Gesammelte Schriften und Briefe: Band 6 Der Schwabenkönig, Briefe, Tagebücher und Reden aus den Jahren 1837–1847 [(Fotomech. Nachdr. 2. Aufl.). Reprint 2019] 9783110845280, 9783110026900


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German Pages 279 [288] Year 1970

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Table of contents :
Vorwort des Herausgebers
Schlüfselrede gehalten (bei Übernahme der Kirchenschlüsselj in Nimesch am 31. Jänner 1837
St.L.Roths Fahrten und Wanderungen in Württemberg.
Inhaltsverzeichnis des 6. Bandes
Tafel
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Gesammelte Schriften und Briefe: Band 6 Der Schwabenkönig, Briefe, Tagebücher und Reden aus den Jahren 1837–1847 [(Fotomech. Nachdr. 2. Aufl.). Reprint 2019]
 9783110845280, 9783110026900

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Stephan

Ludwig

Roth

Stephan Ludwig Roth Gesammelte Schriften und Briefe

Aus dem Nachlaß herausgegeben von

Otto Folberth

1970 Verlag Walter de Gruyter L Co. • Berlin vormals G. I. Göschen^sche Verlagshandlung ♦ I. Guttenlag, Verlagsbuchhandlung ♦ Georg Reimer ♦ Karl I. Trübner ♦ Veit & Comp.

6. Bd: Der Schwabenkönig Briefe, Tagebücher und Reden aus den Jahren 1837—1847

Mit sechs Bildbeilagen, einer Handschristenprobe und einer Landkarte

2. unveränderte Auflage

i97° Verlag Walter de Gruyter & Co. ♦ Berlin vormals G. I. GöschenMe Verlagshandlung ♦ I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung ♦ Georg Reimer • Karl I. Trübner ♦ Veit & Comp.

Unveränderter photomechanischer Nachdruck

© Archivnummer 43 42 702 Copyright 1939 by Walter de Gruyter L Co., vormals G.J. Göschen'sche Berlagshandlung I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Ge0t.g Reimer • Karl S. Trübn er • Bett & Comp. — Alle Rechte deS Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen auch auszugsweise vorbehalten. Photomech. Druck: Europe Printin g, Vaduz

St. L. Noth. Ölgemälde von Anton Fiala, entstanden 1852.

Bronzebüste Sl. L. Roths. Bon E. R- Borge, entstanden 1936.

Vorwort des Herausgebers. „5) er Schwabenkönig" hieß Stephan Ludwig Roth in Siebenbürgen spottweise, als er sich um das Jahr 1845 mit dem Aufgebot aller seiner Kräfte und Gaben darum bemüht hatte, eine Verbesserung der rückständigen Landwirtschaft und eine Aufrüstung der schwin­ denden Bolkskraft der sächsischen Nation zu erreichen, indem er Württembergische Einwanderer ins Land rief — und diese Einwan­ derung dann doch nicht jenes Ausmasz annahm und also auch nicht jene Wirkungen zeitigen konnte, die er sich von ihr versprochen hatte. Da die Nachlaßstücke des vorliegenden Bandes der Haupt­ sache nach Einblick in diesen Gedankenkreis und in die bewegte Ge­ schichte dieses Unternehmens St. L. Roths gewähren, mag er den Ehrentitel „Der Schwabenkönig" führen. Von heute aus gesehen, kommt diesem großzügigen Plane Roths ja überhaupt eine ganz besondere Bedeutung zu. Wiederum erweist er sich als einer der weitblickendsten Männer des deutschen Gesamt­ volkes seiner Zeit. Denn wenn wir heute als größte und frucht­ barste Tat der deutschen Geschichte die Ostkolonisation zu werten endlich uns angewöhnt haben, so können wir schlechterdings nicht umhin, einem Manne Anerkennung zu zollen, der zu einer Zeit, da diese für die Weltgeltung des Deutschtums und seine Zukunft so entscheidende Bewegung stecken zu bleiben drohte, alles tat, um sie bewußt wieder in Gang zu setzen. Ihn bei diesem Werke, das ja wenigstens zur letzten deutschen Einwanderung nach Siebenbürgen geführt hat, Schritt für Schritt verfolgen zu können, bildet den besonderen Reiz der in diesem Bande gesammelten Briefe. Eine willkommene Ergänzung dazu bildet das hier ebenfalls zum ersten Mal veröffentlichte Würt­ tembergische Tagebuch St. L. Roths, das er während seiner Reise im Sommer und Herbst 1845 nach Deutschland führte und das erstrecht den eifrigen, ja oft genug gehetzten Tatmenschen zum Verfasser hat. Jetzt erst ist, wie ich schon in Band V, S. 140, an­ deutete, in Zusammenschau mit den einschlägigen Schriften in Band IV und den einschlägigen Aufsätzen in Band V eine genaue ge­ schichtliche Darstellung der Schwabeneinwanderung der 40 er Jahre nach Siebenbürgen möglich geworden. Um dem Leser aber das Ineinandergreifen der angeführten Bände und den Übergang zum vorliegenden recht klar zu machen, darf ich hier vielleicht kurz auf folgendes noch hinweisen: Im Vorwort

zu Band IV dieser Ausgabe (IV 14) habe ich auseinanderzusetzen versucht, daß der Nachlaß St. L. Roths aus drei großen Teilen bestehe. Im e r st e n überwiegen die unmittelbaren Lebenszeugnisse der Briefe, tagebuchartigen Aufzeichnungen und Reisebeschreibun­ gen die übrigen Nachlatzstücke des jugendlichen Feuerkopfes so sehr, daß ihre entstehungsgeschichtliche Anordnung samt und sonders von vorneherein gegeben war. Sie sind in Band I, II und III (bis Seite 166), gewissermaßen auf ihren inneren dramatischen Faden gereiht, enthalten. Im zweiten Teil, der dem mittleren Lebensabschnitt Roths entstammt, treten die biographischen Stücke fast ganz in den Hin­ tergrund. Dafür entfalten sich breit und groß die sachlich-schrift­ stellerischen Leistungen seiner Feder. Was lag näher, als sie, so weit möglich, nach sachlichen Gesichtspunkten zu ordnen! So habe ich in Band III eine Zusammenstellung des gelehrten Nachlasses der Mediascher Jahre geboten, die Predigten und Leichenreden ge­ sammelt, im anschließenden Band IV die großen Schriften der Jahre 1842/43 und in Band V die Zeitungsaufsätze Roths neu abgedruckt. Hiemit waren die Kernstücke des Nachlasses, systematisch geordnet, wie es seit jeher geplant war, in die Mitte der Ausgabe gerückt. Der dritte Teil nun beginnt mit dem vorliegenden Band VI und wird in Band VII zu Ende geführt werden. Er gleicht dem ersten darin, daß er fast ausschließlich Lebenszeugnisse d. h. Briefe, Tagebucheintragungen und Reden enthält. Nur ist es hier nicht der jugendliche Himmelsstürmer, der uns sein Herz öffnet, sondern der leidenschaftlich verbissene Kämpfer für das Wohl seines Volkes, der vorausblickende Politiker, der sicheren und unbeirrten Schrittes in die Ewigkeit schreitende Märtyrer. Es war klar, daß auch diese Stücke in der atemraubenden Aufeinanderfolge, in der sie entstan­ den sind, wiedergegeben werden mußten. Genau so wie die Bände I—III ist auch dieser Band VI aus­ schließlich aus Handschriften gearbeitet. Sie befinden sich, wenn nichts besonderes bemerkt wird, stets in der Handschriftensammlung des Baron von Brukenthalschen Museums in Hermannstadt. Diesem um­ fangreichen Grundstock des Nachlasses St. L. Roths war ich seit jeher bestrebt, auch alle noch in Privatbesitz befindlichen Roth-Stücke zuzuführen, um ihn zu einem wahren Nationalschatz auszugestalten. Das Lesen und Deuten der Handschriften, insbesondere des Würt­ tembergischen Tagebuches (siehe die diesem Band beigegebene Hand-

schriftenprobe hat zuweilen unsägliche Mühe gekostet, über Text­ behandlung usw. bitte ich die Vorworte zu Band I—IV nachzulesen. Das umseitig folgende Bildnis Roths stellt die Wiedergabe eines Ölgemäldes von Anton Fiala aus dem Jahre 1852 dar. Als Vor­ lage dazu hat bestimmt die in Band IV veröffentlichte und dort Seite 16 meines Vorwortes näher beschriebene Stuttgarter Daguerreothpie aus dem Jahre 1845 gedient. Da Anton Fiala aber aller Wahrscheinlichkeit nach Roth gekannt hat (der Maler wird von Roth selbst in diesem Bande genannt), kommt dem Bild doch auch ein gewisser dokumentarischer Wert zu. Es befand sich ursprünglich im Besitz des Kronstädter Stadtpfarrers Sam. Traugott Schiel, des Freundes St. L. Roths. Heute gehört es Herrn Heinrich Rhein in Bukarest. Zu besonderem Danke bin ich wie nach der Arbeit an Band I auch jetzt wieder Herrn Regierungsrat i. R. Georg Schmidgall, Tübingen, verpflichtet, dem Spezialforscher für Württembergische Geschichte. Die Kommentierung des Württembergischen Tagebuches mit seinen unzähligen Personennamen ist zum großen Teile sein Werk. Durch seine selbstlose Mitarbeit an meiner Ausgabe ist die Rothforschung wesentlich gefördert worden. Bei der Durchsicht der Revision haben mich meine bewährten Mitarbeiter Prof. Dr. Her­ mann Schüller und Prof. Andreas Rosenauer wieder bereitwillig unterstützt. Ich freue mich, diesen Band gerade zeitgerecht zum 90. Todes­ tage St. L. Roths (gest. 11. Mai 1849) erscheinen lassen zu können. Ostern 1 9 3 9.

Otto Folberth.

2)ett letzten in dieser Ausgabe veröffentlichren Brief (III, 165 f.) schrieb St. L. Roth am 26. Januar 1837 in Mediasch, wo er bis dahin 1. Prediger der evang. Kirchengemeinde gewesen war. Aber er unterschrieb sich darin bereits als „nagelneuer Pfarrer in Ni­ mesch". Fünf Tage später, am 31. Januar, fand in der Tat das im Brief angekündigte „Schlüsselüberreichen und Präsentationsmahl in Nimesch" statt, dem kleinen sächsischen Weinbauerndorf 13 km südöstlich von Mediasch. Für St. L. Roth begann ein neuer Lebens­ abschnitt: aus dem Erzieher und Prediger der Mediascher Zeit (1821—1837) entwickelt sich im abgelegenen Nimesch (1837—1847) der große Volksmann. Die schriftstellerischen Werke dieser Zeit sind bereits in Band IV und V gesammelt dem Leser vorgelegt worden. Hier folgt nun die Zeugenschaft der persönlicheren Dokumente dieser Zeit.

Schlüfselrede gehalten (bei Übernahme der Kirchenschlüsselj in Nimesch am 31. Jänner 1837.

Wertgeschätzte Nimescher, Hochehrwürdiges Kapitel, Lieben Freunde und Anwesende! Um die kurze Zeit, die uns dieser Wintertag vergönnt, nachdem ihm auch noch andere Geschäfte und eine wichtige Kirchenfeierlichkeit aufbehalten ist, nicht noch mehr einzuschränken, will ich von dem Vielen, was mein Herz dermalen beweget, nur Weniges, und auch das nur mit der Fingerspitze berühren und streng bei der Hauptsache bleiben. Euer Vertrauen und Euere Liebe, wertgeschätzte Nimescher, hat aus 6 lauter würdigen und verdienten Mitbrüdern mich durch eine ehrenvolle Stimmenmehrheit zu Euerem künftigen Pfarrer erwählet und gekieset. Nach Euerem Wunsche soll ich meinerseits den Altern und Erwachsenen das Wort Gottes in der Kirche verkündigen, die heiligen Sakramente austeilen, den Kindern und der Jugend den Weg des Heils zeigen — dage­ gen versprecht Ihr, Euererseits, für Wohnung und Lebens­ unterhalt Sorge tragen zu wollen, daß ich, bei Fleiß und Spar-

l'omfeit, ohne Mangel und Seufzen diesem Berufe leben könnte mit Freudigkeit des Geistes. Zum Zeichen dieses Eures dop­ pelten Antrages habt Ihr mir die Schlüssel Eueres Gorteshauses überreichet als das Sinnbild Euerer Forderung und Eueres Versprechens, also, meiner Pflichten und meiner Rechte. Diese unsere feierliche Zusammenkunft hat also die Ab­ sicht und den Zweck zwischen der wählenden Gemeine und dem gewählten Pfarrer eine geistliche und eine weltliche Verlobung zu Stande zu bringen, und die Präsentation oder Dienststel­ lung und Erhebung ist endlich der Schlußstein des Gewölbes, der von Seite Eines Hochehrwürdigen Kapitels zur Vollendung unserer Verbindung, utitet Gottes Segen, eingelegt werden soll. Nachdem mir also von Euerer Seite, erstlich durch die Wahl selbst, dann durch Einhändigung des Wahlbriefes, endlich hier durch eine wohlgesetzte Rede Eueres Fürsprechers der förm­ liche Antrag gemacht worden ist. Euerer Herde ein geistlicher Hirte sein zu wollen, so erkläre ich mich denn, daß mir dieser Antrag willkommen ist, und ich übernehme willig den Beruf: unter Euch das Evangelium zu verkündigeri und darauf zu trachten, das Reich Gottes durch Lehre und Leben unter Euch zu verbreiten, um in aller christlicher Vollkommenheit mit­ einander zu wachsen und zuzunehmen. Durch die Annahme dieses Schlüssels verlobe ich mich denn mit der christlichen Ge­ meine zu Nimesch auf Freud und Leid, auf gute und böse Zeiten. Weil aber die Zufriedenheit das größte Gut in der Welt ist und einige unter Euch vielfacher Anfragen und Erwiderun­ gen uilgeachtet daran gezweifelt haben, ob ich auch gerne kom­ men werde, so ist hier wohl der allerschicklichste Ort und die geeignetste Zeit Euch die 4 Hauptpunkte anzugeben, die einem auch weniger bescheidenen Menschen den Ruf lieb und will­ kommen machen müssen. Zum e r st e n habe ich es immer für eine große Glückselig-

feit gehalten, in den Schafstall zur ordentlichen Türe einzuge­ hen und nicht durch die Fenstern einzusteigen, und wie sich Eheleute freuen müssen, wenn sie in Ehrbarkeit zusammenge­ kommen, also freue ich mich, daß Ihr Euch mir nicht verkauft habt und ich mich nicht habe feil bieten lassen. Des freue ich mich und würde mich auch rühmen, wenn ich etwas mehr getan hätte, als was das gewöhnliche Recht gegen andere, die Ach­ tung gegen sich selbst und die Heiligkeit des Dienstes verlang­ ten. Zum andern, warum ich diesen Berus willig und mit Freu­ den annehme, wenn gleich eine gewisse Selbstgefälligkeit durch­ blicken möchte, ist, daß die öffentliche Stimme, inwieweit sie mir zu Ohren gelangt ist, so gütig war, mir mein kleines Verdienst so hoch anzuschlagen, daß ich Euerer nicht unwürdig sei. Dieses öffentliche Urteil denkt mich in meinem Herzen gut und macht mir das an sich gute Stückelchen Brot, das mir Gott durch Euch zuteilen läßt, viel schmackhafter als ein anderes, das mir mißgönnt würde. Meinem Glauben nach ist ein süß Gerüchts!] auch trocknes Brot, wo die Vorübergehenden von Herzen spre­ chen: Gesegnet es ihm Gott! Der dritte Punkt, meine lieben Nimescher, klingt beinahe wie eine Schmeichelei und ist doch wahr. Daß ich Eueren Ruf so willig und mit Freuden annehmen kann, macht Euer wohl­ klingender Name in der ganzen Gegend, als seid Ihr gutherzige Menschen und Freunde Euerer Geistlichen, die ihre etwaige» Vorzüge gern anerkennen und hervorheben, Fehler, wo sie sich finden, mit dem Mantel der Liebe bedecken und wie der selige Dr. Martin Luther spricht: Alles zum besten kehren. Endlich viertens bin ich bei dieser Pfarrerbesetzung darum zufriedener wie sonst, weil ich so glücklich bin in diese Pfar­ rersbehausung eintreten zu können, ohne daß eine niederge­ schlagene Witwe mir entgegenkommt, noch der Einblick vaterlo­ ser Kinder den Blicken begegnen und den blauen Himmel trüben.

Wie sollte ich bei solchen Umständen und unter solchen guten Menschen nicht gerne leben wollen? Auch die Ungläubigen kön­ nen glauben, daß ich gerne komme. Wie bereitwillig ich aber auch den angebotenen Beruf an­ nehme und wie bezaubernd auch für mich die Zukunft eines zufriedenen Lebens ist, so ist mir doch auch die Besinnung ge­ blieben, die, wenn die eine Schale von Freude gefüllt nieder­ sinkt, in die andere die Gedanken an die Verantwortlichkeit vor Gott niederlegt, daß dadurch im Gemüt Freude und Ernst ins Gleichgewicht nüchterner Überlegung kommt. Ich müßte nie­ mals über die Aufgabe eines Geistlichen nachgedacht, nie die Spitze des hohen Berges mit meinem tiefen Stand im Tale ver­ glichen haben, wollte ich die ganze Ausfüllung der erledigten Stelle versprechen. Vorsätze und fromme Wünsche sind ja die einzige Gewähr und Bürgschaft für uns arme Menschenkin­ der. Der aber, der in den Schwachen mächtig ist, der wolle die Vorsätze, wie sie ihm bekannt sind, zur Tat reifen lassen, zum Wollen das Vollbringen geben, und zur Arbeit seinen Segen, zum Pflanzen und Begießen seinen [!] Wachstum und Gedeihn. Möchte dieser Schlüssel, den ein so schönes Vertrauen in meine Hände gelegt hat, nie umsonst die Türe des Gottes­ hauses aufschließen, meine Stimme nie leeren Wänden oder tauben Ohren und Herzen predigen, die nichts davon verneh­ men und behalten. Möchten die heiligen Sakramente, wenn sie aus meinen Händen gehen, Eueren Seelen Heilmittel und Arznei sein, damit wir immer mehr Gemeinschaft mit Christo Jesu, dem Anfänger und Vollender unseres Glaubens, haben mögen und durch diese Gemeinschaft in unserer Schwachheit Stärke, in unserer Not Stab und Trost, im Sterben Erquikkung und Labsal finden mögen. Gott stehe mir, seinem schwa­ chen Werkzeug, mit seiner Gnade bei und lasse mir auch auf diesen meinen neuen Wegen die Sonne seiner Barmherzigkeit leuchten. Amen. Ihnen aber, ehrwürdiger Herr, wertgeschätzter Herr Pre-

diger und Amtsbruder, überreiche ich, bis zu meiner baldigen festen Niederlassung an Ort und Stelle, diesen Kirchenschlüssel zur unausgesetzten Fortsetzung des Gottesdienstes. Gott stehe Ihnen mit seinem Segen bei! — (An St. Gottlieb Roth in Kleinschrlken.) Nimesch, den 8. Februar 1838.

Lieber Herr Vater! Mit Frau Pfarrerin Zinzin aus Schaal, welche mit ihrem Manne bei uns auf Besuch waren, er aber von hier über Meschen auf Mediasch ging, sie aber wieder zurück­ reiste, schickte ich einen langen Bries von den letzten Ereignissen, und selbe versprach, denselben über Arbegen durch den Schul­ kursus befördern zu wollen. In der Hoffnung, daß dieser Brief seinen Bestimmungsort glücklicherreicht haben werde,brauche!!] ich^dasselbe mit Stillschweigen übergehen zu dürfen und füge nur noch nachträglich bei, daß wir nächsten Montag, als den 12. Februar — mein zweiter Hochzeittag* — in Scharosch uns zur Präsentation versammeln sollen. Dann geht die Jagd aus das arme Tobsdorf. Da wird wieder Präsentation sein und so erregt der Tod selber das Leben. In diesen Tagen erhielt ich einen unvermuteten Brief aus Kronstadt von Herrn Professors Meißner Stiefsohn, Apothe­ ker Miller. Derselbe erkundigte sich um meine Weine, die ihm angerühmt worden. Ich habe nicht versäumt, erbetene Ant­ wort und Auskunft zu geben. Hoffentlich wird meinen unter­ irdischen Gefangenen die Erlösungsstunde schlagen und meinem vertrockneten Beutel die Gunst der Götter in einem goldenen 'Roths erste Gattin, Sophie geb. Auner, war am 16. 11. an Tuberkulose gestorben und hatte ihn mit drei unmündigen Kindern zurückgelassen — siehe III, 156, Anmerkung 2. Am 12. 2. 1837 hatte er ein zweites Mal geheiratet: die 28jährige Pfarrers­ tochter von Bogeschdorf, Karoline geb. Henter. Sieh« auch Verwandtschaftstafel am Ende von Band I. 1831

oder silbernen Regen zu Teil werden. Bis dahin aber könnte es mir wie dem Pferd des Zigeuners gehen. Dasselbe hatte beinahe die Probe bestanden, ohne Futter zu leben, da kre­ pierte das einfältige Tier. Ich bin ohne Geld, was aber mir sonst keinen Kummer macht, denn ich bin gesund und lebe zu­ frieden. Was der Tag fordert, habe ich auch. Allein ich habe Zahlungen zu machen und da komme ich ins Gedränge. Um nun Wort halten zu können, suche ich mein Münzkabinett her­ aus und ziehe den Hermannstädter eckigen Dukaten heraus. Wie einst die belagerte Stadt entsetzt ward, so öffnen sich denn auch diesem Kasten die Schloßriegel. Er kommt heraus und bittet den väterlichen Alliierten um Auswechselung. Zwar war es ihm übler zugedacht, allein es ist dies noch nicht der schlimmste Fall, denn segnet einmal Gott die Berge, so wird Eure elterliche Liebe die Ranzionierung des Gefangenen wie­ der gestatten. Bald höret die Vorspannfreiheit auf. Mit dem Tage mei­ ner Präsentation wäre sie eigentlich zu Ende. Allein, morgen reiset der einjährige Pfarrer doch noch mit Vorspann auf Mediasch und sucht den Vertrag dahin auszulegen, daß sich das Jahr nur mit dem Tage des Einzuges schließe. Ich führe ein Segeln* hinein, um meine Mediascher Fässer in besten Stand zu setzen, daß, wenn Freund Miller aus Kronstadt kommt, der Wein gefüllet und der Keller blank ist. Da meine Formose? leider nicht trächtig ist, so werde ich sie einspannen, sobald ich im Stande bin, ihr eine Gesellin zu kau­ fen. Hab ich einmal eignen Vorspann, so werde ich fahren müs­ sen, wenn auch nur den Pferden zu liebe, daß sie nicht immer stehen. Meine weiße Kuh ist leider gleichfalls ohne Hoffnung und mit dieser habe ich nicht einmal einen Plan, wie ich diese unfruchtbare oder keusche Matrone ein langes Jahr hindurch werde benützen können. Mundartl. für Fätzchen.

2 Das Reitpferd Roths.

Sonst ist bei mir alles voller Leben. Solange der Schlit­ tenweg anhielt, ward brav Mist geführt — jetzt ist ein Waf­ fenstillstand eingetreten, da der eisige Weg es untunlich macht, mit den Ochsen sich aus dem Hose zu wagen, zumal der weiße Ochse sehr leicht glitscht und einige Wochen hiedurch nicht hür­ nen konnte, wie sichs gehört. Zwar nun genesen, kennt man ihm die Krankheit doch an. Hagebutten in Wasser gekocht, hal­ fen. Allhier ist eine unbeschreibliche Armut und wäre ich nur der reiche Mann, für den ich gelte, so könnte ich mit einer ge­ ringen Summe vieler Herzen gewinnen. So aber kann ich nur trösten und nichts geben, was eben auch, aus fremder Erfah­ rung, nicht meine größte Passion ist. Das1 Steinsalz meiner Schwester fand ich bei meiner Heim­ kehr etwas abgeschlagen. Ich weiß es bestimmt. Als ich aber nachwog, so war das Gewicht doch noch sehr, sehr gut. Ich vermute also, daß Lisis Gewichter entweder zu schwer, oder aber die hiesige Fleischwaage zu leicht mißt. Jedenfalls ver­ diente dies nachzusehen. Meine Schuld an die Schwester bitte von dem mitzuschickenden eingewechselten Gelde gütigst abzu­ ziehen. Fürs bisherige Warten danke ich aber. Nach der Besetzung der Scharoscher oder höchstens Tobsdorfer Pfarrei seid Ihr keinen Augenblick eines Besuches zu Pferde sicher. Lebt wohl! Euer liebender Sohn St. L. Roth. sNachschriften am Rande des Briefes:!

Von Heltau habe ich meines Steines wegen noch feine Nach­ richt. Herr Schwager Binder, ? der bis jetzt doch in Kteinschelken gewesen sein wird, mag den Brief nur an Schwager Mich. 1 In der Handschrift lautet es gewiß irrtümlich „Dein" statt „DaS". ^Binder, Johann Friedrich, gest. 1859, Apotheker in Heltau, hatte 1838 die Nichte Roths Luise Bergleiter geheiratet (f. Berwandtschaftstafel am Ende von Band l).

Gottl. ©reifer1 adressieren und nächsten Fastmarkt auf den Runkelrübensamen nicht vergessen. Frau und Kinder lassen sich schönstens Euch und der Schwester empfehlen. Herrn Professor Stephan Adolph Bergleiter2 3 4 Wohlgeboren in Hermannstadt.

Nimesch, den 2. März 1841.

Lieber Adolph! In voriger Woche war Herr Großvater ^ aus Kleinschelken auf Besuch bei uns. Mein armer Louise sein Anblick, sein Leiden und bevorstehender Tod trübte sichtbar seinen sonst freundlichen Himmel. Um alles zu schmecken, was die Welt Süßes und Saueres hat, braucht der Mensch nur zu leben, und wenn man alles weiß, was die Welt an Rosen und Dörnern zu bieten hat, wenn man weiß, daß alles eitel ist, legt man sich selbst njeder und gibt das Leben, als letzte Eitel­ keit, in die unsichtbaren Hände, die es unbegehrt erteilten und wenn auch sehr begehrt unerbittlich wieder nehmen. Wäre unser l Gräser, Mich. Gottlieb, 1794—1864, Eisenhändler in Mediasch, vermählt mit Elisabetha Justina, einer Tochter des Bogeschdorfer Pfarrers Andreas Henter. 293ergleiter, Stephan Adolph, der 1814 in Hermannstadt ge­ borene Neffe St. L. Roths (siehe Verwandtschaftstafel in Band 1), von dem in den vorangegangenen Bänden schon wiederholt die Rede war, hatte nach vollendeten Ghmnasialstudien in Hermannstadt im Herbst 1883 die protestantisch-theologische Fakultät in Wien be­ zogen. Die nächsten zwei Jahre brachte er in Berlin zu. Gleich nach seiner Heimkehr war er 1836 zum Schulrektor von Heltau gewählt worden, jetzt war er seit Anfang 1838 Lehrer am Hermannstädter Gymnasium für klassische Philologie. 1852—1862 Pfarrer in Freck. Er starb 1863 als Pfarrer von Neppendorf und ließ seine zweite Gattin mit sechs Kindern zurück. Trausch, Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen II, 112. 3 Der Vater St. L. Roths. 4 (5t. Ludwig Heinrich Roth, geb. 4. 4. 1824 in Mediasch, gest. 9. 3. 1841 in Nimesch an der „Abzehrung".

christlicher Glaube auch nur ein Wahn — wer mir die Hoff­ nung auf Fortdauer, den Glauben an ein Jenseits raubt, ist meiner Seele ein Mörder. Herr Professor Schüller* erhält inliegend noch einen halben Bogen für seine Blätter für Ökonomie etc. Ich weiß und fühle die Unbedeutenheit des Beitrages. Mag die Kunst und Wissen­ schaft im Tempel Bildsäulen und Versinnlichungen des Idea­ len aufstellen. Das ist Hauptsache. Aber der Aufbau des Tem­ pels, die Hülse, der Leib des übersinnlichen ist eine Notsache. Die erstere Beschäftigung findet, weil sie angenehmer ist, leich­ ter Arbeiter — aber es braucht Mörtelmacher, Ziegelbrenner, Holzfäller und hiezu entschließen sich wenigere. Die Sache selbst gehöret also mit zur Sache, und erfordert seine [!] Hände, und mit wohlbewußter Resignation entschloß ich mich zum Niedri­ gen, Gemeinen — aber Unerläßlichen. Ich kenne die Bedürfnisse des Alltagslebens und arbeite diesen Dränger zu befriedigen, wie ich hierauf in meinem, bis jetzt Dir zu Händen gelangten Aufsatze andeutete. Mißfallen sie der verehrlichen Redaktion nicht, so werden mehrere folgen. Ich lasse sie folgen :quomodo venit in buccam.*2 Teile mir seine Wünsche oder Mißbilligung mit, um ferner zu arbeiten oder nicht. Hinfort adressiere ich sie an die Redaktion und ohne meine Unterschrift, weil man nicht einmal in der Druckerei meinen Namen gekannt wissen will. Meine Handschrift und Chiffre: q ist Gewähr genug.3 Da mich und uns Deine Krankheit sehr beschäftigt hat, bitte ich Dich uns etwas über die Post zu schreiben. Von Mediasch lSchüller, Johann Karl, 1794 -1865, Lehrer für Geschichte am Hermannstädter Gymnasium, bedeutender siebenbürgischer Histo­ riker. Herausgeber mehrerer Zeitschriften. Trausch, Schriftsteller­ lexikon III, 248. - Wie es mir in den Mund kommt. 3 Die hier erwähnten Aufsätze Roths konnten weder in einer hand­ schriftliche», noch in einer gedruckten Fassung ausfindig gemacht werden.

erhalte ich dann schon die Briefe durch Herrn Eisenhändler Michael Graeser. Richte meine Empfehlung an Deine verehrten Schwieger­ eltern aus, küsse mir Frau und Kind und verbleibe mir, was ich Dir immerwährend war und bin, ein warmer und aufrich­ tiger Freund. Ich soll auf Mediasch zum Arzte fahren. Die Zeit ist mir kurz, ich schließe. Tein liebender St. L. Roth. (Auszug eines Briefes St. L. Roths an Sr. A. Bergleiter, Gymnasiallehrer in Hermannstadt.)' Rohrau,2 den 29. April 1841.

Ich schreibe Dir dermalen aus meiner Meierstube in der Rohrau, die von mir vor etwa einem Monat angekauft worden 1 Wie schon öfters bemerkt, stellen alle in der vorliegenden Aus­ gabe ohne besondere Hinweise veröffentlichten Briefe St. L. Roths wortgetreue Wiedergaben der in der Handschriftensammlung des Baron von Brukenthalschen Museums verwahrten Urfassungen dar. Eine Textverschiebung habe ich mir nur insoweit gestattet, das; ich dac- Datum der Stücke, der Übersichtlichkeit halber, stets an ihren Anfang gesetzt und die Anrede in den Briefen, um Raum zu spa­ ren, stets in die erste Zeile eingerückt habe. Besondere Aufbewah­ rungsorte einzelner Stücke werden gewissenhaft angezeigt. — Mit obigem Stück nun beginne ich die Wiedergabe einer Reihe von Brie­ fen St. L. Roths an St. A. B e r g l e i t e r, deren Urfassungen ich trotz vielfacher Bemühungen leider nirgends ausfindig machen konnte. Im Nachlaß Roths befinden sich bloß Auszüge dieser Briefe, die Bergleiter auf 8 Quartbogen aufgezeichnet hat. Ein Vergleich mit den in einigen Fällen erhaltenen Urschriften ergibt, daß Bergleiters Auszüge leider auch textlich sehr ungenau sind — trotzdem können sie, infolge ihres wichtigen Inhaltes, hier nicht übergangen werden. Schon Franz Obert (St. L. Roth, Sein Leben und seine Schriften. Verlag von Carl Graeser, Wien, 1896) hat diese Briefe nur in Bergleiters Fassung gekannt. -Mediascher Flurname. Rohran heißt ein Teil des Kokeltales, km südwestlich der Stadt Mediasch.

ist. Wenn Du von Hermannstadt auf Mediasch kommst, so liegt es Dir linker Hand, vis ä vis von der Krugschen Wiese. Heute sind es 14 Tage, daß ich hier arbeite und die nächste Woche wird auch darauf gehen, um das Nötigste und Mögliche in die­ sem Frühjahre herzustellen. Kommst Du zu Pfingsten mit Frau und Kind, wie Du versprochen hast, zu uus, so wirst Du wissen, wo Du mein Grundstück zu suchen hast. Ist das Wetter, wenn Du kommst, freundlich, so steige aus und durchgehe es, damit wir, wenn ich das Steckenpferd reite, ein Tüchtiges plaudern können. Ich habe den Plan einen deutschen Landwirten dahin als Meier zu versetzen, um aus dem Wege der Anschauung und des Beispiels dem rationellen Feldbau unter uns Eingang zu verschaffen. Deine Ansichten über Kolonisation deutscher Brüder, so wie Deine Vorschläge zur Ermöglichung derselben haben mich sehr angesprochen und sind fortwährend Gegen­ stand meines Nachdenkens gewesen. Ich freue mich außeror­ dentlich darauf, daß wir unsere Ideen hierüber austauschen werden— und das recht bald. Du hast Recht, Verstärkung des deutschen Elementes tut uns in unseren diesmaligen politischen Verhältnissen eben so not als Hebung des Feldbaues. Meine literarischen Pfuschereien und mein Hauswesen habe ich in dieser Zeit ganz hintansetzen müssen, kaum daß ich meinen Amtspflichten nachgekommen bin. Allein das ist vorübergehend. Aber ich habe Kummer und Sorgen schwererer Art. Alles ist krank gewesen, etwa meine arme Frau ausgenommen. Bis auf Pepi* ist zwar wieder alles in Ordnung. Dies schwächliche Kind liegt seit Donnerstag in Mediasch an einem zweideutigen Fieber und Gott wird wissen, wie das Ende sein wird. Während der Krankheit meines lieben Louis, in den bangen Stunden, wo ich sein Hinscheiden erwartete, raffte ich alle meine Selbstbeherrschung zusammen und brachte beiliegendes Mauul Friederike Joseph«, das 12'/» jährige Töchterchen Roths, das dritte Kind aus seiner ersten Ehe.

skript „Die Zünfte^ zu Stande. Eigentlich war es für den Siebenbürger Boten bestimmt; da es aber zu dickleibig gewor­ den, bin ich hievon ganz abgegangen und will es nun auf eigne Kosten in Druck befördern. Ich schicke Dir dasselbe und bitte Dich um Besorgung dieses Geschäftes, einmal weil Du mein Neffe bist, dann aber auch aus dem Grunde, weil Du mein Geschmier am besten wirst lesen können. Bei dem allgemeinen Interesse, das dieser Gegenstand an sich hat, glaube ich, dürfte es an Absatz nicht fehlen, um so weniger, als ich, die Frei­ exemplare abgerechnet, keinen Nutzen haben will. Ich wünsche jedem sächsischen Publikum zwei Exemplare zu offerieren und dann eben so viele, um solche unter meinen Bekannten aufzu­ teilen. Diese sollen mir gratis bleiben. Pränumeration und dergleichen will ich nicht — aber in den siebenbürger Zeitun­ gen, wünschte ich, sollten Anzeigen gemacht werden, wenn es einmal erschienen und der Preis berechnet ist. Damit das Schriftchen gleich gelesen werden könne, soll es broschiert ans Tageslicht kommen. Hältst Du es für nötig einen lithographier­ ten Umschlag fertigen zu lassen, so müßte das Wappen des Landes und die Wappen der sächsischen, ungrischen und ßekler Städte mit in die Zeichnung aufgenommen werden, da es eine Sache ist, die alle drei Nationen gleich nahe berührt. Alles bleibt Dir anheimgestellt. Nur soll der Druck nicht zu klein sein, daß ihn auch ältere Leute lesen können. Dein Verhältnis zur Hochmeisterschen Buchhandlung, Deine Bekanntschaft mit Herrn Zensor usw. macht Dich zum Zen­ trum. Sei so gut und lasse Dir es angelegen sein, daß das Schriftchen nett und rein ans Licht der Welt trete. Die Schön­ heit des Äußern soll für die Holprigkeit des Innern entschä­ digen. Umgeben von Walachen, die Mist führen, von Zigeu­ nern, die schanzen, Maurern, die bewerfen, Tagwerkern, die das Materiale zuführen, würde ich gerne noch und BerschielIV, 17-74.

denes mit Dir plaudern: aber ich werde jeden Augenblick ge­ stört und meine alte Unart, alles auf die Letzt zu lassen, rächt sich auch dermalen an dem faulen Schreiber. Verzeihe daher und ergänze mit Deinen Gedanken, was hier gedankenlos ist. (Auszug eines Briefes St. L. Roths an St. A. Bergleiter, Gymnasiallehrer in Hermannstadt.)' Nimesch, den 26. September 1841.

Mein Aufsatz über die Zünfte war mit seinem Effekt berech­ net auf die Zeit vor dem Landtage. Ich betrachte ihn als Sauer ­ teig, der Zeit braucht, um die ganze Molde in Bewegung zu setzen. Du wirst mich ja nicht länger in der Unwissenheit lassen, was der arme Aufsatz wohl verschuldet hat, daß er so lange an dem Schlagbaume der Zensur ausgehalten wird. Hier lege ich noch ein Kind meiner Krankheitsmuße „Etivas über die Stearinkerzenfabrik in Hermannstadt"2 bei. In die politische Zeitung Patzt es nicht — die Transsilvania ist nur zum Teil Transsilvania, und dieser Aufsatz im Hausrock sticht gewiß gegen die Fracks und ausländische Modekleidung der geschmackvollen Unterhaltung lächerlich ab und—in den Ökono­ mischen Blättern, die schlafen gegangen sind, hat die Redak­ tion die Türe zugeschlossen. Kann der Redakteur der Trans­ silvania diese Picce brauchen, so mag er den verblüfften Lands­ mann in die Transsilvania entschuldigend einführen. Ich schreibe dies zwischen weinenden Kindern. Der Töpfer setzt den Ofen auf. Es wird Kukuruz zum Schälen hereinge­ bracht; in der Scheune wird verzehntet; neben mir legen die Mägde Zwetschken auf die Bretter; die Knechte schreien im Hofe, man solle ihnen abladen helfen etc. etc. Ich muß schließen, denn noch bin ich immer sehr schwach. > Zur Textform dieses Briefes siehe Seite 20, Anm. 1. - Nicht erhalten.

Seiner Wohlgeboren des Herrn, Herrn Franz Roth, AmtMannes abzugeben in Birthälm. Rimesch, den 5. Dezember 1841. Wertgeschätzter Freund! Mit der Feder von der Windbüchse^ macht mir der Meister unnützige Weitläufigkeiten. Er verlangt auch, ich sollte ihm den Kolben laden und hinüber­ schicken. Ich bin ja krank und kann dieses gefährliche Geschäft niemanden sonst anvertrauen. Ist die Feder einmal fertig und von der Art des Wiener Musters, so werde ich sie ja hier ver­ suchen und etwa zur höheren Härtung hinüberschicken, wenn es nötig sein sollte. Der Kolben war ja geladen, zu was hat er mutwillig die Luft verbraucht? Ich fürchte mich vor Beschädi­ gungen und Reparaturen. Denn es wird einem zu sauer ge­ macht und die Meister sind in der Taxierung ihrer Arbeit zu eingebildet auf ihr Verdienst. Und bei dieser neuesten Art von Windbüchsen kann ohne Patronen doch nicht geschossen werden. Die Boten gehen ja auch nicht umsonst und man be­ kommt hier auch schwer jemanden, der zuverlässig genug wäre. Die Feder mutz aus ganz reinem, feinkörnigem Stahl ohne Schiefer sein, denn sonst hält sie nicht aus. Ich falle Ihnen zur Last — verzeihen Sie. Meine 13jährige Pepi legten wir den 3. Dezember l.J. in die Arme der mütterlichen Erde, Bruder und Schwester in ein Grab. Hielte ich mich nicht mit den Wurzeln fest in dem Boden der evangelischen Glaubensfreudigkeit, wäre dieser wiederholte Sturm wohl im Stande den ganzen Baum auszureißen, der ohnedem hohl und angebrannt und von früheren Ungewittern krankhaft ist. Requiescat in pace!*2 Habe ich Ihnen nicht ein Manuskript über beit Birthälmer Pfarrer und lutherischen Superintendenten3 in früherer Zeit 'Das Museum „Alt-Mediasch" bewahrt in seinem St. L. RothZimmer noch heute diese Windbüchse, dies Luftgewehr Roths aus. -Möge sie in Frieden ruhen! 3 V, 52—80.

zum Lesen gegeben? Sicher weiß ich es nicht. Sollten Sie es haben, wollte ich um freundschaftliche Heimstellung bitten, da ich aus Hermannstadt darum angegangen worden bin. Es ist in der Transsylvania des Siebenbürger Boten in den letzten szweisi Nummern von mir eine Schutzschrift für die Zünfte erschienen. sJch mas'che Sie darauf aufmerksam und bitte Sie denselben [!] zu lesen. sMeins' Verdienst ist da­ bei sehr gering. Denn Lob und Verteidigung ssind ins1 2einem Gegenstände halbe Arbeit, wo man nur die Brille von der Nase zu nehmen braucht, um den großen Wert der Zünfte einzusehen. Es ist Zeit, daß sich die Zünfte rühren, denn die Neuerungs­ sucht unserer Zeit hat die Axt schon auf den Schleifstein gelegt, um den sruchtreichen Ast vom Baume unserer Nation abzu­ hauen. Wo höhere Rücksichten walten oder die Notwendigkeit ein Schicksal unvermeidlich macht, da mag das Lamm sich stumm zur Schlachtbank führen lassen — sind aber die Bedingungen nicht vorhanden, da wäre es Sünde, dem Frevel so leichtes Spiel zu lassen. Legen Sie mir es nicht als Eitelkeit aus, wenn ich die schläfrigen Zünfte mit meinem Sturmglöcklein auf­ wecke. Feuer! Feuer! soll alles schreien, was sächs. Bürgerblut hat, denn in verschiedenen Komitaten ist den Deputierten die Abschaffung der Zünfte als Petitum aufgetragen worden. De nostro agitur corio! - und wir — wir essen und trinken und schnarchen, wie im tiefsten Frieden. Meine Jagdhunde habe ich verschafft — alles hat seine Zeit — die meinige ist vorüber. Meine Jagdrequisiten hängen an der Wand wie alter Plunder, wie ein Spiegel im Zimmer einerverrunzelten Jungfer. Nos quoque iloruimus!3 Ein Besuch von Ihnen wäre mir sehr angenehm. Ich weiß, daß Sie mich lieben, und dies ist mir ein angenehmes Gefühl. 1 Der Brief ist an dieser Stelle beschädigt. Tie eingeklammerten Worte bzw. Silben sind vom Herausgeber ergänzt worden. 2 68 handelt sich um unsere Haut. 3 Auch wir standen einst in Blüte.

Wenn Sie kommen, richten Sie sich es so ein, daß Sie hier über Nacht bleiben. Meinen Faßbinder Leitschafft lasse ich bitten zum Abziehen einiger Fässer herüberzukommen, in dieser Woche. Sollte er gedrechselte Stopfen, besonders aus getrocknetem und gespal­ tenem Weidenholze auftreiben können, je länger, je besser. 4—5 Zoll, so möge er 30—40 mitbringen. Nun leben Sie wohl, machen Sie meine herzliche Empfehlung an die Herrn Amtleute, die ich alle als meine persönlichen Freunde mir denke und wertschätze und verzeihen Sie mir meine Sudelei. Ich habe im Bette geschrieben. Noch bin ich nicht gesund — aber krank, Gott sei Dank, auch nicht. Es geht mir wie einem armen Gaul, der sich mühselig aus einem Schaukelmoor herausgewunden hat und auf dem Trocknen zitternd steht. Die Gefahr ist vorüber, aber die Schwäche ist noch da. St. L. Roth. Leben Sie wohl! Ihr Freund (An St. Gottlieb Roth in Kleinschelken.» Nimesch, den 29. Dezember 1841.

Wertgeschätzter Herr Vater! Einen oder zwei Tage nach der Abreise der lieben Thesis mit Sophie- auf Kleinschelken, legte sich meine Frau ins Bett. Lange schwankte die Krankheit, ohne sich für eine Form entscheiden zu können, bis ein sehr übles Tertianfieber mit Erbrechen, schrecklichem Durst, großer Hitze und noch größerer Unruhe zum Vorscheine kam. Anfangs zeig­ ten sich allerhand Symptomata der Lungenentzündung, dann des hitzigen Fiebers usw. Gott hat mich bis dahin gebracht, daß ich noch froh bin und sein muß, daß das mindere übel des Tertianfiebers erschien. Mir geht es so wohl, daß ich mit * Siehe Seite 28, Anm. 2. - Roths 15 jährige Tochter, das einzige noch lebende Kind aus erster Ehe.

Freuden mir die Hände auf den Rücken binden ließe, um ins Hermannstädter Zuchthaus geführt zu werden. Mein Körper erträgt es ja — allein mein Gemüt ist in Kot getreten, und ich sage dem alten Jahr kein Lebewohl, sondern: Hol dich der Teufel. Vom neuen hoffe ich auch nicht viel Besse­ res. Denn das Unglück hat, wie Gewitter, seine Straßen und Gewohnheiten, und wer nun auf diesen Bahnen von den Um­ ständen hingestellt wird, ist allem preisgegeben, er mag beten oder singen. Vielleicht kann ich mich ja auch erheben, und bann habe ich gewonnen. Meine Pferde sehen aus wie schlaffe Blasenbälge, denn schlechte Knechte, ein unnützer Herr und viele Strapatzen bringen sie auf den Hund. Gestern holte mein Wagen die Schwägerin Graeser heraus; heute fährt sie hinunter, und wäre gern geblieben, aber sie hat auch ihren Teil zu Hause zu be­ sorgen. Dazu ist der Gesindswechsel vor der Türe, und wir haben noch kein einziges Gesind gedungen. Indessen das wird sich genug finden, und bis wir eins bekommen, helfen ja andere aus. Jetzt könnte ich die Sophie gut brauchen — sobald ich nur die Pferde, mutmaßlich auf 2 Tage, entbehren kann, werde ich, nach dem neuen Jahre sogleich, nach ihr schicken. Ich kann nicht kommen, wie ich es mir vorgenommen hatte. Transeat,1 der Mangesius hat Recht, wenn er sagte: die Welt wäre keinen Dr— wert. Zu was lebt man? Es wird ja besser werden, wenn es will. Mitten in dieser ärgerlichen Mißstimmung habe ich ja auch meine lucida intervalla,2 wie die Narren, so daß ich oft ein anderer bin als ich selbst, und wenn ich mich ausgeschimpft habe,habe ich wie ein Mensch,der Durchfall hat, eine kleine Zeit Ruhe. Diesen jetzt bei mir eingetretenen Ruhepunkt benütze ich, um Euch etwas Angenehmeres zu schreiben.

Meine Schwägerin sagte mir, der junge Sam. Graeser,1 der einzige Sohn seines Vaters, der ein anerkannter zärtlicher Gatte war, würde auf Kleinschelkeu kommen, um mit der Thesi? eine Bekanntschaft anzuknüpfen. Sollte das Mädchen ihm, und er ihr gefallen, so würde ich meinerseits diesen jungen Men­ schen, wie er sich in der letzten Zeit ausgebildet hat, unver­ hohlen anempfehlen. Er ist schön — gesund — das Haus auf dem Platz — ein angenehmes Betragen — unverdorbenes Herz und unzerstörten Körper — heiteres Temperament und kann, nach unserer Sachsenart — eine Frau ernähren. Thesi hat zwar vielleicht eine Vorliebe fürHermanustadt,uild ich verarge ihmjij es auch nicht — aber meine Nähe soll ihm vieles ersetzen und will ihm mit Freundschaftshonig den Schaum der Hermannstädter Etiquette ersetzen. Das Weib rechnet, wenn es vernünf­ tig rechnet, zuletzt auf das stillere und geräuschlosere Glück des inneren Hauses. Der junge Herr Graeser ist kein Sperling — aber lieber ein Sperling in der Hand als eine Drossel in der Luft. Die Zeit ist da und die Gelegenheit hat nur vorne einen Schopf und hinten ist sie kahl und haarlos. Dies alles — wenn eine Steigung vorhanden ist. In Hermannstadt ist die günstige Stimmung und gute öffent­ liche Meinung nicht so entschieden für die Thesi — Freunde müssen offen reden — hier gilt das [!J Thesi, als eine hierorts ungewöhnlichere Erscheinung, sehr viel, und Mediasch ist ein Städtchen, das die Annehmlichkeiten einer Stadt mit den Ver'Graeser, Samuel, 1811—1897, damals Magistratssekretär in Mediasch. Er war der Sohn bzw. Enkel der beiden Graeser, die Roth im Jahre 1834 gelegentlich seines Streites um das Rektorat seine „größten persönlichen Feinde" genannt hatte (III, 199 und 172). Roths obige Stellungnahme ist deshalb um so bemerkenswerter. -Roths Nichte Therese Henrich, 1821—1890, siehe Perwandtschaftstafel in Band I. Sie heiratete später aber nicht Sam. Graeser, sondern Dr. Friedrich Jikeli, 1811-1849, Arzt in Her­ mannstadt. Sie war die Begründerin des ersten Kindergartens in Siebenbürgen.

gnügungen des Landlebens auf eine angenehme Art verbin­ det, ohne, — bei diesem Fall — wie bei anderen Senatoren,' zum Brotmacher verdammt zu sein, da hier keine ausgedehnte Feldwirtschaft getrieben wird. Ein armer Akademikus in Hermannstadt — ein nothosfärtiger Beamter in Hermannstadt — welche Ausdauer, Müh­ seligkeit — Dies alles schreibe ich der guten Thesi als wahrhafter Bruder seiner unvergeßlichen Mutter. Nichts übereilt. Das Ja und Nein braucht gleiche Überlegung bei einem so wichtigen Schritte. Hat es Gott gefügt, will ich gerne meine Einstimmung geben. Es ist mir leichter um das Herz geworden und wie toll ich mich niedersetzte, bin ich jetzt aus dem Dur ins Moll verfallen. Glück, Heil und Segen zum neuen Jahre. Nehmt auch dies von mir an, der oft unklug, aber immer wahrhaft in den Aus­ drücken seiner Empfindungen ist. Roth. (Auszug eines Briefes St. L. Roths an St. 2(. Vergleiter, Gymnasiallehrer in Hermannstadt.)Rimesch, den 27. Jänner 1842.

-------daß Dein mir und andern unvergeßlicher Vater im 33. Jahre starb, war für die Nation ein Schade, ist aber keine Notwendigkeit für Dich, auch vor der Zeit zu sterben. Denke Dir den Tod, wie Du willst, immer ist damit ein Horror ver­ bunden. Nur ist Deine christliche Vorstellung die beste Oblate zur Einhüllung dieser unabwendbaren Pille, wenns sein muß. Mir hat der Tod auch heuer seine drohende Faust fast an die Stirne gelegt und im demütigenden Gefühle meiner Ohnniacht gegen die Allmacht Gottes steckte ich auch die weihe Fahne aus -- aber hat mir gleich das vergangene Jahr mein Herz zer­ drückt, bleibe ich doch gerne und werde von der Christuslehre 1 Der alte Graeser war Senator. 'Zur Tertform dieses Briefes siehe Seite 20, Am». 1.

nur Trost für andere Nöten mir aufbewahren. Drücke Dir mit immerhin den christlichen Trost ins Herz — es kommen sicher Zeiten und Umstände, wo Du ihn brauchen wirst. Gebe aber Gott, daß Du die Arznei besitzest ohne Gelegenheit, sie zu ge­ brauchen. Meine „Zünfte" haben mir auch in hiesiger Gegend viele Freunde gemacht — aber die Zünfte selbst schlafen fort, ohne sich zu rühren, obgleich in mehreren Markalkongregationen auf ihre Aufhebung angetragen worden ist. Salvavi et liberavi animam meam.1 *Joh. v. Müller* sagt irgendwo: Jedes Volk ist seines Schicksals wert, und ich setze als Kommentator hinzu: qui potest mori, non polest cogi.3 Der Bürgerverein von Her­ mannstadt soll, statt mir eine Danksagung zu votieren, lieber alle Zünfte agitieren, daß sie wie ein Mann sich erheben und die Nation in ihren Landtagsdeputierten auf die Beine bringen. Es ist hohe Zeit, sonst: post fest» sacerdos.4 * Mein Plan in Betreff der 3 Blätter für Bauern, Bürger und Geistliche3 ist bei mir ein pium desiderium.6 Pros. Schüller mag Recht haben in manchen Stücken. Doch soll Herr Komes nur erlauben, daß die sächs. Ortschaften sich das Blatt durch ihre Dorfskassen anschaffen dürfen, so ist seine Existenz ge­ sichert. Das Oberkonsistorium und H. Superintendent könnten das Schul- und Kirchenblatt aus der Taufe heben. Das Bürger­ blatt dürfte sich oben und unten noch Hilfsmittel verschaffen, wenn auch die eigentlichen Stadtbürger nicht alles abnehmen sollten. Die Zünfte müßten das Blatt gleichfalls exoKo^ halten. Nur müßte dann auch im Blatte selbst die gehörige Magnet4 Ich habe meine Seele gerettet und befreit. ^Müller, Johannes von, Geschichtsschreiber, 1752—1809. 3 Wer sterben kann, kann nicht bezwungen werden. 4 Nach dem Fest der Priester. 3 Siehe vor allem V, 21—51. 3 Frommer Wunsch. 7 Von Amts wegen.

kraft sein. Ich kann bei Realisierung dieses Vorschlages nur als Handlanger dienen — das eigentliche Arbeiterpersonale müssen Städtebewohner sein und der Flug nicht zu hoch, son­ dern nahe in der Atmosphäre des dringendsten Bedürfnisses. Wenn ich lebe, will ich auch beim Gelehrtenverein hinter den Ofen mich zurückziehen. Herr Schüller ist der Mann der Ge­ bildeten unseres Volkes. Ist er für diese literarische Unter­ nehmung — seiner Autorität, seinem Willen würden sich viele fügen. Also bis dahin altum silentium.1 2 Ich bin von der Redaktion des „Ungar"3 angesprochen wor­ den, mitzuarbeiten. Ich aber kenne das Blatt nicht und weiß deshalb nicht, ob ich den Antrag annehmen werde. Der Prospektus gibt ein buntes Quodlibet, so daß mir die Aufgabe des Blattes nicht klar wird. Bors erste will ich mir daher das Blatt selbst verschaffen, um zu sehen, ob wir sympathisieren. Kommt Zeit, kommt Rat. ------Ebenso zufrieden bin ich mit Deiner Vorkehrung wegen eines Württembergers. Meine Rohrau, aus dem Erbteile des Louis für Pepi angeschafft, ist mir ein heiliger Boden, wobei ich nichts sparen will, wie bei einem Totendenkmal, um es nur schön und blühend und für unsere vorbeifahrenden Bauern interessant zu machen. Wie glücklich würde ich mich schätzen, wenn ich einen guten braven Schwaben zur Administration desselben erhielte. Es sollte ihn nicht gereuen, zu mir gekom­ men zu sein. Wie ein Verliebter warte ich auf Deine Mittei­ lungen und rechne nach einzelnen Tagen. — — Wäre ich nicht noch immer kränklich und dermalen nicht Winter, so hätte ich wohl Anstalten getroffen, wenigstens Mist als nervus rerum3 anzuhäufen. Bei einem solchen Ge1 Gänzliches Stillschweigen. 2 „Der Ungar", pol. belletristisches Tageblatt, zeitschriftliches Or­ gan für politisches Interesse, für Kunst, Literatur, Theater und Mode. Erschien in Pest. 2 Lebenskraft.

schäfte mutz aber des Herrn Auge sein. Sonst wird man be­ trogen. (Auszug eines Briefes St. L. Roths an St. A. Bergleiter in Hermannstadt.)14 * 3 Nimrsch, den 28. Mai 1842.

Meine Frau übergab mir Deine Briefe Dienstag abends und Mittwoch brach ich gen Schätzburg zur bekannten Versammlung^ auf. Was sich alldort zugetragen, werden Dir die Hermannstädter Freunde bereits gesagt haben. Als Haupt­ resultat brachte ich die Freude nach Hause, datz es in unsrer Nation viele Kenntnisse und Liebe zum Guten gebe. Manche Asche der Freundschaft ward neu angeblasen — neue ge­ schlossen. ------Die politische Welt abgerechnet, drehen sich in meinem Kopfe lauter Schwaben herum. Seit ich von Dir die Nachricht erhalten, datz mein Schwabe im Anzuge sei, belebe ich mein verödetes Grundstück bereits mit allerhand lieblichen Bildern. Unter dem Titel „Der Sprachkampf in Siebenbürgen"^ habe ich einen längeren Aufsatz fertig. Es mögen etwa 8—10 Schreibbogen sein. Ehe noch die Akten über die Sprachsrage geschlossen werden, wünschte ich diese Einlage in das Faszikel einzuschieben. Ich hätte auch diesen Aufsatz Dir gerne mit­ geteilt, ehe er unter die Presse gegangen, allein periculum in mora4------Es sind in demselben die gewöhnlichen Ansichten mit einigen neuen vermehrt auf eine anziehende Art darge­ stellt. Wenn er die Zensur passiert, so hoffe ich, er werde viel­ leicht Deinen und anderer Beifall finden. 1 Zur Textform dieses Briefes siehe Seite 20, Anm. 1. -Die erste Generalversammlung des am 8. Okt. 1840 in Media sch gegründeten Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Sie fand am 19. und 20. Mai, d. i. zu Pfingsten, 1842 in Schäßburg statt. 3IV, 75—159. 4 Gefahr ist in der Verzögerung.

------Meine Pferde sind nun alle grindig — eine schöne Be­ scherung. Dieser Mangel an Vorspann klebt mich hier fest. Werde ich aber flott, so komme ich nächstens zu Dir. Küsse mir Dein statutarisches Drittel,* welches aber eine wahre Hälfte des Lebens ist. Fräulein Sophie Roth, bei Herrn Kaufmann Henter, Wohlgeboren in Mediasch. Kleinschelken, den 21. Junius 1842,

Mein liebes Kind! Die Unglücksfälle in der Familie und meine Vorsicht haben Dich, mein liebes Kind, von den Ver­ gnügungen und Torheiten der Stadt bisher entfernt gehalten. Tein Verlangen und die Zeit, die alles mit sich bringt, haben auch mich bestimmt, Dich dermalen, aus längere Zeit, nach Mediasch zu schicken. Nicht ohne Besorgnisse, nicht ohne Zu­ versicht weiß ich Dich da, und meine Liebe, mein väterliches Gefühl behält Dich immer im Auge. Ich beobachte, ich lasse beobachten jeden Deiner Schritte. Drei Dinge sind es, die ich Dir von Herzen wünschen muß: Gesundheit, eine gute Meinung der Bessern aus der Stadt und dereinst eine glückliche Ehe. Nur wenn diese drei beisammen sind, wohnt die Zufrieden­ heit int Herzen, ohne die der größte Reichtum bittere Armut ist. Die glückliche Wahl in der Ehe ist mehr eine Gabe der Umstände als der Berechnung. Die öffentliche Meinung ist ganz unser Werk. Die Gesundheit zum Teil unser Verdienst, zum Teil auch nicht. Das Schicksal Deines Geschwisters weißt Du. Noch nur Dich habe ich. Louis und Pepi haben mich an den Rand gestellt. Tein Tod stieße mich vollends in die Grube. Jetzt sind die 1 Anspielung auf das Recht der Frau, nach dem alten Eigenlandrechr der Sachsen, dem sog. Statutarrecht, ein Drittel vom Vermögen des Mannes zu erben. — B e r g l e i t e r, Karoline, 1818— 1860, war die Tochter des ev. Stadtpfarrers Joh. Jos. Roth von .tzermannstadt.

gefährlichsten Jahre für Dich. Ter jugendliche Übermut ititb die körperlichen Entwicklungen im ausblühenden Mädchen ha­ ben manchem Vater die Rosen abgestreift und nur die Dornen gelassen. Hierüber habe ich schon manches mit Dir geredet, oder, ohne zu reden, Dir Veranlassung gegeben darüber nach­ zudenken. Was ich meine, auf was ich anspiele, wirst Du viel­ leicht erraten. Sorge auf Deine Gesundheit, damit Du Dir keine Vorwürfe, zu spät, machen müßtest. Den Pelz, der Dich aus dem Theater heimkehrend vor Er­ kältung schützen sollte, hast Tu zurückgeschickt. — Das M i eder mißbrauchest Du. Ich weiß es. Soll ich nun dies dem Leichtsinn oder dem Mangel an Liebe gegen mich zuschreiben? Ersteres zeugte von Derstandesschwäche, letzteres von H^kzenskälte. — Deine jungen Ohren werden meine Ratschläge nicht sehr gerne hören, aber ich habe, als Vater, von Gott die auf­ erlegte Pflicht, liebend und warnend, warnend und liebend, Dir zur Seite zu gehen. So viel ich weiß, bist Du nicht aus­ gewachsen. Du bist, so viel ich weiß, nicht nur gerade, sondern auch schön gewachsen. Eines Panzers also, glaube ich, bedarfst Du nicht, der die verrenkten Glieder gewaltsam in die natür­ lichen Formen zwängen müßte. Beispiel und Eitelkeit bereden zwar die jungen Mädchen leicht zu glauben, sie täten der Sache nichtzuviel. Wenn sie aber bescheiden sind und ihre Eltern lieben, so werden sie auf die warnende Stimme der Erfahrung und der Vorsorge hören, und den Vorteil benützen, ohne eige­ nen Schaden, klug zu sein. Was ist es denn: dünn zu sein ? Zur Schönheit gehört es: nicht mißgestaltet dick zu sein, aber eine übertriebene Dünnheit, künstlich erzwungen, ist Karrikatur! Nur einem verdorbenen Geschmack kann es gefallen. Ein edles Weib will nicht der Geschmacklosigkeit, sondern dem edlen Schönheitssinn gefallen. Ein Mannsbild, der auf Unkosten des besseren Geschmackes sich kleidet und beträgt, ist ein Geck, tut es ein Frauenzimmer, nennt man es eine Puppe. Ja den An­ stand des Körpers mit der Würde einer reinen Gesinnung lasse

ich mir gefallen. Ich werde ein solches Frauenzimmer achten müssen. Denn es weiß die Dinge, nach ihrem Werte, zu schätzen, und greifet nicht töricht nach Schatten! Schlage diese Worte nicht in Wind. Sie bezwecken Dein Glück und mein Glück. Wie gerne gönne ich Dir die Freuden der Jugend! Genieße sie! Der Mai kommt nicht mehr! Genieße sie, aber sorge, daß Dir die Jugend für die spätere Zeit keine herben Früchte trägt! Ohne Gesundheit, ohne Ehre, ohne reines Herz was ist das Leben? Dieses, mein liebes Kind, schreibe ich Dir, um Dir die Überzeugung zu geben, daß Dich innig und herzlich liebt Tein Vater St. L. Roth. sNachschrift am Rande des Briefes.!

Dem Herrn Großvater ist es besser, seine 2 Fieber sind aus­ geblieben. Freue Dich mit mir. Gott hat uns darin geliebet. Ich schätze mich glücklich! (An Mich. Kaiser, Pfarrer in Weidenbach.)' Nimesch, den 11. August 1843.

Wertgeschätzter, teurer Freund! Ich habe nicht vergessen, ich habe nur geschwiegen bisher. Meinen Dank für genossene Freundschaft in Deinem Hause hast Du immer in meinem Her­ zen: er wird nie aufhören, wenn er auch nie angefangen hat, sich zu äußern. Mein Aufenthalt in Kronstadt? das ich nur einmal gesehen habe und das ich zum zweitenmale zu sehen keine Hoffnung mehr habe — wird mir unvergeßlich bleiben. Ich halte die Erinnerung daran, wie ein Konfekt, in Bereit1 Aufbewahrt in der Bibliothek der Honterusschule, Kronstadt. — Kaiser, Mich., ab 1825 Lehrer, ab 1833 Rektor des Kronstädter Gymnasiums, wurde 1843 Pfarrer in Weidenbach. Er starb 1859 in Kronstadt. 2 Während der zweiten Generalversammlung des Vereins für sieb. Landeskunde zu Pfingsten 1843. Siehe auch V, 23.

schaft, um mir damit, wenn Gegenwart und Umstände schaale Speise bieten, einen angenehm-en Geschmack zu bereiten. Des­ wegen sage ich Dir, Deiner freundlichen Gattin und allen de­ nen, die mich geliebt und erfreuet haben, warmen Dank aus der Fülle meines Herzens. Aus Deinen mir gefälligst mitgeteilten, mit Fleiß durchlesensens Disquisitiones historicae de Gymnasio A. C. AA. Coronensi,1 welche ich hiemit dankbarlichst einlege, ersah ich, daß die Kronstädter Schule am 1. Dezember 1644 ihr erstes Jubiläum feierte. Von einer Wiederholung ist keine Rede mehr. Aber 1844 rückt heran, soll man da nicht noch einmal sagen: Gottlob, es sind wieder 100 Jahre vorüber! Eine solche Feier gilt ja freilich auch der Vergangenheit — aber mehr doch der Gegenwart, welche die Mutter der Zukunft ist?! Wie wäre es, wenn Du zur Verherrlichung dieses Tages diese Disquisitiones2 benützest? Sie sind so interessant und deutsche Sprache machte sie allen zugänglich. Denn sie be­ rühren so viele Stoffe, die das Glaubenswesen, die Sache un­ seres Volkes, unseres Landes angehen, daß Du auf den Dank vieler, vieler rechnen könntest. Ich bin vom Gedanken so ein­ genommen, daß ich nicht umhin kann, wenn auch nur zu Deiner und meiner Unterhaltung, einiges niederzuschreiben. Du setzest manches voraus, was die Leser wüßten, was aber einem Entfernterstehenden doch unbekannt ist. Ein solches Schristchen soll aber weit, weit verbreitet werden, daher denke Dir die Leser so ununterrichtet, wie sie es sind. Deine dermalige Arbeit bildet nur einen Teil — die Sta­ tistik ist als zweiter Teil zur Ergänzung gleichfalls erforder­ lich. Dahin gehörte die jetzige Anzahl der Lehrer und Schüler — namentlich, mit Geburtsort, Klasse, Abstammung usw. So wird 1 Geschichtliche Untersuchungen über das evang. Gymnasium A. B. in Kronstadt. Untersuchungen. ■

es zum Promemoria für künftige Tage, ein Stammbuch, wo man sich und andere, Lehrer und Mitschüler findet. Du folgst in Deiner Erzählung der Jahresfolge. Nicht so. Sondern den Stoff nach der Gleichartigkeit unter besondere Rubriken: Gebäude — Einkünfte — Lehrer — Schülerzahl — Bibliothek — Rektorsreihe — Verdienste usw. Verschmähe irichts, sammle alles mit genauer Angabe, woher du die Nach­ richt genommen, wo möglich mit den eignen Worten der Quelle. Voran, wie bei Haners^ Werken, eine Herzählung der Quel­ len und Hülfsmittel. Wo solche, und ob sie in der Schülbibliothek vorhanden, interessiert. Bei den angeführten Namen frage ich immer, ob noch aus der Familie jemand vorhanden ist: bei Adligen, wie war das Wappen, wo stehen die Denkmale? — Von welchen Männern finden sich Abbildungen, wo? Bon Honterus ist ein kleines Bildchen in der Hermannstädter Rektorwohnung. Wo wohnte er, welches ist das Haus? In welche Familie heurathete er? Die Bibliothek hat viele Schätze — welche sind sie? — Läßt sich ein solcher Schatz assekurieren? Da ist ein nahes Mittel bei der Hand: entweder, wo es angeht, Vervielfältigung der Ma­ nuskripte, oder Verlegung des Ganzen in die abgesonderte, feuerfeste Stellung des — weißen Turmes. Du lachst, ich auch, die Herrn Prediger nicht minder. Habe ich aber nicht recht? — Da das Schulinspektorat so innig mit der Schule zusammen­ hängt, wäre, mir einem, ein Verzeichnis derselben [!] sehr ange­ nehm. Alles deckt einmal die Vergessenheit, was nicht — bei Zeiten — ihr entrissen wird. Die Dankbarkeit gegen Wohltäter verlangt nicht nur rühm­ liche Erwähnung, sondern Aufbewahrung ihrer Lebensum­ stände usw. usw. Ich finde hier viele genannt, aber die Nach­ richten von ihnen sind zu karg gegeben. 'Hauer, Georg Jeremias, 1707—1777, Superintendent der sächsischen Kirchen und Pfarrer in Birthälm, Geschichtsschreiber.

Zusammenstellungen mit andern Landesgymnasien fehlen. Wer waren die Gleichzeitigen im Lande? Was für Umstände begünstigten Kronstadt mehr als andere Städte? Was brachte die Griechen herbei, was hält die Jugend jetzt ab. Per parenthesin:1 Sollte ein Erziehungsinstitut in Kronstadt für Bojarensöhne nicht möglich, nicht nützlich sein? Würde das Büchlein auch noch 3 mal, noch 4 mal so dick — um so besser. Siehe, Freund, so gestaltete sich unter Deinen Händen eine schöne Gabe für Schul-, für Sachsensreunde! Ich stehe zu ferne, mir fehlen die Kenntnisse, die Du hast — sonst legte ich gerne und willig die Hand und fröhlich ans Werk. Muße hast Du — Liebe dazu — sie ist ja erwiesen — also, geliebter, geehrter und geschätzter Freund, nur daran! Nach meiner Rückkehr war ich wieder kränklich. Ich hatte mir bei Euch zu viel angetan — doch erholte ich mich bald. Unsern Herrn Gött habe ich vielfach des beschleunigteren Druckes wegen bombardieret. Der Geldmangel3sollte, sei­ nem Versprechen gemäß, Ende Julius fertig sein. Das Wort­ halten ist eine schöne, aber seltene Sache. Endlich kam eine An­ kündigung; hintendrein, am vorigen Posttage, die Vorrede, als Beilage in der Zeitung. Der Druck ist nett. Bei dieser Gele­ genheit wiederhole ich die Bitte, Du möchtest von Herrn Gött 2 Exemplare abnehmen und davon 1 dem Freunde und 1 dem Zensor geben. Meine Dankbarkeit und meine Liebe soll der Kleinigkeit den einzigen Wert geben. Auch schickte ich demselben Buchdrucker eine seit 1833 fertige Piece,mit dem Titel: Die Birthälmer Pfarre und die lutherische Superintendentur.3 Wenn Du vielleicht Zensor wärest, wirst Du den Inhalt wissen. Weiss« r, Adolf, ursprünglich Theologe, auch Romanschrtft-steller, Redakteur des Beobachters 1843—49, wird in die revolu­ tionär« Bewegung 1849 verwickelt, flieht in die Schweiz, gest. in Göppingen 1863. -Sieh« Seite 171 ff.

Donnerstag 25. September. Esse zu Mittag mit @djäuffeIe1auS Heilbronn, der int Kochschen Bade, wegen Herz­ krankheit, ist. Derselbe hat die Orlater Papiermaschine gemacht. Er selbst hat Papierfabrik und Maschinenfabrik, beschäftigt 300 Menschen. Bade in Bassin 16—17 Grad. Mein Schmerz in der rechten Weiche will nicht aufhören. Abends Bier im Waldhorn. Mir ist nicht wohl. Freitag 26. September. Vorm Essen mit Schäuffele und Major Brecht auf der Insel,2 wo die Buden zum Volks­ fest ausgeschlagen werden. Mittags kann ich nicht essen im Horn — mir ist nicht wohl — nachmittag geplagt von einem abge­ brannten Kaufmann, Wirt und Landwirt Manz aus Nellingen bei Eßlingen, war in Texas und Nordamerika. Will ein Land­ gut kaufen. Ich soll ihm schreiben. Samstag 27. September. Sonnabend früh kommt ver­ sprochenermaßen der Landsmann Peter Wolf aus Fälldorf^ zu mir als Sekretär. Volksfest in Cannstatt. Preise für Vieh, Hengste, Stuten mit Fohlen — Bullen mit 4 Führern und be­ kränzt — Säue mit 12 Ferkeln in Körben nachgeführt. Dann 3 mal Wettrennen der Bauernburschen. Nach dem Essen kaufe ich mir einige Dinge: 2 Weinhähne ä 20 x; chemischer Wetzstein 6. Ein Messer 24x. Webermesser und Minder fürWeber jedes 6 x. Eine Druckschrift „Das Canstätter Volksfest", 6 x. Drei kölnische Zigarrenhalter ä l1/2 x. /Noch am Freitag aus einer 9 x Bude ein blechernes Penale und 1 Dintendampfschiff ä 9 x./ Abends: Brief von meiner Frau. Sonntag 28. September. Viele Auswanderer hier. Schreibe mit Wolf in einem fort. Mittags esse ich mit Schäuffele 'Richtig: Schaeuffelen, Gustav, Papierfabrikant in Heil­ bronn, 1798—1848. * Auf der Insel im Neckar. 'Wolf, Pater, 1819—1887, aus Felldorf in Siebenbürgen, siehe V, 242, Anm. 2.

aus Heilbronn, seinem Sohn und Schwager hier in der Sonne. Nach dem Essen ein kleiner Spaziergang auf den Wasen. Nach­ mittag dann wieder fleißig. Abends mit Schäufsele zu Gauger. Montag 29. September. Diele Auswanderer, An­ hänger Werners. Dann Wettrennen aus dem Wasen: im Trab, Galopp und endlich mit Hindernissen. Der König war auch da. Ein Pferd des Lieutenants Silberhorn ruiniert sich den rechten Borderfuß /ist, wie ich zu Hohenheim höre, später erstochen worden/. Nach dem Essen wieder Einwanderer, welche sich einiges abschreiben. Abends 6 Uhr ging mit Wolf in den K. Redoutensaal, Konzert des Pianisten Franz Lißt und Jenny Lutzer, Sängerin, früher Opernsängerin im Kärntner Tor, jetzt verheurathet mit einem Hofrat in Stuttgart. Abends im unteren Zimmer spricht Kern aus der Baumwollenfabrik so energisch über Pabst. Dienstag 30. September. Bormittag Briefschreiben. Wolf beendigt mein angefangenes Manuskript über sächs. Zu­ stände. Dann wollen wir mit einem Fiaker nach dem Essen nach Stuttgart fahren. Es regnet in einem fort. Der Fiaker will uns um 36 x mit einem Pferd nur bis zum Stationsplatz führen. Müssen auf einen andern warten, zahle bis zum deut­ schen Hause 48 x. Fahre dann mit einem Wagen, den er nach mir geschickt, bis Möhringen. Rechts der Weg nach Möhringen, links nach Hohenheim und gradeaus nach Tübingen. In Möh­ ringen gern gesehen. Der alte Greis und Vater des Stratzenbauinspektors Wolfs, 82 Jahre, sehr froh über uns. Die Frau des Sohnes wahnsinnig — die Mutter blind. Es war auch der ehrbare Schullehrer 1 da. Nach dem Essen wird uns der alte Herr ohnmächtig. Der Arzt kommt usw. Mittwoch 1. Oktober. Nach dem Frühstück und Ge­ sprächen nach Hohenheim, essen in der Restauration. Dann zu 1 Von Noth leer gelassen.

Prof. Riecke? Im Zimmer die erhöhte Karte von Europa. Gehe in den exotischen Garten. Die 2 umgefallenen Säulen. Pirus baccata.2 *In den Stallungen schönes Vieh mit abgewogenem Futter in größter Quantität /3v ter Teil des Viehgewichtes pro Tag/ schöne Kälber von einem Jahre. Größter Bulle, so groß als mein großer Ochse, nur wie so sehr leibig! Unterm Tor das Grünfutter mit dem Wagen abgewogen: es waren Run­ kelblätter 10 Zentner ä 50 Pfund nach Abschlag des Wagens. Modellsammlung, viele Pflüge, Granges Pflug, dem der Kö­ nig von Frankreich ein Gut zur Belohnung geschenkt, und der nun selbst mit einem andern Pfluge pflügt. Hiesige Pflüge... sunleserlichj Schwarz2 um sie zu wenden, 2 übereinander.Darre von Koch aus Stuttgart, Multbrett zum... sunleserlichs transt>ort4 Schaffesseln ^ ^ 5 zum Scheren. Ver­ suchsfelder 100 zu 1/i Morgen. Baumschule, zu hoch — um sie zugleich dicker wachsen zu machen, läßt man an ihnen einige Aeste unten. Aepfelausstellung, geraten in Stuttgart schöner. Obst aus Papiermaschee. Abends Tee zu Professor Riecke. Schlechter Vereinswein! Dann nach Birkach zu Wolf ins Quartier. »Riecke, Dr. Friedrich von, Professor der Mathematik und Physik, gest. in Stuttgart 1876. 2 Gattung der Rosazeen mit weißen Blüten, vom Himalaja und Ostasien. 'Schwarz, Nepomuk von, Direktor der Akademie Hohenheim 1818—24, gest. in Koblenz 1844. 4 Dieses Blatt des Tagebuches und die folgenden sind besonders unleserlich, weil sie auf sehr dünnes Papier geschrieben sind und die Tinte beidseitig durchgeschlagen hat. 5 Die Originalzeichnungen Roths stehe in der Handschriftenprobe, die diesem Bande beigegeben ist.

Donnerstag den 2. Oktober. Besuch zu Oberlehrer Schlipfs Direktor Pabst^ war nicht zu Hause. Gärtner SutaS3 nicht zu Hause. Sehen noch die Kirche an, hinter den Gardi­ nen heidnische Statuen. Nehme 1/1 2 Pfund Oberdörfer Rübsamen, etwas Samen von dem Strauche mit der weißen hoh­ len Blüte, die Peterkirsche. Warten in der Garbe auf den Om­ nibus, trinke im Gartenhäuschen vis ä vis schlechten Kaffee. Omnibus kommt nach 12 Uhr /Preis bis Reutlingen 48 xer/ sind in Reutlingen 6 Uhr. Gehe zu Oberfinanzdirektor v. Wer­ ner ins Kanzleigebäude, finde da den Professor Länderer ^ aus Tübingen, den Tochtermann des Direktors. Freitag 3. Oktober. Brief an Superintendenten und Zusatz zu Anzeige für Auswanderungslustige für den Beo­ bachter."' Machen nach dem Essen einen Gang im Garten, wo Wolf bei Apfelbrechen bleibt, ich kehre mit dem Direktor um. Dann dem Professor aus dem Tübinger Wege entgegen. Abends kommt Gustav Werners Frau herüber. Abends auf Urach. Samstag 4. Oktober. Gehe 7 Uhr zu Fuße nach Urach in die Flachsgarnfabrik, mit einem Büble aus der Wernerschen Anstalt: Gottes Hülfe! mit einer Empfehlung von Di­ rektor v. Werner an den Fabriksdirektor Friedrich Schanker. Die Fabrik aus England — gemacht, beschäftigt etwa 300 Per­ sonen und kostet samt Betriebskapital 500.000 Gulden. Er­ halte Flachsmuster, Garnmuster, und aus der Leinwand-Nie­ derlage Densch et Comp. Leinwandproben und.. .sunleserlichl Der Direktor war in ganz Amerika und lobt das Land für »Schlipf, Johann, Lehrer der Bienenzucht 1836—59, gest. 1861. 2 P ab st, Heinrich von, Direktor 1845—50, später Ministerialrat in Wien, gest. 1868. »Lukas, Dr. Eduard, Garteninspektor 1843—60, gest. Reut­ lingen 1882. »Länderer, Albert, 1810—1878, Professor der Theologie in Tübingen. »Siehe V, 152—157.

Einwanderer gar nicht. Der Berner Mauritius May, welcher das Kämmen und Bleichen besorgt, zeigt uns den Beuchtapparat: Garn mutz gerade stehen und beim Bleichen nicht naß, sondern nur feucht gemacht werden — darf nicht austrocknen. Auf dem Beuchtplatz stehen in Reihen Wasserröhren mit Pi­ pen — Glasfläche, Leinwand aufliegen, mit einer Gießbraufs schnell übergießen. Heimfahrt mit einem Tübinger Kutscher für 1 s. zu 3 Personen. Dem Büble Robert schenke 12 x, zahle für ihn die Kost und Fuhrlohn. In Urach in der Post geges­ sen, für mich und Wolf f. 2.—. Abends 7 Uhr wieder in Reut­ lingen. Die Bergruine Achalm habe ich nun ganz umkreiset. Die Achalm ist beinahe ganz zerfallen, die Feste Urach ist bes­ ser erhalten und großartig. Finde den Gustav Werner hier. Sonntag den 5. Oktober. Betstunde in Gottes Hülfe. Anstalt über 100 Menschen. Sehe die innere Einrichtung. Kin­ der erwerben viel mit Strickerei und Näharbeit. Viele Ein­ wanderer beantwortet. Predigt in der Kirche — Gottesdienst sehr prosaisch. Nach dem Essen Einwanderer. Kaffee mit Gustav Werner und seiner Frau. Abends Brief an Superintendenten wegen der Schul- und Kirchenzeitung. Abendessen in Gottes Hülfe, es war da auch Praezeptor Wiedmann aus Ulm. Lese mein Manuskript vor. Montag 6. Oktober. Einwanderer. Nachmittags am Ur­ sulaberge auf der Jagd mit Direktor Werner, Bauinspektor Rupp, Kreisbaurat Hahn und Kaufmann Zeller, schieße einen Hasen, als 3-t. Schuß. Anstand, ich sah nichts — noch zwei Hasen blieben. Dienstag 7. Oktober. Brief an Superintendenten we­ gen der Schul- und Kirchenzeitung; auch an Schwager Graeser und Franz Becker^ auf Heiligenberg. Harter Tag mit Ein­ decker, Franz, Roths Tübinger Korpsbruder, siehe I, 181, jetzt Hofprediger der «vang. Fürstin von Fürstenberg geb. Prinzessin von Baden in Donaueschingen. — Becker hatte in der Allgemeinen

Wanderern. Nach dem Essen rede mit Dr. med. Bossert/ der in Tübingen geboren allda einen Siebenbürger „Simonis" zum Lehrer hatte. Abends im Museum, Bekanntschaft mit Rektor Schnitzer? von hier, einem Geschwisterkind des Direktors — spreche mit Bantlin,3 der mit mir in Tübingen studiert ha­ ben soll, wohnt in Reutlingen an der Stuttgarter Straße im letzten Hause, muß eigene Fata gehabt haben. Mittwoch 8. Oktober. Gang zu Bantlin, nicht zu Hause — legt die Pfarre nieder und lebt von Renten aus einer Lederhandlung. Sehe die weitläufige Registratur im Hause an. Nach dem Essen einen Gang in die Gipsmühle, erkundige mich nach einem solchen Einwanderer, war auch in Direktors Gar­ ten vor dem Tore. Die 2 Abenteuer Henri IV. im Kupfer­ stich mit dem Bauern und Kapitän Michaux. Auswanderer. Abends Besuch von hiesigem Rektor Schnitzer. Brief und Rekommandation aus Wien. Wir sollten noch ins Museum ge­ hen, aber es unterblieb. Abschied von der Familie. Donnerstag 9. Oktober. Früh 6 Uhr mit der Post /Eilwagen/ auf Tübingen /= 30 x/. Wolf hatte sich fürs Post­ geld und 24 x ein Buch gekauft, kam also zu Fuße. Ich allein im Wagen. Einkehr in die Krone,4 wo ich vor 28 Jahren wie­ der zuerst eingekehrt. Trank Kaffee. Besuch zu Konsulenten Richter /Freund des Kastenholzer Pfarrers Roth/, arbeitet an einem kaufmännischen Konsulenten, Hallberg druckte per f. Augsburger Zeitung «in« Notiz über die im „Schwäbischen Merkur" von Roth erschienene „Anzeige für Auswanderer" (V, 138 ff.) ge­ lesen und ihm am 17. Sept. 1845 geschrieben, indem er ihn einlud, nach Heiligenberg auf Besuch zu kommen. »Dr. Bossert, Kreismedizinalrat in Reutlingen. »Schnitzer, Karl Friedrich, Rektor der Lateinschule, Landtags­ abgeordneter, später Professor in Heilbronn, gest. 1874. »Bantlin, Septimus Gottlob, 1798—1870, Burschenschafter, Pfarrer a. D. in Reutlingen, Landtagsabgeordneter. * Wirtshaus zur Krone vor der Neckarbrücke, heute Schlagenhauff.

15. — Zu Silcher,* sehe Tabulatur, Gesangbuch — Choräle für 4 Männerstimmen, für Choräle usw. — Die Gelehrten, namentlich Rektor Walz abwesend. Nach dem Essen kommt Silcher zu mir. Gang in den botanischen Garten. Brief an Eugen Friedenfels voller Korrekturen. Trinke mit den Un­ garländern: Fleischhacker? und Valentini zu Schneid 4 Schop­ pen Bier, Kalbfleisch. — Rede mit 4 Auswanderern aus Tü­ bingen, worunter 2, mit denen der Frauendorfer Schuster bereits geredet. Nach 10 Uhr ins Bett. Freitag den 10. Oktober. Nach Mitternacht 1 Uhr auf mit der Post über Hechingen, Tuttlingen /Manz Messerschmied, Dekan 31 4int * Wagen/ auf Stockach, angekommen 3 Uhr nachmittags, bis hieher von Tübingen s. 5.6. Von Stockach bis Salem über Uberlingen s. 2.16 x. Von Salem bis Heiligenberg mit Extragelegenheit s. 1.30, Trinkgeld f. —.15 x, komme gen 9 Uhr an. Mondschein in Tannenwäldern — kalt. Bei Tuttlingen die weitläufige und nahe Burgruine — dann später rechts der Hohentwil und noch mehr in der Entfernung 2 andere hochliegende Ruinen. Bei Überlingen kam ich fest an den Bodensee, immer am Ufer fest durch einen Baumgarten. In Stockach esse schlechten Braten zu 30 x samt einem Schop­ pen sehr guten Wein. Bon Salem steigt der Weg immer hö­ her. Sprang beim Wirtshaus ab, und ging in den 3ten Stock. Becker war bei der Fürstin, kommt, und weil er als Gast im Schlosse selbst nur ein Zimmer hat, so kehre ins Wirtshaus zurück, wo ich nur Kaffee trinke. Becker mutz wieder ins Schloßt 1 @ 11 dj e r, Friedrich, 1789—1860, Universitätsmufikdirektor und Komponist in Tübingen. 8Fleischhack«r, Karl, aus Ldenburg in Ungarn, stud. theol. im Herbst 1844. 8 Bon Roth leer gelassen. Vermutlich Dekan Heim aus Tuttlingen. 4 In Heiligenberg befindet sich ein Schloß des Fürsten von Fürsten­ berg. Dessen eigentliche Residenz aber war Donaueschingen.

Samstagden 11.0 ttob er. Morgens recht schöner Son­ nenblick, bald darauf trüb und neblig. Esse Mittag und Abends mit Becker im Wirtshaus zum Adler. Gang und Aussicht von der Freundschaftshöhe-Schweizerei, wo einige Kühe täglich 2 Eimer Milch geben, lauter Rigi-Kühe. Wir liefen mehr, als wir gingen, da das Wetter jeden Augenblick sich änderte. Vormit­ tags zu Herrn Oberjägermeister und Hosmarschall, Baron v. Berschner, ist Protestant und Vater eines Offiziers bei Cheveauxlegers in Siebenbürgen. Soll ihm einen Schiller hin­ unterschicken mit einem Einwanderer. Im großen Saale re­ det mich auch der Fürst selbst an. Der Saal ist Rokoko, mit chinesischen Vasen und Pariser Bxonzegießereien. — Der Saal seit 1584. Es regnet. Noch aus Beckers Zimmer Freundes­ gespräche, Hofmarschall kommt auch. Speisen Wurst im Wirts­ haus, welches nach einer Bemerkung im Wirtszimmer 2463 Fuß überm Meere liegt. Sonntag den 12. Oktober. Trüb und kalt. Die Post­ halterin führt mich in die Kapelle in den kath. Gottesdienst. Zuerst Predigt über den Zinsgroschen 1. Teil Mittel der Ver­ suchung, 2. Mittel des Widerstandes. Erträglich. Dann die Messe, die Verwandlung ist doch zu minutiös. Dann Protest. Gottesdienst. Der Fürst ist katholisch, die Fürstin evangelisch. Schwester des Großherzogs von Baden. Er Durchlaucht, sie Hoheit. Der Fürst war auch im Gottesdienst. Im Gestühl zuerst sie, dann er, dann 2 weibliche Personen, nur eine Prinzessin. Becker predigte über 1 sehr schön. Außer der Pre­ digt teilt Gottesdienst, kein Gesang, alles in der katholischen Kirche. Zw Mittag beim Fürsten zur Tafel. Alles spricht leise, der Fürst allein lauter. Becker hatte mich stutzen lassen. Unterm Essen Musik. Es war ein doppeltes Fest, Maximilian heißt der 2-te Sohn, und Maximilian der 2. Der Fürst rief mich 1 Von Roth leer gelassen. 2 Von Roth leer gelassen. Der 12. Okt. ist der Maximiliantag!

selbst zum Abendessen und unterhielt sich längere Zeit mit mir. Nachmittag kamen die beiden Prinzen aufs Zimmer zu Becker, der Schwager vom Offizier in Siebenbürgen: 1 der kath. Erzieher der Prinzen: 2, ein liberaler Mann. Dann auf dem Zimmer des Oberjägermeisters, wo ich die Schwe­ ster des Offiziers sehe. Endlich zum Tee — die Fürstin läßt mir Albums3 vorlegen. Abendessen mit köstlicher Kammermu­ sik. Abendessen, werde vertrauter und werde auf Donnerstag auf die Wiese eingeladen. Sehr herablassend. Der Fürst läßt mich mit seiner Equipage nach Saulgau führen. So habe ich denn auch Hofluft geschöpft. Die Feldmaus und die Stadt­ maus. Etikette ist potenzierter Anstand. Alle Kinder befolgen die Religion des Daters, die Söhne studieren aus protestanti­ schen Universitäten. Die Frau Gemahlin des Kronprinzen ist eine sehr interessante Person, dermalen schwanger. Ich wünsche dem Fürsten das Alter und die Lebensfrische meines Vaters. NB. Beim Tisch packe ich 2 Psirsichkerne ein, grün und reift?] auch die sonderbaren Haselnüsse. — Nach der Suppe gleich Fische. Schöne gläserne Obstteller! — Mariens Bild unschicklich — man sieht ihr unter den Kittel bei dem Seitenaltar. Montagden 13. Oktober. Morgens das Pochen an der verwechselten Türe von den 2 jungen Leuten. Mache noch einen Besuch zu Hofmarschall Verschner — beurlaube mich verschie­ dentlich vom Fürsten und seinen 2 Söhnen. Der Fürst soll sich eben daguerreotypieren lassen vom Stuttgarter Holder, der sein Werkzeug vor dem Thrones?] aufgestellt. Packe schnell den Schiller in den Koffer und steige 1/2[ ?] Uhr in die fürstliche Equipage, die uns nach 1 Uhr in Saulgau absetzt, wo wir Mit1 Von Roth leer gelassen. 2 Bon Roth leer gelassen. 3 Um einen Eintrag zu machen.

tag machen. Es kommt Dr. MartinU O/A Arzt in Saulgau. Er spricht in Krankheiten das Blut von der Schuld frei, hat kon­ kurriert in Paris wegen Harnröhrenverengung und gibt jetzt heraus über Lungenschwindsucht. Die Lunge sondert einen scharfen Saft ab, der in der Lunge ätzt, wenn sie auf irgend eine Art verwundet wird. Tröstet mich wegen dem Bruch des Titzi? und rekommandiert 1. ein Bruchband bei Tag und Nacht, 2. viele Bewegung in frischer Lust, als allgemeine Stärkung, und 3. Netzungen mit dem stärksten Weinbranntwein. Wenn das Bruchband wund reibt, wird die Stelle mit Scharpie an­ genetzt, mit Bleiwasser feucht erhalten, darüber Wachsleinwand und obendrauf das Bruchband. — Unterhalte mich mit dem wissenschaftlichen Manne äußerst gut bis 7 Uhr, wo ich in den Eilwagen steige. Preis von Saulgau—Stuttgart f. 7.36 RW. Die Reise geht die ganze Nacht hindurch über Riedlingen, Ehin­ gen, Münsingen, Reutlingen, wo ich einen Brief an Dr. Werner in den Schalter fallen lasse, Metzingen, Stuttgart — angekom­ men daselbst nach 8 Uhr morgens. Dienstagden 14. Oktober. Komme mit einem Fiaker bis Berg, wo ich einen Brief von meiner Frau und Hofrat Bedeus finde. Lege mich nieder und schlafe über Mittag ohne gegessen zu haben. Es brennt im benachbarten Cannstatt — bald gelöscht. Abends zu Gauger. Da ist auch der Dichter und Übersetzer Ortlepp.*3 * Mittwoch 15. Oktober. Brief an Hofagenten Conrad des Inhalts: Äußerster Termin meines Bleibens ein Monat vor dem Verein in Mühlbach — Monatlich f. 100 RG.— f. 100 CM. 'Martini, Ferdinand, Oberamtsarzt in Saulgau, 1798—1868. bedeutender Arzt, den Roth wohl schon von Tübingen her kannte. 3Der erste Sohn Roths aus zweiter Ehe: Stephan Andreas. Siehe Verwandtschaftstafel in Band I. ^Ortlepp, Ernst, 1836—54 in Stuttgart, gest. Naumburg 1864.

Zu Bergrat Hehl, Charlottenstraße No. 9. Mein Meteor­ eisen ist in der Königl. Münze von 1 *chemisch unter­ sucht worden. Die Untersuchung werde ich bekommen. Wir ver­ abreden die Übersendung an den Geheimrat v. Leonhard in Heidelberg und Professor Cordier in Paris. Weitere Adres­ sen in London werden hervorgesucht werden. Hatte eine Adresse an den Kammerpräsidenten und Kanz­ ler der Universität v. Waechter,3 4wohnt Eberhardstraße in einem Gebäude, das unten repariert wird, die Verzierungen in den Fensterbögen sind aus Gußeisen. Ich ging durchs Biblio­ thekszimmer. Als Eigenheit hat er, daß er im Gespräch, wenn ihm etwas gefällt, er immer ja, ja, ja sagt. Der kurzen Zeit nach, worin mein Besuch bestand, ein respektabler Mann. Nun ging ich zu Hofdomänenrat v. Gok, 3 Straße No. 2. Ein 70-ger, sehr freundlicher Mann. Sehe sein Werk in Folio über die Rebe, mit illuminierten Bildern. Unsere Res­ ser^ sind nicht der Riesling, wie ich glaube der Malvasier. Morillon ist englisch, ein Clevner. Will auf der Bibliothek besser nachsehen. Die Probkugel zum Moste. Geschenk, sein Merkchen: Die Weinrebe etc. Wolf kaufte es um 24 x. Esse zu Hofrat Gust. Schilling, kam etwas zu spät. Dann gingen wir zu Buchdrucker Hallberger, Königsstratze, wo zwei Zimmer gegen die Gasse zu haben sind. Nach meinem Heimgang in Berg entschließe mich noch zum Gang auf Cannstatt zu Herrn Generallieutenant v. Bangold,3 1 Von Roth leer gelassen. 3 Wächter, Karl Georg von, 1797—1880, Burschenschafter, Professor der Rechte, Kanzler, Kammerpräsident, gest. als Professor in Leipzig. 3 Bon Roth leer gelassen. 4 Resser, eine siebenbürgische Weintraubensorte. 3Nangold, Jos., Generalleutnant, 1780—1851, Erlanger Onolde.

der mich durch seinen Bedienten 4—5 mal___ 1 *Er ist Neu­ katholik, und war vor 3 Jahren in Rom. Der Bruder des Breslauer Theiner * ist Philippist in Rom. Philippisten sind Pfaffen, die da auftreten, wo der Name Jesuit vermieden werden muß. Dieser Theiner3 in 4 *Rom sagte ihm, daß der Katholizismus überall die schönsten Hoffnungen habe, in England die.. .sunleserlichl, in Frankreich die Bischöfe, in Deutschland usw. Nur nicht zu schnell, sagte Bangold—wir sind unserer Sache sicher. /Der Rock in Trier kam doch zu früh!/* Der Theiner führte ihn zu h. Philipp und sagte: der Leichnam duftet manchmal wie Rosen, keine Motten kommen in die Wolle, in die er halb gekleidet ist usw., zog ihn auf die Altar­ stufen, betete, bis es dem Bangold zu kraus ward usw. Auch war ich auf der Gesandtschaft, um doch endlich einmal mit dem Grafen v. Ugarte ^zu sprechen. Dieser ist seit wenigen Monaten verheurathet. Der Sekretär Baron 6 will mir schreiben, wann ich am schicklichsten den Grafen sprechen kann. 1 Der Satz ist unvollendet. 'Theiner, Joh. Anton, 1799—1860, kath. Theolog in Breslau, schloß sich 1846 der deutschkatholischen Bewegung an, zog sich aber bald wieder von derselben zurück. 'Theiner, Augustin, der Bruder des obigen, 1804—1874, stu­ dierte in Breslau und huldigte anfangs auch der freieren Richtung seines Bruders Anton. 1833 ging er aber nach Rom, schloß sich dort den Jesuiten an, wurde 1855 Präfekt der Vatikanischen Archive und entfaltete als solcher eine umfangreiche literarische Tätigkeit. Später verlor er wieder die Gunst der Papstes. 4 3m Sommer 1844 stellte Bischof Arnoldi Triers berühmte Re­ liquie, den Heiligen Rock Christi, aus. über 1 Million Wallfahrer fanden sich zu seiner Verehrung ein. Tausende suchten Wunder­ heilung durch ihn. Das bildete die unmittelbare Veranlassung zum Auftreten Ranges. Siehe auch S. 86, Anm. 1 und S. 85, Anm. 3. 'Ugarte, Joseph Graf, 1804—1862, außerordentlicher Ge­ sandter Österreichs am königl. Württembergischen Hof. Trat 1849 aus dem Staatsdienst. ® Von Roth leer gelassen.

Donnerstag 16. Oktob er. Gallus!! Brief an Hofagent Conrad, wo ich einen Brief des Württemberger Apothekers Heinrich Schneider, Apotheker aus Ebingen /Pulver wider das Fieber innerhalb 12 Stunden/ einschloß — Vorschlag zu einem Verein zu Vorschüssen auf Zieler — Esse zu Mittag zu Hof­ rat Schilling, dann mit der Familie auf die Silberburg, wo für die Nereinsmitglieder Trauben preisgegeben werden. Tische vorn zum Gewehrauflegen — Schwärmer, Raketen, Frö­ sche, in unglaublicher Menge. Damen schießen tapfer. In Ab­ sätzen Musik. Sprach mit Hofdomänenrat v. Gok wegen Wein­ lese in Untertürkheim, wo der König seinen Weingarten hat. Freitag 17. Oktober. Schreibe auf Heilbronn: ich werde kommen. Zu Lithographen Kirn, wo wir den Festzug der Württemberger am Jubiläum des Königs* sehen — die Baumwollspinnerei, wo die Mühle durch artesisches Wasser getrieben wird —

ein kleiner Weier. Das Was­

ser ist Sauerbrunnen — das Rad nicht so breit, wie in Urach. Die Maschinerie ganz ähnlich, nur nicht so schön. Auch hier ge­ hen die Geschäfte in letzteren Jahren außerordentlich gut, weil Englands Fabriken mit China Beschäftigung haben. Nach dem Essen beim Viadukt und Tunnel. Baumeister Metzger zeigt uns alles. Die Brücke kostet unter der Erde so viel, als über der Erde. Schwärzlicher Kalk oder hydraulischer Kalk. Wird durch eine 4-eckige Röhre in den Kasten gegossen und zerrieben, und dann die Röhre weitergerückt. Der Kalk wird zerstampft — zum Mörtel kommt kalksintriger Stein, der zuerst vom Staube abgewaschen wird. Die Brücke bekommt 8 Pfeiler und 2 Enden. Die Verbindung aus Holz: zwischen d. Pfeilern in der Mitte geht ein schmaler Fußweg. Tunnel unterm Rosenstein durch, ohne einen Riß — im Februar fertig, sehe wie gearbeitet wird 'Bild des Festzuges von 1841, als das 25jährige Regierungs­ jubiläum des Königs Wilhelm I. gefeiert wurde.

ganz hinten. Aus den Bögen werden eiserne Platten vorge­ schoben, die da bleiben, und unter denen der Arbeiter fortar­ beitet. Wenn nun hinlänglicher Raum da ist, so wird ein Bo­ gengestell vorgeschoben, mit Schrauben befestiget und mit Sprei­ zen gesichert, und wie es vorn fort geht, so rückt man mit dem Mauern hinten nach. In der Mitte steht ein Schichte [!] als Gerüst. Baumeister Metzger will abends ins Waldhorn kom­ men — wir gehen — er kommt nicht. Samstag den 18. Oktober. War bei MechanikusKoch in seiner Werkstätte — wenn er seine Realitäten gut verkaufen sollte, ginge dieser auch nach Siebenbürgen. Wir könnten einen solchen Mann gut brauchen. Abends im Lämmle mit Major Brecht, wohin Lithograph Kirn kommt, reden über die Heilig­ keit des Ehestandes und Emanzipation des Fleisches. Sonntag den 19. Oktober. Vetter Henrich, Kupfer­ schmiedgesell, war hier. Geschäfte mit Auswanderern, über Mit­ tag fragt mich der Bauer Joh. Andr. Lapp aus Hohenklingen bei Maulbronn wegen seines Schwagers in Hermannstadt. Die­ ser Bauer ist Chiliast, Prophet, hat Umgang mit dem Gabriel — die weißen Engel wollen ihm dienen, die schwarzen müssen ihm dienen. Anno 1850 fängt das tausendjährige Reich an. 1846 Hungersnot, 1847 Krankheiten und Pest, 1848 Krieg, 1849 Auserwählung. Der Engel hat Lichtglanz,wenn er kommt, fallen ihm die Augen zu — oft 2—3 mal an einem Tage, oft mehrere Tage nicht. Er behauptet mit Daniel und Salomo in gleichem Stande zu sein. Redet von der Lebenstinktur oder Le­ bensverlängerung in 2 Boutellen, welche von ihm sollten aus der Erde gehoben werden, deswegen habe ihn der Engel ge­ warnt nicht auszuwandern nach Siebenbürgen, was er schon längst im Sinne gehabt und auch schon alles verkauft habe. Die Geschichte mit dem großen Metzger, der habe verhungern sollen, und dem kein Doktor habe helfen können /hätte 3 Hand­ werksburschen umgebracht/. Er sagte ihm, daß er ein Tier im

Leibe habe, ließ ihn abwechselnd 3 Stunden aus dem Bauche liegen und beten, und peinigte ihn so 8 Tage, bis er, durch Beten gesund geworden, seinen Mord eingestand. Der erzäh­ lende Mystiker läßt durchblicken, daß das Tier das Gewissen gewesen. Am Abend speiste mit Dr. jur. Hach aus Stutt­ gart zu Major Brecht, türkischen Braten, wohin auch Koch, Mechanikus, kommt, und ein Beamter von der Eisenbahn 12 der auch an der Nordbahn gearbeitet. Zu Hause angekommen, lasse mir den Chiliasten aus der Trinkstube holen, gebe ihm auf, seinen Engel zu fragen, was Frau und Kinder machen. Erhalte von ihm 2 Kräutwurzeln: Adermänig und Eisenkraut d. i. Kraft in Handel und Wandel und dann Erkenntnis und Weisheit,nebst einemSchnappmesser? mit 9 xr um 15 xr, welche 3 Stücke immer aus der rechten Seite zu tragen sind. Mit die­ sem Messer werden dann die Wurzeln abgestochen an einem Freitag und Sonntag vor Sonnenaufgang mit dem Gesicht gegen Sonnenaufgang, man spricht: Adermennich, ich greife dich an mit meiner Hand, daß du mir die Macht und Kraft erhaltest, wozu ich dich gebrauche, was auf der Erden und in der Erden ist. Die 3 höchsten Namen. — ! — Ohe jam satis est!3®cr König soll ihm, auf Verwendung des Prinzen, das Gut Löwenstein /wert 100.000 f./ bei Lichtenstein um f. 14.000 gegeben haben. Montag 20. Oktober. Der Lapp sagt mir, er sei im Geist in Nimesch gewesen: Eine Frau im Bette habe ein Kind in den Armen gehabt, und andere Kinder um sie, welche um mich gefragt und auf meine Ankunft sich gefreut hätten. Es sei daselbst kein Jammern gewesen, sondern alles in der Ord­ nung: ich könnte beruhigt sein. Er ist ein Selbstbetrüger. Esse 1 Von Roth leer gelassen. 2 Schnappmesser: mundartlich (sieb.-sächs.) für billiges Taschen­ messer. 2 Halt, es ist schon genug!

zu Mittag nichts — mir ist nicht wohl. Die Zeche des Lapp macht 57 x. Nachmittag 4 Uhr zu Koch beim Eisenguß. Dann 6 Uhr zu Gfrörer, der in Karlsruhe war, und die hiesige in­ dustrielle Bewegung gegen die am Rhein einen Kirchhof nennt. Die Opposition ist in Baden der Regierung über den Kopf gewachsen — man will Preßfreiheit. Der Zollverein, in Karls­ ruhe versammelt, wollte Zollerhöhung auf den Twists — Preu­ ßen will nicht — also auseinander gegangen ohne Resultat. Wenn eine Partei nicht will, können die andern nichts beschlie­ ßen. Bibliothekar Gfrörer hofft Dienste im Badischen, nicht als Bibliothekar. Trinke Wein und Tee. 8 Uhr in die Stunde zu Gustav Werner über Micha, wo die Prophezeiung vom Mes­ sias ist. Mir wirds halb übel und ohnmächtig. Auf dem Heim­ weg trifft unser Sonnenwirt Mast zu uns. In der Stunde war auch mein Universitätssreund Heckers Pf. in Flacht O/A. Leonberg. Rede mit ihm wegen meiner Zeitung, er lädt mich ein zu einer Predigerkonferenz zu sich — will schreiben. Dienstagden 21 Oktober. Schreibe, da mir Hofagent so zweideutig geschrieben, an Sr. Wohledelgeboren Herrn Eugen v. Friedenssels,13 Hofkonzeptspraktikanten * in Wien. Mittwoch 22. Oktober. Nach dem Essen zu Herrn Pfarrer Georgii^in Gaisburg, der mir unbekannterweise be­ gegnet und nach Berg aus eine Leiche gekommen. Trinke Kaffee zu Major Brecht und mache mit ihm einen Spaziergang zu den Cannstätter Arkaden beim Theater. 1 Twist, der auch in Deutschland int Handel gebräuchliche englische Name für baumwollenes Maschinengarn. ^Hecker, Joh. Jakob Friedrich, 1797—1867, Burschenschafter, Pfarrer. 3 Der Brief ist nicht erhalten. ^Georgii, Ludwig Friedrich August, Burschenschafter, Stiftler 1816—21, Pfarrer in Gaisburg, gest. 1857.

Donnerstag 23. Oktober. Schreibe einen Brief an die Amtleute von Nimesch und Steinhaufen,1 *um 3 mir 20 Exem­ plare meiner Schriften heraufzuschicken. Gehe nach 10 Uhr nach Stuttgart zu Weisser, Redaktor des Beobachters, Hauptstädter­ straße No. 59, rede mit ihm wegen meinem einzurückenden Auf­ sätze. Gauger, Redaktor des Neuen Tagblattes, kommt hinzu. Gehe auf sein Quartier Rosenstraße No. 32. Dann zu Gmelin vis ä vis, wo ich mir den Johann Rouge daguerreotypiert um f. 3.— kaufe, und mein Bild zur Decke berede. Esse im Goldenen Bären per 39 xr. Trinke Kaffee zu Gauger. Dann zu Bergrat Hehl, Charlottenstraße No. 9, finde ihn beim Essen. Koste Wein und Traubenmost, hat 82 Grad. Gebe meine Be­ schreibung von der Auffindung meines Meteoreisens. Dom mitgebrachten Stück aus Wien sind 4 kleinere Stücke abge­ schnitten worden. Eins geht an Geheimrat v. Leonhard in Hei­ delberg, eins an Professor Cordier in Paris, eins an Profes­ sor Glocker^in Breslau, eins nach London an Herrn :i. Frau Bergrätin erzählt mir, der 4 habe 6 Jahre mit der Gesandtentochter Abel aus Paris in Saarbrücken ehelich gelebt und auch einen Zwilling gehabt, der für tot gehalten worden. Der Leibarzt hat fußfällig um Vergebung gebeten, und warum? nicht eingestehen wollen. Die Königin-Oldenburg ist zu wenig lebhaft und hat den 5 6früher mit Eifersucht geplagt. Stubenrauch, Schauspielerin, fesselt jetzt, aber nur Herzensneigung. Er ist 63 Jahre alt, kommt dann und wann zur Bergrätin. Bitte und erhalte eine Empfehlung an Kom>St«inhaussen, Theodor, Buchdrucker in Hermannstadt, seit 1840 Rechtsnachfolger der v. Hochmeisterschen Erben. 3 Glocker, Ernst Friedrich, 1793—1858, aus Stuttgart, Pro­ fessor der Mineralogie in Breslau. 3 Bon Roth leer gelassen. 4 Bon Roth leergelassen. Vermutlich ist der König Wilhelm I. gemeint. 6 Von Roth leer gelassen. Vermutlich ist der König Wilhelm I. gemeint.

merzienrat Jobsts Er war nicht zu Hause; sein Sohn, ein artiger junger Mann, verkauft Weingeist 3 Pf. zu 36 xr. Ms der Vater eintrat, gab er mir bloß eine Adresse an Herrn Hofkammerdirektor Ergenzenger, Friedrichsstraße, in der Hof­ domänenkammer. War zu spät, um hin zu gehen. Gehe in der Abenddämmerung zu Hallberger, wo ich den Hofrat Schilling nicht finde, dann in demselben Hause zu Baron v. Luk,*2 der mich zu sich auf Morgen bestellt, und von Herrn Ergenzenger sagt, daß er mich alles aufs Beste unterrichten könne in der Weinbereitung. F r e i t a g 24. O k t o b e r. Gehe 10 Uhr mit Wolf zu Schrift­ gießer Gmelin, Rosenstraße No. 27 vis ä vis von Gauger. Lasse mich daguerreotypieven,2 das Stück per f. 3.— f. 6.— Dann in die Domänenkammer, Friedrichsstraße, zu Herrn Hof­ kammerdirektor Ergenzenger, welcher mich in demselben Ge­ bäude zu Hofkameralverwalter Essig führt, derselbe wohnt im Bazar bei Kaufmann Rettich. Will mir schreiben, wann in den königlichen Weingärten gelesen wird — etwa von Don­ nerstag an in der nächsten Woche. Dann, nachdem ich daguerreotypiert worden, zu Bergrat von Hehl, Charlottenstratze No. 9, wo auch eine Dame Loder war, die das Bad bei Koch ge­ braucht. Lese meinen Aufsatz vor. Erhalte eine vergoldete Wein»Jobst, Friedrich, 1786—1859, Fabrikant in Stuttgart. 2 Roths Schreibweise schwankt bei diesem Namen zwischen Luk, Luck und Luckh. »Eine der zwei Daguerreothpien, die Roth sich laut obiger Ein­ tragung am 24. Okt. 1845 in Stuttgart hat machen lassen, ist noch heute tadellos erhalten und wird aufbewahrt im Museum Alt-Mediasch. Sie trägt unter dem Bild den Hinweis: Stuttgart, bei G. B. Gmelin. Eine photographische Abbildung in etwas vergrößertem Maßstabe befindet sich vor dem Vorwort zu Band IV dieser Ausgabe. Ein anderes Bild von Roth, das ihn in photographischer Treue darstellen würde, gibt es nicht. Alle Bildnisse, Gemälde, Plastiken usw. gehen auf diese Daguerreotypie zurück. Siehe darüber auch IV, 15 f.

und Mostwage zum Präsent. War bei ©fröret auf der Biblio­ thek, bis es dämmerte — derselbe hat Hoffnung auf eine Pro­ fessur der Geschichte in Freiburg im Breisgau.1 Da ich zu Mittag nichts gegessen, habe ich beim Abendessen in Berg einen starken Appetit. Samstag, 25. Oktober. Kirn, Lithograph, berede zur Zeichnung und Größe des Steines.2 Dann Einwanderer bei mir. Der Bediente des Generals von Gemmingen, Alte Aka­ demie, bestellt mich auf 4 Uhr nachmittag. Mache mit Wolf nach dem Essen einen Gang nach Gaisburg von 1 Uhr. Pfar­ rer nicht zu Hause. Besehe den Garten. Auf dem Heimwege sehen wir die Dampswagen von Cannstatt nach Untertürkheim in 7 Minuten, wußte anfangs nicht, was das Pfeifen bedeutete. Weil in Untertürkheim keine Drehscheibe ist, muß immer eine Lokomotive nachfahren, um den Dampswagen hintenwärts heimzuziehen. Gehe dann zum Generalen, welcher sich wegen armen Auswanderern erkundigt, und fragt mich auch, ob ich allein deswegen Herausgereiset sei, nein, sondern wegen meiner Gesundheit, der Nebenzweck ist Einwanderer im Interesse der Landwirtschaft. Finde den Hofrat nicht zu Hause. Gehe zu ©fröret, seine Frau ist mit Samstagarbeiten beschäftigt, ihr Mädle führt mich zu Baurat Gaab,2 Schwager des seligen Salzer,^ dessen Frau in Heidelberg lebt mit 4 Kindern in Pension. Er, Baurat Gaab, wohnt vom Büchsentore rechts durch die Allee hinunter bis ans Eck, in einem schönen neuen 1 Siehe S. 74, Anm. 1. 2 Es handelt sich hier um den Entwurf des Briefkopfes für den siebenbürgischen Landwirtschaftsverein. Siehe auch Eintragung vom 29. Okt. und vor allem Roths Brief vom 15. März 1846 an den, landwirtschaftlichen Bezirksverein in Mühlbach. 2Gaab, Ludwig, 1800—1869, Burschenschafter, Baumeister in Stuttgart. ^Salzer, Wilhelm, aus Karlsruhe, Tübinger Schwabe, Roth» Korpsbruder.

Hause 2 Stiegen hoch. Seine Frau ist eine schwarzgelbliche, gutmütige Frau. Salzer starb aus Betrübnis über seinen 18jährigen Sohn, der stark war, sich erkältete und in der Schwind­ sucht starb. Seines Vaters Schwager Gaab hörte immer nachts husten, meinte es komme von einer schwindsüchtigen Einwoh­ nerin unten, und es kam von oben vom jungen Salzer aus der Kammer. Als man den Arzt rief, war es schon zu spät. Die Straße von Gaabs Haus führt gerade in die Königs­ straße, die Kanzleistraße herunter. Sonntag 26. Oktober. Warte Uhr 6 morgens auf Gauger, um nach Eßlingen zu fahren — vergebens — der Gottesdienst ist auf Dienstag verlegt. Verschiedenes von P. Wolf vorgelesen. Einwanderer: spreche mich müde. Wäve es einmal beendigt — die Anstrengung ist zu groß. Auch heute bin ich aufs Zimmer gebannt. Abends dem Wolf als Unter­ stützung l#1 2geschenkt. Montag 27. Oktober. Wolf steht früh auf und nimmt Abschied. Mittags esse zu Baron v. Luck, nach dem Kaffee lese die Hälfte des Absatzes vor.* Die andere Hälfte ein anders­ mal. Gehe von hier in selbigem Hause zu Buchdrucker und Verleger Hallberger, wo ich einen Konditor finde, der ein Werk offeriert mit gezeichneten Backereien um ein Honorar von F. 600. Er macht auch steinerne Tortenformen, von denen er mir einige zur Heimreise verspricht. Da es noch zu früh ist, um zum Bergrat Hehl zu gehen, gehe zu Gmelin um die Daguerre abzuholen, finde den Gmelin nicht zu Hause. Gauger ist auf Welkerburg, wo Herbst gefeiert d. h. gefeuert wird. Gehe auch zum Feuerwerk bis V27. Mit Bergrat Hehl ins Museum in den naturhistorischen Verein, welcher alle Wochen Montag zusammenkommt. Mein Meteoreisen wird besprochen. 1 Noch heute das in der Numismatik gebrauchte Zeichen für ein Goldstück. Bedeutet hier also wahrscheinlich einen Golddukaten. 2 Vermutlich des Aufsatzes: Der Stand der Deutschen in Sieben­ bürgen, V, 167 ff.

Verschiedene Ammonites1 werden * gezeigt. Ein Herr hat Grund­ birnen. Ein Teil ist aus Samen gezogen, ein Teil aus wilden Cordilleras gebauet: beide sind krank — ein Beweis, daß weder die Samenzucht hilft, noch die Herbeischaffung aus der Heimat sichert. Komme nach 9 Uhr abends aus Stuttgart: finde Briefe von Hause und Wien. Sophie3 ist am 3 Mutter eines Knaben geworden. Aus Wien von Conrad und Friedenfels Nachrichten, daß ich nach Hause kommen solle. Anzeige, daß ich einen Wechsel von F. 100.— erhalten würde. Dienstag 28. Oktober. Fahrt um 15 x auf Eßlingen: im Adler ist Ronge. 11 Uhr Gottesdienst im alten Rathaus — keine Billete, also überfüllt. 6 Kerzen auf dem Altar. 8ofe,4 * ehemals protestantischer Vikar, nun Deutschkatholik, wird zum Pfarrer installiert. Der Vorstand fragt die Gemeine, ob sie den Lose wolle? Ja. Dann den Lose, ob er wolle? Ja! Darauf hält Lose eine Rede. Dann Gottesdienst: der Priester redet — die Gemeine singt. Ronge predigt: über neuen Himmel und neue Erde aus der Offenbarung. Mittagessen Adler f. 1.24. Spaziergang auf die Burg. 5 Uhr zurück. Sitze neben Ronge. Bin auf Morgen zu Mangold3 nach Untertürkheim eingeladen in die Herbstseier. Saß in Eßlingen am Tisch neben dem Maler: Joseph Decker aus Koblenz. In Berg leihe dem Vetter Joseph Henrich 1 # Mittwoch 29. Oktober. Kirn hat die Vignette noch nicht gemacht, verspricht aber wieder. Nach dem Essen mit Brecht auf Untertürkheim, wo R.6 im Ochsen sein sollte, von da nach 1 Ammoniten oder Ammonshörner, spiralförmig gewundene Mu­ scheln. * Roths Tochter, siehe Verwandtschaftstafel in Band I. 3 Von Roth leer gelassen. 4 Siehe auch Eintragung vom 18. Sept. 6 Soll wohl General Bangold sein. Steh« Seite 103, Anm. 5. • Ronge.

Obertürkheim. Er begegnete uns. Hier beim Ochsen fanden wir die Wägen. Die Personen selbst waren der Neckarhalde zu ge­ gangen. Wir schlugen auch den Weg ein. Der sranz. Bracke holte uns mit der Kalesche ein, und sagte, er fahre um sie zu­ rückzubringen, weil die Gemeinde von Eßlingen aus aus den Berg zum Türmle komme. Wir gingen hinauf. Ein Bote springt herunter, um R. zu avisieren, daß die Gesellschaft oben sei. Diesem sagen wir vom Wagen und gehen mitsammen auf einem sehr unbequemen Wasserwege bis zur Spitze. Ersteigen das Türmchen. Mangold,1 der SBingeter2 empfing mich freundlich nach sr. Einladung; servierte Käse, Butter, Brot, Bier und einen sehr guten Riesling 1842 ger. Endlich kam auch R. Man erzählte sich die Fata des heutigen Tages. Nach dem Essen unten hielt R. eine Rede, worin von freier Arbeit die Rede war, dann sprach Lose einiges, als Erwiderung, endlich Mangold** das Beste. Auch Lose, auch R., auch sein Bruder suchten mich zu bereden, ich sollte auch einen Vortrag halten. Ich lehnte es in Bescheidenheit und Entschiedenheit ab. Ich bin ja nur ein Wißbegieriger — aber kein Anhänger, und will alles Aufsehen vermeiden. Ohne Abschied weg. In Untertürkheim kehren wir /ich und Brecht/ in ein Haus ein, wo wir Trauben essen. Dasiger Most wiegt nach der Weinwaage von Hehl 80°. Es fehlte ihm das Zügelchen, was in guten Herbsten das Eigentümliche eines guten Mostes ist. Kamen ziemlich spät nach Hause. Der Tag hat mich in meiner Erwartung nicht befriedigt. Das Wetter war wunderschön! Donnerstag 30. Oktober. Vormittags schreibe an der Abschrift der Abhandlung für Dr. Alt in Hamburg. 33)ann nach dem Essen gehe ich nach Untertürkheim. Man hat nun für die 1 Soll wohl General Bangold sein. Siehe Seite 103, Anm. 5. * Wingerter — der Weinbergbesitzer. 8 Der Stand der Deutschen in Siebenbürgen (V, 167 ff.).

Lokomotive einen Umkehrplatz gemacht. Die königlichen Wein­ gärten, 22 Morgen, liegen gegen Obertürkheim. Die Absicht ist zu zeigen, in welch möglichst guter Qualität allhier Wein er­ zeugt werden könne. In der Mitte ist ein bescheidenes- Häus­ chen, unten zum Abraspeln der Beeren, oben ein Gartenzim­ mer. An der Wand im oberen Zimmer hing auf Pappendeckel der Bestockungsplan oder die Charte des Weinberges. Ich zeichne mir bloß die allhier gebauten Traubensorten auf, nach 3 Merkmalen: Zeitigung = früh, mittelfrühe, spät, Güte = 1. 2. 3. Menge = viel, mittelviel, wenig. Roturban 1. Kl. mittelfrüh, viel. Gutedel rote und weiße. 2 Kl. früh, mittelquant. Elbling, rot und weiß 3 Kl. mittelfrüh — mittelquant — ist sehr heikel in der Blüte. Silvaner, grün, schwarz, blau 2 Kl. früh; viel; gut blühen. Schwarzurban 1. Kl. spät o. mittelfrühe, viel. Riesling, grün, selten rot, 1. Kl. spät, sehr viel: blüht gleich­ zeitig mit Silvaner — Süßfäule ist notwendig, sehr spät zu lesen — bester Wein. Roter Traminer 1. Kl. spät, mittelquant. Veltliner 1. Kl. spät, mittelquant. Clevner schwarze /: es gibt auch weiße, in diesem Weinberge aber nicht:/ 1. Kl. früh, weniger als andere. Unter den Tafeltrauben hat der König hier: rote Gutedel, rote Muskateller, Afsentaler rot, schwarz, rot Muskatsilvaner. Hofkammeralverwalter Essig ließ Most holen, er wog nach der Bereinswaage 79Grade. MeineWaage stimmt nicht überein, leider. Ich erkundige mich noch um die welsche = Drollinger, welche aber in diesem Weingarten nicht angebauet werden: sie gehören in die 3. Klasse, spät, viel. Eine schöne Traube, großbeerig, die Beeren kulpig, die Traube groß.

Im untern Teil raspelten 2 Mädchen die Beeren ab durch ein hölzernes Gitter. Herr Essig versprach mir noch, im königl. Keller die Weine kosten zu lassen. Retour wieder zu Fuße. Im Waldhorn mit den Nachbarsleuten zusammen. Freitagden31. Oktober. Biele Geschäfte mit den Ein­ wanderern — es waren hier auch die aus Riehlingshausen — beendige nachmittag die Abhandlung an Dr. Alt aus Hamburg und schreibe vor dem Abendessen noch einen Brief* an ihn, wegen meiner Schul- und Kirchenzeitung, der Verein möge mir F. 600 für zu liefernde Exemplare geben, welche derselbe wieder veräußern könne. Abends unten int Speisezimmer, wo ich statt des Abendessens 2 Boutellen Bier trinke und ein Brot esse — 13 xr. Samstag 1. November. An Kroeger geschrieben. Sehe bei Kirn die Devise? an, und gehe nach Stuttgart zum Gesand­ ten, wo ich wieder nur den Baron treffe, dann zu Bergrat Hehl, dem ich die Pfeife zurückgebe, gehe mit seiner Frau, welche Bezirksdame ist, ins Suppenhaus. Eine Klein-Kinderbewahranstalt und Verpflegungsanstalt für Arme mit warmer Suppe und Holz. Bittschriften gehen an die Bezirksdame, diese trägt sie in der Sitzung vor und erhält eine Anweisung auf Kost, Krankenkost und Holz. Kinder lernen in der Schule — nähen, stricken, spinnen am Rocken und mit dem Radel mit doppeltem Frosche. Kein Kind schläft da. Arme kommen und essen hier vor 2 Kreuzer sich satt. Ich kostete die Gerstelsuppe, »Die Antwort auf diesen Brief Roths, der nicht erhalten ist, schrieb Dr. Alt am 1. Dezember 1845. Gräser hat sie teilweise ab­ gedruckt S. 114 f. seiner kleinen Rothbiographte: Dr. St. L. Roth, nach seinem Leben und Wirken dargestellt, Kronstadt, 1852. Alt war entzückt über Roths Abhandlung. „Es war mir, als wenn wir Auge in Auge bet einander wären." Aber Roths Vorschlag betreffend den Vertrieb seiner Schul- und Kirchenzeitung durch den Gustav AdolfVerein hält er für nicht recht durchführbar. -Siehe S. 111, Anm. 2.

sie war sehr gut. Sie wird nur für Kranke mit Fleisch zubereitet, für andere bloß mit Knochen. Aber unausgekochte. Die Würstler nämlich dürfen für sich sowohl Schwein- als Rindfleisch machen — aber nicht aushauen. Es bleiben ihnen also die Knochen, welche sie zentnerweise zu 100 x an die Anstalt gerne verkaufen. Andere ausgesottene Rindknochen werden zum Knochenmehl per 50 x verkauft und verführt. — Warum ent­ steht bei uns denn keine solche Kleinkinderbewahranstalt oder Suppenanstalt? — Weil wir trägen Herzens sind! Gmelin hat die Rahmen noch nicht bekommen — Gauger ist nicht zu Hause. Speise zu Gfröver zu Mittag — dann zu Weisser wegen meiner Anzeige» gehe dann in die Druckerei wegen der Korrektur, ist noch nicht gesetzt. Dann gebe meinen Aufsatz über unsere Zustände an Hallberger zur Beförderung an Dr. Alt in Hamburg. Lese dem Baron Luck den zweiten Teil des Aussatzes vor. Er will mich mit dem Freimaurer Lega­ tionsrat v. ÄöIIe1 bekannt machen, um dem Hosprediger Grün­ eisen vorgestellt zu werden. Vielleicht kann ich durch biefen Mann auf Cotta- wirken, um eine Presse und Lettern zu mei­ ner Schul- und Kirchenzeitung zu erhalten. Habe mir auch ein Billet im Omnibus auf Heilbronn im Couppee per s. 1.45 be­ stellt auf Dienstag vormittag 9 Uhr. Sonntag den 2. Rovember. Begegne dem Kirn, nach­ dem ich zuvor zum Mechanikus C. Ehmann in Berg gewesen, ist von Ronges Predigt und Gottesdienst nicht angesprochen. Hole mir von Gmelin, dem Schriftgießer, die 3 Daguerrotypen: Doktor Hack ist nicht zu Hause. Esse zu Hofrat Schilling zu Mittag mit dem Violoncellisten Oswald aus Hedingen, durch welchen ich den Fürsten^ grüßen lasse und mit Hall> Kölle, 1781—1848, Geheimer Legationsrat, Publizist in Stuttgart. -Cotta, Georg, 1796—1863, Verlagsbuchhändler in Stuttgart. ' Den Fürsten von Fürstenberg. Siehe S. 100.

Berger, Buchhändler. Mit Letzterem rede ich über 2 erlei: Fukesdorft und die Buchdruckerei. Dann ins Museum, wo ich den Legationsrat Kölle antreffe, welcher die Deutsche Quar­ talschrift herausgibt, welcher Spalten er mir öffnen will. Sagt, daß Cotta nicht zu Hause sei. Die östr. Armee habe 3 Prinzipien: Offiziere alle universell — Unteroffiziere deutsch — Gemeine provinziell. Kennt Ungarn gut aus Ge­ sprächen und Schriften: rät mir zu ledigen Leuten, weil dem Gesinde die Kinder unter die Hände kommen: erzählt von einem Schwaben aus Amerika. Ein Herr macht 40 Lose, und läßt sich von einem Schwaben eine Mühle bauen. Ein Stück kostet 40 Dollars. Für die Erbauung der Mühle verspricht er ihm dasjenige Los, welches er wolle. Der Schwabe bauet die Mühle und verlangt nun das Los, wo die Mühle ist. Die eng­ lischen Richter sprechen dem Schwaben recht. — Als Cha­ rakterzug der Schwaben gibt er an: 1. Er kann sich sehr dumm stellen, und 2. gut lamentieren. — Von einer andern Seite her hörte ich von den hiesigen Leuten das Gerede: Aus einem Schwaben kann man 2 Juden machen und es bleibt noch zn einem Württemberger übrig. Im Wirtshause treffe ich einen alten Württemberger Husaren, der den russischen Feldzug mit­ gemacht, von 900 Württemberger Gefangenen kamen zu Hause 19 Mann an. Erzählt viel von Kirgisen, Tschuwaschen, Tartaren usw. Ein besonderer Mensch, weiß sehr religiös zureden. Er soll Kanz heißen und ist ein Feuerarbeiter aus Berg — Kirn und seine Frau reden von ihm nichts Gutes. Er sei ein Säufer und Störefried im Hause, wäre für ihn eine Verdam­ mung. Montag 3. November. Kirn hat die Devise noch nicht ganz gezeichnet. Besorge meine Geschäfte. Denn Die cur hic12 1 Fukeschdorf, ein Weingut, zwischen Mediasch und Meschen ge­ legen. 2 Sage, wozu bist du hier.

ist doch Hauptsache! Trete 6 Uhr abends zu Bergrat Hehl, um in die naturhistorische Versammlung zu gehen. Sprechen über Rouge. Mein» Meinung und seine ist: mein Reich ist nicht von dieser Welt. Christentum hat nichts mit Politik zu tun. Da haben andere zu sorgen und nicht wir. In dem Mu­ seum liest ein junger Arzt Klesse eine Abhandlung vor Über die Krankheiten in Stuttgart. Schleimfieber = 1/6 der Sterbenden; Schwindsüchtige /besonders durch Trunk 1/3/, wo er den witzigen Gedanken hatte, die Buchdrucker hätten die meisten Anlagen, Metzger die wenigsten, ehemals hätten die Schneider und nun hätten die Hannoveraner die schlechteste Konstitution. Krätze im Hospital jährlich 500 Personen. Ur­ sache: enge Wohnungen, Beisammenschlafen der Gesellen. Leider kämen auch aristokratische Hände in die Verlegenheit, schaben zu müssen. — Herr Obermedizinalrat Jäger** liest eine Abhandlung vor über Kartoffelkrankheit — wenig Neues — sieht das Übel im Mißverhältnis des Ober­ triebes zum Untertriebe. In einer Württembergischen Gartenbeschreibung heißt es: der Grundbirnbaum wachse bisweilen mannshoch. Ist das von der damaligen Üppigkeit des Bodens, oder woher sonst? Herr Direktor Seißer, den ich schon zum Vorigenmale kennen gelernt, tritt auf und erzählt als Tatsache, daß weder die Zucht aus Samen, noch aus amerika-nischen Urkartoffeln /i. d. Cordilleren/ gegen Krankheit schütze. — Ein junger Mann 2, der von Reisen aus Preußen zurückgekehrt, erzählt, daß er überall auf schlam­ migem Boden kranke und auf sandigem Boden gesunde Kar­ toffeln angetroffen. Endlich löst sich alles in ein verworrenes Gerede auf: ich gehe mit Bevgvat Hehl, einem äußerst braven Manne nach Hause. Aus dem Heimwege holt mich der Berg‘Säger, Georg, 1785—1866, Obermedizinalrat in Stuttgart. * Von Roth leer gelassen.

mattn und Geometer in der Dunkelheit ein. Er äußert den Entschluß, nach Siebenbürgen auszuwandern. Ich rate ihm, zuvor anzufragen. Ich wollte sein Ansuchen auf vertraulichem Wege an die betreffenden Stellen bringen, es sollten die Testi­ monia einstweilen nur abschriftlich mir gegeben werden. Wenn sich eine Aussicht eröffne, sollten sie dann in original! vor­ gelegt werden. Er lobt sich der besten Zeugnisse, der geo­ metrischen Kenntnisse und der Zeichenkunst in allen Arten. Auch wüßte er mit rauhem Pinsel Früchte zu zeichnen mit dem Duft des Mehles und durch Dermittlung eines Arztes mit dem Geruch selbst. Biel gesagt. Begleitet mich bis zur Sonne, wo ich leider, aus Geldersparnis, int ungeheizten Zimmer schlafe und in meinen Füßen Gichtschmerzen empfinde. Dienstag den 4. November bringt mir die Schnei­ derin Scheuer die slanellenen Hosen und das Leibchen, o weh! int Betrage von s. 8.3. Mein Geld schmilzt und mein Wechsel kommt nicht!, obgleich er mir angezeigt ist. Werde wohl schrei­ ben müssen. Nach 7 Uhr kommt ein Auswanderer, I. G. Geiger, geht zu Wächter** auf Hermannstadt, welcher mir mein Gepäck bis zum römischen König in Stuttgart trägt. Der Bergmann holt mich ein und sagt mir, daß die Bergräte ihm besonders empfehlende Zeugnisse geben wollen. Desto besser, mein guter Kaiser braucht gute und brave Leute. Im Wirts­ hause „Römischer König" schreibe dem Auswanderer Steigers!! die Rekommandationen. Er übernimmt den Kontrakt des Dr. Josef Wächter conditionatim2 auf Umänderung des Pachtschil­ lings in Geld auf eine Naturalienquota. Während ich int in­ neren Zimmer sitze, sucht der Kutscher immer den Herrn aus Berg. Ich hingegen warte auf den Ruf des Kutschers. Ich hatte mir den Platz int Coupee gelöst zu F. 1.45 RW. Ich treffe »Wächter, Dr. Josef, 1792—1880, damals Arzt in Hermann­ stadt. * Unter der Bedingung.

da einen angenehmen katholischen Geistlichen, Schaeser ans Mittelheim 6 Stunden von Bingen. Unterhalten uns auch aus Dogmaticis. Er ist auf dem Rheindampfschifs mit unserm Nestor der Diplomatie Fürsten Metternich zusammengekommen, als Hochderselbe zur Mainzer Festlichkeit fuhr, wo die ehemaligen Zöglinge und Schulfreunde^ zusammenkamen. Als Pfarrer Scharfer von einer bekannten Obsthändlerin was kaufte und von ihr als Pfarrer angeredet ward, war der Fürst so herab­ lassend, selbst ein Gespräch anzuknüpfen. Der Fürst soll da­ mals geäußert haben, wir wissen recht gut, daß Kommunisten, Lichtfreunde politische Tendenzen haben! Mein Gott, wenn der Fürst nur nicht erfährt, daß ich in Ulm mit R. zu­ sammengekommen. Ich äußere gegen denselben den Wunsch, der h. Pater in Rom möchte den Coelibat aufheben, was eine Bereinigung erleichtern werde. Er meint, das könnte deswegen nicht geschehen, weil bei verheuratheten Geistlichen die Ohvenbeichte in Verfall kommen würde. Er tadelt, daß man vom Rock in Trier? so großes Aufsehen gemacht habe — Reliquien seien ein Verlangen des Herzens. Lutheraner gingen nach Wittenberg, um da das und das zu sehen, und Rom überlege gut, was es tue. Letzteres glaube ich gerne, aber zwischen Lu­ theranern und Römischen Katholiken scheint in Betreff der Reliquien ein großer Unterschied zu sein. Je nun, man kann sich auch bei verschiedener dogmatischer Ansicht im Herzen recht gut vertragen. Der Mann erscheint mir immer achtungswert, wenn auch besangen — er war 10 Wochen in der Anstalt zur Heilung der Flechtkvankheiten des Dr. Beier? in Cannstatt, und rät mir, die Bekanntschaft dieses Mannes zu machen. Die Wiener Arzte behaupten, es äußerlich kurieren zu können. Dr. Beier behauptet, es müsse zur Kur innerlicher Arznei1 Fürst Metternich studierte 1791—1794 in Mainz. 2 Siehe Seite 104, Sinnt. 4. »Richtig: Dr. Beiel, Albert, 1806—1874, Burschenschafter, Oberamtsarzt in Cannstatt.

gebrauch kommen. Pfarrer Schaefer führt sich als lebendes Beispiel an, daß mit äußerlichen Gebrauchsmitteln nichts ge­ wonnen werde. Er sei umsonst in Bädern gewesen. Beier wendet außer einer grünen Salbe auch das Einschmieren mit Teer an. Beier sagt zwar, daß man bei ihm auch mit F. 30 monatlich auskomme, allein es seien doch auch F. 60.— er­ forderlich, und zeigt mir sein Konto, welches außer den Prä­ senten an die Dienerschaft und Honorar 163 F. beträgt. Auf der Fahrt bis Heilbronn fuhren wir durch Ludwigs­ burg, welches der Pfarrer wegen dem einseitigen Bau der Stadt einen Pfannkuchen heißt, welcher nur aus einer Seite gebacken sei. Bei Erzählung des Raubritters Emich, welcher in einem Gemache von Ludwigsburg in figura sitzen soll, nimmt er Geistererscheinungen an, weil ein Herzog da ermordet worden, versichert jedoch, nicht abergläubisch zu sein. Aber Geister ohne Körper können ja nicht gesehen werden! Im Wirtshaus zur Sonne, wo der Omnibus einkehrt, tren­ nen wir uns, er erwartet seinen Freund aus Wimpfen. Ich hatte dem Herrn Schäuffele, Papiersabrikanten und Mecha­ niker, meine Ankunft angezeigt, und, weil er krank hieß, ge­ beten, mir ins Wirtshaus das Nötige sagen zu lassen. In der Sonne nichts — bekomme in die Sonne auch nichts. Schreibe an Herrn Schäuffele, ob ich zu ihm logieren könnte. Bis zur Ankunft mache die 2 Annoncen an das Neckar-Dampfschiff und das Jntelligenzblatt. Dom Hause des Schäuffele bringt man mir die Antwort, mein Zimmer sei seit Tagen schon bestellt — man erwarte auch Herrn Ronge. Bös Ding! Ich schreibe einen neuen Brief, daß ich störe und nun in der Roses !j bleiben würde. Der Lohnbediente bringt mir aber die mündliche Ant­ wort, daß ich unter allen Umständen dahin kommen sollte, und ich mit seiner Haushaltung verfügen könne, ohne zu stören, wie mit meiner eigenen. Die Bauern sollten zu mir kommen, sie würden nicht stören. Schon hatte ich ein apartes Zimmer einheizen lassen, hatte zu Nacht Kaffee getrunken,

und nun mußte ich, gekargten Lebens halber, hingehen, was ich aus Besorgnis wegen Zusammenkunft mit Rouge nur un­ gern tat. Mag er tun, was er will, ich bleib Lutheraner in alle Ewigkeit. Sie sitzen zu Tische. Herzlichster Empfang von den Schäufselischen. Seine zweite Frau hat die Tochter des Mannes selbst gefreiet [!]. Schönes Verhältnis. Aus Stuttgart war Herr Wölfel auch hier. Der Schwiegervater des Herrn Schäuffele Seyffer^ ist Arzt — ich sitze neben ihm. Ich entschuldige mich bei den Rongisten, daß ich als österreichischer Untertan vorsichtig sein müsse usw. Es kommen später aus Oehringen Pfarrer Dietsch, Sohn dessen, von dem ich in der Darmstädter Zeitung manches gelesen. Auch ,*2 3der mit mir am Hansentischb gespeiset haben will. Mein Gedächtnis ist sehr schwach, ich kann mich nicht mehr erinnern. Noch waren einige Herren da, deren Namen und Stellung mir entfallen ist. Schäuffele gab Champagner Preis — er schmeckt gut, ist aber Verschwendung. Er ist aus Frankreich, kostet vom loco selbst bezogen in Heilbronn F. 2., welchen man in Stuttgart zu F. 4. bezahlt. Mittwoch den 5. November. Schreibe an meine Frau, Bedeus und Friedenfels wegen Wechsel. Es kommen nur 2 Auswanderer. Nach dem Essen fahren wir in 2 Chaisen auf Weinsberg zu Dr. Justinus Kerner/ mit dem wir die Burg besteigen. An seinem Hause ist der Turm, wo im Bauernkrieg *Sehffer, Johann Friedrich, 1777-1852, Oberamtsarzt in Heilbronn. 2 Bon Roth leer gelassen. 3 Freitisch im „Stift" in Tübingen für Nichttheologen und Aus­ länder, darunter hergebrachtermaßen siebenbürgische Theologen. Zu Roths Zeit waren es meist 4 Siebenbürger. ^Kerner, Justinus, der namhafte Dichter, „der einzige Bollromantiker unter den singenden Schwaben", 1786—1862, lebte seit 1819 als Oberamtsarzt in Weinsberg.

15 Ritter enthauptet wurden. Es geht die Sage, daß es da rumore.1 Der Weinberg am Schloß herum heißt Weiber-treue. Ich habe auf die Gesundheit aller Mädchen getrunken, die Weiber werben sollen. Eine Sage: ein Ritter will sein Mädchen schwören machen, daß sie treu fein wolle. Empört sagt sie: gut, hier ist eine große Burg, die von Weibertreue zeugt, nimm diesen Stein und suche ein Denkmal so groß wie ihn, da führe mich zum Altar. Er ist gegangen und nie­ mehr kommen. Im Wirtshaus trinken wir nochmals etwas Weibertreue und kehren zurück. Don dem Schlosse sieht man in der Ent­ fernung eine Bergspitze „Steinklötzle", berühmt durch die Opfer der alten Deutschen. Im Wirtshaus kauft mir Herr Schäuffelen einen Ring mit einem Stein aus der Burg von Weinsberg, Weibertreu genannt, für f. 4.—. Einen gleichen Ring bekam Ronge und auch sein Bruder zum Präsent. Das beste Ge­ schenk für die Hofagentin? Das Lied möchte ich wohl haben. Aus diesem Erlöse von Ringen besteht eine Stiftung zur Er­ haltung der Burg. Verdient Nachahmung! — In Heilbronn sollen noch Ringe sein, wenn sie wohlfeil wären, wollte ich mir einen kaufen zum Andenken. Im Haufe des Justinus Kerner sah ich auch den Original­ ring des Martin Luther und der Cath. von Bore. Es ist Christus am Kreuze mit allen Marterwerkzeugen. Inwendig steht geschrieben: Martino Luthers Catharina U. Boren. Es hat ihn Ronge in Berlin zum Präsent bekommen. [Seim] Abendessen ist da Praeceptor Kaufmann, brav in Philologie, Mathematik, Philosophie usw., auch Schäuffelens Eidam Bruckmann, der in Compagnie mit anderen eine Sil1 Sehr bezeichnend für die spukhafte Phantasie Kerners, übrigens hat Kerner nach handschriftlichen Quellen die „Bestürmung der Stadt Weinsberg 1525" beschrieben (2. Ausl. Heilbronn 1848). * Für die Frau des Hofagenten Conrad in Wien.

berwarenfabrik hat. Zum Beschlusse Punsch, wird wenig ge­ trunken, war sehr gut. Donnerstag 6. November. Schreibe an Senator Dan. Gräser.^ Ronge hält im Fabriksgebäude eine Rede, wohin ich aber nicht gehe, um nicht als Anhänger zu erscheinen. Nach dem Essen fährt der Hausherr samt Ronge fett, und junior und der jubilierte Obevamtsarzt Seyffer, Schwiegervater des Herrn Schäuffelen, auf den Wartberg. Ich mache mit den Töch­ tern einen Spaziergang, von dem wir aber bald umkehren, weil die Hausfrau krank ist. Besuch zum hiesigen Vorstand, dem Bierbrauer Louis Hentjes,? der uns mit Bier bedienet. Nach dem Abendessen begleite Herrn Wölfe! auf die Post, da er nach Hause fährt. Herr Wülfel zeigt mir die Kopiermaschine zwischen 2 Zinkplatten — für Kaufleute vortrefflich. Will meinem Eidam und Schwager eine kaufen. — Kelch des Ve­ teran Seyffer, den ihm die Bürgerschaft verehret. Freitag 7. N o v e m b e r. Fährt Ronge und sein Bruder in Begleitung von Herrn Oberamtsarzt Seyffer nach Heidel­ berg. Ich besuche den Ruof, Redakteur des Dampfneckarschiffes. Er gestehet ein, daß keine Bauern aus Siebenbürgen nach Bukarest ausgewandert seien, und daß er seine Notiz von 6000 Siebenbürgern vielleicht aus dem Ausland entnommen habe — war in Bukarest und kennt Gött und Filtsch in Hermann­ stadt. — Dann zum Oekonomen Weisert, der ehemals Pächter, nun Weinspekulant ist und von der Regierung zum Schatzmann gebraucht wird bei Ablösungen von Triftrechten. Nach dem Mittagessen einen Gang in Schäusfeles Garten, der groß, schön und sehr kostbar ist. Einwanderer siehe Proto'Graeser, Daniel Georg, 1783—1869, Magistratsbeamter, 1848 Bürgermeister von Mediasch. ^Hentges, Louis, Abgeordneter zur Nationalversammlung für Heilbronn 1848, aeit

soll.1 *Besuche * * * * Praeceptor Kaufmann, den ich bei Tisch zu Schäuffele kennen gelernt, führt mich zu Maerklin,- Prof., der seiner freien Ansichten wegen von einem Vikar zum Pro­ fessor gemacht worden. Hieher kommt Dr. Strauß? dem zu seinem Sohn gratuliert wird. Praeceptor Kaufmann und ich gehen aufs Museum, lerne da kennen Stadtpfarrer Heyd? der zu gleicher Zeit mit mir in Tübingen war, erinnere mich kaum. Dr. medic. Sicherer? hatte als Student eine Fußreise am Neusiedlersee gemacht, erzählt die Anekdote von der Bild­ säule auf dem Rauchfange. Kameralverwalter Schmoller ver­ spricht mir ein Gut von Cotta, Hipfelhof, morgen zu zeigen. Nach dem Abendessen bleibt Schüuffelen und ich sitzen: er erzählt mir viel von seinen Religionsansichten. Geht höchst selten in die Kirche, Klingelbeutel und verkaufte Plätze sind ihm ein Greuel. Er ist religiös, aber nicht kirchlich. Erzählt mir von Lebret,b/Redakteur der Allg. Zeitung durch 18 Jahre/ einem Ehrenmann, der beim Jubiläum seines Schwiegervaters zu ihm 4 Tage gewohnt. Dieser sei zugegen gewesen, wie eine Somnambule den Tod des Königs 7 im März 18 8 9auf den 29. November vorausgesagt habe. Zuvor habe sich8 nur versprochen, über einen Monat es sagen zu wollen, und dann habe man sich8 beim Versprechen genommen. 1 Dies Protokoll ist nicht erhalten. -Märklin, Christian, Professor in Heilbronn, Freund von David Friedrich Strauß, gest. 1849. 8Strauß, David Friedrich, 1808—1874, kritischer Theologe, Verfasser des „Lebens Jesu". «Hehd, Ludwig Ferdinand, 1798-1868, Dekan in Heilbronn. ° Sich er er, Philipp Friedrich, 1803—1861, Burschenschafter, Arzt in Heilbronn. "Lebret, Albrecht, 1778—1846, Professor und Journalist in Stuttgart. ’ Von Roth leer gelassen. 8 Von Roth leer gelassen. 9 Soll wohl richtig „sie" heißen.

und durch ihr eigenes Wort so zu sagen gezwungen, selbst den Tag zu bestimmen, was sie jedoch nur mit großem Widerwillen getan. Dr. Klein saß 2 Tage vor dem Tode des Königs im Theater, wo Catalani* sang, und sprach zu seiner Frau, schau den König gut an, du siehst ihn zum letzten Male. Seine Frau dachte in Angst an Mord — er meinte die Prophezeiung. Den Vortag war der König in Cannstatt bei Ausgrabungen, und starb plötzlich am bestimmten Tage. Die um das Geheimnis swußtenj zitterten, denn, wenn es der König erfahren, hätte er sie alle auf den Aschberg'' getan.18 2 3 * * * * Von seinem Schwiegervater Seyffer: Ein junges Mädchen hier in Heilbronn, plötzlich krank, verfällt gleich in Schlaf und Hellsehen — während dessen kommt man von einem andern Frauenzimmer und ruft ihn als Arzt. Da sagt die Somnambule: Setze ihr dahin — bestimmt den Platz — 9 Blutegel, so wird sie gesund. Seyffer geht hin, erkennt die Blutegel für gut, wendet sie an. Das Frauenzimmer wird gesund. Zurückgekehrt bittet ihn die Somnambule, sie aufzuwecken und alsbald fort­ zugehen. Er tuts und schlüpft hinter einer spanischen Wand hinaus. Sie ist gesund. Diesen Doktor Seyffer kenne ich nun selbst, als Schwiegervater meines Hausfreundes Schäuffele, wenn dieser es sagt, ist an der Tatsache nicht zu zweifeln — nur bleibt noch die Erklärung übrig. 1 (Satalani, Angelica, berühmte italienische Sängerin, 1780 -1849. 2 Aschberg d. h. das Gefängnis auf dem Hohenasperg. 3 Der Abschnitt „Dr. Klein... getan" ist in der Handschrift zwischen die vorangegangenen Zeilen, angefangen von „Dieser sei zugegen gewesen..." und zwar verkehrt eingetragen, also daß das Blatt umgekehrt werden mutz, wenn man diesen Abschnitt lesen will. Vermutlich hat Roth damit einer etwaigen Zensur des Textes bei einer der Grenzüberschreitungen vorbeugen wollen, wie über­ haupt das ganze Tagebuch vielleicht auch aus diesem Grunde sehr unleserlich und mit auffallend kleinen und gedrängten Schriftzügen zu Papier gebracht worden ist.

Samstag den 8. November. Herr Doktor Seyffer ist aus Heidelberg zurückgekehrt und bringt von Gervinus^ eine neuerschienene Schrift mit, genannt die Mission der deutschkath. Kirche. — Besuche den Herrn Bruckmann und dessen Ge­ mahlin, Eltern des jüngeren Bruckmann, Eidam des Herrn Schäuffelen — der junge ist nicht zu Hause. Besehe die Fabrik des Herrn Schäuffelen — Papier ohne Ende. Papier gefärb­ tes^ früher alles aus Frankreich, nun in Deutschland gemacht. Mechanische Werkstätte — Garten mit Fischrecht — Schiffs­ brücke. Hasengarten. Schießstatt. Kanonenplatz. Gartenhaus Badehäuschen. Einwanderer. Fahre mit Herrn Kameralverwalter Schmoller nach Hipfelhof auf Landgut des Baron von Cotta. Die Feimen^ sind teils ohne Dach, teils auf 6 Tannenhölzern mit einem Strohdach. Die Hölzer sind hoch. Unter den geimen eine kesselartige Vertiefung zur Aufbewahrung der Grund­ birnen: sollen sich gut halten. Höre zum ersten Male von einem horizontalen Wasserrad Turbine, welches ein Mecha­ niker Wilhelm! vom Rhein her bauen soll. Das Wasser fällt aus der Höhe und soll zwei Mahlgänge und 1 Dreschmaschine treiben. — In den Ställen vieles und schönes Vieh. Kühe, welche 8—10 Maß Milch geben — ohne Kälber. Der Rent­ amtmann Rummel sagt, es sei unglaublich, wie überflüssiger Milchgenuß bei einem Kalbe das Wachstum befördere. Große Vorräte von altem Klee. Hat heuer, weil sich der Reps schlecht 'Gervinus, Georg Gottfried, 1805—1871, Geschichtsschreiber, lebte seit 1844 in Heidelberg, wo auch seine oben erwähnte Flug­ schrift „Die Mission der Deutschkatholiken" 1845 erschienen war. * Das Tagebuch Roths ist, beginnend mit der Eintragung vom 4. November bis zur Eintragung vom 18. Dezember auf dünnes gefärbtes Papier geschrieben und zwar sind 3 Bogen rot, 3 grau, 1 grün und 1 blau gefärbt. Möglicherweise stammt es aus der Papierfabrik Schäuffelens aus Heilbronn. Die Größe der Bogen: Kleinoktav. Die Bogen sind ungebunden. 3 Aufgeschichtete Haufen von Garben oder Heu.

gezeigt, denselben umgeackert. Das Gut kaufte Cotta dem bay­ rischen Minister Montgelas um 76.000 Gulden ab — nun hat ihm ein deutscher Schneider aus Petersburg das Vierfache ge­ boten. So sind die Güter gestiegen! Heimgekehrt — Einwan­ derer expedieret. Dann holt mich Praeceptor Kaufmann ins Wirtshaus zum Wirten Gräsle ab. Es waren da Dr. Strauß, Justinus Kerner, sein Sohn Theobalds Oberschultheiß Titot,Dr. Sicherer der Chronolog, Prof.Maerklin, Kammeralverwalter Schmoller, Dr. Höring, kath. Fvau, dessen Schwiegervater Dr. Carl Jaeger in Wien, Peterskirche No. 610, lebt, welches Bruder Leibarzt des Metternich ist, Carl Künzel, welcher sich für Autographen interessieret und mich bittet bei Gelegenheit ihm Handschriften von berühmten Männern zu schicken, oder ihn mit Männern bekannt zu machen, die gleiche Liebe dazu tragen. Sonntag 9. N o v e m b e r. Vor der Kirche Einwanderer. Gehe erst in die katholische Kirche, wo Fröhlich predigt. An­ fangs gefielen mir seine Gedanken sehr wohl, repetierte sich aber dann sehr und wurde langweilig. Gleich nach dem Amen wollte ich heraus — die Türe war geschlossen. Der Meßner mußte aufschließen. In die lutherische Kirche konnte ich gar nicht hinein, weil auch hier alle Türen verschlossen waren. Nach dem Essen führt mich Herr Schäuffelen auf den Wart­ berg. Die Aussicht ist schön. Das Gebäude war abgebrannt, nun neu gebaut — hat der Stadt etwa f. 30.000 gekostet und trägt nun f. 300 Pacht. Ökonom Weisert mit Frau und Toch­ ter war da. — Es kam zu uns im Saal Stadtschultheiß Titot /schielt und ist Petrefaktensammler , Rechtskonsulent A. Strauß in Heilbronn gibt mir eine Adresse an Pf. Friedrich Brecht' 'Kerner, Theobald, geb. 1817, Arzt und Dichter. -Titot, Heinrich, 1796—1871, Stadtschultheitz in Heilbronn. ^Brecht, Friedrich, der Nachfolger Roths als Rektor in Mediasch, siehe III, 192.

in Waldhütten. Heimgekehrt erzählt nns ©djöuffelenS Schwie­ gervater: Lohbauer/ bis jetzt in Bern, ein Pietist, sei vom Könige von Preußen mit einem Gehalte von Th. 2000 — nach Berlin berufen, und einer Pension von Th. 1500. Loh­ bauer war früher ein fürchterlicher Demagog und Berschworner in der Revolution vom Jahre 1832, wo alle Kö­ nige in Deutschland sollten umgebracht werden. — Koseritz,' ein Militär, verriet es. Der König von Württemberg hat alle begnadigt, dem Koseritz nach Amerika verholfen. Derselbe Lohbauer nun ist Pietist und bekommt vom Könige von Prenßen in Berlin eine Anstellung: Quae permutatio rerum!*3 * Auf dem Museum, wohin wir bis 8 Uhr gingen, lerne ich noch den Apotheker Maher^ kennen, der ein ansgezeichneter Chemiker ist, wie Schäuffelen sagt. Diesem sollte ich doch auch etwas von meinem Meteoreisen schicken! Nachschrift: Schäuffelen hatte ein Perspektiv mitgenom­ men, das 40 mal vergrößert. Um den Unterschied zwischen wirk­ licher und künstlicher Ansicht eines Gegenstandes machen zn können, muß man auf denselben Gegenstand auch durchs Per­ spektiv, auch mit bloßem Auge sehen. Sah den Mond, links war er nicht voll, es hingen wie Wassertropfen an dieser Seite, oben links war abgesondert ein krummer Streifen: vermutlich Bergspitzen. Montag 10. November. Ich wollte fort — Herr Schäuffelen redet mir zu noch etwas zn verweilen, tun über seinen Sohn Robert mit mir zu reden. Besuch zu Bruckmann 'Loh bau er, Rudolf, 1802—1873, Professor der Militärwis­ senschaft in Bern und München, gest. Solothurn. 3Koseritz, Oberleutnant, der nicht losschlug, als der Frank­ furter Wachensturm einsetzte, wurde als Meuterer zum Tode ver­ urteilt, aber begnadigt und durfte nach Amerika auswandern. 3 5Bte haben sich die Verhältnisse verändert! 1 Apotheker Mayer war der Bruder des berühmten Arztes und Naturforschers Robert Mayer in Heilbronn.

senior und junior. Besehe die Fabrik. Ein eigner Saal mit 4 Walzwerken, die unten ein Pferd in Bewegung setzt. Die Walzen aus Stahl sind zu teuer, 3—4000 Gulden, und auf 6 Monate Probezeit. Die hiesigen sind aus Gußeisen aus Ber­ lin. 3 Pferde gehen des Tages, eines nach dem anderen. Die Kraft wird auch auf die Drehbänke sübertragenj — sie stehen, sobald man will, und gehen wieder, sobald man will: man braucht nur einzuhängen. Im Preßzimmer sind 4 Pressen, wo mit Matrizzen und Patrizzen gearbeitet wird. Es ist der Stil: gotisch, byzantinisch, rococo, renaissance und damascee. Ein eigenes Zimmer hat die Formen zu allerlei Arbeiten. Der junge Bruckmann poussiert* in Wachs — andere zeichnen, mo­ dellieren, usw. Etwa 30 Menschen arbeiten. Hier höre ich, der Konventionsthaler habe mehr als 13 Loth Silber, sondern über 14 Loth [!]. Ich kaufe mir eine Platte vom sogenannten Lutherringe, nach Konto f. 1.41 ungefertigt, lasse ihn auf heute fertigen. Nach dem Essen fahre ich mit Gustav Schäuffelen ju­ nior und Handelsgärtner Pfau auf den Neuhof zu einem Tuff­ steinbruch und Robert Schäuffelen, dem mißratenen Sohne, der mit einem anderen jungen Menschen E. Arnold daselbst auf dem Gute des unverheuvatheten Eigentümers Bender die Oekonomie lernen will. Dieser ungeratene Sohn ist schön, stark, wir reden über seine Verhältnisse — er bereuet mit Worten. Vom Plane des Vaters, ihn nach Siebenbürgen zu versetzen, erfährt er nichts. Wir kommen zum Abendessen gerecht. Nach dem Abendessen erzählt mir der Vater, was ihm dieser Sohn schon alles Herzeleid gemacht. Es ist schrecklich! Ob ich mich dazu entschließen soll, zu helfen, weiß ich nicht, da hier wenig Hoffnung ist auf Besserung. Herr Schäuffele ist wieder un­ wohler am kurzen Atem. Aus dem Heimwege von Neuhof hält man mich für den Ronge, da könnte ich noch Schläge kriegen. — Es war in Odheim. 1 Richtig bossieren, fälschlich auch boussieren oder poussieren, bossen, bosseln = erhabene Bilder aus weicher Masse formen.

Dienstag 11. November. Mache aus dem Rathaus Herrn Stadtschultheiß meine Abschiedsvisite — gehe auch zu Dr. Höring, der eine Wienerin zur Frau hat /Hasenscharte/. Sie hat 2 Kinder, der größere ist sehr gescheit, antwortet zum verwundern. Er nicht zu Hause. Robert Schäufselen läßt mich vom Mittagstisch rufen: sehe und ändere seinen Brief. Abends erzählt Dr. Sehffer viel von seinen magnetischen Kuren in jüngeren Jahren: er hat sie nie zur Neugierde benutzt. Abends Museum. Mittwoch 12. November. Vormittag zu Stadtpfarrer Heyd und Pfarrer Buttersack, rede mit Letzterem über meine Schul- und Kirchenzeitung. Nach dem Essen mit Dr. Höring einen Spaziergang nach Sontheim zu Patienten: bitte ihn um Rekommandationen. Vor dem Gange lese meinen Brief an Robert seinen Eltern vor. Nach dem Gange war Schwieger­ vater Dr. Seyffer zu Schäufselen, sprachen über Lungenschwind­ sucht: er rühmt den Bleizucker, ohne je Bleikoliken bewirkt zu haben, die er übrigens gut kenne, da hier Bleiweitzfabriken seien. Er setzt dann als Narcoticum hinzu von der Lactuca virosa,1 der er vor dem Opium den Vorzug gibt. Er verspricht mir etwas Schriftliches mitzugeben. Letztlich im Kränzle zu Gräsle, wohin auch der alte Dr. Seyffer kommt. Außer den früher hier, 8. November, kennen gelerntsenj, war auch hier Just. Kerners Eidam: Niethammer, Rechtskonsulent; Feier­ abend, Regierungsrat; Mukler,? der den Schottes^ grüßen läßt. Allen drücke die Hand beim Abschied. Dr. Höring begleitet mich: von ihm lernte ich die Wirkungen der magnetoelektrischen Rotationsmaschine, wo teilweise Schwäche ist z. B. durch vor­ ausgegangene Nervenfieber oder Rheoma. Abends erhalte den 1 Giftlattich. -Richtig: Mugler, Johann Karl, Hohenloher, freund von Schottes, gest. als Oberregierungsrat. b Siehe I, 181 und 284.

Universitäts­

vergoldeten Lutherring, der ganz fertig f. 3.24 kostet, der ungefertigt f. —24 x, Prägung und Silber f. 1.21. Donnerstag 13. November. Ich soll fort! — also zusammengepackt. Gestern noch den Dienstleuten Trinkgeld 1 fl. Dr. Seyffer brachte mir ein Schriftchen und begleitet mich bis zum Omnibus. Fahre durch Lauffen, wo viele Bäume mit Teerbändern umgeben sind, durch Besigheim, wo die Ens in den Neckar fällt. Essen in Bietigheim f. —.40 xr. In Stuttgart angekommen fahre um 9 xr nach Berg, wo ich Briese von Eidam Rosenauer finde und von meiner Frau, Titzi und Netti.* Das Sabel12 zu den 3 Daguerreotypien kostet 24 x. Zahle für 240 Stück Vignetten f. 4.6 x. F r e i t a g 14. November. Es brennt in Cannstatt — der Knecht Johann ist fortgelaufen — ich muß — weil kein Fiaker da ist, — mein Gepäck selber bis Stuttgart schleppen. Auf der Post erhalte den Wechsel von f. 100 CM. durch Louis Gräser. Von Stuttgart bis Tübingen von 10 Uhr bis 4 Uhr mit 4 Pfer­ den s. 1.12 — f. 1.— CM. Suche den Peter Wolf, mit welchem ich die Kontrakte durchgeh«. Quartier — Lamm aus dem Platz, der Wirt heißt Heckmann. Abends mit Wolf zu Scheidt jenseits der Neckarbrücke. Samstag den 15. November. Morgens mit Wolf in der Übergabe der Auswanderungspapiere alles geordnet. Besuch zu Prof. Länderer, v. Werners Eidam. Mittag in der Krone, wo Wolf immer aufzusuchen ist. Kaffee zu Länderer, wo eine Zusammenkunft auf Morgen verabredet wird. Mit 1 Die beiden ersten Kinder aus Roths zweiter Ehe. ^ Dies Sabel ist ebenfalls noch erhalten. Es ist aus Tannenholz verfertigt, mißt 18x15x3 cm und besitzt einen Schiebedeckel.

Länderer zu Helfer 1 *Palmer* /dickköpfig, hochstirnig/, wo ich viel über meine Zeitung spreche. Oberhalfer4 *Hauber^ war nicht zu Hause. Rektor Walz, Ephorus, zu Hause, will kommen. Dr. Schmidt, Theolog /fett/ kommt auch, war zu ihm. — Gehe in die Traube mit Wolf und trinke mit folgenden Theologen aus Ungarn eine Flasche Bier: Andreas Libay aus Rosenau im Gömörer Komitat — Johann Walentinyi aus Sziräk im Neogvader Komitat — Carl Bartholomaeides aus Uhorszka in Neograd — Matthias Ulber aus Oedenburg. Tübingen den 15. November im Gasthof zur Traube. Sonntag den 16. November. Morgens zu Ober­ pedell Payer in der neuen Aula, zeigt mir den schönen Festsaal mit der Universitätsfahne 1477, Christus in der Mitte. Ego sum via, veritas et vita.4 Um und um die 4 Fakultäten. Dann zu Professor der Landwirtschaft Göritz? welcher krank war. In der Kirche predigt Dr. Sauer6 — hält lange Pausen in den Zwischensätzen. Besuch bei Oberhelfer Hauber. Mittagsessen zu Professor Länderer, nach dem Essen zum Kaffee kommt hin Helfer Palmer. Nach 3 Uhr gehe zu Dr. Bauer. Dann zu den Landsleuten. 7 Uhr ins Museum, wo sich die geladenen Pro­ fessoren einfinden. Siehe das Einladungsschreiben des Profes­ sors Länderer. Rektor Walz führte auch noch ein den Horärik4 1 Helfer, in Württemberg und der Schweiz der unterste Stadt­ geistliche, entsprechend dem Titel Diakonus; Oberhelfer soviel wie Archidiakonus. "Palmer, Professor in Tübingen, gest. 1875. ^Hauber, Prälat in Ludwigsburg, gest. 1883. i Jch bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. »Göritz, Karl, 1802—1853, Burschenschafter, Professor der Land- und Forstwirtschaft. »Baur, Ferdinand, 1792—1860, Professor der Theologie. 4Horärik, Johann, geb. 1808 im Trentschiner Komitat, 1831 bis "1841 kath. Geistlicher, nahm öffentlich in Wort und Schrift Stellung für die gemischten Ehen und wurde durch seinen über-

aus Pest, welcher 10 Jahre katholischer Geistlicher gewesen und nun hier studiert, nicht sowohl Theologie, als Philosophie. Die­ ser S>orärit ist Magyaromane und führt das Wort. Es in­ teressieren sich zwar für das Schul- und Kirchenblatt alle, machen mir aber wenig Hoffnung für Unterstützung des Blat­ tes, aus Furcht, es möchte der Gustav-Adolf-Verein agressiv [?] erscheinen, welcher Schein durchaus zu vermeiden sei. Rektor Walz begleitet mich bis zum Wirtshaus. Dieser Horärik empfiehlt mir zur Hülfe meines Blattes den Pf. Lang in Pest; Georg Bauhofes in Ofen; Wimmer? in Oberschützen; Schedius? Hofrat in Pest; Szekäts/ ung. Geist­ licher; Tünya, Professor und Rektor Teichengräber," womöglich am Samstag. tritt zum evang. Glauben eine in Ungarn bekannte Persönlichkeit. 1845 ging er nach Deutschland, 1847 war er in Halle Mitglied der „Freien Gemeinde", aus Preußen und Sachsen wurde er aus­ geschlossen, 1848 kehrte er nach Ungarn zurück, wo er 1864 starb. 1 93 ct u 6 o f er, Joh. Georg, 1806—1864, seit 1844 evang. Pfarrer in Ofen. ? Wimmer, Gottlieb August, 1796 —1863, seit 1818 evang. Pfarrer in Oberschützen. 'Schedius, Ludwig, Dr. Phil, und Dr. jur., königl. Rat, geb. 1768 in Raab, seit 1792 Professor der Philologie und Ästhetik an der Pester Universität (für einen Protestanten eine hohe Aus­ zeichnung), Verfasser vieler gelehrter Arbeiten, Freund der ung. Literatur, Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Akademien, gest. 1847 in Pest. ^Szokäes, Josef, Dr., 1809—1876, fruchtbarer geistlicher Schriftsteller, berühmter Redner, Mitglied mehrerer Akademien, ab 1860 evang. Superintendent. ^Teichengräber, Ludwig, Dr., geb. 1814 in Jglau, seit 1834 Lehrer, bald darauf Rektor des evang. Gymnasiums in Pest. Re­ formpädagog, Anhänger Pestalozzis. 1846 madjarisierte er seinen Namen in Tavasi, 1849 kämpfte er unter Bem in Siebenbürgen, nach der Waffenstreckung bei Deva floh er nach Italien und wurde wieder Erzieher. Ab 1855 Lehrer am ev. Gymnasium seiner Va­ terstadt Jglau, 1867—68 Rektor der Anstalt. Er starb 1877 in Jglau.

Oberhelfer Hauber empfiehlt mir in Stuttgart den Samuel Lisching1 wegen Auswechselung der Exemplare der Zeitungen, und auch sonst als einen ganz prakttschen Mann. — Rektor Walz empfiehlt mir den Besuch der Prinzessin Henriette in Kirchheim auf meiner Heimreise, um eine Rekommandation an Ihre Tochter Palatinus in Ofen. Montag 17. November, als blinder Passagier /s. 1.—/ nach Stuttgart in Adler: zu Fuß nach Berg, berich­ tige alles — komme mit einem Fiaker /48 x/ in Adler, gehe zu Bibliothekar Gfröver, mit ihm ins Museum. Wohne im Adler No. 31. Dienstag 18. November. Ordne einige Papiere. — Bergvat Hehl ist nicht zu Hause. — Spreche mit dem Gesandten Grafen v. Ugarte — in die Bibliothek bei Gfrörer — mahne den Gauger ans Bild — spreche mit Weisser wegen dem Artikel — bestelle mir bei Wölfel, Rothebühlstraße No. 45, 3 Kopier­ maschinen, wo ich zum Essen gehalten werde. Dieser, jetzt Vor­ stand der $Ä.,2 war früher in Warschau, und rühmt sich da­ selbst für verwundete Polen und Russen in der Revolution viel getan zu haben. Ist jetzt verbannt, und steht mit allen Märkten Europas in Verbindung und teilt Preiscouranten aus. — Bei Tisch betet ein Knabe: Komm Herr Jesu Christ usw. und schlägt sich das Kreuz. — Er will in hies. D. K. Kirche den Kelch beim Abendmahle so umgeteilt wissen, daß nicht der Geistliche den Kelch umteilt, sondern ein Mitglied ihn dem andern gibt, wie in Eßlingen. Sie wollen Brot, statt Ob­ laten — dann zu Pfarrer Zahn, den Bekannten des Mederus /Rothebühlstraße No. 55/. Dieser führt mich zu Oberstudien­ rat Kapff,2 Augustenstraße. Er war früher Dekan in Geislin^Liesching, Samuel Gottlieb, Kaufmann und Redakteur in Stuttgart, auch freisinniger Politiker. 2 Deutschkatholiken. »Kapff, Franz Gottfried, 1799—1865, Burschenschafter, Ober­ studienrat in Stuttgart.

gen. Derselbe ist beteiliget bei Herausgabe von Volksschriften. Er gibt mir «ine Anweisung an Theodor Klemm in der Le­ gionskaserne im Hof rechts, 2 Stiegen, aus die vorhandenen Volksschriften. Mechanikus Kinzelbach ist ein teurer Krämer, verlangt für eine Weinwaage s. 9.—. Spreche ein b. Canditors!] Murschel, Königsstraße 1, der einen Sohn bei Spedi­ teur Liedemann in Pest hat. Dann in Hallbergers Buchhand­ lung, wo ich Hofvat Gust. Schilling spreche. Mit Professor Gftörer beim Caroussel im König!. Reitsaale. Es ist ein Reit­ tanz, wie Ecossaits usw. Sehr schön. Zwei Parteien = 24 Reiter = Christen und Türken. Christen als württemberger Ritter — Heiden im Burnus. Im Queveck zwei Musikbanden: im Tempo agiert, wie in einem Tanzsaale. Zuerst Aufzug — dann 2 Evolutionen — dann Schluß. Ich mußte stehen und war müde. — Im Quartier erwartet von Jos. Henrich, wegen Geldnot. Mittwoch den 19. November. Samuel Lisching, von Oberhelfer Hauber in Tübingen empfohlen, Pietist, ist nicht zu Hause, soll mir Zeit bestimmen. Leihe dem Detter Jos. Hen­ rich, Kupferschmiedgesell bei Hofkupferschmied Kasten, zu dem früher geliehenen 1H: noch 10 f. CM., zu seiner Winterwan­ derung. Henrich bringt mir die Volksschriften von Theodor Klemm in der Legionskaserne, welche mir Studienrat Kapsf verehret hat. Beim Antiquar Johannes Ulrich kaufe mir 2 Ge­ sangbücher ä f. 1.36 und ä f. —.30. In der Mezlerschen Buch­ handlung 2 Partituren ä f. 6.— und a f. 1 item 10 Stück Notenbüchel mit Kirchenmelodien ä 22 xr. Zusammen alles f. -1 12 Uhr bei dem Wachenwechsel und Musik. Esse zu Mittag zu Baron Luck, der auf Industrie mehr hält als auf wissenschaftliche Spekulation und Theologie. Nehme Abschied. Er hat unartige Kinder, lauter Knaben. Sie ist eine Hollän1 Von Roth leer gelassen.

beritt. Wie mir scheint, besorgt er einem großen Herrn das Geldgeschäfte. Wenn ich ihn brauche, soll ich schreiben. Bergrat Hehl hat noch keinen Brief von Prof. v. Leonhard aus Heidelberg erhalten. Ich äußere meinen Wunsch, dem Apotheker Mayer auf Heilbronn ein Stückchen* zu schicken. Bon dort zu Pf. Würmle, wo ich den vorm. Pf. Mayer finde, ein wahres Pfaffengesicht. Beide arbeiten dermalen an einer Liturgie für die DK? Ich sage Ihnen, daß ich erwartet hätte, daß sie nicht so viel abgeschafft hätten. Der Kultus sei als Brücke beizubehalten gewesen, nach dem Augustinischen Spruche: In necessariis unitas — in dubiis diversitas, in omnibus caritas.13 *Zugleich gebe zu erkennen, daß ich kein Lichtfreund sein könne, mir sei biblisches Christentum Herzenssache und Vernunft der Schlüssel dazu. Würmle will die Liebe aus dem Dogma ins Leben eingeführt wissen, als Institut, als So­ zialismus von freien Stücken. Die Idee mag schön sein — sie scheint mir unausführbar. Noch bitte ich ihn um Übersendung seiner kirchlichen Arbeiten, um zu sehen, wie sich das gestaltet. Nein — es bedürfte keiner neuen Kirche — die Sache ist zu trocken, und, wie mir scheinen will, in einzelnen zwar religiös, aber die meisten sind nur negativ. 8 Uhr abends im Museum von Herrn Pf. Zahn und Stu­ dienrat Kapff eingeladen. Ich lese meinen Aufsatz4 vor — macht Eindruck: ich hoffe Wirkung. Es waren da gegenwärtig: Pf. Zahn — Carl Wolfs,3 Rektor am Catharinenstift, weibliche 1 Nämlich des Meteoreisens. Deutschkatholiken. 3 In notwendigen Dingen Gleichheit, in zweifelhaften Verschie­ denheit, in allen Liebe. 4 Sicherlich den Aufsatz „Der Stand der Deutschen in Siebenbür­ gen", Text siehe in Bd. V, 167-192. "Wolfs, Carl, 1803—1869, Burschenschafter, Theolog und Pädagog.

Schule für höhere Familien — Sigel/ GarnisonsPrediger — Heigelin/ Diakonus und Schulinspektor — Camerer,med.Dr.— Fetzer? Rechtskonsulent — Weigelin, Prof, am Catharinenstift — Römer/ Ministerialfekretär — Weihenmaier/ Dr., Mit­ redakteur des Schwäbischen Merkurs, besorgt den -englischen und französischen Teil — Brunder, theol. cand., Inhaber eines pädag. Institutes — Müller, Repetent — Kapff, Oberstudienrat /Volksschriften/. Schlafe nachts sehr unruhig, weil aus dem Abtritt geschöpft wurde, ein Wagen hin und her gezogen wurde — rechts in der Küche Unruhe war, links der Nachbar spät und früh Lebens­ zeichen gab, und oben über mir der Inwohner trampelte. Donnerstag 20. November. Pf. Zahn holt mich ab: Herr v. Kölle, Legationssekvetär, rät mir nochmals zu deut­ schem Gesinde, und gibt mir eine Empfehlung auf Ulm an Prof. Dr. Häßler/' Sehe die Cottasche Druckerei. — In der Bibeldruckerei kaufe mir für Fabini eine Bibel f. 2.— einen Lederkalender — Christ. Vergiß M. nicht f. —.33, ein N. T. mit Erklärung von E. H. Rieger f. 3.48. Bei Bels-er, Eberhardstraße, kaufe mir 3 Agenden, für Su­ perintendent, Stadtpfarrer und mich ä f. 7 ungebunden ‘Sigel, Eduard, 1805—1866, Burschenschafter, Prälat in Heilbronn. -Heigelin, Wilhelm, 1805—1874, Burschenschafter, Schulrat in Stuttgart. -Fetz er, Karl August, 1809—1885, Burschenschafter, Rechts­ anwalt in Stuttgart. «Römer, Georg, 1812—1880, Burschenschafter, Ministerial­ direktor in Stuttgart. «Weihenmaier, Wilhelm, 1810—1850, Burschenschafter, Redakteur am Schwäbischen Merkur. «Häßler, Konrad Dietrich, 1803—1873, Burschenschafter, Oberstudienrat in Ulm. 7 Von Roth leer gelassen.

und gebunden ä f. ;1 zusammen f. .1 Esse Mittags im Adler. — Will die Hochzeitsfeierlichkeit der Prinzessin Wil­ helmine mit Prinz Friedrich ansehen — es regnet aber: gehe daher mit Major Brecht, der mir einen Glasstahl gebracht, zu Messerschmied Mayer und kaufe mir 2 Rebscheven, zusammen um f. 4.—. Trinken mit Dr. Hack bei Marquart eine Tasse Kaffee und rauche eine Zigarre pr. 3 x. — daselbst sehe Schil­ lers Sohn? Forstrat, riesenhaftes Aeußere. Dann mit Dr. Hack zu Silberarbeiter Kellenbach, wo ich mir den zweiten Luther­ ring will machen und dieWeinwaage reparieren lassen.Kellen­ bach war selbst nicht zu Hause. Schreibe einen Brief an meinen Vater, an Hofprediger Becker in Donaueschingen und gehe abends zu Hofrat Schilling, wo ich Gesellschaft anzutreffen gedachte. Sehe da die prächtige Gewerbsmünze mit der Ger­ mania auf einer Seite und dem Wappenkranz auf der anderen. Die Germania sitzt, daher ein Spottvogel gesagt hat, sie sei matt, daß ihr übel geworden, und halte das Maul zu, weil sie nicht reden dürfe. — So persifliert man jetzt in der Teue­ rung das württembergische Symbol: furchtlos und treu in: fruchtlos und teuer! Dr. Alt hat dem jungen Gustav auch eine Denkmünze von der St. Petrikirche geschickt. — Es kam niemand. In Betreff der Druckerei verspricht mir aber der Hofvat auf das Bestimmteste und Feierlichste mit Handschlag, daß er mir Lettern verschaffen wolle zur Herausgabe eines Schul- und Wochenblattes unentgeltlich — ich sollte ihm nur schreiben, wenn ich die Konzession erhalten hätte. Großer Gott, wie bald wäre ich im Besitze der Mittel — allein bis ichs nicht sehe, glaub ich nicht. Freitag 21. November. Vom Silberarbeiter Kellen­ bach kaufe mir eine Weinwaage per f. 5.24. /Ist nicht richtig, 1 Von Roth leer gelassen.

^Schiller, Karl Freiherr von, Oberförster, gest. Stuttgart 1857.

muß zurückgegeben werden. Herr Dr. W. Weihenmaier, Königsstvaße No. 20, Mitredakteur am Schwäbischen Merkur, verspricht Aufnahme zugesendeter Artikel in Auswande­ rungsangelegenheit. — Direktor Seyffer, Bruder des Arztes in Heilbronn, hat sich zwar vom landwirtschaftlichen Fache zurückgezogen, will mir aber doch an die Hand gehen, um un­ serer Landbauverbesserung zu helfen. Er schlägt mir vor, ob nicht etwa die Aufnahme in den Württembergischen Zentral­ verein mir förderlich wäre? Ich sage zu, wenn es die Regie­ rung erlaubt. Es dürfte mir Diplom usw. auf Wien gesendet werden. — Esse zu Mittag zu Pf. Zahn, dem Bekannten des Mederus — meine Waage wird mit einer Vereinswaage des Kinzelbach verglichen und unrichtig erfunden. Herr Pfarrer will mir alte Schul- und Kirchenzeitungen zusenden. Er gibt mir Sämereien aus seiner Pfarrerszeit. Wir gehen bei einem Handelsgärtner vorbei, — ich kaufe Gipfelkraut von den Fil­ dern [!|, Carotten und Zwiebeln. Regierungsrat Seeger1 vor­ dem Tübinger Tor No. 2, jung und feurig, ist im Ministerium und sehr für Auswanderung, besonders im Großen und Zu­ sammenhang. Die Gemeinden würden von den Dörfern mit dem Reisegeld versehen werden — ein Verein würde das Geld auf Zieler vorschießen. Der Boden wäre Hypothek und eine ganz sichere, weil durch Bodenverbesserung der Wert sogleich steigen würde. Er ladet mich ein, an ihn zu schreiben und will selbst schreiben. — Konsistorialassessor G. Zeller,2 Haupt­ städterstraße No. 76, ein kleiner, äußerst zarter und höflicher Mann, verspricht mir, int Konsistorium für meine Schul- und Kirchenzeitung wirksam zu sein — schenkt mir Kapffs Reper­ torium, und wird mir Schulschriften zusenden. N B. Vor dem iSeeger, Adolf, 1815—1865, Tübinger Burschenschafter, tritt aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst, Rechtsanwalt in Stuttgart. -Zeller, Gustav, 1812—1884, Präsident der Katasterkommis­ sion, Schriftsteller, Naturforscher.

Essen war ich auf der Bibliothek zu Gfrörer, er macht mir Hoffnung zu einer Presse. Er habe darüber in einer Zusam­ menkunft mit Buchhändlern gesprochen. — Hofkameralverwalter Essig war nicht im Bureau, auch nicht zu Hause. Schreibe bis 81/2 am Aufsatz über Meteoreisen^ — dann gehe in die Weinkneipe im Bärengäßchen zu Haueisen, wo ich Gfrörer und Weisser finde. Der Wirt will das Haus verkaufen, um es aber zuvor in einen guten Ruf zu bringen, hat er gute Weine zusammen gekauft und schenkt sie billig aus. Hier lerne den Organisten Kocher? kennen, der der Vater der Lieder­ kränze ist. Er hat mehrere Opern komponiert, wurde nach Paris berufen, wollte aber zuvor nach Italien. In der Sixtinischen Kapelle wirkt die Kirchenmusik so auf ihn, daß er einen Wider­ willen an der Figuralmusik bekam und nur dem Volksgesang sich zuwandte. Er war auch in Petersburg 6—8 Jahve — ver­ langte aber dann nach Schwaben zurück. Er wünscht als guter Protestant einen kath. Kultus, eine römische Messe mit anderm Text. — Gfrörer wiederholt nochmals sein Versprechen wegen den Lettern und Presse, freilich nur einer hölzernen, aber guten. Weisser sagt von einem Brief, den er abdrucken werde und mir auf Wien zuschicken, worin eine Auswanderung nach Siebenbürgen motiviert sei. — Wir hatten uns bis nach 11 Uhr /Polizeistunde, verplaudert, da trat der Polizeidiener ein. Weil er den Hut aushielt, wurde er gehunzt und verlacht. Der Wirt meinte, am Vermählungsfesttag dürfe man auch länger beisammen bleiben — die andern Herren trinken noch ihren Schoppen aus, ich — aber mache mich aus betn Staube, denn ich will mit der Polizei nichts zu tun haben. Ordnung ist Ord­ nung und Gesetze müssen sein. Gfrörer schenkt mir: Prophetiae Veteres Pseudepigraphi, wo auch die Prophezeiung auf das Brandenburgifche Haus ist. 1 Der Aufsatz ist nicht erhalten. -Kocher, Konrad, 1786—1872, Musikdirektor in Stuttgart.

Sonnabend 22. November. Essig, Kameralverwalter, ist 8 Uhr zu Hause, er will mir ein Verzeichnis der Weinschriften heute abend oder morgen zuschicken. Hosprediger Grüneisen ist verreiset. Baurat Gaab nicht zu Hause: sie gibt mir Schwedenborgisdje1 Schriften und teils geschriebene, teils gedruckte Sachen von Gustav Werner. Empfehle mich bei der Familie Gfrörer. Abschied vom Legationssekretär Baron Depont: schenkt mir einen alten Staatsschematismus. Nach dem Essen zu Bergrat Hehl. Es ist noch kein Schreiben von v. Leon­ hard aus Heidelberg eingetroffen. Gebe noch ein Schreiben an Apotheker Mayer in Heilbronn. Das übrige Stück will Bergrat für die Mineraliensammlung ankaufen, sobald er in der Analyse einen Anhaltspunkt hat. Die Analysen von Hei­ delberg und Heilbronn werd« zugeschickt erhalten. War in der Stadtkirche, wo ich die neue große Orgel höre. Bon unten bis zum Maule eine Mannshöhe. Kirche neu restau­ riert. Im Chor die alten Herzöge aus Stein. In der Sakristei 2 Glasgemälde. Christus am Kreuze zu fleischigt — die Bleiverbindung stört: das Tuch ist zu nieder. Schreibe den Aufsatz, worin ich für die Einwanderer bitte, doppelt: falze 3 Buch für Peter Wolf, Agenten in Tübingen. Krone, nebst Brief. Sonntag 23. November. Vormittag Einpacken. Sil­ berarbeiter Kellenbach bringt mir den vergoldeten Lutherring, zahle dafür. Von Grüneisen kein Aviso. Mittags zu Canditor Murschel, Vater des jungen Murschel bei Spediteur Liedemann in Pest. Der Bruder des Conditors, Rechtskonsulent," auch da — heftiger Oppositionsmann. Laufe nach dem Essen noch ein­ mal zur Familie Gfröver, wo ich eine Knallbüchse aus Holler mache. Hofrat ist nicht zu Hause. Auf dem Museum beurlaube ^Schwedenborg» Gelehrter und Theosoph, 1688—1772. ^Murschel, Wilhelm, 1795—1869, Burschenschafter, Rechts­ anwalt, Präsident der Abgeordnetenkammer in Stuttgart.

ich mich von Baron Luck, Oberstudien rat Kapff und Hofrat Schilling, der mich nochmals seiner Zusage versichert. Buch­ händler Hallberger übernimmt die Spedition von vielleicht an mich abgehenden Büchern. Bon hier zum Weinwirt Hau­ eisen im Bärengäßchen, wohin auch Redaktor Weisser kommt, dessen Weibesschwestertochter den Brooser Pfarrerssohn Leon­ hard in Wien heurathet. Der Jndigohändler Miller aus Stutt­ gart ist auch Opponent. — So verlangt das menschliche Herz immer mehr, je mehr es hat. Montag den f. 2.42 von 6 Uhr eine Pariserdose f. 24 x. Ringsbüchse

*24. November. Omnibus nach Mm morgens bis abends fl1/-.»- In Geislingen —.48. Nadelbrosche 80 x. Zigarrenhalter 80 x. Abgestiegen im Kronprinzen.

Di e n s ta g den 25. N o vem b c r. Kaufe im Münster ein Glasgemälde von Georg Bahrten aus Ulm f. 15.— für Hof­ agenten Franz Conrad. Meinen zurückgelassenen Patz erhalte hier morgends über die Post 8 x. Der Gesandte hat nicht un­ terschrieben. Zu Spediteur Gebrüder Kindervater gebe meine Bücher, Glasgemälde und 6 Kopierblätter zur Versendung auf Wien, an Hofagenten Franz Conrad. Besuche Dekan Länderer, besprechen meine Schul- und Kirchenpläne. Professor Hassel1 -Adresse von Legationsrat v. Kölle nicht zu Haufe. Hinter Kops- von Leibinger beim Rad s. 1.24 Röhre 15, Kette 21 xr. — Lasse mich auf die Post einschreiben bis Augsburg f. 5.26. Ab fl Uhr abends. Besuche Herrn Oberamtsarzt von Gramm, wo ich sehr freundlich aufgenommen worden. Ich frage nach dem Hauptmann von Kämmerer. Es wird nach ihm geschickt. Mit ihm zu ihm. Er hat von seinem Schwager aus Neapel im Dop­ pelboden einer Kiste erhalten ein Halbbild von Julius Caesar, von Seneca und einem Priester aus Carrarischem Marmor Wollen mir Ulmer Zuckerbrot geben — kann es nirgends packen. 1 Richtig: -Häßler. - Holztcibakspfeife.

aus dem Jahr 1845

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Sprechen über Ronge. Seine Zurückhaltung über die Person Christi hat hier stark abgekühlt. Das Wort „Gottes Sohn" liegt als Erfordernis in den Seelen. Hauptmann von Kämmerer versichert mich, daß vielleicht hier 2000 Lutheraner überge­ treten wären, wenn Czersky^ hieher gekommen. Gibt mir als bewährter Spargelzüchter Samen. Seine.. .sunleserlich! sind so dick, oder dicker als der...sunleserlichj von meinerUlmerPfeife. Auch gibt er mir einen Artikel von einem bayerischen Priester. Er ist katholisch, sie evangelisch. — Homöopathische Apotheke. Trinken, bis es Zeit, noch Bier. Im Tor vom Kronprinz reden mich Auswanderer aus Streichen an. Diese unvorsichtigen Leute haben sich nicht einmal die Originalkontrakte abgeholt. — Es ist dieser verflossene Katharinentag mein Geburtstag! —12 Mittwoch 26. November. Kommen von Ulm bis Augs­ burg von 9 Uhr — 6^, 2 morgens, zu spät für den ersten Train auf der Eisenbahn. Im Lamm trinke Kaffee, per 24 x! und Trinkgelder hin und her!! /Nachtrag zu Ulm: 5ft.3 hatte einen Siegelring zum Ge­ schenk bekommen, mit einem Stein, worauf eingraviert war: die aufgehende Sonne, darüber ein zerbrochener Schlüssel. Statt des in der Schweiz verlornen, wurde ihm in Ulm nach einem guten Abdruck allhier ein anderer gemacht. Wie ich bei Oberamtsarzt Gramm war, kam eine Schrift von R. an: die alten und die neuen Feinde, und da war der Druck nur mit einem Kveuzumschlag und gesiegelt mit dem Petschaft, wo ichs sah./ 1 (5 zerski, Johannes, 1813—1893, neben Johannes Ronge der zweite bedeutende Vertreter des Deutschkarholizismus, weniger ra­ dikal als dieser. - Der 25. November ist der Kätharinentag. Tatsächlich ist Roth am 24. November 1796 geboren. Siehe I, 11 und 230. Möglich aber, daß sein Merktag der Katharinentag war als in unmittelbarer Nähe seines Geburtstages gelegen. 3 Ronge.

Eisenbahn^ von 11 Uhr bis nach 1 Uhr — 16 Stunden ----f. 1.6./ Trinkgelder dem Omnibus hin, dem Omnibus her, dein Träger. Mein Gepäck = 58 Pfund = 38 x. Omnibus zur blauen Traube = 18 x. Mittagessen mit Wein und Kaffee ----- f. 1.12. Werde hier schlafen, und erst morgen fortgehen. — War auch zum vorigen Male wieder in der blauen Traube. Der Wirr ist Württemberger und heißt Gmelin. War an ihn aus Ulm rekommandieret. Die Post von München — Schärding bezahlt mit f. 12.16. 2 Schoppen Bier statt Nachtessen = 8 x. Ein Paar Winterfilzschuh =- f. 1.18. Donnerst« g 27. November. Der Hausknecht weckt mich nicht — ich aber erwache noch zur Zeit. 6 Uhr ab. Altötting die Gnadenkapelle — mit Kupfer gedeckt, klein — mit Bildern auswendig ganz belegt, selbst das innere Dach. Ein Umlauf um das Kirchlein. Mein Reisegefährte: Herr Berko, Sekretär bei NO? Landständen, kommt von Paris, wohin er eine Er­ holungsreise gemacht. Sein Bruder, reicher Kaufmann, durch Rothschild sein Glück gemacht. Noch im Wagen ein Fräulein, Erzieherin in Preßburg von Waisen. — Nach Mitternacht kamen wir in Schärding an — Ostr. Manie. Die Visitation verzog sich 3 Stunden. Das Fräulein hatte alte Bücher — weggenommen, um zensuriert zu werden. Wegen Verschwei­ gung von einigen Kitzenfellen gestraft — viel Gelächter — Zn Linz angekommen 2 Uhr nachmittags. Post von Schärding bis Linz f. 3.57 CM. Freitag den 28. November. Kaum weniges gegessen und viel gezahlt, so setze mich wieder in die Post /solvitf. CM = ' Roth ist also beide Male, sowohl auf seiner Hin-, als auch auf seiner Rückreise, die Strecke zwischen Augsburg und München mit der Eisenbahn gefahren. (Siehe auch Eintragung vom 29. August.) Nur scheinen die Angaben oben weder der Fahrtdauer, noch des Fahrpreises ganz zu stimmen. 2 Niederösterreichischen.

10.44/. Es setzt sich zu uns noch ein Jesuit, der in Wien bei der Herzogin von Anhalt-Köthen lebt. Er war in Belgien, Holland, Frankreich, Italien und scheint zu Missionen ver­ wendet zu werden. Zum Verwundern kennt er die vornehme Welt. Weil der Mitreisende Berko, Sekretär beim Hosmarschall, Grafen von Gois, täglich speist, so kennt er in Wien alle Ho­ noratioren — wie nun diese sich darüber unterhalten, er­ staune ich über die Familienkenntnisse des Jesuiten. Er liest sein Brevier abends und morgends, während wir Weltkinder allerlei lose Gespräche treiben. Man schreibt: P. f. e. r. d. und spricht Gaul! Die eine Anekdote aus Paris! — Die Nacht über gefahren. Ich faß mit dem Rücken voraus. Berko und der Jesuit nebeneinander. Samstag den 29. Nov ember kamen wir in Men nach 3 Uhr an. Aus der Linie den Paß abgegeben. Ein Mautbe­ dienter begleitet uns aus die Post. Nochmals visitiert. Weil Berko Unwillen zeigt und raisoniert, so ist die Untersuchung um so strenger. Komme zu Conrad* — nur sie zu Hause, und kränklich. Der Marie die Handschrift von Rouge gegeben. Sonntag 30. November. Mache das Tagebuch: prä­ sentiere dem Hofagenten einen Lutherring — der Marie den Ring von der Weibertreue? Ein Schneider mißt mir die Kleider an, um ausgehen zu können. Der Akkord für Frack, Hosen, Westen ist s. 40.—. Montag 1. Dezember. Arbeite die Bittschrift wegen Diplom und Schul- und Kirchenzeitung aus, purisiere usw. 'Roth hat also, tote auch aus den Eintragungen der folgenden Tag« hervorgeht, während seines Wiener Aufenthaltes bei der Rück­ fahrt genau so wie bei der Hinfahrt bei Hofagenten Franz Conrad gewohnt. r Siehe Eintragung vom 5. November.

Dienstag 2. Dezember. Bittgänge in Begleitung mit Herrn Hofagenten Conrad: Vizepräsident B. Josika^ wegen Diplom eingereicht, und wegen Zeitung gebeten. Er äußert sich als Freund der Öffentlichkeit, und nimmt die Ein­ gabe der Bittschrift an. Der Erzherzog Ludwig würde nur verzögern. Gesprochen in der Siebenbürgischen Hofkanzlei, Obere Schenkerstrahe. In eben dieser Kanzlei sprach ich die Hosräte Szentgyövgyi und Hofrat Czak^ wegen beider Ange­ legenheiten. Zusammengekommen mit dem Hermannstädter Schuster, Expeditionsdirektor, Bell, ^ Honorärsekretär, Filtsch Konzeptpvaktikant. Bon Bell höre ich, daß Thesaurariatsrat Mich. Conrad samt Frau in Wien sei und übermorgen ab­ reise, er gibt mir dessen Quartier durch eine Zeichnung an. — Dann gingen wir an die Polizeihofftelle und sprachen mit Hofkonzipisten bei der obersten Zensurhofstelle Demel, im äußern Zimmer einen Konzeptpraktikant im Bureau des Hosrat v. Malz, der zum Präsidenten abberufen war, und uns sagen ließ, wir sollten es dem Konzipisten sagen. Dann ein Besuch bei Hofvat Andr. Conrad/ der nicht zu Hause war, und darauf bei königl. Rat v. Sternheim,'' dessen Frau Minna mich ersuchte, ein Pvaesent für Heydendorff Carl" mitzu­ nehmen. — Nach dem Essen: Besuch bei Gunesch's^ Familie: »Jösika, Sam. Baron, 1805—1860, seit 1844 Vizepräsident der siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien. 2 6 j ä k, Carl von, Hpfrat. 3 $ e 11, Samuel, geb. in Klausenburg, gest. 1865 als Ministe­ rialrat. 3 Conrad von Conradsheim, Andreas, 1780—1852, Sieben­ bürger Sachse, damals Hofrat der Siebenbürgischen Hofkanzlei. 5 Bertleff v. Sternheim, siehe II, 304. "Hehdendorff, Carl Friedr. Joh. Peter von, 1815—1874, späterer Bürgermeister von Mediasch. ^Gunesch, Andreas, 1818—1875, ein gebürtiger Mediascher, Prediger der evang. Gemeinde A. B. in Wien, seit 1836 vom Kaiser zum geistlichen Rat bei dem evang. Konsistorium A. C. in Wien ernannt.

aus dem Jahr 1843

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er selber ist nach Braunschweig gereiset, und vielleicht auch zu Dr. Alt nach Hamburg. Hvfagent Conrad geht nach Hause — ich aber besuche den Thesaurariatsrat Mich. Conrad hinterm Fürst Auersperg Palais gleich im Eck zwischen Roverani und lange Gasse. Er ist froh um meinen Besuch und begleitet mich bis zur Gasse. — Der Tag ist entsetzlich kurz — der Abend stark neblig. — Ich wollte gern noch den Hager besuchen, ge­ traute mich aber nicht: kam also zurück und verlas vor dem Essen noch meinen Aufsatz der Conrad'schen Familie. Diese Gänge machte ich im neuen Anzuge — im Ausgehen kaufte ich mir einen neuen Hut mit Hingabe meines alten per f. 3 CM. Im Schusterladen lasse meinen zerrissenen Stiefel und ziehe einen neuen Vorschub an = f. .’ An die eine Röhre kommt ein neuer Vorschub, und die alten sieben­ bürger Stiefel sollen zur Reise geflickt werden. Schwager Kenst Uhr gebe an Dorer ab — auf seine Ehre will er mir eine Zylinderuhr geben, und Donnerstag zur Probe herschicken. Für meine Frau wähle eine bronzene Stockuhr per f. 40 CM. Auf einem dieser Gänge wechsle den Wechsel von f. 100 CM. mit Conrad [?] ein, und kaufe mir statt meiner zerlumpten Brieftasche eine neue um Rf. 4 W. W. — Komme auf der Gasse mit dem Landsmann und Arzte Siegmund- zusammen — wir bestellen uns zu Hoftat v. Rosenfeld auf nächsten Tag 5—6 Uhr abends. Sprach auch mit den Regner Deputierten. Mittwoch den 3.Dezember. Gehe zu Hofrat Somlhai,-' Freiung, Schottenhof No. 136 neben dem Altane 3 Stiegen 1 Bon Roth leer gelassen. -Sigmund von Jlanor, Karl Ludwig, Dr. der Medizin und Chirurgie, geb. 1810 in Schäßburg, gest. 1883 in Padua, o. ö. Prof, der Medizin an der k. k. Universität und Primararzt im k. k. allge­ meinen Krankenhaus zu Wien, Mitglied vieler gelehrter Vereine und Akademien, Arzt von europäischem Ruf. 3 Somlyai, Johann, Hofrat.

rechts. — Ausgegangen. Dann zu Hofrat Eszterhäzy? Graf, Kohlmarkt 281 zw. Stock links — war sehr herablassend und gütig. Reiche dann mein Gesuch wegen Zeitung Sr. Exzellenz Baron Josika ein. Hofkanzlei Obere Schenkerstraße — er hatte als Verkürzung die Einreichung in der Hofkanzlei vorge­ schlagen — redete kein Wort — dann bei Expeditionsdirektor Schuster bis der Hofrai Somlyai käme bis l1/» Uhr. Kam nicht — gehe in die Burg, Schweizer Hof zum Tüvsteher wegen Audienz zum Minister des Innern, Graf Collovrat, schreibe meinen Namen auf einen Bogen nebst Wohnort — soll Sams­ tag anfragen. Conrad Hofagent sagt mir aber, daß mich diese Nachrichtgebung einen Taler kosten werde. Retour ins Quar­ tier um 2 Uhr. Abends 6 Uhr nach Verabredung mit Hofagenten Conrad zu Hofrat v. Rosenfeld. Sie war allein zu Hause. Er kam später und sie geht, tranken Kaffee und essen etwas. Reden von der Runkelrübenzuckerfabrik in Hermann­ stadt, welche verkauft werden soll. Conrad hat über f. 9000 CM. darin, Hofrat v. Rosenfeld f. 1000. Es ist ihnen uner­ klärlich, wie die dortigen Beschlüsse ohne Mitteilung gefaßt worden sind. Exponiere die Einwanderungsverhältnisse im Detail. Später kommt Dr. Siegmund, welcher Holzscheite zeigt, die ihm ein Jude sehr wohlfeil liefert. Dann kam auch und unterbricht das Gespräch der v. Papp, Sohn des Bankdirektors Constantin Papp. Verspreche übermorgen wieder zu kommen. Mit Siegmund die Verabredung 1/2 [!] am nächsten Donnerstag ihn aufzusuchen, um Hagern aufzusuchen. Abends mit der Hofagentin Gespräch über Christi Person, Gebet und Erhörung bis 121/j in der Nacht. Donnerstag den 4. Dezember. Audienz bei seiner Kais. Hoheit Erzherzog Ludwig? Zuerst im Vorzimmer, wo lEszterhüzy, Graf Joh. Nep., Hofrat. -Ludwig, Joseph Anton, Erzherzog von Österreich, 17841864, Sohn des Kaisers Leopold II., war nach der Thronbesteigung

ein Schweizer steht, pele-m61e durcheinander. Treten in ein zweites Zimmer, gebe die Charte No. 60 einem Adjutanten am Fenster rechts ab. Treffe da den Kronstädter Popasza, mit dem ich mich unterhalte, und den Rock ablege. Ein KammerHerr weiset uns den Platz an, er ist Baron Reitzach? So geht nur einer nach dem andern hinein. Im Zimmer habe ich nichts gesehen, auher den Erzherzog, dem ich meine Zeitungsangelegenheit vortrug, und bat: er sollte uns Deutsche, wenn gleich evangelisch, vor der Unterdrückung der Ungarn in Schutz nehmen, weil ich befürchtete, es würden meine Angelegen­ heiten entweder ganz unterdrückt, oder ad graecas Calendas 2* 1 vertagt werden. Wie ich ging, schrieb er sich etwas auf. Hierauf zu Superint. Helv. Conf: Franz.3 Er erzählte mir von einem befreundeten ev. Pfarrer Molnar, der wegen einer Schrift von Rouge 3 Wochen in ein Gefängnis mit eintägiger Fast eingesperrt worden, und dies nur im Weh« eines Re­ kurses, da der erste Spruch auf 6 Wochen lautete. Dieser Pfarrer hatte eilte Schrift von Ronge einem kath. Manne, Kaufmann, mit der Bitte übergeben, sie einem ev. Vorsteher zu übergeben. Der Kaufmann übergab sie nicht sogleich, sondern nahm sie ins Wirtshaus mit und las da vor. Die Polizei erkundigte sich, woher er sie habe. Er gestand und nun mutzte der Pfarrer Molnar bühen. Also sage ich mir selbst: M. lieber Roth: manum de tabula!4 Vom Superintendenten Franz hörte des Kaisers Ferdinand I. 1835 zum Chef der aus dem Erzherzog Franz Karl, dem Fürsten Metternich und dem Grafen Kolowrat zusammengesetzten Geheimen Staatskonferenz ernannt worden. 1 Vielleicht: Reischach, Karl Freiherr von, geb. 1805, k. k. ge­ heimer Rat, Generalmajor a. D., Kammervorsteher des Erzherzogs Franz Karl. s Mr immer. ° Franz, Gottfried, aus Nassau, 1803 -1873, Tübinger Bur­ schenschafter, Oberkirchenrat in Wien. 4 Hand weg von der Tafel! D. h. sorg, daß man dir nicht auf die Finger klopft.

ich auch, daß nun die Evangelischen in Mähren ans Gymna­ sium in Teschen von Staatsmitteln 3 Professoren in Philo­ sophie, Geschichte, Mathematik und Physik unverhofft erhalten hätten, nachdem dieselben Gesuche mehr als 25 Jahre uner­ ledigt geblieben. — Auch sei nun ein Lehrer der reform. Dog­ matik an der Wiener Prot. Fakultät bewilliget worden. Wegen einem Brief an mich sagte er mir: ein Jemand fei zu ihm ge­ kommen und habe ihm gesagt, daß er einen Brief erhalten habe mit einem eingeschlossenen Briefe an mich. In seinem Brief das Gesuch, den Brief an mich abzugeben, da er für mich wichtige Dinge enthalte. Er habe den Mann zu Gunesch geschickt. Ich gehe nochmals zu Gunesch Regini und frage nach: keine Auskunft. Abschied von der Familie und Empfehlung an Prof. Meißner/ den ich bedauere nicht besuchen zu können. — Dann zu Superintendent Pauer, er kannte meinen Namen als Schriftsteller, rede auch wegen meinem Briefe: er weiß nichts. Er äußert den Zuten Gedanken, daß alle Ein­ schränkungen der ev. Kirche nur nützlich sein würden. Gebe es Gott. An den Evangelischen hat der Kaiser, setze ich hinzu, gewiß treue Untertanen und einen besseren wie ich gewiß nicht. Wer Christ ist, ist treu und gehorsam seiner Obrigkeit, die von Gott eingesetzt ist. Auf der Post ist kein Brief poste restante an mich. Wunder­ bar! Dr. Alt hat auf Stuttgart geschrieben, daß er an mich geschrieben, und nun finde ich nirgends Auskunft. Treffe auf der Fahrpost den Regner Deputierten: Wermescher. Preis bis Pest f. 15.40 CM. Übergewicht für 60 Pf. etwa f. 3.— weni­ gerer [!] zahlt im Verhältnis mehr. Nur Lederkoffer! Ver­ abrede einen Besuch auf morgen in seinem Quartier. Leopoldstadt, Lilienbrunngasse No. 244, 1. Stk. Türe 6. Von Dorer ist die Stockuhr zu Drand [?] — finde ihn nicht zu Hause, ver­ mutlich zum Essen. Nach dem Essen Gespräche, dann gehe mit Conrad 41/2 zu i Siehe I, 22.

Siegmund, der eine Tochter von Prof. Meißner hat. Bon hier zu Hager4 — Witwer — Kais. Rat — und 2 Töchter. Bon hiev zu Vetter Schuster, lerne seine Frau und 2 Töchter kennen. Mitsammen nun in die Stadt „zur Lerche". Ich trinke zuerst Bier — dann spendiert Frau Hager einen halben Fasanen — f. 3 und 3 Seidel Wein. Gespräch: Reisen in England, die Reise nach London ja in der Themse hinauf. Schuster sagt mir, daß meine Zeitungsangelegenheit nächste Tage hinunter gehe. Freitagden S. Dezember. Die Hofagentin hustet morgends wieder stärker — es ist nicht Katarrh, mir scheints immer: sie braucht noch ein Kind — so verkohlt nur ihr Leben, es brennt nicht mit Flamme. Der Agent darf nicht Agent sein. Gehe nach dem Frühstück zu den Szaßvegener Deputierten: Schobel und Wermescher. Wollen nicht mit der Post fahren, also nichts. Zu Popasa^ aus Kronstadt, welcher nicht unierter Bischof werden will, wohnt Leopoldstadt, Jägerzeile, goldnes Lamm, 2. Stock, Türe 53 und 54. Vielleicht fahre ich mit dem in seinem Wagen bis Pest, dann Eilwagen. Kaufe mir in der Rotenturmstratze einen schwarzen Koffer um f. 3.— CM. Will morgen kommen und das Nähere verabreden. 5 Uhr zu Hofr. v. Rosenfeld? reden über Einwanderung — Vorstrecken von Geld nach Fingerzeigen aus Württemberg —Walachen: uni ex receptis religionibus.4 v. Friedenfels war »Hager, Mich., Dr. med., geb. 1.795 in Hermannstadt, gest. 1866 in Wien, Stabsarzt, o. ö. Prof, der praktischen Chirurgie und Operationen. -Richtig: Popasu, Ivan, 1808—1889, verdienstvoller Schulund Kirchenmann der Rumänen, seit 1837 Protopresbyter in Kron­ stadt, 1865-1889 Bischof in Karanschebesch. ^Rosenfeld, Karl Ludwig Freiherr von, geb. 1804 in Her­ mannstadt, seit 28. Oktober 1845 zum Hofrat bei der k. k. allg. Hofkammer, mit der Fortsetzung der Dienstleistung bei der k. k. Staatskonferenz, befördert. 6 Roth hier wohl die „unierte" Kirche der Rumänen meint, die zu den „rezipierten" d. h. gleichberechtigten Konfessionen Sieben­ bürgens gehörte?

auch dabei — er begleitet mich — reden vom ÄomeS:11. v. Ro­ senfeld soll in die Kandidation kommen, ohne daß er sich bis im letzten Augenblick entscheidet über Ja und Nein. Tenn er steht noch nicht fest. Bekommt er Sicherheit wegen Staats­ rat, so bleibt er, ist es nicht, so kommt er. Dann Brukenthal — und 3. Salmen. — über Conrad sagt er, würde hier immer geflüstert werden: Agent! Samstag den 6. Dezember. Ehe ich ausgehe kommt Contumaz-Direktor Mangesius zu Hofagent. Nach 4 Wochen, wo er hier gewesen, ist endlich ein Strahl der Hoffnung vor­ handen. Mit ihm gehe zu Uhrmacher Dorer, bezahle die Stock­ uhr per f. 40 CM., und die ausgewechselte Zylinderühr des Schwagers Kenst mit f. 48—30 — f. 18 CM. Hatte mir f. 10 gegeben, folglich habe ich noch f. 8.— zu fordern. In der Kanzlei den Paß bei Expeditionsdirektor Schuster visiert: führt mich auf bei Hofrat Somlyai, welcher in Betreff der Zeitung mir sagte, daß, wenn die Sache nach Untersuchung so unverfänglich sei, wie sie ihm erscheine, der Erlaubnis voraussichtlich nichts im Wege stehen werde. Anbelangend das Doktordiplom sei er nicht dagegen, v. Friedenfels kommt nun mit: wir laufen die Gewölbe durch, wo Kruzifixe zu haben sind. Einige aus Buchs­ baum waren schön, allein wegen llberfirnissung mir verdächtig, kosteten auch f. 20 CM. An einem Orte fand ich ein sehr schö­ nes Kruzifix aus Buchs, sehr alt, aber wunderschön, doch um den Preis von f. 50.—, was mir zu viel ist. Ich kaufe also das, welches ich mit Conrad zuerst gesehen, um f. 20 CM. In dem Schweizerhofe erkundige mich wegen der Audienz bei Minister Graf v. Collovrat.2 Ich soll Montag gegen 1 Uhr kommen. 1 ! 845 war der bisherige Komes der Sachsen Johann Wachsmann gestorben. - Kolowrat - Liebsteinskh, Franz Anton Graf, 1778—1861, seil 1823 Staats- und Konferenzminister in Wien. Die Verwal­ tung der inneren Angelegenheiten und zum Teil die Finanzen ge­ hörten in fein Ressort.

Nun gehe ich ins Mineralienkabinett, um mein Meteoreisen da zu deponieren. Baron Brummel sagt mir ausdrücklich, daß es kein Meteoreisen sei — vermutlich aus uralter Nomaden­ zeit von Völkern, wenn auch nicht an Ort und Stelle geschmol­ zen, doch allda, weil es ihnen vielleicht zu schwer gewesen, int Stiche gelassen. Er will es ins Kabinett aufnehmen. Werde es mit einem Träger hinschicken. Hierauf zu Regierungsrat v. Geringer,i welcher sehr freundlich ist, und sich angelegentlich um die Einwanderung erkundigt. Ich erlaube mir, die Bedeu­ tung des Deutschtums auseinanderzusetzen und lasse durch­ blicken, daß es eine Ausgabe der Regierung sei, die Einwan­ derung der Deutschen aus Politik zu unterstützen, wenn auch nicht öffentlich, insgeheim. Hier erfahre ich, daß böhmische Un­ tertanen nach Ungarn kommen, es tut es aber der Kaiser nicht als Kaiser, sondern als privater Grundherr. Dankt mir für meinen Besuch usw. Endlich zu Hofrat und Baron Apor? Dieser war am charmantesten. Er wußte um die Angelegen­ heit, fragt mich aus: ich lasse die Sache ganz klein, auch der Ab­ sicht nach, erscheinen. Kommen im Gespräch auf die Landwirt­ schaft, rede von Flachs, Hanf usw., sagt mir, daß sein Sohn auch ein Liebhaber sei und er werde ihm schreiben, um mich zu besuchen. Auch als Besuche eintraten, hieß er mich fortfahren. In Betreff der Zeitung hatte er die Aussätze gelesen. Es hatte ihm gefallen mein Aufsatz über das Trauen — sagt über Kenst Aufsatz, daß er instruktiv wäre usw. Er werde die Zeitung selbst lesen, da ein Exemplar an die Hofkanzlei komme. Das Blatt würde sich aber kaum halten können, da diejenigen, welche 'Geringer - Oedenberg, Karl Freiherr von, geb. 1806 als Sohn des Generalmajors Gabriel Freiherrn von Geringer-Oedenberg und der Sophie Freiin von Brukenthal, Leiter der obersten Zentral­ stelle für alle Kredits-, Kameral- und Handelsangelegenheiten der ganzen Monarchie. Näheres über ihn siehe bei Friedenfels: Joseph Bedeus von Scharberg, II, 465 ff. - Apv r, Baron Lazarus, Hofrat der siebenb. Hofkanzlei.

sie zahlen könnten, nicht lesen, und welche sie lesen würden, nicht zu zahlen hätten. Gegen Mittag kommt Professor P. T. Meißner, unser Lands­ mann, und besucht mich — war hereingekommen um bei einem Herrn zu speisen, als aber seine Tochter ihm von mir gesagt, komme er nun hieher zum Essen. Ich setze mich auch zu Tisch. Professor erzählt, daß eine große Eisenunternehmung im Sandte1 im Werke sei, und er hoffe dabei verwendet zu werden. Nächsten Sommer werde er auch meinen Vater besuchen, dem ich zu sagen hätte, daß er sich bis dahin nicht unterstehen solle zu sterben. Er sieht gut aus und erzählt, daß er nun mit aller Welt im Frieden lebe, außer mit seinem Schneider, der ihm einen zu engen Frack gemacht habe, daß er ihn nicht zuknöpfen könne. Stehen vom »Tisch 4 Uhr auf und komme 41/j zu v. Rosenfeld zum Mittagessen. Er befragt mich wegen einer Musterwirtschaft — redet mir zu, die Direktion der Einwande­ rung in meinen Händen zu behalten, und wird an v. Bedeus deswegen schreiben. Sie gibt mir Tasfet nach Hermannstadt. Empfehle mich. Nach meiner Heimkehr noch vertrauliche Gespräche mit Con­ rad wegen Komeswahl. Er wünscht einen Tüchtigen und stellt ein sehr schönes Ideal von einem Nationskomes auf. Sonntag den 7. Dezember. Fange mit dem Gebet eines Sachsen bei der Komeswahl2 an — der einzige schickliche Weg ans Volk zu reden. Mit der Hofagentin in die reformierte Kirche, auch Direktor Schuster, welcher sich verliert. Ich sitze im Chor. Superintendent Franz predigt vom Täufer Johan­ nes. Nach der Predigt zu ihm, sage, dies sei das kommunistische Evangelium vom Talfüllen und Berge ebnen. Besuche noch einmal Gunesch Regini, bei der ich die Brechter Lisi finde, welche den Arzt Jacobi, einen Bruder des Stephans hatte. Ich 1 Vermutlich Reschitza gemeint. 2 3m Nachlaß nicht erhalten.

soll der Krugin sagen, daß es ihr recht gut gehe. In der Kanzlei finde den Direktor nicht, gehe also allein dem Kaiserl. Rate Hager zu. Filtsch, Stadtpfarrersohn aus Mühlbach, holt mich ein. Speise mit Schuster allda. Einen besseren Wein als den Scholtner habe ich in meinem Leben nicht getrunken. Wir rauchen dann nach dem Essen, und Filtsch spielt mit den 2 Mä betn auf dem F-Piano. Die Mädchen singen einzig schön. Höre hier auch zuerst eine Harmonika aus Stahlfedern /Preis f. 120 CM./ Der Tritt zieht den Blasebalg auf und macht f und p. Rach Hause begleiten mich Hager und Schuster bis zum Conrad. Auf dem Gange Rede vom Komes. Beide denken auf Salmen: keiner mit einem Worte an den Hofagenten.1 Montag den 8. Dezember. Stehe etwas früher auf und arbeite wieder am Gebete. Schreibe mich auf die Courier­ post ein mit f. 15.40, dann Übergewicht 1 f. :>4 CM. Es regnet etwas. Mache den Gang zu Minister Collovrat. Dem Tür­ steher für die Bedienten f. 1.— CM. Dem Billettrüger durch Conrad auch schon f. 1.— CM. Im ersten Zimmer legt man die Überröcke und Regenschirme ab: mit dem Hut ins zweite. Ein ungeheuerer runder Tisch in der Mitte — Boden ganz belegt. Popasza kommt auch. Ich komme bald hinein: sage wer ich bin — was ich will — befürchte und bitte, ohngefähr also: Ich bin ein sächsischer Pfarrer aus Siebenbürgen, der bei der Hofkanzlei eingekommen ist. Sind Sie ein Sachse? — Ja, der Geburt und Gesinnung nach. Ich habe diese beide, Schule und Kirche, in Verbindung gebracht, weil Aufklärung des Verstan­ des, ohne Heiligung des Willens eine gefährliche Sache ist — Religiosität ohne Aufklärung------Aberglauben erzeugt, das weiß ich schon, den wollen wir nicht. Ich befürchte, daß die Unger diese Zeitung als Verstärkung des Deutschtums ent­ weder ganz unterdrücken, oder wenigstens auf Jahre hinaus 1 Tatsächlich wurde Salmen gewählt.

verschieben werden. /Ja die Ungarn machen uns mit ihrer Sprache allerlei Händel./ Latet anguie in herba!1 *Wenn nun das Gesuch wegen der Zeitung herauskommt, bitte ich E. Excel­ lenz wie ein Kind seinen Vater, daß das Gesuch nicht liegen bleibt /Fürchten Sie sich nicht/ oder bei diesen reinen deut­ schen Absichten nicht abgeschlagen wird. /Ich werde schon sorgen./ Ich fürchte die Unger sehr: sind wir gleich Protestan­ ten, so sind wir doch treue Untertanen, Christen und Deutsche. /Sie können sich ganz verlassen./ So spricht ein Minister, also, armer Pfarrer, hoffe und freue dich. Mittags esse zu Conrad — die Landsleute darunter Henter, Jacobi machen mir Besuche — Hofrat v. Rosenfeld besucht mich zum Abschied — ebenso v. Friedenfels. Trinken Tee, wo die Marie, des Hofagenten einzige Tochter, als Kronstädter Bauernmädel gekleidet, mir in Burzenländer Sprache eine Torte auf die Reise mitbringt, und statt Praesentchen — Praestantchen [?] spricht. Ich erhalte von allen Stammbuchblättchen? Bon der Conrad Sprüche aus dem Koran mit eigener Umbildung: Ich verstehe das Unterstreichen des Wortes: Versprichst/Komes?/. Nehme Abschied. Den Bedienten 2.—, Köchin s. 5.— CM zum Praesent. Conrad begleitet mich zur Post, bis ich einsteige. Ich neben Kondukteur Strohmayer im Coupöe. Er ist Katholik, hat eine Reformierte zur Frau und hat in seiner letzten Krankheit den Ewigen Juden von Eugen Sue3 gelesen. Er erzählt mir, daß in Lemberg den Jesuiten ihr ehem. Klostergebäude, welches in eine Kanzlei um­ gewandelt worden, halb abgetreten worden. Sie aber verlang­ ten es ganz und noch überdies die Interessen von den ver­ flossenen Jahren, seit man es ihnen abgenommen habe — das ist doch unverschämt. Auch verlangten sie, daß zu jeder Kirche ein Redner von ihnen genommen werde, weil sie die besten Redner Hütten, was aber von einem alten Geistlichen abgelehnt, 1 Eine Schlange liegt im Gras verborgen! -Sie sind im Nachlaß nicht erhalten. 3Sue, Eugene, franz. Romandichter 1804—1857.

und von den anderen dann nachgeahmt worden sei. Montag den 8. Dezember 7 Uhr fuhren wir ab. Wurden nicht visitiert bei der Linie — die Passierscheine gab der Kondukteur ab. Wir hatten viel Gepäck oben aus der Kalesche und die Straßen in Oesterreich waren frisch geschottert, schief und schlecht. Dienstag den 9. Dezember tranken wir in Wiesel­ burg Kaffee: eine Person zahlte 48 x! Der Weg voller Frucht­ wägen — die Donau voller Fruchtschiffe. In Raab zu Mittag gegessen: Rindfleisch und ein Seidel Wein 48 x. In Netzmühl Souper, wo wir den Kondukteur freilich frei hielten, aber doch zu arg geprellt wurden: Für Suppe, Eingemachtes und Braten, nebst Wein f. 2.38 W. W. Die Nacht kommen wir bei dem Bruch des roten Marmors vorbei. Mittwoch den 10. Dezember. 87a in Ofen auf der Post — lasse mich einschreiben bis Sz. Büros* f. 17.44 auf morgen 8 Uhr, eigentlich 9 Uhr. Lassen uns bis zur Schiff­ brücke führen ins Wirtshaus zur Brücke, wo ich mich umkleide, und das Tagebuch nachtrage. Liedemann, Spediteur, verspricht nach Möglichkeit für die Einwanderer zu sorgen. An den Stutt­ garter Zuckerbäckersohn und Diener b. Liedemann, Murschel, den Brief von seinem Vater. Dr. Fabini? war bei Tisch — nimmt Anteil — läßt seinen Bruder Pfarrer fragen, warum er nicht schreibe seit 3 Wochen? Vom Tandelmarkt 1 Hutschach­ tel f. 4. W. W. Ein Taschel 2, xx. Hole mir meinen Kotzen von Liedemann ab, dem Träger 27 x. Versuche zu schlafen, es will nicht gehen. Glatz^ kommt zu mir — wir gehen in Speisesaal — die übrigen Landsleute kamen. Abendessen — ich schließe mit Punsch = 50 x. 1 Broos in Siebenbürgen. 2I, 19. 2

Glatz, Eduard, 1812—1889, siehe Seite 61, Anm. 3.

Donnerstag den 11. Dezember. Auf der Post hieß es 8 Uhr — war gelogen — fuhren erst 11 Uhr fort. Der junge Rosenfeld, beim Kammeramt, besucht mich — gehen in ein Kaffeehaus. Fahren nur bis Pest, wo wir uns bis 2 Uhr auf­ halten. Ich und der Lieutenant essen zuerst in einer miserablen Kneipe. Die Sache verzieht sich — wir gehen noch in ein Kaffee­ haus. Erst 2 Uhr fahren wir ab, um 4 Uhr Soroksär, wo die Bauernhäuser nur 1 Fenster haben — Otsa, wo der armenische Zwerg der Wirt war — Jnäts 11 Uhr nachts. Freitag 12. Dezember. Laios, wo der Postmeister Kavallerieoffizier war, u. s. Sohn in die W. Neustädter Aka­ demie tun will. Ketskemet, wo der Lieutenant mit seinem Kameraden zusammen kam und die Bestellung mit der Salami recht schlecht machte. In Felegyhäz zu Nacht gegessen im entfernten Wirtshaus, wo der Zytherspieler war. Der Lieute­ nant schläft bei der Dame im Wagen, wo ich das Bett zuge­ richtet hatte. Der Weg sehr schlecht, mutzten uns vorschlagen, ging auch zu Fuß. Trotz dem furchtbaren Geschrei der Treiber schlafen sie wie die Ratten. Eine furchtbare Steppe. Ochsen am Wagen. Samstag 13. Dezember. In Kisteleki 9 Uhr Früh­ stück Speck und Wein vom Kondukteur. In Szatymäz trinken wir Kaffee. In Szegedin mache das Tagebuch zurecht. Pome­ ranzen in der Lotterie gewonnen. Schlagbaum umgefahren und sehr kalt. Sonntag den 14. Dezember. Montagden 15. Dezember. Temesvar! Festung ersten Ranges. Es war Messe. Sehr kalt, nebelduftig. Man hört häufig walachisch. Wir kamen an 1 Uhr. Es sollte umgepackt werden — also früher essen — daneben das Wirtshaus zum goldenen Fassel. Hier war der geschwätzige 1 Von Roth leer gelassen.

Artilleriehauptmann: Hozdetzky, der immer sagte: Verstanden! Wer sucht, der findet! Später kam der Geniedirektor Kutschera, auch viel redend, hätte gerne uns manches von der Festung gezeigt, wären wir bleiben können [!]. Vom Artilleriehaupt­ mann die arithmetische Aufgabe: 3/ x/ y = 3/18/6 6=y x — 18

7 2 9 18

8 6 4 18

3 10 5 18

Vom Kondukteur aus Hermannstadt wußten wir, daß 3 Per­ sonen in Temesvar einsteigen werden. Das Arrangement: die Gouvernante und der Franzos in die neue Chaise — die 2 neuen Damen in die alte, ich und der Lieutenant. Der Gäbet vorn neben den Kondukteur. Früher gingen wir mit dem Lieutenant Cherpon v. Kronenstern auf die Messe vors Tor. Mir kam das Ding nicht großartig vor. Biele Fische, das Pfund 7 xr. Kaufe mir eine Kappe aus Seehund per f. 2.30. Eine gelbe Bund« = f. 30 CM., eine weiße f. 10.—, ich bot f. 8.—, kommen zurück, endlich fahren wir ab um 1 Uhr. Es geht der Vorstadt Fabrik zu. Unsere Pferde waren nicht beschlagen, die Pferde fielen. Bis zum jüdischen Kaffeehaus, wo der dicke Judenwirt war, zählte ich 7 Stillstände. Vor dem Kaffeehaus endlich geriet die Diligence in ein Loch, aus dem die Katzenpferde den Wagen nicht mehr herausbringen konnten. Die Pferde wurden ausgespannt unter Schreien und Fluchen. Ich war im Wagen mit den Füßen so stark eingepackt, daß ich mich nicht rühren konnte: endlich sagte der Kondukteur: bis andere Pferde kämen, könnten wir aussteigen. Die ganze frü­ here Gesellschaft gingen ins nächste Judenkaffeehaus und aßen zur Nacht. Es war etwa 6 Uhr. Ich aß, weil wir in der grim­ mig kalten Nacht fahren sollten, erst eine Portion Hecht mit 1 Von Roth leer gelassen.

Ärön118x, dannRostbradel mitGrundbirn 18x, dann LSeisel Wein, endlich noch 1 Seidel Wermuth. Der Kondukteur sagt, es sei nicht möglich, Pferde zu bekommen. Ich stachle ihn zu neuen Versuchen. Wir gehen zusammen ins türkische Quar­ tier. Ein Burzenländer wird aufbewegt, den Wagen anzu­ spannen. Ich biete f. 6 CM. bis nächste Station. Er will nicht, der Wagen sei zu schwer! Nun biete ich einem Mäkler f. 1.— CM, er solle eine Vorspann suchen um schweres Geld. Kommt nicht mehr. Der Packwagen war schon voraus, der elende Gre­ nadier hatte ihn nicht eingeholt, wieder nachgeschickt hatte sich keinen Wagen genommen. Bis hin und her geredet ward, fuhr auch der zweite Wagen fort mit dem Lieutenant und Gäbet. Tie beiden Temesvarer Damen blieben auf der Gasse im Wagen, zu denen später auch ich noch stieg, und wegen Knieweh nicht schlafen konnte. Grimmig kalt und mondhelle Nacht, zweimal fuhren zwei Wägen an. Endlich 6 Uhr stehe ich aus und schicke den Grenadier nach dem Kondukteur, der statt ins nahe Kaf­ feehaus zu gehen in die Stadt geht: ich wecke nun selbst den Kondukteur, der etwa 7 Uhr in die Stadt gehet. Die Damen frühstücken im Wagen, ich esse im Kaffeehaus per 26 x. Ter Kondukteur Bauer bekommt 6 Pferde um f. 16 CM. bis Rekas. Dienstagden 16. Dezember. Bon Temesvar bis Re­ kas 174 Station, aber guter Weg. Der aufgenommene Fuhr­ mann fährt recht gut. In Lugos zu Nacht gegessen, mit dem Verpflegskommissair Vaida über Siebenbürgen und Ungarn disputiert. Es regnet Glatteis — ich gehe auch zu Fuße. Mittwoch den 17. Dezember. In gacfet2 Kaffee — kleine Semmel, das Geländer im Billard und der Hausdreck daneben. Glatteis — die Französin war gefallen. In 1 Meerrettich. r Rum. Füget, ung. Facsäd.

Cossova* treffe mit Heltauern zusammen. Gehe mit diesen zu Fuße bis Cossowetz? immer auf Bergrücken zwischen Waldungen. 2 Walachen tragen Rindfleisch und treffen auch beim dicken Wirten ein, wo ich Wurst esse, sehr gut und Mer­ muth auch sehr gut. Die hiesigen Gemäße sind kleiner. Boutellen

. Der Hals gibt die Matz, wird aber nie gefüllt,

also Vorteil der Wirten. Die Heltauer fahren von hier ab. Hier ist die Hauptschwärzstätte des Salzes» 1—200 Wägen in der Nacht. Sie kaufen das Salz in Siebenbürgen um 5 x W. W. und verkaufen es im Banat um 5xCM. Die Unterreiter müssen der Übermacht weichen, oder leisten scheinbar Widerstand. Meine Reisegefährten kommen nach — essen auch von der Wurst. In Czoczed13 brennt 2 der Zigeuner Kohlen, sehe die Schmiede an und eine Menge Salzsteine hinter dem Bette. Der Schnee zer­ schmilzt — eine Brücke ruiniert, wir fahren durch den Bach. An einem anderen Orte helfe die Damen durchs Wasser tra­ gen. In Dobra hält der Kondukteur und will nicht weiter, mehr was ich zurede, schützt Dunkelheit und die gefährliche Passage bei SeSnet4 vor. Schlafen also in Dobra, ich bin sehr unwillig! Schlaf im kalten Zimmer — auch der Franzos, dem die Füße geschwollen sind. Donnerstag 18. Dezember. Lasse alles wecken! — Lungenbradel . . . . . . . 18 x. Seidel................................. . . . . 8„ Brot............................ . . . . 3„ Zimmer 1 Pers. . . . . . . . 36 „ Licht................................. . . . . 3„ Kaffee ...................... . . . . 22 „ f. 1.305 1 Rum. Co?ova, ung. Kossä. 2 Rum. Co?ovisa, ung. Kossovica. Entfernung zwischen den beiden letztgenannten Orten 7—8 Kilometer. 3 Rum. Cose?ti, ung. Kosesd. «Rum. Le?nic, ung. Lesnhek. 33Richtig: Richtig: 0,90.

Der Weg ist nicht gut. Die eine Dame, welche in Demesvar ein­ gestiegen und aus Hermannstadt ist, Hptm. Bogdanovicz, ist ängstlicher Natur. Auf dem Felsenweg bei Lesnek steigen wir unnötigerweise mehrmals aus. Nur eine Stelle oben ist wirk­ lich gefährlich. Die zerbrochene Brücke ist noch, wie sie war, nicht gemacht. Die Gegend seit Dobra wunderschön.1 In Les­ nek Kaffee. Kommen spät am Abend in Broos an, bis wohin ich mich hatte einschreiben lassen. Zu Geltj — er nicht zu Hause — gehe zu Mich. Stengel Perceptor. Amman, liebreich auf­ genommen. Es war Theater. Psafsenhuber, im Prozeß mit Stengels Sohn, dem Forstmeister, lädt mich zu sich — kann natürlich nicht hingehen. Herr Pfarrer Leonhard kommt hieher. Nehme Abschied von meiner Reisegesellschaft in der einen und der andern Chaise. Dem Kondukteur Bauer aus Odenburg lasse das Trinkgeld und was darüber geht. Die Gouvernante aus Wien, Mathilde 2 3Witwe, welche mit f. 800 CM auf Bukarest zum Logoseten geht, spricht schwer und wird sich aus ihrem Posten schwer behaupten. Der Franzos, welcher aus Wien ausgewiesen sein soll, und eine hat,2 wie er steht und geht — hatte Verse, Chanson, über unsere Reise gemacht, wo der Refrain die Straßen, Pferde, Kondukteure, Postmeister, Räuber usw. durchhechelt: Ohngefähr also: oh, oh, ob, oh, oh, comme sont de jolies, Les chemins, chevaux, vouleurs etc. en ce pays.4 Der Lieutenant Cherpon von Kronenstern, Sohn eines geadelten Artillerie-Hauptmannes, 19 Jahre alt, ganz unverdorben — hat in W. Neustadt viele Jahre französisch gelernt und kann doch nicht sprechen — nicht einmal soviel als ich — Eine junge Dame aus Temesvar, Beamtensfrau, ein natürlicher Mensch, ihr Mann wird nachkommen. — In der 1 Das Miereschtal. 2 Bon Roth leer gelassen. 3 Hier ist offenbar ein Wort ausgeblieben. «Franz.— Oh, wie schön sind die Straßen, Pferde, Diebe usw. in diesem Land.

Deligence sitzen wir unbequem, aber warm und unterhalten uns sehr gut. Zu Stengel1 *bleiben wir auf bis V» Uhr nach Mitternacht, Die Leute tun um mich sehr freundlich. Wolfs, Stengels Eidam, Vizenotär, besonders zugetan. Freitag 19. Dezember. Stengel schickt mich mit seinen 2 schwarzen, faulen Pferden fort. Geltst begleitet mich bis Mühlbach. Im Wirtshaus von Schiboth3 *„Apa verde" ist ein Schäßburger Wirt „Schenker", früher Grenadier. Hinterm Wirtshaus der Stand der Siebenbürger Armee in der Schlacht auf dem Brotselde. — Die 2 Wägen Schwaben ^ haben hier ge­ gessen — alle froh und gesund. — Nachmittags fahren wir zu Wellmann.5 *Auf dem Wege immer mit Geltj geplaudert und meine Brust ruiniert. Um 9 Uhr abends kommen die Mühlbächer ich glaube zu Leonhard zusammen — ich rapportiere, und besprechen uns über Einführung der Stallfütterung. Frü­ hex zu Herrn Stadtpsarrer Filtsch3 und Frau Königsrichterin Meister, wo der Arbeger7 Pfarrer Binder auch ist, nebst Jahns [?] Frau /Tischlerin!/. Samstag den 20.Dezember. Weltmanns Eidam, Seivert, führt uns. Er wohnt im tgoufe des Math. Corvinus, der den Mühlbächern ein Tor gebauet. Im Keller hat Wellmann seine Champagnerflaschen. Die Gewölbe stehen auf Tragstei1 Gewiß ein Bekannter Roths in Broos. 3Geltch, Johann Friedrich, 1815—1851, Rektor in Broos, siebenb.-sächsischer Dichter. 3 Rum. Jibot, ung. Alkenyür, deutsch Unter-Brodsdorf. * Einwanderer, die offenbar vor Roth Württemberg verlassen hatten. 3 Wellmann, Joh. Mich., 1798 -1855, der Jugendfreund Roths, jetzt Konrektor in Mühlbach. Siehe auch I, 14. 3 Filtsch, Josef, 1782—1860, seit 1828 Stadtpfarrer von Mühl­ bach. 7 Richtig; Arbegener d. h. von Arbegen.

nen. Uns schlietzen sich noch andere 3 Wagen an. Auf einer Anhöhe Halt gemacht, gesungen und Gesundheit getrunken und Reden gewechselt. Einige entschließen sich, weiter zu gehen. 1 Wagen mit Rektor Battenseiler zurück, welcher taufen soll. In Reußmarkt besuche Herrn Pfarrer Wendel,1 und jungen Löw,2 welcher auf Dobring mitkommt. Wir füllen das Haus des Schwagers2 auf einmal. Inspektor Henrich kommt auch. — Essen — ich matt. Sie gehen. — Löw bleibet. Sonntag 21. Dezember. Frühstück mit Löw. Schwager geht in die Kirche und ich schmiere die letzten Tage hieher. (Ende des Tagebuches) rWendel, Martin, 1781—1855, seit 1833 Pfarrer in Reutzmarkt. - Löw, Wilhelm, geb. 1812 in Reußmarkt, Verfasser der Schrift: Ansichten über die landwirtschaftlichen Zustände der Sachsen in Siebenbürgen, Kronstadt 1847, Druck und Verlag von Johann Götl. Löw diente jetzt als Stuhlsnotär beim Reutzmärkter Stuhls­ amte und war die Seele des 1840 gegründeten Reutzmärkter „Feld­ bauer-Unterstützungsvereins". rHenrich, Joh. Dan., 1792—1872, der Mann der Schwester Thesi, seit 1833 Pfarrer in Dobring. Siehe Verwandtschaftstafel in Band I.

Eine willkommen« Ergänzung des Württembergischen Tagebuches St. L. Roths, das er ja nur für sich selbst geschrieben hatte, bilden die Briefe dieser Zeit, in denen er auch andern über seine Erlebnisse be­ richtete. Sie folgen hier, wie im übrigen Teile des Werkes, in zeit­ geschichtlicher Anordnung. (An St. A. Bergleiter in Hermannstadt.) Ulm, den 20. September 1845.

Mein Lieber! Begnüge Dich mit Wenigem, ich habe nicht Zeit. Dieses Wenige ist Zeichen großer Liebe. Es ist eine große Aufgabe, in einem Lande wie Württem­ berg, wo die Geistesbewegung dermalen in die Tiefe und Höhe geht, sich mit seiner Aufforderung nach Siebenbürgen wahr­ nehmlich zu machen. Ich habe vieles reden müssen, um im Geräusche des Gustav-Adolf-Bereines und des späteren auf­ geregten Publikums wegen Ronge's Ankunft und Aufenthalt mein Stimmchen hören zu machen. Trotz diesem wird sich das Ding machen — nur werde ich länger bleiben müssen. Stutt­ gart muß mein Deutschland sein, denn, bis ich alles einrichte, schlägt gewiß die Stunde, um über Hals und Kopf heim zu eilen, kann also nirgend mehr hin. Was geschieht bei Euch in der Kolonisationssache? Der Ver­ ein soll in Songarb1 etwa 20 Häuser mit genügenden Grün­ den ankaufen, damit in dieser Gemeinde eine Masse ist. Ein deutscher schwäbischer Schulmeister könnte mitkommen, um sie beisammen zu halten. Hiezu gehörte freilich Rücksprache, Briese hin und her erfordern Zeit — Aufenthalt — Kosten. Etliche Wochen sind zu kurz. In der Voraussetzung, daß der Verein seinem Vorsatz treu bleiben werde, hege ich [bie Hoffnung s, daß er, bis zur Ankunft der ersten Kolonisten, bereits Gründe angekauft haben werde. 1 Roth gebraucht hier den ungarischen Namen. Deutsch heißt das Dörfchen Baumgarten. Es liegt südöstlich von Hermannstadt.

Diese Leute werden sich in der Dreifelderwirtschaft abmü­ hen, wie Schwimmer gegen den Strom. Stallfütterung muß das Feldgeschrei werden. Entweder tun dies nun einzelne Kom­ munitäten im ganzen, oder der Verein veranlaßt, daß ge­ wisse Teile excindieret* werden, oder — was ich bereits noch in Siebenbürgen ausgesprochen: die Psarrersgüter werden ar­ rondieret. Aus welchem Wege? Das Oberkonsistorium läßt die Pfarrers- und Kirchengründe zuerst heraussuchen und vermessen, wo Grenzdifferenzen sind mit kurzer Justiz — dann bittet das Konsistorium die Behör­ den der Arrondierung förderlich zu sein. Nun ist es die Auf­ gabe des Vereines sich zu zeigen, daß er lebt und keine tote Ge­ burt ist. Es wird Widerstand geben — aber noch sind die Kom­ munitäten sächsisch — ein Verein ist doch ein Verein von Kräf­ ten, Intelligenz, Mitteln und Willen. Ist einmal dieses ge­ schehen, so ist die Anschauung da, wir haben gewonnen. Die Stallsütterung ist für unser Deutschtum eine Lebensfrage. Noch fängt mein Sauerteig erst zu gähren an — ich weiß nicht, obs viele Brode geben wird oder wenige — aber allen weise ich Hermannstadt als Zentrum an. Welche heuer aufbre­ chen, werden spät ankommen. Es müssen doch einige Anstalten getroffen werden, daß sie in den Wirtshäusern nicht überteuert werden. Könnte man sie nicht bei Bekannten, aus kurze Zeit, in Meierstuben einquartieren? Etwas muß geschehen. Ihr erster Bericht, den sie zurückschicken, ist von Eindruck. Die Pfarrer sollen sich, um Gotteswillen, ihrer Gemeinden annehmen und die Kolonisation befördern und stützen, es hängt ja so wohl Deutschtum, als die ev. Kirche, die im Zehnden bedroht ist, von der Kolonisation ab. Ohne Zehnden — keine Gymnasien! Ohne Gymnasien sind wir ein Körper ohne Augen, etc. etc. Auf den Fall, daß noch vor Winter 20—30 kämen — mehr oder weniger — macht Anstalten, daß sie sich entweder gleich 1 Herausgehoben, abgetrennt.

ankaufen können, oder einen Aufenthalt bekommen, oder ir­ gend einen Verdienst. Vom Vereine habe ich noch keine Zu­ schrift: es war auch nicht möglich. Wenn ich denselben [!] be­ kommen werde, ist's schon spät. Wenn ich aber von hier fort­ gehe — schläft alles ein. Denn hier verdrängt eine Erscheinung die andere. Es handelt sich hier um einen Verein, eine Agen­ tur. Zur Bildung des ersteren habe ich keine Autorität als meine Persönlichkeit, zur Einsetzung eines Agenten keine Geld­ anweisung, die der Verein tragen müßte — denn sonst werden die Einwanderer besteuert, und dadurch die Einwanderung verteuert. Die Nationsuniversität hat sich der Sache anzunehmen — ohne Hehl, wenn sie Männer sind. Es ist noch eine kurze Zeit und wir sind überflügelt. Walachen sollen nicht und dürfen nicht verdrängt werden — aber aus den Komitaten weiter keine Einwanderung. Der Boden gehört und ist verliehen den Deut­ schen. Um dieses zu bewerkstelligen ist eine Bürgertaxe einzu­ führen von etwa F. 100.— für einen neuen Ansiedler — die Kommunitäten bekommens in die Kassen — allein [?] Disvensatjonsgesuche entscheidet in erster Instanz die Kommunität, in zweiter das Stuhlsamt. So kann man erlassen und behalten, wie man will. Der Titel, daß man Deutschen es jedesmal er­ läßt, ist durch den Titel „Veredlung des Landbaues" leicht gerechtfertiget. Letzteren Gedanken bitte ich dem Vereinsdirek­ torium, in meinem Namen, insgeheim mitzuteilen. Wir weh­ ren hiedurch den Walachen die weitere Eindringung. Der Ver­ ein hats dann bei der Universität durchzusetzen. Setze Zimmer­ mann in Kenntnis. Nun Personalia. Gestern kam ich mit Ronge, Doviat und Würmle nach Ulm, mit denen ich schon Bekanntschaft gemacht. Mich interessieren alle kirchlichen Erscheinungen. Wir fuhren mit Extrapost. Aus allen Straßen lief das Volk zusammen. Ter Enthusiasmus ist grenzenlos. In Ulm vom Stadtrat und der

Bürgerschaft solennaire3 empfangen — in allen Straßen Glut­ pfannen — Musik — Bürgergarde — Gedichte — Reden — Blumen — Gesänge — Hoch ohne Ende usw. Ich fuhr mit Würmle eine Strecke in einem Wagen — denn alle Stationen werden Chaisen und Pferde gewechselt — da ließ ich mich und er sich ins Detail dieser Angelegenheit ein. So wenig Dogma als möglich — die Verfassung ohne Einwirkung und so frei als möglich — völlige Gefahrlosigkeit der bürgerlichen Gesellschaft. Ich bin keines Enthusiasmus fähig, aber daß ich mit solchen Persönlichkeiten den Festzug mitgemacht, wird meiner Erin­ nerung ein teures Angedenken sein. Die Begleitung der Chai­ sen von Stuttgart aus abgerechnet, die nur bis Blochingen dauerte, waren wir in 2 Chaisen nur. Ich habe mit ihnen ge­ gessen, getrunken, gesprochen und bin in vollkommener Evi­ denz. Wenn wir reden, haben wir reichen Stoff. Könige und Kaiser Werdens nicht hindern können, und haben aber auch die geringste Ursache nicht vom Deutsch-Katholizismus etwas zu fürchten. Noch hat man viele falsche Ansichten von ihnen. Adjeu. Hier habe ich mit den Schiffsleuten zu reden. Das Fahren mit Ronge war zufällige Verabredung. Sobald ich mein Ko­ lonisationsgeschäft mit den Ulmer Schiffern beendigt, reise ich zurück. An den hiesigen Verhandlungen und Festlichkeiten mit Ronge nehme weiter keinen Teil. Ich bedenke mein: Die, cur hic.12 Lebe wohl! St. L. Roth. sNachschrift am Rande des Briefes:j Meine Grüße an meine Angehörigen! Lasse meine Frau wissen, daß ich gesund bin. Herrn Vater kannst Du den Brief lesen lassen. Es ist ja so gut, als ob ich an ihn geschrieben. Mein Brief an Dich bestellt mir auch die Angelegenheiten der Kolonisation. 1 Franz, feierlich. 2 Sag«, weshalb du hier bist.

Nächsten Mittwoch reise ich nach Reutlingen, aufgefordert von Kammerpräsident v. Werner aber behufs neuer Angele­ genheiten. (An Karl Ludwig Freiherr von Rosenfeld in Wien.) Berg, um 23. September 1845.

Hochwohlgeborner Herr, Hochgeschätzter Herr Regierungs­ rat! Die Einwanderung nach Siebenbürgen findet hier allge­ meinen Anklang: ich glaube, wenn ich hier bliebe, so könnte ich, durch die angeknüpften Verbindungen, ins Frühjahr eine Un­ zahl Einwanderer ins Vaterland bringen. Es braucht eben Zeit, bis man sich das Vertrauen erwirbt, und die Ansichten darüber gehörig verbreitet. Meine beiden Aufsätze im Schwä­ bischen Merkur vom 10. und 20. Sept. l. I. haben gefallen und sind, nach einem Briefe aus Donaueschingen,* auch in die Allgemeine Zeitung übergegangen. Run ist in die Trompete gestoßen. Das Ding würde sich schon machen — aber wo ich am nötigsten bin, muß ich fort. Denn der Winter ist mir vor der Türe. Wenn ich fortgehe, stockt alles. Ohne Erfolg ist meine Reise gewiß nicht — aber, wenn unter den Bauern die Muße kommt, bin ich nicht mehr da. Hier aber in diesem vielbeweg­ ten Leben drängt eine Erscheinung die andere — wer zu be­ wegen aufhört, wird vergessen. Mein Urlaub geht zu Ende — wenn sich nicht die österreichische Regierung der Sache an­ nimmt, so muß ich fort, bei mir völlig überzeugt, daß durch längeres Bleiben erst die Sache ins rechte Gleis kömmt. Die Autorität der Regierung brauche ich zur Legitimation bei mei­ nem Superintendenten und Konsistorium, wenn ich länger bleibe — Familie, Wirtschaft und alles will ich überwinden in mir, sei es Schaden, sei es Sehnsucht — aber die Zukunft meiner Promotion darf ich nicht in die Schanze schlagen. Soll ich also länger bleiben, so bedarf ich einer Autorität. Getrauen 1 Von Franz Becker. Siehe S. 97, Anm. 1.

Sie sich aus meine 2 Oberbehörden die Wirkung der erforderli­ chen Gutauslegung zu, so wäre dies Hindernis gehoben. Die Regierung muß aber deswegen doch auch etwas tun. Ich getraue mich ins Frühjahr 1000 Familien hineinzubringen, wenn ich bleiben kann. Die Steuerkasse macht hiedurch aä Minimum einen Erwerb von F. 4000 CM jährlich, Kinder, Vieh, Industrie und verbesserter Landbau nicht gerechnet. Das gibt Rekruten, für den deutschen Kaiser einen Kern deutscher Einwohner, der durch die vielen Kinder von Bedeutung wird. Die Leute brin­ gen 6—9 Kinder mit. Früher tat die Regierung so viel für Kolonisation, warum jetzt nicht, wo Siebenbürgen der feste Punkt wird, von dem aus der Kaiser dem Meer zu und der Donau zu wirken berufen ist. Wir Deutschen in Siebenbürgen sind in einer so desperaten Lage, daß wir in hundert Jahren aufhören zu sein. Bei Ihrem hochherzigen und wahren östrei­ chisch-sächsischen Patriotismus beschwöre ich Sie, tun Sie doch einen Schritt bei unserer Regierung. Sie soll, sie muß sich der Einwanderung tatsächlich annehmen — nicht durch Kanzlei­ geschichten; sie soll mich unterstützen. Ich allein mache es schon. Sie glauben gar nicht, wie beliebt daß hier das Kaiserhaus ist. Die besten deutschen Herzen träumen noch immer von einer Kaiserkrone des Deutschen Reiches auf den Häuptern der ehren­ reichen Habsburgischen Familie. Ronges enthusiastischer Bei­ fall hat seinen tiefern Grund in den geäußerten Gedanken von Deutschlands Einheit. In das menge ich mich nun nicht: allein, Österreich muß stark werden gegen Rußland! ist ein allgemeiner Lieblingsgedanke. Nur Deutsche an die Donau, wie Sand am Meere, nur Deutsche in die Donauländer und nach Siebenbürgen, so heißt's, so klingt's in vielen Zirkeln. Österreich ist Deutschlands Zukunft! Wenn ich nun unsere bedrängte Lage durch Einwanderung und Vermehrung der Walachen unter uns beschreibe, so heitzts eben: Nun der Kaiser! HabtJhr denn keine deutsche Regierung? — Soll ich nun sagen, man tut nichts für uns, wir sind der

.klopfen Sie an den Pforten der Habsburg! 173 Regierung ganz gleichgültig, oder soll ich die Achseln zucken, und sagen, wir sind evangelisch!?! — Ich stehe und falle mit dieser Aufgabe. Meinem lieben, für­ stentreuen, immer ergebenen, östreichisch gesinnten Volke kann nur durch eine Einwanderung noch geholfen werden. Das ist bei mir ausgemacht. Ich kenne die Verhältnisse besser wie der gesamte Nationalconflux. Ich weiß es, wir sterben aus an der Auszehrung. So lange bleibe ich noch, daß dieser Brief von Ihnen und meinem werten und um das Nationalwohl ver­ dienten Hosagenten Conrad kann in Überlegung gezogen und beantwortet werden. Erwirken Sie beide /Oculi plus vident, quam oculus1/ für diese Unternehmung beim Hofe mir keine Unterstützung, daß ich den Winter hier noch bleiben kann, so komme ich — aber einen verzweifelten Schrei mache ich zuvor in Deutschland hinein, daß in der bleibenden Schrift das Mut­ tervolk unsere Verlassenheit erkennt. Nur tuts meinem Her­ zen so wehe, um die Glorie des österreichischen Adlers wie einen Florkrepp den stillen Vorwurf zu binden, daß vielleicht des Protestantismus wegen Deutsche der heuchlerischen Union der Walachen aufgeopfert worden. Mich kostet es Aufopferung teurer Gefühle. In meiner Abwesenheit bin ich Vater wor­ den 18. Aug. , bis jetzt wird auch meine Tochter gekindelt haben. Mein Vater ist 84 Jahre alt — ein guter und um mich verdienter Vater! Meine Wirtschaft, meine Gemeinde. Ich selbst entbehre viel. Dies alles überwinde ich — weil mein Volk, als ein Ertrinkender, zu retten ist. Hier sind die Güter zehnmal so teuer als bei uns. Der Drang nach Auswanderung ist da, und nun, wenn der Dörfler von mir hört, solls auch schon heißen: Er ist fort! So ist alles nur halb, so ists nichts. Ich bitte Sie beide, meine hochverehrten Herrn Gönner, Freunde des Volkes, treue Untertanen unseres ehrenreichen Kaiserhau­ ses, klopfen Sie an den Pforten der Habsburg: Es wird doch ! Zwei Augen sehen mehr als ein Auge.

jemand in die Zukunft sehen, es wird doch jemand in den Ster­ nen lesen. Nun schreibe ich hievon auch kein Wort mehr. Nur erbitte ich mir einen Brief sogleich, als möglich, damit ich meine An­ stalten so oder so einrichte. Einstweilen, wenn Sie wollen, schreiben Sie, der Sache wegen, an das Konsistorium oder den H. Superintendenten. Das kann von mir nicht ausgehen. Es wirft einen nachteiligen Schatten auf den gnädigen Kaiser, wenn er hiefür gar nichts tut, ich hätte aus Wien nicht so fort­ rennen sollen. Doch das ist vorbei — geschehen ist geschehen. Nächsten Dienstag reise ich nach Reutlingen auf 8 Tage. Da ist manches vorbereitet. Die Bauern haben eben alle Hände voll. Ich brauche, wenn es heimwärts gehen soll, kein Geld — ein Mann, wie ich, kann auch in einer teuern Gegend wohlfeil leben. Diesen Brief wird doch der Hofagent ebenso lesen, wie Euer Hochwohlgeborn den an ihn* werden gelesen haben. In aller Hochachtung und Verehrung Euerer Hochwohlgeboren gehorsamster Diener St. L. Roth. sNachschrift am Rande des Briefes:!

Meine Finger sind ganz krumm: ich habe nach Köln, nach Bonn, nach Augsburg und nach Waldsee geschrieben. Diese Korrespondenzen bringen mich um. An meinen Vater habe ich noch nicht schreiben können. Von Stuttgart habe ich eine Stunde, wenn ich hineingehe, kostet das immer einen Marsch von 2 Stunden. Nächstens kommt ein Aufsatz von mir im Beobachter? aus Württemberg. Der Schwäbische Merkur wollte nichts mehr drucken ohne Gebühren, dazu gib ich kein Geld her.

1 Nicht erhalten. 2V, 145 ff.

(An St. Gottlieb Roth in Kleinschelken.) Berg, am 24. September 1845. Lieber, werter Vater! Ich bin in meinem Leben oft fleißig gewesen — aber in solcher Anstrengung habe ich noch nie ge­ lebt: bin aber gesund. Da gibt es mündliche Unterredungen und schriftliche Anfragen, deren Beantwortung mich halbe Tage an den Schreibtisch fesselt. Gestern schrieb ich nach Köln, Bonn, Augsburg, Waldsee antwortend usw. Ein solches Geschäft ein­ zuleiten braucht es Zeit, ein gutes Mundwerk, geschickte Feder und einen eisernen Fleiß. Ich hoffe, wir werden Leute be­ kommen, jetzt vielleicht nicht viel — aber die Sache ist so ein­ geleitet, daß nicht bloß nach Siebenbürgen, sondern auch nach Ungarn und alle Donauländer die deutsche Einwanderung sich lenken kann und wird. Nun — ich bin keine Henne, die schreiet, ehe das Ei heraus ist. Mein erster Aufsatz im Schwäbischen Mer­ kur vom 10. September ist von der Allg. Zeitung aufgenom­ men worden. Dieses Blatt ist eine Welttrompete, von dort er­ fährt es jeder Stamm in Deutschland. Einen zweiten Artikel lege ich hier ein. Uber „Verfassung" erscheint morgen int Beobadfjter1 aus Württemberg. Aus der Allg. Zeitung hat Franz Becker, derm. Hofprediger bei der Fürstin v. Fürstenberg, mein bester Universitätsfreund, erfahren, daß ich hier bin, und mir geschrieben, ich sollte dahin kommen, was ich leider nicht kann? Nicht meinem Herzen, nicht meinem Vergnügen — ich muß meinen Zwecken leben. Nebenbei habe ich an 2 großen Zeit­ erscheinungen Anteil genommen: am Gustav-Adolfsverein und an hiesigem Auftreten des Pfarrers Ronge. Mit letzterem bin ich auch bis Ulm gefahren, wo ich mit den Schiffern zu tun hatte. Ich hatte mir auch eine kleine Büste aus Zuckerteig gekauft — um aber nicht als verdächtig zu erscheinen, habe ich sie verschenkt. Sie war sehr nett. Aus dieser Reise und in ' V, 145 ff. - Roth hat ihn aber dann doch besucht. Siehe S. 99 ff.

Ulm selbst,- wo ich einen Tag blieb, bin ich in seiner nächsten Nähe gewesen, habe neben ihm gesessen, gespeiset und haar­ scharf alles beobachtet. Ich kenne die Sache durch und durch. Darüber läßt sich in künftigen Abenden viel reden. Wo es sich tun ließ, zog ich mich bei öffentlichen Empfängen zurück — ich wollte nicht als Anhänger erscheinen. Nur geliebte Könige können mU solchem Enthusiasmus empfangen werden. In Stuttgart verweigerte das Ministerium noch die Kirche, in Ulm hat es den Münster zur Predigt hergegeben — jedoch nicht zum Gottesdienst. Der öffentlichen Meinung läßt sich nicht mehr entgegentreten. Wohin es führen wird, weiß Gott. Ich hoffte in Ulm einem Gottesdienste beizuwohnen — aber da derselbe in einer Kirche nicht erlaubt ward, so habe ich hievon keinen Anteil nehmen können. Als dritte große Merkwürdigkeit ist hier noch nächsten Samstag das Volksfest bei Cannstatt, Pfer­ derennen, Biehausstellung u. d. g. Diese 3 Erscheinungen in einem Jahr, in einem Monat, an einem Orte wiederholen sich in einem Jahrhundert nicht. Ich wohne in einem schönen Stübchen in Berg, Sonne No. 7 — von Stuttgart eine Stunde, von Cannstatt eine kleine halbe Stunde. Zwanzig Schritte von mir ist die große Kochsche Badanstalt, wo ein Sauerbrunnen mit Macht aus der Erde bringt. Der Quell kommt armsdick in ein marmornes Becken, das wie auf einem Tische steht und sich wie ein Federbuschen aus der Röhre in der Mitte ringsumher ausgießt, und nun im Becken perlt und sich durch unsichtbare Röhren verliert. Noch habe ich nur 2 mal gebadet, ich komme eben nicht dazu. Das erwärmte Bad kostet mich 23x mit Handtuch. Heute bade ich im Bassin in ungewärmtem Wasser: es hat 16—17 Grad Wärme. Herr Koch hat daselbst auch eine große Eisengießerei: er will mir alles zeigen. In Cannstatt drüben war ich auch einmal — wunderschön ist der Kursaal zum Spazierengehen. Das Hotel Hermann ist über alles, was ich an Luxus in Gast­ häusern gesehen. Die Badzeit ist vorüber — nur wenige Fremde

sind da. Aus meinem Fenster habe ich die Aussicht auf den Neckar, der etwa 20 Schritte von meinem Hause fließt. Vor mir liegt das königliche Lustschloß Rosenstein. Von Stutt­ gart wird dermalen an einer Eisenbahn nach Cannstatt und von dort in der Richtung nach Ulm gebaut. Unter dem Schloß Rosenstein baut man jetzt am Tunnel: es hat im Schloß keinen Riß gegeben: bald ist man damit fertig. Dann aus dem Tunnel geht ein großartiger Viadukt über den Neckar usw. Blöcke liegen da von 3—500 Zentner, und die Maschinen arbeiten damit, wie mit einem Spielzeug. Die Arbeiter verdienen per Tag F. 1.— R. W. Die vielen Hunderte, die in allen Richtungen arbeiten, verteuern sehr die Lebensmittel. An Appetit fehlt es den hiesigen Leuten nicht. Das Bier ist vortrefflich. Table d'hote kostet in der Regel von 40—72 x R. W. Eine Tasse Kaffee ohne Brot 6 x, 1 Zigarre 2 x, 1 Schoppen Bier 3 x; 1 Schoppen Wein 12—18 x; 1 Semmel 1 x. Wenn ich zu Hause speise, zahle ich nur 22 x. Nächsten Dienstag fahre ich nach Möhringen zum Straßen­ bau-Inspektor Wolfs, dessen Vorfahren aus Siebenbürgen nach Württemberg eingewandert sind. Mittwoch bin ich in Hohen­ heim den ganzen Tag. Donnerstag komme ich in Reutlingen an und logiere zum Finanzkammerdirektor v. Werner, dessen Sohn Gustav der berühmte Reiseprediger ist. Sein Leben ist Reisen und Predigen. Weil die Kirchen ihm verwehrt sind, so predigt er in jedem Lokale, Scheuer, Haus, Feld. Ich habe ihn zweimal gehöret. In Reutlingen werde seine Kinderschule be­ suchen. Er ist sehr anspruchslos, freundlich, ruhig, hat aber bei aller reinen Mystik eine große Klarheit. Seine Lehren sind dem Staate gewiß sehr nützlich, denn er predigt Selbstverleug­ nung. In der Versammlung äußert sich nichts Fanatisches, nichts Bigottes. Die noble Dame sitzt neben dem armen Tag­ löhner, der von der Arbeit weg sich gerade hier einfindet. Der Saal hat nur ein Katheder, sonst gar nicht ausgezeich­ net. Das erstemal predigte er über das Sendschreiben an die

Gemeinde zu Thyatyra. und letzthin am vergangenen Diens­ tag über das Evangelium vom reichen Jüngling, wo wun­ derschön von den abgestorbenen Menschen als Engeln geredet ward und von dem Leben im Himmel. Schreitet man einmal über den Bretterverschlag, womit unsere Vernunft hienieden umgeben ist, so kann man sich die Sachen dort nicht schöner, frömmer und vernünftiger denken. Im ersten Vortrage gab er zu, daß man sich von Christo verschiedene Vorstellungen machen, alle können wahr sein, aber sie sind nicht der voll­ ständige Christus, hiebet eine sehr harmlose Anwendung auf Rationalismus und Pietismus als einseitige Wahrheiten usw. Ich muß eben alles, was jetzt die Zeit bewegt, in meine Er­ innerung aufnehmen. Don Reutlingen komme ich wieder auf Berg zurück. Wie lange ich noch hier bleiben werde, kann ich nicht bestimmen. Heute habe ich an Regierungsrat Rosenseld einen Brief ex­ pediert. Das könnte entscheiden. Ginge ich jetzt gleich fort, so stockte alles. Jetzt erst sängt meine Anwesenheit an zu wirken. Hier aber drängt sich so eine Erscheinung an die andere, daß das aufhört zu wirken, was aufhört sich zu bewegen. Mein Meteoreisen ist jetzt hier in der chemischen Untersuchung. Noch ist mir nichts bekannt gegeben. Das große Stück liegt in Wien. Gestern bekam ich einen Brief von Schwager Kenst. Daraus erfuhr ich, daß Ihr gesund seid und heiter. Das freuet mich unendlich. Aus diesem Briefe erfuhr ich, daß ich am 18. August Vater geworden sei. Meine Frau hat mir noch nicht geschrie­ ben. Bis jetzt wird auch Sophie Mutterschmerzen und Mutter­ freuden kennen. Gott helfe auch ihm, dem lieben Kinde. An meine Frau habe ich zweimal geschrieben — hoffentlich sind Euch die Briefe mitgeteilt worden. Ein Brief ist auch an Adolph gegangen. Ich lebe in einer so vielfältigen Beschäftigung, daß ich nur Wenigen schreiben kann. Meine Frau soll diesen Brief so annehmen, wie wenn ich auch an sie geschrieben hätte. Wenn sie Lust hätte, könnten wir uns hier in Württemberg recht gut

durchschlagen, nur der Kinder wegen tu ichs nicht. Für mich wär bald gesorgt. Doch — es ist nur ein Gedanke im Vor­ übergehen und gar nicht mein Ernst. Aus Württemberg werde ich Euch nun wohl nicht mehr schrei­ ben können. Ende November hoffe ich heimzukehren. Bis dahin umarme ich Euch in Gedanken, bitte meine Frau und Kinder zu grüßen, allen andern Freunden und Freundinnen mich empfehlend, Herrn Richter und Prediger nicht zu vergessen, Euer gesunder und wohlgemuter Sohn St. L. Roth. (An Sophie Rosenauer, geb. St. L. Roth, in Mediasch.) Berg, am 28. September 1845.

Meine liebe Tochter! Vielleicht hat Dir Gott bis jetzt auch geholfen, wie er der Mutter geholfen hat. Gestern bekam ich endlich, endlich auch einen Brief von der guten Mutter, wo sie Dich sehr lobt, wie Du gut gewesen und sie gut besorgt habest. Das ist schön vor der Welt und eine Freude den Engeln im Himmel. Gleich hier, wo ich von Liebe und Lebenstreue rede, muß ich Dir auch eine Bestellung aufgeben: küsse mir Deinen Mann, meinen lieben Eidam, Deine Schwiegereltern und Schwager und Schwägerinnen. An die Gräserischen/ diese treuen Freunde, schreibe ich wohl selbst, und deswegen mache ich Dir keine Aufträge von Küssen, sondern nur von Grüßen, und zwar herzlichen. Unlängst habe ich an Schwager Äenft,1 die Mutter? an Adolph und auf Kleinschelken geschrieben — von allen wirst Du ja etwas erfahren haben. Ich bin auch etwas kränklich gewesen, nun aber wieder gesund. Ich wohne dermalen in Berg, im Gasthaus zur Sonne. Ein Landsmann aus Felldors, Peter Wolf, ist bei mir auf einige Tage und hat die Gefälligkeit Sekvetärsdienste mir zu leisten. Ich wohne sehr schön, fest am Neckar, 20 Schritte von einem 1 Briefe Roths, die nicht mehr erhalten sind.

Sauerbrunnen und Badhaus, mit einer entzückenden Aus­ sicht: wäre ich nicht so stark beschäftiget, so könnte ich auch ein angenehmes Leben führen. Wegen den vielen Anfragen und Auskunstserteilungen bin ich, so zu sagen, ein freiwilliger Hausarrestant. Ich treffe alle Anstalten, fleißige Hände und praktische Hauswirte ins Vaterland zu bringen: allein das geht so geschwind nicht. Das Ende des Oktobers wird mich noch hier finden. Auf jeden Fall habe ich die öffentliche Auf­ merksamkeit auf uns gelenkt. Diese aber kann uns nur nützen. Freilich würde es gut sein, wenn ich auch den Winter hier bleiben könnte — aber, aber, das kann nicht fein. Dienstag fahre ich auf Möhringen, Mittwoch bin ich den ganzen Tag in Hohenheim. Donnerstag geht es auf Reut­ lingen zum Finanzkammerdirektor und Präsidenten v. Werner, in dessen Haus ich 8 Tage zubringen werde, dann wieder hieher retour. Was weiter geschehen wird, weiß ich nicht. Gestern war und morgen ist das Volksfest in Cannstatt. Die Ausstellung des Viehes mit Preisverteilungen habe ich ganz aus der Nähe angesehn. Dann die Auslagen von den schönsten Obstarten, Grundbirnen, Modellen aus Hohen­ heim. Freitag ward von einer landwirtschaftlichen Kommis­ sion das preiswürdige Vieh ausgesucht: Hengste, Stuten, Stiere, Kühe, Schafe und Schweine. Gestern wurden sie dann ausgestellt und mit Kränzen herumgeführt. In einem großen Kreise, etwa 500 Schritt im Durchmesser, war ringsum ein Gerüste für die Zuschauer gebauet. Ein schönes Portal mit 2 Toren führte hinein. Alles mit gestutztem Tannenreisig ver­ kleidet und mit Blumenkränzen verziert. In der Mitte dieses Portals erhebt sich eine dicke, hohe Säule, welche mit Apfeln, Grundbirnen, Kornähren wie mit musivischer Arbeit in den schönsten Formen überzogen ward. Ganz oben auf der Säule waren, wie in einem Fruchtkorbe, Melonen, Kürbisse etc. zu sehen. Vis-a-vis von dem Portale war für den königl. Hof eine Tribüne aufgeschlagen, wohin der König, die Königin,

der Kronprinz und die Prinzessinnen samt Hofstaat kamen. Die Hengste wurden den Herrschaften vorgeführt, und dann ging der ganze Zug im Kreis herum. Jeder Hengst hatte 2 Führer. Ebenso die Stuten, jedes Fohlen einen Buben. Nun kamen die prächtigen Bullen, schwäbische, holländische und schweizerische, nach Farben geordnet. Diese Bullen waren mit Bändern und Blumen gezieret, 2 Führer am Kopfe und 2 Führer mit 2 Seilen an den vordern Füßen uff. Possier­ lich wars, als die Schweine kamen, zuerst, wie es dem männ­ lichen Geschlechte gebievet, die Eber vor, fleischfarben, groß­ köpfig, lang und schlotterohrig und dünnbehaart, endlich die vielzitzigen Mamas, denen auf einer kleinen Chaise die 12 Kinder nachgeführt wurden. Traf es sich, daß die Posaunen­ musik rechts oder die Kammermusik links schwieg, so war das Geguick dieser säuischen Kinder allerliebst. Endlich kams zum Wettrennen: erst im Paradeschritt im ganzen Kreis umher. Dann stellten sich 4 in gleiche Linie. Die Pferdje zitterten — alles in Spannung. Die Trompeten gaben das Zeichen, ein­ mal, zweimal, dreimal — und nun gings im Sturme umher. Oft hatte das Evangelium Recht, die Ersten wurden die Letzten, und die Letzten die Ersten. Ein besonders guter Renner, der durch Malheur zuerst zurückgeblieben, dann alle zurückließ, gewann den Preis doch nicht, weil plötzlich das Pferd nicht aus der Stelle wollte. Alle Renner waren mager, wie Wind­ hunde. Auf den Montag ist, statt dieses Rennens der Bauern­ burschen, das noble Wettrennen, wozu mir vom Ministerium des Inneren ein Billet auf die dekorierte landwirtschaftliche Tribüne von Freundeshand verschafft worden ist. Da es ganz in der Nähe ist, werde ich es mitmachen. Kann Dir aber von diesem Spektakel heute nun nichts schreiben, aus natür­ lichen Gründen. übrigens wimmelt es und tobts und schveits in einem fort aus allen Straßen, und auf dem Wege nach Cannstatt schoppet

es sich fort wie in die Därme die Füllung aus der Wursten­ spritze, etc. etc. Der Schwager unseres Johann Wildermuth* war bei mir — ich hatte ihm geschrieben. Vater und Mutter sind tot. Bon der Erbschaft ist einiges für die Kinder zurückbehalten worden. Das übrige werde entweder ich bringen, oder es wird durch die Gesandtschaft überschickt werden. Die gewisse Person, die ich nicht nenne, hat noch 2 Kinder bekommen. Der Schwager ist ein grundehrlicher Kerl, der wohl auswandern würde, die Fvau mag aber nicht. Es haben sich eine Menge Menschen gemeldet — die Zeit ist aber so kurz, daß noch keiner flott geworden ist. Es braucht eben einen großen Entschluß das Vaterland zu verlassen, und für Texas wird eine wahre Werberei gebraucht. Diele haben durch Handwerksgesellen die Nachricht erhalten, daß die Wa­ lachen den Meister im Sachsenlande spielen und fürchten sich vor der Schutzlosigkeit. Mein Meteoreisen ist in Wien zerschnitten worden — die Wiener haben e§ nicht chemisch untersucht und es für unecht erklärt. Die Charakters fürs Auge hat es nicht — aber es kann nichts anderes sein. In München lag ich krank und konnte nichts tun. Dazu drängte die Zeit des Gustav-Adolfsvereins, ich mußte also fort. Meine Krankheit war Andrang des Blutes zum Kopfe, durch Verstopfung. In Salzburg hatte ich Brust­ schmerzen aus derselben Ursache. Hier habe ich nun das Stück ins Laboratorium gegeben. Es ist und bleibt Meteoveisen, anerkannt oder nicht anerkannt. Wird es auch hier für un­ echt erkannt, so schicke ich es weiter. Gelingt es mir nirgend, so bringe ich es nach Hause, fest überzeugt, daß eine zukünftige Zeit besser urteilen wird, wenn diese junge Wissenschaft aus­ gebildeter sein wird. So werdet Ihr einst was davon haben. 1 Vermutlich Roths schwäbischer Meier auf seiner Musterwirt­ schaft in der Rohrau bei Mediasch.

Ich möchte nun noch um vieles fragen — aber toer bringt mir die Antwort — ich mutz mir sie selbst holen, und bis dahin werde ich vergessen, was ich gefragt habe. Kannst Du unserm verehrten Herrn Stadtpfarrer meine Empfehlung zukommen lassen, so gib ihm Nachricht, daß ich von Wien aus eine vergebliche Reise nach Oberschützen ge­ macht habe — Herrn Wimmer aber in Stuttgart auf einige Augenblicke gesprochen habe. Ob ich ihn nochmals sprechen werde, steht sehr dahin. Nun zum Schlüsse meine liebe Sophie — bist Du Mutter geworden, so erhalte Dich Gott in diesem Stande — übrigens, wenn der Herr gibt und nimmt, gibt ers nicht auf ewig und nimmt es nicht auf ewig. Immer, wenn Du das Vaterunser betest und an Dein Kind gedenkest, gedenke auch an die Bitte: Herr, dein Wille geschehe. Ich werde Euch nun in der Steingasse suchen müssen. Dar­ über will ich aber doch nie weder die Schmiedgasse, noch das Eck in der Badergasse vergessen. Denjenigen, welche sich bei mir Einwandrer bestellt haben., kann ich nichts Bestimmtes schreiben, weil ich selbst noch nichts Bestimmtes weiß. Alles ist eben leichter gedacht als getan. Die Herren aus dem Vereine, welcher bis jetzt feine Generalver­ sammlung wird gehalten haben, mögen nur immerhin Plätze zur Aufnahme ausfindig machen: sie sollen alle voll werden: es sei denn, es wende sich plötzlich die Fahne. An Herrn Ober­ landeskommissär v. Bedeut habe ich geschrieben, es möchte für wohlfeile Unterkunft der allfälligen Einwanderer in Her­ mannstadt vorläufige Vorsorge getragen werden. Ob das wohl geschehen ist! Man ist eben zu weit auseinander, um in so kurzer Zeit Briefe miteinander zu wechseln. Hast Du ein Kleines und lebt es noch, so küsse es in aller Zärtlichkeit. Es soll mein sein, wie Du. 1 Roths Brief an ihn ist nicht erhalten.

Nun lebe wohl, ich hoffe, Du wirst dem lieben Großvater in Kleinschelken mitteilen, was ich geschrieben, und nun gesund sei. An Deine und meine Anverwandten, außer den bereits Benannten, viele Grüße und Küsse. Den übrigen Raum dieses Papieres fülle Dir nun mit Gedanken aus — ich bin müde des Sitzens und Schreibens. Lebe wohl. Gestern bekam ich erst den Brief von der Mutter, daß Titzi^ brav ist, Lippi' immer zu wenig Obst bekommt, und NetM auf die kleine Schwester-* gern sorgt, bis aufs wiegen. Nun sie soll auch das tun — ich will ihr auch etwas mitbringen, /wenn mir nämlich Geld übrig bleibt — denn ich habe eine wahre Gelddiarrhöe/. Noch­ mals adjeu. Eur liebender Vater St. L. Roth. Seiner HochEhrwürden des Herrn, Herrn Stephan Gottlieb Roth, Pro­ dechanten u. cb. Pfarrer in Klein­ schelken, abzugeben in Marktschelken bei Hermannstadt in Siebenbür­ gen. per Wien. (1. Poststempel: Stuttgart 21. Nov. 1845. 2. Poststempel: Hermannstadt 2. Dez.) Stuttgart, den 20. Nov. 1845.

Vielgeliebter Vater! Der heutige Freitag ist auch zu Ende — und nächsten Montag breche ich von hier nach Wien auf. Wenn mir Gott das Glück bescheret, Euch und die Meinigen alle im Leben und Wohlsein daheim anzutreffen: so kann ich meinem Danke kein Maß setzen. Ich fühle mich gegen die Vorsehung mit meinem Leben verpflichtet. Es sei dem geweihet, der da das Licht ist, die Wahrheit und das Leben. Anknüpfungen aller Art sind gemacht, das meinem Volle nützen wird. Die Einwanderung behufs der Veredlung der Landwirtschaft ist nachhaltig angeregt. Wenn man mir die Ab1 Roths Kinder aus zweiter Ehe. Siehe Verwandtschaststafel am Ende von Bd I.

sicht unterlegt, die Walachen von unserem Sachsenboden zu verdrängen, so ist das eine Dummheit. Nicht die Gegenwart soll umgestoßen, es soll die Zukunft gesichert werden. Viele meiner Landsleute haben ein großes Maul, wo Schweigen eine Macht ist und die Klugheit anrät auf samtnen Sohlen zu gehen. Diesen Winter kommen einige — einige ins Frühjahr, so daß die Kontrakte belegt werden. Geht es den Einwanderern bei uns gut, so wird ein Nachzug nicht ausbleiben. Die da kom­ men bilden einen Sauerteig — hat mein Volk Empfänglichkeit, so kann es manches lernen. Wenn wir nur einmal die Brache einsäen könnten — aber dazu sind unsere Kommunitäten noch nicht hellsehend genug. Meine Reise ist ein Opfer gewesen, zugleich aber auch eine innere Belohnung. Ich frage nach Dank nicht — ich danke mir selber. Menschen, die wissen und tun, was not tut, richten sich nicht nach Winden: sie sind der Stab und nicht die Wetterfahne. Die Besonnenheit hat mich nie ver­ lassen — aber auch das Vertrauen nicht auf die gute Sache, der ich diene. In Wien habe ich mich einige Zeit zu verweilen. Ich werde aber so schnell als möglich meine Sachen machen, weil mir der Winter auf dem Nacken sitzt. Geld habe ich, was ich brauche — obgleich mir aus Siebenbürgen eine sehr kleine Unterstützung zugeflossen ist. Hier ist es sehr teuer — ich sparte, was ich konnte — habe aber doch sehr viel Geld angebracht. Meine Kinder werden um etwas Weniges weniger erben — aber wenn ich lebe, bringt mir die Feder in einem Jahve alles wieder ein. Don einer ehrenwerten Seite sind mir für meine schriftstel­ lerischen Arbeiten namhafte Anerbietungen gemacht worden. Ich sollte für die deutsche Vierteljahrsschrift engagiert wer­ den — ich habe es aber abgelehnt. Denn ich will meinen Krei­ sen allein leben. Stellt Euch vor. In Tübingen hielt ich vor Professoren einen Vortragt über unsere sozialen und kirch' Den Wortlaut desselben siehe V, 167 ff.

Iidjett Verhältnisse im Museum. Das Bierglas stand auf dem Tisch, und für meine Landsleute, wenn welche nach Tübingen gehen dürfen,1 habe ich damit eine gute Empfehlung gemacht. Unter den Zuhörern war Dr. Länderer, Dr. Schmidt, Dr. Bauer, derzeit der gefeierteste Theolog in Tübingen, Helfer Palmer, Oberhelfer Hauber etc. Alle freuten sich über meine Auskunft. Mein Oberpedell Payer, der Sohn des Euch bekannten Pe­ dell Payer lebt noch. Er zeigte mir die Aula nova. Wie hat sich alles neu gestaltet, wie großartig. Ich konnte Tübingen nicht mehr erkennen. Heute traf ich mit Rektor und Ephorus Walz aus Tübingen hier wieder zusammen. Sie sind zur Ver­ mählung der Prinzessin Wilhelmine mit Prinz Wilhelm als Deputierte hieher beordert. Heute ist Dermählungsfeier. Der Regen hat mir das Ansehen verhindert. Alles rollte nur in Wagen fort. Der Kutscher unseres Gesandten, Grafen Ugarte, saß mit einem roten dreieckigen Hut, mit breiten Borten, auf dem Bock. Ein sonderbarer Anblick! Alles will Mittelalter werden. Uhren lassen sich zurückstellen — die göttlich« Sonne geht die himmlische Bahn. Wer aber schlecht ist, geht rückwärts. Diesen Abend bin ich auf Tee zu Hofrat Schilling geladen. Es ist die Abschiedsvisite. Bon diesem Herrn habe ich viele Ge­ fälligkeiten erfahren. Benachrichtiget meine Familie, daß ich gesund bin und mit Sehnsucht verlange im Kreise der Meinen wieder zu sein. Meine Reise ist schon wunderbar — mein Leben hier wie seltner Art, und in Siebenbürgen bin ich mittlerweile Vater und Groß­ vater geworden! Grüßet mir Herrn Gevatter Prediger und Herrn Richter. Ich bringe die Württembergischen Choräle vierstimmig gesetzt. Für Kleinschelken ist ein Exemplar bestimmt. 1 Die Wiener Regierung hatte 1819 den Besuch deutscher Uni­ versitäten verboten. Siehe II, 12. Tübingen wurde erst 1844 wieder freigegeben.

Ich schließe mit herzlichem Flehen zum Vater des Lebens, er möge über Euch seinen Schirm halten, daß ich Euch gesund antreffen möge. In kindlicher Liebe verbleibend, Euer gegen Gott dankbarer @0^n Steph. Ludw. Roth, ev. Pf. in Nimesch, derzeit in exteris.1 (An den Prediger Müller in Nimesch.) Wien, am 5. Dezember 1845.

Ehrwürdiger Herr, lieber Herr Gevatter! Seit vergangenem Sonnabend bin ich in Wien und beeile mich hier, so bald ab» möglich fertig zu werden, da ich sehr wünsche in meine Heimat zu kommen. Vieles wird mir hier durch ansehnliche Herrn er­ leichtert, ohne die ich lange im Dunklen hätte tappen müssen. Sie wissen, daß ich die Absicht habe, eine evang. Schul- und Kirchenzeitung für unser Sachsenvolk in Siebenbürgen heraus­ zugeben. Das ist nun eine sehr harte Nuß, da die kirchlichen Erscheinungen in Deutschland allhier gegen solche Unterneh­ mungen argwöhnisch machen. Das Bewußtsein aber gemeinnützig sein wollen und auf eine erlaubte Art, gibt mir den Mut zu versuchen, ob ich unserer Nation und unserer Kirche diese hohe und bedeutungsvolle Gnade erwirken kann. Die Bittschrift^ reichte ich nebst den erforderlichen Zutaten in die­ sen Tagen bei seiner Exzellenz des Herrn Vizepräsidenten Baron von Josika ein und habe das Glück gehabt, daß mit roter Kreide darauf geschrieben worden ist: dringend, in Folge dessen die Sache noch in dieser Woche nach Siebenbürgen zur Information hinuntergeschickt wird. Um nun dieser meiner *Jm Ausland. * Siehe Eintragung im Württembergischen Tagebuch vom 1. und 3. Dezember 1845 (S. 147 und 150 dieses Bandes) und V, 377, Stern. 1.

wichtigen Angelegenheit einen Nachschub zu geben, so loerbe ich meine Heimreise über Klausenburg nehmen müssen, um bei Sr. Exzellenz dem Herrn Landesgouverneur Audienz zu neh­ men und auch bei den übrigen Gubernialräten meine Bittge­ suche zu unterstützen. Bon Klausenburg gehts dann aus Her­ mannstadt. Nächsten Montag d. i. den 8. Dezember l. I. breche ich von hier auf. Ich wollte mit der Post abreisen, welche von hier bis Pest F. 15.40 CM. kostet, wobei überdies noch das Übergewicht zu bezahlen ist. Nun aber ergibt sich vielleicht eine andere Gelegenheit. Es ist nämlich hier der erste walach. nicht unierte Erzpriester aus dem Kronstädter Distrikte, Herr Popasu, welcher Vikar des verst. Bischofs Moga aus Hstdt werden will. Dieser ist mit seinem eigenen Wagen hier, und wenn er mit seinen Geschäften bis Montag fertig werden sollte, so würde ich mit ihm die ganze Reise machen. Wir kommen dann Mittwoch zu Mittag in Pest an. Denn es geht mit immer fri­ schen Pferden Tag und Nacht. Don hier nehmen wir uns den Eilwagen nach Klausenburg, wo wir, Tag und Nacht fahrend, in 4 Tägen eintreffen können. Also wäre es möglich, in Klau­ senburg nächsten Sonntag über 8 Tage einzutreffen. Hier werde ich 2—3 Täge höchstens verweilend Dann müßte ich auf Hermannstadt auch noch eine Gelegenheit suchen. Sobald ich hier mit dem Dereinsausschuß und meinen Anverwandten mich besprochen habe, fahre ich auf Kleinschelken, schlafe da und komme über Mediasch in mein liebes Nimesch. Sagen Sie also gefälligst meiner Frau, daß ich vor dem Christtage, oder in den, oder etwas nach den Feiertagen einzutreffen gedenke. Möchte ich das Glück haben alle meine Angehörigen gesund anzutreffen; möchte aber auch diese strapaziöse Reise im Win­ ter, bei Tag und Nacht, auch mit Gesundheit überstehen. Denn 1 Roth ist aber nicht mit Popasu und auch nicht die Strecke über Klausenburg, sondern über Szegodin und Temesvar gefahren. Siehe die Eintragungen des Württembergischen Tagebuches vom 13. und 15. Dez. (S. 160 f.)

es ist keine Kleinigkeit: und ich bin euch nicht uns Stein und Eisen. Jetzt und vor der Hand bin ich aber recht gesund. An Doktor Jikeli in Hermannstadt habe ich aus Wien auch geschrieben* und ihn gebeten, den Brief auch meinem Vater mitzuteilen, damit ich nicht unvermutet eintrete. Ebenso ersuche ich auch meine Frau, diese Nachrichten auf Kleinschelken zu schreiben, teils zur Anzeige meiner Ankunft, teils zur Ver­ meidung einer Überraschung. Meiner Frau bringe ich eine schöne bronzene Stockuhr im neuesten Geschmacke vom besten Meister, mit einem goldenen Ritter zu Pferde. Der Glassturz ist auch da. Leid tut es mir, daß die Uhr selbst nur später eintreffen kann. Für unsere liebe Kirche habe ich auf den Altar ein schönes Kruzifix gekauft, alles aus dem schönsten Gußeisen. Christus ist stark versilbert und alles so schön, daß es unserm Gottes­ hause zur Zierrat dienen wird. Es kann Jahrhunderte dauern und ist eine kostbare Arbeit, wie sie jetzt in den meisten ev. Kirchen Deutschlands eingeführt ist. Unten ist ein metallenes Bild vom h. Abendmahl. Sie werden sich gewiß darüber freuen. Meine Bücher kommen später nach. Darunter ist auch für Sie ein gutes Werk zum Geschenke, eine Erklärung des N. T. in 2 starken Bänden. Wenn ich es je brauchen werde, werden Sie mir es auch zu leihen geben. Fahren Sie unterdes nur fleißig fort, daß in der Schule und in der Kirche nichts versäumt wird. Nachrichten, welche ich von Hause erhalten habe, geben mir ja die Beruhigung, daß alles bis jetzt wohlbestellt gewesen. Wenige Gemeinden im Sachsenlande haben wohl das Glück und die Gelegenheit ge­ habt, so verschiedene — seltene und ausgezeichnete Männer predigen zu hören, wie meine lieben Nimescher teils während meiner Krankheit in Mediasch, teils während meiner Abwe­ senheit in Deutschland, und für christliche Gemeinden ist es 1 Der Brief Roths ist nicht erhalten.

immer von großem Nutzen, das Christentum von verschiedenen Seiten aufgefaßt und dargestellt zu sehen. Man bekommt eigent­ lich nur dadurch eine umfassende Ansicht vom Ganzen, wenn man es von allen Seiten beleuchtet erkennen lernt. Einseitige Auffassung schadet auch hierinnen wie überall. Dazu haben wir Gelehrten Bibliotheken und Universitäten — bei einzelnen Kirchen bewirken dieses die Lehrvorträge verschiedener Geist­ lichen. Für Sie, lieber Herr Gevatter, muß es besonders inter­ essant und lehrreich gewesen sein. Dem Johanns meinem Knechte, bringe ich von seinem Schwa­ ger einen großen Brief, der zu schwer war, um ihn auf die Post zu geben: er hätte zu viel gekostet. Daraus wivd er alles er­ fahren, was er zu wissen wünscht. Richten Sie nun viele Empfehlungen an die wertgeschätzten Dorfsbeamten aus. Ich lasse ihnen im voraus danken für die Liebe und Aufmerksamkeit, die sie während meiner Abwesen­ heit auf meine ökonomischen Angelegenheiten gerichtet haben. Ich selbst werde mir es zu einem besondern Vergnügen an­ rechnen, diesen Dank aus einem warmen Herzen ihnen selbst bei meiner Heimkehr auszurichten. Bis jetzt wird doch vielleicht die Feuerassekuranz in Betreff unserer Scheunen eingerichtet sein. Wenigstens betrachte ich es als eine Sache von so großer Wichtigkeit, daß jede Verspä­ tung für ein Unglücksfall anzusehen wäre. Wie steht es mit den Ziegeln und Steinen zur Erweiterung der Burgstube? Diese sollten ja angeschafft werden. Was für eine Wohltat wäre das, wenn der Burghüterlohn auf ewige Zeiten abgeschafft wäre! Zu zahlen ist ohnedem genug' — Ich bin sehr begierig, ob etwas in dieser Sache geschehen ist. Ich suche für mich keinen Privatnutzen — das allgemeine Wohl liegt mir allein am Herzen, und wenn ich den Armen eine Erleich1 Vermutlich Johann Wildermuth aus Rielingshausen (siehe S. 91, vorletzte Zeile), dem schwäbischen Meter auf Roths Musterwirt­ schaft in der Rohrau bei Mediasch. Vergl. auch S. 21, 31, 42, 116, 182, 202.

terung verschaffen kann, so bin ich darum froh und danke Gott, der mir Gelegenheit gibt mein Leben wohltätig zu machen. Grüßen Sie mir alle Beamten und Kommunitätsverwandten und Scholaren. In unserer Kirche können wir nun auch vier­ stimmig die Lieder singen. Denn ich bringe eine Tabulatur und die Kirchengesänge auf 4 Stimmen mit. Sie sind aus den ältesten Ausgaben so wiederhergestellt, wie sie Luther, Hille usw. komponiert haben. Meinen Gruß an die Meinigen alle, klein und groß. Grüßen Sie auch die Fr. Gevatterin und ihren Stammhalter. In aller Liebe und Wertschätzung Ihr Freund und Diener St. L. Roth. (An Peter Wolf in Tübingen?)

Nimesch, 31. Dezember 1845.

Mein lieber Freund! Sie wissen, daß mich einige Nachrichten aus der Heimat eingeschüchtert hatten — ich habe alles besser gefunden. Die Sache findet allgemein guten Anklang. Wir gehen daher aus der eingeschlagenen Bahn mit ruhiger Zuver­ sicht vorwärts. Zunächst besorgen Sie die Pachtungen alle und also, daß die Einwanderer mit erstem Frühjahre aufbrechen, um sehr zeitig hier einzutreffen. Die Herren erwarten selbige mit Sehnsucht und Verlangen, und es haben sich noch eine Menge anderer entschlossen: Meier auf- und anzunehmen. Sie können daher in Folge dieser Mitteilung getrosten Mutes Leute zur Einwanderung auffordern. Der Verein ist zwar nur pro­ visorisch konstituiert, aber die Bezirksverwaltungen sind es dezisiv. überallher werden die verkäuflichen Güter und Häuser einberichtet, und wenn Einwanderer kommen, haben sie Ge­ legenheit und Auswahl. Es liegt sehr viel daran, daß ins Früh­ jahr eine gute Menge Einwanderer hereinkommt. Sehen Sie bei Hausvätern nur darauf, daß sie einiges Vermögen haben. ........Nachfolgende Anzeige lassen Sie durch den Schwäbischen Merkur veröffentlichen: 1 Handschriftlich nicht erhalten. Die obige Briefstell« ist von Gräser (S. 109 f. seines S. 116, Anm. 1 angegebenen Werkchens) überliefert.

„Anzeige für Einwanderer nach Siebenbürgen. Den Anverwandten derjenigen Einwanderer, die bereits in Siebenbürgen eingetroffen sind, wird von mir die Nachricht gegeben, daß alle unterbracht sind. Die noch rückständigen Pächter mögen mit ihrer Reise eilen. Eine Menge Stellen zu Pachtungen und Ankäufen sind noch offen und erwarten die Besetzung. Lediges Dienstgesinde jeder Art findet Anstellung und Verdienst — dazu: die Aussicht auf eigentümliche Nieder­ lassung und Ausheiratung, da ehelichen Verbindungen von Seiten der Kommunen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Kleidungsstücke, Sämereien und Werkzeuge zu eigenem Bedarfe zahlen keine österreichische Maut: in Ungarn und Sie­ benbürgen ist ohnedem alles frei. Di« Pässe müssen in der Ordnung sein. Einzelne Hausväter und einzelne Einwanderer tun besser einzelne Pässe sich geben zu lassen, als gemeinschaft­ liche für die gesamte Reisegesellschaft. Es sind die erforder­ lichen Vorkehrungen getroffen worden, um Einwanderern Pachtungen allhier vorzulegen, oder Gelegenheiten darzu­ bieten, sich sogleich eigentümlich anzukaufen. Herr Peter Wolf zur Krone in Tübingen wird Empfehlungen und Anweisungen in meinem Namen in mein schönes, glückliches und wohlfeiles Vaterland erteilen." St. L. Roth. Herrn Professor St. A. Bergleiter in Hermannstadt. Nimesch, den 15. Jänner 1846.

Mein Lieber und Werter! Mit Jahrmarktsgelegenheit über­ schickte ich Herrn Hofvat v. Bebens einen mir zugekommenen Brief meines Agenten, worin derselbe mir unterm 20. De­ zember anzeigt, daß sich, aufs Frühjahr hin, bei ihm, wenn ich nicht irre 153 Einwanderer mit 543 Kindern zur Einwan­ derung nach Siebenbürgen gemeldet hätten. Es freut mich, denn mein Unternehmen zeiget Früchte! Nun aber hat der Verein die Aufgabe: sie zu unterbringen, als Meier, Pächter,

Sedler [!] usw. Wäre kein Verein, so würde es schwerer gehen, mit ihm kann es einem einzelnen Menschen nicht schwer fallen, unter Dach und Fach sie alle zu bringen. Kanzleien sind schwer­ fällig und kollegialische Verhandlungen hierinnen mahnen mich an den Gang mehrerer Gefangener, die an einer gemein­ schaftlichen Kette hangen. Einer muß alles übernehmen, Mühe, Ehr und Schande; so gehts rascher. Dieser Eine hat freie Hand und Vollmacht = ein Vertrauensvotum usw. Ihr werdet ja sehen, was Ihr macht; nur macht was, daß wirs sehen. Zum englischen, in Hermannstadt domizilierenden Missio­ när mache in meinem Namen einen Gang und frage ihn: ob er walachisch spricht, ob er walachische Bibeln zu vergeben hat, ob er in direkter Verbindung mit London steht, ob er ganz sicher Briefe dahin befördern kann, wie lange er in Her­ mannstadt bleiben wird. — Ich wünsche denselben kennen zu lernen, um wenigstens über die Evangelisierung unserer Wa­ lachen in ihm ein Lichtlein anzuzünden, da unser Volk dieses alles ganz aus den Augen verloren hat. Beiliegenden Aufsatz* bringe in die Transsylvania oder den Satelliten. Ich habe damit meine bestimmten Absichten. Denn das muß der Fall sein, man muß etwas wollen, eine Absicht haben. Um so fader ist mir jedes Geredsel und Geschreibsel, das keine Absicht haben will. Ich habe sie, ich gestehe sie, -atz ich sie habe. Aber mich bestimmen Prinzipien, nicht Persönlich­ keiten: durch Prinzipien bin ich aber eingenommen für Per­ sönlichkeiten, weil dies« meine Prinzipien repräsentieren. Der Aufsatz soll hoffentlich wirken — nun — ohne diese Hoffnung hätte ich denselben nicht geschrieben. Herr Pf. Roth soll sich zu erklären die Güte haben, ob er diesen Aufsatz bald auf­ nehmen wird und kann, oder nicht. Ich wünsche, es sollte der­ selbe auf den Nationalconflux und später auf die Geistlich1 Gewiß Roths Aufsatz „Der Sachsengraf", der am 23. Januar 1846 in der Transsilvanta erschien. Siehe V, 193 ff.

feit einwirken, um es zu öffentlichen Beratungen zu bringen. Kann Herr Pfarrer, als Redakteur der Transsylvania, nicht zusagen, so kannst Du es an Deine Freunde in Kronstadt schicken. Ist etwa unsere Zensur so heikel, daß von dieser Seite das Non admittitur1 zu besorgen wäre, so mache ein Kuvert und adressiere es an Eduard Glatz in Pest. Dieser mein ehren­ werter Freund wird den Aussatz gerne aufnehmen. Aus diesen Blättern dürfen die unsrigen dann alles aufnehmen. Bei jeder Versendung nach Kronstadt oder Pest nimm Dir eine Ab­ schrift, wegen möglichem Verlust. Ich habe kein Paar zu Hause. Du kennst ja meine Unart hierinnen. — Aus dieser kleinen Bestellung, die ich zu machen habe, und wodurch ich auch Dich, mein Lieber, plagen mutz, sehe ich ein, daß für Schriftstelle­ reien die Städte geeigneter sind als Dörfer, wo ich z. B. nicht einmal eine Post habe, und, um einen Brief zu befördern, durchs ganze Dörfchen umfragen muß. In dem Augenblicke liest meine Frau den Aufsatz und macht mich darauf aufmerksam, daß selbiger so äußerst unleserlich geschrieben sei, daß es eine Menge Druckfehler absetzen werde. Ich nehme nun selbst das Papier zur Hand und muß leider in meine eigene Verdammung mit einstimmen. Was ist nun zu tun? Die Korrektur in der Transsylvania ist ohnehin sehr schwach. Was ist zu tun? Dura tacent clamant.2 Wenn Du allenfalls erfahren solltest, wann vom H. Gubernio meine Zeitungsangelegenheit auf Hermannstadt ans Oberkonsistorium pro informatione angekommen sei, so ver­ schaffe Dir Einsicht in die Bittschrift und den Prospeetus, um mit mir darüber sprechen zu können. Ich würde dann selbst auch nach Hermannstadt zu reisen für notwendig halten. Dann komme ich zu Dir aufs Quartier. Mir ist das Ding hier alles zu eng — ich fühle mich im Käfig. 1 Das Verbot. - Während sie schweigen, tun sie empört.

Mein Päckchen aus Wien, von Pest bereits notifiziert, mutz doch bis jetzt in Hermannstadt bei Schmid angekommen sein. Ich habe meiner heldemnLtigen Frau eine Stockuhr in mo­ dernster Faoon gekauft, und diese liegt auch bei. Wenn ich sie doch einmal aushändigen könnte, wäre meine Freude voll­ kommen. Vielleicht komme ich während des Confluxes einmal nach Hermannstadt. Dieser bietet eine gute Gelegenheit dar zu einer Versammlung der Beisitzer aus den Bezirksvereinen, wenn auch nur 2 oder 1 aus einem Vereine. Es sind Bera­ tungen, nicht Conclusa1 zu machen. Feuer will neue Luft haben. Kraft, Leben, Eifer, Tat! Mit Protokollen und Sitzun­ gen, Berichten usw. ist wenig getan. Das Frühjahr wird uns überfallen — wir haben zu eilen und zu handlen. Ich bin gesund samt Frau und Kindern. Sophie ist auch aus dem Wege der Erholung. Der kleine Mischt wächst auch. Was machst Du und Deine Kinder? Meine Frau will be­ merkt haben, als hättest Du «in übles Aussehn, wie ge­ schwächt, einer Krankheit entweder entgangen oder entgegen­ gehend. Ist etwas an der Sache? Mögliches schüttle ab. Der Mensch ist zu keinem Lastvieh bestimmt. Du tust Dir vielleicht zu viel an. Meine Empfehlungen an Deine liebe Frau und werten Schwiegereltern. Kannst Du mir etwas schreiben, so tue es amicabiliter d. h. im Schlasrock, wie ich. Ich lächle über die abgemessene Schreib­ art von Freunden an Freund«, die so große Mühe sich mit der Stilisativn geben, als ahneten sie nach ihrem Tode eine Samm­ lung ihrer Briefe. In Liebe und guten Wünschen für Dein Wohlergehen und unser baldiges Zusammentrefsen Dein Dich wertschätzender Oheim St. L. Roth, et). Pf. 1 Beschlüsse, Entscheidungen.

(An Peter Wolf in Tübingen.')

Hermannstadt, 28. Jänner 1846.

Mein lieber Freund! ... Kurz ehe Ihr erster Brief an mich mir zu Händen kam, schrieb ich an Sie, und der Brief enthielt einen Artikel für den Schwäbischen Merkur, der die Wirkung beabsichtigte, es sollten sich außer den Pächtern für die Ihnen gelassenen Kontrakte noch andere Einwanderer zum Zuge nach Siebenbürgen entschließen. Aus Ihrem bald darauf erhaltenen Schreiben sah ich nun mit Vergnügen, daß sich darüber noch viele angeschlossen hätten, ebenso aus dem zweiten. Nun aber müssen wir unsererseits einhalten, damit nicht mehr Einwan­ derer kommen, als unsererseits für den Augenblick unterbracht werden können. Dadurch, daß ich für den Augenblick sage, ist natürlich nicht gesagt, daß die Einwanderung aufhören solle, sondern die Aufbrüche haben sich nur auf Zeitdistanzen zu verteilen. Lassen Sie im Schwäb. Merkur sogleich folgenden Aufsatz einrücken: „Anzeige für Auswanderungslustige nach Siebenbürgen. Da sich auf meine Einladung an Auswanderungslustige lieber nach Siebenbürgen als nach Amerika zu gehen, vor der Hand bereits so viele gemeldet haben, als im Augenblicke un­ terbracht werden können; so ergeht meine freundschaftliche Mei­ nung dahin, daß diejenigen, welche ihr Hab und Gut noch nicht verkauft haben, mit dem Verkaufe bis auf weiteren Bericht auswarten sollten. Sobald sich sichere Aufnahmsplätze in der Folge ergeben, wie ich anzunehmen volle Ursache habe, werde ich nicht ermangeln, die erforderliche Anzeige zu machen. Wie ich von meinem Agenten Peter Wolf, Krone in Tübingen, die Nachricht erhalten werde, daß von den Angemeldeten alle 1 Handschriftlich nicht erhalten. Die obige Briefstelle ist von Gräser (S. 110 seines S. 116, Anm. 1 angegebenen Werkchens) Überliefert worden.

aufgebrochen sind, welche bis jetzt ihr Eigentum veräußert haben, will ich demselben neuerdings vom Stande der Angele­ genheit Auskunft geben und Aufträge machen, welchen Agen­ ten daher jeder Auswanderungslustige zu befragen und dessen Weisungen zu berücksichtigen haben wird." Wenn Sie es machen können, so lassen Sie diese Anzeigen wiederholen, damit sich niemand mit Unwissenheit entschul­ digen möge. St. L. Roth. Herrn Pfarrer Möckesch' in Baumgarten. Nimesch, d. 11. Februar 1846. Lieber Herr Amtsbruder! Wir haben nur angefangen Vor­ sätze zu fassen für die Kirche Jesu Christi, für die Verlassenen unter den Seelen, und schon zeigt er in der Bereitwilligkeit des Hl. Oberkonsistoriums seine gnadenreiche, väterliche Milde und Anerkennung. Mut und Geduld und festes Vertrauen aus die Sache Gottes, die er nicht wird sinken lassen. Identifizieren wir uns mit seinem Willen, wen haben wir dann zu fürchten, zu scheuen, und vor welchen Schwierigkeiten dürfen wir zu­ rückbeben? Nur Glauben sollen wir haben, wie ein Senfkorn, so werden wir Berge versetzen. Ich schicke Ihnen hier ein württembergisches Gesangbuch und in demselben die Passionsgeschichte. In der Übersetzung be­ fleißigen Sie sich der Orthographie der Gazetta de Transsilvania. Die Gründe liegen auf der Hand. Haben Sie wegen des Katechismus mit Ihrem Herrn Bruder unterhandelt? Das »Möckesch, Martin Samuel, 1813—1890, ein ausgezeichneter Kenner der rumänischen Sprache, in die er und aus der er geistliche Lieder, Dichtungen und anderes übersetzte. Auch auf Roths obig« Anregung ist er eingegangen und hat sowohl die Leidensgeschichte Jesu aus dem württ. Gesangbuch wie auch Luthers Kleinen Katechis­ mus ins Rumänische übersetzt. Siehe Trausch, Schriftstellerlexikon II, 436.

Erntefeld ist reif und groß, und der Schnitter sind wenige — darum ist viel Arbeit vor der Tür. über trennende Berge und Täler zeige ich sie. Sie haben eine große Ausgabe! Der sei mit Ihnen, der die Welt überwunden hat. Leben Sie wohl. Meine achtungsvollen Grüße an Ihre Frau Gemahlin. Ihr liebender Amtsbruder St. L. Roth. (An Franz Conrad, Hofagent in Wien.) Nimesch, den 24. Febr. 1848.

Hochwohlgeborner Herr, Hochgeschätzter Herr und Freund! Die Kandidationen zum Sachsengrafen sind vorüber. Unter den 6 Männern, in die das gesamte Sachsenvolk sein ehrendes Vertrauen gesetzt hat, steht auch Dein werter und geachteter Name. Der $ei,norm§1 2ist nicht Werk des ganzen Volkes, son­ dern lediglich der Hermannstädter, und da hat die Baron Brukenthalische Seite, durch Neugeboren angeführt, mit Schreiber und anderen für Brennerberg sich entschieden, nach­ dem der Baron und Gubernialrat von Brukenthal, seiner magyarischen Sympathien wegen, wie ich glaube, gänzlich auf der Seite unbeachtet stehen geblieben war. Du kannst Dir den Schmerz und den Unwillen im Kettenhause? vorstellen. Gerade jetzt aber hat der Gubernialrat Baron Brukenthal eine schöne Stellung. Hat er sein Volk, wie dessen Lobredner sagten, bis­ her schon geliebt, so hat er nun Gelegenheit seine Seelengröße darinnen und dadurch zu beweisen, daß er in seiner Liebe und Verteidigung des Volkes fortfährt, indem der Verdacht er­ wacht war, er hätte es nur geliebt um der Hoffnung und Aus­ sicht willen auf die Grafenwürde. Bleibt er Sachsenfreund, trotz dieser Verschmähung, so ist er mir groß, größer in seiner 1 Siehe V, 193, Anm. 2. 2 Vor dem Brukenthalschen Palais auf dem Großen Ring in Hermannstadt war der Gehsteig mittels einer Kette von der Fahr­ straße getrennt.

Zurücksetzung als möglicherweise in seiner Erhebung, eine an­ tike Gestalt, die Lob und Tadel gleich wenig im Wesen ver­ ändert. Wendet er sich hingegen nun beleidigt von dem Sach­ senwesen ab und wird nun völlig ein Adliger; so unterschreibt er dadurch eigenhändig den gegen ihn gehegten Verdacht, er ist nicht besser, als sein Ruf war und beweiset mit dem Leben, daß er in seinem Tun und Lassen in uns allein sich liebte, daß es ihm um den Preis der Liebe, nicht um die Liebe selbst zu tun war. Solche Lebensperioden entscheiden über den Ge­ halt der Charaktere in der Geschichte und fortuna major1 ist mir das größte Maß des Lobes für politische Charaktere in der Welt. über unseren gemeinschaftlichen [!] hochgeehrten Hofrat v. Rosenfeld war ich mit mir bei erster Zusammenkunft mit ihm im Reinen. Kann er sich in den Sattel setzen, um in Wien weiter zu steigen, so kann er in einer halben Stunde unserem Volke oben so viel nützen, als in einem ganzen Jahre unten. Dies würde ihn bestimmen zu bleiben: verschließen sich ihm die Aus­ sichten auf weitere Beförderung oben, so kommt er unter das kupferne Dach — von allen als Herkules gescheut und erwartet, den Stall des Augias zu fegen. Resignieret er, bei sicheren Hoffnungen einer für uns und ihm nützlicheren höheren An­ stellung oben und vielleicht nach gegebensenj Winken, auf die Komeswürde, so hat die Allh. Regierung eigentlich keinen Ternarius, sondern nur einen Binarius: in dem Falle wäre zu den nur noch 2 stehendbleibenden Kandidaten noch ein Drit­ ter von den Hermannstädtern zu wählen. — Sollte Hochderselbe aber für jetzt auch als Komes herabkommen, so wünsche wenigstens ich, daß er bald — nach etlichen Jahren — wieder zurückberufen werden möge an die Quelle, wo für seinen Geist ein angemessener Wirkungskreis sich vorfindet, wo also hier eine neue Kandidation zu veranstalten wäre. Du kennst mich 1 Das größere Glück.

und ich auch Dich zu sehr, um bei diesen Kombinationen be­ fürchten zu dürfen, mißverstanden zu werden. Findest Du es passend, so richte meine ergebenste Empfehlung aus. Erst wenn die Sache entschieden ist, darf ich unmittelbar und selbst meine Glückwünsche vortragen. Die Sache der Einwanderung hält mich in einem fort in Atem: ich unterliege beinahe dem weitläufigen Briefwechsel, den ich führen muß. Hier geht es nur lau zu, aber wenn der Haufen eintrifft, wird der Druck die indolenten Glieder in Bewegung setzen. Ließe es sich nicht machen, daß von Wien aus für Säme­ reien und Werkzeuge an der Grenze eine Erleichterung für die Einwanderer eingeleitet würde? Sonst zahlte noch der Staat bedeutende Summen bei Einwanderungen — jetzt sollte er wenigstens einige Zollerleichterungen eintreten lassen. über mein Doktordiplom soll Herr Superintendent sich, wie ich verdiene, sehr empfehlend geäußert haben. Ebenso hat das Hoch!. Oberkonsistorium meine Zeitung gebilligt und bestens empfohlen. In Klausenburg wird das Ding etwas liegen blei­ ben — aber ich sehe einer Nachricht von Wien doch mit Hoff­ nungen in Bälde entgegen. Du wirst mir die freudige Nachricht nicht lange vorenthalten. Meine Gesundheitsumstände sind in neuester Zeit nicht die besten gewesen. Das beigelegte Briesdjen1 an die liebe Marie wird das Nähere enthalten. Mir ist hier alles zu eng, zu klein. Hätte ich einen Mann allhier, daß die Kolonisation in größerem Maßstabe getrieben werden könnte. Mein Plan wäre, in allen militärischen Grenzgebirgen eine Kette von deutschen Kolonien anzulegen, auf die sich der Kaiser allewege verlassen könnte. Diese Gebirgsweiden in Sie­ benbürgen und im Banat werden jetzt in Pacht gegeben. Dieser Pacht, welcher in die Grenzkassenfällt, sollte als Interessen berechnet, und dafür von 1 Es ist nicht erhalten.

Einwanderern das Kapital gezahlt werden. So wäre die Entschädigung für die Kassen da und die Regierung erhielte eine ganz ergebene Volksmassa, gleich gut zu benützen zur Verhütung des jetzt unverschämt getriebenen Schmuggelns, als auch zur in Zaumhaltung einer zweideutigen Bevölkerung, und gleich brauchbar als Stützpunkt bei Operationen in Be­ treff der Donau und der Fürstentümer, die eine natürliche Erbschaft Österreichs sind. Klopft doch an! Den Schuster glaube ich bezahlt zu haben. Vielleicht tat ich es durch Sebastian. Gilt dies nicht, so bezahle für mich, ich werde es, nach erhaltener Nachricht, ersetzen. Deiner hochgeschätzten Fr. Gemahlin meine ergebenste Emp­ fehlung. In aller Hochachtung Dein aufrichtiger und ergebener Freund St. L. Roth. (Peter Wolf an St. L. Roth.')

Tübingen, 25. Febr. 1846.

Wohlehrwürdiger Herr!... Ihren Brief habe ich erhalten und am 14. Febr. ist schon die kleine Anzeige wegen „Einhaltung" erschienen, auch der Beobachter, der Schwarzwälder Bote waren so gut selbe aufzunehmen. Ich ermangle nicht brieflich und mündlich diese Nachricht so viel als möglich zu verbreiten. Auch an Verdächtigung unserer guten Sache fehlt es nicht. Der Mer­ kur und Schwarzwälder nehmen dergleichen bereitwillig auf, weil sie gegen die Auswanderung sind. — Alles arbeitet ent­ gegen. — Den Bauern erschwert man die Entlassung und doch drängt sich alles zur Auswanderung nach Siebenbürgen; ich warne und arbeite entgegen. Allein es lautet: Wir gehen nach Siebenbürgen, es kann uns dort nicht schlechter gehen als hier. Seit dem 14. Februar habe ich niemanden mehr aufgenom­ men, allein von den 500 Verzeichneten werden gewiß 400 kom1 Handschriftlich nicht erhalten. Die Briefstelle ist nur durch Grä­ ser, (S. 111 seines S. 116, Anm. 1 angegebenen Merkchens) über­ liefert worden.

men. Diese und viele Ungemeldete haben schon verkauft und müssen unterbracht werden. Gegen einige Verdächtigungen im Merkur und Schwarzwälder habe ich dem Beobachter einen Aufsatz zugeschickt, ebenso habe ich heute in den Merkur eine ernstliche Warnung gegen leichtsinniges Auswandern einrücken lassen. Peter Wolf. (An den evang. Superintendenten Dr. Georg Paul Binder in Birthälm.) Nimesch, am 12. März 1846. Hochwürdiger Herr, Hochzuverehrender Herr Superinten­ dent! Obgleich die kurze Zeitfrist, die mir von Euer Hoch­ würden zur Einsendung meiner von Allerhöchsten Orten ab­ verlangten Aeußerung* vorgemessen ist, mir kaum den erforder­ lichen Raum läßt für Besinnung und Überlegung, so leiste ich dennoch einem hochverehrlichen Befehle — hiemit, da Gehor­ sam die nächste Pflicht ist, ehrerbietigst in folgendem pünktlich Folge. Als ich im vorigen Jahre 1845 eine Erholungsreise ins Württembergische machte, hatte ich zugleich die Absicht, für mich zwei Württembergische Meier mitzubringen, denn ich war 1 Als im Frühjahr 1846 die ersten größeren Einwanderergrup­ pen in Wien eintrafen, wurde die österr. Regierung unruhig und forderte Roth im Dienstwege über das Gubernium, die Sächsische Nationsuniversität, das Oberkonsistorium und den Superintendenten auf, sich zu der Angelegenheit zu äußern. Die Rechtfertigungsschrist Roths, di« er daraufhin sofort verfaßte, ist int Nachlaß in zwei vielfach verbesserten und überarbeiteten Entwürfen erhalten, die beide das Datum vom 12. März 1846 tragen. Der vollständigere, dessen Wortlaut oben wiedergegeben ist, trägt am Rand« die Bemerkung Roths: „Verkürzt und was mehr vom eigent­ lichen Meritum abwich, und doch zu sagen nützlich war, in 4 Beilagen gebracht und datiert vom 22. März 1846 durch Tit. H. Bürger­ meister M. v. H. (Mich, von Heydendorff, Bürgermeister von Me­ diaschi an das Hochlöbliche Oberkonsistorium befördert."

durch mehrjährige Erfahrungen, durch fruchtlose und kostspie­ lige Versuche war ich zu der endlichen Überzeugung gelangt, daß mit unseren Landeskindern eine vom gewöhnlichen Boden­ bau abweichende Agrikultur sich weder mit Nutzen noch viel weniger mit Vergnügen betreiben lasse. Als daher meine diesfällige Reise bekannt ward, erhielt ich im Laufe weniger Tage zwischen 40—50 Zuschriften mit eingelegten Bestellungen und Pachtkontrakten auf Meier, was mich auf ein vorhandenes größeres Bedürfnis überdies noch schließen ließ. Im Dörfchen Berg, wohin ich mich des nahen Bades und der Wohlfeilheit wegen begab, redete ich mit vielen von meinem Anliegen in Betreff der Meier — allein ohne Erfolg. Niemand kam, niemand entschloß sich, niemand meldete sich. Als ich mich hierüber gegen meine Bekanntschaften klagend äußerte, ward mir geraten, wie solches hier der Brauch sei, mein Begehren durch die Zeitungen offenkundig zu machen. Die Auswande­ rungsfreiheit hat aber nach dem Grundgesetz des Landes jeder Württemberger, wie solches denn auch die offen betriebenen Werbungen für Texas sattsam beweisen. Mit dieser Anzeige zögerte ich dennoch bis zum 10. September vorigen Jahres, wo meine erste Anzeige im Schwäbischen Merkur erschien. Auch diese hatte keinen besonderen Erfolg, weil nach Aussage der Sachverständigen der Aufsatz zu allgemein gehalten wäre. Um wenn auch nur Meier und Pächter zur Einwanderung zu bewegen, mußte über unsere siebenbürgischen Verhältnisse Näheres und Einzelnes eingerückt werden. Ich tat es in einigen späteren Aussätzen ehrlich, offenherzig, fern von Werberei und ohne alle Übertreibung. Ohnerachtet ich mich aber mit meiner Reise der Meierer wegen so gar verspätete; so hatte ich doch, bei meiner Abreise, nicht einmal diese Anzahl vollständig er­ reicht, ließ also einem Freunde dort die mitgenommenen Pacht­ scheine und kam nach Hause. Diesem trug ich auf, was auch ich beobachtet: niemanden

anzunehmen, der sich nicht durch Zeugnisse über Ehrlichkeit ausweisen könne. Nach meiner Überzeugung hielt ich und halte ich auch noch dermalen, außer den im Auftrag habenden Bestellungen von Pächterern [!] oder Steterem [!], überhaupt eine anderweitige, mehrfache Zuwanderung von guten deutschen Landwirten zur Hebung unserer Landwirtschaft nicht nur für eine dem Lande erzeigte Wohltat, sondern auch für ein Bedürfnis. Denn was kann selbst mit 50 aus dem ganzen Königsboden zerstreuten Steterem, für eine Umwandlung in der Alkerwirtschaft auch nur teilweise erhofft weriden, zumal die Steter ihren Feld­ betrieb nach dem Willen der Grundeigentümer einzurichten haben und nur in sehr geringem Maße sich das zu betreibende Ackergeschäft nach ihren bessern Einsichten und Wünschen ein­ richten dürfen? — Sollte etwas zur Veredlung der Landwirtschaft geschehen, und nach meinem Wunsche sollte allerdings etwas geschehen, so war eine größere Anzahl Landbauer mit selbständiger Wirt­ schaft von Nöten, die ohne Einfluß eines fremden Willens mit ihrem eigenen Gmnd und Boden das tun sollten und könnten, was sie zu tun für gut befänden und wollten. Zu einer solchen Aufforderung hatte ich nun freilich keinen förmlichen Auftrag, wohl aber folgende sehr dringende Mo­ tive aus unseren Verhältnissen und Umständen. Der Verein zur Hebung der Landwirtschaft auf Sachsen­ boden in Siebenbürgen, von Seiner Majestät allevgnädigst bestätiget, hat im ersten § der Statuten sich dahin ausgespro­ chen: seinen Zweck der Vervollkommnung der Landwirtschaft mittelst Einberufung ausländischer verständiger Landleute erreichen zu wollen. Direkte hat nun dieser Verein, dessen Mitglied ich zu sein die Ehre habe, und nicht blos zu heißen mich bemühe, mir keinen Auftrag geben können, weil er erst Ende künftigen Mais sich vollkommen konstituieren wird. Aber seinen Zwecken habe ich, wie es einem Mitgliede geziemt, vor-

sorglich Vorschub geleistet, welche Vermittlung ihm ein schweres Geld erspart hat und erst mit einem Verluste von 1—2 Jahren verbunden gewesen wäre. Nach dieser historischen Auseinandersetzung fragt es sich hiebei — wenn es erlaubt ist, sich offenherzig, dabei bescheiden und doch ehrlich und ohne Rückhalt zu äußern — haupt­ sächlich 1. darum, ob Eintwanderer für uns ein Bedürfnis sind, und 2. darum, ob sich eine Unterkunft für sie hoffen läßt. 1. Anbelangend das Bedürfnis, so hat unser Verein bei der Beschränktheit seiner Geldmittel und der Eigentümlichkeit unserer Verhältnisse die sich gesteckte Aufgabe hierorts ganz anders zu lösen als anderswo und bei andern Verhältnissen. Wir dürfen uns nicht mit dem Gedanken schmeicheln, etwa aus dem bischen Vereinsgeld eine Ackerbauschule zu errichten, tote solche in Deutschland auch das kleinste Ländchen aufzu­ weisen hat, wie auch Württemberg, ein Drittel so groß als Siebenbürgen, das sein Hohenheim hat. Bei uns ist nicht nur nichts dergleichen, sondern der Verein kann dem armen Landbauern höchstens Gelegenheiten zu verschaffen suchen, durch Anschauungen besserer Wirtschaften ihm bessere Einsicht zu gewähren und dadurch zu Entschlüssen der Nachahmung und Nacheiferung zu bewegen. Solange nun einer solchen Lokalität der Verein entbehret und nur auf die eigenen ungenügenden Mittel angewiesen und beschränkt ist; so wird der Verein, meines geringen Er­ achtens nach, seine wohltätigen Zwecke hauptsächlich nur da­ durch erreichen können, wenn etwa in jedem Dorfe, wenn mög­ lich 2—3 oder mehrere Einwanderer, da, wo es sich tun läßt, eigentümlich sich niederließen und diesen nun der Verein Ge­ legenheit verschaffte, ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in ihrer Art und Weise auszuüben. Dies« Bedingung aber der Zweckerreichung des Vereines knüpft sich aber eben an die Ein­ wanderung einer größeren Partie Einwanderer, als aus die

Bestellung von Meierern von Seiten meiner Freunde und Bekannten zu erwarten waren. Außer diesem ausgesprochenen Bedürfnisse des Vereines nach verständigen Landwirten erheischet auch unser landwirt­ schaftliche Zustand der bäuerlichen Verhältnisse selbst, abge­ sehen von der Veredlung und mit der bloßen Ausgabe des Bestandes sich begnügend, einer baldigen Umänderung der Sicherheit und der Gerechtigkeit. Wer z. B. die Sicherheit des Viehbesitzes in unserem Lande in Überlegung zieht und die Folgen überlegt, welche der beinahe am Hellen Tageslichte ge­ triebene Viehdiebstahl auf den Feldbau ausüben muß, wird sich gezwungen sehen, mit aller Gewalt aus die Abstellung der Viehweide hinzutreiben, welche Viehweide der eigentliche Brut­ herd der Biehdiebe ist. Wird die Viehweide nicht bald durch Einsaat in die bisher reine Brache abgeschafft, so gewinnen die Diehdiebe vollends die Oberhand und von den Wölfen weiden die Schafe des Hirten zerrissen werden. Ich erlaube mir hiebei beiliegenden Satellit des Siebenbürger Wochen­ blattes No. 17 vom 26. Februar 1846 nebst einer dazuge­ hörigen Betrachtung gehorsamst beizulegen. Vermöge diesem ämtlichen Ausweise sind in dem einen Kronstädter Distrikte in dem einzigen 1845 Jahre 337 Pferde und 15 Ochsen ge­ stohlen worden, welcher Umstand die misera contribuens plebs1 in einen Verlust von Rfl. 22,541, 2xW. W. gestürzt hat. Wie hoch mag sich wohl die Summe im ganzen Lande belaufen?! Bei dem hiemit also ausgewiesenen und in den teils für Veredlung, teils für den Bestand des Landbaues nur in Kurzem ausgewiesenen und in den dringlichen Umständen der Kolonie sich herausstellenden Bedürfnisse nach guten und ein­ gelernten ausländischen Einwanderern, wäre noch nachzu­ weisen, 2. sdaßs die Einwanderer eine Unterkunft zu gewärtigen 1 Das elende steuertragende Volk.

haben, oder daß Plätze von Privaten unter uns zu verkaufen oder sonst zu überlassen wären, oder, was beinahe gleichviel wäre, darzutun, daß teilweiser Mangel an arbeitenden Hän­ den auf Königsboden empfunden werde, woraus dann von selbst sich die Möglichkeit der Unterkunft für diejenigen her­ ausstellen würde, welche allenfalls hieher einwandern wollten. Da bei Verkäufen von Privaten statistische Tabellen nicht möglich sind, so kann ich nur ab inductione,1 aber darum nicht minder sicher auf ihre Unterkunft schließen. Zum Grund« lege ich nur diese wenigen notorischen Tatsachen, als hinlänglich, zunächst nieder. Aus den löblichen Komitaten, also vom adligen Grunde, siedeln sich fortwährend viele Fronbauern auf Königsboden an. Die Hochlöbliche Landesstelle hat diese aufgefallene Auf­ nahme von Fronbauern, aus Requisition der Grundherren, den sächsischen Jurisdiktionen oft behoben und die Rückweisung derselben in die Komitate an ihre Grundherren mehr als ein­ mal ausdrücklich verlangt. In manchen Jahren, wie Anno 1817, war diese Herüberkunft, aus begreiflichen Ursachen, besonders groß. Wäre nun unter uns keine Unterkunft zu finden, so hätten auch diese flüchtigen Jobbagyen aus den Komitaten sie bei uns nicht gefunden. Durch diese Aufnahme und Zurück­ haltung dieser Jobbagyen auf sächsischem Boden vermehren wir zwar unter uns die Anzahl der arbeitenden Hände. Wir entziehen sie aber den löblichen Komitaten und erschweren über­ dies durch die Ausnahme fronpflichtiger Bauern, ohne die ge­ setzlichen Dimissionalien? auch die dortige Handhabung der Gerechtigkeit nicht wenig. Dieses ist nicht nur mit der eigent­ lichen Übersiedlung von Familienvätern noch immer der FaU, sondern auch mit Gesinde und Arbeitern. Nicht nur vermin­ dern sich hiedurch die auch in den Komitaten notwendigen und 1 Durch Annahme. - Entlassungsdokumente.

unentbehrlichen Arbeitskräfte, sondern es dienen überdies im Komitate daheim nur die Schwächeren, natürlich auch nur mit schwächern Kräften, ihren Grundherren, während die Stärkeren auswärts auf Königsboden arbeiten. Und hierinnen suche ich recht eigentlich die ausfallende Erscheinung, daß die herrlich­ sten Berge und Striche in den Komitaten nicht bebauet sind, daß die Gärten und Häuser der Jobbagyen von einer so großen Nachlässigkeit und Sorglosigkeit Zeugnis geben. Während sie sich immer beklagen, daß ihnen die Robotten keine Zeit ließen, für sich zu arbeiten, streichen sie über die Grenzen und bringen anderwärts ihr Leben zu, das sie durch Anpflanzung von edlen Obstbäumen usw. aus eine für sich und ihre Nachkommen nütz­ lichere und nachhaltigere Weise anwenden könnten. Ebenso ist es der gleiche Fall mit dem Gesinde. Statt sich dort unter Auf­ sicht ihrer Familien bei Bekannten einzudingen, kommen sie herüber, wo sie sich entweder durch Heurathen ihren Grund­ herrschaften entziehen und uns durch Winkelhut beschwerlich fallen usw., oder aber schlechter Eigenschaften wegen nirgends lange im Dienste verbleibend aus einem Orte zum andern sich unter dem Schein eines Dienstgesuches begeben, und als unsetzhafte Taglöhner und Tagediebe ein wahrhaftes herrenloses Gesindel abgeben, ohne Steuer und Gemeinlasten, das zu jeder Missetat die müßigen Hände willig darbietet. Mit diesen Leuten ist uns aber wahrhaft nicht gedient und der ganze Nutzen, den wir von Ansiedlern aus dem Komitate ziehen, ist nur ein scheinbarer. Denn die Arbeitsamen finiden im Komitate reichlichen Erwerb — die herüber kommen, weiden, ohne selbst oft nur eine Handbreit an Grundeigentum zu be­ sitzen, mit der Anmaßung eines gleichberechtigten Bewohners des Königsbodens mit ihrem Vieh die Felder der Deutschen ab und ziehen >es vor, bei den Schafen zu schlafen als zu arbei­ ten. Und wenn [e§] möglich wäre, würden sie alles Ackerland in Weideplatz verwandeln, da sie höchstens fürs Vieh eine Steuer zahlen, aber nicht für Acker und Wiesen, für die an-

bete — die Eigentümer — zahlen. Zu dem läßt sich von diesen Leuten weder in Sitten, noch in der Landwirtschaft was lernen. In die Stelle dieser minder gebildeten Übersiedler, Tag­ löhner und Dienstboten, ich sage in die Stelle dieser dem Ko­ mitatsboden gleichmäßig nötigen und entzogenen und dahin angewiesenen Arbeitskräfte können nun die aus angeführten Gründen der Kultur uns erforderlichen deutschen, fleißigeren und gesitteteren Einwanderer zu wahrhaften Ansiedlern und Bauern die Vermöglicheren, zu Gesinde aber und zu Taglöh­ nern die Aermern auf- und angenommen werden. Dem un­ leugbaren Bedürfnisse nach Händen, nach Vermehrung un­ serer Arbeitskräfte beim Ackerbau wird dadurch abgeholfen, ohne jedoch, wie jetzt, uns Hilfe auf Unkosten der Grundherr­ schaften in den Löbl. Komitaten zu verschaffen. Aus diesem Letztvorhergehenden ist aber nicht nur die gleichmäßige Borteilhaftigkeit für die Löbl. Komitate sowohl als für uns ein­ leuchtend, sondern es ist eben auch aus der tatsächlich statt­ findenden Einwanderung aus den Komitaten herüber auch das erwiesen, daß die einwandernden Württembevger bei uns Un­ terkunft ebenso finden werden wie die Jobbagyen aus den Komitaten Unterkunft finden. Einen ferneren Ausweis aber möglicher und wirklicher An­ käuflichkeit von Einwanderern unter uns liefert auch die all­ bekannte Erfahrung, daß an vielen Orten sowohl die kaiser­ liche Steuer als auch die Zivilschulden aus Mangel an Geld­ käufern [!] nicht eingetrieben werden können, viele Schuld­ herrn haben vieljährige Deliberate1 von den Gerichtsstellen in Händen und die exmittierten Sekretäre versuchen umsonst eine Versteigerung nach der andern: es hilft nichts, weil die bene possessionati,12 die allenfalls Geld hätten, eines Ankau­ fes von Liegenschaften nicht benötigen, und die minus bene possessionati3 kein Geld zu ihrer Verfügung in Bereitschaft 1 Erkenntnisse. 2 Die Bielbesitzenden. • Die Wenigbesitzenden.

haben, weil niemand von den Städten aus sein Geld auf das Land ausborgen will, weil die Unausführbarkeit der gericht­ lichen Exekutionen bei Feilbietung von Häusern und Feld­ gründen auf dem Land die Kreditlosigkeit in Betreff der Land­ leute zur Folge gehabt hat. Daß es aber nicht wenige, sondern mehrere solcher in Schul­ den und Steuerrückständen versunkene Dörfer gebe, kann ich als bekannt allhier voraussetzen — und solche Dörfer bieten dem Verkaufe aus freier Hand für die Einwanderer eine gute Gelegenheit dar — erwünscht auch für den Verkäufer selbst, weil bei vermehrter Nachfrage auch die Preise der Grundstücke dadurch in die Höhe gehen. Ich erwähne aus meiner näheren Bekanntschaft als solche verschuldete Ortschaften nur Baumgarten bei Hermannstadt, Kirtsch aber und Wölz im Mediascher Stuhle, über Seligstadt fällt mir eben jetzt ein Brief in die Hände, aus dem ich über alldort verkäufliche Hofund Wohnplätze folgendes ausziehe und um in Concreto die Verkäuflichkeit an einem Orte statt vieler nachzuweisen, hier im Auszuge wortgetreu gehorsamst beischließe.i Aus voranstehenden untertänigsten obigen Betrachtungen und Auseinandersetzungen unserer bäuerlichen Verhältnisse im allgemeinen und besonderen geht nun nicht nur die zu erwei­ sende Rätlichkeit und Nützlichkeit der Zulassung besserer aus­ ländischer Einwanderer oder unsere Bedürfnisse sattsam her­ vor, sondern es ist aus allem auch noch das klar, daß sich Ge­ legenheiten zu Meierstellen, zu eigentümlichen Ankäufen, Unterkünfte für Gesinde und Taglöhner unter uns genug vor­ finden. — Diese Gründe ließen es mir wünschenswert er­ scheinen, außer den 50 zu bestellenden Meierern auch noch an­ deren Württembergern die verlangte Auskunft und Ratschläge zu erteilen. Es ließ sich das aber nicht anders tun als durch 1 Der folgende Abschnitt ist von Roth später aber wieder gestrichen worden.

Rechtfertigungsschrift Bekanntgebungen, die auch von anderen gelesen und beherziget wurden. Als ich daher, bereits heimgekehrt und mit meinen Privat­ geschäften beschäftiget, durch viele mir nachgesendete Briefe aus Württemberg erfuhr, daß sich mehr Einwanderer zur Herein­ reise entschlossen hätten als ich geglaubt, so beantwortete ich alle diese an mich gerichtete Briefe auf eine und dieselbe Art, daß sie sich gedulden sollten, bis die früher Angemeldeten unterbracht worden wären. Mit diesen privaten Antworten begnügte ich mich erst nicht, sondern ließ eine Abmahnung zur weiteren Einwanderung im gelesensten Württembergischen Zei­ tungsblatte, dem Schwäbischen Merkur, förmlich einrücken, welcher abmahnende Artikel im Februar 1846 bereits auch erschienen sein soll. Ein früherer Brief mit derselben Annonce scheint verloren gegangen zu sein. Auf solche Art handelnd habe ich nur einen begründeten und wie ich glaube auch nicht zu tadelnden Eifer für die Wohlfahrt meines Landes und deutschen Volkes, das von Unkultivierten meistens umgeben ist, an den Tag gelegt, zugleich aber sowohl durch die angegebene Art der Beantwortung der Briefe, als auch durch die im Druck zur allgemeinen Kenntnis gebrachte Mahnung im Schwäbischen Merkur den Beweis für Berück­ sichtigung der Humanität und Beobachtung einer erwägenden und umsichtigen Klugheit, wie ich ebenfalls glaube, geliefert. Daß aber trotz dieser meiner Abmahnung und dem ohnerachtet ein Drang von Einwandernden stattfinden sollte, könnte viel­ leicht nur aus folgenden Ursachen zu erklären sein: 1. Württemberg leidet an zu großer Parzellierung des Grundeigentumes und ist dazu übervölkert. 2. Die Rückerinnerung der Deutschen auf die Zeiten weiland des H. Römischen Reiches und die damals empfundene und durch Tradition fortgepflegte Milde und Herzlichkeit der Aller­ durchlauchtigsten Kaiserlichen Familie.

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3. Der wunderbare allüberall sich äußernde Zeitinstinkt der Deutschen in die unteren Länder der Donau sich zu ziehen. 4. Endlich vermutlich auch die übertriebenen Berichte einiger Württembexger, welche teils kurz vor meiner Reise hereinge­ kommen, teils mir aus der Ferse folgten und beliebige Berichte an ihre Angehörigen hinausgesendet haben mögen: welcher Be­ richte ihr Erfolg [!] jedoch auf ihre Rechnung zu setzen sein wird. Die von mir in den Württembergischen Blättern dieserwegen eingerückten Artikel hat die Hohe Kaiserliche Gesandtschaft in Stuttgart, welche ich teils selbst hintrug, teils auch da vorfand, niemals getadelt, und ich habe mich mit der dort vernommenen Aeußerung beruhigt, daß kein Einwanderer in die ibftr. Kais. Staaten aufgenommen werde, welcher sich nicht mit einem Mi­ nimum von Fl. 300 RW. an Barschaft ausgewiesen habe. Bei meiner Abreise hatte ich nicht einmal für alle schriftlichen Kon­ trakte die gehörige Anzahl Meier zugesichert bekommen. Alle meine Auseinandersetzungen hiesiger Verhältnisse sind wahr und nach meiner besten Überzeugung geschrieben, und gereichen weder dem Land noch der Regierung zur Uttel)re. Mögen sie für mich erwünschte oder unerwünschte Folgen haben — ich habe es als ehrlicher Mann überall gesagt und auch drucken lassen, daß ich als bloße Privatperson, ohne anderen Auftrag, handle und nur Rat und Auskunft erteile usw. Für die Folgen solcher statistischen und geographischen Aeußerungen, glaube ich aber, kann ein Autor nicht verantwortlich gemacht werden. Eine treue Schilderung unserer glücklicheren Landes­ verhältnisse, so wie ich sie nämlich gegeben, habe ich aber inner­ halb der Befugnis und des Rechtes eines das allgemeine Beste befördern wollenden treuen Untertanen gehalten. Dieses aber umso mehr, als zu wiederholten Malen die Allerhöchste Re­ gierung selbst durch Einwanderung von deutschen Kolonisten als Salzburger, Durlacher dieses Element zu stärken beflissen gewesen ist, weil Bienenstöcke umso mehr wert sind, als mehrere

Arbeitsbienen darinnen fleißig sind. Auch hat die allgemeine Augsburger Zeitung, die durch einen besonderen Abdruck für die österreichischen Provinzen als halbosfizielles Blatt anzu­ sehen ist, nur im Jahre 1842 zu Einwanderungen nach Sieben­ bürgen förmlich aufgefordert. Zwischen diesen und meinen Be­ kanntmachungen besteht der einzige Unterschied, daß jene ano­ nym und mehr im allgemeinen auf eine massenhafte Einwan­ derung nach Siebenbürgen gerichtet ist — während meine Auf­ sätze mit meines Namens Unterschrift und auf einen praktischen, sogar privatrechtlich bezüglich der in seinen Händen befindlichen Meierverträge sichergestellten Zweck gerichtet werden. Ja, die Allerhöchste Regierung hat nur in jüngster Zeit eine Anfrage im Land wegen deutschen Einwanderern ergehen lassen. So hat die löbliche Nationsuniversität unterm 3. Oktober 844 ihre auch im Druck veröffentlichte Erklärung betreffs einer ähnlichen Anfrage eben der Württembergischen Regierung der H. Landesstelle unterlegt. Setzte ich also bei diesen letzten An­ fragen der Allerhöchsten Regierung, wie ich glaube, konsequen­ terweise die Neigung ebendieser Allerhöchsten Regierung vor­ aus, dem Lande noch deutsche Einwanderer zu verschaffen, so konnte mir, bei solchen Anhaltspunkten, ein förmlicher Auf­ trag von irgend einer Seite nie ein so unumgängliche Erfor­ dernis erscheinen, da eben die schönste Seite des Patriotismus auch darinnen besteht, in der Seel« der Regierung zu lesen und auch ohne äußern Anstoß aus innerer Selbstbestimmung zu handeln. Für die sich wirklich Gemeldeten wird hoffentlich der zur Hebung der Landwirtschaft gegründete und auch von Seiner Allerheiligsten Majestät im verflossenen Jahre bestätigte Ver­ ein möglichste Vorsorge tragen. Vorkehrungen und einleitende Maßregeln sind getroffen worden. Wie aber immer solche Ein­ wanderungen geleitet und gelenket werden; an Mißverständ­ nissen und Verlegenheiten hat es bei solchen Gelegenheiten niemals gefehlet. Diese hätten sich die Einwanderer nur selbst

zuzuschreiben, unüberwindlich werden sie ohnedem nicht sein und werden vorübergehen, die segensreichsten Folgen werden aber für Land, Volk und die Allerhöchste Regierung bleiben. Zum Schlüsse: da ich in meinem Vorgehen nicht nur einen Fehler einerseits nicht wahrzunehmen vermag, andererseits bei der Aufforderung, mich zu rechtfertigen, eine artikulierte An­ schuldigung und die Vorschrift, gegen die ich verstoßen haben könnte, nicht angegeben worden; so gebe ich mich der tröstlichen Überzeugung hin, durch meine obenberührten Schritte keinen Fehler begangen zu haben, mich folglich deswegen nicht sowohl entschuldigen müsse, als vielmehr eine Aufklärung über die Motive anmit erstatten zu sollen. Indem ich aber auch bei diesem Schlüsse Seiner Allerheilig­ sten Majestät ein ganz getreuer und allergehorsamster Unter­ tan zu sein und zeitlebens zu bleiben versichere, verharre ich in vollkommenster Ehrerbietung Euerer Hochwürden, Hochzuverehvendester Herr Superintendent Gehorsamster Diener Steph. Ludwig Roth mpo., ev. Ortspfarrer. Von Nimesch. An Einen Löblichen BezirksVerein für Hebung der Landwirtschaft in Mühlbach?

Nimesch, am 15. März 1846.

Löblicher Bezirksverein! Bei der eigentümlichen Stellung, die ich in Anwendung von Einwanderern eingenommen, und bei der Verantwortlichkeit, die ich in Betreff ihrer Unterbrin1 Aufbewahrt in der Mühlbacher Ghmnasialbibliothek. Einen gleichlautenden Brief schrieb Roth am selben Tage, ebenfalls eigen­ händig, dem Bezirksverein in Reutzmarkt. Beide Briefe sind am Kopf durch einen lithographischen Druck geschmückt. Dieser zeigt oben zwischen Weinlaub das Jahr der Gründung des Landwirtschafts-

(jung übernommen habe, wird Ein Löblicher Bezirksverein so gütig sein und mich entschuldigen, wenn ich mir die Bitte er­ laube: gegen die baldige Ankunft unserer lieben Gäste die ge­ eigneten Maßregeln, teils vorübergehender, teils bleibender Art, in Bälde treffen zu wollen, welche geeignet wären ihnen den hiesigen Aufenthalt annehmlich zu machen, damit sie blei­ ben können und mit uns Eins werden. Gedenken wir, daß wir weiland auch Fremdlinge waren! 3 Mos. 19. 34. Um wenigstens mutmaßlich und einigermaßen mir einen Ueberschlag machen zu können von der Anzahl derjenigen, welche sich in den einzelnen Kreisen als Eigentümer, Pächter, Meier, Gesinde oder Taglöhner vermutlich ansiedeln könnten, wäre mir sehr erwünscht, wenn Ein Löblicher Bezirksverein die freundschaftliche Gefälligkeit haben wollte, mir, wann und wenn es ihm beliebt, auf irgend eine Art zu wissen tun zu lassen, ohngefähr wie viele Familien int dortigen Bezirke mögen Auf- und Annahme finden. Da außer denjenigen, welche sich haben einschreiben lassen, noch andere kommen, welche dieses nicht getan haben; so weiß ich eigentlich selbst die bestimmte Zahl der Einwandernden nicht. So viel ist aber gewiß, daß es eine hinreichende Zahl sein wird. Sollte jedoch demohnerachtet Vereines und der Reise Roths: 1845. In der Mitte steht der Brabanter Pflug mit dem blechernen Rüster und dem Stelzfuß. Er ruht auf einer aufgeschlagenen Bibel, auf deren Blättern die An­ gäbe zu lesen ist: I. B. Mose, 3. Cap. 19. v. Ringsum ökonomische Pflanzen. Unter dem Bild der Spruch: „Wer für die Gegenwart sorgt, rettet die Zukunft". Zwischen den beiden Teilen dieses Satzes zwei Hände, die sich zum Händedruck umfassen. — Roth hatte den Stein in Württemberg anfertigen lassen. (S. S. 111, Anm. 2). Jetzt schenkte er ihn (ant 13. März 1846) „dem Mühlbächer Bezirksverein zum Andenken auf ewige Zeiten daran, daß der sächsische landwirt­ schaftliche Verein in den Mauern dieser lieben Schwesterstadt in sein vollkommenes Leben und in seine Wirksamkeit getreten ist... Ab­ drücke an der Stirne von Briefen erinnern jeden, den Schreiber als den Leser, an die Aufgabe und die Bestimmung unserer Zeit".

noch irgend ein Platz zur Besetzung offen bleiben, welcher also dermalen nicht besetzt werden könnte, so würde halt der Immen seiner Zeit noch einen zweiten Schwarm lassen müssen. Die einzelnen Bezirksvereine haben zwar bereits manches und auf mancherlei Weise getan: es dürfte aber das, was bis­ her geschehen, doch noch nicht ausreichen und eine größere Aus­ dehnung der Voranstalten immer noch wünschenswert sein. Um nun hierinnen teils andere zu lehren, teils von andern Kreisen zu lernen; halte ich, nach dem Sprüchworte: Oculi plus vidfint, quam oculus,1 für sehr zweckförderlich: Eine Zwischen ko rrespondenz unter den Bezirksver­ einen untereinander unmaßgeblich vorzuschlagen. Es hätte also ohngefähr der einzelne Bezirksverein an die übri­ gen: Mitteilungen zu machen über die Anzahl der Aufgenommenwerdenden — über die Hindernisse, die zu überwinden gewesen oder noch hindernd im Wege stehen — über die Art und Weise, wie sich die Teilnahme geäußert und die Gleich­ gültigkeit mitzgeberdet habe — über die wirksamsten Mittel, die zum Ziele geführt, über Wünsche, Pläne, Hoffnungen und Befürchtungen usw. usw. Während so andere erfahren, was wir getan, erfährt man hier, was dort geschehen: alles zur Lehre, Nutz, Klugheit und Frommen. Dieses schärft und er­ weitert den Blick, erwärmt das Herz — die Summe ist: das Gefühl und das Bewußtsein, daß wir Ein Leib sind, wächst. Während in absoluten Staaten alle Einsicht, Wille und Leben vom einzigen Zentvo ausgehet, ist im Volksleben die Haupt­ sache, daß sich die Glieder untereinander raten, warnen, er­ muntern, beloben und tadeln. Hat ein Bezirksverein dem an­ dern, ohne Ambages,12 wie ein Bruder dem andern ehrlich und doch fürsichtig das Meritum geschrieben — wie muß es andere freuen, zu wissen, was sonst geschehen, und wie interessant 1 Zwei Augen sehen mehr als ein Auge. 2 Franz. Umschweife, Weitläufigkeiten.

mutz es sein, nun brüderlicher Antwort von anderen Seiten entgegenzusehen! Zu Mitteilungen an die Zeitungen rate ich nicht. Wie gute Eheleute ihre inneren Angelegenheiten nicht ins Nachbarhaus zur Kritik tragen, so wollen auch wir, weder die Gazetta de la Transsylvanie noch den Hiradö zu Darüberäutzerungen ver­ anlassen. Indem ich dieser meiner Freiheit wegen um Verzeihung bitte, verbleibe in brüderlicher Liebe und Hochachtung, mich wegen flüchtiger Handschrift möglichst entschuldigend, Eines Löblichen Bezirksvereines gehorsamster Diener St. L. Roth, cb. Pfarrer. (Peter Wolf an St. L. Roth.')

Tübingen, 16. März 1846.

Wohlehrwürdiger Herr! Ich eile Ihnen von dem Stande der Auswanderung Nachricht zu geben. Als Ihre Anzeige, datz für diesmal sich genug gemeldet hätten, am 14. Februar erschien, hatten sich schon über 500, teils ziemlich begüterte Familienväter, zur Auswanderung gemeldet. 182 derselben haben sich später Empfehlungsschreiben an den Verein von mir abgeholt, die übrigen sind von ihrem Vorhaben entweder abgegangen, oder nach Amerika ausgewandert. Die Ursachen sind folgende: 1. Es sollen von im Herbst Eingewanderten Briefe nach Württemberg gekommen sein, welche angeben, man habe sich ihrer dort nicht angenommen und sie ihrem Schicksal überlassen; 2. Der Schwäb. Merkur und Schwarzwälder Bote suchen auf alle Art die Einwanderung zu verdächtigen /so z. B. vom 17. Februar/; 3. Dieses und ähnliches hat nun die Regierung, welche schon längst mit scheelen Augen diese Be­ wegungen, woran ich und Sie nicht Schuld haben, betrachtete, 1 Handschriftlich nicht erhalten. Die Briefstelle ist nur durch Grä­ ser (S. 111 f. seines S. 116, Anm. 1 angegebenen Merkchens) über­ liefert worden.

veranlaßt einzuschreiten. Am 25. Februar wurde ich vor die hiesige Stadtdivektion zitiert, welche mich im Auftrag des Ministeriums des Innern über meinen Charakter, über meine Beteiligung bei der Auswanderung, und in welcher Eigen­ schaft ich, ob als Privatmann oder im Auftrage einer Gesell­ schaft agiere, befragt. Antwort: ich bin Student, agiere in Angelegenheit der Auswanderung als Privatmann und als Bekannter des Pfarrers Roth und bin in dieser Beziehung demselben und niemand anderm ein« Verantwortung schuldig. — In einigen Tagen darauf wurde ich wieder vorgerufen und mir, im Aufträge des Ministeriums eröffnet, daß ich mich in Zukunft alles Einflusses aus die Auswanderung begeben, oder das Land zu verlassen habe. Was sollte ich nun machen? Ich blieb und hielt das Maul. Da aber die Auswanderung nach Siebenbürgen hier ohnehin zum Tagesgespräch geworden und dies Frühjahr ohnehin 200—300 Familien nach Siebenbürgen gehen, so braucht man in dieser Beziehung nichts mehr zu tun, die Eingewanderten werden, wenn selbigen unsere Verhält­ nisse zusagen, schon herausschreiben und ihre Verwandten zu sich ziehen........ Peter Wolf. Herrn Schullehrer Friedrich Dengler in Waldhausen.

Nimesch, den 11. Mai 1846.

Wohlgeschätzter Herr! Auf die Stockung der Einwanderung nach Siebenbürgen haben die verschiedensten Ursachen einge­ wirkt. Sie sind mir alle wohlbekannt. Erst nach dem Ende Mai werde ich in den Stand gesetzt, diese abenteuerlichen Gerüchte faktisch widerlegen zu können. Einstweilen kann meine Aus­ einandersetzung in den Württembergischen Zeitungen, wie ich solche bei meiner Anwesenheit im vorigen Jahre im Druck er­ scheinen ließ, als klare und unverfälschte Darstellung von jedem Wahrheitsuchenden benützt werden. Ich stehe für deren unge­ schminkte Wahrhaftigkeit. Sehr wenige Einwanderer haben mich, bei ihrer Ankunft,

tun Rat gefragt, alle aber, die mir in den Wurf gekommen sind, sind zu ihrer Zufriedenheit untergebracht worden. Und jetzt erst, wo unsere Landleute mit den Einwanderern durch näheren Umgang vertrauter geworden sind, entsteht recht eigentlich bei diesen «in Verlangen nach einer größeren Auswanderung. Wenn aber Württembergische Kommunitäten, um der Lumpen frei zu werden, alles Kehricht uns zuschicken, so danken wir für solche Freundschaft. Sie schaden den Guten und der guten Sache. Einige dieser bettlen am Tage und saufen sich abends steif, wie Pistolen. Mit solchen ist uns nicht gedient. Vermögen, einiges — Sittenveinheit und Geschicklichkeit sind uns er­ wünschte und willkommene Eigenschaften. Mein Agent, Herr Peter Wolf, hat Sie in Betreff der Ober­ lehrer /Schulmeister/ allerdings recht berichtet. Diese hängen von der Wahl der Kommunitäten ab, jedoch kann die Kom­ munität nur den wählen, der vom Pfarrer vorgeschlagen wird usw. Die Unterlehrer aber, Kantoren, Kollaboratoren genannt, ernennt der Schulmeister einverständlich mit dem Pfarrer. Hier also hat der Pfarrer ziemlich freie Hand — nur vermeidet der Pfarrer gern jeden Konflikt. In meiner Gegend ist der Schullohn sehr schwach: der Lehrer kann davon nicht leben, wenn er nur einigermaßen Bedürfnisse über das tägliche Brod hat. Demvhnerachtet rate ich Ihnen zur Hereinreise,* teils um dem Wunsche Ihrer Schwester ein Genüge zu leisten, teils aber 1 Dengler folgt« diesem Rat. Am 26. Oft. 1846 langte er aus Württemberg in Rimesch an. Roth machte ihn zum Mädchenlehrer und ließ zwei eigene Kinder, einen Knaben und ein Mädchen, von ihm erziehen. Als Roth Pfarrer von Meschen wurde, nahm er ihn dorthin als Hauslehrer mit. Am 17. Nov. 1847 ging Dengler als Gemeindelehrer nach Kleinschelfen. Seine Dankbarkeit und seine Ver­ ehrung Roth gegenüber haben ihren Niederschlag gefunden in den aufschlußreichen „Skizzen aus dem Privat- und Familienleben St. L. Roths", erschienen ohne Angabe des Verfassers im „Schul- und Ktrchenboten für das Sachsenland", herausgegeben von Franz Obert, Hermannstadt, 1870, V. Jahrg. Nr. 9, S. 259-262 und Nr. 10, S. 259-262.

einen Versuch mit auswärtigen Lehrern zu machen. Ich garantiere Ihnen Kost, Quartier, gratis das Holz, und etwa f. 100.— W. W. was in Württembergischen Gelde etwa f. 50.— ausmacht. Es könnte diese Summe leicht auch auf das Doppelte steigen, wenn Ihre Persönlichkeit zusagt. Da nun hier alles wohlfeil ist, also das Geld mindestens die doppelte Kraft bei gleichem Nennwerte hat, so können Sie vor der Hand mit meinem Antrage zufrieden sein. Dann nehme ich Sie auf Nimesch selbst: denn hier kann ich, was ich verspreche, auch leisten. Ich würde Sie hier zum Mädchönlehrer machen, was ich vermag — und nebenbei eines meiner Kinder in den Unter­ richt geben. Nun müssen Sie sich bald äußern, daß Ihre Ant­ wort mir bis Anfang August zu Händen wäre. Bis End« Oktober müßten Sie aber selbst ganz sicher in Loco sein, denn mit dem 1. November gehen die Winterschulen an. und ich will weder foppen, noch gefoppt werden. Was ich sonst zu Ihrem weiteren Fortkommen tun kann, soll ehrlich ge­ schehen. Wenn Sie ledig sind, so ist alles leichter. Ist Ihnen das Christentum eine Kraft, so bekommen Sie hier eine Ge­ legenheit mit Ihren Pfunden zu wuchern. Ich selbst habe eine kleine Station, aber Gott gibt mir mehr als ich verdiene. Gehen Missionäre unter die Heiden in Lebensgefahr — hier ist ja auch Christi Werk und keine Gefahr. Prüfen Sie sich — der Schritt ist zu wichtig, um ohne Überlegung zu handlen. Gott aber rate Ihnen, und zeige Ihnen den besten Weg für Ihr Leibes- und Seelenheil. In aller Achtung und Liebe Ihr wohl­ meinender Freund Steph. Ludw. Roth, ev. Pf. in Nimesch bei Mediassch. N. S. 1. Ich habe mit Fleiß dünnes Papier genommen und Platz gelassen, damit Ihr Bruder was einschreiben kann? 2. Selbst, wenn Sie nicht kommen, schreiben Sie — unfrankiert. UM

1 Das ist aber nicht geschehen. Ein Teil des Briefpapieres ist un­ beschrieben.

Der Mühlbacher Trinkspruch? 1. Fassung. Meine lieben Brüder! In unserm Vaterlande befinden sich 3 Stände: Adel, Bür­ ger und Untertanen. Der Adel ist das positive Recht und das humane Unrecht. Der Untertan ist im humanen Recht und int positiven Unrecht. Wir Deutschen als Mittelstand haben in unserer schönen Ver­ fassung beide Rechte ohne die beiden Unrechte vereinigt: Wir haben das positive Recht für uns, wie das Recht der Humani­ tär. Unsere Aufgabe ist in hiesigen Landen die Rolle eines Ver­ mittlers zu spielen. Die Aufgabe ist schön, zum Lohn werden wir den Undank haben, wie Schiedsrichter gewöhnlich zu ernten pflegen und auch uns zu Teil wird auch in neuester Zeit. Diese Rolle ist uns von der Vorsehung angewiesen: es ist ein gött­ liches Werk, wenn wir diese Gegensätze auszugleichen suchen. Dazu bedarf die Nation einer festen Stellung. Diese feste 1 Zu Pfingsten 1846 nahm Roth an der 5. Generalversammlung des Vereins für siebenbürgische Landeskunde in Mühlbach teil. Dort hielt er einen aufsehenerregenden Trinkspruch. Er ist in mehreren Fassungen erhalten. Die erste Fassung ist von Roths'eigener Hand fast ohne Verbesserungen auf einem Foliobogen aufgezeichnet, der in der linken oberen Ecke den Vermerk „Mühlbach" trägt. Er wird in der Mühlbacher Gymnasialbibliothek verwahrt. Die zweite, bedeutend umfangreichere Fassung, stammt ebenfalls von Roth; die Quartbogen, auf denen sie aufgezeichnet ist, enthalten aber viele Verbesserungen. Eine Anrede findet sich dort nicht, dafür der Titel „Trinkspruch". Leider ist diese zweite Fassung nicht ganz vollständig. Der Rest derselben mutzte daher hier von der vermerkten Stelle weiter einer der drei Abschriften des Trinkspruches entnommen werden, die sich von fremder Hand im Nachlasse befinden. Bemer­ kenswert, datz auch diese Abschriften nicht völlig miteinander über­ einstimmen. Man dürfte heute also vergebens den von Roth wirklich gesprochenen Wortlaut seiner Rede wiederherzustellen bemüht sein.

Stellung, äußere Stärke, diese Kraft der Beherrschung dev Verhältnisse wünsche ich meinem deutschen Bürgervolke, zu Gunsten des ganzen Landes. Allen ists ein Bedürfnis, eine Wohtat! Es lebe das freie Bürgervolk der Sachsen: es lebe die sächsische Nation! Hoch! — Mein« Herren! Noch einmal nimm ich das Glas zur Hand mit einem zwar klopfenden Herzen, aber im klaren Bewußtsein des Zieles und der Wege. Die einzig mögliche Ausgleichung zwischen Untertan und Adel kann nur auf bürgerlichen Grundlagen vor sich gehen. Denn unsere Verfassung ist die ewige, die unsterbliche, die unvergängliche, weil sie aus die ewige Rechtsidve selbst gebauet ist. So lange es Menschen geben wird, wird diese Ver­ fassung die Hochachtung haben vor dem Adel, wird sie ein Begehren sein der Untertanen — während die Institutionen des Adels und die Rechtsverhältnisse der Untertanen immer der Gewalt bedürfen, um aufrecht erhalten zu werden. Eben weil sie bloß auf historischem Boden gewachsen sind, sind sie die vergänglichen, die wandelbaren, die sterblichen. Zwischen Adel und Untertanen ist nie ein innerer Frieden in der Brust. Der Zustand selbst sucht sich auszugleichen, sucht sich ins Gleichgewicht zu setzen. Dieses lehrt die Geschichte, dieses die neueste Gegenwart, ein banges Gefühl ahnet ein solches von der Zukunft. Eine Veränderung wird erfolgen, sie soll erfolgen, sie muß erfolgen. Aber nicht aus dem Wege der Gewalt, nicht mit dem Unrecht soll das heilige Recht ein­ geführt werden, sondern auf dem Wege der Verhandlungen, der Nachgiebigkeit, der Billigkeit. Beide Gegensätze müssen sich unseren Zuständen nähern. Der Adel mutz herunter zu uns — der Untertan muß hinauf zu uns. Dem Bürgertum« gehöret die ganze Zukunft der Welt. Denn, wenn die Humanität die sozialen Verhältnisse beherrscht und alle Bewohner wahre

Staatsbürger sind, wird Friede innen und außen sein, Wohl­ stand und Zufriedenheit, ein glückliches und seliges Leben auf Erden. Diesen Zustand herbeizuführen hat uns Deutsche sicher die Vorsehung gesendet. Dieses ist eine der Aufgaben unseres Volkes: dieses ist auch für mich eine Aufgabe meines Lebens. Der Preis ist zu hoch, um Leben und vergäng­ liches Gut in Berechnung zu ziehen. Drum wer Kraft fühlt, lege die Hand ans Friedenswerk, entschlossen alles dafür in die Schanze zu schlagen. Und wenn ich hundertmal den Hals dar­ über brechen sollte — diesem Gedanken gehöre ich an mit Leib und Leben. Zu diesem Werk einer friedlichen Ausgleichung und Versöhnung der schroffen bürgerlichen Gegensätze gehöret Charakter, gehören Männer von Gesinnung. Ich trinke auf das Wohlsein der Männer von Charakter und Gesinnung. Vivat!

2. Fassung. In unserem Vaterlands machen sich besonders drei rechtliche Unterscheidungen geltend. Ich meine nicht das Zungenrecht, da alle, in dem Bekenntnisse der W a h r h e i t, Gott den Herrn preisen sollen: ich rede nicht vom rechtlichen Besitze ungleich verteilter irdischer Güter, denn darum sind sie von der gött­ lichen Gnade in verschiedenen Maaßen ausgeteilt, damit die Liebe Raum habe, aus dem Haufen die Gruben auszufüllen. Mir schweben dermalen andere drei Unterscheidungen vor der Seele, die drei Unterschiede des Rechtes an Rechten: im Adel — im Bürgertum — und in der Untertanenschaft. Da Un­ terschiede und Verschiedenheiten auf Vergleichungen der Merk­ male beruhen, die gemeinschaftlich oder verschieden sind, so laufen diese drei Stände in diesem einen Merkmale zusammen, daß sie, alle drei, Kinder einer und derselben Landesmutter und Kinder eines von allen gleichzuverehrenden Landesvaters sind. An Rechten aber auf Rechte sind sie alle drei voneinander ver-

schieden. Die Rechte aber, die das tertium comparationis 1 2 ausmachen, sind entweder in der Geschichte entstanden, darum historische, oder, was dasselbe ist, von Menschen gesetzte Ge­ setze: oder sie werden, weil sie vor aller Geschichte, in dem Urbild, in dem Jdealitätsvermögen des Menschen, der Ver­ nunft, liegen, ursprüngliche, ideale, philosophische oder Ver­ nunftrechte genannt. Das ideale Recht hat Gottesfinger selbst ins Menschenherz geschrieben — es ist ein g ö t t l i ch e s Recht: das historische Recht oder Gesetze sind bald mehr, bald min­ dertreue Abschriften, Auslegungen und Anwendungen jenes göttlichen Urrechtes, menschliche Gesetze. In dunklen Zei­ ten konnte das Menschenauge nur die Unzialbuchstaben- der Urschrift erkennen und in Zeiten der Gewalt wollte das stolze und trotzige Menschenherz für sich allejijn von allem Rechte Gebrauch machen, ließ daher dem Nebenmenschen nur so viel an Recht, daß er für ihn arbeiten konnte. In diese Zeit der Finsternis, wo die Urschrift unlesbar war, in diese Zeit der Gewalt, wo der Gesetzgeber nur für s i ch abschrieb — fällt die Zeit des Faustrechtes, des Mittelalters mit seinem Jus pri­ mae noctis,3 mit seiner Leibeigenschaft, mit Menschenkauf und Menschenraub. In diesem schaurigen Gemälde sind die grell­ sten Farben bereits verblichen. Das mütterliche Herz der Her­ zenskönigin Maria Theresia machte aus der Menschenpflanze eines glebae adscripti4 einen wandelbaren Menschen und der philosophische Kaiser Joseph erklärte aus dem Urtext, daß dem Untertanen: der ihm früher nicht zugehörige Leib nun sein eigen sei. Von Jahr zu Jahr wird die Memnonssäule lebendi­ ger, je wärmer die Sonne sie bescheint, und im steinernen 1 Den Vergleichungspunkt. 2 Ursprünglich die einen Zoll (uncia) hohen Buchstaben, die inan meist zu Inschriften auf Denkmälern usw. anwendete, damit sie schon in der Entfernung in die Augen fielen. 8 Das Recht auf die erste Nacht. * Der Scholle Verschriebenen.

Gesetz fühlen sich die Pulsschläge der Menschlichkeit mehr und mehr. Das Licht der Aufklärung beleuchtet immer besser, die innere göttliche Urschrift der Rechte — sie wird lesbarer: und Christus, der historische Gott, bezeugt seine Allmacht, Herr­ lichkeit und ewiges Leben, trotz des Geschreies über gottlose Zeiten, dadurch immer mehr, daß sich in der Humanität der Gesetzgebungen sein Reich täglich erweitert. Aber noch fällt das historische und ideale Recht nicht so in Eins zusammen, wie 2 Dreiecke von gleichen Seiten und gleichen Winkeln, wenn sie aufeinandergelegt werden, sich decken. Noch immer ist der Adel ein positives Recht und ein humanes Unrecht — die Un­ tertanen ein humanes Recht zwar, aber ein positives Unrecht. Im Bürgertum sind beide Rechte, ohne die beiden Unrechte, int Prinzip gelöset. Ist nun gleich auf irdischem Boden, als Wirklichkeit, eine vollkommene Gleichheit dieser beiden Rechte nirgends noch vorhanden, so ist doch das Plätzchen, wo sich beide Rechte Heurathsanträge, wie Mann und Frau, zu künf­ tiger ehelicher Einheit machen, dermalen darum schon ein hei­ liger Boden, der würdig ist, daß man die Schuhe auszieht, wenn man ihn betritt: auf diesem Hochzeitsballe wird Sä­ bel und Keule abgelegt und die Tanzenden tragen weder Sporn noch Bundschuhe. Wie seliger wird erst dann Land und all' Menschenvolk sein, wenn in dem ganzen Hügelland, von einem Ende bis zum andern, diese beiden Rechte die Menschensprache reden, und die sich anderwärts noch den Rücken kehren, von der Weisheit und der Zeit zusammengeführt, als wirkliche, durch das Sakrament der Liebe kopulierte Eheleute liebend sich in die Arme fallen. Dieses himmlische Jerusalem werden wir Anwesenden freilich nicht erleben, auch unsere Kinder werden in dieser Gottesstadt nicht wohnen, aber, nach dem Grundriß dazu, den wir in unserer bürgerlichen, germani­ schen Verfassung haben, wollen wir in der einen Hand das Schwert, in der andern Mörtelkelle und Richtmaß haltend fröhlich, unbeirret und unermüdet daran bauen. Wir bauen

aber schon, wenn wir für Gegenwart und Zukunft unsere Ver­ fassung als Beispiel erhalten und anderen zum Spiegel vor­ halten. Historisch ist unserer Verfassung dieselbe Aufgabe ge­ stellt wie dem Mosaischen Gesetz, durch Festhaltung daran die Möglichkeit besserer Zeiten zu erhalten, bis dem Moses seine verhüllende Decke vom Gesichte fällt und Christus den Ar­ men das Evangelium predigt und das erfüllt, worauf die Tafeln der Väter wiesen und einst alle Menschen zur voll­ kommenen Freiheit der Liebe in der Kindschast Gottes gelan­ gen. Diese Offenbarung des Gottesrechtes im Menschenleben ist hier zu Lande zunächst an die Erhaltung des Deutschtumes, an die Berbleibung unserer Verfassung, an unser Dasein ge­ bunden. Zu dieser Absicht hat sich hier historisch unsere Ver­ fassung gebildet und derselbe König Andreas II., der das ir­ dische Jerusalem nicht erobern konnte und nur leere Wasser­ krüge nach Hause brachte, hat, von Gotteshand geführt, unter unsere goldne Verfassung sein königliches Vidi1 geschrieben, darum hat sein Sohn Bela IV. die Ritter verabschiedet, weil sie das Bürgertum zu einem Priesterlehn verpfuschen wollten usw. Kurz, um einst allgemein zu werden, hat uns die Vor­ sehung hieher, in die Mitte zwischen den Adel und Fron­ pflichtige, nicht nur als lösbares, sondern als gelöstes Pro­ blem hingestellt. Die Möglichkeit die beiden Rechte, historische mit dem ideellen, zu vereinigen, ist hier als Wirklichkeit vor­ handen. So ist uns von ungrischen Königen das Recht, die Rechte, so bereits Gott uns als Menschen gegeben, in einer Wüstenei auszuüben erlaubt worden, und dadurch aus unse­ rem göttlichen Rechte auch ein historisches gemacht. So be­ sitzen wir denn das Recht der Urschrift auch in der besiegelten Abschrift von Königen — haben also beide Rechte beisammen, stehen daher auf historischem Boden mit dem Adel und auf dem Rechtsgebiete der Humanität zur Seite der Untertanen, 1 Gesehen.

sind auch deswegen in die Mitte beider gestellt, der beiden Stände wahrhafte Freunde, doch jedem nur darin, wo er Recht hat: können aber, solange im Adel wie im Untertanen historische und ideelle Rechte im Mißverhältnisse stehn, keinen Stand ausscheidend lieben und den andern hassen, keinem allein anhangen und den andern verfolgen. Darum trifft uns auch das Los, daß wir keinem von beiden ganz gefallen, obgleich wir» mit beiden Händen sie heranziehend, durch eine Vermitt­ lung ihnen beiden nützlich sein und dienen wollen. Undank und Verdruß ist der Welt Dank, wir haben ihn zu erwarten und erhalten ein Los, das allen Versöhnern und Schiedsrich­ tern fällt. Es soll uns dies aber nicht irren noch abhalten, weil es leicht erklärlich ist, daß diejenigen, welche die Abschrift für die Urschrift haltend in der Welt nur Herren kennen als ihresgleichen neben sich und außer diesen nur Knechte unter sich, daß diese darein sich nicht finden können, wenn sie auf Menschen stoßen, die nicht Herren sind und doch nicht Knechte sein wollen: wiederum müssen wir es anderen verzeihen, wenn sie in der Sündflut adliger Vorrechte beinahe ersaufend mit dem bloßen Menschenrechte auf die sächsische Insel der Frei­ heit gelangen, daselbst nun vom historischen Rechte wenig wis­ sen wollen und nun aus trocknem festen Rechtsboden für ihr Wohlsein dadurch zu sorgen aufgefordert werden oder geneigt sind, den gastlichen Inselbewohner zu verdrängen oder gar ins Wasser zu werfen. Aus dieser Einseitigkeit der Rechtsan­ sicht und Rechtserfahrung entspringen die alten und neuen Bestrebungen des Adels, den Bürgerstand zum Träger aller Landeslasten zu machen. Daraus entspringen andererseits die Gelüste nach agrarischen Gesetzen im herübergesiedelten Unter­ tanen, der nun feist und rot in demj. Hause Herr sein will, wo man ihm, dem jüngst vergelbten und ausgemagerten, gast­ lich das Brod brach. Dort Übermut aus Überfluß historischer Vorrechte; hier Unverschämtheit aus langer Entbehrung histo­ rischen Rechtes.

Wir ehren und achten das historische Recht im Adel: sei er ein Eichenwald, alt, stark, majestätisch: aber wir Deutsche haben erst Circeische^ Tränke zu trinken, um Eicheln unter diesen Asten aufzuklauben. — Ist der Adel Eichenwald, so gleichet der arme Stand der Untertanen dem niederen Ge­ sträuch der Kartoffeln, an sich haltlos und für nichts geach­ tet, und nur darin von Wert, in wie weit sie Knollen für andere tragen: Wohl uns, daß wir, als Reben, zwar niederer als Eichen, ^ vor den Kartoffeln die höhere und edlere Pslanzenart voraushaben und um den Stecken des Gesetzes uns anlegend süße Trauben und geistigen Wein tragen. Möge auch dermalen, in diesen Zeiten der Sprach- und Sinnverwirrung, in der Krisis, wo in den scheintoten Stän­ den die Landtäge wie aufgelegte Blasenpflaster alle Lebens­ tätigkeit aufgeregt haben, die beiden ofterwähnten Rechtszu­ stände eine drohende Sprache gegen uns führen — wenn die drei Schläfer verschiedener Rechte in einem Bette lagen und er­ wachend sich gegenseitig gähnend Hände und Füße dehnen und strecken, trifft es sich wohl, daß die noch Schlaftrunke­ nen sich mit Händen und Füßen stoßen oder schlagen. Wischt sich nun der adlige Schläfer die lange verschlossen gebliebe­ nen Augen aus und sieht im erwachenden Zustand, daß Zeit und Welt, während er schlief, gelebt und belebt haben, so wird auch ein anderes Rechtsbewußtsein erwachen, wie es das Nein in der Sprachenfrage3 erzeugte; er wird sich erinnern, daß vor dem Schlaf eine Unton4 *bestand, **8 die nicht aufgegeben wer4 Circe, nach der Odyssee Tochter des Helios und der Perse, ver­ wandelt« mittels eines Zaubertrankes die nach ihrer Insel verschla­ genen Gefährten des Odysseus in Schweine, deren Lieblingsnahrung bekanntlich Eicheln sind. 8 Die handschriftliche Vorlage der Rede bricht hier ab. Der Rest ihres Wortlautes wurde aus einer Abschrift von fremder Hand er­ gänzt. Siehe S. 221, Anm. 1. -Siehe IV, 75 ff. 4 Roth meint hier sicherlich die „Union", d. h. die „brüderliche Einigung" der siebenbürgischen Stände, die zum ersten Male 1437 in Kapolna geschlossen und seither wiederholt erneuert worden war.

den darf, ohne den Rücken ohne Bedeckung zu lassen. Der Ubersiedler hingegen wird, der Knechtschaft entlassen, hier auch nicht den Herrn spielen wollen, und die in Bewegung gesetz­ ten Flügel der Windmühle näher ansehend das Mahlgeschäft für keine Herausforderung eines grimmigen Ritters ansehen, und selbst nun aus die Insel eingebürgert in jedem Heran­ schwimmenden ebenfalls einen neuen Rechtsprätendenten er­ blicken, die nur ein humanes Recht für sich haben, aber kein historisches. Kommt Zeit, kommt Rat: ein friedliches Beisam­ menwohnen des privilegierten Bodenherrn und des dekretier­ ten Gastes ist möglich — weil es schon wirklich ist. Ist der verbriefte Insulaner ein Vonas-Gulden,* so ist der unver­ briefte ex concesso2 im ungrischen Gulden. Es macht den Unterschied ein Kreuzer. Darum schlagen wir uns gewiß nicht die Köpfe ein. Nur Schule und Erlernung der diplomatischen deutschen Sprache fehlt noch und beide Gulden haben auf Kö­ nigsboden gleichen Wert. Bor denen aber, die da außerhalb dieser Insel sind, fürch­ ten wir uns nicht, seien sie auch Legion. Einzelne Ultra ma­ chen nicht den ganzen Adel aus, und Ultra haben wie Wal­ fische zwar ein weites Maul, aber zugleich auch einen engen Schlund, und dieselbigen, die im Landtagssaale Beifall klat­ schen, als eine böse Schrift verlesen ward, dieselbigen, die dem Erd6lyi Hiradö, wenn er hetzt, auf die Schulter klopfen, edes barätonr* sagen und seiner Anfeindung Beifall schenken, dieSie bildete die Grundlage der siebenbürgischen Verfassung bis 1848. Auf jeden: Landtag Pflegten die Abgeordneten der drei Stände den sogenannten „Unionseid" abzulegen, wobei sie gelobten, die Gesetze der rezipierten Nationen und Konfessionen Siebenbürgens zu achten und zu verteidigen. Offenbar hat sich Roth durch diesen Eid gebunden gefühlt. Siehe auch Anm. 1 auf der folgenden Seite. 1 Ein alter ungarischer Gulden, der zum Unterschied von dem gewöhnlichen Gulden zu 50 Kreuzern aus 8 Siebzehnkreuzerstücken, d. h. aus 51 Kreuzern bestand. * Eingestandenermaßen. Hing. : Lieber Freund.

selbigen Ultras, die aus Sachsenhaß allem Unrechte, allen Rechtskränkungen, welche Komitatenser an Sachsen verüben, schadenfreudigen Vorschub leisten; alle diese und die andern Hetzer werden, wenn nur erst die gereizte Bestialität recht in Wut geraten ist und an der Kette reißet, schon zu hetzen auf­ hören, aus erwachter Besorgnis nun für eigene Haut und Wa­ den. Ehe es auf uns losgeht, ist ein besser lohnender Er­ oberungskrieg ganz in der Nähe zu führen. Doch lassen wir hierinnen Gott im Himmel und den Kaiser auf Erden sor­ gen. Da habe ich kein Bangen. Aber vor den großen Mägen im eigenen Volk fürchte ich mich, die mit dem kleinen Ein­ kommen ihn nicht ausfüllen können; ich fürchte mich vor den Gänsefedern, die vermeinen, aus Seraphs Flügeln gerupft zu sein; ich fürchte mich vor dem eiteln Begehren, an die Krone der Bürgerwürde noch ein Schnitzel Zendelgold zu kleben; ich fürchte mich vor den Männern, die Weiberkittel tragen; vor der Menschenfurcht der Jaherren, die wie Weiber weinen, wenn ein Schwert auch nur gezückt wird; welche, um nur zu begütigen, auch noch vor dem Gehäus die Hosen aufknöpfen; vor der vermeinten Weisheit, denen die Köpfe wie den gip­ sernen Katzen in ewiger Bedenklichkeit wackeln; vor dem Wahn des Vogel Strauß, der mit dem Kopfe im Strauch sich unge­ sehen und geborgen vor dem Jäger wähnt — da, da ist Gefahr — da — sonst nirgends. Mögen darum die Wächter der Ver­ fassung von den hundert Augen keines schließen, daß jeder Zoll unseres heiligen Rechtsgebietes bewahret bleibe und auf die­ sem Gebiete die Verfassung Geist und Leben, Tat und Wahr­ heit sei. — Hierauf trinke ich mein Glas — wer gleicher Ge­ sinnung ist, der stoße an und trinke mit. Der sächsischen Ver­ fassung ein Dreimal HochIM 1 Wegen dieses Trinkspruches wurde Roth durch Gubernial-Erlatz vom 13. Juli 1846 im Wege der Superintendentur aufgefordert, sich zu rechtfertigen. Seine Antwort darauf ist im Nachlaß nicht >7.ehr enthalten. Gräser hat sie noch gekannt und schreibt darüber

(An Franz Conrad, Hofagent in Wien.) Nimesch, d. 17. Julius 1846.

Hochwohlgeborener Herr! Innigst geliebter und wertge­ schätzter Herr und Freund! Wenn ich der lieben Marie schreibe? schreibe ich ja auch Dir. Denn ich mußte mit meiner Tätig­ keit haushalten, da mir die Antworten auf ausländische Briefe alle verfügbare Zeit wegnahmen. Wenn auch der zu beant­ wortenden Briefe viele waren, so war es denn doch nicht eigent­ lich die Zahl derselben, welche mich so in Anspruch nahm, als die Weitläufigkeit der Antworten, die notwendig war und unausweichbar, weil auf eine kurze Frage meistenteils vieles zu antworten ist und in den seltensten Fällen: Ja oder Nein ge­ sagt werden kann. Gegen den Verein für Landwirtschaft schickte ich mich auch: im Bolksblatte erschienen mit nach und nach über 20 Vor­ schläge alle von praktischer Art? Es ist aber zu keiner Ver­ handlung gekommen. Einmal fehlte die Zeit und dann hatte es auch den Anschein, als wollte's Hofrat v. Bedeus derma­ len nur bis zur Wahl kommen lassen. Seine Stellung wird dessen Benehmen von der Klugheit geboten allen erscheinen lassen, die des Hofrates Inneres kennen. Dir aber kann ich sagen, daß viele in böser Stimmung deswegen heimkehrten. S. 53 seines Merkchens, sie sei im Tone „männlicher Freiheit und Bestimmtheit" gehalten gewesen. Zum Belege dafür zitiert er fol­ gende Stelle daraus: „Ich habe meiner Verfassung aus vollem Her­ zen «in Hoch gebracht, der Verfassung, in der ich lebe und für die ich zu sterben bereit bin; der Verfassung, vermöge derer ich allein mit dem juramentum unionis obstrictus sum* und ohne die ich noch nur den Eid eines österreichischen Untertanen einzuhalten hätte". 1 Es ist aber kein Brief Roths an Marie Conrad aus dieser Zeit erhalten geblieben. 2 V, 201 ff. * Durch den UnionSetd gebunden btn. (Siehe S. 228, Anm. 4.)

Ich nicht so: denn ich habe im voraus auf Vereine nur inso­ weit ein Vertrauen, als einzelne darin besonders tätig sind. Bon Mühlbach aus besuchte ich die Einwanderer im Brooser, Mühlbächer und Reußmärkter Stuhle.* Ich wollte mich selbst von ihrenr Zustande und ihrer Stimmung überzeugen. Da viele Württembergische Kommunen ihren Armen, guten und schlechten, auch dadurch zur Abreise verhülflich gewesen, daß sie ihnen einen größeren Geldvorrat in den Urlaub ein­ geschrieben hatten, als er wirklich war, so mußte es sich wohl ereignen, daß viele, alles Geldes los, hier eintrafen. Für sie ist vieles von einzelnen Privaten getan worden — aber doch nicht so viel, als manche Einwanderer sich selber vorgespie­ gelt hatten. Darum murrten nicht wenige. Wie ich aber mich ihnen gegenüberstellte und ihnen sagte, daß ich ihnen gar nichts versprochen hätte und sie aufforderte: mir irgend eine Stelle in meinem Blatte zu zeigen, wo ich etwas Falsches berichtet hätte, da gaben sie alle einmütig mir das öffentliche Zeugnis, daß ich die pure Wahrheit gesagt hätte und hier von ihnen alles so gefunden worden, wie ich mündlich, schriftlich und im Drucke geäußert hätte. In Broos brachten sie mir sogar ein dreimaliges Hoch!! Ich forderte sie nun auf: diese münd­ liche Aeußerung mir nun auch schriftlich auszustellen, was auch geschehen. Diese Zeugnisse nun sind auch im Bolksblatte er­ schienen.^ Die Beschuldigung also, daß ich die Einwanderer getäuscht hätte, ist durch die Württemberger Einwanderer selbst, also durch das kompetenteste Forum gründlich wider­ leget worden. Sollte ich also etwa beschuldiget werden, die 1 In Mühlbach hatte am 9. Juni 1846 außer der Versammlung des Landeskundevereins auch die Hauptversammlung des Landw. Vereins getagt. Auf ihr hatte Prof. Fr. Hann als Schriftführer des Vereins berichtet, daß bis Ende Mai 307 Familien mit 1460 Köpfen eingewandert seien. Die Mehrheit hatte sich in den Bezirken Her­ mannstadt, Mühlbach, Broos, Kronstadt und Mediasch nieder­ gelassen. -V, 221 ff.

Der Verein übernimmt die Kolonisation 233 Leute durch falsche Vorspiegelungen hereingelockt zu haben: so bin ich durch diese Zeugnisse gedeckt. In Hermannstadt ward, wegen meiner Anwesenheit, der Ge­ neral-Ausschuß versammelt. In demselben mußte ich das Ge­ schäft der Kolonisation in die Hände des Zentralausschusses niederlegen. Ich tat es nach langem Zögern — in der Über­ zeugung, daß ich es tun müsse, weil sonst alles mir entgegen gewesen. Was nun geschehen, weiß ich nicht. So viel weiß ich, daß in Mediasch nichts geschiehet, da unser Präses v. Nie­ dersfeld ^ noch keiner einzigen Sitzung präsidiert hat und über­ haupt, seit meiner Heimkehr, auch nur eine einzige gehalten worden. Es interessieren sich aber, außerhalb den organisier­ ten Bezirksvereinen, so viele Private dafür, daß die Sache selbst wohl nicht ins Stocken geraten wird. Die Verzögerung mit dem Komes schüttet auch kaltes Was­ ser in die Flammen. Wenn der Komes dafür wäre, so würde mancher Senator eifriger sein: manche der Herren, welche auf eine Wahl in den Landtag rechnen, fürchten sich, den Ungern in sich den Sachsen zu zeigen. Ich aber bedauere, meine zwei Gesuche, wegen Doktordiplom und wegen Zeitungserlaubnis, nicht vor meiner Reise nach Württemberg eingereicht und betrieben zu haben. Denn nun wird es schwerer gehen. Mein Brief an Marie hat Dich alles wissen lassen. Marie wird vermutlich ihre Fürbitte eingelegt haben: bestimmt Dich dieses freundliche Wesen nicht zu Rat und Tat für diese meine Angelegenheiten, so werden meine eigenen Worte noch viel weniger vermögen. In der Anerken­ nung meines Titels erscheine ich dem Volke und Lande als eine oben grata persona:2 dieses vermehret meine Wirksamkeit 'Niedersfeld, Friedrich Binder von, 1788—1871, zu wieder­ holten Malen Bürgermeister von Mediasch. Näheres über ihn in der Geschichte der Familie Binder von Niedersfeld von Daniel Graeser, Appellhofrat, Buchdruckerei Reissenberger u. Co., Mediasch, 19J9. - Beliebte Persönlichkeit.

durch eine auswendige Autorität — in der Zeitung aber hätte ich für meinen Tätigkeitstrieb ein gutes Mittel, meinem Volke durch Verwendung für Kirche und Schule nützlich zu sein. Wird mein Paar Gesuche abgeschlagen, so hat dieses für mich die nachteilige Folge, daß ich und mein Tun als dem Hose miß­ fällig betrachtet werden muß. Da sonst beide Gesuche als zu­ lässig erkannt werden, so erblickt man in mir ein Opfer, daß ich mich für deutsche Nationalität verwendet habe. Dies aber wird die teutsche Partei, die zugleich österreichisch gesinnt ist. nicht ermutigen, sich dem magyarischen Strome entgegenzu­ stemmen. Ich zwar werde gut österreichisch alleweil bleiben, aber schwächere Seelen werden, durch meine Erfahrung belehrt, lieber mit den Wölfen heulen, und daß die Unger etwas mehr noch als ihre Nationalität im Schilde führen, hätte die pol­ nische Revolution schon bewiesen, wenn sie geglückt wäre. Was Du für meine Angelegenheiten tun kannst, tue — Du tust es für einen wahrhaften Freund, der aber nicht alles vermocht, was sein Herz gewünscht, der sich aber bei Deinem Repser Bruder in Mühlbach legitimieret hat, daß er ein warmer Freund gewesen. An v. Rosenfeld habe ich letzthin auch geschrieben.* Hier sind über B. Josika und von Rosenfeld die abenteuerlichsten Märchen. Ihr, die Ihr es wissen könnet, schweiget — nun wer schweiget, vervedet sich nicht. Unter anderm sagt man auch, daß nun Rosenfeld als Komes herab­ kommen werde. Man setzt auch die Reise des Exellenzherrn Brukenthal und die des Hofrates Bedeus mit der Komesgeschichte in Verbindung. Was wissen wir? Wollte ich Dich hier­ über um Aufklärung bittlich angehen, so erschiene ich neugierig. Deiner hochgeschätzten Frau Gemahlin meine freundlichsten Grüße. Sie wird beim Besuche Ihres Herrn Vaters selig ge­ wesen sein. Was kann auch die Welt mit aller ihrer Herrlich­ keit gegen die Gefühle des Liebens und Geliebtwerdens bie1 Nicht erhalten.

ten? Nichts. Gott erhalte Dir Deine heldenmütige Gesinnung fürs Recht, beglücke Dich in einem langen Besitze einer sel­ tenen Gattin und bewahre Euch beiden das Glück eines so liebenswürdigen Kindes. Die Achtung der Besten fehlt Dir nicht — Du hast Dein täglich Brot — Du kannst fürs Gute wirken. Es lebt Dir Frau und Kind. Gott lasse Dich nur im Besitze hievon lange bleiben: er war gütiger gegen Dich als gegen tausend andere! Lebe wohl. Achtungsvollst St. L. Roth. (An den evang. Superintendenten Georg Paul Binder in Birthälm?) Nimesch, 31. Juli 1846.

Durch einen Allergnädigsten und Allerhöchsten Hosbefehl ddto. 28. Mai HZ. 2636/1846, welcher im Wege der Hochlöblichen Landesstelle unterm 16. Junius GZ. 7270/a. c. und vermittelst der Hochwürdigen Superintendentur vom 30. Juli SZ. 493/a. c. an mich herabgelangt und von mir in ge­ bührender Ehrerbietung vernommen worden — werde ich auf­ gefordert: „Diejenigen druckschriftlichen Aufsätze, welche ich in Württemberg behufs der einzuwandernden schwäbischen Landleute herausgegeben, entweder im Drucke selbst vorzulegen, oder aber, im Ermangelungsfalle, die Konzepte dieser Auf­ sätze einzuhändigen, um solche Allerhöchsten Ortes vorzulegen." Wiewohl ich nun bedauern muß, diese im Druck erschienenen Aussätze ebensowenig wie die Konzepte hiezu aushändigen zu können, so gereicht es mir doch zur hohen Freude, wenigstens die Tage genau und sicher angeben zu können, an welchen diese Aufsätze erschienen sind, so daß mit Hilfe dieser Angaben in den täglich erscheinenden und unten hier gleich zu nennenden 1 Antwort Roths auf einen an ihn tags zuvor im Wege des Super­ intendenten herabgelangten Hofbefehl. Handschriftlich nicht erhal­ ten. Der obige — gekürzte — Wortlaut ist von Graeser (S. 112 f. seines Merkchens) überliefert worden.

zwei Württembergischen Zeitungen meine Aufsätze unfehlbar aufgefunden werden können. Diese Aufsätze habe ich anfangs jedesmal persönlich auf die Hohe K. K. österreichische Gesandt­ schaft in Stuttgart zur Einsichtsnehmung getragen und es später nur aus dem einzigen hinreichenden Grund weiter zu tun für überflüssig erachtet, weil auf dieser hohen Gesandt­ schaft, wenn ich mit meinem Blatte kam, alldorten schon die Blätter vorlagen und mit größter Aufmerksamkeit bereits durchlesen waren. Die Aufsätze aber sind im Schwäbischen Merkur und dem Württembergischen Beobachter erschienen, in erstem Blatte am 10. und 20. September und in letztem am 2. und 12. Oktober und dann am 4., 23., 24. November 1845.1 Mir würde es zu einer wahren Herzenserleichterung dienen, wenn diese Aufsätze der Einsichtnahme von der Allergnädigsten und Allerhöchsten Hofstelle gewürdigt werden soll­ ten, da aus diesen nicht nur meine aufrichtigste österreichische Untertanengesinnung im allgemeinen, sondern auch meine patriotische Wohlgesinnung gegen Heimat, Land, Volk und Verfassung im besondern aufs klarste ersichtlich wären und eben dadurch meine Person von ungegründeten Annahmen reingewaschen würde, so daß patriotischer Eifer in einer öko­ nomischen Unternehmung als ein dankenswertes Opfer anzu­ erkennen wäre. Zugleich kann ich aber diese Gelegenheit nicht ungenützt vorbeigehen lassen, um durch untertänigste Vor­ legung dermalen nur dieser beiden gehorsamst beigeschlossenen Zeitungsblütter,- welche von Zeugnissen sind, welche die ehr­ barsten württcmbergischen Einwanderer selbst, als die kom­ petentesten Richter hierinnen, zur Beweisung dessen ausgestellt haben, daß ich Land und hiesige Verhältnisse in den Württem­ bergischen Zeitungen also beschrieben habe, wie sie allhier von jenen angetroffen worden, daß ich mithin keine unwahren, eitlen und falschen Vorspiegelungen in den Württembergischen Zeitungen gemacht, sondern als ein ehrlicher Mann verfahren ' V, 138- 167.

'V, 221 ff.

bin. Meine eigene Namensunterschrift, die ich keinen Anstand zu nehmen gehabt unter jeden dieser Aufsätze der ganzen Aus­ dehnung nach hinzusetzen, mutz doch wenigstens soviel beweisen, daß ich bona fide1 gehandelt habe. Denn das hätte ich wohl nicht getan, wenn ich nur von weitem geahnt hätte, daß ich ein Unrecht beginge, und würde, ohne Nennung meines Na­ mens, im Dunkeln meine, weiß Gott welche Zwecke zu er­ reichen gesucht haben. Meine Zwecke können unmöglich die gewesen sein, welche mir die Ultrastimmen in den magyarischen Zeitungen und Versammlungen unterschieben: sie sind gar zu abenteuerlich, unwahrscheinlich, ja ich glaube nicht zu fehlen, wenn ich sage: diese Herren Ultra glauben selber nicht daran, sondern das erhobene Geschrei ist nur berechnet auf den deutschen Hof, um — die Herbeiziehung schwäbischer Landleute auf Königserde ob der schrecklichen und furchtbaren zur Schau getragenen Aufregung der Komitatenser dem Aller­ höchsten Hofe mißliebig zu machen. Wie aber ein Theaterstück durch bestellte Zischer, Stampfer und Pfeifer von der Aus­ führung und von der weitern Aufführung verdrängt werden kann, dabei aber doch seinen innern Wert trotzdem behält, so kann auch diese Mißgebärdung der magyarischen Ultra diese Herbeiziehung ausländischer Landleute vielleicht, worauf es abgesehen zu fein scheint, verhindern und einstellen, aber die Unternehmung an sich bleibt deswegen doch eine Landeswohl­ tat, eine Tatsache der Weisheit und Liebe samt Gerechtigkeit. Daß die ultvamagyarischen Schreier in Zeitungen und Ver­ sammlungen diese Einwanderung ungerne sehen, ist offenbar, warum aber ist mir völlig unbegreiflich, es sei denn hiedurch einem mir unbekannten, auf die klein« Anzahl von Deutschen gebauten Plane, durch diese in Aussicht gestellte Vermehrung des deutschen Elementes, ein Strich durch die Rechnung ge­ zogen worden. In der ganzen Unbefangenheit, die ein gutes 1 Guten Glaubens.

Bewußtsein mir verleiht und in der vollen Zuversicht, daß auf der Staatshöhe reinere Lust und Sonnenlicht herrsche, während hier in den Niederungen der Talgründe mancherlei Nebel die wahre Gestalt der Sache verhüllen, verbleibe in Ver­ sicherung meiner ferneren besten Absichten für Thron, Reich, Land und Volk in vollkommenster Hochachtung St. L. Roth. (An Carl Stgerus, Hauptkassier des Landwirtschaftsvereins in Hermannstadt.) Nimesch, am 7. August 1846.

Hochgeschätzter Herr Better! Detter Adolf Bergleiter wird Ihnen einen Briefs in Kolonisationsangelegenheiten über­ bracht haben. Habe ich einmal dieses Geschäft abgegeben, so darf ich mich, sollen nicht Verwirrungen entstehen, damit nicht weiter befassen. Auf die Erscheinung der Schwabenerklärung warte ich. Es fragt sich hiebei nicht darum, ob sie zufrieden sind, sondern allein darum, ob sie in meinen Darstellungen hintergangen worden oder nicht, d. h. ist es in hiesigen Landen so, wie ich habe drucken lassen in Württemberg oder nicht? Außer der Einrückung aber wünschte und ich erböte mir zugleich auch das Original, um davon einen Gebrauch für mich zu machen. Kronstadt hat es mir auch versprochen — aber Hilfstruppen nach der Schlacht sind -war immer noch dankens­ wert, aber doch nach dem Regen der Schirm. Ich werde fort­ während mit Beschuldigungen bestürmt. Außer dem Herrn Stenignt12 tut kein Sachse das Maul auf. Mult 6s Jelen hat sich mir angetragen seine Spalten gegen den Erd. Hiradö zu öffnen. Nicht ich, sondern ein anderer für mich sollte es, der Sache wegen, tun. 1 Nicht erhalten. 2 Siehe V, 223, Anm. 1.

Das

an Gängelei gewöhnte Volk!

239

Wenn die Gubernialratstellen und die Stellen der Sekre­ täre im Gubernium besetzt sein werden, hoffe ich, wird man­ chem sein Herz für sein Volk wieder vernehmbarer schlagen. Miserable Gesinnung — weil man die Kraft der Entbehrung nicht hat, und den Mut nicht hat, trockenes Brot zu essen bei innerer Selbstschätzung, wedeln die stummen Hunde, die die Herde bewachen sollten, mit den Schwänzen gegen die Wölfe. Fürstentreu und deutschgesinnt, ohne Furcht und Tadel, ist unsere Ausgabe. Bis wir nicht dahin kommen, daß wir einen Ehrenmann mit zerrissenen Hosen mehr achten, als einen ®u6tunv1 mit Glacehandschuh, fehlt uns das, was uns er­ halten kann. Da Herr Mederus? Provinzialkommissär, wie ich ver­ nehme, unsere Wahl zum Borstand nicht annehmen will, so ist ein anderer zu wählen. Die Sache ist klar. Sollte Ober­ kapitän Carl Baron von Brukenthal' noch nicht Aktionär sein, so müßte er dazu bewogen werden. Dann wählen wir Hochwohldenselben. Wenn er bis jetzt nicht Aktionär war, so sind wir in seinen Augen entschuldiget, daß wir ihn nicht zum erstenmale gewählet haben. Er kann es mit aller Ehre an­ nehmen. Ich halte ihn für einen Sachsen. Mit dem Vorschlag, der nur in Herrn Mederus gegeben worden, war ein schwachfüßiger Rat gegeben. — Die Komesinstallation kann Gelegen­ heit geben zur Wahl des Vorstandes, es wäre also eine General­ versammlung auszuschreiben. Mit den Bezirksvereinen ist's hie und da ein Jammer. Der Ehrgeiz ließ sich, bei mangelndem Interesse, wählen, und das an Gängelei gewöhnte Volk wählte, um Kompliment« zu machen. Durch die Überlassung der Bezirkskassen zu eigener »Einen zweifelhaften Menschen. »Mederus, Samuel von, k. Rat und Provinzialkommissär. »Lebte 1784—1857. War 1836—1848 Oberkapitän des Fogara­ scher Distriktes.

Verwendung ist nun betn Beutel unten der Boden ausge­ schnitten. Das Zentralkomitee sollte alle Gelder einziehen und nur nach Prüfung von Vorlagen und mit Kontrolle an­ weisen auf die Quota der Bezirkskassa. Halten Sie meine Rede im Sinne, daß ich gewarnt habe. Wir haben noch keine einzige Sitzung nach Erwählung des Bezirksausschusses gehabt. Ich trete aus, da ich mit Ehre nicht bleiben kann. In aller Hochachtung — stark angefallen [?], wie Dolf Ihnen sagen wird, aber ungebrochenen Gemütes Ihr Semper idem1 2 3 St. L. Roth. sNachschrift am Rande des Briefs:!

Die wegziehenden Schwaben haben Heimweh — können sich in Lebensart und Verhältnisse nicht finden. Der Webermeister aus Mediasch war gegen Willen seiner Schwiegermutter her­ eingekommen und fürchtete die Enterbung.

(An Carl Sigerus in Hermannstadt.) Nimesch, den 19. Oktober 1846.

Wohlgeborner Herr, Hochgeschätzter Herr und Freund! Die verehrliche Zuschrift der Löbl. Oberverwaltung des Siebenbürgisch-Sächsischen Landwirtschastsvereines unter Zahl 62/1846 habe ich erhalten und fühle mich dadurch bestimmt, den Antrag anzunehmen? Fiat.8 Ohne Verabredung aber mit dem Vorstände, Ihnen und wenigstens den Hermannstädter Ausschußmitgliedern kann ich 'Immer derselbe. 2 @8 handelt sich hier um die Anregung der Oberverwaltung, in einer selbständigen Schrift „Aufklärungen für Auswanderungslustige nach Siebenbürgen" herauszugeben, um das Siedlungswerk weiter zu fördern, über die Ausführung des Gedankens und Roths Bei­ trag dazu siehe V, 235 ff. 3 Es geschehe!

Der Marktplatz von Mediasch mit der Kirchenburg im Hintergrund.

Das (Senu'rbcvereinsbaus in Mediasch, errichte! 1S47. Lxin schöner Bau aus der Zeit der siedenbürctischeu Bereinsgründungen.

nicht im voraus arbeiten. Da sich das nun schriftlich nur mit langer Weile besprechen läßt, wie und in welcher Art dieses Stück Arbeit vor- und zugeschnitten werden solle, so wird eine Reise meinerseits nach Hermannstadt erforderlich sein, welche ich keinen Anstand nehmen würde sogleich anzutreten, wenn nur nicht die Semestvalsendungen erst einzusenden wären, die nicht absonderlich gemacht werden können, sondern in eine umlaufende Tabelle eingetragen werden müssen, weswegen ich die Expedition abwarten muß. Ich aber werde, ehe das letzte Tüpfel in der Tabelle noch trocken ist, aufsitzen und Hermann­ stadt zu eilen. In meinem Kopfe ist das Ding schon arrangiert, und die Arbeit wird in ohngefähr 8—10 Tagen fix und fertig sein. Um aber auch hier das Geschäft zu beflügeln, so loetibe ich die Arbeit in Loco Hermannstadt machen, um immerwäh­ rend im Rapporte zu verbleiben. Zur Ermöglichung dieses Aufenthaltes erbitte ich mir von Ihnen zum Quartier Ihr Gartenhäuschen. Essen werde ich in der Kugel. So bin ich mir überlassen und Herr meiner Zeit. Meine zwei Pferde werde ich ja irgendwo unterbringen. Hafer bringe ich mit, und Heu wird zu bekommen sein. Am nötigsten brauche ich, als vorliegend, sichere Preisbe­ stimmungen der Acker, Wiesen, Weingärten usw. aus den ver­ schiedenen Teilen des Sachsenlandes. Solche Preise müssen aus Teilungsbriefen, Berufungs- d. h. Derkaufsprotokollen ent­ nommen sein — um für die Angabe von Bodenpreisen einen Anhaltspunkt zu haben. Sollten solche Daten dem Borstande noch nicht einberichtet worden sein, so wären solche im Gallop einzusammlen. Die Bestimmungen der Bodenpreise ist eine Hauptsache. Zugleich lege ich hier einen Brief von 2 Einwanderungs­ lustigen, erga reatitutionem,1 bei. Derselbe ist in mehr als einer Hinsicht lehrreich. Haben Sie die Gefälligkeit solchen in 1 Gegen Rückschluß.

merito1 zu beantworten. Ich schreibe diesem Anfragenden bloß, daß 1. Unterkunft zu finden, 2. Bürgerrecht umsonst oder um eine Bagatell zu haben sei, 3. das Nähere der Zentralverein beantworten werde /durch Hinweisung an Agenten P. Wolf/. Letzterem bitte zugleich zu wissen zu tun, daß meine Arbeit ihm wenigstens in die Hände kommen tverde, wie ja mein Brief aussaget. In aller Achtung und mit Versicherung meiner aufrichtigen Freundschaft Ihr Freund und Diener St. L. Roth.

(An Carl SigeruS in Hermannstadt.)2 * * Nimesch, den 14. Nov. 1846.

Wertgeschätzter Herr Detter! Den zweiten Tag nach Ihrem gütigen Besuche bekam ich ein Wechselfieber, welches mich ganz verhudelt hat. Mein Bub Andres liegt auch daran, auch mein Kutscher. Dieses alles hat mich so mitgenommen, daß ich nicht gekonnt habe, wie ich gerne gewollt. Meine Frau und 2 Kinder sind auch noch krankheitshalber in Mediasch, dieses alles führe ich nur deswegen an, um mich entschuldigt zu sehen. Ich bitte Sie, an meinem Willen nicht zu zweifeln. Die Sßiece8 hat, nach meiner Meinung, aus diesen Abtei­ lungen zu bestehen: 1. Ausschlüsse. 2. Zeugnisse der Einge­ wanderten. 3. Abdruck der Ankündigungen behufs der Ein­ wanderung nach Siebenbürgen. 4. Zusätze dazu. 1. 2. 3. liegen vor und mit deren Druck könnte sogleich der Ansang gemacht werden. No. 4 ist bei mir zwar nur in der Skizze — jetzt aber bin ich nicht im Stande sie auszufertigen. Pressiert auch nicht, weil sie an das Ende kommen und bis 1 Entscheidend. 2 Der Brief ist auf einem Foliobogen geschrieben, dessen Kopf wie­ derum mit dem S. 214, Anm. 1, näher beschriebenen Kupferstich ge­ schmückt ist. »Siehe S. 240, Anm. 2.

daß der Satz irnib Druck an sie kommen wird, sollen sie gefertiget, Ihnen mitgeteilt und befördert werden können. Ich muß unter den eigentümlichen Verhältnissen, unter denen ich mich jetzt befinde, bitten, d?ß die Eviktion der „Auf­ schlüsse" von mir ganz wegfiele — ich kann keine Verantwor­ tung hierüber tragen. Die Aufschlüsse liegen als Makulatur da — der hochverehrliche Ausschuß schneide ab — setze zu — verstärke die Ausdrücke oder lege sie auf die Bleiche — mir ist alles recht — ich will weder als Verfasser gelten, noch die Responsabilität der Autorschaft über [!] mich nehmen. Da das Format dieser Bögen sehr klein ist und der Margo^ beinahe den dritten Teil eines Bogens wegnimmt, so ist der Aufsatz viel kleiner, als es den Anschein hat. Meines Erachtens nach durfte kein erwähnter Gegenstand unerwähnt bleiben. Jedoch man risse mir keinen Zahn aus, wenn auch tüchtig ang­ lisiert wird. Die Schrift wird Schwierigkeiten mit dem Lesen machen. Ich hätte sollen leserlich schreiben — allein es ist nun einmal so, wie es ist und nicht anders. Wenn es vorgelesen worden, und der Ausschuß sich über den Inhalt und die Ausführung verständiget hat, so läßt sich entweder das Ganze ins Reine abschreiben, oder es können die undeutlichen Worte nur deut­ licher überschrieben werden. Diese Zuschrift ist nur eine private und gehört nur für Sie. Sie haben daher auch nur einen privaten Gebrauch davon zu machen. Ich will kein« Entscheidung dadurch, auch im entfern­ testen Sinne, geben. Das aber wünschte ich, es sollte der Wohl­ löbliche Ausschuß meine Bereitwilligkeit zu dienen nicht ver­ kennen. Ich muß schließen: denn es glissert mir vor den Augen. Was mein war, habe ich getan — tun Sie nun das Ihrige. In aller Hochachtung und freundschaftlicher Ehrerbietung Ihr ergebenster Diener St. L. Roth, ev. Pf. in Nimesch.

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JnNimesch

(An Carl Stgerus in Hermannstadt.) ^ Nimesch, d. 25. November 1846.

Hochgeschätzter Herr Vetter! Innen liegen die rückständigen Anhänge über: 1. Geldwesen. 2. Kaiserliche Steuer. 3. Maße. 4. Reiseregeln. Als weitere Anhänge wären noch hinzuszujfügen aus den Zeitungen: Diehprei se und Fruchtpreise. Die Blättchen, aus den Zeitungen verschiedener Monate ausge­ schnitten, werden als 5. Anhang beigelegt. Sollte sonst noch was vermisset werden, so ich nicht wüßte, so wäre es ebenfalls als 6. 7. usw. Anhang annoch anzureihen. Möge alles zur guten Absicht beitragen. Mir ist es etwas besser. Ihnen aber gehe eg ganz gut! Nun nur noch ein Wort tut Vertrauen. Die Bedingung für die Erteilung von Pässen mit den f. 800 ist ganz vortrefflich, sehr heilsam — aber mit der Er­ teilung des Bürgerrechts legen wir uns selbst für eine zahl­ reichere Einwanderung ein Hindernis in den Weg, zumal Hier­ landes jeder Deutsche unter uns, sobald er ein sittlicher Mensch ist, in eine Zunft kommt oder sich ankauft, unfehlbar das Bür­ gerrecht erhält. Erhält es doch ununtersucht jeder Herüberläuser aus den Komitaten. Dadurch nun, daß vom Vereine jedem einzelnen insbesondere ein Aufnahmsschein hinausge­ schickt wird, macht sich der Verein zu einem nicht nur geplagten Pförtner des Sachsenlandes, sondern vertägelt auch die noch jetzt vorhandene Lust nach Siebenbürgen einzuwandern. Da nun das Rechtsfaktum dasteht, daß jeder Deutsche, wenn er ein sittlicher Mensch, in eine Zunft kommt oder sich ankauft, un­ fehlbar aufgenommen wird, so sollte dieser Grundsatz bei Er­ teilung von Pässen d. h. bei der Kaiser!. Gesandtschaft in Stuttgart durch den Verein in Anwendung und zur Aner­ kennung gebracht werden, um semel pro semper*2 diesen Kno' Briefkopf wie Seite 214, Anm. 1, angegeben. 2 Einmal für immer.

ten zu zerhauen. Dann bliebe noch nur die wohltätige Bedin­ gung mit den s. 800.—. Dann ist ein Loch neben dem Verein, zu dem wir Leute hereinbekommen können. Denn solcher brau­ chen wir. Ist dieser uralte und nagelneue Grundsatz in Betreff der Ausnahme und der Erteilung des Bürgerrechtes bei der H. Gesandtschaft im Flusse, so kann der Agent davon schon Gebrauch machen und wir bekommen vermögliche Handwerker, die, nach gesprengten Zünften, die Kraft der Gewerbe in un­ seren Nationshänden erhalten. Dermalen warten viele auf Vollmachten und bekommen keine. So z. B. hat sich der Vater meines Göhrungs in der Rohrau, nebst noch 4 »ermöglichen Familienvätern, bei seinen Söhnen um Vollmachten erkundi­ get. Diese Söhne laufen nun seit 5 Wochen in Mediasch vom Pontius zum Pilatus und können keinen Kontrakt bekommen. Ich bin krank. Das Vermögen hätten sie alle. Wäre nun in Rücksicht der Aufnahme oder des Bürgerrechtes es mit der Gesandtschaft ausgemacht, so hätte es feine Schwierigkeit. Sie würden im Lande schon ein Plätzchen finden und hätten Geld, um derweil vorn eigenen Fett zu zehren. Wenn der Verein diese Maßregel durchsetzen sollte, so hätte er für die Zukunft hierinnen mehr Muße, dem intensiven Le­ ben der Dereinsausgabe seine Kräfte zu widmen. Denn das extensive machte sich von selbst und, tote ich glaube, in größerem Maßstabe. Schließlich bitte ich die inliegenden Anhänge durchzusehen. Endlich lege ich noch das Blättchen von dem Schulgehilfen bei, von dem ich Ihnen sagte, daß er mir so Wohlgefallen habe, dem ich aber damals keine Aussicht auf irgend eine Unterkunft geben konnte. Tensare licet!1 Meine herzliche Empfehlung an die Fr. Gemahlin unb alle Freunde, die sich meiner erinnern. In aller Achtung Ihr amicua sincerus 2 St. L. Roth, ev. Pf. 1 Man kann sich für ihn verwenden.

2 Aufrichtiger Freund.

(An Friede, von Sachsenheim^ in SBicn.)2 Rimesch, den 20. Jänner 1847.

Hochgeehrter und Wertgeschätzter Herr, Verehrter Freund! Seit Ende des Sommers bin ich immer krank gewesen. Die Ein­ wanderung -er Schwaben hielt mich angeschmiedet am Schreib­ tische. Die Korrespondenz war zum Umbringen. Der Strom der Briefe, der bis zum Dereinstage in Mühlbach allein auf mich sich ergoß, mußte, nach gehaltenem Vereine, wieder von mir allein aus den Verein abgelenkt werden. Dieses viele Sitzen hat mir eine Verhärtung der Leber und der Milz zugezogen, an der ich noch immer leide. Zu diesem körperlichen übel und Leiden — kam nun noch die gestörte Gemütsruhe durch die An­ feindungen, denen ich durch die Zeitungen beständig ausgesetzt war. über diese Schmähungen konnte ich mich noch erheben, denn die Personen, die so gemein an mir handelten, wurden mir eben dadurch in ihrem Urteile gleichgültiger. Als aber nun sogar die Hohe und Allerhöchste Regierung mich verdammten und zur Verantwortung zogen, verlor ich die Freudigkeit des Geistes und wurde nun auch an der Seele krank, so daß ich mir, vielleicht auch meiner nächsten Umgebung, zur Last gelebt habe. Es hat mir diese Behandlung sehr wehe getan und dies um so mehr, als ich nur das allgemeisne Beste, die Wohlfahrt des Vaterlandes im Auge gehabt und dafür, in uneigennütziger Absicht, auch Opfer über meine Verhältnisse gebracht habe. Innerlich habe ich zwar noch ein warmes und reines Herz—aber der kalte Wind, der von Seiten der Regierung mich angeblasen hat, drängte alle Empfindung bloß auf mich und in mich zurück »Sachsenheim, Soterius Friedrich von, 1821—1856, ein Neffe der Frau von Franz Conrad, seit 1845 int Dienst bei der k. siebenb. Hoskanzlei in Wien, wurde Ott. 1847 selbst Hofagent. -Die Urschrift dieses Briefes befindet sich wohl auch im Brukenthalschen Museum in Hermannstadt wie die aller Briefe dieser Ausgabe, bei denen nichts Näheres vermerkt wird —, aber nicht im Rothschen, sondern im Zimmermannschen Nachlaß.

— und beinahe wäre ich ein Opfer dieses Seelenzustandes ge­ worden. Zwar habe ich mich etwas erholt — Sie würden mich aber in meiner zerfallenen Gestalt beinahe nicht erkennen. Ich kann den Tadel von Tausenden ertragen, aber der Beifall von einigen, von mir geschätzten Personen, ist mir unentbehrlich. Die Anklagen der Regierung und die Aufforderung zur Ver­ teidigung sind mir daher zu schmerzhaft gewesen, weil ich nicht nur im Einklänge gehandelt zu haben glaubte, sondern auch ein Mitwerkzeug der beglückenden Absichten derselben zu sein mir einbildete. Solche Anfälle hatten daher für mich die be­ täubenden Wirkungen von Blitzschlägen aus heiterer Luft. Ehr­ licher als ich es mit der Regierung gemeint habe und noch meine, kann niemand es meinen. — Verkannt sein, sind Nadel­ stiche ins Herz! — Wundern Sie sich nicht, daß ich auf Ihr« trauerige Zuschrift* so weit aushole. Ich muß mich Ihnen darstellen als der, der ich jetzt bin. Denn zwischen dem ehemaligen und jetzigen ist nach allem, was ich an mir bemerke, dermalen ein großer Un­ terschied. Ich fühle mich durch Ihre Trauerbotschaft so zer­ drückt und geknickt, daß ich mich nicht int Stande fühle, einen Beileidsbrief weder an die Witwe, noch an die Waise zu richten. Es ist mir unmöglich. Was ich an dem Seligen verloren, können Sie, kann die Familie vielleicht erraten — ich aber allein kann es wissen, ich allein kann es fühlen. Borne habe ich ein blu­ tendes Herz und hinten einen nun bloßen Rücken. Er war mir mein Schild — die Brücke der Vermittlung für meine Lebens­ zwecke — die sanfte, lichtvolle Sonne meiner Begeisterung: an ihn knüpften sich die süßen Bilder der Vergangenheit, an ihn die blühenden Hoffnungen der Zukunft. Es ist vorbei. Sagen Sie der Witwe, was Sie wollen, sagen Sie der Marie, was Sie mögen, um selbige zu trösten, um sie aufrecht zu er­ halten — ich kann es nicht, ich vermag es nicht. Ich kann nur 1 Hofagent Franz Conrad war am 15. Dez. 1846 in Wien plötz­ lich gestorben.

mitweinen und nur mitflogen. Betrachte ich diesen Todesfall für mich, für Sie, für die Familie, für unsere Nation, für unseren Stand und unsere Kirche, für so viele einzelne Pri­ vate und Korporationen, für das gesamte Vaterland — so kann ich keine Worte der Tröstung finden, da Tröstung mir als Geringschätzung seines Wertes, seiner Verdienste, seiner Liebe und der ihm schuldigen Hochachtung erscheinet. Nehme ich nun an, wie mich dazu seine Todesart und einige Fingerzeige in seinen 2 letzten Briefen* an mich berechtigen, daß sein edles aufopferungsvolles Herz vom schändlichsten Undanke stille ge­ halten worden sei, so erscheint mir sein Schmerz, der ihm sein Leben verkümmerte, um so heiliger für mich, um nicht, wie bei 1 Im Nachlasse Roths befinden sich insgesamt 13 Briefe Franz Conrads an St. L. Roth. Der vorletzte Brief ist datiert: Wien, den 25. August 1846. Der letzte Brief ist nicht datiert und nicht vollen­ det. Nach einer Angabe Friedrichs von Sachsenheim ist er einige Tage vor dem Tod Conrads geschrieben worden. Er lautet wörtlich: „Wohlehrwürdiger Herr, verehrter Freund! Den 25. August schrieb ich Dir» was ich betreff Deiner Angelegenheiten Seiner Kaiser!. Hoheit erklärt habe, dasselbe tat ich später bei Seiner Exzellenz Baron Jostka. Di« Folgen von letzterem sowie davon, daß die Nationsuniversität im 1. Protokolle dieses Jahres meine Fingerzeige per eztensum* drin aufgenommen hat, weswegen ich in Untersuchung stehe wie Du, verkennt niemand, der den September und Oktober mit den Klausenburger Fakten kennt, sie sind für mich traurig und unabsehbar. Dies mein Lohn! Solatium est, miseris aocios habuisse malorum! ** wird Dich dies trösten. Deine zwei Bitten sind einst­ weilen deponiert, ich vermag nicht, sie flott zu machen, über den Toast*** kann ich nirgend was erfahren, trachte aber, Deine htewegen mir gemachten Erklärungen vom 7. August gehörigenorts be­ kannt zu machen. Nichts wird, wie ich Dich kenne, Dich vom rechten Weg« abbringen, ich gehe ihn fort und gedenke stündlich Luthers Spruch (Worms). Irdisches Wohl ist nicht das Höchste. Unsere In­ teressen ..." Hier bricht der Brief ab. * «„»slihrUch. ** GS ist ein Trost für die Heimgesuchten, im Unglück Genoffen gehabt zu haben. *** Gemeint ist zweifellos der Mühlbacher Trinkfpruch.

einer gemeinen Leiche, wenn sie eingesenkt ist, der Vergangen­ heit den Rücken zu kehren und der übrigen Welt das abgewischte Gesicht zu kehren. Denn die zurückgelassene Welt enthält die hämischen Menschen, die ihm sein Grab gegraben haben. Wie könnte also unser gerechter, so schuldiger Schmerz so schnell, mit sogenannter Lebensart zur Fassung kommen? Ich bitte Sie, meine Empfindungen, meine wärmste und lebendigste Teilnahme der hochverehrten und von mir unend­ lich geschätzten Freundin des Lebens meines seligen und mir unvergeßlichen Freundes zu erkennen zu geben. Wählen Sie, wenn Zeit und Ort und die geeignetesten Umstände zur mög­ lichsten Schonung des Herzens vorhanden sind, die zartesten Worte, den sanftesten Ausdruck für meine Teilnahme, für mein Beileid, und versichern Sie die arme und so kleine Familie, daß ich, so lange ich leben und atmen werde, wenn es ihr von Wert sein sollte, nie aufhören werde, mit meinem Herzen ihnen anzugehören, und erbitte mir: aus mich, trenn auch die ver­ mittelnde Person nun nicht mehr am Leben ist, einen Teil jener freundschaftlichen Gesinnung auch ferner überzutragen, deren ich mich, bei meiner doppelten Anwesenheit int Hause selbst, so unverdienterweise und in so reichlichem Matze zu erfreuen gehabt habe. Ich erbitte mir diese Wohlgewogenheit aus das inständigste und ehrerbietigste. Auf Ihre gütigste Erlaubnis bin ich so frei Sie, wertge­ schätzter Herr und Freund, um folgendes zu bitten. 1. Schreiben Sie mir doch — wenn S i e es nicht tun woll­ ten, von wem könnte ich -es erwarten? — was ist nun die Fa­ milie zu tun gesonnen — kommt sie ins Vaterland, zum Vater und Großvater, oder bleibt sie noch länger in Wien? — 2. Ich habe einen Meteorstein int Conradischen Hause — der Selige sollte den Stein int kaiserlichen Kabinett, erga recepisso,1 bis zu meiner weiteren Disposition abgeben. Mit dem 1 ©egen eine Bestätigung.

Tit. Custos hatte ich dieserwegen geredet und keine abschlägige Antwort erhalten. Ist der Stein abgegeben, so bitte ich um den Empfangsschein. Ist er noch nicht abgegeben, so bitte ich um Ablieferung desselben an das Kabinett und Zustellung des ab­ zufordernden Empfangscheines. Denn ich bin seiner himm­ lischen Abkunst subjektiv gewiß und hoffe von der Zeit und den erweiterten Kenntnissen, daß er durch andere Analogien auch dafür anerkannt werden würde. Würde er dafür erkannt, so wäre er mehrere tausend Gulden wert. Das Gewicht mutz angegeben werden. Alle Unkosten der übergab« trage ich, wie sich von selbst versteht. 3. Sind meine Briefe an den Seligen noch vorrätig, so bitte ich auch um diese. Seine Briefe sind mir ein Heiligtum. Diese werden aber hauptsächlich durch die meinigen recht verständlich. Ich habe keinen Platz mehr, verzeihen Sie, daß ich diesen Brief auf eine so negligente Strt1 schließe. Als Freund meines unvergeßlichen Freundes rechne ich auf Ihre Nachsicht und bitte Sie wiederholt um Fortsetzung Ihrer mir so schätzbaren Gewogenheit. In aller Hochachtung Ihr Sie wertschätzender Freund und Diener St. L. Roth, Pfarrer in Nimesch.