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German Pages 147 [176] Year 1963
SAMMLUNG
GOSCHEN
BAND
238
GERMANISCHE SPRACHWISSENSCHAFT von
DR. H A N S
KRÄHE
o. ö. Professor an der Universität Tübingen
EINLEITUNG
i
UND
LAUTLEHRE
Fünfte, überarbeitete
Auflage
WALTER DE GRUYTER & CO. Tormals 6 . J . Göschen'scfae Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.
BERLIN
1963
Die Gesamtdarstellung umfaßt folgende Bände: Band I : Band
Germanische S p r a c h w i s s e n s c h a f t — E i n l e i t u n g und Lautlehre — ( S a m m l u n g Göschen Band 238)
II: Germanische S p r a c h w i s s e n s c h a f t ( S a m m l u n g Göschen B a n d 780)
—
Formenlehre —
Copyright 1963 by Walter de Gruyter à Co., vormals fl. J . Göschen'sche Verlagshandlung - J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit & Comp., Berlin W 30. Alle Hechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten. Archiv-Nr. 7 331633 Druck: Lindemann Lüdecke, Berlin SO 36. Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis A l l g e m e i n e r Teil Sei» 1. Verwandtschaftliche und nachbarliche Beziehungen des Germanischen 10 a)Das Germanische als Glied der idg. Sprachenfamilie
(§1-2)
b) Das Germanische innerhalb Sprachenkreises (§ 3—8")
des
„alteuropäischen"
Begriff de« „Alteuropäischen" (5 3), Germanisch und „Italisch" ( H ) . Germanisch und Illyrisch (§ 5), Oermanisch u n d Keltisch (§ 6), Germanisch-Keltisch-,,Italisch" ({ 7), Germanisch, Baltisch, Slavlsch (§ 8).
c) Spatere nachbarliche Beziehungen des Germanischen (§ 9) 2. Die Gliederung des Germanischen (§ 10—17) Allgemeines (§10) a) Die westgermanische Gruppe Die westgermanischen Völker (§11) Die westgermanischen Dialekte (§12) Die Überlieferung der westgermanischen Dialekte (§ 13) b) Die nordgermanische Gruppe Die nordgermanischen Völker (§14) Die nordgermanischen Dialekte und ihre Denkmäler (§15) c) Die ostgermanische Gruppe Die ostgermanischen Völker (§16) Die ostgermanischen Denkmäler (§17) d) Das Verhältnis der drei german. Gruppen zueinander . . Nord- und Ostgermanisch (§18) Nord- und Westgermanisch (§19) West- und Ostgermanisch (§20) 3. Aufgabe und Umfang der germanischen Sprachwissenschaft (§21) 4. Die Quellen der germanischen Sprachwissenschaft (§ 22) . 5. Die wichtigsten Merkmale des Germanischen (§ 23) . . . . Lautlehre Allgemeine Vorbemerkungen (§ 24) I. Betonung Stellung und Art des Akzents (§25) Der Satzakzent (§26) Der Wortakzent (§27) Der Silbenakzent (§ 28) , . . \»
10
13
23 25 25 26 26 28 31 32 32 32 34 34 35 36 36 37 38 39 41 42 43 45 46 46 48
4
Inhaltsverzeichnis
II. Vokalismus 1. Der idg. Vokalbestand (§29) 2. Die Vertretung und Weiterentwicklung des idg. Vokalbestandes im Germanischen A. Der Vokalismus der Tonsilben (§ 30—44) a) Die normalen idg.-germ. Entsprechungen (§ 30—34) . Die Kurzen (§ 30). Die Langen (§ 31). Die Diphthonge (§ 32). Die silbischen Liquiden und Nasale (I 33). Übersicht (§ 34).
b) Besonderheiten in der Weiterentwicklung des germ. Vokalismus (§ 35—43) a) Qualitative Veränderungen (§ 36—41) Germ, e > t (§ 35). Brechungen von serm. i und « (§ 36). Der iUmlaut (§37). Der u-XJmlaut (§38). Die Brechung des a im Ags. (§ 39). Die Brechung des « im An. (§ 40). Die Monophthongisierung von ei und ou im Ahd. (§ 41).
ß) Quantitative Veränderungen (§ 42—43)
Vokaldehnung durch Nasalschwund vor h (§ 42). Vokalkürzung in geschlossener Silbe (§ 43).
c) Übersicht über die Entwicklung der germ. Tonvokale (§44) B. Der Vokalismus der Nebentonsilben (§46—49) . . . . a) Schicksale ursprünglicher Kürzen (§ 45, 46) . . . . b) Schicksale ursprünglicher Längen (§47) c) Schicksale ursprünglicher Diphthonge (§48) . . . . d) Entstehung neuer Mittelsilbenvokale (§49) . . . . 3. Der Ablaut A. Die idg. Qrundlagen des Ablauts (§ 50—63) Zur Erklärung (§ 50). Die kurzvokaliachen Ablautsreihen (§ 51). Die langvokalischen Ablautsreihen (§ 52). Zur Entstehung des Ablauts (§ 53).
B. Der Ablaut im Germanischen (§ 64—67)
Allgemeines (§ 54). Die Ablautsreihen beim starken Verbum (§ 55). Die Ablautsreihen auGerhalb des starken Verbums (§ 56). Suffixablaut (§ 57).
I I I . Konsonantismus 1. Der idg. Konsonantenbestand (§68) 2. Die Vertretung der idg. Konsonanten im Germanischen . . A. Die Behandlung deridg. Verschlußlaute (§69—66) . . .
49 50 50 60
56 56
61
62 64 64 66 66 66 67 67
72
79 79 80
Allgemeines zur ersten Lautverschiebung (§ 59).
a) Die Verschiebung der idg. Tenues und Tenues aspiratae (§ 60—63)
81
b) Die Verschiebung der idg. Mediae aspiratae (§ 64) . .
90
Normale Verschiebung zu Reibelauten (§ 60). Nichteintreten der Verschiebung (§ 61). Das Vernersche Gesetz (§ 62). Der grammatische Wechsel (§ 63).
Inhaltsverzeichnis
5
c) Die Verschiebung der idg. Mediae (§66) d) Schematische Darstellung der ersten Lautverschiebung (§66) B. Die idg. Spirans s im Germanischen (§ 67—68). . . . C. Die idg. Nasale und Liquiden im Germanischen (§ 69 bis 70) D. Die idg. Halbvokale im Germanischen (§ 71—72) . . . 3. Die Weiterentwicklung des germ. Konsonantismus in den einzelnen Dialekten A. Die germ. stimmlosen Spiranten (§ 73—76) B. Die germ. stimmhaften Spiranten (§ 77—80) C. Die germ. Tenues (§ 81—82) D. Die westgerm. Konsonantenverdoppelung (§ 83—86). . E. Zusammenfassende Übersicht über die hochdeutsche (zweite) Lautverschiebung (§87) 4. Lautwandel in Konsonantengruppen (Kombinatorischer Lautwandel) A. VorgermanischeVorgänge(§88—95) a) Idg. Vorgänge (§ 88—90) b) Sonstige voreinzelsprachliche Vorgänge (§91—95). . B. Gemein-germ. Vorgänge (§ 96—102) . . . '. a) Assimilationserscheinungen (§ 96—99) b) Schwund von Konsonanten (§100—102) . . . . C. Spätere (einzeldialektische) Vorgänge (§ 103—106) . . 5. Sonstige Veränderungen im german. Konsonantismus . . A. Assimilation (§ 107) B. Dissimilation (§ 108) C. Metathese (§ 109) D. Haplologie (§ 110) E. Konsonanten-Verdoppelung (§ 111)
108 108 108 109 111 111 114 115 116 116 117 118 120 120
IV. Auslautsgesetze 1. Konsonantische Auslautsgesetze (§ 112—116) A. Die Nasale (§ 112—113) B. Die dentalen Verschlußlaute (§ 114) C. Die idg. Spirans s (§ 115—116) 2. Vokalische Auslautsgesetze (§ 117—129)
123 123 125 125 127
Allgemeine Vorbemerkung (§ 117).
A. Die kurzen Vokale (§118—122) B. Die langen Vokale (§ 123—126) C. Die Diphthonge (§ 127—129) Wörterverzeichnis
91 92 93 94 94 96 96 99 102 103 106
127 131 133 136
Literatur K. B r u g m a n n . Kurze vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen. Straßburg 1904 (Neudruck: Berlin 1933). H . H i r t . Indogermanische Grammatik. 7 Bande. Heidelberg 1921—1937. J. S c h r i j n e n - W . F i s c h e r . Einführung in das Studium der indogermanischen Sprachwissenschaft, mit besonderer Berücksichtigung der klassischen und germanischen Sprachen. Heidelberg 1921. E. K i e c k e r s . Einführung in die indogermanische Sprachwissenschaft. Bd. I: Lautlehre. München 1933. H. K r ä h e . Indogermanische Sprachwissenschaft. 4. Auflage. 2 Bände. Berlin 1962/63. (Sammlung Göschen 59 und 64.) W. S t r e i t b e r g . Urgermanische Grammatik. Einfuhrung in das vergleichende Studium der altgermanischen Dialekte. Heidelberg 1896 (Neudruck: ebd. 1943). H. H i r t . Handbuch des Urgermanischen. 3 Teile. Heidelberg 1931—1934. A. Meillet. Caractères généraux des langues germaniques. 5. Auflage. Paris 1937. E. P r o k o s c h . A Comparative Germanie Grammar. Philadelphia 1939. A. Nor e en. Abriß der urgermanischen Lautlehre. Straßburg 1894. F. S t r o h . Handbuch der germanischen Philologie. Berlin 1962. E. Schwarz. Deutsche und Germanische Philologie. (Studienführer.) Heidelberg 1951. H. K r ä h e . Historische Laut- und Formenlehre des Gotischen. Zugleich eine Einführung in die germanische Sprachwissenschaft. Heidelberg 1948. W. W i l m a n n s . Deutsche Grammatik. Gotisch, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch. 3 Teile. 2. und 3. Auflage. Straßburg-Berlin 1911—1930. H. Paul. Deutsche Grammatik. 6 Bände. 3. und 4. Auflage. Halle 1956/67.
Literatur
7
H. S t o l t e . Kurze deutsche Grammatik. Auf Grund der fünfbändigen deutschen Grammatik von H . P a u l . 3. Auflage. Tübingen 1962. R. v. K i e n l e . Historische Laut- und Formenlehre des Deutschen. Tübingen 1960. C. K a r s t i e n . Historische Deutsche Grammatik. Bd. I: Geschichtliche Einleitung. Lautlehre. Heidelberg 1939. H. S c h u l z . Abriß der deutschen Grammatik. 3. Auflage, bearb. von F. S t r o h . Berlin 1947.
Die Literatur zu den germanischen Einzeldialekten ist in folgenden Bänden der Sammlung Göschen verzeichnet: H. H e m p e l . Gotisches Elementarbuch (Nr. 79). F. R a n k e . Altnordisches Elementarbuch (Nr. 1115). M. L e h n e r t . Altenglisches Elementarbuch (Nr. 1126). H . N a u m a n n . Althochdeutsche Grammatik (Nr. 727). H. N a u m a n n - W . B e t z . Althochdeutsches Elementarbuch (Nr. 1111).
Abkürzungen der Sprachenbezeichnungen abulg. = altbulgarisch ae. = altenglisch afries. = altfriesisch ags. = angelsächsisch alid. = althochdeutsch ai = altindisch air. = altirisch an. = altnordisch apreuß. = altpreußisch ark. = arkadisch as. — altsächsisch a t t . = attisch avest. = avestisch öech. = öechisch dor. = dorisch engl. = englisch finn. = finnisch gall. = gallisch germ. -= germanisch got. = gotisch gr. = griechisch heth. = hethitisch idg. = indogermanisch illyr. = illyrisch
kelt. = keltisch kymr. = kymrisch lat. = lateinisch l e t t . = lettisch lit. = litauisch md. = mitteldeutsch me. = mittelenglisch messap. = messapisch m h d . = mittelhochdeutsch mnd. = mittelniederdeutsch nd. = niederdeutsch ndl. = niederländisch ne. = neuenglisch nhd. = neuhochdeutsch nord. = nordisch obd. = oberdeutsch osk. = oskisch russ. = russisch thrak. =-thrakisch umbr. = umbrisch ved. = vedisch venet. = venetisch wgerm. = westgermanisch
Zu einzelnen Zeichen und zur Aussprache: * vor einer Wortform bedeutet, daß diese nur erschlossen ist. > = entwickelt sich zu < = entstanden aus — über einem Vokal bedeutet dessen Länge, die Kürze; doch wird im allgemeinen die Kürze nicht besonders bezeichnet.
Wegen idg. 3 und r, t, m, n siehe § 29; wegen k, g usw. und q*, g v u . dgl. sowie n, », } , « vgl. § 58. Wegen p, % in g e r m a n i s c h e n Wörtern siehe §60, zu germ. 8, ä,g. § 62; zu got. ai, aü § 36,1, zu got. h § 60. In urnord. Wörtern ist R ein zwischen z (d. h. stimmhaftem s) und r liegender Zitterlaut; anord. 0 ist ein geschlossener, g ein offener ö-Laut. Ags. se ist ä. Ahd. 33 ist stimmlose interdentale Doppelspirans, s dagegen Affrikata ( = ts). Im A l t i n d i s c h e n bezeichnen f und s stimmlose Zischlaute, beide dem nhd. sch ähnlich; ai. e ist wie nhd. tseh, j entsprechend stimmhaft (wie g in italien. giro), h (meist aus s entstanden) wie nhd. ch auszusprechen; ai. y ist konsonantisches i; ai. m bedeutet die Nasalierung des voraufgehenden Vokals. L i t a u i s c h e s e ist e, y ist i, g usw. sind ursprünglich nasalierte Vokale; £ ist wie nhd. sch, i als entsprechender stimmhafter Zischlaut auszusprechen. In a l t b u l g a r i s c h e n Wörtern sind 5 und i> Murmelvokale, hervorgegangen aus kurzem u bzw. i ; $ ist (ursprünglich langes) e; g und g sind Nasalvokale, y ist ungerundetes ü mit ¿-Lippenstellung. Altbulg. z ist tönendes s; c wie ts, (• wie deutsch tsch, £ wie j in französ. jeune zu sprechen.
Allgemeiner Teil 1. Verwandtschaftliche und nachbarliche Beziehungen des Germanischen A) Das Germanische als Glied der i n d o g e r m a n i s c h e n Sprachenfamilie § 1. Das Germanische ist ein Glied der großen indogermanischen (idg.) Sprachenfamilie, zu der außer ihm folgende Sprachen und Sprachengruppen gehören: das Indische, das Iranische (Avestisch, Persisch), das einst in Turkestan gesprochene Tocharische, das Hethitische und einige ihm nahestehende Sprachen (darunter das Luvische) im alten Kleinasien, ebendort in späterer Zeit das Lykische und Lydische (die beide zum mindesten starke idg. Bestandteile enthalten), das Armenische, das Phrygische (wiederum in Kleinasien), das ebenso wie das Thrakische im Nordosten der Balkanhalbinsel seit dem ausgehenden Altertum untergegangen ist, das Albanische, das Baltische (Litauisch, Lettisch und das ausgestorbene Preußische), das Slavische (Russisch, Polnisch, Tschechisch, Serbisch, Bulgarisch usw.), das Griechische, das sog. „Italische" (vgl. § 3 Anm. 1) mit den beiden Gruppen Oskisch-Umbrisch und Latino-Faliskisch (zu letzterer als wichtigstes Glied das Lateinische mit seinen Nachkommen, den romanischen Sprachen), dem auch das Venetische im östlichen Oberitalien nahestand, das Keltische (von dem nur noch das Irische, das Kymrische in Wales und das Bretonische in der Bretagne lebendig sind) und das Illyrische (einst im Nordwesten der Balkanhalbinsel und den angrenzenden Ländern heimisch, auch in Unteritalien, wo ihm das sog. Messapische, vj>l. § 5, zuzurechnen ist)1). Käheres über die einzelnen idg. Sprachen bei H. Krähe, Sprache und Vorzeit (Heidelberg 1954) 11 — 18, sowie in dem Bändchen ,,Indogermanische Sprachwissenschaft" I (Samml. Göschen 59) § 1 fi.
Verwandtschaft!, u. nachbarl. Beziehungen des Germanischen
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Die Überlieferung aller dieser Sprachen ist verschieden alt und reichhaltig. Bei einigen (Hethitisch, Indisch, Griechisch) geht sie bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurück, bei anderen (z. B. Baltisch, Slavisch, Armenisch) beginnt sie erst in nachchristlicher Zeit. Für die Zwecke der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft ist der jeweils älteste uns erreichbare, in Schriftquellen belegte Zustand einer Sprache am wichtigsten, so beim Indischen das Altindische (die Sprache der Veden und das Sanskrit), beim Iranischen das Avestische (die Sprache der an Zarathustra anknüpfenden religiösen Literatur) und das Altpersische (die in Keilinschriften überlieferte Sprache der Achaemenidenzeit), beim Slavischen das Altbulgarische (die Sprache der slavischen Bibelübersetzung aus dem 9. Jh. n. Chr.) usw. Das allen diesen Sprachen in Struktur, Lautstand und Wortschatz Gemeinsame muß auf eine mehr oder minder einheitliche Ausgangsform, die sog. idg. Grund- oder Gemeinsprache zurückgeführt werden, die selbst nicht mehr erhalten ist, aber durch methodische Vergleichung des in den idg. Einzelsprachen vorhandenen Sprachgutes in wesentlichen Grundzügen rekonstruiert werden kann 1 ). § 2. Die allmähliche „Ausgliederung" der Einzelsprachen aus der idg. Grundsprache und — weitgehend damit verknüpft — die Einteilung des Gesamt-Indogermanischen in etwaige größere (mehrere Sprachen umfassende) Untergruppen stellen eines der reizvollsten, aber auch schwierigsten Probleme der Sprachvergleichung dar 2 ). Lange Zeit galt (und gilt bis zu einem gewissen Grade auch heute noch) als Einteilungsprinzip die Scheidung aller idg. Sprachen in zwei große Gruppen, welche auf einer verschiedenen Behandlung der für die Grundsprache anzusetzenden palatalen (und labiove0 Zum Methodischen vgl. H. Krähe, Sprache und Vorzeit 19 — 22. ') Vgl. W. Porzig, Die Gliederung des idg. Sprachgebiets (Heidelberg 1954); H. Krähe, Sprache u. Vorzeit 2 2 - 2 9 .
12
Allgemeiner Teil
laren) Verschlußlaute (§58) beruht. Die palatalen fc-Laute sind nämlich nur auf einem Teilgebiet des Idg. als solche erhalten, während sie in dem übrigen Teil zu Zischlauten (s, s u. dgl.) geworden sind. Diese Verschiedenheit spiegelt sich z. B. in dem idg. Zahlwort f ü r „100", das etwa im Iranischen (Avest.) satam, im Lateinischen aber cenlum (spr. Itentuml) lautet. Nach diesem Musterwort h a t man diejenigen Sprachen, welche die idg. Palatale zu Zischlauten wandelten, S a t e m - S p r a c h e n , diejenigen, welche sie als /r-Laute bewahrten, K e n t u m - S p r a c h e n genannt. Hinzu kommt, daß die „Labiovelare" (§ 58) in den Satem-Sprachen zu einfachen ¿-Lauten wurden, in den Kentum-Sprachen aber vielfach ihr labiales Element neben dem gutturalen bewahrten bzw. das /c-Elemcnt überhaupt zugunsten des labialen verloren oder auch eine andere Sonderentwicklung durchmachten. Zur Satem-Gruppe gehören das Indische, Iranische, Armenische, Thrakische, Albanische, Baltische und Slavische. Kentum-Sprachen sind das Tocharische, Hethitische, Griechische,. „ I t a l i s c h e " , Keltische, Illyrische u n d — G e r m a n i s c h e . Die Bedeutung dieser Scheidung in Kentum- und SatemSprachen darf jedoch nicht überschätzt werden. Sie beruht allein auf den angegebenen lautlichen Kriterien, und es lassen sich keine weiteren, ähnlich charakteristischen Merkmale beibringen, welche in genau der gleichen Verbreitung die Aufteilung aller idg. Sprachen auf jene beiden Gruppen bestätigten. Zudem gibt es andere (und teilweise bedeutsamere) Trennungslinien innerhalb des idg. Bereichs, welche die Grenze zwischen der Kentum- und Satem-Gruppe durchkreuzen. Wichtiger ist die Frage, ob sich im Gesamtgebiet des Idg. e n g e r begrenzte Zusammengehörigkeiten nachweisen lassen, derart daß etwa zwei der aus historischer Zeit bekannten Sprachen untereinander näher verwandt wären als mit jeder dritten; daraus wäre dann zu schließen, daß solche Sprachen-
Verwandtschaft, u. nachbarl. Beziehungen des Germanischen
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paare, ehe ihre beiden Glieder sich endgültig voneinander trennten, ein Stück ihrer Entwicklung gemeinsam zurückgelegt haben müssen. Mit voller Sicherheit kann das nur für das Indische und Iranische behauptet werden, die in vielen Teilen ihres Lexikons und ihrer Grammatik so charakteristische Gemeinsamkeiten haben, daß man sie als „Indoiranisch" (auch „Arisch" genannt) zusammenfassen kann. Sehr viel problematischer schon ist der Ansatz einer einstigen baltisch-slavischen Einheit; und gänzlich aufgegeben ist heute die lange Zeit diskutierte „italo-keltische" Hypothese. Hinsichtlich des Germanischen aber ist zu sagen, daß es mit keiner zweiten idg. Sprache e n g e r verwandt ist, daß es also ein durchaus selbständiges Glied im Rahmen der idg. Sprachenfamilie darstellt. B ) D a s G e r m a n i s c h e i n n e r h a l b des „ a l t e u r o p ä i s c h e n " Sprachenkreises § 3 . Andrerseits müssen die Vorstufen bestimmter westidg. Sprachen, darunter die des Germanischen, in Nord- und Mitteleuropa (nördl. der Alpen) während des 2. Jahrtausends v. Chr. einander in ihrer Entwicklung noch nahe genug gestanden haben, um eine vielleicht nur lose verbundene, aber doch deutlich zusammengehörige und in stetem gegenseitigem grenznachbarlichem Austausch befindliche Gruppe bilden zu können, die mau als „alteuropäischen" Sprachenkreis bezeichnen kann. Ihm entstammen von den nachmaligen Einzelsprachen außer dem Germanischen das Keltische, das „Italische" 1 "» und das Venetische (deren Träger erst später südwärts wanderten), das Illyrische, das Baltische und — am Rande — auch das Slavische. Erkennbar wird diese Gemeinschaft u. a. durch eine einheitliche alte Gewässernamengebung und durch eine größere Anzahl charakteristischer ») Der Terminus „ I t a l i s c h " wird hier der Einfachheit halber beibehalten, obwohl die Auffassung einer u r s p r ü n g l i c h e n e n g e r e n Zusammengehörigkeit des Latinischen und Oskisch-Umbrischen (§ 1) nicht mehr haltbar ist.
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Allgemeiner Teil
Übereinstimmungen im Wortschatz, welch beides nur dieser „alteuropäischen" Gruppe im Gegensatz zu allen übrigen idg. Sprachen eigen ist. Für die Flußnamen vgl. etwa Ala in Norwegen, Alara (> Aller) als Nebenfluß der Weser, Alantas,' Aluntä u. ähnl. in Litauen, Alantia (> Elz), Nebenflüsse des Neckar und der Mosel, Aland im Elbe-Gebiet bei Wittenberge, Älento in Italien und noch viele andere zugehörige Bildungen 1 ). Von appellativischem Wortgut sei nur der Ausdruck für die politische Gemeinschaft genannt, welcher sich spiegelt in got. piuda, anord. pjöd, ags. peod, as. thioda, ahd. diot(a) „Volk, Leute" mit der Ableitung got. piudans usw. „König"; air. tüath „Volk", kymr. tüd „Land", breton. tut „Leute"; osk. touto, umbr. (Akk.) totam „civitas"; altlit. tautä, lett. täula „Volk", apreuß. tauto „Land"; illyr. teutana „Königin" 2 ). Neben derartigen, die Gesamtheit des „Alteuropäischen" umfassenden Gemeinsamkeiten stehen solche, welche jeweils nur zwei der beteiligten Sprachen miteinander verbinden; und gerade diese letzteren Berührungen sind naturgemäß besonders aufschlußreich für unsere Kenntnisse von dem (z. T. vorgeschichtlichen) Verhältnis der Germanen zu ihren Nachbarn, zumal auch in kultureller Hinsicht. § 4. In sehr frühe Zeiten muß die Grenznachbarschaft der Germanen mit den späteren „ I t a l i k e r n " zurückgehen, denn noch im 2. vorchristl. Jahrtausend sind diese aus einer nördlicheren Heimat in Richtung auf ihre nachmaligen Wohnsitze in der Appenninhalbinsel abgewandert. Schon damals ist also die Beziehung zwischen beiden Völkern unterbrochen worden. Kelten (und Illyrier) haben sieh seitdem dazwischengeschoben; und viele Jahrhunderte später erst treten die Germanen, nachdem sie sich ihrerseits südwärts und westwärts weiter ausgebreitet und die Kelten zurückgedrängt haben, aufs neue mit den nunmehr lediglich durch die Römer ') Näheres bei H. Krähe, Sprache u. Vorzeit 48 - 63; Beitr. z. Namenforschung 5 (1954) 2 0 1 - 2 2 0 . •) Weiteres in „Sprache u. Vorzeit" 6 3 - 7 1 .
Vprwandtschaftl. u. nachbarl. Beziehungen des Germanischen
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vertretenen „Italikern" in sprachlichen und kulturellen Austausch. Die hier zu nennenden Gemeinsamkeiten zwischen dem Germanischen und den „italischen" Sprachen gehen selbstverständlich in jene früheste (vorgeschichtliche) Epoche zurück, in welcher die Träger der letzteren noch diesseits der Alpen Nachbarn der Germanen waren. Dabei handelt es sich zunächst einmal um eine beträchtliche Zahl von Übereinstimmungen im Wortschatz. Nur dem Germ, und Italischen eignen z. B. Benennungen von Körperteilen wie lat. collus (später collum) — got. ahd. hals' „Hals"; lat. lingua (alt dingua) — got. tuggö, ahd. zunga „Zunge"; lat. caput — anord. hgfud „Kopf"; Ausdrücke aus der Natur wie lat. aqua „Wasser" — got. aha, ahd. aha „Wasserlauf"; lat. cllvus „Hügel" — got. hlaiw, ahd. hleo „Grab, Grabhügel"; lat. limus „Bodenschlamm, Schmutz" — ahd. leim, as. lemo „Lehm"; Pflanzennamen wie lat. acer „Ahorn", Adj. acernus — altdän.mr < gerin. *ahira-, ahd. ahorn-, lat. grämen < *ghras-men „Gras" — got. ahd. gras „Gras"; auch solche für Kulturpflanzen, z. B. lat. und osk.-umbr. far „Dinkel, Spelt" — anord. barr „Korn, Gerste", ags. bere „Gerste" mit der Ableitung lat. jarina(< *farrinä) „Mehl" — got. barizeins „aus Gerste": Termini des Ackerbaues wie lat. sulcus „Furche" (mit sulcäre „pflügen") — ags. sulh „Pflug"; lat. sacena (< *sacesnä) „Haue des Pontifex" — as. segisna „Sense"; Tier-bezeichriuiigen wie lat. haedus „Ziegenbock" — got. gaits, ,ahd. gei$ „Geiß" mit der adj. Ableitung lat. haedinus „vom Bock" — got. gaitein. ahd. geißln „junge Ziege"; lat. vermis — ahd. wurm „Wurm"; ein Ausdruck des Seewesens wie lat. malus ( -n) ergab, z. B. got. ütana = ahd. ü^an(a) „von außen" (: got. üta, ahd. üy- „draußen") — lat. superne „von oben" (: super „oben"). Lateinisch, osk.-umbrisch und germanisch ist die Verwendung von Ablativen zu Bildungen auf -tro- (bzw. -trä-) als Adverbia mit Ortsbedeutung: osk. contrud, lat. contra „gegen", lat. ultrö neben ultra „jenseits" — got. haprö „woher?", jainprö „dorther". Kaum unabhängig voneinander sind die Perfektformen mit langem Wz.-Vokal entstanden, welche dem Lat. und Germ, in Fällen wie lat. venimus — got. qemum, sedimus — setum, fregimus — ahd. brähhum usw. gemeinsam sind. Die Präsens-Flexion des Typus lat. capiö, capis, eapit stimmt zu der des (etymologisch identischen) ahd. heffu, hevis, hevit, und es darf dafür — wie auch für gewisse Übereinstimmungen der lat. ä- und e-Konjugation mit der 2. und 3. schwachen Verbalklasse des Germ. — mit der Möglichkeit eines vorgeschichtlichen Zusammenhanges gerechnet werden. Das V e n e t i s c h e im östl. Oberitalien, das in manchen Punkten des Lautstandes und des Wortschatzes dem Lat. nahesteht, teilt ebenfalls ein paar grammat. Eigentümlichkeiten ausschließlich mit dem Germ., zumal auf dem Gebiet des Pronomens. Venet. mego „mich" ist (gegenüber lat. me usw.) nach dem Nom. ego „ich" genau so analogisch umgeformt worden wie got. mik, ahd. mih „mich" nach dem Nom.
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Allgemeiner Teil
got. ik, ahd. ih „ich". Das Identitätspronomen selbo- „selbst" existiert nur im Venetischen und Germanischen. § 5. Ähnlicher Art wie zum „Italischen" sind Beziehungen des Germ, zum I l l y r i s c h e n . Die späteren Illyrier scheinen einst Nachbarn der Germanen (und auch der Balten) in Ostmitteleuropa gewesen zu sein, wie das u. a. auch durch eine größere Anzahl illyrischer Ortsnamen in jenen Gegenden erwiesen wird 1 ). Später sind sie west- und südwärts abgewandert. Als nur germanisch und illyrisch ist z. B. die Bildungsweise des Possessivpronomens messap.-illyr. veina- „suus" ( < idg. *sueino-) bemerkenswert, welche genau der von got. meina-, peina,-, seina- ( = ahd. min, din, sin) gleichkommt. Ubereinstimmungen im Wortschatz sind etwa messap. ßOpiov „Wohnstatt" — ahd. ags. bür „Wohnung"; messap. (Akk.) ßptvSov „Hirsch" — schwed. (dial.) binde „männl. Elentier"; messap. cntr-ra „schweig!" — mhd. swifle „schweigend"; messap. ßacrrd „Sandalen" — ahd. an. hast „Bast"; illyr. teutana „Königin" — got. piudans, as. thiodan „König"; Vidasus, Name eines illyr. Waldgottes, entspricht genau dem anord. Götternamen Vidarr\ der ags. Völkername Deanas hat die gleiche Grundlage wie der der illyr. Daum, nämlich *dhaunos „Wolf"; die reichverzweigte illyr. Sippe von Personennamen wie Aplo, Aplis, Aplus, Teuti-aplos usw. findet ihr Etymon einzig in anord. afl „Kraft", ajli „Stärke"; und ähnlich ist es in vielen anderen Fällen. §6. Die Berührungen des Germ, mit dem K e l t i s c h e n hat man, da sie zu einem großen Teil in Wortgleichungen politischen und kulturell wichtigen Inhalts bestehen, lange Zeit als Beweisstück für eine ehemalige Vorherrschaft der Kelten über die Germanen auf kulturellem und staatlichem Gebiet angesehen. Diese Anschauung hat sich als irrig erwiesen. Denn nur in ganz wenigen Fällen ist, eine Entlehnung ') Vel. H, Krähe, Sprache und Vorzeit 9 8 - 1 1 4 ,
Verwandtschaft^ u. nachbarl. Beziehungen des Germanischen
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der betreffenden Wörter aus dem Keltischen ins Germ, (auf Grund grammatischer Kriterien) beweisbar (§ 9), vereinzelt ist sogar umgekehrt eine Entlehnung aus dem Germ, ins Keltische wahrscheinlich (ebd.); die meisten der germ.keltischen Wortgleichungen jedoch dürften (nicht anders als die germ.-lateinischen und germ.-illyrischen) auf gemeinsam festgehaltenem (bzw. weiterentwickeltem) idg. Sprach- und Kulturbesitz beruhen 1 ). Zu dieser letzteren Gruppe sind etwa zu rechnen: air. oeth „Eid" — got. aips, ahd. eid „Eid"; air. orbe „das Erbe" — got. arbi, ahd. erbi „Erbe"; air. dliged „Pflicht, Gesetz, Recht", kymr. dled, dyled „Schuld" — got. dulgs „Schuld"; kymr. rhydd ( „reich"; got. andbahts, ahd. ambahl „Diener" aus gall. ambaktos „Diener, Klient, Dienstmann" mit der Ableitung got. andbahti, ahd. ambahti „Dienst" > mhd. ambet > nhd. amt. — Umgekehrt hat das Germ, dem Keltischen Ausdrücke geliefert wie gall. bräea = anord. brök, ahd. bruoh „Hose" oder gall.-lat. camisia „Hemd" (vgl. ags. hemede, ahd. hemidi „Hemd"). Bei den ihm östlich benachbarten Sprachen ist im Falle von Entlehnungen das Germ, fast stets der gebende Teil, so beim B a l t i s c h e n und S l a v i s c h e n . Die ebenerwähnte Wortsippe um „Reich" und „reich" gaben die Germanen in altlit.
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rikys, apreuß. riks „Reich", rikijs „Herr" a n baltische Stämme weiter. Vgl. ferner etwa abulg. kin^gi „Fürst" aus germ. *kuninga- „König" (ahd. chuning, as. cuning usw.); abulg. plugs „Pflug" aus germ. *plöga- „Pflug" (an. plögr, ahd. pfluog); abulg. chllbö „Brot" aus germ. *hlaiha- „Laib Brot" (got. hlaifs, ahd. bleib) und zahlreiche andere. Zu den östlichen Nachbarn, welche ihren Wortschatz durch Entlehnungen aus dem Germ, bereicherten, gehört auch ein nicht-idg. Volk, die F i n n e n . Die zu ihnen gewanderten germ. Wörter sind so zahlreich und vielfach von so charakteristischem Bedeutungsinhalt, daß dadurch ein erheblicher kultureller Einfluß der Germanen auf die Finnen bezeugt wird; und zwar muß dieser Einfluß in eine sehr frühe Zeit zurückreichen, denn die germ. Lehnwörter im Finnischen bewahren dort zumeist so altertümliche Formen wie sie aus den germ. Dialekten selbst nicht mehr überliefert sind. Sic müssen also älter als alle unsere germ. Schriftquellen sein. Aus der großen Fülle nur einige wenige Beispiele: finn. kuningas „König" aus germ. *kuningaz (vgl. oben); finn. rengas „Ring" aus germ. *hrengaz (got. hriggs, ahd. hring); finn. kernas „willig" aus germ. *gernaz (got. gairns, ahd. gern); finn. tiuris „teuer" aus germ. *diuriz (ahd. tiuri, ags. deore); finn. vantus „Handschuh" aus germ. *wantuz (an. VQttr).1) Lehnbeziehungen zwischen den Germanen und den spateren „Italikern" sind aus derZeit ihrer praehistorischen Nachbarschaft (vgl. § 4) nicht zu erweisen, hauptsächlich wohl deshalb, weil für diese frühen Perioden bei der damals nur erst geringen Differenziertheit der Einzelsprachen die für den Nachweis der Entlehnung notwendigen lautlichen Kriterien noch fehlen. — Die zahlreichen Lehnwörter aus dem L a t e i n i s c h e n gehören einer viel späteren Epoche an, in der die germ. Dialekte der historischen Zeit bereits voll ausgebildet sind; sie fallen daher aus dem Rahmen dieser Darstellung. ') Vgl. H. Fromm, Die ältesten germ. Lehnwörter im Finnischen = Zs. f. deutschet Altertum 88 (1957 58) 81—101, 211—240, 299—324.
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2. Die Gliederung des Germanisehen § 10. Seit Beginn seiner schriftlichen Überlieferung stellt sich das Germ., so klar und scharf es nach außen gegenüber den idg. Schwesteridiomen abgegrenzt ist, nach innen als eine nicht (mehr) einheitliche, für das gesamtgermanische Gebiet gültige Sprachform dar; vielmehr ist es schon damals in verschiedene mehr oder weniger deutlich voneinander abgehobene Dialekte und Dialektgruppen gegliedert. Eine allgemein anerkannte Art der Einteilung dieser Dialekte existiert bei dem derzeitigen Stand der Forschung nicht. Die Ansichten darüber wechseln, jenachdem welche Entwicklungsstufen des Germ, ins Auge gefaßt und welche sprachlichen Kriterien bei der Einteilung in den Vordergrund gerückt werden. Althergebracht ist die Gliederung in drei Hauptgruppen, die nach ihrer (ursprünglichen) geographischen Lagerung als Nord-, Ost- und W e s t - G e r m a n i s c h bezeichnet werden. Nordgermanische Sprachen sind das Norwegische mit dem Isländischen, das Dänische und das Schwedische. Zum Westgermanischen gehören das Deutsche, das Englische und das Friesische. Der Hauptvertreter des Ostgermanischen ist das Gotische. Von manchen Forschern werden aber mit guten Gründen nur zwei Gruppen innerhalb des Gesamtgermanisehen unterschieden. Sie fassen das Ost- und Nordgermanische in einen Zweig zusammen und nennen ihn Goto-Nordisch oder auch einfach Nordgermanisch; ihm stellen sie dann die sonst Westgermanisch genannte Gruppe als „Südgermanisch" gegenüber (vgl. § 18). Am problematischsten ist jedoch seit einiger Zeit der Begriff des West-(bzw. Süd-)Germanischen geworden, namentlich durch das Herausarbeiten eines eigenen Dialektkreises um die Nordsee herum, den man Ingwäonisch (vgl. § 11) oder auch Nordseegermanisch genannt hat und zu dem außer dem Englischen und Friesischen auch Teile des niederdeutschen Gebietes gehören würden, während der Kern des
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Deutschen (zumal das Hochdeutsche) auf einem sog.,Rinnengermanischen" beruht 1 ). — Im vorliegenden Zusammenhang wird aus praktischen Gründen die alte Dreiteilung beibehalten. Bevor wir durch einheimische Sprachdenkmäler, die in größerem Umfang erst einige Jahrhunderte nach Christi Geburt einsetzen (§ 13, 15, 17), Kenntnis von den Germanen gewinnen, berichten bereits griechische und römische Schriftsteller über das Land Germanien, seine Bewohner und deren Eigenheiten sowie über einzelne geschichtliche Ereignisse. Diese antiken Nachrichten sind (eben wegen des Mangels an gleichzeitigen einheimischen Quellen) für unser Wissen von der germanischen Frühzeit von unermeßlichem Wert. A) Die w e s t g e r m a n i s c h e G r u p p e § 11. Zuerst von allen Germanen ist die antike Welt mit Angehörigen der westlichen Gruppe in Berührung gekommen. Das früheste Zeugnis dafür geht auf die Nordfahrt des P y t h e a s von Massilia im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts v. Chr. zurück, der damals u. a. die T e u t o n e n als westgermanischen Stamm an der Nordseeküste kennen gelernt hatte. Doch diese Fahrt des Pytheas blieb ein vereinzelter Vorstoß, und noch etwa zwei Jahrhunderte lang waren die Römer so wenig über die Germanen unterrichtet, daß sie sie von den Kelten nicht zu unterscheiden vermochten. Als wirklich greifbares Volkstum treten die Westgermanen erst dadurch für uns in das Licht der Geschichte, daß sie in zahlreichen Vorstößen und Wanderungen die Kelten aus Westund Süddeutschland vertreiben und dadurch dem Germanentum einen ungeheuren Gebietszuwachs verschaffen. Bei diesem ') Aus der umfangreichen Literatur über die Gliederung des Germ, seien hier nur genannt: F. Maurer, Nordgermanen und Alemannen (Straßburg 1942; 3. Aufl., Bern-München 1952); ders., Zur vor- und frühdeutechen Sprachgeschichte = Der Deutschunterricht 1 (1951) 6—20; E.Schwarz, Goten, Nordgermanen, Angelsachsen Studien zur Ausgliederung der germ. Sprachen (Bern-München 1951); P. Jörgensen u. H. Kuhn, Das Problem der Ingwäonen = Philologia Frisica 1956 (1957) 7—20.
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Vorgang kommen die Westgermanen dann auch in vielfältiger Hinsicht mit den Römern in Berührung, und daher stammen die meisten unserer Nachrichten über sie. Zuvor war nämlich ganz Süd- und Westdeutschland — spätestens seit dem zweiten Viertel des letzten Jahrtausends v. Chr. — in den Händen der Kelten. Das wissen wir durch die Bodenfunde, durch Nachrichten der antiken Autoren und — nicht zuletzt — durch die zahlreichen keltischen Orts-, Berg- und Flußnamen, die sich überall auf dem west- und süddeutschen Gebiet finden und zum großen Teil bis heute erhalten haben (vgl. § 6 ) x ) . Der erste historisch faßbare dieser westgermanischen Vorstöße in keltisches Gebiet ist die Wanderung der K i m b e r n u n d T e u t o n e n , die sich zwischen 120 und 1 1 5 v . C h r . aus ihrer Heimat in Jütland und den angrenzenden norddeutschen Landstrichen in Bewegung setzten und nach mannigfachen Kämpfen mit den Kelten und Wanderungen in Pannonien, den Alpenländern, Süddeutschland und Gallien schließlich durch die Römer vernichtet wurden. In den folgenden J a h r zehnten drängen Westgermanen in immer größerer Zahl über die Donau südwärts und nach Westen über den Rhein. I m J a h r e 58 v.Chr. t r i t t Cäsar in Gallien dem A r i o v i s t gegenüber, der bereits ein aus mehreren westgermanischen Stämmen zusammengesetztes Heer a n f ü h r t . Es folgt der ebenfalls von Cäsar abgewehrte Einbruch der U s i p e t e r u n d T e n k t e r e r ü b e r den Rhein, die friedliche Übersiedelung der U b i e r vom rechten auf das linke Rheinufer und so fort. Zur Zeit des Tacitus (um 100 n. Chr.) sitzen die Westgermanen längst überall am Rhein und an der Donau und zum Teil darüber hinaus. Sie gliederten sich damals in drei große Gruppen : die Völker am Rhein wurden als Istvaeonen2), die an der See zurückgebliebenen als Ingvaeonen, die im Binnenland als ') Vgl. H. Krähe, Sprache und Vorzeit 1 2 3 - 1 3 2 . *) Die Namensform ist umstritten; vgl. zuletzt H . Rosenleid, Zs. f. d t . Altertum 90 (1960) 161—181.
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Erminonen zusammengefaßt. Unter diesen Gruppen haben wir ursprüngliche Kultverbände zu verstehen, die je ein gemeinsames Stammesheiligtum besaßen. Später jedoch sind politische Gruppen daraus geworden. Zu den I s t v a e o n e n zählen die Bataver in Holland, die Ubier um Köln, die Chamaver, Brukterer, Cherusker in Westfalen, die Usipeter und Tenkterer rechts des Rheines etwa zwischen Lippe und Lahn, weiter im Binnenland die Chatten, die Treuerer um Trier und noch viele andere kleinere Völkerschaften. Es sind das im wesentlichen diejenigen Stämme, die später unter dem Namen der F r a n k e n (der erstmals i. J. 258 n. Chr. auftaucht) zusammengefaßt werden. I n g v a e o n e n sind die Friesen (an der Nordsee links der Ems), die Chauken zwischen Ems und Elbe und die sog. „Nerthus-Völker" (in Holstein und den angrenzenden Gebieten, z. T. auch auf den Inseln), unter welchen die Angeln am wichtigsten geworden sind. Ein Teil dieser ingvaeonischen Stämme, vor allem die Chauken, erscheint später unter dem Namen der Sachsen (seit dem 4. Jh. n. Chr.). Mit den E r m i n o n e n sind im großen und ganzen die Sueben identisch. Ihr Kernvolk waren die Semnonen (etwa im heutigen Brandenburg). Diesen benachbart bis zur Elbe saßen die Langobarden, südwestlich der Semnonen die Hermunduren (die späteren Thüringer), diesen wiederum benachbart die Markomannen und Quaden. Die Semnonen bilden nach ihrer Südwestwanderung den Kern der Alemannen (Schwaben!). Die Markomannen nehmen in Böhmen den Namen Bajuwaren (Bayern) an und behalten ihn auch bei ihrer Ausdehnung auf die benachbarten Landschaften Österreichs und Bayerns bei. § 12. Aus den im Vorangehenden aufgezählten Stämmen und Stammesgruppen sind die Träger der westgerm. Dial e k t e geworden, wie sie uns dann in der schriftlichen Überlieferung entgegentreten. Die Angeln und Sachsen gehen in der „Völkerwanderungs-
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zeit" (nach eigener Überlieferung i. J. 449) vom Festland nach Britannien hinüber. Die dort ansässigen Kelten werden teils zurückgedrängt, teils unterworfen. Nach jahrhundertelangen Auseinandersetzungen erst kommt es zu einer einheitlichen Reichsgründung, welche alle von den eingewanderten Stämmen besetzten Provinzen umfaßt 1 ). Die Sprache dieser Angeln und Sachsen nennt man A n g e l s ä c h s i s c h (ags.) oder A l t englisch (ae.). Die schon aus der Heimat mitgebrachten mundartlichen Differenzen verstärken sich auf dem neugewonnenen Kolonialboden, so daß drei Dialekte unterschieden werden können: 1. Das Kentische im Südosten. 2. Das Sächsische im Süden. 3. Das Anglische nördlich der Themse (mit den Unterabteilungen Mercisch und Nordhumbrisch). Die Sprache der Friesen, deren ältestbezeugte Entwickelungsstufe A l t f r i e s i s c h genannt wird, hat sich als selbständiger westgerm. Dialekt an den Küsten der Nordsee bis heute erhalten; sie hat sogar gegenüber dem ursprünglichen Wohngebiet der Friesen (§ 11) noch an Boden gewonnen und wird bis nach Schleswig hinauf und auf den vorgelagerten Inseln gesprochen. Im Bereich der heutigen Niederlande bildete sich, hauptsächlich auf der Mundart der Bataver und einiger kleinerer Nachbarstämme fußend, das sog. A l t n i e d e r f r ä n k i s c h e heraus, die Vorstufe des jetzigen Holländischen. Als wichtigster westgerm. Dialekt des norddeutschen Gebietes entsteht (neben dem Friesischen und Niederfränkischen) das A l t s ä c h s i s c h e , in erster Linie die Sprache der alten Sachsen. Es gliedert sich landschaftlich in vier Mundarten: 1. die der Westfalen, 2. die der Engern (d. h. der alten Angrivarier, der nördl. Nachbarn der Cherusker zu beiden Seiten der Weser), 3. die der Ostfalen und 4. die der Nordalbingier. Den Rest des westgerm. Raumes nimmt das H o c h d e u t ') Vgl. M. Lehnert, Altenglisches Elementarbuch (Samml. Göschen 1125) S. 17 ff.
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sehe ein. Von diesem sind aus althochdeutscher (ahd.) Zeit bereits "folgende Dialekte durch Schriftquellen überliefert: 1. Das B a i r i s c h e (auf der Sprache der suebischen Markomannen beruhend). 2. Das A l e m a n n i s c h e (dessen Grundlage die Sprache der ebenfalls suebischen Semnonen bildet). 3. Das O s t f r ä n k i s c h e , durch Verschmelzung von Franken und westlichen Thüringern entstanden (Hauptorte Würzburg und Bamberg). 4. Das R h e i n f r ä n k i s c h e am Untermain (um Mainz und Frankfurt) und am Oberrhein (um Worms und Speyer). Innerhalb des Rheinfränkischen hebt sich als besondere Mundart d a s S ü d r h e i n f r ä n k i s c h e a b , dessen Hauptort in ahd. Zeit Weißenburg ist. 5. Das M i t t e l f r ä n k i s c h e mit zwei Unterabteilungen, dem Ripuarischen Fränkisch um Köln und dem Moselfränkischen mit Trier als Mittelpunkt. Von diesen fünf Dialekten schließen sich das Ost-, Rhein- und Mittelfränkische enger zusammen. Man bezeichnet sie oft als Fränkisch schlechthin oder auch als M i t t e l d e u t s c h im Gegensatz zum O b e r d e u t s c h e n , d. h. dem Bairischen und Alemannischen. Zum Mitteldeutschen gehört ferner noch das aus ahd. Zeit noch nicht bezeugte T h ü r i n g i s c h e . Ein hochdeutscher Dialekt war endlich auch das bereits in ahd. Zeit untergegangene L a n g o b a r d i s c h e 1 ) . Die Gesamtheit der westgerm. Dialekte ordnet sich in der Weise, daß auf der einen Seite das Angelsächsische und das Friesische eine engere Einheit bilden, auf der anderen Seite die hochdeutschen Mundarten stehen. Zwischen diesen beiden nehmen das Altniederfränkische und das Altsächsische, die man als Altniederdeutsch zusammenzufassen pflegt, eine Mittelstellung ein. Sie haben sowohl Berührungen mit dem Anglofriesischen als auch mit dem Hochdeutschen.
i) vgl. H. Naumann, Ahd. Grammatik (Samml. Göschen 727) 8.115H.
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Westgermanisch
Angelsächsisch
Altfriesisch
Rentisch Sächsisch Angllsch
Altniederdeutsch
Althochdeutsch
Altnieder- Altsächsinch Mitteldeutsch Oberdeutsch fränkisch (Ost-, Rhein-, (Bairisch, Mittelfränk.) Alemannisch)
§ 13. Die Ü b e r l i e f e r u n g des Althochdeutschen, Altniederdeutschen und Angelsächsischen beginnt im 8. und 9. Jh. n. Chr. und ist bei diesen drei Zweigen des Westgerm, ziemlich gleichartig. Sie besteht z. T. in poetischen Denkmälern (z. B. der ags. Beowulf, der as. Heliand, das ahd. Hildebrandslied, Muspilli usw.), z. T. in Prosa aller Art (theologische und weltliche Literatur, vielfach Übersetzungen aus dem Lateinischen); dazu kommen zahlreiche Glossensammlungen und kleinere Denkmäler, vor allem auch volkstümlicher Art wie Zaubersprüche und Segen, Sprichwörter u. dgl. Die ahd. Periode rechnet man bis rund 1100 n. Chr., von da an bis etwa 1500 spricht man vom Mittelhochdeutschen (mhd.), seit 1500 vom Neuhochdeutschen (nhd.). Vom As. besitzen wir Denkmäler bis etwa zum Jahre 1000 n. Chr.; von etwa 1300 bis 1500 blüht die sog. mittelniederdeutsche Schrift- und Verkehrssprache (mnd.). Seit dem 16. Jh. setzte ein allmählicher Verfall des Niederdeutschen als Schriftsprache ein; es lebt seitdem nur mehr in den lokalen Dialekten der einzelnen Landschaften (Plattdeutsch!). Die Entwicklung des Englischen verläuft ähnlich der des Hochdeutschen. Bis etwa 1100 gilt das Ags. oder Ae., bis 1500 das Mittelenglische (nie.), seitdem das Neuenglische (ne.). Das Friesische ist erst seit dem 13. und 14. Jh. durch Schriftqucllen bekannt.
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Allgemeiner TeiJ B) D i e n o r d g e r m a n i s c h e G r u p p e
§ 14. Über die Nordgermanen, die sehr viel weiter als die Westgermanen vom Römerreich entfernt waren und nie mit ihm in kriegerische Verwicklungen gerieten, erfahren wir durch die antiken Schriftsteller naturgemäß nur sehr wenig. In dei Naturgeschichte des Plinius (IV 96) wird lediglich ein alle Nordgermanen umfassender Gesamtname verzeichnet, das Volk der Hilleviones, dem 500 Gaue zugeschrieben werden. Tacitus kennt dann (Germania 44) den Stamm der Sviones, der uns auch aus der einheimischen Überlieferung bekannt ist und dort Sviar heißt. Diese saßen damals in der Gegend um den Mälar-See in Schweden; in späterer Zeit haben sie die Vorherrschaft über das ganze Land gewonnen. Ihr Name lebt in dem der Schweden fort. Bei dem griechischen Geographen Ptolemaios (2. Jh. n. Chr.) taucht neben anderen weniger bedeutenden Völkerschaften zum ersten Male der Name des zweitwichtigsten Volkes im alten Schweden auf, der der Gauten, deren Name noch jetzt an der südschwedischen Landschaft Götaland mit der Hauptstadt (niederdeutsch) Gotenburg, (schwed.) Göteborg haftet. Der Name der Dänen (Dani) erscheint zum ersten Male im 6. Jh., bei den Gotenschriftstellern Jordanes und Prokop. § 15. Die älteste uns erhaltene Sprachform des Nordgermanischen ist das noch kaum geteilte sog. U r n o r d i s c h e , das bis etwa 800 n. Chr. in Geltung war. Es ist bezeugt durch eine größere Anzahl von Runen-Inschriften, die aus fast allen Teilen der nordischen Welt, d. h. aus Schweden, Norwegen, Dänemark und Schleswig, stammen. Aus diesem Urnordischen entwickelt sich in der VikingerZeit, d. h. von ca. 800 bis 1050, in gerader Linie das sog. A l t n o r d i s c h e (an.). Gleichzeitig setzt eine erste ganz allmähliche Dialektspaltung in W e s t - und O s t n o r d i s c h ein. Am wichtigsten wird von diesen das Westnordische von
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Island. Durch politische Unstimmigkeiten hatten sich viele norwegische Adlige veranlaßt gesehen, ihre Heimat zu verlassen. Sie wanderten nach Island aus, das sie in der sog. landnäma-tid „Landnahmezeit" (etwa 872—930) besiedelten. Hier in Island kam es dann auf Grund ganz besonderer Bedingungen der verschiedensten Art zu einer außerordentlich reichen, hochbedeutsamen Literatur, wie sie im Verhältnis zur Zahl seiner Bevölkerung kein anderes Land der Welt hervorgebracht hat. Deshalb nennt man auch schon in westnordischer Zeit die Sprache Altislands, obwohl sie bis rund 1200 vom Norwegischen so gut wie gar nicht verschieden ist, mit einem besonderen Namen: das A l t i s l ä n d i s c h e . Und oft auch meint man, wenn man vom Altnordischen schlechthin spricht, einfach nur diese altisländische Literatursprache. Als mit der Einführung des Christentums in Island (1000 n. Chr.) gelehrte Geistliche ins Land gekommen waren, wurde die bis dahin schon Jahrhunderte lang in mündlicher Überlieferung lebende Literatur aufgezeichnet. Drei Gattungen sind zu unterscheiden: 1. Die in Stabreimstrophen abgefaßten E d d a l i e d e r unbekannter Verfasser (Göttermythen und Heldensagen, auch Spruchdichtung); 2. die nach ihren Dichtern, den Skalden, genannte s k a l d i s c h e Poesie, eine überaus gekünstelte, fast barocke berufsmäßige Kunstdichtung ;3. die Saga-Literatur,Familiengeschichten in schlicht realistischer, meisterhafter Prosa 1 ). Von etwa 1500 ab rechnet man das Neuisländische, an geistigem Gehalt wie an sprachlicher Form dem Altisländischen noch heute nahe. Die westnordische Schwester des Altisländischen, das A l t n o r w e g i s c h e , geht um 1500 in das Neunorwegische über. Ähnlich ist der Verlauf beim Ostnordischen. Es spaltet sich in das A l t s c h w e d i s c h e und A l t d ä n i s c h e , die wiederum um 1500 in das Neuschwedische bzw. Neudänische über') Vgl. P. Ranke, Altnord. Elementarbuch (Samml. Göschen lj.15) S 6 f t . 2
Krähe,
Germanische Sprachwissenschaft I.
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gehen. Als wichtiger Dialekt des Altschwedischen ist das A l t g u t n i s c h e hervorzuheben, die Sprache der Insel Gotland. Nordgermanisch (Urnordisch) Altnordisch Westnordisch Isländisch
Norwegisch
Ostnordisch Dänisch
C) D i e o s t g e r m a n i s c h e
Schwedisch
Gruppe
§ 16. Durch die Nachrichten der antiken Autoren wird etwa seit dem 1. J h . n. Chr. in der Gegend der unteren Weichsel und den benachbarten Landstrichen eine Reihe german. Völkerschaften als zusammengehörig erkennbar, welche die heutige Wissenschaft als ostgermanische Gruppe zu bezeichnen pflegt. In der antiken Literatur begegnet dafür einmal der Sammelname Wandilier (Plinius), ein anderes Mal der Name der Goten (Prokop). Als Teilstämme dieser Gruppe werden genannt die Goten (Wisi- und Ostro-Gothae), die Gepiden, Wandalen, Burgunder, Rugier, Skiren und einige andere weniger bedeutende Völkerschaften. Ihre enge Zusammengehörigkeit, nicht zuletzt auch in sprachlicher Beziehung (vgl. besonders Prokop., De bello Vandal. I 2) wird in der antiken Überlieferung ausdrücklich hervorgehoben; und mehrfach tritt auch die führende Rolle der Goten gegenüber den verwandten Stämmen deutlich hervor. Keines der ostgerm. Völker ist auf deutschem Boden verblieben. Schon zu Beginn des 2. Jh.s v. Chr. waren die Skiren und die ihnen benachbarten Bastarnen bis zu der griechischen Stadt Olbia am Schwarzen Meer vorgestoßen. Einige Jahr-
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hunderte später (etwa seit 150 n. Chr.) setzt dann die allmähliche Abwanderung der Goten in der gleichen Richtung ein. Auch sie gelangen an das Schwarze Meer und begründen hier ein großes Reich, welches bedeutende Teile des heutigen Rußland umfaßte. Dabei vollzieht sich die Trennung in zwei Sonderstäinme, die West- und Ostgoten oder — wie sie damals hießen — die Wisigothae und Ostrogothae. Von dem Gotenreich am Schwarzen Meer aus ereignen sich dann die ersten Zusammenstöße mit dem Römischen Imperium. Die Goten drängen nach und nach immer stärker nach Westen; es erfolgen die bekannten Ereignisse der „Völkerwanderung", das Reich der Ostgoten in Pannonien und Italien, das 553 von Beiisar und Narses zerstört wird, das Reich der Westgoten in Südfrankreich und Spanien, das 711 den Arabern erliegt. Ähnlich dem der Goten verlief das Schicksal der übrigen ostgerm. Stämme. Die Wandalen ziehen bis Afrika; ihr Reich geht 534 zugrunde. Die Burgunder fielen in Frankreich den Franken zum Opfer. Die anderen verwandten Stämme sind nicht zu Gründungen von größerer selbständiger Bedeutung und Dauer gekommen. Untergegangen sind sie schließlich alle, mit ihnen ihre Sprachen, zuletzt wohl (noch vor Ablauf des 10. Jh.s) die Goten und das Gotische in Italien. § 17. Umfangreichere S p r a c h d e n k m ä l e r sind nur vom Gotischen, und zwar vom Westgotischen erhalten. Es handelt sich in erster Linie um die Reste der Bibelübersetzung, die dem Gotenbischof Wulfila zugeschrieben wird (4. Jh.). Demgegenüber fallen die anderen kleineren Denkmäler nicht sonderlich ins Gewicht1). Von den übrigen ostgerm. Mundarten kennen wir nur Eigennamen und einige wenige Wörter. Außerdem besitzen wir die Aufzeichnung einer Anzahl von Wörtern des sog. K r i m g o t i s c h e n aus dem 16. Jh., d. h. eines versprengten ') Näheres bei H. Hempel, Got. Elementarbuch (Samml. Göschen S. lOtl. 2»
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ostgenn. Dialektes, der sich in der Krim bis in jene Zeit erhalten hatte, heute aber gleichfalls ausgestorben ist 1 ). D) Das V e r h ä l t n i s der drei germanischen Gruppen zueinander § 18. Nach ihrer eigenen Überlieferung (Jordanes, De origine actibusque Getarum, cap. 4) sind die Goten aus Skandinavien in die Weichselgegenden eingewandert. Diese Tradition wird durch die Bodenfunde und Ortsnamenzeugnisse (auch für andere ostgenn. Stämme) bestätigt. So hängt der Name der Goten selbst (got. *Gutös) wohl mit dem der Insel Gotland (alt Gutland), desgleichen mit dem der Gauten und über diesen mit der Landschaftsbezeichnung Götaland in Schweden (§ 14) zusammen; der Name Burgunder gehört zu dem der Insel Bomholm (an. Borgundar-holmr). Die nördliche Herkunft der ostgerm. Völker spiegelt sich auch in der Sprache, insofern als das Nord- u n d Ostgerm, eine Reihe von Besonderheiten (die z. T. gemeinsame Neuerungen sind) aufweisen, die dem Westgerm. fehlen2). Auf lautlichem Gebiet ist besonders die Behandlung der altgerm. Gruppen -JJ- und -uu- (§ 72) bemerkenswert. Aus -tiu- wird im Got. und Nordischen -ggw-, aus -¿j- im Got. -ddj-, im Nord, -ggj- entwickelt, während sich im Westgerm, das erste / bzw. w mit dem jeweils vorangehenden Vokal zu einem Diphthongen verbindet. Beispiele: germ. *tua^5(n) „zweier (Gen.)" = got. twaddje, an. tveggja, aber ahd. zweiio; germ. *lriuua- „treu" = got. triggwa- (Nom. triggws), an. tryggva(Nom. tryggr), aber ahd. triuwi. Im Bereich der Formenlehre bildet /,. B. das Got. und Nordische die 2. Sing. Praet. der starken Verba auf 4 (II § 73) >) Vgl. E. Schwarz, Die Krlmnoten = Saeculum 4 (1953) 1 5 6 - 1 6 4 . *) A iisfilhrlich dazu: E. Schwarz. Goten, Nordgermanen, Angewachsen (Bern-München 1951).
Die Gliederung des Germanischen
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und mit dem gleichen Wurzelvokal wie die 1. und 3. Sing. Praet., während das Westgerm. eine solche F o r m nur bei den Praeterito-Praesentia ( I I § 96) kennt, bei den übrigen starken Verba aber den Ausgang -i und in der Wurzelsilbe denselben Vokalismus wie im Plur. Praet. aufweist. Beispiel: got. nam-l „du n a h m s t " = an. nam-t, aber ahd. as. näm-i. Das Femininum der Participia Praes., das im Idg. auf -i ausging, ist im Got. und Nord, mit einem Suffix -In- versehen worden, während es im Westgerm. -jö-Stamm ist. Beispiel: got. nimandei (Stamm nimandein-) — an. nemande (Stamm *nemandin-) gegenüber ahd. nemantiu = as. nemandi = ags. nimende (Stamm westgerm. *nimandjö-). Gemeinsam ist dem Got. und Nordgerm, ferner die große Verbreitung der Verba incohativa auf -nan ( I I § 88), besonders deren Ableitung auch von Adjektiva, z. B. got. fullnan „voll werden" (zu fulls „voll") = an. follna (: fullr). Auffallend ist endlich, daß die Verba tun, gehen, stehen (ahd. tuon, gän, stäri) dem Nord- und Ostgerm, fehlen. Derartige Gemeinsamkeiten zwischen Nord- und Ostgermanisch müssen sich herausgebildet haben, als beide noch im skandinavischen Bereich benachbart waren. Ihre Sonderentwicklung setzte erst nach der Südwanderung der Ostgermanen ein. E s besteht also durchaus eine gewisse Berechtigung, das Nord- und Ostgerm, gegenüber dem Westgerm. als enger verwandt zusammenzufassen (vgl. § 10). § 19. Sehr viel weniger charakteristisch ist eine Anzahl von grammatischen Eigentümlichkeiten, die dem N o r d - u n d W e s t g e r m a n i s c h e n (im Gegensatz zum Ostgerm.) gemeinsam sind. Sie liegen zumeist auf lautlichem Gebiet und dürfen schon deshalb als relativ jung und sekundär gelten. Am auffallendsten, aber phonetisch leicht verständlich, ist noch der Übergang von anlautendem pi- in fl-. Dem got. pliuhan „fliehen" entspricht ahd. as. fliohan, ags. fleon und
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ebenso an. flyia (§ 105). Das germ. e ( = idg. e, § 31), welches im Got. erhalten blieb, wurde im Nord- und Westgerm, zu ä. Got. letan „lassen" = as. lätan, ahd. läj^an, an. lata. Die Diphthonge ai und au sind im West- und Nordgerm, in Nebensilben zu e und ö monophthongisiert worden (§ 127), während sie im Got. noch erhalten sind. Got. hilpais „du mögest helfen" = ahd. helfes = an. hialper ( < urnord. *helpeft). Germ, au liegt vor im Gen. Sing, der w-Stämme; vgl. got. sunaus „des Sohnes" mit ahd. fridoo „des Friedens" und an. sonor ( < urnord. *sunöR) „des Sohnes". Im absoluten Auslaut wurde germ. -5 ( = idg. -ä und -5) im Nord- und Westgerm, zu -u, im Got. aber zu -a gekürzt: germ. *ge6ö = anord. gigf < *gebu, ags. giefu = got. giba; germ. *herö = ags. ieoru, as. ahd. biru = got. baira (§ 12(5,3). Der germ. stimmhafte 2-Laut blieb im Got. (inlautend) erhalten; im Nord- und Westgerm, ging er in r über. Got. maiza „mehr" = ahd. mero = an. meire. Auf dem Gebiet des Pronomens haben das West- und Nordgerm, durch Anfügung von -se an den altererbten Demonstrativstamm (II § 38) ein neues Demonstrativum „dieser" geschaffen, das dem Got. fremd ist: ahd. dese „dieser" = mnd. dese ( < as. *these) = ags. pes; an. ßesse. Alle diese Gemeinsamkeiten sind nicht besonders merkwürdig und kaum beweisend für einen engeren Zusammenhang des Nord- und Westgermanischen. Dasselbe gilt z. B. auch von dem ¿-Umlaut (§37), dessen Ausgangsgebiet die südliche Nordseeküste ist und den das Westgerm, in gleicher Weise wie das Nordgerm, durchgeführt hat, aber erst, als das Got. zeitlich und räumlich von dieser Neuerung nicht mehr erreicht werden konnte. §20. Noch sehr viel geringer sind die Gemeinsamkeiten, die das W e s t g e r m , mit dem O s t g e r m , (im Gegensatz zum Nordgerm.) teilt.
Umfang und Aufgabe der germanischen Sprachwissenschaft 39 Man hat etwa auf die Ausbildung eines durch -ss- charakterisierten Suffixes zur Bildung von Abstrakta hingewiesen, das im Got. als -assus, im Westgerm, als ags. -ess, ahd. as. -issi, -assi u. ähnl. erscheint und dem Nordgerm, unbekannt ist, z. B. got. ibnassus „Gleichheit" (: üms ,,eben") — ägs. emness (: efn), as. etmissi (: ebari). Dazu eine durch ein wElement erweiterte Form: got. waninassus „Mangel" (: warn „mangelnd") — ags. lyfness „Erlaubnis" (: gelyfan „glauben"), as. gi-liknissi „Bild, Gestalt" (: gi-llk „gleich"), ahd. einnissi „Einheit" (: ein „ein"). Diese und einige wenige andere Übereinstimmungen zwischen Ost- und Westgerm, sind jedoch zu vereinzelt und zu wenig charakteristisch, um nähere Beziehungen zwischen beiden Gruppen erweisen zu können. Nicht hierher gehörig sind gewisse Übereinstimmungen, die das Got. mit dem Deutschen, speziell dem Hochdeutschen (nicht aber mit dem Anglo-Friesischen) teilt. Sic sind wahrscheinlich sekundärer Natur; vgl. darüber etwa C. Karstien, Histor. deutsche Grammatik I (Heidelberg 1939) 14ff.
3. Umfang und Aufgabe der Germanischen Sprachwissenschaft § 21. Wie zuvor auseinandergesetzt (§ 12ff.), beginnt die Überlieferung des Germanischen erst verhältnismäßig spät und zwar in der Weise, daß überall schon die fertigen Sonderdialekte (Got., An., Ahd. usw.) vorliegen. Ältere und umfassendere Sprachphasen, zumal ein ungegliedertes „Urgermanisch", sind in zusammenhängenden Denkmälern nicht erhalten. Ein dialektfreies „Urgermanisch" hat es übrigens niemals gegeben, und man tut — um Mißverständnissen zu entgehen — besser, diesen Ausdruck ganz zu vermeiden; richtiger spricht man für die „vorliterarischen" Perioden von „Alt-, Früh- (oder u. U. auch Gemein-) Germanisch". Dieses
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Allgemeiner Teil
vor der schriftlichen Überlieferung liegende Altgermanische kann — ähnlich wie die idg. Grundsprache (§ 1) — nur durch Kekonstruktion wiedergewonnen werden. Die Behandlung der seit Beginn der Überlieferung auftretenden Einzeldialekte als solcher ist Aufgabe der Einzelgrammatiken, also der Gotischen, Altnordischen, Angelsächsischen, Altfriesischen, Altsächsischen und Althochdeutschen Grammatik. Diese Einzeldialekte bilden aber gleichzeitig die eine Ausgangs* und Grenzlinie der G e r m a n i s c h e n Sprachwissenschaft, wie wir sie in der vorliegenden Darstellung verstanden wissen möchten. Die Grenzlinie auf der a n d e r e n Seite bildet die durch systematische Vergleichung aller idg. Einzelsprachen in ihren Hauptzügen rekonstruierte idg. Grundsprache. Daraus ergibt sich Umfang und Aufgabe der Germanischen Sprachwissenschaft. Sie hat die historische Entwicklung des Germanischen zu zeichnen vom Idg. her über die vorliterarischen Perioden des Altgermanischen und die ebenfalls (vom Urnord. abgesehen) noch vorliterarischen Komplexe des Nord-, Ostund Westgermanischen bis an den Beginn der Überlieferung der Einzeldialekte heran. Es ist also jeweils zunächst der idg. Zustand zu beschreiben; mit diesem sind sodann die altgerm. Verhältnisse, wie sie auf Grund der Vergleichung der späteren Einzeldialekte vorauszusetzen sind, zu vergleichen. Die somit erläuterten gemeingerm. Sprachformen und Spracherscheinungen sind dann weiter in die Phasen des West-, Nordund Ostgermanischen hinein zu verfolgen und auch noch die wichtigsten Züge der Fortentwicklung in den historisch bezeugten Einzeldialekten aufzuzeigen, um auf diese Weise sozusagen den Darstellungen der Einzelgrammatiken ,,die Hand zu reichen".
Die Quellen der Germanischen Sprachwissenschaft
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4. Die Quellen der Germanischen Sprachwissenschaft § 22. Für die Lösung der im Vorangehenden skizzierten Aufgaben stehen der Germanischen Sprachwissenschaft folgende Hilfsmittel und Quellen zur Verfügung: 1. Die ältest bezeugten Sprachphasen der germ. Einzeldialckte und deren methodische Vergleichung. So führen z. B. die einzeldialektischen Formen umord. -gastiR (an. gestr), got. gasts, ags. giest, as. ahd. gast zum Ansatz eines frühgerm. *gastiz „Gast". Der Vergleich dieser „Grundform" mit den daraus erwachsenen Wörtern der Einzeldialekte lehrt eine ganze Reihe von Zügen der lautlichen Fortentwickelung. 2. Die durch Vergleichung der idg. Schwestersprachen gewonnenen Formen der idg. Grundsprache. ' Die durch Vergleichung von lat. hostis, abulg. gostö (und germ. *gasiiz) gewonnene Form idg. *ghostis „Fremdling" zeigt beispielsweise den Übergang von idg. ö zu germ. ä (§ 30), von idg. gh zu germ. g (§ 64) u. a. m. 3. Eine Anzahl von germ. Wörtern und Eigennamen, die bei griech. und lat. Schriftstellern aus der Zeit vor der german. Eigenüberlieferung bezeugt sind 1 ). Die seit Caesar und bis etwa um 500 n. Chr. überlieferte Form Suevi, Suebi (gr. loufjßoi) zeigt z. B. einerseits durch den Wechsel v/b den spirantischen Charakter des germ. b (§ 64), andrerseits, daß der Übergang von germ. e zu westgerm. ä (§ 31) damals noch nicht vollzogen war (erst seit etwa 500 n. Chr. taucht die Form Suäbi „Schwaben" auf). 4. Die frühzeitig aus dem German, ins Finnische übernommenen Lehnwörter (§ 9). Das finn. vantus „Handschuh" bietet z. B. die noch fast unveränderte frühgerm. Form des an. VQUT und erklärt den darin vollzogenen Wandel a > Q als M-Umlaut (§ 38). — Ähnliches J ) Vgl. J. W. Marchand, Names of Germanlc Orlgln In Latin and Romance Sources in the Study oi Germanic Phonology = Names 7 (1959) 167—181.
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gilt von einer Anzahl genn. Lehnwörter in anderen Sprachen, z. B. im Litauischen. 5. Die aus anderen Sprachen in das Germanische übernommenen Lehnwörter. Got. aikklesjö „Kirche" (aus griech. iwAiiaia) illustriert z. B. die Aussprache des got. ai als e-Laut und zeigt, daß noch in historischer Zeit ä-Stämme in die «-Deklination (Stamm aikklesjön-) übergeführt werden konnten. 6. Eine Anzahl „vorliterarischer" Inschriften. Vor allem gehören hierher die älteren Runeninschriften, in erster Linie die „urnordischen" (§ 15); sodann das älteste bisher bekannte german. Sprachdenkmal, eine kurze Inschrift auf einem Helm aus Negau in der Steiermark. Sie ist geschrieben in einem sog. ,.nordetruskischen" Alphabet und stammt noch aus vorchristl. Zeit. Die beiden deutbaren Wörter harigasti leiwa (wohl = „dem Gotte Harigast") zeigen u. a., daß damals die german. Lautverschiebung bereits vollzogen war, desgl. der Wandel o > ä.
5. Die wichtigsten Merkmale des Germanischen § 23. Bevor im folgenden Abschnitt mit der systematischen Darstellung der german. Grammatik begonnen wird, seien hier die hauptsächlichsten Charakteristika, welche dem German, seit frühester Zeit eigen sind, zusammenfassend aufgezählt. Durch sie unterscheidet sich das Germ, von allen anderen idg. Sprachen und wird so eigentlich erst als selbständiger Zweig aus der Gesamtheit des Idg. herausgehoben. 1. Die Festlegung des idg. freien W o r t a k z e n t e s auf die erste Silbe eines jeden Wortes (§ 27). 2. Die sog. erste oder german. L a u t v e r s c h i e b u n g (§ 59ff.), durch welche eine Anzahl dem Idg. bis dahin frem-
Die wichtigsten Merkmale des Germanischen
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der Konsonanten (die stimmlosen und stimmhaften Spiranten) entstehen. 3. Die Entwicklung der idg. s o n a n t i s c h e n L i q u i d e n u n d N a s a l e r, m, n zu ur, ul, um, un (§ 33). 4. Der Z u s a m m e n f a l l d e r V o k a l e ä und ö in ä und ä und ö in 5 (§ 30f.). 5. Die A u s l a u t s g e s e t z e (§ 112ff.), durch welche gewisse Konsonanten und Vokale im Auslaut der Wörter verloren gehen bzw. verändert werden. G. Der systematische Ausbau der aus dem Idg. ererbten A b l a u t s e r s c h e i n u n g e n (§ 54). 7. Der S y n k r e t i s m u s einer Reihe von K a s u s in der Nominal- und Pronominaldeklination (II § 1). 8. Der Ausbau der w - D e k l i n a t i o n beim Substantiv (II § 26), die sog. „schwache" Substantiv-Deklination. 9. Die Ausbildung und Scheidung einer s t a r k e n u n d s c h w a c h e n A d j e k t i v - D e k l i n a t i o n (II §49). 10. "Der V e r l u s t m e h r e r e r F o r m e n k a t e g o r i e n , namentlich auf dem Gebiete der Tempora und Modi, b e i m V e r b u m (II §68). 11. Die Schaffung eines „ s c h w a c h e n " (II § 90).
Praeteritums
Lautlehre §24. A l l g e m e i n e V o r b e m e r k u n g e n . Wie die Vergleichung einer Stufe der Sprachentwickelung mit einer früheren, z. B. des Gotischen mit dem Frühgermanischen oder des Frühgerm, mit dem Idg., zeigt, ist der Sprachstoff (Laute, Formen usw.) im Laufe der Zeit mannigfachen V e r ä n d e r u n g e n unterworfen. Diese Veränderungen vollziehen sich nicht willkürlich, sondern nach bestimmten Gesetzen, die man auf dem Gebiet der Lautlehre „ L a u t g e s e t z e " nennt.
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Lautlehre
Zwei verschiedene Arten von Lautwandel sind zu unterscheiden: 1. Ein bestimmter Laut kann in j e d e r Stellung (unabhängig von seiner Umgebung im Wort) in einen anderen übergehen. So wurde z. B. idg. n im Germ, unter allen Umständen zu un; oder idg. b, d, g wurden im Germ, stets zu p, t, k. In solchen Fällen spricht man von s p o n t a n e m Lautwandel. — 2. Ein bestimmter Laut geht nur u n t e r g e w i s s e n B e d i n g u n g e n , nämlich nur in (mittelbarer oder unmittelbarer) Nachbarschaft bestimmter anderer Laute in einen anderen über. So wird germ. ä in den meisten Dialekten zu >", wenn ursprünglich ein i oder j in der nächsten Silbe stand („¿-Umlaut", § 37), während es vor anderen Lauten unverändert blieb; oder germ. 5, d, g_ wurden zu h, d, g, wenn ein Nasal unmittelbar vorherging (§ 64), während sie in anderer Stellung zunächst spirantisch blieben. In solchen Fällen spricht man von k o m b i n a t o r i s c h e m Lautwandel. Hierher zu rechnen sind auch diejenigen Fälle, wo nicht ein benachbarter L a u t , sondern der A k z e n t als treibender Faktor für einen Lautwandel im Spiele ist. So wurden germ. f,p, h, s nur dann zu 5, d, g, 2 „erweicht", wenn ihnen der idg. Wortakzent nicht unmittelbar vorausging („Vernersches Gesetz", § 02). Häufig ist die Behandlung eines Lautes verschieden, je nachdem er in einer b e t o n t e n (d. h. im German, in einer ersten) Silbe steht oder in einer n e b e n t o n i g e n Silbe. Vor allem betrifft das die Vokale, deren Schicksale daher je nach ihrer Stellung in Ton- oder Nebentonsilben getrennt darzustellen sein werden. Eine besondere Behandlung erfuhren außerdem im Germ, die Vokale und auch gewisse Konsonanten im Auslaut der Wörter; darüber geben die „Auslautsgesetze" Auskunft (§ 112 ff.). Die Wirkung der Lautgesetze blieb nicht immer unangetastet. Manchmal sind „Störungen" eingetreten. Unter ihnen ist am wichtigsten die A n a l o g i e . Auf Grund des Vernerschen
I. Betonung
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Gesetzes (§ 62f.) sollte es z. B. im Got. heißen wairpa, warf, *waürdum, *waürdans ( = „werde, ward, wurden, geworden"); es heißt jedoch in Wirklichkeit wairpa, warp, waürpum, waürpans, d. h. der lautgesetzliche Zustand ist hier durch den analogischen Einfluß des p der beiden ersten Formen gestört bzw. beseitigt worden, indem man in allen Formen desselben Paradigmas den gleichen Konsonantismus durchführte. Derartige Erscheinungen nennt man, wenn sie—wie hier —innerhalb eines Flexionsparadigmas (bei Nomen oder Verbum) vorkommen, auch „Systemzwang". I. Betonung §25. S t e l l u n g u n d A r t des A k z e n t s . Die Betonung (der Akzent) dient zur Hervorhebung sprachlicher Einheiten innerhalb einer Summe solcher Einheiten bzw. innerhalb einer höheren Einheit. Es gibt in diesem Sinne einen Satz-, Wort- und Silbenakzent. Der S a t z a k z e n t hebt innerhalb eines Satzes ein bestimmtes W o r t hervor, z. B. „ W e r hat das gesagt?" oder „Das hat niemand b e h a u p t e t " . Der W o r t a k z e n t hebt innerhalb eines Wortes eine bestimmte S i l b e hervor, z. B. in griech. ttiot6s trägt die letzte, in nhd. vater die erste, in lat. or&tor die zweite Silbe den Wortakzent. Der S i l b e n a k z e n t hebt innerhalb einer Silbe einen bestimmten L a u t hervor. Dieser Laut ist der Silbenträger (meist der Vokal der betr. Silbe); so trägt in nhd. binden in der Silbe bin- das i den Silbenakzent. Es ist der Silbenträger oder Sonant, während 6 und n nur Kon-sonanten „ M i t - L a u t e r " sind. Auch in den Diphthongen ist stets der eine Teil stärker betont als der andere, so in nhd. auge das a, während das u (streng genommen) nicht Sonant, sondern auch nur Konsonant ist. Grundsätzlich sind zwei A r t e n von Betonung zu unterscheiden: die d y n a m i s c h e ( o d e r exspiratorische = „Druck") und die m u s i k a l i s c h e Betonung ( = „Ton"). Im ersteren
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Lautlehre
Falle geschieht die Hervorhebung dadurch, daß das betr. Sprachgebilde mit stärkerem Atemdruck (Exspiration), im zweiten Falle dadurch, daß es mit größerer Tonhöhe gesprochen wird. Meistens sind in ein und derselben Sprache beide Betonungsarten miteinander verbunden, jedoch so, daß die eine von beiden vorherrschend ist, so daß man am richtigsten von „ v o r w i e g e n d musikalischer" bzw. „ v o r w i e g e n d dynamischer" Betonung spricht. Vorwiegend musikalisch ist z. B. der altgriechische Akzent, auch der mancher nhd. Mundarten (z. B. des Sächsisch-Thüringischen); vorwiegend dynamisch ist wahrscheinlich die Betonung des Lateinischen (wenigstens in einer bestimmten Periode) gewesen, auch viele nhd. Mundarten (vor allem die norddeutschen) haben vorwiegend dynamischen Akzent. § 26. Der S a t z a k z e n t . Vom idg. Satzakzent wissen wir n u r wenig. Bemerkenswert ist, daß gewisse Wörter niemals den Satzakzent h a t t e n und sich infolgedessen eng an ein folgendes (Proclitica) oder vorausgehendes Wort (Enclitica) anlehnten. Sie bildeten mit dem betr. Wort eine Toneinheit. Diese Eigentümlichkeit h a t sich auch im Germ, erhalten. Ein Encliticon war z. B. idg. *-qve „ u n d " (lat. -que, gr. TE, ai. ca), das auch im Germ, als Encliticon erhalten i s t : got. -uh (z. B. haz-uh „ j e d e r " ; vgl. lat. quis-que); wäre dieses *-q"e > -uh ein selbständiges (eigentoniges) Wort gewesen, so h ä t t e es im Germ, nicht seinen Silbenträger (das e) verloren. Aus Proclitica sind z. B. die meisten unserer Praeverbia erwachsen, so etwa der erste Bestandteil von ahd. fur-liosan „verlieren" (auch for-leosan, fir-liasan, fer-liesen); aus dem Mangel an Eigentonigkeit erklärt sicK der unfeste Vokalismus dieser Praeverbien. § 27. Der idg. W o r t a k z e n t kann mit Hilfe derjenigen Sprachen erschlossen werden, welche ihn einigermaßen getreu bewahrt haben und ihn in der Schrift bezeichnen. Das sind vor allem das älteste Indische (Vedisch) und das Litauische,
I. Betonung
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bis zu einem gewissen Grade auch das Griechische, soweit nämlich das dort wirksam gewordene neue Betonungsgesetz („Drei-Silben-Gesetz") den alten Akzent noch erkennen läßt. Ein indirektes Zeugnis bietet zudem das German, in Gestalt der Wirkungen des „Vernerschen Gesetzes" (§ 62). Der idg. Wortakzent war seiner S t e l l u n g nach grundsätzlich f r e i , d. h. er konnte nach bestimmten Regeln auf Silben aller Art (Wurzelsilben, Wort- und Stammbildungselementen, auch auf Flexionsendungen) stehen. Was die Bet o n u n g s a r t betrifft, so muß das Idg. — und zwar zu verschiedenen Zeiten— beide Möglichkeiten, die musikalische und die dynamische Betonung, gekannt haben. Das ergibt sich vor allem aus den Erscheinungen des Ablauts. Die Schwundstufe, d. h. Quantitätsverlust kann nur die Wirkung eines stark dynamischen Akzentes sein; dagegen kann die Abtönung, die Verdumpfung eines e oder a zu o nur in einer Periode vorwiegend musikalischer Betonung entstanden sein (Beispiele in § 53). Den überkommenen idg. Akzent hat das G e r m a n i s c h e grundlegend verändert: es hat die Möglichkeit des „freien" Akzentes völlig aufgegeben und ihn festgelegt auf die jeweils e r s t e S i l b e eines Wortes (Anfangsbetonung oder InitialAkzent). Diese Regelung kann jedoch noch nicht in der allerältesten Periode des Germanischen eingetreten sein, denn das Vernersche Gesetz (§ 62) setzt noch das Vorhandensein der altidg. Betonungsweise voraus. Andrerseits aber muß die Festlegung des Akzentes auf die erste Silbe erfolgt sein, bevor die V e r b a l k o m p o s i t a als einheitliche und zusammengehörige Gebilde entstanden, denn diese betonen nicht auf dem kompositionellen Vorderglied, sondern auf der Wurzelsilbe des Verbums. Daher betont noch das Nhd. z. B. vergehen, entlassen, begleiten usw. Die N o m i n a l k o m p o s i t a dagegen waren zur Zeit jener Akzentregelung schon ihre feste Verbindung eingegangen; daher rühren noch heute Gegensätze wie nhd. er-
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Lautlehre
teilen, aber ür-teil oder cr-laüben, aber ür-laub. Unter dem Akzent blieb das u des Praefixes erhalten (so in den Nominalkomposita), während es in unbetonter Stellung (in den Verbalkomposita) zu e geschwächt wurde. Die friihgerm. Festlegung des Wortakzentes auf die erste Silbe hatte mehrere wichtige Folgen. U. a. wurde dadurch erst die germ. S t a b r e i m d i c h t u n g ermöglicht. Ganz besonders bedeutsam für das Gepräge der ganzen Sprache aber wurde die durch den Initialakzent bedingte allmähliche Abs c h l e i f u n g der a u s l a u t e n d e n Silben (vgl. unter Auslautsgesetze, § 117 ff.). Aus dem starken Verfall der Endungen ergibt sich gleichzeitig, daß die Natur des germ. Wortakzentes eine vorwiegend dynamische gewesen sein muß. Der Atemdruck wurde gleichsam im wesentlichen schon für die erste Silbe eines jeden Wortes verbraucht, so daß für die folgenden nur noch ein sehr viel schwächerer Druck zur Verfügung stand, der ihre allmähliche Verkümmerung zur Folge hatte. § 28. Deridg. S i l b e n a k z e n t war von zweierlei Art; es gab einen S t o ß t o n und einen S c h l e i f t o n , die sich am besten in den Endsilben demonstrieren lassen, und zwar in erster Linie mit Hilfe des Griechischen und Litauischen, die beide in der schriftlichen Bezeichnung die einzelnen Arten unterscheiden. 1. Der g e s t o ß e n e ( a k u i e r t e ) Ton stand auf Kürzen und Längen (auch Diphthongen), z. B. idg. *algvha = gr. io (§ 32). §37. D e r ¿ - U m l a u t . Durch ein i oder j der folgenden Silbe wurden im West- und Nordgerm. die Vokale a und ä, 5, u und ü sowie die «-Diphthonge „umgelautet". Dieser „¿-Umlaut" ist verhältnismäßig jung, jünger jedenfalls als der Wandel e > i (§ 35) und die Brechung von ¿ und u (§ 36), und ist auch nicht überall gleichzeitig eingetreten. Das Got. wurde von dieser Lautneigung überhaupt nicht mehr erreicht. In älterer Zeit ist nur der Umlaut a > e auf dem gesamten nord- und westgerm. Gebiet auch schriftlich bezeichnet worden; der Umlaut der übrigen Vokale wird im Deutschen, obwohl schon in der ahd. und as. Periode eingetreten, erst im Mhd. bzw. Mnd. schriftlich zum Ausdruck gebracht1). Germ, a ( < idg. a, o, s) wurde nord- und westgerm. zu e. Dieses e war im Ahd. (und auch noch im Mhd.) von dem alten e ( = idg. e, i) klanglich verschieden und wird deshalb in der Schrift vielfach durch e (oder e) bezeichnet. Got. satjan „setzen" = an. setia, ags. settan, afries. setta, as. settian, ahd. sezzen. — got. baliza „besser" = an. betre, ags. betra, afries. betre, as. beta.ro, ahd. bey$iro. Dieser Umlaut trat im Norden früher ein als im Süden. Im Ahd. wird er erst im 8. Jh. in größerem Umfang durchgeführt. So wurde germ. *gastiz „Gast" ( = urnord. -gastiR) im An. zu gestr umgelautet; im Ahd. und As. aber blieb in gast das a erhalten, weil hier das umlautbewirkende i der zweiten Silbe schon geschwunden war (§ 121), als die Welle des ¿-Umlautes die ahd. bzw. as. Sprache erreichte. ') Zum t-Umlaut: O. Höfler, Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Sprache u. Lit. 77 (1955) 20ff.; St. Sonderegger, Kratylos 4 (1959) 1 - 1 2 .
II. Vokalismus
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West- und nordgerm. ä ( < idg. e) wurde durch ¿-Umlaut im An. und Ags. zu &, während im As. und Ahd. (wenigstens in der Schrift) noch ä erscheint und s erst im Mhd. auftritt. *märi- „berühmt" ( < germ. *meri-\ vgl. got. merjan „verkündigen") = an. mSrr, ags. miete; as. ahd. märi (mhd. mSre). — Das im Ags. aus germ. ai entstandene ä (§ 32) wird gleichfalls zu £ umgelautet: ags.hslan „heilen" (zu häl „heil") = got. hailjan (zu hails). Germ. 5 ( < idg. ä, 5) wurde durch ¿-Umlaut im An. zu o (geschr. e), im Ags. (über o) zu e. Das As. schreibt noch das nicht-umgelautete ö, das Ahd. ebenso wo. Got. sökjan „suchen" = an. sekia; ags. secan (auch afries. seka); as. sökian, ahd. suohhen. Im Mhd. wird üe für umgelautetes ahd. uo geschrieben: ahd. guoti, (as. gödi) „Güte" = mhd. güete. — Der Umlaut des im Ahd. vor Dentalen und altem h (§ 41) neuentstandenen ö (< ou, au) erscheint im Mhd. als es: mhd. heeher = ahd. höhiro (got. havhiza) „höher": mhd. hoch, ahd. höh „hoch" (= got. hauhs). Germ, u ( < idg. u und r, ¡, m, n) wird durch i'-Umlaut im An. und Ags. zu y (das auch im Ags. in der älteren Zeit den Lautwert ü hatte), während im As. und Ahd. zunächst noch u geschrieben wird (mhd. ü). Got. pugkjan „dünken" = an. pykkia, ags. pyncan\ as. thunkian, ahd. dunchen (mhd. dünken). Germ, ü (= idg. M) wurde im An. und Ags. zu y\ im As. und Ahd. steht noch ü (mhd. iu = ü). An. myss (zu mü$ „Maus") = ags. mys = as. ahd. müsi „Mäuse" (mhd. miuse). Germ, au ( < idg. au, ou) wird im An. zu ey, das im Ags. aus au entstandene ea zu le (später l, y) umgelautet; der Umlaut des im As. entstandenen 5 bleibt ebenso wie der des ahd. ou zunächst unbezeichnet (mhd. öu). Got. hausjan „hören" = an. heyra, ags. hieran (Uran, hyran). — got. haubiß „ H a u p t " = as. höhid, ahd. houbit (mhd. hövibet neben houbet). Das aus germ. eu, iu ( < idg. eu) hervorgegangene ags. eo wird durch ¿-Umlaut (wie ea) zu le (später i, y). Got. liühtjan „leuchten" = ags. liehtan (lihtan, lyhtari).
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Lautlehre § 38. D e r u - U m l a u t .
Das Nordgerm. und das Ags. (nicht aber die deutschen Dialekte) kennen neben dem Umlaut durch t , j auch einen solchen durch u (und iv) der Folgesilbe. Die Vorgänge sind jedoch im An. und Ags. nicht ganz gleichartig. 1. Im An. werden durch ein u der Folgesilbe die Vokale a und ä, durch ein w der Folgesilbe auch e, i, t und ei umgelautet. a > g (kurzer offener ö-Laut). Got. handum „den H ä n d e n " — an. hgndom. — got. saggws „ S a n g " = an. sQngr. ä > q (langer offener ö-Laut). As. ätum, ahd. ä^um (got. etum) „wir a ß e n " = an. qtom. e > ö (geschr. 0). Germ. *ganvjan (vgl. ahd. garieen) „ber e i t e n " > an. *gerwa (a > e durch ¿-Umlaut) > garua. Der ¿-Umlaut ist also älter als der w-Ümlaut. i> y. Got. siggwan „singen" = an. syngua. 1 > y. Urnord. *mkwan „weichen" (vgl. ahd. wlhhan, as. 1cikan) > an. *wykwa > ykua. ei (— germ. ai) > ey. Germ. *aiwa „ i m m e r " (vgl. got. ni-aiw „niemals") = an. ey. 2. In allen ags. Dialekten wurden e und i vor Liquiden und Labialen zu eo bzw. io diphthongiert, wenn in der Folgesilbe ein u stand. Ähnlich wurde auf einem Teilgebiet des Ags. (hauptsächlich im Mercischen) vor einem u der Folgesilbe a zu ea diphthongiert. e > eo. Ahd. ebur, as. ebur „ E b e r " = ags. eofor. i > io. Got. silubr, as. silubar „Silber" = ags. siolufr, siolfor. a > ea. Ahd. habuh, as. habuk „ H a b i c h t " = ags. (merc.) heafoc (sonst hafoc). §39. D i e B r e c h u n g des a im Ags. Nur im Ags. wird germ. a vor r,l,h-\Konsonant und vor einfachem h zu ea „gebrochen". Dieses ea ist gleichwertig mit dem im Mercischen durch w-Umlaut entstandenen (§ 38).
II. Vokalismus
61
Got. nahts, ahd. as. naht „Nacht" = ags. neaht; got. arms, ahd. as. arm „Arm" = ags. earrn. §40. Die B r e c h u n g des e im A l t n o r d i s c h e n . Nur im An. wird germ. e durch Brechung diphthongiert und zwar 1. durch ein schwachtoniges a der Folgesilbe zu ia (ja), 2. durch ein schwachtoniges u (oder w) der Folgesilbe zu
»e (je)e > ia. As. hetyan „helfen" = an. kialpa; as. herta „Herz" = an. hiarta. e > ig. Urnord. *meku „viel" > an. miqk; as. bergum „den Bergen" = an. bigrgom. §41. Die M o n o p h t h o n g i s i e r u n g Von ei u n d ou im Ahd. Während im As. die aus germ. ai und au entwickelten ei und ou stets zu e bzw. 5 monophthongisiert wurden (§ 32), vollzog das Ahd. einen gleichen Wandel nur unter bestimmten Bedingungen. Ahd. ei wurde zu e vor h, r oder w. Got. aihts „Eigentum" = ahd. eht; got. maiza, an. meire „größer" = ahd. (und as.) mero; got. saiwala „Seele" = ahd. seula > sela (as. seola). Ahd. ou wurde zu ö vor allen Dentalen und germ. h. Got. daupus, an. daude „Tod" = ahd. töd (as. död); got. an. laun „Lohn" = ahd. (und as.) lön; got. hauhs „hoch" = ahd. (und as.) höh. ß) Quantitative Veränderungen §42. V o k a l d e h n u n g d u r c h N a s a l s c h w u n d vor h. Schon gemein-germ. schwand vor h der gutturale Nasal (w), wobei gleichzeitig ein vorangehender kurzer Vokal — gleichsam als Ersatz — gedehnt wurde („Ersatzdehnung"). In Betracht kommen die Gruppen -awh-, -wh- (auch -enh- war nach § 35 zu 4vh- geworden 1) und -uwh-.
62
Lautlehre
-anh- > -äh- (ags. -öh-). Germ. *branh-tö „brachte" (Praet. zu got. briggnn usw. „bringen") = got. as. ahd. brähta, ags. bröhte. Ebenso *pawh-tö „dachte" (zu got. pagkjan usw. „denken") -- got. pähta, as. thähta, ahd. dähta, ags. pöhte, an. Pätta (mit tt < ht). Wegen des Wechsels h: g vgl. §88. Auf diesem Wege entstand im Germ, ein neues ä, während idg. ä (§ 31) zu germ. ö geworden war. -inh- > -ih-, Germ. *pivh-5 „gedeihe" ( < idg. *tenkö; vgl. lit. tenkü „habe genug"] = got. peiha, as. thihu, ahd. dihu. Ebenso got. preihan „drängen", preihsl „Bedrängnis", mhd. drihe „Stecknadel" < germ. *prinh-; zu lit. trenkiü „stoße", ahd. dringan „drängen". — Germ. *sinh- „seihen" (vgl. ai. sincämi „gieße aus") in ahd. sihan — an. sia ( < *siha). -uvh- > -üh-. Germ. *punh-lö „dünkte" (Praet. zu got. Pugkjan usw. „dünken") = got. pühta, ags. pühte, as. Ihühia, ahd. dühta; an. pötta. Ebenso got. jükiza < *junhizan-, Komparativ zu juggs „jung". §43. V o k a l k ü r z u n g in g e s c h l o s s e n e r Silbe. In betonter Silbe trat vor Liquida oder Nasal + Konsonant Kürzung ursprünglich langer Vokale ein. Dabei ist nicht immer einwandfrei auszumachen, ob die Kürzung erst im Germ, oder schon in vorgerman. Zeit eintrat, denn auch verwandte Sprachen haben teilweise die gleiche Kürzung. Idg. *uentos „Wind" (vgl. ai. vänt- „wehend") > *uentos (vgl. lat. ventus) > germ. *mndaz — got. mtids, an. vindr, ags. afries. as. mnd, ahd. mnt. — idg. *persnä „Ferse" (vgl. ai. pärsnih „Ferse") = germ. *fersnö, ferznö (gekürzt auch lat. perna) = got. fairzna, ags. fiersn, as. fersna, ahd. fersana. c) Übersicht über die Entwicklung der germ. Tonvokale. § 44. (Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen die Paragraphen, in denen der betr. Lautwandel behandelt ist.)
Quelle
Germ.
Got.
An.
idg. a, o, a (30)
a
a (30)
idg. e (30)
e
t (30) ai (36)
idg. ¿(30) idg. e (35)
i
t (30) ai (36)
idg.«(30) idg. f, i, m, n (33) * germ, anh (42)
u
«(30) aü (36)
ä
ä (42)
idg. e (31)
e
e (31)
idg. et, Fremdwörter, redupl. Praet. (31) idg. i (31), idg. ei (32), germ. ink (42) idg. ä, ö (31)
h
e (31)
a (30) «(37), >0(38) g (38) e (30) 0(38) ia (40) ig (40) ¿(30) «(36) 2/(38) u (30> o(36) ?/ (37) ä (42) «(37) e (38) ä (31) « (37) 9(38) ¿(31)
ö
ö (31)
idg. ü (31) germ, nah (42)
ü
ö(3l)
idg. ai, o% (32) at
ai(32)
i
idg. au, ou (32) au
idg. eu (32)
eu
i(ge-
schr. ei, 31)
Ags.
As.
a (30) a (30) e (37) e (37) ea(38, 39) e(30) e (30) eo (38)
Ahd. a (30) «(37) e (30)
t (30) ¿(30) t (30) e (36) e (36) e (36) io (38) u (30) it (30) «(30) o(36) o(36) o(36) (ljihd. u. 37) y (37) ö(42) ä (42) ä (42) e (37) ( m h d . « , 37) ä (31) ( m h d . « , 37)
«(31, 37)
ä (31)
¿(31)
e (31) ea > ia > i'e (31)
i (31) V (38)
* (31)
i(3l)
ö (31) 0(37) •a (3i) ^ (37)
ö (31) e (37) ü (31) 5(37)
ö(3l)
ct ey au(32) au ey
(32) ä (32) (38) « ( 3 7 ) (32) ea (32) (37) ie (37)
w (3l)
¿(32) ö (32)
tu (32) tu (32) eo (32) t» (32) iö (32, ie (37) eo>to (32,36) 36)
¿(31)
MO (31) (mhd. u» 37) M (31) (mhd. iu = u. 37) ej(32) e (41) OM (32) ( > mhd. ou, 37) ö(41)(> mhd.37) i« (32) eo > io . (32,36)
64
Lautlehre
B. Der V o k a l i s m u s der N e b e n t o n s i l b e n In den Silben, welche nicht den Wortakzent tragen, d. h. im German, im allgemeinen in den nicht-ersten Silben (§ 27), machen die Vokale zum großen Teil die gleichen Veränderungen durch wie in den Tonsilben. Zu einem anderen Teil jedoch haben sie eine von dem Schicksal der Tonvokale abweichende Behandlung erfahren. Die wichtigsten dieser Abweichungen werden im folgenden aufgeführt. (Unberücksichtigt bleiben dabei die in den Dialekten vielfach schon auf Grund der Auslautsgesetze geschwundenen ursprünglichen Endsilben, über welche § 117ff.). a) Schicksale ursprünglicher Kürzen §45. Q u a l i t a t i v e V e r ä n d e r u n g e n . Idg. e ist in Nebensilben in viel größerem Umfang als in den Tonsilben (§ 30 und 35) zu i geworden. Mit gr. cöAivri „Ellenbogen" vgl. ahd. elina „Elle", mit dem Ausgang von ahd. lembir „Lämmer" < Hembiru < Hambezö den von lat. genera < *genezä, mit dem Ausgang von ahd. hanin „dem Hahn" den von gr. iroipivi„demHirten" •,got.mikils,as.mikil, ahd. mihhil „groß" < idg. *megelos (im Ablaut zu gr. ueyaAo-). Vor r ist altes nebentoniges e im Got. zu a geworden, während es sonst meist erhalten blieb bzw. zu i wurde: gr. Cnrip = got. ufar „über", aber an. yfer, ags. ofer, ahd. ubir; gr. TTocTEpcc „den Vater" = got. faclar, aber ags. faider, as. fader, ahd. fater. Idg. o hielt sich in Binnensilben, namentlich in der Kompositionsfuge, länger als in Tonsilben (vgl. § 30). Das lehren Eigennamen wie Ario-vistus oder Lango-bardi. Im West- und Nordgerm, ist altes o im Nebenton vor einfachem Nasal nicht wie im Got. zu a geworden, sondern als o oder u erhalten geblieben, so im Dat. Plur. der Ö-Stämme (idg. *-o-mis, vgl. abulg. rabomz „den Knechten"): an. dggom,
II. Vokalismus
65
dggum, ags. dagum, as. dagum, dagun, ahd. tagum, aber got.
dagam „den Tagen". Ebenso in der 1. Plur. Praes. (idg. *-o-mes, vgl. dor. cpipo^es „wir tragen"): an. berom, ahd. berumes „wir tragen", aber got. bairam. — Wenn aber auf den Nasal noch ein Konsonant folgte, so wurde auch im Westund Nordgerm, nebentoniges idg. o zu » : dor. q>ipov-ri „sie tragen" = got. bairand und auch ahd. berant. Im Ahd. ist die Gruppe ja zu e geworden: got. hafjan -= ahd. heffen „heben". Idg. d erscheint in Nebensilben, soweit es nicht geschwunden war (§ 46), im Germ, vielfach als w. Idg. 1. Plur. Perf. *(ue)urtdme ( = ai. vavrtimd) = got. waürpum,
ahd. wurtum
„wir
wurden". Ähnlich vielleicht lat. anas (Stamm anat-) „Ente" = ahd. anut < idg. *andt-.
§46. S c h w u n d k u r z e r V o k a l e (Synkope). 1. Schon voreinzelsprachlich ist in vielen Fällen idg. a in Mittelsilben geschwunden. Idg. *dhug%dter- „Tochter" ( = ai. dukiidr-, gr. Ouydnip) > *dhuhter- — got. daühtar, an. dötter, ags. dohlor, as. dohtar, ahd. tohter (ebenso z. B. lit. dukte); idg. *ghebhslä ( = gr. Ks
gr. (dor.) I O T Ä M „stelle" CTTOTÖS | < *sMs lat. stäre „stehen" slätus ) „stehend", idg. ä/5 — d. Idg. *bhä-lbhö-/bhi- „sprechen", gr. (dor.) 9äiii „sage" — 9 o) lübö „Liebe" lof „Lob" „Liebe", lof „ L o b " lolon „loben" lob „Lob"
un ( + Kons.) ur ( + Kons.) usw ga-bundi „Band" bundin „Garbe" bund 1 „Bund, gi-bund J Bündel" mhd. bunt „Fessel, Knoten"
un ur usw. ga-baurßs bwrpr „Gege-byrd burt" gi-burd gi-burt
Dehnstufe (én, èr usw.) : got. 6eresjös„Eltern", ahd. gi-bäri „beschaffen, passend", as. gi-bäri „das Gebaliren". 5. R e i h e : e(i) got. sitls „Sitz, Stuhl"
a satjan
Dehnstufe e anda-sets „verabscheuenswert" an. sigtull „Aufsteller" setia sät 1 ags. seil 1 settan | „setzen" sst [„Hinterhalt" as. se£ÄaZ|„Sitz" settian ahd. sedel J setzen ) gi-sä^i „Sitz"
Lautlehre
78 6. R e i h e a: got. graba „Graben an. grtf ags. grasf\ „Grab" as. graf sáiA.grab
o groba „Grube" l„Furche" gröf j„: me. gröfe j nrnd. gröve 1„ Grube" gruobaJ
Langvokalische Reihen: Idg. *dhe-/dhö- in got. ga-déps „Tat" ( = an. däd, ags. dsd, as. däd, ahd. tat) und ags. as. den, ahd. tuon „tun". — Idg. *stä-/sta- in got. ga-stößan „aufrecht erhalten"; an. stöd, ags. stöd, ahd. stuot „Pferdeherde" (eigentlich „Ort, wo Pferde stehen") und got. staps (— an. stapr, ags. stede, as. stedi, ahd. stat) „Stelle, Stätte". §57.
Suffix-Ablaut.
Die gleichen Ablautserscheinungen wie in den Wurzelsilben gab es seit idg. Zeit auch in A b l e i t u n g s s i l b e n , und zwar sowohl in Elementen der Wortbildung als auch in solchen der Flexionsstammbildung und in den Flexionsendungen selbst. Das Germanische hat diesen Zustand fortgesetzt und in den Wortbildungselementen sogar noch ausgebaut. 1. A b l a u t in f l e x i v i s c h e n S u f f i x e n . Mit gr. iroiuévos, f|ye|jóva, dycovos vgl. got. hanins „des Hahnes"*, hanan „den Hahn", tuggöns „der Zunge". — Mit dem Verhältnis von gr.
A n l a u t : idg. *por- „fahren, reisen" (gr. TropEuonai, lat. portäre) > got. ags. as. ahd. faran, an. afries. fara. — idg. *pelu- „viel" (vgl. ai. puru-, gr. ttoMs) > got. filu, an. fjgl-, ags. feolu, afries. felo, as. ahd. filu, filo. — idg. *pri- „lieb, lieben" (ai. priydh „lieb", priyä „ G a t t i n " ; abulg. prijati „günstig sein") > got. frijön, an. fria, ags. freon „lieben", as. fno-
82
Lautlehre
hin, mhd. vrien „freien, lieben". — I n l a u t : idg. *klep- „stehlen" (gr. KA£TTTCO, lat. depo) > got. hlifan. — Zu idg. *nepöt(ai. ndpät „Abkömmling", lat. nepös „Enkel") gehört an. nefe „Neffe, Verwandter", ags. nefa, afries. neva, as. ahd. nevo „Neffe, Enkel" (wegen v vgl. § 73). ph > f . A n l a u t : mit ai. phena- (< *phoino-) „Schaum, F e i m " vgl. ahd. feim, ags. färn „Feim". — I n l a u t : mit ai. sapha- „Huf, Klaue" vgl. an. höfr, ags. höf, ahd. huof „ H u f " . t > p (afries. as. th geschrieben; ahd. d nach § 74; im Inlaut an. ags. d, gelegentlich auch as. d neben th, nach § 74). A n l a u t : idg. *trejes „drei" (ai. trdyah, gr. Tpsis, lat. tres) = got. preis, an. prlr, ags. prie, afries. ihre, as. thrle, ahd. drie. — idg. *tü „ d u " (ai. Iv-am, lat. tu, dor. TU) = got. pu, an. ags. pü, afries. as. thu, ahd. du. — Mit ai. trna- „Grashalm", abulg. trönö „ D o r n " vgl. got. paürnus, an. ags. porn, afries. as. thorn, ahd. dorn „Dorn". — I n l a u t : idg. *uert- „wenden, sich verweilen" (ai. vdrtati „er dreht sich, verweilt", lat. vertö) = got. wairpan, an. verda, ags. xoeordan, afries. wertha, as. werthan, ahd. werdan „werdeil". — idg. *bhräter- „Bruder" (ai. bhrätar-, lat. fräler) = got. bröpar, an. bröder, ags. brödor, afries. bröther, as. brödar, ahd. bruoder. th>p. A n l a u t : zu gr. Tpe/co „laufe" ( < *threkhö, vgl. Fut. ep^ouou) gehört got. pragjan, ags. prxgan „laufen", am.präeil, ahd. drigil „Diener" (eigentl. „Läufer"). — I n l a u t : idg. *sketh-, slcdth- (vgl. gr. d-crKtieiis „unversehrt") liegt vor in got. skapis, an. skade, ags. sceada, afries. skatha, as. skatho, ahd. scado „Schade". % (h). A n l a u t : idg. *kmtöm „hundert" (ai. satdm, avest. satdm, lit. simtas — lat. centum, air. cet, tochar. känt) = got. ags. as. hund, ahd. hunt. — idg. *kerd-, hrd- „Herz" (lit. sirdis, abulg. srädöce — gr. Kap8(a, lat. cor, eordis) = got. hairtö, an. hjarta, ags. heorte, afries. herte, as. herta, ahd. herza. — I n l a u t : idg. *peku- „Vieh" (ai. pdsu, lat. pecü) = got. faihu „Geld", ags. feoh, as. fehu, ahd. fihu „Vieh". —
III. Konsonantismus
83
idg. *dikm „zehn" (ai. ddsa — gr. Sixot, lat. decem) = got. taihun, as. tehan, ahd. zehan. Für kh fehlen sichere Beispiele. i > j [ ( A ) . A n l a u t : idg. *kap- „nehmen, fassen" (lett. kämpiu „fasse" — lat. capio) = got. hafjan, an. hefja, ags. hebban, afries. hebba, as. hebbian, ahd. heffen „heben". — Mit ai. ketüh „Bild, Gestalt" vgl. got. haidus „Art und Weise", an. heidr „Würde", ags. häd, as. hed, ahd. heit „Stand, Rang" (nhd. Suffix -heitl). — I n l a u t : idg. *ueik- „kämpfen, siegen" (lit. ap-veikiü „bezwinge" — lat. vincö) = got. weihan „kämpfen", ahd. ubar-wehan „überwinden". — idg. *leuk- „hell, leuchten" (ai. röcate „leuchtet" — gr. Aeuköj „weiß", lat. lüx, lüeere) = got. liuhap, ags. leoht, as. ahd. lioht „Licht". kh>% (h). I n l a u t : idg. *kakhä „Ast" (ai. sakhä „Ast, Zweig", lit. sakä dass.) = got. hoha „Pflug" (Hakenpflug!), ahd. (Deminutiv) huohili. y?. Dieser Laut ist nur noch im Got. als solcher erhalten und wird dort durch die Ligatur h bezeichnet. Sonst steht im Anlaut hw- (wofür im Deutschen später w-), im Inlaut -h- (das im Nordgerm, und Anglofries. schwand). A n l a u t : idg. *q*od „was?" (lat. quod — ai. kdd) = got. ha, an. hvat, ags. hülset, afries. hwet, as. hwat, ahd. hwa^ ( > wa^). — Mit lat. quies „Rifhe", tran-quillus „ruhig" (idg. Basis *qvej,e-; vgl. auch altcech. cila „Weile") vgl. got. heüa, ags. hml, afries. hwlle, as. ahd. hwlla „Zeit, Weile" ; an. hvila „Ruhestätte". — I n l a u t : idg. *leiq„lassen" (gr. XeIttco, lat. re-linquö — lit. liekü „lasse") = got. leikan, ahd. llhan, as. far-lihan; an. liä, ags. on-leon, afries. IIa „leihen". — idg. *seq"- „folgen" (lat. sequor, gr. ettoucu — lit. sekü „folge", auch „wittere, spüre") = got. saihan „sehen" (ursprüngl. „mit den Augen folgen" bzw. „wittern, spüren"), as. ahd.sehan; an. afries.siä, ags.seon. qvh > (Weiterentwicklung wie bei q"). Inlaut: idg. *reiq*h-, roiqvh- „Reihe" (ai. rekhä „Linie") = ahd. rlhan „reihen", mhd. rihe „Reihe" (wegen des labialen Elementes
84
Lautlehre
vgl. ags. rätv „Reihe", dessen w in „grammat. Wechsel" mit ahd. h steht, § 63). A n m . : Schon vor der Lautverschiebung hatte qv sich einem im gleichen Wort stehenden Labial assimiliert und war zu p geworden, das dann wie altes p zu f verschoben wurde. Idg. *ulqvos „Wolf" (ai.vfkalj,, lit. vilkas — l a t . lupus) > *ulpos = got. wulfs, an. ulfr, ags. as. wulf, afries. ahd. wolf. — idg. *pemqve „ f ü n f " (ai. pdnca — gr. TT£VTS mit T < t f , lat. quinque) > *pempe = got. fimf, ags. afries. as. f l f , ahd. fimf, finf. §61. N i c h t e i n t r e t e n p (ph), t (th), k (Ich).
der
Verschiebung von
idg.
Geht der idg. Tenuis eine Spirans voraus, so bleibt die Tenuis unverschoben (d. h. sie wird nicht auch zur Spirans). Dabei kann es sich handeln 1. um die aus dem Idg. ererbte Spirans s, 2. um die durch die germ. Lautverschiebung neu entstandenen Spiranten f und Die Tenues asp. werden dabei im Germ, zu reinen Tenues. 1. Idg. sp: Mit lat. spuö, lit. spiduju „speie" vgl. got. speiwan, an. spyja, afries. sphva, ags. as. ahd. spiwan „speien". idg. sph: Zu ai.sphdtati „reißt, springt auf", abulg. ra-splatiti „spalten" gehört got. spilda „Schreibtafel", an. speld „Brett, Tafel", ags. speld „Holzstück" und ahd. spaltan „spalten". idg. sl: Idg. *ster- „Stern" (gr. äcrrfip, lat. Stella < *sterla) = got. staknö, an. stjarna, mnd. sterne, ahd. sterno „Stern". idg. sth: Idg. *perstho-, prstho- (ai. prstham = ags. ahd. first; mnd. vorst „First".
„Berggipfel")
idg. sk: Idg. *skei- „leuchten" (vgl. ai. ehäua, gr. CTKIÖ „Schatten") liegt vor in ags. scima, as. scimo (auch mhd. scheme) „Schatten" und got. skeinan, an. afries. skhiu, ags. snnan, as. ahd. sklnan „scheinen", idg. skh: ein sicheres Beispiel fehlt.
I I I . Konsonantismus
85
idg. sie: Idg. *skabh- „kratzen, s c h a b e n " (lit. slcabü „schneid e " , lat. scabö „ k r a t z e " ) — got. skaban „scheren", an. skafa, ags. seafan, ahd. scaban „ s c h a b e n " . idg. sich: Idg. *(s)khsid(h)- „spalten, scheiden" (ai. khidäti „er zerreißt", gr. c r x ' ? " ) liegt vor in got. skaidan, ags. seädan, afries. sketha, as. skedan, ahd. skeidan „scheiden", idg. sqv und sq'h: sichere Beispiele fehlen. 2. Germ, ft ( < idg. pt, pth): Mit lat. eaptus „ g e f a n g e n " vgl. got. hafts „ b e h a f t e t " , ags. halft, as. ahd. haft „gefangen". — Mit lat. nepiis „ E n k e l i n " vgl. ags. afries. ahd. nift „Enkelin, Nichte, S t i e f t o c h t e r " . germ. ht ( < idg. kl, kth; kt, kth): Idg. *oktn(u) „ a c h t " (ai. astdu, gr. ÖKTGO, lat. octo) = got. ahtau, ags. eahia, afries. achta, as. ahd. ahto. — idg. *nokt- „ N a c h t " (lit. naktis, lat. noct-) = got. nahts, ags. neaht, afries. nacht, as. ahd. naht. idg. ( f t fehlen Beispiele.
— Für
§ 6 2 . D i e V e r s c h i e b u n g der idg. T e n u e s (und T e n . a s p . ) zu g e r m . s t i m m h a f t e n S p i r a n t e n ( V e r n e r s c h e s Gesetz). W e n n der idg. W o r t a k z e n t nicht auf der unmittelbar vorhergehenden Silbe stand, so wurde inlautende idg. Tenuis (und T e n . asp.), die nach § 6 0 im Germ, zur s t i m m l o s e n Spirans verschoben worden war, in s t i m m h a f t e r Umgebung zur stimmh a f t e n Spirans weiterentwickelt. Diese Regel heißt nach ihrem E n t d e c k e r , dem Dänen K a r l V e r n e r , „Vernersches G e s e t z " . Von ihm wird auch die einzige aus dem Idg. ererbte Spirans, das s, betroffen (§ 67). E s wird demnach f zu S, /> zu cL, % zu g_, yj > g1' und s zu z. Die so entstandenen stimmhaften Spiranten haben die Neigung, in feste Medien überzugehen ( 5 > b usw.). Dieser Zustand ist teilweise schon vor Beginn der Überlieferung erreicht und z w a r : 1. im Anlaut, 2. inlautend nach Nasal. Über die sonstige Weiterentwicklung siehe § 77 ff.
86
Lautlehre
idg. p (ph) > {> S (im Ags. durch f , im Afries. durch v bezeichnet). Idg. *upiri „über" (gr. imip, ai. updri) = urnord. ubaP, afries. ovir, as. obar, ahd. ubar, ubir. — idg. *sep(t)m „sieben" (ai. saptd, gr. ItttA) = got. sibun, ags. seofon, afries. soven, as. sibun, ahd. sibun. idg. t (th)>ß>d. Idg. *p9ter- „Vater" (ai. pitdr-, gr. iromfip) = got. fadar, an. fader, ags. f&der, afries. fader, as. fadar, ahd. fater. — idg. *koitus (ai. ketüh „Bild, Gestalt") = got. haidus „Art und Weise", an. heidr „Würde", ags. Md, afries. as. Md, ahd. heit „Stand, Rang". idg. k, k (kh, kh)>%> §. Idg. *suekru- „Schwiegermutter" (ai. ioaArü-, vgl. gr. fKupa) = ags. mnd. sweger, ahd. swigur „Schwieger". — Mit ai.ankäh„Biegung, Haken" vgl.got. halsagga „Hals, Nacken"; ahd. angul, ags. ongel „Angel", an. Qngull „Angelhaken"; an. ange, ags. anga, ahd. ango „Stachel". 'dg. 3* IL H) > > g*; daraus teils g, teils ID. Idg. *u\qvi- „Wölfin" (ai. vrki-h) = an. ylgr. — idg. *seq¥- „sagen, sprechen" (lat. in-seque, gr. evvette; lit. sakyti „sagen") in an. segia, ags. secgan, as. seggian (wegen cg, gg § 83), ahd. sagen „sagen". — idg. *liqvonös (Part. Praet. zu *leiqv5 „lasse") = ahd. gi-liwan „geliehen" (vgl. § 63). idg. s = germ. s > z (so im Got. erhalten; im Nord- und Westgerm, zu r geworden). Idg. *dios, Gen. *diesos „ein Metall" (ai. äyas- „Metall, Erz", vgl. lat. aes) = got. aiz, an.. eir, ags. är, as. ahd. er „Erz". — idg. *snusos, snusä „Schwiegertochter" (ai. snusä; gr. vu6s, lat. nurus, beide aus *snusos) = germ. *snuzö > an. snor, ags. snoru, afries. mnd. snore, ahd. snur(a) „Schwiegertochter". V
§63. Der g r a m m a t i s c h e Wechsel. Infolge des im Idg. (oft in ein und demselben Flexionsschema) wechselnden Wortakzentes (§ 27) mußten im Germ, aus den idg. Tenues (und Ten. asp.) einerseits stimmlose (§ 60), andrerseits stimmhafte Spiranten (§ 62) entstehen. Dadurch ergab sich im Germ, vielfach innerhalb zusammengehöriger
III. Konsonantismus
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Wortkategorien ein Wechsel von stimmlosen mit stimmhaften Spiranten (bzw. deren Fortsetzern in den einzelnen Dialekten). Diesen Konsonantenwechsel bezeichnet man als „grammatischen Wechsel". In Betracht kommen 1. für idg. p: germ. f — 5 ; 2. für idg. t: germ. /> — d\ 3. für idg. k, k: germ. % ~ g.; 4. für idg. qv : germ. x»(h) — g- (g, w); 5. für idg. s : germ. s — z (r). f—5: got. afar „nachher", ahd. afar „wieder" (vgl. ai. dpara- „der spätere") — ahd. abur „wieder", as. aba.ro „Nachkomme" (vgl. etwa ai. apardm „künftig"). p — d: got. fra-wairpan „verderben (intrans.)" ( < idg. *-uerto) = ags. for-weorpan, as. far-werdan, ahd. far-werdan — got. frawardjan „verderben (trans.)" ( < idg.*-uortqö) — ags. ä-wicrdcm, ahd. far-wertan (wegen der westgerin. Formen vgl. § 74 u. 77). 1 (Ii) — 2 : got. wcihan, ahd. wlhan „kämpfen" (vgl. lat. vinco) — got. wigans „Krieg", an. vega „kämpfen", vlg „ K a m p f " , as. Wigand, ahd. wigant „Kämpfer". %'(K) — if(g, w): got. leihan, ahd. lihan „leihen" — an. leiga „ M i e t e " ; ahd. gi-liwan „geliehen". s — z (i-): got. asans — ahd. man „ E r n t e " ; ags. rassn — got. ruzrt „ H a u s " . Eine besondere Rolle spielt der Grammatische Wechsel für gewisse Kategorien der Formenbildung. Am wichtigsten sind die folgenden: 1. Die Stammzeiten des starken Verbums (1. Sing. Praes. oder Inf. Praes.; 1. Sing. Praet.; 1. Plur. Praet.; Part. P r a e t ) . Den wechselnden idg. Akzent in diesen Formen und seine Auswirkung im Grammatischen Wechsel des Germ, veranschaulicht folgendes Beispiel: ai. vdrtä-mi idg. *uertö germ. *werpö „ich werde" vavdrta *(ue)iioria *warp(a) „ich wurde" oavriima *(ue)urt3me *wurdum{i) „wir wurden" vrtä.ndh *urtonö$ *wurdan(a)z „geworden".
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Lautlehre
Den so entstandenen Konsonantenwechsel haben die genn. Dialekte in verschieden hohem Grade im Laufe der Zeit auf analogischem Wege auszugleichen gestrebt. Am weitesten ist das Got. gegangen, das den Grammat. Wechsel innerhalb des starken Verbums (bis auf ganz geringe Reste) beseitigt h a t (zugunsten der stimmlosen Spiranten); in den übrigen Dialekten jedoch finden sich allenthalben noch deutliche Spuren. Vgl.: got. uMirpan warp — waürpum waürpans „werden" an. verpa orpenn varp — urpom ags. iceordan iveard — ivurdon worden as. werdan — wurdun wordan ward ahd. iverdan — wurturn wortan ward got. an. ags. as. ahd
tiuhan tauh (tiöa „fördern") teon iedh tiohan löh .äohan zöh
— taühum
„ziehen"
— tugon — tugun — zugurn
taühans togenn togen ' gi-togan gi-zogan
got. an. ags. as. ahd
kiusan kiösa ceosan kiosan .kiosan
kaus kaus ceas kos kos
— — — — —
kusans korenn coren gi-koran gi-koran
„wählen"
got. hafjan as. heffian ahd.heffen
höf höf huob
— höfurn — hölun — huoium
hafans gi-haban (ir-)haban
„heben"
—
kusum korom curon kurun kurum
A n m . : Das Got. hat den grammatischen Wechsel innerhalb des starken Verbums nur noch bei einigen „Praeterito-Praesentia" (vgl. I I § 96) bewahrt, nämlich in aih „ich habe" — aigurn „wir h a b e n " und parf ,,ich bedarf" — pdürhum „wir bedürfen",
III. Konsonantismus
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2. Das Verhältnis des kausativen Verbums zu dem zugehörigen primären Verbum. Zu einem primären idg. Verbum wie z. B. *tirsö „bin trocken" mit W u r z e l b e t o n u n g (vgl. gr. Tipaonai) wurde regelmäßig ein Kausativum Horstiö „ m a c h e trocken" mit S u f f i x b e t o n u n g (vgl. ai. tarsdyämi „lasse dürsten" = lat. torreö „mache trocken") gebildet. Dieser Typus ist ins German, vererbt worden, und die Reflexe des idg. Akzentwechsels liegen teilweise noch als Grammatischer Wechsel in den germ. Dialekten vor: Germ. *lipan- „gehen" (idg. *leito) = got. leipan, ags. Upan (Man), as. lidan, ahd. lidan; aber germ. *laidjan- „gehen machen" > „leiten" (idg. Hoittiö) — ags. Ixdan, as. ledian, ahd. leiten. Germ. *ga-nisan- „gerettet werden, genesen" (idg. *nisö) = got. ga-nisan, ags. ge-nesan, as. ahd. gi-nesan\ aber germ. *nazjan- „gesund machen, retten" (idg. *nosqö) = ags. nerigan, as. nerian, ahd. nerien (got. nasjan hat demgegenüber s statt 2 in analogischer Angleich'ung an das primäre ga-nisan). Germ. *hawhan- > *hähan- (§ 42) „hangen" (idg. *kavkö) = got. ahd. hähan, ags. hon; aber germ. *havgjan- „hangen machen, hängen" (idg. *lconkHÖ) = an. hengia, ags. hengan, ahd. hengen. 3. Das Verhältnis der schwachen Verba der zweiten und dritten Klasse (II § 84) zu den zugehörigen primären Verba. Auch hier waren die abgeleiteten (schwachen) Verba suffixbetont ; ihre wurzelauslautenden Konsonanten zeigen daher wiederum gegenüber denen der zugehörigen Primärverben die Verschiebung nach dem Vernerschen Gesetz. Ahd. slagön „schlagen" gegenüber sbhan „schlagen" ; ahd. zeigön „zeigen" gegenüber eihan „zeihen". — Ahd. fragen, as. fragön „fragen" gegenüber got. fraihnan „fragen". 4. Das Verhältnis der im Idg. suffixbetonten Verbalabstrakta auf -ä zu den zugehörigen (wurzelbetonten) Primär-
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Lautlehre
verba. Vgl. gr. Tpoiri^ ( < *tropa) „Wendung" :tp£ttgo „wende"; aTrovSVi „Eile" : CTTTEÜSCÖ „eile". Ebenso ahd. kora „Prüfung": kiosan „prüfen"; ä-sneüa „Reisig" (germ. *snaidö, idg. *snoita): swidan„schneiden"(germ. *snipana-,idg. *sneitonom)\ zeiga „Zeigung" : zihan „zeihen". b) Die Verschiebung der idg. Mediae aspiratae §64. Die idg. Mediae a s p i r a t a e wurden im Germ, zu s t i m m h a f t e n R e i b e l a u t e n . Mit diesen fallen die nach dem Vernerschen Gesetz (§ 62) entstandenen stimmhaften Reibelaute zusammen. Es wurden : bh>t-, dh>d-, ¿h,gh>g; tfh>g«. Die so entstandenen stimmhaften Spiranten (5, d usw.) haben die Neigung, in Medien (6, d usw.) überzugehen. Dieser Zustand ist im Anlaut sowie im Inlaut nach Nasalen bereits in vorliterarischer Zeit erreicht. Über die Weiterentwicklung im einzelnen § 77 ff. bh > S, b. (Das inlautende 8 wird im An. und Ags. durch f wiedergegeben.) Idg. *bhü- „sein, werden" (ai. bhdvati „ist, wird", gr. gv. Dieses erscheint 1. als gw nach Nasalen (so got. und an. erhalten, sonst g). Idg. *sengvh-, song*h- „tönen" (vgl. gr.
< *song*hii „ S t i m m e " ) = got. siggwan, an.
syngva;
ags. as. ahd. singan „singen". — 2. als g > g vor dunklen Vo-
kalen und Konsonanten. Idg. *g9hnt- „Kampf" (vgl. gr. 9ÖU05
< *g*honos „Mord", abulg. gom „Jagd") = an. gudr, gunnr, ags. güd, as. güdea „Kampf", ahd. gund-fano „Kriegsfahne". —
3. als w vor hellen Vokalen einschließl. a. Idg. *gvhormos „heiß, w a r m " (ai. gharmdh
„ G l u t " , lat. formus)
= an. varrnr, ags.
uöearm, afries. as. ahd. warm „warm", got. warmjan
„wär-
men". c) Die Verschiebung der idg. Mediae
§ 65. Die idg. Mediae wurden im Germ, zu Tenues. Es wurden: 6>p; d>t-, g,g>lc; g*>k*. Im Ahd. wurden diese Tenues durch die zweite Lautverschiebung teils zu Affrikaten (pf usw.), teils zu Doppelspiranten ( f f usw.) weiterverschoben, worüber § 87.
• b > f . Mit lit. lala,, abulg. blato „Sumpf" vgl. ags. pöl, ndl. poel, ahd. pfuol „Pfuhl". — Mit. abulg. slabb „schlaff", lit. släbnas „schwach", sMbti „schwach werden" vgl. an. släpr,
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Lautlehre
mnd. slap, ahd. slaf „schlaff"; got. slepan, ags. slxpan, afries. slepa, as. släpan, ahd. släffan „schlafen". d > t. Idg. *dem- „bauen" (gr. 8£nco; lat. domus, gr. 66uos, ai. damah „Haus") = got. timrjan, an. timbra, ags. timbran, as. timberian, ahd. zimbarön „bauen, zimn.ern". — idg. *p5d„ F u ß " (ai. päd-, dor. Trebs, iroSös; vgl. lat. pes, pedis) = got. fötus, an. fötr, ags. afries. as. föt, ahd. /M03. — idg. *d(e)reu„Holz, Baum" (gr. 86pu „Holz", 8pös „ B a u m " ; ai. däru-, dru„Holz") = got. triu, an. afries. Ire, ags. as. treo „Holz, Baum". g > k. Idg. *geus- „kosten, prüfen" (ai. jusdle „liebt, kostet", gr. yevjonai) = got. kiusan, an. kiösa, ags. ceosan, afries. kiäsa, as. ahd. kiosan „wählen". —idg. *agros (ai. djrah „Flur", gr. iyp6s, lat. ager) = got. akrs, an. dkr, ags. seeer, afries. ekker, as. akkar, ahd. akar, ackar „Acker". g>k. Mit lat. gelü „Kälte", gelidus „eiskalt", lit. gelumä „Frost" vgl. got. kalds, an. kaldr, ags. ceald, afries. as. kald. ahd. kalt „kalt". — idg. *aug- „wachsen, mehren" (lit. dugu „wachse", lat. augeo) = got. aukan, an. auka, ags. eacian, afries. äka, as. ökian, ahd. ouhhön „mehren". g* > k*. Dafür got. q (d. i. k mit Lippenrundung); sonst qu, ktv u. dgl., woraus vielfach k. Idg. *g*em- „gehen, kommen" (ai. garn-, gr. ßaivto, lat. venio) = got. qirmn, an. afries. koma, ags. as. cuman, ahd. queman, coman „kommen". — idg. *g¥enä „Weib" (gr. yuui^, dor. ßava, abulg. iena, air. beri) = got. qinö, an. kona, ags. ewene, as. ahd. quem „Frau". — idg. * reg* os „Finsternis" (ai. rdjas-, gr. Ipeßos) = got. riqis, an. rekkr „Finsternis". d) Schematische Darstellung der Vorgänge bei der ersten Lautverschiebung §66. [Die an dieser Stelle vorgesehene tabellarische Übersicht mußte aus drucktechnischen Gründen an das Ende des Bändchens (S. 136 oben) verwiesen werden. Sie veranschaulicht das starke Zusammenschmelzen des idg. Bestandes an Verschlußlauten
III. Konsonantismus
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im Germ.: statt der zwanzig verschiedenen Verschlußlaute des Idg. kennt das älteste Germ, deren nur vier (die Tenues p, t, k, k"). Dafür besitzt es die dem Idg. (außer s, z) fremden stimmlosen und stimmhaften Spiranten, von denen die letzteren freilich schon früh die Neigung haben, in Verschlußlaute überzugehen (§ 77).] B. D i e i d g . S p i r a n s s i m G e r m a n i s c h e n § 67. a) Das idg. s, das bis auf wenige Fälle (§ 68) stimmlos war, blieb im Germ, als stimmlose Spirans erhalten, soweit nicht das Vernersche Gesetz wirksam wurde. Anlautend vor Vokal: idg. *sed- „sitzen" (ai. sad-, lat. sedeo) = got. sitan, an. sitia, afries. sitta, ags. as. sittan, ahd. sitzen. Inlautend zwischen Vokalen: idg. *ues- „da sein, verweilen" (ai. vdsati „wohnt") = got. wisan, an. vesa, afries. wesa, ags. as. ahd. wesan „sein". An- und inlautend vor Konsonant: got. speiwan, stairnö, gasts usw. (vgl. die Beispiele § 61). Inlautend nach Konsonant: idg. *ukson- „Stier, Ochse" (ai. uksan-) = got. aühsa, an. oxe, ags. oxa, as. ahd. ohso „Ochse". b) Nach dem Vernerschen Gesetz mußte im Germ, s zu z (woraus nord- und westgerm. r) werden, wenn ihm der idg. Wortakzent nicht unmittelbar vorausging: got. atz = ahd. er usw. (vgl. die Beispiele § 62). Über auslautendes germ. -s und -z vgl. § 115. § 68. Eine dem s entsprechende stimmhafte Spirans z kannte das Idg. nur vor einem unmittelbar folgenden stimmhaften Konsonanten (§58). Sie blieb im Germ, stimmhaft, wenn der folgende Konsonant selbst s t i m m h a f t blieb, wurde jedoch stimmlos (s), wenn der folgende Konsonant auf Grund der Lautverschiebung stimmlos wurde. Idg. *mizdhön- „ L o h n " (vgl. gr. IXKTÖÖS < *mizdhos, abulg. mözda „Lohn") = got. mizdö. Im Westgerm, wurde ein
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Lautlehre
solches z entweder zu r (ags. meord) oder schwand, wobei der vorausgehende Vokal zu et wurde (ags. med, as. meda, ahd. miata; § 31). Idg. *ozdos „Ast" (gr. 0305, worin 3 = zd) = got. asts, as. ahd. ast. C. Die idg. N a s a l e u n d L i q u i d e n im G e r m a n i s c h e n § 69. Die idg. N a s a l e bleiben (abgesehen von der Stellung im Auslaut, § 112f.) im Germ, gut erhalten. idg. m = germ. m. Mit lat. homo vgl. got. guma, an. gume, ags. guma, as. gumo, ahd. gomo „Mann, Mensch". idg. n = germ. n. Mit gr. vfos, lat. novus vgl. got. niujis, an. nyr, ags. niewe, as. ahd. niuwi „neu". idg. n, n, die nur vor folgendem Palatal bzw. Velar vorkamen (§ 58), fielen im Germ, wie diese in e i n e n Laut zusammen, der im Got. (nach griech. Muster) durch g, sonst durch n bezeichnet wird. Mit lat. longus, gall. longo- „lang" vgl. got. laggs, an. langr, ags. afries. long, as. ahd. lang. § 70. Die idg. L i q u i d e n blieben im Germ, gleichfalls erhalten. idg. r = germ. r. Mit lat. rectus vgl. got. raihts, an. rettr, ags. as. ahd. reht „gerade, recht". — idg. *bherö „trage" (ai. bMrämi, gr. q>£pco, lat. fero) — got. lairan, an. afries. bera, ags. as. ahd. heran „tragen". idg. I = germ. I. Mit lat. llnum „Lein", air. lin „Flachs" vgl. got. lein, an. ags. afries. as. ahd. lin „Leinen, Leinwand". — Mit lit. pa-stölai „Gestell", abulg. stoli „Sessel" vgl. got. stols, an. stöll, ags. afries. as. stöl, ahd. stuol „Stuhl". D. Die idg. H a l b v o k a l e im G e r m a n i s c h e n § 71. Die idg. H a l b v o k a l e j, und u hatten im Germ, ein dreifaches Schicksal: 1. sie konnten als j bzw. w erhalten bleiben, 2. sie konnten schwinden, 3. sie konnten zu ü bzw. uu „verschärft" werden.
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Im A n l a u t blieben / > j und w > w> fast regelmäßig erhalten. Ausgenommen ist das An., wo anlautendes j stets, anlautendes w vor gewissen Vokalen (u, y, o, 0) und vor r und l schwand. Den Schwund des w vor r und l hat auch das Ahd. vollzogen. idg. = germ. j-, Idg. *iugom „Joch" (ai. yugdm, lat. iugum) =
got. juk, ags. jeoc, as. juk, a h d . joh, aber an. ok.
— Mit avest. yära „Jahr", abulg. jan „Frühjahr" vgl. got. jer, ags. jear, afries. jer, as. ahd. jär, aber an. är „Jahr". idg. u- = germ. w-, Idg. *ualdh- „beherrschen, besitzen" (abulg. vladg, lit. valdaü „herrsche"; vgl. auch lat. valere) =got.waldan, an.valda, ags.ivealdan, afries. walda, as. waldan,
ahd. waltan „walten, besitzen".
Idg. *tflnä „ W o l l e " (abulg. vlma, lit. vilna) = got. wulla,
ags. afries. mnd. wulle, ahd. wolla, aber an. ull. — Mit ai. vrdjati „schreitet" vgl. got. ivrikan „verfolgen", ags. as. wrecan, afries. wreka, aber an. reka u n d a h d . rehhan „verfolgen,
strafen, rächen". I n l a u t e n d zwischen Vokalen ist j erhalten, wenn es nach i als „Übergangslaut" stand. Idg. (neutr.) *triß „drei" (vgl. umbr. triia, abulg. masc. tröje) = got. prija, in den übrigen Dialekten unbczeichnet: as. thriu, ahd. drlo. Sonst ist intervokales j, besonders vor hellen Vokalen, vielfach frühzeitig geschwunden: idg. *ajm „früh" (vgl. gr. ijpi < *&j,eri) = germ. *ajit(i) = got. wir (woraus an. är, ags. ¿er, as. ahd. er). Besser ist intervokales w erhalten: zu idg. *ouis „Schaf" (ai. dvih, l a t . ovis) g e h ö r t g o t . awistr, ags. eowestre, a h d . awist,
eurist „Schafstall". Geschwunden ist w gemeingerm. vor u: idg. *fuutßos
„ j u n g " (ai. yuvaääk, l a t . iuveneus) > germ. *juwungaz = g o t . juggs, an. ungr, ags. jeong, afries. as. ahd. jung. Idg. *neun- „ 9 " (lat. novem usw.) > germ. *niwun- > got. niun usw.
P o s t k o n s o n a n t i s c h ist j zunächst meist erhalten geblieben (got.), wird aber später teils zu i (an. as.), teils schwin-
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det es (anglofries. a h d . ) ; im A h d . ist dabei die G r u p p e -ja- in Nebensilben zu -e- geworden (vgl. § 45). Idg. *kapiö „ g r e i f e " (lat. capiö; gr. K; ags. d; afries. th\ as. d). Got .preis „drei" = an .prir, ags. pne, afries. ihre, as. thrle. — got. bröpar „Bruder" = an. bröper und bröder, ags. brödor, afries. bröther, as. brödar. — got. airpa „Erde" = an. iqrp und igrd, ags. eord(e), afries. irthe, as. erda. Im Anglofries. und As. wurde p (über d) in Verbindung mit l zu d: got. wiipeis „wild" = ags. afries. wilde, as. wildi (im An. trat Assimilation zu II ein : villr „verirrt"). Im Ahd. ist p zunächst in allen Stellungen zu d geworden und hat dann die Neigung, in d überzugehen. Die Stufe d ist im Oberdeutschen etwa um 800 erreicht, während im Frank., namentlich im Anlaut, noch längere Zeit d (geschr. th und dh) herrscht. Got. pata „das", wairpan „werden", warp „ward" = ahd. obd. da3, werdan, ward; rheinfränk. (Isidor, Ende 8. Jh.) dhay, werdhan, wardh; ostfränk. (Tatian, 9. Jh.) tha3, werdan, ward. § 75. Germ. % (§ 60) war ursprünglich überall gutturale Spirans (dem nhd. cÄ-Laut vergleichbar), geht dann aber sehr früh teilweise in einen bloßen Hauchlaut über. In beiden Eigenschaften wird es in der Überlieferung der Dialekte ge4 K r ä h e , Germanische Sprachwissenschaft I.
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wohnlich durch h bezeichnet. Im Got. ist h im Anlaut vor Vokal, vielleicht auch inlautend zwischen Vokalen und auslautend reiner Hauchlaut geworden; in Verbindung mit Konsonanten ist es gutturale Spirans geblieben. Dieser Zustand dürfte im großen und ganzen auch der der vorliterarischen germanischen Zeit gewesen sein. Im An. ist h nur im Anlaut (als Hauchlaut) und in der Verbindung hs (als fc-Laut) geblieben: got. handus „Hand" = an. hqnd-, got. aühsa „Ochse" = an. uxe, oxe (auch ags. oxa\. In allen übrigen Stellungen ist h geschwunden (in der Gruppe ht durch Assimilation zu tt): got. slahan „schlagen" = an. slä (über *släa); got. filhan „verbergen" = an. fela; got. ahtau „acht" = an. ätta. Im Westgerm, gilt zunächst der gleiche Zustand wie im Got. und ist so auch im Deutschen (As. Ahd.) im allgemeinen erhalten geblieben. Im Ags. dagegen schwand h inlautend vor Vokalen und vor stimmhaften Konsonanten. Got. handus „Hand" = ags. hond, afries. as. hand, ahd. hant (nhd. hand!). — got. ahtau „acht" = ags. eahta, as. ahd. ahto (nhd. acht!). — — got. peihan „gedeihen" = as. thlhan, ahd. dihan, aber ags. ge-peon. — Das aus Labiovelar ("/v) entstandene h (§ 60) unterlag den gleichen Bedingungen: got. saihan „sehen" = as. ahd. sehan, aber an. siä, ags. seon. Im Deutschen ist anlautendes h vor Konsonant (n, l, r, w) schon im Laufe der ahd. Periode geschwunden: got. hneiwan, an. hniga, ags. hnigan, as. hnigan, ahd. hnlgan > nigan „sich neigen". § 76. Germ, s (§ 67) bleibt in der Entwicklung der Dialekte unverändert. Inlautend zwischen Vokalen scheint es im Westgerm. stimmhaft geworden zu sein, was aber in der Schrift nicht zum Ausdruck kommt. Got. lisan „sammeln" = ags. as. ahd. lesan (spr. lezan) „sammeln, lesen".
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B. Die g e r m . s t i m m h a f t e n S p i r a n t e n (b,d,g,z) § 77. Von den germ. stimmhaften Reibelauten 5, d, g, z (§ 62 und 64) sind 5, d, g in gewissen Stellungen bereits gem e i n g e r m . zu b, d, g geworden, und zwar 1. im Anlaut, 2. inlautend nach Nasal (und nach z). Eine Ausnahme macht anlautendes g im Ags., das dort als g (in einheimischer Schrift durch 5 bezeichnet) erhalten bleibt. A n l a u t , b: got. bairan, an. afries. bera, ags. as. ahd. beran „tragen". — d: got. daühtar, an. dötter, ags. dohtor, afries. dochter, as. döhiar, ahd. tohter „Tochter" (wegen ahd. i § 87). — g: got. gup, an. god, afries. as. god, ahd. got, aber ags. god „Gott". N a c h N a s a l (und z). mb: got. an. ags. afries. as. ahd. lamb „Lamm". — nd: got. ags. as. bindan, an. afries. binda, ahd. hintan „binden" (wegen ahd. t §87). —ng :got. aggwus, an. Qngr, ags. enge, as. ahd. engi „enge". — zd: got. huzd „Schatz" (vgl. ags. as. hord, ahd. hört, § 80). § 78. Im G o t i s c h e n wurden germ. t>, d, z im absoluten Auslaut und vor auslautendem s durch „Auslautsverhärtung" nach Vokalen zu f , p, s. Dagegen blieb das ursprüngliche g (got. g) unverändert. Got. gaf „gab" zu giban „geben", hlaifs „Brot" gegenüber hlaibis „des Brotes". — ga-waß „verband" zu ga-widan „verbinden", fröps „klug" neben frödei „Klugheit".— riqis „Finsternis" gegenüber Genet. riqizis, has„wer" neben haz-uh „jeder". Aus dieser Regel geht hervor, daß inlautende got. b, d zwischen Vokalen mindestens noch zu der Zeit, als ihre Verhärtung im Auslaut zu f , p eintrat, Spiranten (5, d) gewesen sein müssen; d. h. hlaifs ist nur aus *hlaibs, hlaibis verständlich, nicht aus *hlaibs, hlaibis usw. — Nach Konsonanten dagegen müssen 6, d schon feste Medien gewesen sein, da sie in dieser Stellung auslautend nicht zu f , p wurden; vgl. außer lamb usw. (§ 77) auch gards „Haus" (Genet. gardis), swarb „wischte" (zu swalrban „wischen"). 4»
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Lautlehre
Germ, g, das die Auslautsverhärtung (zu *Ji) nicht mitmacht, war im Got. vielleicht schon in allen Stellungen zur Media g geworden; vgl. got. mag „ich kann" (zu magan „können"), ivigs „Weg" (Genet. wigis). § 79. Im N o r d g e r m , ist germ. z über R (so runisch) zu r geworden. Got. maiza = an. meire „größer" (ähnlich ags. mära, as. ahd. mero\ § 80). Germ. *gastiz „Gast" = urnord. -gastiR = an. gestr. — Einem folgenden d oder n wurde z assimiliert: got. razda „Stimme" = an. rQdd; got. razn „Haus" = an. rann. — Auslautendes R (< z) wurde an vorangehendes s, nach langer oder schwachtoniger Silbe auch an l und n angeglichen: germ. *lausaz „los" > urnord. *lausa,R > an. lauss-, urnord. *miküaR (got. mikils, § 78) „groß" > an. mikell; got. minniza „kleiner" = an. minne.
Germ. 5, d, g blieben inlautend zwischen Vokalen und auslautend nach Vokalen im allgemeinen erhalten (geschr. f, p neben d, g); nur g schwand auslautend nach Vokal. An. gefa „geben", gaf „gab" = got. giban, gaf (wo 5 nach § 78); an. biöda, biößa „bieten", band, baup „ b o t " = got.
hindern, baup (wo p an. nefnda. — urnord. *födidö (got. födida) „ n ä h r t e " > an. födda. — got. hugjan „glauben" = an. hyggia.
§ 80. Im W e s t g e r m , ist germ. z (wie im Nordgerm., § 79) zu r geworden. Got. maiza „größer" ( = an. meire) = ags. afries. mära, as. ahd. mero; mit got. razda „ S t i m m e " vgl. ahd.
rarta und ags. reord. [Gelegentlich schwand z vor Konsonant: vgl. got. mizdö = ahd. miata, § 68.]—Im Auslaut ist -r (< -z) nur in ursprünglich einsilbigen Wörtern erhalten: germ. *iz
III.' Konsonantismus
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„er" (got. is nach § 78; vgl. iz-ei „welcher") = ahd. ir, er; sonst ist es schon vorhistorisch geschwunden (§ 115). Bei germ. 5, d, g verstärkt sich im Westgerm, die schon frühgerm. vorhandene Tendenz zum Verschlußlaut. Germ, d ist im Westgerm, in allen Stellungen zu d geworden, germ. 5 und g außer im Anlaut (aber ags. g!) und nach Nasal (§ 77) auch in den durch die westgerm. Konsonantenverdoppelung entstandenen Verbindungen bb und gg. Germ, d und d (§ 62 und 64) = westgerm. d (woraus ahd. t, § 87). Got. biudan, an. biöda = ags. beodan, afries. biada, as. biodan, ahd. biotan „bieten"; got. waürd, an. ord = ags. afries. as. word, ahd. wort „Wort". — Ags. dohtor, afries. dochter, as. dohtar, ahd. tohter „Tochter"; ags. as. bindan, afries. binda, ahd. bintan „binden" (§ 87). — Got bidjan, an. bidja, bidia „bitten" = westgerm. *biddjan > ags. biddan, afries. bidda, as. biddian, ahd. bitten (§ 84). Germ. 5 = westgerm. 8 (geschr. ags. f , afries. v, as. 6 oder v; ahd. S > b, § 87). Got. giban, an. gefa „geben" = ags. giefan, afries. geva, as. geban, ahd. geban; got. arbi, an. arfr „das Erbe" = ags. ierfe, as. erbi, ahd. arbi, erbi. Germ, b (S) = westgerm. b. (Das Ahd. hat in der Geminata immer pp, im übrigen im Obd. p, im Md. b, § 87.) Got. baürgs, an. borg „Burg, Stadt" = ags. burh, afries. burch, as. bürg, ahd. obd. pure, md. bürg; got. dumbs, an. dum.br „stumm" = ags. dunib „stumm", afries. as. dumb „einfältig", ahd. obd. tump, md. tumb „stumm, dumm". — Got. sibja, an. sifiar (Plur.) „Verwandtschaft" = westgerm. *sibbjö- > ags. sibb, afries. sibbe, as. sibbia, ahd. sippea, sippa (§ 84). Germ, g — westgerm. g (geschr. ags. in einheimischer Schrift 3, afries. as. g; ahd. g > g, § 87). Got. steigern, an. stiga ( = germ. *stigana-) — ags. stigan, afries. stiga, as. ahd. stlgan „steigen" ;-got. bairgan, an. biarga ( = germ. *bergana-) = ags. beorgan, as. gibergan, ahd. bergan „bergen".
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Lautlehre
Germ, g (§) = westgerm. g, aber ags. anlautend g. (Das Ahd. hat in der Geminata immer kk, im übrigen obd. k, md. g, § 87. Im Ags. wird die Geminata in einheimischer Schrift durch C5, d. i. gg, geschrieben.) Got. guma, an. gume „Mann, Mensch" = ags. guma, afries. goma, as. gumo, ahd. obd. como, md. gomo; got. briggan „bringen" = ags. bringan, afries. bringa, ahd. obd. pririkan, md. Iringan. — Got. lagjan „legen" = westgerm. *laggjan > ags. lec^an, as. leggian, ahd. lecken (§ 84). C. D i e g e r m . T e n u e s ( p , t , k ) § 81. Die germ. Tenues p, t, k (§ 65) bleiben im Got., Nordgerm., Anglofries. und As. im allgemeinen unverändert; vgl. die Beispiele im folgenden §. § 82. Im A h d . werden die germ. Tenues von der sog. z w e i t e n oder h o c h d e u t s c h e n L a u t v e r s c h i e b u n g erf a ß t (vgl. § 87). Sie werden 1. inlautend zwischen Vokalen und auslautend nach Vokalen zu D o p p e l s p i r a n t e n (p > ff; t > 33; k>hhi eh), die jedoch im Auslaut immer und inlautend nach langem Vokal bald vereinfacht wurden; 2. anlautend und nach Konsonanten (auch in der Gemination, vgl. §83) zu A f f r i k a t e n (pf,z = ls,ch = k%), wobei k% jedoch nur im Obd. eingetreten ist. Germ, p > ahd. ff bzw. f. Got. slepan, ags. slsepan, as. släpan = ahd. släffan > släfan „schlafen". Got. Mups, an. diüpr, ags. deop, as. diop = ahd. tiuf, tiof „tief". Germ, p > ahd. pf (auch ph geschrieben). Got. paida „Leibrock", ags. päd „Mantel", as. peda „Gewand" = ahd. pfeit, pheit „Hemd, Bock". Got. wairpan, an. verpa, ags. weorpan, as. werpan = ahd. werphan (später werfari) „werfen". Germ, i > ahd. 53 bzw. 5. Got. hatan, an. hata, ags. hatian, as. haton = ahd. hcvßön „hassen, nachstellen". Got. fötus, an. fötr, ags. as. föt = ahd. fuo$ „ F u ß " .
III. Konsonantismus
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Germ, t > ahd. s (d. i. fe). Got. taihun, an. tio, ags. tien, as. tehan = ahd. zehan „zehn". Got. hairtö, an. hiarla, ags. heorte, as. herta = ahd. herza „Herz". Anm.: Außer in den unten zu nennenden Gruppen, in denen nach Spirant die Verschiebung grundsätzlich unterblieb, ist t in der Verbindung tr unverschoben geblieben. Got. triggws, an. tryggr, ags. ge-trgm, as. triuwi — ahd. gi-triuwi „treu". Germ, k > ahd. hh (auch ch geschrieben, im Auslaut h oder ch). Got. sökjan, an. sökia, ags. seean, as. sökian = ahd. suohhen, suochen „suchen". Got. siuks, an. siükr„ ags. seoc, as. siok = ahd. sioh „krank, siech". Germ, k > obd. (geschrieben ch, cch u. dgl.), im Frank, als k erhalten. Got. kaum, an. as. korn, ags. com = ahd. obd. chorn, fränk. korn „Korn". Got. drigkan, an. drekka, ags. drincan, as. drinkan = ahd. obd. trinehan, fränk. trinkan „trinken". Anm.: Das k in der aus Labiovelar entstandenen Gruppe kw (§65) unterliegt im Obd. der gleichen Verschiebung. Got. qiman— ahd. obd. chwernan, fränk. queman > koman „kommen". Wie bei der ersten Lautverschiebung (§ 61), so bleiben auch bei der zweiten die Tenues unverschoben, wenn ihnen ein Spirant vorangeht. In Betracht kommen (wie bei der ersten Lautverschiebung) die Gruppen sp, st, sk und ft, ht. Vgl. die Beispiele in § 61: ahd. spiwan, sterno, skinan, haft, naht.
D. D i e w e s t g e r m . K o n s o n a n t e n - V e r d o p p e l u n g § 83. In gemein-westgerman. Zeit hat sich eine Verdoppelung inlautender Konsonanten vollzogen, durch welche das Westgerm, in charakteristischer Weise vom Nord- und Ostgerman. unterschieden wird. Sie betrifft alle Konsonanten außer r. Die Verdoppelung tritt stets ein vor j, seltener vor r und l, gelegentlich auch vor w, m und n. Es handelt sich um eine der ältesten Erscheinungen, von denen das Westgerm.
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Lautlehre
betroffen w i r d ; ihr unterliegen auch noch die frühen Lehnwörter aus dem Lateinischen. Durch die Verdoppelung entstehen zahlreiche neue Doppelliquiden (II), Doppelnasale (mm, nn) und Doppelspiranten (ss, f f , hh), vor allem aber auch zahlreiche neue Doppel-Verschlußlaute (pp, tt, kk; bb, dd, gg). Diese unterliegen im Ahd. der Lautverschiebung, insofern als pp, tt, kk zu (p)pf, tz, cch (letzteres nur o b d . ; vgl. § 82) und bb, dd, gg zu pp, tt, kk (§ 87) werden. Nach vorausgehender Lange und nach Konson a n t sind die neuen Geminaten später wieder vereinfacht worden. §84. V e r d o p p e l u n g v o r j . Das die Verdoppelung bewirkende j ist nur noch im As. erhalten (meist i geschrieben), im Ags. ist es geschwunden, im Ahd. steht es nur noch in älterer Zeit (ist aber bei ursprunglich vorangegangenem a durch dessen Umfärbung zu e, § 37, kenntlich). Germ. *bidjan- (got. bidjan, an. bidia) „ b i t t e n " > wgerni. *biddjan = ags. biddan, afries. bidda, as. biddian, ahd. bitten. — Germ. *hugjan- (got. hugjan) „ d e n k e n " > wgerm. *JiuggjciH = ags. hycgan, as. huggian, ahd. huggen und hukken. — Germ. *satjan- (got. satjan, an. setia) „setzen" > wgerm. *sattjan = ags. settan, afries. setta, as. settian, ahd. setzen. — Germ. *kunja- (got. kuni, Stamm kunja-) „Geschlecht" > wgerm. *kimnja- = ags. cynn, afries. kenn, as. kunni, ahd. chunni (obd.), kunni (fränk.). — Vgl. ferner got. hlahjan = ags. hliehhan, ahd. hlahhan „ l a c h e n " ; got. Imlja = ags. hell, afries. helle, as. hellia, ahd. hella „Hölle". Unverdoppelt bleibt r (= germ. r und z). Germ. *farjan~ (got. farjan, an. feria) „fahren (transit.)" > wgerm. *farjan --= ags. as. ferian, ahd. ferjen. Germ. *nazjan- (got. nasjan, § 63) „ r e t t e n " > w g e r m . * n a r j a n = ags. as. nerian, ahd. nerien. Die Vereinfachung ursprünglich verdoppelter Konsonanten nach langer Silbe zeigen got. dailjan „teilen" = wgerm. *dailljan — ags. dselan, as. delian, ahd. teilen (alt obd. noch
III. Konsonantismus
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leillan); gerrn. *ga,rdj)ö- „ G e r t e " > w g e r m . *garddjö- = ags. gierd, as. gerdia, ahd. gerta (alt noch gertla). Anm.: Auch das Nordgerm, kennt eine Konsonantenverdoppelung vor j, jedoch nur von Gutturalen (k, g) und nur nach voraufgehenden kurzen Vokalen. Got. lagjan - an. leggia „legen"; got. hugjan = an. hyggia „denken". § 85. V e r d o p p e l u n g v o r r u n d l. Dabei ist zu b e a c h t e n , d a ß vor r u n d l sich Sproßvokale einstellten (§ 49). Meist sind diese erst n a c h der Konsonanten-Verdoppelung e n t s t a n d e n (vgl. a h d . ackar, as. akkar < *akkra-); wenn der S p r o ß v o k a l jedoch schon v o r der Zeit der Verdoppelung a u f g e t r e t e n war, so unterblieb diese (so in ags. ascer). Verdoppelt werden vor r u n d l n u r gerin. p, t, k. Germ. *snulra- (got. snutrs, a n . snotr) „ k l u g " > wgerm. *snottra- = ags. snottor, a h d . snottar. — Germ. *hlütra- (got. hlütrs) „rein, l a u t e r " > wgerm. *hlüttra- = ags. hlüttor (später hlütor), as. hlüttar, a h d . hlüttor (später hlütar, lütar). — G e r m . *akraz (got. akrs, an. akr) „ A c k e r " > wgerm. *akkra- = afries. ekker, as. akkar, a h d . ackar, aber ags. xcer. — E b e n s o in dem L e h n w o r t wgerm. *kuppra- ( < lat. euprum) „ K u p f e r " = a h d . kuphar, chupfer. Germ. *apla- (vgl. a n . epli) „ A p f e l " > wgerm. *appla— ags. seppel, m n d . appel, ahd. aphul, apfel. — W g e r m . *luttla- „ k l e i n " = as. luttil, ahd. luzzil (aber ags. lytel a u s Hütila-). — L e h n w o r t wgerm. *fakkla- ( < l a t . facla, facula) „ F a c k e l " = a h d . faceala, facchela. § 8 6 . V e r d o p p e l u n g v o r w, m u n d n. E i n e Verdoppelung vor w begegnet n u r bei k u n d h, d. h. in den ursprünglichen Labiovelaren ( = got. q u n d h). Sie ist zudem f a s t n u r im A h d . d u r c h g e f ü h r t u n d a u c h d o r t bei h n u r sehr selten. Mit got. naqaps „ n a c k t " vgl. ahd. nackot, aber ags. naeod, m n d . naket; m i t got. aqizi „ A x t " vgl. a h d . acchus, auch as. accus neben acus, aber ags. aeces. Mit got. saikan „ s e h e n " vgl. a h d . sehan, selten sehhan.
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Lautlehre
Auch das Nordische kennt eine Verdoppelung von k vor w, die aber mit der westgerm. Gemination in keinem Zusammenhang
steht. Vgl. an. nekkvepr „nackt" = got. naqaps\ an. rekkr „Finsternis" = got. riqis. Beispiele für die sehr seltene Verdoppelung vor n und m sind etwa germ. *drukna- „trocken" > wgerm. *drukkna= mhd. trucken, trocken und germ. *maipma- (got. maipms) „Kleinod" = ags. mäddum (dann mädum). E. Z u s a m m e n f a s s e n d e Ü b e r s i c h t ü b e r die h o c h d e u t s c h e (zweite) L a u t v e r s c h i e b u n g § 87. Die hochdeutsche Lautverschiebung, deren einzelne Vorgänge im Vorangehenden an mehreren Stellen zerstreut behandelt oder teilweise auch nur gestreift wurden, sei hier der Übersicht halber noch einmal summarisch zusammengefaßt. Durch die zweite Lautverschiebung sondert sich das Ahd. scharf vom Altniederdeutschen und vom übrigen Westgerm. überhaupt. 1 ) Streng zu scheiden ist dabei die Verschiebung der germ. und westgerm. Tenues (§ 82) und die der germ. bzw. westgerm. Medien (und stimmhaften Spiranten). Die Verschiebung der Tenues zu Doppelspiranten bzw. Affrikaten betrifft das g a n z e hochdeutsche Sprachgebiet; ausgenommen ist lediglich die Verschiebung des k zu k%, die nur obd. ist. Die Verschiebung der Medien (und stimmhaften Spiranten) hingegen erfaßt nur einen Teil des Ahd., nämlich im wesentlichen nur das Obd.; einzig bei d > t reicht das Gebiet der Verschiebung weiter, indem hier auch der größte Teil des Fränkischen mit einbegriffen ist. Die V e r s c h i e b u n g der T e n u e s ist in §82 beschrieben und durch Beispiele belegt worden. Von der M e d i e n v e r s c h i e b u n g werden erfaßt westgerm. I ( < germ. 8, b), d ( < germ. d, d), g ( < germ. g, g) und westgerm. J ( = germ. 8), d ( = germ. />),