Johannes Mulberg OP († 1414): Ein Leben im Spannungsfeld von Dominikanerobservanz und Beginenstreit [Reprint 2014 ed.] 9783050047362, 3050035439, 9783050035437

Die Autorin stellt am Beispiel des Dominikaners Johannes Mulberg einen exemplarischen spätmittelalterlichen Lebenslauf v

185 109 12MB

German Pages 211 [212] Year 2000

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Table of contents :
I. Einleitung
II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg
III. Die Dominikanerobservanz
1. Einführung
2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia
2.1. Colmar
2.2. Das Provinzkapitel in Speyer
2.3. Würzburg
2.4. Nürnberg
2.5. Schönensteinbach
3. Das Scheitern der frühen Observanz
IV. Der Basler Beginenstreit
1. Überblick zum Beginen- und Begardentum
2. Der Ausbruch der Streitigkeiten
3. Basel in den Jahren 1405-1410
3.1. Mulbergs Predigt und die Inquisition
3.2. Der Beginenstreit als Rechtsstreit
4. Der Ratswechsel von 1410
4.1. Der Rat bis 1409
4.2. Der Ratswechsel
5. Das Ende des Beginenstreits
5.1. Die letzte Vertreibung
5.2. Die wiederholte Enteignung der Beginen
6. Ein Vergleich mit den Nachbarstädten
7. Fazit
V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr
1. Sein Sterben
2. Sein Nachwirken in der Mirakelliteratur
VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger
1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos
1.1. Inhalt
1.2. Methode
1.3. Fazit
2. Ausblick auf die Predigten
VII. Zusammenfassung
VIII. English Summary
IX. Edition
1. Schriften zum Basler Beginenstreit
1.1. Überlieferung und Textgestaltung
1.2. Übersichtsschema zur Überlieferung und Abkürzungsverzeichnis
1.3. Posicio Rüdolfi Buchsmann OFM
1.4. Einleitung zum Traktat
1.5. Tractatus contra Beginas et Beghardos
1.6. Postskript
1.7. Fragment der sog. „Wucherpedigt“
2. Bericht über Mulbergs Sterben
2.1. Überlieferung und Textgestaltung
2.2. Brief von Konrad Schlatter
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der ungedruckten Quellen
Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur
Register
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Johannes Mulberg OP († 1414): Ein Leben im Spannungsfeld von Dominikanerobservanz und Beginenstreit [Reprint 2014 ed.]
 9783050047362, 3050035439, 9783050035437

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Sabine von Heusinger

JOHANNES MULBERG OP

(t 1414)

Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens. Neue Folge Band 9

Im Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia herausgegeben von Walter Senner OP (Federführender Herausgeber) Kaspar Elm Isnard W. Frank OP Ulrich Horst OP

Sabine von Heusinger

JOHANNES MULBERG OP (t 1414) Ein Leben im Spannungsfeld von Dominikanerobservanz und Beginenstreit

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Dominikanerprovinz Teutonia

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Heusinger, Sabine von: Johannes Mulberg OP ( t 1414) : ein Leben im Spannungsfeld von Dominikanerobservanz und Beginenstreit / Sabine von Heusinger. Berlin : Akad. Verl., 2000 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens ; N. F., Bd. 9) ISBN 3-05-003543-9

ISSN 0942-4059 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2000 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck: GAM MEDIA, Berlin Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach P r i n t e d in t h e F e d e r a l

Republic of

Germany

Abbildung 1: Johannes Mulbergs Grabstein in der Kirche des Zisterzienserklosters Maulbronn

Für Klaus und Judith

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung stellt meine Dissertation dar, die im Dezember 1996 von der Philosophischen Fakultät der Universität Konstanz angenommenen wurde. Für die Drucklegung wurde der Text überarbeitet und gestrafft. Zwischenzeitlich erschienene Literatur wurde bis 1999 in Auswahl berücksichtigt. Ich freue mich, an dieser Stelle allen danken zu können, die meine Arbeit auf ganz unterschiedliche Art unterstützt und gefördert haben. An erster Stelle danke ich Herrn Prof. Dr. Alexander Patschovsky (Konstanz) für die Betreuung der Arbeit und anregende Diskussionen; Herrn Prof. Dr. Helmut Maurer (Konstanz) für die Erstellung des Zweitgutachtens. P. Dr. Walter Senner OP (Köln / Rom) danke ich vor allem für die Betreuung der Edition des lateinischen Textes. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Bernhard Neidiger (Stuttgart), der mich immer großzügig an seinem Kenntnisreichtum teilhaben ließ und die vorliegende Arbeit mit nie erlahmendem Interesse unterstütze. Frau Renata Egli-Gerber (Kreuzlingen) begleitete mich durch das anfängliche Dickicht von Mulbergs Traktat. Entscheidende Hinweise zur Edition des lateinischen Textes ließen mir Herr Prof. Dr. Arno Borst (Konstanz) und zur Edition des deutschen Textes Herr Dr. Wolfram Schneider-Lastin (Zürich) zukommen. P. Prof. Dr. Isnard W. Frank OP (Wien) bewahrte mich vor manchem Irrtum. Herr Dr. Stefan von der Lahr (München) gab mir wertvolle Ratschläge zur Textgestaltung. Besonders herzlich möchte ich meinem Mann für die aufwendige Erstellung der Druckvorlage danken. Mit kritischem Interesse verfolgten Frau Dr. Brigitte Degler-Spengler (Basel) und Frau Dr. Martina Wehrli-Johns (Zürich) das Entstehen der Arbeit. Allen sei ganz herzlich gedankt. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der benutzten Archive und Bibliotheken möchte ich ebenfalls für ihre Hilfe sowie der Studienstiftung des deutschen Volkes für ein Promotionsstipendium danken. Last but not least gilt mein Dank den Freundinnen und Freunden in Konstanz, Kassel und Zürich für Beistand und konstruktive Kritik. Ich danke den Herausgebern für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe und der Dominikaner-Ordensprovinz Teutonia für die Finanzierung der Drucklegung. Konstanz, August 2000

Sabine von Heusinger

Inhalt

I.

Einleitung

1

II.

Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg

5

III.

Die Dominikanerobservanz

11

1. Einführung

11

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia 2.1. Colmar 2.2. Das Provinzkapitel in Speyer 2.3. Würzburg 2.4. Nürnberg 2.5. Schönensteinbach

19 19 24 25 26 29

3. Das Scheitern der frühen Observanz

31

Der Basler Beginenstreit

39

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum

39

2. Der Ausbruch der Streitigkeiten

47

3. Basel in den Jahren 1405-1410 3.1. Mulbergs Predigt und die Inquisition 3.2. Der Beginenstreit als Rechtsstreit

52 52 55

4. Der Ratswechsel von 1410 4.1. Der Rat bis 1409 4.2. Der Ratswechsel

66 66 68

5. Das Ende des Beginenstreits 5.1. Die letzte Vertreibung 5.2. Die wiederholte Enteignung der Beginen

72 72 80

6. Ein Vergleich mit den Nachbarstädten

83

7. Fazit

89

IV.

χ

V.

VI.

Inhalt

Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

91

1. Sein Sterben

91

2. Sein Nachwirken in der Mirakelliteratur

96

Johannes Mulberg als Autor und Prediger

99

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 1.1. Inhalt 1.2. Methode 1.3. Fazit

99 99 106 113

2. Ausblick auf die Predigten

116

VII. Zusammenfassung

119

VIII. English Summary

121

IX.

Edition

125

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 1.1. Überlieferung und Textgestaltung 1.2. Übersichtsschema zur Überlieferung und AbkürzungsVerzeichnis 1.3. Posicio Rüdolfi Buchsmann OFM 1.4. Einleitung zum Traktat 1.5. Tractatus contra Beginas et Beghardos 1.6. Postskript 1.7. Fragment der sog. „Wucherpedigt"

125 125 129 131 133 135 173 174

2. Bericht über Mulbergs Sterben 2.1. Überlieferung und Textgestaltung 2.2. Brief von Konrad Schlatter

175 175 176

Abkürzungsverzeichnis

183

Verzeichnis der ungedruckten Quellen

185

Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur

187

Register

197

I. Einleitung

Die Biographie einer einzelnen Person in den Mittelpunkt einer Untersuchung zu stellen, galt lange Zeit als methodischer Anachronismus. Dennoch fällt auf, daß in den letzten Jahren vermehrt Arbeiten erschienen sind, die am Beispiel einer zuvor kaum beachteten Persönlichkeit komplexe strukturgeschichtliche Phänomene untersuchen. 1 Dies ist auch das Erkenntnisziel der vorliegenden Arbeit. In ihrem Mittelpunkt steht der Dominikaner Johannes Mulberg, dessen Lebenslauf sowohl von der Reformbewegung innerhalt seines Ordens - der Dominikanerobservanz - als auch vom Basler Beginenstreit zu Beginn des 15. Jhs. bestimmt wurde. Das Große Abendländische Schisma und das Streben nach einer Kirchenreform prägten nicht nur seine Zeit, sondern auch sein Leben. Eine Untersuchung der Vita Mulbergs verspricht daher ein tieferes Verständnis ausgewählter Aspekte, die die Zeit um die Wende zum 15. Jh. prägten. Das Wissen über das Leben Johannes Mulbergs beschränkte sich bislang im wesentlichen auf jene Jahre, in denen er in die Auseinandersetzung um das Beginenund Begardentum eingriff. Obwohl sein kompromißloses Auftreten ihm den sowohl dauer- als auch zweifelhaften Ruhm eines fanatischen Beginengegners eingetragen hat, blieben die Beweggründe für sein Handeln im dunkeln. Diese lassen sich aber erhellen, sobald Mulbergs Vorgehen vor dem Hintergrund der Armutsdiskussion betrachtet wird, die innerhalb des Dominikanerordens zwischen Observanten und Konventualen seit Ende des 14. Jhs. ausgetragen wurde. Folglich liegt in dieser Studie einer der Schwerpunkte auf der Darstellung und Analyse der zentralen Rolle, die Johannes Mulberg als einer der Dominikanerobservanten „der ersten Stunde" in der Reformbewegung seines Ordens einnahm. Darüber hinaus sollen in diesem Zusammenhang verschiedene 1

Zum Beispiel REINLE, Christine: Ulrich Riederer (ca. 1406-1462). Gelehrter Rat im Dienste Kaiser Friedrichs III. Mannheim 1993; RUHRBERG, Christine: Der literarische Körper der Heiligen: Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312). Tübingen 1995; TÖNSING, Michael: Johannes Malkaw aus Preußen (ca. 1360-1416). Studien und Quellen zu einem Streit für die römische Obödienz während des Großen Abendländischen Schismas. Konstanz, Diss. 1995 (Microfiche); MORSE, Victoria: A Complex Terrain: Church, Society, and the Individual in the Works of Opicino de Canistris (1296-ca.l354). Berkeley / CA, Diss. 1996. Davon ist der Ansatz der Psychohistorie abzugrenzen, wie er z.B. im Sammelband von RÖCKELEIN, Hedwig (Hrsg.): Biographie als Geschichte. Tübingen 1993, vorgestellt wird.

2

I. Einleitung

Faktoren, die zum Scheitern der frühen Dominikanerobservanz führten, diskutiert werden. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Untersuchung des Basler Beginenstreits. Hier gilt es, die Chronologie der Ereignisse mit Hilfe neuer Quellen zu berichtigen und Mulbergs Stellung im Ablauf der Auseinandersetzungen zu bestimmen. Als Erklärungsmodell für den erneuten Ausbruch der Streitigkeiten im Jahr 1411 in Basel werden innerstädtische Machtkämpfe vorgestellt. Die Frage, ob die Vertreibung der Beginen aus Basel und der streitbare Mulberg Einzelphänomene waren, soll ein Vergleich mit den Nachbarstädten beantworten. Mulbergs Angriff auf die Beginen, niedergeschrieben in seinem Tractatus contra Beginas et Beghardos, ist in mehreren Handschriften überliefert. Diese zentrale und vielzitierte Schrift gegen Beginen und Begarden wird nun erstmals systematisch inhaltlich und formal ausgewertet und ediert. Sie läßt Aussagen über den Wissensstand und den geistigen Horizont eines Dominikaners zu, der keine höheren akademischen Grade erworben hatte, aber dennoch seinen Zeitgenossen als überragender Prediger galt. Die letzten Lebenstage von Johannes Mulberg hielt sein Mitbruder Konrad Schlatter in einem Brief fest, der ebenfalls vorgestellt, ausgewertet und ediert wird. Mulbergs Sterben und Tod waren noch einmal von den Themen geprägt, die seine Zeit und sein Leben geprägt hatten: das Große Schisma bis zum Konstanzer Konzil und die Reform seines Ordens. Johannes Mulberg war schon mehrfach Gegenstand der Forschung. Bereits 1790 erwähnte Johann Lorenz Mosheim den Basler Dominikaner wiederholt in seinem Werk über Beginen und Begarden. Im Jahr 1830 sammelte Gustav Hänel den größten Teil der Handschriften, die unter dem Namen Mulbergs überliefert sind. 2 Eine Kurzbiographie wollte Willy Boehm im vorigen Jahrhundert verfassen, behandelte dann aber nur den Beginenstreit. Seit Ende des 19. Jhs. machte Hermann Haupt mehrfach auf Johannes Mulberg und seine Streitschrift gegen die Beginen aufmerksam. Dabei betonte er dessen Rolle im Basler Streit und sein Wirken als Prediger. Die bis dahin bekannten Handschriften, die Werke Mulbergs enthalten, stellte Thomas Kaeppeli in seinem Nachschlagewerk zu dominikanischen Autoren zusammen. Dem Traktat Mulbergs widmete sich bereits Jean-Claude Schmitt, seiner Wucherpredigt wandte sich Hans-Jörg Gliomen zu. Mulbergs Rolle im Beginenstreit untersuchten eingehender sowohl Georg Boner, der bis dahin unbekanntes Quellenmaterial auswertete, als auch zuletzt Bernhard Neidiger und Kurt Ruh in ihrem gemeinsamen Beitrag im

2

HÄNEL, Gustav: Catalogi librorum manuscriptorum, qui in bibliothecis Galliae, Helvetiae, Belgii, Britanniae M., Hispaniae, Lusitaniae asservantur. Leipzig 1830, Sp. 637. Zur folgenden Literatur vgl. das Literaturverzeichnis und die ausführlichen Besprechungen in den betreffenden Abschnitten.

/. Einleitung

3

Verfasserlexikon, der den bislang fundiertesten Überblick zu Mulberg gab und die Überlieferung seines Gesamtwerkes vorstellte. Basierend auf Handschriften, die hauptsächlich aus dem Staatsarchiv Basel und den Bibliotheken in Basel, Aarau, Colmar, München, Leipzig, Esslingen und Nürnberg stammen, wird im folgenden zunächst die Biographie Johannes Mulbergs rekonstruiert, die zuvor weitgehend unbekannt war. Anschließend wird seine Tätigkeit als Autor und Prediger untersucht. Im Anhang wird Mulbergs Traktat als Lesetext ediert sowie ein Fragment einer Wucherpredigt und ein Bericht über seinen Tod. Der Quellen- und Forschungsstand zu den einzelnen Themenbereichen wird im jeweiligen Abschnitt dargestellt. Im Gegensatz zu den früheren Untersuchungen soll nun erstmals die Vita Mulbergs im Hinblick auf deren soziale, mentale und politische Rahmenbedingungen vorgestellt werden. Sein Lebenslauf und sein Werk werden als exemplarisch angesehen: in seiner Biographie spiegeln sich weitreichende Fragen und Konflikte seiner Epoche wieder.

II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg

Johannes Mulberg war ein eifriger Prediger, ein überzeugter Ordensreformer und ein unbeugsamer Gegner der Beginen, wie umfangreich erhaltene Textzeugnisse belegen. Kein einziger Hinweis auf seine Geburt nach 1350 und seine Herkunft aus Basel sind jedoch von ihm selbst überliefert.1 Die wenigen und zugleich wichtigsten Angaben stammen von seinem Ordensbruder Johannes Nider, der ihn persönlich kannte und sich selbst als Weggefährten Mulbergs, socius itineris, bezeichnet hat.2 Im Formicarius berichtet Nider, Mulberg sei Sohn eines Basler Schuhmachers gewesen und gemeinsam mit zwei Schwestern, Adelheid und Katharina, aufgewachsen. 3 Nach dem Tod des Vaters habe Mulberg die Familie bis ungefähr zum 20. Lebensjahr als Schuster ernährt und sei dann von einem frommen Mann zur Schule geschickt worden, was ihm den Spott seiner Mitschüler eingebracht habe. 4 Seine Ausbildung habe er in Basel und Prag erhalten und sei nach seiner Rückkehr aus Prag, inzwischen als Ordensmitglied, in den Colmarer Konvent gekommen. 5 Es gibt keinen Grund, 1

Sein Geburtsdatum lag wohl in der zweiten Hälfte des 14. Jhs.; es gibt kein Ereignis in seinen ersten Lebensjahrzehnten, das sich einer bestimmten Jahreszahl zuordnen ließe. 2

NIDER, Formicarius, lib. 2, cap. 1 (= S. 58f.); zu Niders Schriften siehe BRAND, hier bes. S. 33-39. Zum Formicarius siehe BAILEY, S. 174-213; ebd., S. 22, geht er davon aus, daß Johannes Mulberg in den Jahren 1404/05, als er in Straßburg predigte, von Nider begleitet wurde und deshalb socius itineris genannt wurde; dies ist aber eine reine Hypothese, die sich nicht belegen läßt. Vgl. auch Abschnitt III 2.1, bes. Anm. 55. 3

Der Name „Mulberg" könnte sowohl von der Ortschaft Maulburg in der Nähe von Lörrach als auch von den Orten Mühlberg im Ortenaukreis oder im Elsaß bei Mulhouse abgeleitet worden sein. 4

Auch der Basler Münsterkaplan Nikolaus Gerung, genannt Blauenstein, nahm in den Ergänzungen zu seinen Flores Temporum um 1475 den Hinweis auf, daß Mulberg als Schuhmacher tätig gewesen sei, in: BASLER CHRONIKEN 7, S. 82f. (= ΜΟΝΕ 2, S. 151). In seiner Einleitung wies AUGUST BERNOULLI, ebd., S. 36, einschränkend darauf hin, daß Blauenstein in den Abschnitten, welche die Zeit vor 1450 behandeln, „in einzelnen Fällen sich in der Zeit irrt und auch sonst nicht immer genau unterrichtet ist." 5

Dazu Abschnitt ΠΙ 2.1.

6

/ / . Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg

den Bericht Niders zu bezweifeln, denn er kann durch Basler Quellen ergänzt werden. 6 Im Jahr 1373 erwähnen die größeren Basler Annalen, die allerdings erst im 16. Jh. entstanden sind, einen Schuhmacher Mulberg. 7 Die Witwe des Schuhmachers Mulberg, Bürgi, ließ im Jahr 1374 vor dem Schultheissengericht die Vormundschaft für sich und ihre beiden Töchter Katharina und Elschi neu regeln. 8 Bei ihnen handelt es sich wahrscheinlich um Mulbergs Mutter und zwei seiner Schwestern. Eine der Schwestern Mulbergs trug zweifelsfrei den Namen Elschi oder Elß, wie aus einem Bericht zu erfahren ist, den sie nach dem Tod ihres Bruders Johannes in Auftrag gab. 9 Nider berichtete außerdem von den beiden ihm persönlich bekannten Schwestern, Katharina sei früh verstorben, Adelheid hingegen lebe gegenwärtig, also bei der Niederschrift des Formicarius um 1435, im Alter von mehr als neunzig Jahren immer noch in unversehrter Jungfräulichkeit. 1 0 Ems, Adelheid de Mulberg, mulier Basileensis, läßt sich in den vatikanischen Registern zwischen den Einträgen zu Johannes Mulberg finden. Sie bat im Jahr 1411 Papst Gregor XII., in der Stunde ihres Todes einen Beichtvater frei wählen zu dürfen. 1 1 Johannes Mulberg hatte wohl während seines Aufenthaltes an der Kurie des römischen Papstes um diese Vergünstigung für seine Schwester gebeten. War Adelheid 1435 laut Nider ungefähr neunzig, so war sie demnach 1411 weit über sechzig - durchaus ein Alter, in dem Gedanken über das Seelenheil in der Todesstunde nahe lagen. Es ist folglich anzunehmen, daß Johannes Mulberg mindestens drei Schwestern hatte, Katharina, Adelheid und Elß. Bisher wurde davon ausgegangen, daß Johannes Mulberg um 1370 in den Orden eintrat und 1381 den Titel eines Bakkalars in Prag erwarb. 1 2 Im Prager 6

Bereits für 1346 ist Elsi, die Witwe Bertschins von Mulberg, in Kleinbasel belegt, BASEL STA, Mar. Magd. UK 127.

7

BASLER CHRONIKEN 6, S. 2 5 9 .

8

BASEL STA, Kartause UK 27; vgl. auch BONER, BZGA 34, S. 113f., Anm. 21.

9

Dazu Abschnitt V 1 und Edition in Abschnitt IX 2.

10

NIDER, Formicarius, lib. 2, cap. 1 (= S. 58f.); die gleichlautende Passage zur Schwester Mulbergs von MEYER, Liber, S. 58 (= ΜΟΝΕ, Quellensammlung 2, S. 158) stammt wörtlich von NIDER; inhaltlich ebenso auf NIDER basierend: STEILL, Friedrich: Ephemerides dominicanosacrae. Dillingen 1691. 11

VAT. REG. 337, fol. 221 v -222 r ; REP. GER. 2,1, Sp. 1334; dieser Eintrag steht zwischen den einzelnen Vollmachten, die Johannes Mulberg von Gregor ΧΠ. erhielt; siehe Abschnitt IV 5.1. 12

Diese Ansicht wurde wiederholt vertreten, so z.B. von KAEPPELI, Scriptores 2, S. 490f.; NEIDIGER, Mulberg, basierend auf dem Eintrag im Rektorbuch in: MONUMENTA HISTORICA UNIVERSITATIS CAROLO-FERDINANDEAE PRAGENSIS. 3 Bde., Prag 1830, hier B d . 1,1, S.

198f. Allgemein zum Universitätsstudium siehe RÜEGG; in diesem Band sind besonders von Interesse LEFF, Gordon: Die artes liberales, S. 279-301, ASZTALOS, Monika: Die theologische Fakultät, S. 380-383; siehe auch PATSCHOVSKY, Alexander / RABE, Horst (Hrsg.): Die Universität in Alteuropa. Konstanz 1994.

II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg

7

Rektorbuch wird bei den Bakkalaren des Jahres 1381 ein „Johannes Mulberg" aufgeführt, jedoch ohne weitere Angaben. Zwei Jahre zuvor, am 26. August 1379, hatte Vincentius dictus Nydek de Gorlicz kurz vor seinem Tod eine Pfründe am Wenzelsaltar in der Kirche St. Stephan in der Prager Neustadt gestiftet. 13 Diese Pfründe sollte vom jeweils amtierenden Rektor der Artistenfakultät an einen Studenten vergeben werden, ihr erster Inhaber sollte Johannes de Mulberg, presbyter Missnensis diocesis werden. Vinzenz Nydek muß ein vermögender Mann gewesen sein, wie sein wenige Tage zuvor verfaßtes Testament offenbart. Darin bestimmte er nicht nur die größte Summe für die Prager Altarpfründe, sondern bedachte auch die Kirchen St. Nikolaus und Hl. Kreuz in Görlitz sowie eine Reihe von Görlitzer Bürgern. Als Testamentsvollstrecker setzte er Johannes de Mulwerg, presbyterum Missynensis diocesis presentem, und Nikolaus de Gubin, Pleban von St. Stephan, ein. 14 Vinzenz Nydek verstarb in den folgenden Jahren, denn 1383 ließ sich derselbe Johannes de Mulberg die rechtmäßige Einrichtung der Pfründe notariell beglaubigen, während er noch Student in Prag war. 15 Es ist unwahrscheinlich, daß Vinzenz Nydek aus Görlitz einen Unbekannten zu seinem Testamentsvollstrecker bestimmt und ihn mit den Einkünften einer Pfründe bedacht hätte. Da er aus der Meißner Diözese kam, in der auch Johannes de Mulberg als Priester tätig war und die in direkter Nachbarschaft zum Prager Bistum lag, ist es wahrscheinlich, daß sie sich aus ihrem Heimatbistum schon vor der Studienzeit in Prag kannten. Johannes de Mulberg war vermutlich auch in der Meißner Diözese geboren, denn zu ihr zählten die Ortschaften Mühlberg bei Auerbach und Mühlberg bei Schwarzenberg. 16 Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Kleriker mit dem sehr verbreiteten Vornamen Johannes, der aus einem der beiden Orte stammte, um 1380 in Prag studierte, ist recht groß. Da sich weder vor 1380 noch im weiteren Leben des Basler Dominikaners Johannes Mulberg irgendeine Verbindung zur Diözese Meißen oder der Domi-

13

MONUMENTA HISTORICA UNIVERSITATIS, a.a.O., Bd. 2, S. 261f. (Nr. 13). Trotz Kenntnis dieser und der folgenden Quellen mit dem Zusatz Missnensis diocesis stellt TRl'SKA, Josef: Repertorium biographicum universitatis Pragensis praehussiticae, 1348-1409. Prag 1981, S. 281, die Identität Mulbergs nicht in Frage; er wiederholt nur wortwörtlich KAEPPELI, Scriptores 2, S. 490-493. Vgl. auch KAVKA, Frantisek (Hrsg.): Dejeny univerzity Karlovy 1348-1990, bisher 2 Bde., Prag 1995ff„ hier Bd. 1, bearb. v. Michal Svatos, S. 79f. An dieser Stelle möchte ich den Herren Prof. Dr. Ivan Hlaväeek, Dr. habil. Miroslaw Polivka und Dr. Michal Svatos (Prag) für ihre Hinweise danken. 14

MONUMENTA HISTORICA UNIVERSITATIS, a.a.O., B d . 2, S. 2 5 6 - 2 6 0 (Nr. 12).

15

BOROVY, Klement (Hrsg.): Libiri erectionum Archidioecesis Pragensis saeculo XIV. et XV. 2 Bde., Prag 1875-1878, hier Bd. 2, S. 204f. (Nr. 349). 16

BLASCHKE, Karlheinz: Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen. Leipzig 1957, S. 275, 361.

8

II. Herkunft und Ausbildung

von Johannes

Mulberg

nikanerprovinz Saxonia herstellen läßt, handelt es sich allem Anschein nach bei dem testamentarisch bedachten Prager Studenten Mulberg um eine andere Person, nämlich um einen sächsischen Weltgeistlichen. 17 Die Frage, ob es sich bei dem Studenten, der den Grad des Bakkalars erwarb, um den aus Basel oder aus der Diözese Meißen stammenden Johannes (de) Mulberg gehandelt hat, muß leider offen bleiben. Prag hatte seit Ausbruch des Schismas als Studienort für die Dominikaner eine ganz besondere Bedeutung: ein Studium in Paris war für die Brüder der römischen Obödienz nicht mehr möglich. 18 Deshalb gab es unter dem Prager Erzbischof Johannes von Jenstein seit 1381 Bestrebungen, Prag an die Stelle des Pariser Studiums zu setzten. Der Generalmagister der römischen Obödienz des Dominikanerordens, Raimund von Capua, hielt sich als päpstlicher Gesandter 1383 in Prag auf und übertrug dem Prager Ordensstudium die Privilegien, die zuvor Paris vorbehalten waren. 19 Das Prager Ordensstudium mußte seine Sonderstellung aber bereits einige Jahre später an Bologna abtreten. Seit den frühen achtziger Jahren hatte Raimund ordensintern eine reformfreundliche Haltung eingenommen. Mulberg war also - wie Nider berichtet hat - erst nach seiner Studienzeit in Basel und Prag in den Orden eingetreten und ging danach an das Generalstudium und nach Colmar. Im Jahr 1391 hatte er das Amt des Cursors im Colmarer Konvent inne. 20 Dies setzt eine ordensinterne Ausbildung voraus,

17

Ein Domkanoniker Martinus de Mulberch ist in Meißen für 1227, Okt. 18, nachzuweisen,

s i e h e C O D E X DIPLOMATICUS SAXONIAE REGIAE. B d . 2 , 1 : H o c h s t i f t M e i ß e n . L e i p z i g 1 8 6 4 , S .

95f. (Nr. 103); ein Meißner Vikar Friedehelmus de Mulberg erscheint in den Urkunden von 1351, Juni 2, ebd., S. 380 (Nr. 458); 1355, Febr. 24, ebd., S. 416f. (Nr. 483); 1356, März 30, ebd., S. 422f. (Nr. 489). 18

Das Studium des Dominikanerkonvents St. Klemens in Prag war 1347 anläßlich der Gründung der Prager Universität zum Generalstudium erhoben worden, dazu MOPH 4, S. 319; KOUDELKA, Vladimir J.: Zur Geschichte der böhmischen Dominikanerprovinz im Mittelalter. In: AFP 25 (1955), S. 75-99; 26 (1956), S. 127-160; 27 (1957), S. 39-119, hier Bd. 26, S. 139; DERS.: Raimund, S. 209-213. Zum Studiengang an einem Generalstudium vgl. auch LÖHR, Kölner Dominikanerschule, S. 16-20. Vgl. zum Folgenden auch FRANK, Hausstudium, S. 7274. 19 Zu Raimund von Capua vgl. Abschnitt III 1. Vgl. ELM, Kaspar: Die Franziskanerobservanz als Bildungsreform. In: Boockmann, Hartmut / Moeller, Bernd / Stackman, Karl (Hrsg.): Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Göttingen 1989, S. 201-213, zum Bestreben der Observanten, Ordensstudien zu reformieren oder neu zu gründen. 20

REICHERT, Registrum, S. 13 (1391 Juni 7) (= KAEPPELI, Registrum, S. 138, Nr. Τ 145); REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 95. Zum Amt des Cursors siehe FRANK, Hausstudium, S. 160f.

II. Herkunft

und Ausbildung

von Johannes

Mulberg

9

deren Dauer nicht genau bestimmt werden kann.21 Sie qualifizierte ihn für die Predigt, das Beichte-Hören und das Lehramt des Cursors. Es ist denkbar, daß Mulberg bereits während seiner Studienzeit in Kontakt mit Raimund von Capua und dessen Idee einer Ordensreform kam und durch diese Begegnung angeregt wurde, in den Dominikanerorden einzutreten.

21

Zur Ausbildung der Dominikaner siehe FRANK, Hausstudium, bes. S. 157-168; DERS.: Zur Studienorganisation, S. 39-69. DERS.: Die Bettelordensstudia im Gefüge des spätmittelalterlichen Universitätswesens. Stuttgart 1988. Zur Rolle, die das Studium innerhalb des Dominikanerordens spielte, ist immer noch grundlegend: DENIFLE, Heinrich: Die Constitutionen des Prediger-Ordens vom Jahre 1228. In: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 1 (1885), S. 165-227, bes. S. 184-193; CONSTITUTIONES ANTIQUE ORDINIS FRATRUM PREDICATORUM. In: Thomas, Antoninus Η. (Hrsg.): De oudste Constituties van de Dominicanen. Leuven 1965, S. 309-369. Vgl. auch LÖHR, Gabriel Maria: Die Dominikaner an den deutschen Universitäten am Ende des Mittelalters. In: Melanges Mandonnet. Bd. 2, Paris 1930 (Bibliotheque Tomiste 14), S. 403-435; DERS.: Die Kölner Dominikanerschule; HLNNEBUSCH 2, S. 3-98. In den vatikanischen Registern lautet die Anrede für Mulberg: Gregorius etc., dilecto ftlio Johanni Mulderch, ordinis fratrum predicatorum professori, cappellano nostro (VAT. REG. 337, fol. 220 r , 220 v , 225 r , 225 v , 227 r ); die Ergänzung ,professori" bedeutet nicht, daß er einen Professorentitel trug, der aufgrund seiner fehlenden Universitätslaufbahn auch unerklärlich wäre, sondern drückt aus, daß er nach dem Ordensgelübde der Dominikaner lebte. Diesen Zusatz trägt sogar sein Grabstein, vgl. dazu Abschnitt V 1. Zur Übersetzung: GLOSSARIUM MEDIAE ET INFIMAE LATINITATIS. Begr. v. Charles Du Fresne Du Cange, neubearb. v. Leopold Favre. 10 Bde., Niort 1883-1887, hier B d . 6, S. 525; GLOSSARIUM MEDIAE LATINITATIS SUECIAE.

Stockholm 1968ff., hier Bd. 2, S. 228. Diese Hinweise und eine ausführliche Erläuterung erteilte freundlicherweise Prof. Dr. Peter Stotz (Zürich), dem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Eine Parallelstelle läßt sich auch in einem Schreiben von Bonifaz IX. von 1391 finden: Conradum de Prussia eiusdem Ordinis professorem, in: CORMIER, S. 54-56 (§ 7) (1391 JAN. 9).

III. Die Dominikanerobservanz

1. Einführung Seit der Mitte des 14. Jhs. gab es eine breite Strömung, die die Mehrzahl der religiösen Orden erfaßte und die als „Ordensreform" oder „Observanz" bezeichnet wird. 1 Neben der postulierten Rückbesinnung auf die Zeit der 1

Zum Problem des Reformbegriffs siehe HELMRATH, Johannes: Theorie und Praxis der Kirchenreform im Spätmittelalter. In: RottJbKG 11 (1992), S. 41-70, hier S. 48-50, 65; zum Gegensatz observant-konventual NEIDIGER, Observanzbewegungen. Zum Begriff reformatio in der Zeit nach dem Konstanzer Konzil vgl. HAMM, Berndt: Von der spätmittelalterlichen ,reformatio" zur Reformation: der Prozeß normativer Zentrierung von Religion und Gesellschaft in Deutschland. In: Archiv für Reformationsgeschichte 84 (1993), S. 7-82; DERS.: Normative Zentrierung im 15. und 16. Jahrhundert: Beobachtungen zu Religiosität, Theologie und Ikonologie. In: ZHF 26 (1999), S. 163-202. Bisher fand die Dominikanerobservanz in der Forschung recht wenig Beachtung; einen ersten Überblick über die Amtszeit Raimunds, sein Engagement für die Reform sowie Auszüge aus seinem Register legte 1907 Daniel Antonin MORTIER vor, dessen Arbeit vornehmlich auf DlETLERs „Chronik des Klosters Schönensteinbach" basierte, da das Werk Meyers damals noch unzugänglich war, dazu Anm. 16. Benedikt Maria REICHERT machte mit seinen immer noch grundlegenden Editionen die weitere Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens in der Teutonia erst möglich, so z.B. die Editionen: Akten der Provinzkapitel der Dominikanerordensprovinz Teutonia aus den Jahren 1398, 1400, 1401, 1402 (1897); Acta capitulorum generalium (= MOPH 3, 4, 8 (1898-1900)); Registrum litterarum Raimundi Capuani (1911); als Herausgeber von MEYER, Iohannes: Buch der Reformacio (1908/09); und weitere Arbeiten wie: Zur Geschichte RQ 10 (1896); 14 (1900); 15 (1901). Kürzere Untersuchungen und weitere Editionen steuerten in den folgenden Jahrzehnten Gabriel Maria LÖHR, Teutonia, Heribert Christian SCHEEBEN, Chronica brevis, und Paulus VON LOE, Liber de viris illustribus, bei. Nicht alle Zusammenfassungen des Forschungsstandes zum Thema, die Annette BARTHELME vorlegte, sind zuverlässig. Einen Überblick für das 15. Jh. mit Schwerpunkt Württemberg strebte an METZGER, Gerhard: Der Dominikanerorden in Württemberg am Ausgang des Mittelalters. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 46 (1942), S. 4-60; 47 (1943), S. 1-20, hier bes. Bd. 46, S. 15-28. Den Versuch einer Gesamtdarstellung der Reform- und Observanzbewegungen seit der Mitte des 14. Jhs. nahm erst der 1989 von Kaspar ELM zu „Reformbemühungen und Observanzbestrebungen" herausgegebene Sammelband in Angriff, der die jahrzehntelang isolierte Erforschung der einzelnen Orden und Regionen überwand und einer Synthese zuführte. Neben dem wegweisenden Überblick von ELM und zahllosen grundlegenden Aufsätzen zu Teilgebieten sind in diesem Sammelband besonders die Arbeiten von NEIDIGER, Bernhard:

12

III. Die Dominikanerobservanz

Ordensgründer waren die Zunahme an Neugründungen von Konventen und Orden - wie dem der hl. Birgitta - und von Bruderschaften - wie der vom Gemeinsamen Leben - sowie die Erschließung von neuen geographischen Räumen mit einem Schwerpunkt im Osten ein Ergebnis der spätmittelalterlichen Reformbewegungen. 2 Den Anhängern der Observanz standen die Konventualen gegenüber; Dieter Mertens wies auf eine „Okkupation des Reform- und Observanzbegriffs seitens des organisierten Observantentums" hin, der aus dem Gegensatz von reformierten und nicht-reformierten Ordensmitgliedern entstanden war und wiederholt zu einer Instrumentalisierung des Reformbegriffs auf Seiten der Observanten führte. Dies konnte im Extremfall darin gipfeln, daß die Observanz mit moralischer Überlegenheit gleichsetzt wurde.3 Seit Ausbruch des Schismas war der Dominikanerorden in zwei Obödienzen gespalten und die einzelnen Konvente unterstanden entweder einem urbanistischen oder einem clementistischen Generalmagister. 4 Die Konvente der Ordensprovinz Teutonia gehörten zum größten Teil dem römischen Zweig an. Das Ziel der Observanten war die Rückkehr zur ursprünglich strengen Praxis der Regel und Konstitutionen, desiderant reduci ad primam formam observantiae regularise Die alten Vorschriften umfaßten Fragen des Habits, der Stadtregiment und Klosterreform in Basel, S. 539-567, und HILLENBRAND, Eugen: Die Observantenbewegung in der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner, S. 219-272, für die folgenden Ausführungen von Bedeutung. Vgl. auch den wichtigen Sammelband zur Reform in RottJbKG 11 (1992). Vergleichend zu den Augustinereremiten siehe auch WEINBRENNER, Ralph: Klosterreform im 15. Jh. zwischen Ideal und Praxis: Der Augustinereremit Andreas Proles (1429-1503) und die privilegierte Observanz. Tübingen 1996. Dieter STIEVERMANN (1989) untersuchte besonders die Kirchenheirschaft der Territorialherren unter Berücksichtigung von personen- und sozialgeschichtlichen Fragestellungen mit einem Schwerpunkt ab der Mitte des 15. Jhs.; er strebte aber keine ordens- und kirchengeschichtliche Untersuchung an, ebd. bes. S. 9. Am Beispiel des Basler Konvents stellte Franz EGGER die späte Dominikanerobservanz dar und ergänzte die bekannten Quellen durch die Analyse der Chronik des Johannes von Mainz zur Reform des Konvents. Eine Gesamtdarstellung der Dominikanerobservanz von den frühesten Anfängen, die vermutlich bis in die Mitte des 14. Jhs. zurückreichen, bis zu ihrem Ende ist immer noch ein Desiderat. 2

Darauf weist ELM, Reformbemühungen, S. 10-18, eindrücklich und beispielreich hin. Vgl. auch DERS., Verfall, bes. S. 219f., 230f. 3

MERTENS, Monastische Reformbewegungen, S. 168f.; wichtig ist auch sein Hinweis auf S. 181, die Forschung habe diese Kategorien meist ungeprüft übernommen und die Konventualen nur am Rande behandelt. 4

Vgl. REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 79f.

5

CORMIER, S. 54; dazu Anm. 20. Siehe auch REICHERT, Akten, bes. S. 291. WALZ, S. 65. In

den Worten MEYERs, Buch QF 3, S. 4: den orden zuo halten ... nach aller volkomhait der regel und constitucion, als man in dem anvang des ordens lebt. Ebenso DlETLER, S. 171: „(...) sie begerten von hertzen, daß man in allen provintzien die observantz halten thete, als wie es geschechen bei denen Zeiten des Heiligen vatters Dominici und seeligen vatters Jordani..." In

1. Einführung

13

Liturgie, die genaue Einhaltung der Fastenvorschriften und eine Regelung des ordensinternen Dispenswesens. Am Ende des Mittelalters forderten die Observanten eine erneute Diskussion über die Umsetzung des Armutsideals.6 Seit dem 14. Jh. durften die Dominikaner, wie auch die anderen Bettelorden, Jahrzeitstiftungen und Besitz annehmen und damit über feste Zinseinkünfte verfügen, die sie elemosine perpetue nannten. Solche festen Einkünfte wurden von einzelnen Observanten abgelehnt. 7 Diese Haltung stieß jedoch bei den Konventualen auf schärfsten Widerstand, da sie ihre bisherige Lebensführung in wichtigen Bereichen angegriffen sahen. Sie befürchteten insbesondere eine Verarmung der Konvente oder sogar den Verlust ihres persönlichen Besitzes. Während im Franziskanerorden einzelne Konvente die Reforminitiative ergriffen, ging bei den Dominikanern der Anstoß zur Observanz von einzelnen Brüdern aus.8 Die Observanzbewegung innerhalb der Teutonia läßt sich in zwei Phasen einteilen. Die erste Phase begann mit dem Wiener Generalkapitel an Pfingsten 1388 und endete 1402 mit der Absetzung der Vikare für die Observanz durch Bonifaz IX. 9 Danach trat eine Pause ein, die sich bis zur Prag entstand um das Jahr 1389 die Reformschrift des Dominikaners Heinrich von Bitterfeld, De formatione et reformatione ordinis Praedicatorum, der Professor der Theologie an der Prager Universität war. Darin griff er den sog. Sittenverfall und die Simonie an und nahm eine gemäßigte Postition in der Armutsfrage ein, im Gegensatz zu Konrad von Preußen und Johannes Dominici; dazu KOUDELKA, Heinrich, S. 20-29, 62-65. Am Beispiel des apostolischen Ideals zeigt LEFF, Gordon: The Apostolic Ideal in Later Medieval Ecclesiology. In: Journal of Theological Studies 18 (1967) 58-82, wie während des Mittelalters eine neue Dimension in das politische Denken Eingang fand, „and with it, not for the last time, the demand for a return to the past became a programme of action for the future." Zum unablässig vorgebrachten Vorwurf des Sittenverfalls des Klerus und dem Fehlen der Belege in den Quellen äußerte sich bereits am Anfang unseres Jahrhunders LÖHR, Joseph: Methodisch-kritische Beiträge zur Geschichte der Sittlichkeit des Klerus besonders der Erzdiözese Köln am Ausgang des Mittelalters, Münster 1910. Zu den gängigen, vagen Erklärungsmodellen des „Verfalls" vgl. ELM, Verfall, S. 200-202. 6

Zum Folgenden siehe NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 68-70; DERS.: Liegenschaftsbesitz, S. 104-107, 113-117; LÖHR, Mendikantenarmut. Zu den methodischen Problemen, „Armut" als Größe zu definieren, um „den Stellenwert monastischer Armut und Besitzentsagung zu bestimmen und damit den Grad asketischer Leistungen bewerten zu können", siehe ELM, Verfall, S. 203f. Allgemein zum Begriff der Armut mit weiterführender Literatur siehe OEXLE; vgl. auch Abschnitt VI 1.1, bes. Anm. 22. 7

Vgl. Abschnitt ΙΠ 3.

8

Vgl. NYHUS, Paul L.: The Observant Reform Movement in Southern Germany. In: Franciscan Studies 32 (1972), S. 154-167. 9

Die oftmals nur fragmentarisch überlieferten Akten der Generalkapitel wurden ediert in MOPH 8; die Provinzkapitel bei FlNKE, Heinrich: Zur Geschichte der deutschen Dominikaner im ΧΠΙ. und XIV. Jahrhundert. In: RQ 8 (1894), S. 367-392; REICHERT, Akten, S. 288-331; KAEPPELI, Thomas: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (1346). In: AFP 23 (1953), S. 327334; DERS.: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (1349, 1407). In: AFP 22 (1952),

14

III. Die

Dominikanerobservanz

W i e d e r v e r e i n i g u n g der b e i d e n O b ö d i e n z e n d e s O r d e n s n a c h d e m K o n s t a n z e r K o n z i l i m Jahr 1 4 1 8 erstreckte. D i e z w e i t e Phase umfaßte die Zeit v o n 1 4 1 8 bis z u m Jahr 1 4 7 5 , als d i e T e u t o n i a o f f i z i e l l für o b s e r v a n t erklärt w u r d e . 1 0 D e r erste R e f o r m v e r s u c h in dieser z w e i t e n P h a s e w u r d e in B e r n 1 4 1 9 u n t e r n o m m e n , e i n weiterer i m Steinenkloster z u B a s e l i m Jahr 1 4 2 3 . 1 1 D i e v o r l i e g e n d e Studie konzentriert sich auf die erste Phase der Observanz, da Johannes M u l b e r g bereits 1 4 1 4 verstarb. Seit B e g i n n des S c h i s m a s stand R a i m u n d v o n Capua der r ö m i s c h e n O b ö d i e n z a l s G e n e r a l m a g i s t e r v o r . 1 2 B e r e i t s in d e n ersten Jahren seiner A m t s a u s ü b u n g b e g a n n Raimund, für e i n z e l n e K o n v e n t e Vikare z u ernen-

S. 187-195; DERS.: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (c. 1365-71). In: AFP 26 (1956), S. 314-319; DERS.: Fragmentum Actorum Cap. Gen. a. 1372. In: AFP 6 (1936), S. 383-386. Siehe auch Abschnitt ΙΠ 3. 10

Im Gegensatz dazu die Unterteilung bei HILLENBRAND, S. 225-239, der die erste Phase von 1388 bis 1426, die zweite Phase von 1426 bis 1475 annimmt. Dadurch muß er die Reform von Bern und des Basler Frauenklosters zur ersten Phase zählen, obwohl sich die „Rahmenbedingungen" grundlegend geändert hatten. MERTENS, Monastische Reformbewegungen, S. 170f., bezeichnet die erste Phase, die er für die Zeit vom späten 14. Jh. bis zum Basler Konzil ansetzt, als „ordensgeschichtliche Sattelzeit", die parallel mit der Pest, dem Schisma, den Bußpredigern und Wyclifs Fundamentalkritik an den Orden einzuordnen sei. ELM, Verfall, S. 204-207, faßt die „Rahmenbedingungen" für den Verfall des Ordenswesens ganz allgemein wie folgt zusammen: die „Fiskalisierung und Juridifizierung des Papsttums" durch das Schisma; die Konsolidierung des modernen Staates und der Territorialherrschaft und die damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen; „biologische Imponderabilien" wie Seuchen; heftige Auseinandersetzungen durch den Streit um die Obödienz im Schisma innerhalb der Orden und das zunehmend von Korruption gekennzeichnete Provisionswesen der päpstlichen Kurien. 11

Dazu HILLENBRAND, S. 232, 271 (mit dem Druckfehler „1491" statt „1419"); ERDIN, Emil Α.: Das Kloster der Reuerinnen Sancta Maria Magdalena an den Steinen zu Basel von den Anfängen bis zur Reformation (ca. 1230-1529). Freiburg / CH 1956, S. 49-59; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 810-813, 166*; EGGER, S. 20f. 12

Er hatte das Amt von 1380 bis zu seinem Tod 1399 inne, dazu MEYER, Buch QF 3, S. 7f.; DERS., Chronica, S. 69f.; DERS., Liber, S. 56f., 70f.; DLETLER, S. 172f.; VAN REE, A. P.: Raymond de Capoue, elements biographiques. In: AFP 33 (1963), S. 159-241; KAEPPELI, Scriptores 3, S. 288-290; KOUDELKA, Raimund, S. 206-226; MORTIER 3, S. 491-686; CORMIER, Hyacinthe-Marie: Le bienheureux Raymond de Capoue. 2. Aufl. Rom 1902; WLLLIAMSKRAPP, Werner: „Raimund von Capua". In: VL 6, Sp. 982-986 mit weiteren Literaturangaben; RAFFIN, Pierre: „Raymond de Capoue". In: Diet. Spir. 13, Sp. 167-171; siehe auch MEERSSEMAN, Gerard G.: Etudes sur l'ordre des Freres Precheurs au debut du Grand Schisme. In: AFP 25 (1955) 213-257; 26 (1956) 192-248; 27 (1957) 168-199, bes. S. 188-194; und ALCE. Zum Folgenden vgl. auch WALZ, bes. S. 65-75. Die Briefregister Raimunds sind für seine gesamte Amtszeit erhalten; die für die Ordensprovinz Teutonia relevanten Einträge edierte 1911 REICHERT, Registrum; eine Gesamtedition erfolgte 1937 durch KAEPPELI, Registrum; bereits 1895 gab CORMIER eine Reihe von Briefen und kürzeren Schriften Raimunds heraus und kommentiert sie.

1.

Einführung

15

nen, die den Gedanken der Ordensreform verbreiten sollten. 13 In den Jahren zwischen 1384 und 1387 hatte er längere Visitationsreisen durch die Ordensprovinz Teutonia unternommen, bei denen er vermutlich den reformeifrigen Dominikaner Konrad von Preußen kennenlernte.14 Als Beginn der Reformbewegung gilt das Generalkapitel im Jahr 1388 in Wien. 15 Der Chronist des Predigerordens Johannes Meyer berichtet, daß Konrad von Preußen die Regel und Konstitutionen des Ordens studiert und sie anschließend mit der Lebenspraxis im Orden verglichen habe.16 Dabei sei ihm aufgefallen, daß sie nichts 13

CORMIER, S. 156. Zu den verschiedenen Ämtern, die mit dem Begriff „Vikar" bezeichnet wurden, siehe REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 124f.; Regesten zu Amtsinhabern, ebd., S. 130-132. KOUDELKA, Heinrich, S. 16-20; ebd. S. 18 eine Liste mit den Reformvikaren der Jahr 1389/90. 14

CORMIER, S. 156-158; VAN REE, a.a.O., S. 194-198. Zum Leben und Wirken Konrads gibt es keine Monographie. Zu seiner Person vgl. bes. MEYER, Chronica, S. 78f.; DERS., Liber, S. 57f.; VON LOE, S. 35f.; REICHERT, Registrum, S. 4, 1388 Aug. 22: Konrad wird Vikar mit Generalvollmacht im Berner Konvent ( - KAEPPELI, Registrum, S. 128, Nr. Τ 35); siehe auch EßER, Ambrosius O.P.: „Konrad de Grossis". In: NDB 12, S. 540; GIERATHS, Gundolf: „Konrad von Preußen". In: LThK, 2. Aufl. Bd. 6, Sp. 470. Von Konrad ist bisher keine Schrift bekannt, vermutlich verfaßte er nichts; dem Urteil von BARTHELME, daß er zwar fromm, aber überhaupt nicht intellektuell war, ist zuzustimmen: „il jouissait d'une certaine notoriete tout en n'etant aucunement apparente ä la caste intellectuelle." (ebd., S. 26). 15

Die Akten der unter Raimund gehaltenen, vorangegangenen Generalkapitel von Bologna im Jahr 1380, wo Raimund gewählt wurde, sowie in den Jahren 1382 in Buda und 1385 in Verona sind verloren, vgl. dazu MOPH 8, S. 92, Anm. 1; vom Wiener Generalkapitel ist zumindest ein Fragment Uberliefert, siehe ebd., S. 92; zur Datierung VON LOE, S. 35. Zum Folgenden vgl. HILLENBRAND, S. 262; MERTENS, Monastische Reformbewegungen, S. 163-165; BAILEY, S. 30-37. 16

MEYER war selbst ein begeisterter Anhänger der Reformbewegung der Dominikaner und widmete ihr alle seine Schriften, die in vielen Fällen die ältesten und einzigen Quelle zur Observanz darstellen. Um 1422 in Zürich geboren, trat er dort 1432 dem Predigerorden bei; 1442 wechselte er aus Begeisterung für die Observanz in den reformierten Basler Konvent; vgl. die Einleitung von REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. III-XI; ALBERT, Peter: Johannes Meyer, ein oberdeutscher Chronist des 15. Jahrhunderts. In: ZGO 52 (1898), S. 253-263; 60 (1906), S. 504-510; ein Verzeichnis seiner Schriften bei KAEPPELI, Scriptores 2, S. 476-480; sowie KÖNIG, J.: Die Chronik der Anna von Munzingen. In: FDA 13 (1880), S. 129-236, hier Beilage 1: Die Schriften des Johannes Meyer, S. 194-210; FECHTER, Werner: „Meyer, Johannes". In: VL 6, Sp. 474-489; EGGER, S. 25-31; WILLIAMS-KRAPP, Frauenmystik, S. 303-307. NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 156f., zeigt, daß Meyer ganz subtil die strenge Form der Armut, wie sie in der ersten Phase der Observanz unter Raimund von Capua und Konrad von Preußen propagiert wurde, lobte und die Praxis in der zweiten Phase kritisierte; vgl. auch DERS., Selbstverständnis, S. 68. Sein Leben lang kränkelnd, wirkte Meyer fast ausschließlich als Beichtvater in Frauenklöstern und verstarb 1485 im Schwesternkonvent Adelshausen bei Freiburg, wo er auch begraben wurde. Er war bei einer Reihe von Konventen in der Teutonia an der Einführung der Observanz beteiligt, so z.B. 1465 bei den Dominikanerinnen in Freiburg und 1474 beim Brüderkonvent in Frankfurt, dazu VON LOE, in: MEYER, Liber, S. If.; ALBERT,

16

111. Die

Dominikanerobservanz

m e h r m i t e i n a n d e r z u tun hätten. D i e s habe ihn z u e i n e m a u f s e h e n e r r e g e n d e n Auftritt w ä h r e n d der O r d e n s v e r s a m m l u n g veranlaßt. W i e b e i j e d e m Kapitel, s o b e k a n n t e n Prioren und Brüder auch in W i e n ö f f e n t l i c h ihre Übertretungen der Konstitutionen. A l s Konrad an die R e i h e k a m , sei er m i t e i n e m u m d e n H a l s g e b u n d e n e n Strick v o r s e i n e Mitbrüder getreten und h a b e s e i n e

übergroße

S c h u l d offenbart: Er sei des T o d e s würdig und w ü n s c h e a u f g e h ä n g t z u werden, da er g e g e n die R e g e l n d e s H e i l i g e n Predigerordens v e r s t o ß e n habe. Er hatte s e i n e Mitbrüder richtig e i n g e s c h ä t z t : S e i n e a n k l a g e n d e n W o r t e erreichten, daz manig

andechtig

hertz

bewegt

ward,

und das Kapitel b e s c h l o ß ,

i h m u n d s e i n e n r e f o r m e i f r i g e n Mitstreitern e i n e n K o n v e n t anzuvertrauen, in d e m sie ungestört e i n observantes L e b e n b e g i n n e n k ö n n t e n . 1 7 K o n r a d s „ C o u p " a.a.O., S. 504-510; EGGER, S. 26f.; NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 131-135. Das Buch der Reformacio Predigerordens vollendete MEYER 1468 und ergänzte es bis zum Jahr 1475; es stellt sein wichtigstes Werk zur Dominikanerobservanz dar und basiert zum Teil auf Gesprächen mit Ordensbrüdern, die an der Reform persönlich beteiligt waren, vor allem mit Johannes von Mainz und Johannes Nider, sowie auf Archivalien und literarischen Vorarbeiten, dazu MEYER, Buch QF 3, S. 26-31; DERS., Liber, S. 59f.; LÖHR, Teutonia, S. 74-78 (Nr. 13) (alle drei basieren lt. EGGER, S. 230, auf den Viten des Johannes von Mainz); eine ergänzende Visitationsordnung bei LÖHR, Teutonia, S. 66-69 (Nr. 9). Vgl. auch FECHTER, Werner: Die Nürnberger Handschriften von Johannes Meyers „Buch der Reformacio". In: ZfdA 110 (1981), S. 57-69; DERS.: „Meyer, Johannes". In: VL 6, Sp. 474-489. Das Buch wurde in den folgenden Jahrhunderten als Stoffsammlung benutzt und z.T. wörtlich zitiert, z.B. im 17. Jh. von DOMINICUS RANCKENDALL und im 18. Jh. von SERAPHIN DLETLER, der Urkundentexte beifügte. Beide waren wie Meyer Beichtväter in Schönensteinbach und veröffentlichten ihre Bearbeitungen unter dem Titel „Chronik des Klosters Schönensteinbach"; DIETLERS Werk wurde von J. V. SCHLUMBERGER im Jahr 1897 ediert; dazu REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. Vllf. MEYER hatte bereits im Jahr 1466 den Uber de viris illustribus Ordinis Praedicatorum verfaßt, in dem er die Viten der wichtigsten Persönlichkeiten des Predigerordens zusammenstellte. Zur Frage der benutzen Quellen, Datierung und Überlieferungssituation siehe die Einleitung bei VON LOE, in: MEYER, Liber, S. 1-15. Sein Ordensbruder Georg Epp veröffentlichte 1506 den Liber mit nur wenigen Abweichungen vom Original unter seinem eigenen Namen, EPP, Georg: De illustribus viris ac sanctimonialibus sacri ordinis predicatorum. Maulbronn 1506. Eine scharfe Verurteilung dieses Plagiats durch REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. VIII; dieses Urteil schwächte VON LoE, in: MEYER, Liber, S. 12f., ab. Die Bearbeitungen von Autoren wie DIETLER, RANCKENDALL und EPP hatten dazu geführt, daß die zugrundeliegende Arbeiten MEYERs immer mehr in Vergessenheit gerieten und erst durch die Editionen seiner Bücher im 20. Jahrhundert wieder bekannt wurden. Neben den genannten Werken schrieb MEYER die Chronica brevis Ordinis Praedicatorum, die er um 1470 abschloß, ediert von SCHEEBEN; zu den Fragen der Überlieferung, Autorenschaft und Datierung siehe die Einleitung ebd., S. 9-21. Nach dem Geschichtswerk des Bernhard Gui, das MEYER ebenfalls bekannt war, stellte seine Chronica den nächsten Versuch einer Gesamtdarstellung der Geschichte des Predigerordens dar, dazu SCHEEBEN, in: MEYER, Chronica, S. 5, 14-16. Zum F o l g e n d e n MEYER, B u c h Q F 3, S. 7 - 9 , 16; vgl. a u c h DERS., L i b e r , S. 5 7 ; DERS., C h r o n i c a , S.

71-73. 17

MEYER, Buch QF 3, S. 8.

1.

Einführung

17

muß gut überlegt und vorbereitet gewesen sein; mit seiner Aktion hatte er so erfolgreich an das schlechte Gewissen seiner Mitbrüder appelliert, daß diese sofort mit der Übergabe eines Konvents für einen ersten Reformversuch einverstanden waren. Er hatte vermutlich schon länger einen Kreis von reformeifrigen Anhängern um sich geschart, der nur darauf wartete, mit ihm auszuziehen, um die Teutonia für die Observanz zu erobern. Konrad wurde im September 1388 zum ersten Vikar cum plenissima auctoritate für das Berner Ordenshaus ernannt. 1 8 Ob er tatsächlich einen Reformversuch in Bern unternahm, ist unbekannt. Er erhielt aber gemeinsam mit seinen Anhängern 1389 die Erlaubnis, den Dominikanerkonvent in Colmar in der Diözese Basel zu reformieren, der somit der erste observante Konvent der Provinz Teutonia wurde. 19 Raimund von Capua unterstützte diese Reforminitiative und erließ am 1. November 1390 ein „Reformdekret", in dem er alle Ordensangehörigen zur Observanz aufrief. 2 0 Während seiner Visitationsreisen habe er viele Brüder getroffen, die ad primam formam observantiae regularis zurückkehren wollten. Um dieses fromme Anliegen zu unterstützen, solle in jeder Provinz innerhalb eines Jahres mindestens ein Konvent, der wenigstens zwölf Brüder aufnehmen könne, ausgewählt werden und die Provinziale sollten reformfreudige Brüder assignieren. Wer die Ordensreform in irgendeiner Weise behindere, werde seines Amtes enthoben und könne für mindestens zehn Jahre nicht wiedergewählt werden. Dieses Dekret wurde bereits im Januar 1391 von Bonifaz IX. in seiner Aussage bekräftigt, indem sich der Papst für die Ordensreform, wie sie Raimund anstrebte, aussprach und dessen Anordnung, in jeder Ordensprovinz mindestens einen Reformkonvent einzurichten, für verbindlich erklärte. 2 1 Der Papst wies auch darauf hin, daß in Colmar unter der Leitung von Konrad von Preußen bereits einige Brüder begonnen hätten, ein observantes Leben zu führen; diese seien zu unterstützen und auf keinen Fall zu behindern. Dies war an die Gegner der Observanz, die Konventualen, gerichtet, die von Anfang an der Reform ihres Ordens größten Widerstand entgegensetzten. Der Papst forderte zur Unterstützung der Reformer erneut am 1. Dezember 1393 auf und drohte, die Gegner der Observanz zu exkommunizieren. 22 Die gleiche Strafe drohte er jenen an, die das „Reformdekret" Raimunds aus dem Jahr 1390 in Frage stellen und es ohne Kompetenz revozieren sollten. So verhinderte 18 19

REICHERT, Registrum, S. 4f. (1388 Sept. 22) (= KAEPPELI, Registrum, S. 128, Nr. Τ 35). Zu Colmar siehe Abschnitt ΙΠ 2.1.

20

Dieses Dekret ist in die Bulle Bonifaz' (1391 Jan. 9) inseriert, ediert bei CORMIER, S. 54-56 (§ 7) (= MORTIER 3, S. 530f„ Anm. 1). Vgl. dazu auch MORTIER 3, S. 528-532; MEYER, Buch QF 3, S. 12; LAMBERMOND, S. 90f. 21

CORMIER, S. 54-56 (§ 7) (1391 Jan. 9) (= BOP 2, S. 315f.; MORTIER 3, S. 530f., Anm. 1); vgl. auch MEYER, Liber, S. 56; MORTIER 3, S. 541. 22

BOP 2, S. 338f. (1393 Dez. 1); ein Auszug bei MORTIER 3, S. 542-44 und S. 543, Anm. 1.

ΠΙ. Die Dominikanerobservanz

18

Bonifaz, daß etwa ein Generalkapitel das „Reformdekret" zurückziehen konnte, ohne damit gegen einen päpstlichen Spruch zu verstoßen. In seinem „Reformdekret" hatte der Generalmagister deutlich gemacht, daß die Observanz nicht nur in der Provinz Teutonia verwirklicht werden, sondern den ganzen Predigerorden erfassen sollte. In Italien stand Johannes Dominici an der Spitze der reformbegierigen Brüder. 23 In Venedig wurde das Ordenshaus San Domenico di Castello der Observanz zugeführt und Johannes Dominici wurde im Mai 1390 zum Vikar dieses Konvents ernannt. 24 Raimund unterstellte 1392 alle reformierten italienischen Konvente Johannes Dominici, dem das Amt eines vicarius specialis zugewiesen wurde. 25 Im folgenden Jahr führte Dominici weitere Frauenund Männerkonvente der Observanz zu, 26 und im November 1393 wurde er schließlich zum Generalvikar mit Generalvollmacht für ganz Italien ernannt. 27 Außerhalb von Deutschland und Italien kam es in England und Irland im Jahr 1390 zu zwei Reformversuchen, die beide noch im selben Jahr scheiterten, in dem sie begonnen worden waren. Die Brüder waren so sehr mit der Häresie der Wyclifiten beschäftigt, daß sie für eine Auseinandersetzung um Fragen der Observanz keine Zeit hatten. 28 In der polnischen Ordensprovinz fiel der Beginn der Observanz mit der Spaltung der Provinz in einen deutschen und einen polnischen Teil im Jahr 1393 zusammen und sie errang deshalb keine weitere Bedeutung 29 23 Zu Dominici siehe MEYER, Liber, S. 60; DERS., Chronica, S. 25f., 75; LÖHR, Teutonia, S. 4, Anm. 3. A A SS, 18 Junii II, S. 399-418; CRACCO, Giorgio: „Banchini, Giovanni" (= G. Dominici). In: Dizionario biografico degli Italiani. R o m 1960ff., hier Bd. 5, S. 657-664; HINNEBUSCH 2, S. 369-380. Auf die Schwächen der Arbeit von RÖSLER, Augustin: Cardinal Johannes Dominici O.P.: Ein Reformatorenbild aus der Zeit des großen Schismas. Freiburg 1893, wies bereits SAUERLAND, Heinrich Volbert: Kardinal Johann Dominici und Papst Gregor XII. und deren neuester Panegyriker P. Augustin Rosier. In: ZKG 15 (1895), S. 387-418, hin. Siehe auch SAUERLAND, Heinrich Volbert: Kardinal Johannes Dominici und sein Verhalten zu den kirchlichen Unionsbestrebungen während der Jahre 1406 bis 1415. In: ZKG 9 (1887/88), S. 239-290, zu der nicht gerade positiven Charakterisierung Dominicis bes. S. 241-246. Weitere Literatur bei NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 119, Anm. 14; DERS.: Selbstverständnis, S. 80-83. Vgl. auch Abschnitt VI 1. 24

KAEPPELI, Registrum, S. 99, Nr. R 370 (1390 Mai 18) (= MORTIER 3, S. 555, Anm. 1). Vgl. auch MORTIER 3, S. 551-555; CORMIER, S. 161f.; KOUDELKA, Heinrich, S. 19; ALCE, S. 335-340; WALZ, S. 70. Zum Folgenden NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 119-121. 25

CORMIER, S. 76-78 (§ 11). Im Jahr 1398 erhielt Johannes Dominici die Generalvollmacht zum Predigen, siehe KAEPPELI, Registrum, S. 60, Nr. Li 521 (1398, Dez. 20). 26

Z.B. KAEPPELI, Registrum, S. 109, Nr. R 481 (1393 Mai 3), Nr. R 484 (1393 Mai 10); CORMIER, S. 79f. (§ 12). 27

CORMIER, S. 81-83 (§ 13).

28

Zu diesen Reformversuchen siehe MORTIER 3, S. 569f„ 648-686; CORMIER, S. 71f. (§ 9).

29

KOUDELKA, Raimund, S. 213-218.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia 2.1. Colmar Konrad von Preußen hatte auf dem Generalkapitel in Wien 1388 die Zusage erhalten, gemeinsam mit anderen Ordensbrüdern einen ersten Reformversuch unternehmen zu dürfen. 30 Im folgenden Jahr, 1389, wurde nach dem Provinzkapitel in Mainz die Reform des Colmarer Konvents beschlossen. 31 Im Juni übertrug Raimund die Aufsicht und Leitung über den Brüderkonvent und die beiden Schwesternkonvente in Colmar an Konrad, der sich zu diesem Zeitpunkt im Kölner Ordenshaus aufhielt. 32 Gleichzeitig entließ Raimund den amtierenden Prior und den Subprior aus ihren Ämtern und ordnete an, daß weder der Provinzialprior noch ein anderer Vikar der Nation oder irgendjemand sonst Konrad an der Reformarbeit hindern dürfe. Konrad erhielt die Vollmacht, Brüder für das Ordensleben in Colmar auszuwählen, die wahrhaft der strengen Observanz folgen wollten. Die nicht reformwilligen Brüder solle er vertreiben. Mit dieser Vollmacht des Generalmagisters ausgestattet, konnte Konrad die Umsetzung der Reform in Colmar beginnen. Meyer berichtet, daß Johannes Mulberg einer der dreißig Brüder war, die 1389 unter der Leitung Konrads von Preußen nach Colmar kamen, um im ersten Brüderkonvent in der Teutonia die Observanz zu verwirklichen. 3 3 Damit gehörte er zu dem kleinen Kreis derjenigen Brüder, die sich von Anfang an für die Reform einsetzten. 34 Im folgenden Jahr, 1390, wurde er zum Cursor im Colmarer Hausstudium ernannt und hatte dadurch unmittelbaren Einfluß auf die Ausbildung der Brüder. 35

30

MEYER, Buch QF 3, S. 8; vgl. auch CORMIER, S. 158. Die bekanntesten Quellen stellte in französischer Übersetzung als Auswahl zusammen WLTTMER, Charles: Colmar: Berceau de la R e f o r m e D o m i n i c a i n e 1 3 8 9 . In: A n n u a i r e d e C o l m a r 4 ( 1 9 3 8 ) , S. 5 1 - 6 0 . 31

VON LOE, S. 30-44 (Nr. 3) (= BASEL UB, Ε III 13, fol. 1 3 5 Μ 4 4 Γ ) , hier S. 35;

KOUDELKA, H e i n r i c h , S . 19; WALZ, S. 6 5 f . 32

CORMIER, S . 1 1 7 - 1 1 9 (§ 2 3 ) ; v g l . a u c h ALCE, b e s . S. 3 3 3 .

33

MEYER, Liber, S. 58: ,Johannes, dictus Mülberg de Basilea (...) qui in conventu Columbariensi cum pluribus aliis regulärem vitam nobis omnibus inchoavit." Zum Folgenden MEYER, Buch QF 3, S. 9; DERS., Chronica, S. 72f.; VONLOE, S. 35; EGGER, S. 17-21. 34

MEYER, Chronica, S. 72f., nennt nach Raimund von Capua, Konrad von Preußen, Petrus Engerlin und Ulrich Theobaldi folgende Brüder als Ordensreformer der „ersten Stunde": Rudolf von Vessenheim, Johannes Mulberg, Konrad Hoffmann, Thomas von Preußen und Dietrich von Wald. 35

REICHERT, R e g i s t r u m , S. 13 ( 1 3 9 1 Juni 7 ) ( = KAEPPELI, R e g i s t r u m , S . 1 3 8 , N r . Τ 1 4 5 ) ;

REICHERT, Z u r G e s c h i c h t e R Q 14, S . 9 5 . V g l . Kap. II.

20

/ / / . Die Dominikanerobservanz

Leider läßt sich nicht feststellen, wann Mulberg praedicator generalis, Prediger mit besonderen Vollmachten, wurde. 36 Dies könnte aber während seiner Tätigkeit in Colmar geschehen sein. Raimund wandte sich im gleichen Jahr an die Bürger der Stadt Colmar mit der Bitte um Unterstützung: Konrad würde bereits mit dreißig Brüdern in der Stadt leben, er sei Prior des Dominikanerkonvents und Vikar mit besonderen Vollmachten innerhalb der Teutonia, um die Reform einzuführen. 37 Die Stadt solle ihn in ihren Schutz aufnehmen. Da es immer noch Widersacher im Konvent selbst gebe, solle der weltliche Arm - obwohl die Brüder rechtlich dem Orden unterstünden - gegen sie vorgehen und jeden, der die Reform behindere, aus der Stadt vertreiben. Gleichzeitig klagte Raimund darüber, daß es Konrad immer noch nicht gelungen sei, das Siegel des Konvents an sich zu bringen. Es wird bereits hier sichtbar, daß Konrad und mit ihm seine Anhänger von Anfang an größte Mühen hatten, die Observanz in Colmar durchzusetzen: Konrad benötigte die Hilfe der weltlichen Macht, um die reformfeindlichen Brüder aus Konvent und Stadt zu vertreiben, und er hatte es noch nicht geschafft, die unbestrittene Leitung des Konvents zu erringen, zu der die Führung des Siegels gehörte, das für rechtsverbindliche Geschäfte unverzichtbar war. 38 Die Mehrheit des Dominikanerordens zählte zu den Konventualen, die sich von Anfang an gegen die Reform zur Wehr setzten. Auf dem Generalkapitel von Ferrara im Jahr 1391 waren gewohnheitsgemäß die Befugnisse aller Vikare 36

Mulberg als praedicator generalis bei MEYER, Chronica, S. 72. Zum Amt im allgemeinen siehe FRANK, Hausstudium, S. 159, Anm. 9. Das Generalkapitel von Udine setzte 1401 für dieses Amt voraus: antequam theologiam audierit per tres annos, dazu MOPH 8, S. 103. Der Zeitgenosse Mulbergs, Narcissus Pfister, war als Dominikaner im Jahr 1400 Cursor in Colmar und wurde im gleichen Jahr zum praedicator generalis ernannt, dazu MEIER, Ludger: Der Studiengang des Ex-Dominikaners Narcissus Pfister O.S.B, an der Universität Köln. In: AFP 4 (1934), S. 228-257, hier S. 229. Es wäre also denkbar, daß auch Mulberg bereits 1390 während seiner Tätigkeit als Cursor in Colmar dieses Amt erhielt. 37 CORMIER, S. 120-122 (§ 24). Hier zeigt sich bereits die zwingende Notwendigkeit des Engagements der weltlichen Macht, um ein Reformvorhaben erfolgreich durchführen zu können; vgl. dazu auch STIEVERMANN, bes. S. 198-201, 222-234, 261-289; WILLIAMS-KRAPP, Observanzbewegungen, S. 5; VON HEUSINGER, Sabine: Beginen am Mittel- und Oberrhein zu Beginn des 15. Jahrhunderts. In: ZGO 148 (2000) (im Druck), Abschnitt 4; aber auch SPRINGER, Klaus-Bernward: Dominikaner und Obrigkeit im 16. Jahrhundert. In: Berg, Dieter (Hrsg.): Könige, Landesherren und Bettelorden: Konflikte und Kooperation in West- und Mitteleuropa bis zur Frühen Neuzeit. Werl 1998, S. 393-418; zur Bedeutung der Landesfürsten für die Reformation siehe z.B. WOLGAST, Eike: Formen landesfürstlicher Reformation in Deutschland. Kursachsen-Württemberg / Brandenburg-Kurpfalz. In: Grane, Leif / H0rby, Kai (Hrsg.): Die dänische Reformation vor ihrem internationalen Hintergrund. Göttingen 1990, S. 57-90. Ein weiteres entscheidendes Kriterium war in den ersten Jahren die Frage der Obödienz, dazu wichtige Hinweise bei NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 73-83. 38

V g l . a u c h M O R T I E R 3, S . 5 4 6 .

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia

21

zurückgerufen worden. 39 Die konventualen Dominikaner wollten diese Regelung auch für Konrad angewandt sehen und argumentierten, er könne ja gar keine rechtmäßigen Assignationen für Colmar mehr vornehmen. Um der Forderung nach Absetzung Konrads die Grundlage zu entziehen, bestätigte ihn Raimund erneut im Juni 1391 in seinen angefochtenen Rechten: Er nannte ihn prior Columbarum ac vicarius ibidem cum plena auctoritate provincie Theutonie ordinis fratrum PredicatorumA0 Raimund betonte, daß der Papst und alle Kardinäle die Reform unterstützten. Dieses Werk dürfe nicht durch die Ignoranz oder Schlechtigkeit der Gegner der Observanz zerstört werden. Darum verurteile er jede Ablehnung und Behinderung der Reform. Die Forderung nach der Amtsenthebung Konrads von Seiten der Konventualen verstummte aber auch in den folgenden Jahren nicht, und im März 1395 verfügte Raimund, daß Konrad weder vom Generalkapitel noch von irgendeiner anderen Instanz des Priorats oder des Vikariats in Colmar enthoben werden könnte. 41 Im Februar 1396 erhielt Konrad vom Generalmagister die Erlaubnis, sich in den Nürnberger Konvent begeben und das Priorat in Colmar aufgeben zu dürfen. 4 2 Konrad zog nach Nürnberg und Johannes von Witten übernahm das Priorat 4 3 Sein Nachfolger wurde wenige Jahre später, 1399, Johannes Mulberg 4 4 In dieser Funktion wurde er von Raimund im März des Jahres angewiesen, Elisabeth Berchen, Ordensschwester in St. Katharina in Colmar, wieder in ihre Rechte einzusetzen. 45 Sie habe das Kloster mit der ausdrücklichen Erlaubnis des Papstes verlassen und sei dennoch lange Zeit unschuldig im Kerker festgesetzt worden. Meyer betonte, daß Mulberg als Colmarer Prior gemeinsam mit den observanten Mitbrüdern vieles erdulden mußte, das nicht in Kürze wiedergegeben werden könne. 46 39

Von Ferrara ist nur ein Fragment erhalten, siehe MOPH 8, S. 92; fehlt bei VON LOE, S. 3044 (Nr. 3); vgl. auch MORTIER 3, S. 547. Raimund bezog sich aber auf dieses Kapitel in seinem Brief an Konrad, dazu CORMIER, S. 123f. (§ 25). 40

CORMIER, S. 123f. (§ 25); REICHERT, Registrum, S. 13 (1391 Juni 7) (= KAEPPELI, Registrum, S. 138, Nr. Τ 144). Dazu MORTIER 3, S. 547f. 41

REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 März 12) (= KAEPPELI, Registrum, S. 140, Nr. Τ 163).

42

REICHERT, Registrum, S. 2 0 (1396 Febr. 28) (= KAEPPELI, Registrum, S. 145, Nr. Τ 215).

43

Konrad und Johannes waren 1387 gemeinsam ins Heilige Land gepilgert, dazu MORTIER 3, S. 526, Anm. 1; Johannes wurde einer der ersten Beichväter in Schönensteinbach, dazu MEYER, Buch QF 2, S. 36; vgl. auch QF 3, S. 20, zu den Wundern, die Konrad zuteil wurden; ebd., S. 25, zu Johannes' Mitarbeit beim Umbau von Schönensteinbach und zu seinem Tod im Jahr 1411. Siehe auch DlETLER, S. 301-303. 44

REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 129; MEYER, Liber, S. 58.

45

REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 148.

46

MEYER, Liber, S. 58: „Quanta pertulerit non potest edisseri brevibus."

ibidem prior factus et sui ab emulis observancie

...

22

III. Die

Dominikanerobservanz

Obwohl Konrad inzwischen Prior in Nürnberg geworden war, hatte er immer noch gleichzeitig das Amt des Vikars für die Konvente in Colmar, Nürnberg und Utrecht in der Saxonia inne. 47 Im Jahr 1401 erkrankte er und setzte im Dezember Johannes Mülich als Vikar für Colmar ein, der in seiner Abwesenheit dafür sorgen sollte, daß die Observanz eingehalten werde. 48 In einem Schreiben an ihn beklagte Konrad die heftigen Widerstände, mit denen die Reformer zu kämpfen hätten. Inzwischen war Nikolaus von Vessenheim zum Prior des Colmarer Konvents gewählt worden. Er appellierte am 4. April 1402 an den Papst gegen Konrad und Johannes Mülich: Konrad habe die ihm verliehenen apostolischen Vollmachten freiwillig an den Ordensgeneral Thomas von Firmo zurückgegeben und sie nur unter der Auflage zurückerhalten, den Ordensstatuten zu gehorchen. Deshalb könne er sich nicht auf die alten Vollmachten beziehen, um Mülich zum Vikar zu machen 4 9 Mülichs Berufung sei also nicht gültig, und er, der Prior von Colmar, erkenne ihn nicht an. Außerdem strebten Konrad und Mülich nach seinem Priorenamt, obwohl Konrad persönlich bei der rechtmäßigen Wahl Nikolaus' anwesend gewesen sei. Des weiteren würde Konrad unerlaubterweise fremde Brüder in den Konvent schicken und gegen sein Versprechen Einkünfte und Güter des Konvents veräußern, dessen Verarmung in Zukunft zu befürchten sei. Wie die Umsetzung des Armutideals unter Konrad in Colmar verwirklicht wurde, läßt sich nicht eindeutig klären. 50 Ohne Zweifel propagierte er die strenge Armut, gegen die sich u.a. Nikolaus zur Wehr setzte und Raimund erinnerte Konrad in seinem Brief an das Testament von Dominikus; letzteres könnte ein Hinweis auf den darin enthaltenen Fluch sein, mit dem der Ordensgründer angeblich alle Konvente belegt haben soll, die irdischen Besitz anstrebten. 51 Dieser Fluch war bis zur Mitte des 14. Jhs. nur sehr selten erwähnt worden, aber danach erschien er verstärkt in der Traktatliteratur. Besonders Johannes Dominici erinnerte in aller Deutlichkeit an den 47

Dies hatte ihm Raimund bereits 1397 bestätigt, dazu CORMIER, S. 13 lf. (§ 27).

48

Im Jahr 1411 wurde er in Wien immatrikuliert, siehe: DIE MATRIKEL DER UNIVERSITÄT WIEN. Hrsg. v. Archiv d. Universität Wien im Auftrag d. Akademischen Senats. Wien 1956ff., S. 88 (II R 66). REP. GER. 2,1, unter Bonifaz IX. Sp. 362f., 705, 781; unter Innozenz VII. Sp. 1320. Zum Folgenden LÖHR, Teutonia, Nr. 3, S. 46-50 (überliefert in COLMAR STB, HS. 474, fol. 78ff.). Vgl. auch Abschnitt III 2.4. 49

LÖHR, Teutonia, S. 49, Anm. 1; vgl. auch MEYER, Chronica, S. 20.

50

Basierend auf umfangreichem, zuvor unbekanntem Quellenmaterial zum Folgenden

NEIDIGER, A r m u t s b e g r i f f , S. 1 2 2 - 1 2 5 ; D E R S . : S e l b s t v e r s t ä n d n i s , S . 6 9 ; s i e h e a u c h M E Y E R , B u c h Q F 3 , S . 2 - 1 6 ; D E R S . , L i b e r , S. 5 5 - 6 3 ; D E R S . , C h r o n i c a , S . 6 9 - 7 3 . 51

CORMIER, S. 117-119 (§ 23), hier S. 118. Zu Überlieferung und Inhalt des Testaments von Dominikus und seiner Bedeutung innerhalb des Ordens siehe CREYTENS, Raymond: Le „testament de S. Dominique" dans la litterature dominicaine ancienne et moderne. In: AFP 43 (1973), S. 2 9 - 7 2 .

2. Die Reform der Ordensprovinz

Teutonia

23

Fluch, der alle treffe, die nicht wie die Observanten die strenge Armut anstrebten. 52 Raimunds Erwähnung des Testaments könnte demnach bedeuten, daß er davon ausging, in Colmar seien bereits alle festen Einkünfte aufgegeben worden. Tatsächlich hatten die Observanten aber bis zum Jahr 1402 erst einen Teil der Zinsrechte veräußert, und der Schaffner des Konvents forderte ausstehende Zinseinkünfte sogar vor Gericht ein. Zudem nahm der Konvent nach 1390 während Konrads Priorat neue Jahrzeitstiftungen an. Dieser Widerspruch läßt sich vielleicht damit erklären, daß Konrad über die laufenden Finanzgeschäfte nicht vollständig unterrichtet war. 53 Darüber hinaus zeigt sich aber in Colmar, daß selbst die Observanten im Hinblick auf die Strenge der Armut unterschiedlicher Meinung waren: Obwohl sich Konrad gegen feste Einkünfte wehrte, akzeptierte sein Vertrauter und Nachfolger im Priorenamt, Johannes von Witten, ebenfalls ein überzeugter Observanter, diese bereits im Jahr 1397 wieder. Die Streitigkeiten um die Reform zu Beginn des 15. Jhs. hielten an: Am 8. April 1402 ließ Johannes Mülich in Colmar drei Bullen von Bonifaz IX. vidimieren, in denen sich der Papst für die Reform ausgesprochen hatte. 5 4 Unter den Zeugen, die der Vidimierung beiwohnten, befand sich der junge Johannes Nider, der einige Jahrzehnte später einer der wichtigsten Reformer des Predigerordens werden sollte. 55 Er trat im gleichen Jahr, 1402, in den observanten Colmarer Konvent ein. In dieser Zeit traf er vermutlich persönlich mit Johannes Mulberg zusammen, den er in seinem späteren Werk, dem Formicarius, schilderte. 56 Mülichs Entsendung als Vikar für den Konvent in Colmar im Jahr 1402 macht deutlich, daß es zu dieser Zeit heftige Auseinandersetzungen um die Reform gab, da normalerweise ein Vikar nur zu Beginn der Einführung der Observanz in einen Konvent gesandt wurde. Vielleicht kann sein Auftreten in Colmar sogar als 52 Dominici führte dies in seiner Schrift De proprio, an conveniat fratribus Ordinis Praedicatorum in communi aut in particulari aus, die LÖHR untersucht hat, dazu DERS., Mendikantenarmut, hier S. 422f.; siehe auch CREYTENS, a.a.O., S. 40; ALCE, S. 341. 53

Ein überzeugendes Beispiel aus dem Jahr 1396, als dieselbe Vergabung sofort nach Konrads Abreise erneut vorgenommen wurde, bei NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 123. 54

LÖHR, Teutonia, S. 47, Anm. 3; CORMIER, S. 54-56 (§ 7) (1391 Jan. 9); BOP 2, S. 338

(1393 Dez. 1), S. 362 (1397 April 9) (= MORTIER 3, S. 530f„ Anm. 1; 543f., Anm. 1; 572f., Anm. 1). 55

LÖHR, Teutonia, S. 7, Anm. 4; S. 47, Anm. 3. Vgl. auch Niders Biographie bei BRAND, bes. S. 13f.; BAILEY, S. 16-48; HILLENBRAND, Eugen: „Nider, Johannes". In: VL 6, Sp. 971977; SCHIELER; HINNEBUSCH 2, S. 262-267; MORTIER 4, S. 216-255; KAEPPELI, Scriptores 2,

S. 500-515; siehe demnächst die noch unveröffentlichte Dissertation von TSCHACHER, Werner: Der Formicarius des Johannes Nider von 1437/38. Studien zu den Anfängen der europäischen Hexenverfolgungen im Spätmittelalter. Aachen, Diss. 1997. 56

Siehe Kap. Π.

24

III. Die

Dominikanerobservanz

Hinweis auf einen zweiten Reformversuch gedeutet werden, da der erste unter Konrad nicht erfolgreich war, wie es der Nürnberger Humanist Hartmann Schedel in seiner Geschichte des Nürnberger Konvents berichtet.57

2.2. Das Provinzkapitel in Speyer Während des Provinzkapitels in Speyer im Oktober 1392 wurden die Prioren der Ordensprovinz Teutonia zur Einführung der Observanz verpflichtet. Im Auftrag des Generalmagisters Raimund von Capua forderte Jakob von Böhmen den Provinzial der Teutonia, Ulrich Theobaldi de Altkirch,58 und die anwesenden Prioren auf, die Observanz, wie sie in Colmar begonnen worden war, weiter zu fördern. 59 Deshalb verfaßte Theobaldi zusammen mit den Prioren einen Rundbrief, in dem alle Angehörigen der Provinz Teutonia verpflichtet wurden, die notwendigen Schritte auf dem Weg zur Observanz nicht zu behindern und keinen Bruder von der Reform abzuhalten. 60 Konrad von Preußen und seine Mitstreiter wurden unter den besonderen Schutz des Provinzialkapitels gestellt. Zu den Unterzeichnern des Briefes zählten die führenden Brüder innerhalb der Teutonia: An erster Stelle siegelte Ulrich Theobaldi, der amtierende Provinzial, der wie Johannes Mulberg aus dem Basler Konvent stammte.61 Es folgten die beiden ehemaligen Provinziale Ulrich Umbtuer62 und

57

NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 124f. mit Anm. 47 zur Überlieferung: Schedel berichtet in De ortu et progressu Ordinis Praedicatorum Norimberga, daß der Konvent in Colmar nach der Reform von der Observanz abgefallen und durch Brüder aus Nürnberg zu ihr zurückgeführt werden mußte. 58

Zum Folgenden MEYER, Chronica, S. 72f.; REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 83f. Theobaldi vermachte dem Konvent zehn Bücher und gehörte damit im 14. Jh. zu einem wichtigen Förderer der Klosterbibliothek, dazu SCHMIDT, Bibliothek, S. 165; jüngst mit einem Schwerpunkt auf Theobaldis Handschriftenbesitz NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 98f. Den besten Überblick über sein Leben und Wirken immer noch bei BONER, BZGA 34, S. 225; KAEPPELI, Scriptores 4, S. 423f., Nr. 3945-3947. 59

Bruchstücke der Akten des Kapitels wurden ediert von LÖHR, Teutonia, Nr. 1, S. 41-44. Vgl. zum Folgenden VON LOE, S. 36; MEYER, Buch QF 3, S. 10f.; DERS., Chronica, S. 75f.; CORMIER, S. 1 6 2 ; DLETLER, S. 1 9 3 - 1 9 6 . 60

Die Edition des Briefes bei HÄFELE, S. 407f. (Anhang Nr. 4), basierend auf WIEN, Dominikanerkonvent, Hs. 295, fol. 104; eine Parallelüberlieferung in COLMAR STB, HS. 474, fol. 71. 61

Zu den Auseinandersetzungen zwischen Theobaldi und Engerlin siehe Abschnitt ΠΙ 3. Zu den Anhängern der Reform siehe auch Anm. 34. 62

Daß es sich um den ehemaligen Provinzial Umbtuer (1372-1384), der Prior in Regensburg war, und nicht um Wintner handelt (so irrtümlich VON LOE, S. 15; DlETLER, S. 194) wurde richtiggestellt von LÖHR, Teutonia, S. 51, Anm. 5.

2. Die Reform der Ordensprovinz

Teutonia

25

Petrus Engerlin von Augsburg, 63 der spätere Provinzial Petrus Florin aus Utrecht, 64 der Generalvikar in Schwaben Gottfried von Mengen,65 der spätere Wiener Professor Franz von Retz,66 der Vikar der Alsatia Johannes Arnoldi,67 der Inquisitor und Professor der Theologie Alexander von Köln, 68 Jakob von Böhmen und Ulrich Löselin aus Straßburg 6 9 Mit dieser Aktion hatte sich Raimund von Capua die Unterstützung der führenden Männer der Teutonia schriftlich zusichern lassen und sie verpflichtet, die Observanten nicht zu behindern.

2.3. Würzburg Über die Einführung der Reform im Würzburger Brüderkonvent ist wenig bekannt. Die Register des Ordensgenerals geben keine Auskunft darüber, wer als Vikar mit der Einführung der Observanz beauftragt worden war. Auch Johannes Meyer erwähnte den Reformversuch nicht. Es ist anzunehmen, daß eine Gruppe von Observanten von Colmar aus, dem bis 1394/5 einzigen reformierten Konvent der Teutonia, zu diesem Zweck nach Würzburg gesandt wurde. Die Überlieferung der Ereignisse setzt mit dem Streit zwischen Reformgegnern und -anhängern ein. Johannes Mulberg war als erster observanter Prior eingesetzt und vor März 1395 von den Würzburger Brüdern vertrieben worden. 70 Daraufhin wurde Ulrich Theobald! in seiner Funktion als Provinzial 63

Vgl. REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 87f.; RQ 15, S. 130-133; VON LOE, S. 15, 45;

LÖHR, Kölner Dominikanerschule, S. 63, Nr. 40; vgl. auch Abschnitt ΠΙ 3. 64

VON LOE, S. 15; siehe auch Abschnitt III 3.

65

Er war Vikar und Prior in Konstanz, dazu DlETLER, S. 195.

66

Dazu HÄFELE; KAEPPELI, Scriptores 1, S. 397-400; GRUBMÜLLER, Klaus: „Franz von Retz". In: VL 2, Sp. 834-837, mit neueren Literaturangaben; FRANK, Hausstudium, S. 109. 67

MEYER, B u c h Q F 3, S. 11; LÖHR, Teutonia, S. 51, Anm. 5; REICHERT, Zur Geschichte R Q

15, S. 133. Arnoldi hing 1386 noch Peter von Laufen, dem Provinzial der avignonesischen Obödienz an, dazu KAEPPELI, Thomas: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (c. 1365-71). In: AFP 26 (1956), S. 314-319, hier S. 315. 68

LÖHR, Kölner Dominikanerschule, S. 63, Nr. 41; LÖHR, Gabriel: „Alexander von Köln". In: NDB 1, Sp. 194. 69

REICHERT, Registrum, S. 12 (1391 Mai 2 2 ) (= KAEPPELI, Registrum, S. 127, Nr. Τ 133);

1399 wird er Generalvikar der Nation Alsatia unter der Bedingung, daß nur ein Höhergestellter ihn vom Amt entbinden darf, ebd., S. 39 (1399 Juni 26) (= KAEPPELI, Registrum, S. 166, Nr. Τ 380). Vgl. auch LÖHR, Teutonia, S. 51, Anm. 5; REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 131. 70

Vgl. zum Folgenden REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 März 12) (= KAEPPELI, Registrum,

S. 140, Nr. Τ 163); REICHERT, Zur G e s c h i c h t e R Q 15, S. 128; LÖHR, Teutonia, S. 1; BONER,

Predigerkloster 34, S. 189f.; WALZ, S. 70. Die Dominikaner werden nicht weiter erwähnt beim

III. Die Dominikanerobservanz

26

der Teutonia von Raimund von Capua beauftragt, nach Würzburg zu reisen und die Brüder, die ihren Prior Mulberg vertrieben und eine offene Rebellion begonnen hätten, zu befragen und die Schuldigen zu bestrafen. Außerdem sollte er Mulberg wieder in das Amt des Priors einsetzen. 71 Zwei Monate später, im Mai 1395, hatten sich die Konventualen endgültig durchgesetzt, und Raimund wandte sich an Konrad, der in seiner Funktion als Vikar alle mit der Reform beauftragten Brüder vom Würzburger Konvent zurückziehen sollte. 72 Gleichzeitig wurde Johannes Mulberg offiziell aus dem Amt des Priors entlassen. 73 Mulberg kehrte nach dieser Niederlage nach Colmar zurück. Im Februar 1396 erhielt er gleichzeitig mit Rudolf von Vessenheim die Erlaubnis, in der gesamten Ordensprovinz Teutonia bei Nonnen und Schwestern die Beichte zu hören. 74

2.4. Nürnberg Nachdem die Einführung der Reform in Würzburg 1395 gescheitert war, kehrten die observanten Brüder nach Colmar zurück. Von hier wurden ausgewählte Brüder im folgenden Jahr nach Nürnberg geschickt, wo im Jahr 1396 der nächste Reformversuch in der Teutonia unternommen wurde. Der Generalmagister Raimund von Capua, der sich für einige Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1399 in der Teutonia aufhielt, nahm persönlich die Einführung der Observanz in Nürnberg in Angriff 7 5 Johannes Meyer behauptete, daß Papst

Überblick von WITTSTADT, Klaus: Ansätze zur Klerus- und Ordensreform im spätmittelalterlichen Würzburg. In: Roedel, Dieter (Hrsg.): Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter: Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg. Wiesbaden 1996, S. 82-98. 71

REICHERT, Registram, S. 15 (1395 März 12) (= KAEPPELI, Registram, S. 140, Nr. Τ 163).

72

REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 Mai 20) (= KAEPPELI, Registrum, S. 140, Nr. Τ 165).

73

REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 Mai 20) (= KAEPPELI, Registram, S. 140, Nr. Τ 166). Bei MORTIER 3, S. 549, gerät der Ablauf der Ereignisse etwas durcheinander, obwohl in Anm. 2 die richtigen Datierungen angegeben sind: Raimund war nicht besser als Ulrich Theobaldi informiert und zog Mulberg nicht acht Tage, sondern zwei Monate später vom Priorenamt ab. 74

75

REICHERT, Registrum, S. 20 (1396 Febr. 28) (= KAEPPELI, Registram, S. 146, Nr. Τ 216).

Zum Folgenden MEYER, Buch QF 3, S. 12-14; DERS., Liber, S. 56f.; DERS., Chronica S. 73 (= LÖHR, Teutonia, S. 45f. (Nr. 2 zur Chronica)). DLETLER, S. 215f.; REICHERT, Zur Geschichte RQ 10, S. 302f.; LÖHR, Teutonia, S. 14f.; ALCE, bes. S. 333. Vgl. auch BOCK, Friedrich: Das Nürnberger Predigerkloster. Beiträge zu seiner Geschichte. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 25 (1924), S. 147-215, hier S. 151-155; ergänzend dazu LÖHR, Gabriel: Das Nürnberger Predigerkloster im 15. Jahrhundert. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 39 (1944), S. 223-232. KRAUS, Joseph: Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur römischen Kurie während des Mittelalters. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 41 (1950), S. 1-153, hier S. 60-71. Zu Raimund

2. Die Reform der Ordensprovinz

Teutonia

27

Bonifaz IX. ausdrücklich den Reformversuch in einem Schreiben gelobt habe. 76 Im Dezember des Jahres verfaßte Raimund einen Brief an den Rat der Stadt, in dem er mitteilte, daß er dem Wunsch des Rates gefolgt sei und die Reform in Nürnberg begonnen habe. 77 Er habe Konrad bereits zum Prior bestimmt, der gemeinsam mit den aus Colmar kommenden Brüdern die Reform gewiß ganz im Sinne des Rates durchführen werde. Bereits in früheren Briefen habe er, Raimund, die Stadt um Beistand und Verteidigung für die observanten Brüder gebeten, denn jedes gute Werk habe Feinde unter den Menschen. 78 Zum Vikar des Generalmagisters für den Nürnberger Konvent, der die Reform einführen sollte, wurde Johannes Mulberg ernannt. 79 Im Juli des folgenden Jahres, 1397, übergab Raimund den Nürnberger Konvent offiziell an Konrad. 80 Nürnberg wurde in den kommenden Jahrzehnten zum wichtigsten Zentrum der Reformbewegung, von dem aus zahlreiche weitere Klöster in den Ordensprovinzen Teutonia und Saxonia der Observanz zugeführt werden konnten, wie z.B. Basel, Köln, Wien und Ulm. 81 Raimund von Capua verfügte, daß er nach seinem Tod in Nürnberg begraben werden wollte. 82 Bereits im Dezember 1397 wurde Konrad von Raimund zum confessor et vicarius des Schwesternkonvents St. Katharina ernannt. 83 Meyer erzählt, daß die reformeifrigen Brüder es kaum ertragen konnten, daß St. Katharina sich nicht vgl. auch CORMIER, S. 164-168; MORTIER 3, S. 574f. Zum Einfluß der Observanz auf die Bücherproduktion am Beispiel von St. Katharina in Nürnberg siehe WILLIAMS-KRAPP, Observanzbewegungen, S. 3f.; und allgemein DERS., Frauenmystik. 76

SCHEEBEN, in: MEYER, Chronica, S. 73, Anm. 29, weist darauf hin, daß das Papstschreiben unbekannt ist.

77

CORMIER, S. 114-116 (§ 22) (= REICHERT, Zur Geschichte RQ 10, S. 306-308 (Nr. II)). Parallelüberlieferung in Nürnberg bei BOCK, a.a.O., S. 153, Anm. 7. Siehe auch KlST, Johannes: Klosterreform im spätmittelalterlichen Nürnberg. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 32 (1963), S. 31-45. Vgl. auch Anm. 37. 78

HILLENBRAND, S. 245, weist darauf hin, daß der Rat die Einführung der Observanz zu einem Zeitpunkt unterstützte, als die Stadt gegenüber den Burggrafen eine eigenständige Politik durchsetzen wollte. 79

MEYER, Chronica, S. 73; DERS., Buch QF 3, S. 12: vicarii an aines prior statt.

80

CORMIER, S. 13lf. (§ 27).

81

Eine Liste bei LÖHR, Teutonia, S. 46 (Nr. 2 zu MÜNCHEN, BStB, clm. 472).

82

MEYER, Chronica, S. 76-78; DERS., Liber, S. 56f.; CORMIER, Hyacinthe-Marie: Le bienheureux Raymond de Capoue. 2. Aufl. Rom 1902, S. 198-200. 83

REICHERT, Registrum, S. 22 (1397 Dez. 12) (= KAEPPELI, Registrum, S. 148, Nr. Τ 234).

///. Die Dominikanerobservanz

28

der Observanz anschließen wollte. 84 Deshalb habe Konrad den Papst um Erlaubnis gebeten, die Schwestern mit Nachdruck zur Reform bekehren zu dürfen. Er sei gemeinsam mit Ordensbrüdern und Bürgern der Stadt zum Frauenkonvent gezogen, um den Nonnen die Anordnung des Papstes zu verkünden. Die Schwestern hätten sich aber vehement dagegen gewehrt, mit grossen unzüchtigen sytten und unfröwlichen wisen.%5 Konrad habe darauf die Schwestern, die sich widersetzten, bestrafen wollen, aber die Frauen hätten sich sogar handgreiflich gegen den Reformversuch zur Wehr gesetzt, und deshalb hätten sich die Prediger auf Rat des Bruders Johannes Mülich mit Mehlsäcken ausgerüstet, die sie beim nächsten Zusammentreffen mit den Widerspenstigen im Moment der Gefahr den Frauen ins Gesicht schleudern wollten. Beim folgenden Versuch, mit weiteren Brüdern heimlich in das Kloster zu schleichen, sei Konrad nur knapp dem Tode durch die Hand zweier Schwestern entkommen: do noment yr zwo an gross crucifix und woltent daz dem selgen vatter dem prior durch sin hobt schlachenß6 Nur die Geistesgegenwart der umstehenden Bürger habe Konrad das Leben gerettet, denn er selbst wollte den Anschlag geduldig über sich ergehen lassen. Sodann sei die päpstliche Anordnung verlesen worden, im darauf ausbrechenden Tumult sei zwar das Mehl verstreut worden - die Schwestern konnten aber nicht zur strengen Observanz bekehrt werden. Bereits im Juni 1397 hatte Raimund für den weiblichen Zweig des Ordens in der Teutonia Ordinationen erlassen, die besonders die Einhaltung der Klausur forderten und auch für den Nürnberger Konvent gedacht waren. 87 Im Dezember 1398 erhielten die Nürnberger Schwestern vom Generalmagister jedoch die Zusicherung, weder zu einer strengeren Lebensart gezwungen werden zu können, noch ihren Privatbesitz aufgeben oder einen Verwalter gegen ihren Willen dulden zu müssen. 88 Die Nonnen in Nürnberg hatten sich so erfolgreich gegen die Reform gewehrt, daß St. Katharina erst 1428 von Johannes Nider, der in dieser Zeit Prior des Brüderkonvents war, reformiert werden konnte. 89 84

Zum Folgenden MEYER, Buch QF 3, S. 12-14; erneute Nennung DlETLER, S. 215f. FRIES, Walther: Kirche und Kloster zu St. Katharina in Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte der Stadt Nürnberg 25 (1924), S. 1-144, hier S. 14-21; HILLENBRAND, S. 241-245. 85

MEYER, B u c h Q F 3, S. 13.

86

MEYER, B u c h Q F 3, S . 14.

87

Siehe Anm. 96.

88

REICHERT, R e g i s t r u m , S . 3 4 ( 1 3 9 8 D e z . 8 ) ( = KAEPPELI, R e g i s t r u m , S . 1 6 0 , Nr. Τ 3 3 7 ) .

89

Zur Reform von St. Katharina siehe MEYER, Buch QF 3, S. 60-69; DERS., Chronica, S. 85; DlETLER, S. 350-374; VON KERN, Th.: Die Reformation des Katharinenklosters in Nürnberg im Jahre 1428. In: 31. Jahresbericht d. Hist. Vereins Mittelfranken, Beilage I. Ansbach 1863, S. 120; FRIES, a.a.O., S. 22-27; BRAND, S. 20f. Nider wurde ebenfalls zum Vikar von Schönensteinbach ernannt, MEYER., Buch QF 3, S. 30; zu seinem Wirken in Nürnberg, wo er auch verstarb, siehe LÖHR, Teutonia, S. 14f.; er wurde von Texerius, wie zuvor Konrad von Preußen, zum vicarius magistri generalis ernannt, vgl. dazu ebd., S. 16 und Anm. 62; BRAND, S. 22.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia

29

Der Nürnberger Dominikanerkonvent hatte von Anfang an nur über eine begrenzte Anzahl von festen Einkünften verfügt. Möglicherweise gelang es sogar nach Einführung der Observanz für einige Jahre ohne feste Einkünfte und Zinseinnahmen, sine redditibus et censibus, zu leben und höchstens Bargeld für seelsorgerische Dienste entgegenzunehmen. 90

2.5. Schönensteinbach Obwohl Johannes Mulberg nach Auskunft der Quellen nur an der Reform von Brüderkonventen beteiligt war, soll kurz der Ablauf der Einführung der Observanz im ersten Frauenkonvent, dem Kloster Schönensteinbach bei Gebweiler in der Diözese Basel, dargestellt werden, da dieses Ereignis für die Observanz in der Teutonia von zentraler Bedeutung war. Ein Jahr nach der Reform des Nürnberger Brüderkonvents wurde 1397 der Schwesternkonvent Schönensteinbach der Observanzbewegung eingegliedert. Auf der Suche nach einem geeigneten Kloster, in dem Frauen ein observantes Ordensleben beginnen könnten, stieß Konrad von Preußen auf ein verlassenes Kloster in der Diözese Basel. 91 Es wurde mit Hilfe von Papst Bonifaz IX., 92 Raimund von Capua, dem Herzog Leopold IV. von Österreich und seiner Gemahlin Katharina von Burgund 9 3 sowie dem Bischof von Basel 94 nach dem Generalkapitel in Frankfurt an Pfingsten 1397 reformiert. 9 5 Der Generalmagister hielt sich nach dem Kapitel noch länger in Frankfurt auf, wo er im Juni strengste Anordnungen für die Einhaltung der Klausur in den Frauenkonventen erließ, die in erster Linie für Schönensteinbach gedacht waren. 96 Nur in Todesgefahr dürften die Frauen ihre 90

NEIDIGER, Armutsbegriff, 125-128, basierend auf dem Bericht von Hartmann Schedel, dazu Anm. 57.

91

Über die Einführung der Observanz in Schönensteinbach berichtet detailliert MEYER, Buch der Reformacio I-III, QF 2, bes. S. 26-39; DERS., Chronica, S. 74; DERS., Liber, Anhang II, S. 81-85; DIETLER, bes. S. 216-245, 282-286, 313-317; siehe auch WILLIAMS-KRAPP, Frauenmystik, S. 304f. 92

Der Papst wies den Abt von Marbach an, dem das Kloster zuvor unterstanden hatte, den Konvent den Dominikanern zu übergeben, dazu DIETLER, S. 217. 93

DIETLER, S. 216, 228-32, 241; FABRI, Felix: Historiae Suevorum Libri. In: Goldast, Melchior (Hrsg.): Suevicarum rerum scriptores aliquot. Frankfurt 1605, S. 46-317, hier S. 177179. Zur Rolle der weltlichen Macht bei Reformversuchen in Klöstern seit der zweiten Hälfte des 15. Jhs. siehe auch STIEVERMANN, bes. S. 198-201, 222-234, 261-289; und Anm. 37. 94

Bereits 1391 sprach sich Friedrich II. von Blankenheim, der als Administrator das Basler Bistum bis zur Amtsübernahme durch Humbert von Neuenburg regierte, für den Wiederaufbau Schönensteinbachs aus, dazu DIETLER, S. 187-192. 95 96

Zum Folgenden vgl. MEYER, Buch QF 2, S. 26-53; VON LOE, S. 36.

CORMIER, S. 125-130 (§ 26); diese Ordination ließ sich Raimund vom Papst im folgenden Jahr bestätigen, siehe BOP 2, S. 376f. (1398 VI 10).

30

III. Die

Dominikanerobservanz

Konvente verlassen, jeden weiteren Kontakt mit der Außenwelt schränkte er mit detailgenauen Vorschriften ein. Bei Zuwiderhandlung drohten den Frauen strengste Strafen bis hin zu Kerker und Exkommunikation. Raimund übergab im Juli den Konvent an Konrad mit allen Vollmachten, um darin reformwillige Schwestern aufzunehmen. 9 7 Aus den Bewerberinnen wählte Konrad 13 Schwestern aus, die zum größten Teil aus den umliegenden Klöstern kamen und aus Familien stammten, die in enger Beziehung zur habsburgischen Herrschaft standen. 9 8 Die Schwestern wurden der Seelsorge der Colmarer Brüder unterstellt und Konrad wurde beauftragt, eine Priorin einzusetzen. Bei der Einweihung im gleichen Jahr, bei der die Herzogin Katharina von Burgund anwesend war, ernannte Konrad die Priorin und ihre Stellvertreterin. Die ersten Beichtväter der Schwestern wurden die observanten Johannes von Witten und Dietrich von Wald. 99 Konrad von Preußen erließ im November 1397 ebenfalls eine Ordination für die Neuordnung der Klausur, die den Erlaß Raimunds bekräftigte. 100 Verstöße gegen die Anordnungen sollten im schwersten Fall mit der Exkommunikation bestraft werden. Sogar Johannes Meyer, der selbst ein großer Anhänger der strengen Observanz war, hielt einige Jahrzehnte später diese schweren Strafen für übertrieben, und auch der spätere Generalmagister Konrad von Asti distanzierte sich in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. von ihnen. 101 Das Kloster Schönensteinbach erhielt in den folgenden Jahren durch den Herzog von Österreich und seine Frau Katharina von Burgund wiederholt finanzielle Zuwendungen. 102 Auch der Basler Bischof Humbert von Neuenburg förderte den observanten Konvent, indem er ihn im Jahr 1404 von aller

97

CORMIER, im Anhang § 33 (ohne Seitenzählung) (= DLETLER, S. 219-222). Siehe auch MEYER, Buch QF 2, S. 31. Konrad kehrte am Ende seines Lebens nach Schönensteinbach zurück und ließ sich nach seinem Tod 1426 im Chor von Schönensteinbach begraben, so DERS., Buch QF 3, S. 23. 98

HILLENBRAND, S. 246f.: die erste Priorin war Claranna von Hohenberg, deren Vater, Graf Rudolf III., im Jahr 1381 seine ganze Grafschaft an den Herzog von Österreich verkauft hatte. 99

MEYER, Buch QF 2, S. 36; QF 3, S. 20 zur engen Beziehung zwischen Johannes und Konrad, die beide in Schönensteinbach begraben sind. Dietrich von Wald hatte gemeinsam mit Johannes von Baden die Verhandlungen mit dem Abt von Marbach über die Übereignung des Klosters an den Predigerorden geführt, dazu MEYER, Buch QF 2, S. 29. Siehe auch QF 3, S. 25; DlETLER, S. 301-303. 100

REICHERT, in: M E Y E R , B u c h Q F 2, S . X V , A n m . 1 ( Ü b e r l i e f e r t i n B A S E L U B , Ε Π Ι 1 3 ,

fol. 29). 101

REICHERT, in: M E Y E R , B u c h Q F 2 , S . X V , A n m . 1.

102

DlETLER, S. 228-231, 241, 282-286.

3. Das Scheitern der frühen

Observanz

31

bischöflichen Jurisdiktion und Gewalt befreite.103 Im folgenden Jahr verzichtete auch das Basler Domkapitel auf seine noch bestehenden Rechte. Das Beispiel des Konvents Schönensteinbach zeigt, daß sich die Idee der Observanz in einem zu diesem Zweck neugegründeten Konvent viel einfacher verwirklichen ließ als in einem traditionellen und konventualen Ordenshaus. Das Basler Bistum hatte in der Einführung der Observanz in der Teutonia eine ganz besondere Rolle gespielt: Sowohl der erste reformierte Brüderkonvent in Colmar als auch das erste reformierte Frauenkloster in Schönensteinbach befanden sich in dieser Diözese.

3. Das Scheitern der frühen Observanz Nach über zehn Jahren Reformarbeit, begonnen auf dem Generalkapitel in Wien 1388 bis zum Tod von Raimund von Capua 1399 und dem Verbot der Vikare durch Bonifaz IX. im Jahr 1402, gab es genau drei Konvente in der Teutonia, die erfolgreich reformiert worden waren: die beiden Brüderkonvente Colmar und Nürnberg und der Frauenkonvent Schönensteinbach. 104 Alle anderen Versuche waren während der ersten Phase der Observanz mißlungen oder hatten im Fall der Frauenkonvente nur eine strengere Einhaltung der Klausur bewirkt. 105 Bis zur Vereinigung der beiden Obödienzen als einem Ergebnis des Konstanzer Konzils im Jahr 1418 stagnierte die Reformbewegung. Im folgenden Jahr wurde Bern reformiert, und unter dem Ordensgeneral Bartholomäus Texerius wurden zahlreiche Konvente der Observanz zugeführt und damit die erfolgreiche zweite Phase der Observanz eingeleitet.106 Seit 1426 wurde zügig

103

Zum Folgenden DIETLERS. 265-271.

104

Vgl. auch Abschnitt ΠΙ2.

105

LÖHR vermutet für 1399 einen Reformversuch in Köln, der aber ohne greifbare Wirkung blieb, da der Prior Nikolaus Böckeier von Raimund von Capua umfangreiche Vollmachten erhielt; Raimunds Assistent, Dietrich von Delft, scheint sich seit diesem Jahr dauernd in Köln aufgehalten zu haben; ebd., Teutonia, S. 1.; dazu auch WALZ, S. 70. Weitere Reformversuche von Frauenklöstern in Straßburg, St. Katharina in Nürnberg, Engeltal und Frauenaurach bis zu Raimunds Tod können nur als partiell erfolgreich gelten, da sie nicht zur vollen Observanz führten, dazu LÖHR, Teutonia, S. 1; HILLENBRAND, S. 230. 106 Zu den Anordnungen des Ordensgenerals siehe LÖHR, Teutonia, S. 53-63 (Nr. 6). Eine Ordination von Texerius für die Nonnen von St. Katharina in Nürnberg bei VON KERN, Th.: Die Reformation des Katharinenklosters in Nürnberg im Jahre 1428. In: 31. Jahresbericht d. Hist. Vereins Mittelfranken, Beilage I. Ansbach 1863, S. 1-20 (Nr. ΠΙ). Siehe auch MEYER, Buch QF 3, S. 68; LÖHR, Teutonia, S. 2-8; S. 19-23; S. 53-63 (Nr. 6); MORTIER 4, S. 141-309; EGGER, S. 76-79; HILLENBRAND, S. 235, 265; NEIDIGER, Bernhard: Die Bettelorden im spätmittelalterlichen Rheinland. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 57 (1993), S. 50-74, hier S. 66-70.

III. Die Dominikanerobservanz

32

ein Konvent nach dem anderen zur Reform veranlaßt, so daß 1468 bereits die Hälfte der Schwestern- und fast ebenso viele Brüderkonvente zur Reformpartei zählten 107 und 1475 die gesamte Ordensprovinz Teutonia offiziell observant war. 108 Die Reformer der zweiten Phase bezogen sich immer wieder auf die „Gründungsväter" der Observanz und brachten ihnen große Verehrung entgeg e n , 1 0 9 dennoch muß die erste Phase der Ordensreform als gescheitert angesehen werden. 110 Meyer und Nider glaubten gar, den Hauptgegner der Reform ausgemacht zu haben: Es war der Teufel, der sich bekanntermaßen jedem guten Werk in den Weg stellte.111 In Anbetracht des großen Erfolgs der Observanz in ihrer zweiten Phase, nach dem Konstanzer Konzil, verwundert ihr Scheitern in der ersten Zeit um so mehr. Im folgenden sollen die Ursachen für den Mißerfolg der ersten Phase der Observanz untersucht werden, da Johannes Mulbergs Lebensweg davon nach107

REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. XVI.

108

LOHR, Teutonia, S. 16-19; er sieht darin „gewiß ein(en) großartige(n) Erfolg", ebd. S. 17; vgl. auch HÜBSCHER, Bruno: Die deutsche Predigerkongregation 1517-1520: Aufhebung, Kampf und Wiederherstellung. Freiburg / CH 1953, bes. S. 16f., 87-90. HILLENBRAND, S. 271, gibt eine Übersicht über alle Konvente, die zwischen 1389 und 1475 reformiert wurden; ergänzend dazu die Übersicht für den Zeitraum 1389-1468 bei REICHERT, in: MEYER, Buch QF 3, S. II-VI. Die letzten Konvente, die auch um 1500 noch konventual waren, aufgelistet bei NEIDIGER, Observanzbewegungen, S. 175. 109

Z.B. MEYER, Liber, S. 53-63.

110 Dieses Urteil steht in Widerspruch zu den Ansichten der älteren Ordenshistoriker, die die Frühphase der Observanz gerne als großen Erfolg darstellten; so urteilt z.B. 1895 CORMIER, S. 169, der im restlichen Werk um eine sachliche Darstellung bemüht ist: Brevi tempore quasi totus Ordo ad pristinum disciplinae fervorem revocatus, Raymundum tamquam secundum post Dominicum merito habet, vocat, veneratur fundatorem et patrem. MORTIER wies auch auf den Erfolg in Brüderkonvent in Utrecht hin, der aber in der Provinz Saxonia liegt und deshalb hier nicht weiter erwähnt wurde, ebd., Bd. 3, S. 549; sein Urteil fiel 1909 ähnlich euphorisch aus (S. 545): Mattre Raymond, et jusqu'ici tous les reformateurs de l'Ordre, ont ete pour le retour aux observances primitives, et il faut bien dire que leur ceuvre, ä tous, a produit des resultats excellents. Und auf S. 582: II me semble, d'apres les documents cites, que la reforme de Mattre Raymond reproduisait la vie dominicaine dans son integrite primitive. Aus der Sicht eines dominikanischen Mitbruders urteilte aber auch noch im Jahr 1980 EßER, Ambrosius O.P.: „Konrad de Grossis". In: NDB 12, S. 540: „(Konrad von Preußens) Bedeutung liegt in der praktischen Durchführung der Ordensreform, die den Orden in Deutschland rettete und die Blüte spätmittelalterlicher Mystik ermöglichte." Dagegen die neuere Forschung, z.B. HILLENBRAND, S. 220: „(...) der Generalmagister des römischen Ordenszweiges (leitete) eine Reform (ein), die wenig Zustimmung fand." Ebd., S. 229, zum Anfang des 15. Jhs.: „Die Reformarbeit (...) hatte einen kläglichen Ertrag gebracht." Ebenso ELM, Reformbemühungen, S. 9f.: „(...) die um 1390 von Raimund von Capua zunächst ohne rechten Erfolg eingeleitete (Reform)". 111

Eine detaillierte Beschreibung, wie er im Basler Kloster gewütet haben soll, gibt MEYER, Buch QF 3, S. 35f.

3. Das Scheitern der frühen

Observanz

33

haltig beeinflußt wurde. 112 Ein zentrales Anliegen der Observanzbewegung war die erneute Diskussion des Armutsideals. 113 Die ersten Reformer, unter der Führung von Konrad von Preußen in der Teutonia und Johannes Dominici in Italien, strebten nach strenger Armut. Darunter verstanden sie nicht strikte Besitzlosigkeit, sondern den Verzicht auf feste Einkünfte und Grundstücksbesitz. Diese Besitztitel sollten verkauft und der Erlös zum Nutzen des Konvents eingesetzt werden. Raimund forderte die freiwillige Armut mit dem Hinweis auf das Testament des Dominikus, in dem angeblich der Fluch über alle Konvente mit Besitz enthalten sein sollte. 1 1 4 Wie schwierig aber die Umsetzung der freiwilligen Armut war, zeigten die Auseinandersetzungen nach der Einführung der Observanz in Colmar. 115 Die Forderung, die strenge Form der Armut zu beachten, wurde in der zweiten Phase der Bewegung fallengelassen; bereits bei der Reform in Bern in Jahr 1419 spielte der Verzicht auf feste Einkünfte überhaupt keine Rolle mehr. 116 Der Ordensgeneral Bartholomäus Texerius, der seit 1426 die Reform seines Ordens vorantrieb, trat für eine gemäßigte Position in der Armutsfrage ein: Gemeinsamer Besitz sollte der Reform nützen und bereits bestehender Besitz wurde legalisiert. 117 So sollte in Basel bei Einführung der Observanz ausdrücklich kein Besitz veräußert werden. 118 Durch den Kompromiß in der Armutsfrage hatten sich die Observanten den Konventualen in einem entscheidenden Punkt angenähert. Nachdem Papst Sixtus IV. dem Orden im Jahr 1475, als die Teutonia observant wurde, erlaubte, Einkünfte jeder Art 112

Selbst die jüngste Arbeit zur Dominikanerobservanz von NEIDIGER, Armutsbegriff, geht auf diesen Punkt nicht weiter ein. Nur am Rande erwähnt ELM, Verfall, die Dominikanerobservanz. 113 Zum Folgenden ELM, Reformbemühungen, S. 15; LÖHR, Mendikantenarmut, S. 417-425; ALCE, S. 341. HILLENBRAND, S. 264f., weist auch darauf hin, daß nach Einführung der Reform in vielen Konventen die Vermögens- und Rechtsfragen neu geordnet werden, wie die neu angelegten Kopialbücher aus dieser Zeit zeigen. NEIDIGER, Armutsbegriff, 120f.; einen Überblick über Entwicklung und praktische Umsetzung des Arrmutsgebots bei FRANK, Isnard W.: Ordensarmut und missae speciales bei den spätmittelalterlichen Mendikantenorden. In: Hilberath, Bernd Jochen / Sattler, Dorothea (Hrsg.): Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die Eucharistie. Mainz 1995, S. 208-224; EGGER, S. 1 lf. 114

CORMIER, S. 117-119 (§ 23), hier S. 118. Vgl. auch Anm. 51. CREYTENS, a.a.O.

115

Dazu Abschnitt ΙΠ 2.1.

116

NEIDIGER, A r m u t s b e g r i f f , S. 127; MEYER, B u c h Q F 3, S. 50; HILLENBRAND, S. 2 3 2 .

117

Zum Folgenden LÖHR, Teutonia, S. 2-8; S. 19-23; S. 53-63 (Nr. 6). Auch in Italien setzte sich die strenge Armut, wie sie Dominici angestrebt hatte, nicht durch: Sein Schüler, Antonin von Florenz, nahm eine weitaus gemäßigtere Haltung in der Armutsfrage als sein Lehrer ein, dazu LÖHR, Mendikantenarmut, S. 426f.; SPICCIANI, Amleto: Capitale e interesse tra mercatura e povertä nei teologi e canonisti dei secoli XIII-XV. R o m 1990, bes. S. 167f.; vgl. auch LAMBERMOND, S. 9 3 f . 118

LÖHR, Teutonia, S. 53-63; NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 128, vgl. auch S. 139-141.

34

111. Die

Dominikanerobservanz

uneingeschränkt zu besitzen, nahmen auch die Observanten dieses Privileg in Anspruch. 119 In der zweiten Hälften des 15. Jhs. rühmte Johannes Meyer im Rückblick wehmütig die einst hohen Ideale der ersten obervanten Brüder: oboedientia

perfectior,

paupertas

strictior

et castitas

purior.120

Die wenigen Observanten in der Teutonia standen einer überwältigenden Mehrheit von Konventualen gegenüber. Eines der größten Probleme der Reformer war vermutlich ihre geringe Zahl. Konrad zog zu Beginn der Reform mit dreißig reformwilligen Brüdern in den Colmarer Konvent ein, so berichtete es jedenfalls Meyer. 121 Diese Anzahl von überzeugten Brüdern wurde in den folgenden Jahren nicht größer, sondern sogar eher kleiner. Als Amtsinhaber werden nur einige und immer die gleichen Brüder genannt. Für die erfolgreiche Reform der gesamten Ordensprovinz war jedoch diese Gruppe von Observanten eindeutig zu klein. Sie waren zudem existentiell auf die Unterstützung und Förderung durch ihre übergeordneten Instanzen angewiesen. So kam die Observanz zwangsläufig zum Erliegen, als Ulrich Theobald! 1397 das Amt des Provinzials verlor und Raimund von Capua 1399 verstarb. Auch der wiederholte, pflichtschuldige Hinweis auf die Bedeutung der tradierten Konstitutionen und der Regel, den die Provinzkapitel in dieser Zeit gaben und mit der Anmerkung versahen, daß alle Fragen dort bereits geregelt seien, konnten der Observanz keinen neuen Schwung verleihen. 122 Βonifaz IX. versuchte zwar noch halbherzig, den neuen Generalmagister Thomas von Firmo zu verpflichten, weder in der Gegenwart noch in der Zukunft etwas gegen die Observanz zu unternehmen, aber dies blieb nur ein Wunsch des Papstes, der vom neuen Generalmagister nicht weiter beachtet wurde.123 Schon die Wahl Thomas' von Firmo war ein Zeichen dafür, daß die strengen Observanten ihren Einfluß eingebüßt hatten. 124 Bereits während Raimunds Amtszeit war der Papst den 119

NEIDIGER, A r m u t s b e g r i f f , S. 139.

120

MEYER, Chronica, S. 7 3 .

121

Siehe Abschnitt ΙΠ 2.1.

122

REICHERT, A k t e n , S. 2 8 8 - 3 3 1 ; z u m Provinzkapitel in K ö l n v o n 1 3 9 8 , S. 2 9 4 :

Imprimis

cum constitutiones nostri ordinis sint fiindamentum nostre religionis, patet, quod non est aliud ponendum. Ebenso Ulm 1404, S. 302; Antwerpen 1401, S. 313; Augsburg 1402, S. 323. 123

B O P 2, S. 4 1 5 , Nr. 173, ( 1 4 0 1 März 2 5 ) ; MEYER, Chronica S. 78; DlETLER, S. 2 4 5 - 2 4 8 ;

KAEPPELI, Scriptores 4, S. 3 6 2 - 3 6 5 , Nr. 3 7 9 1 - 3 8 0 4 ; vgl. auch MORTIER 4, S. 1 - 8 4 . 124

E b e n s o KOUDELKA, Heinrich, S. 29; und BAILEY, S. 3 5 , mit H i n w e i s auf d i e F e i n d s c h a f t

zwischen Thomas und Johannes Dominici. WOLFS, Servatius P.: Die Reise des Ordensmeisters Thomas von Fermo in die nördlichen Niederlande (Frühjahr 1403). In: AFP 48 (1978), S. 7785, versucht hingegen, Thomas als strikten Observaten darzustellen, was ihm jedoch nicht überzeugend gelingt. BARTHELME, S. 39, spricht sogar von einem Kampf Thomas' gegen die Observanten, der noch aus der Zeit stamme, als er Provinzial der Lombardei gewesen sei und Dominici dort Konvente der Observanz zugeführt habe: ,JEntre lui (Thomas) et I'observance, c'etait la lutte sans merci (...)•"

3. Das Scheitern der frühen Observanz

35

Wünschen des Generalmagisters vermutlich nur gefolgt, um eine Abwanderung des römischen Ordenszweigs zum Gegenpapst zu verhindern. Nach Raimunds Tod war Bonifaz deshalb auch rasch bereit, auf Drängen des neuen Ordensgenerals Thomas im April 1402 das Amt des Vikars generell abzuschaffen und dafür die Zuständigkeit der Provinziale wieder zu betonen. Dies bedeutete das Ende für die Observanz, da damit automatisch auch Konrad aus dem Amt gestoßen und ihm seine Rechte entzogen wurden.125 Konrad war seit Beginn des 15. Jhs. schwer erkrankt und zog sich resigniert vor den Gegnern der Observanz, die inzwischen die Macht im Orden übernommen hatten, als Seelsorger in die Abgeschiedenheit des Frauenklosters Schönensteinbach zurück.126 Ein großer Nachteil für die erste Phase der Observanzbewegung bestand darin, daß sie in die Zeit des Großen Schismas fiel. Raimund von Capua wurde von Seiten der Konventualen immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, die Reform spalte den bereits durch das Schisma zerrissenen Orden ein weiteres Mal. In einem Brief vom März 1395 erwiderte er, jeder Orden sei stets in vollkommenere und weniger vollkommene Brüder unterteilt.127 Die Behauptung, diejenigen, die den Konstitutionen folgten, würden den Orden spalten, bedeute, daß diejenigen, die den Orden bildeten, ihn auch spalteten, quod est clare contradicere sibi ipsi.l2% Aber erst das Ende des Schismas konnte die potentielle Gefahr einer weiteren Spaltung des Ordens endgültig abwenden: Nachdem sich die beiden Obödienzen des Ordens wieder vereint hatten, erlebte die Reform ihren Durchbruch. Die konventualen Prioren fürchteten aber nicht nur die fortgesetzte Spaltung ihres Ordens, sondern fühlten sich durch die Ernennung von Vikaren für einzelne Konvente immer häufiger in ihren Rechten eingeschränkt. Ebenso geriet der Provinzialprior in bezug auf seine Rechte in Konkurrenz zum observanten Generalvikar. Die vom Generalmagister eingesetzten Vikare konnten zudem nicht vom Generalkapitel turnusgemäß abgesetzt und damit kontrolliert werden. Bereits auf dem Generalkapitel in Ferrara 1391 hatten die Konventualen auf die Absetzung Konrads von Preußen gedrängt. 129 Diese Forderung verstummte auch in den folgenden Jahren nicht, und deshalb wandten sich Konrad und Johannes Dominici im April 1397 mit der Bitte um Klärung an den Papst. Bonifaz IX. erließ daraufhin eine Bulle, in der er das Reformwerk Raimunds und der observanten Brüder bestätigte und jede Einmischung und Behinderung bei Strafe der Exkommunikation verbot. Die Generalvikare 125

BOP 2, S. 445 (1402 April 27).

126

MEYER, Liber, S. 57f.; DERS., B u c h QF 3, S. 23f.

127

CORMIER, S. 8 4 - 9 4 (§ 14).

128

CORMIER, S. 8 4 - 9 4 (§ 14), hier S. 89f.

129 D a z u Abschnitt ffl 2.1.

36

III. Die

Dominikanerobservanz

dürften nur vom Papst oder dem amtierenden Generalmagister abgesetzt werden. 130 Diese Anweisung wurde auf dem Generalkapitel in Frankfurt an Pfingsten 1397 öffentlich verlesen. Der Orden gelobte pflichtschuldig, dem Papst in allem zu gehorchen und alle Anordnungen des Generalmagisters zur Einführung der Observanz zu befolgen und zu fördern, da sonst die von Bonifaz IX. in Aussicht gestellte Exkommunikation drohe. 131 Die Anfeindungen Konrads hatten auch nach dem Kapitel nicht aufgehört, denn bereits im Juli 1397 mußte der Generalmagister erneut bestätigen, daß Konrad rechtmäßig das Amt des Generalvikars ohne Unterbrechung bekleide, da die vorgenommene Amtsenthebung der Vikare durch das Kapitel für Konrad nicht gelte. 132 Ihre Rechte sahen die Prioren aber nicht nur durch die observanten Vikare beschnitten, sondern auch durch das Eingreifen von observanten Brüdern in den jeweiligen Konventen, die während der Einführung der Reform plötzlich über die internen Belange eines Konvents entschieden. Sie empfanden diese Brüder als fremd, alieni, und wehrten sich gegen deren Einflußnahme.133 Seit 1390 war zudem in der Teutonia ein Machtkampf um die Leitung der Provinz entbrannt. Im April 1390 hatten Ulrich Theobaldi und Nikolaus Böckeier gemeinsam mit dem Generalprokurator und dem Sekretär des Ordensgenerals den amtierenden Provinzialprior der Teutonia, Petrus Engerlin, von seinem Amt entbunden.134 Wenige Tage nach Engerlins Absetzung wurde Theobaldi mit Generalvollmacht ausgestattet und zum Vikar der Provinz ernannt, auf dem Kapitel in Worms zum Provinzial gewählt und im November desselben Jahres in diesem Amt bestätigt.135 Zwischen Theobaldi und Engerlin scheint eine persönliche Feindschaft bestanden zu haben - vermutlich schon vor der Absetzung Engerlins. Im Jahr 1395 bildete sich um Engerlin eine Gruppe, die nun im Gegenzug Ulrich Theobaldi als amtierenden Provinzialprior stürzen 130

BOP 2, S. 362 (1397 April 9) (= MORT1ER 3, S. 572f„ Anm. 1); vgl. auch DlETLER, S. 218f. 131

MOPH 8, S. 93-102, hier S. 100.

132

CORMIER, S. 13lf. (§ 27).

133

CORMIER, S. 133-139 (§ 28), i.e. eine Liste von ausgewählten Stellungnahmen Raimunds zu den häufigsten Kritikpunkten an der Reform, vermutlich kurz vor seinem Tod 1399 aufgezeichnet. 134

REICHERT, Registrum, S. 9f. (1390 April 11, April 26) (= KAEPPELI, Registrum, S. 133f., Nr. Τ 85, 91); vgl. auch REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 83-87. Petrus Engerlin hatte das Amt in den Jahren 1384-1390 und 1399-1402, Ulrich Theobaldi von 1390-1398 inne, dazu MEYER, Chronica, S. 72. 135

Zur Ernennung zum Vikar siehe REICHERT, Registrum, S. 10 (1390 April 26) (= KAEPPELI, Registrum, S. 134, Nr. Τ 92); zur Wahl zum Provinzial siehe VON LOß, S. 15 (Nr. 36), 36; zur Bestätigung im Amt siehe REICHERT, Registrum, S. 11 (1390 Nov. 11) (= KAEPPELI, Registrum, S. 135f., Nr. Τ 117).

3. Das Scheitern der frühen

Observanz

37

wollte, was ihr aber erst zwei Jahre später gelang. Raimund von Capua beauftragte im Mai 1395 Adam von Gladbach,136 eine Liste mit Anklagepunkten zu überprüfen und ein gerechtes Urteil zu fällen. 137 Bestätigten sich die Vorwürfe, solle er Theobaldi zum Rücktritt bewegen; würde dieser nicht einwilligen, könne Adam ihn auch zwangsweise von seinem Amt entbinden. Für den Fall, daß die Teutonia dadurch zeitweilig ohne Provinzial sei, wurde Adam zum Vikar mit Generalvollmacht ernannt. Es gelang aber Adam in der Folge nicht, den Streit zu schlichten. Raimund bestätigte noch am 22. November Ulrich Theobaldi als verum provincialem der Teutonia und befahl allen Brüdern der Ordensprovinz, ihm zu gehorchen.138 Der Konflikt scheint aber der Ordensleitung zunehmends entglitten zu sein, denn nur zwei Tage später, am 24. November, ordnete Raimund an, daß diejenigen Prioren, die inzwischen mit Adam gegen den Provinzial Partei ergriffen hatten, Theobaldi bis zu seiner, d.h. Raimunds, persönlichen Ankunft in der Provinz nicht zum Rücktritt zwingen könnten. 139 Wenige Tage später ernannte Raimund den Widersacher Theobaldis, Petrus Engerlin, zum Vikar der Nation Schwaben und ordnete an, daß Engerlin nicht durch den noch amtierenden Provinzial, also Theobaldi, des Amtes enthoben werden könne.140 Wer dem Kreis angehörte, der sich um Adam gegen Theobaldi scharte, bleibt im dunkeln. Ebenso ist unklar, was danach geschah, denn das Ordensregister verzeichnet nur, daß zwei Jahre später, im Dezember 1397, Theobaldi von Raimund ohne Angabe von Gründen offiziell entlassen wurde.141 Bis zur Wahl eines neuen Provinzials wurde Petrus Florin Vikar mit Generalvollmacht für

136

Adam stammte aus dem Kölner Konvent (deshalb häufig Adam von Köln), im Jahr 1395 wurde er Inquisitor der Kölner Diözese, Vikar der Teutonia und Vikar der Natio Brabantiae; 1397 wurde er Prior des Kölner Konvents; dazu REICHERT, Registrum, S. 16 (1395 Mai 20) (= KAEPPELI, R e g i s t r u m , S. 1 4 1 , Nr. Τ 1 6 8 ) ; ebd., S. 18 ( 1 3 9 5 N o v . 2 2 u n d 2 4 ) ( = KAEPPELI,

Registrum, S. 143, Nr. Τ 190; 193), ebd., S. 23 (1397 Dez. 24) (= KAEPPELI, Registrum, S. 148f., Nr. Τ 238); von 1402-1408 war er Provinzial (VON LOE, S. 15). Vgl. auch REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 88f. 137

Zum Folgenden REICHERT, Registrum, S. 16 (1395 Mai 20); ebd., Anm. 2. (= KAEPPELI,

Registrum, S. 141, Nr. Τ 168). Die Liste der Anklagepunkte ist nicht überliefert. 138

REICHERT, Registrum, S. 17 (1395 Nov. 22) (= KAEPPELI, Registrum, S. 142, Nr. Τ 181-

184). 139

REICHERT, Registrum, S. 18 (1395 Nov. 24) (= KAEPPELI, Registrum, S. 143, Nr. Τ

194). 140

REICHERT, Registrum, S. 18 (1395 Nov. 27) (= KAEPPELI, Registrum, S. 143, Nr. Τ

195). 141

REICHERT, Registrum, S. 23 (1397 Dez. 24) (= KAEPPELI, Registrum, S. 148f., Nr. Τ 238).

38

III. Die

Dominikanerobservanz

die Teutonia.142 Theobaldi wurde kurz darauf Vikar des Predigerkonvents und der Schwesternkonvente in Basel, wohl um dort 1398 einen Reformversuch einzuleiten, von dem aber nichts weiter bekannt ist. 143 Diese Maßnahme Raimunds zeigt, daß er in Theobaldi einen Befürworter der Reform sah. So hatte der Generalmagister bereits 1395 gehofft, Theobaldi sei in der Lage, in Würzburg Johannes Mulberg wieder in sein Amt als Prior einzusetzen, nachdem dieser von den Konventualen aus dem Kloster vertrieben worden war. Im Herbst des Jahres 1398 wurde Florin zum neuen Provinzial gewählt,144 er verstarb aber bereits im folgenden Jahr. Danach gelang es Petrus Engerlin, von 1399 bis 1402 das Amt des Provinzials zu übernehmen. Jahrelang waren also führende Brüder der Teutonia - vor allem Ulrich Theobaldi, Petrus Engerlin und Adam von Gladbach - mit dem Ringen um die Vormacht in der Provinz und dem Austragen von persönlichen Feindschaften beschäftigt. Die Observanten in der Teutonia hatten an der Wende zum 15. Jh. mit einer Vielzahl von Widerständen zu kämpfen: Nach außen standen sie in Opposition zur überwältigenden Mehrzahl der Brüder, die konventual waren; innerhalb ihrer Ordensprovinz tobte ein Machtkampf, der wenig Platz für das Anliegen der Reform ließ; und das Schisma hatte den Orden bereits in zwei Obödienzen gespalten. Deshalb mußte ihr ehrgeiziges Projekt, die Reform der Provinz Teutonia - oder am besten des ganzen Ordens - durchzuführen, scheitern.

142

REICHERT, Registrum, S. 26 (1398 Febr. 26) (= KAEPPELI, Registrum, S. 151, Nr. Τ

258). 143

REICHERT, Registrum, S. 26f. (1398 April 11) (= KAEPPELI, Registrum, S. 152, Nr. Τ

267). NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 75. 144

REICHERT, Registrum, S. 32 (1398 Sept. 5) (= KAEPPELI, Registrum, S. 158, Nr. Τ 315). Florin wurde im reformierten Colmarer Konvent begraben, dazu REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 8 7 .

IV. Der Basler Beginenstreit

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum Seit dem 13. Jh. waren sowohl in zahlreichen Städten wie Köln, Konstanz, Straßburg und Basel 1 als auch auf dem Land religiöse Laien anzutreffen, die nachträglich unter dem Sammelbegriff Beginen und Begarden zusammengefaßt wurden und seit längerem das Interesse der Forschung gefunden haben. 2 Von 1

Für Basel erfolgt die erste urkundliche Erwähnung einer Begine im Jahr 1271, vgl. URKUNDENBUCH BASEL 2, S. 41f., Nr. 73; vermutlich gab es aber bereits seit der Mitte des 13. Jhs. Beginen, vgl. JAFFE, Philippe (Hrsg.): Annales Colmarienses maiores a. 1277-1472. In: Perz, Georg Heinrich (Hrsg.): Annales aevi Suevici. Stuttgart 1861 (MGH SS 17), ad a. 1282, S. 209: Begina virgo devota, ut dicebatur, 30 annos habitum deferens religiosum, in Basilea laqueo se suspendit. Begarden sind seit dem Ende des 13. Jhs. nachweisbar, dazu HS IX/2, S. 200. 2

Das Beginen- und Begardenwesen stellte erstmals 1790 MOSHEIM, De Beghardis et Beguinabus commentarius, in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Im 19. Jh. wandte sich SCHMIDT, Charles [= Carl]: Die Strassburger Beginenhäuser im Mittelalter. In: Alsatia N.F. (1858-1861), S. 142248, dieser Lebensform und HAUPT, Beiträge (1885), häresiegeschichtlichen Fragestellungen zu. Regionalgeschichtliches Interesse bestimmte die Arbeiten über das Schweizer und das Kölner Beginentum, die während der ersten Jahrzehnte des 20. Jhs. entstanden, so MEIER, Gabriel: Die Beginen in der Schweiz. In: ZSKG 9 (1915), S. 23-34; 119-133, und ASEN, Johannes: Die Beginen in Köln. In: AHVN 111 (1927), S. 81-180; 112 (1928), S. 13-96; DERS.: Die Begarden und Sackbrüder in Köln. In: AHVN 115 (1929), S. 167-179. Eine Verbindung zur Frömmigkeitsbewegung im 12. Jh. im Hinblick auf den belgisch-niederländischen Raum schuf als erster GREVEN, Joseph: Die Anfänge der Beginen: Ein Beitrag zur Geschichte der Volksfrömmigkeit und des Ordenswesens im Hochmittelalter. Münster 1912. Grundlegend für die Erforschung des Beginentums sind immer noch die Arbeiten GRUNDMANNS, Religiöse Bewegungen (1935) sowie DERS., Zur Geschichte der Beginen im 13. Jahrhundert. In: AKG 21 (1931), S. 296-320, in denen er einen Zusammenhang mit der Geschichte der Ketzerei und dem Entstehen der Bettelorden aufzeigte. Darauf aufbauend entstanden eine Vielzahl von Einzeluntersuchungen, von denen hier nur einige der wichtigsten genannt werden sollen: zu Straßburg PHILLIPS, Dayton: Beguines in Medieval Strasburg: Α Study of Social Aspect of Beguine Life. Ann Arbor / MI 1941, und PATSCHOVSKY, Straßburg (1974); eine Zusammenfassung der Forschungsprobleme mit dem Schwerpunkt Niederlande von MENS, Alcantara: Oorsprong en betekenis van de Nederlandse Begijnen- en Begardenbeweging, vergelijkende Studie: Xllde XHIde eeuw. Antwerpen 1947, und Belgien von MCDONNELL (1954); zum Mittelrhein NEUMANN, Eva Gertrud: Rheinisches Beginen- und Begardenwesen. Meisenheim 1960; zu Frankfurt SPIES, Martina: Beginengemeinschaften in Frankfurt am Main: Zur Frage der genos-

40

IV. Der Basler Beginenstreit

ihren Zeitgenossen wurden sie häufig Brüder und Schwestern, Konversen oder deo devotae genannt. Diese laikale Lebensform wählten sehr viel weniger Männer als Frauen. Seit dem 14. Jh. geriet das Beginentum wiederholt unter Häresieverdacht, der häufig in Verfolgungen einmündete, wie Alexander Patschovsky exemplarisch für Straßburg gezeigt hat. 3 Eine wichtige Etappe im Ringen um eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen rechtgläubigen und häretischen Beginen und Begarden bildete das Vienner Konzil 1311/12, dessen Beschlüsse zwar keine klaren Richtlinien enthielten, aber einen Klärungsprozeß in Gang setzten, der jahrzehntelang andauern sollte. 4 In der Dekretale Cum de quibusdam5 wurde der status Beguinarum verboten, da seine Anhängerinnen weder ein Gelübde abgelegt, noch eine approbierte Regel angenommen hätten und sich mit dem Tragen eines Habits den Stand der Religiösen anmaßten. Dieses strikte Verbot wurde jedoch im Schlußsatz für diejenigen Frauen, die ein senschaftlichen Selbstorganisation von Frauen im Mittelalter. Dortmund 1998; zu Mittel- und Norddeutschland siehe auch NORDSIEK, Hans: V o m Beginenhaus zum Armenhaus: Zur Geschichte der Mindener Beginen (1295-1839). In: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 61 (1989), S. 19-44; PETERS, Günther: Norddeutsches Beginen- und Beghardenwesen. In: NdsJb 41/42 (1969/70), S. 50-118; zu Holland NÜBEL, Otto: Mittelalterliche Beginen- und Sozialsiedlungen in den Niederlanden. Tübingen 1970, und KOORN, Florence W.: Begijnhoven in Holland en Zeeland gedurende de Middeleeuwen. Assen 1981; im Hinblick auf den geistesgeschichtlichen Hintergrund LERNER (1972) und SCHMITT, Mort (1978); zu Hildesheim HOTZ, Brigitte: Beginen und willige Arme im spätmittelalterlichen Hildesheim. Hildesheim 1988; die wichtigsten Arbeiten zu Basel stammen von DEGLER-SPENGLER, Beginen in Basel (1969/70), NEIDIGER, Mendikanten (1981), und PATSCHOVSKY, Beginen (1993). Ein allgemeiner Überblick über die Geschichte des Beginentums in seinen vielfältigen Organisationsformen, der möglichen Verklösterlichung der Gemeinschaften und dem Wandel im Laufe der Jahrhunderte findet sich in den neueren Arbeiten, mit zahlreichen Beispielen aus dem Bodenseeraum bei WILTS (1994), bes. S. 35-45, 217-222, zum ländlichen Beginentum S. 239-267; und mit einer Zusammenfassung der Forschung und einem systematischen Überblick mit Schwerpunkt auf dem Schweizer Raum in HS IX/2: Die Beginen und Begarden in der Schweiz (1995). Eine Zusammenstellung von überwiegend bereits publizierten Aufsätzen bietet der jüngste Sammelband von WEHRLI-JOHNS / OPITZ. Vgl. in diesem Band besonders die Einleitung von WEHRLI-JOHNS und zum Ungleichgewicht zwischen Beginen und Begarden SPIES, Martina: Stiftungen für Beginengemeinschaften in Frankfurt am Main - Ein Austausch zwischen Beginen und Bürgerschaft, S. 139-167, hier S. 160-163. 3

PATSCHOVSKY, Straßburg (1974). Eine neue, umfassende Studie zu Straßburg bereitet Sigrid Schmitt (Mainz) derzeit zu Stiftsdamen, Klosterfrauen und Beginen vor. 4

TARRANT, Jacqueline: The Clementine Decrees on the Beguines: Conciliar and Papal Versions. In: ΑΗΡ 12 (1974), S. 300-308; POLONYI, Andrea: Synodale Gesetzgebung in der Kirchenprovinz Mainz, dargestellt an der Beginenfrage. In: RottJbKG 5 (1986), S. 33-51; GRUNDMANN, Religiöse Bewegungen, S. 436-438; MCDONNELL, S. 521-538; SOUTHERN, S. 328-331; KLECKHEFER, S. 19-22. 5

Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed. Conc. Oecumen. Decreta, S. 374).

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum

41

frommes und ehrenwertes Gemeinschaftsleben führten, wieder aufgehoben. Gleichzeitig wurden in Ad nostrum6 acht Irrtümer der sogenannten freigeistighäretischen Begarden und Beginen zusammengestellt und verurteilt. Sie wurden in der Folgezeit bei jeder Auseinandersetzung um die Unrecht- oder Rechtmäßigkeit des Beginenstatus von den Zeitgenossen als Instrument der Klärung angeführt. Die Vienner Beschlüsse zogen eine Verfolgungswelle der Beginen und Begarden nach sich, die in den Jahren von 1318 bis 1321 auch Basel erfaßte. 7 Um erneute Verfolgungen abzuwenden, sollten die Beginen und Begarden organisatorisch enger an die Orden gebunden werden. Dies geschah, indem sie der Regel des Dritten Ordens, meist derjenigen der Franziskaner, unterstellt wurden, die speziell für Laien konzipiert worden war.8 Die nichtinkorporierten Gemeinschaften folgten häufig der Augustinusregel und erhielten die Seelsorge von den Dominikanern.9 Insgesamt zeichnete sich die weibliche Frömmigkeitsbewegung durch eine ungewöhnliche Flexibilität aus. Dies führte aber dazu, daß die Übergänge zwischen Beginensamnungen und Drittordenskonventen meist fließend waren und diese nachträglich oft nur annähernd einzuordnen sind. 10 Es gab aber auch weiterhin sogenannte „freie" Beginen, die einzeln oder gemeinschaftlich lebten, sich keinem Orden anschlossen und die Seelsorge von den Säkulargeistlichen erhielten. 6

Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1183f. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed. Conc. Oecumen. Decreta, S. 383f.).

7

WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 233-237; RIPPMANN, Dorothee: Archäologie und Frauengeschichte? Beginenverfolgung und Franziskaner im 14. Jahrhundert. Historische Aspekte eines archäologischen Befunds in Basel. In: Auf den Spuren weiblicher Vergangenheit (4. Schweizerische Historikerinnentagung). Zürich 1988, S. 95-106; VILLIGER, Johann B.: Das Bistum Basel zur Zeit Johannes XXII., Benedikts XII. und Klemens VI. (1316-1352). Rom 1939; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 25-28; GREIDERER, Germania Franciscana 2, S. 608f.; sehr ausführlich in HS IX/2, S. 202-204; ebd., S. 201 der Hinweis auf einen Häresieverdacht, der bereits 1290 Beginen und Begarden in Basel traf. Auch den Verfolgungen zu Beginn des 15. Jhs. gingen rechtliche Neuregelungen voraus, dazu VON HEUSINGER, Sabine: Beginen am Mittel- und Oberrhein zu Beginn des 15. Jahrhunderts. In: ZGO 148 (2000) (im Druck), bes. Anm. 84f. 8

Für die Basler Verhältnisse siehe DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 45-55; Mendikanten, S. 99-105, dort auch weiterführende Literatur. HS IX/2, S. 9, die erste soror tertie regule in Basel ist 1323 nachzuweisen, dazu ebd., S. 194; vgl. auch DEGLER, Brigitte: Drei Fassungen der Terziarenregel aus der Oberdeutschen Franziskanerprovinz. In: AFH 62 (1969), S. 503-517. NEIDIGER,

9

Die Existenz einer Drittordensregel des Dominikanerordens (sogenannte Munio-Regel) vor dem 15. Jh. bestreitet WEHRLI-JOHNS, Dominikanerobservanz; an dieser Stelle möchte ich Frau Wehrli-Johns danken, die mir ihren Beitrag bereits vor Drucklegung zur Einsicht überließ; im folgenden wird nach dem unveröffentlichten Manuskript zitiert. 10

Dem Sprachgebrauch der Helvetia Sacra IX/2 folgend werden Häuser von ordensungebundenen Beginen als Samnungen, von Terziarinnen als Konvente bezeichnet.

IV. Der Basler

42

Beginenstreit

Zu Beginn des 15. Jhs. hingen nur noch sehr wenige Begarden dieser laikalen Lebensform an, aber um so mehr Beginen, die sich fast alle einem Bettelorden angeschlossen hatten." Neben der Drittordensregel bestimmten die Hausregeln, welche die jeweiligen Stifter bei der Gründung der einzelnen Hausgemeinschaften erlassen und in denen sie eine eventuelle Ordensbindung festgelegt hatten, das Leben der Beginen entscheidend. 12 U m 1400 gab es wohl zwanzig Beginen- und zwei Begardenhäuser in Basel. Sechs Beginenhäuser waren den Predigern und elf den Barfüßern unterstellt, vermutlich stand das Haus der Münzmeisterin ebenfalls den Dominikanern nahe. 13 Das sogenannte DechansHaus war seit seiner Gründung ohne Ordenszugehörigkeit geblieben, 14 und bei einem weiteren Haus ist die Zugehörigkeit unklar. 15 Außerdem gab es zwei Begardenhäuser in Basel, aber nur bei einem Haus ist seine Existenz nach 1400 gewiß. 1 6 Vielleicht gab es auch noch einige, wenn auch wenige, „freie" Beginen, die sich keinem konventähnlichen Haus zuordnen lassen. 1 7 Die Frauen und Männer stammten zu diesem Zeitpunkt zum größten Teil aus dem Basler Umland und gehörten ärmeren Schichten an. 18 Das bedeutet, daß sie ohne Besitz und in der Stadt nicht mehr sozial integriert waren. 19 Schätzungen gehen für Basel im Jahr 1400 bei rund 10 000 Einwohnern von annähernd 400 Beginen aus, die zum allergrößten Teil in Beginenhäusern lebten. 20 11

Davon gehen auch WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 804, und NEIDIGER, Mendikanten, S. 127f., aus. 12

Die überlieferten Gründungs- und Statutenurkunden für Basel wurden ediert von DEGLERSPENGLER, Beginen BZGA 70, Anhang C, S. 53-83; vgl. auch HS IX/2, S. 198. 13

HS IX/2, S. 238f.; bei der Namensgebung der Häuser folge ich dem Band HS IX/2.

14

Da HS IX/2, S. 192-241, hier S. 192, überwiegend auf den Vorarbeiten von DEGLERSPENGLER, Beginen, basiert, ist diese frühere Arbeit immer noch grundlegend; zu den einzelnen Häusern vgl. DIES., Beginen BZGA 70, S. 52f., 79-82; das Dechans Haus muß mindestens bis 1408 von Beginen bewohnt worden sein, da von 1405-1408 Anna de Constantia als Meisterin belegt ist, siehe ebd., S. 53; ergänzend zu den einzelnen Häusern vgl. HS IX/2, S. 222-241. 15

Das Alte Spital zu St. Leonhard, dazu DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 70, S. 41; HS IX/2, S. 229f. 16

DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 76; HS IX/2, S. 232f., zum Haus zu den Willigen Armen in der St. Johannvorstadt, das zuletzt 1363 urkundlich belegt ist; S. 239f., zum Haus zu den Willigen Armen in der neuen Vorstadt, das dem Beginenstreit 1409 zum Opfer fiel. 17

DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 70, S. lOlf.

18

DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 65; in Anlehnung daran HS IX/2, S. 195.

19

DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 67.

20

Die Schätzungen folgen der Darstellung des Forschungsstandes bei DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 40-42. Sie verweist für die Zeit um 1400 für Köln auf weit über 1000, für Mainz auf etwa 60 und für Straßburg auf rund 600 Beginen; ihr folgt HS IX/2, S. 194. WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 804, geht von knapp 30 Beginenhäusern in Basel aus, vgl. dazu Abschnitt IV 5.2.

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum

43

Auseinandersetzungen um Beginen waren seit dem 14. Jh. nichts Ungewöhnliches. Aber nur in Basel gipfelten sie darin, daß alle Frauen am Ende der Auseinandersetzungen aus der Stadt verjagt wurden. Hier wurde das Beginentum als gemeinschaftliche Lebensform vollständig und endgültig zerschlagen. In den bekannten Fällen agierten in aller Regel die Bettelorden in der Beginenfrage gemeinsam gegen den Säkularklerus, der wirtschaftliche Nachteile befürchtete, wenn Beginen und Begarden sich in die Seelsorge der Mendikanten begaben. In Basel standen nur die Franziskaner ohne Unterbrechung auf der Seite der Beginen; gegen sie kämpften der Bischof, der Säkularklerus und überraschenderweise auch die Augustiner-Eremiten und die Mehrheit der Dominikaner. Der Rat war gespalten, er fällte aber seine Entscheidungen letztendlich im Sinn der Gegner der Frauen. Als Anführer der Beginengegner trat der Dominikaner Johannes Mulberg auf. Der Beginenstreit wurde bisher mehrfach im Rahmen von Arbeiten zu Basels mittelalterlicher Geschichte behandelt - eine monographische Darstellung des Themas gibt es bislang nicht. Die älteste umfangreichere Bearbeitung legte 1580 Christian Wurstisen in seiner Baßler Chronick vor. 21 Sie wird immer noch für jede Untersuchung herangezogen, da sie, neben seiner Auswertung der Basler Handschrift A IX 21, 22 wohl auf Quellen basiert, die heute nicht mehr erhalten sind. Zudem sind seine Vorarbeiten, 23 die nur zum Teil identisch mit der Chronik sind, zu beachten. Beide Werke müssen durch weitere Zeugnisse, sofern dies möglich ist, ergänzt werden, da Wurstisen nicht immer ein zuverlässiger Chronist war. Um die Wende vom 18. zum 19. Jh. entstand die mehrbändige Geschichte der Stadt Basel von Peter Ochs, der die chronikalische Überlieferung mit zahlreichen Anekdoten mischte. 24 Eine erste Aufzählung der Basler Beginenhäuser gab im 19. Jahrhundert Daniel A. Fechter. 25 Zu Beginn unseres Jahrhunderts verfaßte Rudolf Wackernagel seine noch heute grundlegende Stadtgeschichte. 26 Aus der Sicht der Basler Prediger stellte Georg

21

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 202-213, 216-220.

22

Überliefert in BASEL UB; vgl. auch Abschnitt VI, Anm. 1.

23

Erhalten in BASEL UB, Α λ II 14, Bl. 336-351.

24

OCHS, Geschichte der Stadt und Landschaft Basel 3, S. 35-102.

25 FECHTER, Daniel Α.: Topographie mit Berücksichtigung der Kultur- und Sittengeschichte in Basel im 14. Jahrhundert. Basel 1856, S. 1-146. 26

Zum Beginenstreit WACKERNAGEL, Geschichte 2,2 (1916), S. 800-809, 164*-166*; vgl. auch STÜDELI, Bernhard E. J.: Minoritenniederlassungen und mittelalterliche Stadt. Beiträge zur Bedeutung von Minoriten- und anderen Mendikantenanlagen im öffentlichen Leben der mittelalterlichen Stadtgemeinde, insbesondere der deutschen Schweiz. Werl 1969, S. 33-36, 80f., 85, 98, 116-118.

44

IV. Der Basler Beginenstreit

Boner 2 7 den Streit dar, wobei er als erster das unpublizierte Material des Faszikels Prediger Ν 5 auswertete. 28 Brigitte Degler-Spengler ergänzte den bekannten Forschungsstand durch das von ihr erstmals erfaßte und bereitgestellte Material zum Basler Beginen- und Begardentum 29 und zog zehn Jahre später eine Bilanz der neueren Forschung. 30 Den Stadt- und regional geschichtlichen Ansatz ließ Jean-Claude Schmitt zugunsten einer mentalitätsgeschichtlichen Fragestellung beiseite. 31 Er vertrat die spannende These, um das Jahr 1400 habe ein einschneidender Wechsel in der Polemik gegen Beginen und Begarden stattgefunden: Bis zu diesem Zeitpunkt seien sie als potentielle Ketzer attackiert worden, danach habe man ihnen primär vorgehalten, zu betteln statt zu arbeiten. Einige Jahre später gelang es Bernhard Neidiger, die wirtschaftlichen Verflechtungen der Bettelorden mit den städtischen Gruppen auf einer breiten Quellenbasis transparent zu machen und damit diejenigen zu benennen, die von den Beginen profitierten. Die Dominikaner hatten seit dem beginnenden 14. Jh. ihre enge Verbindung mit den Beginen gelockert und betreuten sie in den meisten Fällen nur noch seelsorgerisch, eine wirtschaftliche Hilfsfunktion für die Prediger hatten die Dominikanerinnen im Kloster Klingental übernommen. 3 2 Bei den Barfüßern hingegen wurde das Vermögen des Männerkonvents bis in die 1380er Jahre von der sogenannten Regelmeisterin verwaltet, 33 27

BONER, BZGA 33 und 34, zum Basler Beginentum Bd. 34, S. 132-137, zum Beginenstreit

S. 137-143. 28

Überliefert in BASEL STA.

29

DEGLER-SPENGLER, Beginen in Basel (1969/70), hier S. 32-39. Eine Rezension dieser Arbeit mit Forschungsüberblick zum Basler Beginentum von ELM, Kaspar: Klarissen und Beginen in Basel: Basler Beiträge zur Helvetia Sacra. In: FDA 90 (1970), S. 316-332. 30

DEGLER-SPENGLER, Brigitte: Der Beginenstreit in Basel 1400-1411. Neue Forschungsergebnisse und weitere Fragen. In: D'Alatri, Mariano (Hrsg): II movimento francescano della penitenza nella societä medioevale (Atti del 3 Convegno di Studi Francescani, Padova Settembre 1979). Rom 1980, S. 95-105. (Eine Zusammenfassung dieses Artikels gibt DIES.: Le controversie sulle beghine a Basilea 1400-1411, nuovi risultati della ricerca ed ulteriori punti da chiarire. In: L'Italia Francescana 54 (1979), S. 409-416). 31

SCHMITT, Mort, S. 40-45, 80-95, 112-117, 152-160, 205-213; zur Untersuchung von SCHMITT ergänzend die Rezensionen von DEGLER-SPENGLER, Brigitte: Beginen und Begarden am Oberrhein. In: ZKG 90 (1979), S. 81-84; LERNER, Robert: Rezension „J.-Cl. Schmitt, Mort d'une heresie". In: Speculum 54 (1979), S. 842-845. 32 33

NEIDIGER, Mendikanten, bes. S. lOlf.

Alle männlichen und weiblichen Mitglieder der Dritten Regel der Franziskaner waren im sogenannten Regelverband organisiert, dem die Regelmeisterin vorstand. Ihr waren sie zu Gehorsam verpflichtet, sie selbst unterstand dem Visitator, der Franziskaner war, und durch den der Orden die Aufsicht über den Regelverband ausübte. Die Regelmeisterin spielte verwaltungstechnisch eine zentrale Rolle für die Brüder: Vergabungen wurden meistens direkt an die Regelmeisterin gemacht, welche die daraus resultierenden Zinseinkünfte, ohne eigenen Gewinn,

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum

45

um nach außen den besonderen Armutsanspruch der Brüder aufrechterhalten zu können. Diese wirtschaftlichen Beziehungen wurden erst allmählich gelockert. Als die Beginen vertrieben wurden, brachen sowohl die noch bestehende Vermögensverflechtung als auch die Fassade der entsagungsreichen Armut der Barfüßer zusammen. 3 4 Eine differenziertere Sicht des Beginenstreits ermöglichte die Untersuchung von Alexander Patschovsky durch die Erschließung weiterer neuer Quellen. 35 Die bekannten Forschungsergebnisse faßte Veronika Feller-Vest in ihrem Beitrag für die Helvetia Sacra zusammen. 3 6 Hans-Jochen Schiewer schlug vor, in den Visionen der „Seligen Schererin", einer Begine, eine Propagandaschrift zu sehen, die während des Beginenstreits in Basel verfaßt wurde. 37 Ein völlig neues Erklärungsmodell legte Martina Wehrli-Johns direkt an die Brüder weiterleitete. Das Nutzungs- und Verfügungsrecht fiel den Brüdern zu, die Meisterin hatte also nur an Stelle der Minoriten Besitz und verwaltete diesen meist in Gemeinschaft mit dem Schaffner, der ab 1380 allmählich die ganze Besitzverwaltung übernahm. Diese Konstruktion erlaubte den Franziskanern, nach außen ihren besonderen Armutsanpruch aufrecht erhalten zu können. Daneben konnten die einzelnen Samnungen eigenen Besitz erlangen, der von der hausinternen Meisterin allein oder gemeinsam mit einem weltlichen Vogt verwaltet wurde. Nur wenn der Stifter dies verfügte, mußte ein Teil des Ertrags an die Brüder abgeführt werden; dazu NEIDIGER, Mendikanten, S. 99-126; DERS.: Liegenschaftsbesitz, S. 115-117. Die Rolle der Regelmeisterin erkannte schon WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 706, der sie „Zahlstelle, Filiale, Agentur" nannte; die Verquickung der Güter betonte DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 55-57. 34

NEIDIGER, Mendikanten, bes. S. 99-131; er erweiterte die bekannten Quellen zum Beginenstreit um BASEL UB, A VIII7, fol. 199Γ-205Γ; A VIII41, fol. 257r-262r (textgleich mit Ε I Ρ, fol. 105r-108v und BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 20)); A XI 55, fol. 103v-105r; Ε I V, fol. l r -31 r , 141r-142v, 458r-469r. 35

BASEL U B , Ε I l k , f o l . 375 R -392 R , 4 8 0 R - 4 8 4 \ 4 8 6 M 9 9 R ; F. L . V I 1, N r . 5, fol. 43 R -44 R . D i e

bei PATSCHOVSKY, Beginen, S. 406, Anm. 6 darüber hinaus genannten Quellen wurden bereits von NEIDIGER, Mendikanten, S. 235, herangezogen. 36

HS IX/2, S. 193-241, bes. 204-211. Siehe auch BAILEY, S. 138-149. Vgl. auch NEIDIGER, Dominikaner, der im Rahmen des demnächst erscheinenden Bandes HS IV/5 den Beginenstreit ebenfalls behandelt und mir dankenswerterweise bereits Einsicht in sein Manuskript gewährte. 37

SCHIEWER hält den Text der „Seligen Schererin," der von ihm ediert wurde, für eine profranziskanische Propagandaschrift, die während des Beginenstreits in Basel entstanden sei. Demnach ist die Schererin eine Basler Begine, die ihrem Beichtvater ihre Visionen mitteilt. Obwohl Schiewers Argumente an vielen Punkten bestechend sind, bleiben doch grundlegende Fragen offen, deren Beantwortung die Voraussetzung für eine eindeutige, zweifelsfreie Zuordnung wären. Es ist kaum vorstellbar, daß die Schererin als Begine von den Angriffen, denen Beginen in Basel ausgeliefert waren, überhaupt nichts wußte. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1409 tobte die Beginenverfolgung immerhin seit vier Jahren. Als ihr Beichvater sie gezielt auf Mulbergs Attacken anspricht, antwortet sie: „Herre, ich wüste nüt von der regelen, daz man in getrenge oder in kumber wer (...)" (ebd., S. 310). SCHIEWER geht fälschlicherweise davon aus, daß „nur dort (i.e. in Basel) die Auseinandersetzungen in rechtsförmlicher Form statt (fand)" (S. 295); der Bezug auf eine andere Stadt ist aber nicht auszuschließen, vgl. im folgenden Abschnitt

46

IV. Der Basler

Beginenstreit

vor, die den B e g i n e n s t r e i t und M u l b e r g s V o r g e h e n in B e z i e h u n g z u den italienischen Dominikanerobservanten setzte, die w o h l erst zu B e g i n n des 15. Jhs. eine Drittordensregel für ihren Orden schufen. 3 8 Im folgenden soll gezeigt werden, daß der ungewöhnliche Verlauf des Basler Streits e n t s c h e i d e n d v o n Johannes Mulberg geprägt wurde. Der Vorwurf des unerlaubten Bettels und die Armutsfrage, das W i e d e r a u f f l a m m e n des Konflikts i m Jahr 1411 und die R o l l e der Habsburger lassen sich nur vor d e m Hintergrund der Ordensreform verstehen. Darüber hinaus werden neue A s p e k t e der Basler Stadtgeschichte vorgestellt, die ebenfalls z u m spezifischen Verlaufs der Streitigkeiten beitrugen.

IV 6. Der Nachname „Scherer" ist z.B. nicht nur in Basel, sondern am gesamten Hoch- und Oberrhein sehr verbreitet; er läßt sich z.B. für Konstanz allein für das Jahr 1418 bei vier u n t e r s c h i e d l i c h e n P e r s o n e n n a c h w e i s e n , siehe: DIE STEUERBÜCHER DER STADT KONSTANZ,

hrsg. v. Stadtarchiv Konstanz, Teil 1 (1418-1460). Konstanz 1958, Nr. 298, 711, 1129, 1528; in Straßburg gibt es für einen Zeitraum von 70 Jahren sogar 28 Einträge, dazu URKUNDENBUCH DER STADT STRAßBURG 7. 38

WEHRLI-JOHNS, Dominikanerobservanz, wie Anm. 9, mißt dem Umstand große Bedeutung bei, daß Johannes Mulberg in Basel seine Predigt gegen den Stand der Beginen und Begarden einen Tag vor Erlaß der Approbationsbulle Sedis apostolicae an der päpstlichen Kurie in Italien im Juni 1405 gehalten hatte. Wehrli-Johns geht davon aus, daß vor der Konstitution Sedis apostolicae vom 26.6.1405 überhaupt keine dominikanische Drittordensregel existierte; sie wurde vielmehr unter Federführung von Tommaso da Siena, auch II Caffarini genannt, und Bartolomeo Dominici nachträglich verfaßt, u.a. durch gezielte Fehldatierungen päpstlicher Bullen. Unklar bleibt dabei, warum der (nicht observante) Generalmagister Thomas von Firmo diese Aktion, wenn nicht gar unterstützt, so doch wenigstens gebilligt haben sollte. WEHRLI-JOHNS schließt, „(...) daß die dominikanische Drittordensregel, wie sie in der Konstitution Sedis apostolicae vom 26.6.1405 vorliegt, ein Erzeugnis der Dominikanerobservanz ist und auch als programmatischer Ausdruck ihrer Bestrebungen gelesen werden sollte." (ebd., S. 16). „Wirklich eingeführt wurde die dominikanische Drittordensregel erst in der zweiten Reformphase nach dem Konstanzer Konzil (...)" (ebd., S. 32). Obwohl Wehrli-Johns eine direkte Beteiligung Mulbergs an der ,,Regelfälschung" selbst bezweifelt, nimmt sie an, „daß Mulberg die gleiche Auffassung vom status poenitentiae vertrat wie seine italienische(n) Ordensbrüder, daß er aber dieselben Argumente, die diese für die Approbation der eigenen Regel ins Feld führten, gegen die Drittordensregel der Konkurrenz im Franziskanerorden verwendete." (ebd., S. 27). Zum Teil lassen sich unsere unterschiedlichen Interpretationen darauf zurückführen, daß wir auf unterschiedliche Handschriften zurückgreifen. WEHRLI-JOHNS kann in Mulbergs Traktat nur deshalb diejenigen Zitate aus päpstlichen Bullen wiederfinden, die ebenfalls bei Tommaso da Siena auftauchen, da sie die Handschrift COLMAR STB, 29, fol. 126 r "141 v , benutzt. Diese Handschrift geht m.E. zwar auf Mulbergs Traktat zurück, wurde aber so stark ergänzt und bearbeitet, daß von einer eigenständigen Überlieferung gesprochen werden muß. Meine eigene Interpretation basiert jedoch auf den fünf Handschriften, die gemeinsam Mulbergs Traktat in einer Form bieten, in der die Zusätze der Colmarer Handschrift fehlen; siehe dazu auch Abschnitt VI, Anm. 1.

2. Der Ausbruch der Streitigkeiten Auf den ersten Blick scheint es unstrittig zu sein, wann der Beginenstreit in Basel ausbrach. Als Ausgangspunkt wurden bisher Predigten gegen Beginen und Begarden von Johannes Mulberg und Johannes Pastoris, dem Basler Domschulmeister, 39 angesehen, die angeblich im Jahr 1400 gehalten wurden, aber nicht überliefert sind. 40 Der bis heute einzige Hinweis auf diese Predigten findet sich erst Mitte des 16. Jhs. in Wurstisens Chronik. 41 An der Wende vom 14. zum 15. Jh. läßt sich in den Basler Quellen die Posicio des Franziskanerlektors Rudolf Buchsmann finden, die somit der erste Beleg für eine Diskussion um die Lebensform der Beginen darstellt 4 2 An Allerheiligen des Jahres 1400 hatte Buchsmann seine Ausführungen öffentlich vorgetragen, die ganz allgemein die Lebensform der Beginen behandelten und die anschließend in Thesenform überliefert wurden. Dies könnte im Rahmen einer Predigt geschehen sein, die anschließend in Form von Thesen und ohne Hinweise auf eine aktuelle, konkrete Auseinandersetzung um Beginen niedergeschrieben wurde. Buchsmann lobte in seiner Stellungnahme die Bettelarmut und betonte, daß Christus sie ausdrücklich in seinem Leben und Werk gebilligt habe. Alles zurückzulassen sei ein Werk evangelischer Vollkommenheit. Obwohl das Evangelium körperliche Arbeit befehle, könnten die Nachfolger Christi diese durch geistliche Übungen reichlich ersetzen. Er wollte damit nachweisen, daß es den Beginen und Begarden durchaus erlaubt sei zu betteln, obwohl sie gesund und fähig seien, sich von ihrer Hände Arbeit zu ernähren, wie es das Evangelium den Laien vorschreibt. In der Basler Handschrift folgt auf Buchsmanns Posicio aus dem Jahr 1400 ein Traktat von Johannes Mulberg. Schenkt man der Einleitung in der Handschrift Glauben, so antwortete Mulberg im Jahr 1405 - also fünf Jahre später auf Buchsmanns Ausführungen zu den Beginen vor dem versammelten Basler Klerus in einer mehrstündigen Predigt. 43 Mulbergs angeblich mehrjähriges 39

Pastoris spielt im Beginenstreit eine entscheidende Rolle, leider ist über ihn kaum etwas bekannt; aus dem Jahr 1393 ist sein flammendes Bekenntnis zum römischen Papst erhalten, r v B A S E L STA, Prediger Ν 1,1393; eine Predigt im Autograph Basel UB A VIII 7, fol. 199 -205 . Siehe auch H A U P T , Beiträge, hier besonders S. 514f. und Anm. 3, mit Hinweis auf eine weitere Colmarer Handschrift, S. 530. 40

Z.B. bei

W A C K E R N A G E L , Geschichte 2,2, S . 806; B O N E R , BZGA 34, S. 138; D E G L E R Beginen BZGA 69, S. 33; K L E C K H E F E R , S . 27; auch noch in der jüngsten Arbeit, HS IX/2, S. 205f.; ohne explizite Nennung der Predigten, aber mit der Jahreszahl 1400 G L L O M E N , Hans-Jörg: „Basel IV: Klöster und Stifte". In: LMA 1, Sp. 1513. SPENGLER,

41

WURSTISEN, S. 2 1 9 f .

42

Abschnitt IX 1.3.

43

Siehe Edition in Abschnitt IX 1.4; siehe auch Abschnitt VI, Anm. 1.

48

IV. Der Basler

Beginenstreit

Schweigen verwundert ebenso wie das Stillschweigen der Forschung zu diesem zeitlichen Ablauf. 4 4 Erstmals angesprochen wurde dieses Problem von Patschovsky, der einen Schreibfehler bei der Datierung der Disputation Buchsmanns für nicht ausgeschlossen hält und vorschlägt, den Beginn der Auseinandersetzungen ins Jahr 1404 zu verlegen. 45 Die Überlieferungslage legt drei verschiedene Deutungen nahe. Erstens könnte Buchsmanns Posicio tatsächlich falsch datiert worden sein und die Diskussion um die Frauen hätte demnach erst um 1404 begonnen. Oder zweitens könnte der Streit im Jahr 1400, wie die Datierung der Posicio des Franziskanerlektors angibt, ausgebrochen und in den folgenden Jahren fortgeführt worden sein, aber die Überlieferung aus dieser Zeit bis zu Mulbergs Stellungnahme im Jahr 1405 wäre demnach vollständig verloren gegangen. 46 Dem widerspricht die reiche Überlieferung, die nach 1405 zum Beginenstreit einsetzt. Am wahrscheinlichsten erscheint mir eine dritte Variante, da ich von der prinzipiellen Richtigkeit der Überlieferung ausgehe. Buchsmann hielt im Jahr 1400 eine Rede zur Lebensform der Terziarinnen, in der er in allgemeiner Form den Stand der Frauen behandelte. Wie aktuell um 1400 dieses Thema war, wird der Vergleich mit Basels Nachbarstädten zeigen. 47 Mulberg konnte nicht sofort auf diese Ausführungen reagieren, weil er sie nicht kannte: er war aller Wahrscheinlichkeit nach zu diesem Zeitpunkt gar nicht in Basel. Der einzige „Beleg" für Mulbergs Anwesenheit in Basel seit 1400 bildet der oben erwähnte, nicht überprüfbare Hinweis in Wurstisens Chronik. Folglich begann der Basler Beginenstreit mit Johannes Mulbergs Predigt am 25. Juni 1405. Unklar bleibt, wo sich Mulberg in den Jahren zwischen 1399 - nach seinem Priorat in Colmar - und 1405 - vor seiner aufsehenerregenden Predigt in Basel - aufgehalten hat. 48 Wir wissen nur, daß er zwischen Februar 1404 und Januar 44

Das Problem der Datierung umging WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807; siehe auch BONER, BZGA 34, S. 138; LERNER, S. 154; ohne Problembewußtsein HS IX/2, S. 205f.; ohne abschließendes Urteil NEIDIGER, Dominikaner, S. 11.

45

PATSCHOVSKY, B e g i n e n , S. 4 0 4 - 4 0 6 ; i h m f o l g e n WEHRLI-JOHNS, D o m i n i k a n e r o b s e r v a n z ,

und BAILEY, S. 144. 46

Auch für diesen Zeitraum macht WURSTISEN angebliche Predigten geltend, die sonst nirgends überliefert sind, siehe dazu BASEL UB, Α λ II 14, Bl. 340; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 223. Er berichtet, der Prior der Augustiner-Eremiten habe am 1. und 6. Januar 1405 gegen den verbotenen Bettel der Beginen gepredigt. Als ihn Beginenfreunde darauf angesprochen hätten, habe er vorgegeben, nur auf Anweisung von Johannes Pastoris gesprochen zu haben. In der Fastenzeit habe Johannes Mulberg gegen Laster, Ehebruch, Spiel, Gotteslästerung, Ketzerei und Aberglauben, besonders bei den Begarden, gewettert. 47 48

Dazu Abschnitt IV 6.

Die Briefregister der Generalmagister, die darüber Auskunft geben könnten, sind für diese Zeit verloren.

2. Der Ausbruch

der

Streitigkeiten

49

1 4 0 5 e i n e n Z y k l u s v o n L e h r p r e d i g t e n in Straßburg h i e l t . 4 9 E s k a n n nur vermutet w e r d e n , w a s ihn nach B a s e l führte. R a i m u n d hatte z w a r 1 3 9 8 U l r i c h T h e o b a l d ! als Vikar der Predigerklöster in d i e s e Stadt g e s c h i c k t , w o h l u m die R e f o r m einzuführen, aber bei der A n k u n f t M u l b e r g s waren s o w o h l der reformb e g e i s t e r t e G e n e r a l m a g i s t e r als auch T h e o b a l d i s c h o n v e r s t o r b e n . 5 0 J o h a n n e s Mulberg kam wahrscheinlich u m 1404 mit keinem konkreten Reformauftrag n a c h B a s e l . 5 1 A l s überzeugter A n h ä n g e r der O b s e r v a n z v e r h e i m l i c h t e er s e i n e A n s i c h t e n j e d o c h n i c h t . 5 2 D i e s mußte in e i n e m Konvent, der in der Mehrheit aus k o n v e n t u a l e n Brüdern bestand, z w a n g s l ä u f i g z u S p a n n u n g e n führen. G l e i c h z e i t i g mit Johannes Mulberg, u m 1405, kehrte auch sein Ordensbruder H e i n r i c h v o n R h e i n f e l d e n in d e n B a s l e r P r e d i g e r k o n v e n t zurück, der b e i der späteren R e f o r m d e s Basler K o n v e n t s i m Jahr 1 4 2 9 e b e n f a l l s e i n A n h ä n g e r der O b s e r v a n z w a r . 5 3 O b H e i n r i c h bereits in den ersten Jahren d e s 15. Jhs. d e m

49

Siehe dazu Abschnitt Π, Anm. 2, und Abschnitt VI 2.

50

MEYER, Chronica, S. 72f.; REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 83f. Theobaldi wird 1399 zum letzten Mal erwähnt. 51

Offiziell wurde die Reform des Basler Konvents erst gegen Ende der zwanziger Jahre des 15. Jhs. auf Initiative des Basler Rates angestrebt, der sich direkt an den Ordensgeneral Bartholomäus Texerius gewandt hatte. Trotz der Unterstützung von Seiten der Ordensleitung war die Durchsetzung der Reform sehr schwierig; vgl. zum Ablauf MEYER, Buch QF 3, S. 70-75; DERS., Chronica, S. 84f.; DERS., Liber, S. 59f.; DLETLER, S. 383-385; EGGER, bes. S. 63-75. LOHR, Teutonia, S. 2-8; 27-30; Nr. 6, S. 53-63; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 813-816, 167*; WALZ, S. 72; WEIS-MÜLLER, Renee: Die Reform des Klosters Klingental und ihr Personenkreis. Basel 1956; NEIDIGER, Bernhard: Stadtregiment und Klosterreform in Basel. In: Elm, Reformbemühungen, S. 539-567, hier S. 542f., 549-562; DERS., Observanzbewegungen, S. 180f., 184f. Das Hinzuziehen von observanten Nürnberger Brüdern unter der Leitung von Johannes Nider, dem späteren Basler Prior, führte 1429 zum heftigen Widerstand der Brüder, worauf sich der Rat von dem Reformvorhaben distanzierte. Texerius wandte sich danach direkt an Papst Martin V., der das Reformvorhaben begrüßte und die Bischöfe von Basel, Straßburg und Konstanz zur Unterstützung der Observanten verpflichtete. Erst nach der Exkommunikation des gesamten Konvents durch Texerius und der Intervention von Basler Bürgern kam es zu einer Einigung. 52 53

Zum gleichen Urteil kam auch BONER, BZGA 34, S. 191.

Vgl. LÖHR, Teutonia, S. 8; BONER, Predigerkloster 34, S. 185f., 189; EGGER S. 232; NEIDIGER, Dominikaner, Kap. Lektoren; zum Handschriftenbesitz Heinrichs von Rheinfelden siehe DERS., Selbstverständnis, S. lOOf. Heinrich wurde 1416 der Sodomie angeklagt, von diesem Prozeß sind die Zeugenprotokolle erhalten, die der Rat erstellen ließ; ob Heinrich anschließend vom geistlichen Gericht verurteilt wurde, ist unbekannt, dazu SCHNEIDER-LASTIN, Wolfram / PUFF, Helmut: Vnd soll man alle die so das tuend verbrennen, es bliben nit funffzig mannen jn Basel. Homosexualität in der deutschen Schweiz im Spätmittelalter. In: Puff, Helmut (Hrsg.): Lust, Angst und Provokation. Homosexualität in der Gesellschaft. Göttingen 1993, S. 79-103; PUFF, Helmut: Localizing Sodomy. In: Journal of the History of Sexuality 8 (1997), S. 165195, hier S. 182.

50

IV. Der Basler

Beginenstreit

observanten Flügel seines Ordens angehörte, oder erst durch sein Zusammentreffen mit Johannes Mulberg ein Anhänger der Reform wurde, muß offen bleiben. Mulberg griff nach seiner Ankunft die Beginenfrage auf, die zu dieser Zeit auch in den Nachbarstädten aktuell war. 54 Dabei stieß er auf die einige Jahre zurückliegende Standortbestimmung des Barfüßers Buchsmann und widersprach ihr. Erst danach begann der eigentliche Streit, ablesbar am Reichtum der Quellenüberlieferung seit 1405. Den Auseinandersetzungen um die Beginen gingen Streitigkeiten um die Zahlung der kanonischen Quart voraus, die sich über mehrere Jahre hinzogen. Seit dem Auftauchen der Bettelorden in den Städten gab es zwischen ihnen und dem Weltklerus immer wieder Auseinandersetzungen um die seelsorgerischen Befugnisse und die Abgaben, die bei Begräbnissen an den zuständigen Leutpriester zu leisten waren. 55 Bonifaz VIII. setzte zwar 1300 in der Bulle Super cathedram56 den kanonischen Anteil, den die Bettelorden an den Weltklerus zu entrichten hatten, auf ein Viertel fest, dennoch kam es immer wieder zu Zerwürfnissen zwischen den beiden Parteien. Bereits der erste Beginenstreit in Basel verlief zeitgleich mit Quartstreitigkeiten, 57 und auch der zweite Streit überkreuzte sich mit einem Interessenkonfikt. Gegen Ende des 14. Jhs. beklagten sich der Basler Bischof, das Domkapitel und die Leutpriester bei Bonifaz IX. über die Mendikanten, die der Verpflichtung nach dem kanonischen Viertel nicht Folge leisteten. 58 Der Papst beauftragt daraufhin 1393 den Bischof von Lausanne, den Dekan von Konstanz und den Thesaurar von St. Peter in Straßburg, dem Pfarrklerus zu seinem Recht zu verhelfen. Die Minoriten der Ordensprovinz Oberdeutschland beklagten sich ihrerseits an der Kurie über den

54

Vgl. Abschnitt IV 6.

55

Zu den Streitigkeiten seit dem 13. Jh. N E I D I G E R , Mendikanten, S. 146; B O N E R , BZGA 33, S. 298f.; W A C K E R N A G E L , Geschichte 2,2, S. 635-640; V O N S C A R P A T E T T I , Kirche, S. 126-30.

B U L L A R I U M F R A N C I S C A N U M 4, S. 498, Nr. 179. N E I D I G E R , Mendikanten, S . 147, widerspricht der Annahme, daß dadurch die Einnahmen der Mendikanten gekürzt worden wären, vielfach hätten sie sich gegenüber den Pfarrgeistlichen bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu höheren Abgaben verpflichtet. Vgl. auch I Z B I C K I , Thomas M.: The problem of canonical portion in the later Middle Ages: The application of „Super cathedram". In: Linehan, Peter (Hrsg.): Proceedings of the Seventh International Congress of Medieval Cananon Law (Cambridge, 2327 July 1984). Citta del Vaticano 1988 (Monumenta iuris canonici C 8), S. 459-473. LÖHR, Mendikantenarmut, S. 392f. 5 6

S C H M I T T , Clement: Le conflit des Franciscains avec le clerge seculier ä Bale sous l'eveque Gerard de Wippingen (1318-1324). In: AFH 54 (1961), S. 216-225; N E I D I G E R , Mendikanten, S. 128; vgl. auch oben, Anm. 7. 5 7

58

Zum Folgenden B O N E R , BZGA 33, S. 298-302; W A C K E R N A G E L , Geschichte 2,2, S. 635642, 119*f.; B E R N O U L L I , August: Die Kirchengemeinden Basels vor der Reformation. In: Basler Jb. 1894, S. 220-243; 1895, S. 99-162, hier S. 128-135.

2. Der Ausbruch der

Streitigkeiten

51

Säkularklerus, der ihre Rechte einschränke. 59 Ein Schiedsspruch des Domdekans von Mainz, der den Streit zwischen dem Stift St. Peter und den Basler Predigern beenden sollte, scheiterte im Juni 1400. 60 Aber im November kam es zu einer Einigung zwischen dem Stift und dem Predigerkonvent, 61 ein Vergleich im März des folgenden Jahres beendete den Streit. 62 Im gleichen Monat einigten sich die Dominikaner mit St. Alban 63 und dessen inkorporierten Pfarrkirchen und im Juli 1402 mit St. Leonhard. 64 Die Barfüßer waren allerdings nicht bereit, sich den Vereinbarungen mit dem Weltklerus anzuschließen. Sie fanden im Rat einen Verbündeten, mit dem sie im Jahr 1402 eine gemeinsame weitere Beschwerde über den Säkularklerus an Bonifaz IX. sandten. 65 Der Papst verbot darauf jede Form der Einschränkungen der Begräbnisfreiheit, erinnerte jedoch an die Pflicht zur Abgabe der portio canonica;66 aber seine Verfügungen wurden bereits im März 1405 von seinem Nachfolger Papst Innozenz VII. aufgehoben. 6 7 Die Barfüßer prozessierten weiter und gaben erst 1408 auf, als Gregor XII. sie zur Zahlung der Quart an St. Peter und St. Leonhard verpflichtete. 68 Durch diesen Streit war seit 1402 die Aufteilung des Basler Klerus' in zwei rivalisierende Lager festgelegt: Die Barfüßer, die vorübergehend Unterstützung beim Rat fanden, standen der Übermacht des Klerus' gegenüber: dem weltlichen Kollegiatstift St. Peter und dem Augustinerchorherrenstift St. Leonhard, den Cluniazensern von St. Alban, den Augustiner-Eremiten und der Mehrheit der Dominikaner. Diese Konstellation blieb den ganzen Beginenstreit über bis zu seinem bitteren Ende bestehen.

59

WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 641, 120*; SCHÖNENBERGER, B Z G A 27, S. 128f.

60

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger U K 756.

61

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger U K 760.

62

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger U K 7 6 2 .

63

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger U K 765.

64

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger U K 759; VON SCARPATETTI, Kirche, S. 129.

65

WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 641, 120*.

66

LARGIADER 2, Nr. 9 1 2 ; inhaltsgleich für Kleinbasel an den Konstanzer B i s c h o f ebd., Nr. 913. 67 68

LARGIADER 2, Nr. 920, 921; VON SCARPATETTI, Kirche, S. 129f.

BASEL STA, Klosterarchiv St. Peter U K 791; dazu WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 165*; LARGIADER 2, Nr. 9 2 8 .

3. Basel in den Jahren 1405-1410 3.1. Mulbergs Predigt und die Inquisition Der Basler Beginenstreit begann mit der Predigt von Johannes Mulberg, die er am 25. Juni 1405 im vollbesetzten Basler Münster gehalten hatte. Diese Predigt ist in überarbeiteter Form als Tractatus contra Beginas et Beghardos handschriftlich festgehalten worden. 69 Mulberg befaßte sich dabei vorwiegend mit zwei Themenkomplexen: erstens mit der Trennung der Stände in Kleriker und Laien und zweitens mit den verschiedenen Formen von Armut und dem damit verbundenen Recht auf Bettel. Den Beginen und Begarden warf er vor, sich klerikale Privilegien anzumaßen, da sie, statt mit ihren Händen den Lebensunterhalt zu erarbeiten, vom Bettel lebten. Das Recht, als gesunder Mensch Almosen zu sammeln, stehe aber nur den Bettelorden zu. Alle anderen würden sonst den wahrhaft Bedürftigen das Lebensnotwenige stehlen. Weil sich Beginen und Begarden die Privilegien widerrechtlich anmaßten, die nur den Mitgliedern der Bettelorden zustünden, seien sie zu exkommunizieren. Diese Ausführungen im Rahmen von Mulbergs Predigt dauerten angeblich mehrere Stunden und führten zu der anschließenden Verfolgung von Beginen und Begarden in Basel. Im Verlauf der Beginenverfolgung kam es zu einer Inquisition, von der Fragmente der Verhörprotokolle erhalten sind, die jedoch keine Datumsangaben tragen. 70 Obwohl in Mulbergs Tractatus Hinweise auf zeitgenössische Ereignisse enthalten sind, ist von einem aktuellen Inquisitionsverfahren vor Ort nichts zu erfahren. Geht man davon aus, daß erst Mulbergs Predigt am 25. Juni 1405 den Beginenstreit auslöste, fand wohl das Inquisitionsverfahren in den folgenden Wochen statt. Der Basler Bischof Humbert von Neuenburg eröffnete am 21. August desselben Jahres ein offizielles Verfahren gegen Beginen und Begarden. 71 Dieser Untersuchung scheint eine eingehende Befragung vorausgegangen zu sein, wie die detailliert überlieferten Anklagepunkte nahelegen. Auch der zwei Jahre später entstandene Bericht des von der Kurie mit der Prozeßführung beauftragten Odo Colonnas aus dem Jahr 1407, in dem sich ebenfalls bis in die Einzelheiten ausformulierte Anklagepunkte aus dem Jahr 1405 befinden, spricht

69

Zur formalen und inhaltlichen Interpretation des Traktats siehe Abschnitt VI 1; zur Edition Abschnitt IX 1. 70

Ediert von STRAGANZ. Seit dem zweiten Weltkrieg gelten die Fragmente als verschollen. Zur Überlieferungssituation siehe auch PATSCHOVSKY, Beginen, S. 41 lf., Anm. 30; eine Interpretation bei LERNER, S. 153-157; vgl. auch WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807. 71

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 21). Zu Humbert von Neuenburg HS V\, S. 192f.; SCHÖNENBERGER, BZGA 26, S. 137-143; BONER, Georg: Das Bistum Basel: Ein Überblick von den Anfängen bis zur Neuordnung 1828. In: FDA 88 (1968), S. 5-101, hier S. 62f.

3. Basel

in den Jahren

53

1405-1410

für diese Annahme. 7 2 Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte demnach die Inquisition in der Zeit nach dem 25. Juni und vor dem 21. August, also im Sommer 1405, stattgefunden. 73 Die Überlegung, der Dominikaner Johannes Mulberg könnte als Inquisitor nach Basel gesandt worden sein, um die Untersuchung zu leiten, drängt sich auf; ihre Richtigkeit kann aber aufgrund fehlender Quellen nicht überprüft werden. Während des Inquisitionsprozesses in Basel wurden mindestens dreißig Zeugen befragt, 74 von sieben sind die Aussagen zum Teil erhalten. Zwei Franziskaner-Terziarinnen und eine Begine, die den Dominikanern nahe stand, 75 wurden gefragt, ob sie von häretischen Vorkommnissen in der Basler Diözese gewußt hätten; alle verneinten dies und bekräftigten, der Kirche gehorchen zu wollen. Eine dritte Barfüßer-Terziarin berichtete, zu Rudolf Buchsmann und der Regelmeisterin 76 bestellt worden zu sein. Dort habe sie verkündet, ihrem Leutpriester gehorchen zu wollen, was ihr eine harsche Zurechtweisung Buchsmanns und die Drohung der Regelmeisterin eingebracht habe, sie würde wohl unter die „acht Artikel" fallen, womit die Regelmeisterin die Beschlüsse des Konzils von Vienne meinte, die sich gegen die Freigeist-Häresie gerichtet hatten. 7 7 Die befragte Begine wußte aber gar nicht, was „die Artikel" sind. Außerdem berichtete eine andere Zeugin von einem Basler, der seine Familie verlassen habe, um einem Begarden zu folgen, was ihm viel Spott eingebracht hätte. 78 Doch neben den Terziarinnen wurden auch Laien der Inquisition unterworfen, die keinen engeren Kontakt zu einem Orden pflegten. Zuerst wurde Anna, die Frau von Wernlin Schilling, die nicht als Begine bezeichnet wird, befragt, ob es stimme, daß sie Beginen die Füße gewaschen habe. 79 Sie verneinte 72

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 11); zum Inhalt vgl. Anm. 137f.

73

Ich folge hier den Überlegungen PATSCHOVSKYs, Beginen, S. 41 lf.; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 223, läßt die Inquisition auf Mulbergs (nicht belegten) Predigten in der Fastenzeit folgen, dazu Anm. 46; nach BONER, BZGA 34, S. 138f., findet die Inquisition parallel zu diesen Predigten statt; SCHMITT, S. 85-90. 74

Die Magd Fröwelers wird als 30. Zeugin bezeichnet, Thina Henlin,

testis

tricesima;

STRAGANZ, S . 2 6 , Nr. 2 3 . 75

STRAGANZ, S. 22f., Nr. 18, 19, 21. Die Angeklagte von Nr. 21 lebte im „Haus am Wege," das von den Dominikanern die Seelsorge erhielt; vgl. dazu DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 70, S. 47f.; HS IX/2, S. 227f. 76

Zur Regelmeisterin vgl. Anm. 33.

77

STRAGANZ, S. 23-25, Nr. 22; Buchsmanns Reaktion: „Ipse", dominumplebanum notando, „est tuus diabolus, tu posses concremari seu oburi pro eo, quod ibi dixisti". Zu den Beschlüssen von Vienne vgl. Abschnitt IV 1 und VI 1.1. KlECKHEFER, S. 30f., nennt weitere Beispiele, in denen , A d nostrum" als Vorlage für die Inquisition diente. 78

STRAGANZ, S. 27f., ohne Numerierung.

79

STRAGANZ, S. 23, Nr. 20; dies soll sich im Konvent „Zum schwarzen Bären" ereignet

54

IV. Der Basler

Beginenstreit

dies und betonte, eine Fußwaschung nur am Gründonnerstag in der Kirche gesehen zu haben. Ferner wurde ein Knecht von Johannes Werner Fröweler verhört. Er berichtete von Begegnungen seines Herrn aus einer einflußreichen Basler Familie mit einem Begarden, die etwa zwei Jahre zurücklagen. 80 Der Begarde trug den Decknamen Jakob und soll ein Schüler des in Wien verbrannten Häretikers Nikolaus von Basel 81 gewesen sein. Jakob war häufig im Hause Fröwelers und dessen Frau eingeladen und übernachtete angeblich sogar dort; der Sohn Fröwelers und ihre Magd sollten von diesen Treffen nichts erfahren, da dem Ehepaar die Verbindung des Begarden mit Nikolaus von Basel durchaus bekannt war. Im Verlauf der Untersuchung konnte aber Jakob weder nachgewiesen werden, er habe die verbotenen Begardenkleider getragen, noch habe er den Knecht bedrängt, einen „Geheimhaltungseid" abzulegen, wie ihn angeblich häufig Begarden erpreßten. Auch der Verdacht, Jakob habe Gesten der Ehrbezeugung von seinen Gastgebern eingefordert, konnte nicht bestätigt werden. Sein einziges Vergehen bestand in wiederholtem, zugegebenermaßen verbotenem Würfelspiel. Auch der Verdacht, die Frau Fröwelers habe sich von ihrer Magd ex caritate geißeln lassen, ließ sich nicht beweisen. Aus dem Verhörprotokoll lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Von der Inquisition des Jahres 1405 waren Franziskaner-Terziarinnen, den Dominikanern nahestehende Beginen und weitere Bewohner der Stadt betroffen. Dabei wurde ganz traditionell nach häretischem Gedankengut und Praktiken gefahndet, die aber in keinem einzigen Fall nachgewiesen werden konnten. Die detaillierten Aussagen über den Schüler des Nikolaus von Basel verwundern in ihrer Harmlosigkeit, da sein Lehrer als so gefährlich und verführerisch galt, daß er sein Leben auf dem Scheiterhaufen beendete. Häretisches Gedankengut spielte aber anscheinend in Jakobs weiterem Leben keine Rolle mehr - er war nur noch zum Würfelspiel zu verführen. 82 Eine in Basel angesehene Familie verkehrte regelmäßig, zwar eher verdeckt, aber doch nicht ganz heimlich, mit ihm; ihnen mußte das damit verbundene Risiko, selbst in den Geruch der Ketzerei zu kommen, zumindest teilweise bewußt gewesen sein. 83 Im Hinblick auf die

haben, der mit großer Wahrscheinlich der Seelsorge der Dominikaner unterstand, vgl. HS IX/2, S. 23 lf. 80

STRAGANZ, S. 2 5 - 2 7 , Nr. 23.

81

Z u Nikolaus v o n Basel vgl. LERNER, S. 151-157; HAUPT, Beiträge, S. 5 0 8 - 5 1 1 , hier S.

511, geht von seiner Hinrichtung in Wien zwischen 1393 und 1397 aus. 82

V g l . dazu LERNER, S. 154.

83

LERNER, S. 154: „Apparently they were impressed with James' holiness and took him on as a private spiritual director. They must have been aware that they were defying their local clergy, but it is inconceivable that a prominent family like this would have given shelter to the follower of a known blasphemer and preacher of fornication and murder."

3. Basel in den Jahren

1405-1410

55

Barfüßer zeigt die Episode, in die Rudolf Buchsmann verwickelt war, wie eng die Verbindung zwischen den Beginen und dem Orden war. Zumindest ein Teil der Brüder wünschte anscheinend keinen Gehorsam der Beginen gegenüber dem Säkularklerus, und auch vor massiven Drohungen scheint dieser Kreis nicht zurückgeschreckt zu sein. Die Fragmente geben interessante Details zur Laienfrömmigkeit wieder - ketzerische Vergehen sucht man darin indes vergeblich.

3.2. Der Beginenstreit als Rechtsstreit Die Franziskaner fühlten sich und ihre Terziarinnen zu Unrecht von Mulberg diffamiert und wandten sich deshalb hilfesuchend an den Konservator ihrer Rechte und Privilegien, den Konstanzer Bischof Marquard von Randegg. 84 Dieser zitierte Mulberg am 1. August 1405 für den 25. des Monats nach Konstanz, um ihm alle despektierlichen Äußerungen über die Minoriten und ihre Terziarinnen zu verbieten. 85 Aber bereits am 8. August appellierte Mulberg an den apostolischen Stuhl.86 Dem Bischof teilte er mit, er könne sich in Konstanz nicht mit Marquard und dem Franziskanerprovinzial Johannes Leonis treffen, da ihn die Beginen mit so großem Haß verfolgten, daß er um sein Leben fürchten müsse.87 Kurz vor dem von Marquard angesetzten Termin schickte Mulberg einen Prokurator an die Konstanzer Kurie, der den Bischof über die eingereichte Appellation an die römische Kurie informierte. 88 So erschien zur festgesetzten Zeit nur Johannes Leonis vor Marquard, dem der Bischof erleichtert mitteilten konnte, dank der Appellation nicht mehr zuständig zu sein. 89 Bis zur abschließenden Klärung der Rechtslage suspendierte der Bischof seine Interdiktsbestimmungen, die den Verbündeten Mulbergs gegolten hatten.90 Anfang September wiederholte er seine Ermahnungen, Mulberg dürfe nicht gegen die Franziskaner und ihre Terziarinnen predigen, vor Mulbergs Prokurator und Leonis; er betonte aber auch, die noch ausstehende Entscheidung Roms akzeptieren zu wollen 91

84

Einen Überblick zu Marquard in: HS 1/2,2, S. 337-340. Vgl. auch Abschnitt IV 6.

85

BASEL UB, Ε I l k , fol. 486 r -488 r (der Anfang des Notariatsinstruments fehlt).

86

Somit wandte sich als erster Mulberg an Rom, und nicht die Franziskaner, wie WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807, behauptete. 87

BASEL UB, Ε I l k , fol. 488 r -492 v .

88

BASEL UB, Ε I l k , fol. 492 v -494 v .

89

BASEL UB, Ε I l k , fol. 380 v -382 v (am Schluß unvollständig).

90

BASEL UB, Ε I l k , fol. 497 v -499 r .

91

BASEL UB, Ε I l k , fol. 494 v -497 r .

56

IV. Der Basler Beginenstreit

In Basel sah sich Bischof Humbert von Neuenburg, wohl durch die Inquisition, die die vermutete enge Verbindung zwischen den Beginen und den Franziskanern bestätigt hatte, veranlaßt, in vier sogenannten processus monitorii et penales die nötigen disziplinarischen Konsequenzen zu ziehen. Diese „Prozesse" sind nicht erhalten; ein Notariatsinstrument von 1407, in dem die Weltpriester nachträglich die ordnungsgemäße Verkündung der Maßnahmen des Bischofs zwei Jahre zuvor bestätigten, faßt ihren Inhalt aber summarisch zusammen. 92 In dem ersten der vier aufeinanderfolgenden Urteilssprüchen erklärte Humbert am 21. August 1405 die Beginen, Begarden und alle, die sie unterstützten, für exkommuniziert und ihr Vermögen für konfisziert, falls sie sich nicht der bischöflichen Strafgewalt unterstellten. Humberts Vorgehen traf unterschiedslos regulierte und nichtregulierte Beginen. Gegen die Ausdehnung seiner Anklagen auf Franziskaner und Terziarinnen, die ja gar nicht unter Ad nostrum und Sancta romana fielen, 93 wehrte sich Rudolf Buchsmann und wandte sich ebenfalls hilfesuchend an den apostolischen Stuhl. 94 Der Basler Bischof sandte am 29. August 1405 Johannes Mulberg an die Universität Heidelberg, um sein Vorgehen absichern zu lassen. Humbert gab dem Dominikaner ein Empfehlungsschreiben mit, in dem er die Universität um Unterstützung von Mulbergs Vorgehen gegen die Beginen bat. 95 Trotz der Verbote von Vienne bestehe die Gefahr einer Ausbreitung der Sekte der Beginen und Begarden, deren verwerfliche Lebensweise er detailliert schilderte, und deshalb wolle Humbert sie mit Hilfe des hierfür besonders geeigneten Johannes Mulberg verfolgen. Die Universität war erst einige Jahre zuvor, 1386, gegründet worden. 96 Sie 92

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 21); vgl. WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 225; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807; BONER, BZGA 34, S. 139. Zum Begriff des Prozesses im engeren Sinn vgl. FEINE, S. 436-443. 93

Vgl. Abschnitt VI 1.1.

94

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 4).

95

Ediert in: REKTORBÜCHER HEIDELBERG 1,2, S. 387-389, Nr. 397; Regest bei WLNKELMANN, Ewald: Urkundenbuch der Universität Heidelberg. 2 Bde., Heidelberg 1886, Bd. 2, S. 19, Nr. 157. Humberts Empfehlungsschreiben stimmt in weiten Teilen mit einem Schreiben des Straßburger Bischofs Lamprecht von Brunn von 1374 überein; PATSCHOVSKY, Straßburg, S. 171-175, Nr. 14, konnte zeigen, daß die Übereinstimmungen für das Straßburger Schreiben aus den päpstlichen Bullen Sancta Romana, Cum de quibusdam und Ad nostrum stammen, die als Stilmuster galten und sich in Texten dieser Art öfter nachweisen lassen. Vgl. zum Folgenden auch RITTER, S. 349f.; HAUTZ, Johann Friedrich: Geschichte der Universität Heidelberg. Mannheim 1862-1864, Nachdr. 2 Bde. in 1 Bd., Hildesheim 1980, hier Bd. 1, S. 240-243; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 224; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807, 165*; BONER, BZGA 34, S. 139; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 34. 96

Zum Folgenden WOLGAST, Eike: Die kurpfälzische Universität 1386-1803. In: Semper apertus: Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1386-1986. Berlin 1985,

3. Basel in den Jahren

1405-1410

57

folgte wie Stadt und Bistum Basel, die sich 1383 von Avignon abgewandt hatten, 97 der römischen Obödienz und hatte infolge des Schismas Zulauf von deutschen Professoren und Magistern erhalten, die die clementistische Pariser Universität zuvor verlassen hatten. Außerdem hatte der Auszug der deutschen Nation aus der Prager Universität gleich im Gründungsjahr 1386 der Universität Heidelberg die Zuwanderung namhafter Magister beschert. Der Lehrkörper der Universität mischte sich von Anfang an in Auseinandersetzungen um kontroverse Lehrmeinungen ein: So wurde z.B. 1406 Hieronymus von Prag, der Thesen der wyclifschen Theologie verteidigte, aus der Artistenfakultät verbannt, in die er erst kurz zuvor aufgenommen worden war.98 Nicht zuletzt die geographische Nähe zu Basel, im Unterschied zu den beiden älteren Universitäten Wien und Prag und dem jüngeren Köln, dürfte Humbert bewogen haben, sich nach Heidelberg zu wenden. Im September des Jahres 1405 erhielt Mulberg ein Empfehlungsschreiben des Heidelberger Rektors und einiger Gelehrter, in dem Papst Innozenz VII. gebeten wurde, den Ausführungen des Dominikaners Mulberg mehr Glauben als denen der Gegenseite zu schenken und Mulberg die Verfolgung der Sektierer über das Gebiet der Diözese Basel hinaus zu ermöglichen, da deren verderbliche Lehre vor allem dem Ansehen des Klerus schade. 99 Parallel dazu ließen sich Mulberg und seine Seite die Richtigkeit ihrer Argumentation in einem Gutachten bestätigen, 100 dessen Autoren namentlich überliefert sind: 101 die Theologen Nikolaus Magni von Bd. 1, S. 1-70, hier S. 1-19; MORAW; NARDI, Paolo: Die Hochschulträger. In: RÜEGG, S. 102107; immer noch von Interesse RITTER, S. 320-361; ergänzend auch DENIFLE, Heinrich: Die Entstehung der Universitäten des Mittelalters bis 1400. Berlin 1885, S. 380-387. 97

Vgl. dazu WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 798f.

98

WOLGAST, a.a.O., S. 9; RITTER, S. 353f.; vgl. auch SMAHEL, Frantisek: Leben und Werk des Magisters Hieronymus von Prag. In: Historica 13 (1966), S. 81-111. Hieronymus' erstes Verhör während des Konstanzer Konzils im Mai 1415 erfolgte unter Beteiligung der Heidelberger Professoren, dazu WOLGAST, ebd.; RITTER, S. 294. Im Ketzeiprozeß gegen Johann von Drändorf 1425 waren ebenfalls vier namhafte Heidelberger Professoren als Richter tätig: Nikolaus Magni von Jauer, Konrad von Soest, Johann von Frankfurt und Nikolaus Burgmann, dazu grundlegend HEIMPEL, Hermann (Hrsg.): Drei Inquisitionsverfahren aus dem Jahre 1425: Akten der Prozesse gegen die deutschen Hussiten Johannes Drändorf und Peter Turnau sowie gegen Drändorfs Diener Martin. Göttingen 1969, hier S. 16f.; DERS.: Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162-1447. 3 Bde., Göttingen 1982, hier Bd. 1, bes. S. 396-399. 99

Ediert in: REKTORBÜCHER HEIDELBERG 1,2, S. 389-391, Nr. 398; Regest bei WINKELMANN, a.a.O., S. 19, Nr. 158. 100 101

Abschnitt IX 1.5, S. 166. Vgl. auch BONER, BZGA 34, S. 139.

Überliefert in AARAU F 26:4, fol. 35r. Zum Folgenden vgl. PATSCHOVSKY, Beginen, S. 406 und Anm. 4; FRANZ, bes. S. 94-97, 121; RITTER, S. 239-361; HEIMPEL, Drei Inquisitionsverfahren, a.a.O. Zu den pfälzischen oder königlichen Räten zählten Nikolaus Magni von Jauer, Johannes van der Noyt und Nikolaus von Bettenberg neben Matthäus von Krakau, Nikolaus

58

IV. Der Basler Beginenstreit

Jauer und Wasmod von Homberg und die Dekretisten Johannes van der Noyt und Nikolaus von Bettenberg, alle vier angesehene Professoren. Ihr Gutachten bestätigte ganz im Sinne Mulbergs, daß Beginen und Begarden Laien und nicht etwa Kleriker oder Konversen seien und ihnen deshalb keine Almosen zustünden. Diesem Gedankengut folgend griff der Theologe Nikolaus von Jauer in seiner Quaestio De mendicantibus die Beginen und Begarden wegen ihres Lebens in Bettelarmut ebenfalls scharf an. 102 Wasmod von Homberg verfaßte seinerseits einen Tractatus contra hereticos Beckardos Lulhardos et swestriones, in dem er gleichfalls den Stand der Beginen und Begarden verwarf. 103 In Basel wiederholte Bischof Humbert am 16. Oktober 1405 in einem zweiten Urteilsspruch seine Anweisungen und führte die Barfüßer, die unerlaubt Eucharistie und Salbung gespendet hätten, namentlich auf. 104 Gegen Ende dieses Monats beklagte sich auch Jakob von Subinago in seiner Funktion als Provinzial und Prokurator der Basler Franziskaner und ihrer Terziarinnen bei Innozenz VII. über die schlechte Behandlung seiner Schutzbefohlenen durch Bischof Humbert und dessen Partei und forderte ein Einschreiten von Seiten der Kurie. 1 0 5 Der Papst beauftragte Kardinal Odo Colonna, den späteren Papst Martin V., mit der Angelegenheit, der den Basler Bischof und Mulberg, wie es von den Barfüßern gefordert wurde, ermahnte und um persönliches Erscheinen bat. 106 Am 10. November forderte Odo Colonna namentlich den Basler Bischof, Johannes Mulberg, Heinrich von Rheinfelden, die Plebane von St. Alban, St. Leonhard, St. Peter und der Domkirche, den Domkanoniker Egglin, Johannes Pastoris und Prior und Konvent der Prediger auf, ihre Aussage, der Drittorden sei nicht approbiert, zu widerrufen, und er bestellte Mulberg und weitere Kleriker zu sich. 107

Burgmann, Konrad von Soltau, Nikolaus Prowin und Konrad von Soest; dazu MORAW, S. 527; siehe auch MLETHKE, Jürgen: Karrierechancen eines Theologiestudiums im späteren Mittelalter. In: Schwinges, Rainer C. (Hrsg.): Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts. Berlin 1996, S. 181-209 (ZHF Beiheft 18), hierS. 189-191. 102

FRANZ, S. 107-114, (Edition) S. 206-216. FRANZ hält es für möglich, daß die Heidelberger Professoren erst durch Mulbergs „Vorbild" in Basel angeregt wurden, sich mit dem Beginentum zu beschäftigen, ebd. S. 108. Vgl. auch KALEC, Jaroslav: „Nikolaus von Jauer". In: VL 6, Sp. 1078-1081; LERNER, S. 156; RITTER, S. 351f. 103

Vgl. dazu Abschnitt VI 1.3, besonders Anm. 81.

104

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 21). Zum Folgenden BONER, BZGA 34, S. 139-141.

105

BASEL UB, Ε I l 1 , fol. 28 r -30 v .

106

BASEL UB, Ε I 1', fol. 30 v -31 r .

107 BASEL UB, Ε I l k , fol. 480 r -484 v (= Ε I 1', fol. 105 r -108 v ; A VIII 41, fol. 257 r -262 r )-

3. Basel in den Jahren 1405-1410

59

Noch ohne Kenntnis vom Eingreifen der römischen Kurie hatte Humbert in seinem dritten Urteilsspruch am 1. November alle der participacio mit Beginen und Begarden Verdächtigen aufgefordert, sich absolvieren zu lassen, da auch sie unter die im ersten Urteil ausgesprochene Exkommunikation fielen und über alle ihre Aufenthaltsorte das Interdikt verhängt würde. Die bereits im Oktober angeklagten Brüder wurden nun exkommuniziert, da sie verbotenerweise über die Spendung der Eucharistie und letzten Ölung hinaus sogar Begräbnisse durchgeführt hätten. Für die davon betroffenen Verstorbenen, die bereits beigesetzt worden waren, ordnete der Bischof die Exhumierung, Umbettung und Rekonziliation an. 108 Die Franziskaner feierten trotz des Interdikts ihre Gottesdienste und hatten anscheinend besonders bei den Frauen der Adligen großen Rückhalt.1*» Da die Barfüßer, allen voran der Provinzial Johannes Leonis und Rudolf Buchsmann, die ausgesprochenen Exkommunikationen nicht beachtet und sogar das Interdikt öffentlich gebrochen hätten, wandte sich Humbert am 14. November 1405 an den „weltlichen Arm" mit der Bitte, seine Gebote durchzusetzen und bei Verstößen eine Ausweisung aus der Stadt zu erwirken. 110 Darauf wurden alle Beginen aus der Stadt gewiesen, falls sie ihren Stand nicht „freiwillig" aufgäben. 111 Die Beginen flüchteten in die umliegenden Dörfer, die zum Gebiet des Markgrafen von Hachberg-Rötteln gehörten. 112 Die Frauen, die seelsorgerisch von Seiten der Dominikaner oder des Säkularklerus' betreut wurden, gaben ihren Stand als Beginen für immer auf. Der Besitz der Franziskaner-Terziarinnen wurde enteignet, aber dank der Intervention der Minoriten an der Kurie erhielten sie ihn schon im folgenden Jahr zurück. 113 Doch dies war nur ein vorübergehender Erfolg für die Beginengegner: Der Prozeß an der Kurie stand noch aus, und Mulberg konnte nicht auf die bedingungslose Unterstützung seiner Ordensbrüder in dieser Frage zählen. Er 108

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 21); BONER, BZGA 34, S. 139.

109

Sojedenfalls WURSTISEN, BaßlerChronick, S. 226.

110

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 6); BONER, BZGA 34, S. 139.

111

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 225f.; seinem Bericht zufolge war der Rat so verärgert über die Interdikte, die wegen der Beginen ständig neu erlassen wurden, daß er eine Vertreibung der Frauen beschloß; vgl. auch BASEL UB, Α λ II 14, Bl. 343. Sie fanden laut dem Chronisten Konrad Schnitt bereits im Jahr 1404 statt; Schnitt schrieb im 16. Jh. seine Aufzeichnungen nieder, so BASLER CHRONIKEN 6, S. 296; zum Quellenwert von Schnitt die Einleitung von A. Bernoulli, ebd. S. 89-109, 293-295. 112

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 230. Bereits für den Zeitpunkt der ersten Stellungnahme von Buchsmann im Jahr 1400 hatte WURSTISEN von einem starken Rückhalt der Franziskaner in der Familie des Markgrafen berichtet, ebd. S. 223 und BASEL UB, Α λ Π 14, Bl. 340. 113

Vgl. zur Intervention Innozenz' VII. besonders Anm. 129; zur Enteignung des Besitzes Abschnitt IV 5.2.

60

IV. Der Basler Beginenstreit

sah sich am 24. November 1405 veranlaßt, offiziell die alleinige Verantwortung für sein weiteres Vorgehen in der Beginenfrage zu übernehmen, 114 was als deutlicher Hinweis auf die schwindende Solidarität seiner Ordensbrüder zu diesem Zeitpunkt verstanden werden darf. Die Vorladung Mulbergs an die römische Kurie war inzwischen in Basel eingetroffen und er erhielt am 14. Dezember mit weiteren Klerikern, die ihn begleiten sollten, eine Generalvollmacht, um die Interessen der Beginengegner vor dem Papst zu vertreten. 115 Das bestehende Interdikt wurde fünf Tage später für die Zeit bis zum 13. Januar 1406 aufgehoben. 116 Am 20. Dezember 1405 legte die Partei des Bischofs und Mulbergs ihre Anschuldigungen gegenüber den Minderbrüdern in einer Appellation an die Kurie nieder: 117 Die Beginen predigten das Wort Gottes und verbreiteten verschiedene Irrtümer unter den Gläubigen, sie gehorchten ihren Weltpriestern nicht, maßten sich Almosen an, mißachteten das Interdikt und mißbrauchten die Hostie. Mulberg behauptete gar, die Barfüßer hätten den Papst mit 60 000 Gulden bestechen wollen, damit er ihnen Eigentumsrechte gebe. Außerdem klagte der Bischof, die Minoriten zögen die Landvögte des Herzogs von Österreich auf ihre Seite, damit diese den Basler Klerus zu einer franziskanerfreundlichen Haltung trieben. 118 Diese Anklageschrift trug Johannes Inlasser als Prokurator der bischöflichen Seite am nächsten Tag den Barfüßern vor. 119 Dem schlossen sich die Kleriker von St. Peter, St. Alban und der Augustiner-Eremiten ebenfalls an. 1 2 0 Am 21. Dezember 1405 veröffentlichte Humbert sein viertes und letztes Urteil und exkommunizierte alle Barfüßer wegen Nichtbeachtung des Interdikts. 121 Aus dieser Zeit stammen auch Mulbergs Angriffe gegen die Barfüßer, die ihr Prokurator Jakob von Subinago im folgenden Jahr in Viterbo vor Kardinal Odo Colonna zu Protokoll gab. 122 So habe Mulberg gepredigt, die antiqua et prima regula der Franziskaner habe noch nichts von Terziarinnen gewußt, und 114

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger UK 780: Ego frater lohannes Mulberg dixi: „(...) que feci in causa Beghardorum et Beginarum sub tercia regula degentium de favoribus religiosorum scilicet Minorum et de sacramentis per eosdem illicite ministratis, si sunt bona, deus fecit, si autem sunt mala, ego solus feci neque ordo meus neque conventus (...)". Vgl. auch BONER,

BZGA 34, S. 140. 115

BASEL UB, Ε I 1', fol. 141 r -142 v .

116

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 9).

117 118

119

BASEL

STA, Klosterarchiv

Prediger

Ν5

(Nr.

10) (=

Vgl. dazu Abschnitt IV 5.1.

UB,Ei l'.foi. Hr-I3r. 12 ° BASEL UB, Ε11', fol. I3r-i8r. BASEL

121

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 21).

122

BASEL UB, Ε I 1', fol. 458 r -469 r .

BASEL

UB, Ε11', fol. lr-llr).

3. Basel in den Jahren 1405-1410

61

er fügte hinzu, daß sie deshalb keine Almosen empfangen dürften, nicht einmal, wenn sie invalidi seien. Stolz habe sich Mulberg gerühmt, daß es seit Jahren keine solchen Predigten gegen die Barfüßer und ihren Drittorden gegeben hätte, und bissig gab Jakob von Subinago zu Protokoll: Respondeo: „ Quia nullus Mulberg fuit qui se morti vel ut feriretur gladio exponere vellet!"123 Mulberg habe sogar öffentlich verkündet, eine Hure sei von größerem Seelenfrieden und Gott näher als die Terziarinnen, die zudem die 40 Milchkühe der Brüder seien, die sie mit zartem Fleisch und Käse versorgten. Mit Bildern der Apokalypse wiegle er das Volk auf: Bliebe die Exkommunikation der Barfüßer aus, würden die Bäume Blut schwitzen, die Fische im Wasser erzittern, Hagel, Donner und andere Schrecknisse über die Stadt hereinbrechen. 124 Mulberg habe so großen Zulauf und eine solche Wirkung, daß die Franziskaner, selbst wenn Mulberg und seine Anhänger schon längst tot wären, in hundert Jahren nicht von der Verdammung und Schmach befreit werden könnten, da sie so schwer beschuldigt worden seien. 125 Die Bitte der Barfüßer, der Prior und Konvent der Prediger, besonders aber Bruder Heinrich von Rheinfelden mögen doch Mulberg Einhalt gebieten, sei zu dieser Zeit abgelehnt worden, Heinrich habe die Barfüßer sogar als Exkommunizierte denunziert - womit er sich freilich nur an die bischöflichen Anordnungen gehalten hatte. Humbert hingegen habe Gläubige, die die Kirche der Minoriten besuchten, vor seinem Offizial abschwören lassen, dies weiterhin zu tun oder gleichfalls unter die Strafe der Exkommunikation zu fallen. Vermutlich um rechtlichen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen, gaben Johannes Pastoris, der Domkanoniker Oswald Egglin, die Münsterkapläne und die Plebane von St. Peter und St. Alban in der letzten Dezemberwoche notarielle Erklärungen ab, nie gegen die Franziskaner und deren Dritten Orden gepredigt, sondern nur pflichtgemäß die bischöflichen Urteilssprüche veröffentlicht und die ordensungebundenen Beginen und deren Anhänger angegriffen zu haben. 126 Damit sollte offensichtlich verhindert werden, daß die Minoriten sie wegen der Verleumdung, Terziarinnen unterstünden gar keiner approbierten Regel, belangen könnten. Wohl aus dieser Furcht heraus gaben das Kapitel und der Domdekan noch zwei Jahre später im Namen Mulbergs, der sich in Rom aufhielt, zu Protokoll, er habe die Gültigkeit dieser Regel nie bestritten.127

123

B a s e l UB, Ε11 1 , fol. 460v.

124 BASEL UB, Ε I 1', fol. 465 v : arbores sudarent sanguinem, contremescerent pisces in aqua, sequerentur grandines et tonitrua et alia terribilia (...). 125

BASEL UB, Ε I 1', fol. 465 v -466 r .

126

BASEL UB, Ε 11», fol. 18r-22r.

127

B a s e l S t A , Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 13).

62

IV. Der Basler

Beginenstreit

In den folgenden Monaten jagte ein Interdikt das andere; zu welch aberwitzigen Situationen dies führen konnte, illustrierte Wurstisen mit Hilfe einer Anekdote über eine tote Begine, die die Barfüßer angeblich in den ersten Wochen des Jahres 1406 über ihren Kirchhof zum Begräbnis getragen und somit ein neuerliches Interdikt provoziert hätten. Der Rat habe den Bischof gedrängt, dieses wieder aufzuheben, da die Tote eine regulierte Terziarin gewesen sei und zum Zeitpunkt ihres Todes, an dem gar kein Interdikt mehr bestanden hätte, sowieso längst durch den Konstanzer Bischof von dem früher verhängten Interdikt befreit gewesen sei. Einige Bürger hätten gar nach der Beisetzung das Wiederausgraben der armen Begine als einzige Lösung gefordert und die Minderbrüder hätten sie nur mit schärfsten Drohungen davon abhalten können. 128 Die Barfüßer konnten mit dem bisherigen Ablauf des Verfahrens zufrieden sein, denn sie hatten sich zu einem günstigen Zeitpunkt an Rom gewandt: Papst Innozenz VII. war ihnen wohlgesonnen und kritisierte scharf das Vorgehen des Bischofs und der Stadt gegen die Beginen. Der Papst forderte am 7. Mai 1406 den Bischof und die Stadt auf, alle Verfügungen gegen die Terziarinnen und die Franziskaner rückgängig zu machen und ihre eingezogenen Güter zurückzugeben. 129 Dieses Papstschreiben übergaben die Barfüßer Ende August in Anwesenheit eines Notars dem Rat der Stadt und verkündeten es öffentlich im Münster. 130 Wenn man Wurstisen Glauben schenken darf, kehrten die Beginen danach heimlich in die Stadt zurück, worauf der Bischof für einige Tage erneut ein Interdikt erließ, an das sich aber die Minoriten nicht hielten. In dieser Phase des Streits machte aber nicht nur der Papst, sondern auch der Markgraf von Hachberg-Rötteln deutlich, auf wessen Seite er stand: Er ließ zwei seiner Töchter bei den Klarissen in Basel eintreten. 131 Im Herbst des Jahres 1406 wähnten sich die Franziskaner noch sicher, den Beginenstreit dank der Unterstützung von Innozenz VII. zu ihren Gunsten entscheiden zu können. Doch durch den Tod des Papstes im November des Jahres und die Wahl von Gregor XII. zu seinem Nachfolger war eine neue Situation eingetreten. 132 128

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 226.

129

Beide Schreiben an Bischof und Rat in: BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 186-191 u. 191f. unter Nr. 516; vgl. dazu auch STRAGANZ, Max: Zur Geschichte der Minderbrüder im Gebiete des Oberrheins. In: FDA 28 (1900), S. 319-395, hier S. 339, Nr. 64f„ S. 383-386, VII (Nr. 83). 130

Zum Folgenden WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 227f. (= REGESTEN DER MARKGRAFEN 1, h 896). Ebenso BONER, BZGA 34, S. 140. 131

SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 76, nennt insgesamt vier Töchtern des Markgrafen, die im Klarissenkloster lebten. 132

Zum Folgenden PATSCHOVSKY, Beginen, S. 415f.; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 228, und zu den immer noch ständig erlassenen Interdikten BASEL UB, Α λ Π 14, Bl. 347; DEGLERSPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 35.

3. Basel in den Jahren

1405-1410

63

Johannes Mulberg, der sich inzwischen in Rom aufhielt, schrieb Ende des Jahres 1406 begeistert an seine Mitstreiter in Basel, den Bischof und Johannes Pastoris, der neue Papst habe ihn sofort empfangen und er stimme mit Mulberg in der Beginenfrage ganz überein, zudem wolle er den Entscheid, in dem die Barfüßer begünstigt wurden, zurückrufen.133 In dem Brief an Pastoris jammerte Mulberg ferner über den Geiz des Bischofs, der ihn nicht mehr finanziell unterstütze, und so sei der skandalöse Zustand eingetreten, daß er, Mulberg, alle Kosten des Gerichtsverfahrens alleine tragen müsse. Der aus Basel in Rom eingetroffene Hartman von Münchenstein habe auch nicht die erhoffte Summe mitgebracht, da er unterwegs alles verloren habe. Aus dieser Zeit stammt vermutlich auch die Zusammenstellung von Mulbergs Argumenten in Form von Thesen, die er an der Kurie vorgetragen hatte. 134 Die ständige Geldknappheit des Bischofs und seiner Diözese sollte sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern,135 und im Frühling 1408 schickte der Konstanzer Bischof Albrecht Blarer Bettelbriefe an die Pfarrer seiner Diözese, in denen er sie um großzügige Spenden für den Basler Klerus im Streit gegen die Beginen bat.136 Die Wende, die durch den Pontifikat Gregors XII. eingetreten war, bescherte auch den Franziskanern eine Vorladung an die Kurie: Am 16. Juni 1407 zitierte Odo Colonna die Partei der Beginenfreunde innerhalb von fünfzig Tagen nach Rom. 137 In seinem Schreiben wurden sowohl die franziskanische Anklage wie auch die von Mulberg zu Protokoll gegebene Verteidigung ausführlich referiert. Dabei zählte der Kardinal die Namen der Frauen und Beginenhäuser auf, die der Ketzerei beschuldigt wurden. Es handelte sich um zehn Häuser, die der Seelsorge der Minoriten unterstanden, es fehlt aber interessanterweise ein Haus, das diesem Orden ebenfalls zugerechnet wurde.138 133

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 2 u. 14); beide Briefe sind undatiert, aber vermutlich kurz nach dem Amtsantritt Gregors am 30. Nov. 1406 einzuordnen; in Auszügen übersetzt und kommentiert bei BONER, BZGA 34, S. 140. 134

Überliefert in AARAU F 26:4, fol. 3&\ parallel in Basel UB, F.L. VI 1, fol. 43 v -44 r .

135

Zur starken Verschuldung des Bistums unter Humbert von Neuenburg siehe BALLMER, Roger: Les assemblies dans I'ancien Eveche de Bäle: Des origines ä 1730. In: Schweizer Beiträge zur Allgemeinen Geschichte 20 (1962/63), S. 54-140, hier S. 59; DERS.: Les etats du pays ou les assemblies d'etats dans I'ancien eveche de Bäle. Delemont 1985, S. 17. WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 341f., nimmt Humbert, der gemeinhin als Verschwender galt, in Schutz und betont, daß dieser ein Bistum vorfand, dessen Rechte zum größten Teil bereits verpfändet waren. 136

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 15-19) (= REC III, 8067).

137

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 11); in diesem Schreiben Colonnas sind die Anklagepunkte gegen die Beginen und Mulbergs Position noch einmal detailliert angegeben; eine fragmentarische Paralleluberlieferung in BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 1); ebenso in (Nr. 20); vgl. auch NEIDIGER, Mendikanten, S. 129f. 138

Es fehlt das Haus Gesingen; die Sammlung in der weißen Gasse (= Isenlins Haus) war bereits dem Spital übereignet worden; siehe auch Anm. 220.

64

IV. Der Basler

Beginenstreit

Außerdem wird hier die äußerst differenzierte Argumentation Mulbergs deutlich: Er spricht den Terziarinnen das Recht ab, der Dritten Regel zu folgen, da sie weder in moribus nec in doctrina seu disciplina deren Anforderungen gerecht würden; zudem habe der Hl. Franziskus diese Regel gar nicht begründet. Damit hatte er sich von dem rechtlich anfechtbaren Vorwurf, die Dritte Regel sei nicht approbiert, auf kluge Weise distanziert, und doch konnte er gleichzeitig die Unrechtmäßigkeit ihrer beginalen Lebensform öffentlich anprangern. Im September 1407 setzte Odo Colonna mit päpstlicher Autorität Kleriker der Nachbardiözesen Straßburg und Konstanz als Kommissare ein. 139 Dies beschleunigte aber den Prozeßfortgang ebensowenig wie das Auswechseln von Odo Colonna in der Prozeßführung durch Jacopino da Udine, den Kardinaldiakon von S. Maria Nuova, im Juni 1408.140 Für die Beginengegner schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das für sie günstige Urteil aus Rom in Basel eintreffen würde. Doch abermals änderte die Neuwahl eines Papstes die Haltung der Kurie in der Beginenfrage grundlegend. Im Verlauf des Jahres 1408 fiel die Mehrheit der Kardinäle von Gregor XII. ab, und auf dem Pisanum 1409 wurden sowohl er wie auch sein Gegenpapst Benedikt XIII. abgesetzt und Alexander V. gewählt. König Ruprecht war bis zu seinem Tod im Mai 1410 Anhänger Gregors XII. geblieben, sein Nachfolger König Sigismund Schloß sich aber dem Pisaner Papst an, und die deutschen Bischöfe folgten ihm.141 Unter ihnen waren Albrecht Blarer aus Konstanz und Humbert von Neuenburg aus Basel; eine Tatsache, die in der Beginenfrage einschneidende Konsequenzen hatte, da der Papst Minorit war. Die Barfüßer appellierten sofort an Alexander V., der Landolfo Marramauro, Kardinaldiakon von S. Niccolä in Carcere Tulliano, mit der Prozeßsache beauftragte. Landolfo entschied ganz im Sinne der Barfüßer; zu Beginn des Jahres 1410 forderte er Humbert in scharfem Ton auf, seine Maßnahmen zurückzunehmen und die Terziarinnen in ihre alten Rechte und Privilegien einzusetzen.142 Anfang Februar rief der Bischof seine Urteilssprüche und alle weiteren Schriftstücke zurück, die sich gegen die Franziskaner und ihren Drittorden gerichtet hatten. Zwischen Humbert und seiner Partei einer139

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 12) (= Prediger UK 792).

140

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 20).

141

SCHÖNENBERGER, BZGA 26, bes. S. 142f.; BZGA 27, S. 129-134, 164-184; DERS., Konstanz, bes. S. 109; WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 340f.; 2,2, S. 789f.; HAUPT, Schisma, S. 51, 314-317. 142 D i e Anordnung Landulfs und Humberts anschließende Revozierung in der Chronik von GLASSBERGER, Nicolaus: Analecta Franciscana sive Chronica aliaque varia documenta. Bd. 2, Quaracchi 1887, S. 232-235; danach BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 190f. Anm.; vgl. dazu GREIDERER, Germania Franciscana 2, S. 609; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808. Zu Glassberger siehe PROKSCH, S. 47-49, 126-128, 246f., 249f.

3. Basel in den Jahren 1405-1410

65

seits und den Barfüßern mit ihren Terziarinnen andererseits kam es am 18. Februar 1410 zu einem Vergleich: Humbert mußte alle Erlasse revozieren, dafür verzichteten die Minoriten auf alle weiteren Ansprüche. 1 4 3 Wurstisen berichtet, daß sich die Barfüßer zuerst nicht auf den Vergleich einlassen wollten. Der Bischof habe sich aber mit den Domherren und dem restlichen Klerus verbündet und gedroht, jeden mit einer Strafe von 500 Gulden zu belegen, der der Übereinkunft widerspreche und schlußendlich stimmten auch die Barfüßer zu. 1 4 4 Danach kehrten die Beginen, die sich im Umland aufgehalten hatten, in die Stadt zurück. Der Minoritenpapst Alexander V. hatte zur Zufriedenheit der Franziskaner entschieden. Aber bereits am 3. Mai 1410 verstarb er, und sein Nachfolger wurde Johannes XXIII., in dessen Obödienz Basel blieb. Der neue Papst ließ auf eine Entscheidung gegen die Beginen hoffen, und Johannes Pastoris versuchte, den Bischof zu einem Revisionsverfahren zu bewegen. 1 4 5 Humbert fürchtete wohl weitere finanzielle Aufwendungen und wandte sich nicht mehr an die Kurie, 1 4 6 aber auch die Barfüßer scheuten eine Anfechtung des Vergleichs und eine Wiederaufnahme des Prozesses. Auf juristischer Ebene war der Beginenstreit damit beendet. Doch der radikale Flügel der Beginengegner gab anscheinend noch nicht auf. Von den weiteren Ereignissen in Basel unterrichtet wieder nur Wurstisen: Die Barfüßer hätten sich in der ganzen Stadt mit dem Widerruf der bischöflichen Seite gerühmt, der das Eingeständnis des Unrechts des Bischofs darstelle. Dagegen habe sich am Abend vor Palmsonntag, am 15. März 1410, Pastoris mit einer weiteren flammenden Predigt gewehrt, die denjenigen gegolten habe, die sich hinter dem Namen der Dritten Regel versteckten und dadurch verbannt seien. Wer mit dem Bettel seinen Lebensunterhalt erschleiche, handle wider die Heilige Schrift. Die Barfüßer scheinen Ähnliches erwartet zu haben, denn, so berichtet unser Chronist, sie hörten sich diese Predigt gemeinsam mit einem von ihnen eigens dafür bestellten Notar an. Zehn Tage später habe auch ein Domherr gegen Franziskaner und Terziarinnen gepredigt und die Beginen seien nun wieder der allgemeinen Verachtung ausgesetzt gewesen. 147 Trotz der Entscheidung der Kurie, die der franziskanischen Seite Recht gegeben hatte, schlug die Stimmung in der Stadt tatsächlich erneut um: Die

1 4 3

S. 144

BASEL STA,

142;

Prediger UK 804; W U R S T I S E N , Baßler Chronick, Beginen BZGA 6 9 , S . 35.

S.

234;

BONER,

BZGA 34,

DEGLER-SPENGLER,

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 234.

145

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 234; BASEL UB, Α λ II 14, Bl. 349; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 35. 146

Siehe Anm. 135.

147

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 234f.

66

IV. Der Basler

Beginenstreit

Beginen und ihre „Schutzmacht" wurden wieder angegriffen. Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort liegt beim Lenkungsgremium der Stadt, dem Rat, der in den Jahren des Beginenstreits einen grundlegenden Wandel erlebte.

4. Der Ratswechsel von 1410 4.1. Der Rat bis 1409 In Basel bestand der städtische Rat aus vier Adligen und acht Patriziern, den sogenannten Achtburgern. 148 Die beiden wichtigsten Positionen im Rat, das Amt des Bürgermeisters und des Oberzunftmeisters, wurden jedes Jahr abwechselnd mit je einem Vertreter des Adels und des Patriziats besetzt. Darüber hinaus gehörten dem Rat fünfzehn Zunftratsherren an. Erst seit Ende des 14. Jhs. konnten die Zünfte zu den fünfzehn Zunftherren noch weitere fünfzehn Zunftmeister in den Rat schicken. Der Umgestaltungsprozeß, durch den sich der numerische Anteil, den die Zünftler innerhalb der Bürgerschaft hatten, auch in ihrem Einfluß auf die städtische Politik widerspiegeln sollte, fand 1401 mit der neuen Zunftmeisterwahlordnung seinen Abschluß. Von nun an ergänzten sich die Vorstände einer Zunftgemeinde selbst und wählten unter sich den Meister, der bisher von der gesamten Gemeinde bestimmt wurde. Die Zunftmitglieder wurden dadurch in ihren alten Rechten empfindlich eingeschränkt. Im folgenden Jahr, 1402, kam es zu einem Aufruhr. 149 Der Aufstand wurde von den Messerschmieden angezettelt, die gegen ihren Zunftvorstand rebellierten, der in ihren Augen eine Politik betrieb, die zu sehr an die Wünsche des Rates angepaßt war. Durch sein rasches und hartes Vorgehen konnte der regierende Rat aber das Übergreifen der Rebellion auf größere Bevölkerungskreise verhindern. Alle Verdächtigten wurden sofort verhaftet, und bevor die anderen Zünfte näher informiert worden waren und der Aufstand sich ausbreiten konnte, ließ der Rat die Aufständischen einen Unterstützungseid schwören - was einzelne Zunftmitglieder im nachhinein sehr bereuten. Die 43 Verhafteten beklagten sich über die Politik des Rates, der sie in ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten immer weiter eingeschränkt hatte und der prinzipiell alle Finanzgeschäfte geheimhielt. Außerdem empörten sie sich über finanzielle Einbußen, die sie nicht länger hinnehmen 148

Zum Folgenden HEUSLER, S. 372-393; jede Zunft wählte einen Meister und einen Sechserausschuß zur Leitung der Zunftangelegenheiten, das Kollegium aller Zunftvorstände wurde seit der zweiten Hälfte des 14. Jhs. „großer Rat" genannt, ebd., S. 382f. WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 345-351. 149

Zu den folgenden Ausführungen vgl. die umfassende Darstellung bei SIMON-MUSCHEID, S. 13-47, die auf der einzig erhaltenen Quelle basiert, den 43 Verbannungsurteilen im „Leistungsbuch", überliefert in BASEL STA, Ratsbücher A 2; siehe auch ,JDie Aufzeichnungen von Schnitt" in: BASLER CHRONIKEN 6, S. 296; dazu auch Anm. 111. Vgl. auch HEUSLER, S. 375f.; WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 345f.; zu den Zünften vgl. Anm. 166.

4. Der Ratswechsel

von 1410

67

wollten. Diese waren das Ergebnis einer „neuen" Münze, die eine Münzverschlechterung und das Ausscheren aus dem oberrheinischen Münzbund bedeutet hatte. Außerdem hatte der Erwerb Kleinbasels 1401 die Einführung einer außerordentlichen Steuer nach sich gezogen. 150 Katharina Simon-Muscheid konnte zeigen, daß die Aufständischen sehr gut über die städtische Politik informiert waren und zum größten Teil das Basler Bürgerrecht besaßen. 151 Acht von ihnen wurden lebenslänglich, die anderen für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren verbannt. Obwohl das Urteil bei einer nachträglichen Amnestie der Verbannten eine weitere Strafe vorsah, lassen sich einige der Verurteilten schon wenige Jahre später wieder in Basel nachweisen. Der Rat war so gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen, daß er die ehemaligen Rebellen nicht mehr fürchten mußte und die kritisierten Zustände beibehalten konnte. In den folgenden Jahren war der Rat keinen Anfeindungen von Bürgerseite mehr ausgesetzt, dafür brodelte es aber im Rat selbst. 152 Im Jahr 1403 gelang es Peter zem Angen, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Ratsmitglied gewesen war, den älteren und äußerst angesehenen Jakob Zibol aus dem Amt des Oberzunftmeisters zu verdrängen.153 Zem Angen verbündete sich im folgenden Jahr mit Henman Fröweler von Erenfels und dem amtierenden Bürgermeister Hans Ludman von Rotberg. Diese drei bestimmten von nun an die Politik der Stadt, sie hielten die beiden wichtigsten Ämter fest in ihrer Hand: Erenfels und zem Angen wechselten sich jährlich als Oberzunftmeister ab, Rotberg übernahm in jedem zweiten Jahr den Posten des Bürgermeisters.

150

Dazu WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 344f.; GILOMEN-SCHENKEL, S. 35. GILOMEN,

Kirchliche Theorie, S. 46, sieht im Aufstand von 1402 eine überraschende Konsequenz aus der Wucherdiskussion, die seit den 1390er Jahren im Reich um den Rentenkauf entbrannt war, so „daß sich die Rentschuldner weigerten, die Renten weiter zu entrichten, mit der Begründung, die Verträge seien ja wucherisch." Vgl. auch DERS., Die städtische Schuld, S. 25; sowie Abschnitt IV 5.1. 151

SIMON-MUSCHEID, b e s . S. 2 9 .

152

Über die Jahre 1400 bis 1410 unterrichtet detailliert der „Bericht über den RotbergErenfelsischen Handel", ed. in BASLER CHRONIKEN 5, S. 75-102. „Der Bericht" ist die Begründung der Strafurteile, die der Rat im August 1410 gegen Rotberg und Erenfels erlassen hatte; er sollte die Entscheidung des neuen Rates legitimieren und zählte deshalb die Vergehen der beiden Verurteilten und des bereits 1409 verstorbenen zem Angen auf. Zum Folgenden vgl. auch WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 343-355; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 236f. 153

Zibol war 1375 Oberzunftmeister, 1388 Bürgermeister und seit 1391 in allen ungeraden Jahren Oberzunftmeister gewesen; dazu BASLER CHRONIKEN 5, S. 83, Anm. 5; zu seinem Leben und seiner Familie siehe KOELNER, Paul: Die Zunft zum Schlüssel in Basel. Basel 1953, S. 37-40; 1401/03 gründete Zibol die Kartause, 1409 gerät er bei Kriegsausbruch zwischen die Fronten Österreichs und Basels und verliert den größten Teil seines Vermögens, er muß alle Ämter niederlegen und wird von den Baslern für einige Zeit gefangen gehalten. Vgl. auch WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 371f.

68

IV. Der Basler

Beginenstreit

4.2. Der Ratswechsel Gegen die Vormachtstellung von zem Angen, Erenfels und Rotberg hatte sich innerhalb des Rates eine Opposition gebildet. Sie ergriff sofort die Gelegenheit, als 1409 der führende zem Angen verstarb, und besetzte das so freigewordene Amt des Oberzunftmeisters mit einem ihrer Anhänger, Henman Buochpart. Dieser war Meister der Schlüsselzunft, eine der Handels- und zugleich Herrenzünfte, und seit Jahren ein Gegner der drei. 154 Während der Amtszeit Buochparts gelang es der oppositionellen Strömung im Rat, einige grundlegende Entscheidungen zu treffen. Zuerst führten sie eine Reform des Wehrwesens durch, die „Ordnung der 4 Panner". 155 Bisher hatte der Bürgermeister, zu dieser Zeit Rotberg, die Führung des gesamten städtischen Aufgebots innegehabt. Nun wurden die Söldner vier Hauptleuten unterstellt, denen wiederum Ratsmitglieder zur Seite standen. Als nächstes wandten sie sich an den Bischof, der traditionellerweise jährlich den Oberzunftmeister bestimmte und auf Vorschlag des Rates den Bürgermeister ernannte, und baten ihn, für einige Jahre von dieser Regelung abzusehen und den amtierenden Rat selbst seine beiden zukünftigen Vorstände küren zu lassen. 156 Zur Begründung gaben sie an, mit dem militärischen Vorgehen Rotbergs in dem seit 1409 dauernden Krieg gegen Österreich nicht einverstanden zu sein, da Rotberg die Interessen der Stadt nicht wahre. Schon 1406 hatten die drei eine Einigung mit den Grafen von Thierstein und im folgenden Jahr mit Österreich verhindert. 1409 drohte sogar der erhoffte Waffenstillstand mit Katharina von Burgund an den Forderungen von Erenfels zu scheitern. Nach langem Zögern lehnte der Bischof die Bitte ab, was die gegen Rotberg und Erenfels opponierenden Ratsmitglieder so verärgerte, daß sie das Ammeistertum wieder einführten, das bereits in den Jahren zwischen 1385 und 1389 bestanden hatte. 157 Es sollte auch im Juni 1410 dazu dienen, neben dem Oberzunftmeister und Bürgermeister ein drittes Stadtoberhaupt zu etablieren. Dieses Amt konnte nur ein Zunftmitglied, das in keinerlei Lehnsverpflichtungen eingebunden war, erhalten. Der Ammeister teilte sich zum einen die Leitung des Heeres mit dem Bürgermeister und kontrollierte zum anderen die gesamten Finanzgeschäfte des Rates. Die Wiedereinführung dieser Position war direkt

154

Zu Buochpart und seiner Familie vgl. KOELNER, a.a.O., S. 40-42, 182. Auseinandersetzungen innerhalb des Rates gab es zu Beginn des 15. Jhs. z.B. auch in Straßburg, dazu ALIOTH, Martin: Les groupes socio-economique de Strasbourg ä la poursuite de leurs interets (1332-1482). In: Revue d'Alsace 114 (1988), S. 237-250. 155

Dazu BASLER CHRONIKEN 5, S. 76, und Anm. 5; MAIER, S. 37.

156

Von den Auseinandersetzungen über den Wahlmodus zwischen Rat und Bischof berichtet die „Rötteler Chronik", bearb. von SCHUBRING, S. 98-101. 157

290;

Zum Ammeistertum vgl. W A C K E R N A G E L , Geschichte 1, S. 302f., 352; H E U S L E R , S. 282M A I E R , S . 4 2 ; mit Hinblick auf das Schisma S C H Ö N E N B E R G E R , B Z G A 2 6 , S . 1 1 2 .

4. Der Ratswechsel

von 1410

69

gegen Rotberg und Erenfels gerichtet, aber sie beschnitt auch Bischof Humbert in seinen Rechten. Der erste Ammeister wurde Johannes Wiler, der einer Handelszunft, der Safranzunft, angehörte. Er war, wie sein berühmter Zunftgenosse Henmann Offenburg, 158 einer der reichsten Bürger Basels, der in den folgenden Jahren ständig wichtige Ämter besetzte.159 Wiler soll ein Beichtsohn Johannes Pastoris' gewesen sein und dürfte auf der Seite der Beginengegner gestanden haben. 160 Mit dem Bischof muß es aber kurz darauf zu einer Aussöhnung gekommen sein, denn am 24. Juni 1410 ernannte er dem Wunsch der Oppositionellen gemäß den adligen Günther Marschalk zum Bürgermeister und Volmar von Jettingen zum Oberzunftmeister.161 Marschalks persönliche Feindschaft gegenüber Rotberg und Erenfels war bekannt,162 und auch von Jettingen, wie Buochpart Mitglied der Schlüsselzunft, zählte zu ihren Gegnern. 163 Mit Wiler, von Jettingen und Marschalk hatte die Opposition alle wichtigen Posten im Rat besetzt. Der neue Rat stellte Rotberg und Erenfels vor Gericht und verbannte ersteren für unbestimmte Zeit, letzteren für 20 Jahre aus der Stadt.164 Durch den Ratswechsel von 1410 werden die verschiedenen innerstädtischen Gruppierungen faßbar, die um die Vormachtstellung im Rat und damit in der städtischen Politik konkurrierten. Bereits Eisanne Gilomen-Schenkel konnte zeigen, daß die Adligen und Achtburger meistens ihre eigenen Interessen gegen die zünftigen Ratsmitglieder trotz deren zahlenmäßigen Überlegenheit durch158

Offenburgs Lebenslauf ist exemplarisch für den gesellschaftlichen Aufstieg, der einem Angehörigen der Herrenzunft möglich war; konsequenterweise gab er um 1420 seine Zunftzugehörigkeit auf und trat der Hohen Stube bei, aus der die adligen und patrizischen Mitglieder des Rates sowie der Bürgermeister und der Oberzunftmeister rekrutiert wurden; dazu GILOMEN-SCHENKEL, hier s . 53. 159

GILOMEN-SCHENKEL zeigt eindrücklich, daß die neuen Machthaber vor allem den Handelszünften entstammen; sie bringen auch die Finanzbehörde des Rates, das Gremium der sog. Siebener, unter ihre Kontrolle, ebd., S. 38; sämtliche Inhaber der drei wichtigsten Ämter, d.h. Bürger-, Oberzunft- und Ammeister, die alle aus der Schicht der Zunfthäupter stammen, nennt sie auf S. 37f. Siehe auch SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 100f.; SCHÖNBERG, S. 805-807. 160 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 237; er berichtet auch von den Spannungen zwischen Wiler und Marschalk, der den Franziskanern anhing. 161

SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 98-101; Korrektur zu ebd., Anm. 131 / Übersetzung: St. Johannestag meint Juni 24 und nicht 22. 162

Im Jahr 1404 wurde er bei der Wahl übergangen, BASLER CHRONIKEN 5, S. 86.

163

Bereits 1409 war es zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Volmar, zu diesem Zeitpunkt Zunftmeister zum Schlüssel, und Erenfels gekommen, siehe BASLER CHRONIKEN 5, S. 97. 164

Am 2. August 1410 schwören sie Bürgermeister und Rat Urfehde, in: URKUNDENBUCH BASEL 6, Nr. 35. Rotberg ist 1411 in österreichischen Diensten, dazu SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 108f.

70

IV. Der Basler

Beginenstreit

setzen konnten. 165 Dies verdankten die Adligen und Patrizier der Tatsache, daß es zu Beginn des 15. Jhs. nur noch wenige Bewerber um die Ratsposten gab und deshalb dieselben Leute ununterbrochen wichtige Ämter inne hatten. Im Gegensatz dazu wechselten die zünftigen Mitglieder im Rat ständig, da es sehr viel mehr potentielle Bewerber gab. Dies führte zu häufig wechselnden zünftigen Ratsmitgliedern, wodurch für sie die Gestaltung einer kontinuierlichen Politik erschwert wurde. Gegen Ende des 14. Jhs. formierte sich aber eine neue Gruppe innerhalb der Zünfte, der vornehmlich Mitglieder der sogenannten Herrenzünfte angehörten 166 und der es gelang, wie bereits dargestellt, 1410 die Macht im Rat an sich zu ziehen. Diese Beobachtung konnte Christoph Maier mit seiner Untersuchung der Sezession von 1414 differenzieren, indem er zum einen eine breitere Quellenbasis für die Jahre 1400-1414 heranzog und zum anderen die Personenverbände innerhalb des Rates näher erfaßte. 167 Im Jahr 1414 verließen 28 Adlige und Patrizier aus Protest gegen die Politik des Rates die Stadt und gaben ihr Bürgerrecht zurück. Maier ordnete der Gruppe der Sezessierenden die von ihm so benannte „feudalistische Option" zu. Damit bezeichnete er eine politische Haltung, die eine Beibehaltung der patrizischen Vorrechte und eine strenge Beachtung des Treue- und Gehorsamsverhältnisses zwischen der Bürgerschaft, dem Rat und dem Stadtherrn forderte. Dieser Gruppe standen die Ratsmitglieder gegenüber, die für die „korporative Option" eintraten: für sie standen „die Sicherheit, die Prosperität und das friedliche Zusammenleben der Bürgerschaft" 168 an erster Stelle, auch wenn dies bedeuten konnte, daß ein Zünftler Zugang zum obersten Amt bekam. Beiden Gruppierungen gehörten sowohl Adlige als auch Patrizier und Zünftler an. Für den „feudalen" Flügel von 1414 kann eine enge Verbundenheit der einzelnen Mitglieder, die auf Familien- und Handelsbeziehungen beruht, nachgewiesen werden. Diese beiden rivalisierenden Gruppierungen lassen sich bereits in den Jahren vor 1414 finden: 169 die Sezession von 1414 ist der erfolgreiche Versuch, die beim Ratswechsel von 1410 verlorene Macht wiederzuerlangen. Beim Ratswechsel waren die alten Machthaber abgesetzt worden, die „korporative" Parteiung bestimmte von nun an die städtische 165

GlLOMEN-SCHENKEL, S. 35-40; zum Folgenden WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 352-

355. 166

In Basel gibt es 15 Zünfte, die in vier „Herren-" und elf „Meisterzünfte" eingeteilt werden. Vgl. dazu S I M O N - M U S C H E I D , S . 5f. 1 6 7

MAIER

BASEL STA 1 6 8

169

wertete neben der „Rötteler Chronik" die Ratsbücher A 1-3 und die Missiven A 1 in aus.

MAIER, S. 49.

Im Gegensatz dazu M A I E R , der zuerst die Gegner mit Namen benennt und dann auf S . 3 7 äußert: „Wer genau, welche ,parthie(n)' den Widerstand gegen v. Ratpert, v. Erenfels und deren Anhänger organisierten, wird aus den Quellen allerdings nicht ersichtlich."

4. Der Ratswechsel von 1410

71

Politik. Sie war sogar bereit, eine Schlüsselposition, das Ammeisteramt, einem Vertreter der Zünfte zu übertragen, um die von Maier benannten Ziele „Sicherheit und friedliches Zusammenleben" zu erreichen. Der „korporativen" Parteiung stand die „feudalistische Option" gegenüber, deren Anführer Erenfels, Rotberg und der verstorbene zem Angen waren. Den Zeitgenossen war bewußt, daß die noch verbliebenen zwei, vormals drei, nicht alleine den Rat und die Stadt beherrscht hatten und deshalb heißt es auch in der Anklageschrift: und ouch etliche andere, die ez mit inen hattent, die man wol weisz-170 Bei ihnen handelte es sich um die Köpfe der „feudalistischen" Gruppierung im alten Rat, die um jeden Preis an den adligen und patrizischen Vorrechten festhalten wollte. Der neue Rat wollte aber ein abschreckendes Exempel statuieren und verwies Erenfels und Rotberg als Exponenten einer entmachteten Partei aus der Stadt. 171 Schon vier Jahr später zeigte sich, daß mit der Verurteilung von Rotberg und Erenfels im Jahr 1410 nicht alle Anhänger der „feudalistischen" Strömung aus Basel verbannt worden waren. Bei der Sezession von 1414 forderten die Anhänger genau dieser Gruppierung die Wiederherstellung der alten rechten und harkommen172 und die Rückkehr zu den Verhältnissen vor 1410. Am meisten störte sie die allumfassende Kompetenz des Ammeisters. Deshalb konnten sie erst zur Rückkehr bewogen werden, als seinem Amt die Finanzkontrolle abgesprochen wurde. In den folgenden Jahren wurden zur Wiederherstellung des inneren Friedens die wichtigsten Ämter gerecht zwischen dem „feudalistischen" und dem „korporativen" Flügel aufgeteilt. Die Sezessierenden erhielten das Amt des Bürgermeisters, ihre ehemaligen Gegner stellten den Ammeister - mit Henman Buochpart in den Amtsjahren 1414/15 und Johannes Wiler 1416/17 zwei bewährte Anführer der „korporativen" Seite. Das Amt des Oberzunftmeisters wechselte zwischen den beiden Lagern; Claus Murer, der mit ausgezogen war, wechselte sich mit Henman Offenburg ab, der als Befürworter des Ammeistertums in Basel geblieben war. Zu einem längerfristigen Ausgleich zwischen den beiden Lagern kam es 1417, als das Ammeistertum wieder aufgehoben wurde. 173 Und so konnte Rotberg bereits 1416 in die Stadt zurückkehren und 1418 sogar das Amt des Bürgermeisters erneut übernehmen. 174

170

BASLER CHRONIKEN 5, S. 98.

171

Dies erkannte schon A. Bernoulli in seiner Einleitung zum „Bericht", BASLER CHRONIKEN

5, S. 7 7 ; e b e n s o GLLOMEN-SCHENKEL, S. 3 6 . 172

SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 112f.

173

Vgl. dazu Anm. 157.

1 7 4

BASLER CHRONIKEN B d . 5, S. 77; SCHÖNBERG, S. 7 7 8 .

5. Das Ende des Beginenstreits 5.1. Die letzte Vertreibung Im Jahr 1411 wurden die Franziskaner-Terziarinnen endgültig aus Basel vertrieben - dies berichten die Quellen, die von der Konfiskation ihrer Häuser und ihres Vermögens handeln. 175 Von den Ereignissen, die der Enteignung vorangingen, berichtet wieder nur Wurstisen. 176 Die Franziskaner hätten durch moralische Verfehlungen den Volkszorn auf sich gezogen, als eine Frau von ihrem Ehemann auf der Flucht mit einem Minoriten ertappt worden sei. Deshalb wollte man den Minoriten das Bürgerrecht entziehen, und damit allen ihre Verwerflichkeit klar werde, sei der Wochenmarkt vom Barfüßerplatz vor das Münster verlegt worden. Ein weiteres Mal habe danach Pastoris am 2. Februar 1411 gegen die Beginen gepredigt, dieses Mal über die Bibelstelle „Herr, hast du nicht in deinen Acker guten Samen gesät, woher ist dann dieses Unkraut?" 177 In den ersten Monaten des Jahres 1411 kehrte Mulberg aus Rom zurück. Er war am 13. Februar von Papst Gregor XII. zum Ehrenkaplan ernannt worden, wodurch er der dominikanischen Jurisdiktion entzogen wurde. Außerdem hatte er die Vollmacht erhalten, in Deutschland zu predigen ad ostendendum lli veritatem et puritatem Gregorii XII. ad unionem. Gleichzeitig erhielt er einen Geleitbrief, um als päpstlicher Gesandter in die Kirchenprovinzen Köln und Mainz, in die Städte und Diözesen Konstanz, Basel, Straßburg, Augsburg und in die angrenzenden Gebiete zu reisen. 179 Des weiteren erteilte ihm der Papst die Erlaubnis, in den genannten Teilen Deutschlands die Beichte zu

175

Vgl. dazu Abschnitt IV 5.2.

176 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 237. Auch die kurzen Hinweise auf den Ausgang des Streits in BULLARIUM F R A N C I S C A N U M , S. 191 A n m . , b a s i e r e n auf W U R S T I S E N . D i e s e

„Zwischenfälle" wurden häufig als Erklärung für die letzte Vertreibung der Beginen angenommen, ohne weitere Berücksichtigung des Ratswechsels, so z.B. WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808; BONER, BZGA 34, S. 142; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 35f. Bei PATSCHOVSKY, S. 417, findet sich zum Ratswechsel der Hinweis: „Aber im Stadtregiment war 1409 (sie) ein Wechsel eingetreten, der franziskanerfeindliche Kräfte ans Ruder gebracht hatte (...)". WEHRLL-JOHNS, Dominikanerobservanz, läßt den Ratswechsel ebenfalls außer Acht, bietet aber dafür die „Fälschung" der Drittordensregel der Dominikaner als Erklärungsmodell an; vgl. dazu Anm. 38. 177

Matth. 13, 27; die Predigt ist nicht überliefert.

178

VAT. REG. 337, fol. 220 r -221 v ; REP. GER. 2,1, Sp. 1389; EUBEL, S. 101f., Anm. 4.

179

VAT. REG. 337, fol. 220 r .

5. Das Ende des

Beginenstreits

73

hören 1 8 0 und Schismatiker zu absolvieren. 1 8 1 Nach seiner Rückkehr habe er, so berichtet wieder Wurstisen, Pastoris unterstützt und in der Karwoche ab Mitte April erneut g e g e n die Terziarinnen gepredigt, „mit s o l c h e m Zulauf, daß die Kirchen die M e n g e nicht fassen mochten". 1 8 2 Aber auch die V e r g e h e n des Klerus, nämlich Wucher und geistige Hurerei, habe er gegeißelt. Wurstisens Behauptung, Mulberg habe g e g e n den Wucher gepredigt, läßt sich tatsächlich anhand der überlieferten Quellen bestätigen. In einer Sammelhandschrift der Basler Kartäuser findet sich v o n der Hand des z w e i t e n Kartäuserpriors, Johannes Dotzheim, ein Abschnitt zu den Auseinandersetzungen um Mulbergs „Wucherpredigt", der eine halbe Folioseite umfaßt. 1 8 3 Die Datierung lautet anno domini Mccccx vel circa-, diese Angabe mag durchaus noch die Karwoche im Jahr 1411, die Wurstisen angibt, einschließen. Der Text wurde detail- und kenntnisreich von Hans-Jörg Gliomen ausgewertet und eingeordnet. 1 8 4 Mulberg 180

V A T . REG. 3 3 7 , f o l . 225 R _ V .

181

VAT. REG. 337, fol. 225 v -227 r .

182

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 238.

183

BASEL UB, C V 36, fol. 78 v ; zur Edition siehe Abschnitt IX 1.7; zum Aufbau der Handschrift und ihren Schreibern siehe auch GLLOMEN, Kirchliche Theorie, Anm. 8; KAEPPELI, Scriptores 2, S. 492f„ Nr. 2520. 184

Das Folgende greift auf die Überlegungen von GlLOMEN, Kirchliche Theorie, S. 34-62, zurück; einen sehr guten Überblick über die aktuelle Forschungslage bei DERS.: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im Spätmittelalter. In: Geschichtsforschung in der Schweiz, Bilanz und Perspektiven - 1991. Basel 1992, S. 41-66; und DERS., Die städtische Schuld, S. 5, Anm. 1; mit besonderem Blick auf jüdische und lombardische Geldverleiher DERS., Wucher, S. 265-301; siehe auch RÖSCH, S. 592, Anm. 1; LEGOFF, bes. S. 7-66. Zur Entstehung des Wucherverbots im Frühmittelalter SIEMS, Harald: Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen. Hannover 1992 (MGH Schriften 35); zum Zinsverbot FUHRMANN, Horst: Der „schnöde Gewinn" oder das Zinsverbot. In: Ders.: Überall ist Mittelalter: Von der Gegenwart einer vergangenen Zeit. München 1996, S. 123-149, 286-289; ebd., S. 135f., eine kritische Auseinandersetzung mit LEGOFF und dessen These, der Zinsnehmer werde im Mittelalter zunehmend positiv beurteilt. Vgl. auch BRAUN, Christian: Vom Wucherverbot zur Zinsanalyse 1150-1700. Winterthur 1994, bes. S. 41-129. Immer noch von Interesse ist ENDEMANN, Wilhem: Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre bis gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts. 2 Bde., Berlin 1874-1880, hier Bd. 2, S. 103-160; TRUSEN, Winfried: Zum Rentenkauf im Spätmittelalter. In: Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Geschichte (Hrsg.): Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September 1971. Bd. 2, Göttingen 1972, S. 140-158; BAUER, Clemens: Diskussionen um die Zins- und Wucherfrage auf dem Konstanzer Konzil. In: Franzen, August (Hrsg.): Das Konzil von Konstanz. Freiburg 1964, S. 174-186; NEIDIGER, Liegenschaftsbesitz, S. 117. Ebenfalls zu Beginn des 15. Jhs., 1404/05, predigte der spanische Dominikaner Vinzenz Ferrer im nahen Freiburg / Schweiz und Bern gegen Wucher. Seine Predigten hatten eine so große Wirkung, daß einzelne Zuhörer ihren Schuldnern eine als wucherisch empfundene Teilschuld erließen, so UTZ TREMP, Kathrin: Ein Dominikaner im Franziskanerkloster. Der Wanderprediger Vinzenz Ferrer und die Freiburger Waldenser (1404): Zu codex 62 der

74

IV. Der Basler

Beginenstreit

hatte in seiner Predigt den wucherischen Charakter der sogenannten Wiederkaufsrenten angeprangert. Im Mittelalter waren drei Arten von Rentenkäufen üblich: 185 die Leibrente, bei der die Zahlung beim Tod des Berechtigten endete, die Ewigrente, die theoretisch bis zum jüngsten Tag weiterlief, und die Wiederkaufsrente, bei der die Rentenverpflichtung durch Rückzahlung des Kapitals aufgehoben werden konnte. Sie alle waren Kreditgeschäfte, bei denen gegen Zahlung einer Summe das Recht zum Bezug eines festen jährlichen Betrags erworben wurde. Diese Kreditgeschäfte wurden in die äußere Form eines Kaufvertrages gebracht, um nicht unter das kanonische Verbot reiner Darlehenszinsen zu fallen. 186 Die Diskussion um wucherische Zinseinnahmen war bereits seit der zweiten Hälfte des 13. Jhs. an der Pariser Universität mit Blick auf die Schriften des Heinrich von Gent geführt worden, der sowohl Ewig- als auch Leibrenten als Form des Wuchers verurteilt hatte. 187 Heinrichs Schlußfolgerung war heftig kritisiert und abgelehnt worden. Mulberg wurde nun von seinen immer zahlreicheren Gegnern vorgeworfen, in seiner Predigt die im 15. Jh. als überholt angesehene Position des Heinrich von Gent vertreten zu haben. In der vorliegenden Basler Handschrift führte der Schreiber diesen Vorwurf auf und fügte Mulbergs wörtliche Entgegnung an. Er, Mulberg, habe über die drei Grundarten des Rentenkaufs gepredigt, nämlich Leib-, Ewig- und Wiederkaufsrenten. Die beiden ersten seien erlaubt, bei der dritten Art befürchte er aber, daß sie in Wahrheit und vor dem Gewissen Verpfändungs- oder Darlehensverträge genannt werden müßten. Die Verträge über Wiederkaufsrenten würden allerdings erst durch ihre Begleitumstände, die Gewinnabsicht, Hinterlist und Franziskanerbibliothek. In: Imbach, Rüedi / Tremp, Ernst (Hrsg.): Zur geistigen Welt der Franziskaner im 14. und 15. Jahrhundert. Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Freiburg / Schweiz. Freiburg 1996, S. 81-109, bes. S. 99-104. Vgl. dazu auch GlLOMEN, Wucher, S. 296f. In Straßburg hatten die Mendikanten im 15. Jh. entdeckt, daß nicht länger Renten, sondern Getreide eine stabile Einkommensquelle darstellten, um die wirtschaftliche Konjunktur zu nutzen, dazu RAPP, Francis: Die Mendikanten und die Straßburger Gesellschaft am Ende des Mittelalters. In: Elm, Kaspar (Hrsg.): Stellung und Wirksamkeit der Bettelorden in der städtischen Gesellschaft. Berlin 1981, S. 85-102. Siehe auch SPICCIANI, Amleto: La povertä „involontaria" e le sue cause economiche nel pensiero e nella predicazione di Bemadino da Siena. In: Maffei, Domenico / Nardi, Paolo (Hrsg.): Atti del simposio internazionale Cateriniano-Bernardiniano (Siena 17-20 aprile 1980). Siena 1982, S. 811-834. 185

GlLOMEN, Kirchliche Theorie, S. 35f.; DERS., Die städtische Schuld, S. 7f.; TRUSEN, a.a.O., S. 15Of. 186

Vgl. auch FUHRMANN, a.a.O., S. 131-135; LEGOFF, S. 76-87.

187 Vgl MACKEN, Raymond: „Hendrik van Gent (Hendricus de Gandavo)". In: Nationaal Biografisch Woordenboek 8, Sp. 377-395, mit Literaturüberblick; LANGHOLM, Odd: Economics in the Medieval Schools. Wealth, Exchange, Value, Money and Usury according to the Paris Theological Tradition 1200-1350. Leiden 1992, S. 249-275.

5. Das Ende des Beginenstreits

75

einen betrügerischen und ungerechten Preis zu unerlaubten Geschäften. Er habe nie behauptet, daß Wiederkaufsverträge, die unter gerechten Bedingungen entstanden seien, unerlaubt oder wucherisch seien. Es ist kaum anzunehmen, daß Mulberg in seiner Predigt tatsächlich nur diese gemäßigte Position vertreten hatte; aber dennoch ermöglicht auch diese abgeschwächte Argumentation, Einblick zu nehmen in eine Diskussion, die von Wien bis Basel geführt wurde. Gliomen konnte zeigen, daß zu Beginn des 15. Jhs. die aktuelle Literatur zur Wucherdiskussion in Basel greifbar war: Neben den Kartäusern mit besagter Sammelhandschrift besaß auch der Dominikanerkonvent alle wichtigen einschlägigen Traktate. Heinrich von Rheinfelden hatte 1394 in Wien die Quaestio de usura: Utrum liceat alicui emere redditus von Heinrich von Langenstein und weitere Traktate dieses Autors sowie einen Traktat Heinrichs von Oyta zu demselben Problem abgeschrieben und mit nach Basel gebracht. 188 Mulberg argumentierte in Übereinstimmung mit Heinrich von Langenstein, daß beim Wiederkauf gewöhnlich kein echter Kauf und späterer Rückkauf, sondern von vornherein die Absicht einer späteren Ablösung vorlag. In seiner gemäßigten Position, wie sie in seiner Entgegnung vorliegt, bezog Mulberg außerdem die Argumentation des Heinrich von Oyta ein, der den Wiederkauf unter bestimmten Bedingungen als eine erlaubte Möglichkeit befürwortete. Mulbergs Übereinstimmung mit den Positionen von Heinrich von Langenstein verwundert nicht, wenn man Heinrichs Traktat heranzieht. Gleich im Eingangskapitel seines Traktats diskutierte Heinrich als erstes in Zusammenhang mit dem Rentenkauf die Frage des Einkommens, das nicht auf Arbeit beruhte. 189 Heinrich nannte dort wucherische Geschäfte, zu denen er die Wiederkaufsrente zählte, in einem Atemzug mit dem Bettel, wenn der Bettelnde mit seinen Händen arbeiten könnte. Heinrich lehnte den Rentenkauf ab, weil er arbeitsloses Einkommen ermögliche und dadurch den Müßiggang fördere - auch Mulberg ein Greuel. Heinrich hielt den Rentenkauf nur für Alte und Invalide für gerechtfertigt. Die Gemeinschaft solle nur den Unterhalt ihrer weltlichen und geistlichen Vorsteher, wie Herren, Richter und Kleriker, durch Renten bestreiten, vor allem bei denjenigen, die den Gottesdienst besorgen. Sie alle würden Aufgaben im Dienst des Gemeinwohls wahrnehmen. Sowohl Heinrich als auch Mulberg kritisierten das Aneignen von unrechtmäßigen Möglichkeiten zum Erwerb des Lebensunterhalts, sei es in Form von Renteinnahmen oder Bettelei. Für Mulberg zählten dazu auch Beginen, die in den Genuß von kirchlichen Einkünften, beispielsweise aus Jahrzeitstiftungen, gelangten. Gesunde 188

GlLOMEN, Kirchliche Theorie, S. 37f. RÖSCH weist auf die Komplexität der Wucherbestimmungen im kanonischen Recht hin, die die meisten Seelsorger, falls sie nicht Rechtsgelehrte waren, überforderte, ebd., bes. S. 598, 609, 611, 617. 189

GlLOMEN, Kirchliche Theorie, S. 42f., zum Forschungsstand bes. Anm. 33.

76

IV. Der Basler

Beginenstreit

sollten arbeiten; nur wer der Gemeinschaft auf besondere Weise diente, wie etwa der Klerus, sollte das Recht auf Zinseinkünfte oder Almosen erhalten. Heinrich propagierte somit eine funktional arbeitsteilige Gesellschaftsauffassung. Der Gedanke der Arbeitsteilung läßt sich auch bei Mulberg finden, der Schwerpunkt lag aber im Gegensatz zu Heinrichs Theorie auf einer klaren Scheidung der Stände, die weiterhin Grundprinzip der Gesellschaftsordnung bleiben sollte. Mit seiner „Wucherpredigt" hatte Mulberg die immer noch vorhandene Feindseligkeit gegen die Beginen erneut geweckt. Seine Anklage von wucherisch erworbenen Zinseinkünften Schloß auch die unrechtmäßig erlangten Betteleinkünfte der Beginen ein. Mit seiner Kritik an wucherischen Einnahmen aus Rentengeschäften hatte er aber auch einen Teil des Basler Klerus gegen sich aufgebracht, der sich Gewinne aus diesen Finanzgeschäften erhoffte. So erlangten zum Beispiel für das stark verschuldete Kloster St. Alban die Einkünfte aus Leibrenten seit der Jahrhundertwende immer mehr an Bedeutung, auch wenn es innerhalb des Ordens eine durchaus kontroverse Diskussion Uber ihre Zulässigkeit gab. 1 9 0 Ganz ähnlich war auch die Lage des Chorherrenstifts St. Leonhard. 1 9 1 Obwohl Mulbergs Intervention ausschlaggebend für den erneuten Meinungsumschwung war, hätte er alleine keine Lösung der Beginenfrage erzwingen können. Auf seiner Seite stand der neue Rat. Der alte Rat hatte keine einheitliche Haltung im Streit um die Frauen eingenommen, das päpstliche Urteil zugunsten der Franziskaner und ihrer Terziarinnen jedoch akzeptiert. Für einen der verbannten Anführer des alten Regimes, Henman Fröweler von Erenfels, läßt sich seine Stellung im Beginenstreit eindeutig bestimmen. Aufschluß darüber gibt ein Testament, das er 1413 in der Verbannung verfaßte. Dort setzte er vier Testamentsvollstrecker ein, all min guoten fründe aelli vieri, von denen einer zu den Protagonisten im Beginenstreit zählt: Rudolf Buchsmann, ein guter Freund von Erenfels. 192 Damit kann ziemlich genau auf Erenfels' Position im Beginenstreit geschlossen werden. Er stand auf Seiten der Barfüßer und somit im Widerspruch zu Mulbergs Vorgehen gegen die Beginen.

190

Vgl. GlLOMEN, Hans-Jörg: Die Grundherrschaft des Basler Cluniazenser-Priorates St. Alban im Mittelalter. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte am Oberrhein. Basel 1977, hier S. 279-293. 191

192

VON SCARPATETTI, Kirche, S. 141, 153, 179.

BASEL STA, Klosterarchiv Ν 7, Testament Erenfels; neben Buchsmann setzt er Clara Roetin, Ursula Schalerin und den Predigerbruder Hermann Scholl als Testamentsvollstrecker ein. Scholl war 1404, 1410 und 1419 Prior des Konvents, also zu einem Zeitpunkt, als sich der Konvent längst von seinem Mitbruder Mulberg distanziert hatte; seine Schwester war eine Begine, diese verwandtschaftliche Beziehung spricht ebenfalls für eine Unterstützung der Beginenbefürworter; vgl. auch BONER, BZGA 34, S. 226f., bes. Anm. 41.

5. Das Ende des

Beginenstreits

77

Darüber hinaus bestand die bereits beschriebene Gegnerschaft zwischen dem Repräsentanten des alten Rates und den neuen Machthabern: Es bestand eine persönliche Feindschaft zwischen Erenfels und von Jettingen, dem neuen Oberzunftmeister einerseits, und Marschalk, dem neuen Bürgermeister andererseits. 193 Der alte Rat tendierte eher zur Seite der Franziskaner; so zählte das Geschlecht des verstorbenen Peter zem Angen im 14. Jh. zu den Basler Familien, die sehr eng mit dem Barfüßerkonvent verbunden waren. 194 Ludman von Rotberg, der dritte im Bunde, soll angeblich ebenfalls ein Gönner der Barfüßer gewesen sein. 195 Der neue Rat hingegen stellte sich eindeutig auf die Seite von Johannes Mulberg. Er sandte im September 1411 einen Brief an das Provinzkapitel der Dominikaner, in dem er für Mulberg Fürsprache einlegte. 196 Aber nicht nur dieses Wohlwollen gegenüber dem Anliegen Mulbergs, sondern auch pragmatische Gesichtspunkte dürften dazu geführt haben, daß der neue Rat 1411 die erneute Vertreibung der Beginen zuließ. Er war gerade unter großen Schwierigkeiten an die Macht gelangt und mußte seine Position festigen. In dieser Situation stellte der Beginenstreit, der von neuem zu brodeln begann, einen unerwünschten Störfaktor dar, der beseitigt werden mußte. Damit wurde auch der Bischof nicht weiter provoziert, der vermutlich aus finanziellen Gründen keine Wiederaufnahme der gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Beginen wünschte. 197 Bisher wurde wiederholt in der Vertreibung der Beginen eine Schädigung der Barfüßer als Parteigänger der Habsburger gesehen. 198 Das wichtigste Argument für die angebliche Franziskanerfreundlichkeit der Österreicher stellt die Gründung des Klarissenklosters und des Barfüßerkonvents in Königsfelden im Jahr 1311 dar. 1 9 9 Nach dem Mord an König Albrecht I. unterzeichneten Königin Elisabeth und ihre fünf Söhne in Wien die Urkunde, in der sie den Grund und regelmäßige Einkünfte für das Doppelkloster stifteten. Ihre Tochter Agnes, die Witwe des ungarischen Königs, trat anschließend auf Wunsch der 193

Vgl. Anm. 160-164.

194

NEIDIGER, Mendikanten, S. 173.

195

Der einzige Beleg zu dieser Vermutung bei WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 225.

196

Vgl. Anm. 206.

197

Vgl. Anm. 135.

198

So z.B. PATSCHOVSKY, Beginen, S. 417, mit Bezug auf WURSTISEN: „Man demütigte die Bettelmönche als habsburgische Klientel, nicht als Beginenfreunde." Ebenso die jüngste Darstellung zum Ausgang des Beginenstreits von FELLER-VEST in HS IX/2, S. 210, basierend auf WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 214, 228, 232, 235f., 238f. Siehe auch WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 335-337, 356-392. 199

Siehe HS V/1, S. 561-567.

78

IV. Der Basler

Beginenstreit

Mutter in das neugegründete Klarissenkloster ein. Am Ende des 14. Jhs. hatte sich die Situation jedoch völlig geändert. Nach dem Tod des clementistischen Herzogs Leopold III. bei Sempach übernahm sein Bruder Albrecht III. vorübergehend die Macht, der ein überzeugter Anhänger des römischen Papstes war. 2 0 0 Sein Neffe, Herzog Leopold IV., bekannte sich unter seinem Einfluß ebenfalls offiziell zu Bonifaz IX., obwohl er die Clementisten in seinem Gebiet bis zum Konzil von Pisa duldete, dem er sich mit seinem Bruder Friedrich IV. in der Frage der Obödienz im Jahr 1409 sofort anschloß. 201 Leopold IV. und seine Ehefrau Katharina von Burgund waren einflußreiche Förderer der Dominikanerobservanten, die während des Pontifikats von Bonifaz IX. eine Reform der Ordensprovinz Teutonia anstrebten. Der Herzog und seine Frau hatten sich auf vielfältige Art und Weise für die Errichtung des ersten observanten Frauenkonvents in Schönensteinbach in der Diözese Basel im Jahr 1397 eingesetzt. 202 Deshalb ist es äußerst unwahrscheinlich, daß die Habsburger in den Vorlanden zu Beginn des Beginenstreits immer noch franziskanerfreundlich waren. Sie standen eindeutig auf Seiten der Dominikanerobservanten, deren populärster Vertreter in Basel Johannes Mulberg war, der die Gegner der Beginen anführte. Aber auch der Rat der Stadt hätte die Franziskaner nicht als österreichische Klientel schädigen wollen, denn den alten Machthabern war ja gerade ihre habsburgerfeindliche Politik vorgeworfen worden, und der neue Rat setzte sich vehement für einen Friedensschluß mit den Österreichern ein. Innenpolitisch wurde jedoch mit der Vertreibung der Beginen eines der größten Spannungsfelder beseitigt, und außenpolitisch kehrte Ruhe in Basel ein. Die Stadt beendete 1411 den Krieg mit Katharina von Burgund und im folgenden Jahr Schloß sie nach dem Tod Leopolds IV. mit Katharina und ihrem Schwager Herzog Friedrich IV. ein mehrjähriges Bündnis, durch das Basel der Verbündete Österreichs wurde. 203 Der Basler Beginenstreit endete mit der Vertreibung der Terziarinnen im Jahr 1411 gegen alle päpstlichen Sentenzen und Privilegien. 204 Die Stadt und ihre Bürger waren der Beginen überdrüssig geworden - und der Basler Klerus und der Dominikanerkonvent seines streitlustigen Ordensbruders Johannes 200

Zum Folgenden HAUPT, Schisma, S. 47, 292f.; HILLENBRAND, S. 246. Zur politik der Habsburger siehe BAUM, Wilhelm: Die Habsburger in den Vorlanden Krise und Höhepunkt der habsburgischen Machtstellung in Schwaben am Ausgang alters. Wien 1993, bes. S. 75-108; HÖDL, Günther: Habsburg und Österreich Gestalten und Gestalt des österreichischen Spätmittelalters. Wien 1988, S. 131-156. 201

Territorial1386-1486. des Mittel1273-1493.

HAUPT, Schisma, S. 314f.

202

Dazu Abschnitt ΙΠ 2.5; vgl. auch NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 73-83; STIEVERMANN, bes. S. 198-201, 222-234, 261-289. 203

WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 356-392, bes. S. 387, 391f.

204

WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808.

5. Das Ende des

Beginenstreits

79

Mulberg. 205 Von Anfang an bekämpfte der observante Mulberg die Terziarinnen ohne allzugroße Unterstützung seiner konventualen Basler Ordensbrüder. Die Mehrheit der Mitbrüder stand weder auf der Seite der von Mulberg favorisierten Ordensreform, noch interessierte sie sich für das Problem der theoretischen Scheidung von Laien und Klerikern. Mulbergs Festhalten am römischen Papst Gregor XII. bis ins Jahr 1411 besiegelte sein kurioses Schicksal. Mit der Begründung, er sei ein Schismatiker und Ketzer, wurde er gemeinsam mit den Beginen aus der Stadt vertrieben. Seine Ordensbrüder beschwerten sich sogar über ihn beim Provinzkapitel der Dominikaner in Colmar im folgenden Jahr, 1411. Nur der Rat der Stadt, der seit dem Ratswechsel 1410 auf der Seite der Beginengegner stand, trat noch als sein Fürsprecher auf. Der Rat sandte im September 1411 einen Brief an den Provinzial mit der Bitte, Mulberg nicht zu bestrafen, da ihn viele nur deshalb haßten, weil er das Unrecht verfolge. 2 0 6 Er habe in seinen öffentlichen Reden keinem Papst den Vorrang gegeben, und den gegen ihn vorgebrachten Vorwürfen solle kein Glaube geschenkt werden. Aber auch die Beginen hatten keinen Fürsprecher mehr - die Barfüßer strebten keinen weiteren Prozeß an der Kurie an. Nach der Vertreibung der Frauen im Jahr 1411 gab es in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. nur noch ganz vereinzelt Beginen in der Stadt. 207 Sie pflegten wieder Kranke und beklagten die Toten. 208 Sie bemühten sich sogar um erneuten Anschluß an die Bettelorden, aber, wie Wackernagel zeigte, waren es dieses Mal die Barfüßer, welche die alten beginenfeindlichen Gesetze angewandt wissen wollten und seit der zweiten Hälfte des 15. Jhs. in diesem Sinne an den päpstlichen Stuhl appellierten. 209 Die Bewohnerinnen der Klöster und Klausen im Umland, wie zum Beispiel Schauenburg, Engeltal und Rothaus, bezeichneten sich selbst als Beginen. Der Basler Beginenstreit im ersten Jahrzehnt des 15. Jhs. hatte zwar nicht die vollständige Vertreibung der Frauen bewirkt, aber doch zur endgültigen Zerstörung des in zahlreichen Häusern organisierten Gemeinschaftslebens der Beginen geführt. So gab es nach 1411 nur noch einzeln lebende Beginen, die jedoch keine Bedeutung mehr erlangten. 210

205

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 238.

206

BASEL STA, Missiven A 1, BL. 238-239; dazu auch WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S.

166*; BONER, B Z G A 34, S. 143; NEIDIGER, Mendikanten, S. 128. 207

Zum Folgenden WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 847, 173*; EUBEL, Karl: Geschichte der oberdeutschen Minoritenprovinz. Würzburg 1886; GREIDERER, Germania Franciscana 2, S. 609; H S IX/2, S. 194. 208

DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 39.

209

WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 847.

210

D i e g l e i c h e Einschätzung bei WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 847; DEGLER-

SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 39.

80

IV. Der Basler

Beginenstreit

5.2. Die wiederholte Enteignung der Beginen Die Beginen wurden mehrfach ihres Besitzes beraubt. Welche Häuser und welches Vermögen betroffen waren, wann sie eingezogen und eventuell wieder zurückerstattet wurden, läßt sich nicht mehr eindeutig feststellen. Die Quellen geben keine vollständige Auskunft, und bisher wurde auch in der Forschung noch keine endgültige Antwort auf diese Fragen gegeben. 211 Im folgenden soll die Quellenlage dargelegt und die annähernden Aussagen - nur solche sind möglich - sollen zusammengestellt werden. Zur ersten Enteigung der Häuser im Jahr 1405 gibt es eine vergleichsweise gute Überlieferung. Als Folge der ersten Vertreibung der Beginen schickten Bürgermeister und Rat in diesem Jahr Beauftragte in die Beginenhäuser, die den Besitz der Frauen beschlagnahmten. 212 Darüber beschwerten sich die Barfüßer bei Papst Innozenz VII., der im Mai 1406 die Rückgabe aller Güter anordnete. 213 In keinem der beiden Schriftstücke werden die Namen der betroffenen Häuser genannt. Im Jahr 1407 wurden zehn Häuser der Franzi skaner-Terziarinnen und das sogenannte Dechans Haus, das ohne Ordenszugehörigkeit war, im Rahmen der Anklage gegen die Franziskaner als Herde der Ketzerei bezeichnet. 214 Der nächste Hinweis auf eine Enteignung von Beginenbesitz findet sich nur bei Wurstisen, der berichtet, daß im Jahr 1409 sechzehn leerstehende Beginenhäuser beschlagnahmt und dem Spital übergeben worden seien. 215 Sie stammten vermutlich aus dem Besitz jener Beginen, die bei der Basler Verfolgung 1405 auf dem angrenzenden Gebiet des Markgrafen von Hachberg Unterschlupf gefunden hatten und die 1409 der Konstanzer Beginenvertreibung zum Opfer fielen, da das Gebiet des Markgra-

211

Vgl. zum Folgenden WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 225, 230; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808; NEIDIGER, Mendikanten, S. 125-132; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 37-39. Zuletzt die Darstellung der Enteignungen durch VELLER-FEST in HS IX/2, S. 207, basierend auf der Argumentation DEGLER-SPENGLERs, hier S. 38, Anm. 82, die davon ausgeht, daß 16 Häuser im Jahr 1405 konfisziert wurden, 10 Samnungen an die Terziarinnen 1409 zurückgegeben und 1411 erneut eingezogen wurden. Eine eindeutige Feststellung der Besitzverhältnisse ist häufig nicht möglich; dies führte in beiden Arbeiten zur verschwommenen Angabe des Enteignungsjahres mit „1405/09". Daß dies zu Ungenauigkeiten führen kann, zeigt das Beispiel der Samnung in der weißen Gasse, die sich bereits 1405 im Besitz des Spitals befindet, weshalb die Angabe „1405/09" in HS IX/2, S. 230, irreführend ist. 212

NEIDIGER, Mendikanten, S. 129 u. Anm. 293, basierend auf BASEL STA Ratsbücher G 1,

231. 213

BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 1 8 6 - 1 9 1 , Nr. 5 1 6 .

214

BASEL STA, Prediger Ν 5, Nr. 1, 11, 2 0 ( = U K 7 8 9 , 7 9 0 , 7 9 4 ) .

215

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 230; zur Bedeutung des Spitals vgl. VON TSCHARNERAUE, Michaela: Die Wirtschaftsführung des Basler Spitals bis zum Jahre 1500. Ein Beitrag zur Geschichte der Löhne und Preise. Basel 1983.

5. Das Ende des

Beginenstreits

81

fen zum Konstanzer Bistum gehörte. 216 Für diese Übereignung von Beginenbesitz an das Basler Spital gibt es kein weiteres Zeugnis; einige Häuser lassen sich aber seit 1405 im Besitz des Spitals nachweisen. Bei der Vertreibung 1411 hatte der Bischof die noch bestehenden zehn Häuser der Terziarinnen an sich gezogen. Dagegen wehrten sich die Franziskaner erfolgreich, und der Rat erkannte die Brüder im Jahr 1412 als Rechtsnachfolger der vertriebenen Terziarinnen an. 217 Den bereits erfolgten Verkauf von drei Häusern mußte der Bischof deshalb rückgängig machen, die Veräußerung des Hauses am Rindermarkt 218 an die Schmiedenzunft erkannten die Barfüßer hingegen an und billigten auch die Überschreibung des Hauses St. Ulrich an die Münsterkapläne. Versucht man, das Dargestellte in Beziehung zur Überlieferung der einzelnen Konvente zu setzen, 219 ergibt sich folgendes Bild: Ein einziges Haus der Franziskaner-Terziarinnen ging bereits 1405 in den Besitz des Spitals über. 220 Zehn weitere Häuser der Franziskaner-Beginen galten 1407 als Hort der Ketzerei; vermutlich waren sie bereits 1405 eingezogen und anschließend zurückgegeben worden und gingen nach 1411 endgültig in den Besitz der Franziskaner über. 221 Von den elf bestehenden Häuser der Franziskaner-Beginen gelangten nach dem Streit folglich zehn in die Hände der Brüder. Bei den Beginen, die von den Predigern seelsorgerisch betreut wurden, lassen sich vier Häuser um 1409 im Besitz des Spitals nachweisen. 222 Das Haus der Münzmeisterin, dessen Zuordnung zu den Predigern nicht eindeutig geklärt ist, und das Begardenhaus der willigen Armen in der neuen Vorstadt erscheinen ebenfalls in dieser Zeit in Spitalbesitz. Diese sechs Häuser könnten von der Enteigung von 1405 ebenfalls betroffen gewesen sein, sie wären aber nicht unter die von Innozenz VII. im folgenden Jahr verfügte Rückgabeforderung gefallen. 223 Um 1409 waren sie aber im Spitalbesitz. Bei den übrigen Häusern 216

Vgl. Anm. 249.

217

DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 38f., Anm. 83-85, basierend auf BASEL STA Gericht Α 8 und Barfüßer D; BASEL STA, Prediger UK 906. 218

WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 166*, berichtet, daß die Franziskaner aber auch noch 1415 Rechte an der Großen Samnung am Rindermarkt inne hatten.

219

Basierend auf HS IX/2, S. 222-241; ergänzt werden Korrekturen zu Detailfragen.

220

Samnung in der Weißen Gasse (= Isenlins Haus), dazu DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 38, Anm. 82. 221

1. Große Samnung am Rindermarkt, 2. Haus Heidweiler, 3. Goldschmiedin Haus, 4. Haus Beuggen, 5. Kraftshof, 6. Haus Gesingen, 7. Bischofin Haus, 8. St. Ulrich, 9. Gysinbetterin Haus, 10. Harerin Haus. 222

1. Haus Rechtenberg, 2. Schulers Haus, 3. Haus zem Angen, 4. Haus zur Mägd (ein Teil des Hauses ist erst 1425 beim Spital). 223

Zu der von WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 230, genannten Anzahl von sechzehn Häusern könnte man folgendermaßen gelangen: zehn Franziskaner-Konvente und diese sechs

82

IV. Der Basler

Beginenstreit

ist die Lage noch unübersichtlicher: Den Dominikanern zugewandt war das Haus am Weg, das erst 1425 im Besitz des Spitals geführt wird. Die Ordensbindung des Hauses zum Schwarzen Bären ist unklar; es blieb bis 1413 in Spitalbesitz, könnte also 1405, 1409 oder 1411 dem Spital zugesprochen worden sein. Ob das Begardenhaus der willigen Armen in der St. Johannvorstadt 1405 noch bestand, ist ungewiß. 224 Diese zwei bzw. drei Häuser könnten theoretisch bereits 1405 enteignet worden sein, gemeinsam mit den Häusern der Franziskaner-Terziarinnen. Wenn man Wurstisens Bericht Glauben schenkt, 1409 sei dem Spital Beginenbesitz übereignet worden, und dies mit dem Erscheinen von ehemaligen Beginenhäusern im Spitalbesitz in Zusammenhang bringt, entsteht folgendes Bild: Zum ersten Mal wurden 1405 Häuser eingezogen, von denen zumindest der franziskanische Anteil dank der Intervention von Papst Innozenz VII. zurückgegeben wurde. Vielleicht gab es 1409 eine zweite Enteignungsserie, die durch die Beginenverfolgung im benachbarten Konstanzer Bistum ausgelöst wurde. Die letzte Welle von Enteignungen fand im Jahr 1411 statt, der alle noch verbliebenen Basler Beginenhäuser zum Opfer fielen. Die Barfüßer sicherten nach der ersten Auseinandersetzung um enteigneten Beginenbesitz ihre Rechte weiter ab. Im Jahr 1410 übermittelte der Bürgermeister dem Gericht die Ratsentscheidung, von nun an alle Zinseinkünfte, die bisher der Regelmeisterin 225 als Stellvertreterin der Beginenhäuser zugeflossen waren, auf den Franziskanerkonvent zu übertragen. 226 Die Brüder sicherten sich diese Zinseinkünfte in den Jahren 1410 und 1415 vor Gericht, aber sie wurden 1413 im Gegenzug auch verurteilt, einen Kredit, der für den Beginenkonvent „Gysinbetterin Haus" aufgenommen worden war, zurückzuzahlen. 227 Von einem Versuch der Prediger, als Rechtsnachfolger derjenigen vertriebenen Beginen eingesetzt zu werden, die sie seelsorgerisch betreut hatten, ist nichts zu erfahren. Aber es muß auch hier zu einer Regelung zu ihren Gunsten gekommen sein, denn 1420 läßt sich ein Zins, der früher an die Beginen ausbezahlt wurde, im Besitz des Predigerordens nachweisen. 228 Schließlich erhielt das Spital aber doch noch das Vermögen der Franziskaner-Terziarinnen, als sich 1447 der Minoritenkonvent der Reformrichtung seines Ordens anschloß und auf allen Besitz verzichtete. 229 weiteren Konvente; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808, spricht von sechsundzwanzig Konventen; er zählte vermutlich zu diesen sechzehn Häusern die zehn enteigneten und zurückerstatteten Terziarinnen-Konvente hinzu. 224

HS IX/2, S. 232f.

225

Vgl. Anm. 33.

226

NEIDIGER, Mendikanten, S. 126 u. Anm. 277f.

227

NEIDIGER, Mendikanten, S. 126 u. Anm. 279f.

228

NEIDIGER, Mendikanten, S. 125, Anm. 275.

229

DEGLER-SPENGLER, B e g i n e n B Z G A 6 9 , S. 3 9 A n m . 86; VON TSCHARNER-AUE, a.a.O., S. 8 4 .

6. Ein Vergleich mit den Nachbarstädten Der Streit um Beginen und Begarden war zu Beginn des 15. Jhs. kein Phänomen, das sich auf Basel beschränken ließe. Auch in Basels Nachbarstädten ist eine allgemeine Verurteilung der Lebensform der Beginen und Begarden und eine hohe Bereitschaft zur Unterdrückung dieser Lebensform zu beobachten. Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob Basel ein Einzelfall und Mulberg ein Einzelphänomen war. Beispiele aus Konstanz, Straßburg und Mainz, aber auch aus den entfernteren Orten Bern und Freiburg in der Schweiz, die aufgrund der dürftigen Quellenlage meist nur kurz skizziert werden können, sollen deutlich machen, daß zu Beginn des 15. Jhs. am gesamten Hoch-, Oberund Mittelrhein der Stand dieser Männer und Frauen angegriffen und meist verurteilt wurde. 230 Direkt an das Basler Bistum grenzte die Konstanzer Diözese, die Kleinbasel umfaßte, und auch dort kam es zu Auseinandersetzungen um die Beginen. In der Forschung fand der Konstanzer Beginenstreit auf Grund der schlechten Quellenlage nur am Rande Beachtung. 231 Zu Beginn des 15. Jhs., im Dezember 1400, ließen sich die Barfüßer in Konstanz die Privilegien ihrer Drittordensmitglieder erneut bestätigen. 232 Bischof Marquard von Randegg ließ durch seinen Generalvikar dem ortsansässigen Klerus mitteilen, daß die Terziarinnen der Barfüßer nicht unter die Extravagante Johannes' XXII. Sancta Romana fielen. In den ersten Januartagen des Jahres 1401 wiederholte er dies in Form eines Befehls an den Klerus, die Drittordensmitglieder nicht zu belästigen, und billigte den betroffenen Frauen zum Beispiel das Tragen eines Skapuliers mit Cingulum sowie eines Schleiers für die Inklusen zu. 233 Johann von Windesdorf, Kustos der Franziskaner am See und Visitator der Provinz, ließ gleichzeitig von Marquard von Randegg für die Überlinger Terziarinnen eine Urkunde ausstellen, die sie als Angehörige eines approbierten Ordens auswies und ihre Privilegien und Gewohnheiten bestätigte, 234 da der Überlinger Konvent bereits seit 1396 Anfeindungen ausgesetzt war. 235

230

Vgl. zum Folgenden auch VON HEUSINGER, Sabine: Beginen am Mittel- und Oberrhein zu Beginn des 15. Jahrhunderts. In: ZGO 148 (2000) (im Druck), zu Speyer bes. Anm. 6f. 231

Einen allgemeinen Überblich bei SCHMITT, Mort, S. 91-95; eine Zusammenfassung des Bekannten bei WILTS, S. 220f. 232

REC III, 7684.

233

REC III, 7687.

234

REC III, 7688; WILTS, S. 448-452, hier S. 448f.

235

WILTS, S. 448; REC ΠΙ, 7688.

84

IV. Der Basler

Beginenstreit

Diese Vorfälle zeigen, daß es auch im Konstanzer Bistum zu Beginn des 15. Jhs. zu Anfeindungen der Beginen kam, die sich unter anderem gegen ihren ordensähnlichen Habit richteten und vom Säkularklerus mitgetragen wurden. Sofern es sich um Terziarinnen handelte, konnten diese Angriffe, wie in Basel, dank franziskanischer Intervention abgewehrt werden. Maßten sich aber einzelne unrechtmäßig den Ordensstand an, erließ der Bischof harte Strafen, wie im April 1402, als er Begarden und Lollarden in Neunkirch, die sich angeblich als Eremitenbrüder ausgaben, exkommunizierte. 236 Marquard von Randegg mußte zwei sich widersprechende Positionen vertreten. Als Bischof von Konstanz ging er gegen die Beginen vor, deren Privilegien er als Konservator der Rechte der Franziskaner in Oberdeutschland zu schützen hatte. Als in Basel im Herbst 1405 die Beginen zum ersten Mal vertrieben wurden, griff der Konstanzer Bischof in seiner Funktion als Konservator der Franziskaner in den Basler Streit ein und forderte Mulberg auf, Äußerungen, die sich gegen die Minderbrüder und deren Dritten Orden richteten, zu unterlassen. 237 Daß er dies nur auf Drängen der Barfüßer pflichtschuldigst tat, zeigen die scharfen Verfügungen, die er selbst im Widerspruch zur Maßregelung Mulbergs im November für seine eigene Diözese gegen Beginen und Begarden erließ. Darin warf er den Beginen, Begarden und Terziarinnen seines Bistums unter Hinweis auf die Vienner Beschlüsse vor allem das Predigen in der Öffentlichkeit vor, und er befahl seinem Klerus, die Terziarinnen nur so lange zu dulden, bis eine Entscheidung der Kurie eintreffe. 2 3 8 Dies ist ein Hinweis auf den laufenden Prozeß in Basel, der auch für die Konstanzer Diözese von Bedeutung war. In der Absicht, die Konflikte um die Terziarinnen nicht unnötig zu verschärfen, beauftragte er Johannes Schönbentz, den Visitator des Dritten Ordens der Franziskaner in der Diözese Konstanz, mit der Durchführung der Einzelbestimmungen. Schönbentz verfügte am 12. März 1406 detailliert, wie sich die Terziarinnen zu kleiden und zu verhalten hätten, damit es von seiten des Weltklerus zu keinen ungewollten Verwechslungen mit den häretischen Beginen kommen könne, und er sicherte gleichzeitig ihr Existenzminimum ab. 239 Die Angriffe auf die Lebensform der Beginen in Konstanz dauerten auch in den folgenden Jahren an. Deshalb ließen die Barfüßer die Zugehörigkeit der einzelnen Konvente zur Dritten Regel bestätigen, so für Waldshut im Jahr 1406; 240 oder sie verpflichteten erst jetzt die

236

REC III, 7737.

237

Vgl. oben, bes. Anm. 84-91.

238

BASEL STA, Klosterarchiv Prediger Ν 5 (Nr. 7 u. 8) (= BASEL UB, Ε I l k , fol. 383 r -389 r ; REC III, 7925). 239

BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 189f., Anm. (= REC III, 7937).

240 REC III, 7965.

6. Ein Vergleich

mit den

Nachbarstädten

85

Häuser zur Annahme der Regel, wie die Beispiele von Bremgarten, 241 Biberach, 242 Ravensburg 243 und das Schwesternhaus Hermannsberg 244 zeigen. Aber auch die Predigerbrüder sicherten Beginenhäuser, die sie seelsorgerisch betreuten, rechtlich ab. So wurden ihnen die Schwestern der Sammlung zu Aarau im gleichen Jahr unterstellt. 245 In den Jahren 1404 und 1409 ließen sich die Prediger durch den Bischof bestätigen, daß Inklusen, die seit mehr als hundert Jahren von ihnen seelsorgerisch betreut wurden, unter ihren besonderen Schutz fielen und von Interdikten, die den Sakramentempfang betrafen, ausgenommen bleiben sollten. 246 Durch diese unterschiedlichen Formen der Anbindung an ihren Dritten Orden wollten die beiden Bettelorden mit Unterstützung des Bischofs den Schutz der Frauen sicherstellen, um sie vor unberechtigten Übergriffen zu schützen. 247 Aber auch unter Marquards Nachfolger im Bischofsamt, Albrecht Blarer, 248 blieb diese Konfliktsituation bestehen. Die Beginen, die 1405 aus Basel verjagt worden waren, hatten im Gebiet des Markgrafen Unterschlupf gefunden, das zum Konstanzer Bistum gehörte. Im Juni 1409 beklagten sich die Basler Barfüßer bei Albrecht Blarer, daß durch seine Prozesse gegen die Beginen die bereits früher vertriebenen Basler Schwestern erneut fliehen mußten. 2 4 9 Und auch sein Nachfolger auf dem Bischofsstuhl, Otto II. von Hachberg, 250 mußte sich mit dieser Frage beschäftigen. Im August 1413 hob er

241

REC III, 7965.

242 PETRUS, Franciscus: Suevia ecclesiastica seu clericalia collegiatum seculariatum regularis. Augsburg / Dillingen 1699, hier S. 165f. 243

WILTS, S. 399-405, hier S. 403.

244 WILTS, S. 3 3 7 - 3 4 1 , hier S. 3 4 1 . 245

REC III, 7972.

246

REC III, 7851, 8112.

247

So auch HS 1/2,1, S. 339, Anm. 27. Unklar bleibt, weshalb in diesem Vorgehen WILTS, S. 220, eine „beginenfeindliche Haltung", zu erkennen glaubt; seine Auffassung, Marquard von Randegg habe gemeinsam mit Johann Schönbentz „mehrere Schwesterngemeinschaften zwangsweise in den dritten franziskanischen Orden ein(gegliedert)", und die beiden hätten über deren Kleidung und Lebenswandel „zur besseren Identifizierbarkeit der häretischen, ohne Regel und Ordensanschluß lebenden Beginen" (ebd.) bestimmt, scheint nicht überzeugend begründet; anders als WILTS auch PATSCHOVSKY, Beginen, S. 413, Anm. 39. 248

Einen Überblick zu seiner Person in HS 1/2,1, S. 340-343.

249

REC ΠΙ, 8136 (zum Teil basierend auf WURSTISEN, Baßler Chronick S. 213) (= REGESTEN DER MARKGRAFEN 1, h 914). SCHMITT, Mort, S. 84, 93, basierend auf Niders Formicarius, nennt für das Jahr 1409 einen Begarden namens Burginus, der verbrannt worden sein soll, dazu auch LEA 2, S. 460. 250

Einen Überblick zu Person und Wirken in HS 1/2,1, S. 343-348; SCHÖNENBERGER, Konstanz, S. 110, S. 185f.: Otto war der 16-jährige Sohn des Markgrafen Rudolf von Hachberg-Rötteln und zuvor Domherr in Basel gewesen.

86

IV. Der Basler

Beginenstreit

die Strafen, die Bischof Marquard gegen Beginen und Begarden in Baden im Aargau verhängt hatte, so lange auf, bis andere Weisung aus Rom einträfe. 251 Im ersten Jahrzehnt des 15. Jhs. war Johannes Mulberg aus Basel nicht der einzige Gegner der beginalen Lebensform. In Bern attackierte Markus Aichenloch aus Ulm, Priester der Konstanzer Diözese, um 1403 Beginen und Begarden ebenfalls scharf. Er sprach den Minderbrüdern das Recht des Beichtehörens ab und verurteilte bereits die Gabe eines Almosens an jene oder die Brüder als schwere Sünde. Der Berner Franziskanerkonvent bestellte seinen Ordensbruder Johann von Münster und die beiden Konstanzer Minoriten, den Lektor Johannes Schönbentz und Johannes Sundersdorf, Pönitentiar des Konstanzer Bischofs, im Oktober 1404 als Sachwalter für das bischöfliche Gericht. 252 Johann von Münster beschwerte sich Ende November 1404 beim Konstanzer Bischof als Konservator der Rechte und Privilegien der Franziskaner in Oberdeutschland über Aichenlochs Angriffe. 253 Darauf bestellte Bischof Marquard von Randegg den streitlustigen Aichenloch, der angeblich keinen festen Wohnsitz hatte und umherzog, auf den 15. Januar 1405 nach Konstanz. Von dieser Unterredung, die entweder nicht stattfand oder ergebnislos verlief, ist nichts bekannt. Am 20. Januar 1405 beschwerten sich die drei Sachwalter Johannes Schönbentz, Johannes von Sundersdorf und Johann von Münster erneut beim Bischof über Aichenloch, der inzwischen sogar gepredigt habe, der Dritte Orden der Franziskaner sei gar nicht päpstlich approbiert. 254 Der Bischof verurteilte diese Verleumdungen und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Lebensform der Drittordensmitglieder. Eine Ausnahme seien aber diejenigen Beginen, die zwar den Habit der Terziarinnen tragen, aber der Regel in Wahrheit gar nicht unterstehen würden, sowie Begarden; diese Beginen und Begarden seien zu exkommunizieren. Im gleichen Jahr verurteilte er im November ihre Lebenform und Lehren als häretisch und verhängte schwere Strafen gegen sie. 255 In seiner Berner Chronik, die im zweiten Jahrzehnt des 15. Jhs. entstand, berichtet Conrad Justinger, daß in Bern die Basler Beginenverfolgung unter der

251

REC III, 8362.

252

REC III, 7859.

253

REC III, 7849; U t z TREMP, Katrin: „Kanton Bern". In: HS IX/2, S. 243-311, hier S. 255f., nennt Aichenloch/Aigenloch „ein(en) kleine(n) Mulberg"; auf diesem Artikel basierend DIES.: Zwischen Ketzerei und Krankenpflege - Die Beginen in der spätmittelalterlichen Stadt Bern. In: Wehrli-Johns / Opitz, S. 169-194, 267-272; auf S. 184 die interessante These, daß in Bern das Begehen von Jahrzeiten durch die Beginen und deren Tätigkeit im Spital als Arbeit (im neuzeitlichen Sinn) verstanden wurde und die Frauen hier sozial besser integriert waren, was sie vor endgültigen Vertreibungen wie in Basel schützte. 254

Zum Folgenden B a s e l StA, Prediger Ν 5, Nr. 5 (= REC ΙΠ, 7872).

255

REC III, 7925.

6. Ein Vergleich mit den

Nachbarstädten

87

Führung von Johannes Mulberg bekannt wurde. 256 Durch dieses Beispiel angeregt habe auch der Rat der Stadt Bern den Lausanner Offizial und weitere Gelehrte befragt, ob der Stand der Beginen überhaupt rechtmäßig sei. 257 Obwohl die Barfüßer vor diesem Gremium auf die Privilegien hingewiesen hätten, welche die Lebensweise der Frauen erlaubten, sei ihr Stand als rechtswidrig verurteilt worden. Am meisten habe ihre Bettelarmut Anstoß erregt - ein Vorwurf, der ja auch in Basel und Konstanz erhoben worden war. Der Aufforderung, ihre Beginentracht abzulegen, seien die angeklagten Frauen nicht gefolgt, aber der Rat sei auch nicht weiter gegen sie vorgegangen. Der Bericht von Justinger, der ein Zeitgenosse Mulbergs war, belegt die Wirkung und Bekanntheit des Basler Predigers, die weit über seine Heimatstadt hinausreichte. Auch in der Schweizer Nachbarstadt Freiburg war es seit der Jahrhundertwende wiederholt zu Angriffen auf die Lebensform der Beginen und Terziarinnen gekommen. Im Freiburger Franziskanerkonvent befindet sich ein Vidimus von acht Papst- und Bischofsurkunden, die die Dritte Regel betrafen.258 Vom Lausanner Bischof Johannes Münch, ein Anhänger der avignonesischen Obödienz, ließ sich der Barfüßerprovinzial Johannes Leonis am 7. Juli 1404 in Basel das Vidimus der Privilegien der Terziarinnen mit der Begründung erteilen, er brauche die Urkunden in der Diözese Lausanne an verschiedenen Orten und befürchte den Verlust der Originale. Im Jahr 1413 wurde einigen Terziarinnen vorgeworfen, ein unehrenhaftes Leben zu führen. 259 Sie hätten die Anweisung ihrer Oberen, die Ordenstracht der Dritten Regel abzulegen, nicht befolgt. Der Rat beschloß im August 1413, in Zukunft alle Beginen, die moralischen Anstoß erregten, aus der Stadt zu weisen. In Basels Nachbarstadt Straßburg kam es ebenfalls zu Anfeindungen von Beginen und Begarden. Wurstisen berichtet, der Rat habe 1404 Juristen beauftragt, ein Gutachten über die Beginen und Begarden zu erstellen. Ihr Stand sowie ihr Leben in Bettelarmut sei von den Gelehrten als unrechtmäßig 256

Zum Folgenden JUSTINGER, Berner Chronik, S. 193f.; zu JUSTINGER als Chronist vgl. STRAHM, Hans: Der Chronist Conrad Justinger und seine Berner Chronik von 1420. Bern 1978. Vgl. auch UTZ TREMP, a.a.O., S. 254f. 257

STETTLER, Michael: Schweizer Chronik: Annales oder gründliche Beschreibung. 2 Bde. in einem Bd., Bern 1626/27, hier Bd. 1, S. 102, datiert die Auseinandersetzungen auf 1403; JUSTINGER, Berner Chronik, S. 193, datiert auf 1404; es könnte sein, daß sich auch in Bern der Streit über mehrere Monate hinzog und beide Jahresangaben stimmig wären; beide Chroniken nennen Mulbergs Predigten als Auslöser für die Verfolgungen, wobei vermutlich JUSTINGER als Vorlage diente. Ebenfalls das Jahr 1403 bei GREIDERER, Germania Franciscana 2, S. 610f. 258

UTZ TREMP, Katrin: „Kanton Freiburg". In: HS IX/2, S. 313-343, hier S. 320f.; vgl. auch

BULLARIUM FRANCISCANUM 7 , S. 1 8 7 , A n m . ; WACKERNAGEL, G e s c h i c h t e 2 , 2 , S. 1 6 5 * . 259

Zum Folgenden UTZ TREMP, a.a.O., S. 321.

88

IV. Der Basler Beginenstreit

verworfen worden und der Rat habe deshalb ein Edikt erlassen, das selbst den Drittordensmitgliedern das Tragen eines speziellen Habits verboten hätte. 260 Darauf seien jene Beginen und Begarden, die ihren Habit nicht gegen die Kleidung der Weltleute austauschten, aus der Stadt gejagt worden und in die umliegenden Städte geflohen. Dieser Bericht Wurstisens kann durch einen Hinweis von Johannes Mulberg in seinem Traktat ergänzt werden, in dem er an die Beginenverfolgung unter Friedrich II. von Blankenheim erinnert, der von 1375 bis 1393 Bischof von Straßburg war. 261 Ob die Jahresangabe 1404 bei Wurstisen korrekt ist, oder ob es schon zuvor zu Anfeindungen der Beginen kam, wie Mulbergs Bericht nahelegt, kann aufgrund des Fehlens von weiteren Quellen nicht entschieden werden - denkbar wäre sogar ein zweimaliger Angriff auf die Frauen. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß es in Straßburg zur Vertreibung von Beginen und Begarden um die Wende zum 15. Jhs. kam. Die aus Straßburg geflohenen Frauen lassen sich kurze Zeit später in Mainz finden, wo sie erneut von Verfolgungen betroffen waren.262 Nur im Chronicon Moguntinum wird berichtet, im Jahr 1406 sei es zu einer Beginen- und Begardenverfolgung gekommen. Eine Mainzer Begine sei der Häresie angeklagt und überführt worden, sowie einige aus Straßburg stammende Beginen - hier handelt es sich zweifelsfrei um die von Straßburg nach Mainz geflohenen Frauen. Der Mainzer Chronist berichtet außerdem, ein aus Rothenburg ob der Tauber stammender Junge sei bezichtigt worden, einer der siebzig Schüler des Teufels zu sein. Er sei von einem sogenannten Lollarden hinters Licht geführt worden, der ihm und weiteren Beginen und Begarden die Beichte abgenommen habe. Der Junge habe darauf öffentlich abgeschworen und sei entlassen worden. Dieser chronikalische Hinweis ist die einzig bekannte Quelle zu den Mainzer Vorfällen. Robert Lerner sah in der Vertreibung der Beginen aus Mainz zweifelsfrei Mulbergs Impuls. 263 Selbst wenn es keinerlei Verbindungen zwischen den Mainzer Vorfällen und Mulbergs Vorgehen in Basel geben sollte, so zeigen sie dennoch erneut, wie beginenfeindlich die Stimmung zu dieser Zeit war. 260

WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 223; siehe auch MOSHEIM, D e Beghardis, S. 455-457; darauf basierend SCHMIDT, Charles [= Carl]: Über die Secten zu Straßburg im Mittelalter. In: Zs. für die historische Theologie 10,3 (1840), S. 31-73, hier S. 68f. PATSCHOVSKY, Straßburg, S. 115f., Anm. 151, stellte den Quellen- und Forschungsstand zusammen; vgl. ferner LERNER, S. 103-105; KLECKHEFER, S. 22-26. 261

Abschnitt IX 1.5, S. 166.

262

HEGEL, Karl (Hrsg.): Chronicon Moguntinum. Hannover 1885 (MGH SS, rer. ger. 20), S. 82; darauf basierend MOSHEIM, D e Beghardis, S. 456; LEA, 2, S. 459f.; LERNER, S. 156f. Siehe auch NEUMANN, wie Anm. 2, S. 157f. 263

LERNER, S. 156: „(...) undoubtedly initiated under Mulberg's impetus."

7. Fazit Der Basler Beginenstreit war zu Beginn des 15. Jhs. kein Einzelfall. In den umliegenden Städten Straßburg, Konstanz und Mainz sowie Bern und Freiburg in der Schweiz führte die Überprüfung der Lebensform ebenfalls zu Vertreibungen von Beginen, Begarden und Terziarinnen. Konnte Rudolf Buchsmanns erste Stellungnahme zur beginalen Lebensform aus dem Jahr 1400 zunächst nicht in Bezug zu Mulbergs Predigt im Jahr 1405 gesetzt werden, so wurde durch den Vergleich mit den umliegenden Städten deutlich, daß Buchsmann bereits im Jahr 1400 aus aktuellem Anlaß über dieses Thema sprach. Der Verlauf der Auseinandersetzung in Basel unterschied sich in zwei wichtigen Punkten von dem in anderen Städten. Erstens wurde hier das organisierte Beginentum als gemeinschaftliche Lebensform für immer beendet. Zweitens ist die Überlieferung des Basler Streits im Vergleich zu den anderen Städten besonders reichhaltig, was auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. Die Einbeziehung von auswärtigen Instanzen wie der römischen Kurie und der Heidelberger Universität haben dies ebenso begünstigt wie die Anwesenheit von Johannes Mulberg. Sein hartnäckiges Vorgehen gegen den Stand der Beginen, das er in seinem umfangreichen Traktat theoretisch begründete und von dem er auch in den folgenden Jahren allen Widrigkeiten zum Trotz nicht abließ, prägten die Entwicklung des Konflikts entscheidend. Mulberg stand mit seinen Attacken gegen die Beginen nicht alleine. So predigte beispielsweise auch der Kleriker Markus Aichenloch aus Ulm unermüdlich gegen ihre Lebensweise, und Wasmod von Homburg setzte sich ebenfalls theoretisch mit den Beginen auseinander und verwarf ihren Stand. Weder der Basler Beginenstreit noch das Vorgehen von Johannes Mulberg waren also Einzelfälle - vielmehr sind der Basler Ablauf und Mulbergs Vorgehen, sieht man von spezifischen Eigenheiten ab, repräsentativ für die Zeit um 1400 im Südwesten des Reiches.

V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

1. Sein Sterben Nachdem Johannes Mulberg 1411 aus Basel vertrieben worden war, verliert sich seine Spur. Wo er sich in den folgenden Jahren aufgehalten hat, ist unbekannt. Die Überlieferung setzt erst wieder mit der detaillierten Beschreibung seiner letzten Lebenswochen Ende 1414 ein, die dem Dominikaner Konrad Schlatter zu verdanken ist.1 In einem Brief an die Nonnen von Schönensteinbach schildert Schlatter die letzte Zeit, die er gemeinsam mit Mulberg bis zu dessen Tod am 5. Dezember 1414 verbracht hatte.2 Er habe diesen Bericht auf Wunsch von Elß Mulberg, der Schwester, verfaßt. Der Brief ist in einer nach 1444 verfaßten Sammelhandschrift aus dem Kloster St. Katharina in Nürnberg überliefert. Schlatter nennt sich darin ein unwirdiger schuoler und kneht von Johannes Mulberg, was als Demutsformel verstanden werden darf.3 Konrad Schlatter gehörte vermutlich seit 1393 dem reformierten Colmarer Konvent an, in dem Mulberg im Jahr 1399 Prior war. Schlatter wurde 1428 Beichtvater des reformierten Dominikanerinnenklosters an den Steinen in Basel und hatte zwischen 1435 und 1455 wiederholt das Amt des Priors im dortigen Männerkonvent inne. Johannes Mulberg und Konrad Schlatter waren, so heißt es in dem Brief, vom Deutschen Reich aus nach Italien gereist, in welischen landen A Schlatter unterrichtet seine Leser nur über den Zeitpunkt ihrer Rückkehr aus Italien ins Reich, nicht aber über die Abreise; im November 1414 trafen beide wieder in der Bodenseeregion ein. Sie reisten im Gefolge eines Kardinals und eines 1

Den aktuellen Forschungsstand zu Schlatter bei NEIDIGER, Dominikaner, Kap. Prioren. Siehe auch SCHIEWER, Hans-Jochen: „Schlatter Konrad O.P.". In: VL 8, Sp. 706-709; KAEPPELI, Scriptores 1, S. 287f.; EGGER, S. 236. 2

Der Brief wurde ediert in Abschnitt IX 2.2. Es handelt sich um eine im Katharinenkloster in Nürnberg geschriebene Sammelhandschrift, die hauptsächlich Briefabschriften enthält und nach 1444 entstand. Dazu: DIE HANDSCHRIFTEN DER STADTBIBLIOTHEK NÜRNBERG. Wiesbaden 1965ff., hier Bd. 1, S. 285-294. 3 4

Abschnitt IX 2.2, S. 176.

Abschnitt IX 2.2, S. 176; „welische lande" umfaßt alle romanischen Länder, sowohl Frankreich als auch Italien, dazu MATTHIAS LEXERS Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. 34. Aufl., Stuttgart 1974, S. 306: „walhisch, weihisch, welsch".

92

V. Johannes Mulbergs letztes

Lebensjahr

Patriarchen zuerst nach Arbon und danach weiter nach Überlingen am See. 5 Leicht kann erschlossen werden, was Mulberg zu dieser Zeit an den Bodensee führte. Er war auf dem Weg zum Konstanzer Konzil. Schlatter nennt leider die Namen der beiden Würdenträger nicht, denen sich Mulberg angeschlossen hatte. Wer also waren der Kardinal und der Patriarch, mit denen Mulberg die folgenden Tage bis zu seinem Tod verbrachte? Mulberg war 1414 noch ein überzeugter Anhänger Papst Gregors XII. gewesen, so wie die beiden Würdenträger, mit denen er sich gemeinsam auf dem Weg zum Konzil befand. Papst Gregor XII. hatte seinen Kardinal Johannes Dominici und Johannes Contarini, Patriarch-Elekt von Konstantinopel, zu seinen Gesandten für das Konstanzer Konzil ernannt. 6 Dominici hatte an der römischen Kurie in Rimini die Unionsvorschläge für das bevorstehende Konstanzer Konzil im Frühjahr 1414 erarbeitet. 7 Außerdem war er unter Raimund von Capua und Bonifaz IX. der führende Reformer des Dominikanerordens in Italien gewesen. 8 Mulberg kannte ihn vermutlich persönlich seit seinem Aufenthalt an der römischen Kurie in den Jahren zwischen 1406 und 1411; beide gehörten 1414 mit wenigen anderen Brüdern zu den letzten noch verbliebenen Observanten. Falls sich Johannes Mulberg durch das Konstanzer Konzil eine Wende für die erlahmte Ordensreform erhoffte, so war Dominici vermutlich der einzige im ganzen Orden, der ihm weiterhelfen konnte. Der Brief schildert, wie Mulberg gemeinsam mit dem Kardinal auf dem Schiff von Arbon nach Überlingen übersetzte und Schlatter mit den anderen Knechten auf dem Landweg reiste. In Überlingen nahmen sie Herberge und der Kardinal bat nach zwei Nächten den Rat der Stadt, für ihn und seinen Troß ein Haus oder ein Kloster zur Verfügung zu stellen, denn er wünsche größere Ruhe und geringere Kosten. 9 Da es vor Ort keinen Predigerkonvent gab, wandte sich der Rat an die Barfüßer, die nach längerem Zögern einwilligten, die Gäste aufzunehmen. 10

5

Abschnitt IX 2.2, S. 178.

6

ACC I, S. 191, Anm. 1; S. 309, Anm. 2; siehe auch BRANDMÜLLER, S. U l f .

7

BRANDMÜLLER, S. 106f.; zu Dominicis Unionsvorschlag siehe ACC 1, S. 192-196, 272275. Vgl. auch BRANDMÜLLER, S. 139; zum Folgenden auch HOLLERBACH; SAUERLAND, Heinrich Volbert: Kardinal Johannes Dominici und sein Verhalten zu den kirchlichen Unionsbestrebungen während der Jahre 1406 bis 1415. In: ZKG 9 (1887/88), S. 239-290. 8

Siehe Abschnitt III 1.

9

Abschnitt IX 2.2, S. 177.

10

Abschnitt IX 2.2, S. 177. Zu den Überlinger Franziskanern siehe ALEMANIA FRANCISCANA ANTIQUA. Bd. 14, Landshut 1970, S. 193-254, mit weiterführender Literatur; ebenso HS V/1, S. 42-97; BAUR, Ludwig: Die Ausbreitung der Bettelorden in der Diöcese Konstanz. In: FDA 28 (1900), S. 1-101, Bd. 29 (1901), S. 1-107, hier Bd. 28, S. 6-68. Siehe auch STENGELE, Benvenut: Linzgovia Sacra. Überlingen 1887.

1. Sein

Sterben

93

Auf den ersten Blick verwundert, daß sich Dominici und sein Gefolge nicht in Konstanz aufhielten, wo das Konzil bereits am 5. November 1414 offiziell eröffnet worden war und seit Sommer 1414 Kongregationen aus ganz Europa eintrafen. 1 1 Hier führt das Konzilstagebuch von Cerretanus weiter, das die Zuverlässigkeit des Briefes Schlatters und die Vorüberlegungen bestätigt. 12 Cerretanus berichtet ebenfalls, daß Dominici bereits am 19. November am Bodensee eingetroffen war und sich zuerst in Rheineck 13 und anschließend in Arbon aufhielt. 1 4 Schlatters Zeitangaben, die insgesamt eher vage sind, 15 widersprechen Cerretanus nicht. Auch nach seinem Bericht trafen er und Mulberg Mitte November, um den 14. des Monats, in Arbon ein, wo sie bis zur Abreise nach Überlingen um den 20. November blieben. Dominici verhandelte von Arbon aus mit den Gesandten Sigismunds und der Stadt Konstanz und erhielt für sich und seinen Anhang das für Gregor XII. vorgesehene Quartier im Konvent der Augustiner-Eremiten in Konstanz zugewiesen. Er sandte einen Teil seines Gefolges nach Konstanz, er selbst hielt sich aber in angemessenem Abstand zum Konzil auf, um erst in Sigismunds Anwesenheit in Konstanz einzuziehen. 16 Von Arbon aus zog Dominici mit seinem restlichen Anhang, dem Mulberg und Schlatter angehörten, auf die andere Seeseite nach Überlingen, um dort auf Sigismund zu warten. Cerretanus gibt dies in gewohnt abfälliger Weise wieder, wenn er auf die römische Delegation zu sprechen kommt: Sie hätten sich bei Sigismund einschmeicheln wollen, indem sie in Überlingen auf seine Ankunft warteten. 17 Dominici wollte erst nach Sigismunds Ankunft, mit dem er schon länger in engem Kontakt stand, in Konstanz einziehen. Seine Stellung war sehr schwach, da Gregor XII. und Benedikt XIII. seit dem Pisanum als abgesetzt galten. 18 Aber nicht nur Dominici als Führer der römischen Kongregation, auch 11

Besonders ACC 2, S. 182-190; BRANDMÜLLER, S. 155f.; zum Eintreffen der Teilnehmer siehe ebd., S. 136-159. 12

Der Liber gestorum des Cerretanus, in: ACC 2, S. 171-348; siehe auch die Einleitung, ebd., S. 9-12. 13

Rheineck liegt im Unterrheintal im Kanton St. Gallen bei Rorschach, ca. 35 km von Konstanz entfernt. 14

ACC 2, S. 187.

15

Abschnitt IX 2.2, z.B. S. 177.

16

BRANDMÜLLER, S. 167f., bes. Anm. 15; ebd. zur Auseinandersetzung um das Anbringen des Wappens von Gregor XII. an der Unterkunft in Konstanz, das zum Eklat führen mußte; dazu auch HOLLERBACH, RQ 24, S. 6. 17 18

ACC 2, S. 203f.

Zum Folgenden bes. BRANDMÜLLER, S. 175-180; zusammenfassend NlEDERSTÄTTER, Alois: Ante Portas. Herrscherbesuche am Bodensee 839-1507. Konstanz 1993, S. 125-142. HOLLERBACH, RQ 24, S. l l f . ; er interpretiert die Situation so, daß Gregor seinen Kardinal „in erster Linie" zu Sigismund geschickt habe.

94

V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

die avignonesischen Gesandten sahen in der Anwesenheit des Königs die Voraussetzung für ihre Konzilsteilnahme. Sigismund selbst wollte erst nach seiner Krönung in Aachen am 8. November 1414 am Konstanzer Konzil teilnehmen. Deshalb forderte er das Konzil auf, mit allen wichtigen Entscheidungen bis zu seiner Ankunft zu warten. Am Heiligen Abend im Jahr 1414 war es endlich so weit. Sigismund traf mit seinem Gefolge in Überlingen ein. Er setzte in großer Eile von Überlingen nach Konstanz über, da er unbedingt mindestens eine Lesung im Festgottesdienst der Heiligen Nacht übernehmen wollte, wie es ihm als Rex Romanorum zustand. 19 Dominici und Contarini blieben jedoch vorerst zurück und erbaten Anfang Januar von Sigismund einen speziellen Salvus conductus und die Zusicherung, daß Dominici mit dem sichtbaren Zeichen eines Kardinals, cum capello rubeo, in Konstanz einziehen dürfe. 20 Unter den bereits anwesenden Konzilsteilnehmern kam es zum Streit über diese Frage, aber letztendlich setzte sich Dominici durch: am 22. Januar zog er endlich feierlich in Konstanz ein und bezog sein Quartier bei den Augustinern. 21 Er trug beim Einzug den umstrittenen roten Kardinalshut und befand sich in Begleitung des Patriarch-Elekten von Konstantinopel, seinerseits cum capello nigro, und den weiteren Anhängern Gregors XII., den Herzögen von Bayern und Brieg sowie den Bischöfen von Worms, Speyer und Verden. Zu diesem Zeitpunkt war Johannes Mulberg längst tot. Er war bereits in Italien zweimal krank gewesen und nach drei Tagen Aufenthalt in Arbon zeigte er die Symptome der Ruhr. 22 Nach Ausbruch der Krankheit, um dem 17. November, blieb er noch weitere acht Tage, also bis zum 25. des Monats, in Arbon. Schlatter machte sich Sorgen, ob Mulberg die Schiffahrt von Arbon nach Überlingen überhaupt überstehen werde, aber Mulberg beruhigte ihn bei der Ankunft. 23 Im Franziskanerkonvent nahm er die ersten zwei Tage noch die Mahlzeiten am Tisch des Kardinals ein, er aß aber nur noch wenig. Danach konnte er das Bett nicht mehr verlassen. Schlatter wandte sich an ihn mit der Frage, ob er denn vor seinem Tod seine Schwester Elß noch einmal sehen

19 Unklar bleibt, ob er ein oder zwei Lesungen übernahm, dazu HEIMPEL, Hermann: Königlicher Weihnachtsdienst im späteren Mittelalter. In: DA 39 (1983), S. 131-206, hier S. 169-173. Von zwei Lesungen spricht auch ULRICH RICHENTAL: Chronik des Konstanzer Konzils 1414-1418. 2. Aufl. Konstanz 1984 (Faksimile), fol. 18r; vgl. auch BRANDMÜLLER, S. 178f. 20

ACC 2, S. 203f.; siehe auch BRANDMÜLLER, S. 182.

21

ACC 2, S. 208; HOLLERBACH, RQ 24, S. 16; dazu BRANDMÜLLER, S. 184, besonders Anm. 51. Das Gutachten Dominicis im Petit-Prozeß zu dessen Tyrannenmordthese siehe ACC 4, S. 279-282 (Nr. 403). 22 2

Abschnitt IX 2.2, S. 177.

3 Abschnitt IX 2.2, S. 177.

1. Sein Sterben

95

wolle? Mulberg antwortete barsch, falls Schlatter seine Gunst behalten wolle, solle er sie auf keinen Fall benachrichtigen. In diesen letzten Tagen besuchten ihn Dominici und Contarini an seinem Krankenlager. Einmal kam der Kardinal sogar ohne Begleitung, umarmte Mulberg und küßte ihn auf den Mund und sprach mit ihm Latein, wie Schlatter ehrfurchtsvoll berichtet.24 Mit dem Antlitz zur Wand gekehrt, alz auch Sant Augustinus,25 verstarb Mulberg am 5. Dezember 1414.26 Johannes Mulberg, der im Dezember 1414 einer der letzten Anhänger Papst Gregors XII. war, verstarb ausgerechnet in einem Konvent der Franziskaner, die er doch in Basel so heftig bekämpft hatte und die, wie die Reichsstadt Überlingen, dem Pisaner Papst anhingen. Deshalb konnte Mulberg unmöglich bei den Barfüßern begraben werden. Sein Leichnam wurde in einen Sarg gelegt, Dominici mietete einen Karren und beauftragte Schlatter, dem er noch einen Knecht zur Seite stellte, den Toten wegzuschaffen. Er sollte an einem Ort begraben werden, wo man dem „wahren" Papst Gregor XII. anhing. 27 Zu diesem Zeitpunkt gab es jedoch kaum noch Gebiete, die der römischen Obödienz folgten; die Diözesen der Bischöfe von Worms und Speyer zählten zu den letzten Bastionen der Gregorianer. Der tote Mulberg wurde deshalb während der folgenden sechs Tage in das rund 150 Kilometer entfernte Zisterzienserkloster Maulbronn in der Diözese Speyer gebracht.28 Die Zisterzienser fühlten sich geehrt, einen so überzeugten Anhänger Gregors bei sich begraben zu dürfen. Sie bestatteten Mulberg, als ob er zu Lebzeiten einer ihrer bedeutendsten Mitbrüder gewesen wäre, und Abt Albert von Otisheim hielt persönlich das Totenamt. Er gab Schlatter einen Brief an Dominici mit auf den Weg, den Schlatter auf deutsch auszugsweise in seinem Brief an die Nonnen wiedergibt. Darin bestätigte der Abt, Mulberg am 11. Dezember würdig in seinem Kloster begraben zu haben. Es scheint, daß Mulberg zu Lebzeiten bereits einmal in Maulbronn gewesen war, denn der Abt führte aus, sie freuten sich um so mehr, Mulberg bei sich bestattet zu haben, da sie ihm früher nur selten begegnet

24

Abschnitt IX 2.2, S. 178.

25

Dieser Topos, der Mulbergs heiligmäßiges Sterben zeigen sollte, geht auf Possidius, den Schüler Augustins, zurück, der berichtet, wie sich sein Lehrer, als er im Sterben lag, die Psalmen Davids an die Wand heften ließ, um sich immer wieder zum Gebet dorthin wenden zu können, siehe POSSIDIUS: Sancti Augustini vita, hrsg v. Herbert T. Weiskotten. Princeton 1919, caput 31 (= S. 140-144). Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Prof. Dr. A. Borst (Konstanz), dem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. 26

Abschnitt IX 2.2, S. 177.

27

Abschnitt IX 2.2, S. 179.

28

MEYER, Liber, S. 58, wußte noch, daß Maulbronn nur der Begräbnisort war. Danach galt allgemein Maulbronn als Sterbeort, vermutlich seit WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 238.

96

V. Johannes

Mulbergs

letztes

Lebensjahr

wären. 2 9 Der Abt versprach Konrad, für Mulberg einen neuen Grabstein mit der üblichen Inschrift anfertigen zu lassen, und Konrad ergänzte in seinem Brief, dies sei auch geschehen. 30 An dieser Stelle bestätigt sich einmal mehr die Zuverlässigkeit von Schlatters Bericht: Der Grabstein Mulbergs ist noch heute erhalten, er befindet sich inzwischen an der Nordwand des Nordseitenschiffs im Herrenchor des Kloster Maulbronn. 31 Ursprünglich war Mulberg im Kreuzgang inmitten der Äbte und berühmten Brüder der Zisterzienser bestattet worden; 32 die Grabplatte wurde erst im 16. Jh. in die Kirche gebracht. Sie besteht aus gelbem Sandstein mit einer Umschrift, in der Mitte befindet sich der Rest einer Ritzzeichnung, die vermutlich einen Leuchter darstellte. 33 Auf dem Grabstein wurde der 4. Dezember als Todesdatum eingemeißelt, doch gibt es keinen Anlaß, an der Datierung von Schlatter, der Augenzeuge war, zu zweifeln: Johannes Mulberg verstarb am 5. Dezember 1414.

2. Sein Nachwirken in der Mirakelliteratur Johannes Mulberg wurde bereits von jenen Zeitgenossen, die seine strengen Lebensideale befürworteten, als ein besonders frommer Mann angesehen. So bezeichnete der Abt von Maulbronn in seinem Brief an Johannes Dominici den gerade verstorbenen Mulberg voller Hochachtung als heilligen man.34 Aus dieser Bewunderung heraus wurden Johannes Mulberg in den folgenden Jahrzehnten wundersame Taten und Visionen zugeschrieben, von denen zwei überliefert sind. Der Basler Münsterkaplan Nikolaus Gerung, genannt Blauenstein, berichtet um 1475 davon, daß Mulberg über zukünftige Ereignisse gepredigt habe, die danach auch tatsächlich eingetreten seien. Bei seiner Vertreibung im Jahr 1411 sei er nachts vor dem verschlossenen Münsterportal niedergekniet und habe das Salve Regina angestimmt. Darauf habe sich die Türe von selbst geöffnet und singend sei er zum Marienaltar und anschließend aus der Stadt 29

Abschnitt IX 2.2, S. 179.

30

Abschnitt IX 2.2, S. 179.

31

Vgl. NEUMÜLLERS-KLAUSER, S. 28f. (Nr. 55); Abb. 22. Unklar ist, warum sie den Namen als Mühlberg/Maulberg angibt, da doch die Grabinschrift eindeutig „Mulberg" lautet. JENISCH, E.F.: Monumenta Monasterii Mulifontani, Maulbronn 1769 (handschriftl.), Bl. 37. Vgl. dazu auch Abbildung 1 in der vorliegenden Arbeit. 32

Abschnitt IX 2.2, S. 179.

33

Die Inschrift lautet: anno domini Μ CCCC XIIII, II nonas decembris, obiit venerabilis et egregius frater lohannes Mulberg, sacerdos de Basilea, professor ordinis fratrum Praedicatorum, cuius anima requiescat in pace. 34

Abschnitt IX 2.2, S. 180.

2. Sein Nachwirken

in der

Mirakelliteratur

97

gezogen. Viele ehrbare Bürger hätten dies gesehen.35 Der zweite Bericht wurde im Anhang der Chronik der Burgunderkriege um 1483 unter dem Titel „Ein prophecy" überliefert. Im Jahr 1480 - der Herausgeber Bernoulli korrigierte in 140036 - hätte Mulberg gepredigt, daß die Stadt Basel von aller Ketzerei durch harte Arbeit befreit werde. Rom werde nach Basel kommen und um Herberge bitten und diese erhalten. Alle reinen Herzens sollten sich freuen, denn es werde eine Reform geben. Diese angebliche Predigt Mulbergs wurde als Prophezeiung des Basler Konzils verstanden. Beide „Prophetien" zu Mulberg sind Ausdruck der Popularität und des Ansehens, die der zu Lebzeiten so streitlustige Dominikaner auch noch Jahrzehnte nach seinem Tod in Basel genoß.

35

BASLER CHRONIKEN 7, S. 82f. (= MONE 2, S. 151). Zum insgesamt eher zweifelhaften Wert dieses Berichts siehe Kap. II, Anm. 4. 36

BASLER CHRONIKEN 5, S. 537f., hier S. 537, Anm. 2; siehe auch die Einleitung, ebd., S. 501-505, 535f. Überliefert in BASEL UB, A IV 14, fol. 95 v ; WÜRZBURG UB, cod. M. ch. fol. 20, fol. 127 r / v , vgl. dazu MORVAY, Karin / GRUBE, Dagmar: Bibliographie der deutschen Predigt. Veröffentlichte Predigten. Hrsg. v. d. Forschungsstelle für dt. Prosa des Mittelalters am Seminar für dt. Philologie d. Univ. Würzburg unter Leitung v. Kurt Ruh. München 1974, S. 157; RUH, Mulberg, Sp. 733.

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 1.1. Inhalt Zum Basler Beginenstreits wurden neben den Prozeßakten weitere Schriftstücke verfaßt, von denen Mulbergs Tractatus contra Beginas et Beghardos der wichtigste Beitrag ist.1 Der Traktat basiert auf derjenigen Predigt, die Johannes Mulberg am 25. Juni 1405 im Basler Münster gehalten hatte und die als Beginn des Beginenstreits angesehen werden kann.2 Die Predigt wurde in überarbeiteter und ergänzter Form niedergeschrieben und enthält Mulbergs Argumentation gegen die Beginen. Am Beispiel des Traktats soll im folgenden Mulbergs methodisches Vorgehen exemplarisch aufgezeigt werden. Zuerst wird jedoch die

1

Mulbergs Traktat sowie ein Einleitungsteil und ein Postskript wurden in den Handschriften überliefert B A S E L U B , A I X 2 1 , fol. 9 1 R - 1 0 9 V ; A A R A U K A N T O N S B I B L , Cod. Wett. F 2 6 : 4 , fol. 2 9 R - 3 5 V ; LEIPZIG U B , 1 5 4 9 , fol. 2 0 9 R - 2 2 0 R (= Würzen Nr. 1 6 0 ) ; M Ü N C H E N B S T B , Clm. 1 4 2 6 5 , fol. 2 4 3 R B - 2 4 9 V B ; vgl. die Edition in Abschnitt I X 1. Vgl. auch K A E P P E L I , Scriptores 2, Nr. 2513. S C H M I T T , Mort, S . 207f., hat bereits einige Passagen aus dieser Handschrift ediert. H A U P T , Beiträge, S. 511-531, hat die ebenfalls unter Mulbergs Namen überlieferte Materia contra beghardos, C O L M A R STB, Hs. 29, fol. 126 r -141 v , auszugsweise ediert. Diese Handschrift stammt aus dem Besitz von Johannes Pastoris, der sie mit umfangreichen Zusätzen versehen hat (ebd., S. 515,521). Sie stimmt jedoch nur in manchen Abschnitten wörtlich mit Mulbergs vorliegendem Traktat überein und gibt ungekürzt mehrere Bullentexte wieder, die im Tractatus aber nur als Belegstellen angeführt und höchstens um einen Satz erweitert. Andere Abschnitte fehlen ganz (HAUPT, Nr. 3, 4, 6, 13, 15-19). Die Colmarer Handschrift basiert entweder auf den Vorarbeiten Mulbergs oder auf einer ursprünglich weitaus umfangreicheren, bisher unbekannten Version des Traktats. Der Schreiber hat aber die Vorlage Mulbergs umfangreich glossiert, manche Stellen gekürzt, andere umfangreich ergänzt; sie stellt deshalb eine eigene, unabhängige Überlieferung dar. Vgl. auch C A T A L O G U E GENI3RAL D E S M A N U S C R I T S D E S Β IB LIOTHEQUES P U B L I Q U E S D E F R A N C E . (Departements). 65 Bde., Paris 1886-1990, hier Bd. 56 (1969), S. 178f., Nr. 474. 2

Dazu Abschnitt IV und IX 1.4-1.6.

100

VI. Johannes

Mulberg als Autor und

Prediger

Schrift, die Mulbergs theoretische Auseinandersetzung mit den Beginen darstellt, inhaltlich ausgewertet und kommentiert.3 In seinem Traktat wandte sich Johannes Mulberg Fragestellungen zu, die in der Beginenproblematik von grundlegender Bedeutung waren. 4 Erstens: wer darf für seinen Lebensunterhalt betteln und von Almosen leben und braucht nicht zu arbeiten? Zweitens: wer gehört dem Stand der Laien, wer dem Stand der Kleriker an? Mulbergs Beurteilung der Bettelarmut ist eindeutig: weder Kleriker noch Laien dürfen betteln.5 Das einfache Volk habe die Gottgeweihten

3 S C H M I T T , Les citations, ging methodisch anders vor. Er sammelte zu Mulbergs Traktat die Zitate aus der Bibel sowie dem kanonischen und römischen Recht, wertete ihr Auftreten statistisch aus und stellte sie in Form von Tabellen und einer Graphik dar. Mulbergs Traktat, der ihm nur in der Handschrift B A S E L UB, A IX 21 vorlag, stellte er einer Schrift des Züricher Kanonikers Felix Hemmerlin, Contra validos mendicantes, gegenüber, um so die Standpunkte von Mulberg und Hemmerlin in Bezug auf die Armutsfrage vergleichen zu können. Dieser interessante Ansatz weist aber - zumindest für Mulbergs Traktat - grundlegende Mängel auf. So läßt S C H M I T T alle Zitate beiseite, die nicht aus der Bibel oder dem Recht stammen. Auch ist seine Zitatensammlung unvollständig und z.T. falsch. Im Folgenden verzichte ich auf die detaillierte Nennung der fehlenden Zitate, da dies den Rahmen einer Anmerkung sprengen würde. Mulberg nannte insgesamt 62 Bibelstellen, von denen S C H M I T T aber nur 31 erwähnt. Von den 30 von ihm erfaßten Bibelstellen lassen sich 17 nicht bei Mulberg nachweisen, einige sind unzutreffend angegeben (die meisten Fehler zum Buch Ecclesiasticus: Kapitel 19,24 ist falsch / richtig wäre 21,25; 28,29f. ist falsch / richtig wäre 40,29f. usf.). Von 39 von Mulberg angeführten Gesetzen aus dem kanonischen Recht erwähnt S C H M I T T vier. In S C H M I T T S Auswertung fehlen zudem die 18 Zitate aus den päpstlichen Dekretalen völlig, in denen sich jedoch die Rechtssprechung zur Beginenfirage befindet.

4

Eine andere Interpretation des Tractatus bei S C H M I T T , Mort, S . 111-114, 152-160. Er geht davon aus, daß Mulbergs theoretische Auseinandersetzung mit dem Bettel der Beginen auf deren konkretem Almosensammeln in Basel beruhe: „Mais elles etaient nombreuses ä n'avoir pas non plus les rentes et la fortune personnelle qui constituaient Γ assise materielle des anciens beguinages. Ainsi etaient-elles contraintes de mendier. La cohesion du groupe leur offrait, plus que la solitude, des chances de subsister." (ebd., S. 157). Weitere zusammenfassende Interpretationen in B A S E L U B , Α λ II 14, Bl. 339; W U R S T I S E N , Baßler Chronick, S . 219; B O N E R , BZGA 34, S. 139. 5

Zum Folgenden vgl. Abschnitt IX 1.5, bes. S. 141. Eine klare Trennung zwischen Klerikern und Laien war im Neuen Testament nicht enthalten und gab es auch in der Urkirche nicht; sie bildete sich erst in der folgenden Zeit heraus, wurde Ende des 2. Jhs. durch Tertullian etabliert und später im kanonischen Recht verankert. Vgl. dazu den begriffsgeschichtlichen Überblick vom NT bis zur Gegenwart bei R I T T E R , Adolf Martin / B A R T H , Hans-Martin: „Laie Ι/Π". In: TRE 20, S. 378-393. Anmerkungen zum Begriff „Laie" aus katholischer Sicht bei C O N G A R , Yves: Der Laie: Entwurf einer Theologie des Laientums. 2. Aufl. Stuttgart 1956 (Jalons pour une theologie du laicat, Paris 1952), S. 21-42. Der neuere Forschungsstand und die Doppeldeutigkeit des Begriffs „Laie" als Nicht-Kleriker oder als illiteratus bei I M B A C H , Ruedi: Laien in der Philosophie des Mittelalters. Hinweise und Anregungen zu einem vernachlässigten Thema. Amsterdam 1989, S. 11-26. Zur veränderten Stellung des Laien in der Dominikanermystik seit dem 14. Jh. vgl. S T E E R , Georg: Die Stellung des „Laien" im Schrifttum des Straßburger

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

101

zu ernähren, die zwar vom Gut der Kirche leben dürften, ihr aber dafür Gehorsam leisten müßten. Seit der Vertreibung aus dem Paradies gelte deshalb: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen."6 Daraus folge, daß der Gesunde mit seinen Händen arbeiten müsse und ihm das Almosensammeln verboten sei. Dabei müßten nicht alle dasselbe arbeiten,7 denn die einen arbeiteten auf den Äckern, die anderen im Wasser, andere in den Wäldern, wieder andere auf den Feldern, aber sie erarbeiteten sich selbst den Lebensunterhalt. Die zumeist gesunden Bettler hingegen, so klagte Mulberg, wollten Brot haben, aber nicht die Äcker bearbeiten, wollten Wein trinken, aber nicht die Weinstöcke bearbeiten, wollten Käse, Milch, Butter und Honig haben, aber nicht Kühe, Lämmer und Bienen ernähren. Diese gesunden Bettler sonderten sich von der Arbeitswelt der Mitmenschen ab und maßten sich an, ein perfektes Leben in Bettelarmut zu führen. Mulberg erinnerte daran, daß es in der ganzen Bibel keine einzige Stelle gäbe, in der Gesunde zum Bettel angehalten würden. Und an anderer Stelle führte er zahlreiche Personen aus dem Alten und Neuen Gottesfreundes Rulman Merswin und der deutschen Dominikanermystik des 14. Jahrhunderts. In: Grenzmann, Ludger / Stackmann, Karl (Hrsg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit (Symposion Wolfenbüttel 1981). Stuttgart 1984, S. 643-658. Siehe auch BORST, Arno: ,Laie". In: Hist. Wb. Phil. 5, Sp. 8-10; O E X L E , S. 75; vgl. auch Anm. 31. 6

Gn. 3,19. Dazu DE LEO, Pietro: L'esegesi medievale dell'immagine biblica del lavoro: Gen. III, 17-19; Lc. X, 7; 2. Thess. ΙΠ, 10. In: Lavorare nel Medio Evo: Rappresentazioni ed esempi dall'Italia dei secc. X-XVI (12-15 ottobre 1980). Todi 1983, S.169-197. Zum Arbeitsethos im AT und im Judentum vgl. BlENERT, Walther: Die Arbeit nach der Lehre der Bibel. Ein Beitrag zur evangelischen Sozialethik. 2. Aufl. Stuttgart 1956, S. 21-130; ebd., S. lf.: eine Definition des Begriffs „Arbeit". Vgl. auch den Überblick bei C O N Z E , Walter: .Arbeit". In: Geschichtliche Grundbegriffe 1, S. 154-215; C H E N U , Marie-Dominique: „Arbeit". In: Hist. Wb. Phil. 1, Sp. 480-482; BOSL, Karl: Armut, Arbeit, Emanzipation. In: Schulz, Knut (Hrsg.): Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters. Köln 1976, S. 128-146; LeGOFF, Jacques: Le travail dans les systemes de valeur de l'Occident medieval. In: Hamesse, Jacqueline / Muraille-Samaran, Colette (Hrsg.): Le Travail au Moyen Age, une approche interdisciplinaire (Actes du colloque international de Louvain-la-Neuve, 21-23 Mars 1987). Louvain-la-Neuve 1990, S. 7-21. Einen Überblick Uber den christlich-katholischen Begriff der Arbeit bei SCHMITT, Karl: „Einleitung". In: C H E N U , Marie-Dominique: Die Arbeit und der göttliche Kosmos: Versuch einer Theologie der Arbeit. Übers, v. Karl Schmitt. Mainz 1956 (Pour une theologie du travail, Paris 1955), S. 7-40. O E X L E , S. 74f., betont die Aufwertung und Verquickung von „Arbeit" und , Armut" im Christentum, die in dieser Form in der Antike noch nicht vorhanden war. Vgl. auch jüngst mit Betonung einer anthropologischen Sichtweise A P P L E B A U M , Herbert: The Concept of Work, Ancient, Medieval, and Modern. New York 1992, bes. S. 227-265, 309-318; ein vorzüglicher Überblick bis zum 13. Jh. zuletzt bei V A N D E N H O V E N , Birgit: Work in Ancient and Medieval Thought. Ancient Philosophers, Medieval Monks and Theologians and Their Concept of Work, Occupations and Technology. Amsterdam 1996; und MEIER, Christel: Labor improbus oder opus nobile? Zur Neubewertung der Arbeit in philosophisch-theologischen Texten des 12. Jahrhunderts. In: Frühmittelalterliche Studien 30 (1996), S. 315-342. 7

Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 146-148.

102

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Testament und der Kirchengeschichte an, von Maria und Joseph und den Aposteln bis hin zu Elizabeth moderna, Elisabeth von Thüringen, die alle ihren Lebensunterhalt rechtmäßig mit Arbeit verdient und zusätzlich die wahrhaft bedürftigen Armen unterstützt hätten. 8 Dies bekräftigte Mulberg immer wieder mit dem bekannten Vers aus dem Neuen Testament: „Wer nicht arbeiten will, soll nicht essen." 9 Bereits Augustin habe betont, daß Gott sowohl von Laien als auch von Klerikern fordere, zu arbeiten statt zu betteln. 10 Ebenso habe Hieronymus die ägyptischen Klöster gelobt, die nur arbeitende Mitglieder aus Sorge um ihr Seelenheil aufnähmen, damit diese kein gefährliches Gedankengut verbreiten könnten, 11 und auch Benedikt habe in seiner Ordensregel die Mönche zur Handarbeit verpflichtet. 12 Mit Thomas von Aquin sah Mulberg in den Händen des Menschen, im Gegensatz zu den Tieren, den Beweis für die Notwendigkeit zur Arbeit, und er ergänzte: „Der Mensch wurde für die Arbeit geboren und der Vogel zum Fliegen." 13 Immer wieder kam Mulberg auf das Matthäuswort „Sorget euch nicht, was ihr essen werdet" 1 4 zurück, das aber nur scheinbar im Widerspruch zum Vorhergesagten stehe, wie schon Thomas in der Summa theologiae gezeigt habe. 15 Gott habe nämlich schädliche und überflüssige Sorgen verboten, nicht aber die Arbeit, denn nicht alle Sorgen seien von Gott verboten worden. Und so wiederholte Mulberg die Forderung, unnötige Sorgen aufzugeben, damit die Gläubigen alles Vertrauen in Gott setzen könnten. Die Bettler arbeiteten nicht, so wie „die Vögel des Himmels, weder säen noch ernten sie, aber der Herr nährt sie doch." 16 Aber die Bettler beachteten nicht, was auf diesen Vers über die Vögel folgt: „und sie sammeln nicht in Scheunen an." Die Bettler wollten jedoch das, was sich die anderen täglich erarbeiteten, für sich nutzen; das machten aber die Vögel nicht. 8

Dazu Abschnitt IX 1.5, besonders S. 152-158. Auf die Frage der Armut Christi geht Mulberg nicht weiter ein, vgl. dazu LECLERCQ, Jean: Les controverses sur la pauvrete du Christ. In: Mollat, Etudes, Teil 1, S. 45-56. Vgl. auch Anm. 22. 9

2 Th. 3,10. Z.B. Abschnitt IX 1.5, S. 143-145, 147, 153f.

10

Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 144. Siehe auch den kurzen Überblick bei MOLLAT, Die Armen, S. 21-29. 11

Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 149.

12

Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 149.

13

lob 5,7. Abschnitt IX 1.5, S. 145f.

14

Mt. 6,31- Abschnitt IX 1.5, S. 143f., 156.

15

Abschnitt IX 1.5, S. 145f., zum Folgenden bes. S. 156.

16

Vgl. Mt. 6,26. Abschnitt IX 1.5, hier S. 157: „Item propterea se dicunt operari non debere, quia neque uolucres celi seminant neque metunt, de quibus dominus similitudinem dedit Cur ergo non attendunt, quod sequitur, neque congregant in horrea."

103

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

Z u m A l m o s e n s a m m e l n führte M u l b e r g e i n e R e i h e v o n V e r s e n aus d e m B u c h Jesus Sirach an, v o n zentraler B e d e u t u n g ist der V e r s „ D e i n e H a n d sei nicht ausgestreckt, u m z u e m p f a n g e n , und erst recht nicht v e r s c h l o s s e n b e i m G e b e n . " 1 7 V o n d e m p r i n z i p i e l l e n V e r b o t d e s B e t t e l s s e i e n nur die A n g e h ö r i g e n der vier Bettelorden a u s g e n o m m e n , die v o m V o l k Lebensmittel und K l e i d u n g erbettelten u n d dafür s e e l s o r g e r i s c h tätig w ü r d e n . 1 8 D i e s s c h r e i b e a u c h das k a n o n i s c h e R e c h t v o r , 1 9 u n d Johannes A n d r e a e und Johannes T e u t o n i c u s w ü r d e n in ihren K o m m e n t a r e n nur A r b e i t s u n f ä h i g e v o n d e m V e r b o t a u s n e h m e n , v o n A l m o s e n z u l e b e n . 2 0 D e n n w e r v o n a n d e r e m l e b e n k ö n n e u n d trotzdem bettle, s ü n d i g e s c h w e r . 2 1 N e b e n den Bettelorden sei e s nur den A r m e n , die krank sind und nicht arbeiten k ö n n e n , erlaubt, v o n A l m o s e n z u l e b e n . 2 2 W e r aber trotz körperlicher Unversehrtheit bettle, statt zu arbeiten, g e h ö r e z u den validi

mendicantes,

deren

17 Sir. 4,36. Abschnitt IX 1.5, S. 146; er zitiert auch Sir. 4,26; 7,16; 21,25; 29,31 u. 33; 40,1 u. 29f., siehe auch S. 143, 146f. 18

Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, bes. S. 149f. Johannes Dominici lobte in seinem Traktat De proprio, an conveniat fratribus Ordinis Praedicatorum in communi aut in particulari den Bettel bei den Brüdern und verurteilte Einkünfte aus Besitz, dazu LÖHR, Mendikantenarmut, S. 425f. Zur Frage des Bettels im Dominikanerorden LAMBERMOND, S. 24-30; mit Betonung des instrumentellen Armutsverständnisses bei Thomas von Aquin siehe HORST, Evangelische Armut und Kirche, bes. S. 121-132; DERS., Bischöfe S. 154-161; zur Problematik der Almosenvergabe siehe auch FISCHER, S. 140-160. 19

Hier bezieht er sich vor allem auf d. 93 c. 23, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 326f.

20

Abschnitt IX 1.5, z.B. S. 150, 158f.

21

Mit Verweis auf C. 1 q. 2 c. 7, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 409f., und C. 5 q. 5 c. 2, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 549f., dazu Abschnitt IX 1.5, S. 150f. 22 Abschnitt IX 1.5, besonders S. 158. Zur Definition, wer als arm galt, besonders aus juristischer Sicht, vgl. STAMMLER, Wolfgang: „arm". In: HRG 1, Sp. 223-228; JOMBART, Emile: „Pauvrete religieuse". In: DDC 6, Sp. 1278-1282; WlßMANN, Hans / MICHEL, Diethelm/ KECK, Leander / MAIER, Johann / FLODD, David / KRAUSE, Gerhard / HLLLERDAL, Gunnar: „Armut". In: TRE 4 (1979), S. 69-121; TIERNEY, Brian: Medieval Poor Law. Berkeley / CA 1959, PLÖCHL 1, S. 456f. Im Hinblick auf den Dominikanerorden siehe HINNEBUSCH, William Α.: Poverty in the Order of the Preachers. In: Catholic historical review 45 (1960), S. 436-543; ALTANER, Berthold: Der Armutsgedanke des hl. Dominikus. In: Theologie und Glaube 11 (1919), S. 404-417; HORST, Evangelische Armut und Kirche, bes. S. 121-132, 135-167; DERS., Bischöfe S. 154-161; mit besonderem Augenmerk auf die päpstliche Politik LAMBERMOND, S. 1-18; LÖHR, Mendikantenarmut. Die Auswirkungen des apostolischen Ideals auf das politische Denken, besonders in Bezug auf das Papsttum, zeigte LEFF, Gordon: The Apostolic Ideal in Later Medieval Ecclesiology. In: Journal of Theological Studies 18 (1967), S. 58-82. Zur Armut bei Laien gibt einen allgemeinen Überblick OEXLE, hier S. 77-85; mit wirtschaftsgeschichtlichem Schwerpunkt zuletzt LASSOTTA, Friedrich-Arnold: Formen der Armut im späten Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit: Untersuchungen vornehmlich an Kölner Quellen des 14. bis 17. Jahrhunderts. 2 Bde., Köln 1993, hier S. 21-36. Siehe auch den Sammelband von MOLLAT, Etudes, zu Einzelfragen und die Weiterführung seiner Forschung in DERS., Die Armen, bes. S. 107-121; vgl. auch FISCHER, S. 17-90; GEREMEK, Bronislaw: Geschichte der Armut, Elend und Barmherzigkeit in Europa. Zürich 1988 (Li to sc i szubienica. Polen 1978, unveröffentlicht), bes. S. 21-87.

104

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Lebensform verboten und auf keinen Fall zu dulden sei. 2 3 Mit dieser Argumentation schied Mulberg die Angehörigen der Bettelorden aber auch von allen anderen Klerikern, denen er, wie den Laien, das Recht auf Almosensammeln strikt absprach. Mulberg kam im Verlauf seiner Ausführungen immer wieder auf die päpstlichen Erlasse und dazugehörenden Glossen zurück, deren wichtigste Stellen im Folgenden dargestellt werden sollen. Bonifaz VIII. sprach in Religionum diversitatem nimiam ein generelles Verbot aus, neue Orden zu bilden, und er befahl, nicht-approbierte Gemeinschaften, wie sie bei Beginen und Begarden anzutreffen sind, aufzulösen. 24 Im Rahmen des Konzils von Vienne 1311/12 promulgierte Clemens V. eine Reihe von Dekretalen, die sich zum Teil ebenfalls mit der Beginenproblematik befaßten. Die beiden am weitesten verbreiteten Dekretalen zu diesem Thema, Cum de quibusdam und Ad nostrum, fehlen auch bei Mulberg nicht. 25 In der Dekretale Cum de quibusdam26 wurde der status Beguinarum und das Tragen eines ordensähnlichen Habits, das eine Anmaßung des Ordensstandes bedeute, verboten, weil sich die Frauen keiner approbierten Regel unterstellt hätten. Von diesem strikten Verbot wurden im Schlußsatz aber die Frauen, die ein frommes und ehrenwertes Leben in einer Gemeinschaft führten, wieder ausgenommen. Mulberg zog daraus den Schluß, daß die Terziarinnen von den verbotenen Beginen in der Praxis nicht zu unterscheiden und deshalb zu exkommunizieren seien. In Ad nostrum27 wurden acht sogenannte freigeistige Irrtümer von Beginen und Begarden angeführt und verurteilt. Im Hinblick darauf betonte Mulberg, daß nicht nur diese Ketzerei, sondern die gesamte beginale Lebensform nach Lehre und Ritus verdammt worden sei. 28 Von ihm wurde auch die Clementine Cum ex eo29 herangezogen, in der diejenigen Franziskaner, die während eines Interdikts sakramentale Handlungen für ihre Drittordensmitglieder vornahmen, exkommuniziert wurden. In Sancta 23

Siehe Abschnitt IX 1.5, S. 141f., 147, 149, 158, 162. Zum Topos der validi mendicantes, besonders in Verbindung mit dem Häresievorwurf, ist immer noch die Arbeit von SCHMITT, Mort, bes. S. 156, 174-187, grundlegend. 24

V I 0 3.17.1, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1054f; vgl. dazu Abschnitt IX 1.5, S. 149f., 160.

25

Siehe auch Abschnitt IV 1.

26

Clem. 3.11.1, ed. Friedberg 2, Sp. 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed. Conc. Oecumen. Decreta, S. 374); dazu auch Abschnitt IX 1.5, S. 160-166, 168, 171f. Siehe auch POLONYI, Andrea: Synodale Gesetzgebung in der Kirchenprovinz Mainz, dargestellt an der Beginenfrage. In: RotUbKG 5 (1986), S. 33-51. 27

Clem. 5.3.3, ed. Friedberg 2, Sp. 1183f. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed. Conc. Oecumen. Decreta, S. 383f.). 28

Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 161, 164f.

29

Clem. 5.10.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1192; Abschnitt IX 1.5, S. 168-170.

1. Der Tractatus contra B e g i n a s et Beghardos

105

Romana30 verbot Johannes XXII. erneut die Sekte der Beginen und Begarden, die unter verschiedenen Namen, wie z.B. Fraticellen, Verbreitung gefunden hätten und die sich fälschlicherweise selbst häufig als Mitglieder des Dritten Ordens der Franziskaner bezeichnen würden. Sie lebten in Gemeinschaften, hätten Obere, bettelten öffentlich, als ob ihre „Sekte" ein vom apostolischen Stuhl approbierter Orden sei. Alle Prälaten und Bischöfe, die sie in dieser Lebensform unterstützten, sollten gleichfalls exkommuniziert werden. Mulberg betonte, daß selbst die Angehörigen der Dritten Regel des Franziskus, die ja unter einer approbierten Regel lebten, Laien und keine Kleriker seien. 3 1 Er sah den Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage in der Drittordensregel selbst, die weiterhin den Besuch der Parochialkirchen vorschreibe. Deshalb nenne Johannes Andreae diese Lebensform quemdam modum vivendi, bei der die drei substantiellen Gelübde nicht geleistet würden. 32 Sie sei auch für Männer und Frauen im Ehestand möglich, die nicht enthaltsam lebten und die ihren eigenen Besitz weiter behalten wollten. 33 Dennoch kamen sie laut Mulberg nicht nur in den Genuß der Privilegien der Dritten Regel, sondern auch der Privilegien der Kleriker, die ihnen als Laien aber nicht zustanden, wie auch Johannes de Lignano betont habe. 34 Mulberg legte großen Wert auf die Unterscheidung, daß die Dritte Regel kein Mönchsorden begründe, auch wenn sie oft Dritter Orden genannt würde, da man ordo und religio fälschlicherweise wie Synonyme gebrauche. 35 Die Terziarinnen gehörten aber weder einem ordo, noch einer religio, sondern nur einem status an. Guilelmus de Monte Lauduno habe die Dritte Regel eine bestimmte erlaubte Ordnung, ordinacio, genannt, aber auch dieser Begriff sei mehrdeutig. Diese unklare Situation konnte in den Augen Mulbergs nur dadurch beendet werden, daß allein die Angehörigen der ersten und zweiten Regel des Franziskus „wahre Brüder und Schwestern" genannt werden durften. 30

Extr. Ioann. XXII. 7.un., ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1213f.; dazu Abschnitt IX 1.5, S. 151f., 165, 171f.

31

Abschnitt IX 1.5, S. 168. Obwohl Mulberg die Scheidung zwischen Klerikern und Laien mehrfach mit dem Hinweis auf das kanonische Recht begründete, fehlt bei ihm der grundlegende Kanon C. 12 q. 1 c. 7 (ed. FRIEDBERG 1, Sp. 678), in dem es heißt: „Duo sunt genera christianorum:... ut sunt clerici... ut sunt laici"·, dazu PROSDOCIMI, Luigi: Chierici e laici nella societä occidentale del secolo XII: A proposito di Decr. Grat. C. 12, q. 1, c. 7: Duo sunt genera Christianorum. In: Proceedings of the Second International Congress of Medieval Canon Law. Cittä del Vaticano 1965, S. 105-122. Siehe auch BECKER, Hans J.: „Klerus". In: HRG 2, Sp. 876-878; HORST, Bischöfe, S. 111-177. 32

Abschnitt IX 1.5, S. 168.

33

Abschnitt IX 1.5, S. 168f.

34

Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 169; vgl. auch unten Anm. 47.

35

Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 170. Auch SCHMITT, Mort, S. 112f.; GRUNDMANN, S. 199-203. Zu Guilelmus siehe unten Anm. 48.

106

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Aufgrund des freiwilligen Bettels maßten sich die Beginen sogar an, ein christusgemäßes Leben zu führen und vollkommener als andere Laien zu sein. 36 Durch die Exkommunikation, unter die sie fielen, seien sie aber von Christus, dem Bräutigam, getrennt, weil sie sich von der Kirche, der Braut, entfernt hätten. Denn, so fährt Mulberg fort, die materiellen Werke wie Beten, Fasten, Wachen und Keuschsein ließen uns nur dann Christus nachfolgen, wenn sie aus dem Gehorsam gegenüber der Kirche folgten, denn selbst eine Elster könne daran gewöhnt werden, zu beten und keusch zu bleiben. Die Beginen seien aber, selbst wenn sie der Dritten Regel des Franziskus unterstellt seien, einfache Laien, die weder kirchliche Einkünfte, noch Jahrzeitstiftungen oder Almosen in Anspruch nehmen dürften, sondern arbeiten müßten. 37 Obwohl in Cum de quibusdam die Angehörigen der Drittorden von dem Verbot ausgenommen würden, seien doch diejenigen Terziarinnen, die in Lebensweise, Ritus und Kleidung den verdammten Beginen anhingen, exkommuniziert, denn sie stimmten mit den verurteilten Beginen im Namen überein, da sie wie jene vulgariter sorores, swestriones (et) Begine hießen. 38 Mit diesen Ausführungen hatte sich Johannes Mulberg deutlich für die Exkommunikation der Beginen ausgesprochen; ihre vorübergehende Ausweisung aus der Stadt im Jahr 1405 und ihre endgültige Vertreibung 1411 waren eine Konsequenz seiner Vorwürfe. Die Forderung nach strenger Armut von Seiten der Dominikanerobservanten hatte auch in Mulbergs Traktat ihren Niederschlag gefunden. Nur den Mitgliedern der Bettelorden und den Kranken sollten Almosen zustehen, alle anderen Kleriker und Laien waren zur Arbeit zu verpflichten.

1.2. Methode Nachdem der Inhalt von Mulbergs Traktat vorgestellt wurde, soll seine Arbeitsweise untersucht werden, um sich dem „geistigen Horizont" eines Dominikanerbruders annähern zu können. Von den fünf Handschriften, die den Traktat Mulbergs überliefern, enthält nur die Basler Quelle einen Einleitungsteil, der Ort, Zeitpunkt und Thema jener Predigt nennt, die wohl dem Traktat zugrunde gelegt wurde. 39 Ihr Thema lautete: „Oh Herr, verleih mir Weisheit 36

Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 167.

37

Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 170f.

38

Abschnitt IX 1.5, S. 171.

39

Abschnitt IX 1.4. Zur Verschriftlichung von Predigten und der damit verbundenen Gattungsdiskussion vgl. HEINZLE, Joachim: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit. Königstein 1984, Bd. 2,2, S. 215-220; mit ausführlichen Literaturhinweisen FRANK, Isnard W.: „Predigt VI". In: TRE 27, Sp. 248-262; LONGERE, S. 110-122, 161-164, 178-184. Vgl. auch SCHNEYER, Johannes B.: Repertorium der lateinschen Sermones des Mittelalters für die Zeit von 1150-1350. 11 Bde., Münster 1969-1990, Einleitung

107

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

u n d E i n s i c h t . " 4 0 G e m ä ß der g ä n g i g e n s c h o l a s t i s c h e n S c h u l tradition unterteilte M u l b e r g den A n f a n g s t e i l s e i n e s Traktats in partes, erneute partes

und probaciones.AX

corollarii,

conclusiones

und

D i e s e Strukturierung führte er aber nicht

k o n s e q u e n t weiter, sondern er g i n g z u e i n e m T e x t über, der nur n o c h v o n Zeit zu Z e i t e i n e Unterteilung a u f w e i s t . D e r T e x t besteht, w i e dies in der spätmittelalterlichen Traktatliteratur üblich war, aus einer K o m p i l a t i o n v o n Zitaten, die v o m A u t o r k o m m e n t i e r t wurden, w o b e i die traditionellen auctoritates

mehr

B e a c h t u n g f a n d e n als z e i t g e n ö s s i s c h e Autoren. S e i n e A r g u m e n t a t i o n s g r u n d l a g e waren die B i b e l und das k a n o n i s c h e Recht. M i t deren A u s l e g u n g u n d den w i c h t i g s t e n K o m m e n t a r e n war M u l b e r g während seines Studiums im Dominikanerorden

vertraut g e m a c h t w o r d e n , d a s

zu

S e e l s o r g e und Predigt b e f ä h i g e n s o l l t e . 4 2 D i e zitierten B i b e l s t e l l e n ergänzte er h ä u f i g m i t der Glossa

ordinaria,

m i t A u s z ü g e n aus den Schriften der Kirchen-

väter A u g u s t i n u s , H i e r o n y m u s , A m b r o s i u s u n d G r e g o r d e m G r o ß e n . 4 3 Erwart u n g s g e m ä ß g i n g M u l b e r g m e h r f a c h auf die z e n t r a l e n S t e l l e n zur B e g i n e n Bd. 1, S. 1-32; mit neuerer Literatur MENZEL, Michael: Predigt und Predigtorganisation im Mittelalter. In: HistJb. 111 (1991), S. 337-384; DERS.: Predigt und Geschichte: Historische Exempel in der geistlichen Rhetorik des Mittelalters. Köln 1998 (Beiheft zum Archiv für Kulturgeschichte 45); zum Vergleich mit Predigern wie Berthold oder Kapistran siehe STEER, Georg: Bettelorden-Predigt als .Massenmedium'. In: Heinzle, Joachim (Hrsg.): Literarische Interessenbildung im Mittelalter (DFG-Symposion 1991). Stutttgart 1993, S. 314-336; zu überlieferten Predigtsammlungen des 15. Jhs. siehe den grundlegenden Artikel von WILLIAMSKRAPP, Observanzbewegung. Vgl. den Überblick bei RAPP, Francis: La priere dans les monasteres de Dominicaines observantes en Alsace au XV e siecle. In: La Mystique Rhenane (Colloque de Strasboug, 16-19 mai 1961). Paris 1963, S. 207-218; siehe immer noch LINSENMAYER, Anton: Beiträge zur Geschichte der Predigt in Deutschland am Ausgang des Mittelalters. Passau 1889; CRUEL, Rudolf: Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter. Detmold 1879; STINGEDER, Franz: Geschichte der Schriftpredigt: Ein Beitrag zur Geschichte der Predigt. Paderborn 1920. Zu Mulbergs weiteren Predigten vgl. Abschnitt VI 2. 40

2. Paral. 1,10.

41

Vgl. dazu GRABMANN, Martin (Hrsg.): Die Geschichte der scholastischen Methode. 2 Bde., Freiburg 1909-1911; PIEPER, Josef: Scholastik. Gestalten und Probleme der mittelalterlichen Philosphie. München 1978; SCHMIDINGER, Heinrich M.: „Scholastik". In: Hist. Wb. Philos. 8, Sp. 1332-1342; ELDERS, Leo J.: „Scholastische Methode". In: LMA 7, Sp. 1526-1528. Ein weiterer Basler Prediger des 15. Jhs., bei dem der dominierende Einfluß der scholastischen Methode ebenfalls deutlich hervortritt, ist Johannes Grätsch, dazu MURITH, Andre: Jean et Conrad Grätsch de Bale: Contribution ä l'histoire de la predication franciscaine au X V m e siecle. Fribourg 1940, bes. S. 59-64. 42 43

Dazu Kap. II.

Zum Folgenden siehe SMALLEY; LERNER, Robert (Hrsg.): Neue Richtungen in der hochund spätmittelalterlichen Bibelexegese. München 1996. Zum Problem der Übersetzung des Begriffs pauper in der Verwendung der Vulgata aus dem Hebräischen und Griechischen siehe LECLERCQ, Jean: Aux origines bibliques du vocabulaire de la pauvrete. In: Mollat, Etudes, Teil 1, S. 35-43.

108

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Problematik im kanonischen Recht ein. So zitierte er wiederholt aus der Clementine Cum de quibusdam44 und ließ verschiedene Glossatoren zu Wort kommen. An erster Stelle stand Johannes Andreae, der die Glossa ordinaria zu den Clementinen und dem Liber Sextus in den ersten Jahrzehnten des 14. Jhs. verfaßt und die Glossa ordinaria des Liber Extra von Bernhardus Parmensis mit seiner Novella ergänzt hatte. 45 Seinen Kommentar zu Cum de quibusdam benutzte Mulberg deshalb mehrmals und zog diesen Glossator auch für weitere Belege zu Rate. Daneben benutze er auch die Kommentare von Paulus de Liazariis 46 und dessen Schüler Johannes de Lignano 47 sowie die kaum verbreiteten von Guilelmus de Monte Lauduno zu dieser Clementine. 48 Wie sein Lehrer Johannes Andreae war auch Paulus de Liazariis vor allem für seinen Kommentar zu den Clementinen bekannt. Zur Beginenproblematik zählte Ad nostrum von Clemens V., die Mulberg ebenso wie die ältere Dekretale von Bonifaz VIII., Religionum diversitatem nimiam, wiederholt und mit Andreaes Kommentaren versehen anführt. 49 Aber auch die Dekretale Cum ex eo50 ließ Mulberg nicht aus, die er wieder um die Glossen von Johannes Andreae, Johannes de Lignano und Guilelmus de Monte Lauduno ergänzte.51

44

Clem. 3.11.1, ed. Friedberg 2, Sp. 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed. Conc. Oecumen. Decreta, S. 374).

45

Vgl. dazu KUTTNER, Stefan: Joannes Andreae and his Novella on the Decretals of Gregory IX. In: The Jurist 24 (1964), S. 393-408 (Nachdr. in: Studies in History of Medieval Canon Law. Hampshire / GB 1990 (collected studies 325), Kap. XVI), mit ausführlichen Literaturangaben zu Andreae. Zum Folgenden vgl. die Einleitung von NÖRR, Kanonistische Literatur, S. 377f.; PLÖCHL 2, S. 510, 520f.; VON SCHULTE 2, S. 205-229. Zu Mulbergs Zitaten aus Johannes Andreaes Kommentar zu „Cum de quibusdam" siehe Abschnitt IX 1.5, S. 160f., 163f., 168, 17 lf. 46

Vgl. VON SCHULTE 2, S. 246f.; CHABANNE, Robert: „Paulus de Liazariis". In: DDC 6, Sp. 1276f., vgl. Abschnitt IX 1.5, S. 161.

47

Vgl. STELLING-MICHAUD, Sven: J e a n de Legnano". In: DDC 6, Sp. l l l f . ; CONTAMINE, Philippe: „Lignano (Legnano), Johannes v.". In: LMA 5, Sp. 1977f.; MCCALL, John P.: The Writings of John of Legnano with a List of Manuscripts. In: Traditio 23 (1967), S. 415-437; vgl. Abschnitt IX 1.5, S. 169, 171. 48

MOLLAT, Guillaume: „Guillaume de Montlauzun". In: DDC 5, Sp. 1078f.; VON SCHULTE 2, S. 197-199; vgl. Abschnitt IX 1.5, S. 162f„ 170.

49

„Ad nostrum", in: Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1183f. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed. Conc. Oecumen. Decreta, S. 383f.); vgl. Abschnitt IV 1; „Religionum diversitatem", in: VI 0 3.17.1, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1054f.; zu Mulbergs Zitaten siehe Abschnitt IX 1.5, S. 149f„ 160f., 164f. 5

0 Clem. 5.10.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1192; Abschnitt IX 1.5, S. 168-170.

Die Glosse von Andreae in Abschnitt IX 1.5, S. 168f.; zu Lignano S. 169; zu Monte Lauduno S. 170.

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

109

Von Henricus de Segusio, dessen Mitte des 13. Jhs. vollendete sogenannte Summa aurea als die bedeutendste Summe der Dekretalistik gilt, benutzte Mulberg den später entstandenen Kommentar zum Liber Extra. 52 Mulberg zitierte fast genauso oft aus dem Dekret Gratians wie aus den zeitlich später entstandenen päpstlichen Dekretalen, dem Liber Extra, Liber Sextus, den Clemen tinen und Extravagantensammlungen. Diese Ausgewogenheit findet sich aber bei seiner Benutzung der Glossenkommentare nicht wieder. Zum Dekret zog er nur einmal die grundlegende Glossa ordinaria des Johannes Teutonicus 53 und vielleicht ein weiteres Mal Johannes Andreae 5 4 heran. Die häufigere Benutzung der Kommentare zu den päpstlichen Dekretalen ist inhaltlich begründet; erst nach der Entstehung des Dekrets Gratians gab es Beginen und Begarden und Auseinandersetzungen um ihre Lebensform. Insgesamt fanden somit die einschlägigen Glossenkommentare des Johannes Teutonicus, Henricus de Segusio und Johannes Andreae, wenn auch in ganz unterschiedlichem Umfang, Eingang in Mulbergs Traktat. Neben diesen Glossatoren gibt Mulberg an, auch die Kommentare des Bartholomeus de Pisis 55 benutzt zu haben. Bei Bartholomeus de Pisis kann nicht endgültig geklärt werden, ob Mulberg tatsächlich den gleichnamigen Dominikanertheologen meinte, der vor allem als Verfasser der im 13. Jh. entstandenen moraltheologischen Schrift Summa de casibus conscientiae bekannt war. 56 Mit diesen Ergänzungen der Rechtsglossen hatte er die gängigen Kommentare herangezogen, wobei verwundert, daß er die Glossa ordinaria des Bernhardus de Botone Parmensis 57 zum Liber Extra völlig

52 Zu Henricus vgl. NÖRR, Kanonistische Literatur, S. 378; VON SCHULTE 2, S. 123-129; BRIESKORN, Norbert: „Henricus de Segusio". In: LMA 4, Sp. 2138f. Zu Mulbergs Text siehe Abschnitt IX 1.5, S. 160. 53

Abschnitt IX 1.5, S. 168: zu d. 82 c. 1, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 289. PLÖCHL 2, S. 509; NÖRR, Kanonistische Literatur, S. 371, 374, 841; VON SCHULTE 1, S. 172-175; vgl. auch KUTTNER, Stefan: Repertorium der Kanonistik (1140-1234). Biblioteca Apostolica Vaticana, Cittä del Vaticano 1937, S. 93-99. 54

Abschnitt IX 1.5, S. 158f.: zu d. 93 c. 23, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 326f. Andreae verfaßte Zusätze zur Glossa ordinaria des Dekrets, so PLÖCHL 2, S. 510. 55

Vgl. den umfangreichen Artikel von TEETAERT, Amedee: „Barthelmy de Pise ou de San Concordio". In D D C 2, Sp. 213-216; Abschnitt IX 1.5, S. 165. 56

Obwohl die Vornamen identisch sind, ist eine Verwechslung mit dem Kanonisten Bartholomeus Brixiensis sehr unwahrscheinlich, da dieser vor allem durch seinen Kommentar zur Glossa ordinaria des Johannes Teutonicus zum Dekret Gratians bekannt war und nicht als Kommentator der Clementinen, dazu NÖRR, Kanonistische Literatur, S. 371, 375, 379; KUTTNER, Repertorium, a.a.O., S. 100-115; ZAPP, Hartmut: „Bartholom(a)eus Brixiensis". In: LMA 1, Sp. 1493. 57

Vgl. NÖRR, Kanonistische Literatur, S. 376; ZAPP, Hartmut: „Bernardus de Botone". In: LMA 1, Sp. 1976.

110

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

außer acht ließ. Seine ausführlichen Zitate von Andreae lassen darauf schließen, daß ihm eine von diesem Autor glossierte Ausgabe vorlag, die weit verbreitet war. Ergänzend zu den beiden Hauptquellen, der Bibel und dem kanonischen Recht, führte er Zitate der Kirchenväter und Kirchenlehrer an. Auch hier läßt sich ein traditionelles Vorgehen beobachten: Die beiden Kirchenväter Augustin und Hieronymus dominieren, hinzugefügt wurden Zitate von Thomas von Aquin und Zitate von Gregor dem Großen und Beda Venerabiiis. Mulberg zitierte meist einzelne kurze Sätze und keine längeren Abschnitte dieser Autoren, was auf die Benutzung der Glossa ordinaria zur Bibel und von Florilegien schließen läßt. Das Heranziehen solcher „Blütensammlungen", in denen wörtliche Zitate antiker und christlicher Autoren ohne verbindenden Text zusammengestellt wurden, die häufig zu einem bestimmten Thema oder Autor ausgewählt worden waren, war im Mittelalter weit verbreitet. 58 Ihre Benutzung wertete einen Autor in den Augen der Zeitgenossen keineswegs ab. Das einzige Aristoteles-Zitat, das Mulberg anführte, läßt sich tatsächlich in einem zu diesem Autor zusammengestellten Florileg wiederfinden. 59 Ein Beda-Zitat übernahm Mulberg wohl aus der Glossa ordinaria.60 Mit Augustin, Hieronymus und Gregor dem Großen hatte Mulberg bis auf Ambrosius alle Kirchenväter genannt, wenn man der klassischen Definition von Bonifaz VIII. aus dem Jahr 1295 folgt. Mulberg zitierte aus Augustins antimanichäischer Schrift Contra epistulam fiindamenti Manicheorum.61 Außerdem benutzte er die Retractationes,62 in denen Augustin sein Werk verbessert und erläutert hatte. 63 Zu Augustins moral- und pastoraltheologischen Schriften zählen De opere monachorum,64 in der er die Forderung aufstellt, Mönche sollten sich durch Handarbeit den Lebensunterhalt 58

Vgl. BRUNHÖLZL, Franz: „Lateinische Florilegien". In: TRE 11, S. 219-221; er betont, daß eine Übersicht und Gesamtdarstellung zur Florilegienliteratur fehlt; BLOK, Dirk P.: „Florilegien". In: LMA 4, Sp. 566-572; FRANK, Zur Studienorganisation, S. 63; LONGERE, S. 194. 59

Das Aristoteleszitat ist nachweisbar bei HAMESSE, Jacqueline: Les auctoritates aristotelis. Un florilege medieval, etude historique et edition critique. Paris 1974, S. 235 (37). 60

Abschnitt IX 1.5, S. 143.

61

Abschnitt IX 1.5, S. 138.

62

Abschnitt IX 1.5, S. 138.

63

Zum Folgenden ALTANER / STUIBER, S. 412-449. Zu Augustins Wirkung im Hoch- und Spätmittelalter und weiterführende Literaturangaben siehe LEFF, Gordon:, Augustin / Augustinismus II". In: TRE 1, S. 700-717; hier auch eine Darstellung des Einflusses der augustinischen Philosophie auf Thomas von Aquin, S. 705-712. Vgl. auch GRABMANN, Martin: Mittelalterliches Geistesleben. 3 Bde., München 1926-1956, hier Bd. 2, S. 1-24; COPLESTON, Frederick C.: A history of medieval philosophy. London 1972, S. 27-49; SCHMAUS, Michael: „Augustinus". In: LMA 1, Sp. 1223-1229, ebenfalls mit Literaturangaben. 64 Abschnitt IX 1.5, S. 144, 158.

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

111

verdienen, und De mendacio,65 das von der Verwerflichkeit der Lüge handelt; beide finden bei Mulberg Erwähnung. Mulberg zitierte häufig aus dem Matthäusevangelium und ergänzte einzelne Verse durch Augustins Schrift De sermone Domini in Monte,66 die dieses Evangelium kommentiert. Von Hieronymus bezog Mulberg ebenfalls den Matthäuskommentar mit ein und fügte zwei Zitate aus dessen umfangreicher Briefsammlung hinzu, eine Stelle aus ep. 52 an Nepotian, die vom Leben eines Geistlichen handelt, und ep. 125 an den Mönch Rusticus über das monastische Leben. 67 Als dritten Kirchenvater zitierte Mulberg Gregor den Großen mit einem Satz aus seinen Homilien zum Evangelium. 68 Von Beda übernahm Mulberg eine Bibelglosse aus dessen Lukaskommentar, eine andere Glosse hatte Beda vermutlich selbst von Hieronymus übernommen. 69 Die Mönchsregel des Benedikt von Nursia fand ebenfalls Eingang in Mulbergs Traktat. 70 Aber auch einen der wichtigsten Glossatoren der Bibel, den Franziskaner Nikolaus von Lyra, dessen Postilla litteralis super totam Bibliam in die Glossa ordinaria aufgenommen worden war, erwähnte Mulberg an einer Stelle zu den Psalmen. 71 Neben den erwähnten Autoren waren besonders das Werk und die Lehre seines Ordensbruders Thomas von Aquin für den Dominikaner Mulberg von Bedeutung, die seit Beginn des 14. Jhs. für den Orden als verbindlich galten. 72

65

Abschnitt IX 1.5, S. 152.

66

Abschnitt IX 1.5, S. 156, 159.

67

Abschnitt IX 1.5, S. 143, 145, 149. ALTANER / STUIBER, S. 3 9 4 - 4 0 4 ; einen kritischen Überblick mit Literaturangaben gibt NAUTIN, Pierre: „Hieronymus". In: T R E 15, S. 3 0 4 - 3 1 5 . Der Matthäuskommentar gilt ALTANER / STUIBER, S. 400, als „oberflächlich". 68

Abschnitt IX 1.5, S. 149. Vgl. zu Gregor ALTANER / STUIBER, S. 4 6 6 - 4 7 3 ; RICHARDS, Jeffrey / GERWING, Manfred / HEINZELMANN, Martin / BIERBRAUER, Katharina: „Gregor I. d. Gr.". In: L M A 4, Sp. 1663-1666. 69

Z u m Lukaskommentar siehe Abschnitt IX 1.5, S. 143; zur übernommenen Glosse siehe ebd.: S. 148. Vgl. dazu Gen. 3,19; BACHT, Heinrich / BECKER, W o l f g a n g / FOLKERTS, M e n s o / SCHMID, Hans: , 3 e d a Venerabiiis". In: L M A 1, Sp. 1774-1779, mit Literaturangaben; LOYN, Henry Royston: „Beda Venerabiiis". In: TRE 5, S. 397-402. 70

Abschnitt IX 1.5, S. 149.

71

Abschnitt IX 1.5, S. 143. Zu Nikolaus von Lyra immer noch grundlegend die Untersuchung von LABROSSE, Henri: Biographie et ceuvres de Nicolaus de Lyre. In: Etudes Franciscaines 16 (1906), S. 3 8 3 - 4 0 4 ; 17 (1907), S. 4 8 9 - 5 0 5 , 593-608; 19 (1908), S. 41-52, 153-175 (Überblick Uber sein Werk), 3 6 8 - 3 7 9 (zum Hauptwerk, der postilla litteralis)·, 35 (1923), S. 171-187, 4 0 0 432; GOSSELIN, Edward Α.: Α Listing of the Printed Editions of Nicolaus de Lyra. In: Traditio 2 6 (1970), S. 3 9 9 - 4 2 6 . 72

CHENU, Marie-Dominique: Maitre Thomas, est-il une autorite. In: R e v u e Thomiste 3 0 (1925), S. 187-194; HORST, Evangelische Armut und Kirche, bes. S. 2 9 - 1 3 2 ; TORRELL, Jean-

112

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Thomas' Hauptwerk, die Summa theologiae, galt als Handbuch für die Einführung in die spekulative thomistische Gesamttheologie. 73 Mulberg bezog sich auf die Secunda secundae, in der in dem Abschnitt der quaestiones 184-188 eine Tugend- und Ständelehre entwickelt worden war. 74 Thomas betonte dort den Wert des tätigen und warnte vor einer Überschätzung des beschaulichen Lebens. Ein Gleichgewicht zwischen tätigem und beschaulichem Leben, die vita mixta, stellte die höchste Lebensform dar. Mulberg führte Passagen aus q. 187 und 188 an, die mit den vorangehenden und nachfolgenden quaestiones eine umfassende Abhandlung über die Ideale des Ordenslebens darstellen. 75 In der q. 187 zählte Thomas vier Gründe für die Arbeit des Menschen auf: Zum Erwerb des notwendigen Lebensunterhalts, zur Vermeidung des Müßiggangs als ein Hauptlaster, als Askese gegen fleischliche Begierden und zur Schaffung von materiellem Überfluß, um Almosen zu geben. Mulbergs gezielte Auswahl dieser Passagen läßt auf die Lektüre des Werks von Thomas entweder im Original oder doch zumindest in Auszügen schließen, die über ein Florileg weit hinausreichen. Die Argumentation in seinem Traktat stützte Mulberg darüber hinaus mit zahlreichen Beispielen aus Heiligenlegenden und -viten ab, die allgemein bekannt waren und sich zum Teil in der Legenda aurea des Jacobus de Voragine

Pierre: Magister Thomas: Leben und Werk des Thomas von Aquin. Freiburg 1995 (Initiation ä Saint Thomas d'Aquin. Paris 1993); HLNNEBUSCH 2, S. 117-190; COPLESTON, a.a.O., S. 176198, hier S. 198; PIEPER, a.a.O., S. 108-123. Weitere Literaturangaben vgl. PANNENBERG, Wolfhart: „Thomas von Aquin". In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart 6, Sp. 856-863; die ältere Literatur wurde zusammengestellt von VAN STEENBERGHEN, Fernand: Philosophie des Mittelalters. Bern 1950; siehe auch BECKMANN, Ian P. (Hrsg.): Philosophie im Mittelalter. Entwicklungslinien und Paradigmen. Hamburg 1987, S. 93-102, 169-171. Einen Überblick zu Thomas' Positionen in seinem gesamten Werk in Auseinandersetzung mit der Arbeiter-Enzyklika von Papst Leo XIII. gibt HAESSLE, Johannes: Das katholische Arbeits-Ethos nach Thomas von Aquin und Leo XIII. Heidelberg, Diss. phil. maschinenschriftl. 1922, bes. §§ 4-14, 19. Zum Armutsstreit siehe auch HORST, Ulrich: Evangelische Armut und päpstliches Lehramt. Minoritentheologen im Konflikt mit Papst Johannes XXII. (1316-34). Stuttgart 1996. Vgl. auch Anm. 75. 73

HORST, Evangelische Armut und Kirche, S. 93-132; DERS., Bischöfe, S. 119-129; CHENU, bes. S. 255-276; GRABMANN, Einführung, S. 28, 107; METZ, Wilhelm: Die Architektonik der Summa Theologiae des Thomas von Aquin. Hamburg 1998; den Bezug zwischen Thomas' Leben und der Summa theologiae stellt TORRELL, a.a.O., bes. S. 162-176, her. 74

GRABMANN, Einführung, S. 155-172; METZ, a.a.O., S. 23-31, 59f.; LAMBERMOND, S. 6570; siehe auch KlLLEEN, Sylvester Michael: The Philosophy of Labor According to Thomas Aquinas. Washington / DC 1939, bes. S. 1-106. 75

Abschnitt IX 1.5, S. 145f., 156. Vgl. HORST, Bischöfe, S. 182-186. GRABMANN, Einführung, S. 104. Diese quaestiones wurden auch von Johannes Dambach, O.P., in seinem 1362 verfaßten Tractatus de proprietate mendicantium interpretiert, dazu LOHR, Mendikantenarmut, S. 395-415, bes. S. 407f. Dazu auch

LAMBERMOND, S.

91.

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

113

wiederfinden lassen. 76 Zudem verwies er auf die Statuten der Mainzer und Trierer Synoden, 77 auf denen die Beginen 1317 ebenfalls verdammt worden waren, und auf den in Straßburg kurz zuvor stattgefundenen Beginenprozeß. 78 Für die vermutete Benutzung der Florilegienliteratur sprechen noch weitere Hinweise. Mulberg glaubte, Augustin und Leo den Großen zu zitieren, tatsächlich stammen aber beide Zitate aus der Predigtsammlung des Petrus Chrysologus 79 Diese Beobachtungen werten Mulberg als Autor aber keineswegs ab; es war zum einen zu seiner Zeit durchaus üblich, auf Florilegien zurückzugreifen, und zum anderen waren die tatsächlichen Autoren in vielen Fällen gar nicht bekannt, wie die Masse an Schriften belegt, die sich erst nachträglich als PseudoAugustin, -Rainer, -Bernhard usw. identifizieren ließen.

1.3. Fazit Die inhaltliche und methodische Auswertung des Traktats hat Johannes Mulbergs Ausbildung, seine Stoßrichtung und seine Arbeitsweise erkennen lassen. Er war nicht der erste, der sich mit der Frage des Bettels in Bezug auf Laien auseinandergesetzt hatte. Bereits um 1364 hatte sich Konrad von Megenberg in seiner Schrift Lacrima ecclesiae, die später den Titel Tractatus contra mendicantes trug, gegen die Bettelorden, ihr Armutsideal und ihr Verhältnis zu Laien gewandt. 80 Als Säkulargeistlicher ging Konrad sogar so weit, die Aufhebung der von ihm gehaßten Bettelorden und ihre Eingliederung in bestehende, ältere Orden zu fordern. Mulberg hatte sich mit der Forderung nach Exkommunikation der Beginen, die, trotz körperlicher Unversehrtheit, betteln statt zu 76

Abschnitt IX 1.5, S. 152-156. Vgl. dazu BARONE, Giulia / VlTALE-BROVARONE, Alessandro / BRIESEMEISTER, Dietrich / KUNZE, Konrad / GÖRLACH, Manfred / DESCHAMPS, Jan / LlMAN, Kasimierz: „Legenda aurea". In: LMA 5, Sp. 1796-1801; LONGERE, S. 112; RHEIN, Reglinde: Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Köln 1995 (Beiheft zum AKG 40). Wie DAHMUS, John W.: A Medieval Preacher and his sources: Joahnnes Nider's Use of Jacobus de Voragine. In: AFP 58 (1988), S. 121-176, zeigen konnte, benutzte auch der Ordensbruder von Mulberg, Johannes Nider, besonders häufig Jacobus und Thomas von Aquin für seine Predigten. 77

Abschnitt IX 1.5, S. 162f.

78

Abschnitt IX 1.5, S. 166. Siehe dazu PATSCHOVSKY, Straßburg, besonders S. 115f., Anm. 151; S. 127-161, Anlage 1-9 (zu Bischof Johann I. von Zürich), S. 171-175, Anlage 14 (zu Bischof Lamprecht von Brunn). Vgl. auch Abschnitt. IV 6. 79 80

Abschnitt IX 1.5, S. 136.

LERNER, S. 55-57; STEER, Georg: „Konrad v. Megenberg". In: VL 5, Sp. 221-236; er weist darauf hin, daß das 2. Kapitel von Konrads Werk unter dem Titel Liber de erroribus begehardorum Verbreitung fand. Vgl. auch PATSCHOVSKY, Beginen, S. 409, mit einem Hinweis auf das Editionsprojekt zu Konrad von Katharina Colberg bei den MGH.

114

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

arbeiten und sich dadurch Privilegien der Mendikanten anmaßen, weit von der Argumentation der traditionellen Beginengegner entfernt. Diese hatten in Beginen und Begarden in erster Linie Häretiker gesehen. Der Vorwurf der Häresie wurde aber auch noch von Mulbergs Zeitgenossen erhoben. Wenige Jahre vor Mulbergs Traktat verfaßte Wasmod von Homberg kurz nach 1396 seinen Tractatus contra hereticos Beckardos Lulhardos et swestriones.81 Wasmod war seit 1389 wiederholt als Inquisitor beauftragt worden, gegen die Anhänger der waldensischen Sekte in Mainz vorzugehen. Vermutlich ging er in dieser Funktion auch gegen Begarden vor. Nach der Abfassung seines Traktats war er in den Jahren 1399 und 1403 Rektor der Heidelberger Universität und danach einer der Autoren, die für den Basler Bischof Humbert von Neuenburg ein Gutachten über den Stand der Beginen verfaßten. 82 Sein Traktat glich im Aufbau Mulbergs Schrift, beide fügten die Zitate zahlreicher Autoritäten in der Art einer Kompilation aneinander, um ihre Aussagen zu beweisen. 8 3 In seiner Schärfe und Polemik wich aber Wasmod von Mulberg stark ab. Bei Wasmod wurden die Vorwürfe, die Waldensern gemacht wurden, mit der Beschreibung der Laienfrömmigkeit der Beginen vermischt. 84 Die bekannten Verdächtigungen, die gegen Ketzer gleich welcher Art erhoben wurden und meist in die Richtung von Ausschweifungen sexueller und anderer Art zielten und deren Quellenwert nur im Hinblick auf ihre Funktion als Topoi besteht, finden sich auch hier. 85 Im Vergleich zu diesen scharfen Attacken Wasmods gegen die 81

Ed. von SCHMIDT, Tractatus; zu Wasmod vgl. HAUPT, Beiträge, S. 533-556; BREUNING, Wilhelm: „Wasmudus de Homberg". In: LThK, 2. Aufl. Bd. 10, Sp. 962; STEGMÜLLER, Friedrich: Repertorium biblicum Medii Aevi. 11 Bde., Madrid 1941-1980, hier Bd. 5, Nr. 8337, S. 432; MCDONNELL, S. 571f.; KLECKHEFER, S. 44f.; LERNER, S. 457-459; F. F. [Falk, Franz]: Waldensertum in Mainz. In: Der Katholik 83 (1903), II, S. 263-265. Dieser Traktat ist in der Handschrift AARAU KANTONSBIBL., Cod. Wett. F 26:4, fol. l r a -20 r a überliefert, die auch Mulbergs Traktat enthält, dazu LERNER, Robert: New Evidence for the Condemnation of Meister Eckhart. In: Speculum 72 (1997), S. 347-366, hier S. 355, Anm. 25. In der Handschrift folgen Varia in materia begardorum, fol. 20 va -26 ra . Vgl. VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 9. 82

RITTER, S. 191, 350f., 497f; siehe Abschnitt IV 3.2.

83

Sein Argumentationsgang und die zahllosen Belegstellen aus der Bibel, dem Corpus iuris canonici, den Werken der Kirchenlehrer und Kirchenschriftsteller erinnern an Mulbergs Schrift. Auch bei Wasmod überwiegen die Zitate aus der Bibel und dem kanonischen Recht; die Kirchenväter Augustin und Hieronymus werden sehr häufig zitiert, alle anderen Schriftsteller, wie z.B. Thomas von Aquin, werden nur ein- oder zweimal genannt. Widmete Mulberg den Heiligenviten und -legenden einen ganzen Abschnitt, so erwähnt sie Wasmod nur kurz; er bezieht sich dagegen wiederholt und ausführlich auf Bernhard von Clairvaux. Im Vergleich mit Mulberg fällt auf, daß er darüber hinaus noch weitere Autoren in seine Argumentation einbezieht: So finden auch Ambrosius, Hrabanus Maurus, Basilius, Chrysostomus und Hugo von St. Viktor Erwähnung. 84

Vgl. dazu HAUPT, Beiträge, bes. S. 555; in kritischer Auseinandersetzung mit HAUPT siehe LERNER, S. 57-60. 85

SCHMIDT, Tractatus, bes. S. 353f.; eine Interpretation der bei Wasmod erhobenen Vorwürfe

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

115

Beginen erscheinen Mulbergs Forderung, die Frauen zur Arbeit anzuhalten, beinahe gemäßigt und wohlüberlegt. Johannes Mulbergs Position, die er im Beginenstreit eingenommen und in seinem Traktat ausgearbeitet hatte, konnte sich jedoch in seinem Orden nicht durchsetzen. Wie die Forderung der ersten Observanten nach strenger Armut von den späteren Ordensreformern aufgegeben wurde, 86 so wurde auch die strikte Verdammung der Beginen schon wenige Jahrzehnte später zurückgenommen. Der observante Johannes Nider revidierte Mulbergs Position in seinem Traktat De saecularium religionibus, der zwischen 1434 und 1438 entstand. 87 Nider billigte die Lebensform der Terziarinnen und befürwortete sogar die Zulässigkeit von nichtregulierten Beginengemeinschaften. Im gleichen Jahrzehnt verfaßt der Zürcher Kanoniker Felix Hemmerlin um 1438 die Schrift Contra validos mendicantes, einen Dialog zwischen Felix und einem Begarden, der ein großer publizistischer Erfolg wurde. 88 Er verurteilte den freiwilligen Bettel ebenso als Laster wie Laienkongregationen, die gewöhnlich der Ketzerei nahe stünden. Für diese Mißstände forderte Hemmerlin ein striktes Verbot. Johannes Mulbergs Attacken gegen Beginen, die unrechtmäßig den Bettelorden und Kranken die Almosen wegschnappten, brachte ihm auch eine Erwähnung in der Schrift „Reformation Kaiser Siegmunds" ein. Dieses Werk verfaßte ein noch immer unbekannter Autor im Jahr 1439 auf dem Konzil von Basel und gab vor, die Reformpläne Sigismunds wiederzugeben. In dem Abschnitt Begeynen und Lolharten wurde Mulbergs bekannte Argumentation gegen die Beginen dargestellt und der Autor kommentierte: als Maulperg predigt, er hat recht.89

bei SCHMITT, Mort, S. 97-105, bes. Anm. 10, 21, 22, 34, 35, 48. Zum Vorwurf von sexuellen Vergehen der Ketzer LERNER, Kap. 1: Heresy and fornication, S. 10-34. 86

Dazu Abschnitt III 3.

87

BAILEY, S. 135-137 und S. 150-173. PATSCHOVSKY, Beginen, S. 407f.; ein erster Hinweis darauf bereits bei LERNER, Robert: Rezension „J.-Cl. Schmitt, Mort d'une heresie". In: Speculum 54 (1979), 842-845, hier S. 843. Zu Nider siehe auch Abschnitt ΙΠ 2.1. 88

SCHMITT, Mort, S. 163-172 und SCHMITT, Les citations, siehe Anm. 3; LERNER, S. 170174; einen hervorragenden Überblick über Leben und reichhaltiges Werk bei COLBERG, Katharina: „Hemmerli, Felix". In: VL 3, Sp. 989-1001. 89

KOLLER, Heinrich (Hrsg.): Reformation Kaiser Siegmunds. Stuttgart 1964 (MGH Staatsschriften 6), S. 219, Z. 4f. Vgl. auch BOEHM, S. 145-150; BOOCKMANN, Hartmut: Zu den Wirkungen der „Reform Kaiser Siegmunds". In: DA 35 (1979), S. 514-541.

2. Ausblick auf die Predigten Die Ergebnisse der inhaltlichen und formalen Auswertung des Tractatus contra Beginas et Beghardos haben Mulbergs Fragestellungen und Bildung erkennen lassen; sie können als exemplarisch für sein ganzes Werk angesehen werden. Neben dem Traktat sind von ihm noch eine Reihe von Predigten und kleineren Schriften erhalten. 90 Da von diesen bisher keine Edition oder weiterführende Interpretationen vorliegen, werden sie kurz vorgestellt, um ein möglichst vollständiges Bild von Mulberg als Prediger und Autor zu entwerfen. Von seinem Lebenswerk als Prediger ist vermutlich nur ein ganz begrenzter Ausschnitt in den erhaltenen Texten überliefert. Teilweise handelt es sich nur um knappe Exzerpte, die kaum eine Seite umfassen. Von Mulberg sind sowohl Predigtaufzeichnungen in Latein als auch in der Volkssprache Deutsch bekannt. Ein Zyklus von über neunzig theologischen Lehrpredigten auf Latein ist in einer Handschrift aus dem 15. Jh. überliefert. 91 Diese Predigten hielt Mulberg in Straßburg, der Datierung der Handschrift folgend, zwischen dem 24. Februar 1404 und dem 6. Januar 1405 vermutlich bei den Dominikanerinnen, 92 wobei er mindestens eine Predigt bei den Kartäusern wiederholte. 93 Sie wurden erstmals von Magister Burkhard Gelsdorf von Rottweil aufgezeichnet, 94 der einzelne Predigten ausführlich, andere in stark gekürzter Form wiedergab und mehrfach Satzteile in Deutsch sowie eigene Anmerkungen einfügte. Im ersten Teil behandelte Johannes Mulberg die sieben Sakramente und Märtyrer, im zweiten Teil

90

Zur sog. „Wucherpredigt" siehe Abschnitt IV 5.1. Zum Folgenden NEIDIGER u. RUH, Mulberg; vgl. auch Anm. 39. 91

BASEL UB, A VI 28, fol. l ra -276 rb ; die Handschrift stammt von 1425, siehe BINZ, S. 62f.; VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 138. Zum Folgenden siehe auch BONER, BZGA 34, S. 114.

92

Von einer Predigt ist überliefert, daß Mulberg sie nach dem Mittagessen hielt, BASEL UB, A VI 28, fol. 210 rb : facto prandio. Da der Straßburger Brüderkonvent zu diesem Zeitpunkt konventual war, ist nicht anzunehmen, daß der observante Mulberg gebeten wurde, bei ihnen zu predigen. Möglicherweise hielt Mulberg diese Predigten in Gegenwart von Nider, dazu BAILEY, S. 22. 93 94

BASEL UB, A VI 28, fol. 123rb: apud Carthusienses repetitus etc.

BASEL UB, A VI 28, fol. 2 va : Incipit tractatus sermonum de Septem sacramentis et pluribus aliis materiis reportatus per magistrum Burgkardum de Rotwil presbyterum ad pennam ab ore venerabilis patris Iohannis Mulberg de ordine Predicatorum in civitate Argentinensi predicantis etc.\ fol. 275 r b (Nr. 1): Expliciunt dicta patris Iohannis Mulberg reportata per Burkardum Gelstorff presbyterum de Rotwila etc. sub anno domini 1404. Fol. 1-192 und 256-276 stammen von der Hand des Johannes Lapiscida von Colmar aus dem Jahr 1424; fol. 275 r b (Nr. 2): Expliciunt sermones fratris prefati Iohannis Mulberg ordinis Predicatorum per manus Iohannis Lapiscide de Columbaria sub anno domini 1424 etc.

2. Ausblick auf die Predigten

117

die sieben Tugenden und die sieben Gaben des Heiligen Geistes. 95 Mulberg sprach in diesen Predigten zu theologischen Fragen, die er, wie üblich, oft zum gleichen Bibelwort an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen erörterte.96 Dabei griff er auf die Werke derjenigen Autoren zurück, die er bereits für die Niederschrift seines Traktats herangezogen hatte. Außerdem ist eine ähnliche Einzelpredigt zur Auferstehung Christi erhalten. 97 Eine weitere Schrift handelt von den Sieben Hauptsünden, in der den lateinischen Begriffsdefinitionen eine deutsche Erläuterung folgt, und den zehn Geboten. 98 Von dem Ehesakrament und der Gnade handeln zwei in Basel überlieferte Exzerpte. 99 Ein zweiter größerer Predigtzyklus ist auf Deutsch erhalten, der ebenfalls aus einem Dominikanerinnenkloster stammt. 100 Er besteht aus fünf Einzelpredigten, die aufeinander Bezug nehmen und alle dem gleichen Thema gewidmet sind: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns". 101 Sie handeln vom ersten Weltzeitalter bis zu Noah. Kurt Ruh zählt diesen Zyklus zu den „herausragenden Stücken" deutscher Predigt, der für ein gebildetes, städtisches Laien-

95

BASEL UB, A VI 28, 1. Teil fol. 2 va -183 rb ; 2. Teil fol. 183 va -275 rb .

96

Z.B. BASEL UB, A VI 28, fol. 83 v -93 v , 106 r -l 10 v , 189r, 190r, 191 v , 194 v .

97

AARAU, KANTONSBIBL., MS. Wett. F 26:6, fol. 192R-194R, aus dem Basler Steinenkloster;

vgl. SCHÖNHERR, Bd. 2,2, S. 42. 98 BASEL UB, A IV 14, fol. 119 r -122 v , in einer moraltheologischen Sammelhandschrift aus dem Kartäuserkloster überliefert, um 1417 verfaßt; dazu BINZ, S. 9-13; VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 89. 99

BASEL UB, A VI 1, Bl. 336, aus der Bibliothek des Augustiner-Eremitenklosters, geschrieben im Jahr 1442; dazu VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 127; SCHMIDT, Bibliothek, Nr. 66. BASEL UB, cod A Χ 102, fol. 61r: aus der Bibliothek des Kartäuserklosters. Nicht zweifelsfrei ist die Zuschreibung der Handschrift AARAU, KANTONSBIBL., Ms. Wett. F 26:4, fol. 50 v -52 r , in der gute und schlechte Kleriker unterschieden werden, wobei nur ersteren das Sammeln von Almosen zustehe, letztere als Räuber anzusehen seien. 100

ST. GALLEN, Stiftsbibl., cod. 1915, fol. 101 r -191 v (S. 201-381). Vgl. DIE HANDSCHRIFTEN DER STIFTSBIBLIOTHEK ST. GALLEN. Beschreibendes Verzeichnis codd. 1726-1984 (14.-19. Jh.). Hrsg. von Beat M. von Scarpatetti. St. Gallen 1983, S. 191-194, mit Initienverzeichnis; die vermutete Provenienz aus einem der Straßburger Dominikanerinnenklöster ist sehr unsicher. Zu einem weiteren, verlorenen Predigtzyklus von Mulberg aus Nürnberg siehe NÜRNBERG STB, cent. VII, 79, fol. 109 r/v ; dazu vgl. Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Hrsg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. 4 Bde. in 8 Teilbdn. u. 2 Ergänzungsbde., München 1918-1989, hier Bd. 3,3, S. 610f.; JOSTES, Franz: Meister Eckhard und seine Jünger. Freiburg / CH 1895, S. 128, Nr. LIV. Vgl. auch RUH, Thomas von Aquin, S. 364. 101

„Verbum caro factum est et habitabit in nobis" (Joh. 1,14). Die Einzelpredigten nehmen wie folgt aufeinander Bezug: II auf I , III auf II, IV auf I, V auf IV; dazu RUH, Mulberg, Sp. 730732.

118

VI. Johannes

Mulberg

als Autor

und

Prediger

publikum bestimmt war. 102 Mulberg erinnert sein Publikum immer wieder streng daran, daß sie gut zuhören sollen, 103 sein Name fällt wiederholt 104 und er appelliert an die Moral seiner Zuhörer. Obwohl in dieser Sammlung zahlreiche Elemente eines mündlichen Vortrags enthalten sind, wurden sie, wie vermutlich alle seine Predigten, erst nachträglich niedergeschrieben. Außerdem sind zwei weitere deutsche Predigten erhalten, die vom Auszug der Kinder Israels aus Ägypten durch die Wüste 105 und vom Leiden Christi handeln. 106 Ein Kurztraktat handelt von der reinen weißen Seele, die, je nach ihrem Sündenstand, mit einzelnen oder vielen schwarzen Tupfen befleckt ist. 107 Die sieben verschiedenen Farbstadien stehen für den jeweiligen Sündenstand der Menschen. In einem Sendbrief an Dominikanerinnen kritisierte er die lauen Menschen, mit denen er vermutlich die Adressatinnen meinte, die er wohl für die Observanz begeistern wollte. 108 Er erinnerte sie an das Leiden Christi und seine Erscheinungsformen nach der Auferstehung, durch deren Betrachtung der neue Mensch entstehen könne. Eine Untersuchung, die Johannes Mulberg als Prediger in ihren Mittelpunkt stellt, wäre wünschenswert. Bei seinen Zeitgenossen scheint er ein populärer Prediger gewesen zu sein. So berichtet Johannes Meyer, daß bei seinen Predigten das gesamte Volk zusammenlief. 109

102

RUH, Mulberg, Sp. 732, betont besonders, daß Maria „Göttin" genannt wird (fol. 101 r , 164 )· r

103

ST. GALLEN, Stiftsbibl., cod. 1915, fol. 122 v : gedenkent nutt hein in die kisten; fol. 172 r : nu losent wol, lieben kinter gottes. 104

fol. 120 v so spricht Mulberg·, fol. 124 v ich bin ein munch ich Mulberg·, fol. 110 r : daz sag in (den spuntzierern) von mir und sprich, Mulberg hab es gepredygef, RUH, Mulberg, Sp. 731, vergleicht ihn mit Berthold von Regensburg. 105

BERLIN, Staatsbibl., germ. qu. 149, fol. 84 v -93 r , in einer elsässischen Sammelhandschrift aus dem 15. Jh., dazu DEGERING, Hermann: Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der preußischen Staatsbibliothek. Leipzig 1925-1932 (Mitteilungen aus der Preußischen Staatsbibliothek Bd. 7-9), hier Bd. 2, S. 24-26. Beide in Berlin überlieferte Predigten werden im Rahmen des Projekts „Predigtrepertorium" unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Mertens und PD Dr. Hans-Jochen Schiewer in Berlin eingehend beschrieben. 106

BERLIN, Staatsbibl., germ. oct. 570, fol. 135 r -140 r , überliefert in einem Gebets- und Andachtsbuch für Nonnen aus dem 16. Jh.; dazu DEGERING, a.a.O., Bd. 3, S. 201-205. 107 STUTTGART LB, cod. bibl. 2° 35, fol. 106 v (nicht katalogisiert). 108

NÜRNBERG StB, cod. Cent. VII, 20, fol. 120 r -128 v ; dazu: DIE HANDSCHRIFTEN DER STADTBIBLIOTHEK NÜRNBERG. Wiesbaden 1965ff, hier Bd. 1: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften, S. 285-294.; in ihr wurde auch der Brief Konrad Schlatters Uber Mulbergs Sterben überliefert, vgl. dazu auch Abschnitt V 1 und IX 2. 109

MEYER, Liber, S. 5 8 .

VII. Zusammenfassung

Am Beispiel des Johannes Mulberg konnten die Auswirkungen sozialer, geistiger und politischer Rahmenbedingen einer Epoche auf das Leben eines einzelnen untersucht werden. Mulbergs Wahl, in den Dominikanerorden einzutreten und sich der Reformrichtung seines Ordens anzuschließen, ermöglichte ihm als Handwerkersohn eine beachtliche Karriere. Er kam in engen Kontakt mit Papst Gregor XII., Kardinal Johannes Dominici, dem Ordensgeneral Raimund von Capua, und er zählte zur Delegation Papst Gregors XII. für das Konstanzer Konzil. Die Zugehörigkeit zur Reformrichtung der Dominikanerobservanz bestimmte den längsten Teil seines Lebens: er zog erfolglos von Konvent zu Konvent, um seine Mitbrüder doch noch zur Reform zu bewegen. Dabei zeigte sich die Forderung nach einer strengen Auslegung des Armutsgebotes als unüberwindbares Hindernis für die Akzeptanz des Reformgedankens. In Verbindung mit der zu geringen Zahl an Reformern und ordensinternen Streitigkeiten scheiterte die erste Phase der Dominikanerobservanz. Mulbergs Haltung im Basler Beginenstreit kann nur vor dem Hintergrund der Ordensreform verstanden werden. Die anhaltende Diskussion über die Armutsfrage innerhalb des Dominikanerordens übertrug er auf die Beginen und wurde einer ihrer entschiedensten Gegner. Vor diesem Hintergrund ist seine wichtigste Schrift, der Tractatus contra Beginas et Beghardos, zu verstehen. Folglich sucht man vergebens nach Überlegungen, ob die Beginen häretischem Gedankengut anhängen könnten. Mulberg behandelte in seiner Schrift für das mittelalterliche Denken grundlegende Fragen: wer gehörte dem Stand der Laien und wer dem Stand der Kleriker an? Wem war ein Leben in Bettelarmut erlaubt: nur Kranken und den Angehörigen der vier Bettelorden oder auch gesunden Laien, die Christus ganz im wörtlichen Sinn in Armut nachfolgen wollten? Neben dem Einblick in die Polemik gegen Beginen und validi mendicantes, gesunden Bettlern, läßt diese Schrift auch Rückschlüsse auf den geistigen Horizont und Ausbildungsstand eines Dominikaners zu Beginn des 15. Jhs. zu. Durch umfangreiche Quellenrecherchen zur Basler Stadtgeschichte konnte der Ablauf des Beginenstreits nachgezeichnet und sein Beginn auf das Jahr 1405, statt 1400 bzw. 1404, datiert werden. Prosopographische Studien erlaubten die Benennung der konkurrierenden innerstädtischen laikalen und klerikalen Gruppierungen, die zwischen 1405 und 1411 in Basel um die Vormachtstellung

120

VII.

Zusammenfassung

rangen. Unterstützung suchten sie - abhängig von den jeweiligen Interessen bei der päpstlichen Kurie, der jungen Heidelberger Universität oder dem Bischof von Konstanz oder dem Haus Habsburg. Der Vergleich mit den Auseinandersetzungen um Beginen in den Nachbarstädten, die zeitgleich stattfanden, zeigte, daß Mulberg und seine Förderer mit ihrem Vorgehen gegen die Frauen nicht alleine standen, sondern in einem ihren Zielen gegenüber wohlwollenden politischen Klima die strittige Beginenfrage erneut aufgegriffen hatten. Der Gegensatz zwischen reformbegeisterten und konventualen Brüdern hatte Mulberg sehr früh in eine isolierte Position im Basler Konvent gedrängt. Nachdem er mit seiner Wucherpredigt im Jahr 1411 auch noch seine letzten Anhänger außerhalb des Ordens gegen sich aufgebracht hatte, war jeder Rückhalt in der Stadt und im Konvent verloren und er wurde gemeinsam mit den von ihm so verachteten Beginen vertrieben. Neben Ordensreform und Beginenstreitigkeiten war das Große Abendländische Schisma ein weiterer prägender Faktor in Mulbergs Leben. Die Mehrzahl seiner Mitbrüder lehnten einen Reformversuch mit dem Argument ab, ihr Orden sei bereits in einen römischen und einen avignonesischen Zweig gespalten und eine weitere Zersplitterung in Observante und Konventuale sei zu befürchteten. Die letzten Wochen seines Lebens verbrachte Mulberg im kleinen Kreis der Gesandten des römischen Papstes Gregor XII., die sich von Italien aus auf den Weg zum Konstanzer Konzil gemacht hatten. Ein Brief seines Ordensbruders Konrad Schlatter berichtet detailliert über Mulbergs letzte Tage. Nach seinem Tod bestimmte die Zugehörigkeit zu den letzten Anhängern des römischen Papstes die Wahl von Mulbergs Begräbnisort, der dem Diktat der komplizierten kirchenpolitischen Verhältnissen folgend ausgewählt werden mußte. Mulbergs Leben und Werk zeigen ihn als einen Menschen, der sich kompromißlos und häufig sogar fanatisch für seine Ideen einsetzte. Selbst Rückschläge und jahrelanger Mißerfolg konnten ihn nicht dazu bewegen, sich um pragmatische Lösungen oder Kompromisse zu bemühen. Gewiß war er kein Diplomat oder geschickter Politiker, aber er war auch niemals auf seinen persönlichen Vorteil bedacht. Obwohl er von den späteren Dominikanerobservanten für seinen Eifer und seine Predigtkunst hochgelobt wurde, übernahmen sie sein Gedankengut nicht, sondern bezogen eine gemäßigte Position, die der Ordensreform im Laufe des 15. Jh. in der Teutonia zum Durchbruch verhalf. In Mulbergs Sterben und Tod bündelte sich sein Schicksal zum letzten Mal. Als einer der allerletzten Dominikanerobservanten und Anhänger des römischen Papstes verstarb er auf dem Weg zum Konzil und mußte aus dem Bodenseeraum ins Zisterzienserkloster Maulbronn geschafft werden. Dort wurde er ehrenvoll beigesetzt: verjagt aus dem Dominikanerkonvent, vertrieben vom Sterbeort, im Kreuzgang eines fremden Ordens und in der Gegenwart eines einzigen, jungen Mitbruders.

VIII. English Summary*

This books is a biography of the Dominican Johannes Mulberg. It pays close attention to the intellectual, social, and political factors that shaped the life of a friar at the end of the fourteenth century. Mulberg's life displays the affect of the Great Schism on local events, and it sheds light on the origins of the Dominican Observant movement in Germany. In previous studies, Mulberg has been seen as a fanatical opponent of beguines. Indeed, he was a leading figure in the controversy over beguines at Basel from 1405 to 1411. Drawing on previously overlooked archival sources, this book provides a new view of that controversy. By comparing Mulberg and the Basel controversy with similar controversies in neighboring cities, the book also determines the degree to which the Basel conflict over beguines was unique or typical. Too often, Mulberg's role in the Basel conflict over beguines has been assessed in isolation from his other activities. It can only be understood in the light of the Observant movement. Mulberg belonged to the inner circle of reform-minded Dominicans, centered around the Dominican master general, Raymond of Capua, and Konrad of Prussia. He took part in the early phase of Dominican Observance in Germany, from 1388 to 1414. Mulberg left behind a number of writings, including a Tractatus contra Beginas et Beghardos, that provide a detailed picture of his frame of mind. Additional evidence of his mentality and ambitions are discovered in the events surrounding his last days. The book begins with Mulberg's background and education (Chapter II: Herkunft und Ausbildung), drawing especially from Johannes Nider's Formicarius. Nider and Mulberg probably knew each other while Mulberg lived in the Dominican convent of Colmar, when Nider entered the Order there. Supplemented by other Basel sources, Nider's report expands our knowledge of Mulberg's family background and his work as a shoemaker after his father's death. He was already about twenty years old when he began his studies in Basel. From there, he went to Prague, where he probably first learned of Dominican reform and where he may have met Raymond of Capua. A reference to "Johannes Mulberg" as baccalarius in the university rector's book * Many thanks to Professor Christopher Ocker (San Francisco) for correcting my English.

122

VIII. English Summary

may refer to our Mulberg or to another clergyman with the same name from the diocese of Meissen. After studying at Prague, Mulberg returned to Germany and entered the Dominican Order at Colmar. By 1391, he completed his studies in the Dominican school; he is noted as a cursor at Colmar in that year. The degree qualified him to preach, hear confessions, and teach. The book then turns to the spiritual and political circumstances from which Dominican reform arose around 1400 (Chapter III: Die Dominikaner ob servant). It also examines Mulberg's and his companions' role as reformers up to the Council of Constance. Since the beginning of the Great Schism, the Dominican Order had been divided into two branches, according to the two papal obediences. It was the Roman branch, under the leadership of Raymond of Capua, that introduced Observant reform, insisting on a return to its "original" rule and constitutions: desiderant reduci ad primam formam observantiae regularis. At the General Chapter of 1388 held at Vienna, Konrad of Prussia received permission to reform a convent. In 1389, he reformed Colmar with the help of thirty Observant friars. According to Johannes Meyer, chronicler of the Dominican reform, Mulberg was one of them. In the following year, Raymond of Capua issued decrees supporting reform, which were reinforced by bulls of Pope Boniface IX. The reform of Colmar was no easy task. Konrad was undermined by friars of Colmar, so Raymond turned to the city for help. Since the fourteenth century, the Dominicans, like the other mendicant Orders, held interest-earning investments, which, the Observants argued, contradicted the Order's original ideal of poverty. At Colmar, it was poverty that divided Observants and nonObservants. In 1392 at the chapter of the province at Speyer, several priors signed a letter in which they committed their convents to support reform in the province of Teutonia. Würzburg was reformed in 1394 with the help of Mulberg, although little is known about it. Nürnberg was reformed in 1396, with the personal intervention of Raymond of Capua, who appointed Konrad of Prussia prior and Mulberg vicar with special privileges. Nürnberg became the center of reform for the entire province of Teutonia, even though they failed to reform the Dominican nuns of the city. The center of reform of the female branch of the Order became Schönensteinbach in the diocese of Basel. In addition, the movement was supported by the Habsburgs, shedding light on a neglected aspect of their ecclesiastical policy. In 1399, Raymond of Capua died. Soon after, in 1402, Pope Boniface IX, ceased to support the reform. By that time, only three convents of the province of Teutonia had become Observant: the men's convents at Colmar and Nürnberg and the women's convent of Schönensteinbach. There was no advance of the reform movement until 1418, when the Roman and Avignonese branches of the Order reunited at the Council of Constance. The book attributes the failure of the first phase of the Observant movement to its strict demand for

VIII. English Summary

123

poverty, the insufficient number of Observant friars, the division of the Order by the Schism, and dissension among the Dominicans. After a thorough account of the early reform movement, the book turns to Mulberg and his application of the doctrine of poverty to the beguines of Basel (Chapter IV: Der Basler Beginenstreit). The chapter examines in detail the events leading up to the repeated expulsions and readmissions of the beguines within the context of confrontations between urban interest groups and opponents and supporters, as well as papal politics. June 25, 1405, Mulberg gave a sermon. It served as the basis for his Tractatus contra Beginas et Beghardos, which is edited in Chapter IX. The sermon focussed on the nature of poverty and the right to beg. In his eyes, alms could only be given to invalids. Appart from them, only members of the mendicant Orders could beg, even though they may be wealthy. If healthy people—beguines and beghards—begged, they were stealing from the needy. What was worse in Mulberg's mind, beguines and beghards by begging imitated clergy and presumed to be more perfect than simple lay people. They deserved excommunication. The sermon launched the beguine controversy in Basel. In August, 1405, the bishop of Basel, Humbert of Neuenburg, began the proceedings that led to the first expulsion of beguines that November. Fragments of the inquisition held against them survive. There is not a single hint of heretical teaching or practice in the testimonies of the inquisition, nor in Mulberg's tract against the beguines and beghards. The clergy stood behind Mulberg, with the exception of the Franciscans, who supported the beguines. That division of parties followed an earlier controversy over burial privileges, i.e. the ultimum vale. In the next years, interventions came from the theologians of the University of Heidelberg, the Roman papal court, and the bishop of Constance. Mulberg was sent to Rome, where he remained until 1411. Both sides took advantage of changes in popes and changes in the city's obedience. In 1410, the bishop of Basel for the opponents and the Franciscans for the supporters of the beguines reached an agreement. The women returned to the city. In spite of papal decrees and privileges to the contrary, the beguines were expelled again in 1411. The sudden reversal was due to conflict in the city government. There was a putsch in 1410. The new council took Mulberg's side against the beguines. But after Mulberg's return from Rome in 1411, he preached a sensational sermon against usury. He attacked income earned without labor unequivocally. It implicated not only the beguines, but also the clergy, who were well invested in the local bond market. He quickly lost all urban support. When the beguines were expelled, he was thrown out with them. A comparison with neighboring cities—Constance, Strasbourg, Mainz, Fribourg, and Bern—shows that Basel was no isolated case. In addition, Mulberg was not the only one to agitate against beguines. Around 1400, there

124

VIII. English

Summary

was widespread hostility to beguines in the southwest of the Empire. Basel and Mulberg were representative of their time. The book then turns to the end of Mulberg's life, as he tried to reach the Council of Constance (Chapter V: Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr). We have no knowledge of Mulberg's whereabouts after his expulsion from Basel. But a detailed report, written by Konrad Schlatter, tells us of his end in 1414. It is edited in Chapter IX as well. Schlatter was a young Dominican who served Mulberg as his socius. In November of that year, the two returned from Italy as members of Pope Gregoy XII's delegation to the Council of Constance. During the journey, Mulberg became ill and finally died in the Franciscan convent of Überlingen, on Lake Constance. Because he did not die in the Roman obedience, his body had to be moved to a place within it: it was moved to the diocese of Speyer. After a difficult journey, he was laid to rest in the Cistercian monastery of Maulbronn, where his tombstone can still be found. Admired by his contemporaries, several miracles were attributed to him soon after his death. The book ends with a study of Mulberg as author and preacher (Chapter VI: Johannes Mulberg als Autor und Prediger). A thorough examination of content and method in the Tractatus contra Beginas et Beghardos reveals a preacher's good, basic knowledge of theology and canon law, as well as the mentality of an opponent of beguines. The chapter includes a review of the sources noted in the text in Mulberg's own hand, and it shows his dependence on florilegii, medieval collections of quotations of philosophers and church fathers. That fact explains his restricted use of even important sources, like the writings of Thomas Aquinas. The chapter comprises a short summary of his sermons. Editions of relevant texts can be found in Chapter IX. Mulberg was a clergyman who promoted reform, but his ambitions could not escape the great conflicts of his age. His life's work was also shaped by the Great Schism and the Councils that tried and eventually did resolve it, by urban social conflict, and by the beguines.

IX. Edition

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

1.1. Überlieferung und Textgestaltung Die Überlieferungslage zum Basler Beginenstreit ist vergleichsweise reichhaltig. Die zentrale Schrift von Johannes Mulberg, der Tractatus contra Beginas et Beghardos, wird im Folgenden als Lesetext ediert. Ergänzend wird die Posicio Rudolf Buchsmanns, 1 eine Einleitung zum Traktat sowie ein Postskript beigegeben, die jeweils nur in einer Handschrift überliefert sind. Mulbergs Tractatus wurde in mehreren Handschriften überliefert, die im Folgenden knapp skizziert werden. Bei B A S E L UB, A IX 21 (Sigel B) handelt es sich um eine theologische Sammelhandschrift des 15. Jahrhunderts, die aus dem ehemaligen Dominikanerkloster in Basel stammt und von einer einzigen Hand geschrieben wurde. Sie enthält von Nicolaus de Oresme De astronomia sectanda, von Johannes Müntzinger die Prepositiones de sacramento sowie bisher nicht identifizierte Predigten. Nur diese Handschrift enthält das Predigtthema und Datierung der von Mulberg 1405 gehaltenen Predigt sowie die Einleitung in den Text.2 A A R A U K A N T O N S B I B L . , Cod. Wett. F 26:4 (Sigel A) ist ebenfalls eine Sammelhandschrift vom Ende des 15. Jahrhunderts mit theologischem Inhalt. Sie enthält auch Thesen von Johannes Mulberg (fol. 36r), die Schrift des Wasmod von Homberg, Tractatus de statu begardorum et beginarum (fol. l ra 20ra),3 sowie Varia in materia begardorum (fol. 20va-26ra).4

1

Ein Teil der Posicio, Basel UB A I X 21, fol. 91r~v, wurde bereits ediert und ins Französische übersetzt von SCHMITT, Mort, S. 205-207. 2

Vgl. VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 210 und 1,2, Abb. 85; SCHMIDT, Bibliothek, S. 203, Nr. 126; vgl. zum Folgenden auch KAEPPELI, Scriptores, Nr. 2513. 3

Vgl. dazu Abschnitt IV, Anm. 101 und VI, Anm. 81.

4

Vgl. Abschnitt IV, Anm. 134; VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 9 und Abb. 324.

126

IX. Edition

Die Handschrift ESSLINGEN KLRCHENBIBL. evangl. Stadtkirche St. Dionys, Hs. 12 (VI, 14) (Sigel E) wurde vom Oberesslinger Pfarrer und Dekan Petrus Mayer in der Zeit von 1463 bis 1464 geschrieben. Sie enthält bisher nicht identifizierte Texte über Armut und Bettel (7r-12v), Auszüge aus aus der Summa confessorum des Johannes von Freiburg und weiterer Autoren, u.a. Predigten des Franciscus de Abbatibus (13v-306v).5 Zur Handschrift LEIPZIG UB, 1549 (= Würzen Nr. 160) (Sigel L) liegt bisher keine Beschreibung vor.6 Die Sammelhandschrift München BStB, Clm. 14265 (Sigel M) stammt aus den Jahren 1445/56. Sie enthält neben Mulbergs Text eine Lectura des Magister Engelschalk, einen Traktat von Nikolaus von Dinkelspühl, Briefe des Hieronymus, einen Tractatus contra mendicitatem von Nicolaus de Oresme sowie die Übersetzung der Phatetra fidei contra Judaeos eines Dominikaners Theobald sowie eine Disputatio inter Christianum et Judaeum.1 Die Handschrift COLMAR STB, 474 (= 29), hier fol. 126 r -141\ fand hier keine weitere Berücksichtigung, da sie zwar auf Mulbergs Traktat zurückgeht, die Vorlage aber durch Ergänzungen und Kürzungen so stark verändert wiedergegeben hat, daß hier ein eigene, unabhängige Redaktion vorliegt.8 Im Verlauf des Basler Beginenstreits spielte eine Wucherpredigt, die Johannes Mulberg 1414 in Basel hielt, ebenfalls eine entscheidende Rolle. Von dieser Predigt ist ein Fragment in BASEL UB, C V 36 (Sigel C), überliefert, das in Abschnitt 1.7. ediert wird. 9 Dieses Stück befindet sich in einer Sammelhandschrift, die 1394 in Wien geschrieben wurde und bald danach in die Basler Kartause gelangte. Sie besteht aus zwei Hauptteilen, deren erster Teil unter der Überschrift Liber de contractibus Texte zur Wucherdiskussion, und deren zweiter Teil für die Kartäuser erlassene Privilegien enthält. Im ersten Teil ist die Quaestio de usura des Heinrich von Gent enthalten (fol. 73 r -78 v ). Zu den 5

Vgl. BRINKHUS, Gerd / HEINZER, Felix: Die Esslinger mittelalterlichen Papierhandschriften. In: Esslinger Studien 36 (1997), S. 41-78. 6

Fehlt im Katalog, da die Fortsetzung nicht erschienen ist: KATALOG DER HANDSCHRIFTEN DER UNIVERSITÄTS-BIBLIOTHEK ZU LEIPZIG, Bd. 4: Die lat. Handschriften, Teil 1: D i e theol. Handschriften, (cod. 1-500), hrsg. v. R. Helssig. Leipzig 1926. 7

Vgl.CATALOGUS CODICUM LATINORUM BIBLIOTHECAE MONACENSIS. München 1895ff., bisher 10 Bde., hier Bd. 2,2, Nr. 1257. 8

Die Handschrift hat einen beträchtlichen Wasserschaden; in Auszügen wurde sie ediert von HAUPT, Hermann: Beiträge zur Geschichte der Sekte vom freien Geiste und des Beghardentums. In: ZKG 7 (1885), S. 503-576, hier „Johannes Mülberg's Materia contra beghardos", S. 511531. Vgl. auch Abschnitt VI, Anm. 1. 9

Vgl. GlLOMEN, Kirchliche Theorie, der erste Absatz ebd. ediert in Anm. 8; KAEPPELI, Scriptores 2, S. 492f., Nr. 2520; VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 439 und 1,2, Abb. 54.

1. Schriften

zum Basler

Beginenstreit

127

Vorwürfen, die Johannes Mulberg 1414 in Bezug auf seine Position zu Heinrichs von Gent gemacht wurden, fügte der Basler Kartäuserprior Johannes Dotzheim nachträglich einen Zusatz ein, der hier ediert wird (fol. 78 v ). Angesichts der großen Menge kleiner, den Sinn des Textes nicht berührender Varianten, die jedoch die vollständige Erarbeitung einer kritischen Edition nicht unwesentlich aufgehalten und einen umfangreichen textkritischen Apparat erfordert hätten - ohne zum Textverständnis wesentlich beizutragen - wird hier bewußt nur ein Lesetext geboten. Gleichwohl sind sowohl alle längeren als auch alle sinnverändernden Varianten wiedergegeben. Den vollständigen Variantenapparat bietet die Microfichefassung meiner Dissertation. 10 Handschrift Β ist nicht nur zeitlich am ältesten, sondern auch am vollständigsten überliefert und wurde deshalb als Leithandschrift gewählt. Eine Analyse der Varianten ergibt folgenden Befund. Β kann keine Kopie von A, E, L, Μ sein (Anm. 83). Α und L mit jeweils 3 spezifischen Homoioteleuta (für A Anm. 206, 341, 400, für L Anm. 224, 289, 340) können nicht Vorlage eines anderen Textzeugen gewesen sein. Ε und Μ haben ein gemeinsames Homoioteleuton, das einen gemeinsamen Vorfahren möglich macht (Anm. 297); da sowohl Ε (Anm. 369) als auch Μ (Anm. 235, 357) aber eigene Homoioteleuta haben und Ε eine sinnstörende Omission (Anm. 347) - wahrscheinlich durch das Überspringen einer Zeile - aufweist, kann keine der beiden Handschriften die Kopie der jeweils anderen sein. Bereits aus der Analyse der Omissionen durch Homoioteleuta ergibt sich, daß keine der bekannten Textzeugen direkte Vorlage einer anderen gewesen sein kann. Es liegt nahe, daß die Textradition von dem nachstehenden stemmatischen Typ ist:

10

VON HEUSINGER, Sabine: Der observante Dominikaner Johannes Mulberg ( t 1414) und der Basler Beginenstreit. Konstanz, Diss. 1996 (Mikrofiche), Anhang Η 3, jedoch ohne die Esslinger Handschrift, da mich erst nach Beendigung der Dissertation dankenswerterweise Prof. Dr. Maurer (Konstanz) auf diese Handschrift aufmerksam gemacht hat.

128

IX. Edition

Während in Ε eine Korrektur loyca —» logyca zu bemerken ist (Anm. 326), die der Kopist unschwer selbständig vornehmen konnte, bringt Β häufig längere und präzisere Zitate und Quellenangaben als alle anderen Textzeugen. Eine Ausnahme stellt hier Anm. 327 dar, wo die Handschriften A, E, L, Μ einen ausführlicheren Nachweis des Zitats geben. In drei Fällen wurden wichtige Ergänzungen aus Handschrift Α in spitzen Klammern in den Text übernommen (S. 142, 144 und 162f.). Im Allgemeinen wurden Gliederung und Schreibweise der Vorlage beibehalten, aber bei Personennamen und „Quasi-Personennamen", z.B. als Indikator für ein Zitat, erfolgte Großschreibung. Die Satzgliederung wurde in Anlehnung an die Vorlage nach heutigen syntaktischen Regeln gestaltet. Fast vollständig wurden die von Mulberg benutzten Quellen identifiziert und im Text durch Kursivdruck kenntlich gemacht. Runde Klammern wurden für Ergänzungen bei Eigennamen oder bei der Auflösung mehrdeutiger Kürzungen benutzt, spitze Klammern kennzeichnen Ergänzungen, die abweichend von der Leithandschrift beigefügt wurden.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

129

1.2. Übersichtsschema zur Überlieferung und Abkürzungsverzeichnis Nr. Benennung 1.3 Posicio Rüdolfi Buchsman 1.4 Einleitung zum Traktat des Johannes Mulberg 1.5

Tractatus contra Beginas et Beghardos

1.6 Postskript

Aarau (A)

Basel (B)

Esslingen (E)

Leipzig (L)

München (M)



91r -91 v









91v-92v







29r-35r 35™

92v-109v



l r -6 v



209r-220r



243 rb -249 vb



130

IX.

Edition

Textkritische Abkürzungen ADD

Addit

Hinzufügung in der Handschrift, die durch die nachfolgende Sigel bezeichnet wird

CORR

Correxit

Korrektur in der Vorlage

DEL

Delevit

Durchstreichung in der Vorlage

DUB

Dubium

zweifelhafte Lesart

ERR

Error

Hinweis auf Fehler in der Vorlage

GL

Glossa

Randglosse in der Vorlage

Π.Τ.

Illisibile

unleserliche(s) Wort(e)

INV

Invertit

Umstellung in einem Satz

ΓΓ

Iteravit

Wortwiederholung in der Vorlage

MARG

In Margine

Zufügung am Rand der Vorlage

CM

Omittit

weggelassene(s) Wort(e)

OMHOM

Omittit per homoioteleuton Das letzte in der Vorlage weggelassene Wort gleicht dem letzten vor der Weglassung

SCR

Scripsit

Hinweis auf semantisch unpassende Lesart der Vorlage

1. Schriften zum Basler

Beginenstreit

131

1.3. Posicio Rüdolfi Buchsmann OFM Überlieferung Basel UB A IX 21 fol. 9K-9lv 5 Posicio fratris Rüdolfi Buchsman pro defensione Beginarum (91 r ) Utrum amplexus amorosus mendice paupertatis sit status uie generosus ewangelice dignitatis. 10 Conclusio prima: Quamuis summe perfectionis exemplar loculos quandoque habuerint apparenter, tarnen mendice paupertatis normam uita et doctrina approbauerint euidenter. 15

20

25

Corollarium primum: Regula certissima de ewangelica perfectione non consistit in omnimoda Christiformi actione. Secundum corollarium: Omnia relinquere in proposito et in communi maxime appropinquat ewangelice perfectioni. Conclusio secunda: Sicut elemosinarum piarum successiua largicio est actus generalis iusticie, sie omnimoda rerum11 pro Christo abrenunciacio est actus perfectionis ewangelice. Corollarium primum: Perfectius est simul omnia relinquere et pro Christo mendicare, quam successiue bona temporalia pauperibus errogare.

30 Corollarium secundum:12 Mendicare pro Christo et uiuere de elemosinis cottidianis est meritorium et ewangelice perfectionis.

11

rerum ] per CORR B.

12

corollarium secundum ] Μ ARG Β.

132

IX.

Edition

Conclusio tercia: Etsi ewangelice sectatores pro neccessariis uictus debeant laborare, poterunt tarnen corporalem spiritualibus exerciciis habundanter recompensare. 5 Corollarium primum: Stat aliquem corporaliter nichil laborare, et tarnen corporalis laboris mercedem iuste accipere. 10

Corollarium secundum: Mendice paupertatis amorosi sectatores sunt ewangelice ueritatis aptissimi annunciatores. Corollarium responsiuum est pars affirmatiua quesiti.

15

20

(91 v ) Prescripta posicio fuit disputata anno domini Μ CCCC 0 circa festum omnium sanctorum13 per fratrem Rüdolfum Buchsman, ordinis sancti Francisci lectorem domus Basiliensis pro defensione Lolhardorum, Beghardorum siue Beginarum, tarn in regula tercia sancti Francisci quam extra existencium ad finem, quod illis liceret mendicitate se posse nutrire, non obstante, quod sunt ualidi layci et ad laborandum manibus robusti.

13

1400 Nov. 1.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

133

1.4. Einleitung zum Traktat Überlieferung: Basel UB, A IX 21 fol. 9lv-92v (91 v ) Prescripte posicioni frater Iohannes Mulberg ordinis Predicatorum domus Basiliensis se opposuit in modum, qui sequitur publice coram toto clero Basiliensi in choro Basiliensi anno domini M° CCCC 0 V, proxima die post festum natiuitatis sancti Iohannis Baptiste.14 Frater Iohannes Mulberg predicte se opposuit posicioni: Da michi, domine, sapienciam et intelligenciam;15 2 q. 4 Salomon. Venerabiles patres, magistri et domini, beatus ipse Apostolus ad diuine nominis inuocacionem, quod est super omne nomen,16 ad Ephe. 2 c., inuitare nos conatur dicens: Siue manducatis siue bibatis siue aut aliud facitis,17 in nomine domini Ihesu Christi facite in quo uiuimus, mouemur et sumus,18 1 ad Chor. 11; et 21 q. ultima „Non obseruetis";19 2 q. 5 „Non liceat".20 Et Iacobus 1 c.: Si quis indiget sapienciam postulet a deo qui dat omnibus affluenter, et non inproperat21 Qui enim sine hac sapiencia estimat se prudentem fieri posse (92Γ) non sanus, sed eger, nec prudens, quoniam stultus. In egritudine enim assidua laborabit, et in noxia cecitate, stultus et demens permanebit,22 ut scribit beatus Augustinus originaliter in libro „De ciuitate dei" et transumptiue 26 q. 2 in canone „Qui sine". Per que uerba beatus Augustinus nos monet, quod, si saltem consequi conamur precipue sapienciam ueram et dominum Ihesum Christum, qui est essencie unitas et personarum trinitas, De summa trinitate, „Firmiter",23 et uera sapiencia, De consecracione, di. 1, „Omnis christianus",24 quoniam perfectio fragilitatis nostre ab ipso est, ad Cor. 3°. Respondetur igitur tamquam 14

1405 Junii 25.

15

2. Paral. 1,10.

16

Eph. 1,21.

17 1 Cor. 10,31. 18

Cf. Act. 17,28.

19

C. 26 q. 7 c. 16, ed. FRIEDBERG 1, 1045s.

20

C. 26 q. 5 c. 3, ed. FRIEDBERG 1, 1027s.

21

Iac. 1,5s.

22

C. 26 q. 2. c. 7, ed. FRIEDBERG 1, 1022s.

23

X 1 . 1 . 1 , ed. FRIEDBERG 2 , 5 .

24

d. 1 c. 69, de cons., ed. FRIEDBERG 1, 1312s.

134

5

10

IX. Edition

caritatem non habens sim uelut es sonans et cymbalum tiniens,25 ad Cor. 13; et transumptiue 1 q. 1 c. 26 opponitur, nomen suum inuoco dicens: Da michi domine sedium tuarum asistricem sapienciam21 Sapientia 9, 2 q. 4, Salomon. Cum aput eum non sit inpossibile omne uerbum,28 Luc. 1; c. De consecracione, di. 2 „Reuera". 29 Quod euidenter claret, quia immaturorum et puerorum in spiritu prophetico dotauit sic, ut lingua30 caldaica omne uerbum sapiencie et seiende31 pre cunctis permittis magis eloqueretur Daniel 1 c., et 37 di. „Qui de mensa". 3 2 Unde nimirum, si intellectum michi stulto homini prebeat, qui ueritatem suam per ora iumentorum cum uoluerit, enarrauit Numeri 22. 33 Ipse enim dixit Moysi Exodi 4 c. Quis fecit os hominis aut quis fabricatus est mutum loquentem et cecum uidentem? (92 v ) Nonne ego? Unde perge et ero in ore tuo et docebo te, quid loquaris,34

25

1 Cor. 13,1.

26

C. 1 q. 1 c. 9 7 , ed. FRIEDBERG 1, 3 9 6 .

27

Sap. 9,4.

2

» Lc. 1,37.

29

d. 2 c. 69, de cons., ed. FRIEDBERG 1, 1339s.

30

lingua ] ligua SCR B.

31

Dn. 1,20.

32

d. 3 7 c. 11, ed. FRIEDBERG 1, 138s.

33

Cf. Num. 22,28-31.

34

Exod. 4,11s.

1. Schriften zum Basler

135

Beginenstreit

1.5. Tractatus contra Beginas et Beghardos Überlieferung: Basel UB, A IX 21 fol. 92v-109v Aarau Kantonsbibl., Cod. Wett. F 26:4 fol. 29r-35r Esslingen Stadtkirche St. Dionys, Hs. 12 (VI, 14), fol. l r -6v Leipzig UB, 1549, fol. 209γ-22(Κ (= Würzen n. 160) München BStB, Clm. 14265, fol. 243rt>-249vb

(= (= (= (= (=

B) A) E) L) M)

(92v β ; 29Γ A; l r E; 209' L; 243'b M)

Prima conclusio:35 Quemadmodum mediator dei (243 v a M) et hominum deus et homo Ihesus Christus noluit 36 descendere 37 ad nos nisi per matrem uirginem eius genitricem, sie nemo potest ascendere in celum nisi per uniuersalem katholicam et apostolicam ecclesiam eius sponsam et nostram regeneratricem. 38 Ista conclusio duas habet partes: Prima dicit uerbum incarnandum 39 per uirginem Mariam ad nos descendisse. 40 Secunda pars est catholica 41 simul et iuridica seu canonica. Prima autem pars est teologica et licet non indigeat probacione, cum per argumentum fidei pateat, quod est efficacissimum argumentum, cum fidei catholice non possit subesse falsum, probatur tarnen aliquot uiis. 42 Primo per ritum et cantum ecclesie, cum 43 canitur in festo Epiphanie: (209 v L) A patre unigenitus ad nos uenit per uirginem, baptisma cruce consecrans, cunctos fideles generans44 etc. 35

Prima conclusio ] Incipit tractatus Johannis Mulberg ordinis Predicatorum contra ualidos mendicantes A, alia ergo L, alia conclusio M. 36

noluit ] uoluit A L.

37

descendere ] de celo ADD Α ELM.

38

nostram regeneratricem ] matrem regenatricem A, nostram regnatricem L, etc. ADD E.

39

incarnandum] incarnatumΑ ELM.

40

descendisse ] secunda uero pars dicit per ecclesiam uirginem ad ipsum descendere oportere ADD A, secunda uero nos per ecclesiam uirginem ( O M E ) ad ipsum ascendere oportere ELM. 41

catholica ] theologica Α EM.

42

aliquot uiis ] per aliqua media A.

43

cum ] nam Α ELM.

44

Hymnus ad Laudes: Breviarium OP. Tom. 1, Romae 1962,137b.

136

5

10

15

20

IX. Edition

Secundo Ysaie 7: Ecce uirgo concipiet et pariet filiumA5 Sed illa uirgo est Maria, filius autem 46 Ihesus Christus. Igitur etc. Item Mt. 1°: Iacob genuit Ioseph, uirum Marie, de qua natus est Ihesus, qui uocatur Christus.*1 Item Origenes 48 in omelia super ewangelio 49 Mt. 1 c.: Cum esset desponsata mater Ihesu Maria Ioseph50 etc. 51 in uigilia natiuitatis domini, dicit: Desponsata fuit Maria Joseph, non tarnen in concupiscencia iuncta. Mater, inquit, eius immaculata, mater incorrupta, mater intacta, mater eius cuius eius ( 9 3 r B) mater dei unigeniti dei 52 et regis omnium, plasmatoris et creatoris cunctorum; illius, qui in excelsis est sine matre et in terris sine patre; illius qui in celis secundum deitatem in sinu est patris et in terris secundum corporis suscepcionem in sinu est matris. Hec ille. 53 Item Augustinus in sermone quodam de natiuitate domini: Nascitur ab intacta femina Christus, quia fas non erat, ut uirtus per uoluptatem, castitas per luxuriam, per corrupcionem incorrupcio nasceretur.5A Item Leo papa in sermone de natiuitate domini: Non autem te dei conceptus conturbet, partus non confundat,55 quoniam uirginitas, quitquid est humani pudoris, excusat.56 Et ista pro prime partis probacione sufficiant, que dixit uerbum incaraandum (243 v b M) per uirginem matrem ad nos descendisse. Secunda autem pars conclusionis, que dicit nos per ecclesiam ad ipsum ascendere oportere, probatur primo testimoniis scripture sacre et doctorum.

45

Is. 7,14.

46

autem ] eius est dominus noster ADD A, eius ADD Ε L.

47

Mt. 1,16.

48

Cf. HILARIUS Pictaviensis: Sur Matthieu. Ed. Jean Doignon. Paris 1979 (Sources chretiennes 258), 264-269. 49

ewangelio ] OM Ε L M; ewangelio Mt. 1 c. ] Mattheum et illud primo A.

50

Mt. 1,18. Maria Ioseph ]OM

51

etc. ] OMA E; in uigilia natiuitatis domini ] OME.

52

dei... creatoris ] omnium plasmatorum et creatorum A.

53

ille ] etc. uide originale primo beatus ADD A, ergo ADD E.

AM.

54

Petrus CHRYSOLOGUS: Collectio sermonum, sermo 148 bis, extrav. 3. Ed. Alexander Olivar. Turnholti 1982 (CC 24b), 924. 55 56

confundat ] auditus ADD Α

ELM.

Petrus CHRYSOLOGUS: Collectio sermonum, sermo 148 bis, extrav. 3. Ed. Alexander Olivar. Turnholti 1982 (CC 24b), 920.

1. Schriften zum Basler

5

0

Beginenstreit

137

Secundo testimoniis iuris canonici, c u m ista secunda pars etiam 5 7 sit canonica sicut et theologica ut supra. Primo probatur argumento fidei. Sine fide catholica formali 5 8 et eiusdem fidei meritis nemo potest uenire ad regnum dei, 5 9 cum Apostolus 11 6 0 ad Hebre. dicat: Sine fide impossibile est placere deo. Credere enim oportet accedentem ad deum, quia61 est et inquirentibus se62 remunerator.63 Sed ecclesiam credere est articulus fidei, quod patet primo 6 4 per symbolum apostolorum, ubi dicitur: In spiritum sanctum, sanctam ecclesiam catholicam.65 S e c u n d o 6 6 patet per s y m b o l u m m i s s e in quo dicitur: Et ( 9 3 v B ) unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam.61 Et id ipsum uult Athanasius 6 8 in symbolo suo: Quicumque uult saluus esse.69 Igitur per ecclesiam Ihesu Christi sponsam et matrem nostram, que nos ad fidem et sacramenta regenerat, oportet nos ad (210 r L) eius sponsam peruenire. Igitur conclusio uera pro eius secunda parte.

57

etiam sit ] sit etiam L M; etiam... supra ] est canonica et catholica A.

58

formali et ] firma E; formali... meritis ] OMA.

59

dei] OMA.

60

2°A, L, M; ad Hebreos 11°£.

61

quia ... remunerator ] OM E.

62

se ] OM CORR B.

63

Hebr. 11,6.

64

primo ... sanctum ] in simbolo Α Ε.

65

DENZINGER, Heinrich (Hrsg.): Euchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebes fidei et morum / Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. 38. aktualisierte Aufl hrsg. v. Peter Hünermann. Freiburg 1999, Codex Laudianus, 25 (n. 12). catholicam ] catholicam et apostolicam ecclesiam L 66

Secundo ... suo ] Item ex Niceno concilio unam sanctam ecclesiam catholicam et apostolicam. Item in symbolo Athanasii A; Item ex ... ecclesiam apostolicam catholicam. Et item ... Athanasii E\ Item ex ... sanctam et apostolicam. Item in symbolo Athanasii L; Item patet per symbolum misse, in quo dicitur et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam. Item ex Niceno concilio unam sanctam et apostolicam ecclesiam. Item in symbolo Athanasii M. 67

Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum,

ed. CONCILIORUM OECUMENICORUM

DECRETA, 24. 68 69

Athanasius ] Anastasius B.

DENZINGER, Heinrich (Hrsg.): Euchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebes fidei et morum / Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. 38. aktualisierte Aufl hrsg. v. Peter Hünermann. Freiburg 1999, PseudoAthanasianisches Bekenntnis „Quicumque", 51 (n. 75).

138

5

10

15

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IX. Edition

Item super illo uerbo Mt. 16: Tu es Petrus et super hanc petram edificabo ecclesiam meam,70 dicit Augustinus in libro suarum retractacionum: Dixi in quodam loco de apostolo Petro, quod in illo tamquam in petra edificata sit ecclesia. Sed scio me sepissime postea sic exposuisse, quod a domino dictum est: ,Tu es Petrus, et super hanc petram edificabo ecclesiam meam *,71 ut super hanc intelligeretur quem confessus est Petrus dicens: ,Tu es Christus, filius dei uiui'.12 Ac si Petrus ab hac petra appellatus, personam ecclesie figuraret, que super hanc petram edificatur. Non enim dictum est illi: , Tu es petra', sed:, Tu es Petrus'. ,Petra autem erat Christus'.73 Est ergo ecclesia super Christum Ihesum fundata, quod et Apostolus clamat 1 ad Corinthos 4°: Fundamentum enim aliud nemo potest ponere (29 v A) preter id quod positum est, quod est Christus Ihesus.1A Item ad Ephe. 2°: lam non estis ho spites et aduene, sed estis dues sanctorum et domestici dei, superedificati super fundamentum apostolorum et prophetarum, ipso summo angulari lapide Ihesu Christo domino nostro.15 Quilibet autem predestinatus 76 saluandus (244 ra M) est pars ecclesie tocius, sicut ergo quelibet pars edificii mediante toto edificio (94 Γ B) reducitur in fundamentum. Sic quilibet saluandus mediante ecclesia et eius fide et sacramentis reducitur ad Christum Ihesum. Ergo oportet nos peruenire ad celum per sacrosanetam ecclesiam nostram regeneratricem, que fuit pars probanda. Item Augustinus in epistula sua contra epistulam fundamenti Manichei: Tanta est ecclesie auetoritas quod ewangeliis non crederem nisi ecclesia me ad hoc moueret77 Quia 78 autem, ut dictum est, illa secunda pars conclusionis est etiam canonica igitur restat eam breuiter canonice probare. ( l v E) 70

Mt. 16,18.

71

Mt. 16,18.

72

Mt. 16,16.

73

1 Cor. 10,4. AUGUSTINUS, Aurelius: Retractationum libri 2. Ed. Almut Mutzenbecher. Turnholti 1994 (CC 57), 62. 74

1 Cor. 3,11.

75

Eph. 2,19-20.

76

predestinatus ] seu ADD Α Ε Μ; sed ADD L.

77 AUGUSTINUS, Aurelius: Contra epistulam fundamenti Manicheorum. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1891 (CSEL 25), 197. moueret ] igitur etc. ADD A, et hoc ex probacione theologica ADD E, moneret L. 78

Quia ... pars ex ] Nunc restat eandem conclusionis partis canonice probare etc. Primo patet exprese ex A; Nunc restat probare eandem conclusionis partem secundam canonice seu iuridice. Patet primo expresse in E\ Nunc restat probare eandem conclusionis partem canonice. Patet expresse ex L M\ Nunc ] autem ADD L.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

139

Patet expresse huius conclusionis secunda pars ex canone 29, q. 1 „Alienus", ubi dicitur: Alienus est, prophanus est, hostis est, habere non potest deum patrem, qui uniuersalis ecclesie non tenet unitatemJ9 Item quota cause 2 q. „Quicumque", ubi dicit canon: Quicumque ab unitate fidei uel societatis Petri apostoli quolibet modo se ipsos segregant, tales nec uinculis peccatorum absolui nec ianuam possunt regni celestis ingrediß0 Item patet conclusio pro eadem eius parte Extra, De summa trinitate et fide catholica, „Firmiter credimus": Una est fidelium uniuersalis ecclesia, extra quam nullus omnino saluatur.%1 Multis modis posset hec conclusio probari pro ambabus eius partibus, sed reputo eam cuilibet fideli per se notam. Dico „per se" non naturaliter sed fiducialiter, quia per fidem; igitur transeo. Corollarium primum: 82 Ex 8 3 secunda parte conclusionis sequitur hoc corollarium: Fides spes Caritas,84 quamuis uirtutes theologice nec non et earum filie cardinales uel qualitercumque uocate, nullatenus sunt regni syderei ( 9 4 v B ) meritorie nisi per obedienciam ecclesie. Patet corollarium ex canone 8 q. 1 „Sciendum", ubi dicitur: Obediencia (210 v L ) uictimis iure preponitur, quia per uictimas aliena caro, per obedienciam uero uoluntas propria mactaturß5 Et statim post: Sola est, que fidei possidet meritum obediencia, sine qua quisque infidelis conuincitur, et sifidelis esse inueniaturß6 Corollarium ex ambabus partibus secundum: Ex conclusione ista prima et ex primo corollario sequitur, quod omnes actus humani ad eternitatem ualituri habent se ad Christi domini et eius sponse obedienciam, quodammodo sicut materia ad formam. Probatur: Quodlibet totum est suarum parcium completiuum perfectum et formaliter denominatiuum. Non enim dicitur pes uel (244 r b M ) oculus humanus nisi essent partes corporis humani. Sed Christus Ihesus est totum respectu fidelium, qui sunt partes, quia ipse caput, nos membra similiter et sui actus respiciunt nostros ut totum partes

79

C. 24 q. 1 c. 19, ed. FRIEDBERG 1, 972s.

80

C. 24 q. 1 c. 27, ed. FRIEDBERG 1, 977.

81

X 1.1.1, ed.

82

Corollarium primum ] MARG

83

ex ... corollarium] OMHOMA

84

Cf. 1 Cor. 13,13.

85

C. 8 q. 1 c. 10, ed. FRIEDBERG 1, 593.

86

C. 8 q. 1 c. 10, ed. FRIEDBERG 1, 593. inueniatur ] uideatur A

FRIEDBERG

2,5. B.

ELM.

ELM.

IX. Edition

140

in esse meriti, et proporcionabiliter 87 sancta ecclesia, eius sponsa, cum sit mater nostra, respicit nos consimili proporcione. Igitur corollarium uerum, consequencia liquet ex terminis. Et similiter prima pars antecedentis seu maior, sed minor 88 pro prima eius parte, que dicit: Christum esse totum 89 seu caput,

5

nos autem partes et membra, patet Mt. 24: Ubicumque fuerit corpus, illic et congregabuntur aquile.90 Que auctoritas non litteraliter, sed secundum methaphoram seu secundum similitudinem capta, probat propositum, ut patet intuenti Glossam. 91

10

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25

Item ad Eph. primo capitulo: Ipsum - scilicet Christum - ded.it - supple

„pater" - caput super omnem92 ecclesiam, que est corpus eius.93 Item ad (95 r B) Colo.: Omnia in ipso constant, et ipse caput corporis ecclesie.94

Secunda autem eius pars, que dicit ecclesiam suo modo esse totum et 95 caput nostrum, cum sit mater nostra, patet per se, quia ideo dicitur Christi Ihesu sponsa et uxor, quia per ipsam nos regenerat, igitur mater. Sic patet corollarium. Corollarium tertium et hoc ex prima parte conclusionis et secundo corollario: Quamuis in statu nature humane institute et in statu eiusdem nature destitute sint eedem uirtutes theologice et cardinales, tunc que et nunc, quantum ad essenciam et subiectiue differunt, tarnen in spem, moris et obiectiue. Prima pars corollarii uidetur patere per se, quia in primo statu fuit Caritas, ergo et omnes uirtutes, que connexionem habent ad caritatem. Secunda pars probatur: Non enim prima ueritas est obiectum fidei absolute, prout fuit in paradiso, sed ueritatem incarnatam respicit iam fides obiectiue. Summum arduum humanatum spes, summum bonum carnem factum iam amat caritas. Fides enim separans humanitatem a diuinitate non est fides sed perfxdia. Et quia moralia recipiunt speciem ab obiecto, igitur corollarium uerum.

87

proporcionabiliter ] proporcionaliter A.

88

minor ] probatur ADD E.

89

totum seu ] IT B.

90

Mt. 24,28.

BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4 , 7 4 : Id est in celum, quo hinc leuauit corpus susceptum, quia rapiemur obseruanciam Christo in aera et sic semper cum domino erimus. 91

92

omnem ] ILL creaturam ADD DEL B.

93

Eph. 1,22s.

94

Col. 1,17s.

95

et ... nostra ] OM A

ELM.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

141

Hic 9 6 incipit tangere mendicitatem Beghardorum et Beginarum (30 r A) Conclusio secunda: Licet de patrimonio crucifixi uiuere sit altario seruientibus debitum, nec non (21 l r L) aliena stipe97 sustentari, ordinibus mendicantibus sit a iure concessum, mendicitate 98 tarnen se (244 va M) transigere est tarn clericis quam laycis ualidis uniuersaliter illicitum. (95 v B) Ista conclusio habet tres partes sicut patet intuenti. Prima pars dicit: Deo d e d i t o s " et in diuinis ministeriis seruientes posse et debere nutriri a uulgari populo. Que pars prima, quamuis clara sit uetus et nouum testamentum decurrenti, probatur tarnen breuiter in speciali. Prima ad Cor. 9 Apostolus hanc conclusionem disputans dicit: Quis militat suis stipendiis umquam, quis plantat uineam et de fructu eius non edit, quis pascit gregem et de lacte gregis non manducat?100 Et confirmans ex ueteri testamento dicit: Scriptum est in lege Moysi: ,Νοη alligabis os bouis triturantis ', 101 Deuto. 25 c. 102 Postea concludit propositum dicens: Qui altari deseruiunt, cum altari participantur,103 Nec reputat talia benificia clero a populo debita elemosinas, sed operis seu laboris Stipendium et precium. Ergo etc. Item probatur ista proposicio, Extra, De prebendis et (2Γ E) dignitatibus, „Cum secundum Apostolum", ubi dicit Innocencius tercius: Cum secundum Apostolum, qui altari seruit et qui ad onusl0*eligitur, repelli non debeat a mercede, patet a simili, ut clerici uiuere debeant de patrimonio Ihesu Christi, cuius obsequio deputantur.105

96

hic ... Beginarum] OMA

97

stipe ] stipite L.

98

mendicitate ] mendicantem A.

99

deditos ] deditas

ELM.

CORR B.

100 ι Cor. 9,7. 101

1 Cor. 9,9.

!02 Dt. 25,4. 103

1 Cor. 9,13.

104

ad onus ] a domino A, ydoneus Ε.

105

Χ 3.5.16, ed. FRIEDBERG 2,469. deputantur ] deprimitur M, etc. ADD A.

142

IX. Edition

5

10

15

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25

Tercia autem pars eiusdem conclusionis, que dicit de mendicitate uiuere sit 1 1 0 aliis clericis, aliis scilicet a mendicantibus ordinibus et laycis ualidis uniuersaliter illicitum, probatur multipliciter. Procedunt autem probaciones isti duplici uia: Primo, quod sit laborandum manibus seu aliis corporalibus laboribus. Secundo, quod non sit utendum elemosinis. Secundum sequitur ex primo. P r i m a m 1 1 1 uiam aggrediendo de labore ( 9 6 Γ B ) corporali probatur nostre conclusionis tercia pars. Sicut enim auctor nature deus cunctis 1 1 2 animantibus prouidit uictum et amictum, sie etiam prouiderat homini in statu innocencie, ut scilicet amictu exteriori non indigeret et in uictu plenarie habundaret. Postquam autem homo perdidit innocenciam, perdidit etiam istam prouidenciam 1 1 3 et sufficienciam et h o c 1 1 4 in culpe penam, ita ut hominem iam sollicitari oporteat et elaborare pro hiis predictis, que prius a creatore sine sollicitudine habuerat. Et ideo dictum est ( 2 4 4 v b M) homini peccanti: In sudore uultus tui uesceris pane tuo,115 Gen. 3°. Et quia secundum propagacionem primus homo fuit omnis homo, ergo quod sibi indicitur de omnibus hominibus intelligitur, ut nemo intelligatur exceptus (21 l v L) nisi qui a peccato eius esset 1 1 6 immunis. Qui ergo filius Ade peccantis non est, manducet et non laboret. 1 1 7 Ergo proposicio uera tenet consequenciam: Quia si labor est ualidis indictus, sequitur, quod elemosina eisdem sit illicita. Intelligitur autem hie labor non tantum manualis, sed uniuersaliter corporalis.

106

Secunda ... totum ] OM B, Ibi vide capitulo „Si placet" (locus non inventus) ADD E. que dicit ] OM L M.

108

stipe sustentari ] stipe Ε Μ, stipite L. X 3.36, ed. FRIEDBERG 2, 602s.

110

sit... ualidis ] OM E; aliis ... laycis ] OM L M.

111

Primam... pars ] quo ad primam uiam probatur Α

ELM.

112 cunctis animantibus prouidit ] prouidit cunctis animantibus INV Α Ε L Μ; animantibus ] animalibus A. 113

prouidenciam et ] OM Α

114

h o c ] habetA.

ELM.

» 5 Gn. 3,19. 116

esset ] essent M, emunis seu E.

" '

laboret ] qui ergo non inmunis est, laboret et m a n d u c e t ADD

A.

1. Schriften

5

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15

zum Basler

143

Beginenstreit

Item Ecci. 7: Non oderis laboriosa opera et rusticacionem ab altissimo create. 118 Ubi dicit Glossa: Peccanti homini est data sciencia, ut labore manuum sibi querat uictum; allegans illud, ubi supra Gen. 3:Ίη sudore uultus tui uesceris pane tuo'.n9 Et Glossa interlinearis dicit: Laborare et ocium fugere laudabile est.120 Igitur etc. Item Psalmus 127: Labores manuum tuarum manducabis,beatus es et bene tibi erit.122 Quem uersum exponens Lira dicit: Labores manuum tuarum manducabis', ita quod non oportebit te de alieno uiuere.123 Item Luc. 12: Vendite (96 v B) que possidetis et date elemosinam.nA Ubi Glossa ordinaria, et est originaliter uenerabilis Beda: Non tantum cibos uestros communicate pauperibus, sed etiam uendite uestras possessiones, ut omnibus uestris separetis semel pro domino, postea labore manuum operemini, unde uiuatis, et elemosinas faciatis.125 Item Mt. 6: Nolite solliciti esse.126 Glossa: Quia in sudore uultus preparamus nobis panem nostrum, labor exercendus est, sollicitudo tollenda.127 Item 1 ad Thess. 4 a : Operemini manibus uestris, sicut precepimus uobis, ut honeste ambuletis ad eos, quiforas sunt, et nullius aliquit desideretis.l2i Glossa: Nedum non rogetis, uel tollatis aliquit (30 v A) sed nec desideretis.129 Item 2 a ad Thess. 3°: Si quis non uult laborare, non manducet;130 ubi Glossa. 131 (245 ra M) Et est

118

Sir. 7,16.

119

Gn. 3 , 1 9 . BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2 , 7 5 1 .

120

BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2 , 7 5 1 .

121

manducabis ] ita ADD DEL B.

122

Ps. 127,2.

123

NICOLAUS de Lyra: Postilla super totam Bibliam. Argentinae 1492, t. 3, in Ps. 127.

124

Lc. 12,33.

125

BIBLIA LATINA CUM G L O S S A 4 , 1 8 7 . C f . BEDA V e n e r a b i i i s : In L u c a e

euangelium

expositio. Ed. David Hurst. Turnholti 1960 (CC 120), 254s. 126

Mt. 6,31 et 34.

127

Cf. Gen 3,19; HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Commentariorum in Mattheum libri 4. Ed. David Hurst, Marcus Adriaen. Turnholti 1969 (CC 77), In Matheum I, 6,25 (= 40); cf. BEDA Venerabiiis: In Lucae euangelium expositio. Ed. David Hurst. Turnholti 1960 (CC 120), 252 (= in Lc. IV, 853s.). 128

I T h . 4,11s.

129

BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4 , 3 9 8 .

13

0 2 Th. 3,10.

131

Cf. HUGO de Santo Caro: Postilla super Epistolas Pauli ... Parisiis 1538, ad 2 Th. 3,10, fol. 188™.

144

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sumpta ex libro Augustini „De opere monachorum". 1 3 2 Dicunt quidam de operibus spiritualibus hoc Apostolum precepisse, alioquin si de opere corporali hoc diceret: In quo et agricole uel opifices laborant, uideretur sentire aduersus dominum, qui in ewangelio ait: Nolite solliciti esse, quid manducetis;133 sed: Superflue conantur sibi et ceteris caliginem obducere, ut quod utiliter Caritas moneret non solum facere nolint, sed nec intelligere.134 Cum multis aliis epistularum locis suarum, quid hie sentiat, Apostolus apertissime doceat. Vult enim seruos 135 dei corporaliter operari, unde uiuant, ut non compellantur (212 r L) egestate necessaria petere. Nec est contra illud, quod predictum est: Nolite solliciti esse, quid manducetis.136 Non enim ideo hoc dictum est, ut ista non procurent quantum necessitati satis est, (97 Γ B) unde honeste uiuere potuerint, sed ut ista non intueantur et non propter ista faciant quidquid in ewangelii preconio facere iubentur. Item idem Paulus ad Ephe. 2°: Audiuimus enim inter uos quosdam ambulare inquiete nichil operantes, sed curiose131 agentes; hiis autem qui huiusmodi sunt denunciamus,138 ut cum silencio operantes suum panem manducent.139 d t e m 1 4 0 ibidem dicit Apostolus: Ipsi enim scitis quoniam non inquieti fuimus apud uos neque gratis panem manducauimus ab aliquo, sed in labore et fatigacione nocte et die operantes ne quem uestrum aggrauaremus,141 Et sequitur postea: Item si quis non uult operari nec manducetM2 Igitur etc.>

20

25

IX. Edition

Item clericis qui indubitanter sunt altioris gradus et status quam layci indicitur labor; igitur a fortiori laycis. Nam in decretis scribitur d. 91: Clericus uictum et uestitum sibi in artificiolo uel agricultura, absque officii sui dumtaxat 132

Cf. AUGUSTINUS, Aurelius: De opere monachorum. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1900 (CSEL 41), n. 2s. (= 532). 133

Mt. 6,31 et 34.

134

AUGUSTINUS, Aurelius: De opere monachorum. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1900 (CSEL 41), n. 3 (= 535). 135

seruos ] filios A.

136

Mt. 6,31 et 34.

137

curiose] criminose A.

138 denunciamus ] et obsecramus in domino Iesu Christo ADD A ut loc. cit. 139

2 Th. 3,1 ls. manducent ] etc. ADD A.

140

Item ... etc. ] ΟΜ

141

2 Th. 3,7s.

142

2 Th. 3 , 1 0 .

BELM.

1. Schriften zum. Basler Beginenstreit

5

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145

detrimento preparet.143 Et iterum ibidem: Clericus quilibet uerbo dei eruditus artificio uictum querat.144 Item: Omnes clerici qui ad laborandum ualidi sunt, et artificiola et (2V E) litteras discant, hoc ibi. Item Actuum 20° super illud: Beacius est magis dare quam accipere.145 Dicit Glossa: Illos maxime glorificat, qui cunctis, que possident simul renunciantes, nichilominus laborant manibus operando, ut habeant, unde tribuant necessitatem pacienti,146 Item Ieronimus ad Rusticum monachum: Egipciorum monasteria hunc r5 morem tenent, ut nullum (245 ' M) absque opere ac labore suscipiant, non tarn propter uictus necessaria quam propter anime salutem, ne uagetur uanis147 cogitationibus Μ8 Item Sanctus Thomas de Aquino 2 a 2 e q. 187 149 articulo 3° dicit: Sit labor manualis secundum quod ordinatur ad uictum querendum cadit sub necessitate precepti [...]. Et ideo, qui non habet aliunde, unde possit uiuere, tenetur manibus operari, cuiuscumque sit condicionis. (97 v B) Etiam hoc significant uerba Apostoli dicentis: ,Qui non uult operari, non manducet', 150 quasi dicens: ,Ea neccesitate tenetur aliquis ad manibus operandum, qua tenetur ad manducandum'. Unde si quis absque manducatione posset uitam fransigere, non teneretur manibus operari. Et eadem ratio est de Ulis, qui habent alias, unde licite uiuere possint. Non enim intelligitur aliquis posse facere, quod non licite facere potest.151 Et ibidem in solucione quarti argumenti dicit: Quod illi, qui omnia propter deum spreuerunt,152 tenentur manibus operari, quando non habent alias, unde uiuant uel unde elemosinas faciant in casu in quo facere elemosinam cadit sub precepto.153 Item in solucione primi argumenti dicit: Quod illud preceptum - Apostoli 1 ad Thess. 4° operemini manibus uestris,

143

d. 91 c. 3, ed. FRIEDBERG 1, 316.

144

d. 91 c. 4, ed. FRIEDBERG 1, 316.

145

Act. 20,35.

146

HUGO de Santo Caro: Postilla super Epistolas Pauli ... Parisiis 1538, ad Act. 20,35, fol. pascienti ] etc. ADD A, non de facto Paulo ADD E.

21 147

uanis ] perniciosis Α

ELM.

148

HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Epistulae, pars 3. Ed. Isidor Hilberg. Vindobonae 1910 (CSEL 56), 125, 11 (= 131) (= DC d 5 c. 33, ed. FRIEDBERG 1, 1420s.). 149

187 ] 18

150

2 Th. 3,10.

151

THOMAS de Aquino: Summa theologiae II-II, q. 187, a. 3 c. (= torn. 10, 510).

152

spreuerunt ] spemunt M.

153

THOMAS de Aquino: Summa theologiae II-II, q. 187, a. 3 ad 4 (= tom. 10,511).

SCRBE.

IX. Edition

146

5

sicut precepimus uobis154 - est de iure naturali. Et probat hoc per Glossam 2 ad Thess. 3°: Ut subtrahatis uos ab omnifratre inordinate ambulante.155 (212v L) Glossa: ,Aliter quam nature ordo exigit': Loquitur autem ibi de hiis, qui ab opere manuali cessabant. Unde et natura manus homini dedit loco armorum et tegumentorum, que aliis animalibus156 tribuit: ut scilicet per manus hec et alia]51 neccessaria conquirat.15S Cum ergo contra ius naturale nulla admittatur dispensation59 ut habetur di. 13 in principio, sequitur propositum, scilicet quod sit manibus laborandum.

10

Item lob 5 c.: Homo ad laborem nascitur et auis (31Γ A) ad uolandumA60 Item: Manus eius in cophino seruierunt;161 et intelligitur de Ioseph patriarcha in egipto Ps. 80. Item: In labore hominum non sunt et cum hominibus non flagellabuntur,162 Ps. 72. Item: Exibit homo ad opus suum et ad operacionem suam usque ad uesperam,m Ps. 103. Ecce dei dispositio ad laborandum.

15

Item multis aliis modis posset probari secunde huius conclusionis (98 Γ B ) tercia ( 2 4 5 v a M) pars, quoad primam probacionis eius uiam, scilicet quod sit manibus laborandum; sed ista sufficiant. Nunc autem restat probare quod non sit utendum elemosinis; que est secunda uia ad probandum eandem partem. 164

20

Quod non sit utendum elemosinis Sapiens mendicitatem prohibet et reprobat dicens: Non sit porrecta

manus tua ad

accipiendum, sed ad dandum collecta,165 Ecci. 4°. Ubi Glossa: Auariciam uetat, misericordiam commendat, ut non rapiamus aliena, sed largiamur nostra, ,beacius est enim dare quam accipere *.166 154

1 Th. 4,11.

!55 2 Th. 3,6. 156

animalibus ] non ADD E, brutis ADD L M.

157

alia ] omnia Α ELM,

158

THOMAS de Aquino: Summa theologiae Π-ΙΙ, q. 187, a. 3 ad 1 (= tom. 10,511).

159

d. 13 I. pars, ed. FRIEDBERG 1, 31.

160

lob 5,7.

161

Ps. 80,7.

162

Ps. 72,5.

163

Ps. 103,23.

164

partem ] tercie partis conclusionis secunde prius posicione primo ADD E.

165

Sir. 4,36.

THOMAS de Aquino, loc. cit.

HUGO de Santo Caro: Postilla super Esaiam ... Parisiis 1532, ad Sir. 4,36, fol. 161R; ,beacius ..." Act. 20,35. 166

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

5

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20

147

Item in eodem libro c. 29: Vita nequam167 hospitandi de domo ad domum - et modicum infra - transi hospes etc. 168 Ubi Glossa: Quasi tu, qui alieno delectaris hospicio, redi ad propria, de labore tuo te et alios pasce.169 Item: Pes fatui facilis in domum proximi;170 in eodem libro c. 21. Item in eodem: Vir respiciens in mensam alienam non est uita eius in cogitacione uictus, alit enim animan suam cibis alienis;xlx 40° c. Glossa: Stultum est enim ociari et de alieno labore mercedem querere. Recipiet enim unusquisque secundum opera sua.112 Item Prou. 30: Mendicitatem ne dederis michi; ne forte egestate conpulsus furer et periurem nomen dei mei,173 Item Ecci. 40: Fili, in tempore uite tue ne indigeas, melius est enim mori quam indigere.174 Item Ps. 108°: Nutantes115 transferentur filii eius et mendicent.176 (213 r L) Ecce quomodo propheta reputat mendicitatem quandam maledictionem. Item Ps. 72: In labore hominum non sunt e t c . 1 7 7 Ex quo Psalmo 1 7 8 supra fuit argumentum contra operari nolentes. Hie autem per prophetam Dauit 179 ex eodem (98 v B) Psalmo arguitur contra mendicantes ualidos sic, hii de quibus propheta loquitur: Non sunt in labore hominum;180 cum tarnen laborare et operari homini in statu nature lapse sit indictum et inflictum. Et qui non operatur, non manducet,m ut ex supra argumentis 182 patet. Alii namque in agris, alii in siluis, alii in campis, alii in (3Γ E) mille diuersitatum officiis 167

nequam ] inquam SCR B.

168

Sir. 29,31 et 33. etc. ] scilicet ad propria, dicit Glossa interlinearis A M.

169

BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2 , 7 7 5 .

" 0 Sir. 21,25. 171

Sir. 40,30.

172

BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2, 786. sua ] Et ibidem: „Occupacio magna creata est omnibus hominibus et iugum graue super filios Adam a die exitus de uentre matris eorum, usque diem sepulture in matrem omnium" (Sir. 40,1) ADD A. 17

3 Prv. 30,8s.

174

Sir. 40,29.

175

Nutantes ] metantes L M.

17

>

6 Ps. 108,10.

77

Ps. 72,5.

178

Psalmo ] Psalmus SCR Β LM.

179

Dauit... arguitur ]

18

OMA; Dauit... Psalmo ]OMELM.

° Ps. 72,5.

181

2 T h . 3,10.

182

argumentis ] argutis SCR B.

148

5

10

15

20

IX. Edition

artificiis et laboribus (245 v b M) uictum sibi querunt. Sed mendicantes, presertim ualidi, seu spontanei uolunt habere panem, sed nolunt colere agros, 183 bibere uinum, sed nolunt colere uineas, uolunt habere caseum, lac, putirum 184 et mel, sed nolunt nutrire uaccas, oues uel apes. Et quia in labore hominum non sunt, et 1 8 5 cum hominibus non flagellantur, ideo tenet eos superbia ficte sanctitatis et ociandi curiositas. Ergo operti sunt iniquitate et inpietate sua, asserentes eorum uitam esse perfectam, cuius oppositum patet scripturas intuenti. Igitur etc. Item loh. 20°: Dixit Petrus: ,Vado piscari', dicunt ei alii discipuli: ,Venimus et nos tecum, ' 186 scilicet ut haberent, unde uiuerent ne mendicarent. Item: Cum ueniret ille spiritus ueritatis docebit uos omnem ueritatem,187 Iohannes 16. Sed non docuit de mendicitate, nusquam enim in tota scriptura sacra ualidos debere mendicare reperitur. Ergo etc. 188 Item Apostolus actis 20° 1 8 9 oportet meminisse uerbi domini nostri Ihesu Christi, quoniam ipse dixit: Beatius est magis dare quam accipere,190 Glossa Bede: 191 Illos maxime glorificat, qui cunctis, que possident semel renunciantes nichilominus laborant (99 Γ B) operando manibus, ut habeant, unde tribuant necessitatem patienti.192

Probatur per doctores Item Augustinus in libro de opere monachorum contra ualidos mendicantes scribens, quod per totum facit librum dicens: Omnes petunt, omnes exigunt aut sumptus lucrose egestatis aut simulate precium sanctitatis.193

183

agros ] egros SCR B.

184

putirum ] butirum Α EL.

185

et... flagellantur ] ΟΜ Α

18

ELM.

6 loh. 21,3-

187

loh. 16,13.

188

etc. ] Item Lucas 16 (cf. Lc. 16,3): „De uillico diffamato", dicente: „Mendicare erubesco". Ergo est uicium et per consequens illicitum. Igitur etc. ADD A.

XI0 ADD CORR X X ° B.

189

actis 20° ] actuum 2° L, actis 2° Μ,

190

Act. 20,35.

191

B e d e ] OMA

192

BIBLIA LATIN Α CUM GLOSSA 4, 4 2 3 .

193

ELM.

Collectio canonum in V libris. Ed. Mario Fornasari, lib. I-III. Turnholti 1970 (CC cont. med. 6 ), lib. II, 109 (= 255).

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

5

10

149

Item Gregorius, IV. libro moralium, 194 mendicitate spontanea (31 v A) nulla maior ignominia. Item Ieronimus in epistula ad Nepocianum: Numquam petentes, raro accipiamus rogati.195 Et si hoc dicit in prima persona de se ipso presbytero et per consequens de aliis presbyteris, ergo a forciori de laycis et omnibus aliis hominibus. Item Ieronimus super Mt. 21 super illo uerbo: , Vos autem fecistis earn - scilicet domum dei - speluncam latronum,'196 dicit 197 sie: Latro enim est et templum dei in latronum conuertit specum,199 qui lucra de religione sectatur.199 Item Benedictus in regula dicit sic: Tunc uere monachi sunt, si de opere manuum suarum uiuant (213 v L) sicut patres nostri et apostoli.200 Ergo non est mendicandum. 201

Reprobatio mendicitatis per iura: 15

20

Sancta ecclesia solis religiosis uiris (246 ra M) quattuor ordinum Heremitarum Sancti Augustini, Carmelitarum, Predicatorum et Minorum, propter utilitatem uidelicet ipsi ecclesie ex illis prouenientem concessit, ut uictum et amictum mendicando possint aeeipere a populo, pro quo in spiritualibus laborant: predicando, confessiones audiendo, ceteraque ad eorum statum pertinencia faciendo. Ceterasque uero mendicantes religiones uel habitum religioni 202 conformem deferentes, perpetue prohibicioni subiecit, Extra, De religiosis domibus, c. 1 libro 6, 203 ex quo arguit (99 v B) sie: Aliis 204 religiosis, ab istis iam dictorum ordinum 205 paupertatem tarnen uouentibus, cum quelibet uera 194

Cf. GREGORIUS Magnus: Moralia in lob. Ed. Marcus Adriaen. Turnholti 1979 (CC 143), lib. 10,31 (η. 52) (= 575): „(...) ut simul tunc iudex cum indice ueniat qui nunc consideracione iudicii sese spontanea paupertate castigat". 195

HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Epistulae, pars 1. Ed. Isidor Hilberg. Vindobonae 1910 (CSEL 54), ep. 52, 15 (= 439). 196

Mt. 21,13.

197

dicit... et ] OMA; dicit... specum ] OME.

198

specum ] speluncam latronum A, speluncam L.

199

Cf. Gen 3,19; HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Commentariorum in Mattheum libri 4. Ed. David Hurst, Marcus Adriaen. Turnholti 1969 (CC 77), 187. 200

BENEDICTI REGULA. Ed. Rudolphus Hanslik. Vindobonae 1977 (CSEL 75), XLVIII,8 (= 127).

201

mendicandum ] igitur tercia pars conclusionis etiam uera unumquisque ADD E.

202

religioni ] religiosis A.

203

C f . V I 0 3 . 1 7 . 1 , ed. FRIEDBERG 2 , 1 0 5 4 s .

204

aliis] OMA.

205

ordinum ] distinetis ADD A.

IX. Edition

150

5

10

15

20

religio requirat tria uota, scilicet castitatem, paupertatem et obedienciam, mendicare est illicitum, nec 206 a iure concessum ymo inhibitum. Ergo a forciori omnibus aliis tarn clericis quam laycis est illicitum, cum nullus talium paupertatem uouere 207 habeat, uel status eius hoc 208 requirat. Ergo etc. Item: Mendicat infelix in plateis clericus et seruili operi mancipatus, publicam a quolibet poscit elemosinam. Qui eo magis despicitur a cunctis, quo miser et desolatus iuste putatur, ad hanc ignominiam deuenisse;209 distinctione 93 „Dyaconi" ultimo. In quibus uerbis expresse reprobatur mendicitas clericorum et per consequens aliorum. Quod patet per Iohannem Andree, Extra, De religiosis domibus, libro 6, capitulo unico, ubi dicit: Uniuersaliter reprobatur mendicitas probans per iam dictum decretum; et subdit dicens: Licet paupertas non sit de genere malorum 45 210 q. 1 ilia in fine.211 Item illis pauperibus danda est elemosina, qui suis manibus laborare non possunt;212 distinctione 82 „Generaliter", ubi dicit Glossa: Pauper enim, qui laborare potest, si se inmiscet elemosine imperatoris, redigitur in seruitutem, ut capitulo de mendicantibus ualidis l(ex) 1 li(bro) 77 213 ,Νοη possunt',214 et qui potest laborare, non debet ecclesia prouidere (...) ut 5 q. 5 ,Νοη omnis'.215 Et dicit Glossa super Mt.: Quod inscius feceris, si iniuste petentem (246 r b M) correxeris, quam si ei dederis.216 Hoc 217 in Glossa eiusdem decreti scilicet 82 di. „Generaliter". 218

206

nec ... illicitum ] OM HOM A.

207 uouere ] fouere M. 208

hoc ] OM B.

209

d . 9 3 c . 2 3 , e d . FRIEDBERG 1, 3 2 6 s .

210

45 ] 41 A, 15 B, 3 Ε L, 29 M.

211

Iohannes ANDREAE, ad „Religionum diuersitatem" (VI 0 3.17.1) (= BONIFATIUS VIII.: Sextus decretalium über, 502). 212

d. 82 pars 1, ed. FRIEDBERG 1, 289.

213

l(ex) 1 li(bro) 11 ] lex unica Ii. 5 Λ , 1. 6 E, 12 L, le. l a Ii. 5° M.

214

C. 11.26, Corpus Iuris Civilis 2: Codex Iustinianus. Ed. Paul Krüger. Berolini 1884,435.

215

C. 5 q. 5 c. 2, ed. FRIEDBERG 1, 549s.

216

JOHANNES Teutonicus, ad „Generaliter" (d. 82 c. 1) (= Decretum Gratiani. Lugduni 1584, 394). 217

hoc ... generaliter ] igitur etc. A.

218

C f . d . 8 2 p a r s 1, e d . FRIEDBERG 1, 2 8 9 .

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

5

10

15

151

Item: Integritas membrorum et robur in conferendo elemosinas sunt attendenda Ii. „In curia",219 ibidem ubi s u p r a . 2 2 0 (10(K B) Item Uli, qui aliter (214' L) habere possunt, grauiter peccant221 si mendicant, quia unde uicturus pauper erat accipiunt 1 q. 2 „Pastor".222 Item 23 q. 4 „Nimium": utilius esurienti223 panis tollitur,224 si de cibo securus iusticiam negligat, (3V E) quam esurienti panis frangatur, ut iniusticie seductus acquiescat.225 Item: Nullus clericus absque certo titulo est ordinandus; Extra, De prebendis, capitulo „Episcopus"226 et capitulo „Cum secundum apostolum".227 Ibi Glossa: Ne in obprobrium cleri mendicare cogetur, concordat Iohannes de Lignano 228 super eisdem capitulis. Item: Beacius est dare quam accipere,229 16 q. 1 „Predicator" 230 et De celebracione 231 misse, „Cum Marthe". 232 Item 1 q. 2 „Clericos": Qui bonis parentum et operibus sustentari possunt, si, quod pauperum est accipiunt, sacrilegium profecto committunt, et per abusionem talium iudicium sibi manducant et bibunt.233 Item papa Iohannes XXII. in Extrauagante, „Sancta Romana" 234 et papa Bonifacius IX. 235 in Extrauagante, „Bonifacius episcopus seruus",236 Beghardos et Beginas reprobantes et eorum statum et sectam precipue in eis reprobant 219

Ii. ] lege

221

peccant ] mendicant CORR Β.

E, OM L Μ.,Jn 220 Locus non inventus.

curia" locus non

inventus.

222 Cf. C. 1 q. 2 c. 7, ed. FRIEDBERG 1, 409s. 223

esurienti ] panem

224

tollitur ... panis ] OM HOM L.

225

C. 23 q. 4 c. 37, ed. FRIEDBERG 1, 917.

CORR B, OM L.

226 c f . X 3.5.4, ed. FRIEDBERG 2, 465. 227 Cf. X 3.5.16, ed. FRIEDBERG 2, 469.

228 Locus non inventus. 229 Act. 20,35. 23

0 C. 16 q. 1 c. 64, ed. FRIEDBERG 1, 782s.

231

celebracione ... Marthe ] celis mistumA.

232

X 3.41.6, ed. FRIEDBERG 2, 636-639. Marthe ] in arte E, Item Hieronimus ad Damasum papam ADD A. 233

C. 1 q. 2 c. 6, ed. FRIEDBERG 1, 409.

234

Cf. Extrav. Ioann 7.un., ed. FRIEDBERG 2, 1213s.

235

IX. ... Bonifacius ] OM HOM M.

236

Cf. „Sedis apostolice", ed. FREDERICQ. Tom. 1, 256s., n. 241. seruus

]OMAELM.

152

5

IX. Edition

publicam mendicitatem. Igitur conclusionis secunde, terciapars pro ambabus eius partibus uera. 237 Cum autem teste beato Augustino in libro suo „Contra mendacium": Diuine scripture non solum precepta dei contineant, sed et uitam et mores iustorum, ut, si forte occultum est, quemadmodum accipiendum sit quod precipitur, in factis iustorum intelligatur,238 (32 r A) Ideo contra eandem mendicitatem, nunc exemplis iustorum est procedendum, quia tarn ex uitis patrum quam ex legendis sanctorum multipliciter inuenimus sanctos corporaliter laborasse, ut uictu et uestitu a nullo (100 v B) indigerent et pauperibus subuenirent. 239

10 Reprobatur mendicitas per patres utriusque testamenti

15

20

Omnes sancti ueteris et noui testamenti de negociis licitis et bonis propriis uel iure sibi debitis suam uitam transigebant, patriarche peccora pauerunt, manus Ioseph in cophino seruierunt. 2 4 0 Amos pastor fuit, 2 4 1 Ioseph uir Marie carpentarius, 2 4 2 (246 v a M) apostoli stipendia sibi debita recipiebant dicente domino: Dignus est operarius243 etc. Maria mater Ihesu colo et acu, secundum Bernardum, sibi et filio necessaria acquisiuit. 2 4 4 Beatus Petrus matrem Clementis mendicantem inuenit, quam ideo reprehendit dicens: Quare te huic iniurie subiecisti, ut stipem petas et non pocius tuis manibus operans cibum queras? 245 Libro de miraculis apostolorum 246 c. 15 et in legenda (214 v L) sancti Clementis; 247 Margaretha nutricis sue oues pascebat; 248 Agatha, 249 Agnes, 250 237

uera ] etc. ADD E, Reprobatur mendicitas per utriusque testamenti patres et sanctos ADD L.

2 3 8

AUGUSTINUS HIPPONENSIS:

De mendacio. Ed. Joseph Zycha. Pragae

1900

(CSEL

41),

n.

26 (= 446). 239

pauperibus subuenirent ] pauberibus pretendum subuenirent, ideo laborare non valentibus E.

240

Ps. 80,7.

24

1 Am. 1,1.

242

Mc. 6,3; Mt. 13,55.

243

Mt. 10,10. operarius ] mercenarius L, mercede sua ADD A, E.

244

BHL 5347; Liber de infancia Mariae et Christi Salvatoris ex codice Stuttgartensi. Ed. Oskar SCHADE. Halle a. d. Saale 1869, 16. 245

Cf. BHL 1852; lACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De sancto demente, c. 165,11891s.

246

Locus non inventus.

247

Clementis ] pape ADD ALM, pape habetur idem ADD E.

248

BHL Nr. 5309; lACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De sancta Margaret, c. 89, 616.

249

BHL 133; AA SS Febr. U, 615-18 et BHL 139; AA SS Febr. >1, 637-43. Agatha ] Agathes SCR BELM. 250

BHL 156; AA SS Ian. '2, 331-54.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

153

Lucia 251 etc. de propriis et sibi debitis uiuebant. Theobaldus genere nobili pro consequenda perfectione omnia dereliquit et exulando uictum suis laboribus quesiuit lapides portando, stabula mundando, carbones parando. 252 Verena in sacerdotis seruicio deo complacebat. 253 Item Elysabeth moderna legitur, quod apprehendens fusum 2 5 4 uictus querit, usum egens egenis largiens nil sibi retinuit. 255 Crispinus et Crispinianus arte sutoria sibi necessaria querebant. 256 Cosmas et Damianus medici erant, 257 Iuo iurista et aduocatus, 258 Seuerus textor, 259 Elogius faber etc 2 6 0

Reprobatur 261 mendicitas per uitas patrum Sancti patres heremite in artissima paupertate dominum (101 Γ B) sequentes, relictis omnibus suis, se manibus transigebant. 262 Sic enim in uitis patrum legitur Anthonius, adhuc iuuenis, cum in seculo audiret ewangelium: ,Si uis perfectus esse, uende,263 que habes et da pauperibus. ' 2 6 4 Statim obtemperans heremum est ingressus ibique suis manibus operabatur, sciens esse scriptum: ,Qui non laborat non manducet'.265 Mercedem operis suiprecio panis266 excepto egentibus largiebatur. Cibum et uestimentum palma sibi ferebat. 2 6 7 251

Β HL 4996; IACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De sancta Lucia, c. 4,49-52.

252

BHL 8032; AA SS Iun. l5, 593.

253

BHL 8541; AA SS Sept. Ί , 164-67.

254

fusum ] manuum consilio ADD E.

255

BHL 2491b, 2506; HUYSKENS, Albert: Quellenstudien zur Geschichte der hl. Elisabeth. Marburg 1908, appendix: Epistola magistri Cunradi de Marburch ad papam de vita beate Elizabet, 157; THEODORICUS de Apolda: Die Vita der heiligen Elisabeth. Ed. Monika Rener. Marburg 1993, 57s. 2

56 BHL 1990; AA SS Okt. U l , 535.

257

BHL 1970; AA SS Sept. '7, 475.

258

BHL 4622; AA SS Junii l2, 288-91. Iuo ] ymo A, nota L; Iuo ... aduocatus ] OM E.

259

BHL 7683; AA SS Febr. U, 82, n. 3.

260

La vie de saint Eloque, d'apres un manuscrit du XIII e siecle. Ed. Joseph Barbier. In: Analectes pour servir ä l'histoire ecclesiastique de la Belgique, Louvain 5 (1868), 345. 261 2

Reprobatur... patrum ] item reprobatur mendicitas per uitas patrum L

62 transigebant ] transsiebant L, nutriebant M.

263

esse, vende ... pauperibus ] etc. E; vende .... pauperibus ] etc. Α Μ, OM L.

264

Mt. 19,21.

265

2 Th. 3,10.

266

panis ... egentibus ] panis accepto A.

267

BHL 609; cf. AA SS Ian. >2, 121s.

154

5

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IX. Edition

268 elemosinas et beneficia declinabat, cuidam pecuniam sibi offerenti dicebat: Qui propriis renunciaui aliena, quomodo recipiam?269 Rastro fimum fodiens simulque fiscellas iunco270 contexens emulabatur monachorum Egypti disciplinam et apostoli sentenciam dicentis: Qui non laborat etc.271 Et quadam uice dum in peregrinacione sumptus deessent fascem lignorum aptauit et (246v^ M) per suum discipulum uendendum ne mendicaret transmisit. Similiterque legitur de laboribus Macharii,272 Serapionis,273 Pauli274 et aliorum patrum, quos breuitatis causa obmitto. Item penitus non inuenitur in scripturis sacris, sanctum aliquem mendicum fuisse et in ea perseuerasse, exceptis de religionibus predictis. Pretense 275 allogaciones et ficta argumenta mendicitatem defendencium cum ueris solucionibus eandem mendicitatem 276 reprobancium sequuntur

15

20

(4 r E; 215 vr L) Validi 277 mendicantes hoc sibi licere pretendunt Christi exemplo, qui mendicabat secundum Bernhardum super ewangelio 278 Cum factus esset Ihesus annorum 12 Luc. 2: Ut te domine per omnia nostra pciupertciti conformares, quasi (101 v B) unus in turba pauperum stipem per hostia mendicabas?219 Admisso illo ad hue tamen impertinens est ista eorum defensio ex eo, quia Christus in illo triduo parentum presidio caruit, et puer scilicet 268

Hilarius ] Hylaricens A, Hylarion BEL,

Hilaria M, ADD DEL sibi B.

269

l

B H L 3 8 8 2 ; A A S S Mai 2, 27s.

270

iunco ] ex iunctis A, iuncto E.

271

2 T h . 3,10.

272

( B H L sine numero); A A S S Ian. ' 1 , 1 0 0 7 .

273

Tyrannius RUFINUS: Historia monachorum siue de uita sanctorum patrum. Ed. Eva SchulzFlügel. Berolini 1990, XVIII 1 (= 349). 274

Act. 18,3; 1 Cor. 4,12; 9,12-18; 1 Th. 2,9; 2 Th. 3,7-9; B H L 6 5 7 8 ; IACOPO da Varazze: Legenda Aurea, D e sancto Paulo apostolo, c. 85, 577. 275

pretense ... sequuntur ] OM M.

276

mendicitatem... sequuntur ] reprobancium A L; reprobancium subiugatum item E.

277

Validi ] unde ualidi A, item ualidi L, M; Bernhard dicit prius: „De hiis omnibus estimare uel coniicere uel opinari aliquid libet, affirmare autem temere nichil licet. Quid dicam, deus meus? An ut te per omnia nostre conformares paupertati" etc. (AELREDUS Rievallensis: Opera omnia. Ed. A n s e l m Hoste. Turnholti 1971 (CC cont. med. 1), 1,6 (= 2 5 4 ) ) GL MARG Α. 278 219

e w a n g e l i o ] illud Lc. 2 Α EL.

Lc. 2,44-46; AELREDUS Rievallensis: Opera omnia. Ed. A n s e l m Hoste. Turnholti 1971 (CC cont. med. 1), 1,6 (= 2 5 4 ) .

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

5

0

5

0

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inualidus ad 2 8 0 laborandum fuit, et sie neccesitate compulsus stipem reeepitur etc. Item nec 281 defendit eos exemplum, quod sibi assumunt de Alexio, qui 17 annos in exilio mendicabat. 282 Primo ex eo, quia ea, que a iure communi exorbitant ad consequenciam non sunt trahenda, regula iuris libro VI. 2 8 3 Secundo quia in mendicitate non perseuerauit, sed diuina inspiracione plenius edoctus maluit et elegit uitam suam (32 v A) de bonis parentum et sibi debitis pocius, quam de alienis transigere. Ideoque dixit: In domo patris mei ignotus manebo et nulli2M onerosus ero.2&5 Et sie reliquos 12 annos in domo parentum felicius conclusit, ceterasque uirtutes proficiendo seruauit mendicitatem uero tamquam imperfectionem uel uicium declinauit. Tercio excusabilis dici potest familiari saneti spiritus instinetu sicut Abraham de adulterio 2 8 6 et Sampson de homicidio 287 etc. Priuata enim lex publice preiudicat Extra, De regularibus et trans(euntibus), „Licet". 2 8 8 Ipsi enim opinantur, quod ad consequendam perfectionem (247 r a M) et uirtutes seu beatitudines ewangelicas, quarum prima est paupertas spiritus, 289 necessaria sit uoluntaria paupertas, temporalium rerum siue abdicacio proprietatis earum ad hoc moneri uidentur ex uerbis domini, 2 9 0 que allegant, dicentis: Qui non renunciauerit omnibus etc. 291 Item: Si uis perfectus esse etc 2 9 2 Cum similibus, ex quibus etiam inferunt, quod homini taliter affecto 2 9 3 non expediat neque liceat pro temporalibus sollicitari nec de corporali (102 Γ B) labore uel artificio, sed de incerta mendicitate uictum querere, uel sperare racione pretense sanetitatis, ad quos quidem errores non uenissent, si sanum et catholicum sensum 280

ad ... reeepitur etc. ] ut patet ex textu ewangelii; item aliter dicitur, quod plus creditur benedictum hoc dixisse ex deuocione quam ex neccesitate; igitur A 281

nec defendit eos ] ut hoc A.

282

BHL 291; IACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De saneto Alexio, c. 90,621-626.

283

Dig. 22.6.9, Corpus Iuris civilis 1: Digesta. Ed. Theodor Mommsen. Berolini 1882, 329.

284

nulli ] nullus B.

28

5 2 Cor. 11,9.

286

Gn. 12,10-20; 20.

287

Idc. 15s.

288

Cf. X 3.31.18, ed. FRIEDBERG 2, 575s.

289

spiritus ... paupertas ] OM HOM L.

290

domini... dicentis ] dicunt M.

29

1 Lc. 14,33.

292

Mt. 19,21.

293

affecto ] perfecto A.

156

IX. Edition

haberent earum auctoritatum, secundum Glossam doctorum sanctorum, quas allegant et non secundum Glossas capitis sui. Ideoque ad abolendum tales errores exposiciones, 294 quorundam doctorum ecclesie, a quarum sentencia non est fas declinare, super huiusmodi auctoritatibus hic assignantur. 5

Exposicio 295 auctoritatum, quarundam secundum doctores

10

15

20

Primo de prohibicione sollicitudinis dicentem domino: Nolite solliciti esse etc., Matth. 6. 296 Respondetur, quod hic non labor, sed sollicitudo superflua297 et nociua prohibetur, non enim omnis sollicitudo a domino interdicitur. (...) Necesse est enim hominem aliqualiter sollicitari de acquirendis et conseruandis temporalibus (215 v L) rebus, (...) quantum sufficit ad simplicem uictum.29S Vel secundum status hominis exigenciam, nec hoc perfectioni repugnat. Huius sentencie est 2 9 9 assertor Thomas 2 a 2 e , q. 186 ar(ticulo) 7. Ad idem canon „Habebat dominus loculos" 12 q. I. 300 Item: Qui non renunciauerit omnibus etc. 301 Gregorius: Qui per uitam ueterem aliena concupiscitis, per noue conuersacionis Studium et uestra largimini,302 Item: Beatipauperes spiritu, Mt. 8. 303 Augustinus: Pauperes spiritu sunt humiles et timentes deum.304 Item dominus in ewangelio: In quamcumque domum intraueritis, ibi manete edentes et bibentes, que aput illos sunt, dignus est enim operarius305 mercede sua, et nolite ( 1 0 2 v B) transire de domo ad domum; Luc. 10; 3 0 6 et concordanter Mt. 10.307 Ex quibus clare patet error dicencium apostolos uixisse 294

exposiciones ] exponnes SCR B, exponens SCR M.

295

exposicio ... doctores ] ΟΜ Α E L M .

296

Mt. 6,31 et 34.

297

superflua ... sollicitudo ] OM HOM Ε Μ.

298

THOMAS de Aquino: Summa theologiae II-II, q. 188, a. 7 corpus (= tom. 10, 530).

299

est assertor ] assertor est INV Α ELM,

Gregorius, doctor sanctus ADD A.

30° C. 12 q. 1 c. 17, ed. FRIEDBERG 1, 6 8 3 .

301 Lc. 14,33. 302 GREGORIUS Magnus: Homilia in Evangelia. Ed. Raymond Etaix. Turnholti 1999 (CC 120), Horn XXXIII (= 278). 3

3 Mt. 5,3.

304 AUGUSTINUS, Aurelius: De sermone Domini in monte libri 2. Ed. Almut Mutzenbecher. Turnholti 1967 (CC 35), 11,3 (= 4). 305 3

operarius ] mercenarius

06 Lc. 10,7.

307 Mt. 10,10.

L M, CORR B.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

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de elemosina, et quod mendicare sit actus 308 alicuius (247 r b M) perfectionis, et quod uoluntarii mendici sint imitatores apostolorum; ymo patet oppositum esse uerum. Nam uocat eos operarios et uictum eis debitum computat mercedem laboris et inhibet eis mendicitatem, cum dicit: Ne de domo in domum transeant.309 Et quia ut dictum est: Vocat eos operarios;310 uult, ut panem suum non gratis comedant. Item: Nolite portare sacculum neque peram, ibidem scilicet Luc. 10°. 311 Glossa: Qui sacculum et peram prohibuit sumptus ex predicacione concessit, non igitur ex mendicitate. 312 Item: Considerate313 lilia agri, Mt. 6° Glossa. 314 Illa exempla non prohibent prouidenciam et laborem sed sollicitudinem, ut tota fiducia sit in deo cum et aues sine cura uiuant; frustra igitur mendicantes premissa allegant. Item propterea se dicunt operari non debere, quia neque uolucres celi seminant315 neque metunt316 de quibus dominus similitudinem dedit. Cur ergo non attendunt, quod sequitur, neque congregant in horrea317 - horrea autem repositoria dici possunt? Cur ergo isti manus ociosas et plena repositoria uolunt habere? Cur ea, que sumunt ex laboribus aliorum, recondunt et seruant bene cottidie? 318 Hoc enim uolucres non faciunt. Qua propter isti, qui ex ewangelio peruerse 3 1 9 intellecto tarn manifesta apostolica precepta peruertere (4V E) moliuntur, aut non cogitent in crastinum, sicut (103 Γ B) uolucres et uolatilia celi,320 aut obtemperent apostolo, sicut filii dilecti ymo utrumque faciant, quia (33Γ A) utrumque concordat.

308

actus ] illicitus ADD E.

309

Cf. Lc. 10,7.

310

Cf. Mt. 20,8.

311

Lc. 10,4.

312

BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 141: Tanta predicatori debet esse fiducia in deo, ut presentis uite sumptus et si non preuideat tarnen sibi non defecturos certissime sciat, ne dum occuparet mensa ad temporalia minus predicat eterna. 313

Considerate lilia agri ] consideracio Ii DUB Augustinus M.

314

Mt. 6,28. BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 28: Exhortationem de indumento satis congruo

confirmat exemplo. 315

seminant... dedit ] etc. Α ELM.

316

Cf. Mt. 6,26.

317

Mt. 6,26.

318

bene cottidie ] unde bene proferantur A, bene proferatur E, unde quo bene proferatur L M.

319

peruerse ] pers CORR B.

320

Cf. Mt. 6,26.

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25

30

IX. Edition

Item plures possent fieri responsiones et soluciones ex Augustino, in „De opere monachorum", 321 et alibi et per alia scripta et doctores alios ad eorum pretensas (216 r L) argumentaciones et uerbosas euasiones, quibus nituntur mendicitatem fallaciter defendere, et se cum suis sequacibus in baratrum errorum traicere. Sed causa breuitatis et cauillacionum earundem uilitatem322 predicta sufficiant. Ex prenotatis igitur summarie patet, quod auctoritates multe ueteris et noui testamenti, lex diuina, ius naturale, dicta sanctorum uitaque exemplaris eorum, statuta canonica, lex ciuilis, uita patrum dicta quoque doctorum implicite et expresse reprobant, prohibent (247 v a M) et dampnant mendicitatem, sola Augustinensium, Carmelitarum, Predicatorum et Minorum, nec non ad laborandum inualidorum mendicitate excepta. Ex ista conclusione sequuntur corollaria: primum: Mendicare siue mendicatis uti non est actus alicuius uirtutis acquisite, uel infuse loquendo essencialiter et proprie probatur corollarium: Omnis actus uirtuosus est bonus, et per consequens licitus, sed mendicare est actus illicitus. Ergo corollarium uerum tenet consequencia ex forma terminorum sillogistica assumptum pro prima parte, scilicet maior proposicio probatur, quia uirtus est, que habentem

perficit

et opus eius bonum reddit;323

e t h i c o r u m 2°.

Secunda pars assumpti seu (103 v B) minor patet per conclusionem. Dicitur autem essencialiter et proprie, quia quamuis ordinibus mendicantibus mendicare, ut supra dictum est, sit actus concessus 324 bonus et licitus. Hoc tarnen non est ex specie et natura actus, nec simpliciter 325 obstat inualidis ad laborandum posse se transigere elemosinis et mendicitate, quia hoc est per accidens, et non ex ui bonitatis ipsius actus, sed ex ui neccesitatis corporalis. Corollarium secundum: Paupertas et mendicitas desperate se inuicem respiciunt in logyca, 326 quia nec sibi opponuntur proprie, nec se consecuntur in formali consequencia. Patet 321

Cf. AUGUSTINUS, Aurelius: De opere monachorum. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1900 (CSEL

41). 322

uilitatem ] utilitatis E, uilitatis L M.

323

ARISTOTELES: Ethica ad Nicomachum, Β 5, 1106 a 15-24 (= ARISTOTELES Latinus (Fase. 26,2), Ethica Nicomachea. Ed. Renatus Antonius Gauthier. Leiden 1972, 12, linea 16-25); cf. HAMESSE, Jacqueline: Les auctoritates aristotelis. Un florilege medieval, etude historique et edition critique. Paris 1974,235 (37). 324

concessus ] excessiue A.

325

simpliciter ] elemosinam E, similiter Μ

326 l o g y c a ] l o y c a SCR Α Β Μ, loica SCR L.

1. Schriften zum Basler

Beginenstreit

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corollarium 3 2 7 per Iohannem Andree 93 328 distinctione „Dyaconi", 3 2 9 ultra 330 licet paupertas non sit de genere malorum; 331 15 q. I 3 3 2 ilia in fine, prout 3 3 3 supra est allegatum. Igitur corollarium uerum. 5

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Corollarium tercium: Habere diuicias temporales in hoc seculo non repugnat paupertati spiritus, nec eius premio in futuro 3 3 4 patet corollarium ex predictis. Et similiter per beatum Augustinum, qui exponens illud Mt. 5: Beati pauperes spiritu,335 dicit: Pauperes spiritu sunt humiles et deum timentes.336 Stat ergo diuiciis habundantem pauperem esse spiritu et econtra mendicum, et nichil in mundo possidentem stat esse diuitem spiritu et habundantem. Ergo 337 corollarium uerum. (216 v L) Conclusio tercia: Nedum Beghardorum et Beginarum ritus, secta, habitus uel uiuendi modus per ecclesiam est reprobatus, sed tarn illi, quam ille sunt excommunicati. Et eorum ritus, secte, habitus, uel uiuendi modus uel modi late sentencie censura ab eadem ecclesia sunt penitus (247 v b M) precipitati. Ista conclusio exprimit duo: Primo Beghardorum et Beginarum racione status reprobacionem intelligendo per ly status, nomen generale ritum, sectam, (104 Γ B) habitum et uiuendi modum. Secundo exprimit eorundem, scilicet Beghardorum et Beginarum racione eiusdem status excommunicacionem; 3 3 8 primum probatur multipliciter. Primo contra eosdem habetur, 339 De religiosis

327

corollarium... Andree ] per Iohannem Andree (Iohanni An. LM) De religiosis domibus, lib. 6, in Glossa dicente (dicentem Ε Μ): Reprobatur mendicitas (3 ADD L, c. 4 ADD Μ) Α ELM. 328 93a ] qUam E\ 93a ... q. 1

]OMLM.

329

d. 93 c. 23, ed. FRIEDBERG 1, 326s.

330

ultra ] OMA, ultimo E.

331

malorum ] bona CORR B.

332

q. 1 ] distinctione A.

333

prout... uerum ] etc. A, OM E.

334

in futuro ... similiter per ] patet per Α ELM.

33

5 Mt. 5,3.

336

AUGUSTINUS, Aurelius: De sermone Domini in monte libri 2. Ed. Almut Mutzenbecher. Turnholti 1967 (CC 35), 11,3 (= 4). 337

Ergo ] item ut supra illius super Psalmum 12m dicit: unde diuicias possesas habentem possunt pauperes spiritu ambulari, ergo etc. ADD Ε (locus non inventus), gratia L. 338

excommunicacionem ] ad communicacionem E, excommunicationis M, etc. ADD A.

339

habetur ] Extra Α Ε LM.

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IX. Edition

domibus, „Ne nimia".340 Item:341 Extra, De religiosis domibus, „Religionum diuersitatem nimiam",342 libro 6, specialiter343 de Beginis. Item Hostiensis, De penitentii et remissionibus, „Cum ex eo"; 344 et infra questores elemosinarum non hospitentur in locis in congruis,345 super ly „In congruis" dicit in sua Glossa: Parcit, quod non dicit prostibulis, sed cauendum est, quasi α prostibulis sicut sunt hospicia Beginarum, quod est perniciosum genus mulierum, nec de facili alios, quam religiöses admittunt a quibus modis omnibus est cauendum.346 Hoc Hostiensis in predicta Glossa, quem Iohannes Andree in forma iam dicta 347 allegat super Clementinis in apparatu suo, De religiosis domibus, „Cum de quibusdam".348 Et addit pro earundem Beginarum reprobacione uolens cum Hostiensi, quod omnibus modis ab eis sit abstinendum, allegans decreta 18, q. 2 ,Diffinimus