakterisiert; vgl. Pirson, HdbStKirchR, Bd. II, S. 845 (850). 2 BVerfGE 102, 370 (384 ff.). 3 BVerfGE 102, 370 (388). Richardi
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Rz. 30
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
ist, die im staatlichen Bereich die Nichtanwendbarkeit des Arbeits- und Sozialrechts auf die Staatsbeamten rechtfertigen1. 30 Der Verzicht auf die öffentlich-rechtliche Gestaltungsform hat nicht notwendigerweise zur Folge, dass ein Dienstverhältnis den Vorschriften des staatlichen Arbeitsrechts unterliegt. Das gilt insbesondere für die geistlichen Amtsträger in der katholischen Kirche, wenn die Kirche diesen Personenkreis nicht aufgrund eines Arbeitsvertrags, sondern entsprechend ihrem Amt beschäftigt. Der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt lediglich darüber hinaus die zusätzliche Möglichkeit, das Dienstverhältnis nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zu ordnen. Durch sie wird nicht berührt, dass ausschließlich die Kirche bestimmt, welche Ämter in ihr bestehen, welche Anforderungen an die Person des Amtsinhabers zu stellen sind und welche Rechte und Pflichten mit dem Amt verbunden sind. 31 Der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts führt nicht zu einer Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts2. Er ermöglicht im Gegenteil der Kirche, die Eigenständigkeit ihrer Ordnung durch das Instrumentarium des öffentlichen Rechts zu sichern. Die Kirchen haben deshalb sogar eine Finanzhoheit (Art. 137 Abs. 6 WRV). Die mit ihr verbundene Sonderstellung kann zur Folge haben, dass eine gesetzliche Regelung, die eine Schrankenwirkung iSd. Art. 137 Abs. 3 WRV entfaltet, dennoch auf eine kirchliche Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Anwendung findet. 32 Die Insolvenzordnung findet daher auf die verfasste Kirche und die sonst als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Einrichtungen der Kirche keine Anwendung. Der Eingriff in die kirchliche Ordnung, wie er durch die Bestellung eines Insolvenzverwalters notwendigerweise herbeigeführt wird, ist hier nicht notwendig, weil die finanzielle Leistungsfähigkeit mit dem Instrumentarium des öffentlichen Rechts gesichert wird. Die Kirchen und ihre öffentlich-rechtlichen Einrichtungen sind deshalb nach dem Grundgesetz insolvenzunfähig3. Sie können aus diesem Grund auch nicht zur Zahlung von Umlagen für das Insolvenzgeld herangezogen werden4. 33 Für kirchliche Einrichtungen in der Rechtsform des Privatrechts gilt dagegen die Insolvenzordnung; denn sie ist insoweit ein für alle geltendes Gesetz, das dem Selbstbestimmungsrecht Schranken zieht, als bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Insolvenzschuldners eine sachgerechte Verteilung des noch vorhandenen verwertbaren Vermögens unter den Gläubigern herbeigeführt werden soll.
1 2 3 4
Ebenso v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 255. BVerfGE 66, 1 (20). BVerfGE 66, 1 (Leitsatz und S. 25). BVerfGE 66, 1 ff. (zum Konkursausfallgeld, das bei Inkrafttreten der InsO am 1.1.1999 die Bezeichnung „Insolvenzgeld“ erhalten hat; vgl. §§ 183 ff. SGB III).
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III. Gestaltungsformen des kirchlichen Dienstes
Rz. 37 Teil 14
2. Kirchliche Arbeitsverhältnisse a) Arbeitsvertrag als Rechtsgrundlage Bedienen die Kirchen sich wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung und Gestaltung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht Anwendung1. Das ist, wie das BVerfG in dem grundlegenden Beschluss vom 4.6.1985 festgestellt hat, für die Kirchen „die schlichte Folge einer Rechtswahl“2.
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b) Sonderstellung in der Arbeitsrechtsordnung aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts Die Regelung des kirchlichen Dienstes auf privatrechtlicher Grundlage be- 35 deutet nicht, dass für die Festlegung seines Inhalts nur die privatautonome Regelungsbefugnis besteht, wie sie jedermann eingeräumt ist. Hätte die Geltung des Arbeitsrechts zur Folge, dass ein Arbeitsverhältnis mit einem kirchlichen Rechtsträger grundsätzlich nicht anders zu behandeln ist als ein Arbeitsverhältnis beim Staat oder in der Wirtschaft, so wäre der Kirche der Sonderstatus genommen, der ihr durch die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts in Art. 137 Abs. 3 WRV eingeräumt ist. Das BVerfG hat deshalb im Beschluss vom 4.6.1985 klargestellt, dass die 36 Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht nicht deren Zugehörigkeit zu den eigenen Angelegenheiten der Kirche aufhebt3. Sie dürfe deshalb, wie es wörtlich heißt, „die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das spezifisch Kirchliche, das kirchliche Proprium nicht in Frage stellen“. Die Einbeziehung kirchlicher Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht nimmt den Kirchen daher nicht das Recht, aufgrund des ihnen verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts Dienstordnungen zu erlassen, in denen sie die Aufgaben, Einstellungsvoraussetzungen und Pflichten für einzelne kirchliche Berufe regeln. Der Staat schützt zwar die „genuin kirchenrechtliche Normensubstanz nur, soweit sie arbeitsvertraglich fundiert und so in den staatlichen Rechtskreis transformiert ist“;4 er erhält deshalb aber nicht die Kompetenz festzulegen, worin die Besonderheit des kirchlichen Dienstes liegt. Diese Befugnis hat vielmehr ausschließlich die Kirche, die sie nach ihrer Verfassung ausübt. Zuständig ist nicht der kirchliche Arbeitgeber als Partei des Arbeitsverhältnisses, sondern es richtet sich nach den von den verfassten Kirchen anerkannten Maßstäben, worin die Besonderheit des kirchlichen Dienstes liegt. Der kirchliche Arbeitgeber, der einen Arbeitsvertrag abschließt, nimmt deshalb nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, sondern er hat mit ihr zugleich auch teil an dem der Kirche verfas1 2 3 4
BVerfGE 70, 138 (165). BVerfGE 70, 138 (165). BVerfGE 70, 138 (165). Isensee, FS Obermayer, 1986, S. 203 (207). Richardi
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Rz. 38
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
sungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht. Zutreffend sagt das BVerfG in dem grundlegenden Beschluss vom 4.6.1985: „Beides zusammen ermöglicht es den Kirchen erst, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen.“1 38 Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts schließt nach den Worten des BVerfG ein, „dass die Kirchen der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können“2. Eine kirchliche Einrichtung kann erwarten, dass „jeder Mitarbeiter das kirchliche Selbstverständnis der Einrichtung anerkennt und es sich in seinem dienstlichen Handeln zu Eigen macht“3. Die Zweckausrichtung am Leitbild der Dienstgemeinschaft bedeutet nicht, dass die Rechtsstellung des kirchlichen Arbeitnehmers „klerikalisiert“ wird4. Sie führt nicht dazu, „dass aus dem bürgerlichrechtlichen Arbeitsverhältnis eine Art kirchliches Statusverhältnis wird“5. Wörtlich sagt das BVerfG: „Arbeitsverhältnisse kirchlicher Arbeitnehmer können keine säkulare Ersatzform für kirchliche Ordensgemeinschaften und Gesellschaften des apostolischen Lebens sein (vgl. cc. 573 § 1, 731 CIC), die auf einer besonderen geistlichen Ausrichtung der Person und ihres Lebens beruhen.“6 39 Das Recht, der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller Mitarbeiter zugrunde zu legen, ist nichts anderes als das Spiegelbild der Pflicht des Staates, den spezifisch religiösen Charakter des kirchlichen Dienstes zu respektieren und ihn in dieser Prägung rechtlich anzuerkennen. c) Kirchlichrechtliche Grundsatzregelungen für Arbeitsverhältnisse im Bereich der evangelischen Kirche 40 Nach dem Vorbild der Grundordnung der katholischen Kirche (siehe Rz. 44 ff.) hat der Rat der EKD die Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD vom 1.7.2005 erlassen7. Die Notwendigkeit der Regelung von Zugangsvoraussetzungen zur beruflichen Mitarbeit und von Loyalitätspflichten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen ergibt sich nach der Begründung zum einen aus dem Beschluss des BVerfG vom 4.6.1985, zum an1 2 3 4 5 6 7
BVerfGE 70, 138 (165). BVerfGE 70, 138 (165). BVerfGE 53, 366 (404). So zutreffend BVerfGE 70, 138 (166). BVerfGE 70, 138 (166). BVerfGE 70, 138 (166). Richtlinie des Rates der EKD vom 1.7.2005, ABl. EKD S. 413, abgedruckt mit Begründung in: epd-Dokumentation 2005 Nr. 29; vgl. Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 102 ff.; Fey, AuR 2005, 349 ff.
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III. Gestaltungsformen des kirchlichen Dienstes
Rz. 44 Teil 14
deren aus den Antidiskriminierungsrichtlinien der EU, insbesondere der Richtlinie 2000/78/EG. Die EKD-Richtlinie entfaltet keine unmittelbare rechtliche Wirkung für die Landeskirchen, sondern spricht in § 1 Abs. 1 Satz 1 nur eine Empfehlung an die Gliedkirchen aus, ihre entsprechenden Regelungen auf der Grundlage der EKD-Richtlinie zu treffen. Eine detaillierte Regelung besteht in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern1. Die Richtlinie der EKD regelt in § 2 Grundlagen des kirchlichen Dienstes, wobei hervorgehoben wird, dass der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt ist, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. § 3 der Richtlinie bezieht sich auf die berufliche Anforderung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, wobei festgelegt ist, dass die berufliche Mitarbeit grundsätzlich die Zugehörigkeit zu einer Gliedkirche der EKD oder einer Kirche voraussetzt, mit der die EKD in Kirchengemeinschaft verbunden ist. Für Aufgaben, die nicht der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung zuzuordnen sind, kann von dieser Bestimmung abgewichen werden, wenn andere geeignete Mitarbeiter nicht zu gewinnen sind, wobei festgelegt ist, dass in diesem Fall die Person einer anderen Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen angehören soll.
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Die Richtlinie legt in § 4 die Loyalitätsobliegenheiten während des Ar- 42 beitsverhältnisses fest. § 5 bestimmt sodann, dass bei Nichterfüllung der Loyalitätsobliegenheit der Anstellungsträger durch Beratung und Gespräch auf die Beseitigung des Mangels hinwirken soll. Als letzte Maßnahme ist nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich; ein derartiger Grund ist „insbesondere der Austritt aus der evangelischen Kirche oder ein Verhalten, dass eine grobe Missachtung der evangelischen Kirche und ihrer Ordnungen und somit eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes darstellt“ (§ 5 Abs. 2). Im Gegensatz zur Grundordnung der katholischen Kirche fehlen Grundsatzregelungen für das kollektive Arbeitsrecht; doch ist kirchengesetzlich das Recht des Arbeitsrechtsregelungsverfahrens und das Mitarbeitervertretungsrecht abgesichert, in dessen Rahmen ein gerichtlicher Rechtsschutz besteht.
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d) Grundordnung der katholischen Kirche aa) Rechtsgrundlage Da das Selbstbestimmungsrecht nicht brachliegen darf, wenn es um die 44 Ordnung des kircheneigenen Arbeitsrechts geht, hat die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Herbst-Vollversammlung am 22.9.1993 in Fulda für die katholische Kirche die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (GrOkathK) verabschiedet2. Sie 1 Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 4 Rz. 52 f. 2 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Die deutschen Bischöfe 51. Richardi
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Rz. 45
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
wurde von den Bischöfen als Kirchengesetz für ihre Diözese zum 1.1.1994, im Bistum Fulda zum 1.1.1995, in Kraft gesetzt1. Kirchenrechtlich beruht die Grundordnung auf der Gesetzgebungsbefugnis der Bischöfe (can. 391 CIC). Sie ist das Recht der in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Teilkirchen, in denen und aus denen die eine und einzige katholische Kirche besteht (vgl. can. 368 CIC). 45 Die Grundordnung ist nicht von Diözese zu Diözese verschieden, sondern hat denselben Regelungsinhalt. Sie ist deshalb allgemeines Recht für den Gesamtbereich der katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland. 46 Mit dem EG-Recht ist sie vereinbar2. Das gilt insbesondere für ihr Verhältnis zur Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG, nach der die Kirchen, sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im Übrigen eingehalten werden, von den für sie arbeitenden Personen verlangen können, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Kirche verhalten (Art. 4 Abs. 2 Satz 3). bb) Regelungsinhalt 47 Die Grundordnung stellt an die Spitze ihrer Regelung in Art. 1 Satz 1, dass alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu beitragen, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann. Durch die im Klammerzusatz angefügte Bezeichnung „Dienstgemeinschaft“ gibt die Bestimmung zugleich eine Legaldefinition der Dienstgemeinschaft. Wer in den Dienst einer Einrichtung tritt, die nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen ist, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen, leistet damit einen Beitrag zur Erfüllung des der Kirche gestellten Auftrags, auch wenn er nicht der katholischen Kirche oder 1 Bistum Aachen: KAnz. 1993 S. 159; Bistum Augsburg: ABl. 1993 S. 513; Erzbistum Bamberg: ABl. 1993 S. 200; Bistum (jetzt: Erzbistum) Berlin: ABl. 1993 S. 127; Bistum Dresden-Meißen: KABl. 1993 S. 308; Bistum Eichstätt: Pastoralblatt 1993 S. 221; Bischöfliches Amt Erfurt-Meiningen (jetzt: Bistum Erfurt): ABl. 1993 Nr. 11; Bistum Essen: KABl. 1993 S. 118; Erzbistum Freiburg: ABl. 1993 S. 250; Bistum Fulda: KABl. 1994 S. 104; Apostolische Administratur (jetzt: Bistum) Görlitz: ABl. 1993 Nr. 12; Bistum Hildesheim: KAnz. 1994 S. 36; Erzbistum Köln: ABl. 1993 S. 222; Bistum Limburg: ABl. 1993 S. 74; Bischöfliches Amt (jetzt: Bistum) Magdeburg: Amtliche Mitteilungen vom 4.1.1994, S. 7; Bistum Mainz: KABl. 1993 S. 100; Erzbistum München und Freising: ABl. 1993 S. 398; Bistum Münster: KABl. 1993 S. 123; Bistum Osnabrück: KABl. 1993 S. 252; Erzbistum Paderborn: KABl. 1993 S. 150; Bistum Passau: ABl. 1993 S. 80; Bistum Regensburg: ABl. 1993 S. 132; Bistum Rottenburg-Stuttgart: KABl. 1993 S. 576; Bistum Speyer: OVB 1993 S. 660; Bistum Trier: KABl. 1993 S. 178; Bistum Würzburg: Diözesanblatt 1993 S. 319. – Art. 10 Abs. 3 neu gefasst durch Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung arbeitsrechtlicher Vorschriften an die Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGOAnpassungsgesetz – KAGOAnpG), für das Bistum Regensburg: ABl. 2005 S. 90; entsprechend auch in den anderen Diözesen promulgiert. 2 S. auch hier Rz. 7 ff.
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III. Gestaltungsformen des kirchlichen Dienstes
Rz. 51 Teil 14
keiner Kirche angehört. Alle Beteiligten – Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiter – müssen deshalb, wie es in Art. 1 Satz 2 heißt, „anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben“. Die Grundordnung enthält Rechtsvorschriften über die Begründung von 48 Arbeitsverhältnissen (Art. 3), legt die Loyalitätsobliegenheiten für ein Arbeitsverhältnis im Dienst einer Einrichtung der katholischen Kirche fest (Art. 4) und enthält Bestimmungen, wie ein kirchlicher Dienstgeber sich zu verhalten hat, wenn ein Mitarbeiter die kirchenspezifischen Beschäftigungsanforderungen nicht mehr erfüllt (Art. 5). Die Grundordnung trifft Grundsatzregelungen für das kollektive Arbeitsrecht der katholischen Kirche (Art. 6–8) und sieht für diesen Bereich die Bildung kirchlicher Gerichte für den gerichtlichen Rechtsschutz vor (Art. 10). cc) Geltungsbereich Die Grundordnung berücksichtigt bei der Festlegung ihres Geltungs- 49 bereichs, dass die Gesetzgebungsbefugnis des Bischofs kirchenrechtlich begrenzt sein kann. Art. 2 Abs. 1 GrOkathK bestimmt, dass die Grundordnung für Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern bei den Einrichtungen der Diözesen, der Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen sowie der öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts gilt. Zu den öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts gehören 50 die Orden, auch wenn sie privatrechtlich organisiert sind. Orden päpstlichen Rechts unterstehen zwar „in Bezug auf die interne Leitung und Rechtsordnung unmittelbar und ausschließlich der Gewalt des Apostolischen Stuhles“ (can. 593 CIC). Soweit es aber um den Abschluss von Arbeitsverträgen geht, handelt es sich insoweit nicht um den Innenbereich des Ordensinstituts, der unter die dem Orden gewährleistete Autonomie fällt (can. 586 CIC). Einschlägig ist vielmehr insoweit, dass gemäß can. 678 § 1 CIC die Ordensleute der Gewalt der Bischöfe unterstehen, soweit eine Angelegenheit die Seelsorge, die öffentliche Abhaltung des Gottesdienstes und andere Apostolatswerke betrifft. Da die auf der Grundlage von Arbeitsverträgen betriebene Einrichtung in den Außenbereich des Ordens ragt, hat der Bischof nach dem Prinzip der einheitlichen Leitung der Diözese (can. 394 § 1 CIC) die Befugnis, die Geltung des kircheneigenen Arbeitsrechts anzuordnen, wenn der Orden in Ausübung seines Apostolats eine Arbeitsorganisation in seinem Bereich einrichtet. Für privatrechtlich verselbständigte Einrichtungen, insbesondere Einrichtungen der Caritas, ist folgende Unterscheidung zu beachten: Soweit ein Diözesancaritasverband und seine Gliederungen öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts sind, gilt die Grundordnung bereits nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d. Die Grundordnung ist aber, wie es in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 heißt, „auch anzuwenden im Bereich der sonstigen kirchlichen Richardi
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Rz. 52
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Rechtsträger und ihrer Einrichtungen, unbeschadet ihrer Rechtsform sowie des Verbandes der Diözesen Deutschlands und des Deutschen Caritasverbandes“. Diese Rechtsträger sind, wie ihnen kirchengesetzlich vorgeschrieben wird, „gehalten, die Grundordnung für ihren Bereich rechtsverbindlich zu übernehmen“ (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GrOkathK). 52 Diese gesetzestechnische Gestaltung in der Festlegung des Geltungsbereichs berücksichtigt, dass bei verselbständigten Einrichtungen in privatrechtlicher Form die Verleihung einer kirchlichen Rechtspersönlichkeit fehlen kann, obwohl die Zuordnung zur Kirche staatskirchenrechtlich anerkannt wird.
IV. Besonderheiten des kirchlichen Dienstes im Arbeitsvertragsrecht 1. Personenauswahl a) Kirchliches Selbstbestimmungsrecht 53 Bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften und die ihnen zugeordneten Einrichtungen ist ohne Rücksicht auf deren Rechtsform – ungeachtet einer zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen beruflicher Anforderungen nach § 8 AGG – gemäß § 9 Abs. 1 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion zulässig, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hinblick auf ihr Selbstverständnis oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Dieselbe Bestimmung gilt bei der Beschäftigung durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung. Klargestellt wird durch § 9 Abs. 2 AGG, dass das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen oder der Weltanschauungsvereinigungen berührt, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. 54 § 9 AGG gilt vor allem für die Kirchen und die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf deren Rechtsform, also nicht nur für die sog. verfasste Kirche, sondern auch für die Einrichtungen der Caritas und der Diakonie. § 9 Abs. 1 AGG ermöglicht, die Begründung eines Arbeitsverhältnisses von der Konfession abhängig zu machen. Abgestellt wird auf das Selbstverständnis der jeweiligen Religionsgemeinschaft ohne Rücksicht auf die Art der Tätigkeit. Maßgebend sind für kirchliche Einrichtungen die „von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäbe“1. Für die katholische Kirche gilt die kirchengesetzlich erlassene Grundordnung des
1 Vgl. BVerfGE 70, 138 (166, 168).
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IV. Besonderheiten im Arbeitsvertragsrecht
Rz. 57 Teil 14
kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse1. Sie regelt, worauf ein kirchlicher Dienstgeber bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu achten hat (Art. 3). Die Evangelische Kirche in Deutschland hat eine entsprechende Regelung in ihrer „Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihres Diakonischen Werkes getroffen (§ 3)2. Die Bestimmung steht wegen des Erfodernisses einer gerechtfertigten beruflichen Anforderung in einem Spannungsverhältnis zur Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV). Dass sie Art. 4 Abs. 2 RL 2000/78/EG umsetzt, rechtfertigt keine Beschränkung auf einen Tendenzschutz; denn die Richtlinie steht in einem Gegensatz zum Primärrecht der EG. Daher muss die Verfassungsgarantie des Sebstbestimmungsrechts den Leitfaden für die Interpretation des § 9 AGG bilden3.
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b) Evangelische Kirche Nach der der EKD-Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen 56 beruflichen Mitarbeit4, wird für die Begründung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich die Zugehörigkeit zu einer Gliedkirche der EKD oder einer Kirche verlangt, mit der die EKD in Kirchengemeinschaft verbunden ist (§ 3 Abs. 1). Für Aufgaben, die nicht der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung zuzuordnen sind, kann von diesem Grundsatz abgewichen werden, wenn geeignete Mitarbeiter, die ihm entsprechen, nicht zu gewinnen sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1). In diesem Fall können auch Personen eingestellt werden, die einer anderen Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, zu der auch die katholische Kirche zählt, oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen angehören (§ 3 Abs. 2 Satz 2). Für den Dienst in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie ist, wie § 3 Abs. 3 klarstellt ungeeignet, wer aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, ohne in eine andere Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen übergetreten zu sein; ungeeignet kann auch sein, wer aus einer anderen Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland oder der Vereinigung Evangelischer Freikirchen ausgetreten ist. Die im Verfahren des „Dritten Weges“ ergangene „Arbeitsrechtsregelung über die berufliche Mitarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und ihrer Diakonie“5 enthält Bestimmungen über die Personenauswahl (§§ 2–4). Aufgaben in Verkündigung, Seelsorge und katechetischer Unterrichtung sowie in der Regel auch in Leitungsfunktionen können nur 1 2 3 4 5
Siehe hier Rz. 44 ff. Vgl. Thüsing, Kirchliches Arbeitsrecht, S. 100 ff.; Fey, AuR 2005, 349 ff. Vgl. Schliemann, FS Richardi, 2007, S. 959 ff. Siehe hier Rz. 40. KABl. 2001 S. 6. Richardi
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Mitarbeitern anvertraut werden, „die einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland oder einer anderen Kirche angehören, die mit den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland Kirchengemeinschaft erklärt oder die gegenseitige Einladung zum Abendmahl vereinbart hat“ (§ 4 Abs. 1). Soweit Mitarbeiter, die diese Voraussetzung erfüllen, für andere Aufgaben nicht zu gewinnen sind, „sollen Angehörige von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angeschlossen sind, eingestellt werden“ (§ 4 Abs. 2 Satz 1). Mit der römisch-katholischen Kirche ist keine „gegenseitige Einladung zum Abendmahl vereinbart“; sie ist aber der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angeschlossen. Eine Einstellung von Mitarbeitern, die keiner Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft in dem hier umschriebenen Sinn angehören, soll grundsätzlich nicht erfolgen (§ 4 Abs. 3). Der Klarstellung dient die ausdrückliche Bestimmung, dass für eine Einstellung in den Dienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und ihrer Diakonie nicht geeignet ist, wer sich kirchenfeindlich betätigt (§ 3 Abs. 2 Satz 1). c) Katholische Kirche 58 Ist eine Einrichtung der katholischen Kirche zugeordnet, so trifft den Dienstgeber nach Art. 3 GrOkathK eine kirchengesetzliche Pflicht zur Sicherung der Eigenart des kirchlichen Dienstes: Er hat bei der Einstellung darauf zu achten, dass ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejaht, wobei er auch zu prüfen hat, ob der Bewerber geeignet und befähigt ist, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass er der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht wird (Abs. 1). Der Dienstgeber kann pastorale, katechetische sowie in der Regel erzieherische und leitende Aufgaben nur einer Person übertragen, die der katholischen Kirche angehört (Abs. 2). Für die Glaubwürdigkeit der Kirche in der Öffentlichkeit ist von Gewicht, dass der Personenkreis, der pastoral, katechetisch oder erzieherisch tätig wird oder in einer Einrichtung leitende Aufgaben wahrnimmt, eine Vorbildfunktion erfüllt. 59 Vor allem im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst, aber auch bei leitend tätigen Mitarbeitern wird daher das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre gefordert (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrOkathK)1. Bei der Festlegung, wer zu den leitend tätigen Mitarbeitern gehört, ist zu beachten, dass die Grundordnung sie in die Reihe mit den pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeitern stellt bzw. von leitenden Aufgaben im Zusammenhang mit pastoralen, katechetischen und erzieherischen Aufgaben spricht (Art. 5 Abs. 3 bzw. Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 GrOkathK). Für die Be1 Zu den persönlichen Anforderungen für die Mitarbeit im pastoralen Dienst im Hinblick auf Ehe und Familie s. Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz vom 28.9.1995; abgedruckt in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg), Die deutschen Bischöfe 55, 1995; vgl. dazu A. Weiß, FS Listl, 1999, S. 543 ff.
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IV. Besonderheiten im Arbeitsvertragsrecht
Rz. 61 Teil 14
griffsbestimmung ist der Bezug zur Wahrnehmung einer kirchlichen Grundfunktion durch die Einrichtung wesentlich. Der Personenkreis darf daher nicht mit den leitenden Angestellten im Sinne des staatlichen Betriebsverfassungsrechts (§ 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG) identifiziert werden. Die Leiterin eines kirchlichen Kindergartens ist im Sinne der Grundordnung leitend tätige Mitarbeiterin1. Ein kirchlicher Arbeitgeber hat schließlich bei allen Mitarbeitern durch 60 Festlegung der entsprechenden Anforderungen sicherzustellen, dass sie ihren besonderen Auftrag glaubwürdig erfüllen können (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GrOkathK). Dazu gehören fachliche Tüchtigkeit, gewissenhafte Erfüllung der übertragenen Aufgaben und eine Zustimmung zu den Zielen der Einrichtung (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GrOkathK). Damit der Arbeitgeber diese Verpflichtung erfüllen kann, muss er für den Tätigkeitsbereich eines Mitarbeiters Funktionsbeschreibungen erstellen und ein entsprechendes Anforderungsprofil festlegen. Die Prüfungspflicht erstreckt sich auch darauf, ob man bei objektiver Beurteilung davon ausgehen kann, dass ein Bewerber nach Abschluss des Arbeitsvertrags die ihm auferlegten kirchenspezifischen Loyalitätsobliegenheiten einhält. Deshalb ist auch die Ausschreibung einer Stelle entsprechend zu gestalten. Der Klarstellung dient in diesem Zusammenhang, dass nach Art. 3 Abs. 4 GrOkathK für keinen Dienst in der Kirche geeignet ist, wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. Nicht besonders genannt ist der Austritt eines nichtkatholischen Christen aus seiner Kirche. Erfolgte er zum Übertritt in die katholische Kirche, so bedeutet diese Entscheidung eine Identifizierung mit Wesen und Auftrag der katholischen Kirche. War Grund für den Kirchenaustritt dagegen eine Abwendung von der christlichen Lehre, so bestehen begründete Zweifel, ob der Bewerber bereit ist, die ihm in einer kirchlichen Einrichtung zu übertragenden Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie Art. 4 Abs. 3 GrOkathK es für nichtchristliche Mitarbeiter verlangt. 2. Kirchenspezifische Loyalitätsanforderungen a) Kircheneigene Kompetenz zur Festlegung der Loyalitätsanforderungen Nach Ansicht des BVerfG im Beschluss vom 4.6.1985 fällt unter das Selbst- 61 bestimmungsrecht der Kirche, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine Abstufung der Loyalitätsobliegenheiten eingreifen soll2. Der Staat darf kirchliche Einrichtungen nicht zu Tendenzbetrieben abstufen und den Personenkreis, für den eine besondere Loyalitätsobliegenheit gilt, nach dem Modell der Unterscheidung in Tendenzträger und andere Arbeitnehmer auf Mitarbeiter begrenzen, die nach seiner Beurteilung einen Verkündigungsauftrag erfüllen. Das BVerfG hat klargestellt: „Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach den von der 1 Ebenso Dütz, NJW 1994, 1369 (1373). 2 BVerfGE 70, 138 ff. Richardi
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Teil 14
Rz. 62
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
verfassten Kirche anerkannten Maßstäben.“1 Es kommt „weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa gar einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an“. Damit hat das BVerfG die Freiheit der Kirche auch vor Tendenzen gesichert, die durch Eingriff von außen die bestehende Kirchenverfassung aufzuheben oder zu ändern versuchen. Ausdrücklich heißt es in der Entscheidung des BVerfG: „Es bleibt danach grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was ‚die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert‘, was ‚spezifisch kirchliche Aufgaben‘ sind, was ‚Nähe‘ zu ihnen bedeutet, welches die ‚wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre‘ sind und was als – gegebenenfalls schwerer – Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine ‚Abstufung‘ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit.“2 62 Zur Herstellung und Sicherung einer Konkordanz mit der für den Staat unabdingbaren Ordnung hat das BVerfG die folgenden Grenzen für die Beachtung kirchlicher Vorgaben aufgestellt: Es dürfe kein Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung eintreten, „wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der ‚guten Sitten‘ (§ 138 Abs. 1 BGB) und des ordre public (Art. 30 [nunmehr Art. 6] EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben“3. Es bleibe in diesem Bereich „somit Aufgabe der staatlichen Gerichtsbarkeit sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen – insoweit möglicherweise entgegen den Grundsätzen der eigenen Kirche und der daraus folgenden Fürsorgepflicht (vgl. § 1 Nr. 2 AVR) – an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen“. b) Kirchenrechtliche Festlegung kirchenspezifischer Loyalitätsobliegenheiten 63 Die katholische Kirche hat für ihren Bereich gesetzlich die Loyalitätsobliegenheiten ihrer Mitarbeiter durch Art. 4 GrOkathK festgelegt: Von den katholischen Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten (Abs. 1 Satz 1), wobei – wie bereits ausgeführt – vor allem im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, aber auch bei leitenden Mitarbeitern das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich ist (Abs. 1 Satz 2 und 3). Von nichtkatholischen christlichen Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der 1 BVerfGE 70, 138 (166). 2 BVerfGE 70, 138 (168). 3 BVerfGE 70, 138 (168).
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Richardi
IV. Besonderheiten im Arbeitsvertragsrecht
Rz. 66 Teil 14
Einrichtung zur Geltung zu bringen (Abs. 2), und nichtchristliche Mitarbeiter müssen bereit sein, die ihnen in einer kirchlichen Einrichtung zu übertragenden Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (Abs. 3). Besonders hervorgehoben wird schließlich, dass alle Mitarbeiter kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen haben und dass sie in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden dürfen (Abs. 4). Erfüllt ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber duch Beratung versuchen, dass der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt, wobei als letzte Maßnahme eine Kündigung in Betracht kommt (Art. 5 Abs. 1) Die EKD-Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit regelt die Loyalitätsobliegenheiten in § 4, wobei ebenfalls eine Abstufung nach evangelischen, christlichen und nichtchristlichen Mitarbeitern erfolgt. Erfüllt ein Mitarbeiter nicht mehr eine in der Richtlinie genannte berufliche Anforderung an die Mitarbeit, soll der Anstellungsträger durch Beratung und Gespräch auf die Beseitigung des Mangels hinwirken, wobei als letzte Maßnahme eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich ist (§ 5).
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3. Kündigung und Kündigungsschutz a) Gesetzesregelung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses als „für alle geltendes Gesetz“ Die Gesetze des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts gehören zu dem „für alle geltenden Gesetz, das dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken zieht1. Gleiches gilt für die Festlegung einer Befristung nach dem TzBfG und anderen Gesetzen, wie dem WissZeitVG.
65
b) Bedeutung der Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts für die Interpretation des Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts Zu dem für alle geltenden Gesetz gehört, dass nach staatlichem Arbeits- 66 recht die ordentliche und die außerordentliche Kündigung wesensverschiedene Gestaltungsformen für die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sind. Bei Bestehen des Kündigungsschutzes bedarf eine Kündigung durch den Arbeitgeber zwar stets eines Kündigungsgrundes. Bei einer ordentlichen Kündigung genügt jedoch, dass sie nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, während bei der außerordentlichen Kündigung ein wichtiger Grund vorliegen muss, der die Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung ausschließt. Die vertragsrechtliche Gestaltungsform, die ein kirchlicher Arbeitgeber einsetzt, kann deshalb dazu führen, dass Obliegenheitsverletzungen sich auf die Möglichkeit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses unterschiedlich auswirken. 1 Ebenso BVerfGE 70, 138 (168 f.); BAG AP GG Art. 140 Nr. 2, 3, 7, 14, 15, 16, 20 und 21. Richardi
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Teil 14
Rz. 67
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
67 Da ein kirchlicher Arbeitgeber dem Vertragsinhalt ein bekenntnismäßiges Verständnis des kirchlichen Dienstes zugrunde legen darf, sind für die Beurteilung von Loyalitätsverstößen die kirchlichen Vorgaben maßgebend. Soweit zweifelhaft ist, ob die Vorgaben den anerkannten Maßstäben der verfassten Kirche Rechnung tragen, verweist das BVerfG die Arbeitsgerichte an die zuständigen Kirchenbehörden1. Die Arbeitsgerichte sind an die kirchlichen Vorgaben gebunden, „es sei denn, die Gerichte begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der ‚guten Sitten‘ (§ 138 Abs. 1 BGB) und des ordre public (Art. 30 [nunmehr Art. 6] EGBG) ihren Niederschlag gefunden haben“2. 68 Die Feststellung des Loyalitätsverstoßes durch die Kirche ersetzt nicht die arbeitsgerichtliche Rechtskontrolle, wie das BVerfG ebenfalls klargestellt hat3. Dem Arbeitsgericht obliegt es, „den Sachverhalt festzustellen und unter die kirchlicherseits vorgegebenen, arbeitsrechtlich abgesicherten Loyalitätsobliegenheiten zu subsumieren“. Das BVerfG stellt fest: „Kommen sie hierbei zur Annahme einer Verletzung solcher Loyalitätsobliegenheiten, so ist die weitere Frage, ob diese Verletzung eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 1 KSchG, 626 BGB zu beantworten. Diese unterliegen als für alle geltendes Gesetz im Sinne des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV umfassender arbeitsgerichtlicher Anwendungskompetenz.“ 69 Daraus folgt keine zweistufige Prüfung, bei der das Arbeitsgericht das letzte Wort hat. Es geht vielmehr ausschließlich darum, dass die Struktur des staatlichen Kündigungs- und Kündigungsschutzrechts nicht zur Disposition der Kirchen steht. Die mit einem Loyalitätsverstoß begründete Kündigung kann auch ein kirchlicher Arbeitgeber nur fristlos erklären, wenn es sich um einen wichtigen Grund iS des § 626 BGB handelt. Ansonsten hat er die Fristen für eine ordentliche Kündigung einzuhalten. Der allgemeine und besondere Kündigungsschutz findet Anwendung. Fällt die kirchliche Einrichtung unter das KSchG (§ 23 Abs. 1 Satz 2, 3 und 4) und hat der Arbeitnehmer die Wartezeit erfüllt, so ist eine ordentliche Kündigung des Arbeitgebers nur rechtswirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist (§ 1 KSchG). Bei der Beurteilung, ob der Loyalitätsverstoß einen wichtigen Grund darstellt, der eine außerordentliche Kündigung zulässt, oder ob er eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigt, hat der Kündigungsgrund ein verschiedenes Gewicht. Das gilt auch für einen kirchlichen Arbeitgeber. Für die Gewichtung des Loyalitätsverstoßes sind aber die kirchlichen Vorgaben maßgebend. Bei einem Verstoß gegen wesentliche kirchliche Glaubensgrundsätze und Kirchenrechtsnormen ist daher das Verständnis der Kirche
1 BVerfGE 70, 138 (168). 2 BVerfGE 70, 138 (168). 3 BVerfGE 70, 138 (168 f.).
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IV. Besonderheiten im Arbeitsvertragsrecht
Rz. 71 Teil 14
die „maßgebliche Richtschnur für die Beurteilung des gerichtlich festgestellten Loyalitätsverstoßes“1. c) Kirchengesetzliche Festlegung kirchenspezifischer Kündigungsgründe Die katholische Kirche hat in ihrer Grundordnung kirchengesetzlich fest- 70 gelegt, ob ein Loyalitätsverstoß einer Weiterbeschäftigung im kirchlichen Dienst entgegensteht. Die maßgebliche Regelung enthält Art. 5 GrOkathK. Er stellt eine den Arbeitgeber bindende Verfahrensnorm auf (Abs. 1) und regelt im Einzelnen, wie auf Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten zu reagieren ist (Abs. 2 bis 5). Erfüllt ein Mitarbeiter nicht mehr die Beschäftigungsanforderungen, so muss der Arbeitgeber gemäß Art. 5 Abs. 1 GrOkathK zunächst durch „Beratung“, dh. ein „klärendes Gespräch“, versuchen, dass der Mitarbeiter den Mangel auf Dauer behebt. Bei Nichtbeachtung dieser Verfahrensnorm verstößt eine Kündigung regelmäßig gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit der Rechtsfolge, dass eine Kündigung unwirksam ist2. Art. 5 Abs. 2 GrOkathK enthält eine differenziert gefasste Generalklausel mit Regelbeispielen eines Loyalitätsverstoßes, den die Kirche für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen als schwerwiegend ansieht. Zu ihnen gehört insbesondere ein öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Lehre, zB hinsichtlich der Abtreibung, aber auch der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe. Der folgende Abs. 3 legt den Personenkreis fest, bei dem ein nach Abs. 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung ausschließt: Es handelt sich um die pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiter sowie um die Mitarbeiter, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Bei ihnen kann von einer Kündigung nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen. Die Ausnahme beschränkt sich also auf besonders gelagerte Fälle. Bei ihnen geht es auch nur um die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung unter Änderung des Vertragsinhalts, keineswegs darum, dass sie ihre bisherige Aufgabe im pastoralen oder katechetischen Dienst wahrnehmen können oder wie bisher leitend tätig bleiben. Bei den sonstigen Mitarbeitern macht Art. 5 Abs. 4 GrOkathK die Möglich- 71 keit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelumständen abhängig, wobei insbesondere auf das Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung abgestellt wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt (Art. 5 Abs. 4 Satz 2 GrOkathK).
1 So für die Bewertung der Abtreibung als „verabscheuungswürdiges Verbrechen“ bei Propaganda für die Zulässigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs durch öffentliche Stellungnahme eines in dem Dienst eines katholischen Krankenhauses stehenden Arztes BVerfGE 70, 138 (171). 2 BAG v. 16.9.1999, AP GrOkath. Kirche Art. 4 Nr. 1. Richardi
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Teil 14
Rz. 72
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Klarstellend heißt es in dem folgenden Abs. 5, dass Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, nicht weiterbeschäftigt werden können und dass im Fall des Abschlusses einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe eine Weiterbeschäftigung jedenfalls dann ausscheidet, „wenn sie unter öffentliches Ärgernis erregenden oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigenden Umständen geschlossen wird (zB nach böswilligem Verlassen von Ehepartner und Kindern)“. 72 Für den Bereich der evangelischen Kirche gibt es keine kirchengesetzliche Festlegung für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen. Aber auch hier hat ein staatliches Arbeitsgericht zu beachten, was nach evangelischem Kirchenrecht verbindlich ist. Einschlägig ist insbesondere § 5 der EKD-Richtlinie über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit. d) Verstoß gegen das kirchliche Eherecht als Kündigungsgrund 73 Die katholische Kirche zählt die Ehe zwischen Getauften zu den Sakramenten (can. 1055 CIC). Sie verlöre ihre Glaubwürdigkeit, das Dogma von der Unauflöslichkeit der Ehe zu verkünden, wenn sie es hinnehmen müsste, dass seine Beachtung für die Eignung eines Mitarbeiters in ihrem Dienst keine Rolle spielte. Kirchengesetzlich ist daher durch Art. 5 Abs. 2 GrOkathK festgelegt, dass die Kirche im Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß erblickt. Da das Rechtsinstitut der „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ in einem diametralen Gegensatz zum Sakrament der Ehe steht, haben in authentischer Interpretation ihrer Grundordnung die Bischöfe der katholischen Kirche festgelegt, dass Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (gleich ob sie der katholischen Kirche angehören oder nicht), die nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eine „eingetragene Lebenspartnerschaft“ eingehen, dadurch gegen die für sie nach Art. 4 GrOkathK geltenden Loyalitätsobliegenheiten verstoßen1. Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei, wie es ausdrücklich heißt, ein „schwerwiegender Loyalitätsverstoß“ iSd. Art. 5 Abs. 2 GrOkathK, „der die dort geregelten Rechtsfolgen nach sich zieht“. Auch im evangelischen Bereich gehört die Unauflöslichkeit der Ehe zur kirchlichen Lebensordnung. Die kirchliche Trauung darf Geschiedenen nur gewährt werden, wenn durch sie die Botschaft des Evangeliums nicht unglaubwürdig wird. Deshalb kann auch in Einrichtungen der evangelischen Kirche die Missachtung der Ehe als der von Gott gestifteten Lebensordnung Konsequenzen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses haben. 74 Schon vor dem Beschluss des BVerfG vom 4.6.1985 hat das BAG bei Einrichtungen der katholischen Kirche mehrfach anerkannt, dass der Verstoß
1 Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 7 Rz. 54 ff.; Thüsing, FS Rüfner, 2003, S. 901 (914 ff.).
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IV. Besonderheiten im Arbeitsvertragsrecht
Rz. 76 Teil 14
gegen das kirchliche Eherecht ein Kündigungsgrund ist1. Heute bestimmt Art. 5 Abs. 2 bis 5 GrOkathK, ob eine Wiederverheiratung – nicht eine Ehescheidung – einen kündigungsrelevanten Verstoß gegen die Loyalitätsobliegenheit des kirchlichen Mitarbeiters darstellt Bei einer Tätigkeit im Dienst der Mormonenkirche hat das BAG aner- 75 kannt, dass Ehebruch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag2. e) Kirchenaustritt als Kündigungsgrund Der Kirchenaustritt ist nach kirchlichem Verständnis eine besonders 76 schwerwiegende Verfehlung. Er wird ausschließlich nach den Vorschriften des staatlichen Rechts vollzogen. Er hat deshalb Rechtswirkung auch nur für den staatlichen Bereich und berührt nicht die kraft Kirchenrechts bestehenden Bindungen3. Die Zugehörigkeit zur Kirche wird nach dem Verständnis beider Großkirchen nicht durch eine Willenserklärung, sondern durch das Sakrament der Taufe begründet. Entsprechend bestimmt das kanonische Recht: Durch die Taufe wird der Mensch der Kirche Christi eingegliedert (can. 96 CIC)4. Wenn der Kirchenaustritt erklärt wird, so liegt darin ein schwerwiegendes Vergehen, das den Kirchenbann, die Exkommunikation, zur Folge hat (can. 1364 § 1 CIC)5. Für ein Arbeitsverhältnis mit einem kirchlichen Arbeitgeber ist er eine Obliegenheitsverletzung, die so schwerwiegend ist, dass sie auch bei langer Beschäftigungsdauer und hohem Lebensalter sowie sonstiger erheblicher sozialer Gesichtspunkte dem kirchlichen Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht und daher eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt6. Für die katholische Kirche bestimmt Art. 5 Abs. 5 GrOkathK, dass ein Mitarbeiter, der aus der katholischen Kirche austritt, nicht weiterbeschäftigt werden kann. Entsprechendes gilt ähnlich nach § 3 Abs. 5 der EKD-Loyalitätsrichtline für den Dienst in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie. Insoweit kommt auch keine Abstufung nach der zugewiesenen Arbeitsaufgabe in Betracht. Soweit der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung ausspricht, ist sie iSd. § 1 KSchG sozial gerechtfertigt7. 1 Für die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung BAG v. 25.4.1978, AP GG Art. 140 Nr. 2; v. 4.3.1980, AP GG Art. 140 Nr. 3; v. 31.10.1984, AP GG Art. 140 Nr. 20; für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung BAG v. 18.11.1986, AP GG Art. 140 Nr. 35; keine Anerkennung der außerordentlichen Kündigung, aber Umdeutung in eine ordentliche Kündigung BAG v. 14.10.1980, AP GG Art. 140 Nr. 7; v. 25.5.1988, AP GG Art. 140 Nr. 36. 2 BAG v. 24.4.1997, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 27 (zust. Thüsing). 3 BVerfG v. 31.3.1971, BVerfGE 30, 415 (426); OVG Lüneburg, ZevKR 31 (1986), 232 (234); v. Campenhausen, HdBStKirchR, Bd. I, S. 657 ff.; Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, 11. Aufl. 1964, Bd. I, S. 183 f. 4 Vgl. zur Kirchengliedschaft für den evangelischen Bereich Stein, ZevKR 29 (1984), 47 ff. 5 Vgl. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, 11. Aufl. 1964, Bd. I, S. 184. 6 Ebenso BVerfGE 70, 138 (172). 7 So bereits vor BVerfGE 70, 138 ff. für die an einer katholischen Privatschule beschäftigte Fachlehrerin für Gymnastik und Textilgestaltung BAG v. 4.3.1980, AP Richardi
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Teil 14
Rz. 77
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 1. Überblick 77 Sowohl die evangelische Kirche als auch die katholische Kirche stimmen darin überein, dass es dem Wesen des Dienstes in der Kirche nicht gerecht wird, wenn der Inhalt der Arbeitsverhältnisse ihrer Angestellten und Arbeiter einseitig durch den kirchlichen Gesetzgeber oder durch kirchliche Leitungsorgane gestaltet wird. Höchst umstritten war aber, ob dieser sog. „Erste Weg“ durch den Abschluss von Tarifverträgen zwischen Kirchen und Gewerkschaften abgelöst werden soll oder ob man statt dieses „Zweiten Weges“ in der Entwicklung eines eigenständigen kirchlichen Beteiligungsmodells einen „Dritten Weg“ gehen soll. Die evangelischen Landeskirchen haben sich mit Ausnahme der Nordelbischen Kirche und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg für den „Dritten Weg“ entschieden. Die Diözesen der katholischen Kirche folgen ihm sogar ohne Ausnahme. 78 Trotz der Verschiedenheit der Beteiligungsmodelle stimmen die Kirchen darin überein, dass nach ihrem Selbstverständnis jede Dienst- und Arbeitsleistung ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht. Die Dienstgemeinschaft soll deshalb auch in den Verfahrensstrukturen einer Arbeitnehmerbeteiligung an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kommen. Dabei handelt es sich um die folgenden Grundsätze: – Partnerschaft, dh. Kooperation, nicht Konfrontation beim Ausgleich unterschiedlicher Interessen, weil im kirchlichen Dienst alle Beteiligten, Dienstgeber in gleicher Weise wie Dienstnehmer, der religiösen Grundlage und Zielrichtung ihrer Einrichtung verpflichtet sind; – Parität, dh. Anerkennung der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung von Dienstgebern und Dienstnehmern; – Prinzip der Lohngerechtigkeit, die in der katholischen Kirche sogar in can. 231 § 2 CIC abgesichert ist; – keine Konfliktregulierung durch Streik und Aussperrung wegen der Unvereinbarkeit eines Arbeitskampfes mit den Grunderfordernissen des kirchlichen Dienstes; – Sicherung der religiösen Grundlage und Zielbindung des kirchlichen Dienstes; – Sicherung einheitlicher Geltung unabhängig vom jeweiligen Anstellungsträger.
GG Art. 140 Nr. 4; abweichend für den von einer Ordensgemeinschaft beschäftigten Buchhalter BAG v. 23.3.1984, AP GG Art. 140 Nr. 16; aber aufgehoben durch BVerfGE 70, 138 (140, 172).
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V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen
Rz. 82 Teil 14
2. Koalitionsfreiheit im kirchlichen Dienst a) Verhältnis zur Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts Die Koalitionsfreiheit gilt im kirchlichen Dienst, sofern ein Beschäfti- 79 gungsverhältnis die in Art. 9 Abs. 3 GG vorausgesetzten Elemente erfüllt. Daraus folgt nicht, dass dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit gegenüber der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts der Vorrang eingeräumt ist. Nach den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit muss jede verfassungsrechtliche Gewährleistung in ihrem Kern erhalten bleiben1. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit setzt voraus, dass für die Erbringung 80 von Dienstleistungen ein Beschäftigungsverhältnis besteht, wobei unerheblich ist, ob es privatrechtlich als Arbeitsverhältnis oder öffentlichrechtlich als Beamtenverhältnis gestaltet ist. Koalitionsfreiheit gilt deshalb nur dort, wo Arbeit im fremden Dienst gegen Erbringung einer materiellen Gegenleistung das Beschäftigungsverhältnis prägt, also auch inhaltlich die Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass man sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenschließt. Für die Geltung der Koalitionsfreiheit ist daher entscheidend, welchen In- 81 halt ein Beschäftigungsverhältnis nach der kirchlichen Rechtsordnung hat. Mit dem Priestertum ist nach dem Verständnis der römisch-katholischen Kirche nicht vereinbar, einer arbeitsrechtlichen Koalition mit Kampfstellung gegen die Kirche anzugehören. Auch soweit es nicht um die Wahrnehmung ihrer eigenen Arbeitsbedingungen geht, dürfen Kleriker an der Leitung von Gewerkschaften nicht aktiv teilnehmen, es sei denn, dies sei nach dem Urteil der zuständigen kirchlichen Autorität erforderlich, um die Rechte der Kirche zu schützen oder das allgemeine Wohl zu fördern (can. 287 § 2 CIC). Ordensangehörige gehören ebenfalls zum geistlichen Stand. Mit der Verpflichtung auf die evangelischen Räte, insbesondere mit der freiwillig übernommenen Armut um der Nachfolge Christi willen und dem Gelöbnis des Gehorsams ist es unvereinbar, sich neben dem Orden oder im Orden zu einer Koalition zusammenzuschließen2. Die Koalitionsfreiheit entbindet Arbeitnehmer und Beamte im Dienst der 82 Kirche nicht von der Pflicht, ihre Arbeit als Beitrag zum Auftrag der Kirche zu leisten. Für die katholische Kirche hat dies Art. 6 Abs. 1 Satz 3 GrOkathK ausdrücklich klargestellt. Die Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst können sich als kirchliche Arbeitnehmer zusammenschließen, um Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gewinnen3. Sie dürfen sich aber keiner Organisation anschließen, die bei der Erfüllung des Koalitionszweckes keine Rücksicht auf die Besonderheit des 1 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rz. 317 ff. 2 Vgl. dazu auch das Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae Caritatis“, abgedruckt in: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl., Das Zweite Vatikanische Konzil, Bd. II, S. 266 ff. 3 Vgl. für die katholische Kirche die Klarstellung in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 GrOkathK. Richardi
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Teil 14
Rz. 83
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
kirchlichen Dienstes nimmt. Kirchlicher Dienst wird niemals wertneutral geleistet, sondern steht stets in der Bindung zum religiös geprägten Sendungsauftrag der Kirche. Für die katholische Kirche bestimmt deshalb Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GrOkathK: „Wegen der Zielsetzung des kirchlichen Dienstes muss eine Vereinigung dessen Eigenart und die sich daraus für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergebenden Loyalitätsobliegenheiten anerkennen.“ b) Tarifvertragssystem und Arbeitskampf 83 Für eine Beteiligung kirchlicher Einrichtungen an der Tarifautonomie führt nur eine doppelte Blickrichtung zu einer richtigen Beurteilung: Das staatliche Tarifvertragsgesetz enthält keine Schranke für den Abschluss von Tarifverträgen. Der Rechtsträger einer kirchlichen Einrichtung ist als Arbeitgeber tariffähig, und er kann Mitglied eines Arbeitgeberverbandes werden, der Tarifverträge abschließt (§ 2 Abs. 1 TVG). Seine durch das Staatskirchenrecht des Grundgesetzes garantierte Zuordnung zur Kirche fordert von ihm aber, dass er das kirchliche Arbeitsrechtsregelungsrecht einhält. Lässt es keine Tarifverträge zu, so darf er sich nicht an der Tarifautonomie beteiligen1. Es gilt vielmehr für ihn das kircheneigene Beteiligungssystem zur Regelung der Arbeitsentgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen. Bei privatrechtlicher Verselbständigung kann der Rechtsträger einer Einrichtung zwar seine Tariffähigkeit aktualisieren; er verliert dadurch aber seine Sonderstellung als kirchliche Einrichtung in der Arbeitsrechtsordnung. 84 Soweit das kircheneigene Beteiligungssystem zur Regelung der Arbeitsentgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen Anwendung findet, dürfen kirchliche Einrichtungen nicht bestreikt werden, um den Abschluss von Tarifverträgen durchzusetzen2. Das Arbeitskampfrecht geht von dem für das Arbeitsrecht typischen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Gegensatz aus, setzt al1 Vgl. für die katholische Kirche Art. 7 Abs. 2 GrOkathK. 2 Ebenso bereits Frank, HdbStKirchR, Bd. I, S. 669 (693); Frank, RdA 1979, 86 (93); weiterhin Schliemann/Gehring/Thiele, Arbeitsrecht im BGB, 2. Aufl. 2002, § 630 Anh. Rz. 253 (S. 1108); Wiedemann/Stumpf, TVG, § 1 Rz. 54; Richardi, FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 429 (447); Richardi, FS Beitzke, 1979, S. 873 (881 f.); Richardi, ZevKR 19 (1974), 275 (295); Richardi, NZA 2002, 929 ff.; Richardi/Thüsing, AuR 2002, 94 ff.; Mayer-Maly, EssG 10 (1976), 127 (140); Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht im Bereich der Kirchen, 1979, S. 84; G. Müller, RdA 1979, 71 (77); H. Weber, ZevKR 22 (1977), 346 (386); Grethlein, ZevKR 24 (1979), 270 (284 f., 286); Grethlein, NZA Beil 1/1986, 18 (19 f.); Janssen, Streikrecht, 1982, S. 20; Pahlke, Kirche und Koalitionsrecht, 1983, S. 163 ff.; Pahlke, NJW 1986, 350 (353); Briza, „Tarifvertrag“ und „Dritter Weg“, 1987, S. 130 ff.; v. Campenhausen, FS Geiger, 1974, S. 580 (587); Schilberg, Rechtsschutz und Arbeitsrecht in der evangelischen Kirche, 1992, S. 41 ff., 47; Thüsing, ZevKR 41 (1996), 52 (57 ff.); zweifelnd Schlaich, JZ 1980, 209 (215 f.); wie hier bei paritätischer Gestaltung eines kircheneigenen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens Otto, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht, 2006, § 9 Rz. 28 ff.; ErfK/Dieterich, Art. 4 GG Rz. 53; – aA Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, 1997, S. 1117 f.; Gamillscheg, FS Zeuner, 1994, S. 39 (49 f.); Däubler/Bieback, Arbeitskampfrecht, 2. Aufl. 1987, Rz. 498 ff.; Keßler, Die Kirchen und das Arbeitsrecht, 1986, S. 275 ff., 298 f.; Naendrup, BlStSozArbR 1979, 353 (367 f.); Wahsner, Beiträge für Abendroth, 1982, S. 78 ff.; Zeuner, ZfA 1985,
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Richardi
V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen
Rz. 86 Teil 14
so voraus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die jeder Seite zugeordneten Kampfmittel ergreifen, um ihre Interessen in einem Tarifkonflikt zu wahren. Diese Voraussetzung ist für den kirchlichen Dienst nicht gegeben. Soweit die Kirche durch ihre Einrichtungen ihren religiös geprägten Auftrag erfüllt, kann sie ihren Dienst nicht einstellen, um zur Wahrung von Vermögensinteressen einen Arbeitskampf zu führen. Dadurch würde auch unglaubwürdig, dass Anstellungsträger und Mitarbeiter eine vom Kirchenverständnis getragene Dienstgemeinschaft bilden. Für die Einrichtungen der Glaubensverkündigung und die Werke der Nächstenliebe gäbe die Kirche ihren Sendungsauftrag preis, wenn sie ihren Dienst den Funktionsvoraussetzungen des Tarifvertragssystems unterordnen müsste. Die Bischöfe der katholischen Kirche haben in ihrer Erklärung zum kirchlichen Dienst vom 22.9.1993 festgestellt: „Streik und Aussperrung widersprechen den Grunderfordernissen des kirchlichen Dienstes.“1 Auch für die evangelische Kirche ist „das Selbstverständnis der kirchlichen Mitarbeit mit solchen tarifrechtlichen Gestaltungsformen unvereinbar, die einen Streik oder eine Aussperrung innerhalb der Kirche als Kampfmittel zur Lösung von Konflikten vorsehen“2. Für das Verhältnis zu den Kirchen ist wesentlich, dass Streik und Aus- 85 sperrung zwar unter den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit fallen, dass aber für ihre Zulässigkeit die „Ausgestaltung des Grundrechts durch die Rechtsordnung“ maßgebend ist3. Da insoweit eine Gesetzesregelung fehlt, liegt schon aus diesem Grund kein für alle geltendes Gesetz iSd. Art. 137 Abs. 3 WRV vor. Andererseits ist für die Kirchen bindend, dass zur Sicherung einer funktionierenden Tarifautonomie Streik und Aussperrung zulässige Arbeitskampfmaßnahmen sind. Der Staat kann die Kirchen aber nicht dazu zwingen, die Erfüllung ihres religiös geprägten Auftrags den Funktionsvoraussetzungen der Tarifautonomie unterzuordnen. Sie müssen vielmehr das Recht haben, ein Regelungsverfahren zu wählen, das ihnen gestattet, Interessenkonflikte mit ihren Mitarbeitern auch ohne die Gefahr einer Verstrickung in einen Arbeitskampf austragen zu können. c) Koalitionsbetätigung im kirchlichen Dienst Soweit eine Gewerkschaft die Besonderheit des kirchlichen Dienstes res- 86 pektiert, sind kirchliche Arbeitnehmer berechtigt, innerhalb ihrer Einrichtung für den Beitritt zu dieser Koalition zu werben, über deren Aufgaben und Tätigkeit zu informieren sowie Koalitionsmitglieder zu betreuen4. Diese werbende, informierende und betreuende Tätigkeit fällt unter den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Für die Koalitionsbetätigung im Be-
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127 (137); vor allem Kühling, AuR 2001, 241 ff.; zur Durchsetzung „kirchengemäßer Tarifverträge“ Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht, 2002, S. 298 ff. So unter IV 1, in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Die deutschen Bischöfe 51, 1993; vgl. auch Art. 7 Abs. 2 Satz 2 GrOkathK. Stein, Evangelisches Kirchenrecht, 3. Aufl. 1992, S. 127. BVerfG v. 26.6.1991, BVerfGE 84, 212, 225 = AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 117. So für den Bereich der katholischen Kirche ausdrücklich klargestellt durch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 GrOkathK. Richardi
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Rz. 87
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
trieb gelten nicht nur die allgemeinen Schranken, sondern es ist auch darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Arbeit einer kirchlichen Einrichtung unter einem geistlich-religiösen Auftrag steht1. Da die Koalitionsfreiheit kein Recht gibt, eine vom kirchlichen Dienstrecht abweichende Rahmenregelung für die Gestaltung des kirchlichen Dienstes herbeizuführen, sondern das Koalitionsverfahren sich innerhalb des kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens entfaltet, darf eine gewerkschaftliche Betätigung in kirchlichen Einrichtungen nicht die Entscheidung der Kirche für den sog. Dritten Weg bekämpfen2. 87 Den Anspruch auf Koalitionsbetätigung im Betrieb hat nicht nur der betriebsangehörige Arbeitnehmer, sondern auch die Gewerkschaft selbst3. Der Anspruch gibt ihr aber nicht das Recht, betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte in den Betrieb zu entsenden, um eine Betreuungs-, Werbe- und Informationstätigkeit zu entfalten. Das BAG hat zwar im Urteil vom 14.2.1978, das eine kirchliche Einrichtung betraf, eine gegenteilige Auffassung vertreten4. Das BVerfG hat dieses Urteil durch Beschluss vom 17.2.1981 wegen Verletzung von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV aufgehoben; denn ein derartiges Zutrittsrecht für betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte lasse sich nicht unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG ableiten und sei auch nicht durch einfaches Gesetzesrecht ausgewiesen5. Das BAG hat gleichwohl im Urteil vom 28.2.2006 ein Zutrittsrecht in engen Grenzen wieder anerkannt, zugleich aber klargestellt, dass die Bindungswirkung an die entgegenstehende Erkenntnis des BVerfG nach § 31 BVerfGG für kirchliche Einrichtungen fortbesteht6. 3. Arbeitsrechtsregelungsverfahren in der evangelischen Kirche a) Kirchengesetzliche Festlegungen 88 Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat in einer Richtlinie vom 8.10.1976 den Gliedkirchen empfohlen, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst auf der Grundlage eines von ihm verabschiedeten Musterentwurfs eines Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz — ARRG) zu regeln7. Sieht man von der Nordelbischen Kirche und der Evangelischen Kirche in Berlin-Branden1 Ebenso BAG v. 14.2.1978, AP GG Art. 9 Nr. 26; Dütz, EssG 18 (1984), 67, 84; vgl. für den Bereich der katholischen Kirche Art. 6 Abs. 2 GrOkathK. 2 Ebenso LAG Düsseldorf/Köln EzA GG Art. 9 Nr. 31; Dütz, Gewerkschaftliche Betätigung in kirchlichen Einrichtungen, 1982, S. 44 f., 47; Jurina, FS Broermann, 1982, S. 797, 825; s. auch für den Bereich der katholischen Kirche Art. 6 Abs. 2 Satz 4 GrOkathK. 3 BAG v. 14.2.1967, AP GG Art. 9 Nr. 10 und 11; 14.2.1978 AP GG Art. 9 Nr. 26. 4 BAG AP GG Art. 9 Nr. 26. 5 BVerfGE 57, 220 ff. = AP GG Art. 140 Nr. 9. 6 AP GG Art. 9 Nr. 127. 7 Abgedruckt in ABl. EKD 1976 S. 398 ff.; vgl. auch Arbeitsrecht der Kirche (I): EKD befürwortet „Dritten Weg“, in: Evangelischer Pressedienst Dokumentation Nr. 13/78; EKD (Hrsg.), Der Dritte Weg — Arbeitsrechtsregelung in der Evangeli-
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V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen
Rz. 91 Teil 14
burg-Görlitz für das Kirchengebiet Berlin-Brandenburg ab, haben die Landeskirchen und ihre Zusammenschlüsse in der EKD und EKU für Arbeitsrechtsregelungen das Verfahren nach dem Modell des „Dritten Weges“ eingeführt1. b) Recht des „Dritten Weges“ Kernstück des Verfahrenskonzepts ist die Arbeitsrechtliche Kommission. 89 Sie ist ein durch Kirchengesetz geschaffenes Gremium, das paritätisch mit Vertretern der Dienstgeber und Mitarbeiter besetzt ist. Ihre Aufgabe besteht darin, Normen zu schaffen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung des Einzelarbeitsverhältnisses regeln. Ihr ist damit eine Zuständigkeit zugewiesen, die sonst durch den Abschluss von Tarifverträgen wahrgenommen wird. Die Arbeitsrechtliche Kommission ist paritätisch zusammengesetzt. Die 90 EKD hat in ihrer Richtlinie empfohlen, dass die Vertreter der Mitarbeiter in der Arbeitsrechtlichen Kommission von den Mitarbeitervereinigungen entsandt werden (§ 6 Abs. 1). Die Gewerkschaften der kirchlichen Mitarbeiter sind in diesem Fall unmittelbar an der Besetzung der Gremien des „Dritten Weges“ beteiligt. Andererseits fehlt bei einer Bestimmung nach dem Verbandsgrundsatz die Legitimation der Mitarbeitervertreter durch die Arbeitnehmer, die keiner entsendungsberechtigten Mitarbeitervereinigung angehören. Wegen dieser Bedenken hat die Evangelische Landeskirche in Württemberg sich für die Mitarbeitervertretungslösung entschieden: Die Vertreter der Mitarbeiter werden von den Mitgliedern der Landeskirchlichen Mitarbeitervertretung und ihren Stellvertretern bzw. von der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk Württemberg aus dem Kreis der wählbaren Mitarbeiter gewählt (§ 8 Abs. 1 und 2 ARRG-Württemberg). Ein Mischkonzept hat die Evangelische Kirche in Baden gewählt: Sie lässt auf die Mitarbeitervereinigungen nur die Hälfte der zu entsendenden Mitarbeitervertreter entfallen, während die andere Hälfte von der Gesamtvertretung nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz entsandt wird (§ 7 Abs. 1 und 3 ARRG-Baden). Kommt in der Arbeitsrechtlichen Kommission kein Beschluss zustande, so 91 wird mit der Angelegenheit ein Schlichtungsausschuss befasst, der ebenfalls paritätisch zusammengesetzt ist. Die Richtlinie der EKD überlässt den Landeskirchen, ob der Schlichtungsausschuss eine Kompetenz zur Zwangsschlichtung hat oder ob er seinen Vorschlag der Synode zur abschließenden Entscheidung vorlegt (§ 12 Abs. 8). Überwiegend geht die Tendenz dahin, die Vorlage an die Synode nicht zuzulassen, so dass der Schlichtungsausschuss bzw. die Schlichtungskommission verbindlich entscheidet (vgl. § 13 ARRG-Bayern, § 14 ARRG-Hessen und Nassau, § 24 MG-Niedersachsen, § 16 ARRG-Rheinland, § 19 ARRG-Württemberg; – schen Kirche, 1978. Zur Entstehungsgeschichte des Dritten Weges Grethlein, ZevKR 37 (1992), 1 ff. 1 Vgl. die Zusammenstellung der Kirchengesetze bei Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 14 Rz. 4 ff. Richardi
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Rz. 92
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
für die Möglichkeit eines Letztentscheidungsrechts der Synode: § 14 ARRG-Baden, § 14 ARRG-Kurhessen-Waldeck; des Kirchentags: § 18 ARRG-Bremen). c) Arbeitsrechtsregelungsverfahren im Bereich der Diakonie 92 Die von den Landeskirchen erlassenen Arbeitsrechtsregelungsgesetze beziehen die landeskirchlichen Diakonischen Werke in ihren Geltungsbereich ein. Da sie nicht zur verfassten Kirche gehören, verlangt die Richtlinie der EKD, dass für den Bereich des landeskirchlichen Diakonischen Werkes das zuständige Organ die Übernahme beschlossen hat (§ 4). Die Arbeitsrechtsregelungsgesetze folgen im Allgemeinen diesem Vorschlag (§ 4 ARRG-Bayern, § 4 ARRG-Kurhessen-Waldeck, § 2 Abs. 2 MG-Niedersachsen, § 2 Abs. 2 ARRG-Hessen und Nassau, § 3 ARRG-Württemberg). Eine Ausnahme bildet die Evangelische Landeskirche in Baden, die durch § 5 ARRG-Baden die unmittelbare Geltung ihres Gesetzes für den Bereich der Diakonie angeordnet hat. 93 In den meisten Landeskirchen sind daher gemeinsame Arbeitsrechtliche Kommissionen für Kirche und Diakonie gebildet worden. Außerdem hat das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland durch seine Satzung sichergestellt, dass das Arbeitsrechtsregelungssystem des Dritten Weges in seinem Bereich Anwendung findet. Diesem Zweck dient eine Arbeitsrechtliche Kommission, die für die dem Diakonischen Werk der EKD angeschlossenen Einrichtungen zuständig ist, soweit nicht die jeweilige Landeskirche verbindliche Regelungen erlassen hat1. Aufgaben und Organisation regelt die von der Diakonischen Konferenz verabschiedete Ordnung für die Arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werkes der EKD vom 7.6.2001. Von ihr nicht erfasst ist die Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der EKD. Für sie gilt das Arbeitsrechtsregelungsgesetz der EKD vom 10.11.19882. 4. KODA-Regelung der katholischen Kirche a) Rechtsgrundlagen 94 Die Grundordnung, die auf kirchengesetzlicher Grundlage allgemeines Recht für den Gesamtbereich der katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland ist, bestimmt in Art. 7 Abs. 2, dass wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts kirchliche Dienstgeber keine Tarifverträge mit Gewerkschaften abschließen und dass Streik und Aussperrung ebenfalls ausscheiden. An die Stelle des Tarifvertragssystems mit arbeitskampfrechtlicher Konfliktlösung tritt daher die Mitarbeiterbeteiligung nach dem Mo1 Vgl. Winter/Adamek ZevKR 33 (1988), 441 ff.; Jürgens, Die normative Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts für die Regelungen des Dritten Weges im Bereich der kirchlichen Wohlfahrtspflege (Diakonie), Diss. Göttingen 1991, S. 129 ff. 2 ARRG der EKD vom 10.11.1988, ABl. EKD S. 366.
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V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen
Rz. 97 Teil 14
dell des „Dritten Weges“. Art. 7 Abs. 1 GrOkathK enthält die Grundsatzgewährleistung für die Einrichtung und Kompetenz paritätisch besetzter Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechtes (KODA)1. Das KODA-Recht ist seit dem 1.1.1999 zweistufig gestaltet2. Es regelt das Zustandekommen von Rechtsnormen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Rechtsträgern im Geltungsbereich der Grundordnung (vgl. Art. 2 GrOkathK). Für die Beschlussfassung primär zuständig ist die für jedes Bistum oder mehrere Bistümer gebildete „Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechtes“ (Bistums/ Regional-KODA) bzw. für den Bereich der Caritas die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes. Daneben besteht die „Zentrale Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechtes im kirchlichen Dienst“ (Zentral-KODA), um zur Sicherung der Einheit und Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes in allen Diözesen und für alle der Kirche zugeordneten Einrichtungen in einem eng begrenzten Zuständigkeitsbereich einheitliche arbeitsvertragliche Regelungen zu erreichen.
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b) Diözesaner Bereich Nach der von den Bischöfen durch Kirchengesetz erlassenen Bistums/Re- 96 gional-KODA-Ordnung besteht entweder für das Bistum eine eigene „Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechtes“ (Bistums-KODA) oder es ist durch entsprechend übereinstimmende Kirchengesetze eine Kommission für mehrere Bistümer geschaffen, eine sog. Regional-KODA3. Eine derartige Regional-KODA haben für die Bistümer in Nordrhein-Westfalen die Erzbischöfe von Köln und Paderborn, die Bischöfe von Aachen und Essen sowie für den nordrhein-westfälischen Teil seiner Diözese der Bischof von Münster gebildet. Für die Diözese Osnabrück und den niedersächsischen Teil der Diözese Münster besteht die Regional-KODA Osnabrück/Vechta. Für die im Freistaat Bayern gelegenen Bistümer gibt es die Bayerische Regional-KODA und für die (Erz-)Bistümer Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz, Hamburg und Magdeburg die RegionalKODA Nord-Ost. Aufgabe der Bistums/Regional-KODA ist die Beschlussfassung über 97 Rechtsnormen, die Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln, solange und soweit die Zentral-KODA von ihrer Beschlusskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat oder macht (§ 3 Bistums/ Regional-KODA-Ordnung). Der Zuständigkeitsbereich bezieht sich auf die folgenden Anstellungsträger: die Diözese, die Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen, die Verbände von Kirchengemeinden und die sonstigen öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts (§ 1 Abs. 1) sowie alle sonstigen kirchlichen Rechtsträger, die ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform unter die Grundordnung fallen, wenn nicht der Diözesan1 Zur Entstehung des KODA-Systems Jurina, FS Listl, 1999, S. 519 ff. 2 Vgl. Richardi, NZA 1998, 1305 ff. 3 Fundstellen s. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 14 Rz. 16 f. Richardi
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Teil 14
Rz. 98
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
bischof für diese Rechtsträger eine eigene Ordnung erlassen hat (§ 1 Abs. 2). Soweit kirchliche Anstellungsträger die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) anwenden, bleiben sie von der Zuständigkeit der Kommission ausgenommen (§ 1 Abs. 3), weil in diesem Fall die „Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes“ zuständig ist. 98 Der KODA gehören als Mitglieder eine gleiche Anzahl von Vertretern der Dienstgeber und der Mitarbeiter an (§ 4 Bistums/Regional-KODA-Ordnung). Die Vertreter der Mitarbeiter werden aus den verschiedenen Gruppen des kirchlichen Dienstes von den Mitarbeitern gewählt (§ 5 Abs. 2). Die katholische Kirche folgt für die Bestimmung der Vertreter der Mitarbeiter in der Kommission also nicht dem Verbandsgrundsatz, sondern sie hat sich für eine Ordnung entschieden, die auf dem Grundsatz der demokratisch legitimierten Repräsentation beruht. Nur für die Bistümer in Nordrhein-Westfalen besteht insoweit eine Ausnahme, als für die Regional-KODA NRW der Zentralverband katholischer Kirchenangestellter Deutschlands e.V. (ZKD) das Recht hat, Vertreter der Mitarbeiter in die Arbeitsrechtliche Kommission zu entsenden1. Wenn man von diesem Fall absieht, sind die kirchlichen Mitarbeiterverbände und die Gewerkschaften nicht unmittelbar an der Besetzung der Kommission beteiligt, sondern ihr Einfluss wird durch die hier vorgesehene Wahl mediatisiert. 99 Die Kommission tritt bei Bedarf zusammen (§ 13 Bistums/Regional-KODA-Ordnung). Sie fasst Beschlüsse mit Dreiviertelmehrheit der Gesamtzahl ihrer Mitglieder (§ 13 Abs. 8). Erhält ein Antrag in der Kommission nicht die für einen Beschluss erforderliche Mehrheit, so wird unter bestimmten, näher umgrenzten Voraussetzungen ein Vermittlungsausschuss beteiligt (§§ 15–20). 100
Beschlüsse der Kommission bedürfen der bischöflichen Inkraftsetzung (§ 14 Bistums/Regional-KODA-Ordnung). Gesichert ist also stets das Letztentscheidungsrecht des Bischofs, der bei der Erfüllung seiner Hirtenaufgabe kirchlicherseits nicht in seiner Kompetenz beschränkt werden kann2. c) Arbeitsrechtsregelungsverfahren im Bereich des Deutschen Caritasverbandes
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Die Bistums-KODA bzw. Regional-KODA ist nicht nur für die Gliederungen der verfassten Kirche zuständig, sondern auch für die ihr zugeordneten, rechtlich selbständig geführten Einrichtungen, also insbesondere auch für die Dienststellen und Einrichtungen des Caritasverbandes (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 1 Vgl. Bietmann, Betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst, 1982, S. 153, 229; Dütz, EssG 18 (1984), 67, 89 f. 2 Für die Bayerische Regional-KODA-Ordnung wird behauptet, sie enthalte abweichend von der Musterordnung kein Letztentscheidungsrecht des Diözesanbischofs; so Eder, ZMV 2002, 221, 222; aber auch nach ihr ist, wie eingeräumt wird, die Inkraftsetzung der KODA-Beschlüsse durch den Diözesanbischof ein „konstitutives Element“ (Eder).
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Richardi
V. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen
Rz. 104 Teil 14
und Abs. 2 Bistums/Regional-KODA-Ordnung). Nur soweit kirchliche Anstellungsträger die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) anwenden, bleiben sie von der Zuständigkeit der Kommission ausgenommen (§ 1 Abs. 3). Für das Arbeitsrechtsregelungsverfahren im Bereich des Deutschen Caritasverbandes besteht auf der Grundlage kirchengesetzlicher Anerkennung die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes. Für das Verfahren und ihre Beschlüsse gilt die „Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes“ idF vom 17.10.2007.
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5. Gleichwertigkeit des kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens mit dem Tarifvertragssystem a) Rechtliche Einordnung kirchlicher Arbeitsvertragsordnungen Die Arbeitsvertragsordnungen und Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen 103 und ihrer diakonischen oder karitativen Verbände sind keine Tarifverträge. Sie haben diese Rechtsqualität auch nicht, wenn sie in einem kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahren durch eine paritätisch besetzte Kommission festgelegt werden. Das BAG nimmt daher in ständiger Rechtsprechung an, dass kirchlichen Arbeitsvertragsordnungen keine normative Wirkung zukommt1. Es hat sie zunächst nicht anders als die sonst von einem Arbeitgeber einseitig aufgestellten vertraglichen Einheitsregelungen beurteilt. Davon ist es aber insbesondere im Urteil vom 28.1.1998 abgewichen2. Die Gleichstellung mit den Einheitsarbeitsbedingungen lässt die Schutzwirkung völlig außer Acht, die sich für die Arbeitnehmer aus den kircheneigenen Verfahren paritätischer Normsetzung ergibt. Ihre Nichtbeachtung verletzt die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts3. b) Gleichstellung mit dem Tarifvertrag bei einer Abweichung von zwingendem Gesetzesrecht Arbeitsgesetze gestatten, soweit sie tarifdispositiv gestaltet sind, teilweise 104 den Kirchen und öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften wie den Tarifvertragsparteien, in ihren Regelungen von den Gesetzesvorschriften abzuweichen. Eine derartige Bestimmung enthalten zB § 7 Abs. 4 ArbZG und § 21a Abs. 3 JArbSchG. Der Gesetzgeber trägt damit den besonderen kirchlichen Systemen zur Regelung des Arbeitsrechts Rechnung. Den Tarifverträgen sind daher die Regelungen gleichgestellt, die im kircheneigenen Arbeitsrechtsregelungsverfahren erlassen sind.
1 BAG v. 24.9.1980 und 18.5.1982 AP ArbGG 1979 § 72a Grundsatz Nr. 9 und 22; weiterhin BAG 24.9.1997 und 28.1.1998 AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 10 und 11. 2 AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 11. 3 Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 15 Rz. 3 ff. Richardi
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Teil 14
Rz. 105
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
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Die Öffnungsklauseln gelten nicht nur für die verfasste Kirche, sondern sie finden auch im karitativ-diakonischen Bereich Anwendung1. Wenn in den Kirchenklauseln nur die „Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften“ genannt sind, kommt darin nur zum Ausdruck, dass die rechtlich verselbständigten Einrichtungen der Caritas und der Diakonie nicht selbst die maßgebliche Regelung treffen können, sondern eine Regelung übernehmen müssen, die in einem kirchengesetzlich legitimierten Arbeitsrechtsregelungsverfahren zustande gekommen ist. Eine Beschränkung der Öffnungsklauseln auf die verfasste Kirche wäre nicht mit der Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts vereinbar, die es den Kirchen überlässt, über die Organisation der Erfüllung kirchlicher Aufgaben selbst zu befinden2.
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Die Mehrzahl der tarifdispositiven Gesetze enthält keine ausdrückliche Öffnungsklausel für die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften3. Aber auch für sie muss gelten, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien den Tarifverträgen gleichzustellen sind4. Da die Arbeitsvertragsordnungen der Kirchen nicht vom Arbeitgeber einseitig gesetzt sind, sondern in einem Verfahren zustande kommen, bei dem die Arbeitnehmer im Wesentlichen paritätisch mitwirken, ergibt sich aus der Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts das Gebot zur Gleichstellung mit den Tarifverträgen. c) AGB-Kontrolle
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Bei seiner Regelung über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Arbeitsverhältnis erwähnt § 310 Abs. 4 BGB weder für die Bereichsausnahme noch für den Kontrollmaßstab die Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen. Aus dem Fehlen einer Kirchenklausel wird abgeleitet, dass sie der AGBKontrolle unterlägen, weil sie nicht den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen gleichgestellt worden seien5. Die Geltung einer Verfassungsgarantie wird aber nicht dadurch außer Kraft gesetzt, dass der Gesetzgeber sie nicht beachtet. Den Kirchen ist verfassungsrechtlich durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistet, das Verhandlungsgleichgewicht ihrer Arbeitnehmer nach dem Beteiligungsmodell des „Dritten Weges“ in kircheneigenen Arbeitsrechtsregelungsverfahren zu sichern. Wenn der Gesetzgeber für Tarifverträge und sogar für Betriebs- und Dienstvereinbarungen eine Bereichsausnahme festlegt und sie als Kontrollmaßstab bei einer Abweichung oder Ergänzung die vom Arbeitgeber gestellten Vertragsbedingungen anerkennt, muss Gleiches auch schon wegen des in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltenen Gleichheitssatzes für die Regelungen gelten, die wegen der Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts in einem den 1 Ebenso zu § 6 Abs. 3 BeschFG BAG v. 6.12.1990 AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 12; zu § 7 Abs. 4 ArbZG die Begründung des RegE, BT-Drucks. 12/5888 S. 28. 2 Ebenso BAG v. 6.12.1990 AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 12. 3 Dazu Reichold, NZA 2009, 1377 (1380): „hier regiert nur Klientelpolitik!“. 4 Ablehnend zur Befristungsdauer nach § 14 Abs. 2 TzBfG BAG v. 25.3.2009, NZA 2009, 1417 (1422 f. – Rz. 44 ff.). 5 Däubler, NZA 2001, 1329, 1334.
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Richardi
VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche
Rz. 110 Teil 14
kirchlichen Besonderheiten entsprechenden Beteiligungsverfahren ergehen1.
VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche 1. Rechtsquellen Die evangelische Kirche hat in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts damit begonnen, eine Mitbestimmungsordnung in ihrem Bereich zu verwirklichen. Bei der Gestaltung der kirchlichen Dienstgemeinschaft sollen alle Mitarbeiter durch geordnete Mitarbeitervertretungen beteiligt werden. Für die kirchlichen und diakonischen Dienststellen und Einrichtungen schuf man deshalb ein Mitarbeitervertretungsrecht, das dem staatlichen Personalvertretungsrecht nachgebildet war. Die Landeskirchen erließen eigene Kirchengesetze über die Mitarbeitervertretungen, die wegen des Fehlens einer für sie bindenden Rahmenregelung in ihrem Inhalt sehr verschieden waren.
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Zur Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts verabschiedete die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland am 6.11.1992 das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Mitarbeitervertretungsgesetz – MVG)2. Seitdem mehrfach geändert, gilt es in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.1.2010 (ABl. EKD S. 4) als Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD – MVG.EKD).
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Das Gesetz regelt das Mitarbeitervertretungsrecht einheitlich „für die Mit- 110 arbeiter und Mitarbeiterinnen der Dienststellen kirchlicher Körperschaften, Anstalten und Stiftungen der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Gliedkirchen sowie ihrer Zusammenschlüsse und der Einrichtungen der Diakonie“ (§ 1 Abs. 1). Zu den Einrichtungen der Diakonie zählt es nicht nur das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, sondern auch die „gliedkirchlichen Diakonischen Werke und die ihnen angeschlossenen selbständigen Werke, Einrichtungen und Geschäftsstellen“ (§ 1 Abs. 2). Die Kirchenverfassung der Evangelischen Kirche in Deutschland schließt es aber aus, dass das Mitarbeitervertretungsgesetz unmittelbar für den Gesamtbereich der evangelischen Kirche erlassen wird. Es ist deshalb am 1.1.1993 zunächst nur mit Wirkung für die EKD in Kraft getreten (§ 64 Abs. 1). Vorgesehen war aber, dass das Kirchengesetz auch mit 1 Ebenso Müller-Volbehr, NZA 2002, 301, 305; Richardi, NZA 2002, 1057, 1062 f.; Thüsing, NZA 2002, 306, 310. 2 ABl. EKD 1992 S. 445; s. zum Gesetz Richardi, FS Kissel 1994, S. 967 ff. – Kommentare: Andelewski/Küfner-Schmitt/Schmitt (Hrsg.), 2007; Baumann-Czichon/ Dembski/Germer/Kopp, 2. Aufl. 2003; Fey/Rehren (Hrsg.), Loseblatt seit 1994 – Beiträge, Informationen und Rechtsprechung zu einzelnen Fragen des Mitarbeitervertretungsrechts s. Die Mitarbeitervertretung (ZMV), Zeitschrift für die Praxis der Mitarbeitervertretung in den Einrichtungen der katholischen und evangelischen Kirche. Richardi
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Teil 14
Rz. 111
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Wirkung für die Gliedkirchen in Kraft tritt, wenn alle Gliedkirchen ihr Einverständnis erklärt haben, wobei jeder Gliedkirche unbenommen ist, es für ihren Bereich bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Geltung zu setzen (§ 64 Abs. 3). 111
Bei Erlass des Mitarbeitervertretungsgesetzes ging man davon aus, dass die Gliedkirchen ihre Zustimmung nach Art. 10 Buchst. b GO.EKD aF abgeben, um auf diesem Weg zu einer einheitlichen Gesetzesgrundlage zu gelangen. Von dieser Möglichkeit haben die meisten Gliedkirchen Gebrauch gemacht1. In einer zweiten Gruppe von Landeskirchen (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und Evangelische Landeskirche in Württemberg) wurden in Reaktion auf das MVG.EKD landeskirchliche Gesetze verabschiedet, die nur wenige Detailabweichungen enthalten2. Die Konföderation Ev. Kirchen in Niedersachsen hat für die ihr angeschlossenen Landeskirchen (mit Ausnahme der Ev.-ref. Kirche, die das MVG.EKD anwendet) ein eigenes Mitarbeitervertretungsgesetz geschaffen, das sich zwar ebenfalls am MVG.EKD orientiert, aber eine Vielzahl von Abweichungen im Detail vorsieht3. In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gilt noch das Kirchengesetz vom 2.12.1988 (KABl. 1989 S. 17). Diese Landeskirche hat als Einzige noch keine Angleichung an den gemeinsamen Standard vorgenommen.
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Durch das Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD ist deshalb zwar eine weitgehende Angleichung des Mitarbeitervertretungsrechts erzielt worden; eine Rechtsvereinheitlichung durch Herstellung einer wenigstens inhaltsgleichen Gesetzesregelung wurde aber nicht erreicht4. 2. Geltungsbereich des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD
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Das durch das MVG geschaffene einheitliche Mitarbeitervertretungsrecht gilt nicht nur für die Dienststellen der verfassten Kirche, sondern auch für die Einrichtungen der Diakonie (§ 1 Abs. 2). Damit zieht es die Konsequenz daraus, dass der diakonische Bereich nach dem Staatskirchenrecht der Kirche zugeordnet ist. Kirchliches Recht muss von einem kirchlichen Gesetzgeber geschaffen sein. Die Satzungsautonomie reicht nicht aus, um ein Repräsentationsmandat der Mitarbeitervertretung zu schaffen5. 3. Organisation der Mitarbeitervertretung nach dem MVG.EKD a) Zweistufigkeit des Mitarbeitervertretungsaufbaus
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Auf der Ebene der Dienststelle (vgl. zum Begriff § 3 MVG.EKD) wird durch Wahl der Mitarbeitervertreter (vgl. zum Begriff § 2 MVG.EKD) eine Mit1 2 3 4 5
Vgl. die Zusammenstellung von Fey/Rehren, MVG.EKD, Einl. K 15. Vgl. Fey/Rehren, MVG.EKD, Einl. K 15. Vgl. Fey/Rehren, MVG.EKD, Einl. K 16. Vgl. Fey, ZMV 2002, 157. Vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 18 Rz. 6 f.; zust. BAG v. 10.12.1992, AP GG Art. 140 Nr. 41.
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VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche
Rz. 117 Teil 14
arbeitervertretung gebildet, wenn die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiter in der Regel mindestens fünf beträgt, von denen mindestens drei wählbar sind (§ 5 MVG.EKD). Bestehen bei einem kirchlichen Rechtsträger oder einer rechtlich selbständigen Einrichtung der Diakonie mehrere Mitarbeitervertretungen, so ist auf Antrag der Mehrheit dieser Mitarbeitervertretungen eine Gesamtmitarbeitervertretung zu bilden, die wie der Gesamtbetriebsrat durch Entsendung entsteht (§ 6 MVG.EKD). Die Gesamtmitarbeitervertretung ist zuständig für die Aufgaben der Mitarbeitervertretung, soweit sie Mitarbeiter aus mehreren oder allen Dienststellen des jeweiligen Rechtsträgers betreffen. Da Einrichtungen der Diakonie teilweise bestimmte Tätigkeitsbereiche 115 rechtlich verselbständigt haben, besteht die Möglichkeit, für einen Dienststellenverbund eine Gesamtmitarbeitervertretung zu bilden (§ 6a MVG.EKD). Ein Dienststellenverbund liegt vor, wenn die einheitliche und beherrschende Leitung einer Mehrzahl rechtlich selbständiger diakonischer Einrichtungen bei einer dieser Einrichtungen liegt. Die Gesamtmitarbeitervertretung des Dienststellenverbundes ist zuständig für die Aufgaben der Mitarbeitervertretung, soweit sie Mitarbeiter aus mehreren oder allen Dienststellen des Dienststellenverbundes betreffen. b) Größe und Zusammensetzung der Mitarbeitervertretung Die Größe der Mitarbeitervertretung richtet sich nach der Zahl der wahl- 116 berechtigten Mitarbeiter (§ 8 MVG.EKD). Im Gegensatz zum staatlichen Recht gibt es keinen besonderen Gruppenschutz für Beamte; er stünde in einem Wertungswiderspruch zum Grundsatz einer Dienstgemeinschaft aller Mitarbeiter, wie die Präambel sie hervorhebt. Für das am Leitbild der Dienstgemeinschaft orientierte Mitarbeitervertretungsrecht gilt daher im Gegensatz zum staatlichen Recht, dass Personen, die aufgrund von Gestellungsverträgen beschäftigt sind, nach § 2 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD als Mitarbeiter dieses Kirchengesetzes gelten, wobei es in Satz 2 ergänzend heißt, dass Angehörige von kirchlichen oder diakonischen Dienst- und Lebensgemeinschaften Mitarbeiter der Dienststelle sind, in denen sie aufgrund von Gestellungsverträgen arbeiten, „soweit sich aus den Ordnungen der Dienst- und Lebensgemeinschaften nichts anderes ergibt“. c) Bildung der Mitarbeitervertretung durch Wahl Die Mitarbeitervertretung wird in gleicher, freier, geheimer und unmittelbarer Wahl gemeinsam und nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl (Persönlichkeitswahl) gewählt (§ 11 MVG.EKD). Wählbar sind nur Mitarbeiter, die „Glieder einer christlichen Kirche oder Gemeinschaft sind, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angeschlossen ist“, wobei eine anderweitige Regelung den Gliedkirchen unter Berück-
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Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
sichtigung ihrer Besonderheiten vorbehalten bleibt (§ 10 Abs. 1 Buchst. b MVG.EKD)1. d) Amtszeit der Mitarbeitervertretung 118
Die Amtszeit der Mitarbeitervertretung beträgt vier Jahre (§ 15 Abs. 1 MVG.EKD). In Anlehnung an das staatliche Recht kennt das MVG einen festen Zeitraum, in dem für alle Einrichtungen die regelmäßigen Wahlen stattfinden: alle vier Jahre in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April (§ 15 Abs. 2 MVG.EKD), wobei § 66 Abs. 1 MVG.EKD vorsieht, dass die ersten allgemeinen Mitarbeitervertretungswahlen im Zeitraum vom 1.1. bis 30.4.1994 stattfanden.
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In Anlehnung an § 21a BetrVG, durch den die EG-Richtlinie 98/50 umgesetzt wurde, ist der Mitarbeitervertretung ein Übergangsmandat eingeräumt, wenn die Dienststelle gespalten oder mit einer anderen Dienststelle zusammengelegt wird (§ 7 Abs. 2 MVG.EKD). Gesetzlich abgesichert wurde auch, dass sie wie in § 21b BetrVG ein Restmandat hat, wenn die Dienststelle durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht (§ 7 Abs. 3 MVG.EKD). e) Geschäftsführung der Mitarbeitervertretung
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Soweit die Mitarbeitervertretung nicht aus einer Person besteht, trifft sie als Kollegialorgan ihre Entscheidungen durch Beschluss, den sie in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung (§ 24 Abs. 2–4, § 25 MVG.EKD) fasst (§ 26 MVG.EKD). Im Gegensatz zum BetrVG gestattet das MVG.EKD der Mitarbeitervertretung, in ihrer Geschäftsordnung zu bestimmen, dass Beschlüsse im Umlaufverfahren oder durch fernmündliche Absprache gefasst werden können, sofern dabei Einstimmigkeit erzielt wird (§ 26 Abs. 2 Satz 2).
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Die Mitarbeitervertretung kann Ausschüsse bilden und ihnen Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen; das gilt aber nicht für den Abschluss und die Kündigung von Dienstvereinbarungen (§ 23a Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Da den Ausschüssen jeweils mindestens drei Mitglieder der Mitarbeitervertretung angehören müssen, kommt eine Delegation auf sie auch nur in Betracht, wenn die Mitarbeitervertretung aus fünf Mitgliedern besteht, also bei Dienststellen mit in der Regel mehr als 150 wahlberechtigten Mitarbeitern (§ 8 Abs. 1 MVG.EKD). In rechtlich selbständigen Einrichtungen der Diakonie mit je mehr als 150 Mitarbeitern (hier ohne Rücksicht auf die Wahlberechtigung) kann die Mitarbeitervertretung außerdem die Bildung eines Ausschusses für Wirtschaftsfragen beschließen, dessen Aufgabe darin besteht, die Mitarbeitervertretung über wirtschaftliche Angelegenheiten zu unterrichten (§ 23a Abs. 2 MVG.EKD). Obwohl es im Gesetzestext nicht klargestellt wird, ist der Personenkreis, der dem Aus1 Die „ACK-Klausel“ ist überwiegend nicht von den Gliedkirchen übernommen worden; vgl. Fey/Rehren, MVG.EKD, § 10 Rz. 18.
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VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche
Rz. 125 Teil 14
schuss für Wirtschaftsfragen angehört, nicht auf Mitglieder der Mitarbeitervertretung beschränkt. f) Persönliche Rechtsstellung der Mitarbeitervertreter Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung üben ihr Amt unentgeltlich als 122 Ehrenamt aus (§ 19 Abs. 1 MVG.EKD). Es gilt also insoweit wie nach dem Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche das gleiche Prinzip wie im staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht. Die für die Amtstätigkeit notwendige Zeit ist den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung ohne Minderung ihrer Bezüge innerhalb der allgemeinen Arbeitszeit zu gewähren (§ 19 Abs. 2 MVG.EKD). Das MVG kennt auch eine Freistellungsregel (§ 20). Die Dienststelle trägt wie nach staatlichem Recht die durch die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung entstehenden erforderlichen Kosten (§ 30 Abs. 2 MVG.EKD). Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung haben in Anlehnung an die Rege- 123 lung im Personalvertretungsrecht (§ 47 Abs. 2 BPersVG) einen Abordnungs- und Versetzungsschutz: Sie dürfen ohne ihre Zustimmung nur abgeordnet oder versetzt werden, wenn dies aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar ist und die Mitarbeitervertretung zustimmt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD)1. Soweit es sich um Arbeitnehmer handelt, besteht für sie auf kirchengesetzlicher Grundlage ein besonderer Kündigungsschutz (§ 21 Abs. 2 und 3 MVG.EKD). 4. Einrichtungen neben der Mitarbeitervertretung nach dem MVG.EKD a) Mitarbeiterversammlung Neben der Mitarbeitervertretung und der Gesamtmitarbeitervertretung zählt zu den Einrichtungen des Mitarbeitervertretungsrechts die Mitarbeiterversammlung, die aus allen Wahlberechtigten der Dienststelle besteht (§§ 31, 32 MVG.EKD). Sie nimmt den Tätigkeitsbericht der Mitarbeitervertretung entgegen und erörtert Angelegenheiten, die zum Aufgabenbereich der Mitarbeitervertretung gehören. Im Gegensatz zur Mitarbeiterversammlung des katholischen Mitarbeitervertretungsrechts kann sie keine Neuwahl der Mitarbeitervertretung erzwingen, indem sie ihr das Misstrauen ausspricht, sondern wie nach staatlichem Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht kommt eine Auflösung der Mitarbeitervertretung nur wegen groben Missbrauchs von Befugnissen oder wegen grober Verletzung von Pflichten in Betracht, wobei die Auflösungskompetenz bei der Schlichtungsstelle liegt (§ 17 MVG.EKD).
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b) Interessenvertretung besonderer Mitarbeitergruppen Das MVG.EKD kennt als zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen, die keine Beteiligungsrechte haben, sondern der Mitarbeitervertre1 Zum Versetzungsbegriff VerwG.EKD v. 19.2.1998, RsprB ABl.EKD 2000, 36; vgl. auch Richardi, NZA 2000, 1305 (1310). Richardi
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Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
tung zugeordnet sind, die Vertretung der Jugendlichen und der Auszubildenden (§ 49) und die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (§§ 50–52). Das Gesetz räumt dem Vertrauensmann der Zivildienstleistenden das Recht ein, an den Sitzungen der Mitarbeitervertretung beratend teilzunehmen, soweit sie Angelegenheiten der Zivildienstleistenden betreffen (§ 53). Es enthält außerdem für den Rat der EKD die Ermächtigung, die Mitwirkungsrechte behinderter Menschen in Werkstätten und für weitere Gruppen von Beschäftigten, die nicht zu den Mitarbeitern iSd. § 2 MVG.EKD gehören, durch Rechtsverordnung zu regeln (§ 52a). c) Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen 126
Die Gliedkirchen können in ihren Regelungen vorsehen, dass für ihren Bereich, den Bereich des jeweiligen Diakonischen Werks oder für beide Bereiche gemeinsam ein Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen gebildet wird (§ 54 MVG). Die Errichtung erfolgt über die Begrenzung auf die jeweiligen Rechtsträger hinaus. Die Gesamtausschüsse sind aber nicht als Repräsentanten für die Ausübung der Beteiligungsrechte vorgesehen, sondern insoweit liegt die Kompetenz ausschließlich bei der Mitarbeitervertretung bzw. unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 oder § 6a Abs. 3 MVG.EKD bei der Gesamtmitarbeitervertretung. 5. Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung nach dem MVG.EKD
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Für die Mitarbeitervertretung und die Dienststellenleitung gilt das betriebsverfassungsrechtliche Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 33 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Bei der Wahrnehmung der Aufgaben, die der Mitarbeitervertretung zugewiesen sind, hat sie, wie es in § 35 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD heißt, „in ihrer Mitverantwortung für die Aufgaben der Dienststelle das Verständnis für den Auftrag der Kirche zu stärken und für eine gute Zusammenarbeit einzutreten“. Wie für die katholische Kirche gilt auch für die evangelische Kirche, dass das Amt eines Mitarbeitervertreters nicht nur eine Interessenvertretung, sondern ein kirchliches Amt ist1.
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Die Mitarbeitervertretung ist zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten (§ 34 Abs. 1 MVG.EKD); die Dienststellenleitung hat sie einmal im Jahr über die Personalplanung zu informieren, wobei diese Pflicht in rechtlich selbständigen Einrichtungen der Diakonie mit je mehr als 150 Mitarbeitern sich auf die wirtschaftliche Lage der Dienststelle sowie die Einschränkung oder Stilllegung von wesentlichen Teilen oder wesentliche Änderungen der Organisation oder des Zwecks der Dienststelle erstreckt (§ 34 Abs. 2 MVG.EKD). Der Mitarbeitervertretung sind die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, wobei klargestellt wird, dass bei Einstellungen ihr auf Verlangen sämtliche Bewerbungen vorgelegt werden (§ 34 1 Ebenso VerwG.EKD v. 10.7.1997, ZevKR 43 (1998), 264 (265).
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VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche
Rz. 131 Teil 14
Abs. 3 MVG.EKD). Soweit Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind, muss die Dienststellenleitung die Unterlagen – zumindest in Abschrift – der Mitarbeitervertretung so überlassen, dass sie die Unterlagen ohne Beisein eines Vertreters der Dienststellenleitung auswerten kann1. 6. Formen der Beteiligung nach dem MVG.EKD a) Überblick Das MVG.EKD gliedert gemäß § 37 Abs. 1 die Beteiligung der Mitarbeiter- 129 vertretung in das Verfahren der Mitbestimmung (§ 38), der eingeschränkten Mitbestimmung (§ 41) und der Mitberatung (§ 45). Entsprechend sind die Beteiligungsfälle geordnet: §§ 39, 40 MVG.EKD enthalten die Fälle der Mitbestimmung, §§ 42, 43 MVG.EKD die Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung, und § 46 MVG.EKD nennt die Fälle der Mitberatung. Die gesetzestechnische Gestaltung folgt wie bei der Mitarbeitervertretungsordnung der katholischen Kirche nicht dem Modell des Betriebsverfassungsrechts, sondern entspricht dem Modell des Personalvertretungsrechts. b) Mitbestimmung Der Mitbestimmung unterliegen allgemeine personelle Angelegenheiten, 130 die § 39 MVG.EKD aufführt, sowie organisatorische und soziale Angelegenheiten, die § 40 MVG.EKD in einem umfangreichen Katalog festlegt. Genannt sind in ihm unter anderem „Regelungen der Ordnung in der Dienststelle (Haus- und Betriebsordnungen) und des Verhaltens der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dienst“ (Buchst. k), „Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen, Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage sowie Festlegung der Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen“ (Buchst. d), aber auch „Aufstellung von Sozialplänen (insbesondere bei Auflösung, Einschränkung, Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder erheblichen Teilen von ihnen) einschließlich Plänen für Umschulung zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen und für die Folgen von Rationalisierungsmaßnahmen, wobei Sozialpläne Regelungen weder einschränken noch ausschließen dürfen, die auf Rechtsvorschriften oder allgemein verbindlichen Richtlinien beruhen“ (Buchst. f). Kein Mitbestimmungstatbestand sind, anders als nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 131 BetrVG, „Fragen der betrieblichen Lohngestaltung“. Grundsätze der Entgeltgestaltung sind Elemente der Lohngerechtigkeit, die in der Kirche nicht von Dienststelle zu Dienststelle verschieden sein können, ohne die Einheit des kirchlichen Dienstes als Element der Dienstgemeinschaft preiszugeben. Entgeltleistungen sind deshalb nur unter einem Teilaspekt von der Mitbestimmung erfasst, nämlich „Errichtung, Verwaltung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform“ (§ 40 Buchst. c MVG.EKD) und „Grundsätze für die Gewährung von Unterstüt1 Verw.EKD v. 11.3.1999, RsprB ABl.EKD 2000, 38 f. Richardi
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Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
zungen oder sonstigen Zuwendungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht“ (§ 40 Buchst. m MVG.EKD). 132
Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegt, darf sie erst vollzogen werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder kirchengerichtlich ersetzt worden ist (§ 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Ausdrücklich ist angeordnet: „Eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme ist unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist“ (§ 38 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD). Das gilt allerdings nicht, soweit die Mitarbeitervertretung in Angelegenheiten mitzubestimmen hat, die durch ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten geregelt werden. Aber auch die rechtsgeschäftliche Gestaltungsbefugnis des einzelnen Mitarbeiters kann nicht durch die kirchengesetzliche Einräumung eines Mitbestimmungsrechts an die Mitarbeitervertretung ersetzt werden. Wie die Nichtbeachtung der Mitbestimmung sich auf die Rechtswirksamkeit einer Maßnahme auswirkt, ist vielmehr ebenso zu beantworten wie nach dem staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht. § 38 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD bestimmt daher, dass abweichend von Satz 2 ein Arbeitsvertrag wirksam ist. Diese Klarstellung bezieht sich auf die Einstellung, die kein Fall der Mitbestimmung, sondern nur ein Fall der eingeschränkten Mitbestimmung ist (§ 42 Buchst. a MVG.EKD). Aus § 41 Abs. 3 MVG.EKD ergibt sich aber, dass für das Verfahren bei der eingeschränkten Mitbestimmung § 38 MVG.EKD entsprechend gilt. c) Eingeschränkte Mitbestimmung
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Beim Verfahren der eingeschränkten Mitbestimmung handelt es sich um ein Zustimmungsverweigerungsrecht, das die Mitarbeitervertretung auf bestimmte, abschließend genannte Gründe stützen kann (§ 41). Fälle der eingeschränkten Mitbestimmung sind die personellen Maßnahmen (§§ 42, 43 MVG.EKD).
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Zu ihnen gehört die Einstellung, die unter § 42 Buchst. a MVG.EKD fällt, wenn ein Mitarbeiter privatrechtlich angestellt werden soll, und unter § 43 Buchst. a MVG.EKD, wenn es um die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses geht. Die Mitarbeitervertretung darf zwar in beiden Fällen ihre Zustimmung nur verweigern, wenn einer der in § 41 Abs. 1 MVG.EKD genannten Gründe vorliegt; jedoch gilt auch für das Verfahren bei der eingeschränkten Mitbestimmung, dass die Maßnahme erst vollzogen werden darf, wenn das Beteiligungsverfahren abgeschlossen ist (§ 41 Abs. 3 iVm. § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Für die privatrechtliche Anstellung ist aber, wie bereits ausgeführt, klargestellt, dass ein Arbeitsvertrag auch bei Verletzung des Beteiligungsrechts wirksam ist. Die Mitarbeitervertretung kann nur verlangen, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, wie es in § 38 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD heißt, „solange nicht beschäftigt wird, bis eine Einigung zwischen Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung erzielt ist oder die fehlende Einigung kirchengerichtlich ersetzt wurde“. 1332
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VI. Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche
Rz. 138 Teil 14
Der Beteiligungsfall der Einstellung ist bei privatrechtlich angestellten 135 Mitarbeitern nicht mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags identisch. Deshalb hat das Verwaltungsgericht der EKD im Beschluss vom 5.8.1999 angenommen, dass die Übernahme einer Diakonieschwester zur Beschäftigung auf der Grundlage eines Gestellungsvertrags mit dem Diakonieverein in einem von einem anderen Rechtsträger geführten evangelischen Krankenhaus eine Einstellung darstellt, die nach § 42 Buchst. a MVG.EKD der eingeschränkten Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegt1. Zutreffend weist das Kirchengericht darauf hin, dass auch nach § 99 BetrVG eine Einstellung nicht das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt, sondern es auf die Eingliederung in den Betrieb ankommt. Deshalb wird auch der Einsatz einer Diakonieschwester aufgrund eines Gestellungsvertrags vom Begriff der Einstellung erfasst. Das Mitbestimmungsrecht entfiele nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nur, wenn man sie nicht zu den Mitarbeitern im Sinne des Gesetzes zählen könnte. § 2 Abs. 3 Satz 2 MVG.EKD erfasst aber ausdrücklich auch Angehörige von kirchlichen oder diakonischen Dienst- und Lebensgemeinschaften, die aufgrund von Gestellungsverträgen in der Dienststelle arbeiten. Die dort festgelegte Beschränkung, dass sie Mitarbeiter der Dienststelle seien, „soweit sich aus den Ordnungen der Dienst- und Lebensgemeinschaften nichts anderes ergibt“, will lediglich sicherstellen, dass die Einordnung unter den mitarbeitervertretungsrechtlichen Mitarbeiterbegriff nicht das Rechtsverhältnis mit der kirchlichen oder diakonischen Dienst- und Lebensgemeinschaft berührt. Die Einschränkung bezweckt nur eine Begrenzung der Rechte der Mitarbeitervertretung im Hinblick auf die gestellten Angehörigen der Dienst- oder Lebensgemeinschaften. Ebenfalls eine Einstellung iSd. § 42 Buchst. a MVG.EKD ist die Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung2.
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Bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen hat der Begriff der Einstellung in § 43 Buchst. a MVG.EKD eine andere Bedeutung. Bei ihm handelt es sich hier um den Verwaltungsakt, der das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis begründet. Erfasst wird also die Ernennung unter Begründung eines Kirchenbeamtenverhältnisses3.
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d) Mitbestimmungsregelung bei Kündigungen Ein Fall der eingeschränkten Mitbestimmung ist die ordentliche Kündigung eines Mitarbeiters nach Ablauf der Probezeit (§ 42 Buchst. b MVG.EKD). Das Beteiligungsrecht geht weiter als nach § 102 BetrVG. Die Kündigung darf nach Ablauf der Probezeit erst erklärt werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder kirchengerichtlich ersetzt worden ist (§ 41 Abs. 2 und 3 iVm. § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD). Da die Mitarbei1 RsprB ABl.EKD 2000, 32 ff.; vgl. auch Richardi, NZA 2000, 1305 (1311). 2 KGH.EKD v. 9.10.2006, NZA 2007, 761 ff.; bereits VerwG EKD v. 5.6.1997, ZMV 1998, 136 f.; siehe auch hier Rz. 212 ff. 3 Vgl. auch Fey/Rehren, MVG.EKD, § 43 Rz. 13. Richardi
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Rz. 139
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
tervertretung ihre Zustimmung verweigern kann, „wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt“ (§ 41 Abs. 2 MVG.EKD), kann sie auch geltend machen, dass die Kündigung gemäß § 1 KSchG unwirksam sei, weil sie sozial ungerechtfertigt sei1. Damit wird ein Kündigungsrechtsstreit bereits zum Gegenstand des Mitbestimmungsverfahrens2. 139
Für die außerordentliche Kündigung und die ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit ist nur ein Mitberatungsrecht der Mitarbeitervertretung vorgesehen (§ 46 Buchst. b und c MVG.EKD).
140
Wird die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt, so ist die Kündigung wie nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bzw. §§ 79 Abs. 4, 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam (vgl. § 41 Abs. 3 iVm. § 38 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 45 Abs. 2 MVG.EKD). e) Initiativrecht
141
Das MVG.EKD sieht in § 47 sogar ein Initiativrecht der Mitarbeitervertretung in allen Fällen vor, die ihrer Beteiligung unterliegen. Kommt in den Fällen der Mitbestimmung und der eingeschränkten Mitbestimmung keine Einigung mit der Dienststellenleitung zustande, so kann sie das Kirchengericht anrufen. Dessen Kompetenz ist darauf beschränkt, festzustellen, ob die Weigerung der Dienststellenleitung, die von der Mitarbeitervertretung beantragte Maßnahme zu vollziehen, rechtswidrig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 1 MVG.EKD). Da der kirchengerichtliche Beschluss verbindlich ist (§ 60 Abs. 8 Satz 1 MVG.EKD), muss die Dienststellenleitung bei einem Obsiegen der Mitarbeitervertretung erneut unter Berücksichtigung des Beschlusses über den Antrag der Mitarbeitervertretung entscheiden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 MVG.EKD). 7. Dienstvereinbarung als Gestaltungsform innerbetrieblicher Regelung
142
Wie das Betriebsverfassungsgesetz hat sich das Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD für die Betriebsvereinbarungsautonomie entschieden. Es spricht in § 36 in Anlehnung an den Sprachgebrauch des Personalvertretungsrechts von Dienstvereinbarungen. Gerade insoweit war vor dem MVG.EKD das Mitarbeitervertretungsrecht der evangelischen Kirche außerordentlich zersplittert.
143
Die Regelung des § 36 MVG.EKD hat die Vorschrift des § 77 BetrVG zum Vorbild. Inhalt und Umfang der Dienstvereinbarungsautonomie reichen deshalb ähnlich weit wie dort. Die normative Geltung ist ebenfalls klargestellt; ausdrücklich heißt es: „Dienstvereinbarungen gelten unmittelbar und können im Einzelfall nicht abbedungen werden“ (Abs. 3). Abweichend 1 Ebenso Fey/Rehren, MVG.EKD, § 41 Rz. 31. 2 Vgl. Richardi, NZA 1998, 113, 115.
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VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche
Rz. 145 Teil 14
geregelt ist aber das Problem der Nachwirkung. Werden in einer Dienstvereinbarung Rechte für Mitarbeiter begründet, so ist gemäß Abs. 4 Satz 1 „darin in der Regel festzulegen, inwieweit diese Rechte bei Außerkrafttreten der Dienstvereinbarung fortgelten sollen“. Eine darüber hinausgehende Nachwirkung ist ausgeschlossen (Abs. 4 Satz 2). Wenn jedoch eine Regelung in den Arbeitsvertrag transformiert ist, bleibt sie auf dieser Regelungsebene für das Arbeitsverhältnis verbindlich. Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung haben für arbeitsvertraglich festgelegte Arbeitsbedingungen keine mitarbeitervertretungsrechtliche Änderungskompetenz. Durch Dienstvereinbarung kann zwar eine Regelung getroffen werden, die für die Dauer ihrer Geltung Vorrang hat, soweit sie eine Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers enthält. Nach Außerkrafttreten der Dienstvereinbarung lebt aber die arbeitsvertragliche Vereinbarung wieder auf; denn für die Dienstvereinbarung gilt nichts anderes wie für eine Betriebsvereinbarung, deren zwingende Geltung nur für die Dauer ihrer Wirkung zur Verdrängung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung führt, diese aber nicht nichtig macht. Damit die Einheit des kirchlichen Dienstes als Rechtsprinzip erhalten 144 bleibt, wird der Vorrang des kirchlichen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens gewährleistet: Dienstvereinbarungen dürfen Regelungen weder erweitern, einschränken noch ausschließen, die auf Rechtsvorschriften, insbesondere Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission, Tarifverträgen und Entscheidungen des Schlichtungsausschusses nach dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz oder allgemeinverbindlichen Richtlinien der Kirche beruhen (§ 36 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD). Entsprechend ist wie in § 77 Abs. 3 BetrVG angeordnet: Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch derartige Regelungen vereinbart worden sind oder üblicherweise vereinbart werden, können nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein, es sei denn, dass die genannten Regelungen eine Dienstvereinbarung ausdrücklich zulassen (§ 36 Abs. 1 Satz 3 MVG.EKD).
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche 1. Rechtsquellen Das Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche beruht auf der 145 Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) idF vom 27.6.20071. Sie gilt nicht unmittelbar in den Diözesen Deutschlands. Dort ist vielmehr die Fassung maßgebend, die der Ortsbischof ihr gegeben hat.
1 Kommentare: Bleistein/Thiel, 5. Aufl. 2006; Freiburger Kommentar, 5. Aufl. 2008 (Loseblatt) – Beiträge, Informationen und Rechtsprechung zu einzelnen Fragen des Mitarbeitervertretungsrechts s. Die Mitarbeitervertretung (ZMV), Zeitschrift für die Praxis der Mitarbeitervertretung in den Einrichtungen der katholischen und evangelischen Kirche. Richardi
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Teil 14
Rz. 146
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
2. Geltungsbereich der MAVO a) Verfasste Kirche und Caritas 146
Die Rahmenordnung und entsprechend die diözesanen Mitarbeitervertretungsordnungen beschränken ihren Anwendungbereich nicht auf Einrichtungen der verfassten Kirche, sondern beziehen den Deutschen Caritasverband, die Diözesancaritasverbände und sonstige kirchliche und karitative Rechtsträger ohne Rücksicht auf deren Rechtsform ein (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 MAVO)1. b) Orden
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Zu den sonstigen kirchlichen und karitativen Rechtsträgern, die unter den Geltungsbereich der Mitarbeitervertretungsordnung fallen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4), gehören die Orden. Der Codex Iuris Canonici regelt sie unter dem Begriff der „Institute des geweihten Lebens“ (can. 573 ff. CIC). Sind sie als Institut diözesanen Rechts, also bischöflichen Rechts, errichtet, so stehen sie unter der Rechtsetzungsbefugnis des Diözesanbischofs (can. 594 CIC). Entsprechend fallen sie daher auch kirchenrechtlich unter den Geltungsbereich der diözesanen Mitarbeitervertretungsordnung.
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Orden päpstlichen Rechts unterstehen dagegen „in Bezug auf die interne Leitung und Rechtsordnung unmittelbar und ausschließlich der Gewalt des Apostolischen Stuhles“ (can. 593 CIC). Daraus folgt aber nicht, dass die Geltung der Mitarbeitervertretungsordnung nur vom Heiligen Stuhl vorgeschrieben werden kann2. Für die Rechtsordnung innerhalb der Kirche ist maßgebend, dass die Mitarbeitervertretungsordnung nicht für den Ordensbereich gilt3, sondern den vom Orden betriebenen Einrichtungen eine Betriebsverfassung gibt. Diese betrifft zwar auch den Orden und seine Organisation, wenn er zur Erfüllung seines Auftrags erzieherische oder karitative Einrichtungen betreibt; es handelt sich aber insoweit nicht um den Innenbereich des Ordensinstituts, der unter die dem Orden gewährleistete Autonomie fällt (can. 586 CIC). Einschlägig ist vielmehr insoweit, dass gemäß can. 678 § 1 CIC die Ordensleute der Gewalt der Bischöfe unterstehen, soweit eine Angelegenheit die Seelsorge, die öffentliche Abhaltung des Gottesdienstes und andere Apostolatswerke betrifft. Da die Betriebsverfassung in den Außenbereich des Ordens ragt, hat der Bischof nach dem Prinzip der einheitlichen Leitung der Diözese (can. 394 § 1 CIC) die Befugnis, die Geltung seiner Mitarbeitervertretungsordnung anzuordnen, wenn der Orden in Ausübung seines Apostolats eine Arbeitsorganisation in seinem Bereich einrichtet4. 1 Vgl. zur Rechtsetzungsgewalt des Ortsbischofs für die rechtlich verselbständigten kirchlichen Einrichtungen Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 18 Rz. 5 ff.; zust. BAG v. 10.12.1992, AP GG Art. 140 Nr. 41. 2 So aber v. Nell-Breuning, AuR 1979, 1 (5). 3 Ebenso Bleistein/Thiel, § 1 Rz. 23. 4 Ebenso Beyer, Freiburger Kommentar, § 1 Rz. 43 ff.; Bleistein/Thiel, § 1 Rz. 28; vgl. auch Beyer Rz. 45, wo auf die Empfehlung der Religiosenkongregation vom 5.4.1979 hingewiesen wird, in der sie anlässlich eines konkreten Falles bestätigt,
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Richardi
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche
Rz. 151 Teil 14
3. Organisation der Mitarbeitervertretung a) Einrichtung als Organisationseinheit für die Bildung einer Mitarbeitervertretung Die MAVO verwendet den Begriff der Einrichtung, um mit ihm die ver- 149 schiedenen Organisationseinheiten zu bezeichnen, in denen eine Mitarbeitervertretung zu bilden ist, wenn dort in der Regel mindestens fünf wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigt werden, von denen mindestens drei wählbar sind (§§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1). Der Begriff der Einrichtung hat dieselbe Funktion wie im Betriebsverfassungsrecht der Begriff des Betriebs und im Personalvertretungsrecht der Begriff der Dienststelle. Der Sache nach geht es um die arbeitstechnische Organisationseinheit, mit der ein kirchlicher Rechtsträger seine Aufgabe erfüllt. Der Rechtsträger kann nach § 1a Abs. 2 MAVO regeln, was als Einrichtung gilt, wobei die Regelung der Genehmigung des Ordinarius (Generalvikar des Diözesanbischofs) bedarf. Sie ergeht nach Anhörung betroffener Mitarbeitervertretungen und darf nicht rechtsmissbräuchlich sein. Bei verschiedenen Rechtsträgern ermöglicht § 1b MAVO unter den dort genannten Voraussetzungen für mehrere Einrichtungen die Bildung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung.
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b) Begriff des Mitarbeiters zur Bestimmung des von der Mitarbeitervertretung repräsentierten Personenkreises Das Mitarbeitervertretungsrecht beschränkt die Mitbestimmungsordnung 151 nicht auf kirchliche Beamte und Arbeitnehmer. Entsprechend dem Grundgedanken von der Einheit der Dienstgemeinschaft aller, die durch ihre Arbeitsleistung den Auftrag der Kirche verwirklichen, stellt die MAVO auf den Begriff des Mitarbeiters ab, wobei sie wie schon die Grundordnung die weibliche und männliche Bezeichnung verwendet: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind alle Personen, die bei einem Dienstgeber aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, aufgrund ihrer Ordenszugehörigkeit, aufgrund eines Gestellungsvertrages oder zu ihrer Ausbildung tätig sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1). Nicht zu ihnen gehören Leiharbeitnehmer (§ 3 Abs. 1 Satz 2)1 und die sog. Ein-Euro-Jobber2. Die Abgrenzung geht ansonsten weiter als der Arbeitnehmerbegriff des staatlichen Betriebsverfassungsrechts. Klargestellt ist insbesondere, dass der Personenkreis, der wegen der religiösen und karitativen Zielsetzung seiner nicht in erster Linie erwerbsdienlichen Beschäftigung aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ausgeklammert ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG), hier in die Mitarbeitervertretung einbezogen wird; denn die Tätigkeit von Ordensangehörigen prägt in besonderer Weise den kirchlichen Charakter einer Einrichtung. dass sie die drei Vereinigungen der höheren Ordensoberen in Deutschland auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, in der Anwendung der kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnung gemeinsam mit den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz vorzugehen. 1 KAGH v. 27.11.2009 – M 06/09, ZMV 2010, 37 f. 2 KAGH v. 30.11.2006 – M 01/06, ZMV 2007, 79 ff. Richardi
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Rz. 152
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
c) Bildung einer Mitarbeitervertretung durch Wahl 152
Die Zahl der Mitglieder der Mitarbeitervertretung richtet sich nach der Größe der Einrichtung, wobei ausschließlich auf die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiter abgestellt wird (§ 6 Abs. 2 MAVO). Die Mitarbeitervertretungsordnung sieht von einem besonderen Gruppenschutz für Beamte ab; er stünde nämlich in einem Wertungswiderspruch zu dem Gedanken einer kirchlichen Dienstgemeinschaft aller Mitarbeiter.
153
Wahlberechtigt sind alle Mitarbeiter, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben; außerdem wird verlangt, dass der Mitarbeiter seit mindestens sechs Monaten ohne Unterbrechung in einer Einrichtung desselben Dienstgebers tätig ist (§ 7 Abs. 1 MAVO). Nicht notwendig ist aber eine ununterbrochene Tätigkeit. Unterbrechungen unter Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses werden deshalb auf die Dauer angerechnet, zB Krankheit und Urlaub. Verlangt wird die ununterbrochene Tätigkeit in einer Einrichtung desselben Dienstgebers, also nicht in derselben Einrichtung. Bei Versetzung von einer zu einer anderen Einrichtung desselben Dienstgebers tritt daher keine Unterbrechung ein.
154
Wie das Personalvertretungsrecht regelt die MAVO ausdrücklich den Fall der Abordnung. Wer zu einer Einrichtung abgeordnet ist, wird in ihr bereits nach Ablauf von drei Monaten wahlberechtigt (§ 7 Abs. 2 Satz 1 MAVO). Das gilt jedoch nur, wenn der Mitarbeiter, wie in Anlehnung an § 13 Abs. 2 BPersVG bestimmt wird, nicht binnen weiterer sechs Monate in die frühere Einrichtung zurückkehren wird (§ 7 Abs. 2 Satz 2 MAVO). In diesem Fall bleibt der abgeordnete Mitarbeiter bei der früheren Einrichtung wahlberechtigt.
155
Für die Wählbarkeit verlangt die Rahmenordnung in § 8 Abs. 1, dass der wahlberechtigte Mitarbeiter am Wahltag seit mindestens einem Jahr ohne Unterbrechung im kirchlichen Dienst steht und davon mindestens seit sechs Monaten in einer Einrichtung desselben Dienstgebers tätig ist. Nach der Rahmen-MAVO ist keine Wählbarkeitsvoraussetzung, dass der Mitarbeiter der katholischen Kirche, einer anderen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft angehört; denn nach Art. 3 GrOkathK kann unter den dort genannten Voraussetzungen ein Arbeitsverhältnis auch mit einer Person begründet werden, die nicht der katholischen Kirche angehört. Da jedoch der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung (außer im Geltungsbereich der MAVO-Trier) katholisch sein soll (§ 14 Abs. 1 Satz 2), in der Diözese Fulda und in bayerischen Diözesen katholisch sein muss (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 in der dort geltenden Fassung), hat der Wahlausschuss bzw. der Leiter zu prüfen, ob Wahlbewerber der katholischen Kirche angehören1.
156
Die Wahl erfolgt aufgrund von Wahlvorschlägen (vgl. dazu § 9 Abs. 5 MAVO). Sie wird aber nicht als Listenwahl durchgeführt, sondern ist eine Personenwahl (vgl. § 9 Abs. 8 und § 11 Abs. 2 MAVO). Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhalten hat (§ 11 Abs. 6 MAVO). 1 Vgl. Bleistein/Thiel, MAVO, § 8 Rz. 27 ff.
1338
Richardi
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche
Rz. 161 Teil 14
In Einrichtungen mit bis zu 20 wahlberechtigten Mitarbeitern (bis zu 50 157 gemäß § 11a MAVO-Hamburg und MAVO-Osnabrück) ist ein vereinfachtes Wahlverfahren vorgesehen (§ 11a MAVO). Spätestens drei Wochen vor Ablauf ihrer Amtszeit lädt die Mitarbeitervertretung die Wahlberechtigten zu einer Wahlversammlung ein (§ 11b MAVO), in der die Wahl erfolgt (§ 11c MAVO). d) Amtszeit der Mitarbeitervertretung Die regelmäßige Amtszeit beträgt für die Mitarbeitervertretung vier Jahre (§ 13 Abs. 2 Satz 2 MAVO). In Anlehnung an das staatliche Recht ist ein einheitlicher Wahlzeitraum vorgesehen (§ 13 Abs. 1 MAVO). Die regelmäßigen Wahlen zur Mitarbeitervertretung finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 30. Juni statt; Beginn und Ende des einheitlichen Wahlzeitraums können aber abweichend durch Diözesanregelung festgelegt sein (so § 13 Abs. 1 MAVO-Osnabrück). Der Beginn des Vierjahresrhythmus ergibt sich aus den Übergangsvorschriften (vgl. zB § 49 Abs. 3 MAVO-München und Freising).
158
e) Weiterführung der Geschäfte, Übergangsmandat und Restmandat Ist bei Ablauf der regelmäßigen Amtszeit noch keine neue Mitarbeiterver- 159 tretung gewählt, so führt die Mitarbeitervertretung die Geschäfte bis zur Übernahme durch die neugewählte Mitarbeitervertretung fort, spätestens für die Dauer von sechs Monaten vom Tag der Beendigung der Amtszeit an gerechnet (§ 13a Satz 1 MAVO). Dies gilt, wie es in § 13a Satz 2 MAVO heißt, „auch in den Fällen des § 13 Abs. 3 Nr. 1 bis 3“, also insbesondere auch beim Rücktritt der Mitarbeitervertretung. Nach der Formulierung des Gesetzestextes ist offen, ob beim Rücktritt das Übergangsmandat sechs Monate nach dem Rücktritt endet oder ob – wie im staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht – der Rücktritt auf den Ablauf der Amtszeit keinen Einfluss hat, so dass hier auch bei ihm das Übergangsmandat erst sechs Monate „vom Tag der Beendigung der Amtszeit an gerechnet“ endet. In Anlehnung an § 21a BetrVG, durch den die EG-Richtlinie 98/50 umgesetzt wurde, ist der Mitarbeitervertretung ein Übergangsmandat eingeräumt, wenn die Dienststelle gespalten oder mit einer anderen Dienststelle zusammengelegt wird (§ 13d MAVO). Gesetzlich abgesichert wurde auch, dass sie wie in § 21b BetrVG ein Restmandat hat, wenn die Dienststelle durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht (§ 13e MAVO).
160
f) Geschäftsführung der Mitarbeitervertretung Die Mitarbeitervertretung wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden; sie soll außerdem einen stellvertretenden Vorsitzenden und einen Schriftführer haben (§ 14 Abs. 1 MAVO). Dem Vorsitzenden kann mit Zweidrittel-
Richardi
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161
Teil 14
Rz. 162
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
mehrheit der Mitglieder das Vertrauen entzogen werden; in diesem Fall hat eine Neuwahl stattzufinden (§ 14 Abs. 2 MAVO). 162
Die Mitarbeitervertretung kann aus ihrer Mitte Ausschüsse bilden, denen sie Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen kann (§ 14 Abs. 10 MAVO). Diese Delegationsmöglichkeit gilt aber nicht für die Beteiligung bei Kündigungen sowie für den Abschluss und die Kündigung von Dienstvereinbarungen. g) Persönliche Rechtsstellung der Mitglieder einer Mitarbeitervertretung
163
Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt (§ 15 Abs. 1 MAVO). Es gilt also insoweit das gleiche Prinzip wie im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht. Entsprechend ordnet § 18 Abs. 1 MAVO an, dass die Mitglieder der Mitarbeitervertretung in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert und aufgrund ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Ein Verstoß gegen diese Rechtsvorschrift macht auch aus der Sicht der staatlichen Rechtsordnung jedes Rechtsgeschäft nichtig, wobei unerheblich ist, ob man in diesem Zusammenhang auf § 134 BGB oder auf § 138 BGB zurückgreift.
164
Durch die Wahl zum Mitarbeitervertreter ändern sich nicht die Rechte und Pflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis. Arbeitnehmer, die in die Mitarbeitervertretung gewählt sind, haben deshalb, soweit keine Freistellung erfolgt ist, wie alle Arbeitnehmer ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung nachzukommen. Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung sind aber zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben im notwendigen Umfang von der dienstlichen Tätigkeit freizustellen (§ 15 Abs. 2 MAVO).
165
Sind die Voraussetzungen gegeben, so besteht nicht nur, wie sich unmittelbar aus § 15 Abs. 2 MAVO ergibt, ein Anspruch auf Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit, sondern es besteht auch der Anspruch darauf, dass keine Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge eintritt. Das ist im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht ausdrücklich so bestimmt (§ 37 Abs. 2 BetrVG, § 46 Abs. 2 BPersVG), gilt aber auch hier, weil den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung aufgrund ihrer Tätigkeit kein Nachteil entstehen darf (§ 18 Abs. 1 MAVO)1.
166
Den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung ist auf Antrag der Mitarbeitervertretung während ihrer Amtszeit bis zu insgesamt drei Wochen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung ihrer Bezüge für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zu gewähren (§ 16 Abs. 1 MAVO). Es handelt sich um einen kollektivrechtlichen Anspruch der Mitarbeitervertretung zugunsten jedes ihrer Mitglieder, der von drei Voraussetzungen abhängt, nämlich von der Erforderlichkeit der Kenntnisse für die Arbeit in der Mitarbeitervertretung, von der Anerkennung als geeignet durch Diözese oder Diözesan-Caritasverband und dem Nicht-Entgegenstehen dringender dienstlicher oder betrieblicher Erfordernisse. 1 Ebenso Bleistein/Thiel, MAVO, § 15 Rz. 54.
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Richardi
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche
Rz. 170 Teil 14
Für die Mitglieder der Mitarbeitervertretung besteht ein Versetzungs- und 167 Abordnungsschutz: Sie können gegen ihren Willen in eine andere Dienststelle nur versetzt oder abgeordnet werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung ihrer Mitgliedschaft aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar ist und die Mitarbeitervertretung zustimmt (§ 18 Abs. 2 MAVO). Wird die Zustimmung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist verweigert, so gilt sie als erteilt (§ 33 Abs. 2 Satz 2 MAVO). Aber anders als sonst in personellen Angelegenheiten gilt hier nicht, dass die Zustimmung nur aus bestimmten Gründen verweigert werden kann. Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet die Einigungsstelle mit bindender Wirkung (§ 45 Abs. 2 MAVO). Der besondere Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und der Personalvertretung, der in §§ 15, 16 KSchG geregelt ist, findet auf die Amtsträger und Funktionsinhaber des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts keine Anwendung. Ein entsprechender besonderer Kündigungsschutz kann deshalb nur auf kirchengesetzlicher Grundlage beruhen. Die Mitarbeitervertretungsordnung sieht ihn in § 19 vor.
168
4. Einrichtungen neben der Mitarbeitervertretung a) Mitarbeiterversammlung Während die Mitarbeitervertretung die Beschäftigten repräsentiert, ist die Mitarbeiterversammmlung die Einrichtung, in der sich die Mitarbeiter präsentieren (§ 4 MAVO). Die Regelung im Einzelnen enthalten §§ 21, 22 MAVO. Die Mitarbeiterversammlung hat mindestens einmal im Jahr stattzufinden. Auf ihr hat der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung einen Tätigkeitsbericht zu erstatten (§ 21 Abs. 2 MAVO). Kann nach den dienstlichen Verhältnissen eine gemeinsame Versammlung aller Mitarbeiter nicht stattfinden, so sind Teilversammlungen zulässig (§ 4 Satz 2 MAVO). Die Mitarbeiterversammlung ist wie die Betriebsversammlung nach dem Betriebsverfassungsrecht nicht öffentlich; sie wird vom Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung einberufen und geleitet (§ 21 Abs. 1 MAVO). Auf Antrag von einem Drittel der wahlberechtigten Mitarbeiter hat er eine Mitarbeiterversammlung einzuberufen; das Gleiche gilt, wenn der Dienstgeber aus besonderem Grunde die Einberufung verlangt (§ 21 Abs. 3 MAVO).
169
Die Mitarbeiterversammlung befasst sich mit allen Angelegenheiten, die 170 zur Zuständigkeit der Mitarbeitervertretung gehören (§ 22 Abs. 1 MAVO). Von besonderer Bedeutung ist, dass anders als im Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht die Mitarbeitervertretung neu zu wählen ist, wenn ihr in einer Mitarbeiterversammlung mindestens die Hälfte der wahlberechtigten Mitarbeiter das Misstrauen ausspricht (§§ 13 Abs. 3 Nr. 5, 22 Abs. 2 MAVO). Eine Abberufung einzelner Mitglieder der Mitarbeitervertretung ist dagegen unzulässig.
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Teil 14
Rz. 171
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
b) Besondere Formen der Vertretung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 171
Als Muster für eine diözesane Fassung enthält die Rahmenordnung Bestimmungen über eine Sondervertetung (§ 23), eine Gesamtmitarbeitervertretung und erweiterte Gesamtmitarbeitervertretung (§ 24) sowie die Bildung einer Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (§ 25 Abs. 1–4). Außerdem besteht eine Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen, zu der sich die Arbeitsgemeinschaften der Diözesen zusammengeschlossen haben (§ 25 Abs. 5).
172
Die Sondervertretung ist für Mitarbeiter vorgesehen, die von ihrem Dienstgeber der Einrichtung eines anderen kirchlichen oder nichtkirchlichen Rechtsträgers zugewiesen worden sind. Entsprechend hat sie neben der einrichtungsbezogenen Mitarbeitervertretung nur einen begrenzten Zuständigkeitsbereich für den von ihr vertetenen Personenkreis (§ 23 Abs. 2). Bestehen bei einem Dienstgeber mehrere Mitarbeitervertretungen, so ist vorgesehen, dass im Einvernehmen mit ihm eine Gesamtmitarbeitervertretung gebildet werden kann (§ 24 Abs. 1). Bei Einrichtungen mehrer Rechtsträger kann ermöglicht sein, dass sie durch eine gemeinsame Dienstvereinbarung mit allen betroffenen Dienstgebern die Bildung einer erweiterten Gesamtmitarbeitervertretung vereinbaren (§ 24 Abs. 2). Nach dem Modell des Gesamt- und des Konzerbetriebsrats nach dem BetrVG werden sie durch Entsendung der Mitarbeitervertretungen errichtet (§ 24 Abs. 3). Sie wirken bei den beteiligungspflichtigen Angelegenheiten mit, die Mitarbeiter aus dem Zuständigkeitsbereich mehrerer Mitarbeitervertretungen betreffen (§ 24 Abs. 4). c) Interessenvertretung besonderer Mitarbeitergruppen
173
Die MAVO kennt als zusätzliche mitarbeitervertretungsrechtliche Vertretung, die keine Beteiligungsrechte hat, sondern der Mitarbeitervertretung zugeordnet ist, die Vertretung der Jugendlichen und der Auszubildenden (§§ 48–51). Sie regelt die Mitwirkung der nach den Vorschriften des SGB IX gewählten Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (§ 52). Sie räumt dem Vertrauensmann der Zivildienstleistenden das Recht ein, an den Sitzungen der Mitarbeitervertretung beratend teilzunehmen, soweit sie Angelegenheiten der Zivildienstleistenden betreffen (§ 53).
174
Wer wegen Art oder Schwere seiner Behinderung in einer sog. beschützenden Werkstatt beschäftigt wird, ohne deren Arbeitnehmer zu sein, gehört nicht zu den Mitarbeitern iSd. § 3 MAVO. Für diesen Personenkreis besteht eine Mitwirkungsregelung nach der als partikuläres Kirchengesetz in Kraft gesetzten Caritas-Werkstätten-Mitwirkungsordnung (CWMO). Die staatliche Werkstätten-Mitwirkungsverordnung1 findet daher keine Anwendung (§ 1 Abs. 2 WMVO).
1 Werkstätten-Mitwirkungsverordnung vom 25.6.2001, BGBl. I, 1297.
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Richardi
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche
Rz. 177 Teil 14
5. Grundsätze für die Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung a) Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit Magna Charta der Betriebsverfassung ist das Gebot der vertrauensvollen 175 Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs (§ 2 Abs. 1 BetrVG). In ihm spiegelt sich wider, dass die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsordnung nach dem Kooperationsmodell gestaltet ist. Das Gebot gilt deshalb auch für das Personalvertretungsrecht (§ 2 Abs. 1 BPersVG). Erst recht hat es Bedeutung für eine Mitbestimmungsordnung, die im Rahmen der kirchlichen Dienstgemeinschaft gilt. Entsprechend stellt daher die Mitarbeitervertretungsordnung an die Spitze ihrer Regelung über die Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit: „Der Dienst in der Kirche verpflichtet Dienstgeber und Mitarbeitervertretung in besonderer Weise, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten und sich bei der Erfüllung der Aufgaben gegenseitig zu unterstützen“ (§ 26 Abs. 1 Satz 1 MAVO). Die Mitarbeitervertretungsordnung bezeichnet das Amt eines Mitarbeiter- 176 vertreters nach dem Vorbild der entsprechenden Bestimmungen im staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht (§ 37 Abs. 1 BetrVG, § 46 Abs. 1 BPersVG) als Ehrenamt (§ 15 Abs. 1). Wie dort kommt darin zum Ausdruck, dass die Mitarbeitervertretung ihre Aufgaben und Befugnisse als Amtswalter wahrnimmt. Da die Mitbestimmungsordnung Teil der Organisation ist, durch die die Kirche ihren Sendungsauftrag erfüllt, ist das kirchengesetzlich geschaffene Amt einer Mitarbeitervertretung ein kirchliches Amt. Dabei kann offen bleiben, ob es ein Kirchenamt iSd. can. 145 § 1 CIC darstellt1. b) Gesetzestechnische Gestaltung der Beteiligung Das Mitarbeitervertretungsrecht unterscheidet zwischen dem Informati- 177 onsrecht (§ 27 MAVO) und dem Recht auf Beteiligung der Mitarbeitervertretung an Entscheidungen des Dienstgebers (§§ 28–37 MAVO). Formen der Beteiligung sind Anhörung und Mitberatung, Vorschlagsrecht, Zustimmung, Antragsrecht (§ 28 Satz 2 MAVO). Entsprechend sind die Beteiligungsfälle geordnet: Das Recht der Anhörung und der Mitberatung ist in § 29 MAVO, das Vorschlagsrecht in § 32 MAVO, die Zustimmung in §§ 33–36 MAVO und das Antragsrecht in § 37 MAVO geregelt. Vor das Vorschlagsrecht eingefügt ist die Regelung über die Anhörung und Mitberatung bei ordentlicher und außerordentlicher Kündigung nach Ablauf der 1 Bejahend Heimerl/Pree, Handbuch des Vermögensrechts der katholischen Kirche, 1993, S. 830 (Rz. 6/755); verneinend Bleistein/Thiel, MAVO, § 5 Rz. 14, der hier nicht folgerichtig ist, wenn er in Rz. 8 für die KODA ein kirchliches Amt iSd. can. 145 CIC annimmt; denn nicht nur die KODA, sondern auch die hier durch die MAVO geschaffene Mitbestimmungsordnung sind Ausprägungen einer für den Bereich der katholischen Kirche geltenden Gruppenautonomie, um die Konkordanz der kirchlichen mit der staatlichen Ordnung zu sichern. Richardi
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Teil 14
Rz. 178
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Probezeit (§§ 30, 31 MAVO). Die gesetzestechnische Gestaltung folgt nicht dem Modell des Betriebsverfassungsrechts, sondern entspricht dem Modell des Personalvertretungsrechts; sie ist aber mehr anwendungsorientiert als die Regelung im Bundespersonalvertretungsgesetz. c) Informationsrecht der Mitarbeitervertretung 178
Die Mitarbeitervertretung hat ein umfassendes Informationsrecht: „Dienstgeber und Mitarbeitervertretung informieren sich gegenseitig über die Angelegenheiten, welche die Dienstgemeinschaft betreffen“ (§ 27 Abs. 1 Satz 1 MAVO). Ihr sind auf Verlangen die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen vorzulegen (§ 26 Abs. 2 Satz 1 MAVO). Vom Gegenstand und Inhalt der Mitwirkung und Mitbestimmung hängt ab, welche Unterlagen erforderlich sind1.
179
Durch Einfügung eines § 27a in die MAVO ist vorgesehen, dass der Dienstgeber einer Einrichtung, in der in der Regel mehr als 50 Mitarbeiter ständig beschäftigt sind und deren Betrieb überwiegend durch Zuwendungen der öffentlichen Hand, aus Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit Kostenträgern oder Zahlungen sonstiger nichtkirchlicher Dritter finanziert wird, die Mitarbeitervertretung über die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Einrichtung rechtzeitig, mindestens aber einmal im Kalenderjahr unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen schriftlich zu unterrichten sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen hat (Abs. 1–3). Hat die Einrichtung in der Regel nicht mehr als 50 ständig beschäftigte Mitarbeiter, so hat der Dienstgeber, wie in Abs. 5 des § 27a MAVO bestimmt wird, mindestens einmal in jedem Kalenderjahr in einer Mitarbeiterversammlung über das Personal- und Sozialwesen sowie die wirtschaftliche Lage und Entwicklung der Einrichtung zu berichten. d) Mitwirkungsrechte der Mitarbeitervertretung aa) Anhörung und Mitberatung
180
Die Mitarbeitervertretung hat in den Fällen, die im Katalog des § 29 Abs. 1 MAVO abschließend aufgeführt sind, das Recht der Anhörung und der Mitberatung. Es ist ein Mitwirkungsrecht, weil sie nur an der Entscheidungsfindung des Arbeitgebers, nicht aber an der Entscheidung selbst beteiligt wird. Das Recht erschöpft sich nicht wie beispielsweise das Anhörungsrecht des Betriebsrats vor einer Kündigung nach § 102 BetrVG in einem Recht, zu der beabsichtigten Maßnahme Stellung zu nehmen. Das Anhörungsrecht ist hier vielmehr mit einem Beratungsrecht verknüpft; denn erhebt die Mitarbeitervertretung Einwendungen, so ist die Angelegenheit in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel der Verständigung zu beraten (§ 29 Abs. 3 Satz 3 MAVO). Bei 1 Vgl. zur Vorlage eines Stellenplans KAGH v. 2.3.2007 – M 06/06, ZMV 2007, 195 ff.; Zentrale Gutachterstelle beim Verband der Diözesen Deutschlands, Gutachten über die Vorlage eines Stellenplans nach § 26 Abs. 2 MAVO Speyer vom 16.8.2001, abgedruckt in: ZMV 2002, 186 ff.
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VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche
Rz. 182 Teil 14
dem Recht der Anhörung und der Mitberatung verbleibt aber die Initiative, ob es zu einer Beratung kommt, ausschließlich der Mitarbeitervertretung. Erhebt sie keine Einwendungen innerhalb der vorgesehenen Frist, so gilt die vorbereitete Maßnahme oder Entscheidung als nicht beanstandet (§ 29 Abs. 3 Satz 1 MAVO). bb) Vorschlagsrecht Soweit die in § 29 Abs. 1 MAVO genannten Beteiligungsfälle im Katalog des § 32 Abs. 1 MAVO aufgeführt sind, hat die Mitarbeitervertretung außerdem ein Vorschlagsrecht. Während beim Recht der Anhörung und der Mitberatung die Initiative vom Dienstgeber ausgeht, gibt das Vorschlagsrecht der Mitarbeitervertretung ein Initiativrecht, das als Mitwirkungsrecht gestaltet ist. Will der Dienstgeber einem Vorschlag der Mitarbeitervertretung nicht entsprechen, so ist die Angelegenheit in einer gemeinsamen Sitzung von Dienstgeber und Mitarbeitervertretung mit dem Ziel der Einigung zu beraten (§ 32 Abs. 2 Satz 1 MAVO). Kommt es nicht zu einer Einigung, so teilt der Dienstgeber die Ablehnung des Vorschlages der Mitarbeitervertretung schriftlich mit (§ 32 Abs. 2 Satz 3 MAVO). Eine weitere Bindung tritt nicht ein.
181
e) Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung aa) Zustimmungsrecht Die Stufe eines bloßen Mitwirkungsrechts ist überschritten, soweit ange- 182 ordnet ist, dass eine Entscheidung des Dienstgebers der Zustimmung der Mitarbeitervertretung bedarf. Die Beteiligung gibt ihr ein Recht auf Mitbestimmung: Der Dienstgeber kann die von ihm beabsichtigte Maßnahme oder Entscheidung nur mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung treffen (§ 33 Abs. 1 MAVO). Das Mitbestimmungsverfahren ist, soweit eine Angelegenheit der Zustimmung der Mitarbeitervertretung bedarf (§§ 34–36 MAVO), in § 33 MAVO geregelt. Dabei hat man zu beachten, dass das Zustimmungsrecht abgestuft ist. Bei Einstellung und Anstellung sowie bei sonstigen persönlichen Angelegenheiten kann die Mitarbeitervertretung die Zustimmung nur aus bestimmten Gründen verweigern (§§ 34 Abs. 2, 35 Abs. 2 MAVO). Bei diesen Angelegenheiten handelt es sich um personelle Einzelmaßnahmen, bei denen auch das staatliche Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebs- oder Personalrats an bestimmte, gesetzlich umschriebene Gründe bindet (§ 99 Abs. 2 BetrVG, § 77 Abs. 2 BPersVG). Verweigert die Mitarbeitervertretung die Zustimmung oder erkennt der Dienstgeber bei den Fällen des begrenzten Zustimmungsrechts die Gründe nicht an, aus denen die Mitarbeitervertretung die Zustimmung verweigert, so kann der Dienstgeber die Einigungsstelle bzw. in den letzteren Fällen das Kirchliche Arbeitsgericht anrufen, um eine verbindliche Entscheidung herbeizuführen (§ 33 Abs. 4 MAVO).
Richardi
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Teil 14
Rz. 183
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
bb) Antragsrecht 183
Neben dem Vorschlagsrecht hat die Mitarbeitervertretung in den Fällen, die im Katalog des § 37 Abs. 1 MAVO abschließend genannt sind, ein Antragsrecht. Dieses Recht ist ebenfalls ein Initiativrecht der Mitarbeitervertretung. Im Gegensatz zum Vorschlagsrecht ist es aber als Mitbestimmungsrecht gestaltet. Will der Dienstgeber einem Antrag der Mitarbeitervertretung nicht entsprechen, so ist die Angelegenheit in einer gemeinsamen Sitzung mit der Mitarbeitervertretung zu beraten (§ 37 Abs. 2 Satz 1 und 2 MAVO). Kommt es zu keiner Einigung, so kann die Mitarbeitervertretung die Einigungsstelle anrufen (§ 37 Abs. 3 Satz 3 MAVO). Diese entscheidet mit verbindlicher Wirkung (§ 47 Abs. 3 Satz 1 und 2 MAVO). Der Dienstgeber kann aber durch den Beschluss nur insoweit gebunden werden, als für die Maßnahmen finanzielle Deckung in seinen Haushalts-, Wirtschafts- und Finanzierungsplänen ausgewiesen ist (§ 47 Abs. 3 Satz 3 MAVO).
184
Das Antragsrecht ist ein besonders weitgehendes Mitbestimmungsrecht; denn es gibt der Mitarbeitervertretung die Befugnis, eine Regelung auch gegen den Willen des Dienstgebers herbeizuführen. Deshalb besteht es nur in Fällen, in denen die Mitarbeitervertretung auch ein Zustimmungsrecht hat (vgl. § 36 MAVO), keineswegs besteht aber in allen Angelegenheiten, in denen die Mitarbeitervertretung ein Zustimmungsrecht hat, das hier als Mitbestimmungsrecht gestaltete Antragsrecht. Die Einstellung und Anstellung sowie die sonstigen persönlichen Angelegenheiten, die nach §§ 34, 35 MAVO der Zustimmung der Mitarbeitervertretung bedürfen, sind in § 37 MAVO nicht genannt. Für sie besteht nicht das hier als Mitbestimmungsrecht gestaltete Antragsrecht. f) Dienstvereinbarung
185
Die MAVO enthielt zunächst in der Regelung des § 38 Abs. 1 einen abschließenden Katalog, kannte also wie nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BPersVG keine Dienstvereinbarungsautonomie, die der Betriebsvereinbarungsautonomie des Betriebsverfassungsgesetzes entspricht. Durch die Novellierung aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 21.6.1999 wurde in § 38 ein Abs. 2 eingefügt, der diese Grundentscheidung revidiert. In Anlehnung an den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG wurde die Bestimmung aufgenommen: „Dienstvereinbarungen können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die in Rechtsnormen, insbesondere in kirchlichen Arbeitsvertragsordnungen geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, zum Gegenstand haben, wenn eine Rechtsnorm den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen ausdrücklich zulässt“. Damit wurde eine Öffnungsklausel eingefügt, um die Möglichkeit zu erhalten, die Arbeitsbedingungen auf der Einrichtungsebene den konkreten Bedürfnissen anzupassen1. Dabei hat man allerdings zu beachten, dass Dienstgeber und Mitarbeitervertretung keine Befugnis 1 Vgl. Thüsing, Freiburger Kommentar, § 38 Rz. 33 ff.
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Richardi
VII. Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche
Rz. 189 Teil 14
haben, eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Regelung abzulösen. Es gilt insoweit Gleiches wie für eine Betriebsvereinbarung, deren zwingende Geltung nur für die Dauer ihrer Wirkung zur Verdrängung der arbeitsvertraglichen Vereinbarung führt, diese aber nicht nichtig macht. Selbst wenn eine Betriebsvereinbarung wegen ihrer zwingenden Geltung eine arbeitsvertragliche Vereinbarung verdrängt, soweit diese keine Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers enthält, wird dadurch nämlich nicht der Inhalt des Arbeitsvertrags geändert. 6. Beteiligung der Mitarbeitervertretung in Personalangelegenheiten a) Einstellung und Anstellung Bei der Einstellung und Anstellung von Mitarbeitern hat die Mitarbeiter- 186 vertretung ein Zustimmungsrecht (§ 34 MAVO). Ausgenommen ist eine Tätigkeit, die geringfügig iSd. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ist. Ausgeklammert sind weiterhin Mitarbeiter für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung bedürfen; denn in diesem Fall kann der Bischof kirchenrechtlich bei seiner Auswahlentscheidung nicht an die Mitwirkung anderer gebunden werden. Unter Einstellung ist die Eingliederung in den Betrieb zu verstehen; sie ist nicht mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags oder der Begründung des Beamtenverhältnisses identisch. Sie darf auch nicht mit der tatsächlichen Arbeitsaufnahme gleichgesetzt werden. Die Eingliederung erfolgt durch die Übertragung des Arbeitsbereichs. Durch sie wird der Mitarbeiter in die von der Mitarbeitervertretung repräsentierte Belegschaft aufgenommen, auch wenn er seine Arbeit nicht tatsächlich antritt, zB weil er infolge einer Krankheit arbeitsunfähig ist.
187
Der Begriff der Anstellung stammt aus dem Beamtenrecht: Anstellung ist eine Ernennung unter erster Verleihung eines Amtes, das in einer Besoldungsordnung aufgeführt ist; sie erfolgt im Beamtenrecht nach der erfolgreichen Ableistung der Probezeit und ist nur im Eingangsamt einer Laufbahn zulässig. Die Anstellung spielt also bei Arbeitnehmern keine Rolle, und zwar auch dann nicht, wenn ihnen eine beamtenähnliche Vertragsregelung zugesagt wird1.
188
b) Eingruppierung und weitere personelle Einzelmaßnahmen Neben der Einstellung und Anstellung hat die Mitarbeitervertretung ein 189 Zustimmungsrecht bei den in § 35 Abs. 1 MAVO abschließend genannten Maßnahmen, die neben Einstellung und Kündigung zu den persönlichen Angelegenheiten gezählt werden. Vorbild ist insoweit die Regelung im Personalvertretungsrecht (vgl. §§ 75 Abs. 1, 76 Abs. 1 BPersVG). Wie dort werden deshalb auch hier Maßnahmen mit völlig verschiedener Rechtswirkung für den Inhalt eines Beschäftigungsverhältnisses erfasst. Während es bei der Eingruppierung, Höhergruppierung und Rückgruppierung von Mit1 Ebenso Bleistein/Thiel, MAVO, § 34 Rz. 40. Richardi
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Teil 14
Rz. 190
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
arbeitern (§ 35 Abs. 1 Nr. 1–3 MAVO) um die richtige Einstufung in die für das Arbeitsentgelt maßgebliche Vergütungsregelung geht, handelt es sich bei der Beförderung von Mitarbeitern (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 MAVO) um die Einweisung in eine Planstelle mit höherem Arbeitsentgelt. Dagegen wird der Arbeitsbereich des Mitarbeiters geändert, soweit Zustimmungstatbestand die nicht nur vorübergehende Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit, die Abordnung von mehr als drei Monaten oder die Versetzung an eine andere Einrichtung ist (§ 35 Abs. 1 Nr. 4 und 5 MAVO). Handelt es sich um Mitarbeiter für pastorale Dienste oder religiöse Unterweisung, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen bischöflichen Sendung oder Beauftragung bedürfen, so bildet ihre Abordnung oder Versetzung keinen Beteiligungsfall (§ 35 Abs. 1 Nr. 5 MAVO). 190
Entsprechend verschieden wirken sich die Zustimmungsverweigerungsgründe aus. Bei der Eingruppierung, Höhergruppierung und Rückgruppierung geht es um die richtige Einordnung in eine Lohn- oder Gehaltsgruppe. Sie ist kein rechtsgestaltender Akt, der einen bestimmten Lohnanspruch des Arbeitnehmers begründet, sondern nur die deklaratorische Feststellung, dass die Tätigkeit des Mitarbeiters einer bestimmten Lohn- oder Gehaltsgruppe entspricht. Die Eingruppierung, Höhergruppierung oder Rückgruppierung durch den Arbeitgeber ist ein Akt der Rechtsanwendung, nicht der Rechtsgestaltung. Die Beteiligung der Mitarbeitervertretung besteht daher hier in einer Mitbeurteilung. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund ist allerdings auch der Verstoß gegen „sonstiges geltendes Recht“ (§ 35 Abs. 2 Nr. MAVO). Er liegt vor, wenn ein der Kirche zugeordneter Dienstgeber ein Vergütungssystem zugrunde legt, das nicht kirchengesetzlich legitimiert ist, also auf keiner KODA-Ordnung beruht1. c) Kündigung
191
Die Mitarbeitervertretung hat vor jeder Kündigung eines Mitarbeiters durch den Dienstgeber ein Anhörungs- und Mitberatungsrecht. Die Regelung für die ordentliche Kündigung enthält § 30, die für die außerordentliche Kündigung § 31 MAVO. Eine ohne Einhaltung des Beteiligungsverfahrens ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§§ 30 Abs. 5, 31 Abs. 3 MAVO).
192
Bei der ordentlichen Kündigung enthält § 30 Abs. 3 MAVO einen Katalog von Einwendungsgründen, der § 102 Abs. 3 BetrVG nachgebildet ist. Stützt die Mitarbeitervertretung ihre Einwendungen auf sie, so verlangt § 30 Abs. 3 Satz 2 MAVO, dass diese Einwendungen der Schriftform unter Angabe der konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Gründe bedürfen. Die Mitarbeitervertretung kann jedoch ihre Einwendungen auch auf Gründe stützen, die nicht in § 30 Abs. 3 MAVO genannt sind, und sie braucht insbesondere auch nicht die Schriftform einzuhalten. Die Sonderregelung des 1 KAGH v. 2.3.2007 – M 06/02, ZMV 2007, 195 ff.; bereits Zentrale Gutachterstelle beim Verband der Diözesen Deutschlands, Gutachten über die Zustimmung zur Eingruppierung beim Wechsel des Vergütungssystems vom 16.8.2001, abgedruckt in: ZMV 2002, 188 ff.
1348
Richardi
VIII. Strukturveränderungen
Rz. 195 Teil 14
§ 30 Abs. 3 MAVO löst lediglich aus, dass der Dienstgeber dem Mitarbeiter mit der Kündigung eine Abschrift der Einwendungen der Mitarbeitervertretung zuzuleiten hat (§ 30 Abs. 4 MAVO)1. Eine weitergehende Rechtsfolge tritt dagegen nicht ein. Im Gegensatz zum Widerspruch des Betriebsrats nach § 102 Abs. 3 BetrVG ist hier weder wie dort nach § 102 Abs. 5 BetrVG eine Weiterbeschäftigungspflicht vorgesehen, noch tritt die in § 1 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 KSchG enthaltene kündigungsschutzrechtliche Wirkung als absoluter Grund der Sozialwidrigkeit ein. Zur Umsetzung der EG-Massenentlassungsrichtlinie (98/59/EG) trifft § 30a 193 MAVO eine Bestimmung über die Anhörung bei nach § 17 Abs. 1 KSchG anzeigepflichtigen Massenentlassungen.
VIII. Strukturveränderungen 1. Rechtstatsächliche Ausgangslage Wie Unternehmen sich einer veränderten Marktlage durch Umstrukturierungen anpassen, so stehen kirchliche Einrichtungen vor gleichen Herausforderungen. Bei ihnen handelt es sich weniger um eine Veränderung der Marktlage als vielmehr um die Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen. Das gilt vor allem für das Krankenhauswesen. Die Finanzierungspraxis des Staats hat daher die karitativen Einrichtungen vor ein Dilemma gestellt. Sie sollen zum einen mit Wettbewerbern konkurrieren, die einen Wettbewerbsvorteil aus einem geringeren Lohnniveau erzielen, und sie sind zum anderen durch die Festlegung im kircheneigenen Regelungssystem des „Dritten Weges“ an Tarife gebunden, die es für sie ausschließen, auf derselben Stufe in Wettbewerb zu treten.
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Zum einen werden Ausgründungen vorgenommen, um der Geltung der 195 kirchlichen Vergütungsregelungen zu entfliehen2. Auf gleicher Linie liegt es zum anderen, wenn auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurückgegriffen wird. Teilweise handelt es sich dabei um Gesellschaften zur Arbeitnehmerüberlassung, die sogar von kirchlichen Einrichtungen gegründet wurden, um flexibel Personal auf Zeit einzusetzen3. Die Vergütung richtet sich auch in diesen Fällen nicht nach dem Regelungssystem des „Dritten Weges“, sondern es werden Tarifverträge zugrunde gelegt, die für Zeitarbeitsunternehmen abgeschlossen sind, so zB der zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistung e.V. und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschossenen Tarifvertrag4. Die Lohnkosten liegen bis zu 30 Prozent unter denen der Stammbelegschaft5. 1 Vgl. zur Bedeutung für die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsrechtsstreit Richardi, NZA 1998, 113 (116). 2 Zu den verschiedenen Fallgruppen Joussen, KuR 2009, 1 (2 ff.). 3 Vgl. Joussen, KuR 2009, 1 (4). 4 So im Fall, der dem Beschluss des KGH.EKD vom 9.10.2006 (NZA 2007, S. 161 ff.) zugrunde liegt. 5 So Joussen, ZMV-Sonderheft 2007, 24 (27). Richardi
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Teil 14
Rz. 196
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
196
Doch geht es nicht nur um die Bewältigung finanzieller Probleme, sondern auch um die Sicherung gestiegener Qualitätsanforderungen. Auch insoweit sind kirchliche Einrichtungen in die vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen einbezogen. Für das kirchliche Krankenhauswesen gelten die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen des Krankenhausrechts, insbesondere das Krankenhausfinanzierungsgesetz und die auf seiner Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen sowie die landesgesetzlichen Bestimmungen des Krankenhausrechts.
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Nicht selten soll die Zuordnung zur Kirche erhalten bleiben. Teilweise wird der Versuch unternommen, sich insoweit eine ökumenische Ausrichtung zu geben. So haben zB im Frühjahr 1999 der Katholische Krankenhausverband Deutschlands, der Deutsche Evangelische Krankenhausverband, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und die Ecclesia Versicherungsdienst GmbH eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, um durch sie eine eigenständige Zertifizierung der Krankenhäuser im konfessionellen Bereich zu verwirklichen1. 2. Strukturveränderungen ohne oder durch Wechsel des Rechtsträgers
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Strukturveränderungen können darin bestehen, dass bei Wahrung der rechtlichen Einheit ein Betrieb oder Betriebsteil der Einrichtung stillgelegt, verlegt oder gespalten wird oder dass ein Betrieb oder Betriebsteil mit einem anderen Betrieb zusammengeschlossen wird. Die Mitarbeitervertretung ist bei derartigen Betriebsänderungen zu beteiligen (vgl. für den Bereich der evangelischen Kirche § 46 Buchst. a MVG.EKD, für die katholische Kirche § 29 Abs. 1 Nr. 17 MAVO). Für Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den Arbeitnehmern dadurch entstehen, hat sie sogar ein Mitbestimmungsrecht (vgl. für den Bereich der evangelischen Kirche § 40 Buchst. f MVG.EKD, für die katholische Kirche § 36 Abs. 1 Nr. 11 MAVO).
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Von diesen Betriebsänderungen zu unterscheiden sind die Übertragung eines Betriebs oder Betriebsteils durch Rechtsgeschäft und Strukturveränderungen, durch die nur oder daneben die rechtlichen Verhältnisse der Einrichtung selbst geändert werden. 3. Übernahme eines Betriebs oder einer Dienststelle a) Übernahme durch eine kirchliche Einrichtung
200
Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt, wer einen Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft übernimmt, in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Diese Vorschrift gilt auch, wenn der Erwerber eine kirchliche Einrichtung ist. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts steht ihrer Anwendung nicht entgegen; denn die kirchliche Einrichtung ist nicht gezwungen, den 1 Vgl. proCum Cert GmbH: Denkanstöße – für eine eigenständige Zertifizierung konfessioneller Einrichtungen und Werke (1999).
1350
Richardi
VIII. Strukturveränderungen
Rz. 204 Teil 14
Betrieb oder Betriebsteil zu übernehmen, sondern sie entscheidet darüber freiwillig aufgrund eines Rechtsgeschäfts. Dabei kommt es hier nicht darauf an, dass mit dem Rechtsgeschäft in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht die Willenserklärung als causa des Betriebsinhaberwechsels gemeint ist. Die Bestimmung gilt vielmehr für den Fall, dass ein anderer durch den Einsatz des rechtsgeschäftlichen Instrumentariums die tatsächliche Dispositionsmöglichkeit über eine arbeitstechnische Organisationseinheit erhält, so dass er an Stelle des Arbeitgebers die betriebliche Leitungsmacht ausübt. Bei einem Betriebsinhaberwechsel wird das Arbeitsverhältnis mit dem 201 neuen Betriebsinhaber fortgesetzt. Da nur der Vertragspartner ausgewechselt wird, tritt keine Änderung des Vertragsinhalts ein. Der Arbeitnehmer muss es aber hinnehmen, dass er mit der Erbringung seiner Dienstleistung einem anderen Arbeitgeber dient. Er kann dies nur verhindern, wenn er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB widerspricht1. Da § 613a BGB zum Schutz der von einem Betriebsinhaberwechsel betrof- 202 fenen Arbeitnehmer zwingendes Recht ist, kann durch Vertrag zwischen dem bisherigen und dem neuen Betriebsinhaber der Übergang eines Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen werden. Da der Erwerb des Betriebs oder Betriebsteils freiwillig erfolgt, kann auch aus der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nicht abgeleitet werden, dass eine kirchliche Einrichtung nur die Arbeitnehmer übernehmen muss, die den kirchlichen Anforderungen entsprechen. § 613a BGB wäre völlig ausgeschaltet, wollte man dem kirchlichen Betriebserwerber ein besonderes Auswahlrecht zugestehen. b) Auswirkungen auf die Vertragsrechtsstellung des Arbeitnehmers Das Arbeitsverhältnis geht mit dem bisherigen Vertragsinhalt auf den Erwerber des Betriebs oder Betriebsteils über. Das gilt auch, wenn der neue Arbeitgeber den mit ihm begründeten Arbeitsverhältnissen eine andere Vertragsordnung zugrunde legt. § 613a Abs. 1 Satz 3 findet keine Anwendung.
203
Auch wenn der rechtsgeschäftlich festgelegte Vertragsinhalt derselbe bleibt, kann er sich bei dem neuen Arbeitgeber verschieden auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Nur ein der Kirche zugeordneter Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer kirchenspezifische Rechtsbindungen auferlegen. Diese entfallen daher beim Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen nichtkirchlichen Betriebsinhaber. Daraus kann aber nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass sie entstehen, wenn ein nichtkirchlicher Rechtsträger den Betrieb oder Betriebsteil auf einen der Kirche zugeordneten Rechtsträger überträgt2. Bei Übergang eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes verbietet das Grundrecht der Religionsfreiheit diese
204
1 Vgl. dazu Hauck, NZA-Beilage 1/2009, S. 18 ff. 2 So aber Hanau/Thüsing, KuR 2000, 165 (168 ff.) = 350, S. 93 (96 ff.). Richardi
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Teil 14
Rz. 205
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Schlussfolgerung. Es bedarf der vertragsrechtlichen Legitimation, dass die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis in eine kirchliche Dienstgemeinschaft eingebettet sind. Wer durch Rechtsgeschäft in den kirchlichen Dienst tritt, geht eine in Selbstbestimmung getroffene Bindung ein, durch die versprochene Dienstleistung daran mitzuwirken, dass die Kirche ihren religiös bestimmten Auftrag in der Welt wahrnimmt. Eine derartige rechtsgeschäftlich begründete Bindung fehlt aber, wenn jemand kraft Gesetzes Arbeitnehmer einer kirchlichen Einrichtung wird. 205
Auch wenn dieser Unterschied nicht in Frage gestellt wird, sollen übernommene Arbeitnehmer doch abgestuft den spezifischen Loyalitätsobliegenheiten unterliegen, die bei einem kirchlichen Arbeitgeber gelten1. So soll zwar auch bei leitenden Arbeitnehmern, wie einem Chefarzt, nicht auf einen Verstoß gegen die kirchliche Lebensordnung zurückgegriffen werden können, der vor dem Betriebsübergang stattfand, auch wenn wie bei einer Wiederverheiratung der fortbestehende Zustand im Widerspruch zum Kirchenrecht stehe; es soll aber ein Verstoß nach Betriebsübergang „im Grundsatz durchaus eine Kündigung rechtfertigen können“2. Diese Differenzierung führt im Ergebnis dazu, dass der Arbeitnehmer sich der Geltung kirchenspezifischer Loyalitätsobliegenheiten nur durch die Preisgabe seines Arbeitsplatzes entziehen kann, der ihm durch § 613a BGB geschützt werden soll.
206
Beim Übergang des Arbeitsverhältnisses muss ein Arbeitnehmer nur die Auswirkungen hinnehmen, wie sie bei einem Betriebsinhaberwechsel außerhalb des kirchlichen Dienstes eintreten. Der neue Betriebsinhaber erhält keine den Vertragsinhalt übersteigende Regelungsbefugnis zur Auferlegung kirchenspezifischer Rechtsbindungen. Es fällt in sein Risiko, ob er bei einer Betriebsübernahme mit der vorhandenen Belegschaft den Auftrag der Kirche erfüllen kann. Der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses hat nur insoweit seinen Preis, als der Arbeitnehmer den Betriebsübergang hinnehmen muss, wenn er nicht sein Widerspruchsrecht ausübt. Deshalb muss er respektieren, dass sein neuer Arbeitgeber mit der Einrichtung einen Auftrag der Kirche erfüllt. c) Übernahme einer kirchlichen Einrichtung durch einen anderen kirchlichen Rechtsträger
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Für die Übernahme einer kirchlichen Einrichtung durch Rechtsgeschäft gilt wie für die Übernahme eines nichtkirchlichen Betriebs § 613a BGB. Kein Tatbestand der rechtsgeschäftlichen Übertragung liegt vor, wenn der Rechtsträger innerhalb der verfassten Kirche durch Kirchengesetz oder anderes hoheitliches Verwaltungshandeln wechselt3. Soweit die Voraussetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, gelten dieselben Loyalitätsobliegenheiten, wenn der Erwerber derselben Kirche zugeordnet ist. Ein Unterschied 1 Hanau/Thüsing, KuR 2000, 165 (169 f.) = 350, S. 93 (97 f.). 2 Hanau/Thüsing, KuR 2000, 165 (169) = 350, S. 93 (97). 3 v. Campenhausen, FS Richardi, 2007, S. 861 ff.
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Richardi
VIII. Strukturveränderungen
Rz. 209 Teil 14
besteht jedoch für die Weitergeltung bei Konfessionsverschiedenheit. Bei einem Wechsel zur evangelischen Kirche entfallen nur die Beschäftigungsanforderungen, die nach ihrem Inhalt ausschließlich für die katholische Kirche gelten. Bei einem Wechsel zur katholischen Kirche muss hingenommen werden, dass die gesetzlich übergegangenen Arbeitnehmer nur zu beachten haben, was bisher für sie den Inhalt des Arbeitsverhältnisses geprägt hat. 4. Umwandlungen Von den Strukturveränderungen ohne Wechsel des Rechtsträgers oder mit durch rechtsgeschäfliche Übertragung herbeigeführtem Wechsel des Rechtsträgers sind die Strukturveränderungen zu unterscheiden, die man rechtstechnisch als Umwandlung bezeichnet. Für sie gilt das Umwandlungsgesetz, das primär ein gesellschaftsrechtliches Gesetz ist. Die in ihm geregelten Formen einer Umwandlung kann auch ein kirchlicher Rechtsträger nutzen.
208
a) Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft Deshalb besteht die Möglichkeit, einen Nebenbetrieb (zB Krankenhaus- 209 wäscherei, Küche) von einer Einrichtung abzuspalten, indem der Rechtsträger das dem Nebenbetrieb gewidmete Vermögen als Gesamtheit auf bestehende oder dadurch gegründete neue Rechtsträger überträgt (§ 123 Abs. 2 UmwG). Staatskirchenrechtlich ist anerkannt, dass die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts den Kirchen gewährleistet, sich auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen, um ihren Auftrag in der Welt zu erfüllen, ohne dass dadurch die Zugehörigkeit zur Kirche aufgehoben wird1. Entsprechend besteht daher auch die Möglichkeit, durch die Wahl der Rechtsform einer GmbH unter Festlegung einer Zuständigkeit für bestimmte Bereiche die Haftung zu beschränken. Dadurch wird zwar eine rechtlich verselbständigte Organisations- und Wirkungseinheit geschaffen, aber allein durch die Wahl der Rechtsform einer GmbH nicht die Zuordnung zur Kirche aufgehoben. Die GmbH ist „nur um der Haftungsbeschränkung willen vermögensrechtlich als juristische Person gegenüber den Gesellschaftern verselbständigt“2. Die Zuordnung zur Kirche richtet sich deshalb nach dem Status der Gesellschafter. Deren Weisungsbefugnis, die für die GmbH als Rechtsfigur von kardinaler Bedeutung ist, sichert, dass keine Abspaltung von der Kirche eintritt3. Bei einer Aktiengesellschaft ist dagegen zu berücksichtigen, dass Satzungsautonomie nur nach Maßgabe des Gesetzes besteht (§ 23 Abs. 5 AktG).
1 BVerfGE 53, 366 (392); 57, 220 (243); 70, 138 (163 f., 165). 2 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. I/2, 1983, S. 62. 3 Vgl. Richardi, FS Jobst-Hubertus Bauer, 2010, S. 859 (863). Richardi
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Teil 14
Rz. 210
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
b) Zusammenschluss mit einem anderen kirchlichen Rechtsträger 210
Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn zur Erzielung von Synergieeffekten eine kirchliche Einrichtung mit einer anderen Einrichtung verschmolzen wird. Sind die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger der Kirche zugeordnet, so bleibt das kirchliche Arbeitsrecht uneingeschränkt anwendbar.
211
Wenn dagegen der eine Rechtsträger der katholischen, der andere Rechtsträger der evangelischen Kirche zugeordnet ist, bedarf der Klärung, welcher Kirche der neue Rechtsträger zugeordnet werden soll; denn die Besonderheit der kirchlichen Ordnung beruht auf Kirchengesetzen. Ein evangelischkatholisches Kirchenarbeitsrecht gibt es nicht1. Es besteht daher prinzipiell kein Unterschied zur Verschmelzung mit einem nichtkirchlichen Rechtsträger. Allerdings ist es möglich, dass auch in letzterem Fall die Zuordnung zur Kirche gewahrt bleibt2. 5. Leiharbeit im kirchlichen Dienst
212
Für den Einsatz von Leiharbeitnehmern im kirchlichen Dienst gilt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Es gehört zu dem für alle geltenden Gesetz, das im Sinne von Art. 137 Abs. 3 WRV dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken setzt. Doch sind kirchenrechtliche Modifikationen zu beachten. Das gilt insbesondere für die Mitbestimmung bei der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung; denn § 14 Abs. 3 AÜG beschränkt sich auf die Anordnung, dass der Betriebsrat nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist. Für die evangelische Kirche gilt die Bestimmung aber entsprechend; es handelt sich um eine Einstellung iSd. § 42 Buchst. a MVG.EKD3. Gleiches gilt nicht für das Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche; denn das Zustimmungsverweigerungsrecht der Mitarbeitervertretung bezieht sich nach § 34 Abs. 1 MAVO auf die „Einstellung und Anstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, Leiharbeitskräfte sind aber nach § 3 Abs. 1 Satz 2 MAVO keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iS dieser Ordnung4. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern ist jedoch wie der von Ein-Euro-Jobbern Gegenstand des der Mitarbeitervertretung eingeräumten Rechts der Anhörung und Mitberatung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 MAVO.
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Weitergehende Grenzen für die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern können sich aus dem Kirchenrecht ergeben. Der Kirchengerichtshof der EKD hat in dem Beschluss vom 9.10.20065 erkannt, dass eine auf Dauer angelegte Beschäftigung von Leiharbeitnehmern, insbesondere eine Substitution 1 So zutreffend Rüfner, KuR 2005, 11 (20) = 230, S. 1 (10); Thüsing, FS Listl, 2004, S. 11 ff. 2 Vgl. BAG v. 31.7.2002 AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 70. 3 KGH.EKD v. 9.10.2006, NZA 2007, 761 ff.; bereits VerwG EKD v. 5.6.1997, ZMV 1998, 136 f. 4 KAGH v. 30.11.2006 – M 01/06 (Rz. 19), ZMV 2007, 79 (80 f.). 5 NZA 2007, 761 ff.
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Richardi
VIII. Strukturveränderungen
Rz. 215 Teil 14
von Mitarbeitern durch Leiharbeitnehmer, mit dem Kirchenarbeitsrecht nicht vereinbar ist; sie widerspreche dem kirchlichen Grundsatz des Leitbildes von der Dienstgemeinschaft1. Hier muss man aber differenzieren: Handelt es sich um eine von kirchli- 214 chen Einrichtungen gegründete Gesellschaft zur Arbeitnehmerüberlassung, um einen flexiblen Personaleinsatz zu ermöglichen, so bleibt eine derartige Tochtergesellschaft der Kirche zugeordnet, muss aber auch das kirchliche Arbeitsrecht anwenden2. Für die katholische Kirche bleibt es daher bei der Geltung des Art. 7 GrOkathK. Wenn man im Gegensatz zum hier vertretenen Standpunkt eine Gleichwertigkeit der Regelungswerke des „Dritten Weges“ mit den Tarifverträgen ablehnt3, müssen die Verleihunternehmen die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gewähren, wenn man von dem Fall des zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmers für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen absieht (§ 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 AÜG). Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, auf einen Tarifvertrag zurückzugreifen, scheidet aus, weil zum einen offen ist, ob kirchliche Einrichtungen überhaupt unter den Geltungsbereich derartiger Tarifverträge fallen, zum anderen aber auch deshalb, weil kirchengesetzlich festgelegt ist, dass wegen der Einheit des kirchlichen Dienstes und der Dienstgemeinschaft als Strukturprinzip des kirchlichen Arbeitsrechts kirchliche Dienststellen keine Tarifverträge abschließen (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 GrOkathK). Wird dagegen die Erfüllung von Betriebsaufgaben von der kirchlichen Ein- 215 richtung durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern wahrgenommen, deren Vertragsarbeitgeber nicht der Kirche zugeordnet ist, so bleibt das Leitbild einer kirchlichen Dienstgemeinschaft nur erhalten, wenn sowohl die Zahl der Leiharbeitnehmer begrenzt ist als auch ihr Einsatz für den Regelfall nur einen kurzfristigen Beschäftigungsbedarf überbrückt, es also um Vertretungsfälle infolge von Urlaub oder Krankheit oder um die Abdeckung eines kurzfristigen Spitzenbedarfs geht4. Da die Leiharbeitskräfte hier nicht in einer Vertragsbeziehung zur kirchlichen Einrichtung als Arbeitgeber stehen, ist die Geltung der kirchenspezifischen Loyalitätsobliegenheiten nicht gewährleistet. Ein dauerhafter Einsatz zerstört die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Einrichtung, ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche zu erfüllen. Daher gilt auch für katholische Kirche die Erkenntnis des Kirchengerichtshofs der EKD, dass – eine auf Dauer angelegte Beschäftigung
1 Zustimmend Baumann-Czichon, AuR 2007, 362 f.; kritisch Heinig, ZevKR 54 (2009), 62 ff. 2 Ebenso Joussen, KuR 2009, 1 (18 f.). 3 Ausführlich zur Problematik der Anerkennung einer Gleichwertigkeit Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 5. Aufl. 2009, § 15 Rn. 3 ff. 4 Ebenso, wenn auch ohne die hier gezogene Grenze zu kirchlichen Arbeitszeitunternehmen KGH.EKD v. 9.10.2006, NZA 2007, 861 ff.; weiterhin KGH.EKD v. 2.4.2008, ZMV 2009, 39 f.; vgl. auch Thüsing, FS Richardi, 2007, S. 989 (996 ff.); Joussen, KuR 2009, 1 ff. Richardi
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Teil 14
Rz. 216
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
von Leiharbeitnehmern, insbesondere eine Substitution von Mitarbeitern durch Leiharbeitnehmer mit dem Kirchenarbeitsrecht nicht vereinbar ist.
IX. Gerichtsschutz bei Rechtsstreitigkeiten 1. Rechtsweg a) Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zur Entscheidung im Urteilsverfahren 216
Handelt es sich um Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, so entscheidet über sie das Arbeitsgericht im Urteilsverfahren (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 ArbGG). Für die katholische Kirche wird dies durch Art. 10 Abs. 1 GrOkathK ausdrücklich klargestellt. Das gilt auch, wenn die Entscheidung von der Anwendung des kirchlichen Rechts abhängt; denn die Zuständigkeit richtet sich danach, ob nach dem Streitgegenstand eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.
217
Soweit nach den kirchlichen Arbeitsvertragsordnungen Dienstgeber und Mitarbeiter verpflichtet sind, bei Meinungsverschiedenheiten aus dem Arbeitsverhältnis zunächst eine kirchliche Schlichtungsstelle anzurufen (so nach § 22 Abs. 1 AVR Caritasverband), wird dadurch kein Prozesshindernis begründet, das den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit versperrt. Das gilt erst recht, wenn nur festgelegt wird, dass Dienstgeber und Mitarbeiter zunächst die Schlichtungsstelle anrufen können (so zB § 44 AVR Diakonisches Werk)1.
218
Die Arbeitsgerichte müssen, soweit sie zuständig sind, das kirchliche Recht anwenden, wenn von ihm die Entscheidung der Rechtsstreitigkeit abhängt. Sie haben daher insoweit die Kompetenz zur Inzidentkontrolle2. Diese Befugnis besteht nur dann nicht, wenn durch Kirchengesetz festgelegt ist, dass zur Klärung der Vorfrage ein kirchliches Gericht zuständig ist. Solange diese Möglichkeit nicht besteht, haben die staatlichen Gerichte die Vorfragenkompetenz, müssen also selbst die Inzidentkontrolle vornehmen. Sie können ihre Entscheidung nicht von der Anrufung eines kirchlichen Gerichts abhängig machen.
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Bei Geltendmachung eines Verstoßes gegen kirchenspezifische Loyalitätsobliegenheiten ergibt sich eine Modifikation aus dem Beschluss des BVerfG vom 4.6.1985, der die staatlichen Arbeitsgerichte verpflichtet, in 1 BAG v. 26.5.1993, AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 3; bestätigt durch BAG v. 18.5.1999 AP ArbGG 1979 § 4 Nr. 1. 2 Ebenso BAG v. 11.11.2008, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 51 (Rz. 9); bei einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Nichtbeachtung von Art. 5 Abs. 1 GrOkathK BAG v. 16.9.1999, AP GrO Kath. Kirche Art. 4 Nr. 1; bei einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung für die Prüfung, ob der Arbeitgeber die Mitarbeitervertretung beteiligt hat, BAG v. 31.1.1991, PersR 1992, 478 ff.; v. 16.10.1991, ZMV 1992, 247 ff.; v. 21.5.1992 — 2 AZR 49/92; LAG Düsseldorf NZA 1991, 600; zur Frage, ob der Arbeitnehmer als Mitarbeiter iSd. MAVO anzusehen ist, BAG v. 10.12.1992, AP GG Art. 140 Nr. 41; v. 26.7.1995, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 20.
1356
Richardi
IX. Gerichtsschutz bei Rechtsstreitigkeiten
Rz. 221 Teil 14
den Angelegenheiten, die unter das Selbstbestimmungsrecht fallen, die von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäbe heranzuziehen1. Dabei sei „in Zweifelsfällen durch entsprechende gerichtliche Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden aufzuklären“, ob und inwieweit kirchliche Vorgaben, die der Entscheidung zugrunde zu legen seien, „den anerkannten Maßstäben der verfassten Kirchen Rechnung tragen“. b) Kircheneigene Rechtskontrolle bei Streitigkeiten aus dem kollektiven Arbeitsrecht Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts durch Art. 140 GG 220 iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV umfasst mit der Kompetenz zur Rechtsetzung in eigenen Angelegenheiten die Befugnis zur Kontrolle des selbst gesetzten Rechts. Streitigkeiten über Gestaltung und Anwendung des kircheneigenen Arbeitsrechtsregelungsverfahrens und der kirchlichen Mitarbeitervertretungsgesetze sind keine Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, über die das staatliche Arbeitsgericht im Urteilsverfahren entscheidet (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 ArbGG). Für eine Streitigkeit über die Rechtsposition innerhalb des kircheneigenen „Dritten Weges“ oder des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts ist daher der Rechtsweg zu den staatlichen Arbeitsgerichten verschlossen, wie das BAG mehrfach festgestellt hat2. Damit war die Frage nach der Rechtsweggarantie für den kirchlichen Bereich aufgeworfen. Auch das BVerfG hatte erwogen, ob entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung die Kirchen nicht auch dort, wo es primär um ihre eigenen Angelegenheiten gehe, „zumindest an einen Kernbestand der vom Grundgesetz normierten Grundprinzipien“ gebunden seien3. Darauf wies das BAG ausdrücklich hin; es meinte aber, diese Frage offen lassen zu können, weil die in der Mitarbeitervertretungsordnung zur Entscheidung von Mitbestimmungsstreitigkeiten vorgesehene Schlichtungsstelle als kirchliches Gericht anzusehen sei, das rechtsstaatlichen Anforderungen genüge4. Entscheidend sei, dass „die in den Mitarbeitervertretungsordnungen vorgesehenen Schlichtungsstellen aus der Sicht des Staatskirchenrechts auch als besondere kirchliche Gerichte tätig werden“5. Dennoch war es für die Sicherung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts völlig unbefriedigend, dass staatskirchenrechtlich Anerkennung fand, was nach Kirchenrecht nicht vorgesehen war. 2. Gerichtsbarkeit in der evangelischen Kirche a) Aufbau und Zuständigkeit Die Evangelische Kirche in Deutschland hat ihre Gerichtsbarkeit durch 221 Kirchengesetz vom 6.11.2003 (ABl. EKD S. 408) neu geordnet. Die bisher in unterschiedlichen Kirchengesetzen geregelten Zweige (Schiedsgerichtshof, 1 2 3 4 5
BVerfGE 70, 138 (168). BAG v. 11.3.1986, 25.4.1989 und 9.9.1992 AP GG Art. 140 Nr. 25, 34 und 40. BVerfG v. 12.2.1981 – 1 BvR 576/77, ZevKR 26 (1981), 382, 384. BAG v. 25.4.1989, AP GG Art. 140 Nr. 34. BAG v. 25.4.1989, AP GG Art. 140 Nr. 34 – Hervorhebung vom BAG. Richardi
1357
Teil 14
Rz. 222
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Disziplinargerichte sowie Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten) wurden zusammengefasst. Die Gerichtsbarkeit gliedert sich in den Verfassungsgerichtshof der EKD, das Kirchengericht der EKD als Kirchengericht erster Instanz und den Kirchengerichtshof der EKD als Kirchengericht zweiter Instanz. Für die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen ist vor allem von Bedeutung, dass das Kirchengericht der EKD über Streitigkeiten aus der Anwendung des Mitarbeitervertretungsgesetzes entscheidet; denn für sie findet wegen der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht statt. Es gelten die Vorschriften des Mitarbeitervertretungsgesetzes (MVG.EKD); die Vorschriften des Kirchengerichtsgesetzes finden nur ergänzend Anwendung (§ 29 KiGG.EKD). Die Kirchenverfassung im Bereich der evangelischen Kirche hat allerdings zur Folge, dass das Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD (MVG.EKD) nicht von allen Gliedkirchen übernommen wurde. 222
Mit der Neuordnung ihrer Kirchengerichtsbarkeit hat die EKD in § 56 Satz 1 MVG.EKD festgelegt, dass an die Stelle der Schlichtungsstellen für kirchengerichtliche Entscheidungen die Kirchengerichte in erster Instanz treten, und an die Stelle des Verwaltungsgerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten ist der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dessen Senaten für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten getreten. Allerdings ist den Gliedkirchen gestattet, die Bezeichnung der Kirchengerichte erster Instanz abweichend zu regeln (§ 56 Satz 2 MVG.EKD). Davon wurde reichlich Gebrauch gemacht, so dass die Schlichtungsstellen bzw. Schiedsstellen ihre alten Bezeichnungen behielten1.
223
Soweit das Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG.EKD) Anwendung findet, entscheiden die Kirchengerichte auf Antrag, unbeschadet der Rechte des Mitarbeiters über „alle Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung dieses Kirchengesetzes zwischen den jeweils Beteiligten ergeben“. Bei ihnen handelt es sich nicht nur um Rechtsstreitigkeiten, sondern auch um Regelungs- und Interessensstreitigkeiten, soweit im Verfahren der Mitbestimmung keine Einigung erzielt wird. Diese Besonderheit ändert aber nichts daran, dass es sich um Kirchengerichte handelt. Sie bestehen aus einer oder mehreren Kammern. Ihre Vorsitzenden müssen die Befähigung zum Richteramt nach staatlichem Recht haben. Selbst wenn es nur um eine Regelungs- oder Interessensstreitigkeit geht, können die am Mitbestimmungsstreit beteiligten Personen nicht Mitglieder des Kirchengerichts sein; denn die richterliche Unabhängigkeit erstreckt sich auf die beisitzenden Mitglieder, die paritätisch von der Mitarbeiter- und der Dienstgeberseite berufen worden sind. Darin liegt ein Unterschied zur Praxis der Besetzung der Einigungsstellen nach dem staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht. Dort ist es üblich, dass die Beteiligten eines Mitbestimmungsstreits zugleich die Beisitzer in den Einigungsstellen sind, so dass 1 Vgl. http: www.ekd.de/download/schlichtungsstellen.
1358
Richardi
IX. Gerichtsschutz bei Rechtsstreitigkeiten
Rz. 228 Teil 14
rechtstatsächlich dem Vorsitzenden der Einigungsstelle die Entscheidungskompetenz zufällt. b) Verfahren im ersten Rechtszug Soweit die Kirchengerichte zuständig sind (§ 60 MVG.EKD), können sie, 224 wenn keine besondere Frist festgelegt ist, innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis einer Maßnahme oder eines Rechtsverstoßes angerufen werden (§ 61 Abs. 1 MVG.EKD). Der Vorsitzende der Kammer hat zunächst durch Verhandlung mit den Beteiligten unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (§ 61 Abs. 2 und 3 MVG.EKD). Gelingt keine gütliche Einigung, so entscheidet die Kammer durch Beschluss (§ 61 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 bis 8 MVG.EKD). Möglich ist, dass im Einvernehmen der Beteiligten der Vorsitzende der Kammer allein entscheidet (§ 61 Abs. 2 Satz 3 MVG.EKD). Soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, finden die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren entsprechende Anwendung (§ 62 MVG.EKD).
225
c) Verfahren im zweiten Rechtszug Gegen die Beschlüsse der Kirchengerichte findet die Beschwerde an den Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland statt (§ 63 Abs. 1 MVG.EKD). Bei ihm sind zwei der fünf Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten zur Entscheidung berufen (vgl. § 2 Verordnung über die Kammern und Senate bei den Kirchengerichten der EKD vom 6.11.2003, ABl. EKD S. 408). Der Kirchengerichtshof der EKD ist keine bloße Revisionsinstanz, sondern eine volle zweite Tatsacheninstanz. Es finden daher nicht die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über die Rechtsbeschwerde, sondern die über die Beschwerde im Beschlussverfahren entsprechende Anwendung (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD).
226
3. Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung der katholischen Kirche a) Sonderregelung der kirchlichen Gerichtsbarkeit aufgrund eines Mandats des Heiligen Stuhls Die katholische Kirche bestimmt in ihrer am 22.9.1993 von der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedeten „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“, dass für Entscheidungen von Rechtsstreitigkeiten auf den Gebieten der kirchlichen Ordnungen für ein Arbeitsvertragsrecht (KODA-Ordnung) und des Mitarbeitervertretungsrechts zur Gewährleistung eines gerichtlichen Rechtsschutzes unabhängige kirchliche Gerichte gebildet werden (Art. 10 Abs. 2). Die Grundordnung gilt als von allen Bischöfen in Kraft gesetztes diözesanes Gesetz.
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Die katholische Kirche in Deutschland ist in ihrer rechtlichen Verfassung Teil der Weltkirche. Deren Ordnung bestimmt daher kirchenrechtlich die
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Teil 14
Rz. 229
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
Befugnis zur Gesetzgebung. Die zuständige Apostolische Signatur gab am 18.2.2003 in einem Votum des Obersten Gerichtshofs die Empfehlung, ein Mandat nach can. 455 § 1 CIC zum Erlass einer Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung durch die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zu beantragen, so dass auf dieser Rechtsgrundlage interdiözesane Gerichte erster Instanz und als kirchliches Arbeitsgericht zweiter Instanz für Deutschland der Kirchliche Arbeitsgerichtshof errichtet werden können. Nach Beantragung, die dem Staatssekretariat des Heiligen Stuhls am 23.1.2004 zuging, hat der Papst am 17.3.2004 die Erteilung eines besonderen Mandats genehmigt, damit die Bischofskonferenz die Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung als Gesetz erlassen konnte. Das geschah durch Beschluss vom 21.9.2004. Die Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) trat am 1.7.2005 in Kraft. b) Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen 229
Die Gerichtsbarkeit in kirchlichen Arbeitssachen wird in erster Instanz durch Kirchliche Arbeitsgerichte und in zweiter Instanz durch den Kirchlichen Arbeitsgerichtshof ausgeübt (§ 1). Die kirchlichen Gerichte sind für Streitgegenstände aus zwei Bereichen zur Entscheidung berufen: für Rechtsstreitigkeiten aus dem Recht der nach Art. 7 GrO gebildeten Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts („Dritter Weg“) und für Rechtsstreitigkeiten aus der Mitarbeitervertretungsordnung (§ 2 Abs. 1 und 2). Eine Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis ist, wie § 2 Abs. 3 KAGO ausdrücklich klarstellt, nicht gegeben; denn insoweit ergibt sich aus der Abgrenzung des Streitgegenstands, dass die staatlichen Arbeitsgerichte zuständig sind, die im Rahmen ihrer Kompetenz zur Inzidentkontrolle das kirchliche Recht anwenden müssen, wenn von ihm die Entscheidung der Rechtsstreitigkeit abhängt. Um Missverständnissen entgegenzutreten, bestimmt § 2 Abs. 4, dass ein besonderes Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit von kirchlichen Rechtsnormen (Normenkontrollverfahren) nicht stattfindet. c) Aufbau der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen
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Für jedes Bistum/Erzbistum wird ein Kirchliches Arbeitsgericht als Gericht erster Instanz errichtet (§ 14 Abs. 1 KAGO). Möglich ist allerdings, dass durch Vereinbarung der Diözesanbischöfe ein gemeinsames Kirchliches Arbeitsgericht als Gericht erster Instanz errichtet wird, wobei dem gemeinsamen Kirchlichen Arbeitsgericht nur die Zuständigkeit als KODAGericht übertragen werden kann (§ 14 Abs. 2 KAGO). Ein gemeinsames Gericht für KODA- und MAVO-Streitigkeiten haben die bayerischen Diözesen (Augsburg, Bamberg, Eichstätt, München, Passau, Regensburg, Würzburg) gebildet. Gleiches gilt für den Bereich Nord-Ost: (Erz-)Diözesen Berlin, Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz, Hamburg, Hildesheim, Magdeburg, Osnabrück, Münster (oldenburgischer Teil). Nur KODA-Streitigkeiten sind einem gemeinsamen Gericht zugewiesen in Nordrhein-Westfalen
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IX. Gerichtsschutz bei Rechtsstreitigkeiten
Rz. 234 Teil 14
für die (Erz-)Diözesen Aachen, Essen, Köln, Münster (nordrhein-westfälischer Teil), Paderborn. Das Kirchliche Arbeitsgericht entscheidet in der Besetzung mit dem Vor- 231 sitzenden, einem beisitzenden Richter aus den Kreisen der Dienstgeber und einem beisitzenden Richter aus den Kreisen der Mitarbeiter. Es gilt also das Kammerprinzip (§ 16 Abs. 2 KAGO). Zum Richter kann ernannt werden, wer katholisch ist und nicht in der Ausübung der allen Kirchenmitgliedern zustehenden Rechte behindert ist sowie die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für das kirchliche Gemeinwohl eintritt (§ 18 Abs. 1 KAGO), wobei für den Vorsitzenden (und den stellvertretenden Vorsitzenden) zusätzlich verlangt wird, dass er die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz besitzt; er darf weder einen anderen kirchlichen Dienst als den des Richters beruflich ausüben noch dem Leitungsorgan einer kirchlichen Körperschaft oder eines anderen Trägers einer kirchlichen Einrichtung angehören und soll Erfahrung auf dem Gebiet des kanonischen Rechts und Berufserfahrung im Arbeitsrecht oder Personalwesen haben (§ 18 Abs. 2 KAGO). Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Kirchlichen Arbeitsgerichts werden vom Bischof bzw. Erzbischof für die Dauer von fünf Jahren ernannt (§ 19 KAGO). Für die Bistümer im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz wird als kirchliches Arbeitsgericht zweiter Instanz der Kirchliche Arbeitsgerichtshof mit Sitz in Bonn errichtet (§ 21 KAGO). Er besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, einem Mitglied mit der Befähigung zum staatlichen Richteramt (§ 5 DRiG) und dessen Stellvertreter, einem Mitglied mit der Befähigung zum kirchlichen Richteramt (can. 1421 § 3 CIC) und dessen Stellvertreter, sechs beisitzenden Richtern aus den Kreisen der Dienstgeber, drei beisitzenden Richtern aus den Kreisen der Mitarbeitervertretungen sowie drei beisitzenden Richtern aus dem Kreis der KODA-Mitarbeiterseite.
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Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof entscheidet in der Besetzung mit dem Präsidenten, den beiden Mitgliedern mit der Befähigung zum Richteramt, einem beisitzenden Richter aus den Kreisen der Dienstgeber und einem beisitzenden Richter aus den Kreisen der Mitarbeiter (§ 22 Abs. 2 KAGO). Es gilt also das Senatsprinzip. Sind der Präsident oder ein Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt an der Ausübung ihres Amtes gehindert, treten an deren Stelle der Vizepräsident bzw. die jeweiligen Stellvertreter (§ 22 Abs. 3 KAGO).
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Für die Rechtsstellung der Richter und deren Ernennungsvoraussetzungen gilt Gleiches wie für die Kirchlichen Arbeitsgerichte erster Instanz. Der Präsident und die weiteren Mitglieder mit der Befähigung zum Richteramt werden auf Vorschlag des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz von deren Vorsitzenden für die Dauer von fünf Jahren ernannt (§ 25 KAGO).
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Teil 14
Rz. 235
Besonderheiten des kirchlichen Dienstes
d) Verfahren vor den Kirchlichen Arbeitsgerichten 235
Auf das Verfahren vor den Kirchlichen Arbeitsgerichten im ersten Rechtszug finden grundsätzlich die Vorschriften des staatlichen Arbeitsgerichtsgesetzes über das Urteilsverfahren in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung (§ 27 KAGO). Es wird also nicht auf das Beschlussverfahren verwiesen; die Endentscheidungen ergehen deshalb durch Urteil (§ 43 KAGO). Der Unterschied zum Beschlussverfahren fällt allerdings nicht erheblich ins Gewicht, weil gemäß § 80 Abs. 2 ArbGG auf das Beschlussverfahren die für das Urteilsverfahren maßgebenden Vorschriften Anwendung finden, soweit sich aus §§ 81 bis 84 ArbGG nichts anders ergibt. Für die kirchliche Gerichtsbarkeit ergibt sich eine Angleichung aus den in § 7 KAGO festgelegten Verfahrensgrundsätzen. In ihnen wie in anderen Vorschriften wird auf den Begriff des Beteiligten abgestellt. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 KAGO erforscht das Gericht – wie gemäß § 83 Abs. 1 ArbGG – den Sachverhalt von Amts wegen.
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Das Verfahren vor den Kirchlichen Arbeitsgerichten wird durch Erhebung der Klage eingeleitet (§ 28 Satz 1 KAGO). Sie ist nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein, oder wenn er eine Verletzung von Rechten eines Organs, dem er angehört, geltend macht (§ 10 KAGO). Obwohl davon die Rede ist, dass die Klage den Kläger, den Beklagten sowie den Streitgegenstand bezeichnen und die Gründe für die Klage enthalten muss (§ 28 Satz 2 KAGO), wird die Anlehnung an die Regelung des Beschlussverfahrens im staatlichen Arbeitsgerichtsgesetz auch dadurch sichtbar, dass hier ausführlich festgelegt ist, wer in den Rechtsstreitigkeiten Verfahrensbeteiligter ist (§ 8 KAGO). Das kirchliche Gesetz kennt also den Begriff des Beteiligten. Wie nach § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG haben die am Verfahren Beteiligten an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 7 Abs. 3 Satz 2 KAGO).
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Die Beteiligten, also auch der Kläger, können vor den kirchlichen Gerichten für Arbeitssachen den Rechtsstreit selbst führen oder sich von einer sach- und rechtskundigen Person vertreten lassen (§ 11 KAGO). Soweit es um die Prozessvertretung geht, entspricht die Bestimmung nicht § 11 ArbGG.
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Wie für das Beschlussverfahren vor den staatlichen Arbeitsgerichten werden im Verfahren vor den kirchlichen Gerichten für Arbeitssachen Gebühren nicht erhoben (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KAGO). Die Bestimmung ist hier enger als in § 2 Abs. 2 GKG, wo generell bestimmt ist, dass Kosten nicht erhoben werden, also weder gerichtliche Gebühren noch gerichtliche Auslagen. Das kirchliche Gericht entscheidet aber durch Urteil, ob Auslagen gemäß den KODA-Ordnungen und den mitarbeitervertretungsrechtlichen Vorschriften erstattet werden und wer diese zu tragen hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 KAGO).
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IX. Gerichtsschutz bei Rechtsstreitigkeiten
Rz. 242 Teil 14
e) Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgerichtshof Gegen das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts findet die Revision an 239 den Kirchlichen Arbeitsgerichtshof statt, wenn sie in dem Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts zugelassen worden ist (§ 47 Abs. 1 KAGO). Das Modell ist die Regelung in § 72 ArbGG, die auch für die Rechtsbeschwerde im Beschlussverfahren gilt (§ 92 ArbGG). Die Voraussetzungen, unter denen die Revision zuzulassen ist, regelt § 47 Abs. 2 KAGO in Anlehnung an § 72 Abs. 2 ArbGG. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 48 KAGO). Sie ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzulegen. Die Bestimmung weicht insoweit von § 72a ArbGG ab, nach dem die Beschwerde beim BAG einzulegen ist. Wird aber der Beschwerde nicht abgeholfen, so entscheidet der Kirchliche Arbeitsgerichtshof über die Nichtzulassungsbeschwerde. Gibt er der Beschwerde statt, so ist die Revision zulässig; es fehlt eine dem § 72a Abs. 6 ArbGG entsprechende Bestimmung, nach der das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt wird. Die Revision ist deshalb auch in diesem Fall bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, einzulegen, wobei die Frist auch gewahrt ist, wenn die Revision beim Kirchlichen Arbeitsgerichtshof eingelegt wird. Wie der Kirchliche Arbeitsgerichtshof über die Revision zu entscheiden 240 hat, regelt § 51 KAGO. Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie der Kirchliche Arbeitsgerichtshof ohne Mitwirkung der beisitzenden Richter durch Beschluss; ist sie unbegründet, so weist er sie durch Urteil zurück. Ist die Revision begründet, so kann der Kirchliche Arbeitsgerichtshof entweder in der Sache selbst entscheiden oder das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. f) Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen Die Kirche gewährleistet nicht nur gerichtlichen Rechtsschutz, sondern si- 241 chert auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten, dass den gerichtlichen Entscheidungen Folge geleistet wird. Wenn ein Beteiligter rechtskräftig zu einer Leistung verpflichtet wird, so hat er dem Gericht zu berichten, dass er die ihm auferlegte Verpflichtung erfüllt hat (§ 53 Abs. 1 KAGO). Kommt er der Berichtspflicht nicht fristgerecht nach, so fordert der Vorsitzende des Gerichts ihn auf, die Verpflichtungen unverzüglich zu erfüllen; bleibt die Aufforderung erfolglos, so ersucht das Gericht den kirchlichen Vorgesetzten des verpflichteten Beteiligten um Vollstreckungshilfe (§ 53 Abs. 2 KAGO). Bleiben die Maßnahmen erfolglos, so kann das Gericht auf Antrag gegen den säumigen Beteiligten eine Geldbuße bis zu 2500 Euro verhängen und anordnen, dass die Entscheidung des Gerichts unter Nennung der Verfahrensbeteiligten im Amtsblatt des für den säumigen Beteiligten zuständigen Bistums zu veröffentlichen ist (§ 53 Abs. 3 KAGO).
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Teil 15 Verfahrensrecht Rz. I. Abgrenzung Arbeits-/Verwaltungsgerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansprüche auf Einstellung in den bzw. auf Beförderung/ Höhergruppierung im öffentlichen Dienst. . . . . . . . . . . . 3. Geltendmachung von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berufung auf (sonstige) öffentlich-rechtliche Rechtsnormen . . 5. Verfahren zur Rechtswegbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorfragenkompetenz . . . . . . . . . .
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II. Urteils-/Beschlussverfahren . . . .
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III. Konkurrentenklage . . . . . . . . . . . . 1. Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prüfungsmaßstab und richterliche Kontrollbefugnis . . . . . . . d) Darlegungs- und Beweislast . .
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Rz. e) Aktenbeiziehung . . . . . . . . . . . . . f) Beteiligung des ausgewählten Bewerbers am Verfahren . . . . . . . g) Bindung an die Rechtsauffassung des Gerichts. . . . . . . . . . . h) Erledigung der Hauptsache . . . . . 2. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfügungsanspruch . . . . . . . . . . . d) Verfügungsgrund. . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenanordnung? . . . . . . . . . . f) Entscheidung mit oder ohne mündliche Verhandlung . . . . . . . g) Beteiligung des ausgewählten Bewerbers am Verfahren . . . . . . . h) Verfahrensanforderungen aufgrund des Gebotes zur effektiven Rechtsschutzgewährung. . . . aa) Terminierung und vorbereitende Maßnahmen . . . . . . . . . bb) Richterliche Kontrolldichte .
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Schrifttum: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl. 2008; Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblatt, Zimmerling, Arbeitsrechtliche Konkurrentenklage und Eingruppierungsklage im öffentlichen Dienst, 1999.
I. Abgrenzung Arbeits-/Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Problemstellung Obwohl es sich beim Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst um eine Spezial- 1 materie des Arbeitsrechts handelt und obwohl das Arbeitsgerichtsgesetz in seinen §§ 2 und 2a Regelungen im Hinblick auf eine ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte enthält, kann es Fallgestaltungen geben, bei denen zweifelhaft ist, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten oder den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Dies beruht darauf, dass der Hauptanknüpfungspunkt des § 2 ArbGG der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeit ist, der mit dem Begriff der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit in § 40 Abs. 1 VwGO korrespondiert. Wenn eine Rechtsstreitigkeit bürgerlicher Art ist, gehört sie jedenfalls nicht vor die Verwaltungsgerichte, sondern vor die Arbeitsgerichte, wenn am Rechtsverhältnis Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligt sind. Wenn am Rechtsverhältnis Arbeitnehmer und
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Teil 15
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Verfahrensrecht
Arbeitgeber beteiligt sind, kann jedoch zweifelhaft sein, ob es sich um eine bürgerliche oder um eine öffentlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit handelt. 2
Die praktische Bedeutung einer solchen Abgrenzungsproblematik ist allerdings heutzutage geringer als früher. Denn durch die Einfügung der §§ 17a und 17b in das Gerichtsverfassungsgesetz mit Wirkung ab 1. Januar 1991, auf die sowohl § 48 ArbGG (mit Modifikationen) als auch § 173 VwGO jeweils für ihre Gerichtsbarkeit verweisen, ist ausgeschlossen, dass ein Kläger nach Führung des Rechtsstreits durch mehrere Instanzen in der letzten Instanz bescheinigt bekommt, dass die Klage wegen Wahl des falschen Rechtsweges unzulässig ist, oder dass kein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg bejaht, so dass der Kläger vergeblich gerichtlichen Rechtsschutz begehrt. Insbesondere die Bestimmung des § 17a Abs. 2 GVG gewährleistet, dass die Anrufung des Gerichts des falschen Rechtswegs nicht mehr zur Klageabweisung führen kann, sondern bestenfalls zur Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs. Der Verweisungsbeschluss ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend1. Außerdem bleiben die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen (§ 17b Abs. 1 Satz 2 GVG), was insbesondere Auswirkungen auf die Wahrung von Fristen und die Hemmung der Verjährung hat. Der Kläger hat jedoch eventuelle Mehrkosten, die durch die Wahl des falschen Rechtswegs entstanden sind, zu tragen.
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Die Möglichkeit der Rechtswegverweisung besteht auch für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes2.
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Zweifel, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten oder den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, bestehen zB dann, wenn um die Einstellung in den öffentlichen Dienst, das Unterlassungsbegehren, den ausgewählten Bewerber als Beamten einzustellen bzw. zu befördern, oder um eine Beförderung/ Höhergruppierung innerhalb des öffentlichen Dienstes gestritten wird. Der Zweifel rührt vor allem daher, dass das klägerische Begehren in der Regel auf Art. 33 Abs. 2 GG, also eine grundrechtsgleiche Rechtsnorm3, gestützt wird. Nimmt man den Gesichtspunkt hinzu, dass Klagegegner in der Regel ein Träger öffentlicher Gewalt, also Bund, Land oder Kommune ist, dann liegt eigentlich die klassische Konstellation für die Annahme eines öffent-
1 Diese Rechtsfolge kann man sich bei Zweifeln über den richtigen Rechtsweg in der Weise zunutze machen, dass man zunächst das Gericht anruft, von dem man annimmt, dass es den Rechtsweg zu sich für nicht eröffnet hält, so dass es voraussichtlich den Rechtsstreit an das vom Kläger für zulässig gehaltene Gericht verweist. Dieses hat dann keine Möglichkeit mehr, den Rechtsstreit weiter zu verweisen. 2 Zöller/Gummer, ZPO, Vorbemerkung zu §§ 17 bis 17b GVG Rz. 12 mit zahlreichen Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung der verschiedenen Gerichtszweige; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 48 Rz. 17 mwN. 3 So § 90 BVerfGG, der die Verfassungsbeschwerde nicht nur für die Grundrechte der Art. 1 bis 19 GG, sondern auch für weitere Rechte außerhalb des Grundrechtskatalogs, so auch Art. 33 GG, ermöglicht; siehe auch oben Teil 2 Rz. 2.
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I. Abgrenzung Arbeits-/Verwaltungsgerichtsbarkeit
Rz. 7 Teil 15
lich-rechtlichen Rechtsverhältnisses vor (s. Rz. 6 ff.). Ähnliche Fragestellungen bestehen, wenn Ansprüche wegen Verletzung von Grundrechten, insbesondere des Gleichbehandlungsgrundsatzes unter Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 1 GG (s. Rz. 11 f.), sowie Ansprüche aus den Gleichstellungsgesetzen des Bundes oder der Länder, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)1 oder aus dem Rechtsverhältnis von Dienstordnungs-Angestellten2 gegen einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes vor Gericht geltend gemacht werden (s. Rz. 13). Die Bezugnahme auf eine Norm des Grundgesetzes sowie der Umstand der 5 Beteiligung eines Trägers der öffentlichen Gewalt am Rechtsverhältnis genügen aber allein nicht, um die Annahme zu begründen, es gehe um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. 2. Ansprüche auf Einstellung in den bzw. auf Beförderung/Höhergruppierung im öffentlichen Dienst Rechtsgrundlage für solche Ansprüche ist der sog. Bewerbungsverfahrens- 6 anspruch (oben Teil 2 Rz. 18). Da dieser aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleitet wird, könnte es sich um ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis handeln, weil die Grundrechte bzw. grundrechtsgleichen Rechte in der Regel die Rechte des Bürgers gegenüber dem öffentlich-rechtlich handelnden Staat abgrenzen. Dennoch handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, wenn ein 7 Arbeitnehmer seine Rechte im Zusammenhang mit einer Einstellung oder Höhergruppierung im öffentlichen Dienst durchzusetzen versucht. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt nämlich dann vor, wenn die Parteien über Rechtsfolgen oder Rechtsverhältnisse streiten, die dem Privatrecht angehören3. Dies ist dann der Fall, wenn der für den Streitgegenstand maßgebliche Sachverhalt dem Privatrecht zuzuordnen ist4. Maßgebend hierfür ist die rechtliche Natur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt5.
1 Dieses Gesetz ist sowohl auf Arbeitsverhältnisse als auch auf Beamtenverhältnisse einschließlich hierauf bezogene Bewerbungssituationen anwendbar (s. §§ 6, 24 AGG). 2 Zum Begriff vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 124. Der Dienstordnungs-Angestellte ist ein Arbeitnehmer, dessen Rechtsverhältnis in wesentlichen Punkten durch Verbandssatzungsrecht, das in vielfacher Weise dem Beamtenrecht angenähert ist, geregelt ist. 3 Zöller/Gummer, ZPO, § 13 GVG Rz. 13; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 2 Rz. 9. 4 Zöller/Gummer, ZPO, § 13 GVG Rz. 13; Matthes, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 2 Rz. 9. 5 Zöller/Gummer, ZPO, § 13 GVG Rz. 11, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung der verschiedenen Gerichtszweige; Matthes, in: Germelmann/ Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 2 Rz. 9. Hauck-Scholz
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Verfahrensrecht
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Auf den Theorienstreit zur Abgrenzung von öffentlichem und Privatrecht1 kommt es nicht an. Denn wenn das Rechtsverhältnis maßgeblich durch das Begehren des Klägers geprägt ist, in den öffentlichen Dienst eingestellt zu werden, ist die Auswahl der denkbaren Beschäftigungsverhältnisse für den Kläger begrenzt: es kommen nur das Arbeitsverhältnis oder das Beamtenverhältnis in Betracht2. Da das eine dem Privatrecht (Arbeitsrecht) zugeordnet ist und das andere dem öffentlichen Recht (Beamtenrecht), ist es sachgerecht, die Rechtswegbestimmung davon abhängig zu machen, ob der Kläger letztendlich seine Beschäftigung als Angestellter oder als Beamter anstrebt3. Dies gilt sowohl für den Fall, dass der Arbeitgeber die zu besetzende Stelle als Beamtenstelle ausgeschrieben, der Kläger aber – zB aus Altersgründen – nicht verbeamtet werden kann und deswegen die Einstellung als Angestellter anstrebt, als auch für den Fall, dass der Arbeitgeber die Stelle zur alternativen Besetzung als Angestellter oder als Beamter ausgeschrieben hat, so dass sich der Kläger mit seiner Bewerbung entscheiden muss, welche Art des Beschäftigungsverhältnisses er anstrebt4.
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Wünscht ein Arbeitnehmer seine Höhergruppierung im öffentlichen Dienst, dann strebt er die Durchsetzung eines Anspruches aus einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis an. Es handelt sich somit um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG.
10 Ein Sonderproblem besteht, wenn – insbesondere im gerichtlichen Eilverfahren – ein Bewerber, der eine Einstellung in ein Arbeitsverhältnis be1 Vgl. hierzu Zöller/Gummer, ZPO, § 13 GVG Rz. 15 bis 19; Ehlers, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rz. 220 bis 238. 2 Besondere Fallkonstellationen sind allerdings denkbar, zB das Begehren auf Erteilung eines – in der Regel als öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besonderer Art ausgestalteten – Lehrauftrags an einer Hochschule oder die Einstellung als sog. Dienstordnungs-Angestellter bei einem Sozialversicherungsträger, was nur noch im Bereich der Unfallversicherung möglich ist (vgl. § 358 RVO einerseits, § 144 SGB VII andererseits). 3 Ebenso Walker, Verfahrensrechtliche Aspekte der arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage, FS Söllner, 1999, S. 1231 (1235); Zimmerling, Recht im Amt 2002, 165 (167); Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rz. 1347. Obergerichtliche Rechtsprechung hierzu gibt es nur vereinzelt, weil in der Regel die Bestimmung des § 17a Abs. 5 GVG durchgreift, zB OVG Koblenz v. 30.6.1997 – 2 B 11653/97, NVwZ-RR 1999, 51; OVG Münster v. 13.5.2004 – 1 B 300/04, NVwZ-RR 2004, 771. Für die Zeit vor seinem Inkrafttreten (1.1.1991) vgl. BVerwG v. 25.3.1982 – 2 C 30/79, NVwZ 1983, 220 = ZBR 1983, 275, das ebenfalls auf die Rechtsnatur des angestrebten Rechtsverhältnisses (Ausbildungsvertrag privatrechtlicher Art) abstellt. 4 Lässt dies der Kläger offen, weil er diese Entscheidung dem Arbeitgeber überlassen will, wird er spätestens, wenn er sich gegen eine für ihn nachteilige Auswahlentscheidung zur Wehr setzen will, festlegen müssen, welches Beschäftigungsverhältnis er anstrebt und welcher Rechtsweg daher zu wählen ist. Verfolgt der Kläger parallel sowohl die Einstellung als Beamter als auch die Einstellung als Angestellter, muss er zwei verschiedene Gerichtsverfahren – beim Arbeitsgericht und beim Verwaltungsgericht – anstrengen, denen die Einrede der Rechtshängigkeit nicht entgegengehalten werden kann, weil es sich um zwei verschiedene Rechtsverhältnisse handelt. Das Problem, dass der Kläger, falls er obsiegt, die betreffende Stelle nur einmal, und zwar entweder als Angestellter oder als Beamter, erhalten kann, ist ein materiellrechtliches, kein prozessuales.
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I. Abgrenzung Arbeits-/Verwaltungsgerichtsbarkeit
Rz. 11 Teil 15
gehrt, zur Sicherung seines Einstellungsanspruches die Unterlassung des Arbeitgebers begehrt, die Stelle mit dem ausgewählten Bewerber durch Ernennung zum Beamten zu besetzen. Die Überlegung, die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses werde dadurch bestimmt, dass die Unterlassung eines Verwaltungsaktes (Ernennung zum Beamten) begehrt werde, so dass von einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis auszugehen sei1, verkennt, dass es sich bei dem Unterlassungsbegehren um eine Sicherungsmaßnahme zum eigentlichen Begehren2, nämlich als Angestellter im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden, handelt3. Dies gilt auch dann, wenn der im gerichtlichen Eilverfahren gestellte Antrag allein auf Unterlassung der Ernennung – und nicht etwa auch auf die eigene Einstellung im Arbeitsverhältnis – gerichtet ist. Denn für die Rechtsnatur des streitigen Rechtsverhältnisses ist vor allem der vorgetragene Sachverhalt im Rahmen des gestellten Antrags von Bedeutung; aus diesem lässt sich aber in der Regel entnehmen, dass das Unterlassungsbegehren, das eine verfassungsrechtliche Grundlage hat4, verfahrensrechtlich lediglich Sicherungsmaßnahme zum Erhalt des eigentlichen Hauptsacheanspruchs (§ 938 BGB) ist. Der Hauptsacheanspruch bestimmt aber die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses. 3. Geltendmachung von Grundrechten Das für die Rechtswegbestimmung zugrunde liegende Rechtsverhältnis 11 wird nicht dadurch zu einem öffentlich-rechtlichen, dass das klägerische Begehren auf ein Grundrecht oder eine grundrechtsgleiche Position wie etwa Art. 33 Abs. 2 GG gestützt wird. Dies beruht darauf, dass die Grundrechte nicht nur die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat regeln, sondern auch die Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern untereinander nach Maßgabe des Schutzbereichs des jeweiligen Grundrechts und der hieraus ableitbaren Schutzpflichten5. Infolgedessen kann aus der Tatsache, dass der Inhalt eines Rechtsverhältnisses von einem Grundrecht beeinflusst wird, kein Rückschluss auf die Rechtsnatur dieses Rechtsverhältnisses gezogen werden. Des Weiteren wird die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses nicht dadurch verändert, dass für die Klärung der Rechtslage auch öffentlich-rechtliche Vorschriften heranzuziehen oder öffentlich-rechtliche
1 So Zimmerling, S. 8 (Rz. 11 bis 13). 2 Den Unterlassungsanspruch leitet das BAG (U. v. 22.6.1999 – 9 AZR 541/98, AP GG Art. 33 Nr. 49; U. v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG aus dem Prinzip der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ab, das eine analoge Anwendung des § 1004 BGB gebiete. 3 Ebenso Walker, Verfahrensrechtliche Aspekte der arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage, in: Festschr. für Söllner, 1999, 231 (1238) mwN. So jetzt auch Zimmerling, RiA 2002, 165 (167). 4 Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, s. dazu BAG v. 22.5.1999 – 9 AZR 541/98, AP GG Art. 33 Nr. 49; v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57. 5 Sachs, GG, vor Art. 1 Rz. 32, Art. 1 Rz. 111. Hauck-Scholz
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Vorfragen zu klären sind. Vielmehr kommt es auf diejenigen Rechtssätze an, die für das Rechtsverhältnis prägend sind1. 12 Schließlich wird im Falle der angestrebten Einstellung als Angestellter der Arbeitsrechtsweg nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Arbeitgeber eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist. Denn auch öffentlich-rechtliche Körperschaften können an einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis beteiligt sein2. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Körperschaft als Arbeitgeber an einem Arbeitsrechtsverhältnis beteiligt ist oder beteiligt werden soll3. 4. Berufung auf (sonstige) öffentlich-rechtliche Rechtsnormen 13 Die vorstehend unter Rz. 11 f. genannten Grundsätze gelten auch, wenn das Rechtsverhältnis von den Bestimmungen der Gleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder sowie von Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beeinflusst wird oder Ansprüche hieraus abgeleitet werden. Dasselbe gilt für die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse der Dienstordnungs-Angestellten durch öffentlich-rechtliches Satzungsrecht. 5. Verfahren zur Rechtswegbestimmung 14 Das Verfahren bei Zweifeln hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtswegs ist in § 17a GVG geregelt. Diese Bestimmung ist für die Verwaltungsgerichtsbarkeit gem. § 173 VwGO und für die Arbeitsgerichtsbarkeit gemäß § 48 ArbGG anwendbar. Da es insoweit keine Besonderheiten für den öffentlichen Dienst gibt, kann auf die hierzu vorliegende Rechtsprechung und Literatur verwiesen werden. 6. Vorfragenkompetenz 15 Nach § 17 Abs. 2 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies gilt auch für solche rechtlichen Fragestellungen, die – würden sie die Rechtsnatur des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses prägen – den eingeschlagenen Rechtsweg unzulässig machen würden. Die Prüfungskompetenz und Prüfungspflicht des Gerichtes finden ihre Grenze nicht mehr am Rechtsweg4. Daher sind die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit gehalten, eventuelle arbeitsrechtliche Vorfragen ebenso zu prüfen wie umgekehrt die Gerichte der Arbeitsgerichte öffentlich-rechtliche Vorfragen. Durch § 17 Abs. 2 GVG ist also eine Rechtsprechung „aus einer Hand“ gewährleistet und damit vermieden, dass wegen solcher Vorfragen das Gericht eines anderen Rechtsweges angerufen und der anhängi1 Matthes, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 2 Rz. 9 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. 2 Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wie sich aus § 4 EGZPO ergibt. 3 Matthes, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 2 Rz. 58. Dies lässt sich auch aus § 6 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 AGG ableiten. 4 Zöller/Gummer, ZPO, § 17 GVG Rz. 5.
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II. Urteils-/Beschlussverfahren
Rz. 19 Teil 15
ge Rechtsstreit einstweilen ausgesetzt werden muss. Die umfassende Prüfungskompetenz des zulässigerweise angerufenen Gerichts hat allerdings den Nachteil, dass sehr spezielle Vorfragen möglicherweise von einem Gericht beantwortet werden müssen, das für die betreffende Rechtsmaterie nicht spezialisiert ist. Die richterliche Vorfragenkompetenz gilt jedoch nicht unbegrenzt. Zum ei- 16 nen enthält § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG bereits eine Grenze, die sich aus Rechtswegzuweisungen des Grundgesetzes zugunsten der ordentliche Gerichtsbarkeit ergeben (Art. 14 Abs. 3 Satz 4, 34 Satz 3 GG). Eine weitere Grenze ergibt sich aus Art. 100 Abs. 1 GG und den entsprechenden Regelungen der Landesverfassungen. Das sog. richterliche Prüfungsrecht, das sich auf die Vereinbarkeit von anzuwendendem Recht mit höherrangigem Recht bezieht, ist unter den Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG bzw. – unter den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Voraussetzungen – den Landesverfassungsgerichten vorbehalten. In allen diesen Fällen geht es um Gesetze im formellen Sinne, die also durch ein Parlament beschlossen wurden. Dagegen gibt es ein Verwerfungsmonopol der Verfassungsgerichtsbarkeit bei Rechtsnormen im Range unter dem formellen Gesetz nicht. Hier gilt das richterliche Prüfungsrecht unbegrenzt. Geht es um die Auslegung und Anwendung von europäischem Recht, sind 17 die Regelungen zum sog. Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV1 zu beachten. Eine Vorlagepflicht zum Europäischen Gerichtshof besteht für die oberen Bundesgerichte; eine willkürliche Verletzung dieser Vorlagepflicht stellt eine Verletzung des „gesetzlichen Richters“ iSv. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann2. Dagegen sind die Instanzgerichte gem. Art. 267 AEUV im Falle der Auslegung und Anwendung von europäischem Recht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht verpflichtet; diese steht vielmehr im Ermessen des Gerichts. Da es auch bei diesen Fragestellungen keine Besonderheiten für das Ar- 18 beitsrecht im öffentlichen Dienst gibt, kann bezüglich der Auslegung des § 17 Abs. 2 GVG, des Art. 100 Abs. 1 GG und der entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie des Art. 267 AEUV auf die einschlägige Rechtsprechung und Literatur verwiesen werden.
II. Urteils-/Beschlussverfahren Das Arbeitsgerichtsgesetz unterscheidet zwischen dem Urteilsverfahren und dem Beschlussverfahren (§§ 2, 2a ArbGG). Abgrenzungsprobleme zwischen diesen beiden Verfahrensarten können sich aus Streitigkeiten um die Rechtsstellung von Mitgliedern von Betriebs-/Personalräten, der Schwerbehindertenvertretung, der Vertrauensperson der Soldaten und der Zivildienstleistenden ergeben. Besonderheiten für das Arbeitsrecht des öffent1 Früher Art. 234 EGV. 2 BVerfGE 73, 339 (366 ff.); 75, 223; 82, 159 (194 ff.). Hauck-Scholz
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Rz. 20
Verfahrensrecht
lichen Dienstes bestehen hier nicht. Da aufgrund entsprechender Verweisung im Bundespersonalvertretungsgesetz und den Personalvertretungsgesetzen der Länder auch für personalvertretungsrechtliche Streitigkeiten die Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes für das Beschlussverfahren Anwendung finden, kann auf die Ausführungen unter Teil 9 verwiesen werden.
III. Konkurrentenklage 1. Hauptsacheverfahren a) Allgemeines 20 Mit dem Begriff der „Konkurrentenklage“ wird das prozessuale Vorgehen einer Person bezeichnet, die mit ihrer Bewerbung um eine Stelle im öffentlichen Dienst, sei es im Beamtenverhältnis oder im Arbeitsverhältnis, erfolglos war. Hierzu gehören auch diejenigen Fälle, bei denen es um die Höhergruppierung/Beförderung einer bereits eingestellten Person geht. Alle diese Fallgestaltungen haben gemeinsam, dass dem unterlegenen Bewerber eine andere Person, nämlich der „Dritte“, vorgezogen wurde. Dieser Dritte ist insofern faktisch am Rechtsverhältnis beteiligt, als zwischen ihm und dem unterlegenen Bewerber eine „Alles-oder-nichts“-Beziehung besteht. Die betreffende (Beförderungs-)Stelle kann nur einer von beiden erhalten; gerichtliche Entscheidungen zugunsten des einen stellen sich zugleich als Entscheidungen zulasten des anderen dar. Dies gilt jedenfalls für alle diejenigen Fälle, in denen mit der endgültigen Vergabe der streitbefangenen Stelle die Möglichkeit des unterlegenen Bewerbers entfällt, die betreffende Stelle selbst zu erhalten, selbst wenn die Vergabeentscheidung rechtswidrig war. 21 Diese besondere Konstellation führt dazu, dass im Mittelpunkt der Gewährung von effektivem Rechtsschutz das Eilverfahren (unten Rz. 52 ff.) steht, weil nur durch eine für den unterlegenen Bewerber positive einstweilige Verfügung bzw. einstweilige Anordnung das Eintreten vollendeter Tatsachen im Hinblick auf die weitere Verfügbarkeit der streitbefangenen Stelle verhindert werden kann. Es bedurfte allerdings erst der Rechtsprechung des BVerfG, um die notwendigen Rechtsfolgen im Hinblick auf die Gewährung von effektivem Rechtsschutz für das gerichtliche Eilverfahren zu ziehen1. 22 Die arbeitsrechtliche Konkurrentenklage spielt im Gegensatz zur beamtenrechtlichen Konkurrentenklage nach wie vor eine untergeordnete Rolle, obwohl sie vom BAG bereits seit längerer Zeit anerkannt ist. Dies mag darauf beruhen, dass es bei der beamtenrechtlichen Konkurrentenklage in al1 BVerfGE 97, 298 (315); BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02, ZBR 2002, 427 = NVwZ 2003, 200; v. 29.7.2003 – 2 BvR 311/03, NVwZ 2004, 95 = ZBR 2004, 45; v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = Recht im Amt 2008, 26; BVerwG v. 21.8.2003 – 2 C 14.02, BVerwGE 118, 370 (373) = ZBR 2004, 101 = NJW 2004, 870 = DVBl. 2004, 317.
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III. Konkurrentenklage
Rz. 23 Teil 15
ler Regel um Beförderungsämter geht, bezüglich derer Rechtsschutz für Beamte in der Regel nur über eine Konkurrentenklage zu erreichen ist, während Angestellten, wenn sie bereits beim Dienstherrn beschäftigt sind, beim Streit um höherwertige Stellen zusätzlich die Möglichkeit der Eingruppierungsfeststellungsklage offen steht1, falls die übertragenen Tätigkeiten feststehen oder gerade darüber gestritten wird, welche Tätigkeiten dem Angestellten übertragen sind. Denn jede Höhergruppierung setzt nach geltendem Tarifrecht für den öffentlichen Dienst die Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit, die eine entsprechende Eingruppierung zulässt2, voraus. Das Eingruppierungsrecht unterliegt in vollem Umfang der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Hingegen erfordert die Beförderung eines Beamten grundsätzlich zunächst die Verfügbarkeit einer höher bewerteten Planstelle. Für höher bewertete Planstellen bestimmt § 25 BBesG, dass Beförderungsämter nur eingerichtet werden dürfen, wenn sie sich von den Ämtern der niedrigeren Besoldungsgruppe nach der Wertigkeit der zugeordneten Funktionen wesentlich abheben. Da die Einrichtung von Ämtern, also auch von Beförderungsämtern, die Einrichtung einer entsprechenden Planstelle voraussetzt, die dem Haushaltsgesetzgeber vorbehalten ist, und da die Bewertung von Dienstposten zur gerichtlich nicht überprüfbaren Organisationsfreiheit des Dienstherrn gehört (oben Teil 2 Rz. 41), setzt der Rechtsschutz auf der Grundlage des Art. 33 Abs. 2 GG erst ein, wenn sich der Dienstherr entschließt, die betreffende Stelle einzurichten und zu besetzen. Die dem Angestellten mögliche Argumentation, wegen der Übertragung höher bewerteter Tätigkeiten, stehe ihm die höhere Vergütungsgruppe/Entgeltgruppe zu, ist dem Beamten gerade verwehrt. Die bloße Übertragung eines höher bewerteten Dienstpostens löst keinen Anspruch auf Beförderung aus. Demzufolge spielt die arbeitsrechtliche Konkurrentenklage vor allem dann 23 eine Rolle, wenn es um die Neubesetzung einer freien Stelle geht. Auch wenn sich hierauf sog. Hausbewerber mit einer niedrigeren Vergütungsgruppe bewerben, können sich diese auf die tarifliche Eingruppierungsautomatik deswegen nicht berufen, weil ihnen die höherwertigen Tätigkeiten, die mit der neuen Stelle verbunden sind, erst in Verbindung mit der Höhergruppierung übertragen werden sollen. Allerdings ist die Konkurrentenklage zur Besetzung vom Beamtenstellen sehr viel verbreiteter als für die Besetzung von Arbeitnehmerstellen. Das mag daran liegen, dass die Möglichkeit der Konkurrentenklage auch für Arbeitnehmerstellen noch nicht ins allgemeine Bewusstsein gelangt ist.
1 Vgl. BAG v. 24.1.2007 – 4 AZR 629/06, BAGE 121, 91 = NZA-RR 2007, 608. 2 Es gilt das Prinzip der Eingruppierungsautomatik (vgl. § 22 BAT, der trotz Ablösung des BAT durch den TVöD bzw. den TV-L übergangsweise fortgilt): Aus der Übertragung einer bestimmten Tätigkeit folgt zwingend und ohne zwischengeschalteten Willensakt des Arbeitgebers die zugehörige Vergütungsgruppe bzw. Entgeltgruppe. Hauck-Scholz
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Teil 15
Rz. 24
Verfahrensrecht
b) Klageantrag 24 Der angestrebte Rechtsschutz orientiert sich am klägerischen Begehren, das wiederum im Klageantrag seinen Ausdruck findet. Welche Klageanträge sinnvoll und zulässig sind, bestimmt sich nach dem materiellen Recht. 25 Wenn Ziel der Konkurrentenklage ist, die streitbefangene Stelle übertragen zu bekommen, setzt dies einen entsprechenden Rechtsanspruch voraus (oben Teil 2 Rz. 16). Dessen Voraussetzungen werden aber in den seltensten Fällen vorliegen. 26 Wenn der unterlegene Bewerber davon ausgeht, dass die zu seinen Lasten getroffene Auswahlentscheidung rechtswidrig ist, er aber wegen des weiten Beurteilungsspielraums des Arbeitgebers nicht sicher sein kann, dass die einzig rechtmäßige Entscheidung in seiner Auswahl besteht, wird er sinnvollerweise anstreben, seinen Bewerbungsverfahrensanspruch durchzusetzen, der darin besteht, dass der Bewerber um ein öffentliches Amt eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung verlangen kann. Daraus leitet sich konkret der Anspruch des unterlegenen Bewerbers auf eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung sowie auf Unterlassung anderweitiger Stellenbesetzung durch den Arbeitgeber bis zu einer rechtsfehlerfreien neuen Entscheidung ab (oben Teil 2 Rz. 17). 27 Die Durchsetzung eines solchen Begehrens erfordert eine Leistungsklage mit dem Antrag auf Verurteilung des Dienstherrn, über die Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden1. 28 Ein Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Auswahlentscheidung ist zulässig2. Dagegen bedarf die angegriffene Auswahlentscheidung für den Fall ihrer Rechtswidrigkeit – anders als nach § 113 Abs. 5 VwGO – keiner Aufhebung. Vielmehr genügt ein Antrag auf Verurteilung des Dienstherrn, über die Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden3. Mit diesem Antrag soll der Dienstherr zu einer Neuauswahl unter den Bewerbern bzw. einer Wiederholung der Auswahlentscheidung verpflichtet werden4.
1 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59. 2 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59; v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576; die Zulässigkeit der Feststellungsklage wird aus § 256 Abs. 2 ZPO (Zwischenfeststellungsklage) hergeleitet. Jedoch hat das BAG in der letztgenannten Entscheidung klargestellt, dass nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit, nicht aber der Unwirksamkeit der Auswahlentscheidung verlangt werden könne, weil es sich um einen Realakt handele. 3 BAG v. 21.1.2003 – 9 AZR 72/02, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59. 4 BAG v. 22.6.1999 – 9 AZR 541/98, BAGE 92, 112 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 49 = NZA 2000, 606; v. 5.3.1996 – 1 AZR 590/92 (A), BAGE 82, 211 = AP Nr. 226 zu Art. 3 GG; v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 41; v. 2.12.1997 – 9 AZR 445/96, AP GG Art. 33 Nr. 40.
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III. Konkurrentenklage
Rz. 31 Teil 15
Das BAG hat es für zulässig erachtet, einen Antrag auf Verurteilung des Dienstherrn zu stellen,
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die getroffene Auswahlentscheidung zur Besetzung der streitbefangenen Stelle unter Beachtung der Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ermessensfehlerfrei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu wiederholen und über die Bewerbung des Klägers entsprechend Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu entscheiden und es zu unterlassen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500 000 DM oder Ordnungshaft, die streitbefangene Stelle mit einem Konkurrenten des Klägers zu besetzen und/oder die Aufgaben des Dienstpostens an den Konkurrenten zu übertragen, bevor nicht eine erneute Auswahlentscheidung erfolgt ist und ein Zeitraum von zwei Wochen nach Mitteilung an den Kläger über das Auswahlergebnis vergangen ist1. Ebenfalls hat das BAG einen Antrag auf Übertragung der streitbefangenen Stelle als hinreichend bestimmt angesehen. Er bringe nämlich zum Ausdruck, dass der Kläger seine tatsächliche Beschäftigung auf der ausgeschriebenen Stelle anstrebe. Der Klageantrag umfasse damit die vom Arbeitgeber zu schaffenden rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen einschließlich der ggf. erforderlichen Vertragsänderung2.
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Hat der Arbeitgeber das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen (s. hierzu Teil 2 Rz. 65) und will sich ein Bewerber gegen die Abbruchentscheidung wehren, muss er auf Verurteilung zur Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens klagen3. c) Prüfungsmaßstab und richterliche Kontrollbefugnis Klassische Fehler des öffentlichen Arbeitgebers bei Auswahlentscheidun- 31 gen können in der Verletzung der Ausschreibungspflicht (s. Teil 2 Rz. 4 ff.), in einem grundlosen Abbruch eines Auswahlverfahrens (s. Teil 2 Rz. 65), in der Missachtung der Mitwirkungsbefugnisse der Personalvertretung4, der Verwehrung der Einsicht in die Personalakte (s. Teil 2 Rz. 62), der Verletzung des Leistungsprinzips (s. Teil 2 Rz. 74), dem Fehlen eines Anforderungsprofils (s. Teil 2 Rz. 56) sowie im Fehlen einer schriftlichen Niederlegung der maßgeblichen Auswahlerwägungen bestehen (s. Teil 2 Rz. 64). Näheres hierzu auch Rz. 22 ff. und 41 ff.
1 BAG v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57 = NZA 2003, 798. 2 BAG v. 2.12.1997 – 9 AZR 668/96, BAGE 87, 171 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 41 = NZA 1998, 882. 3 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08, NZA 2009, 901 = ZTR 2009, 502. 4 ThürLAG v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZA-RR 1997, 234. Hauck-Scholz
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Rz. 32
Verfahrensrecht
d) Darlegungs- und Beweislast 32 Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Kläger die Darlegungslast für seine Behauptung, sein Bewerbungsverfahrensanspruch sei verletzt1. Er kennt aber in der Regel die Einzelheiten des Ablaufs des Auswahlverfahrens und die Auswahlerwägungen des Arbeitgebers nicht. Hält der Arbeitgeber diese Gründe zurück, kommt der Kläger in eine ausweglose Situation2. Die Rechtsprechung hilft in vergleichbaren Fällen mit einem Auskunftsanspruch, gestützt auf § 242 BGB3. Voraussetzung hierfür ist, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, während der Verpflichtete unschwer Auskunft erteilen kann4. Außerdem kann ein solcher Auskunftsanspruch nur dann gewährt werden, wo auch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast einer Korrektur bedarf5. So liegt es aber hier: aus verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ist eine Modifikation der Darlegungslast geboten6. Ohne eine solche Korrektur würde nämlich allein aus Gründen des gerichtlichen Verfahrensrechtes (Darlegungs- und Beweislast) der Bewerbungsverfahrensanspruch des klagenden Bewerbers nicht durchsetzbar sein. Das eigentliche Anliegen des Klägers, nämlich eine Überprüfung der getroffenen Auswahlentscheidung zu erreichen, würde an einer ihm nicht erfüllbaren Darlegungslast, warum nämlich die getroffene Auswahlentscheidung rechtsfehlerhaft ist, scheitern. Wegen dieses Zusammenhanges zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht würde die Gewährleistung aus Art. 33 Abs. 2 GG leer laufen. Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung von Verfahren, und zwar sowohl des Verwaltungsverfahrens als auch des gerichtlichen Verfahrens, zu bewirken. Denn die Grundrechte beeinflussen nicht nur das gesamte materielle Recht, sondern auch das Verfahrensrecht, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz Bedeutung hat7. 33 Es liegt eine vergleichbare Problemlage wie bei der abgestuften Darlegungsund Beweislast bei einer Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG vor8. 1 Allgemein zum den Zivilprozess und das arbeitsgerichtliche Verfahren beherrschenden Beibringungsgrundsatz Zöller/Greger, ZPO, vor § 128 Rz. 10. 2 Vgl. Kuhla, FS Raue, 2006, S. 173 (185). 3 ThürLAG v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZA-RR 1997, 234, mwN. 4 BAG v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95, AP Nr. 25 zu § 242 BGB Auskunftspflicht = EzA § 242 BGB Auskunftspflicht, Entsch. 5. 5 Vgl. BAG v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht = EzA § 242 BGB, Auskunftspflicht Entsch. 4. 6 ThürLAG v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZA-RR 1997, 234. 7 BVerfGE 84, 34 (45 f.), st. Rspr.; Höfling, ZBR 1999, 73 (74). 8 So auch ThürLAG v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZARR 1997, 234; LAG Nürnberg v. 6.12.2005 – 7 Sa 192/05, NZA-RR 2006, 273 (276). Vgl. ferner Laber, ArbRB 2006, 221 (223). Die von Zimmerling, S. 28 (Rz. 46), vorgenommene Differenzierung zwischen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Fehlern verkennt, dass es bei allen Fehlerarten um dasselbe Problem geht, nämlich die mehr oder minder vorhandene Kenntnis des Klägers über zumeist in-
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III. Konkurrentenklage
Rz. 35 Teil 15
Kommt der Arbeitgeber daher trotz Aufforderung durch den Arbeitnehmer seiner Mitteilungspflicht nicht nach, so ist der Vortrag des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gem. § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen1. Dieses im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren wohl bekannte Prinzip ist aus den angeführten verfassungsrechtlichen Gründen auf die Konkurrentenklage übertragbar. Daraus ergeben sich gewisse Besonderheiten für das Gericht im Hinblick 34 auf die Aufklärung des Sachverhalts: Bereits § 56 Abs. 1 Satz 1 ArbGG legt als Soll-Bestimmung die Pflicht des Vorsitzenden fest, die streitige Verhandlung so vorzubereiten, dass sie möglichst in einem Termin zu Ende geführt werden kann. Hierzu gehört gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG, den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze aufzugeben und ihnen insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte zu setzen. Als Schranke dieser Aufklärungspflicht allgemein gilt das Verbot der Amtsermittlung2. Grundlage für Aufklärungsaktivitäten des Vorsitzenden muss daher stets ein Sachvortrag der Parteien sein, der ergänzungs- bzw. erläuterungsbedürftig ist. Dieser Grundsatz bedarf jedoch bei der Konkurrentenklage einiger Modifikationen. Dabei ist zwischen Hauptsacheverfahren und gerichtlichem Eilverfahren (unten Rz. 59 ff.) zu differenzieren. Der Konkurrentenkläger, der sich gegen eine für ihn nachteilige Auswahl- 35 entscheidung wendet, muss mindestens vortragen, dass und warum die getroffene Auswahlentscheidung rechtswidrig ist und dass bei einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung nicht ausgeschlossen werden kann, dass er ausgewählt worden wäre. Sodann muss er darlegen, dass ihm mangels Kenntnis der Auswahlgründe und insbesondere mangels Kenntnis der Akten des Beklagten über das Auswahlverfahren ein konkreterer Sachvortrag derzeit nicht möglich ist. Ein solcher Sachvortrag erfordert seitens des Gerichts im Rahmen des § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG wegen der nunmehr dem Beklagten obliegenden Darlegungslast, konkret zum Auswahlverfahren und den Auswahlgründen vorzutragen, keine weiteren Aktivitäten (§ 138 Abs. 3 ZPO). In der Praxis der Arbeitsgerichte kommt es jedoch häufig vor, dass die Erwiderung des Dienstherrn lediglich in pauschaler Weise dahingehend erfolgt, die getroffene Auswahlentscheidung sei nicht zu beanstanden, weil der Dienstherr im Rahmen seines Auswahlermessens den bestgeeigneten Bewerber bezüglich der streitbefangenen Stelle ausgewählt habe. Ein solch pauschaler Sachvortrag genügt nicht den Anforderungen, weil ohne Offenlegung der Auswahlgründe in substantiierter und belegter Form eine gerichtliche Überprüfung der Frage der Rechtmäßigkeit der geterne Vorgänge beim beklagten Arbeitgeber. Somit kann eine Differenzierung nur danach erfolgen, wie viele Informationen der Kläger zu den einzelnen Gesichtspunkten besitzt. 1 ThürLAG v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZA-RR 1997, 234; Kuhla, FS Raue, 2006, S. 173 (185). 2 Vgl. Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 56 Rz. 7. Hauck-Scholz
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Rz. 36
Verfahrensrecht
troffenen Auswahlentscheidung und damit effektiver Rechtsschutz nicht möglich ist. Auf eine solche Überprüfung hat der Kläger jedoch einen Rechtsanspruch. Demgemäß ist1 der beklagte Dienstherr durch das Gericht aufzufordern, die notwendige Substantiierung vorzunehmen und insbesondere den Sachvortrag zu belegen. Die wichtigste Unterlage in diesem Zusammenhang sind die Akten, die anlässlich des Auswahlverfahrens entstanden sind, sowie die Personalakten der konkurrierenden Bewerber. Unterlässt der beklagte Dienstherr, der gerichtlichen Auflage bezüglich der Substantiierung seines Verteidigungsvorbringens nachzukommen, ist das Vorbringen des Klägers als unstreitig der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen (§ 138 Abs. 3 ZPO)2. Trägt der beklagte Dienstherr zwar vor, werden aber seine Bewertungen, die zur Auswahlentscheidung geführt haben, nicht oder nur teilweise durch Tatsachen untersetzt, darf sich das Gericht damit nicht begnügen. Entweder das Gericht präzisiert seine Auflage gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG im Hinblick auf die fehlenden Tatsachenbehauptungen des Dienstherrn oder aber es wendet § 138 Abs. 3 ZPO zulasten des Dienstherrn an. 36 Um den Dienstherrn nachdrücklich auf seine Substantiierungspflicht hinzuweisen, empfiehlt es sich, schon mit dem ersten Auflagenbeschluss gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG auf die Möglichkeit der Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO hinzuweisen. Dies erscheint schon im Hinblick auf § 139 Abs. 2 und 3 ZPO (Hinweispflicht des Gerichts) ratsam, zumal eine Verletzung dieser Hinweispflichten ein rechtsmittelfähiger Verfahrensfehler ist. e) Aktenbeiziehung 37 Ungeachtet des zivilprozessualen Beibringungsgrundsatzes, der auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gilt, bestimmt § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ArbGG, dass der Kammervorsitzende, soweit es sachdienlich erscheint, von den Parteien die Vorlegung von Urkunden3 und von Behörden die Mitteilung von Urkunden und die Erteilung amtlicher Auskünfte verlangen soll. Durch seinen Charakter als Soll-Bestimmung unterscheidet sich diese Rechtsnorm von § 142 ZPO, der die entsprechenden Befugnisse lediglich als Kann-Bestimmung ausgestaltet hat. 38 § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ArbGG ist im Lichte des Gebotes effektiver Rechtsschutzgewährung bei Konkurrentenklagen (oben Rz. 32) extensiv auszulegen, sofern der Kläger seinen Bewerbungsverfahrensanspruch einschließlich seines Anspruches auf Auskunftserteilung über die wesentlichen Auswahlgründe schlüssig vorgetragen und auf die vorzulegenden Ak-
1 Auch wenn § 56 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nur eine Soll-Bestimmung ist. 2 Vgl. auch ThürLAG v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZA-RR 1997, 234. 3 Urkunden sind auch Akten, insbesondere auch Personalakten, vgl. Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 56 Rz. 13.
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Rz. 40 Teil 15
III. Konkurrentenklage
ten Bezug genommen hat1. Denn damit hat er, soweit möglich, seiner Darlegungslast genügt. Die Aktenbeiziehung gem. § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ArbGG dient dann der Effektivierung der Dispositionsmaxime in Richtung auf eine Konzentration und Beschleunigung des Prozesses. Soweit es um Personalakten, insbesondere des am Verfahren nicht ohne 39 weiteres beteiligten ausgewählten Bewerbers geht, kann an dem Urteil des BAG vom 20.2.19752 für die Konkurrentenklage nicht festgehalten werden, wonach die Aktenvorlage – offenbar stets – an die Zustimmung des Betroffenen gebunden ist. Wer sich an einem Auswahlverfahren um ein öffentliches Amt iSd. Art. 33 Abs. 2 GG beteiligt, muss wissen, dass der übergangene Bewerber einen Rechtsanspruch auf richterliche Kontrolle der getroffenen Auswahlentscheidung hat. Dadurch wird das Persönlichkeitsrecht aller Beteiligten insofern beschränkt, als zum Zwecke effektiver Rechtsschutzgewährung und zur Erfüllung des Justizgewährungsanspruches durch das Gericht die Akteneinsicht geboten ist. Das Recht der Akteneinsicht steht aufgrund des Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit auch dem konkurrierenden Bewerber (Kläger) zu. Jedoch kann es geboten sein, vergleichbar der Praxis des HessVGH3, die Akteneinsicht nur dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Auflage zu gewähren, dem Kläger selbst die Akteneinsicht nur in den Kanzleiräumen des Prozessbevollmächtigten ohne die Möglichkeit, eigene Kopien zu fertigen, zu gestatten4. f) Beteiligung des ausgewählten Bewerbers am Verfahren Im Gegensatz zum Verwaltungsprozess kennen der Zivilprozess und das arbeitsgerichtliche Verfahren das Rechtsinstitut der Beiladung5 nicht. In 1 Vgl. Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 56 Rz. 9; Zöller/Greger, ZPO, § 142 Rz. 2. Ob auch bei Konkurrentenklagen für die Aufforderung zur Aktenvorlage durch den öffentlichen Dienstherrn verlangt werden kann, dass dieser zuvor den Sachvortrag des Klägers in erheblicher Weise bestritten hat (so aber Germelmann, aaO), dürfte zweifelhaft sein. Denn angesichts des Umstandes, dass der Kläger in der Regel die maßgeblichen Gründe für die getroffene Auswahlentscheidung nicht kennt, wird dessen Sachvortrag zunächst nur in der Behauptung bestehen können, die Auswahlentscheidung sei rechtsfehlerhaft getroffen und er, der Kläger, sei der am besten geeignete Bewerber. Das Gericht kann in solchen Fällen unterstellen, dass der beklagte Dienstherr einen solchen Sachvortrag bestreitet, sonst hätte er die angegriffene Auswahlentscheidung von vornherein zugunsten des Klägers treffen können. 2 BAG v. 20.2.1975 – 2 AZR 534/73, JZ 1975, 737. 3 HessVGH v. 7.10.1993 – 1 TJ 1705/93, NVwZ 1994, 398 = DÖV 1994, 127 = DVBl. 1994, 592. 4 Hierin könnte eine Einschränkung der Rechtsstellung eines Klägers gesehen werden, der sich nicht anwaltlich vertreten lassen möchte, wofür auch Kostengründe – gerade im Hinblick auf die Bestimmung des § 12a ArbGG – sprechen können. Jedoch müssen solche Gesichtspunkte hinter den Anforderungen des Datenschutzes zurücktreten, zumal eine „arme Partei“ die Möglichkeit hat, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu erhalten. 5 Diese ist in § 65 VwGO geregelt. Hiernach kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag andere Personen, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Gem. § 66 VwGO kann der Beigeladene innerhalb der Hauck-Scholz
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Teil 15
Rz. 41
Verfahrensrecht
der Regel hat jedoch der ausgewählte Bewerber ein nicht unerhebliches Interesse am Ausgang der Konkurrentenklage, droht ihm doch, dass der Dienstherr verpflichtet wird, die zu seinen Gunsten getroffene Auswahlentscheidung neu zu treffen und bis dahin nicht zu vollziehen. Zwar ist der ausgewählte Bewerber am Rechtsverhältnis, das zwischen dem unterlegenen Bewerber und dem Dienstherrn aufgrund der Bewerbung des unterlegenen Bewerbers entstanden ist, nicht beteiligt. Jedoch wird der Gegenstand der Konkurrentenklage, nämlich die zu besetzende Stelle, von beiden Konkurrenten beansprucht, obwohl die Stelle nur einmal besetzt werden kann. Hinzu kommt, dass beide Bewerber gleichermaßen den Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG sowie den Anspruch auf effektive Rechtsschutzgewährung für sich geltend machen können. Der beklagte Dienstherr hat das Interesse, dass die zwischen ihm und dem unterlegenen Bewerber ergangene Gerichtsentscheidung ungeachtet der Bestimmung des § 325 ZPO auch im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber verbindlich ist. Denn nur dann ist er gegen widersprechende Entscheidungen, die einerseits der unterlegene Bewerber, andererseits der ausgewählte Bewerber gegen ihn erstreiten, geschützt. 41 Das Institut der Beiladung gem. § 65 VwGO wird sowohl den Interessen des ausgewählten Bewerbers als auch des Dienstherrn gerecht. Denn der beizuladende ausgewählte Bewerber hat alle prozessualen Handlungsmöglichkeiten wie eine Partei, so dass er selbst Einfluss auf den Ausgang der Konkurrentenklage nehmen kann. Die ergangene Gerichtsentscheidung bindet gem. §§ 121 Nr. 1, 63 Nr. 3, 65 VwGO auch den Beigeladenen. 42 Konkurrenzbeziehungen solcher Art sind dem Zivilrecht grundsätzlich fremd. Dies mag erklären, warum ZPO und ArbGG die Beteiligungsmöglichkeiten von Dritten am Rechtsstreit nur rudimentär ausgebaut haben. Insbesondere ist nicht vorgesehen, dass ein Dritter von Amts wegen am Rechtsstreit beteiligt wird. Stets ist vielmehr die Initiative entweder des Dritten oder einer der Parteien erforderlich. Die Möglichkeit, eine solche Initiative zu ergreifen, setzt daher als Minimum die Kenntnis von diesem Rechtsstreit voraus. 43 Diese Kenntnis ist jedenfalls beim beklagten Dienstherrn gegeben, so dass dieser die Möglichkeit hat, im Falle einer Konkurrentenklage dem von ihm ausgewählten Bewerber gem. § 72 ZPO den Streit zu verkünden. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls dann sinnvoll, wenn der Dienstherr erreichen will, dass das Prozessergebnis auch gegenüber dem ausgewählten Bewerber wirkt. Denn nach § 74 Abs. 1 und 2 ZPO entsprechen die Wirkungen einer Streitverkündung den Wirkungen einer Nebenintervention. Diese bestehen aber gem. § 68 ZPO darin, dass der Nebenintervenient im Verhältnis zur Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört wird, dass der Rechtsstreit, Anträge eines Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Stellt der Beigeladene im Verfahren Sachanträge, nimmt er am Kostenrisiko teil. Ihm können daher die Kosten des Rechtsstreits ganz oder teilweise auferlegt werden, soweit das Gericht seinen Sachanträgen nicht entspricht.
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III. Konkurrentenklage
Rz. 47 Teil 15
wie er dem Richter vorgelegen hat, unrichtig entschieden sei. Damit wird eine rechtskraftähnliche Bindungswirkung im Folgeprozess an das im Hauptprozess ergangene Urteil erreicht1. Diese geht sogar noch weiter als eine reine Rechtskraftwirkung, weil sie sich nicht nur auf den Entscheidungstenor bezieht, sondern auch auf die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung. Voraussetzung für eine Streitverkündung gem. § 72 ZPO durch den Dienst- 44 herrn (Arbeitgeber) ist, dass dieser im Falle seines Unterliegens im Konkurrentenrechtsstreit einen Schadensersatzanspruch des ausgewählten Bewerbers besorgt. Da der ausgewählte Bewerber – ebenso wie der unterlegene Bewerber – in der Regel vom Ergebnis der Auswahlentscheidung unterrichtet wird, entsteht beim ausgewählten Bewerber aufgrund dieser Unterrichtung die Erwartung, dass er die streitbefangene Stelle alsbald erhält. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der ausgewählte Bewerber, wenn seine Erwartung enttäuscht wird, entweder eine Klage auf Übertragung der streitbefangenen Stelle auf sich oder auf Schadensersatz gegen den Dienstherrn erhebt. Dies genügt, um die Zulässigkeit der Streitverkündung durch den Dienstherrn zu bejahen2. Kenntnis von der Rechtshängigkeit einer Konkurrentenklage hat in der Re- 45 gel der ausgewählte Bewerber nicht. Dieser kann daher nicht von der Möglichkeit der Streithilfe auf Seiten des beklagten Dienstherrn durch Nebenintervention gem. §§ 66 ff. ZPO Gebrauch machen. Da die in § 68 ZPO geregelten Rechtsfolgen einer Nebenintervention nur zuungunsten des Nebenintervenienten wirken, jedoch keine Rechtskrafterstreckung iSd. § 325 ZPO darstellen, kann der ausgewählte Bewerber im Falle einer Nebenintervention keinen Vorteil bei Abweisung der vom unterlegenen Bewerber geführten Konkurrentenklage im Hinblick auf die Besetzung der streitbefangenen Stelle mit seiner Person ziehen. Der Dienstherr hat in einem solchen Falle immer noch die Möglichkeit, aus sachlichen Gründen das Auswahlverfahren abzubrechen und die streitbefangene Stelle entweder gar nicht oder erst nach Durchführung eines neuen Auswahlverfahrens zu besetzen. Bei dieser Sachlage wird sich der ausgewählte Bewerber eher gegen die 46 Möglichkeit, sich am Rechtsstreit zu beteiligen, entscheiden. Dagegen kann es durchaus im Interesse des Dienstherrn liegen, dem ausgewählten Bewerber den Streit zu verkünden, insbesondere dann, wenn er befürchtet, im Konkurrentenrechtsstreit zu unterliegen. Vor diesem Hintergrund ist die praktische Bedeutung einer Beteiligung des 47 ausgewählten Bewerbers am Rechtsstreit gering3. 1 Zöller/Vollkommer, ZPO, § 68 Rz. 1 und 9. 2 Vgl. Walker, Verfahrensrechtliche Aspekte der arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage, FS Söllner, 1999, S. 1231 (1246). 3 Dies wird durch die Rechtsprechung zur arbeitsrechtlichen Konkurrentenklage bestätigt. Denn die Beteiligung des ausgewählten Bewerbers am Rechtsstreit im Falle einer Konkurrentenklage ist die seltene Ausnahme. Hauck-Scholz
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Teil 15
Rz. 48
Verfahrensrecht
48 Das BVerfG verlangt, dass das Gericht den von einer Entscheidung betroffenen Dritten im Falle der streitgenössischen Nebenintervention zumindest von der Klageerhebung in Kenntnis zu setzen hat und stützt dies auf Art. 103 Abs. 1 GG1. Eine notwendige Beiladung im Sinne einer Information des Dritten über die anhängige Klage und die Möglichkeit der Nebenintervention von Amts wegen wird bejaht, wenn dem Dritten im Falle seines Beitritts die Stellung als streitgenössischer Nebenintervenient iSd. § 69 ZPO zukäme2. Ob diese Fallgestaltung bei einer Konkurrentenklage vorliegt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Entscheidung über die Konkurrentenklage auch Rechtskraftwirkung gegenüber dem ausgewählten Bewerber hat. Begehrt der Kläger eine Neubescheidung seiner Bewerbung, berührt dies den ausgewählten Bewerber nur mittelbar. Denn eine solche Entscheidung lässt die zu seinen Gunsten bereits getroffene Auswahlentscheidung unberührt; die vom unterlegenen Bewerber erstrittene Entscheidung auf Wiederholung der Auswahlentscheidung entfaltet ihm gegenüber keine Rechtskraft3. Ebenso sieht es aus, wenn der unterlegene Bewerber die Feststellung begehrt, dass die getroffene Auswahlentscheidung rechtswidrig war. Denn wird einem solchen Feststellungsbegehren stattgegeben, ist der Dienstherr zwar – wegen seiner Bindung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG – gezwungen, die zugunsten des ausgewählten Bewerbers ergangene positive Auswahlentscheidung aufzuheben. Dies ist aber eine Folge des materiellen (Verfassungs-)Rechts4, nicht aber ein Fall der Rechtskrafterstreckung. Ebenso liegt der Fall, wenn der Konkurrentenkläger die Unterlassung der Besetzung der streitbefangenen Stelle mit dem ausgewählten Bewerber verlangt. Die Unterlassungsverpflichtung richtet sich allein gegen den Arbeitgeber; der ausgewählte Bewerber ist zwar vom Ergebnis der Unterlassungsklage unmittelbar betroffen, nicht aber Adressat der Unterlassungsverpflichtung. Dies mag im Konkurrentenstreit, der vor dem Verwaltungsgericht geführt wird, anders sein5; denn gem. § 65 Abs. 2 VwGO setzt der Fall der notwendigen Beiladung nur voraus, dass die Entscheidung gegenüber dem Dritten nur ein-
1 BVerfGE 60, 7 (14 ff.). Den Entscheidungsgründen kann entnommen werden, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich demjenigen zusteht, der durch die gerichtliche Entscheidung unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Das kann nach Auffassung des BVerfG auch derjenige sein, dem gegenüber die richterliche Entscheidung materiellrechtlich wirkt (BVerfGE 60, 7 [13]). 2 Zöller/Vollkommer, ZPO, vor § 64 Rz. 2. 3 Sofern der Arbeitgeber die Tatsache der von ihm verlorenen Konkurrentenklage zum Anlass nimmt, die Mitteilung über die getroffene Auswahlentscheidung gegenüber dem ausgewählten Bewerber zu widerrufen, handelt es sich um eine vorsorgliche Maßnahme, nicht aber um einen Fall der Rechtskrafterstreckung, wie er für den Fall der streitgenössischen Nebenintervention gem. § 69 ZPO Voraussetzung wäre. Wie hier Walker, FS Söllner, 1999, S. 1231 (1245). 4 Wenn nur das anzuwendende materielle Recht oder Gründe der Logik die einheitliche Entscheidung erzwingen, liegt keine notwendige Streitgenossenschaft iSd. § 62 ZPO – dem Gegenstück zu § 69 ZPO – vor; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 62 Rz. 9 mwN. 5 Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 65 Rz. 26.
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III. Konkurrentenklage
Rz. 52 Teil 15
heitlich ergehen kann, während die Rechtskrafterstreckung gem. § 121 VwGO nicht Voraussetzung, sondern Rechtsfolge der Beiladung ist. In der Literatur zur Konkurrentenklage wird eine zumindest analoge Anwendung des § 69 ZPO und die Pflicht des Gerichts befürwortet, den ausgewählten Bewerber über die anhängige Konkurrentenklage zu informieren1.
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g) Bindung an die Rechtsauffassung des Gerichts Richtet sich die Konkurrentenklage auf eine Wiederholung der getroffenen Auswahlentscheidung durch den Arbeitgeber, so hat dieser bei seiner Wiederholungsentscheidung die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten. Näheres hierzu s.o. Teil 2 Rz. 47
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h) Erledigung der Hauptsache Wird die Konkurrentenklage zu einem Zeitpunkt erhoben, zu dem die 51 streitbefangene Stelle dem Konkurrenten bereits endgültig übertragen wurde, ist diese unzulässig. Denn die Hauptsache, um die es geht, war zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erledigt. Näheres hierzu s.o. Teil 2 Rz. 48 ff. 2. Einstweiliger Rechtsschutz a) Verfassungsrechtliche Grundlage Der Bewerbungsverfahrensanspruch bedarf der Sicherung durch eine ge- 52 richtliche Eilentscheidung, weil mit einer Besetzung der streitbefangenen Stelle dem unterlegenen Bewerber primärer Rechtsschutz in der Hauptsache wegen deren Erledigung versagt ist (oben Teil 2 Rz. 48). Daher erfordert das Verfassungsgebot wirksamen Rechtsschutzes2, dass einem abgelehnten Bewerber nach Abschluss des Auswahlverfahrens vor der Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Bewerber die Möglichkeit gewährt wird, vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen3. Ausfluss des Verfassungsgebotes des wirksamen Rechtsschutzes sind auch die dem 1 Zimmerling, S. 39 (Rz. 64, 71); Zimmerling, Recht im Amt 2002, 165 (172); Walker, FS Söllner, 1999, S. 1231 (1243); Kuhla, FS Raue, 2006, S. 173 (185 f.). Ob sich die Benachrichtigungspflicht des Gerichts unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG herleiten lässt, ist allerdings zweifelhaft, wenn man der hier vertretenen Auffassung folgt, dass der ausgewählte Bewerber nicht die Rechtsstellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten hat und dass die gerichtliche Entscheidung nicht materiellrechtlich, sondern allein in tatsächlicher Hinsicht die Rechtsstellung des ausgewählten Bewerbers verändert. 2 Das Prinzip effektiver Rechtsschutzgewährung wird vom BVerfG bei öffentlichrechtlichen Streitigkeiten aus Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfGE 93, 1) und bei privatrechtlichen bzw. arbeitsrechtlichen Streitigkeiten aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (BVerfGE 85, 373) abgeleitet. 3 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = Recht im Amt 2008, 26, st. Rspr.; BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Hauck-Scholz
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Teil 15
Rz. 53
Verfahrensrecht
Dienstherrn obliegende Benachrichtigungspflicht gegenüber dem unterlegenen Bewerber über die von ihm getroffene Auswahlentscheidung unter Bekanntgabe der maßgeblichen Auswahlgründe sowie das Gebot an den Dienstherrn, vor Ablauf einer angemessenen Wartefrist die Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Bewerber zu unterlassen (oben Teil 2 Rz. 60 ff.). b) Antragstellung 53 Entsprechend dem Ziel des Eilverfahrens, die Erfüllbarkeit des Bewerbungsverfahrensanspruches zu sichern, kann die einstweilige Verfügung darauf gerichtet werden, dem Dienstherrn die Besetzung der streitbefangenen Stelle bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zum Abschluss eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens zu verbieten1. Da es sein kann, dass der Konkurrentenrechtsstreit auch im Hauptsacheverfahren geführt wird bzw. wegen §§ 936, 926 ZPO geführt werden muss, kann es vorkommen, dass die Hauptsacheklage früher rechtskräftig entschieden ist als ein neu durchzuführendes Auswahlverfahren. Dann ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Ende der Stellenblockade der frühere Zeitpunkt, nämlich der rechtskräftige Abschluss des beim Gericht anhängigen Auswahlverfahrens. Denn ist dieses für den Konkurrentenkläger erfolgreich verlaufen, hat er nunmehr einen Titel aus dem Hauptsacheverfahren zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruches gegen den Dienstherrn. Die einstweilige Verfügung verliert mit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung ihre Wirkung. Dies gilt erst recht, wenn der Konkurrentenkläger das Hauptsacheverfahren verloren hat. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass der Konkurrentenkläger seinen Eilantrag auf Unterlassung der Stellenbesetzung dahingehend begrenzt, dass die Unterlassungspflicht spätestens mit Rechtskraft der Hauptsacheklage endet. 54 Der Antrag könnte daher folgenden Wortlaut haben: Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, die Besetzung (der streitbefangenen Stelle) bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 000 Euro bis zum Abschluss eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens, spätestens bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsacheklage zu unterlassen.
55 Wird, was in der öffentlichen Verwaltung nicht selten vorkommt, eine Auswahlentscheidung getroffen, mit der mehrere Stellen gleichzeitig besetzt werden sollen, stellt sich die Frage, ob der unterlegene Bewerber mit der einstweiligen Verfügung erreichen kann, dass sämtliche zu besetzenAbs. 2 Nr. 56; BVerwG v. 21.8.2003 – 2 C 14.02, BVerwGE 118, 370 (372) = ZBR 2004, 101 = NJW 2004, 870 = DVBl. 2004, 317. 1 ThürLAG v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96, AP ArbGG 1979 § 62 Nr. 10 = NZA-RR 1997, 234.
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III. Konkurrentenklage
Rz. 57 Teil 15
den Stellen bis zu einer neu zu treffenden Auswahlentscheidung blockiert werden. Hierbei ist zu differenzieren, ob das Anforderungsprofil der zu besetzenden Stellen – mehr oder minder – identisch ist oder nicht. Ist es nämlich identisch, wird der Dienstherr unter den konkurrierenden Bewerbern eine Reihung vornehmen, die dazu führt, dass sich für den unterlegenen Bewerber und Antragsteller im Eilverfahren die Konkurrenzsituation zu den ihm vorgezogenen Bewerbern unterschiedlich stellt. Zwar kann der Antragsteller im Eilverfahren von den zu besetzenden Stellen nur eine für sich beanspruchen. Dies ändert aber nichts daran, dass er zu mehreren Konkurrenten im Wettbewerb steht, so dass von vornherein nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden kann, wie die rechtmäßige Reihung unter allen Konkurrenten aussieht. Wenn sich der Antragsteller im Eilverfahren daher dazu entschließt, sämtliche der zu besetzenden Stellen zu blockieren, wird dem aus Rechtsgründen nichts entgegenzuhalten sein1. Es ist dann Sache des Antragstellers, ob er aus prozesstaktischen Gründen sein Rechtsschutzbegehren auf weniger als alle zu besetzenden Stellen beschränkt. Bezieht sich die Stellenbesetzungsaktion auf Stellen mit unterschiedli- 56 chem Anforderungsprofil, hängt die Möglichkeit der Blockade sämtlicher Stellen davon ab, ob der Antragsteller im Eilverfahren davon ausgeht, dass er das Anforderungsprofil dieser Stellen erfüllt. Demgemäß wird er sich zuvor auch bei der Bewerbung verhalten haben. Verfolgt er auch in diesem Falle die Blockade sämtlicher Stellen, wird er zu berücksichtigen haben, dass die Konkurrenz mit den übrigen Bewerbern jeweils auf eine konkrete Stelle bezogen ist, da der Dienstherr wegen des unterschiedlichen Anforderungsprofils der Stellen nicht in der Lage ist, alle Bewerber in eine Rangfolge zu bringen, sondern gezwungen ist, seine Auswahlentscheidung jeweils stellenbezogen unter den konkurrierenden Bewerbern um die betreffende Stelle zu treffen. In Wahrheit wird bei dieser Fallkonstellation nicht eine einheitliche Auswahlentscheidung unter allen Bewerbern getroffen, sondern es geht um mehrere parallele Auswahlentscheidungen zur Besetzung mehrerer unterschiedlicher Stellen. c) Verfügungsanspruch Verfügungsanspruch ist der Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers (oben Teil 2 Rz. 18). Die zur Sicherung dieses Anspruchs beantragte einstweilige Verfügung ist der klassische Fall einer Sicherungsverfügung iSd. § 62 Abs. 2 ArbGG iVm. § 935 ZPO. Das Begehren, die Stelle nicht zu besetzen, lässt sich sowohl prozessual mit der Bestimmung des § 938 Abs. 2 ZPO als auch materiellrechtlich begründen, weil aus Art. 33 Abs. 2 GG der entsprechende Unterlassungsanspruch des nicht ausgewählten Bewerbers abgeleitet wird2. 1 So auch Zimmerling, S. 33 (Rz. 54) mwN. AA BVerwG v. 10.11.1993 – 2 ER 301.93, ZBR 1994, 52 (53), hierzu differenzierend Schnellenbach, ZBR 1997, 169 (179). Vgl. auch Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rz. 1351. 2 BAG v. 22.6.1999 – 9 AZR 541/98, AP GG Art. 33 Nr. 49; v. 5.11.2002 – 9 AZR 451/01, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 57. Hauck-Scholz
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Teil 15
Rz. 58
Verfahrensrecht
58 Sollte der unterlegene Bewerber das Ziel verfolgen, dass ihm die streitbefangene Stelle übertragen wird, wäre die entsprechende einstweilige Verfügung als Leistungsverfügung zu qualifizieren, da sie zur vorläufigen Befriedigung des Verfügungsklägers führen würde. Abgesehen davon, dass hierfür ein Verfügungsanspruch in den seltensten Fällen vorliegen dürfte (oben Teil 2 Rz. 16), gelten hierfür besonders strenge Anforderungen für den Verfügungsgrund1. Diese Form der einstweiligen Verfügung spielt daher in der Praxis keine Rolle. 59 Die Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruches dürfen nicht überspannt werden. Dies folgt aus der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechtes2. 60 Das BVerfG leitet aus der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechtes des übergangenen Bewerbers die Pflicht der Gerichte ab, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes gerade im Eilverfahren besondere Rechnung zu tragen. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen. Hierbei muss das Gericht das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung trägt3. 61 Richtet sich das Hauptsacheverfahren in der Regel auf eine Neubescheidung der Bewerbung des unterlegenen Bewerbers, nicht jedoch auf eine Übertragung der streitbefangenen Stelle auf den unterlegenen Bewerber, können die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches (Verfügungsanspruches) mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht über das hinausgehen, was für ein Obsiegen des unterlegenen Bewerbers im Hauptsacheverfahren gefordert werden könnte. Daher ist es unzulässig, die Eilentscheidung davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dass er in einem erneuten Auswahlverfahren bei Vermeidung des unterstellten Fehlers anstelle eines ausgewählten Mitbewerbers
1 Vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 940 Rz. 6. 2 BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = Recht im Amt 2008, 26. 3 BVerfGE 97, 298 (315); BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02, ZBR 2002, 427 = NVwZ 2003, 200; v. 29.7.2003 – 2 BvR 311/03, NVwZ 2004, 95 = ZBR 2004, 45; v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = Recht im Amt 2008, 26; BVerwG v. 21.8.2003 – 2 C 14.02, BVerwGE 118, 370 (373) = ZBR 2004, 101 = NJW 2004, 870 = DVBl. 2004, 317.
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Hauck-Scholz
III. Konkurrentenklage
Rz. 64 Teil 15
zum Zuge kommt1. Ebenso ist dem im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerber schon dann einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn er glaubhaft macht, dass seine Aussichten, in einem zweiten rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, offen sind, dh., wenn seine Auswahl möglich erscheint2. Gleichermaßen werden die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches (Verfügungsanspruches) im Eilrechtsschutzverfahren überspannt, wenn dem unterlegenen Bewerber abverlangt wird, bei einer insgesamt zu beanstandenden Beurteilungspraxis (wegen unzureichend differenzierter Beurteilungen bezüglich einer ganzen Gruppe von Bewerbern) darüber hinaus weitere Gesichtspunkte aufzuzeigen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der dem Auswahlverfahren zugrunde liegenden Beurteilungspraxis ergibt3. Der gerichtliche Rechtsschutz des Antragstellers wird auch dadurch unzumutbar erschwert, dass der Dienstherr erstmals im gerichtlichen Eilverfahren die Gründe für seine Auswahlentscheidung darlegt. Denn der Antragsteller kann die hierfür notwendigen Erkenntnisse lediglich aufgrund einer schriftlichen Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen des Dienstherrn gewinnen; dabei ist er auf Akteneinsicht angewiesen. Nur diese Erkenntnisse erlauben ihm die Entscheidung, ob er die Auswahlentscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen, so dass er gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Würde dem Dienstherrn gestattet, seine Auswahlerwägungen erstmals im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens darzulegen, würden die Rechtsschutzmöglichkeiten des unterlegenen Bewerbers in unzumutbarer Weise gemindert. Dieser müsste nämlich gerichtlichen Eilrechtsschutz gleichsam „ins Blaue hinein“ in Anspruch nehmen4. d) Verfügungsgrund Der Verfügungsgrund besteht in der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, 62 nämlich in der Besorgnis, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Diese Besorgnis ist stets gegeben, wenn durch endgültige Besetzung der streitbefangenen Stelle die „Erschöpfung“ des Bewerbungsverfahrensanspruches des unterlegenen Bewerbers droht5.
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Problematisch für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes sind nicht endgültige Besetzungen der Stelle, etwa durch Abordnung. Gemäß Protokollerklärung Nr. 1 zu § 4 Abs. 1 TV-L und zu § 4 Abs. 1 TVöD ist eine Abordnung die vom Arbeitgeber veranlasste vorübergehende Beschäftigung bei
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BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02, ZBR 2002, 427 = NVwZ 2003, 200. BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02, ZBR 2002, 427 = NVwZ 2003, 200. BVerfG v. 29.7.2003 – 2 BvR 311/03, NVwZ 2004, 95 = ZBR 2004, 45. BVerfG v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = Recht im Amt 2008, 26. BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = NZA 2003, 324 = ZTR 2003, 146; v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, MDR 2008, 576. Hauck-Scholz
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Teil 15
Rz. 65
Verfahrensrecht
einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben oder eines anderen Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Abordnungen im Zusammenhang mit Stellenbesetzungsverfahren werden insbesondere zum Zwecke der Erprobung des ausgewählten Bewerbers ausgesprochen. Entsprechendes gilt für Umsetzungen, die innerhalb derselben Dienststelle oder desselben Betriebs vorgenommen werden, wenn sie vorübergehend erfolgen. Da diese jederzeit rückgängig gemacht werden können, bestehen Zweifel an der Notwendigkeit der einstweiligen Verfügung, also am Verfügungsgrund. Die beamtenrechtliche Rechtsprechung hat teilweise die Auffassung vertreten, der Anordnungsgrund gemäß § 123 VwGO bestehe in einem solchen Fall nicht; ein eventueller Erfahrungsvorsprung durch Innehabung der Beförderungsstelle dürfe bei einer eventuellen Wiederholung der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt werden. Nunmehr hat das BVerwG1 klargestellt, dass auch bei Umsetzungen der Anordnungsgrund bestehe, weil der Erfahrungsvorsprung des ausgewählten Bewerbers diesem nicht genommen werden könne, denn eine dienstliche Beurteilung müsse sich auf den im Beurteilungszeitraum tatsächlich vorhandenen Leistungsstand beziehen2. 65 Der rechte Zeitpunkt für die Stellung des Eilantrages kann im Hinblick auf den Verfügungsgrund dann problematisch sein, wenn ein Bewerber über das Ergebnis seiner Bewerbung noch keine Nachricht erhalten, jedoch den Eindruck aufgrund mehr oder minder präziser Informationen gewonnen hat, die Stellenbesetzung stünde unmittelbar bevor. Beantragt er in dieser ungewissen Situation den Erlass der einstweiligen Verfügung, kann ihm drohen, dass das Arbeitsgericht den Verfügungsgrund verneint, weil der Arbeitgeber etwa darlegt, er habe noch keine Auswahlentscheidung getroffen, oder aber, er sei sich zwar schon schlüssig, müsse aber noch die Personalvertretung beteiligen3. In beiden Fällen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bewerber noch ausgewählt wird, so dass er durch eine solche Entscheidung keinen Nachteil erleiden würde. Dann würde es aber am Verfügungsgrund fehlen. 66 Eine solche Ungewissheit kann dadurch vermieden werden, dass der Arbeitgeber unter Fristsetzung aufgefordert wird, die verfassungsrechtliche Benachrichtigungspflicht (oben Teil 2 Rz. 60) anzuerkennen. Denn gibt der Arbeitgeber ein solches Anerkenntnis nicht ab oder reagiert er innerhalb der gesetzten Frist nicht, ist Eilbedürftigkeit gegeben, weil der Bewerber nunmehr jederzeit damit rechnen muss, dass der Arbeitgeber zum Nachteil 1 BVerwG v. 11.5.2009 – 2 VR 1/09, ZBR 2009, 411 = DRiZ 2009, 263. 2 Ebenso HessVGH v. 26.11.2008 – 1 B 1870/08, LKRZ 2009, 110, für die Konkurrenzsituation zwischen einem (unterlegenen) Beamten und einer (ausgewählten) Angestellten, für die eine tarifliche Probezeit bestanden hätte. 3 BAG v. 22.6.1999 – 9 AZR 541/98, BAGE 92, 112 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 49 = NZA 2000, 606, das zu einer entsprechenden Abwägung in einem Hauptsacheverfahren kam, weil gem. § 1004 BGB, der vom BAG als Anspruchsgrundlage für das Unterlassungsbegehren des Klägers angesehen wurde, noch kein Fall der „Störung“ (Begehungsgefahr) vorläge, da das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren noch nicht abgeschlossen war.
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Hauck-Scholz
III. Konkurrentenklage
Rz. 68 Teil 15
des Bewerbers vollendete Tatsachen schafft. Bei dieser Vorgehensweise ist der Bewerber sogar für den Fall geschützt, dass der Arbeitgeber trotz Zusage die Benachrichtigung über das Ergebnis des Auswahlverfahrens gegenüber dem Bewerber unterlässt. Denn in einem solchen Fall „erschöpft“ sich der Bewerbungsverfahrensanspruch nicht, weil der Arbeitgeber mit seiner Vorgehensweise die Erwirkung von einstweiligem Rechtsschutz rechtswidrig vereitelt hat (oben Teil 2 Rz. 51). e) Zwischenanordnung? Nach Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung 67 gilt materiell-rechtlich bereits das Gebot für den Dienstherrn, bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens jede Maßnahme zu unterlassen, die geeignet ist, vollendete Tatsachen zu schaffen1. Auf der Grundlage des § 56 Abs. 1 ArbGG ist es im Sinne effektiver Rechtsschutzgewährung geboten, dass der Vorsitzende des Gerichts nach Eingang eines Eilantrags die Gegenseite auf diese Rechtslage mit der Auflage hinweist, vor Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens von der Schaffung vollendeter Tatsachen, insbesondere durch Stellenbesetzung, Abstand zu nehmen2. Dies gilt vor allem für den Fall, dass über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden wird, sei es, weil keine Dringlichkeit iSd. § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG besteht, sei es, weil die mündliche Verhandlung zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes geboten erscheint. In der Praxis wird durch diese Zwischenverfügung die notwendige Zeit für die erforderliche Sachaufklärung und die Entscheidung über den Eilantrag aufgrund mündlicher Verhandlung gewonnen. Reagiert eine Behörde auf die zweckmäßigerweise mündlich vorab ergehende Zwischenverfügung zögerlich, wird hierdurch in jedem Fall die Eilbedürftigkeit iSd. § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG begründet, so dass über die beantragte einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung und damit durch den Vorsitzenden allein (§ 53 Abs. 1 ArbGG) zu entscheiden ist. Eine Gewährung rechtlichen Gehörs, die sich bei einer Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung von selbst ergibt, kann die Gegenseite dann nicht beanspruchen. Sie ist vielmehr auf die Einlegung des Widerspruchs gemäß §§ 936, 924 ZPO angewiesen, falls der Eilantrag des unterlegenen Bewerbers Erfolg hat. f) Entscheidung mit oder ohne mündliche Verhandlung Wie im Verfahren über den Erlass einer einstweilige Verfügung nach der 68 ZPO (§ 937 Abs. 2) ist die mündliche Verhandlung im arbeitsgerichtlichen Eilverfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung obligatorisch, wie 1 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 = NZA 2003, 324 = ZTR 2003, 146. Für das beamtenrechtliche Eilverfahren vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rz. 1344 mwN. 2 Dies ist im verwaltungsgerichtlichen Konkurrentenschutzeilverfahren gängige Praxis. Zimmerling, Recht im Amt 2002, 165 (169), bezeichnet dies als „Hängebeschluss“. Hauck-Scholz
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Rz. 69
Verfahrensrecht
sich im Umkehrschluss aus § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ergibt. In beiden Fällen kann nur bei Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Das Erfordernis der Dringlichkeit stellt eine Steigerung gegenüber der Eilbedürftigkeit dar, die bereits vorliegen muss, damit ein Verfügungsgrund besteht. Maßstab ist, ob eine innerhalb kürzester Frist terminierte mündliche Verhandlung noch abgewartet werden kann, bevor entschieden wird1. Da für die mündliche Verhandlung Kammerbesetzung erforderlich ist, kann sich die Dringlichkeit iSd. § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG auch daraus ergeben, dass ein ehrenamtlicher Richter zum beabsichtigten Termin nicht herangezogen werden kann. Bei der Beurteilung, ob ein dringender Fall vorliegt, ist stets zu beachten, ob bis zur mündlichen Verhandlung das Ereignis einzutreten droht, das durch die einstweilige Verfügung abgewehrt werden soll. Aus diesem Grund ist es nicht nur aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, sondern auch zur Klärung der Frage, ob ein dringender Fall vorliegt, geboten, dass der Vorsitzende beim Antragsgegner anruft, um ihn auf seine Unterlassungspflicht hinsichtlich der Stellenbesetzung hinzuweisen (oben Rz. 67). Wird in diesem Telefonat das Bestehen der Unterlassungspflicht nicht anerkannt oder werden Ausflüchte gemacht, droht jederzeit die Gefahr vollendeter Tatsachen, so dass ein dringender Fall anzunehmen ist. 69 Wird mündliche Verhandlung anberaumt, entfällt wegen der Eigenart des Eilverfahrens die Notwendigkeit der Durchführung einer Güteverhandlung2. 70 Wird über den Eilantrag ohne mündliche Verhandlung entschieden, was nur bei Dringlichkeit iSd. § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG zulässig ist, verbietet die Enge des Zeitrahmens, dem Antragsgegner vor der Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren3. Diesem ist es jedoch unbenommen, aufgrund der Information über den eingegangenen Eilantrag bei Gericht vorsorglich eine Schutzschrift zur Abwehr des Eilantrages bei Gericht zu hinterlegen. Rechtliches Gehör erhält der Dienstherr somit erst, wenn ihm die gerichtliche Eilentscheidung zugestellt wird. Es wird durch Einlegung des Widerspruchs gegen die Eilentscheidung gemäß §§ 936, 924 Abs. 1 ZPO ausgeübt. g) Beteiligung des ausgewählten Bewerbers am Verfahren 71 Die Möglichkeit der Streitverkündung und der Nebenintervention besteht auch im gerichtlichen Eilverfahren (zum Hauptsacheverfahren s.o. Rz. 40 ff.). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Realisierung dieser prozessualen Möglichkeiten vielfach aus Zeitgründen scheitert. Wird über 1 Zöller/Vollkommer, ZPO, § 937 Rz. 2; Germelmann, in: Germelmann/Matthes/ Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 62 Rz. 83. 2 Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 62 Rz. 84; § 54 Rz. 54 mwN. 3 Germelmann, in: Germelmann/Matthes/Müller-Glöge/Prütting, ArbGG, § 62 Rz. 86, fordert die Gewährung rechtlichen Gehörs, schränkt dies aber auf die Fälle ein, in denen dies möglich ist.
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III. Konkurrentenklage
Rz. 75 Teil 15
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, so wird die Zeitspanne zwischen Antragseinreichung und Verhandlungstermin sehr kurz sein. Erst mit der Ladung und der damit verbundenen Zustellung der Antragsschrift erhält der Dienstherr Kenntnis vom Eilverfahren; erst von da an kann er sich um die Formalien der Streitverkündung (§ 73 ZPO) kümmern. Da die Streitverkündung erst mit Zustellung der Streitverkündungsschrift des Dienstherrn an den Antragsteller wirksam wird, diese aber vom Gericht zu veranlassen ist, wird in aller Regel eine wirksame Streitverkündung erst zustande kommen, wenn der Termin zur mündlichen Verhandlung über den Eilantrag bereits verstrichen ist. Auch eine gerichtliche Benachrichtigung des ausgewählten Bewerbers über 72 den eingegangenen Eilantrag und die Terminsladung werden diesen kaum befähigen, selbst wenn er wollte, von der Möglichkeit der Nebenintervention Gebrauch zu machen. Wird wegen der Dringlichkeit der Sache ohne mündliche Verhandlung ent- 73 schieden, ist der Zeitrahmen noch enger, so dass weder eine Streitverkündung noch eine Nebenintervention in Betracht kommen. h) Verfahrensanforderungen aufgrund des Gebotes zur effektiven Rechtsschutzgewährung aa) Terminierung und vorbereitende Maßnahmen Da einstweilige Verfügungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur bei Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen (§ 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG), ist in den übrigen Fällen schnellstens zu terminieren; außerdem sind vorbereitende Maßnahmen gem. § 56 Abs. 1 ArbGG (etwa Aufforderung der Gegenseite, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu unterlassen [oben Rz. 67], oder Aktenbeiziehung [oben Rz. 37 ff.]) zu treffen. Wird ohne mündliche Verhandlung entschieden, entscheidet das Gericht durch den Vorsitzenden allein (§ 53 Abs. 1 ArbGG).
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bb) Richterliche Kontrolldichte Für die Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes reicht es aus, wenn der dem 75 Antrag zugrunde liegende Anspruch glaubhaft gemacht wird. Damit ist dem antragstellenden Bewerber unter – gegenüber einem Hauptsacheverfahren – erleichterten Bedingungen möglich, eine für ihn günstige Entscheidung zu erwirken1. Andererseits genügt eine bloß summarische Prüfung der Auswahlentscheidung durch das Arbeitsgericht, etwa ob die vom Dienstherrn ohne Aktenvorlage dargelegten Auswahlerwägungen des Dienstherrn plausibel erscheinen, den Anforderungen nicht, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt werden soll. Vielmehr gilt die aus dem Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung abgeleitete Forderung nach einer eingehenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung 1 BAG v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00, BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56. Hauck-Scholz
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Verfahrensrecht
des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruches auch schon im gerichtlichen Eilverfahren1. Ist dies aus tatsächlichen Gründen, etwa wegen Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung oder Notwendigkeit einer Beweisaufnahme nicht möglich, was zB bei strittigen dienstlichen Beurteilungen der Fall sein kann, ist das Gericht dann nur in der Lage, eine eingeschränkte Sachprüfung vorzunehmen. Umgekehrt kann der Antragsteller nur die Tatsachen darlegen, von denen er Kenntnis hat, nicht aber solche, die allein dem Dienstherrn bekannt sind. Dann gebietet effektive Rechtsschutzgewährung aber, dass die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruches entsprechend zu reduzieren sind, so dass im Zweifel die einstweilige Verfügung zu ergehen hat, um die nur im Hauptsacheverfahren mögliche umfassende Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte des Streitfalles zu ermöglichen2. Näher hierzu oben Teil 2 Rz. 22 ff. und 41 ff. und oben Rz. 57 ff.
1 BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02, ZBR 2002, 427 = NVwZ 2003, 200; v. 29.7.2003 – 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292 = NVwZ 2004, 95 = ZBR 2004, 45, mit Anm. Otte, ZBR 2004, 46, und Kühling, NVwZ 2004, 656; v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07, NVwZ 2007, 1178 = Recht im Amt 2008, 26. 2 Unter dem Gesichtspunkt effektiver Rechtsschutzgewährung lässt das BVerfG sogar Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das BVerfG noch vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu, sofern eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet ist und weil die Folgenabwägung regelmäßig ergibt, dass sich die ohne Erlass der einstweiligen Anordnung ergebende Stellenbesetzung auch bei einer erneuten Durchführung des Auswahlverfahrens nicht mehr korrigieren ließe, während bei späterer Erfolglosigkeit der Verfassungsbeschwerde der Dienstherr nur die vorübergehende Vakanz der Stelle in Kauf nehmen müsste; BVerfG v. 18.12.2003 – 2 BvQ 70/03, NVwZ 2004, 1109; v. 7.2.2007 – 2 BvQ 62/06, BayVBl. 2007, 368.
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Stichwortverzeichnis Abdingbarkeit – Gesetz 1 73 – Tarifvertrag 1 72 Abfindung – Auflösungs-/Aufhebungsvertrag 12 A 103 – Eigenkündigung 12 A 104 – freiwillige Versicherung 11 296 – Personalabbau 12 A 102 ff. – Rationalisierungsmaßnahme 4 B 63 ff. – Rationalisierungsschutztarifvertrag 12 A 84 ff. – Sozialplan 12 A 48 – Tarifvertrag zur sozialen Absicherung 12 A 102 ff. Abfindungsanspruch – Aufhebungsvertrag 4 A 50 Ablehnungsgründe – Altersteilzeit, fehlende Haushaltsmittel 5 B 48 – Altersteilzeit, wirtschaftliche/finanzielle Auswirkungen 5 B 47 – erhöhte wirtschaftliche Belastungen 5 B 60 – personalwirtschaftliche Gründe 5 B 52 f., 61 – Überforderungsschutz 5 B 54 ff. – Vorrangstellung 5 B 62 – Zusammenfassung 5 B 64 Ablösungsprinzip – Tarifvertrag 8 33 ABM-Beschäftigte – Arbeitnehmerbegriff 1 14 Abmahnung – Annahme von Geschenken 3 A 13 – Aufnahme in Personalakte 3 I 19 f. – Mitteilung an Personalrat 4 D 94 – Umsetzung 3 D 41 – verhaltensbedingte Kündigung 4 B 87 f. Abordnung – Arbeitsplatz, Begriff 3 D 45 – Direktionsrecht 3 D 45 f. – Stellenausschreibung 2 84 – Tarifrecht 3 D 45 – Teilabordnung 3 D 46 – Vorstufe für Versetzung 3 D 46 Abschnittsdeckungsverfahren – Zusatzversorgung 11 22
Abtretung – Rente aus Zusatzversorgung 11 222 Abwicklungsvertrag – Beendigung des Arbeitsverhältnisses 4 A 34 – öffentlicher Dienst 4 A 35 Agentur für Arbeit – Massenentlassungen 12 A 143 – Meldepflicht des Dienstherrn 2 68 AGG 1 38 AKA – Aufgaben 11 10 f. – Aufnahmeantrag durch Arbeitgeber 11 99 – Beteiligung und Tarifbindung 11 97 – Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer 11 275 – juristische Person des Privatrechts, Beteiligung 11 95 – Kündigungsgründe 11 107 ff. – Mustersatzung 11 10 f., 57 ff. – Pflichtbeiträge 11 268 – Zusatzbeiträge 11 268 Akteneinsicht – Bewerberablehnung 2 62 Alkoholverbot – Direktionsrecht 3 D 91 Allgemeine Geschäftsbedingungen – Aufklärungsausschluss bei Beendigungsvereinbarung 4 A 29 – Aushandeln einer Klausel 3 B 19 – kirchliches Arbeitsverhältnis 14 107 – Kontrolle des Arbeitsvertrages 3 B 17 ff. – überraschende Klausel 3 B 21 – Verweisungsklausel bei Zusatzversorgung 11 47 f. Allgemeiner Gleichheitssatz 1 181 ff. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 1 38 Allgemeinverbindlichkeitserklärung – Tarifvertrag 1 104 Altersgrenze siehe auch Regelaltersgrenze – AGB-Klausel 6 17 – allgemeine Gleichbehandlung 3 B 59 – Anpassungsgesetz 3 B 56; 4 C 6 f. – Arbeitsvertrag 4 C 2 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Arbeitsvertrag: Musterklausel 3 B 61 – Ausscheiden ohne Kündigung 4 C 11 f. – Beendigung des Arbeitsverhältnisses 3 B 56; 4 C 2 ff. – Befristung 6 22 – Bezugnahmeklausel auf TV 3 B 61 – Chefärzte 13 F 155 f. – EG-Richtlinie 3 B 60 – Erreichen ~ 4 C 2 – EU-Recht 4 C 10 f.; 6 23 – Formulararbeitsvertrag 4 C 5 – gesetzliches Renteneintrittsalter 3 B 58 – Haushaltsrecht 6 23 f. – Höchstbefristung 3 B 61 – mündliche Vereinbarung 6 18 f. – Nachweis 6 20 f. – Nachwuchsförderung 3 B 58 – öffentlicher Dienst 4 C 8 ff. – Personalplanung 3 B 58 – sachlicher Grund 4 C 4 – Schriftform 3 B 61; 6 18 – tarifliche Regelung 4 C 8 ff. – TV-L 3 B 57 – TVöD 3 B 57 – Verfassungsrecht 3 B 58 – Versorgungszusage 6 17 – Weiterbeschäftigung 4 C 12 Altersrente – freiwillige Versicherung 11 299 – Höhe bei vorzeitiger Inanspruchnahme 11 198 – Teilrente 11 206 – vorzeitige Inanspruchnahme bei Rationalisierung 12 A 90 Altersstruktur – Wartezeit bei Beförderung 2 35 Altersteilzeit 5 B 1 ff. – Arten von ~ 5 B 6 ff. – Bedeutung 5 B 1 – Betriebsrente 11 193 – Blockmodell 5 B 6 – Durchführungsanweisungen 5B5 – Förderungszeitraum 5 B 4 – Freistellungsmodell 5 B 8 – Frühverrentung 5 B 1 – Teilzeit 5 A 7 – Teilzeitmodell 5 B 9 – Übersicht 5 B 135 – Wertguthaben 5 B 7 – Zwischenmodelle 5 B 10
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Altersteilzeit, öffentlicher Dienst siehe auch Ablehnungsgründe; siehe auch Altersteilzeitarbeitsverhältnis – Abfindung bei Rentenkürzung 5 B 112 f. – Ablehnung 5 B 43 – Ablehnung/über 60 Jahre 5 B 44 ff. – Ablehnung/zwischen 55 und 59 Jahre 5 B 57 ff. – Ablehnungsentscheidung 5 B 65 – Ablehnungsgründe 5 B 47 ff., 60 ff. – allgemeine Vergütungserhöhungen 5 B 76 – Ankündigungsfrist 5 B 29 – Anspruch 5 B 25 ff. – Anspruchsvoraussetzungen 5 B 26 ff. – Anwendungsbereich 5 B 24 – Arbeitnehmer über 55 Jahre 5 B 30 – Arbeitszeitverlängerung 5 B 106 ff. – Aufstieg 5 B 109 ff. – Aufstockung bei Einmalzahlungen 5 B 102 – Aufstockung der Bezüge 5 B 85 ff. – Aufstockungsleistungen 5 B 82 ff. – Aufstockungsleistungen, sozialversicherungsfrei 5 B 105 – Ausgestaltung 5 B 36 ff. – Berechnungsbeispiel Lohnfortzahlung 5 B 122 – Berechnungsbeispiele 5 B 40 – Beschäftigungszeit 5 B 33 – Dauer 5 B 36 – Dienstzeit/Beschäftigungszeit 5 B 34 – Differenzierung bei Ablehnung 5 B 43 ff. – Entgeltberechnung 5 B 92 – Entgeltfortzahlungszeitraum 5 B 121 – Entgeltkürzung 5 B 107 f. – Ermessensentscheidung 5 B 57 – Feststellungsklage 5 B 71 – Förderung nach ATZG 5 B 3 – gerichtliche Ausübungskontrolle 5 B 59 – Grundsatz der Spiegelbildlichkeit 5 B 73 – Halbierung der Arbeitszeit 5 B 39 ff., 106 – Halbierungsgrundsatz 5 B 75 – keine Urlaubsabgeltung 5 B 119 – kirchlicher Arbeitgeber 5 B 51 – Klageantrag 5 B 68 – Krankheit 5 B 120
Stichwortverzeichnis
– Mindestnettobetrag 5 B 25 – Mindestnettobetragsverordnung 5 B 88 – Minijobber 5 B 35 – nachträgliche Arbeitszeitverkürzung 5 B 108 – Nebentätigkeit 5 B 114 ff. – pauschalierter Mindestnettobetrag 5 B 87 – Rechtsschutz gegen Ablehnung 5 B 66 ff. – rückwirkende Zustimmung 5 B 69 – schwerbehinderte Menschen 5 B 31 – Statistik 5 B 2 – steuerliche Behandlung von Aufstockungsbeträgen 5 B 103 f. – Störfälle 5 B 128 – Tabellenentgelte 5 B 75 – Tarifvertrag 5 B 22 ff. – tarifvertragliches Ende 5 B 126 – unbezahlter Urlaub 5 B 124 – unständige Bezügebestandteile 5 B 77 ff. – Urlaubsanspruch 5 B 117 ff. – Vergütung 5 B 72 ff. – Verpflichtung zur Nacharbeit 5 B 124 – Verteilung der Arbeitszeit 5 B 28 – Vertragsanpassung 5 B 125 – vorzeitige Beendigung im Blockmodell 5 B 127 f. – Zusammenfassung Ablehnungsgründe 5 B 64 – Zusatzversorgung 5 B 105, 134 Altersteilzeitarbeit – Sparkassensonderzahlung 13 D 43 – TVöD-BT-K 13 F 57 ff. – TVöD-BT-V 13 B 11 Altersteilzeitarbeitsverhältnis siehe auch Wertguthaben – Auswirkungen vorzeitigen Endes 5 B 129 f. – Beendigung 5 B 19 ff. – Berechnung bei vorzeitigem Ende 5 B 131 – Bundesagentur für Arbeit 5 B 17 – Folgen für Arbeitgeber 5 B 17 – Freistellungsphase 5 B 21 – gedoppelte Altersteilzeit 5 B 16 – Kündigung 5 B 21 – Mindestvoraussetzungen 5 B 11 – Mitwirkungspflichten für den Arbeitnehmer 5 B 18 – rückwirkend 5 B 14 – Schriftform 5 B 13
– Sonderform der Teilzeit 5 B 15 – Tarifvertrag 5 B 12 – tarifvertragliches Ende 5 B 20 – Wertguthaben 5 B 131 Altersteilzeitvereinbarung – Anspruch 5 B 27 Altersversorgung – betriebliche 11 1 ff. – eigene Beiträge 11 30 – Zusatzversorgung 11 3 ff. Altersversorgungstarifvertrag – Berechnung der Versorgung 11 37 – Bonuspunkte 11 37 – freiwillige Versicherung 11 42 – Geltungsbereich 11 34 ff. – Kapitaldeckungsverfahren 11 40 – Personenkreis 11 36 – Übergangsregelung 11 43 – Umlage 11 39 ff. – Verfahrensregelungen 11 41 – Versicherungsfälle 11 37 – Voraussetzungen 11 36 Altersvorsorgeplan – Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer 11 273 – Sanierungsgelder 11 263 – Umlageverfahren 11 262 – Zusatzversorgung 11 28 Amtshaftung – Anspruch zu Unrecht abgelehnter Bewerber 2 73 ff. – EU-Recht 1 52 Amtshilfe – Weitergabe der Personalakte 3 I 11 Amtsträger – Beamte 3 A 17 f. – Beschäftigte des öffentlichen Dienstes 3 A 17 f. – Bestellung 3 A 17 f. – juristische Person des Privatrechts 3 A 17 – Verletzung der Verschwiegenheitspflicht 3 A 23 – Verpflichtungsgesetz 3 A 18 Änderungskündigung 4 B 116 f. – Betriebsübergang 12 B 26 f., 46 – Tätigkeitsänderung 3 D 57 – Unterrichtung des Personalrates 4 D 82, 100 Änderungsvereinbarung – Betriebsübergang 12 B 46 Änderungsvorbehalte – Arbeitsvertrag 3 B 92 ff. Anfechtung – Beendigungsvereinbarung 4 A 21 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Beteiligung des Personalrates 4 D 8 Anforderungsprofil – Aufstellungszeitpunkt 2 59 – Bewerbungsverfahrensanspruch 2 56 ff. – Dokumentationspflicht 2 58 – gerichtliche Kontrolle 2 57 – Stellenausschreibung 2 59 Angestellte – alte Vergütungsregelung 7 5 ff. – Rationalisierungsschutztarifvertrag 12 A 64 – Stufenaufstieg bei Überleitung 8 57 – Vergleichsentgelt 8 25 Angestellte, leitende – Arbeitszeitregelungen 1 25 – Chefarzt 1 25 – im öffentlichen Dienst 1 21 – Kündigungsrecht 1 24 – Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten 1 23 – öffentlicher Dienst 1 229 f. – passives Wahlrecht 1 23 – Tarifvertrag 1 21 Angestellte, öffentlicher Dienst – Ausschreibungspflicht 2 6 – Nebentätigkeit 3 A 25 ff. Angestellte, sonstige – Eingruppierung 7 172 ff. Anhebung – Altersgrenzen, stufenweise 6 9 Anhörung – Personalrat 4 D 120 Anhörungsrechte – bauliche Veränderungen 9 192 – Haushaltsvorschlag 9 191 – Information 9 129 ff. – neue Arbeitsmethoden 9 193 – Verletzung der Anhörungspflicht 9 132 Anlassbeurteilung – Ablauf der Probezeit 3 H 13 – Versetzung 3 H 13 Annahmeverzug – Freistellung in Aufhebungsvertrag 4 A 60 Anrechnungsklausel – Abbau von übertariflichen Zulagen 3 B 100 – Arbeitsvertrag 3 B 100 Antidiskriminierung – EU-Recht 1 56 Anwartschaften – Höhe nach Betriebsrentenrecht 11 69
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– Nachweis bei Zusatzversorgung 11 224 Anwartschaften, Rente – Startgutschrift 11 29 Arbeit auf Abruf 5 A 29 Arbeiter – Abgrenzung Arbeitnehmer 1 20 ff. – Rationalisierungsschutz 12 A 92 ff. – Stufenaufstieg bei Überleitung 8 56 – Vergleichsentgelt 8 25 Arbeiter, öffentlicher Dienst – alte Vergütungsregelung 7 5 ff. – Vergütung bei Bund/Land 7 8 f. – Vergütung bei gemeindlicher Verwaltung 7 10 f. Arbeitgeber siehe auch EU-Recht – Abbruch des Auswahlverfahrens 2 65 – Angaben bei Versicherungskassen 11 83 – Arbeitsschutzpflichten 3 K 17 ff. – Ausschüttungspflicht 3 C 15 – Beanstandung der Sanierungsgelder 11 265 – Belehrungspflicht bei Zusatzversorgung 11 81 ff. – Beschäftigungspflicht 3 A 46 – Darlegungs- und Beweislast bei Rückgruppierung 7 282 ff. – Darlegungslast im Gerichtsverfahren 4 D 70 f. – Dokumentationspflicht bei Bewerberauswahl 2 64 – Entgeltzahlung 3 A 45 – Erläuterung der Bewerberauswahl 2 60 ff. – falsche Auskünfte bei Zusatzversorgung 11 82 – Finanzierung der Pflichtversicherung 11 277 – Fürsorgepflicht 3 A 47 ff. – Fürsorgepflicht, Beendigungsvereinbarung 4 A 4 f. – Gleichbehandlungspflicht 3 A 53 – Informationspflicht bei Bewerberauswahl 2 60 ff. – Informationspflicht bei Zusatzversorgung 11 81 ff. – Insolvenzsicherung 11 74 f. – Irrtum bei Eingruppierung 7 134 – kirchliches Arbeitsverhältnis 14 37 – Klauselgestaltung bei Privatisierungsabsichten 3 B 45 – Kündigung der Zusatzversorgungbeteiligung 11 102
Stichwortverzeichnis
– Leiter der Dienststelle 4 D 36 ff. – Meldepflicht bei Agentur für Arbeit 2 68 – Mitteilungspflichten im Anhörungsverfahren 4 D 70 f. – öffentlicher Dienst 1 3 – Pauschalversteuerung der Umlage 11 278 – Pflichten bei schwerbehindertem Bewerber 2 68 – privatrechtliche Organisation 1 3 f. – Rechtsverhältnis zu Zusatzversorgungskasse 11 84 ff. – Schutz des Persönlichkeitsrechts 3 A 51 – Schutz vor Mobbing 3 A 51 – Schutz vor sexueller Belästigung 3 A 51 – Schutz wirtschaftlicher Interessen 3 A 50 – Teilzeit 1 6 – Überwachung des Arbeitsschutzes 3 K 9 ff. – Verbandsaustritt und dynamische Verweisungsklausel 3 B 43 – Verfahrensregeln bei Stellenbesetzung 2 54 ff. – Verhalten bei Eilantrag 2 63 – Verletzung der Mitbeurteilungsrechte 7 195 – Verpflichtungen 3 A 45 ff. – Wartepflicht bei Stellenbesetzung 2 63 – Wegfall der Tarifgebundenheit 3 B 43 ff. – Zuordnung, formale Kriterien 1 3 Arbeitgeberbegriff – funktioneller 1 28 – Gebietskörperschaften 1 29 – im öffentlichen Dienst 1 27 ff. – juristische Personen 1 30 – juristische Personen des Privatrechts 1 31 – sonstige juristische Personen 1 30 Arbeitgebervertreter – Abteilungsleiter 4 D 41 – Beauftragung 4 D 38 – Empfangsbote des Dienststellenleiters 4 D 45 – Leiter der Dienststelle 4 D 36 ff. – Verhinderung 4 D 37 ff. – Verstoß gegen Vertretungsregelung 4 D 46 f.
– Vorbesprechungen mit Personalrat 4 D 45 – Vorverhandlungen mit Personalrat 4 D 45 – weitere Beauftragte 4 D 44 Arbeitnehmer 1 1 – Abgrenzung Arbeiter 1 20 ff. – ABM-Beschäftigte 1 14 – Asylbewerber 1 14 – Begriff, europäischer 1 6 – Betätigungsanspruch 3 A 46 – Dienstverhältnis 1 11 – Ein-Euro-Job 1 14 – Entwicklungshelfer 1 14 – Finanzierung der Pflichtversicherung 11 272 ff. – Folgepflicht bei Dienststellenverlegung 3 D 54 – Freizügigkeit 1 42 ff. – im öffentlichen Dienst 1 10 ff. – kirchliches Arbeitsverhältnis 14 38 f. – Kriterien 1 14 ff. – Lehrkräfte 1 19 – Rechte/Pflichten beim Arbeitsschutz 3 K 38 f. – Rententräger 1 20 – Rundfunkmitarbeiter 1 18 – Strafgefangene 1 14 – Verbraucher 3 B 18 – Verpflichtung 3 A 1 ff. – Vertrag 1 14 – Weiterbildung 3 A 52 Arbeitnehmer, kirchlicher – Streik 14 84 – Werbung für Gewerkschaft 14 86 Arbeitnehmer, öffentlicher Dienst – Arbeitszeitabweichungen 3 L 109 – Aufstieg 3 J 1 ff. – Beschwerderecht bei Aufstieg 3 J 39 Arbeitnehmerbegriff – allgemein 1 10 – Kriterien 1 14 Arbeitnehmerbeteiligung – kirchliches Arbeitsverhältnis 14 78 Arbeitnehmereigenschaft – Abgrenzung 1 15 ff. – Einzelfragen 1 17 ff. – Lehrer 1 19 Arbeitnehmerfreizügigkeit 1 45 Arbeitnehmerhaftung – Abkoppelung vom Beamtenrecht 3G2 – Begriff 3 G 1 – Haftungsgrundsätze 3 G 1
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Stichwortverzeichnis
– Mankohaftung 3 G 1 – Schäden 3 G 1 – Tarifvertrag 3 G 2 Arbeitnehmerschutz – Definition 3 K 1 – Einteilung 3 K 4 – Grundlagen 3 K 1 ff. – Inhalt 3 K 1 ff. – Schutzgesetze 3 K 2 – Unfallversicherungsträger 3 K 3 Arbeitnehmerüberlassung – unerlaubte 1 223 Arbeitsbedingungen – Änderung 3 D 87 ff. – betriebliche Übung 3 E 36 f. – EU-Recht 1 55 – Frisur 3 D 89 – Kleidung 3 D 88 – Schmuck 3 D 89 – Tätowierung 3 D 89 – Weisungen 3 D 87 ff. Arbeitsbefreiung – Begriff 3 M 21 – Dauer 3 M 21 – Entgeltfortzahlung 3 F 15 f.; 3 M 21 – Generalklausel 3 M 24 – Gewerkschaftsvertreter 3 M 25 – staatsbürgerliche Pflichten 3 M 23 – Tarifrecht 3 M 20 ff. – Teilnahme an Berufsbildungsausschüssen 3 M 26 – unbezahlt 3 M 24 Arbeitsbereitschaft – Bereitschaftszeiten 3 L 193 Arbeitseinheit – Eingruppierung 7 84 Arbeitsgemeinschaft kommunaler und kirchlicher Altersversorgung siehe AKA Arbeitsgericht – Eingruppierungsfeststellungsklage 7 239 – kirchliches Recht 14 216 ff. – ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates 4 D 148 – Tatbestandswirkung des Verwaltungsgerichtsverfahrens 4 D 149 – Zuständigkeit 4 D 147 Arbeitsgerichtsbarkeit – Urteils-/Beschlussverfahren 15 19 ff. – Verwaltungsgerichtsbarkeit 15 1 ff. Arbeitsgerichtsgesetz 1 80 Arbeitsgerichtsverfahren – katholische Kirche 14 227 ff.
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Arbeitskampf – katholische Kirche 14 94 – kirchliches Arbeitsverhältnis 14 78, 83 ff. Arbeitskräftebedarf – öffentlicher Dienst 1 206 Arbeitsleistung – Arbeitsvertrag 3 A 1 – Direktionsrecht 3 A 1 – Ort 3 D 8 ff. – Zeit 3 D 8 ff. Arbeitslosengeld – Ruhen bei Beendigungsvereinbarung 4 A 12 Arbeitsmethoden – Mitbestimmung, Personalrat 9 178 – Mitwirkung, Personalrat 9 193 Arbeitsort – Änderung 3 D 53 f. – Dienstort 3 D 53 – Verlagerung der Dienststelle 3 D 54 Arbeitsplatz – Abordnung 3 D 45 f. – Änderung 3 D 37 ff. – Einsatzübersicht 3 D 52 – gleichwertiger 12 A 74 ff. – Kündigung bei Wegfall 4 B 23 ff. – Personalgestellung 3 D 49 – Umsetzung 3 D 38 – Versetzung 3 D 42 ff. – zumutbare Tätigkeit 12 A 77 – Zuweisung 3 D 47 f. Arbeitsplatzänderung – Direktionsrecht 3 D 37 ff. – Übersicht 3 D 52 Arbeitsplatzbewertung – dienstliche Beurteilung 3 H 1 Arbeitsplatzgestaltung – Mitbestimmung, Personalrat 9 169 ff. Arbeitsplatzsicherung – Fortbildung 4 B 58 – Rationalisierungsmaßnahme 4 B 58 – Rationalisierungsschutztarifvertrag 12 A 73 f. – Umschulung 4 B 58 Arbeitsplatzteilung 5 A 30 Arbeitsplatzwechsel – Übertragung der freiwilligen Versicherung 11 295 Arbeitsrecht – Abgrenzung zum bürgerlichen Recht 1 155 ff. – Abgrenzung, Beamtenrecht 1 1 ff.
Stichwortverzeichnis
– allgemeine Arbeitsbedingungen 1 34 – Allgemeines 1 1 f. – auch für ehemalige DDR 1 69 f. – Dienstordnung 1 76 – Dienstvereinbarung 1 34 – Dienstverhältnis 2 2 – Diskriminierungsverbot 2 1 – EU-Recht 1 35 ff. – Freiräume für Länderkompetenzen 1 152 – Gesetzesüberblick 1 77 ff. – Gesetzgebungskompetenzen 1 149 ff. – Gewohnheitsrecht 1 83 – Günstigkeitsprinzip 1 71 – individualrechtliche Schutzgesetze 1 77 – kirchlicher Dienst 14 30, 35 ff. – Privatautonomie 2 1 – Rangordnung der Normen 1 71 – Rechtsprechungswirkung 1 63 – Rechtsquellenüberblick 1 33 ff. – richterliche Rechtsfortbildung 1 81 ff. – Schutzgebotslehre 1 65 – Tarifrecht 3 K 45 – Tarifvertrag 1 34 – Unfallverhütungsvorschriften 1 75 – Verfahrensrecht 1 80 – verfassungsrechtliche Grundlagen 1 59 ff., 149 ff. – Vertragsfreiheit 2 1 – Willkür 2 1 Arbeitsrecht, kirchliches – Abgrenzung 1 8 f. – Gemeinschaftsrecht 14 11 Arbeitsrechtliche Kommission – evangelische Kirche 14 89 ff. Arbeitsschutz – Anhörungspflicht 3 K 35 – Arbeitgeberpflichten 3 K 17 ff. – Arbeitszeitrecht 3 L 1 ff. – Aushangpflichten 3 K 23 f. – autonomer 3 K 12 ff. – Bekanntmachung 3 K 23 f. – Berufsgenossenschaften 3 K 12 ff. – Beschwerdestelle 3 K 34 – Bestellung von Beauftragten 3 K 25 ff. – Bestellung von Fachkräften 3 K 25 ff. – Betriebsarzt 3 K 25 ff. – delegieren 3 K 19 – Durchführung 3 K 9 ff.
– EU-Recht 1 54; 3 K 5 – Fürsorgepflicht des Dienstherrn 3 K 36 f. – Gefährdungsermittlung 3 K 20 – Meldepflicht des Arbeitnehmers 3 K 38 – Mobbing 3 K 44 – Nichtraucherschutz 3 K 40 ff. – öffentlicher Dienst 3 K 8 – organisatorische Pflichten 3 K 18 ff. – Pflichten des Arbeitnehmers 3 K 38 f. – Prävention 3 K 6 – Rechte des Arbeitnehmers 3 K 38 f. – sexuelle Belästigung 3 K 44 – Sicherheitsbeauftragte 3 K 31 – Sicherheitsingenieur 3 K 25 ff. – sonstige Beauftragte 3 K 29 ff. – Spezialgesetze 3 K 29 ff. – staatlicher Schutz 3 K 9 – TVöD-BT-E 13 C 6 – Übersicht zur Einteilung 3 K 4 – Überwachung 3 K 9 ff. – Unfallverhütungsvorschriften 3 K 15 f. – Unterrichtungspflicht 3 K 35 – Unterweisungspflicht 3 K 21 – Vorschlagsrecht des Arbeitnehmers 3 K 39 Arbeitsschutz, öffentlicher Dienst 3K8 – Binnenkontrolle 3 K 11 – Unfallkassen 3 K 12 ff. Arbeitsschutzbehörden – Länder 3 K 9 Arbeitsschutzgesetz – Fürsorgepflicht des Arbeitgebers 3 A 48 f. Arbeitsumfang – Anordnung von Kurzarbeit 3 D 74 f. – Anordnung von Überstunden/Mehrarbeit 3 D 71 ff. – Erhöhung der Pflichtstundenzahl 3 D 70 – Festlegung 3 D 70 – Verkürzung der Arbeitszeit 3 D 74 f. Arbeitsunfähigkeit – Arbeitsvertrag 3 B 52 – Zeitausgleich 3 L 85 ff. Arbeitsunfall – Wartezeit bei Betriebsrente 11 180 Arbeitsunterbrechung – Ruhepause 3 L 40 ff.
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Stichwortverzeichnis
Arbeitsverhältnis siehe auch Beendigungsvereinbarung; siehe auch Befristung – Abgrenzung Dienstverhältnis 1 11 – Altersgrenzenanhebung 6 9 ff. – Ausgestaltung 1 68 ff. – automatische Beendigung 3 B 55 – Beendigung 3 B 54 ff.; 4 A 1 ff. – Beendigung, Erreichen der Altersgrenze 4 C 2 ff. – Durchführung 3 A 1 ff. – Erreichen der Altersgrenze 3 B 56 – gesetzliche Privatisierung 12 A 155 – Gleichbehandlungsgrundsatz 1 34 – Haushaltsmittel, Befristung 6 83 ff. – Kündigungsfristen 3 B 54 – rechtsgeschäftliche Unternehmensübertragung 12 A 156 – tatsächliche Ausgestaltung 1 12 – Überleitungstarifvertrag 8 7 ff. – Umwandlung 12 A 157 – Verletzung von Haushaltsrecht 6 86 – Vertrag 1 11 ff. – Vertretungsgrund 6 92 ff. Arbeitsverhältnis, kirchliches siehe auch Evangelische Kirche; siehe auch Katholische Kirche; siehe auch Kirchlicher Dienst – Arbeitsvertrag 14 34 – Begründung 14 48 – Besonderheiten 14 1 ff. – geistliche Ausrichtung des Arbeitnehmers 14 38 f. – kirchliches Selbstbestimmungsrecht 14 35 ff. – Loyalitätsobliegenheit 14 40 ff. – staatliches Arbeitsrecht 14 30, 35 ff. – Zugangsvoraussetzungen 14 40 Arbeitsverhältnis, öffentlicher Dienst siehe Dienstverhältnis Arbeitsvertrag – Abgrenzung Dienstvertrag 1 224 – Ablösung BAT durch TVöD 3 B 37 ff. – Abschluss 1 134 – allgemeine Arbeitsbedingungen 1 137 ff. – Änderungsvorbehalte 3 B 92 ff. – Angabe der Entgeltgruppe 7 37 – Anrechnungsvorbehalt 3 B 100 – Anspruch auf höheres Entgelt 7 105 – Arbeitsleistung 3 A 1 – Arbeitsunfähigkeit 3 B 52
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Arbeitszeit 3 L 8 f. Arbeitszeitregelung 3 B 51 Aushandeln einer Klausel 3 B 19 Ausschlussfristen 3 B 66 ff. Beendigung 1 136; 3 B 54 ff. Befristung 3 B 74 ff.; 4 C 4 Beginn 3 B 46 ff. Bereitschaftsdienst 3 B 77 Besonderheiten im kirchlichen Dienst 14 53 ff. betriebliche Übung 1 140 ff. Betriebsvereinbarung 3 B 8, 9 Betriebsvereinbarungsöffnungsklausel 3 B 101 ff. Bezug auf Tarifvertrag 3 B 32 ff. Bezugnahme auf Tarifvertrag, Befristung 6 114 Bezugnahme Tarifvertrag 1 105 Bezugnahmeklausel 3 B 32 ff. Bezugnahmeklausel bei Tarifvertragsüberleitung 8 12 ff. Dienstvereinbarungsöffnungsklausel 3 B 101 ff. Dienstverhinderung 3 B 52 Dienstwagen 3 B 82 Direktionsrecht 1 145 ff.; 3 D 2, 9 dynamische Bezugnahmeklausel auf Tarifvertrag 12 A 167 ff. E-Mail-Nutzung 3 B 81 Eingruppierung von Lehrkräften 7 238 Eingruppierung, Vergütung 7 36 Eingruppierungsrichtlinie 3 B 12 Einheitsregelungen 1 138 Ersetzungsklausel 3 B 73 EU-Recht 3 B 9 evangelische Kirche 14 40 ff. Form der Nebenabreden 3 B 1 ff. Freistellungsklausel 3 B 62 ff. Freiwilligkeitsvorbehalt 3 B 97 Gesamtzusage 1 139 Gleichstellungsabrede 3 B 42 f. Grenzen der Gestaltung 3 B 9 ff. Grundgesetz 3 B 9 Hauptpflicht 3 A 1 Haushaltsrecht 3 B 10 Inhalt 1 132 Inhaltskontrolle 3 B 13 ff. Internetnutzung 3 B 81 katholische Kirche 14 44 ff. kirchliches Arbeitsverhältnis 14 34 Klauselkontrolle 3 B 23 ff. kommunalrechtliche Vorschriften 3B3
Stichwortverzeichnis
– Kündbarkeit vor Arbeitsantritt 3 B 48 – Mehrarbeit 3 B 77 – Muster: Altersgrenzenklausel 3 B 61 – Muster: Ausschlussfrist 3 B 68 – Muster: Befristung 3 B 74 f. – Muster: Freistellungsklausel 3 B 63 f. – Muster: Probezeit 3 B 47 – Muster: Urlaubsklausel 3 B 53 – Musterbezugnahmeklausel nach TVöD 3 B 41 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 3 B 78 – Nachweisgesetz 3 B 7 f. – nationales Recht 3 B 9 – Nebenabreden 3 B 4 ff. – Nebenpflicht 3 A 2 ff. – Nichtigkeit 1 136 – notwendiger Inhalt 3 B 7 ff. – Pflichten der Vertragsparteien 1 135 – Privatisierung 12 A 154 ff. – Probezeit 3 B 46 ff. – Rückzahlung von Aus-/Fortbildungskosten 3 B 83 ff. – salvatorische Klausel 3 B 73 – Schriftform 3 B 1 ff. – Schriftformklausel 3 B 69 ff. – Schutz der Betriebsgeheimnisse 3 B 79 – Schutz von Know-how 3 B 79 – Standardklauseln 3 B 32 ff. – Tarifrecht der Zusatzversorgung 11 45 ff. – Tarifvertrag 3 B 9 – Tarifvertragsöffnungsklausel 3 B 101 ff. – Tätigkeit 3 B 49 – Tätigkeitsänderung 3 D 57 – Tätigkeitsnachweis durch Ausschreibung 3 B 8 – Teilnichtigkeitsklausel 3 B 73 – Übergangsphase BAT und TVöD/TV-L 3 B 40 – überraschende Klausel 3 B 21 – Überstunden 3 B 77 – Urlaub 3 B 53 – Vergütung 3 B 51, 77 – verschlechternde Betriebsvereinbarung 3 B 105 – Versetzung 3 B 49 – Vertragsfreiheit 1 133 – Vertragsstrafe 3 B 80
– Verwaltungsvorschriften 3 B 12 – Verweisungsklausel 3 B 34 – Verweisungsklausel für Privatisierung 12 A 166 – Verweisungsklausel auf Tarifrecht 11 47 – Verweisungsklausel bei Tarifvertragsüberleitung 8 12 ff. – Vorrang der Individualabrede 3 B 22 – Wegfall der Tarifgebundenheit 3 B 43 ff. – Wohnsitzklausel 3 B 50 Arbeitsvorgang – Abwesenheitsvertreter 7 82 – Arbeitsergebnis 7 83 – Begriff 7 81 ff. – Bewertung 7 85 ff. – Bewertung der gesamten Tätigkeit 7 91 f. – Bezug zur Gesamtarbeitszeit 7 90 – Eingruppierung 7 77 – einzeln zu bewerten 7 80 – Fachkenntnisse 7 88 – Feststellung 7 80 – Feststellung des zeitlichen Anteils 7 90 – Rechtsprechung des BAG 7 83 – tarifliche Bewertungseinheit 7 80 – zusammenfassende Beurteilung 7 88 f. Arbeitszeit – Abweichungsmöglichkeiten 3 L 101 ff. – Änderung 3 D 70 ff. – Arbeitsbereitschaft 3 D 81 – Arbeitsschutzvorschriften 3 L 1 f. – Arbeitsvertrag: Musterklausel 3 B 51 – Ausgleich bei Sonderformen 3 L 160 ff. – ausgleichslose Verlängerung 3 L 111 – Ausgleichszeitraum 3 L 30 ff. – Begriff 3 L 10 ff. – Berechnung des Ausgleichszeitraums 3 L 33 – Bereitschaftsarbeit 3 D 80 ff. – Bereitschaftsdienst 3 L 149 ff. – Bereitschaftsdienst, EU-Recht 1 50 – Bereitschaftszeit 3 D 82 – betriebliche Übung 3 E 34 – Betriebs-/Dienstvereinbarung 3 L 6 f. – Bundesbeschäftigte 3 L 19
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Stichwortverzeichnis
– Dienstplan 3 L 47 ff. – Dienstreise 3 L 13 ff. – europäische Arbeitszeitrichtlinie 3L1 – feste 3 L 45 – Hamburg 3 L 22 – Höchstgrenze 3 L 17 – Kombinationsmöglichkeiten 3 L 66 – Länder 3 L 23 ff. – Landwirtschaft 3 L 108 – Lehrkräfte, Musikschule 13 B 25 ff. – Mehrarbeit 3 L 137 f. – Mitbestimmung, Personalrat 9 152 – monatliche 3 L 27 – Nachtarbeit 3 L 107, 125 f. – neue Bundesländer 3 L 26 – notwendige betriebliche/dienstliche Gründe 3 L 37 f. – Öffnungsklausel, TVöD 3 L 91 ff. – Pflegepersonal 3 L 108 – Rechtsgrundlage 3 L 1 ff. – Rufbereitschaft 3 L 154 ff. – Ruhepause 3 L 12, 39 ff. – Schichtarbeit 3 L 134 ff. – Schwankungen 3 L 47 – Sonderformen der Arbeit 3 L 114 ff. – Sonn-/Feiertag 3 L 112 f., 116 ff. – Tarifbindung 3 L 94 f. – Tarifgebiet West 3 L 25 – Tarifreform 3 L 3 ff. – TVöD-BT-E 13 C 3 – Überstunden 3 L 139 ff. – Urlaubsberechnung 3 M 4 ff. – Verlängerung 3 L 28 – Verteilung 3 D 76 ff.; 3 L 30 ff. – Verteilung auf Wochentage 3 L 34 ff. – Vertrag 3 L 8 f. – vertragliche Regelungen 3 L 28 f. – VKA-Bereich 3 L 20 – Vorbereitungszeit 3 L 12 – Wechselschicht 3 L 127 ff. – wöchentliche 3 L 16 ff. – Zeitausgleich 3 L 33, 78 ff. – Zeitkonto 3 L 33, 68 ff. – Zweck des Gesetzes 3 L 2 Arbeitszeit, Flexibilisierung – Arbeitsanfall 3 L 45 – Arbeitszeitkorridor 3 L 5 – Arbeitszeitmodell 3 L 44 – Betriebs-/Dienstvereinbarung 3 L 96 ff. – Festlegung der Arbeitszeit 3 L 47 ff. – Gleitzeit 3 L 50 ff. – Kombinationsmöglichkeiten 3 L 66
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– Öffnungsklausel, TVöD 3 L 91 ff. – Rahmenzeit 3 L 5, 62 ff. – Vertrauensarbeitszeit 3 L 67 – Zeitausgleich 3 L 78 ff. – Zeitkonto 3 L 57, 68 ff. – Zeitkorridor 3 L 55 ff. Arbeitszeitkonto – Ausgleich 3 L 33 – Bereitschafts-/Rufbereitschaftsdienst 3 L 84 – Betriebs-/Dienstvereinbarung 3 L 75 ff. – buchbare Zeiten 3 L 82 ff. – Einrichtung 3 L 68 ff. – Langzeitkonto 3 L 88 ff. – Rahmenzeit 3 L 68 ff. – Rufbereitschaft 3 L 177 – Zeitkorridor 3 L 68 ff. Arbeitszeitöffnungsklausel – dringende betriebliche/dienstliche Gründe 3 L 99 f. – Tarifvertrag 3 L 91 ff. Arbeitszeitreduzierung – Tarifvertrag zur sozialen Absicherung 12 A 101 Arbeitszeitverlängerung – ausgleichslose 3 L 111 – Bereitschafsdienst 3 L 102 f. – Bestenauslese 5 A 61 – Teilzeit, öffentlicher Dienst 5 A 60 ff. – Vorzugsrecht 5 A 60 Arbeitszeitverringerung – befristete 5 A 101 ff. Arbeitszeitversäumung – Personalvertretung 9 64 Arbeitszeitverteilung – Arbeitsvertrag 3 D 76 – Mitbestimmung 3 D 76 – Teilzeitbeschäftigte 3 D 78 f. Arzt im Praktikum – Anrechnung 13 F 110 Ärzte – arbeitsrechtliche Pflichten 13 F 17 ff. – Aufklärungspflicht 13 F 18 – Befristung, ÄArbVtrG 6 165 ff. – Befristung, Weiterbildung 6 165 ff. – Eingruppierung 7 140 – freier Beruf 13 F 15 ff. – Gewissensfreiheit 13 F 20 – Krankenhausärzte 13 F 21 ff. – Überleitungstarifvertrag 8 5 Asset Deal – Privatisierung 12 A 147
Stichwortverzeichnis
Asylbewerber – Arbeitnehmerbegriff 1 14 Aufgabenbereichsänderung siehe Tätigkeitsänderung Aufgabenprivatisierung – Ausgliederung aus öffentlichem Bereich 12 A 9 f. – Beispiele 12 A 9 f. Aufhebungsvertrag – Abgrenzung Abwicklungsvertrag 4 A 35 – Kündigungsschutz 4 A 38 – öffentlicher Arbeitgeber 4 A 34 ff. – siehe auch Beendigungsvereinbarung 4 A 1 ff. – Vertragsfreiheit 4 A 38 ff. – Wiedereinstellungsanspruch 4 A 39 Aufhebungsvertrag, öffentlicher Dienst – Abfindung 4 A 50, 52 ff. – Abgeltungsklausel 4 A 75 ff. – Annahmeverzug bei Freistellung 4 A 60 – Ausgleichsklausel 4 A 75 ff. – Beendigungszeitpunkt 4 A 49 ff. – Beteiligung des Personalrates 4 A 44 ff. – betriebliche Gründe 4 A 50 – Billigkeitskontrolle 4 A 47 – Dienstwagen 4 A 63 – einheitliche Urkunde 4 A 42 – elektronische Form 4 A 42 – Erledigungsklausel 4 A 75 ff. – Formmangel 4 A 43 – Formzwang 4 A 41 ff. – Freistellung 4 A 57 ff. – Haushaltsrecht bei Freistellung 4 A 62 f. – Inhalt 4 A 47 f. – Inhaltskontrolle 4 A 47 – Muster, Abfindungsanspruch 4 A 56 – Muster, Ausgleichsklausel 4 A 77 – Muster, Beendigung 4 A 51 – Muster, Freistellung 4 A 64 – Muster, Urlaubsanspruch 4 A 65 – Muster, Wettbewerbsverbot 4 A 66 – Rationalisierungsschutz 4 A 53 – Unterschrift 4 A 42 – unwiderrufliche Freistellung 4 A 58 ff. – Urlaub 4 A 65 – Urlaubsanspruch bei Freistellung 4 A 60 – Vererblichkeit des Abfindungsanspruchs 4 A 56
– Vergütung bei Freistellung 4 A 59, 63 – Versicherungspflicht bei Freistellung 4 A 59 – Versteuerung der Abfindung 4 A 54 – verzichtbare Ansprüche 4 A 76 – Wettbewerbsverbot 4 A 66 – widerrufliche Freistellung 4 A 61 – Zeugnis 4 A 69 – Zusatzrente 4 A 72 – Zusatzversorgung 4 A 70 ff. – Zwischenverdienst bei Freistellung 4 A 60 Aufklärungspflicht – Beendigungsvereinbarung 4 A 4 ff. Auflösungsvereinbarung siehe Aufhebungsvertrag Aufstieg – Beschwerdekommission 3 J 37 ff. – Beschwerderecht des Arbeitnehmers 3 J 39 – Besitzstandsregelung für Bund 3 J 20 ff. – Besitzstandsregelung für Kommune 3 J 24 – Besitzstandsregelung für Länder 3 J 23 – Bestenauslese 3 J 10 – Beurteilungskriterien der Leistung 3 J 29 ff. – Bewährungsaufstieg, siehe dort – Bewerbung auf andere Stelle 3 J 5 f. – Checkliste für Bewährungsaufstieg 3 J 14 – Einzelheiten 3 J 7 ff. – Elternzeit 3 J 36 – Fallgruppenaufstieg 3 J 16 ff. – gerichtliche Kontrolle 3 J 40 ff. – Hemmung der Bewährungszeit 3 J 11 – Höhergruppierung 3 J 1 – Leistungsbewertung 3 J 26 ff. – Letztentscheidungsrecht des Arbeitgebers 3 J 38 – Stufenaufstieg 3 J 25 ff. – Stufenlaufzeit 3 J 26 ff. – Tarifautomatik 3 J 1 ff. – tarifvertragliche Entwicklung 3 J 2 ff. – Tätigkeitsaufstieg 3 J 15 ff. – Tätigkeitsunterbrechung 3 J 35 f. – Überleitungsvorschriften 3 J 4 – Überspringen von Stufen 3 J 28
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Stichwortverzeichnis
– Unterbrechung der Bewährungszeit 3 J 11 – Verfehlung 3 J 9 – Verkürzung/Verlängerung der Stufenlaufzeit 3 J 31 ff. – Vernichtung der Bewährungszeit 3 J 11 – während Altersteilzeit 5 B 109 ff. Aufstiegsmöglichkeit – Berücksichtigung bei Tätigkeitsänderung 3 D 56 Aufstockungsbetrag – Einmalzahlungen 5 B 102 – pauschalierter Mindestnettobetrag 5 B 87 Aufstockungsleistung – Altersteilzeit, öffentlicher Dienst 5 B 82 ff. – Progressionsvorbehalt 5 B 104 – Sachleistungen 5 B 86 – sozialversicherungsrechtliche Behandlung 5 B 105 – steuerliche Behandlung 5 B 103 f. – Zusatzversorgung 5 B 105 Ausbildung – Tätigkeitsmerkmal, Eingruppierung 7 146 Ausbildungskosten – siehe auch Fortbildungskosten 3 B 83 ff. Ausbildungsverhältnis – Rückzahlungsvereinbarung 3 B 83 Ausbildungszeit – Zeiten bei Kündigung 4 B 98 Ausgleichsbetrag – Ausstieg aus der Zusatzversorgung 11 101 – Beendigung der Zusatzversorgung 11 116 ff. – Berechnung 11 118 ff. – Berechnung bei Ausgliederung 11 121 – Berechnungsmodalitäten 11 124 – Dispositionsmöglichkeit 11 123 – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 11 128 – Fortsetzung der Pflichtversicherung 11 122 – freiwillige Versicherung 11 118 – Hintergrund der Verpflichtung 11 117 – Kritikpunkte 11 125 – Lohnsteuerrecht 11 126 ff. – Nichtzahlung 11 107
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– Pauschalsteuersatz 11 128 – Satzungsregelungen 11 119 – Sozialversicherungsrecht 11 129 – Zahlungsmodalität 11 124 – Zäsurmodell 11 138 ff. – Zinsen 11 125 Ausgleichszahlung – Sozialplan 12 A 48 Ausgliederung – Berechnung des Ausgleichsbetrages 11 121 – Haftung 12 A 152 – kirchlicher Rechtsträger 14 209 – Pensionsverpflichtungen 12 A 152 – Privatisierung 12 A 144 – Spaltungsplan 12 A 152 – Umwandlung 12 A 151 ff. Aushilfskraft – vorrübergehender Bedarf 6 32 Aushilfslehrkraft – Gesamtvertretungsbedarf 13 B 22 Auskunftspflicht – Nebenpflicht des Arbeitsvertrages 3 A 36 Aussagegenehmigung – Ausnahme von Verschwiegenheitspflicht 3 A 23 Ausschlussfristen – Arbeitsvertrag 3 B 66 ff. – Arbeitsvertrag: Musterklausel 3 B 68 – Neuberechnung des Vergleichsentgelts 8 62 – Tarifbindung 3 B 68 – Tarifvertrag 1 96 – Überleitungstarifvertrag 8 62 Ausschreibung siehe Stellenausschreibung Ausschreibungspflicht – Angestellte 2 6 – Dienstverhältnis 2 3 ff. – Grenzen 2 83 ff. – Konkretisierung 2 7 – nach Grundgesetz 2 4 ff. – öffentliches Amt 2 6 – Personenkreis 2 6 – Rechtsprechung 2 4 ff. – regionaler Bezug 2 7 Ausschreibungstext – Beschränkung des Bewerberkreises 2 20 Ausschreibungsverfahren – Dienstverhältnis 2 2
Stichwortverzeichnis
Ausschüttungspflicht – leistungsorientierte Bezahlung 3 C 8 f. Außerdienstliches Verhalten – Abkehr vom Beamtenrecht 3 A 43 – Direktionsrecht 3 D 8 – Nebenpflicht des Arbeitsvertrages 3 A 42 ff. – Skiurlaub während Arbeitsunfähigkeit 3 A 44 – Tötungsdelikt 3 A 44 – Treuepflicht 3 A 42 ff. Außerordentliche Kündigung – Anhörung des Personalrates 4 D 24 – Annahme von Geschenken 3 A 13 – Beteiligung des Personalrates 4 D 9 – Frist 4 B 115 – fristlose 4 B 112 – frühere Stasitätigkeit 4 B 80 – früherer Stasimitarbeiter 4 B 113 – keine Besonderheiten im öffentlichen Dienst 4 B 114 – Kündigung kirchliches Arbeitsverhältnis 14 76 – Mormonenkirche 14 75 – ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist 4 B 112 – Verwirkung 4 B 115 – wichtiger Grund 4 B 111 – Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang 12 B 39 – Zusatzversorgung durch VBL 11 157 – Zusatzversorgungsbeteiligung 11 106 ff. Aussperrung – katholische Kirche 14 94 – kirchliches Arbeitsverhältnis 14 78 Austauschkündigung – betriebsbedingte Kündigung 4 B 28 Ausübungskontrolle – Direktionsrecht 3 D 28 ff. Auswahlakte – Bewerberauswahl 2 46 Auswahlentscheidung siehe auch Einstellung – Einstellung 2 16 ff. – hohe Ermessensanforderung 2 46 – klassische Fehler 15 31 Auswahlermessen – Stellenbesetzung 1 209 Auswahlkommission – Besetzung 2 69 – Frauenförderung 2 69
Auswahlrichtlinien – Mitbestimmung, Personalrat 9 179 Auszubildende – Personalratsmitglieder 9 76 ff. Ballungsraumzulage – formfrei 3 B 6 Bankgeheimnis 13 D 74 ff. – Beschäftigte der Sparkassen 3 A 20 BAT-Mustervertrag – dynamische Verweisungsklausel 3 B 36 ff. Beamte 1 2 – Arbeitnehmer 1 187 – Bundesbahn 1 192 – Deutsche Bundespost 1 192 – Einsatz bei Streik 1 174 – Ernennungsurkunde 1 6 – EU-Recht 1 43 – Grundsätze des Berufsbeamtentums 1 185 ff. – Richter 1 7, 14 – Soldaten 1 7, 14 – Vorbereitungsdienst 1 210 – weiter Arbeitnehmerbegriff 1 46 – Zivildienstleistende 1 7, 14 Beamtenrecht – betriebliche Übung für Angestellte 3 E 32 Beamtenverhältnis – Begründung durch Kirche 14 29 – Privatisierung 12 A 158 ff. – Umbildung von Körperschaften 12 A 158 – Weiterbeschäftigung bei Privatisierung 12 A 160 ff. Beamtenversorgung – Anspruch auf Versorgungsleistung 10 31 – Anwartschaftseinräumung 10 29 f. – Arbeitnehmerfinanzierung 10 28 – gerichtliche Prüfung Gewährleistungsentscheidung 10 38 – Gewährleistungsentscheidung 10 33 ff. – Sicherung der Versorgung 10 32 – Versicherungsfreiheit 10 39 ff. – Zusatzversorgung öffentlicher Dienst 10 27 Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Altersgrenze 4 C 2 ff. – Ausscheiden ohne Kündigung 4 C 11 f. – keine gesetzliche Rentenversicherung 4 C 19
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Stichwortverzeichnis
– Rentenleistung 4 C 14 ff. – schwerbehinderte Menschen 4 C 20 Beendigungsvereinbarung – Abdingbarkeit von Hinweispflichten 4 A 27 ff. – AGB-Kontrolle 4 A 29 ff. – Anfechtung 4 A 20 ff. – Anlass 4 A 2 – Aufklärungspflichten 4 A 4 ff. – Benachteiligung bei Verzichtserklärung 4 A 30 – Besonderheiten 4 A 1 ff. – Drohung 4 A 23 f. – Erklärungsirrtum 4 A 21 ff. – Hinweispflichten 4 A 4 ff. – Inhalt 4 A 2 – Inhaltsirrtum 4 A 21 ff. – Inhaltskontrolle 4 A 29 – Irrtum des Arbeitgebers 4 A 24 – nach Kündigung 4 A 36 – Naturalrestitution 4 A 25 – Schadensersatz 4 A 25 ff. – Täuschung 4 A 23 f. – Transparenzgebot der Verzichtsklausel 4 A 31 – Zurechnung des Mitverschuldens 4 A 26 Beendigungsvereinbarung, Hinweispflicht – Abdingbarkeit 4 A 27 ff. – Abdingbarkeit, Mustertext 4 A 27 – Belehrung bei Zusatzversorgung 4 A 15 ff. – besondere Umstände 4 A 9 – fachanwaltliche Beratung 4 A 33 – Initiative zur Beendigung 4 A 9 – Leistungen aus Zusatzversorgung 4 A 15 ff. – positive Vertragsverletzung 4 A 17 – Rechtsfolgen bei Verletzung 4 A 19 ff. – Rentenanspruch 4 A 6 f. – Richtigkeit 4 A 15 – Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs 4 A 12 – sozialrechtliche Folgen 4 A 10 ff. – Sperrzeit 4 A 11 – steuerrechtliche Folgen 4 A 14 – Überrumpeln durch Verzichtsklausel 4 A 28 – Versorgungs-/Versicherungsrente 4 A 16 ff. – Verzichtserklärung 4 A 27 ff. – Vollständigkeit 4 A 15 ff. – Voraussetzungen 4 A 9 ff.
1406
Befähigung – Einstellung 2 22 ff. Befähigungsbeurteilung – Beförderung 3 H 12 – Definition 3 H 12 Beförderung siehe auch Bewerberauswahl; siehe auch Einstellung – Anspruch des übergangenen Bewerbers 7 117 f. – Aufstieg 3 J 1 ff. – Befähigungsbeurteilung 3 H 12 – Bewerbung auf andere Stelle 3 J 5 f. – Einzelheiten 3 J 7 ff. – Höhergruppierung des übergangenen Bewerbers 7 112 ff. – kein Rechtsanspruch 2 16 – Konkurrenz zu Versetzungsbewerber 7 115 – Mindestalter 2 33 – Teilzeit 5 A 23 – Überleitungstarifvertrag 8 56 ff. – Wartezeit 2 33 ff. Beförderungsdienstposten – Personalratsmitglieder 9 69 Beförderungsstelle – Besetzung 2 20 Befristung siehe auch Befristung, Führungsposition; siehe auch Haushaltsmittel; siehe auch Tarifvertrag; siehe auch Vertretung – Abdeckung durch Abwesenheit entstandenen Bedarfs 6 34 – allgemeine Einsparung 6 74 ff. – Altersgrenzen 6 5 ff. – Änderung der Aufgaben 6 29 – Anforderungen an die Beschäftigung 6 28 f. – Anforderungen an Haushaltsmittel 6 27 – Arbeitsverhältnis 4 C 4 – Arbeitsvertrag 3 B 74 ff. – Arbeitsvertrag: Muster 3 B 74 ff. – Ärzte in der Weiterbildung 6 165 ff. – Aushilfskräfte 6 30, 32 ff. – BAG Kriterien Arbeitsmengenanstieg 6 38 – BAG Kriterien Aushilfskraft 6 33 – BAG Kriterien Ausscheiden des Stelleninhabers 6 36 – BAG Zusammenfassung 6 39 ff. – besondere tarifvertragliche Regelungen 6 174 f. – Haushaltsrecht 1 232; 3 B 11; 6 23 f., 39 ff., 81 ff. – Hochschulrahmengesetz 1 166
Stichwortverzeichnis
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Kündigung 3 B 76; 6 118 f. nach Spezialregelungen 6 138 ff. nachträgliche Überprüfung 6 28 ohne Sachgrund 6 111 personalvertretungsrechtliche Besonderheiten 6 176 ff. – Probezeit 6 115 ff. – Rechtsprechung 6 25 ff. – Rechtsprechungsentwicklung 6 44 – sachlicher Grund, Altersgrenze 6 7 – sachlicher Grund, Haushaltsrecht 6 23 ff. – Schriftform 3 B 74 – tarifvertragliche Regelungen 6 3 – Tätigkeitsänderung mit Höhergruppierung 3 D 65 – Teilzeit 3 L 211 – TV-L, Sonderregelungen 13 E 34 ff. – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 6 44 – Vergütung aus gewidmeten Mitteln 6 49 – Vertretungsgrund 6 92 ff. – Verwaltungsermächtigung 6 31 – Widmungsanforderungen 6 50 ff. – Wissensschaftszeitvertragsgesetz 6 138 ff. – Zweckbefristung 3 B 75 Befristung, ÄArbVtrG – Ärzte in der Weiterbildung 6 165 ff. – Befristungsart 6 166 – Befristungsdauer 6 168 ff. – Befristungsgrund 6 167 – Einschränkung der Tarifautonomie 6 165 – Höchstbefristungsdauer 6 170 – mehrere befristete Arbeitsverträge 6 173 – Teilzeit 6 171 f. – Verlängerung 6 171 f. Befristung, Führungsposition – auf Zeit 6 129 ff. – Befristungsdauer 6 127 – Erprobung 6 126 – externe Kraft 6 124 – interner Beschäftigter 6 133 ff. – Verlängerung 6 128 – vorübergehend 6 122 Befristung, Tarifvertrag – Bezugnahme 6 114 – Geltungsbereich 6 113 – Hochschulen/Forschungseinrichtungen 6 109 – kalendermäßige Befristung 6 108 ff. – Mindestdauer 6 112
– ohne Sachgrund 6 111 ff. – Sonderregelungen 6 120 ff. – Verhältnis zum gesetzlichen Befristungsrecht 6 107 Befristung, WissZeitVG – Anrechnung von Beschäftigungszeiten 6 156 – Befristungsdauer 6 153 ff. – Drittmittel 6 157 ff. – Eltern, Befristungsdauer 6 155 – Forschungseinrichtungen 6 146 – Hochschulen/Forschungseinrichtungen 6 138 ff. – institutioneller Anwendungsbereich 6 139 – persönlicher Anwendungsbereich 6 150 ff. – Privatdienstvertrag 6 147 ff. – Promotion 6 153 f. – staatlich anerkannte Hochschulen 6 141 – staatliche Forschungseinrichtungen 6 142 f. – staatlich finanzierte Forschungseinrichtungen 6 144 ff. – staatliche Hochschulen 6 140 – Zitiergebot 6 14 Befristungsdauer – Einzelfallprüfung 6 127 Befristungsverlängerung 5 A 103 Behinderung – Arbeitsende aufgrund Rentenleistung 4 C 15 Behörde – Errichtung 1 197 Behördenaufbau – Personalvertretung 9 14 ff. Behördeneinrichtung – Zuständigkeit 1 206 Behördenorganisation – Funktionsvorbehalt 1 203 – Willkürkontrolle 1 202 Behördenwegfall – Auffangbehörde 1 201 Behördenzuständigkeit 1 227 – Doppelvertretung 1 216 – rechtgeschäftliches Handeln 1 215 – Vertretung des Rechtsträgers 1 214 Beiakte – Personalakte 3 I 7 Beihilfe – Begrenzung 10 103 ff. – EU-Recht 1 44 – gesetzliche Krankenversicherung 10 96
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Stichwortverzeichnis
– Pflichtversicherung 10 124 f. – private Ergänzungsversicherung 10 107 ff. – siehe auch Ergänzungsversicherung 10 107 ff. – siehe auch Freiwillige Versicherung 10 117 ff. – Teilzeit 5 A 24 Beiladung – Konkurrentenklage 15 41 ff. Beitrag – Mischsystem Zusatzversorgung 11 22 Beitragserstattung – Rente aus Zusatzversorgung 11 213 Beitragsfrei Versicherte – Bonuspunkte 11 298 – einfache Versicherungsrente 11 249 – Personenkreis 11 249 – Punktemodell 11 232 – Startgutschrift 11 239 f., 249 Beitragsfreie Versicherung – Bonuspunkte 11 169 – Ende 11 170 – nach Pflichtversicherung 11 169 Beitragsfreistellung – freiwillige Versicherung 11 296 Belohnungen – Annahmeverbot 3 A 6 ff. Benachteiligungsverbot – Einstellung 2 31 – Schadensersatz bei Verletzung 2 78 Berechnung – Ausgleichsbetrag, Zusatzversorgung 11 118 ff. Bereitschaftsdienst – Abgrenzung Bereitschaftszeit 3 L 194 – Anordnung 3 L 151 – Arbeitsvertrag 3 B 77 – Arbeitszeit 3 D 80 ff.; 3 L 149 ff. – Arbeitszeitkonto 3 L 84 – Arbeitszeitregelungen 1 50 – Ausgleich 3 L 180 – Begriff 3 D 83 – Billigkeitskontrolle 3 L 151 – einseitige Anordnung 3 D 84 – Rufbereitschaft 3 D 85; 3 L 155 – Ruhezeit 3 L 150 f. – TV-Ärzte/VKA 13 F 102 ff. – Überstunden 3 L 152 – Verlängerung der täglichen Arbeitszeit 3 L 102 f. – Zulage bei Entgeltfortzahlung 3 F 6
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Bereitschaftsdienst, Krankenhaus – Arbeitszeitabweichungen 3 L 188 – Arbeitszeitöffnungsklausel 3 L 187 – Definition 3 L 185 – Entgelt 3 L 190 – Opt-out-Regelung 3 L 188 – Verlängerung der täglichen Arbeitszeit 3 L 186 Bereitschaftszeit – Abgrenzung Ruf-/Bereitschaftsdienst 3 L 194 – Arbeitsbereitschaft 3 L 193 – Begriff 3 L 193 – Beschäftigte im Rettungsdienst 3 L 201 ff. – Faktorisierung 3 L 197 – Geltungsbereich 3 L 195 f. – Hausmeister 3 L 201 ff. – Mitbestimmung, Bund 3 L 200 – Mitbestimmung, VKA 3 L 198 f. Bertriebsrentenberechnung – Altersteilzeit 11 193 Berufsausbildung – Mitbestimmung, Personalrat 9 159 Berufsgenossenschaften – Arbeitsschutz 3 K 12 ff. Beschäftigte – Legaldefinition 2 31 – Unterrichtung von Betriebsübergang 12 B 29 ff. – Veränderung der Tätigkeit 7 44 ff. – Vergütung bei Neueinstellung 7 28 – Vergütung bei Überleitung 7 26 – Vergütungsregelung 7 12 f. – Versicherungspflicht 11 161 Beschäftigung – Kündigung bei Wegfall 4 B 26 ff. Beschäftigungsanspruch – Arbeitnehmer 3 B 62 Beschäftigungsgruppe – Eingruppierung 7 145 Beschäftigungspflicht – Suspendierung 3 A 46 – Wegfall 3 A 46 Beschäftigungssicherung – TV-Ärzte/VKA 13 F 122 Beschäftigungszeit – Altersteilzeit, öffentlicher Dienst 5 B 33 – anderer Arbeitgeber 4 B 102 ff. – Arbeitsverhältnis 4 B 98 – Ausbildungszeiten 4 B 98 – derselbe Arbeitgeber 4 B 97 ff.
Stichwortverzeichnis
– früheres Beamtenverhältnis 4 B 100 – geringfügige Beschäftigung 4 B 99 – Kündigung 4 B 9 ff. – Mitteilung an Personalrat 4 D 78 – Praktikum 4 B 98 – Unterbrechungen 4 B 101 – Zusammenrechnung 4 B 104 Beschäftigungszugang – EU-Recht 1 56 Beschwerdekommission – Aufstieg 3 J 37 ff. Beschwerdestelle – Arbeitsschutz 3 K 34 Besitzstandsregelungen – Aufstieg 3 J 19 ff. – Eingruppierung 7 54 – Überleitungstarifvertrag 8 6 Besitzstandswahrung – Vergleichsentgelt 8 46 Besitzstandszulage – kinderbezogene 8 35, 49 ff., 55 Bestechlichkeit 3 A 16 Bestenauslese – Beförderungs-/Versetzungsbewerber 7 115 – Höhergruppierung 7 114 ff. Beteiligte – Zusatzversorgung 11 90 ff. Beteiligung – Zusatzversorgung 11 87 Beteiligungsrechte – Anhörungsrechte 9 128 ff. – Katalog der Rechte 9 133 ff. – Mitbestimmungsrechte 9 94 ff. – Mitwirkungsrechte 9 123 ff. Betrieb – Begriff 12 B 5 ff. – Kündigungsschutz 4 B 7 – wirtschaftliche Einheit 12 B 5 ff. Betriebliche Ordnung – Nebenpflicht des Arbeitsvertrages 3 A 35 Betriebliche Übung – Änderung 3 E 12 f. – Anhaltspunkte 3 E 22 ff. – Anspruchsvoraussetzung 1 142 – Arbeitsbedingungen 3 E 36 f. – Arbeitsvertrag 1 140 ff. – Arbeitszeit 3 E 34 – Aufhebung 3 E 12 f. – Ausnahmen 3 E 25 ff. – Berücksichtigung des Beamtenrechts 3 E 32 – Billigkeitsprüfung bei Widerruf 3 E 13
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Checkliste für Ansprüche 3 E 37 Darlegungs- und Beweislast 3 E 11 Definition 3 E 2 doppelte Schriftform 3 E 18 Eigengesellschaft 3 E 26 f. einheitliche Arbeitsbedingungen 3 E 17 Einschränkung des Direktionsrechts 3 D 23 ff. Einschränkung durch Normenvollzug 3 E 21 ff. Einschränkung durch Tarifvertrag 3 E 15 ff. Erlasse 3 E 29 ff. Fallgruppen 3 E 33 ff. Freistellungsanspruch 3 E 33 Freiwilligkeitsvorbehalt 3 E 9 Gegenstand 3 E 5 ff. Genehmigung von Nebentätigkeit 3 E 35 Gesamtzusage 3 E 3 Grundlagen 3 E 1 ff. Häufigkeit 3 E 8 Haushaltsplan 3 B 72 ff. Haushaltsrecht 3 E 21, 26 ff. Irrtum 3 E 10 kirchliche Einrichtungen 3 E 27 kommunale Eigengesellschaft 3 B 72 Länge 3 E 8 laufendes Jahr 3 E 9 Nebenabrede 3 E 15 ff. Nichtausübung des Direktionsrechts 3 D 26 öffentlicher Dienst 3 B 72; 3 E 14 ff. öffentlicher Dienst, Besonderheiten 1 143 private Internetnutzung 3 E 37 privates Telefonieren 3 E 37 privatwirtschaftliche Betätigung 3 E 26 f. Rechtsfolgen 3 E 5 ff. Richtlinie 3 E 29 ff. Schriftform 3 E 15 ff. Schriftformklausel 3 B 70 ff. Selbstbindung der Verwaltung 3 E 29 ff. Tarifvollzug 3 E 7 Träger der freien Wohlfahrtspflege 3 E 27 übertarifliche Zulagen 3 E 22 ungünstige 3 E 5 Vergütungsanpassung 3 E 25 Verordnungen 3 E 29 ff. Vertragstheorie 3 E 2
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Stichwortverzeichnis
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Vertrauenstheorie 3 E 4 Voraussetzungen 3 E 5 ff. Widerrufsvorbehalt 3 E 13 Zusammenarbeit mit Beamten 3 E 32 – Zusatzversorgung 11 49 ff. Betriebsarzt – Arbeitsschutz 3 K 25 ff. Betriebsauflösung – Kündigung 4 B 54 Betriebsbedingte Kündigung – Arbeitgeberentscheidung 4 B 24 f. – Auflösung der Körperschaft 4 B 29 – Austauschkündigung 4 B 28 – Auswahlrichtlinien 4 B 46 ff. – Beurteilungszeitpunkt 4 B 32 – Darlegungslast 4 B 32 f. – dienststellenweite Auswahl 4 B 42 f. – dringendes betriebliches Erfordernis 4 B 23 – freier Arbeitsplatz 4 B 36 – Haushaltsmittel 4 B 22 – künftig wegfallende Stelle 4 B 31 – kw-Vermerk 4 B 31 – Rationalisierungsmaßnahme 4 B 30 – Rationalisierungsschutztarifvertrag 12 A 79 – Restrukturierung 12 A 110 ff. – Sozialauswahl 4 B 41 ff. – Stellenstreichung 4 B 26 – Tarifvertrag zur sozialen Absicherung 12 A 96 – Überprüfung der Sozialauswahl 4 B 47 f. – Umstrukturierung 4 B 22 – Umwandlung in Beamtenstelle 4 B 27 f. – Umwidmung 4 B 27 f. – Unterrichtung des Personalrates 4 D 86 ff. – Vereinbarung mit Personalrat 4 B 46 ff. – vergleichbare Arbeitnehmer 4 B 44 f. – vergleichbarer Arbeitsplatz 4 B 36 – Vorrang der Änderungskündigung 4 B 37 – Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit 4 B 26 ff. – Wegfall des Arbeitsplatzes 4 B 23 ff. – Weiterbeschäftigung ausgeschlossen 4 B 34 ff. – Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang 12 B 36 ff.
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– Wiedereinstellung 4 B 39 – zumutbare Weiterbeschäftigung 4 B 36 – Zweckmäßigkeitskontrolle 4 B 32 Betriebsbedingte Kündigung, Restrukturierung – Antidiskriminierungsrichtlinie 12 A 122 – Auswahlrichtlinie 12 A 124 ff. – Bewertung der Sozialkriterien 12 A 121 ff. – gleiche Vergütungsgruppen 12 A 119 f. – Haushaltsplan 12 A 113 – Kündigungsschutzgesetz 12 A 111 – Nachteile am Arbeitsmarkt 12 A 123 – Namensliste 12 A 128 f. – Outsourcing 12 A 116 – Personalbedarfsplan 12 A 113 f. – Personalratsmitglieder 12 A 130 ff. – Personalvertretung 12 A 126 f. – Personenkreis bei Sozialauswahl 12 A 118 ff. – Prüfungsumfang Sozialauswahl 12 A 128 f. – Punkteschema 12 A 124 – Sonderkündigungsschutz 12 A 130 ff. – Sozialauswahl 12 A 117 ff. – unternehmerische Entscheidung 12 A 112 Betriebsdaten – Personalakte 3 I 2 Betriebsführungsvertrag – Privatisierung 12 A 150 Betriebsgeheimnis – Arbeitsvertrag 3 B 79 Betriebspause – Ruhepause 3 L 42 Betriebsrat – Ausschreibung 2 3 – Chefarztkündigung 13 F 141 – Einsichtsrecht in Personalakte 3 I 12 Betriebsratsmitglieder – Rechtsstreitigkeiten 15 19 Betriebsrente siehe auch Betriebsrentenberechnung – Abfindung 11 212 – abgesenkte Zusatzversorgung 11 194 – Abtretung 11 222
Stichwortverzeichnis
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Altersrente 11 172 ff. Anpassung 11 202 Anrechnungszeiten 11 179 Antrag 11 173, 215 Anzeigepflicht des Versicherten 11 219 f. – Ausschlussfristen 11 226 ff. – Beanstandung des Versicherungsnachweises 11 225 – Beitragserstattung 11 213 – Berechnung nach Punktemodell 11 182 ff. – Bescheid 11 176 – Bonuspunkte 11 298 – Einkommen von Hinterbliebenen 11 211 – Eintritt des Versicherungsfalles 11 173 – Entscheidung 11 216 – Erlöschen des Anspruchs 11 214 – Erwerbsminderung 11 172 ff. – gesetzliche Rente 11 208 – Hinterbliebene 11 172 ff. – Hinzuverdienstgrenze 11 206 – Kleinstrenten 11 212 – Krankengeld 11 210 – Leistungsarten 11 172 ff. – Nachweis der Anwartschaft 11 224 – Neuberechnung 11 203 f. – Nichterfüllung der Wartezeit 11 213 – Nichtzahlung 11 205 ff. – Pfändbarkeit 11 222 – Pflicht der Versicherten 11 219 ff. – Pflichtversicherung 11 171 ff. – rechtskräftige Verurteilung 11 214 – Ruhen 11 205 ff. – Schadensersatzanspruch gegen Dritten 11 223 – Tod des Berechtigten 11 214 – Überweisung 11 217 – Verfahren 11 215 ff. – Verpfändung 11 222 – Versicherungsnachweis 11 224 f. – Voraussetzungen 11 172 ff. – Wartezeit 11 178 ff. – Wegfall 11 214 – Wiederverheiratung 11 214 – wirtschaftliche Notlage 11 194 – Wohnsitz außerhalb EU 11 209 – Zahlung 11 217 – Zurückbehaltungsrecht 11 220 Betriebsrentenanpassung – Sonderregelung 11 70
Betriebsrentenberechnung siehe auch Betriebsrente – Altersfaktor 11 184 – Beispiel 11 185 – Bonuspunkte 11 195 f. – Elternzeit 11 187 – Erhöhung 11 203 – Erwerbsminderung, teilweise 11 199 – Formeln 11 183 – Hinterbliebene 11 204 – Höhe bei Waisenrente 11 201 – Höhe der Versicherungsleistung 11 197 ff. – Höhe der Witwen-/Witwerrente 11 200 – Mindeststartgutschrift 11 189 – Mutterschutzzeit 11 187 – neuer Versicherungsfall 11 203 – Rentenwechsel 11 204 – soziale Komponente 11 186 ff. – steuerpflichtiger Arbeitslohn 11 190 f. – Versorgungspunkte 11 182 ff. – Verzinsung 11 184 – vor Erreichen der Altersgrenze 11 198 – Zuflussprinzip 11 190 f. – Zurechnungszeit bei Erwerbsminderung 11 188 – zusatzversorgungspflichtiges Entgelt 11 190 Betriebsrentenrecht – Anpassungssonderregelungen 11 70 – Anwendbarkeit von gesetzlicher Bestimmung 11 65 – Ausnahmen 11 67 – Geltungsbereich 11 66 ff. – gesetzliche Regelung 11 1 ff. – Insolvenzsicherung 11 74 f. – Kumulationsverbot 11 71 – mehrere Versorgungsleistungen 11 71 – Portabilität 11 68 – Rechtsweg 11 72 – rentenferne Jahrgänge 11 69 – Sonderregelungen für öffentlichen Dienst 11 65 ff. – Übertragung von Anwartschaften/ Leistungen 11 68 – unverfallbare Anwartschaften 11 69 – versicherungsfreie Personen 11 73 – Zusatzversorgung 11 5
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Stichwortverzeichnis
Betriebsstilllegung – Kündigung 4 B 54 – Kündigungsschutz des Personalrates 12 A 132 – Rationalisierungsmaßnahme 12 A 68 Betriebsübergang – Abgrenzung Auftragsvergabe 12 B 18 – Änderungskündigung 12 B 46 – Änderungsvereinbarung 12 B 46 – Begriff 12 B 5 ff. – behördeninterne Verlagerung hoheitlicher Tätigkeit 12 B 2 f. – betriebsbedingte Kündigung 12 B 36 ff. – Betriebsmittel 12 B 8, 20 – Betriebsteil 12 B 5 ff., 9 – Dienststellenteile 12 B 9 – durch Rechtsgeschäft 12 B 22 ff. – Erlöschen des Rechtsträgers 12 B 34 – EU-Recht 1 57; 12 B 2 f. – formwechselnde Privatisierung 12 B 13 – Fortbestand der funktionellen Verknüpfung 12 B 10 ff. – Fortgeltung von Tarifverträgen 12 B 43 ff. – Fremdvergabe von Aufträgen 12 B 14 f. – Funktionsnachfolge 12 B 11, 19 – Gesamtrechtsnachfolge 12 B 22 ff. – Hauptbelegschaft 12 B 21 – Hoheitsakt 12 B 22 ff. – Identität des Inhabers 12 B 13 – kündbare Beschäftigte 12 B 38 – Kündigung 12 B 26 f. – Kündigungsschutz des Personalrates 12 A 132 – Neuausschreibung von Aufträgen 12 B 19 f. – neuer Inhaber 12 B 10 ff. – öffentlicher Dienst 12 B 1 ff. – Outsourcing 12 B 14 ff. – Privatisierung per Gesetz 12 B 35 – Rationalisierungsschutztarifvertrag 12 A 70 – Restrukturierung 12 B 1 ff. – Stilllegung 12 B 12 – Tarifvertrag 1 107 – Übernahme Betriebsmittel 12 B 17 – Übernahme des Personals 12 B 8, 15 f. – unkündbare Beschäftigte 12 B 39 ff.
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– Unterrichtung der Beschäftigten 12 B 29 ff. – Veränderung des Betriebszweckes 12 B 12 – Veränderungssperre 12 B 46 – Verwirkung des Widerspruchsrechts 12 B 33 – Voraussetzungen 12 B 4 ff. – Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers 12 B 28 f. – wirtschaftliche Einheit 12 B 5 ff. Betriebsvereinbarung – Arbeitsvertrag 3 B 8 – Arbeitszeit 3 L 6 f. – Arbeitszeitkonto 3 L 75 ff. – Arbeitszeitkorridor 3 L 59 f. – Arbeitszeitöffnungsklausel 3 L 96 ff. – Bereitschaftszeit 3 D 82 – Einschränkung des Direktionsrechts 3 D 16 – Leistungsbewertung 3 C 50 – leistungsorientierte Bezahlung 3 C 14 ff. – LeistungsTV-Bund 3 C 21 f. – Privatisierung 12 A 176 ff. – Rahmenzeit 3 L 65 – Verteilung bei leistungsorientierter Bezahlung 3 C 54 ff. Betriebsvereinbarungsöffnungsklausel – Arbeitszeitregelung 3 B 102 – einzelvertragliche Abreden 3 B 103 f. – Musterklausel 3 B 103 – Verschlechterung 3 B 105 Betriebsverfassungsrecht – Ausschreibung 2 8 Beurteilungen – unrichtige in Personalakte 3 I 23 Beurteilungsrichtlinien 3 H 16 ff. – Gleichheitsgebot 3 H 18 – Inhalt 3 H 17 – Mitbestimmung, Personalrat 9 162 Beurteilungsverfahren – Dokumentation 3 H 15 – Gespräch 3 H 14 – Richtlinien 3 H 14 ff. Bevollmächtigter – Einsichtsrecht in Personalakte 3 I 15 ff. Bewährungsaufstieg – allgemeiner 3 J 7 – kommunaler Bereich 3 J 12 – Verfehlung 3 J 9 – Zeitraum 3 J 7 ff.
Stichwortverzeichnis
Bewährungszeit – Aufstieg 3 J 7 ff. Beweislast – Nachweispflicht der Arbeitsbedingungen 3 B 7 Bewerber – Ausschluss 2 21 – Beschränkung in Ausschreibung 2 20 – Konkurrenz Beförderungs-/Versetzungsbewerber 7 115 – Qualifikation 7 116 – Übertragung des Dienstpostens trotz Ablehnung 7 121 f. – Untersagung der Datenweitergabe an Personalrat 2 113 Bewerber, übergangener – Anforderungsprofil nicht erfüllt 7 124 ff. – Anspruch auf Beförderung 7 117 f. – Ausnahmen vom Schadensersatz 7 124 ff. – Bestenauslese 7 127 – Höhergruppierung 7 112 ff. – Pflichtverletzung des Arbeitgebers 7 127 – Schadensersatz 7 112 ff. Bewerberablehnung – Akteneinsicht 2 62 – Anspruch gegen Dienstherrn 2 49 – Auswahlgründe 2 62 – Benachrichtigungsinhalt 2 62 – Benachrichtigungspflicht 2 60 ff. – Eilantrag 2 63 – Eilverfahren 2 52 – erneute Auswahlentscheidung 2 47 – Realisierung des Bewerbungsverfahrensanspruchs 2 51 – rechtswidrige Auswahlentscheidung 2 49 ff. – Schadensersatz 2 53, 73 ff. – Stellenbesetzung 2 48 f. – Überprüfung der Auswahlentscheidung 2 52 Bewerberablehnung, Schadensersatz – Amtshaftung 2 73 ff. – Anspruchsgrundlage 2 74 ff. – aus dem Beamtenverhältnis 2 73 ff. – Darlegungs- und Beweislast 2 73 ff. – Rechtsgrundlage 2 73 ff. – Rechtsweg 2 74 ff. – Verletzung des Benachteiligungsverbots 2 78
– Verletzung von Nebenpflichten 2 75 ff. – Zuständigkeit 2 73 ff. Bewerberauswahl – abschließende Beurteilungsgesichtspunkte 2 24 – allgemeine Gleichbehandlung 2 31 – Altershöchstgrenze 2 35 – Auswahlakte 2 46 – Befähigung 2 22 ff. – Berücksichtigung von Familieneinkommen 2 30 – Berücksichtigung von Kinderbetreuung 2 30 – Beschränkungen 2 31 ff. – Beurteilung 2 39 f. – Beurteilungsspielraum 2 42 – Dienst-/Lebensalter 2 27, 30 – Dokumentationspflicht 2 46, 64 – Eignung 2 22 ff. – Einstufung des Dienstpostens 2 36 – Ergebnismitteilung 2 60 – Ermessensbeschränkung 2 44 f. – erneute Auswahlentscheidung 2 47 – Frauenquote 2 45 – gerichtliche Kontrolle 2 42 ff. – gleiche Eignung 2 25 ff. – Gleichstellung 2 45 – Grenzen des Auswahlermessens 2 41 ff. – Grundlagen 2 39 f. – Hilfskriterien 2 44 – Hochschullehrer 2 29 – hohe Ermessensanforderung 2 46 – Leistungsbericht 2 39 f. – Leistungsprinzip 2 22 ff. – letzte Beförderung 2 30 – Organisationsermessen 2 38 – Rechtmäßigkeit 2 26 – Richtlinien des Dienstherrn 2 32 – schwerbehinderte Menschen 2 45 – Umsetzung 2 37 f. – unzulässige Auswahlkriterien 2 30 – Versetzung 2 37 f. – Verwaltungsvorschriften 2 32 – Vorauswahl 2 40 – Zeitpunkt der Rechtskontrolle 2 43 – Zeugnis 2 39 f. Bewerbungsverfahrensanspruch – Abbruch der Auswahl 2 65 – Anforderungen 2 54 ff. – Anforderungsprofil 2 56 ff. – Aufstieg 3 J 5 f. – Auswahlkriterien 2 22 ff. – besondere Bewerbergruppen 2 66 ff.
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Stichwortverzeichnis
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Durchsetzung 2 48 ff. einstweilige Verfügung 7 121 Erledigung 2 48 f. Erschöpfung 2 48 ff. Frauenförderung 2 66 ff. öffentliches Amt 2 19 ff. Realisierung durch abgelehnten Bewerber 2 51 – Rechtsgrundlage 2 18 – Rechtswegbestimmung 15 6 – schuldhafte Verletzung durch Dienstherrn 2 73 ff. – schwerbehinderte Menschen 2 66 ff. – Stellenbesetzung 2 48 ff. – verfassungsrechtlicher Anspruch 2 49 – Verletzung 2 17 – Zugang zum öffentlichen Dienst 2 17 ff. Bewertungseinheit – Eingruppierung 7 77 ff. – gesamte Tätigkeit 7 80 – jeder Arbeitsvorgang 7 80 Bewertungsskala – TVöD/TV-L 7 55 f. Bezügebestandteile – Altersteilzeit, öffentlicher Dienst 5 B 77 ff. – Sachbezüge 5 B 81 Bezügefortzahlung – im Krankheitsfall 10 96 Bezugnahmeklausel – BAG zu Tarifvertragersetzung 8 17 ff. – Inhaltskontrolle 3 B 32 ff. – Tarifsukzession 8 16 – Tarifwechsel 8 16 – Überleitungstarifvertrag 8 12 ff. – zeit-/inhaltsdynamisch 8 14 Bildungsurlaub – Anspruch 3 M 34 Billiges Ermessen – Einschränkung des Direktionsrechts 3 D 28 ff. Bischof – Letztentscheidungsrecht 14 100 Bistum – Arbeitsverhältnis 14 96 ff. – Körperschaft des öffentlichen Rechts 14 16 Blue-pencil-Test – Inhaltskontrolle des Arbeitsvertrages 3 B 30
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Bonuspunkte – Ausschlussfrist bei Versicherungsnachweis 11 227 – Betriebsrente 11 195 f. Boten – Entgeltgruppe 1 7 180 Bottom-up-Verfahren – Haushaltsrecht 1 240 Bremen – Mitbestimmung der Personalvertretung 12 A 32, 36 Bremisches Ruhelohngesetz 11 66 Bühne – sonstige Arbeitsverhältnisse 13 G 35 ff. Bühnenschiedsgerichtsbarkeit 13 G 40 ff. – Arbeitsgericht Köln 13 G 62 – Aufhebung des Schiedsspruchs 13 G 63 – Aufhebungsgründe 13 G 61 – Aufhebungsklage 13 G 59 ff. – Bezirksschiedsgerichte 13 G 47 – Kosten 13 G 53 – neue Tatsachen 13 G 61 – Notfrist 13 G 62 – Prorogation 13 G 62 – Prozessvoraussetzungen 13 G 50 – Säumnis 13 G 54 – Schiedsspruch 13 G 56 – Verbot der Überraschungsentscheidung 13 G 52 – Verfahren 13 G 48 ff. – Vergleich 13 G 55 – Vollstreckbarkeit 13 G 55 – Zurückverweisung 13 G 60 – Zuständigkeiten 13 G 46 – Zustellung 13 G 57 – Zwangsmittel 13 G 54 – Zwangsvollstreckung 13 G 58 Bund – Vergütungsregelung 7 12 f. Bundes-Angestelltentarifvertrag – Aufbau der Anlage 1a 7 139 ff. – Eingruppierungsrelevanz 7 47 – Eingruppierungsvorschriften 7 138 ff. – Geltungsbereich 8 2 – persönliche Zulage 7 47 – Sonderregelungen vor TVöD 13 A 4 ff. – Überleitung 8 2
Stichwortverzeichnis
Bundes-Angestelltentarifvertrag (Ost) – Eingruppierung von Lehrkräften 7 224 ff. Bundes-Angestelltentarifvertrag (West) – Tariflücke, Eingruppierung Lehrer 7 205 Bundes-Angestelltentarifvertrag, Anlage 1a siehe auch Tätigkeitsmerkmale – Aufbau 7 139 ff. – Bereich Bund und TdL 7 140 – Bereich der VKA 7 141 f. – besondere Leistungen 7 158 f. – besondere Schwierigkeit 7 160 ff. – besonders verantwortungsvolle Tätigkeit 7 157 – gesteigerte Bedeutung 7 160 ff. – gründliche und vielseitige Fachkenntnisse 7 151 ff. – gründliche, umfassende Fachkenntnisse 7 153 f. – Maß der Verantwortung 7 165 f. – Rechtsprechung des BAG 7 149 ff. – selbständige Leistung 7 155 ff. – sonstige Angestellte 7 172 ff. – Spezialitätsprinzip 7 142 – tarifliche Merkmale 7 142 – Tätigkeitsmerkmale 7 140 f., 144 ff. Bundes-Angestelltentarifvertrag, Vergütungsordnung – Aufbaufallgruppen 7 86 – Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale 7 86 f. – personenbezogene Anforderungen 7 86 Bundesagentur für Arbeit – Personalvertretung 9 13 Bundesbahn – Beamte 1 192 Bundesländer, neu – Abrechnungsverband Ost 11 269 – Arbeitszeit 3 L 26 – Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer 11 274 – Einführung der Zusatzversorgung 11 19 ff. – Finanzierung der Pflichtversicherung 11 274 – Mischfinanzierung 11 271 – Sanierungsgelder 11 263 – Umlagesatz 11 269 – Umlagesätze seit 1997 11 24 – Versicherungen aus dem Beitrittsgebiet 11 270
– Vordienstzeiten in der DDR 11 20 Bundesmanteltarifvertrag – Sonderregelungen vor TVöD 13 A 2 Bundesrechnungshof – Haushaltsrecht 1 257 ff. Bundesverwaltung – Zulässigkeit 1 195 Bundeswehr – Seelsorge 14 22 f. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten – Höhergruppierung 15 7 ff. Caritas – Arbeitsrechtsregelungsverfahren 14 101 f. – Geltung der katholischen Grundordnung 14 51 – katholische Kirche 14 21 – Mitarbeitervertretung 14 146 Chefarzt 13 F 12 – Angestellte 13 F 135 – Arbeitszeit/Besonderheiten 13 F 144 – Arbeitszeitregelungen 1 25 – Beamte 13 F 134 – Beendigung von Chefarztverträgen 13 F 151 ff. – Bezugnahmeklauseln 13 F 149 – Geltung von Tarifverträgen 13 F 145 ff. – Kündigung 13 F 138 ff. – Kündigungsschutzgesetz 13 F 142 ff. – leitende Angestellte 13 F 136 ff. – Sonderregelungen vor TVöD 13 A 10 Chefarztvertrag – AGB-Kontrolle 13 F 157 ff. – Altersgrenze 13 F 155 f. – Benehmen 13 F 169 f. – Bonus-/Zielvereinbarungen 13 F 181 ff. – Dienstaufgaben 13 F 164 ff. – Entwicklungsklauseln 13 F 168 ff. – fachliche Leitung 13 F 165 – Mitarbeiterführung 13 F 166 – Nebentätigkeit 13 F 191, 202 – Organisation 13 F 166 – Privatliquidation 13 F 190 ff. – Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 13 F 160 – unterbliebene Zielvereinbarungen 13 F 187 – variable Vergütung 13 F 177 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Vergütung 13 F 176 ff. – Verlustbeteiligung 13 F 189 – Vorteilsausgleich 13 F 197 ff. – Wirtschaftlichkeitsgebot 13 F 167 Codex Juris Canonici – Kirchenrecht 14 16 Darlegungs- und Beweislast – betriebliche Übung 3 E 11 – Eingruppierungsprozess 7 267 f. – Höhergruppierungsprozess 7 269 ff. – Rückgruppierungsprozess 7 280 ff. – Schadensersatzanspruch Bewerberablehnung 2 73 ff. Daseinsvorsorgeeinrichtungen 13 A 1 ff. Datengeheimnis – Nebenpflicht des Arbeitsvertrages 3 A 22 Datenschutz – Arbeitsschutz 3 K 33 – Personalakte 3 I 13 f. Demokratieprinzip 1 188 ff. – Beteiligung der Personalvertretung 1 188 – Sparkassen 1 191 Deutsche Bundesbank – Personalvertretung 9 13 Deutsche Bundespost – Beamte 1 192 Deutsche Welle – Personalvertretung 9 13 Diakonie – Arbeitsrechtliche Kommission 14 93 – Arbeitsrechtsregelungsverfahren 14 92 f. – Begründung eines Arbeitsverhältnisses 14 56 – Dienststellenverbund 14 115 – evangelische Kirche 14 15 – Mitarbeitervertretung 14 110 – Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD 14 113 – Organisationsform 14 15 Dienstalter – Beförderung 2 33 – Bewerberauswahl 2 25 ff. Dienstaufsicht – Verletzung von Mitbestimmungsrechten 2 130 Dienstellenleiter – Beauftragung, Vertretung 9 26 – Verhinderung, Vertretung 9 24
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Dienstgemeinschaft – katholische Kirche 14 47 ff. Dienstherr – Einstellung trotz Zustimmungsverweigerung 2 122 – Herausgabe der Geschenke 3 A 15 – Kirche 14 28 – vorläufige Durchführung der Einstellung 2 123 ff. – Zustimmung zur Geschenkeannahme 3 A 7 Dienstleistung – geringwertiges Geschenk 3 A 11 Dienstliche Beurteilung siehe auch Beurteilungsverfahren – Anlassbeurteilung 3 H 13 – Arbeitsplatzbewertung 3 H 1 – Befähigungsbeurteilung 3 H 12 – Begriff 3 H 1 ff. – Begründung 3 H 21 – Beurteilungsarten 3 H 10 ff. – Elternzeit 3 H 28 – Führungsrichtlinie 3 H 2 – Gerichtszuständigkeit 3 H 8 – Inhalt 3 H 5, 24 f. – Mutterschutz 3 H 27 – Note 3 H 19 – Personalführung 3 H 4, 20 – rechtliche Einordnung 3 H 6 – Rechtsschutz 3 H 7 ff. – Rechtswirkung 3 H 6 – Regelbeurteilung 3 H 11 – Richtlinien 3 H 16 ff. – Schwerbehinderte 3 H 26 – Verfahren 3 H 14 ff. – Zeitraum 3 H 5 – Zulässigkeit 3 H 3 – Zweck 3 H 1 ff. – Zweitbeurteilung 3 H 18 Dienstordnung – Bedeutung 1 76 Dienstort – Begriff 3 D 53 Dienstplan – Änderung 3 L 47 – Gestaltung an Feiertagen 3 L 121 ff. – Überstunden 3 L 47 Dienstposten – Einstufung bei Einstellung 2 36 Dienstreise – Wegezeit 3 L 13 ff. Dienststelle – Auflösung 12 A 18 ff.
Stichwortverzeichnis
– Begriff 12 A 14 ff. – Betriebsteile 12 B 9 – kleinste Verwaltungseinheit 12 A 15 – Kündigung 4 B 8 – Personalratsende bei Auflösung 12 A 53 ff. – Personalvertretung 9 10 ff. – Verlagerung des Arbeitsortes 3 D 54 – Verselbständigungsbeschluss 9 20 f. – Vertretung 9 22 ff. – Verwaltungsorganisation 12 A 16 – wesentliche Teile 12 A 26 f. Dienststellenauflösung – Mitwirkung, Personalrat 9 184 f. Dienststellenleiter – Anforderungsprofil für Ausschreibung 2 86 – Unterrichtung des Personalrates 2 108 f. Dienstvereinbarung – Arbeitszeit 3 L 6 f. – Arbeitszeitkonto 3 L 75 ff. – Arbeitszeitkorridor 3 L 59 f. – Arbeitszeitöffnungsklausel 3 L 96 ff. – Beendigung 1 124 – Bereitschaftszeit 3 D 82; 3 L 198 ff. – Beteiligte 9 121 – Dienstabsprachen 1 120 – Erweiterung der Mitwirkung des Personalrates 4 D 21 – evangelische Kirche 14 142 ff. – Fortgeltung bei Restrukturierung 12 A 59 – Fortgeltung per Gesetz 12 A 178 – Grundlagen 1 119 f. – Inhalt 1 125 – katholische Kirche 14 185 – konkurrierende 1 131 – Leistungsbewertung 3 C 50 – leistungsorientierte Bezahlung 3 C 14 ff. – LeistungsTV-Bund 3 C 21 f. – Mitwirkung Personalvertretung 1 127 – öffentlich-rechtlicher Vertrag 1 121 – Personalvertretungsrecht 12 A 52 – Privatisierung 12 A 176 ff. – Rahmenzeit 3 L 65 – Schriftform 1 123; 9 122 – Tarifvertrag 1 106 – Verhältnis zu anderen Rechtsquellen 1 129 ff.
– Verteilung bei leistungsorientierter Bezahlung 3 C 54 ff. – Wegfall des Personalrates 12 A 60 – Wirkungen 1 126 ff. – Zustandekommen 1 121 – Zweck 9 120 Dienstverhältnis – Art. 33 Abs. 2 GG 2 2 – Ausschreibung 2 2 ff. – Ausschreibungsverfahren 2 2 – Auswahlkriterien 2 2 – Beteiligung des Personalrates 2 2 Dienstverhältnis, kirchliches siehe Arbeitsverhältnis, kirchliches Dienstvertrag – Abgrenzung Arbeitsvertrag 1 224 Dienstwagen – Freistellung im Aufhebungsvertrag 4 A 63 – Regelung im Arbeitsvertrag 3 B 82 – Widerrufsvorbehalt 3 B 93 Dienstwohnung – Zuweisung 3 D 92 Differenzierungsklausel – Überleitungstarifvertrag 8 16 Diözesanverfassung – katholische Kirche 14 16 f. Diözese – Arbeitsverhältnis 14 96 ff. Direktionsrecht – Abgrenzung zur Vertragsänderung 3 D 6 f. – allgemein 3 D 4 – Änderung der Arbeitszeit 3 D 70 ff. – Anspruch auf Ausübung 3 D 31 – Arbeitgeber 1 34 – Arbeitsbedingungen 3 D 87 ff. – Arbeitsleistung 3 A 1 – Arbeitsplatzänderung 3 D 37 ff. – Arbeitsplatzteilung 5 A 30 – arbeitsrechtliches 3 D 1 ff. – Arbeitsschutz 3 K 30 – Arbeitsvertrag 1 145 ff.; 3 D 2 – Arbeitszeit 3 L 9 – Arbeitszeit bei Teilzeit 3 D 20 – Arbeitszeitkorridor 3 L 61 f. – Arbeitszeitverteilung 3 D 76 ff. – außerdienstliches Verhalten 3 D 8 – besonderes/erweitertes 3 D 4 – Besonderheiten im öffentlichen Dienst 3 D 37 ff. – bindende Erklärungen 3 D 27 – Definition 3 D 1 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Einschränkung siehe Direktionsrecht, Einschränkung – einstweilige Verfügung bei Untersagung 3 D 36 – Entwicklungsklauseln 13 F 168 ff. – Ermessensspielraum 3 D 5 – Erweiterung 3 D 13 ff. – Erweiterung durch einzelvertragliche Klauseln 3 D 18 ff. – familiäre Belange 3 D 29 – Feststellungsklage bei Umfang 3 D 35 – gerichtliche Besonderheiten 3 D 34 ff. – gesetzwidrige Weisung 3 D 21 – gesundheitliche Belange 3 D 29 – Gewissensentscheidung des Arbeitnehmers 3 D 30 – Grenzen 3 D 8 ff. – Grundrechte 3 D 29 – Herabgruppierung 7 129 – Inhalt 3 D 8 ff. – Kleiderordnung 3 D 88 – Kontrolle 3 D 2 – Kündigungsschutz 3 D 2 – Medien 3 D 90 – Missachtung der Mitbestimmung 3 D 33 – Nichtausübung 3 D 26 – Ort der Arbeitsleistung 3 D 8 ff. – Privatsphäre 3 D 89 – Rahmenzeit 3 L 63 – rechtmäßige Weisung 3 D 32 – Rechtsfolge der Ausübung 3 D 32 ff. – Rechtsgrundlage 3 D 1 ff. – rechtswidrige Weisung 3 D 33 – Residenzpflicht 3 D 92 – Schriftform von Nebenabreden 3 D 17 – Tarifvertrag 3 D 2 – Tätigkeitsänderung 3 D 55 ff. – Tätigkeitsumfang 3 D 70 – Treuepflicht 3 D 5 – Überschreiten 3 D 33 – Verhaltensrichtlinien 3 D 91 – Versetzung 3 D 14 – Verteilung der Arbeitszeit 3 L 36 – Zeit der Arbeitsleistung 3 D 8 ff. Direktionsrecht, Einschränkung 3 D 13 ff. – Ausübungskontrolle 3 D 28 ff. – betriebliche Übung 3 D 23 ff. – billiges Ermessen 3 D 28 ff.
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– einzelvertragliche Klauseln 3 D 18 ff. – Konkretisierung 3 D 23 – Normen 3 D 21 – Richtlinie 3 D 22 – Verwaltungsvorschriften 3 D 22 Direktwirkung – vertikale, EU-Recht 1 49 Diskriminierungsverbot – Arbeitsrecht 2 1 – Schutzbereich 1 46 – Teilzeit 5 A 15 ff. Disziplinarklagen – Mitwirkung, Personalrat 9 186 f. Dokumentation – Leistungsbewertung beim Aufstieg 3 J 32 f. Dokumentationspflicht – Anforderungsprofil 2 58 – Auswahlermessen 2 46 – Bewerberauswahl 2 64 Doppelgrundrecht – Schutzbereich 1 176 Dritthaftung – Entgeltfortzahlung 3 F 26 Drittmittel – WissZeitVG 6 157 ff. Drittwirkung – Grundrechte 1 61 f. E-Mail-Nutzung – Verbot im Arbeitsvertrag 3 B 81 Effektivitätssteigerung – Mitbestimmung, Personalrat 9 175 f. Effizienzsteigerung – Rationalisierungsmaßnahme 12 A 43 Ehegatte – Hinterbliebenenrente 11 174 Eigenbetrieb – Umstrukturierung 12 A 5 Eigengesellschaft – betriebliche Übung 3 E 26 f. Eilbedürftigkeit – Verfügungsgrund 15 62 ff. Eilverfahren – Bewerberablehnung 2 52 Ein-Euro-Job – Arbeitnehmerbegriff 1 14 – katholische Kirche 14 151 – kirchlicher Dienst 14 212 Eingliederung – Einstellung 2 87 f.
Stichwortverzeichnis
Eingruppierung, Anlage 1a siehe auch Arbeitsvorgang; siehe auch BundesAngestelltentarifvertrag; siehe auch Entgeltgruppe 1; siehe auch Übertragung höherwertiger Tätigkeit – ab 1.10.05/1.11.06 7 29 – alte/neue Rechtslage 7 5 ff. – Anforderung der Tätigkeit 7 86 – Arbeitseinheit 7 84 – Arbeitsqualität 7 76 – Arbeitsvertrag 7 36 ff. – Arbeitsvorgang als Bewertungseinheit 7 77 ff. – Aufbau der Anlage 1a zum BAT 7 139 ff. – Aufbaufallgruppen 7 86 – Aufspaltung der Arbeitsvorgänge 7 169 f. – Ausschlussfrist 7 286 – Ausübung höherwertiger Tätigkeiten 7 46 – auszuübende Tätigkeit 7 40 ff. – Beachtung der Vorbemerkungen 7 143 – Besitzstandsregelung 7 54 – Besoldung vergleichbarer Beamter 7 76 – Bestimmungsfaktor 7 40 ff. – Beteiligung des Personalrates 2 93 f. – Beurteilungsvorgang 7 171 – Bewertung der Arbeitsvorgänge 7 85 ff. – Bewertung der gesamten Tätigkeit 7 91 f. – Bewertungsskala 7 55 f. – bewusste Tariflücke 7 95 – dauerhaft übertragene Tätigkeit 7 48 – Definition 2 93 – deklaratorische Natur 7 35 – Durchschnittsbelegung 7 132 – Entgeltfindung 7 1 ff. – Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung 7 86 f. – Feststellung der Arbeitsvorgänge 7 81 ff. – Feststellungsklage 7 239 ff. – Feststellungsvorgang 7 171 – Fortgeltung der alten Regelung 7 23 – Funktionsmerkmale 7 82 – gesamte Tätigkeit 7 73 ff. – grundsätzliche Bestimmungen 7 143 – Hälftelungsprinzip 7 77, 167
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Haushaltsplan 7 76 höhere Entgeltgruppe 7 32 Höhergruppierung 7 97 ff. höherwertige Tätigkeit 7 55 f. Irrtum des Arbeitgebers 7 134 Lehrer im öffentlichen Dienst 7 203 ff. Leistungsklage auf Entgeltdifferenz 7 246 Lücke in der Vergütungs-/Entgeltordnung 7 93 ff. Mitbestimmung 2 100 Mitbestimmung, Personalrat 7 193; 9 138 ff. neue Entgeltgruppe 1 7 177 ff. nicht nur vorübergehend zugewiesene Tätigkeit 7 47 ff. notwendiger Bestandteil der Einstellung 2 93 Protokollerklärung zu Tarifvertrag 7 148 quantitative Beschränkung 7 168 f. quantitative Prüfung 7 169 Rechtsgrundlage 7 29 Richtlinie für Arbeitsvertrag 3 B 12 Schriftform der Geltendmachung 7 287 Schülerzahlen 7 132 sonstige Angestellte 7 172 ff. Spezialitätsprinzip 7 142 Stellenausschreibung 7 76 Stellenbeschreibung 7 76 Stellenplan 7 76 Tarifautomatik 7 34 ff. tarifliche Merkmale 7 142 Tätigkeit mit Führungsaufgaben 7 84 Tätigkeitsmerkmale 7 74 Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a zum BAT 7 138 ff. Teiltätigkeiten 7 75 Teilungsumfang 7 168 TVöD/TV-L 7 33 Übergangsregelungen 7 54 Überleitung und Mitbestimmung 7 200 ff. Überleitungstarifvertrag 7 22 ff. unbewusste Tariflücke 7 96 unerhebliche Kriterien 7 76 Veränderung der Tätigkeit 7 44 ff. Vereinbarung des zeitlichen Ausmaßes 7 167 vergleichbare Beschäftigte 7 76 Vergleichsentgelt 8 23 Vorgängerbewertung 7 76
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Stichwortverzeichnis
– vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit 7 52 – wiederkehrende, gleichartige Arbeitsleistungen 7 84 – wirksam zugewiesene Tätigkeit 7 42 f. – Zahl der unterstellten Arbeitnehmer 7 132 – zeitliches Ausmaß der Tätigkeitsmerkmale 7 167 ff. – zu niedrige 7 103 – Zuordnung zu einer Entgeltgruppe 72 – Zusammenhangstätigkeit 7 84 – Zuweisung höherwertiger Tätigkeiten 7 43 Eingruppierungserlasse – Lehrer im öffentlichen Dienst 7 206 ff. Eingruppierungsfeststellungsklage – Anspruchsgrundlage 7 240 – Arbeitsgericht 7 239 – Arbeitsverhältnis beendet 7 244 – außerhalb des öffentlichen Dienstes 7 254 ff. – Begehren 7 240 – Bestimmtheit des Klageantrags 7 250 ff. – Darlegungs- und Beweislast 7 267 f. – Darlegungs- und Beweislast, Höhergruppierung 7 269 f. – Darlegungs- und Beweislast, Rückgruppierung 7 280 ff. – empfohlene Klageanträge 7 253 – Feststellungsinteresse 7 242 ff. – gleicher Klageantrag wie Vorprozess 7 261 – Kirche 7 254 – Klageabweisung, Antrag auf höheres Entgelt 7 265 f. – Korrektur von Urteilen 7 256 – Musterklageantrag 7 253 – Privatwirtschaft 7 254 – Prozesszinsen 7 248 – Rechtskraft bei verschiedenem Streitgegenstand 7 262 – Rechtskraftprobleme 7 255 ff. – stattgebendes Urteil, Antrag auf höheres Entgelt 7 263 f. – Streitwert 7 290 f. – unzulässiger Antrag 7 241 – Urteile 7 256 – Urteilskorrektur nach Rechts-/Sachänderung 7 257 ff.
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– Urteilskorrektur ohne Rechts-/Sachänderung 7 260 ff. – Verfall 7 286 ff. – in Vergangenheit liegender Zeitraum 7 243 – Verhältnis zur Leistungsklage 7 245 – Verjährung 7 286 ff. – Verzug 7 248 – Zinsforderung 7 247 ff. – Zulässigkeit 7 242 Eingruppierungsrichtlinien – Lehrer im öffentlichen Dienst 7 206 ff. Eingruppierungstarifverträge – Sonderregelungen vor TVöD 13 A 5 Einigungsgespräch – Personalrat/Dienststellenleiter 2 126 Einigungsstelle – Einstellung trotz Zustimmungsverweigerung 2 122 – Entscheidungsvoraussetzungen 2 103 – kein Letztentscheidungsrecht 2 103 – Konfliktlösung 2 103 – Mitbestimmung des Personalrates 4 D 130 – Streitigkeiten bei Einstellung 2 126 – Streitigkeiten mit Personalrat 4 D 131 Einigungsverfahren – Mitbestimmung bei Sozialplan 12 A 46 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit – Ausgleichsbetrag, Zusatzversorgung 11 128 – Beiträge zur Altersversorgung 11 278 Einstellung – Ablehnung 2 92 – Arbeitsgelegenheit für Sozialhilfeempfänger 2 91 – Aufnahme eines Leiharbeitnehmers 2 91 – Befähigung 2 22 ff. – Definition 2 87 – Durchführung 2 121 ff. – Eignung 2 22 ff. – Eingliederung 2 87 f. – Eingruppierung 2 93 – Einsatz von ABM-Kräften 2 91 – Fallbeispiele 2 91 f. – kein Rechtsanspruch 2 16
Stichwortverzeichnis
– Leistungsprinzip 2 22 ff. – Musiklehrer als Honorarkraft 2 91 – Streit zwischen Personalrat/Dienststelle 2 126 ff. – Teilzeit- in Vollzeitarbeitsverhältnis 2 91 – Versetzung 2 91 – vertragslose Weiterbeschäftigung 2 91 – Wirksamkeitsvoraussetzung der Personalratszustimmung 2 124 Einstiegsentgeltgruppe – TVöD/TV-L 7 87 Einstweilige Verfügung – Untersagung einer rechtswidrigen Weisung 3 D 36 Einstweiliger Rechtsschutz – Antragsformulierung 15 54 – Antragstellung, Bewerbungsverfahrensanspruch 15 53 ff. – Ausrichtung des Hauptsacheverfahrens 15 61 – Beteiligung des Bewerbers 15 70 ff. – BVerfG 15 60 – Darlegungs-/Beweislast 15 59 – Gebot des effektiven Rechtsschutzes 15 74 – Güteverhandlung 15 69 – Konkurrentenklage 15 52 ff. – Leistungsverfügung 15 58 – mehrere Stellen 15 55 f. – ohne mündliche Verhandlung 15 68, 73 – richterliche Kontrolldichte 15 75 – Sicherungsverfügung 15 57 ff. – Terminierung 15 74 – Verfahrensanforderungen 15 74 – verfassungsrechtliche Benachrichtigungspflicht 15 66 – Verfügungsgrund 15 62 ff. – vorbereitende Maßnahmen 15 74 – Zeitpunkt 15 65 – Zwischenanordnung 15 67 Elternzeit – Abgrenzung zum allgemeinen Teilzeitanspruch 5 A 70 – Aufstieg 3 J 36 – Betriebsrente 11 187 – dienstliche Beurteilung 3 H 28 – Elternteilzeit 5 A 67 – gesetzliche Krankenversicherung 10 144 – kinderbezogene Entgeltbestandteile 8 53
– Teilzeit 5 A 8 – Wartezeit bei Betriebsrente 11 187 Entgelt siehe Vergütung – Eingruppierung nach § 22 BAT 7 138 ff. – Ermittlung bei Teilzeit 3 L 212 f. Entgeltberechnung – Altersteilzeit, öffentlicher Dienst 5 B 92 – Günstigkeitsprüfung 5 B 94 – Regelarbeitsentgelt 5 B 93 Entgeltfortzahlung – Altersteilzeit, öffentlicher Dienst 5 B 121 – Anpassung 3 F 9 – Arbeitsbefreiung 3 F 15 f.; 3 M 21 – Bemessungsgrundlage 3 F 3 ff. – Berechnung 3 F 7 ff. – Durchschnittswert 3 F 7 – Feiertag 3 L 118 ff. – Grundlagen 3 F 1 ff. – Krankheitsfall 3 F 17 ff. – Lohnausfallprinzip 3 F 5 – Pflegezeit 3 M 37 – Referenzprinzip 3 F 6 – Regelungen 3 F 13 ff. – Tagessatz 3 F 8 – TV-Ärzte/VKA 13 F 117 – Urlaub 3 F 13 – Zusatzurlaub 3 F 14 – Zuschläge 3 F 6 Entgeltfortzahlung, Krankheitsfall – alleinige Ursache 3 F 18 – Anspruchsdauer 3 F 20 ff. – Anzeigepflicht 3 F 25 – Bestandsschutz 3 F 21 – Ende 3 F 22 – Forderungsübergang bei Dritthaftung 3 F 26 – irrtümliche Gewährung 3 F 28 – Kausalität 3 F 18 – Krankengeldzuschuss 3 F 22 f. – Leistungsverweigerungsrecht 3 F 27 – Nachweispflicht 3 F 25 – Rechtsgrundlage 3 F 17 – Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers 3 F 28 – Verschulden 3 F 19 – Voraussetzungen 3 F 18 ff. – Wartefrist 3 F 20 – Wegfall des § 71 BAT 3 F 21 – Wiederholungserkrankung 3 F 24 Entgeltgleichheit siehe Gleichbehandlung
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Stichwortverzeichnis
Entgeltgruppe 1 – Beispiele 7 180 – Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten 7 180 – Besonderheit 7 179 – Einstieg 7 178 – Stufenlaufzeit 7 178 Entgeltgruppen – Anforderungskriterien 7 18 – Qualifikationsebenen 7 17 ff. – sonstige Angestellte 7 19 – Stufenlaufzeit 7 20 – Stufenzuordnung 7 21 – Zuordnung 7 20 Entgeltordnung – Qualifikationsebenen 7 17 ff. – tätigkeitsbezogen 7 17 ff. Entgelttabellen – Einstiegsentgeltgruppe 7 18 – Heraushebungsentgeltgruppen 7 18 – Leistung 7 16 – Qualifikation 7 16 – Qualifikationsebenen 7 17 ff. – Tarifrecht 7 16 ff. – tätigkeitsbezogen 7 17 ff. Entsorgungsbetriebe – TVöD-BT-E 13 C 1 ff. Entwicklungshelfer – Arbeitnehmerbegriff 1 14 Entwicklungsklauseln 13 F 168 ff. – Ausübungskontrolle 13 F 175 – Neuverhandlungspflicht 13 F 174 Erfahrung – Tätigkeitsmerkmal, Eingruppierung 7 146 Erfolgsprämien – leistungsorientierte Bezahlung 3 C 27 ff. – LeistungsTV-Bund 3 C 29 – wirtschaftlicher Erfolg 3 C 27 f. Ergänzungsversicherung – Altersrückstellungen 10 110 – Basistarife 10 115 ff. – Beihilfe 10 107 ff. – brancheneinheitlicher Standardtarif 10 111 ff. – Kosten 10 109 ff. Erholungsurlaub – Anspruchsbeginn 3 M 10 – Arbeitstage 3 M 13 – Bemessungsfaktor Arbeitszeit 3 M 4 ff. – Beschäftigungsmonate 3 M 8 – Besitzstandsregelung 3 M 18 f. – Dauer 3 M 2 f.
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– Ende des Arbeitsverhältnisses 3 M 11 – Geltendmachung 3 M 14 ff. – Lebensalter 3 M 2 f. – Neuregelung im TVöD 3 M 2 ff. – Ruhen des Arbeitsverhältnisses 3 M 12 – Übergangsregelung 3 M 18 f. – Übertragung ins Folgejahr 3 M 15 ff. – Wartezeit 3 M 8 f. – wöchentliche Arbeitszeit 3 M 4 ff. Erklärungsirrtum – Beendigungsvereinbarung 4 A 21 ff. Erlass – betriebliche Übung 3 E 29 ff. Erneute Auswahlentscheidung – Einstellung 2 47 Erprobung – Eingruppierung 7 49 ff. – Sachgrund 6 126 – Übertragung höherwertiger Tätigkeit 7 69 Erschwerniszuschlag – Entgeltfortzahlung 3 F 6 Ersetzungsklausel – Arbeitsvertrag 3 B 73 Erwerbsminderung – Arbeitsverhältnis 4 C 18 – freiwillige Versicherung 11 299 – Hinzuverdienst bei Rente 11 207 – Neuberechnung der Betriebsrente 11 204 – Rationalisierungsschutztarifvertrag 12 A 90 – Rentenabschlag 11 199 – Zurechnungszeit bei Betriebsrente 11 188 Erwerbsunfähigkeit – Beendigung des Arbeitsverhältnisses 4 C 15 Essenszuschuss – Nebenabrede 3 B 6 EU-Recht – Altersgrenze 4 C 10 f. – Altersgrenze und Gleichbehandlung 3 B 59 f. – Anhebung der Altersgrenzen 6 11 – Antidiskriminierungsrichtlinie 1 56 – Arbeitnehmerbegriff 1 6 – Arbeitnehmerschutz 1 56 ff. – Arbeitnehmervertretung bei Privatisierung 12 A 174 – Arbeitsbedingungen 1 55
Stichwortverzeichnis
– – – – – – –
Arbeitsrecht 1 35 ff. Arbeitsschutz 1 54; 3 K 5 Arbeitsvertrag 3 B 9 Arbeitszeit 3 L 1 Beamte 1 43 Beschäftigungszugang 1 56 Betriebsbegriff bei Massenentlassung 12 A 138 – Betriebsübergang 1 57; 12 B 2 f. – Diskriminierungsverbot 1 42 – freie Arbeitsplatzwahl 1 42 – Grundfreiheiten 1 41 ff. – Kirche 14 7 ff. – kirchliches Arbeitsrecht 14 11 – kollektives Arbeitsrecht 1 58 – Lohngleichheit 1 56 – Massenentlassungen 1 57 – Massenentlassungen, katholische Kirche 14 193 – Privatisierung 1 4 – Quotenregelungen 1 56 – Rechtswegbestimmung 15 17 – Richtlinien 1 48 – richtlinienkonforme Auslegung 1 51 – Rufbereitschaft 3 L 157 – sekundäres Gemeinschaftsrecht 1 47 – Verordnungen 1 47 – vertikale Direktwirkung 1 4, 49 – vertraglicher Betriebsübergang 12 B 24 – weiter Arbeitnehmerbegriff 1 43 EuGH – Altersgrenze 3 B 60 – BAT 1 44 – Begriff öffentliche Verwaltung 1 45 – europäisches Arbeitsrecht 1 38 – Palacios-Entscheidung 3 B 60 – weiter Arbeitnehmerbegriff 1 43 Evangelische Kirche – Aufbau der Gerichte 14 221 – autonome Ämterorganisation 14 25 – berufliche Anforderung 14 41 – Bundeswehr 14 22 f. – Diakonie 14 15 – EKD-Richtlinie 14 40 ff. – föderale Struktur 14 12 f. – Gerichtsbarkeit 14 221 f. – Grafik der Landeskirchen 14 12 – Kirchengemeinden/-kreise 14 14 – kollektives Arbeitsrecht 14 43 – Landeskirchen 14 12 f. – Loyalitätsobliegenheit 14 40, 42 – Ordination 14 26
– Pfarrerdienstverhältnis 14 27 – Regelungen für Arbeitsverhältnisse 14 40 ff. – Zusammenschlüsse 14 13 – Zuständigkeit der Gerichte 14 221 Evangelische Kirche, Arbeitsverhältnis – Arbeitsrechtliche Kommission 14 89 ff. – Arbeitsrechtsregelungsverfahren 14 88 ff. – Ausnahmen 14 56 – außerordentliche Kündigung 14 64 – Begründung 14 56 f. – Diakonie 14 92 f. – Kirchenaustritt 14 56 – kirchengesetzliche Festlegungen 14 88 – kirchenspezifische Kündigungsgründe 14 72 – konfessionsabhängig 14 54 – Loyalität der Mitarbeiter 14 64 – Mitarbeitervertretung 14 90 – Musterentwurf zum Kirchengesetz 14 88 – Schlichtungsausschuss 14 91 – Vertreter der Mitarbeiter 14 90 – Zugehörigkeit EKD-Gliedkirche 14 56 Evangelische Kirche, Mitarbeitervertretung – Ablauf der Probezeit, Kündigung 14 138 – Abordnungsschutz 14 123 – Amtszeit 14 118 f. – Anrufung des Kirchengerichts 14 141 – Auflösung der Vertretung 14 124 – Bewerbungsunterlagen 14 128 – Bildung durch Wahl 14 117 – Bildung von Ausschüssen 14 121 – Diakonie 14 115 – Dienstvereinbarung 14 142 ff. – Ehrenamt 14 122 – eingeschränkte Mitbestimmung 14 133 ff. – Einstellung 14 134 – fehlende Beteiligung 14 132 – Formen der Beteiligung 14 129 – Freistellungsregel 14 122 – Gesamtausschuss 14 126 – Geschäftsführung 14 120 f. – Größe des Gremiums 14 116 – Herausverlangen von Unterlagen 14 128 – Hessen und Nassau 14 111
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Stichwortverzeichnis
– Informationsrecht 14 128 – Initiativrecht 14 141 – Interessenvertretung besonderer Gruppen 14 125 – Jugend-/Auszubildendenvertretung 14 125 – Kirchenbeamtenverhältnis 14 137 – Kirchengesetze 14 109 – Kollegialorgan 14 120 f. – Konföderation Ev. Kirchen in Niedersachsen 14 111 – Kosten 14 122 – Kündigung in Probezeit 14 139 – Kündigungsschutz 14 123 – Leiharbeitnehmer 14 136 – Lohngestaltung 14 131 – Mitarbeiterversammlung 14 124 – Mitarbeitervertretungsgesetz 14 109 – Mitbestimmung 14 130 ff. – ordentliche Kündigung 14 138 f. – Organisation 14 114 ff. – organisatorische Angelegenheiten 14 130 – Personalangelegenheiten 14 130 – privatrechtliche Anstellungen 14 134 – räumlicher Geltungsbereich – MVG 14 110 – Rechtsquellen 14 108 ff. – Rechtsstellung der Vertreter 14 122 f. – Rechtsvereinheitlichung 14 112 – sachlicher Geltungsbereich – MVG 14 110 – Schwerbehinderte 14 125 – soziale Angelegenheiten 14 130 – Unwirksamkeit der Kündigung 14 140 – Versetzungsschutz 14 123 – Wählbarkeit 14 117 – Zusammenarbeit mit Dienstgeber 14 1217 f. – Zusammensetzung 14 116 – Zustimmung 14 132 – Zustimmung zum Vertretungsgesetz 14 111 – Zustimmungsverweigerungsrecht 14 133 – Zweistufigkeit 14 114 f. Fachhochschulen – kirchliche 14 19 f. Fachkenntnisse – gründliche 7 149 f.
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– gründliche, umfassende 7 153 f. – gründliche, vielseitige 7 151 ff. – Tätigkeitsmerkmale, Eingruppierung 7 147 Fahrtkostenersatz – Nebenabrede 3 B 6 Fallgruppenaufstieg – Oberbegriff 3 J 16 ff. Fallgruppenbewährungsaufstieg 3 J 16 ff. Familienangehörige – gesetzliche Arbeitslosenversicherung 10 167 f. – Pflegeversicherung 10 188 Familienstand – Vorstellungsgespräch 2 71 f. Familienzuschlag – Entwicklung 8 39 ff. – kirchliches Arbeitsrecht 8 45 Feiertag – Dienstplan 3 L 121 ff. – Entgeltfortzahlung 3 L 118 ff. – Vorfesttage 3 L 124 Feiertagsarbeit – Zeitzuschlag 3 L 161 ff. Feststellungsinteresse – Eingruppierungsklage 7 242 ff. Feststellungsklage – Umfang des Direktionsrechts 3 D 35 Feuerwehr – Flughäfen 13 C 13 – TVöD-BT-V 13 B 11 Finanzhoheit – Kirche 14 31 Finanzierung – Zusatzversorgung 11 21 ff. Flughafenbeschäftigte – Rampendienst 13 C 11 f. – TVöD-BT-F 13 C 9 ff. Föderalismusreform 1 150 Fondsgebundene Rentenversicherung – Anlagebeitrag 11 302 – Anpassung 11 304 – Beiträge 11 302 – Beitragszusage mit Mindestleistung 11 302 – Deckungskapital 11 302 – freiwillige Versicherung 11 286 – Kapitalauszahlung 11 304 – Lebenszyklus-Konzept 11 302 – Mindest-/Höchsteintrittsalter 11 303 – Rentengarantie 11 304 – Sparanteil 11 302
Stichwortverzeichnis
– Versorgungsleistung 11 304 – Verwaltungskosten 11 302 Formwechsel – Privatisierung 12 A 153 Forschungseinrichtungen – Bund/Länder 6 146 Forstlicher Außendienst 13 B 12 Fortbildung – Mitbestimmung, Personalrat 9 160, 177 – Rationalisierungsschutztarifvertrag 12 A 78 – Tarifvertrag zur sozialen Absicherung 12 A 99 f. Fortbildungskosten – Ausbildungskosten 3 B 33 ff. – Rückzahlungsklauseln 3 B 28 f., 83 ff. Fortsetzung – Zusatzversorgung 11 133 ff. Fraktion – Beteiligte bei VBL 11 92 Frauenbeauftragte – Stellenausschreibung 2 12 Frauenförderung 1 2 – Auswahlkommission 2 69 – Bewerberauswahl 2 45 – gleiche Eignung 2 28 – Stellenbesetzung 2 66 ff. Frauenförderungsgesetz – Teilzeit 5 A 17 Freistellung – Aufhebungsvertrag 4 A 57 ff. – betriebliche Übung 3 E 33 – leistungsorientierte Bezahlung 3 C 63 – Personalratsmitglieder 9 66 ff. – Vergütung bei Aufhebungsvertrag 4 A 59 Freistellungsanspruch – Erkrankung eines Kindes 3 M 35 Freistellungsklausel – Arbeitsvertrag 3 B 62 ff. – Arbeitsvertrag: Musterklausel 3 B 63 f. – gekündigtes Arbeitsverhältnis 3 B 64 – Sozialversicherungsrecht 3 B 65 – Suspensionsrecht 3 B 63 Freistellungsphase – Altersteilzeitarbeitsverhältnis 5 B 21 Freiwillige Versicherung – Abfindung 11 296 – Altersfaktoren 11 298
– Altersvorsorgezulagen 11 289 – Anknüpfung an gesetzliche Rentenversicherung 11 300 – Antrag auf Übertragung 11 295 – Arbeitgeberwechsel 11 295 – Arbeitslosengeld II 10 132 – Arten 11 286 – Auswirkungen 10 119 – Beanstandungen 11 290 – Beiträge 11 289 – Beitragsbemessungsgrenze 11 292 – Beitragsfreistellung 11 296 – Berechnung der Leistung 11 298 – Besteuerung der Aufwendungen 11 291 f. – Bonuspunkte 11 298 – Dienstordnungs-Angestellte 10 121 – Entgeltumwandlung 11 292 – Erhöhung der Versorgungsleistung 11 299 – Ertrag aus Kapitalanlage 11 289 – Finanzierung 11 287 ff. – Flexibilität 11 299 ff. – fondsgebundene Rentenversicherung 11 286, 302 ff. – förderungsunabhängig 11 292 – gesetzliche Krankenversicherung 10 117 ff. – Grundlagen 11 286 ff. – Kapitalauszahlung 11 301 – Kapitaldeckung 11 287 – Kosten 10 120 f. – Kündigung 11 296 – Personenkreis 11 288 – Pflichtversicherungsende 11 294 – Portabilität 11 295 – Punktemodell 11 286, 297 ff. – Rechtsgrundlagen 11 286 – Riesterrente 11 291 – separates Kapitalkonto 11 287 – sozialversicherungspflichtig 11 292 – Teilkostenerstattung 10 121 – Trennung von Pflichtversicherung 11 287 – Übertragungswert 11 295 – Unverfallbarkeit 11 293 f. – Versicherungsnachweis 11 290 – Versorgungsleistung 11 299 ff. – Verzinsung 11 298 – Vor-/Nachteile 10 122 f. – Vorversicherungszeit 10 118 – Wartezeit 11 293 Freiwilligkeit – Zielvereinbarungen bei LOB 3 C 35 ff.
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Stichwortverzeichnis
Freiwilligkeitsvorbehalt – betriebliche Übung 3 E 9 – Transparenzgebot 3 B 97 – unangemessene Benachteiligung 3 B 98 – Vergütungsbestandteil 3 B 99 Freizügigkeit – Arbeitnehmer 1 42 Fremdsprachenlektoren – EU-Recht 1 43 Fristen – außerordentliche Kündigung 4 B 115 – bei Kündigung 4 B 89 ff. Frisur – Direktionsrecht 3 D 89 Frühverrentung siehe Altersteilzeit Führung auf Probe – Dauer der Befristung 6 127 – sachlicher Grund 6 126 – zweimalige Verlängerung 6 125 Führungsposition siehe auch Befristung, Führungsposition – Begriff 6 123 Führungsrichtlinien – dienstliche Beurteilung 3 H 2 Funktionsmerkmale – Eingruppierung 7 82 Funktionsnachfolge – Betriebsübergang 12 B 11, 19 Funktionsvorbehalt 1 203 ff. – Stellenbesetzung 2 20 Funktionszulage – TVöD-BT-K 13 F 82 f. Fürsorgepflicht – Arbeitnehmerschutz 3 K 1 – Arbeitsschutz 3 K 36 – Arbeitsschutzgesetze 3 A 48 f. – Direktionsrecht 3 D 31 – Schutz von Leben und Gesundheit 3 A 48 f. – Verstoß 3 A 49 – Verstoß des Arbeitgebers 3 A 49 Garderobenpersonal – Entgeltgruppe 1 7 180 Gebietskörperschaften – Arbeitgeber 1 29 Gefährdung – Ermittlung bei Arbeitsschutz 3 K 20 Gegenkonkurrenzklauseln – Überleitungstarifvertrag 8 45 ff., 55
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Gegenwert, Zusatzversorgung siehe Ausgleichsbetrag Geldbuße – Vollstreckung katholischer Gerichtsentscheidungen 14 242 Gemeinsamer Ausschuss – TVöD-BT-S 13 D 18 ff. Gemeinschaftsrecht siehe EU-Recht Gemeinschaftstreue – Gebot der ~ 1 51 Gesamtpersonalrat – Personalvertretung 9 28 Gesamtrechtsnachfolge – Betriebsübergang 12 B 22 ff. Gesamtversorgung siehe auch Punktemodell – Schließung des bisherigen Systems 11 29 ff. – Umstellung auf Punktemodell 11 261 – Versorgungstarifvertrag 11 16 – Zusatzversorgung 11 15 ff. Gesamtvertretung – Bedarf, Voraussetzungen 6 105 – Schuldienst 6 101 ff. Gesamtvertretungsbedarf – Lehrkräfte 13 B 22 Gesamtvolumen – leistungsorientierte Bezahlung 3C4 Gesamtzusage – betriebliche Übung 3 E 3 Geschenke – Abmahnung 3 A 13 – Annahmeverbot 3 A 6 ff. – außerordentliche Kündigung 3 A 13 – geringfügige Dienstleistung 3 A 11 – geringwertige Sachzuwendung 3 A 11 – Grenze des Üblichen 3 A 11 – kleine Zuwendung 3 A 11 – stillschweigende Zustimmung des Dienstherrn 3 A 11 f. – Überschreiten der Wertgrenze 3 A 13 – Verstoß gegen Anzeigepflicht 3 A 14 – Wertgrenze 3 A 11 – Zustimmung des Arbeitgebers 3A7 Geschlecht – Stellenausschreibung 2 11 Gesetze – tarifdispositiv 1 72
Stichwortverzeichnis
Gesetzgebungskompetenz – Abgrenzungsfragen 1 153 ff. – anderer Rechtsträger 1 160 – Auswirkungen auf Arbeitsrecht öffentlicher Dienst 1 161 ff. – Bundesbedienstete 1 159 – Gestaltungsspielraum 1 169 ff. – Gestaltungsverpflichtung 1 172 ff. – im Bereich Arbeitsrecht 1 68 – öffentliches Dienstrecht 1 158 ff. – Vorbehalt der Verfassung 1 170 – Vorrang der Verfassung 1 170 f. Gesetzliche Arbeitslosenversicherung – Beginn/Ende Versicherungsfreiheit 10 163 f. – Besonderheiten in der Versorgung 10 157 ff. – Fürsorgestatus nach beamtenrechtlichen Grundsätzen 10 160 ff. – privilegierte Arbeitgeber 10 159 – Reichweite der Versicherungsfreiheit 10 165 f. – Versicherungsfreiheit 10 158 – Versicherungsfreiheit Rentner/Hinterbliebene/Familienangehörige 10 167 f. Gesetzliche Krankenversicherung – allgemeine Versicherungspflicht 10 91 – Aufnahme versicherungspflichtiger Beschäftigung 10 127 – Ausschluss der Familienversicherung 10 142 ff. – Beginn/Ende Versicherungsfreiheit 10 100 ff. – Beihilfe 10 96 – Besonderheiten 10 90 ff. – Ehegatte/Lebenspartner 10 130 – Eintritt der Versicherungspflicht mit 55 Jahren 10 128 ff. – Elternzeit im öffentlichen Dienst 10 144 – Ende der Beihilfeberechtigung 10 145 – Europäische Gemeinschaft 10 95 – Freiwillige Versicherung 10 117 ff. – Fürsorgestatus 10 96 ff. – Heilfürsorge 10 96 – keine Aufnahme mehr 10 131 – Krankenversicherung der Rentner 10 133 ff. – mangels anderweitiger Absicherung 10 135
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privilegierte Arbeitgeber 10 93 ff. qualifizierter Ausschluss 10 130 spätere Rückkehr 10 126 tarifliche Sozialleistungen 10 146 ff. – Versicherungsfreiheit 10 92 – Wettbewerbsstärkungsgesetz 10 104 ff. Gesetzliche Pflegeversicherung – Befreiungsanspruch 10 174 f. – Besonderheiten bei Pflegebedürftigkeit 10 169 ff. – Durchführung 10 189 ff. – freiwillig krankenversichert 10 173 – private Pflegeversicherung 10 176 ff. – Versicherungspflicht 10 172 ff. Gesetzliche Rente – Rente aus Zusatzversorgung 11 208 Gesetzliche Rentenversicherung 10 7 ff. – Arbeitnehmerfinanzierung 10 28 – beamtenähnliche Versorgung 10 25 – Beitragserstattung 10 86 ff. – Europäische Gemeinschaft 10 95 – freiwillige Beträge 10 84 ff. – Gesamtversorgung 10 26 – Hauptpflicht 10 63 ff. – Hinterbliebene 10 47 – Nachversicherung 10 48 ff. – Rentner 10 46 – vergleichbar leistungsfähiges Versorgungssystem 10 23 ff. – Verhältnis zu freiwilliger Versicherung 11 300 – Versicherungsfreiheit 10 8 ff. – Zusatzversorgung öffentlicher Dienst 10 27 Gesetzliche Unfallversicherung 10 192 ff. – Beginn/Ende Versicherungsfreiheit 10 202 f. – Reichweite der Versicherungsfreiheit 10 204 f. – Unfallfürsorge nach Beamtenrecht 10 195 ff. – Unfallfürsorgeerfüllung 10 199 ff. – Versicherungsfreiheit 10 193 ff. Gewerbeaufsichtsamt – Arbeitsschutzbehörde 3 K 9 Gewerkschaft – Aufgaben und Befugnisse 9 89 – Begriff 9 86 – Einsichtsrecht in Personalakte 3 I 12
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Stichwortverzeichnis
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koalitionspolitische Aufgaben 9 92 Kommunikation 9 91 Mitgliederwerbung 9 92 Personalrat 9 90 Werbung durch kirchliche Arbeitnehmer 14 86 – Zugangsrecht zur Dienststelle 9 88 Gewerkschaftsvertreter – Arbeitsbefreiung 3 M 25 Gewohnheitsrecht – Arbeitsrecht 1 83 GEZ – Organisationsform 1 197 Gleichbehandlung – Altersgrenze 3 B 59 – Anspruch auf Höhergruppierung 7 106 ff. – Arbeitgeberpflicht 3 A 53 – Ausschreibung 2 8 – Bewerberauswahl 2 31 – Entgeltgleichheit 1 46 – EU-Recht 1 46; 6 11 – Teilzeit 1 46; 5 A 15 Gleichbehandlungsgesetz 1 38 Gleichbehandlungsgrundsatz – arbeitsrechtlicher 1 34, 183 f. Gleichberechtigung – Mitbestimmung, Personalrat 9 181 Gleiche Eignung – Bewerberauswahl 2 25 ff. – Dienstalter 2 25 ff. – Frauenförderung 2 28 – Gesamtnote 2 25 ff. – Hilfskriterien 2 28 – Lebensalter 2 25 ff. Gleichstellung – Stellenausschreibung 2 12 – Vorstellungsgespräch, Landesrecht 2 72 Gleichstellungsabrede – dynamische Klausel 3 B 42 f. – dynamische Verweisungsklausel 3 B 42 Gleichstellungsbeauftragte – Einsichtsrecht in Personalakte 3 I 13 Gleichstellungsgesetz – Teilzeit 5 A 17 Gleitzeit – Kappungsgrenze 3 L 52 – Kernzeit 3 L 51 – Krankheit 3 L 53 – Modelle 3 L 50 ff. – Schwankungsbreite 3 L 52 – Überstunden 3 L 54, 142
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– Urlaub 3 L 53 Gratifikation – Freiwilligkeitsvorbehalt 3 B 99 Grundfreiheiten – EU-Recht 1 41 ff. Grundrechte – Dienstvereinbarung 1 66 – Doppelgrundrecht 1 176 – mittelbare Wirkung 1 63 – Schutzfunktion im Privatrecht 1 64 – Tarifvertrag 1 66 – unmittelbare Drittwirkung 1 62 – Untermaßverbot 1 64 Grundrechtsbindung 1 175 Grundrechtsverletzung – Rechtwegbestimmung 15 11 f. Grundsatz – richtlinienkonforme Auslegung 1 51 Günstigkeitsprinzip 1 71 – Dienstvereinbarung 1 130 – kollektiver Vergleich 1 139 – Tarifvertrag 1 95 – Überleitungstarifvertrag 8 10 Gutachten – Personalakte 3 I 10 Haftungsansprüche – Mitbestimmung, Personalrat 9 180 Halbanrechnungsentscheidung – Systemänderung 11 233 Halbanrechnungszeiten – Begriff 11 17 – Rechtsprechung 11 26 Hälftelungsprinzip – Eingruppierung 7 77, 167 Hamburg – Arbeitszeit 3 L 22 – Mitbestimmung der Personalvertretung 12 A 32, 36 Hamburger Ruhegeldgesetz 11 66 Hauptpersonalrat – Einigung bei Mitbestimmung 4 D 129 Hausgehilfen – Entgeltgruppe 1 7 180 Haushaltsführungsschreiben – Haushaltsrecht 1 238 Haushaltsgesetz – befristetes 6 81 ff. Haushaltsgrundsätzegesetz 1 235 Haushaltskreislauf 1 236 – Aufstellungsverfahren 1 237 – Beauftragter für den Haushalt 1 254 f.
Stichwortverzeichnis
– einzelne Phasen 1 237 ff. – Gebot linearer Stelleneinsparungen 1 243 – Geschäftsverteilungsplan 1 248 – Haushaltsgesetz 1 249 ff. – Haushaltsplan 1 249 ff. – Haushaltsvollzug 1 253 ff. – Organisationsplan 1 247 – Personalbedarfsermittlung 1 241 – Stellenplan 1 246 – Umfang des Personalhaushalts 1 238 Haushaltsmittel, Befristung siehe auch kw-Vermerk – Anforderungen an die Widmung 6 50 ff. – Arbeitsvertrag 6 81 ff. – demokratische Legitimation 6 55 – gerichtliche Kontrolle 6 82 ff. – haushaltsrechtliche Personalreserve 6 57 – höherrangiges Recht 6 53 – konkrete Sachregelung 6 50 – mittelbewirtschaftete Stellen 6 58 – nachvollziehbare Zwecksetzung 6 51, 56 – sachlicher Grund 6 60 – Umwidmung 6 54 – unbefristete Haushaltsmittel 6 65 ff. – verfassungsrechtliche Gründe 6 59 – Vergütung aus gewidmeten Mitteln 6 49 Haushaltsplan – betriebsbedingte Kündigung 12 A 113 f. – Eingruppierung 7 76 – Jährlichkeitsprinzip 6 87 – kw-Vermerk 6 71 Haushaltsrecht – Adressat 1 234 – Arbeitsvertragsgestaltung 3 B 10 – befristete Inanspruchnahme 6 65 ff. – Befristung 1 232; 6 23 f., 39 ff. – Befristung von Arbeitsverhältnissen 3 B 11 – Befristung von Haushaltsstellen 6 60 ff. – betriebliche Übung 1 143; 3 E 21, 26 ff. – gesetzliche Grundlage 1 235 – Grundlagen 1 231 ff. – Grundsätze 1 2 – Haushaltskreislauf 1 236 – Kreislauf 1 236
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Planstellen 1 207 ff. Rechnungslegung 1 257 ff. Relevanz für Befristungen 6 46 Stellen mit kw-Vermerk 6 69 ff. Übertragung höherwertiger Tätigkeit 7 70 – vier Stadien 1 236 – Zuwendungsempfänger 1 233 Haushaltsvollzug 1 253 ff. – Upside-down-Verfahren 1 253 Haushaltsvorschlag – Mitwirkung, Personalrat 9 191 Hausmeister – Bereitschaftszeit 3 L 201 ff. Haustarifvertrag – Privatisierung 12 A 165 Heilberufe – Arbeitsbedingungen 13 F 214 f. – Entgelttabelle 13 F 215 – Krankenhäuser 13 F 206 ff. Heimarbeit – Schutzgesetz 1 77 Herabgruppierung siehe auch Umgruppierung – Ausübung geringer bewerteter Tätigkeit 7 128 ff. – Direktionsrecht 7 129 – Tarifrecht, variabel 7 132 – Überleitungstarifvertrag 8 23 – variable Eingruppierungsvoraussetzungen 7 132 – Veränderung der Tätigkeitswertigkeit 7 130 ff. – Wegfall hochwertiger Teilaufgaben 7 131 – Zuweisung geringwertiger Tätigkeit 7 129 Heraushebungsentgeltgruppe – TVöD/TV-L 7 87 Hinterbliebene – fondsgebundene Rentenversicherung 11 304 – freiwillige Versicherung 11 299 – gesetzliche Arbeitslosenversicherung 10 167 f. – Neuberechnung bei Rente 11 204 – Pflegeversicherung 10 187 f. – Rente und Einkommen 11 211 Hinterbliebenenrente – Betriebsrente 11 174 – Versorgungsehe 11 174 Hinweispflicht – Beendigungsvereinbarung 4 A 4 ff. Hinzuverdienstgrenze – Betriebsrente 11 206
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Stichwortverzeichnis
Hochschule – Arbeitgeberstellung 13 E 9 ff. – Befristungssonderrecht 13 E 1 – Direktionsrecht des Arbeitgebers 13 E 2 – gesetzliche Rahmenbedingungen 13 E 1 f. – Grundrechte 13 E 25 – kirchliche 14 19 f. – Lehrbeauftragte 13 E 6 ff. – Lektoren 13 E 17 – Privatdienstvertrag 13 E 11 – private/öffentlich-rechtliche 13 E 3 – Professoren 13 E 3 – Schlichtungsstelle 13 E 2 – Sonderregelungen, TV-L 13 E 21 ff. – Sonderregelungen vor TVöD 13 A 9 – studentische/wissenschaftliche Hilfskräfte 13 E 5, 18 ff. – tarifliche Entwicklung 13 E 13 f. – Tarifsperre 13 E 1 – TV-L, Geltungsbereich 13 E 15 ff. – Versicherungspflicht 11 164 – wissenschaftliche Mitarbeiter 13 E 4 f., 18 Hochschulen/Forschungseinrichtungen – Abgrenzung 6 143 – Befristung, WissZeitG 6 138 ff. – kalendermäßige Befristung 6 109 – künstlerisches Personal 6 150 f. – nichtwissenschaftliches Personal 6 152 – Vertragsarbeitgeber 6 140 – wissenschaftliches Personal 6 150 f. Hochschullehrer siehe Professoren Hochschulrahmengesetz – Befristung 1 166 Hoheitsakt – Betriebsübergang 12 B 22 ff. Höhergruppierung siehe auch Umgruppierung; siehe auch Beförderung – Anspruch aus Arbeitsvertrag 7 105 – Anspruch außerhalb der Tarifautomatik 7 104 ff. – Bestenauslese 7 114 ff. – billiges Ermessen 7 102 – Darlegungs- und Beweislast im Prozess 7 269 ff. – falsche Eingruppierung 7 103 – falsche Stellenausschreibung 7 111 – Gleichbehandlungsgrundsatz 7 106 ff.
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– Hineinwachsen in höherwertige Tätigkeit 7 101 – Mitbestimmung durch Personalrat 7 189 f. – persönliche Anspruchsvoraussetzungen im Prozess 7 270 f. – Rechtswegbestimmung 15 7 ff. – sachliche Anspruchsvoraussetzungen im Prozess 7 272 f. – Schadensersatzanspruch 7 110 f. – Tätigkeitsänderung 3 D 59 ff. – übergangener Beförderungsbewerber 7 112 ff. – Ursachen 7 99 ff. – Zuordnung zu höherer Entgeltgruppe 7 97 ff. – Zuweisung höherwertiger Tätigkeiten 7 100 Höhergruppierungsverlangen – Arbeitsvorgänge darlegen 7 273 ff. – Darlegung- und Beweislast 7 269 ff. – Heraushebungsmerkmal 7 278 – persönliche Anspruchsvoraussetzungen 7 270 f. – sachliche Anspruchvoraussetzungen 7 272 ff. – subjektive Anforderungen 7 270 – tarifliche Tätigkeitsmerkmale vortragen 7 277 f. – zeitliches Ausmaß darlegen 7 273 ff. Honorarkraft – Einstellung als Musiklehrer 2 91 Individualabrede 3 B 22 Individualarbeitsvertrag siehe Arbeitsvertrag Informationspflicht – Nebenpflicht des Arbeitsvertrages 3 A 36 Ingenieure – Eingruppierung 7 140 Inhaberwechsel – Kündigungsverbote 12 B 27 Inhaltsirrtum – Beendigungsvereinbarung 4 A 21 ff. Inhaltskontrolle, Arbeitsvertrag – allgemeine Geschäftsbedingungen 3 B 17 ff. – allgemeine Grundsätze 3 B 20 ff. – Angemessenheitsprüfung 3 B 26 – Anrechnungsvorbehalt 3 B 100 – arbeitsrechtliche Verbotsgesetze 3 B 14
Stichwortverzeichnis
– Befristung von Arbeitsbedingungen 3 B 23 – Belehrung 3 B 26 – Blue-pencil-Test 3 B 30 – Checkliste 3 B 31 – Globalverweisung auf Tarifvertrag 3 B 35 – Klauselkontrolle 3 B 23 ff. – nach §§ 305 ff. BGB 3 B 15 ff. – objektive Auslegung 3 B 24 – Preisnebenabreden 3 B 23 – Prüfungsreihenfolge 3 B 24 f. – Rückzahlungsklauseln 3 B 28 f., 83 ff. – Sittenwidrigkeit 3 B 14 – Transparenzgebot 3 B 29 – Treu und Glauben 3 B 28 – überraschende Klausel 3 B 21 – Unwirksamkeit von Klauseln 3 B 30 – Vertragsstrafe 3 B 80 – Verzugszinsen 3 B 23 – Vorrang der Individualabrede 3 B 22 – Widerrufsvorbehalt 3 B 94 ff. – Zielvereinbarung 3 C 41 Inhaltsnormen – Tarifvertrag 1 90 Insolvenz – Langzeitarbeitszeitkonto 3 L 90 Insolvenzordnung – Kirche 14 32 f. Insolvenzsicherung – Zusatzversorgung 11 74 f. Internetnutzung – Direktionsrecht 3 D 90 – Verbot im Arbeitsvertrag 3 B 81 Irrtum – betriebliche Übung 3 E 10 Jahresmeldung – Arbeitgeber für Zusatzversorgung 11 149 Jährlichkeitsprinzip – Beamte 6 90 – Haushaltsplan 6 87 – sachlicher Grund 6 87 ff. Job-Sharing siehe Arbeitsplatzteilung Jugendarbeitsschutz – Schutzgesetz 1 77 Juristische Person – Amtsträger nach Strafrecht 3 A 17 – Arbeitgeberbegriff 1 28 ff. Juristische Person des öffentlichen Rechts – Beteiligte bei VBL 11 91
Juristische Person des Privatrechts – Beteiligte bei AKA 11 95 – Beteiligte bei VBL 11 93 f. – Massenentlassungen 12 A 142 Kalendermäßige Befristung – Ärzte in der Weiterbildung 6 166 Kapitaldeckungsverfahren – Besteuerung der Beiträge 11 281 – Eigenbeiträge der Arbeitnehmer 11 282 – Erhebung von Beiträgen 11 266 – Pauschalbesteuerung 11 283 – Pflichtversicherung 11 266 ff. – sozialversicherungsfreie Beiträge 11 283 – steuerfreie Beiträge 11 281 ff. – Zusatzversorgungskassen der AKA 11 268 Kapitalprivatisierung 12 A 145 Katholische Kirche – Arbeitsrechtsregelungsverfahren bei Caritas 14 101 f. – Arbeitsverhältnis und Sendungsauftrag 14 47 – Begründung von Arbeitsverhältnissen 14 48 – Bistum 14 16 – Caritas 14 21 – Dienstgeber 14 47 – Dienstgemeinschaft 14 47 ff. – Diözesanverfassung 14 16 f. – Geltungsbereich der Grundordnung 14 49 ff. – Grafik der Bistümer/Diözesen 14 17 – Grundordnung 14 44 ff. – hierarchische Struktur 14 25 – kollektives Arbeitsrecht 14 48 – Kongregationen 14 18 – Militärbischofsamt 14 22 – Mitarbeiter 14 47 – Orden 14 18, 50 – Pfarrerdienstverhältnis 14 26 – Rechtsgrundlage 14 16 ff. – Rechtsgrundlage für Arbeitsverhältnisse 14 44 ff. – Schulen, Hochschulen 14 19 Katholische Kirche, Arbeitsgericht – Abgrenzung staatliche Arbeitsgerichtsbarkeit 14 229 – Arbeitsgerichtshofsverfahren 14 239 f. – Aufbau 14 230 – Beteiligte 14 235 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Gebühren/Auslagen 14 238 – Geldbuße 14 242 – Instanzen 14 232 ff. – Kammerprinzip 14 231 – Rechtsgrundlage 14 227 ff. – Richterqualifikation 14 231 – Urteil 14 235 – Verfahren 14 235 ff. – Verfahrenseinleitung 14 236 – Vertretung 14 237 – Vollstreckung 14 241 f. – Zuständigkeit 14 229 Katholische Kirche, Arbeitsverhältnis – Abschluss 14 95 – Anforderungsprofil 14 60 – Arbeitskampf 14 94 – Ausschreibung 14 60 – Beendigung 14 95 – Beschlussfassung der KODA 14 99 – Bistums-KODA 14 96 – Diözese 14 96 ff. – Funktionsbeschreibung des Tätigkeitsbereichs 14 60 – Inhalt 14 95 – kirchenspezifische Kündigungsgründe 14 70 f. – kirchliche Arbeitsgerichtsordnung 14 227 ff. – kirchliches Eherecht und Kündigung 14 73 f. – KODA-Regelung 14 94 ff. – Kommission zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts (KODA) 14 94 f. – Letztentscheidungsrecht des Bischofs 14 100 – Loyalität der Mitarbeiter 14 63 – Mitarbeiterbeteiligung 14 94 – Personalauswahl 14 58 f. – persönliches Lebenszeugnis 14 59 – Rechtsgrundlagen 14 94 f. – Rechtsweg 14 227 ff. – Regional-KODA 14 96 – Seelsorgetätigkeit 14 58 f. – Sonderregelung der Gerichtsbarkeit des Heiligen Stuhls 14 227 f. – Tarifvertrag 14 94 – Zusammensetzung der KODA 14 98 Katholische Kirche, Mitarbeitervertretung – Abberufung eines Mitgliedes 14 170 – Ablauf der Amtszeit 14 159 – Abordnung 14 154 – Amtszeit 14 158
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Antragsrecht 14 183 f. Arbeitsentgelt 14 165 Ausschüsse 14 162 Beförderung 14 189 Beratungsrecht 14 180 f. besondere Formen der Vertretung 14 171 f. Beteiligung in Personalangelegenheiten 14 186 ff. Beteiligungsvorschriften 14 177 Betriebsänderung 14 198 Bildung durch Wahl 14 149, 152 ff. Caritas 14 146 Dienstvereinbarung 14 185 Diözesane Arbeitsgemeinschaft 14 172 Ehrenamt 14 163 Ein-/Anstellung 14 186 ff. Ein-Euro-Jobber 14 151 Eingliederung 14 187 Eingruppierung 14 189 f. Einigungsstelle 14 183 Einrichtung als Organisationseinheit 14 149 f. Einrichtung mit mehr als 50 Mitarbeitern 14 179 Freistellung 14 164 Gesamtmitarbeitervertretung 14 172 Geschäftsführung 14 161 Gremiumsgröße 14 152 Informationsrecht 14 178 f. Initiativrecht 14 181 Interessenvertretung besonderer Gruppen 14 173 f. Jugend-/Auszubildendenvertretung 14 173 f. Kündigung 14 191 ff. Kündigungsschutz 14 168 Leiharbeitnehmer 14 151 Massenentlassungen 14 193 Mitarbeiterbegriff 14 151 Mitarbeiterversammlung 14 169 Mitarbeitervertretungsordnung – MAVO 14 145 Mitbestimmungsrechte 14 182 ff. Mitbestimmungsverfahren 14 182 Mitwirkungsrechte 14 180 f. Neuwahl 14 161, 170 Orden 14 146 Orden päpstlichen Rechts 14 148 Organisation 14 149 ff. pastorale Dienste 14 186 personelle Einzelmaßnahmen 14 189 f.
Stichwortverzeichnis
– Rechtsquellen 14 145 ff. – Rechtsstellung der Vertreter 14 163 ff. – Schulungen 14 166 – Schwerbehinderte 14 173 f. – Sondervertretung 14 171 f. – Übergangs-/Restmandat 14 159 f. – verfasste Kirche 14 146 – Versetzungsschutz 14 167 – Vorlage von Unterlagen 14 178 – Vorschlagsrecht 14 181 – Vorsitzender 14 161 – Wählbarkeit 14 149, 155 – Wahlberechtigte 14 153 – Weiterführung der Geschäfte 14 159 f. – Zusammenarbeit mit Dienstgeber 14 175 ff. – Zustimmungsrech