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German Pages 656 [680] Year 1969
JOHANN HEINRICH
PESTALOZZI
SÄMTLICHE B R I E F E Herausgegeben vom Pestalozzianum und von der Zentralbibliothek Zürich
ZEHNTER Briefe Nr.
BAND 4147-4866
ORELL FÜSSLI VERLAG
ZÜRICH
JOHANN HEINRICH
PESTALOZZI
SÄMTLICHE BRIEFE ZEHNTER
BAND
Briefe aus den Jahren 1816 und 1817
bearbeitet von EMANUEL
DEJUNG
Mit zwei Tafeln
ORELL FÜSSLI VERLAG
ZÜRICH
© Orell Füssli Verlag Zürich 1968 Printed in Switzerland by Art. Institut Orell Füssli AG, Zürich
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
IX
Text: Briefe Nrn. 4147-4866 Anhang
1
I: Textkritik
431
Anhang II: Sacherklärung
478
Anhang III: Worterklärung
615
Anhang IV: Register der Briefempfänger Namens- und Ortsregister
Illustrationen:
. . . .
630 634
428/429
2 Schriftproben Johannes Niederer, 1818 Joseph Schmid, 1816 (ZB Zürich, Mscr. Pestal., Umschlag 262/103 und 333/3)
VORWORT
Sie 3ai>re 1816-1817 finb Don enffdjeiöenöer 23ebeufung im Geben JpeinridE) Peffalo^iß. 3 r o a r fyatte er bamale gelcgenflidf» ηοφ n ö t i g e (Srfolge ju Derjetcfynen roie bie 5°rtf e $ u n 9 tt>irifd^afflici)cn (Sanierung unb bie 23egrünbung ber (5offa=2iu0gabe feiner 2Berfe. 2lber bie Trennung Don alten SRifarbeifern roar ΙΐΓ("αφε einer langem feelifc^en ($r= franfung unb bebeufefe jufammen mif bem ©ereifern feinee jroeifen 23er= einigungöDerfuc^eö mii Attenberg ben 2Iuegangöpunff feiner 2ilferöfra= göbie. Um biefe .Sjpaupfil)emen jufammen ju erfaffen, rourbe ber Umfang bee Dorliegenben Sanbee über bae 9T!ormalrnag auögebeijnf, roomif bem Cefer ber Überblick über bie Ginfroitflung biefer Periobe erleic^ferf roirb. S e r 23rieftt>etf)fe[ ber beiben 3>ai)re umfagf für unfere 3roetfe 720 ©füif (9Tr. 4i47 biä 4^66), rooDDn 453 Schreiben in DDlIem 2BorfIauf abgebrueff, bie übrigen Äorrefppnbenjen nur alö EKegeff erroäljnf rourben. ©anj roeggelaffen finb roie üblich bie @efdE)äffebriefe oi)ne ΙίίεΓα^φε 23e= beufung foroie bie Siapportbriefe ber Ceijrer, obrooi>l beibe meiff Don Ißefialojji unferjeic^nef roaren. Sie 23ibliograpi)!e Don 21. 3frael führte für unfern 3eifraum nur gg 23riefe an; 354 ©d>reiben (78%) fonnfen barüber ijinauö erffmalö DDII jugänglid^ gemadjf roerben. S i e meiffen U n t e r l a g e n für ben jlbbrudf iieferfe roieberum bie 3 e n = fralbibiioftjef ^ύτΐφ, Inbegriffen bie Seffanbe beö ipeffalojjianumö, mif 638 ©füif, einige baoon alfl Soppel Don anberroeifigem Seft^. 17 2Ir= φίϋε, Sibliofljefen unbOTufeen au0 2Beff= unb ϋ ^ β ^ ^ φ ί α π ^ ^ΓαηίΓεΐφ, Jpollanb, Diuglanb unb ber ©φιυεί$, foroie 21 prioafe 23eft£er übermaφfeπ jufammen 67 ©fütf. 3 n 2 2 Sailen bienfen beim Originale ältere Srucfe ober Kopien alö QSorlagen. 2In ber S e a r b e i f u n g i)affe 2BaIfer Äfaufer (1884-^67) ηοφ einigen Slnfeil. Sie ©efamfauögabe banff ii>m bie Ddlifroirfung bei ben 2Berf= bänben 14 unb 15 foroie faffräffige, fc^funbige Jorberung bei fei>r Dielen 23riefbänben. befonberm DOtage f>af ^φ 2irfF)ur ©iein beö {ewigen 23an= bee angenommen ale 23iograpi) Don ^ f f a l o j j i e DIlifarbeifer ^ ο ί ) 0 0 0 ^ iTtieberer. de iff ein einmaliger ©lütfefall, bag für bie 3ai>re bee begin= nenben ßet>rerffreife ηίφί nur meiff bie 3Infroorfen auf Peffalojjiö Äor= refponbenj Dorliegen, fonbern bag αηφ ber Äommenfafor für biefe @egen= ffimme - roie fφon feif Sriefbanb V - an biefem Sanbe mifgeroirff i>af. iZBerfDoüen, beroäi)rfen Seiffanb erfuhr ber Diebaffor burφ 3ίεηαίε iKeimann unb @E>riffian Sioebel. Sie beuffφe @praφerIäuferuπg lieferte Äurf DTteper roie fφoπ bei Sriefbanb V , unb Äurf ©φαΓεΓ befreufe roieberum bie roaφfeπbe ©parte ^απ^ο^φεη ^nijalfe. S i e 3 u f am nicnarbeif gufer
Äenner i>af ermöglicht, bem £efer einen 33anb mit DielfadE) unbefannfem ©eljalf Dorjufegen. Zöeifere 9Itiff)ilfe iff im 3Inf>ang an ber befreffenben © f e ü e einjeln Derbanff. Herausgeber unb 23er[ag r i e f e n an alle 2 3 e f i £ e r Don bieder unju= gänglidEjen (Schreiben bie 'Sitte, fte mocf)fen Don ifjren S o f u m e n f e n eine PijofDfopie jur V e r f ü g u n g ffellen, bamif bie 23oIIfiänbigfeif ber 23rief= ebifion angefirebf trerben fann. 3i>re freunbiid)e ©eroaijrung DDn 23eii)ilfe fann beö bleibenben S a n f e einer toeliroeiien 2eferfaff geroig fein.
4147. An Johannes von Muralt Petersburg. Yverdun, den [. . . Januar 1816]. Freund! Seit dem Empfang Deines Lezten, wenn ich es so gern 5 beantwortet hätte und [es] auch jezt nicht beantworten kann, sind Trauer- und Todestage für mein Haus, das so lang von solchen Tagen befreit war, eingetreten, die mir äußerst zu Herzen gehen. Ach, Freund, meine gute liebe Frau ist nicht mehr. Sie hatte neben Altersbeschwerden und der Spur einer allmäh- 10 Ilgen Lungenauflösung die lezte Zeit ihres Lebens ein ausgezeichnet gutes Aussehn. Der lezte Herbst griff sie weniger an, als schon viele Jahre, und wir hofften mit ihr einen ausgezeichneten Winter, und noch Donnerstag, den 7ten Dezember, war sie bis spät in die Nacht außerordentlich heiter und gieng mit einer seltenen Munter- 15 keit spät zur Ruh. Aber nach Mitternacht ergriffen sie plötzlich große Brustschmerzen. Ein starkes Fieber entfaltete sich schnell. Ich war in Lausanne und kam Freytag Mittag wieder zurück. Die Schmerzen, mit denen die Krankheit angefangen, hatten sich verloren; aber eine allgemeine Kraftlosigkeit war eingetreten, die der 20 Arzt sogleich für sehr gefährlich erklärte und die sehr bald mit einem Schlummer begleitet war, die das Nahen der entscheidenden Stunde jezo so viel als gewiß machte. E s war schwer, sie aus diesem Schlummer auch nur durch Arzneyen zu erwecken. Wenn sie erwachte, so redte sie fast nichts, warf nur noch einige wehmüthige, 25 liebevolle Blicke auf die Umstehenden, dann Schloß sie plötzlich wieder die Augen und schlummerte. Am Sonntag (10. Dezember), als es 12 Uhr schlug, fragte sie: « Was schlagts? » Man antwortete ihr: « Zwölfe! » Sie wiederholte das Wort zweymal und fragte noch: « Ist es nicht mehr? » Und morndes am Montag (11. De- 30 zember), in dem Augenblick, als es eben 12 Uhr schlug, war es, daß sie noch den lezten Athemzug that und sanft und still verschied. Lieber Muralt, ich habe viel verloren, aber ich habe auch viel besessen. Es war eine innig gute, im Stillen kraftvolle, jeder Aufopferung fähige und im Leiden geduldige Frau. Sie war schon längst 35 kränklich, doch hofften wir noch ein paar Jahre. Jezt sind unsere 1 Pestalozzi Briefe X
2 Hoffnungen verschwunden. Sie genoß der Liebe aller derer, die sie nahe kannten, in einem hohen Grad. Mein Haus war in Wehmuth versunken. Die Stadt nahm das höchste Interesse an meiner Lage und schlug mir vor, sie in mei5 nem Garten unter den Nußhäumen zu vergraben und auch mir neben ihr daselbst eine Gruft zu bereiten. Es erquickte mich, ihren Todeshügel in der Nähe meines Hauses zu haben. Die Municipalität schrieb nach Lausanne, um die Bewilligung dafür zu erhalten, und so ward sie am Samstag den 16ten Dezember begraben. 10 Es war ein feyerlicher Zug. Knaben und Töchtern begleiteten sie singend zur Ruhestätte. Die Municipalität folgte hinter mir und meinem Sohnssohn, anstatt der ermangelnden Verwandtschaft, und die ganze Stadt, gewiß wenige, wenige Menschen ausgenommen, folgten ihrem Sarg. Niederer sprach einige Worte bey ihrem 15 Begräbnis, dann giengen wir zurück. Unser Haus versammelte sich im Betsale. Trauergesänge ertönten, und Niederer hielt noch eine Rede zu ihrem Angedenken. Aber die Trauer dieser Tage war noch nicht vollendet. Friedrich Bourgeois, der hoffnungsvollste, der gemüthlichste meiner Zög20 linge, ward in Corcelette vor ungefähr 14 Tagen von außerordentlich heftigem Kopfweh ergriffen. Man achtete dasselbe im Anfang, weil er oft Kopfschmerzen ausgesetzt war, nicht für bedeutend; aber es ward schnell mit bedeutenden Symptomen begleitet. Dennoch ahndete man nichts weniger als Gefahr. Er kam mit seinen 26 Eltern von Corcelette zurück, und sogleich nach seiner Zurückkunft nahm die Krankheit eine die äußersten Gefahren andeutende Richtung. Dennoch machten die Ärzte Hoffnung, und noch am Abend vor seinem Hinscheiden saß ich ohne Ahndungen des nahen Todes vor dem Bett des lieblichen Knaben und weilte eine 30 Stunde bei seinen Eltern, die sich freuten, daß die Krankheit eine bessere Richtung nahm, als wenige Stunden darauf ihn heftige Schmerzen anfielen, und die Arzte die Hoffnung seiner Rettung verlohren. Am Samstag, den 23ten, verschied er. Ich kam eben noch zu seinen lezten Zügen und lag kniend neben Vater, Mutter 35 und Bruder, als er verschied. Sein Leichenbegängnis war rührend, wie das von meiner Frau. Seine Kameraden trugen ihn zum Grab. Sein Sarg war mit einer seltenen schönen Krone und ganz mit Blumen und Kränzen bedeckt. Ich folgte dem Vater, und Mani in unserer Mitte, dem 40 Leichnahm. Nach dem Begräbnis kehrte unser ganzes Haus zurück
3 in den Betsaal, feierten mit Trauergesängen sein Andenken, und Ackermann, mit dem Friedrich Bourgeois in engem Verhältnis stand, hielt noch eine kleine Rede zu seinem Andenken. So giengen die zwei Trauerwochen vorüber. Es war eben Weihnacht, als man Bourgeois vergrub. Am Abend vorher hatten die 5 Kinder noch einen schönen Baum und freuten sich dessen herzlich. So wechselten lebhafte Äußerungen der Freude und der Trauer in wenigen Stunden. Meine Frau war 75 Jahr. Sie starb den Tod des vollendeten Alters; aber Friedrich Bourgeois starb in der Blüthe seiner Jahre. Mit ihm trug man die schönsten Hoffnungen des aus- 10 gezeichneten Lebens ins Grab. Freund! Auch ich bin 70. Ihre Todesstunde soll mich lebhaft daran erinnern, und ich freue mich, mit der sichern Überzeugung ins Grab zu gehen, daß mein Unternehmen gerettet. Ja, Freund, es ist gerettet. Es entfalten sich Kräfte für dasselbe, die ich nicht 15 ahndete, und Männer nehmen daran Antheil, denen durchaus nichts mangelt, um auch in litterarischer Hinsicht dem Haus neue auszeichnende Solidität zu geben, die ich nicht zu erleben hoffte. Auch in ökonomischer Hinsicht sind wir gerettet. Das Wiedereintreten Schmids hat in dieser Rücksicht entschieden, und meine 20 Frau ist diesfalls mit der höchsten Beruhigung in jene Welt hinübergegangen. Jezt leb wohl! Ich kann nicht mehr. Doch noch das Einzige: Du hast ein Kistchen Mineralien für mich bey Dir. Sorg doch, daß es sicher an mich gelange; wenn Du Gelegenheit hast, es auf Leip- 25 zig zu senden, so addressier es an Herrn Gross u. Comp. Adieu, Freund! Schreib uns bald wieder! 4148. An J. J. Paschoud Geneve. du 2 j anvier 1816. 30 J' ai re$u votre envoi du 22 decembre 4 Voyage de Robinson L. 12.dont vous avez credit. J'aurois bien desir^ avoir une couple de Gumal et Lina pour le nouvel an. N'etant pas sür de les recevoir, j'ai fait distribuer d'autres livres aux eleves auxquels ils etoient 35 destines; cependant je pourrai peut-etre placer encore un ou deux exemplaires.
4 4149. Francillon-Mercier Lausanne. [le 2 janvier 1816]. 5
(Reg.) Zustellung der Rechnung.
L e jugement que les precepteurs d'Albert forment de lui, porte qu'il ne manque nullement de facultes intellectuelles, qu'il possede m^me des talens plus que mediocres, mais qu'il a encore de temps en temps ä lutter contre un penchement physique ä l'indolence. ίο C'est pourquoi ses dispositions ä l'attention, ä l'acte vite et ä une conduite generalement louable alternent avec d'autres qui l'entrainent ä la distraction, ä l'inactivite et ä une conduite reprehensible. Sa sante paroit cependant etre bonne et affermie. Son corps est ä une epoque de developpement qui peut-etre contribue aux is defauts observes ci-dessus; nous faisons notre possible ä les deraciner peu ä peu. LI passe pour un des eleves les plus distingues dans les etudes mathematiques, telles que le calcul, l'algebre et la geometrie, pour lesquelles il manifeste une predilection particuliere. Ses progres et l'interßt qu'il prend ä l'histoire, aux exercices 20 de style et ä l'etude du latin se montrent sous un jour moins favorable; il a peine ä suivre ses collegues. Nous desirerions aussi qu'il s'apliquät ä une ecriture plus propre, plus lisible et en general plus soignee; le tort qu'il se fait en negligeant sa main est visible dans toutes les branches d'instruction oü l'ecriture est d'emploi. 25 Agreez, Monsieur et eher ami, l'expression de mon devouement le plus sincere Pestalozzi. (Reg.) Nachschrift von Couster, bittet u m Rechnungsstellung an Pestalozzi f ü r das letzte J a h r .
30
4150. Collomb-Argand, Vevey. 4151. Philippe Dubois et ills, Locle. du 2 janvier 1816. (Reg.) Rechnung für kurzen Aufenthalt des Sohnes Collomb, Bezug von vier Uhren v o n Dubois.
5 4152. An Holdenecker Basle. 3. J a n u a r 1816. Yon den mir übersandten Sachen behalte ich Folgendes: 5 2 Sortimente Bilderbögen fl. 2.12 3 Geduldspiele ä 48 Kr. fl. 2.24 fl. 4.36 3 Geduldspiele und 3 Kalender folgen zurück. Die drei verkauften Exemplare Unschuld haben Sie mir zu be- ίο rechnen. Das Übrige belieben Sie so wohlfeil als möglich an die Andräische Buchhandlung in F r a n k f u r t a. M. zu meiner Disposition zu verschicken und Auslagen nachzurechnen, indem Sie mir das Geschehene anzeigen. (Reg.) Abrechnung.
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4153. An Luquiens cadet Lausanne. 3 janvier 1816. Envoyez-moi, s.v.p. par le prochain fourgon: 20 Un exemplaire: Contes moraux de ma grand'tante, par Ducray-Duminil. Un dito: Les soirees de la chaumiere, ou les legons du vieux pere, par le meme. Un dito: Les beautes de l'hystoire, ou le tableau des 25 vertus et des vices. Je vous retourne: Un exemplaire en 3 vol.: Observation sur la chimie. Un dito - id. Decouverte de l'Amerique. P.S. II va sans dire que je garde: 30 1 Plutarque, De l'enfance, 1 vol. 12 br. 1 Beautes de l'hystoire grecque, 1 vol. 12 br.
4154. An Alt-Statthalter Α. Heußi St. Gallen.
5. Januar 1816. Genehmigen Sie zuvörderst meinen warmen Dank für die Empfindungen des Beileids, welche Ihr Leztes auf eine eben so rührende als freundschaftliche Weise ausdrückt. Die herzlichen Äußerungen von Theilnahme, die ich von allen meinen Freunden erhalten, und ihre Aufmunterungen bestärken mich in dem ernsten Vorsatz, ίο [mich] auf die Zukunft mehr als j e dem Zweck meines Lebens zu widmen, und besonders das ununterbrochene Streben nach demselben auch nach meinem Tod durch Erziehung und Bildung von Jünglingen, die Sinn und K r a f t für dasselbe haben, zu sichern. W i r glauben in Ihrem Neffen, wenn j e in irgend einem unsrer 15 Zöglinge, wenigstens insofern die alles belebende und erhebende Kraft des Gemüths dazu unentbehrlich ist, einst ein taugliches Werkzeug dazu zu erblicken. Alle seine Lehrer loben seine stille Thätigkeit und den frommen, gewissenhaften Sinn, mit dem er allem obligt, was er thut. Es würde uns desnahen unendlich schmer20 zen, wenn er jetzt schon einer viel Gutes versprechenden und erst jetzt noch sich kräftiger emporhebenden Entfaltung seiner Kräfte und Ausdehnung seines Wissens und Könnens schon entzogen werden sollte. Wir hoffen jedoch, der Entschluß Ihrer Herren Brüder und der Ihrige werden so unabänderlich nicht seyn, daß 25 nicht Rücksichten auf das Wohl und bessere künftige Fortkommen dieses hoffnungsvollen Knaben (seine Bestimmung, zu deren Festsetzung seine Versorger immer das erste R e c h t haben, mag nun seyn, welche sie will) ihn nicht wenigstens modifiziren sollten. Wir glauben, daß die Verlängerung seines hiesigen Aufenthalts 30 noch um 1 % oder 2 J a h r e auf jeden Fall äußerst wohlthätig, wo nicht unentbehrlich für ihn seyn wird. Meinerseits bin ich bereit willig zu thun, was ich kann, um zur Erleichterung seiner Verköstigung beyzutragen, und mache Ihnen zu dem Ende den Vorschlag, wenn Sie mir ihn noch zwei J a h r e lassen wollen, das Kost35 geld auf 180 Franken herabzusetzen, den ich auch an Ihre Herren Brüder gelangen lasse. β
Ich danke Ihnen für Ihre Bemühung wegen den bewußten Anweisungen. Der einte meiner Schuldner, Anderegg, dessen Redlich-
7 keit und gutem Willen ich trauen zu dürfen glaube, verlangt Aufschub, den ich ihm bewillige; es bleibt also für einmal nur der andere, Joseph Huber in Ganterschwyl, dem ich neuerdings schreibe. N.S. Lieber Freund! Die Sorgfalt, die Sie immer für Ihren & Neveu gehabt, macht mich nicht zweifeln, Sie werden diese freundschaftlichen Gesinnungen gegen ihn fortsetzen, um so mehr, da er nach dem Zeugnis aller seiner Lehrer in seinem Betragen und in seinen Kenntnissen befriedigende Vorschritte macht. Es wäre wirklich sehr schade, wenn er mitten in einer Laufbahn zurückge- 10 zogen würde, die ihm nur, insofern er darin zu einer Art von Selbständigkeit gelangt, wesentlich nützlich werden kann. Es macht mir Vergnügen, Ihnen versichern zu können, daß mein Etablissement in allen Rücksichten befriedigende Vorschritte 15 macht. Auch versichere ich Sie, daß ich nicht nur die günstigen Vorschläge, die ich Ihnen seinethalben mache, gern thue, sondern auch außerdem mich bestreben werde, für diesen Knaben alles Mögliche, was sich von meiner Anstalt erwarten läßt, angedeihen zu lassen. 20 4155. An die Oberlehrer. 8. J a n u a r 1816. Söhne! Ihr nennt mich Vater, und ich bin es, ich war es immer und bin es noch heute und werde es bis an mein Grab sein, und 25 trete heute mit dem Ernst meines Vaterrechts in Eure Mitte und rufe Euch zu: Seid ruhig! Seid still! Seid gehorsam! Liebet einander, jeder schaffe das Seine, helfet dem Schwachen, erhebet den Niedrigen und veredelt den Rohen! 30 Meine Kinder! Mein Herz blutet. Es sind in Eurer Mitte Verirrungen vorgefallen, die mich innig betrüben. Die Todesfeier Eurer Mutter ist in denselben entweiht, das neue J a h r ist in seinen ersten Stunden in unsrer Mitte entheiligt. Das Herz von Männern, die ich mit Ernst und Feierlichkeit als würdige Männer erkenne, h a t sich 35 getrennt - edle Männer haben in unserer Mitte sich gegenseitig gescholten. Brüder haben in unserer Mitte Brüder gescholten. Es war ein Augenblick einer leidenschaftlichen Verirrung - ich
8 will, ich soll sie schnell enden. Ich bin Euer Vater, ich bin Euer Richter, der Irrthum ist ein Hausirrthum, der Fehler ist ein Hausfehler. Das Recht, Hausfehler zu endigen, ist ein heiliges, häusliches Recht. Die Thränen der flehenden Kinder kommen dem 5 Vater entgegen, und die Liebe des Vaters vereinigt die streitenden Brüder. Söhne, das ist Euere Stellung! Männer des Hauses, geliebte Söhne, erkennet die Noth der Stunde, erkennet mein Recht! Ich will, ich soll dem Zwiespalt ein Ende machen. Alles, was in diesem Jahre Unfreundliches zwischen den Glie10 d e m meines Hauses vorgefallen, geredet, geschrieben worden, sei und bleibe von meines Vaterrechts wegen aufgehoben und als nicht geredet, nicht geschrieben und nicht vorgefallen erklärt; es soll in seinen Originalen und in unserm Protocolle ausgestrichen und zernichtet werden. Ich erkläre die gegenseitig vorzüglich beleidig15 ten Personen öffentlich und vor meinem ganzen Hause als die verdienstvollsten Männer desselben. Ich erkläre öffentlich vor Gott, vor der Welt und vor meinem ganzen Hause, daß ich diesen vorzüglich beleidigten Männern Achtung und Dank schuldig bin und daß ich diese Gesinnungen der Achtung und des Dankes nicht in 20 mir auslöschen werde, bis an mein Grab. Und wer ist der Sohn, der im Streit mit seinem Bruder von seinem Vater mehr will und mehr wollen kann, als dieses? Es ist genug, Kinder! Ich darf es sagen, ich darf es als Vater sagen: Es ist genug, Kinder! Versöhnt Euch und vergesset das 25 Vergangene! Ihr seid ja Brüder. Auf jetzt - von hinnen, zu dem Grabhügel meiner Frau, Eurer Mutter! Euere Thränen auf ihr Grab, daß die Tage ihrer Trauer in unserer Mitte entweihet worden! Freunde, ich schäme mich, daß ich Euch Söhne nannte, ich 30 nannte Euch nie so. Seid wieder meine Freunde und meine Brüder! Erkennet in mir von nun an wieder Eueren Bruder, aber Eueren ältesten, Eueren am Rande des Grabes stehenden Bruder! Denket mich heute schon jenseits des Grabes und folget mit der Ehrfurcht, die Ihr gegen mich im Grabe haben werdet, in der Überwindung 35 Eurer selbst, meinem Beispiele! Ich bin nicht nur sieben, ich bin siebenzig Mal sieben Mal unter meinem Dache beschimpft und mißhandelt worden. Zeuget, Freunde, wie ich in diesem Falle mich benommen! Ist es nicht wahr, daß ich hundert und hundert Mal mit Thränen in den Augen 40 die Hand des Mannes gesucht, der mich beschimpft und mißhan-
9 delt hat? Ist es nicht wahr, daß ich durch diese Geduld, durch diese Uberwindung meiner selbst, mein Haus bis auf diese Stunde erhalten? Ich litt Unrecht, vielleicht wie wenig Menschen auf Erden, aber ich ging meine Straße zu meinem Ziel, wie wenn ich des Unrechts nicht achtete, wie wenn es nicht da wäre. Gott war mir selbst 5 der Richter meiner selbst, und that mir genug; ich schämte mich nicht, demüthig vor denen dazustehen, die mich leiden machten; ich gewann zu Zeiten ihr Herz, ich erreichte dadurch oft meine Zwecke und that meinem Hause dadurch wohl. So ging ich in Guthmütigkeit verzeihend und vergessend erst 10 am Morgen unter das Dach und in die Kammer des Mannes, der mir am Abend schändlich that. Ich lobe mich dessen, ich habe dadurch mein Haus erhalten und selbiges zu der hohen Vereinigung gebracht, in der es in seinem Wesen dasteht. Freunde, Brüder! Es steht fest für meine Zwecke, mein Haus 15 steht unerschütterlich fest; es vereinigen sich in demselben große, mächtige Kräfte. Gott - Muth - und Demuth haben diese Kräfte vereinigt. In Gott, mit Muth und Demuth müssen sie vereinigt bleiben. Keine Eitelkeit, keine Selbstsucht trennen diese Kräfte. Der Granit sagt nicht zum Marmor: Du bist ein schlechterer Stein! 20 Der Granit und der Marmor erhält nur durch der Menschen Hände seinen Werth, und Ihr alle, auch die ersten des Hauses, seid nur durch Gottes Gnade, was Ihr seid. E s erhebe sich keiner über den andern, es erniedrige keiner den andern! Wir haben alle Fehler, ich habe vielleicht die meisten; wir haben alle gefehlt, wir mangeln 25 in vielem und sehr vielem des Ruhmes, der uns selber zu Theil geworden. Freunde, Brüder! Unsere Stellung ist schwer, denn unser sind viele. Es braucht oft Heldengröße, unserer Stellung im Geiste und in der Wahrheit ein Genüge zu leisten. 30 Selbstüberwindung ist es, durch die wir in unserer Stellung vor Gott und den Menschen gerechtfertigt werden können. Diese Selbstüberwindung gehe vom Ersten, vom Edelsten unsers Hauses, aus, und werde dadurch die heilige Kraft unsers Hauses selber! Das sei unser Entschluß! Und nun zum Grabhügel meiner geliebten 35 Frau, Eurer seligen Mutter, und wer einen Tropfen kindlichen Blutes in seinen Adern hat, dessen Thränen fallen auf ihr Grab und löschen Irrthum und Leidenschaft aus jeder Seele! Sie, Euere Mutter, starb im Glauben, daß unser Haus gerettet sei, ruhig; und im Glauben, daß es gerettet sei, fing auch ich das 40
10 Jahr mit Dank gegen Gott und mit herzlichem Vertrauen auf Euch, vereinigte Freunde des Hauses, an. Gott - Muth - und Demuth erneuere diesen Glauben in uns allen! Seid doch wieder alle meine Freunde, meine Brüder, seid alle wieder Lehrer und Väter 6 unserer Kinder! Sie alle erfreuen sich heute noch unserer wiedergekommenen Vereinigung und innigen Liebe, und die Welt, die auf uns hinblickt, und die Stadt, die uns ehrt und liebt, erkenne in diesem Jahre mehr noch als in keinem andern, daß wir alle der Hoffnung würdig sind, die wir erregt haben, und daß wir alle den 10 Glauben und das Vertrauen verdienen, das man auf uns setzt! Pestalozzi. Am 8. Januar 1816, an Niederer, Ramsauer, Schmid, Stern, Marx, Leuzinger und Krüsi. 4156. 15
An die Andräische Buchhandlung Frankfurt a. M. du 9 janvier 1816.
Auf Ihre Anfrage an Herrn de Bary in Betreff der zu übernehmenden 48 Exemplare meiner neuesten Schrift habe ich die Ehre 20 zu erwiedern, daß bisher an keine Buchhandlung außer der Schweiz noch keine Versendung meiner neuesten Schrift gemacht worden, ausgenohmen nach Leipzig. Den Ladenpreis habe ich auf den Wert von 3 Schweizerfranken oder F. 2.4 gesetzt, wie ich es einzeln hier verkaufe. Der Nettopreis für Buchhandlungen ist F. 1.20 Kr. 25 Dem Herrn J. Holdenecker in Basel habe ich den Auftrag gegeben, Ihnen noch 15 Exemplare zuzusenden. Haben Sie sichere Aussicht, mehr zu gebrauchen, so kann ich Ihnen von hier aus oder von andern Orten noch mehr zugehen lassen. Der größere Theil der Auflage ist aber doch schon außer meinen Händen. so
4157. An Herrn Fellenberg. Herten, den lOten Januar 1816. Ich verdanke Ihnen die Versicherung Ihrer herzlichen Theilnahme an dem Hinscheiden meiner lieben seeligen Frau. Sie ist
11 nach einem schweren Leben im 75sten J a h r hingegangen, wohin mich 70jähriger Mann meine Erlösung von einem schweren Leben auch bald hinführen wird. Ich preise sie glücklich, ihre Laufbahn ist hinter ihr; auch die meinige achte ich so viel als hinter mir. Mich umschwebt eine neue Welt, in die ich nicht mehr passe und 5 deren Wege und Mittel ich nicht mehr zu erlernen vermag, folglich auch für meine liebsten Zwecke nicht mehr zu betreten versuchen darf. Was in meinem Streben über meine Tage hinausgeht, das fällt in die Hand junger kraftvoller Menschen, die es jeder nach der Eigenheit seiner Ansichten, Kräften und Lagen benützen und 10 äufnen oder auch einschränken und verkrüppeln wird. Ich kann in meiner Lage und bey meinen Kräften diesfalls wenig mehr thun, das eine zu befördern und das andere zu verhüten. Den Mittelpunkt meines Strebens, « die elementarische Entfaltung der menschlichen Kräfte als das einige, wahrhaft psychologi- 15 sehe Mittel der Bildung und Erziehung unseres Geschlechts nicht bloß idealisch erkennen zu machen, sondern ihre Ausführung allgemein praktisch zu bewahren», dieser Mittelpunkt meines Strebens ist bei weitem nicht zu der Vollendung gebracht, die wir zu erzielen suchen. Allenthalben ist unser Thun nur Stückwerk. 20 Wir hoffen auf das Yollkommne und streben nach dem Vollendeten; aber wir besitzen es nicht und haben immer mehr nothwendig, zu erkennen, in welchem Grade wir es nicht besitzen. In diesem Zustand der Dinge ist Beschränkung unsrer selbst und äußerste Sorgfalt für die Äuffnung und Vollendung des Ein- 25 zelnen, das in unsrer Hand liegt, mithin die Ablenkung unsrer Aufmerksamkeit von allem dem, was außer dem Kreis unsrer Kräfte und Mittel liegt, unsere erste und heilige Pflicht. Weltwirkung, Welteinfluß wird mir deshalb täglich mehr ein Wort, das im Mund meines Alters und meiner Lage nicht wohl paßt, und das ich über- 30 haupt im Munde schwacher Menschen in beschränkten Lagen nicht allzusehr liebe. Lavater sagte einst zu mir: «Wer auf das Einzelne mit Erfolg wirkt, der wirkt auch mit Erfolg auf das Ganze, auf die Welt, und er t h u t auch das oft am meisten und am sichersten, wenn er nicht 35 daran denkt und er es gar nicht sucht.» Es ist gewiß, wer das Einzelne gut vollendet zu Stande bringt, der trägt unendlich viel dazu bey, die Vollendung des Guten im Ganzen und Allgemeinen zu befördern. Freund! Diese Ansicht wird dem thätigen Menschen, der dem Grabe nahet, beruhigend und genugthuend. So wie er einsieht, 40
12 daß seine Laufbahn vollendet, so sieht [er] ein und muß es einsehen, wie einen kleinen Punkt ein Menschenleben im großen Gange der Weltkultur ausfüllt. Freund! Ich weiß, ich habe meinen Zwecken redlich gelebt, und 5 die Stunde meiner Wirkung war nicht ganz klein. Mein Zeitpunkt hatte im Gegentheil einige für mich sehr günstige Momente, und doch, wie wenig bin ich im Wesen meines Strebens vorgerückt. Wie oft war meine Mühseligkeit darin umsonst, wie oft war meine Gutmüthigkeit darin mißbraucht, mein Vertrauen betrogen, meine 10 Hingebung verspottet und meine Aufopferung mit Undank belohnt! Wie oft ward ich in meinem Thun, eben wenn ich das Höchste und Heiligste meines Strebens in meinem Herzen trug, wie ein Ball vom spielenden Knaben umhergeworfen! Wie oft schöpfte ich Wasser in eine durchlöcherte Bütte, wie oft scheiterten is meine Hoffnungen auf Umstände und Menschen! Wie oft sind sie an meiner Seite und unter meinem Dach wieder verschwunden, wie eine Flamme, die, wenn man sie eben angezündet, sogleich wieder erlöscht! Wie klein ist der Erfolg meiner letzten zehn Jahre gewesen! 20
Fellenberg! Ich bin müde und sehne mich nach dem Grabe. Eine vernehmliche Stimme ruft mir zu: Bestelle Dein Haus, denn Du mußt sterben! Ich höre sie, ich fühle ihre Wahrheit, und entsage Hoffnungen und Endzwecken, die nun einmal unwiderruflich außer den Kreis meiner Stunde gefallen, mit Ruhe und Ergebung. 25 Es ist Zeit, daß ich es mir einmal mit Entschlossenheit sage: Was du nicht kannst, das mußt du nicht wollen! Dadurch komme ich allein dahin, das ganz und recht zu thun, was ich noch will. Mein Kreis ist um mich geschlossen. Das Resultat meines Lebens beschränkt sich auf wenige, aber wichtige und K r a f t ansprechende 30 Punkte in meinen nächsten Umgebungen. Wie in jedem Privatleben das Alter des Greisen nur noch in seiner Wohnstube und in seinen nächsten Umgebungen und sonst nirgend kraftvoll und segnend auf Kind und Kindeskind herabwirkt, also fühle ich mich auch in meinem Streben nur noch unter meinem Hausdach und 35 unter den Meinigen kraftvoll und wirksam. Ich muß mich von allem dem zurückziehen, wohin mich ins Weite und Ferne führende Gelüste, wenn sie auch noch so heilig und wichtig seyn würden, hinführen könnten. Tausend Berührungsmittel meines Lebens sind abgeschnitten und von mir weggeworfen, wie ein Gärtner einen Ast 40 von einem Baum abschneidet und wegwirft.
13 Dennoch ist die Aufgabe, der ich noch jetzt im engen Kreis meiner Umgebung lebe, nichts weniger als klein. Ich soll auf der einen Seite den immediaten Bedürfnissen der großen Anzahl meiner Zöglinge in allen Rücksichten ein Genüge leisten; ich soll ferner eine beträchtliche Anzahl Jünglinge, die sich an mein Thun ange- 5 schlossen, für ihre Bestimmung so weit bringen, als es die Individualität eines jeden erlaubt; ich soll, und das ist wesentlich, die Zahl der Jünglinge, die sich den P u n k t der elementarischen Bildung, auf dem wir stehen, eigen gemacht haben, so stark vermehren, als möglich. 10 Ich soll auf der andern Seite die Idee der Elementarbildung an sich selbst und als Basis aller Bildungs- und Unterrichtsmittel durch Fortsetzung ihrer praktischen Ausübung zur höchsten Klarheit erheben, und die Bemühungen, sie an alle Fächer des menschlichen Wissens und Könnens praktisch anzuwenden, ununterbro- 15 chen und allgemein fortsetzen. In allem diesem darf ich meine Hand nicht zurückziehen. Ich will, so alt und schwach und so sehr ich im Verhältnis zu meinen Zwecken vermögenslos bin, ihnen bis an mein Grab getreu sein, und zwar je länger je lieber in Kinderunschuld, das ist ohne Sorge, wie weit ich 20 es bis dahin bringen werde, und ohne Kummer für das, was ich nicht zu erzielen vermag. Des Menschen Sach ist, treu am Weinberg des Herrn zu arbeiten. Der Erfolg seiner Arbeit, der Ertrag des Herbstes ist nicht seine Sache. Er kann dem Hagel nicht sagen: Weiche von meinem Berg! Er kann über den Frost nicht gebieten, 25 daß er [nicht] im Frühling das keimende Schoß in seiner ersten Entfaltung zernichte. Er kann die Nässe des Jahrgangs nicht verhüten, und den Herbsttagen nicht gebiethen, daß sie warm seyen. Treu seyn in seiner Arbeit, und jedem Rebstock seine Sorgfalt beweisen, das ist das einige, was er thun kann, und das will ich auf- 30 richtig und, soweit meine Kräfte hinreichen, jezt mehr als je thun. Mein Herz ist in Rücksicht auf meine Endzwecke rein. Ich will nur die Sache. Ich hange weder an Zeit, noch an Ort. Iferten selber als solches ist mir nichts. Ich habe selber meine Nachkommenschaft um meines Zweckes willen zurückgesetzt und habe in meinem Le- 35 ben gehandelt, vast wie wenn sie nicht da wäre. Aus dieser Ansicht, lieber Herr Fellenberg, sehen Sie, daß ich in einer Lage bin, das, was außer dem Kreis meiner reellen Kräfte ligt, als mich nicht angehend anzusehen und jede feste Aufmerksamkeit auf dasselbe als mich in den Pflichten meiner nähern Verhältnisse stöhrend anzusehen. 40
14 Lieber Herr Fellenberg! Sie haben mehrere Mal den Wunsch einer nähern Vereinigung zwischen uns geäußert; glauben Sie, wo ich mich immer in der Lage befinden könnte, das Menschenfreundliche Ihrer Zwecke zu befördern, so würde ich es gerne thun! Ich 5 bin auch überzeugt, die Vollendung der Resultate meiner Bestrebung werde Ihnen nicht dienen können. Ich weiß, Sie werden sie nicht benutzen könen und würklich benutzen. Und schon der Punkt, auf dem wir in demselben wirklich stehen, könnte Ihnen vielleicht in einiger Rücksicht nützlich seyn. Aber Sie wissen, 10 durch welche schwere Erfahrungen ich auf mich selbst zurückgedrängt bin. Ich mag ein Sprichwort, das Ihnen vielleicht in den Sinn kommt, nicht in den Mund nehmen. Genug, Sie kennen die Tiefen der Leiden, unter denen sich mein Verhältnis zu Ihnen getrennt. Sie wissen auch, mit welchem kindlichen Vertrauen ich bis 15 auf diesen Zeitpunkt an Ihnen hieng, und Ihnen sind die äußersten Gefahren, zu denen ich bey meiner Trennung von Ihnen ausgesetzt war, nicht unbekannt. Sie ahndeten gewiß nicht, daß ich sie überstehen werde. Aber ich habe sie überstanden. Das Bild der Umstände, unter denen dieses geschah, und der 20 Leiden und Kränkungen, denen ich ausgesetzt war, will ich Ihnen nicht vormalen. Ich sah in diesem Zeitpunkt selber weniger, wo es mit mir und mit meinem Thun enden würde, als ein Mann, der, in einem im brausenden Meere entmasteten Schiffe ins weite Weltmeer verschlagen, die Sternen am Himmel nicht einmal mehr sieht 25 und selber kein Ufer ahndet, an dem er auch in weiter Entfernung noch landen könnte. Die Wolken haben sich zerstreut, leitende Sterne erscheinen, und ich sehe ein Ufer. Es ist ein kleines Eiland, aber ich will auf dasselbe hinzusteuern und suche keine neue Welt mehr. Wahrlich, ich bin der alten satt, man kann nicht mehr. Der Schrek30 ken meiner Seefahrt im entmasteten Schiff verfolgt mich, wenn ich nur an ihn denke. Ich fühle das Wunder meiner Rettung, aber auch den Grad der Ermattung, zu dem mich die Gefahren meiner Tage hingeführt haben. Aber so ermattet und niedergedrückt ich auch bin, so nimmt 35 mein Herz in aller Trennung und Abgeschiedenheit von allem dem, wovon meine Kräfte entfernt stehen, ernsten und thätigen Antheil an allem Guten, von dem ich auch nur die Möglichkeit sehe, es durch meine Kraft befördern zu können. Aber unser gegenseitiges Verhältnis ist diesfalls unendlich verschieden. Ich bin in allen 40 äußern Mitteln drückend beschränkt, Ihnen stehen die größten zu
15 Geboth. Dieses ist auch bestimmt in Rücksicht auf Nabholz der Fall. Sie finden Lehrer, so viele und so ausgezeichnete, als Sie wollen, und können ihnen Vortheile gewähren, so viel als sie nur fordern. Das finden die Lehrer bey mir nicht. Ich m u ß im Gegentheil froh seyn, wenn das gute Herz einiger edlen Menschen sich den 5 Beschränkungen meiner Lage mit aufopferender Hingabe unterwirft. Das t h a t Nabholz, und es ist mir äußerst wichtig, wenn es möglich ist, ihn wieder zu gewinnen. Ich hoffe, Sie sehen in dieser Äußerung keine unfreundliche Gesinnung, und am wenigsten einen Mangel an gutem Willen, mich Ihnen zu allem Guten zu nähern 10 und Ihnen zu dienen, was in meinen Kräften ist. Aber, um offenherzig zu reden, was mich ein wenig von der Hoffnung, gegenseitig in einem ganz unbefangenen und ungekränkten Verhältnis gegeneinander zu stehen, entfernt, ist dieses: Es walten in I h r e n U m g e b u n g e n Meinungen, die nicht im Stil- 15 len geblieben, sondern an bedeutenden Stellen laut ausgesprochen worden: J e d e G e l d u n t e r s t ü t z u n g , d i e i c h zu m e i n e n Z w e k k e n e r h a l t e n w ü r d e , w ä r e so v i e l a l s i n d e n S e e g e w o r f e n . Dergleichen Äußerungen sind meinem Unternehmen in dem Wesentlichsten, was ich noch zu leisten vermag, ans Herz gegriffen. 20 D i e s e s , das Wesentlichste meiner Zwecke, das Heiligste meiner Unternehmung bedarf Unterstützung und kann von mir nicht erreicht werden. Ich wünsche sie also und m u ß sie wünschen, und zwar nicht um meinet-, sondern um der Menschheit, um des Volkes und der Armen willen. Aber ich wünsche sie umso mehr und 25 muß sie umso mehr wünschen, da ich glaube, es sey jetzt nicht leicht jemand in der Welt, der in Rücksicht auf meine Zwecke die Fülle gereifter Erfahrungen und den Umfang so viel vereinigter Kräfte in seiner Hand habe als ich. Es ist also bestimmt meine Überzeugung, daß, wenn ich durch ökonomische Kraftlosigkeit 30 g e h i n d e r t w ü r d e , das, was diese gereifte Erfahrungen und dieser Umfang von vereinigten Kräften mich zu leisten in Stand setzt, w i r k l i c h zu l e i s t e n , so würde, wo nicht mein Zeitalter, doch meine nächsten Umgebungen, mein Vaterland etwas, das zur Förderung seines Wohlstandes und seiner Kultur ist, verlieren. 35 Diese Sorge kann mir jeden Umstand, der meine Hoffnung, für diese Zwecke noch Unterstützung zu finden, zu zernichten geneigt ist, nicht gleichgültig in die Augen fallen machen, und dabey t h u t mir die Meinung, alles gehe in meiner Hand zu Grund, umso mehr weh, da ich diesen Vorwurf in Rücksicht auf alles, was ich für Er- 40
16 ziehung und Menschenbildung gethan habe, durchaus nicht verdiene. Ich darf bestimmt fragen: Wer hat in Rücksicht auf diese Gegenstände mit v i e l e m ausgerichtet, was ich mit w e n i g e m ? Ich darf bestimmt fragen: Wer wagt es, sich diesfalls neben mich 6 zu stellen? Freund! Ich bin nicht stolz, aber ich fühle meinen Selbstwerth und mein Verdienst und m u ß ihn um meiner Zwecke willen fühlen. Und nun, lieber Herr Fellenberg, wie tief muß es mich am Ende meiner Laufbahn noch kränken, selbst im Kreise von Männern, 10 die mit mir gleiche Zwecke haben, Insinuationen herumschleichen zu sehn, die, wenn sie Fuß greifen sollten, so tief in die Zerstöhrung der Resultate meiner Lebensanstrengungen hineinwirken, und die meine letzten Lebenshoffnungen, die mir die Mühseligkeiten meiner schweren Tage noch allein erquiken könnten, vor meinen 15 Augen verschwinden machen könnten! Freund! Was auch immer begegnet, ich werde den lesten Zwekken meines Lebens mit eiserner Standhaftigkeit entgegengehen. Ich werde bey der Menschenfreundlichkeit meines Zeitalters Handbiethung für dieselben suchen. Aber so wie ich mein ganzes 20 Thun nicht für meine Sache, nicht für die Sache meiner Individualität und der Individualität meines Hauses ansehe, so werde ich sowohl als diejenigen, die wahrhaft die Meinigen sind, das reine Streben eines jeden Menschen und einer jeden Anstalt nach meinem Zweck als meine Sache und als die Sache meines Hauses 25 ansehen und ihr mit reinem Herzen zu dienen suchen. Freund! Wir können einander wirklich dienen. Die Mittel der National- und Volksbildung, die Mittel der Menschenbildung vereinfachen, begründen, erweitern sich in unserm Haus fortdauernd und kommen fortdauernd mehr unter sich selbst in Harmonie. 30 Ihre Vollendung muß Ihnen wie mir am Herzen liegen. Ihre Resultate können Ihnen noch eine Reihe von Jahren wesentlich dienen; ich hingegen bin dem Grabe nahe und werde die wesentlichen Folgen meines Thuns nicht sehen, will geschweigen auf irgend eine Art benutzen können. Aber Sie können mir oder vielmehr meinen 35 Zwecken für den Augenblik wichtig dienen, indem Sie die öffentliche Unterstützung derselben freundschaftlich befördern. Freund, wo Sie denselben können das Wort reden, thun Sie das! Befördern Sie meine Zwecke, die auch die Ihrigen sind, und deren Erreichung auch der Erreichung der Ihrigen Handbiethung [tun] wird! Ich 40 werde Ihnen meine Wünsche und meine Bitten an die Menschen-
17 freundlichkeit zusenden. Befördern Sie dieselbe mit dem Vertrauen, das ich verdiene, und seyen Sie versichert, daß ich wie die Meinigen diese Freundschaft auch hinter meinem Grabe erkennen und alles t h u n werde, mit Dankbarkeit eine Handlungsweise zu erwideren, um die ich Sie durchaus nicht aus irgend einem Partikularinteresse 5 bitte! Was Sie mir von Luzern aussagen, ist mir nicht neu und nicht unerwartet. Indessen glaube ich dennoch, der neue Bischof werde sich in Rücksicht der Wünsche von Yverdon, wo mehrere Katholiken das Bedürfnis, einen katholischen Gottesdienst in der S t a d t 10 zu haben, ihm vorgestellt haben, nicht ungeneigt zeigen. Wenigstens war die Antwort, die er Herrn Baron von Guimps hierüber gab, sehr freundschaftlich. Genehmigen Sie die Versicherung meiner aufrichtigen Wünsche, sowohl für Ihr persönliches Wohlergehen, als für dasjenige Ihrer 15 menschenfreundlichen Unternehmung! Empfehlen Sie mich Ihrer edeln Frau Gemahlin! Grüßen Sie mir Ihre lieben Kinder und glauben Sie mich aufrichtig Ihren Ihnen mit Hochachtung ergebenen Freund und Diener etc.
4158.
20
An Herrn Joury Neufchätel. 11. J a n u a r 1816. Für Ihre Bemühungen zur Bereicherung meiner Naturaliensammlung empfangen Sie meinen warmen Dank. Von dem östrei- 25 chischen Minister habe ich ein sehr verbindliches Schreiben erhalten; er glaubt zwar nicht, daß ein Ausfuhrverbot bestehe, h a t mir aber seine Verwendung zur Auswirkung der Bewilligung anerboten und wird zufolge seinem Brief schon das Erforderliche gethan haben, so daß keine Schwierigkeiten stattfinden werden. 30 Hier ist der Ort nicht, wo etwas in Ihrem Sensengewerbe zu machen seyn wird. Es ist eine einzige Eisenhandlung hier, der ich dieselbe gezeigt habe; man findet die Ihrigen zu theuer, obgleich dem äußern Ansehen nach sehr gut. Aber die besten, die m a n hier aus den Fabriken bezieht, werden u m 21 und 22 Bazen v e r k a u f t ; 85 viele Bauern kaufen von herumziehenden Händlern und sehen 2 Pestalozzi Briefe X
18 hauptsächlich auf wohlfeile. Die zwei übersandten kann ich auf meinem Gut brauchen; angeschlossen erhalten Sie die L. 5, wie Sie dieselben anschlagen. 4159. Madame Mitton, St. Petersbourg. 5
4160. Beda Ehrat, St. Galle. 4161. Gonzenbach, St. Gallen. 4162. Meyer Sohn, St. Gallen. 4163. Christian de Bary, Frankfurt a. M. 4164. Blattmann, Wädenschweil.
ίο
4165. Chabert d'Hures, chez Madame de Chichillionne, rue neuve, Grenoble. 10.—18. Januar 1816.
(Reg.) Regelung der Resuchskosten von Herrn R. Ehrat, Regründungen für die Rechnungsstellungen, kurze Nachrichten über Zöglinge, Einladung 15 zum Entsenden neuer Schüler.
4166. An J. B. Schiegg, Buchhändler Leipzig. 13. Januar 1816. 20
Erwiedernd Ihr Schreiben v o m 18. Dezember wird es mich freuen, einen Anfang zu Geschäften mit Ihnen zu machen, welche hoffentlich einen weiteren Verkehr zur Folge haben werden. Es thut mir leid, Ihren Brief v o m März 1813 nicht erhalten zu haben. Die damaligen und seitherigen Zeiten waren aber allem Buchhandel 26 so ungünstig, daß wahrscheinlich wenig Resultate zu erwarten waren. (Reg.) Abrechnung betr. Herrn Groß.
19 Auch den Absatz der 150 Exemplare Unschuld ersuche zu besorgen. Sie sind der einzige, dem ich außer einer Buchhandlung in Frankfurt a. M. in Deutschland einen Versandt gemacht. Einzeln habe ich das Werk für 3 Schweizerfranken verkauft und den Buchhandlungen in der Schweiz und Frankfurt % Abzug als 5 Nettopreis gestattet, Bedingung, bei welcher auch Sie, wie ich glaube, werden bestehen können. Der größte Theil der Auflage ist schon außer meinen Händen.
4167. An J. B. Schiegg, Buchhändler
10
Leipzig. 19. Januar 1816. Ich bestätige mein Leztes vom 13ten dies, durch welches ich meine Zustimmung zu Ihrem Verlangen, dem Komissionsverkauf von Hennings Geographie zu 2 F. 42 Convent, gegen 33 und % Ra- 15 batt gab, und Sie mit dem Verkauf der 150 Exemplare Unschuld zu dem Netto-Preis von 2 Schweizerfranken beauftrug. Das kleine Paket in Nr. 4 senden Sie an Herrn Professor Piamann in Berlin. Ein anderes hingegen, worin sich 25 Exemplare von Hennings Geographie befinden sollen, ebenfalls an ihn adressiert, und noch 20 eines mit 12 Exemplaren an Herrn von Nicolovius in Königsberg behalten Sie, so daß Sie nunmehr 187 Exemplare von diesem Werk in Comission haben. Ich habe noch einen etwelchen Vorrath von meinen Elementarschriften, als Buch der Mütter, Zahlen- und Maaßverhältnisse, und 25 dann die Elementarwerke von J. Schmidt, Form und Größenlehre, Zeichnungslehre, Algebra, Elemente der Zahl, Anwendung der Zahlenlehre etc., sodann Darstellung und Erleuterung meiner Methode unter dem Titel: Erziehungsunternehmung, von Niederer, und anderes mehr. Wären Sie nicht im Falle, zum Absatz derselben 30 annehmliche Bedingungen beyzutragen? Ihre Antwort hierüber erwartend, grüße etc.
20 4168. An Waithard Berne. 19. J a n u a r 1816. 5
(Reg.) Abrechnung für 1813-1815 v o n : Pestalozzi Erklärung gegen Chorherr Bremi, Pestalozzi an Delbrück, Niederer Rechtfertigung, An die Unschuld, sowie Caesar, ed. Oberlineus (Commentarii), für Morton älter.
4169. An Nikolovius. ίο
[etwa 20. J a n u a r 1816].
Theurer Freund! Ich habe Dein theures Schreiben den 12ten dieses, an meinem Geburtsfeste, erhalten, an dem sich mein Haus erschöpfte, mir seine Anhänglichkeit und Liebe zu zeigen. Dein Brief erhöhte die Freude meines Tages. 15 Ach! Wenn nur meine liebe Frau noch gelebt hätte! J e d e Zeile von Dir an mich that ihr immer so wohl. Mir thut jetzt Deine Theilnahme wohl; ich habe viel, sehr viel verloren. Aber ich habe auch viel, sehr viel genossen, und hätte noch mehr genossen, wenn mein Treiben in der Welt [mich nicht] mehr hingerissen hätte, als meine 20 häuslichen Verhältnisse es erlauben sollten. Ich habe ihr viel Sorgen gemacht durch mein Leben. Doch sie ist meiner häuslichen L a g e halber mit Beruhigung in jene Welt hinübergegangen. Seitdem Schmid zurück ist, habe ich von dieser Seite eine große, entscheidende Hülfe, und meine Anstalt geht jetzt wirklich so sehr 25 vorwärts. Das Vertrauen zu derselben hat seit einiger Zeit wieder sehr gewonnen, und es sind wirklich wesentliche, große Fortschritte in der Methode geschehen. Freund! Die späte Frucht meines Lebens fängt an zu reifen. Sie durchlebte einen unfreundlichen Sommer. Ich glaubte fast, sie 30 werde in allen ihren Theilen unreif von meinem B a u m e fallen; aber gottlob, einige ihrer Früchte reifen, und andere wachsen kraftvoller als je. Ich bin zufrieden und soll zufrieden sein. Ich hatte in den Widerwärtigkeiten meines Lebens in Rücksicht auf meine Anstalt noch unendlich viel Glück. E s ist ein Wunder, es ist mir selbst ein 36 unbegreifliches Wunder, daß meine Anstalt nicht schon längst
21 zusammengefallen wie ein Haus, das auf Sand gebaut und neben wilden Waldwassern, die dasselbe von allen Seiten umströmen, gebaut ist. Menschlicherweise davon zu reden konnte kein Mensch glauben, daß es sich erhalten werde; aber Gott hat es gethan, und mir bleibt nichts übrig, als die kurze Zeit, die ich noch zu leben & habe, in Dank und Übereinstimmung mit dieser Hülfe zu leben. Wirklich hat die Vorsehung mich auf einen Punkt hingeführt, wo ich noch vieles, sehr viel leisten kann. Aber ich bin 70 Jahre und ich muß mir selbst sagen: Eile, eile, denn deine Stunde ist nah! Ich muß allen meinen Freunden sagen: Wozu Ihr mir immer Hand 10 bieten könnet und wollet, das thut auf das bäldeste! Ich freue mich unendlich der Hoffnung, daß Ihr mir wieder preussische Zöglinge senden werdet, und ebenso, daß Ihr mir zur Beförderung meines Plans, meine Schriften wieder neu aufzulegen, Hand bieten werdet. Mein Plan darüber hanget mit den Bemü- 15 hungen meines Lebens zusammen, und die Hülfe, die ich diesfalls finden werde, wird wesentlich und größtentheils zur Beförderung meiner pädagogischen Zwecke angewandt werden. Ich werde nicht säumen, meine diesfälligen Wünsche zu publiziren und alles zu thun, um Privilegien und Subscriptionen zu erhalten. Daß meine 20 preussischen Zöglinge meistenstheils zu Euerer Zufriedenheit ausgefallen, freut mich. Die Behörde hat mir als solche darüber bisher noch kein Wort gesagt. Lebe wohl, theurer Freund! Ich schreibe Dir bald wieder und umständlich über alles, was ich für meine Zwecke nothwendig und 25 möglich glaube. 4170. J. M. Hartmann, Annecy. 4171. Doctor Sauter, Constanz. 4172. Kameralverwalter Stapf, Wangen. 4173. Louis Torre, Milan.
so
4174. Graf von Fugger, Augsbourg. 4175. Daniel Janvrin, Jersey. 24.—31. Januar 1816. (Reg.) Zustellung von Rapport und Rechnung, mit Bemerkungen. Für den Knaben Stapf wird beigefügt: 86
22 Mit meiner seel. Frau persönlich bekannt, wird es ihn, wie ich glaube, intressiren, zu wissen, daß dieselbe im verwichenen Monath nach einem kurzen Krankenlager das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselte, betrauert von allen, die sie näher kannten. 5
4176. An Nabholz. Iferten, den 26ten Jänner 1816.
Lieber, theurer Freund! Ich warte Wochen lang mit inniger Sehnsucht auf eine Antwort von Dir. Wir müssen unumgänglich ίο wissen, ob Du zu uns kommen wolltest und kannst. Wir müssen durchaus dem Bischoff einen katholischen Geistlichen vorschlagen, um von ihm, in hiesiger Stadt Messe lesen zu dürfen, die Erlaubnis zu erhalten. Ist es Dir nicht möglich, so müssen wir ungesäumt uns um einen andern Geistlichen umsehen. 15 Ach, niemand wird Dich uns ersetzen, aber wenn Du nicht kannst, was bleibt uns dann übrig? So geht es mir in allem, und in diesem Geist muß ich Dir auf Deinen Brief antworten. Die Unordnung, die Pflichtlosigkeit und die Gefühllosigkeit eines großen Theils meines Hauses ist in vielen Jahren immer ge20 stiegen. Selbstsucht, Rechthaberey und die höchste Indelikatesse in der Rechthaberey ist auf das höchste gestiegen. Der Augenblick war da, wo eine große Menge Eltern im Begriff waren, ihre Kinder zurückzuziehen. Einer warf bim Haar die Schuld auf den andern; fast alle warfen sie auf mich; niemand wollte gefehlt haben. Des 25 Streits war kein End, der Leidenschaften keine Zahl, der Anmaßung keine Gränze; die Liederlichkeit der einen fand in der Liederlichkeit der andern ihre Entschuldigung. Verlassen waren die Kinder, verlassen war ich; hin war die Ordnung, hin war das Recht und mit ihnen die Liebe. so In dieser Lag kam Schmid, stellte Recht und Ordnung wieder her. Das Haus hob sich wie ein Mensch, wenn er, ins Wasser versunken, schon verscherzt ist, sich aus dem Grund wieder erhebt, die Oberfläche des Wassers erreicht und kraftvoll schwimmend Leben und Rettung dem Ufer verkündet, gegen das er hinsteuert. 36 Freund, das hat Gott gethan! Er hat mir den Verstoßenen wieder gegeben und durch seine Kraft dem Verderben ein Ziel gesetzt, dessen Wellen aber mein Haupt umschlingen. Überzeugung und
23 Dankbarkeit verpflichten mich, die Hand meines Retters festzuhalten, die neue Begründung des Hauses bis zu ihrer Vollendung von dem Mann zu erwarten, durch dessen Hand mich Gott selber gerettet. Es ist nicht Discussion, es ist das heilige Leben der Pflicht und persönlichen Anstrengung der Mitglieder des Hauses, wodurch 5 das wieder aufblühende Heil meiner Anstalt sich befestigen und dauerhaft werden wird. Wird treues Pflichtleben im Haus wieder hergestellt sein, so wird sich das andere alles geben. Die Edlern werden sich alle erkennen; sie werden sich alle vereinigen, und mein Tod wird keines einzigen Herz mehr von dem andern trennen. 10 Alles ist jetzt auf guten Wegen; aber viele, sehr viele müssen noch mehr zur Erkenntnis ihrer selbst gebracht werden, als sie es jetzt noch wirklich sind. Wenn ich sterben müßte, Nabholz, so müßte ich Dir vor dem Angesicht Gottes sagen: Es ist keine Vereinigung meiner Freunde, es 15 ist keine Rettung meines Hauses möglich als durch Selbsterkenntnis und Selbstüberwindung. Dahin, dahin lenkt uns Gott, der uns auch nie verlassen; dahin lenke ich meine Freunde nach meinen besten Kräften, und hiefür, für diesen Zweck ist Schmid mein rechter Arm. Seine Kräfte für mein Zihl sind nach meinem Urtheil 20 das Höchste, das Gott hiefür in meine Hand legen konnte. Ich weiß, er wird mißkannt, und diese Mißkennung gefährdet von neuem mein Haus. Aber ich förchte mir nicht, er wird siegen, und mein Haus wird gerettet, durch ihn gerettet dastehen. Wenn Du selbst kommst, so wirst Du ihn und alle kennen lernen, und ich 25 traue es Dir, Deiner Unschuld und Deinem Herzen zu, Du wirst mich in meinem Thun nicht verkennen. Adieu, lieber Nabholz, seye und bleibe ein wahrer Freund Deines Dich mit Hochachtung liebenden Pestalozzi. 30 4177. An J . G. Blum Winterthur. 26. Januar 1816. Mit vielem Vergnügen habe ich die mit Ihrem Werthen vom 35 20ten dies mir gütigst mitgetheilten Berichte von meinen, mir noch in gutem Andenken behaltenen lieben Zöglingen gelesen. Beide
24 scheinen den günstigen Erwartungen, die wir von ihnen hegten, entsprochen zu haben. Auch von Künzli dürfen wir alles Gute hoffen; sein bisheriges Verhalten und das freudige Wachsthum seiner Kenntnisse berechtigen uns dazu. 6 In Rücksicht auf die Bedingnisse, welche Sie wegen den beyden Knaben, welche Ihr Freund mir übergeben möchte, zu wissen wünschen, werde ich alles Mögliche thun, denselben zu befriedigen. Die Anstellung neuer Lehrer, welche die Ausdehnung einiger Lehrfächer nothwendig erheischte, die vermehrte Besoldung anderer, 10 und die seit einigen Jahren gestiegenen Auslagen für mehrere Consumzionsartikel haben mich zwar genöthigt, die Pension auf 30 Louisd'or zu setzen, welches gegenwärtig der gewohnte Fuß ist, auf dem weit die meisten Zöglinge stehen; einige zahlen auch mehr. Da es indessen zwei Brüder betrifft, so will ich, wenn in den häus15 liehen Umständen der Eltern ein Beweggrund dazu vorhanden ist, mir gerne eine Verminderung gefallen lassen, und mache Ihnen demnach den, wie mir dünkt, billigen Vorschlag, sie, wenn das gewohnte Kostgeld zu hoch scheinen sollte, u m 26 Louisd'or per jeden Knaben aufzunehmen. 20 In Hinsicht des religiösen Bedürfnisses darf sich Ihr Freund gänzlich beruhigen. Wir haben gegenwärtig mehr katholische Zöglinge als je, diese sind bis kürzlich (da er auf eine höhere Stelle versetzt wurde und dessen Ersetzung man erwartet) von einem Pfarrer ihrer Confession in der Religion unterrichtet worden, und besuchen 25 auch von Zeit zu Zeit den Gottesdienst in der gleichen Pfarre. Auch für die Zukunft machen wir es uns zur Pflicht, für dieses erste Bedürfnis auf eine für die katholischen Eltern beruhigende Weise zu sorgen. E s wird Ihnen gewiß angenehm seyn, zu hören, daß meine An80 stalt Gott sey Dank an innerer Vervollkommnung sowohl, als an Zutrauen von außen immer mehr gewinnt. Sie ist in den neuesten Zeiten durch mehrere Zöglinge aus Frankreich und Engelland vermehrt worden. Wir haben auch Aussichten zu einem noch größeren Zuwachs aus diesen und anderen Gegenden.
25 4178. An Luquiens cadet Lausanne. 28 janvier 1816. II me faut 9 exemplaires des ceuvres de Virgilius, edition stereo- 6 type. Supposant que vous pouvez les fournir aussi avantageusement qu'un autre, je vous donne la preference. Si toutefois vous ne pouvez remplir la commande de suite, vous m'en avertirez s. v. p. par retour du courier.
4179.
ίο
An Bernard, procureur general Nismes. 28 janvier 1816. J e m'empresse de repondre ä la proposition que vous me faites par l'honneur de votre lettre du 20 courant, que je suis d'autant 15 plus charme de la confiance du negociant de Nantes qui desire placer un enfant dans mon institut, qu'il est dans les intentions de nous le laisser, jusqu'ä ce que son education sera assez avancee. Le dessein nous est d'autant plus agreable que nous avons fait l'experience, combien le developpement moral et intellectuel de la 20 jeunesse souffre par l'interruption prematuree d'un systeme d'education et d'etudes dont on ne peut connoitre le plein resultat qu'apres un laps de temps süffisant pour pouvoir en demontrer tous les avantages. Le prospectus ci-joint vous indiquera tout ce qu'il y a ä observer 26 relativement aux conditions et aux genres d'instruction que les enfants peuvent obtenir. Nous serons bien aise de pouvoir admettre celui que vous proposez au nouveau cours d'instruction qui s'ouvrira en avril.
26 4180. Monsieur J. J. Paschoud, imprimeur-libraire ä Geneve. Yverdun, le 30 janvier 1816. 5
Veuillez prendre note de m'envoyer 9 Virgilius, edition stereotype, que, vu qu'ils sont destines ä l'usage des classes, vous taxerez s. v. p. au plus juste. J'attends encore Gumal et Lina, Les soirees de la chaumiere et Les contes moraux de ma grand' tante, que je vous demandai il xo y a quelque tems. Depuis je vous ai expedie k l'adresse de Monsieur Bazire, entreposeur des tabacs ä Dijon, sous votre couvert, un paquet, que je compte lui avoir ete achemine. Vous me feriez bien plaisir aussi si vous pouviez me fournir les adresses des principales fabriques d'indienne de votre ville et des 15 environs. Agreez, Monsieur, mes salutations affectueuses Pestalozzi.
4181. An die Administration der S. Flickschen Buchhandlung 20
Basle. du 31 janvier 1816. (Reg.) Abrechnung über Lieferungen von Elementarbüchern sowie Werken von Henning, Niederer, Jullien.
Vom Buch der Mütter existiert kein zweiter Theil, so auch keine 25 Fortsetzung der Anweisung zum Buchstabieren. Bei den Maaß Verhältnissen sind mir die Tabellen, die dazugehören, ausgegangen. Von Gertrud ist nichts mehr vorräthig. Vom übrigen, was Sie verlangen, ist nichts Gedrucktes vorhanden, ausgenommen, was in Bruchstücken über Rechnen, Gesang, Sprach-Unterricht und an30 derem in der Wochenschrift enthalten ist, von der drei Bände voll-
27 ständig und zwei Hefte des vierten heraus sind, die ich auf Verlangen nachschicken werde.
4182. Herren Niederer. [Januar 1816?]
5
Ich habe keine Zeit, Bücher zu lesen. Daby nehmen meine Augen förchterlich ab, und ich weiß mir auch darüber nicht zu helfen. Ich habe niemand mehr, der mir aus Dankbarkeit oder aus Barmherzigkeit etwan ein Wort sagt, das mir dienend darin steth. Ich, der 70jährige 10 Pestalozzi.
4183. An Daniel Janvrin Jersey. du 31 janvier 1816. 15 (NB. eat partie par le courier du 2d fivrier).
C'est avec plaisir que je profite de l'occasion qui se presente de vous donner des nouvelles de vos chers enfans. Voici les notices qui m'ont ete communiquees de leurs maitres, renfermant le resume de leurs observations sur leur etat physique, 20 moral et intellectuel. Vous les trouverez exposees avec la franchise que nous croyons devoir aux parens de nos eleves et ä la verite. (Reg.) Zustellung der Rechnung bis 1. April.
4184. Christian de Bary und Samuel de Bary-Jordis, Frankfurt a. M. 2. Februar 1816. (Reg.) Übermittlung von Rapport und Abrechnung.
25
28 4185. An Μ. A. Jullien Paris. 2 fevrier 1816. 5
J'aprens de Mr. Boniface que dans le huitieme il doit partir d'ici une personne pour Paris, qu'il veut charger d'une boite avec des dessins etc. de vos enfans. J'attends done cette occasion pour vous envoyer les rapports qui m'ont ete faits d'eux, dont je dois esperer d'avance que vous serez satisfait. J ' y joindrai les comptes du ler ίο janvier, me bornant pour le moment a vous accuser l'entree de 600 fr. de France pour votre compte de la part des Mrs. Pillichody. 4186. An Herrn Niederer. [4. Februar 1816]. is
Herr Niederer! Ich sende Dir eine Copie des diesen Mittag von Blochmann empfangenen Briefs. Ich möchte Dich fragen: Siehe, ob das Deines Sohns Rokk sy, und denk an den Schmerz eines so weit getriebenen Vatters! Pestalozz.
20
4187. An Herrn Niederer.
(5. Februar 1816). Ich sende Dir hiermit Copie von den heute zwüschen Herren Blochmann und Schmidt gewechselten Billiets. 25 Pestalozzi. 4188. An Niederer. [5. Februar 1816]. a) 30
Entwurf.
Die parteyische und g r e n z e n l o s l e i d e n s c h a f f t l i c h p a r t e y i s c h e T h e i l n a h m e an Blochmans unaussprechlich eilend und ungerechtem Benehmen heißen Sie Ihren les t e n Versuch, mich auf die innem sittlichen Fundamente meines Hauses und der Lehrerverheltnisse aufmerksam zu machen. Ο Gott, Niederer, war es nur das? W a r es ein weiser, war es ein edler, war es 36 ein christlicher Versuch für Ihren Zwek? Fand ich in demselben die Liebe und
29 die Herzlichkeit und die Selbstüberwindung eines seinen Vatter auch [in] Irrthum und Unrecht schonenden Sohns? Fand ich in dieser Unterredung in Ihnen durch die That den