Griechische Sprachwissenschaft: Band 1 Einleitung, Lautsystem, Etymologie [Reprint 2019 ed.] 9783111375243, 9783111017365


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German Pages 160 Year 1954

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Table of contents :
Inhaltsübersicht
Abkürzungen
Einleitung
Das griechische Lautsystem (mit besonderer Berücksichtigung der attischen Literatursprache)
Etymologie
Literatur
Dialektkarte
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Griechische Sprachwissenschaft: Band 1 Einleitung, Lautsystem, Etymologie [Reprint 2019 ed.]
 9783111375243, 9783111017365

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SAMMLUNG

G Ö S C H E N

BAND

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Griechische Sprachwissenschaft Von Dr. Wilhelm Brandenstein o. Professor an der Universität Graz I Einleitung, Lautsystem, Etymologie

W a l t e r d e G r u y t e r & Co. vormals G.J Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J Trübner . Veit & Comp.

B E R L I N 1954

Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten

Copyright 1953 by WALTER

DE

GRUYTER

& CO

Berlin W 35, Genthiner Str. 13

Archiv-Nr. 110117 Druck von Buchdruckerei Oswald Schmidt GmbH., Leipzig 111/18/65 Printed in Germany 722/27/50

Inhaltsübersicht I. Teil: Einleitung (§ 1-39) Die Wurzeln der griechischen Sprache (§ 1—3) Die Zusammengehörigkeit der griechischen Stämme (§4) Die Sprachschichten in Griechenland (§ 5—15) Der Charakter des überlieferten Sprachgutes (§ 16)... Die Alphabete und die Zeichenwerte (§ 17—23) Die Gliederung des Griechischen in seine Mundarten (§24-39) II. Teil: Das griechische Lautsystem (§ 40—71) Vorbemerkungen (§ 40—41) Das griechische Phoneminventar (§ 42—71) 1. Die Vokale (§ 42-^6) a) Einzelvokale (§ 42-43) b) Diphthonge (§ 44-45) c) Kontraktionen (§ 46) 2. Die Konsonanten (§ 47—63) a) Einzelkonsonanten (§ 47—51) b) Konsonantengruppen (§ 51—63) 3. Größere Gruppen (§64) 4. Prosodische Merkmale (§ 65-71)

5 5 9 12 27 28 47 68 68 71 71 71 73 77 79 79 85 103 105

III. Teil: Etymologie (§ 72-92) Grundsätzliches (§72) Die einzelnen Phoneme (§ 73-80) Kombinatorischer Lautwandel (§ 81—87) Der Akzent (§88) Fakultative Lautveränderungen (§ 89) Funktioneller Lautwechsel (§ 90) Der Bedeutungswandel (§ 91-92) Etymologische Beispielsammlung (§93)

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Literatur

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Dialektkarte

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Abkürzungen Allgemeinübliche grammatische Abkürzungen wie Aor. = Aorist fehlen hier (vgl. auch das Verzeichnis von Krähe, Band 59, S. 5f.). Ebenso sind jene Sprachnamen nicht angeführt, bei denen nur -isch zu ergänzen ist. altbulgarisch abg. hell. = = hellenistisch altenglisch Hesych ae. Hes. = = -althochdeutsch heth. hethitisch ahd. = ai. altindisch homerisch hom. = = aisl. altisländisch Idg. Indogermanen = alat. indogermanisch altlateinisch idg. = alb. albanisch II. Ilias = apers. altpersisch m. illyrisch = = apr. altpreußisch inschr. = inschriftlich = arg. argolisch kor. korinthisch = = ark. arkadisch kork. - - korkyräisch = arm. armenisch lak. = = lakonisch awestisch aw. lat. lateinisch = = bret. lit. litauisch = = bretonisch brit. britannisch mak. makedonisch = byzantinisch byz. mittelhochdeutsch mhd. = d. deutsch neugr. 1 neugriechisch = neuhochdeutsch e. englisch nhd. = = etruskiscb pamph. = pamphylisch eil. = französisch fr. phön. = phönikisch = germ. germanisch thess. = thessalisch griechisch toch. tocharisch gr= Gr. tyrs. tyrsenisch Griechen = urgriechisch Gramm. = Grammatiker urgr. = zig. hebr. hebräisch = = zigeunerisch Zeichen * vor einer Form, bedeutet, daß sie nur erschlossen ist. [ ] bedeutet in Fällen wie TCC[O-]COV, daß der so eingeklammerte L a u t einmal vorhanden gewesen sein muß. [ ] mit einem^ Laut oder einer Lautgruppe isoliert stehend, z. B. I = [z], bedeutet die phonetische Aussprache. / /, z. B. /S/ bedeutet, daß das Archiphonem s ist (§ 41). Die Umschriften der einzelnen Sprachen sind in den §§ 73—80 erklärt.

Einleitung Die Wurzeln der griechischen Sprache § 1. Das Griechische ist ein Glied jenergioßen Sprachenfamilie, deren Zweige in Indien, Vorderasien und fast ganz Europa verbreitet sind; in der Neuzeit gelangten sie auch nach Amerika, Australien und Südafrika. Man nennt sie nach den Randvölkern „indogermanisch" (idg.). Dazwischen sind einige nicht verwandte Sprachstämme eingeschoben; in Europa sind dies die Türksprachen, fast alle Kaukasussprachen, das Finnisch-Ugrische, das Baskische und die Eskimosprachen; das Maltesische ist eine italienisch-arabische Mischsprache. Um einen Überblick zu bekommen, ist es nötig, die einzelnen idg. Sprachen (Sprachgruppen) kurz aufzuzählen, am besten in geographischer Reihenfolge: das Indoiranische, bestehend aus dem Indischen (mit seinen zahlreichen modernen Einzelsprachen), den Käfirsprachen im Nordwesten Indiens und dem Iranischen (mit dem Awestischen, d. i. der ausgestorbenen Sprache Zarathustras, dem Persischen, dem Ossetischen im Kaukasus und zahlreichen alt- und neuiranischen Mundarten im Pamir und in Afghanistan); das Hethitische im alten Kleinasien, das mit dem benachbarten Luwischen, dem Hieroglyphenhethitischen und dem Paläischen wohl eine näher zusammengehörige Gruppe gebildet hat (ausgestorben); das Armenische; das Phrygische (Kleinasien, ausgestorben); das damit verwandte Thrakische (ausgestorben); das Makedonische (Mischsprache, ausgestorben); daa Griechische;

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Einleitung

mindestens eine vorgriechische Sprache; das Albanische; das Illyrische (hauptsächlich am Balkan und in Italien; ausgestorben) neben dem Venetischen (ausgestorben); das Italische mit seinen beiden Gruppen, dem Latinisch-Faliskischen und dem Oskisch-Umbrischen (die romanischen Sprachen setzen das Vulgärlatein fort); das Keltische mit dem Festlandkeltischen (z. B. dem Gallischen; ausgestorben) und dem Inselkeltischen; letzteres zerfällt in zwei Gruppen, in das Goidelische oder Gälische (z. B. das Irische) und das Britannische (z. B. das Kymrische und das Bretonische). Darauf folgt das Germanische (westgermanisch, z. B. deutsch; nordgermanisch, z. B. isländisch; das ausgestorbene Ostgermanische, z. B. gotisch). Das Baltisch-Slawische bildete ursprünglich eine Einheit, die sich aber schon früh aufspaltete in das Baltische (litauisch, lettisch und altpreußisch, letzteres seit 200 Jahren ausgestorben) und das Slawische (ostslawisch, z. B. russisch; nordslawisch, z. B. tschechisch; südslawisch, z. B. bulgarisch). In Zentralasien (Ostturkestan) gab es noch das — gegen Ende des 10. Jahrhdts. — ausgestorbene Tocharische in zwei Mundarten, A und B genannt. Einzelne Sprachen des Altertums, die recht dürftig überliefert sind, scheinen Mischsprachen gewesen zu sein, die idg. Bestandteile verschiedener Herkunft enthielten, z. B. in Kleinasien das Lykische und das Lydische, in Italien das Etruskische und das Ligurische, in Spanien das KeltIberische. Die schriftliche Überlieferung der idg. Sprachen ist verschieden alt und verschieden umfangreich. Die ältesten Sprachdenkmäler weist das Heth. auf; sie stammen in der Hauptmasse aus der Mitte des zweiten Jahrtausends v. Chr., mit Abschriften von noch älteren Dokumenten, die man bis etwa 1700 zurückdatieren darf. Das älteste gr. Schriftdenkmal wurde in Athen gefunden und besteht aus

Die Wurzeln der griechischen Sprache

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anderthalb Hexametern; sie wurden auf der sogenannten Dipylonkanne zu Beginn des 8. Jahrhunderts v. Chr. eingeritzt. Das älteste literarische Denkmal ist die Ilias, deren Dichter Homer etwa um die Mitte des 8. Jahrhunderts gelebt hat. Zu den spätest überlieferten Sprachen gehört das Baltische, dessen Schriftdenkmäler erst der Neuzeit angehören, ebenso das Albanische. § 2. Die idg. Sprachen zeigen eine Fülle von gesetzmäßigen Übereinstimmungen in der Grammatik, der Wortbildung und dem Wortschatz, so daß wir genötigt sind, eine Grundsprache anzunehmen, aus der diese Sprachen hervorgegangen sind. Man pflegt diese Ausgangssprache ,,(ur-)indogermanisch" zu nennen. Sie kann in vielen ihrer wesentlichen Züge rekonstruiert werden. Diese Erschließung der Grundsprache gelingt aber nicht immer eindeutig, weil die älteren Stufen der einzelnen Sprachen oft zu dürftig überliefert sind und weil es schon in der Grundsprache mundartliche Unterschiede gegeben haben muß, die sich nicht geradlinig in die Einzelsprachen fortgesetzt haben; weiters muß man schon beim Beginn der einzelsprachlichen Entwicklung mit Dialektmischungen rechnen. Man hat lange geglaubt, eine Teilung der Grundsprache in zwei Mundarten vornehmen zu können. Die eine Hälfte der idg. Sprachen zeigt nämlich die Eigenart, daß die vorne gesprochenen k-Laute, die sogenannten Palatalen, als k-Laute erhalten blieben, z. B. lat. centurn (sprich: kentuml) ,,100"; die andere Hälfte der idg. Sprachen verwandelte hingegen diese Palatalen in Reibelaute, z. B. in s, wie das awestische satdm ,,100" zeigt. Man pflegt nach diesem Muster diese Sprachen Satem- Sprachen, die anderen aber Ken tum-Sprachen zu nennen. Wohl im Zusammenhang mit dieser Entwicklung steht eine andere. Die Kentumsprachen haben die ursprünglichen Labiovelaren, d. s. einwertige Gaumenlaute mit gleichzeitiger Lip-

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Einleitung

penrundung, z. B. q , entweder ganz erhalten, oder doch wenigstens den labialen Teil gerettet: eTTSTcu (h < s) „er folgt" = lat. sequitur dss., während die Satemsprachen gerade das labiale Merkmal verloren haben: ai. sacate „geleitet" (§ 93; mit sekundärer Palatalisation). Diese Zweiteilung gestattet die einfache und rasche Charakterisierung hinsichtlich eines beträchtlichen Teiles des Konsonantensystems, nämlich der sogenannten Gutturalen. Ihre Zweckmäßigkeit wird dadurch nicht beeinträchtigt, daß die Satemisierung anscheinend erst einzelsprachlich eingetreten ist. Für das Gr. ergibt sich aus dem erwähnten Beispiel ettetcci (Erhaltung des labialen Teiles), daß es zu den Kentumsprachen gehört. Beim Kennwort „100" zeigt ekcctöv Erhaltung des Palatalen gegenüber dem ai. satäm „100". § 3. Das Gr. kann im allgemeinen zu keiner anderen idg. Sprache in eine nähere Beziehung gebracht werden. Nur beim Makedonischen scheint die Sache etwas anders zu liegen. Dieses ist uns lediglich durch Glossen, Vokabulare und Eigennamen bekannt; obendrein war es eine Mischsprache, und die Herrenschicht dieses Volkes hat in historischer Zeit wohl gr. gesprochen. — Zur Charakterisierung dieser Sprache einige Beispiele: Die mak. Glosse öcSfj • oupavos, .Himmel" zeigt gegenüber gr. ai9f| p „ Himmelslicht" den Wandel von ai zu a, den von dh zu d (hingegen gr. dh > 9 ! ) und den von auslautendem -er zu -e. Der mak. Eigenname BiAnrrros für (DiAiTrrros zeigt bk > b usw. Diese Merkmale fehlen dem Gr., verbinden jedoch das Mak. mit dem Balkanillyr. Einen ganz anderen Aufschluß gibt die Glosse Koußos = yoijupos „Backenzahn" (< *gombhos §93). Hier zeigt das mak. Wort eine regelrechte Lautverschiebung des Konsonantensystems: Media aspirata zur Media (bh > b) und Media > Tenuis (g > k). Es muß (mit anderen Beispielen) aus einer sprachlichen w

Die Zusammengehörigkeit der griechischen Stämme

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Unterschicht, einem „ S u b s t r a t " , stammen, das zwar idg., aber weder gr. noch ill. ist. Wörter dieser lautverschiebenden Sprache finden sich in ziemlicher Anzahl auch im Gr.: Trvjpyos „ T u r m " ( < *burghos < *bhrghos „Bollwerk" — d. Burg). Das Gr. und das Mak. haben demnach eine gemeinsame Untergrundsprache, die sonst nicht überliefert ist. Ihre Lautverschiebung h a t eine gewisse Ähnlichkeit mit der germanischen bzw. der armenischen, worüber § 11 zu vergleichen ist. Die Zusammengehörigkeit der griechischen Stämme § 4. Wo und in welcher Weise sich das Gr. von der idg. Grundsprache losgelöst hat, können wir noch nicht mit Bestimmtheit angeben. Sicher ist, daß die Griechen aus einem nördlicheren Binnenland gekommen sind; denn die Ausdrücke für das Seewesen sind fast durchwegs vorgriechisch: S&AccCTcra „Meer", Kußepväv (vgl. franz. gouverner,,regieren, steuern") „steuern" usw. Sicher ist auch, daß die gr. Stämme nicht gleichzeitig in Hellas eingewandert sind, sondern in mehreren durch Jahrhunderte voneinander getrennten Schüben. Als letzte Welle sind, schon im Lichte der Frühgeschichte, die Dorier gekommen (etwa u m 1000 v. Chr.). Trotzdem haben die einzelnen Stämme nie das Gefühl verloren, daß sie alle Griechen waren. Es liegt dies zweifelsohne darin begründet, daß sie sich, bei allen mundartlichen Verschiedenheiten, verständigen konnten, daß ihre Dialekte einander viel näher standen als den Nachbarsprachen. Daß das Latein mit dem Gr. verwandt sei, erkannten erst die späteren Grammatiker, und auch dies mehr aus äußerlichen Gründen. Den Beginn der Odyssee verstand jeder Grieche: cxvSpa (IOI EVVETTE, Mouaa.TroAüTpoirov, auch wenn er d v e p a , ,den Mann'' s t a t t ctv5pa und

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Einleitung

Moicra, Mcohccoder Mooaa statt MoOaotsagte; wieweit entfernt sich von diesem Lautbild die getreue Übersetzung des Livius Andronicus: virurn mihi, CamJena, insece versutuml Immerhin gibt es vereinzelte Fälle, in denen sich die dialektischen Unterschiede summieren, wie beim Zahlwort „ v i e r " : att. TETTCtpes, jon. Tgaaepes, hom. iriaupes, lesb. m a a u p e s , böot. TTETTapes, dor. -reTopes; aber der Unterschied gegenüber den anderen Sprachen ist erheblicher, vgl. z. B . vorgr. 8iSup-(an(3os) = ai. catur-(anga-) ,,vier(gliedrig)", lat. quattuor, d. vier usw. Die grammatischen Merkmale, durch die sich das Gr. von den anderen idg. Sprachen unterscheidet, sind folgende: 1. Die silbischen Liquida r, .1 sind durch ap, aA und unter gewissen Bedingungen durch pa, Aa vertreten: äp-KTos „ B ä r " < *fkpos (§ 93). 2. Der „Halbvokal" *i wurde zu dieses *j verursachte schon urgr. erhebliche Veränderungen, u. zw. je nach der Umgebung verschiedene. Gegenüber anderen idg. Sprachen ist für das Gr. allein charakteristisch: a) im Anlaut wurde j zum Spiritus asper (ös „ w e r " : phryg. 105, ai- y a ) : (puA&TTCO „wache", aus *-Jcjö; *medhios über *iXeSjos > böot. H a t t o s , att. neaos „mittel" (ai. mddhyah das.); § 8 2 , 4; c) die Verbindungen gj und dj fielen zusammen und wurden zu £ ( = zd\): pii^cov „größer", aus -gjön (zu n£y-as „groß"); Zeus a i l s *dj- (ai. dyäuh „Himmel"); § 82, 4; d) Labiale + j wurden zu Labial + Dental (epenTopiai „rupfe a b " : lat. rapid „entreiße"); § 82, 4.

Die Zusammengehörigkeit der grieohisohen Stämme

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3. Media aspirata wurde zu Tenuis aspirata: *-d). Das o der Schlußsilbe hat z.B. auch das Altlat. und das Gall. bewahrt. Den Wandel von auslautendem -m > -n kennt z. B. auch das Kelt., Heth. und Phryg. In unserem Beispiel ist also das Gr. durch je drei Merkmale mit dem Gall. und dem Ai. verbunden, mit dem Lat. und dem Iran, durch zwei Merkmale. Aber die Verbindung aller Merkmale ist nur im Gr. möglich. Die Sprachschichten Griechenlands § 5. Daß die Hellenen in mehreren Wellen in Griechenland eingewandert sind, ergibt sich z.T. aus der Überlieferung, z. T. aus der Dialektgeographie. Dieser Befund kann aber nur im Zusammenhang mit den Ausgrabungsergebnissen beurteilt werden. Eine altsteinzeitliche Besiedlung Griechenlands ist noch nicht nachweisbar. Im Neolithikum finden wir zuerst nur

Die Sprachschichten Griechenlands

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unbefestigte dörfliche Siedlungen; die Hauptfundstätte ist Sesklo in Thessalien; die Keramik zeigt vor allem ein Flechtmuster, das man in Beziehungen zum Osten (Halaf) setzen kann. Die Bemalung weist eicher nach dem Osten. Charakteristisch ist das Mutteridol mit dem Kind, wie überhaupt der Kult der Magna Mater in der ganzen Ägäis verbreitet ist (in Kleinasien noch in historischer Zeit). Kreta steht vom Anfang an für sich. In Thessalien wanderten um die Mitte des dritten Jahrtausends, anscheinend in friedlicher Weise, Bandkeramiker ein, die aus dem Donauraum, z. T. vielleicht aus Siebenbürgen stammten. Ihr Siedlungsbereich blieb auf einen kleinen Baum beschränkt (Diminikultur); sie zeigt Befestigungen und ein Vorhallenhaus (Megaron). Eine spätere Welle erreichte den Peloponnes. Gewisse künstlerische Eigenheiten, wie das Spiralmuster, wanderten über die Kykladen bis nach Kreta. Durch den kleinasiatischen Metallhandel und vielleicht auch durch Einwanderung zeichnet sich außerdem ein östlicher Einfluß ab. Ferner wurde nunmehr der mediterrane Wohnturm übernommen. Für diese Zeit, die man Kupferzeit oder frühhelladische Zeit nennt, ergeben einige Funde auch eine Verbindung mit der Schnurkeramik. Wegen ihrer Spärlichkeit können sie aber kaum als Zeichen für ein erstes Einsickern von Idg. oder gar von Gr. betrachtet werden. Etwa um 2100 v. Chr. begann in den eurasiatischen Tiefebenen eine Trockenperiode, die sich zu einer großen Klimakatastrophe steigerte und vor allem die dortigen Viehzüchter zur Wanderung zwang (der Ackerbauer neigt hingegen zur BinnenkoIonisation). Die Auswirkungen dieser Völkerbewegungen strahlen bis nach Griechenland aus. Die Bronzezeit, d. i. die Zeit der vollentwickelten Metallkultur, begann mit einer Vernichtung der frühhelladischen Siedlungen. Ein Eroberervolk war ein-

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gebrochen; dieser Ansturm erfolgte zu Anfang des 2. Jahrtausends und kennzeichnet den Beginn der vormykenischen Bronzezeit, auch mittelhelladische Periode genannt. Das Megaron, ein rechteckiges Vorhallenhaus mit Giebeldach, wurde immer häufiger gebaut. Die charakteristische Waffe für diese Zeit war der Dolch und das Schwert. Auch die Streitaxt wurde benützt, die man allgemein den älteren idg. Völkern ¿uschreibt. Die Bestattungsform war das Schachtgrab. Wegen der Streitaxt und der allgemeinen weltgeschichtlichen Situation kann man annehmen, daß es sich bei dieser Einwanderüngswelle um Idg. gehandelt habe, besonders auch, weil die Idg. immer als Krieger und Eroberer auftraten und aus dem Norden kamen. In zeitlicher Verbindung damit steht das erobernde Eindringen der Hethiter in Zentralkleinasien um 2000 v. Chr. (in mehreren Städten starke Brandschichten usw.). Die Beziehungen zwischen dem Heth. und einem gewissen Teil des gr. Wortschatzes (§ 8) deuten wohl einen Zusammenhang der beiden Bewegungen an; hingegen liegt die Zerstörung von Troia II etwa 200 Jahre früher. Der Übergang zur mykenischen Bronzezeit (17.Jhdt. v. Chr.) ist fließend, der kulturelle Einfluß des minoischen Kreta wird immer stärker; trotzdem zeigen gewisse Neuerungen, daß eine neue Herrenschicht von idg. Art ins Land gekommen ist. In den Gräbern finden wir Waffen von ungewöhnlicher Reichhaltigkeit und Güte. Entscheidend ist aber das Auftauchen des Streitwagens, der ein leichtes und schnelles, zweiräderiges Fahrzeug war, das von zwei Pferden gezogen wurde (es wurde ungefähr um dieselbe Zeit von Indern, die vom Westufer des K aspischen Meeres gekommen waren, in Obermesopotamien eingeführt). Diese ritterliche Kultur, die sich vor allem in Mykene zeigt, spiegelt sich in der Ilias wider; im Anschluß an sie pflegt man die mykenischen Herren als Achäer zu bezeichnen.

Die Sprachschichten Griechenlands

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Etwa um 1250 zwang eine neue Trockenperiode, die vor allem Mitteldeutschland (besonders die Illyrier als Hauptvolk der Urnenfelderkultur) und Südrußland traf, die Völker zur Wanderung. Wiederum wirkten sich diese Ereignisse bis nach Griechenland aus. Die prunkvolle mykenische Kultur wurde zuerst durch die Seevölkerbewegung beunruhigt (etwa ab 1230 v. Chr.), dann aber, bald nach 1200, durch den Ansturm der sogenannten „ägäischen Wanderung" völlig zerschmettert. Das Hethiterreich in Zentralkleinasien wurde durch die Phryger (und ihre criTOiKOi, die sprachlich von ihnen gesonderten Armenier) völlig zerstört und Ägypten von den Seevölkern bedroht. Gleichzeitig kam von Kleinasien her das Eisen auf. Die Eroberer brachten aber keine eigenständige Kunstrichtung mit; soweit sie künstlerische Bedürfnisse hatten, ließen sie die wenigen Handwerker, die von früher her übriggeblieben waren, eine dürftige mykenische Tradition weiterführen, die daher submykenisch genannt wird. Bald darauf, nämlich im 11./10. Jhdt., erfolgten neue Umwälzungen, die zur geometrischen Periode führten. Sie wird so nach den geometrischen Mustern genannt, die sich auf der Keramik finden. In diese Zeit fällt die dorische Wanderung. Um diese Veränderungen näher zu bestimmen, ist vor allem die Sprachwissenschaft heranzuziehen. Grundsätzlich ist dabei festzuhalten, daß unter sonst gleichen Umständen die Zuweisung an eine jüngere Schicht a priori wahrscheinlicher ist, weil sich die Sprachreste eines jüngeren Volkes leichter erhalten als die eines älteren, die sozusagen durch das vielfache Sieb der Jahrhunderte hindurchmüssen und infolgedessen immer weniger werden. Bei den Ortsnamen kann man aus ihrem Verbreitungsgebiet mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Verbreitung der Urheber schließen (abgesehen von jenen Fäl-

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Einleitung

Ien, in denen OrtsnamensuffLxe von anderen Sprachgemeinschaften übernommen wurden). § 6. Die mediterrane Urbevölkerung nachzuweisen, ist a m schwierigsten. Denn wir wissen nichts über ihre Spräche, und ihre Wörter wurden, soweit sie überhaupt von den Späteren übernommen worden sind, von diesen immer wieder verändert. Wir haben also auch keine formalen Eigentümlichkeiten als Handhabe, weder für die Ortsnamen noch für die Kulturwörter. Immerhin dürfen wir vermuten, daß einige Wörter wegen der bezeichneten Sache hier anzuführen sind: äol. Foivos „Wein" (lat. wnum, vulgär vinus; nicht aus dem Gr. entlehnt!), ferner ¿Aaiä (daraus lat. olwa „Ölbaum, Olive") „Ölbaum", EÄaiov „Öl" (daraus alat. olivorn = oleum, aus einem Digamma erhaltenden gr. Dialekt entlehnt) u. a. m. Diese Wörter sind nicht aus dem Sem. entlehnt. Die ägyptischen Quellen bezeichnen schon um 2600 v. Chr. die ägäische Inselwelt (die „Inseln des Meeres") mit h3wnwb.t, was gewöhnlich Haunebut gelesen wird. Dieser Name, der auf dem Stein von Rosette mit „Griechen" übersetzt wird, ist nicht ägyptisch, könnte also einheimisch sein. Die donauländischen Bandkeramiker siedelten in begrenzten Bezirken Thessaliens und des Peloponnes; man wird daher kaum mit sprachlichen Spuren rechnen können, vielleicht aber mit solchen Ortsnamen, deren Verbreitung auf dieses Gebiet begrenzt ist. § 7. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die einheimische Bevölkerung Westkleinasiens (Troia-Yortankultur) dieselbe Sprache wie die Ostkleinasiens gesprochen hat, nämlich protohattisch. Jedoch können wir keinerlei protohattische Spuren in Griechenland nachweisen. Zwar gibt es einige Namen, die in Kleiriasien und in Griechenland vorkommen, wie z. B. der Bergname "OAuuttos ; aber der

Die Sprachschichten Griechenlands

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illyrische Stadtname 'OAü^Trq weist darauf hin, daß dieser Name einer späteren Welle zuzuschreiben ist; er verhält sich semasiologisch zu ai. lumpati „bricht" so wie lat. rum/pö „breche": rüpes „Fels(abbruch)". Auch der Typus der Namen auf -assos, wie TTt|5aaos (Troas), Fir|8aaa (Karien), rTr)8aaos (Messenien) kann nicht den Protohattiern zugeschrieben werden, da diese Bildungsform luwisch und hethitisch ist. Das kret. M T A C C T O S ist deswegen auch in Karien wiederzufinden (MfAr|Tos, lesb. MiAAcrros < * M I C T A 5 T O S ) , weil daskar. Milet eine minoische Siedlung war, wie die Ausgrabungen bewiesen haben. § 8. Daß die Gr. starke Berührungen mit den Heth. gehabt haben müssen, zeigen gewisse Wortgleichungen, die auf diese beiden Sprachstämme beschränkt sind; KÜTracjCTis, ein Kleidungsstück: heth. kupahis dss.; ixEap „Blut", lat. aser, ai. asrk); & T Ü £ O | J K X I „erschrecke": heth. hatugas „schrecklich"; ömxSög „Begleit e r " : heth. hapatis „Diener". Zu den Ortsnamen auf •assos vgl. heth. Gott Dadas: Stadt Dadassas. Hingegen sind die kleinasiatischen Ortsnamen auf -avSoc (TOC!) mit dem luw. und heth. Plur. n. auf -anda zu vergleichen; sie haben nichts mit den gr. Ortsnamen auf - I V S O S und -uv[S]s zu tun. Die Personennamen auf -EUS dürfen wir der vormykenischen Bronzezeit zuweisen. Denn die „Ahnen" der mykenischen Griechen tragen fast durchweg solche Namen, wie z. B . ' ATpeus, der Vater des Agamemnon. Dieser Namenstypus ist nicht gr.; einerseits benützen die älteren Griechen, wie die meisten idg. Völker, zweistämmige Komposita als Eigennamen ('HpöSoTOS „von Hera gegeben"); andererseits ist das Suffix -EÜS, genauer -euzwar idg., aber in der Form -EÜ5 im Gr. als Lehnsuffix heimisch geworden. Weiter sind die alten Ausdrücke auf 2 Brandenstein, Griech. Sprachw

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Einleitung

-eüs ungriech. Kulturwörter (ßaaiAeüs „König"); ebensowenig können die Stämme der alten Eigennamen auf -süs aus dem Gr. erklärt werden. Die Bedeutung dieses Lehnsuffixes ist aus seiner Verwendung ableitbar: ein ¡tttteus ist einer, der mit dem n n r o s ,,Pferd" zu tun hat, es drückt also die Zugehörigkeit aus. Das Heth. besitzt dieses Suffix nicht; im Phryg. gibt es einen 'Orpeus und im Messap. (ill.!) einen Genitiv auf -aos, z. B. stabo-aos, aus -ewos (vgl. denselben Wandel auch im El.: iocpocos, Gen. von iepeus „Priester"). § 9. Der kulturelle Ubergang von- der vormykenischen zur mykenischen Bronzezeit ist fließend (§ 5). Dies spricht dafür, daß die alte Herrenschicht von einer neuen friedlich durchdrungen und aufgesogen wurde. Die neuen Herren waren militärisch überlegen (Streitwagen!) und setzten daher ihre Religion und Sprache durch; die früheren Herren aber hatten die höhere Kultur! Dem entspricht es, daß die mykenischen Griechen zwar schon vielfach gr. Namen trugen; sie hatten aber den Ehrgeiz, den vorgr. Adelsgeschlechtern anzugehören. Daher war Agatnemnons Ahne Atreus (von Mykene). Dieser Gräzisierungsprozeß ging im Zentrum Mykene rascher vor sich als am Rand. In Thessalien hatte erst des Achilleus Sohn Neoptolemos einen gr. Namen, ebenso in Ithaka des Odysseus Sohn Telemachos. In Athen hingegen lautet die Genealogie z. B. Aigeus-Pittheus- Theseusl Hier scheinen keine mykenischen Griechen gewesen zu sein; Athen fehlt daher auch in der homerischen Heldensage. Ein ähnliches Zeugnis legt der Generationswechsel der Götter ab. Der mykenische (und gr.) Hauptgott ist Zeus („heller Himmel"); er ist der „Sohn" des vormykenischen und ungr. Kronos; dieser aber der „Sohn" des (wohl mutterrechtlichen) Paares „Himmel" und „Erde" (Oüpocvos und f a i a ) , die daher dem Neolithikum angehören.

Die Sprachschichten Griechenlands

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Dafür, daß die Herren der mykenischen Kultur Griechen waren, spricht auch noch die Tradition vom troianischen Krieg als einer gr. Angelegenheit. Er hat die mykenische Heldenzeit abgeschlossen, und die Erinnerung an diese Glanzzeit wurde in Kleinasien über den ägäischen Sturm hinweg gerettet. Schließlich scheinen Griechen (als Achäer) in den heth. Texten des 14. Jhdts. erwähnt worden zu sein, z. B. At{a)rissijas, wohl „Atride", Tawagalawas=' E t e F o - k A e F t i s usw. In dieser Zeit kam es zu drei großen Aktionen. Die mykenische Kultur breitete sich an einzelnen Stellen siegreich gegen Osten aus, vor allem in Milet, in Rhodos und seinem kleinasiatischen Hinterland. Die Kolonie von Rhodos, deren sagenhaften Reichtum und deren hervorragende Seestärke Homer rühmt, war es wahrscheinlich, welche von den Hethitern die,, Achäische" (seil. Kolonie) genannt wurde (Ahhijaxvü). Ihre Geltung war so groß, daß ihr König dem Großkönig der Hethiter und dem Pharao von Ägypten ebenbürtig war, ähnlich wie die späteren gr. Kolonien in Unteritalien zu „Großgriechenland" geworden waren. Zusammen mit anderen Seevölkern erfolgte ein Zug gegen Ägypten; die dortigen Quellen nennen ausdrücklich die 'ikws, also wohl die' A)(aiFoi (die ägyptische Vokalisierung besagt bei Fremdnamen nichts über die Qualität, und -S ist eine ägyptische Endung); sie wurden etwa um 1225 v. Chr. besiegt. Als drittes und letztes großes Ereignis ist der Zug gegen Troia zu erwähnen. Man muß damit rechnen, daß die verschiedenen Heldentaten der Achäer in der Sage durcheinander gebracht worden sind, zumindest aber, daß sie von Homer, z. T. aus künstlerischen Gründen in die Ilia hineinverarbeitet wurden. Auf einen solchen Synkretismus weist allein schon die Tatsache, daß Troia auch Ilios heißt und daß die wichtigste Person dieser Stadt neben Paris 2*

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Einleitung

auch noch den Namen Alexandros trug. Eine solche Doppelung ist nur als Verbindung zweier Sagen zu begreifen. Einen gewissen Nachweis dafür bringen die heth. Quellen, nach denen der König Alaksandus von Wilusa in Südkleinasien einen Schutzvertrag mit dem Hethiterkönig Muwatallis, zu dem er geflohen war, abschließt (14. Jhdt.). Die gr. Sage berichtet, daß Alexandros von Wilios lange vor dem troianischen Krieg beim König MötuAos „Gastfreund" gewesen war. Alexandros (Südkleinasien) hatte demnach ursprünglich mit Paris (Nordwestkleinasien) nichts zu tun gehabt, wobei noch wichtig ist, daß Paris ein thrakisches Wort ist, das ungefähr „Sohn" bedeutet. § 10. Über die Völker der ägäischen Wanderung können wir einiges aus den ägypt. Quellen entnehmen. Diese berichten, daß die „Seevölker des Nordens" bzw. die „Nordvölker inmitten des Meeres" Ägypten bedrohten (§ 5) und jedenfalls auch im Süden (Syrien, Palästina) Kolonien gründeten. Außer den schon erwähnten Achäern werden noch genannt: 1. Die dnwn (auch dnn) waren im 12. Jhdt. Verbündete jener Völker, die die ägäische Katastrophe verursachten. Wenn man sie mit den Danaern ( = 'Apyeioi im Peloponnes) verbindet, dann muß man voraussetzen, daß diese eine Kolonie in Syrien gegründet haben. Denn die babylonischen Quellen vom Ii. bis zum 9. Jhdt. berichten, daß die Danuna in Syrien ansässig waren. Weiter wurden bei Adana (Südostkleinasien) Inschriften in phön. und hieroglyphenheth. Sprache eines Stadtkönigs der Danuna gefunden (8. Jhdt.). 2. Die drdn sind schon in der 1. Hälfte des 13. Jhdts. Verbündete der Hethiter. Da Ramses II. von seinem Sieg im Derdenland spricht, kann unmöglich Dardania am Hellespont gemeint sein. Aber es kann ein Teil der Dar-

Die Sprachschiohten Griechenlands

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daner mit den anderen Seevölkern im Süden (Syrien?) eine Kolonie geschaffen haben. 3. Die tr§, wegen der Schreibung tw-rw-Si auch Turuscha gelesen, wohnten inmitten des Meeres im Norden, also in der Ägäis. Sie griflen zusammen mit den Achäern um etwa 1225 Ägypten an, wurden aber zurückgeschlagen. Später verbündeten sie sich mit den Philistern und wurden mit ihnen in der 1. Hälfte des 12. Jhdts. nochmals von Ägypten besiegt. Man pflegt sie mit den Tyrsenern zu identifizieren, die noch in historischer Zeit in der Ägäis, meist als Seeräuber, tätig waren. Auf der Insel Lemnos, die sie im 7. Jhdt. eroberten, wurde eine Grabstele mit zwei Inschriften in tyrsenischer Sprache gefunden. Ein Teil der Tyrsener war um etwa 800 v. Chr. nach Italien ins Land der Umbrer gezogen, wo ihr Name italisiert wurde: Tusci ( r,

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