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German Pages 300 Year 2006
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Mathias Habersack, Peter O. Mülbert und Uwe H. Schneider
Band 171
Konzern, Konzernrecht und Konzernfinanzierung Herausgegeben von Mathias Habersack, Peter O. Mülbert und Uwe H. Schneider
Teil XV
Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG? Von
Frank Pfeuffer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
FRANK PFEUFFER
Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG?
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von
Prof. Dr. Mathias Habersack, Prof. Dr. Peter O. Mülbert und Prof. Dr. Uwe H. Schneider
Band 171
Konzern, Konzernrecht und Konzernfinanzierung Herausgegeben von Mathias Habersack, Peter O. Mülbert und Uwe H. Schneider
TEIL XV
Verschmelzungen und Spaltungen als nachteilige Rechtsgeschäfte im Sinne von § 311 Abs. 1 AktG?
Von
Frank Pfeuffer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7352 ISBN 3-428-12331-X 978-3-428-12331-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Geleitwort Die Vorschriften der §§ 311 bis 318 AktG über das Rechtsverhältnis zwischen dem abhängigen und dem herrschenden Unternehmen sind bekanntlich durch ein System von Einzelausgleich und Abhängigkeitsbericht gekennzeichnet. Indem § 311 AktG an die Veranlassung zu einer nachteiligen Maßnahme die Verpflichtung zu Nachteilsausgleich knüpft, lässt er zugleich erkennen, dass nicht nachteilige Maßnahmen ebenso wie nachteilige, aber ausgeglichene Maßnahmen erlaubt sind. Zentrales Tatbestandsmerkmal des § 311 AktG ist damit dasjenige des Nachteils. Es bildet zwar den Gegenstand zahlreicher Abhandlungen und gerichtlicher Entscheidungen. Diese haben es indes vor allem mit Austauschgeschäften zwischen Konzerngesellschaften sowie mit Maßnahmen tatsächlicher Art wie etwa der Aufgabe von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen des abhängigen Unternehmens zu tun. Demgegenüber sind vom herrschenden Unternehmen initiierte Verschmelzungen und Spaltungen nach dem UmwG bislang allenfalls am Rande auf ihre Vereinbarkeit mit §§ 311, 317 AktG untersucht worden. Dies überrascht schon deshalb, weil derlei Vorgänge durchaus häufig anzutreffen sind und zudem das Spannungsverhältnis zwischen den Schutzvorschriften des AktG und den – die Zulässigkeit dieser Maßnahmen klar zum Ausdruck bringenden – Organisationsvorschriften des UmwG in wissenschaftlicher Hinsicht als überhaus reizvoll erscheint. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass sich der Verfasser des wichtigen Themas angenommen hat. Die zentrale und sorgfältig entwickelte, sodann für die einzelnen Formen der Verschmelzung und Spaltung durchgeführte These des Verfassers lautet, dass die Verschmelzung oder Spaltung als solche schon aufgrund der grundsätzlichen Kompetenz der Hauptversammlung für diese Entscheidung und des Erfordernisses eines veranlassten Handelns des Vorstands der abhängigen Gesellschaft keine nachteilige Maßnahme im Sinne des § 311 AktG darstellen kann. Der Umwandlungsbeschluss auf Seiten der abhängigen Gesellschaft unterliegt nach Ansicht des Verfassers auch keiner Sachkontrolle: Da nämlich das UmwG insoweit eine eigenständige und umfassende Interessenabwägung vornehme, fehle es sowohl an Raum als auch an einem Maßstab für die Beschlusskontrolle. Diese Kernthese des Verfassers wird sodann um die weitere These ergänzt, dass ein Nachteil im Sinne des § 311 Abs. 1 AktG denkbar sei, wenn und soweit der Vorstand der abhängigen Gesellschaft zur Ausarbeitung und zum Abschluss eines Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrags mit unangemessenem Umtauschverhältnis veranlasst werde. Hierdurch rückt das Interesse des Aktio-
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Geleitwort
närs in den Mittelpunkt der Betrachtung, was zunächst überraschen mag, letztlich aber im Einklang mit § 317 Abs. 1 S. 2 AktG steht und der besonderen Natur der in Frage stehenden Maßnahmen Rechnung trägt. Es ist deshalb nur konsequent, wenn der Verfasser den Anspruch aus § 317 Abs. 1 S. 2 AktG neben dem in § 15 Abs. 1 UmwG geregelten Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses zur Anwendung bringen will. Dem Verfasser ist zu einer gründlichen, sowohl innovativen als auch dogmatisch versierten Untersuchung zu gratulieren, die eine nicht unwesentliche Lücke im Schrifttum zum Aktienkonzernrecht schließt und der ich die verdiente Beachtung in Wissenschaft und Praxis wünsche. Mainz, im September 2006
Prof. Dr. Mathias Habersack
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde zuletzt im August 2006 aktualisiert. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Mathias Habersack, für die Betreuung der Arbeit und für die zügige Erstellung des Erstgutachtens. Ferner bin ich Herrn Professor Dr. Jürgen Oechsler für die Übernahme des Zweitgutachtens sehr verbunden. Besonderen Dank schulde ich meinen Kolleginnen und Kollegen für die offenen, kritischen und dadurch äußerst hilfreichen Anregungen und Diskussionen, in denen ich meine Thesen und Gedanken prüfen und sich entwickeln lassen konnte. Sehr herzlich bedanke ich mich bei meinen Eltern, die mir meine Ausbildung und die Promotion erst ermöglicht haben. Besonderer Dank gilt allen weiteren Familienmitgliedern, Freunden und bisher ungenannten Personen, die mich in irgendeiner Weise unterstützt und zum Gelingen der Ausbildung und der Promotion beigetragen haben. München, August 2006
Frank Pfeuffer
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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A. Problemaufriss ......................................................................................................... 21 B. Gegenstand und Gang der Untersuchung ................................................................. 22 1. Teil Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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A. Umstrukturierungen nach dem UmwG .................................................................... I. Verschmelzung .................................................................................................... 1. Entwicklung des Verschmelzungsrechts ......................................................... 2. Formen der Verschmelzung ............................................................................ a) Verschmelzung durch Aufnahme................................................................ b) Verschmelzung durch Neugründung .......................................................... 3. Identität des Anteilseignerkreises.................................................................... II. Spaltung .............................................................................................................. 1. Entwicklung des Spaltungsrechts.................................................................... a) Realteilung von Personengesellschaften ..................................................... b) „Spaltung“ von Kapitalgesellschaften ........................................................ c) SpTrUG ...................................................................................................... d) Spaltungsrecht im UmwG .......................................................................... 2. Arten der Spaltung .......................................................................................... a) Aufspaltung ................................................................................................ b) Abspaltung.................................................................................................. c) Ausgliederung............................................................................................. 3. Identität des Anteilseignerkreises....................................................................
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B. Motivation für Umstrukturierungen im Konzern...................................................... I. Gründe für Verschmelzungsmaßnahmen............................................................. 1. Vereinfachung der Struktur der Unternehmensgruppe.................................... 2. Verschmelzung unabhängiger Rechtsträger .................................................... 3. Bündelung von Ressourcen............................................................................. 4. Verschmelzung als Wachstumsinstrument...................................................... II. Gründe für Spaltungsmaßnahmen ....................................................................... 1. Dezentralisation und Diversifikation .............................................................. 2. Isolation von Haftungsrisiken .........................................................................
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Inhaltsverzeichnis 3. Rückgängigmachen von Verschmelzungen .................................................... 36
C. §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis im faktischen Konzern ............................ I. Mögliche Folgen bei Anwendung der §§ 311 ff. AktG ....................................... 1. Nachteilsausgleich gemäß § 311 AktG ........................................................... a) Tatsächlicher Ausgleich.............................................................................. b) Ausgleich durch Begründung eines Rechtsanspruchs................................. 2. Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG...................................................... 3. Schadensersatzanspruch nach § 318 AktG...................................................... 4. Berichtspflicht §§ 312 ff. AktG ...................................................................... II. Zusammenfassung...............................................................................................
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2. Teil Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG............................................ I. Abhängigkeitsverhältnis ...................................................................................... 1. Grundsatz: beherrschender Einfluss................................................................ 2. Unmittelbare und mittelbare Abhängigkeit ..................................................... 3. Einstufige und mehrstufige Abhängigkeit....................................................... 4. Kein Beherrschungsvertrag oder Eingliederung.............................................. a) Kein Abschluss eines Beherrschungsvertrags............................................. b) Keine Eingliederung................................................................................... 5. Faktischer Konzern ......................................................................................... a) Einheitliche Leitung, § 18 AktG ................................................................. aa) Schrifttum ............................................................................................. bb) Rechtsprechung .................................................................................... cc) Fazit ...................................................................................................... b) Leitungsverantwortung – Leitungspflicht................................................... aa) Leitungsverantwortung der herrschenden Gesellschaft......................... bb) Leitungspflicht...................................................................................... cc) Konzernführungsgrundsätze ................................................................. dd) Eigenständigkeit der Tochter-Aktiengesellschaft im faktischen Konzern ............................................................................... c) Qualifizierte Nachteilszufügung ................................................................. II. Veranlassung ....................................................................................................... 1. Grundsatz........................................................................................................ a) Begriff und Formen der Veranlassung........................................................ b) Urheber der Veranlassung .......................................................................... c) Adressat der Veranlassung.......................................................................... 2. Beweiserleichterungen im Konzern ................................................................ 3. Besondere Formen der Veranlassung bei Umwandlungen.............................. a) Hauptversammlungsbeschluss ....................................................................
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Inhaltsverzeichnis
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b) Personelle Verflechtungen.......................................................................... c) Sonstige Formen der Veranlassung............................................................. 4. Kausalität ........................................................................................................ a) Grundsatz.................................................................................................... b) Besonderheiten bei Umwandlungen ........................................................... III. Im Konzerninteresse .......................................................................................... 1. Ungeschriebenes Merkmal.............................................................................. 2. Konzerninteresse (Definition)......................................................................... a) Belange des herrschenden Unternehmens................................................... b) Belange konzernverbundener Unternehmen ............................................... 3. Zusammenfassung........................................................................................... IV. Rechtsgeschäft oder Maßnahme der abhängigen Gesellschaft........................... 1. Rechtsgeschäft (Definition) ............................................................................ 2. Maßnahme (Definition)................................................................................... 3. Umwandlungsmaßnahmen als Rechtsgeschäft................................................ a) Meinungsstand in der Literatur................................................................... aa) Ansicht der herrschenden Meinung....................................................... bb) Ansicht der Gegenauffassung ............................................................... b) Stellungnahme ............................................................................................ aa) Wortlaut des § 311 AktG ...................................................................... bb) Was bedeutet „Rechtsgeschäft“ in § 311 AktG? .................................. (1) Rechtsnatur von Verschmelzungs- oder Spaltungsverträgen.......... (a) Organisationsakt ....................................................................... (b) Austauschvertrag ...................................................................... (c) Dingliche Wirkung.................................................................... (2) Ergebnis.......................................................................................... cc) Systematische Auslegung ..................................................................... (1) Vertragskonzern ............................................................................. (2) Eingliederung ................................................................................. (3) „Faktischer“ Konzern ..................................................................... (4) Ergebnis.......................................................................................... dd) Überlagerung der §§ 311 ff. AktG durch das UmwG? ......................... (1) Schutzprinzipien der §§ 311 ff. AktG............................................. (a) Minderheitenschutz................................................................... (b) Gläubigerschutz ........................................................................ (c) Schutz der abhängigen Gesellschaft i.S. eines Bestandsschutzes? .................................................................... (aa) Eigeninteresse der AG als Kapitalgesellschaft.................. (bb) Einfluss von Beherrschung auf das Eigeninteresse........... (cc) Bestandsschutz als Teil des Eigeninteresses ..................... (d) Zusammenfassung .................................................................... (2) Schutzprinzipien des UmwG .......................................................... (a) Minderheitenschutz/Anlegerschutz...........................................
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Inhaltsverzeichnis (b) Gläubigerschutz ........................................................................ 93 (c) Schutz der Arbeitnehmerinteressen........................................... 94 (3) Vergleich der Schutzprinzipien der §§ 311 ff. AktG und des UmwG...................................................................................... 95 ee) Historische Entwicklung des § 27 UmwG ............................................ 96 c) Ergebnis...................................................................................................... 98 V. Nachteil............................................................................................................... 99 1. Grundsatz........................................................................................................ 99 a) Gängige Definitionen zum Nachteilsbegriff ............................................... 99 b) Beeinträchtigung der Vermögens- und Ertragslage – Vergleich mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft .............................................................. 100 c) Der Nachteilsbegriff des § 311 AktG und sein Verhältnis zu § 317 Abs. 2 AktG.................................................................................... 102 2. Stellungnahme .............................................................................................. 102 a) Annahme der konkreten abhängigen Gesellschaft als unabhängig ........... 104 b) Annahme der Unabhängigkeit und wirtschaftliche Abhängigkeit ............ 105 c) Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters .................... 106 d) Gesellschaftsinteresse i.S.d. §§ 311 ff. AktG als Anlehnung an das Gesellschaftsinteresse im Rahmen der §§ 76, 93 AktG............................ 107 e) Das unternehmerische Ermessen und seine Grenzen ................................ 108 f) Konkrete Nachteilsermittlung bei Rechtsgeschäften und Maßnahmen ..... 111 aa) Nachteilsermittlung bei Rechtsgeschäften .......................................... 112 bb) Nachteilsermittlung bei Maßnahmen.................................................. 112 g) Ergebnis.................................................................................................... 113 3. Einzelfragen .................................................................................................. 113 a) Nicht quantifizierbare Nachteile ............................................................... 113 b) Reflexschäden .......................................................................................... 114 c) Prinzip des Einzelausgleichs..................................................................... 114 d) Passive Konzerneffekte ............................................................................ 115 4. Stichtag der Nachteilsermittlung................................................................... 115 5. Verhältnis von Nachteil zu Schaden und Verlust.......................................... 116 3. Teil Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
A. Nachteiligkeit bei Verschmelzung und Spaltung ................................................... I. Aufgabenzuteilung beim Abschluss eines Umwandlungsvertrags..................... 1. Inhalt des organisatorischen Teils ................................................................. 2. Inhalt des schuldrechtlichen Teils des Umwandlungsvertrages .................... II. Ergebnis ............................................................................................................
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B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG.............. 124 I. Verschmelzung ................................................................................................... 124
Inhaltsverzeichnis 1. Zu untersuchende Verschmelzungsfälle........................................................ 2. Organisatorischer Teil der Verschmelzung als Nachteil? ............................. a) Ist der organisatorische Teil der Verschmelzung der Nachteilsbewertung zugänglich? .............................................................. aa) Kein Erfordernis eines sachlichen Grunds für Hauptversammlungsbeschluss ............................................................ (1) Herrschende Ansicht: keine sachliche Rechtfertigung erforderlich ................................................................................... (a) Der Verschmelzungsbericht nach § 8 UmwG ......................... (b) Weitere Schutzmaßnahmen des UmwG.................................. (c) Zusammenfassung................................................................... (2) Mindermeinung: sachliche Rechtfertigung aufgrund Treubindung? ............................................................................... (a) Herleitung der Treuepflichten im Unternehmensverbund ....... (b) Folgerungen dieser Auffassung .............................................. (3) Stellungnahme .............................................................................. (a) Treuepflichten und Unternehmensverbund ............................. (b) Vertragskonzern...................................................................... (c) Faktischer Aktienkonzern ....................................................... (aa) Ausgangspunkt................................................................ (bb) Anwendbarkeit der Treuepflicht im Abhängigkeitsverhältnis?................................................ (cc) Schlussfolgerungen ......................................................... (dd) Auswirkungen der Treuepflicht ...................................... bb) Ergebnis.............................................................................................. b) Weitere Argumente .................................................................................. aa) Kompetenz der Hauptversammlung.................................................... bb) Unterschied zur Einzelübertragung von Vermögen außerhalb des UmwG .......................................................................................... cc) Bedeutung von § 83 AktG .................................................................. dd) Legitimation des Erlöschens der Gesellschaft durch das UmwG ....... c) Sonderfall des § 62 Abs. 1 UmwG ........................................................... d) Ergebnis.................................................................................................... 3. Schuldrechtlicher Teil des Verschmelzungsvertrages als Nachteil ............... a) Inhalt des Verschmelzungsvertrages......................................................... b) Firma und Sitz des beteiligten Rechtsträgers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UmwG............................................................................................. c) Umfang des zu übertragenden Vermögens nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG als Nachteil .................................................................................. d) Einzelheiten der Anteilsübertragung oder des Mitgliedschaftserwerbs nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 UmwG ................................................................... e) Zeitpunkt der Gewinnbeteiligung, § 5 Abs. 1 Nr. 5 UmwG ..................... f) Verschmelzungsstichtag, § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG.................................... g) Rechte einzelner Anteils- und Rechtsinhaber, § 5 Abs. 1 Nr. 7 UmwG ...
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Inhaltsverzeichnis h) Besondere Vorteile für Vertretungsorgane, Aufsichtsräte und weitere bestimmte Personen, § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG.......................................... i) Folgen für Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG............................................................................................. j) Angabe des Umtauschverhältnisses gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG ........ aa) Bestimmung des Umtauschverhältnisses ............................................ bb) Ermittlung des Umtauschverhältnisses............................................... cc) Grundsätze der Unternehmensbewertung ........................................... dd) Bewertungsstichtag............................................................................. ee) Ermittlung des Umtauschverhältnisses im engeren Sinn .................... ff) Berechnung des Umtauschverhältnisses und der baren Zuzahlung...... (1) Berechnung des Umtauschverhältnisses....................................... (2) Berechnung der baren Zuzahlung................................................. gg) Vermögensrelevanz ............................................................................ (1) Vermögenseinbuße bei übertragendem Rechtsträger selbst.......... (2) Vermögenseinbuße bei Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers ................................................................................ (3) Keine Vermögenseinbuße bei Gläubigern der abhängigen Gesellschaft .................................................................................. (4) Ergebnis........................................................................................ 4. Fällt diese Situation in den Schutzbereich der §§ 311 ff. AktG? .................. 5. Ergebnis Nachteiligkeit einer Verschmelzung .............................................. II. Nachteiligkeit bei Spaltungen............................................................................ 1. Zu untersuchende Spaltungsfälle .................................................................. 2. Organisatorischer Teil der Spaltung als Nachteil .......................................... 3. Schuldrechtlicher Teil des Spaltungsvertrages als Nachteil .......................... a) Angabe des Umtauschverhältnisses nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG....... b) Einzelheiten der Anteilsübertragung oder des Mitgliedschaftserwerbs nach § 126 Abs. 1 Nr. 4 UmwG ............................................................... c) Bezeichnung und Aufteilung der Aktiva und Passiva gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG........................................................................ d) Aufteilung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft, § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG................................................................................ e) Weitere zwingende Anforderungen .......................................................... f) Zwischenergebnis...................................................................................... 4. Fakultativer Inhalt des Spaltungs- und Übernahmevertrages ........................ 5. Besonderheiten bei Abspaltung und Ausgliederung: Umfang des zu übertragenden Vermögens als Nachteil?...................................................... a) Grenzen der Vermögensübertragung ........................................................ aa) Grenzen aus dem UmwG .................................................................... bb) Grenzen aus dem Steuerrecht ............................................................. cc) Grenzen aus §§ 311 ff. AktG .............................................................. dd) Statuarische Grenzen .......................................................................... (1) Möglichkeit der Satzungsänderung ..............................................
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Inhaltsverzeichnis (2) Änderungen des Gesellschaftszwecks .......................................... (a) Formelle Grenzen.................................................................... (b) Materielle Grenzen der Änderung des Gesellschaftszwecks... (c) Zusammenfassung................................................................... (3) Möglichkeiten der Änderung des Unternehmensgegenstandes .... (a) Formelle Anforderungen......................................................... (b) Materielle Vorgaben ............................................................... (c) Zwischenergebnis ................................................................... (d) Möglichkeit der Anpassung des Unternehmensgegenstandes. (e) Unterlassen der Änderung des Unternehmensgegenstandes ... (f) Änderung des Unternehmensgegenstandes als Nachteil.......... (4) Zwischenergebnis......................................................................... 6. Sonderfall Ausgliederung ............................................................................. 7. Zusammenfassung......................................................................................... III. Ergebnis ...........................................................................................................
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4. Teil Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
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A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG ......................... I. Verschmelzungen von 100% abhängigen Gesellschaften.................................. 1. Verschmelzung zur Aufnahme...................................................................... a) Aufnahme durch MutterAG (upstream).................................................... aa) Sonderregeln im UmwG zur Verschmelzung der 100%-Tochter auf die Muttergesellschaft ................................................................... bb) Weitere Überlegungen........................................................................ (1) Minderheitenschutz und Treuepflichten ....................................... (2) Gläubigerschutz............................................................................ cc) Zusammenfassung .............................................................................. b) Aufnahme durch andere 100%-TochterAG der herrschenden Gesellschaft .............................................................................................. aa) Erfordernis einer Kapitalerhöhung...................................................... bb) Weitere Überlegungen........................................................................ cc) Zusammenfassung .............................................................................. c) Aufnahme durch Enkelgesellschaft .......................................................... 2. Verschmelzung zur Neugründung................................................................. II. Spaltungen von 100% abhängigen Gesellschaften ............................................ 1. Aufspaltung................................................................................................... a) Aufspaltung zur Aufnahme....................................................................... b) Aufspaltung zur Neugründung ................................................................. c) Zusammenfassung .................................................................................... 2. Abspaltung .................................................................................................... a) Abspaltung zur Aufnahme ........................................................................
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Inhaltsverzeichnis b) Abspaltung zur Neugründung................................................................... c) Zusammenfassung .................................................................................... 3. Ausgliederung............................................................................................... a) Ausgliederung zur Aufnahme ................................................................... b) Ausgliederung zur Neugründung.............................................................. c) Zusammenfassung .................................................................................... III. Ergebnis ...........................................................................................................
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B. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-Enkelgesellschaft................ 250 5. Teil Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis A. Durchführung einer Umwandlung auf 100%-Tochterebene oder im Vertragskonzern..................................................................................................... B. Durchführung einer Umwandlung in sonstigen Fällen........................................... C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung........................................................................... I. Verpflichtung zum Nachteilsausgleich ............................................................... 1. Grundlagen: Dogmatische Einordnung des Nachteilsausgleichs .................. 2. Festlegung des Ausgleichs ............................................................................ 3. Undurchsetzbarkeit der Ausgleichsverpflichtung ......................................... 4. Inhalt des Nachteilsausgleichs ...................................................................... 5. Ausgleich bis zum Ende des Geschäftsjahres ............................................... II. Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG ........................................................ 1. Durchsetzung des Schadensersatzanspruches ............................................... 2. Verfahren zur Verfolgung des Schadensersatzanspruches nach § 317 AktG in Umwandlungsfällen ............................................................. a) Grundsätze des Spruchverfahrens nach §§ 1 ff. SpruchG......................... b) Einfluss des SpruchG auf die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs.......................................................................... c) Ergebnis.................................................................................................... 3. Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ............................................ III. Auswirkungen auf §§ 312 bis 316 AktG.......................................................... IV. Folgen bei Überschreiten der statuarischen Grenzen .......................................
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D. Mittel zur „Verpflichtung“ zu Umwandlungsmaßnahmen..................................... 271 I. Informelle Veranlassung..................................................................................... 271 II. Formelles Vorgehen nach § 83 AktG ................................................................ 272 Ergebnisse und Thesen ............................................................................................. 275 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 281 Sachwortverzeichnis ................................................................................................. 297
Abkürzungsverzeichnis a.A.
andere Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
a.E.
am Ende
a.F.
alte Fassung
AG
Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
AktG
Aktiengesetz
AktGE
Einführungsgesetz zum Aktiengesetz
Anh.
Anhang
Anm.
Anmerkung(en)
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
BaFin
Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landgericht
BB
Betriebs-Berater
Bd(e)
Band (Bände)
Begr.
Begründung
BFH
Bundesfinanzhof
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BKR
Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht
BMF
Bundesministerium der Finanzen
Abkürzungsverzeichnis
18 BR-Drucks
Bundesrats-Drucksache
BStBl
Bundessteuerblatt
BT-Drucks
Bundestags-Drucksache
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BverfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
DB
Der Betrieb
ders.
derselbe
d.h.
das heißt
DNotZ
Deutsche Notarzeitung
DStR
Deutsches Steuerrecht
Einf.
Einführung
Einl.
Einleitung
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
f., ff.
folgende
FGG
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
GenG
Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschafstgenossenschaften
ggf.
gegebenenfalls
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GmbHR
GmbH-Rundschau
grds.
grundsätzlich
GrS
Großer Senat
Halbs.
Halbsatz
Hdb
Handbuch
HGB
Handelsgesetzbuch
h.L.
herrschende Lehre
Abkürzungsverzeichnis
19
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
i.d.R.
in der Regel
i.R.d.
im Rahmen des (der)
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
JZ
Juristenzeitung
KapErhG
Kapitalerhöhungsgesetz
KG
Kammergericht
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KStG
Körperschaftssteuergesetz
KWG
Kreditwesengesetz
LG
Landgericht
Lit.
Literatur
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
n.F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NZG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OLG
Oberlandesgericht
RdA
Recht der Arbeit
RegE
Regierungsentwurf
RG
Reichsgericht
Rn.
Randnummer
S.
Satz; Seite
sog.
so genannt
SpruchG
Spruchverfahrensgesetz
StGB
Strafgesetzbuch
u.a.
und andere; unter anderem
UMAG
Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts
UmwG
Umwandlungsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
20 UmwStG
Umwandlungssteuergesetz
usw.
und so weiter
u.U.
unter Umständen
vgl.
vergleiche
VGR
Gesellschaftsrecht in der Diskussion
Vorb.
Vorbemerkung
WiB
Wirtschaftsrechtliche Beratung
WM
Wertpapier-Mitteilungen
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
WuB
Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht
z.B.
zum Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZGR
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
Ziff.
Ziffer(n)
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
zit.
zitiert
ZPO
Zivilprozessordnung
Einleitung A. Problemaufriss Die Rechtsbeziehungen zwischen abhängigen und herrschenden Unternehmen ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages oder Eingliederung sind im Aktiengesetz nur unvollkommen geregelt. Die Verantwortlichkeit eines herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Aktiengesellschaft regeln in diesen Fällen lediglich wenige gesetzliche Vorschriften in §§ 311 bis 318 AktG. Sie erfassen sowohl die seltenen Fälle schlichter Abhängigkeit ohne Konzernbildung (§ 17 AktG) als auch die viel häufigeren so genannten faktischen Konzerne (§ 18 AktG). Das System der §§ 311 bis 318 AktG mit Nachteilsausgleich und Abhängigkeitsbericht lässt allerdings viele Fragen offen.1 Seit ihrer Einführung standen die §§ 311 bis 318 AktG unter Kritik als ineffektive und inadäquate Lösung des Außenseiterschutzes.2 Ab Mitte der 80er Jahre setzte bei einigen Kritikern ein Meinungswandel ein:3 Das System der §§ 311 bis 318 AktG bringe zwar praktische Probleme in der Handhabung, ihm käme jedoch Vorfeldwirkung dergestalt zu, dass nachteilige Einflussnahmen bereits präventiv verhindert würden.4 Dennoch besteht weiter Uneinigkeit über die praktische Wirksamkeit der §§ 311 bis 318 AktG. Für herrschende Unternehmen, insbesondere also Holdinggesellschaften oder Konzernmuttergesellschaften, ist angesichts der offenen Formulierung des § 311 AktG fraglich, welche Risiken eine Einflussnahme auf das Verhalten einer abhängigen Gesellschaft birgt.5 Nach § 311 AktG sind Einflussnahmen 1
Siehe Krieger, MünchHdbGesR, § 69 Rn.1. Vgl. umfassend Reul, 279 ff.; siehe auch Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 473; Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 21 ff. 3 Siehe Mülbert, a.a.O., Fußnote 470: Um (zu) selbstbewusst und selbständig agierende Tochtergesellschaften besser in die einheitliche Konzernleitung einbinden zu können, oktroyierte z.B. die schweizerische BBC Braun Boveri AG der deutschen Tochter BBC Braun Boveri AG einen Beherrschungsvertrag, während die Karstadt AG die Neckermann AG aktienrechtlich eingliederte. 4 So Lutter, ZHR 151 (1987) 444, 460 und Rittner, ZGR 1990, 203. 214. 5 In gleicher Weise stellt sich natürlich auch für sonstige Personen sowie die neuerdings aktiven Hedgefonds die Frage des Risikos einer Einflussnahme. 2
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Einleitung
erlaubt, soweit diese unterhalb der Schwelle einer Nachteilszufügung liegen oder mögliche Nachteile ausgeglichen werden. Zentrales Tatbestandsmerkmal des § 311 Abs. 1 AktG ist damit dasjenige des Nachteils. Und genau hier stellt sich oft die Frage, wann ein solcher gegeben ist. Im Schrifttum wurde das Problem der Nachteilsbestimmung bereits in weitem Umfang behandelt, allerdings überwiegend nur punktuell. Man beschränkte sich zumeist auf die Untersuchung von Maßnahmen und Rechtsgeschäften zwischen Konzerngesellschaften wie Lieferungsverträge, Finanzmanagement, interne Darlehen etc. Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich dagegen mit dem Spannungsverhältnis zwischen den Schutzvorschriften des AktG bei einfacher Abhängigkeit und des im Jahr 1995 in Kraft getretenen UmwG. In diesem Zusammenhang stellt sich für das herrschende Unternehmen die Frage der Durchführbarkeit und Durchsetzbarkeit von Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG als strukturelle Leitentscheidungen gegenüber einer abhängigen Aktiengesellschaft.
B. Gegenstand und Gang der Untersuchung Zur Lösung dieser Frage des Zusammenspiels von Vorschriften des Umwandlungsrechts und des Konzernrechts soll in einem ersten, allgemeinen Teil zunächst die historische und gesetzliche Grundlage von derartigen Umwandlungsmaßnahmen dargestellt werden. Hierauf ist als Ausgangspunkt zur Bewertung möglicher Risiken i.R. der §§ 311 ff. AktG besonderer Wert zu legen. Nur mit einem Verständnis der Entwicklung des Umwandlungsrechts können derartige Maßnahmen in das im Vergleich dazu „ältere“ Haftungssystem einer abhängigen AG eingefügt werden und die Prüfung der aufgeworfenen Fragen herausgearbeitet werden. In einem zweiten Teil sollen zunächst die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG hergeleitet sowie allgemein die Tatbestandsvoraussetzungen des § 311 AktG dargelegt werden, ehe in einem dritten Teil die Frage einer möglichen Nachteiligkeit von Verschmelzungen und Spaltungen als in der Praxis äußerst relevante Umwandlungsmaßnahmen näher untersucht und diese unter das Haftungssystem der §§ 311 ff. AktG subsumiert werden. Hierbei soll zunächst davon ausgegangen werden, dass neben einem herrschenden Unternehmen als Mehrheitsaktionär weitere Anteilsinhaber vorhanden sind. In einem vierten Teil werden Besonderheiten herausgearbeitet, die bei einer unmittelbaren oder mittelbaren 100-prozentigen Abhängigkeit der übertragenden Tochtergesellschaft vorliegen.
B. Gegenstand und Gang der Untersuchung
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Die Untersuchung beschränkt sich dabei weitgehend auf die Situation der übertragenden Aktiengesellschaft. Bei ihr stellt sich im Besonderen die Frage der Nachteiligkeit der Abgabe von Gesellschaftsvermögen sowie des mit der Verschmelzung oder Aufspaltung verbundenen Erlöschens der Gesellschaft. Doch aus der Untersuchung der Nachteiligkeit der Umwandlungsmaßnahmen aus Sicht der übertragenden, abhängigen Gesellschaft lassen sich auch Rückschlüsse auf die Situation des übernehmenden Rechtsträgers ziehen. Anschließend sollen in einem fünften Teil anhand der gefundenen Ergebnisse Schlussfolgerungen für die Praxis gezogen und Empfehlungen ausgesprochen werden.
1. Teil
Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis A. Umstrukturierungen nach dem UmwG Der Begriff „Umwandlung“ beschränkt sich auf die vom UmwG erfassten Umstrukturierungen. Damit werden die Maßnahmen der Verschmelzung, Spaltung, der Vermögensübertragung und des Formwechsels nach dem UmwG durch die Bezeichnung als „Umwandlung“ von anderen Umstrukturierungsmaßnahmen abgegrenzt.6 Solche nicht im UmwG enthaltene Strukturveränderungen von Unternehmen7 unter Beteiligung von Aktiengesellschaften sind z.B. Unternehmensverträge gemäß §§ 291 ff. AktG sowie die Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG. Diese Maßnahmen sind ebenfalls organisationsrechtliche Vorgänge und mit den Strukturmaßnahmen des UmwG vergleichbar. Oft werden ähnliche wirtschaftliche und tatsächliche Ergebnisse erzielt. Dennoch bestehen erhebliche formale und materielle Unterschiede. Der Abschluss von Unternehmensverträgen, allen voran von Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen8, verändert die Unternehmensstruktur. Die Verschmelzung einer AG mit einem anderen Rechtsträger und der Abschluss eines Unternehmensvertrags mit dem anderen Rechtsträger führen im Regelfall für die übertragende oder abhängig werdende AG zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis, nämlich der organisatorischen Eingliederung des Unternehmens der Gesellschaft in ein anderes Unternehmen und der Unterwerfung unter die Herrschaft einer anderen wirtschaftlichen und rechtlichen Einheit. Verschmelzung und Unternehmensvertrag sind daher im Wesentlichen austauschbare rechtliche Instrumente, jedenfalls um dasselbe wirtschaftliche Ziel zu erreichen.9
6
Semler/Stengel, in Semler/Stengel UmwG, Einleitung A, Rn. 2. Vgl. hierzu ausführlich Semler/Stengel, in Semler/Stengel UmwG, Einleitung A, Rn. 103 ff. 8 Zumeist wird dadurch eine steuerliche Organschaft begründet; siehe hierzu stellvertretend Altmeppen, in MünchKommAktG Einl. §§ 291 ff. Rn. 10 ff. 9 So die Begründung BT-Drucks. 12/6699 S. 178. 7
A. Umstrukturierungen nach dem UmwG
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Auch die Eingliederung kommt einer Verschmelzung sehr nahe. Sie entspricht wirtschaftlich der Verschmelzung, jedoch mit dem rechtlichen Unterschied, dass die eingegliederte Gesellschaft bestehen bleibt sowie dass Minderheitsaktionäre dieser Gesellschaft aus ihr ausscheiden müssen und statt dessen Aktionäre der Hauptgesellschaft werden oder eine Barabfindung erhalten.10 Durch die Vielzahl der von der Rechtsordnung bereit gestellten strukturellen Möglichkeiten mit ihren unterschiedlichen rechtlichen Folgen haben Unternehmen eine große Freiheit, ihr wirtschaftliches Ziel mit der auf das Unternehmensgefüge am besten abgestimmten Konstruktion zu erreichen. Entscheidet sich die Unternehmensführung für Strukturänderungen nach dem UmwG, muss der Numerus clausus der Umwandlungsarten des UmwG beachtet werden. § 1 UmwG nennt die nach dem UmwG möglichen Strukturmaßnahmen x Verschmelzung, x Spaltung, x Vermögensübertragung, x Formwechsel und schreibt in Abs. 2 ein umwandlungsrechtliches Analogieverbot11 fest. Die Aufzählung der vom UmwG erfassten Maßnahmen zeigt, dass der Anwendungsbereich des UmwG grds. keine alltäglichen Umstrukturierungsmaßnahmen erfasst. Das UmwG ist vielmehr seinem Zweck nach für außergewöhnliche Umstrukturierungen bestimmt, denen sich ein Rechtsträger nur selten und allenfalls in größeren zeitlichen Abständen unterzieht.12 Für Umstrukturierungen mit geringerem Ausmaß, die Aufgaben der täglichen Geschäftsführung gleichen, empfiehlt sich der i.d.R. kostengünstigere und flexiblere Weg der herkömmlichen Umstrukturierungsmethoden wie einer Anwachsung nach § 738 BGB und Formen der Einzelübertragung. Gegenstand dieser Untersuchung sind, wie erwähnt, die zum Teil sehr komplexen und weit reichenden Strukturänderungen des UmwG. Unberücksichtigt sollen dabei die Vermögensübertragung und der Formwechsel bleiben. Die Vermögensübertragung führt aufgrund ihrer offensichtlich unzureichenden ge-
10
Vgl. BT-Drucks. 12/6699 S. 179. Die Reichweite dieses Analogieverbots ist indes sehr umstritten. Für ein Analogieverbot im engeren Sinne Lutter/Drygala, in Lutter, § 1 Rn. 37; Leinekugel, Die Ausstrahlungswirkung des Umwandlungsgesetzes, § 6 III. Darüber hinaus wird zum Teil ein Analogieverbot im weiteren Sinne angenommen, vgl. Semler, in Semler/Stengel, § 1 Rn. 79; Heckschen, DB 1998, 1385, 1386; Bungert, NZG 1998, 367, 368. 12 So Semler, in Semler/Stengel UmwG, § 1 Rn. 4. 11
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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setzlichen Regelung in Rechtsprechung und Literatur ein Schattendasein.13 Von der Möglichkeit der Vermögensübertragung von einer Kapitalgesellschaft z.B. auf Betriebsformen des öffentlichen Rechts wurde unter Geltung des UmwG kaum Gebrauch gemacht. Nicht viel anders ist die Lage bei der Vermögensübertragung von Versicherungsgesellschaften. Diesen stehen i.R.d. VAG mit dem Rechtsinstitut der Bestandsübertragung Wege zur Verfügung, die deutlich geringere Formvorschriften enthalten. Daher überwiegt die Vornahme derartiger Bestandsübertragungen die Vermögensübertragung bei weitem.14 Der Formwechsel ist zwar in der Praxis von größerer Relevanz. Sein Wesen liegt jedoch im (bloßen) Wechsel der Rechtsform unter Wahrung der rechtlichen und wirtschaftlichen Identität des Rechtsträgers15, d.h. es tritt i.d.R. weder eine Veränderung in der Anteilseignerstellung16 noch eine solche hinsichtlich der Vermögenszusammensetzung17 ein.18 Aus diesem Grund erscheint der Formwechsel hinsichtlich einer Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG wenig relevant. Auch die h.A. in der Literatur unterstellt den Formwechsel deshalb nicht den Vorschriften der §§ 311 ff. AktG, sondern verweist auf die Sonderregelungen zur Kapitalerhaltung im UmwG. Für diese Arbeit verbleiben daher die Verschmelzung und Spaltung als strukturelle Maßnahmen nach dem UmwG zur näheren Betrachtung.
13
Fonk, in Semler/Stengel UmwG, § 174 Rn. 10; Stengel, in Haritz/Benkert, UmwG, Einf. Rn. 47; der Verzicht auf die Kommentierung der §§ 176 bis 189 auch in der 2. Aufl. des Kommentars von Kallmeyer weist in dieselbe Richtung. 14 Seit Erlass des UmwG 1995 bis zum Ende des Jahres 2000 genehmigte das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleitungen (BAFin) lediglich fünf Vermögensübertragungen nach dem UmwG. In demselben Zeitraum hat das Amt 179 Bestandsübertragungen und 45 Verschmelzungen genehmigt. 15 Vgl. Meister/Klöcker, in Kallmeyer UmwG, § 190 Rn. 6; Stengel/Schwanna, in Semler/Stengel UmwG, § 190 Rn. 4. 16 BegrRegE, BT-Drucks. 12/6699 S. 136; Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 1 Rn. 45. Es bestehen allerdings auch Ausnahmen der Personenidentität, wie für den Komplementär beim Formwechsel einer KGaA in eine Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft (§§ 236, 233 Abs. 3 Satz 3, 247 Abs. 3, 255 Abs. 3 UmwG ) sowie für die Mitglieder eines formwechselnden Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, die weniger als drei Jahre vor der Beschlussfassung dem Verein angehört haben (§ 294 Abs. 1 Satz 2 UmwG ). 17 Stengel/Schwanna, in Semler/Stengel UmwG, § 190 Rn. 4. 18 Die Beteiligungen der Anteilsinhaber müssen aber nicht unverändert bleiben. Ihre Bestimmung obliegt dem Umwandlungsbeschluss, § 194 Abs. 1 Nr. 4 UmwG. Ein quotenverschiedener Formwechsel ist daher möglich; im Fall der Benachteiligung besteht allerdings ein Anspruch auf bare Zuzahlung, § 196 UmwG; vgl. Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 1 Rn. 45.
A. Umstrukturierungen nach dem UmwG
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I. Verschmelzung Die Verschmelzung i.S.d. UmwG ist die Vereinigung der Vermögen mehrerer Rechtsträger durch Gesamtrechtsnachfolge bei gleichzeitiger liquidationsloser Auflösung der übertragenden Rechtsträger.19 Den Anteilsinhabern der übertragenden Rechtsträger wird dabei im Wege des Anteilstauschs eine Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger gewährt.20 Die Verschmelzung ist Grundtatbestand der im UmwG geregelten Umwandlungsarten. Die Regelungen für die sonstigen Umwandlungsformen bauen überwiegend auf ihr auf.
1. Entwicklung des Verschmelzungsrechts Regelungen zur Verschmelzung gibt es im deutschen Recht seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Entwicklung gestaltete sich jedoch je nach Rechtsform unterschiedlich. Infolgedessen variierten die unterschiedlichen Verschmelzungsregelungen und waren in verschiedenen Gesetzen verteilt. Sinn und Zweck des UmwG war damit zugleich die Vereinheitlichung der bislang differierenden Vorschriften. Im Aktienrecht gab es Vorschriften über die Verschmelzung seit dem ADHGB von 1861, sowie anschließend vergleichbare Regelungen in §§ 303 307 HGB 1897. Diese Vorschriften regelten die Verschmelzung aber lediglich als vereinfachte Form der Liquidation, bei der das Vermögen der übertragenden Gesellschaft zum Schutz deren Gläubiger für ein Sperrjahr getrennt verwaltet werden musste;21 eine Verschmelzung durch Neugründung war unbekannt. Ein modernes Verschmelzungsrecht brachte erst das AktG 1937, welches neben weiteren Änderungen22 auch eine Verschmelzung durch Neubildung vorsah.23 Das AktG 1965 brachte keine tief greifenden Veränderungen des Verschmelzungsrechts.24 Für Aktiengesellschaften änderten sich die Verschmel-
19
Stengel, in Semler/Stengel UmwG, § 2 Rn. 3. Picot/Müller-Eising, in Unternehmenskauf und Restrukturierung, S. 236. 21 § 306 HGB 1897. 22 Vgl. hierzu Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 2 Rn. 5; Stengel, in Semler/Stengel UmwG, § 2 Rn. 9. 23 § 233 Nr. 2 AktG 1937. 20
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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zungsregelungen erst durch die Umsetzung der Dritten gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie (VerschmRL)25 in innerstaatliches Recht im Jahr 1982, was erweiterte Berichts- und Prüfungspflichten brachte.26 Das UmwG 1995 entwickelte das bestehende Verschmelzungsrecht weiter, indem u.a. zahlreiche neue Möglichkeiten der Verschmelzung hinzugefügt worden sind, und vereinheitlichte die bisher nach Rechtsformen variierenden Regelungen.
2. Formen der Verschmelzung Unternehmen können nach § 2 UmwG auf zweierlei Weise verschmolzen werden: Verschmelzung durch Aufnahme und Verschmelzung durch Neugründung.
a) Verschmelzung durch Aufnahme Bei der Verschmelzung durch Aufnahme übertragen ein oder mehrere Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) ihr Vermögen im Wege der Aufnahme als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger).27 Dabei gehen die übertragenden Rechtsträger unter, während der übernehmende Rechtsträger mit dem übernommenen Vermögen fortbesteht.28 Anteilsinhaber der im Zuge der Verschmelzung erlöschenden Rechtsträger erhalten als Gegenleistung Anteile des übernehmenden Rechtsträgers bzw. werden bei diesem Mitglied.29
b) Verschmelzung durch Neugründung Bei der Verschmelzung durch Neugründung übertragen zwei oder mehr beteiligte Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) ihr Vermögen auf einen 24
Vgl. RegBgr. zum AktG 1965, Kropff, AktG 1965, S. 455: Der Gesetzgeber war der Ansicht, die Vorschriften des AktG 1937 hätten sich „im großen und ganzen bewährt“. 25 Richtlinie 78/855/EWG. 26 Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz vom 25.10.1982 BGBl. I 1982 S. 1425. 27 Picot/Müller-Eising, in Unternehmenskauf und Restrukturierung, S. 236. 28 Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 2 Rn. 3. 29 §§ 2, 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG.
A. Umstrukturierungen nach dem UmwG
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gleichzeitig neu gebildeten Rechtsträger (neuer Rechtsträger). Die übertragenden Rechtsträger gehen unter, allein der neue Rechtsträger besteht weiter.30 Der Vorteil der Verschmelzung durch Neugründung zur Verschmelzung durch Aufnahme besteht darin, dass sie z.B. einen Ausweg bietet, falls Streit darüber besteht, welcher von zwei oder mehreren gleich starken Rechtsträgern durch die Verschmelzung untergehen soll. Der Nachteil sind jedoch höhere Kosten für die Beurkundung, da die Kosten hier nach dem Gesamtvermögen aller sich verschmelzenden Gesellschaften berechnet wird.31
3. Identität des Anteilseignerkreises Der Kreis der Anteilseigner der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger bleibt durch die Verschmelzung grds. unberührt. Die Anteilseigner der übertragenden Rechtsträger werden Anteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers. Eine Verschmelzung kann also nicht zur Aufnahme neuer oder zum Ausscheiden bisheriger Anteilseigner erfolgen.32 Bei einer Mischverschmelzung ist widersprechenden Anteilseignern allerdings nach §§ 29, 36 Abs. 1 UmwG ein Barabfindungsangebot zu unterbreiten.
II. Spaltung Erst mit Inkrafttreten des UmwG am 1.Januar 1995 wurde in Deutschland ein gesetzliches Regelwerk zur Spaltung von Unternehmen eingeführt.33 Als Unterfall der Umwandlung von Unternehmen hat der Gesetzgeber damit auch deutschen Unternehmen die gesetzliche Grundlage zur vereinfachten Unternehmensdekonzentration zur Verfügung gestellt.
1. Entwicklung des Spaltungsrechts Das deutsche Recht der Unternehmensspaltung war lange Zeit von Hilfskonstruktionen geprägt, die von der Praxis auf der Grundlage des geltenden Rechts entwickelt wurden und in einem mehrstufigen Verfahren per Einzelrechtsübertragung zum gewünschten Spaltungserfolg führten. Dabei entwickelten sich unter den Begriffen „Realteilung von Personengesellschaften“ und „Spaltung von 30
Vgl. Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 2 Rn. 5. Siehe Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 2 Rn. 19; Martens, AG 2000, 301, 307. 32 Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 1 Rn. 20. 33 Siehe z.B. Stengel/Schwanna, in Semler/Stengel UmwG, § 123 Rn. 8. 31
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
30
Kapitalgesellschaften“ zwei voneinander wesensverschiedene Wege zur Umstrukturierung von Unternehmen.34
a) Realteilung von Personengesellschaften Die Realteilung von Personengesellschaften führte zu einer Verselbständigung zusammengehöriger und wirtschaftlich verbundener Teile des bisherigen Gesamtunternehmens unter Auflösung des gesamthänderischen Eigentums am ganzen Unternehmen ohne Wechsel in der Person durch Übertragung der vollen Herrschaftsgewalt über verselbständigte Teile des bisherigen Unternehmens.35 Die Realteilung erfolgt durch Übertragung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens der Gesellschaft auf die einzelnen Gesellschafter, indem das Gesamthandvermögen aufgelöst und die alleinige Rechtsinhaberschaft an den einzelnen Gegenständen begründet wird;36 es handelt sich insofern um eine „upstream“-Spaltung.37
b) „Spaltung“ von Kapitalgesellschaften Die „Spaltung“ von Kapitalgesellschaften war vor Inkrafttreten des UmwG hinsichtlich ihrer zivil- und steuerrechtlichen Behandlung mit erheblichen Problemen verbunden. Die Einzelrechtsnachfolge erforderte einen mehrstufigen Vorgang durch Einbringung, Liquidation bzw. Kapitalherabsetzung.38 Zunächst musste in einem ersten Schritt das gesamte Vermögen der Kapitalgesellschaft in mehrere neu gegründete Gesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen eingebracht werden. In einem zweiten Schritt war die ursprüngliche Kapitalgesellschaft zu liquidieren.
34
Sagasser/Bula, J 7. Vgl. BFH v. 6. Mai 1952, I 17/52 U, BStBl. III, 183; Grützner, in Lange/Grützner/Krussmann/Moench/Reiß, Personengesellschaften im Steuerrecht, Rn. 881. 36 Vgl. BFH v. 1. Dezember 1992, BStBl. II, 607 ff. mit Anm. L. Schmidt; Jakob/Hörmann/Wittmann, DStR 1992, 1149; Fellmeth, BB 1993, 2192 ff.; Sagasser/Bula, J 8. Problematisch bei der Realteilung war und ist die Behandlung des sog. Spitzenausgleichs, d.h. barer Ausgleichszahlungen bei, wie in der Regel, nicht absolut gleichwertig teilbaren Unternehmen. 37 Diese Gestaltung konnte nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steuerneutral durchgeführt werden, wenn wenigstens ein Teilbetrieb übertragen und so die Besteuerung der stillen Reserven gewährleistet wurde; vgl. BFH v. 15. Juli 1976 I R 17/74 BStBl. II, 748. 38 Sagasser/Bula, J 10 m.w.N. 35
A. Umstrukturierungen nach dem UmwG
31
Entsprechendes galt bei der Abspaltung eines Unternehmensteiles: Bei der ursprünglichen Kapitalgesellschaft musste zunächst eine Kapitalherabsetzung durchgeführt werden. Steuerlich stellte sich das Problem, dass neben der verkehrssteuerlichen Belastung eine gesetzliche Regelung, die eine wenigstens ertragsteuerneutrale Teilung von Kapitalgesellschaften zuließ, nicht existierte. Dementsprechend wurden diese Fälle in den einzelnen Bundesländern uneinheitlich und einzelfallartig behandelt.39
c) SpTrUG Das Rechtsinstitut der Unternehmensspaltung im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge wurde in Deutschland erstmalig durch das am 12. April 1991 in Kraft getretene Gesetz über die Spaltung der von der Treuhandanstalt40 verwalteten Unternehmen (SpTrUG) eingeführt. Das SpTrUG und das UmwG gehen dogmatisch gleiche Wege, so dass bei Zweifelsfällen im Spaltungsrecht des UmwG auch die Kommentierungen und Stellungnahmen zum SpTrUG ergänzend hinzugezogen werden können.41
d) Spaltungsrecht im UmwG Bereits 1972 stellte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Stellungnahme zu Art. 21 der vorgeschlagenen 3. Richtlinie über die interne Fusion von Aktiengesellschaften die praktische Bedeutung der Unternehmensspaltung fest.42 Doch erst zum 1.1.1995 trat das UmwG in Kraft. Entscheidende Neuerung des UmwG ist nicht die technische Vereinfachung des Spaltungsvorgangs durch die partielle Gesamtrechtsnachfolge; im Gegenteil verlangt das UmwG 39
Herzig, DB 1986, 1401; Hörger/v. Gronau, DStR 1992, 92, 93. Seit Anfang 1992 hat das Schreiben des Bundesministers der Finanzen zur Spaltung von Kapitalgesellschaften im Wege eines Billigkeitserlasses Abhilfe geschaffen. Das BMF-Schreiben galt ausweislich seines Wortlautes nur bis zur Bereinigung des Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrechts durch Gesetz, war mithin mit dem 31. Dezember 1994 hinfällig. 40 Seit 1. Januar 1995 in „Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben“ (BvS) umbenannt. Die BvS hat nach weitgehender Erfüllung ihrer Aufgaben ihre operativen und verwaltenden Tätigkeiten eingestellt. 41 Sagasser/Bula, J 12 mit Verweis vor allem auf Widmann/Mayer, Rn. 2915 ff.; Ganske, DB 1991, 791 ff.; Neye, in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Teil 3 b I, Bd. II, SpTrUG. 42 BT-Drucks. 6/3071, 2. Der Rechtsausschuss des Bundestages reagierte 1972 zunächst zurückhaltend. 1980 sprach er sich dann für eine umfassende Überprüfung und Neufassung des Umwandlungsrechts aus, vgl. BT-Drucks. 6/3908, 77 zu Art. 1 Nr. 27.
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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eine Bezeichnung der übergehenden Vermögensgegenstände in einem Umfang, der den der Spaltung im Wege der Einzelrechtsnachfolge erreicht. Der wesentliche Vorteil bei der Gesamtrechtsnachfolge liegt darin, dass Verbindlichkeiten ohne Zustimmung der Gläubiger auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden können. Die §§ 414, 415 BGB gelten nicht.43 Damit beseitigte das UmwG das nach altem Recht bedeutendste Hindernis für Unternehmensspaltungen.
2. Arten der Spaltung § 123 UmwG sieht als Möglichkeiten der Spaltung die Aufspaltung, Abspaltung und die Ausgliederung vor. Das UmwG erfasst unter dem Begriff „Spaltung“ die Maßnahmen, die im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge vorgenommen werden.44 Dies heißt nicht, dass oben dargelegte Umstrukturierungsgestaltungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge ausgeschlossen seien. Diese Möglichkeiten bleiben daneben bestehen. Im Einzelfall wird sogar der Rückgriff auf Gestaltungen der Einzelrechtsnachfolge von Vorteil sein. Im Einzelnen lässt das UmwG die nachstehenden Spaltungsvorgänge zu:
a) Aufspaltung Bei dieser teilt ein übertragender Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung sein gesamtes Vermögen auf und überträgt im Wege der Sonderrechtsnachfolge die Vermögensteile auf mindestens zwei andere, schon bestehende oder neu gegründete Rechtsträger, und zwar gegen Gewährung von Anteilen der übernehmenden oder neuen Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers (§ 123 Abs. 1 UmwG).45
b) Abspaltung Bei der Abspaltung bleibt der übertragende Rechtsträger gemäß § 123 Abs. 2 UmwG bestehen und überträgt nur einen Teil seines Vermögens46, in der Regel 43
Sagasser/Bula, J 14. Vgl. Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 8. 45 Stengel/Schwanna, in Semler/Stengel UmwG, § 123 Rn. 12; Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 19. 46 Siehe z.B. Stengel/Schwanna, in Semler/Stengel UmwG, § 123 Rn. 14; Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 20. 44
B. Motivation für Umstrukturierungen im Konzern
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einen Betrieb oder mehrere Betriebe, auf einen oder mehrere andere, schon existierende oder neue Rechtsträger, und zwar gegen Gewährung von Anteilen der übernehmenden oder neuen Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers.
c) Ausgliederung Wie bei der Abspaltung geht bei der Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 UmwG nur ein Teil oder gehen nur Teile des Vermögens eines Rechtsträgers auf andere Rechtsträger über, jedoch gelangen die als Gegenwert gewährten Anteile der übernehmenden oder neuen Rechtsträger in das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers selbst.47
3. Identität des Anteilseignerkreises Der Kreis der Anteilseigner der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger bleibt durch die Spaltung grds. unberührt. Anlässlich einer Spaltung können aber die Beteiligungsverhältnisse bei den übernehmenden Rechtsträgern unterschiedlich und abweichend von den Beteiligungsverhältnissen beim übertragenden Rechtsträger festgesetzt werden (nichtverhältniswahrende Spaltung gemäß §§ 126 Abs. 1 Nr. 10, 128, 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG).48
B. Motivation für Umstrukturierungen im Konzern Die ökonomische Bedeutung von Strukturänderungen von Unternehmen gewinnt nach wie vor an Gewicht. Umso drängender stellt sich daher für die Unternehmen auch die hier untersuchte Frage eines Risikos bei der Vornahme derartiger Maßnahmen innerhalb eines Konzerns. Gründe für die wachsende Bedeutung von Strukturmaßnahmen sind u.a. der allgemeine Trend in der weltweiten Wirtschaft hin zu Konzentration und Wachstum sowie die Herausforderungen des wachsenden Europäischen Binnenmarktes. Die zunehmende europäische und internationale Konkurrenz sowie die Globalisierung der Märkte zwingen mehr und mehr Unternehmen dazu, ihre Struktur den Gegebenheiten des Marktes anzupassen, um so flexibler und schneller ihre Strategie verbessern, neue Märkte erschließen sowie Unternehmensfelder verteidigen zu können. Die Beweggründe für Strukturänderungen insbesondere im Konzern 47
Ausführlich Stengel/Schwanna, in Semler/Stengel UmwG, § 123 Rn. 15; Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 21 ff. 48 Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 1 Rn. 34.
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
34
sind folglich genau wie die sich verändernden Unternehmensumgebungen vielfältig.
I. Gründe für Verschmelzungsmaßnahmen Fast alle Verschmelzungen spielen sich in Konzernen ab. Eher selten finden Verschmelzungen zwischen unabhängigen Rechtsträgern statt.49 Dem gemäß unterscheiden sich auch die damit verbundenen Beweggründe.50
1. Vereinfachung der Struktur der Unternehmensgruppe Bei Verschmelzungen im Konzern steht die Vereinfachung der Konzernstruktur im Vordergrund. So können Tochtergesellschaften auf die Muttergesellschaft verschmolzen werden, die nunmehr das Geschäft übernimmt. Auch eine Zusammenlegung von Geschäftsbereichen kann mit einer Verschmelzung mehrerer Tochtergesellschaften realisiert werden. Schließlich spielen zumeist steuerliche Gründe eine gewichtige Rolle.51
2. Verschmelzung unabhängiger Rechtsträger Ökonomisch bedeutend ist die Zusammenführung unabhängiger Unternehmen, die oft je für sich die Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe bilden. Oftmals erscheint hier eine Verschmelzung komplexer als ein Unternehmenskauf. Dennoch können Gründe für eine Verschmelzung statt eines Kaufs sprechen, vor allem, wenn die beteiligten Unternehmen und ihre Anteilseigner einen Zusammenschluss „unter Gleichen“ anstreben, bei dem keiner den anderen übernimmt. Dies wird bei Vorliegen gleichartiger Rechtsformen dadurch unterstützt, dass bei einer Verschmelzung die Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Anteilen erfolgen kann. Sind sich die Anteilseigner einig, können in diesen Fällen auch Verschmelzungsbericht und -prüfung entfallen, was dann u.U. sogar den einfacheren Weg darstellen kann.
49
Stengel, in Semler/Stengel UmwG, § 2 Rn. 19 ff. Einen Überblick über große Fusionen der späten 90er Jahre und ihre Gründe gibt Hansen, AG 1999, R 4. 51 Vgl. hierzu Stengel, in Semler/Stengel UmwG, § 2 Rn. 20. 50
B. Motivation für Umstrukturierungen im Konzern
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3. Bündelung von Ressourcen Unabhängig davon, ob verbundene oder unabhängige Rechtsträger verschmolzen werden, geht bei der Verschmelzung das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger über. Dies führt zu einer Bündelung von Ressourcen, was für die beteiligten Unternehmen auf bestimmten Märkten auch für die Aufgaben der Finanzierung von Vorteil sein kann.52
4. Verschmelzung als Wachstumsinstrument Verschmelzungen sind darüber hinaus Zeichen eines Wachstumstrends zu immer größeren Märkten, steigender Produktion und wachsendem Kapitalbedarf der globalen Wirtschaft. Dabei ist die Einheit von unternehmerischer Leitungsmacht und haftender Vermögensmasse durchaus erwünschte Konsequenz der Verschmelzung als Wachstumsinstrument.53 Erst die Verschmelzung führt zur Vergrößerung der Haftungsmasse, die zunächst eine verbesserte Kapitalaufnahme und darauf aufbauend eine Expansion bewerkstelligen lässt.
II. Gründe für Spaltungsmaßnahmen Das wirtschaftliche Bedürfnis für die Teilung und Spaltung von Unternehmen ist schon lange vor Inkrafttreten des UmwG dargelegt worden. Gegenüber Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten, in denen das geltende Recht schon lange die Spaltung ermöglichte54, stellte das Fehlen dieser Übertragung im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge einen gravierenden Wettbewerbsnachteil dar. Als Motivation für Spaltungen können ein ganzes Bündel von unternehmerischen Zielen herangezogen werden. Im Vordergrund werden betriebswirtschaftliche Gründe stehen.
1. Dezentralisation und Diversifikation So kann es vorteilhaft sein, die bislang funktional ausgerichtete Organisation des Unternehmens in eine divisionale, Profit Center orientierte Organisation zu 52
Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 2 Rn. 11; Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, F Rn. 1 ff. 53 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 2 Rn. 12. 54 Etwa Frankreich, Spanien und Portugal.
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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überführen. Weiter kann die Spaltung als Instrument zur Schaffung kleinerer, am Markt selbständig auftretender Einheiten dienen, insbesondere von Tochterunternehmen, die als Kooperationspartner an der Bildung von Gemeinschaftsunternehmen beteiligt werden oder eine Vorstufe für eine Teilhabe mit anderen Unternehmen darstellen können. Vor allem in Sanierungsfällen oder bei der Änderung des Leitungsprogramms eines Unternehmens kann mit der Spaltung die Veräußerung von Unternehmensteilen vorbereitet werden.55 Auch steuerliche Motive, etwa die Erlangung einer erweiterten Kürzung für Grundstücksgesellschaften im Gewerbesteuerrecht, sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Hingegen dürften die mit der Schaffung kleinerer Einheiten verbundenen Möglichkeiten der Unterwanderung mitbestimmungsrechtlicher Grenzen (vgl. hierzu jetzt § 325 UmwG) und der Verminderung von Publizitätserfordernissen bzgl. der Handelsbilanzen eine nur untergeordnete Rolle spielen.56
2. Isolation von Haftungsrisiken Ebenfalls betriebswirtschaftliche Erwägungen führen dazu, durch Spaltung des Unternehmens Haftungsrisiken57 in kleine Betriebskapitalgesellschaften zu isolieren. Die Umstrukturierung im Wege der Betriebsaufspaltung ist insofern der logische Versuch des Unternehmers, Risikoabgrenzungen vorzunehmen.58
3. Rückgängigmachen von Verschmelzungen Zudem kann festgestellt werden, dass die Spaltung im Verhältnis zur Verschmelzung nach den §§ 2 bis 122 UmwG gewissermaßen eine Umkehrung darstellt.59 Der Wegfall der Motive für eine Verschmelzung kann somit eine Spaltung der Unternehmen erforderlich machen. Auch bei der Rückgängigmachung fehlerhafter oder erfolgloser Verschmelzungen oder ähnlichen Entflechtungsmaßnahmen60 ist die Spaltung ein mögliches Instrument. Diese Umkehr55
Vgl. Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 31. Siehe Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, M Rn. 1 ff. 57 Z.B. nach dem Produkthaftungsgesetz. 58 Siehe Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, M Rn. 1 ff.; Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 31. 59 Die Spaltung ist aber nicht das Gegenteil zur Verschmelzung, sondern mit dieser eng verwandt und gründet oft auf Verschmelzungseffekten, vgl. 6. Richtlinie (Spaltungsrichtlinie) 82/891/EWG. 60 Vgl. Lutter, in Lutter UmwG (1. Aufl.), § 123 Rn. 7. 56
C. §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis im faktischen Konzern
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funktion der Spaltung wird, wie sich noch zeigen wird, bei der Untersuchung der Nachteiligkeit entsprechender Maßnahmen i.R.d. Haftungssystems der §§ 311 bis 318 AktG eine wesentliche Rolle spielen.
C. §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis im faktischen Konzern Im Recht der abhängigen Aktiengesellschaften erlauben die §§ 311 ff. AktG zwar eine Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen. Vor allem aber der in § 311 AktG konstatierte Nachteilsausgleich bei einer Veranlassung zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen birgt für das herrschende Unternehmen ein wirtschaftliches Risiko, welches die geplante Maßnahme zum Scheitern bringen könnte. Vor diesem Hintergrund der Leitung und Planung konzernweiter Strukturmaßnahmen hat das herrschende Unternehmen zu untersuchen, ob und inwieweit im Konzerninteresse erachtete Umwandlungsmaßnahmen aus ökonomischer Sicht durchsetzbar und tatsächlich gewinnbringend sind. Entscheidend ist in dieser Hinsicht die Frage der Beurteilung von Umwandlungsmaßnahmen als nachteiliges Rechtsgeschäft oder Maßnahme im Sinn des § 311 AktG.
I. Mögliche Folgen bei Anwendung der §§ 311 ff. AktG Stellt die beabsichtigte Konzernleitungsentscheidung ein nachteiliges Rechtsgeschäft oder eine nachteilige Maßnahme dar, müsste die Konzernleitung die drohenden Folgen der §§ 311 ff. AktG gegen die zu erwartenden Vorteile für den Konzern abwägen. Nur bei einem positiven Ergebnis würde die Durchsetzung der Entscheidung ratsam sein.61 Mögliche Folgen der Regelungen der §§ 311 ff. AktG wären: Nach § 311 AktG hat das herrschende Unternehmen bei Einflussnahme zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder sonstigen Maßnahmen den Nachteil grds. auszugleichen. Werden ohne Nachteilsausgleich nachteilige Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen auf Veranlassung der Obergesellschaft durchgeführt, sind das herrschende Unternehmen, seine Organe (§ 317 AktG) und ggf. auch die Organe des abhängigen Unternehmens (§ 318 AktG) zum Schadensersatz verpflichtet. Nach §§ 312 bis 316 AktG ist mit dem Jahresabschluss ein Abhängigkeitsbericht zu erstellen und zu prüfen. 61
Vgl. 5. Teil C.
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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1. Nachteilsausgleich gemäß § 311 AktG Nach § 311 AktG ist eine nachteilige Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen gerechtfertigt, wenn die Nachteile durch Gewährung gleichwertiger Vorteile ausgeglichen und damit die Vermögensinteressen der abhängigen AG gewahrt werden. § 311 Abs. 2 AktG regelt Zeit und Form des Nachteilsausgleichs. Dem herrschenden Unternehmen obliegt es danach lediglich62, die Nachteile noch innerhalb des Geschäftsjahres auszugleichen, und zwar entweder tatsächlich oder dadurch, dass es der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf Nachteilsausgleich einräumt, der den erlittenen Nachteil zumindest aufwiegt.63 Ob die Ausgleichsleistung zur Kompensation genügt, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Vorteilsgewährung.64 Unabhängig von der Art und Weise der Ausgleichsgewährung gilt, dass nur konkrete Vorteile zur Erfüllung der Ausgleichsverpflichtung geeignet sind.
a) Tatsächlicher Ausgleich Tatsächlich ausgeglichen ist der Nachteil, wenn der zu seiner Kompensation bestimmte Vorteil bis zum Bilanzstichtag derart in das Vermögen der abhängigen AG eingegangen ist, dass die Nachteile bilanziell neutralisiert werden.65 Auch wenn die §§ 311 ff. AktG auf dem Prinzip des Einzelausgleichs beruhen66, ist nicht erforderlich, dass jeder einzelne Nachteil durch einen entsprechenden Vorteil ausgeglichen wird. Zulässig ist, dass mehrere Nachteile und Vorteile kontokorrentartig zusammengefasst und saldiert werden; auszugleichen ist dann lediglich ein zu Lasten des herrschenden Unternehmens verbleibender negativer Saldo, etwa durch Schlusszahlung.67 Die Modalitäten des
62
Es besteht also kein eigener Anspruch der abhängigen AG auf einen Nachteilausgleich. § 311 Abs. 2 AktG gewährt lediglich eine Obliegenheit des herrschenden Unternehmens zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht aus § 317 Abs. 1 AktG; vgl. Kuhlmann/Ahnis, C. I. Rn. 64. 63 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 59. 64 Vgl. Hüffer, AktG, § 311 Rn. 40; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 107; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 68; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 229 f. 65 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 44; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 70. 66 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 1. 67 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 45; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 70; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 128; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 240; Geßler, BB 1965, 1729, 1730.
C. §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis im faktischen Konzern
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Ausgleichs, insbesondere dessen Art und Höhe, können vom herrschenden Unternehmen einseitig bestimmt werden.68
b) Ausgleich durch Begründung eines Rechtsanspruchs Wenn der Nachteilsausgleich nicht tatsächlich erfolgt, muss nach § 311 Abs. 1 S. 2 AktG bis zum Ende des Geschäftsjahres bestimmt werden, wann und durch welche Vorteile der Ausgleich erfolgen soll. Die abhängige Gesellschaft muss nach § 311 Abs. 2 S. 2 AktG einen entsprechenden Rechtsanspruch erhalten. Anders als beim tatsächlichen Ausgleich bedarf es dazu des Abschlusses eines Vertrags zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen oder einem Dritten.69 Der Vertragsschluss hat spätestens zum Bilanzstichtag und damit vor Aufstellung und Prüfung des Abhängigkeitsberichtes zu erfolgen.70 Die Erfüllung des Vertrags durch das herrschende Unternehmen kann dagegen auf einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben werden.71 Was den Inhalt des Vertrags betrifft, so verlangt § 311 Abs. 2 S. 1 AktG zum einen die Angabe der Leistungszeit. Sie muss jedoch nicht nach dem Kalender bestimmt sein; vielmehr genügt jede Form der Zeitbestimmung.72 Neben der Leistungszeit müssen die Vorteile nach Art und Umfang bestimmt sein. Die Vereinbarung einer Wahlschuld, die der abhängigen Gesellschaft gemäß § 262 BGB das Bestimmungsrecht überlässt, genügt nach wohl einhelliger Meinung diesen Anforderungen.73 Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer vertraglichen Vereinbarung und das Erfordernis der Vollwertigkeit im Zeitpunkt der Vorteilsgewährung bestehen nach h.A.74 keine Bedenken gegen eine Wahlschuld mit Bestimmungsrecht des herrschenden Unter68 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 71; Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 10; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 44 m.w.N.; Altmeppen, ZIP 1996, 693, 696. 69 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 46; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 72; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 129 f. 70 Ganz h.M., vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 256; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 72 m.w.N. 71 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 72. 72 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 47; A/D/S, § 311 Rn. 74 a.E.; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 73 m.w.N. 73 Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 74 m.w.N. 74 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 74; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 238; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 132; a.A. Hüffer, AktG, § 311 Rn. 47.
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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nehmens oder eines Dritten. Gleichfalls zulässig ist die Vereinbarung, dass das Bestimmungsrecht einvernehmlich auszuüben ist. Voraussetzung ist jedoch stets, dass der Vertrag die alternativ zu gewährenden Vorteile konkret bezeichnet.75
2. Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG Verstöße gegen die Nachteilsausgleichspflicht des § 311 AktG sanktioniert § 317 AktG mit einer Schadensersatzpflicht des herrschenden Unternehmens (§ 317 Abs. 1 AktG) und seiner gesetzlichen Vertreter (§ 317 Abs. 3 AktG). Die Haftung nach § 317 AktG setzt voraus, dass das herrschende Unternehmen den Tatbestand des § 311 AktG verwirklicht hat, ohne dass es zum Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG gekommen ist.76 Wenn aus diesem unterlassenen Ausgleich ein Schaden erwächst, ist der Anspruch begründet.77 Nachteil i.S.v. § 311 AktG und Schaden können übereinstimmen, wenn man beide als Vermögensdifferenz ausdrückt, doch ist das nicht notwendig.78 Der eingetretene Schaden ist daher auch insoweit zu ersetzen, als er den entstandenen Nachteil übersteigt. Der Schaden der AG ist dabei zunächst nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Bleibt der Schaden infolge günstiger Entwicklung hinter dem Nachteil zurück, so ist als Mindestschaden der Betrag des Nachteils zu ersetzen.79 Maßgeblich für den Inhalt des Schadensersatzes sind die §§ 249 ff. BGB. Dabei kommt insbesondere auch Naturalrestitution in Betracht (§ 249 Abs. 1 BGB), z.B. durch Aufhebung nachteiliger Verträge.80 Verbleibende Vermögensschäden sind in Geld zu ersetzen (§ 251 Abs. 1 BGB)81. Die Höhe des zu ersetzenden Schadens kann zudem nach Maßgabe des § 287 ZPO geschätzt werden.82
75
Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 74 m.w.N. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 317 Rn. 5. 77 Vgl. Hüffer, AktG, § 317 Rn. 4. 78 Hüffer, AktG, § 317 Rn. 7. 79 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 317 Rn. 17 m.w.N. 80 Hüffer, AktG, § 317 Rn. 9; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 317 Rn. 20 m.w.N. 81 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 317 Rn. 20. 82 Doch gibt § 287 ZPO keine Grundlage für eine Schadenspauschalierung für den Fall, dass mangels hinreichender Anhaltspunkte oder wegen breitflächiger Schädigung die Bemessung eines Schadens ausgeschlossen ist. In diesem Fall ist das herrschende Unternehmen nach den Grundsätzen über die qualifizierte Nachteilszufügung der ab76
C. §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis im faktischen Konzern
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Auf ein Verschulden des herrschenden Unternehmens kommt es nicht an. Nach richtiger Ansicht kommt es schon auf ein Veranlassungsbewusstsein nicht an.83 Maßgebend ist allein die ursächliche Veranlassung zu der nachteiligen Maßnahme. Eine Pflichtverletzung ist dabei zwar auf Seiten des Vorstands der abhängigen Gesellschaft erforderlich – er hätte die Maßnahme nicht oder nur gegen Nachteilsausgleich vornehmen dürfen84–, doch geht diese in dem in § 317 Abs. 2 AktG definierten Nachteilsbegriff der §§ 311, 317 AktG auf, wie noch zu zeigen sein wird. Gläubiger des aus § 317 Abs. 1, 3 AktG folgenden Schadensersatzanspruches ist grds. die abhängige Gesellschaft, weil und soweit sie auch die Geschädigte ist. Ihre Aktionäre können gemäß § 317 Abs. 1 S. 2 AktG Gläubiger sein, soweit ihnen ein eigener, nicht auf der Minderung des Gesellschaftsvermögens beruhender und damit durch Geltendmachung des Anspruchs der Gesellschaft zu kompensierender Schaden erwächst. Den Anspruch der Gesellschaft können nach Maßgabe des § 317 Abs. 4 i.V.m. § 309 Abs. 4 AktG sowohl Aktionäre als auch Gläubiger der Gesellschaft geltend machen.
3. Schadensersatzanspruch nach § 318 AktG Haften das herrschende Unternehmen und dessen gesetzliche Vertreter nach § 317 AktG und hat der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat seine Berichtspflichten nach §§ 312 ff. AktG verletzt, so sind die Mitglieder des betroffenen Organs nach § 318 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AktG zum Ersatz eines dadurch eingetretenen Schadens verpflichtet.85 Die Mitglieder des Organs der abhängigen Gesellschaft haften gemäß § 318 Abs. 1, 2 AktG als Gesamtschuldner neben der herrschenden Gesellschaft und deren Organe.
hängigen Gesellschaft zum Verlustausgleich und den außenstehenden Aktionären zu Abfindungs- und Ausgleichsleistungen verpflichtet. 83 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 16 m.w.N. 84 Siehe hierzu Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 346, 347 f. 85 Nach § 318 Abs. 3 AktG tritt die Haftung gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Dieser Regelung kommt im Rahmen von § 318 AktG allerdings keinerlei Bedeutung zu. Da nämlich die Haftung nach § 318 AktG an die Verletzung der Berichtspflicht der §§ 312 ff. AktG anknüpft, diese Berichtspflicht aber auf Gesetz beruht und daher nicht zur Disposition der Hauptversammlung steht, ist ein gesetzmäßiger Hauptversammlungsbeschluss, gerichtet auf die Befreiung von der Pflicht zur ordnungsgemäßen Berichterstattung, nicht möglich. Wird gleichwohl ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss herbeigeführt, ist dieser nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Die Regelung des § 318 Abs. 3 AktG ist somit gegenstandslos.
1.Teil: Umwandlungen und §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis
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Der Inhalt des Schadensersatzanspruches richtet sich ebenfalls nach §§ 249 ff. BGB. Allerdings knüpft die Haftung nach § 318 Abs. 1, 2 AktG an die Verletzung der Berichtspflicht an und nicht an den Vollzug der nachteiligen Einflussnahme. Zu ersetzen ist daher nach § 318 AktG nur der durch die unrichtige oder unvollständige Berichterstattung entstehende Schaden.86 Gläubiger des Anspruchs ist primär die abhängige Gesellschaft: Nach Maßgabe des § 318 Abs. 4 AktG i.V.m. § 309 Abs. 4 AktG kann der Anspruch der Gesellschaft auch von jedem Aktionär und von Gläubigern geltend gemacht werden. Darüber hinaus hat jeder außenstehende Aktionär einen Anspruch auf Ersatz seines eigenen, nicht durch die Mitgliedschaft vermittelten Vermögensschadens.
4. Berichtspflicht §§ 312 ff. AktG Der nach § 312 AktG zu erstellende sog. Abhängigkeitsbericht soll der besseren Transparenz des Konzernverhältnisses dienen.87 Der Vorstand einer faktisch abhängigen Gesellschaft hat in den ersten drei Monaten jeden Geschäftsjahres einen Bericht über Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erstellen (§ 312 AktG) und darin auch nachteilige Maßnahmen mitzuteilen (§ 312 Abs. 3 AktG). Der Abhängigkeitsbericht soll als besonderes Dokumentations- und Rechenschaftsinstrument die Einhaltung des Benachteiligungsverbots gewährleisten.88 Er muss daher sowohl vom Abschlussprüfer (§ 313 AktG)89 als auch vom Aufsichtsrat der abhängigen AG (§ 314 AktG) überprüft werden. Da dem Abhängigkeitsbericht Kapitalerhaltungsfunktion zukommt, ist er selbst dann aufzustellen, wenn sich die Anteile der abhängigen Gesellschaft im Alleinbesitz eines herrschenden Unternehmens befinden; auf die Aufstellung kann auch durch Satzungsbestimmung oder Hauptversammlungsbeschluss nicht verzichtet werden.90 Das Erfordernis einer Zusammenstellung aller (direkten und indirekten) Einflussnahmen des beherrschenden Unternehmens hat nicht allein wegen des damit verbundenen Aufwands eine gewisse Abschreckungswirkung91 und soll da86
Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 318 Rn. 7. BGHZ 135, 107, 109 f.; Hüffer, AktG, § 312 Rn. 1; Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295 ff.; Förschle/Kropp, Beck’scher Bilanzkommentar, § 289 Rn. 61 ff. 88 Förschle/Kropp, Beck’scher Bilanzkommentar, § 289 Rn. 64. 89 Dies gilt nicht im Fall einer „kleinen“ Kapitalgesellschaft, vgl. § 267, 316 HGB. 90 A/D/S, § 312 Rn. 29. 91 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295. 87
C. §§ 311 ff. AktG als mögliches Hindernis im faktischen Konzern
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zu führen, dass von solchen Einflussnahmen abgesehen92 oder der erforderliche Nachteilsausgleich gewährt wird.93 Der Abhängigkeitsbericht kann überdies als Grundlage für die Durchsetzung der oben genannten Schadensersatzansprüche gegen das herrschende Unternehmen sowie ggf. seine gesetzlichen Vertreter oder die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat der abhängigen AG dienen.94
II. Zusammenfassung Stellt die geplante und veranlasste Leitungsentscheidung zur Vornahme von Umwandlungsmaßnahmen ein nachteiliges Rechtsgeschäft oder Maßnahme i.S.v. §§ 311 ff. AktG dar, so obliegen sowohl dem herrschenden als auch dem abhängigen Unternehmen umfangreiche Pflichten und zudem persönliche Haftungsrisiken der Verantwortlichen. Bei der Durchführung von Strukturänderungen im faktischen Konzern sind daher die damit verbundenen Risiken herauszuarbeiten und mit den erhofften Vorteilen der Umstrukturierung abzuwägen. Insbesondere die zum Teil umfangreichen Dokumentations- und Prüfungspflichten und die persönliche Haftung der Verantwortlichen können jedoch häufig vor einer möglicherweise nachteiligen Maßnahme abschrecken. Entscheidend ist für die vorliegende Untersuchung allerdings die Frage, inwieweit die angesprochenen Strukturmaßnahmen von §§ 311 ff. AktG als nachteilig erfasst werden und damit ein Risiko für die herrschende Gesellschaft darstellen können.
92
Küting, ZfB 1975, 473; Walther, ZGR 1974, 208. Zwar wird der Schutz durch den Abhängigkeitsbericht überwiegend als ineffektiv kritisiert. Diese Kritik beruht aber nach Karsten Schmidt, GesR, § 31 IV 2. c) wohl zum Teil auf einer verengten tatsächlichen Anschauung (vgl. Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295 ff.). Wer als Konzernwirklichkeit nicht nur die veröffentlichten, etwa gar gerichtlich entschiedenen, Problemfälle wahrnimmt, wird die mutmaßliche Präventivwirkung des Abhängigkeitsberichts, also die Abschreckung, nicht gering schätzen dürfen. 94 Förschle/Kropp, Beck’scher Bilanzkommentar, § 289 Rn. 66. 93
2. Teil
Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG I. Abhängigkeitsverhältnis Die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG finden Anwendung auf Unternehmensverbindungen, bei denen eine inländische95 AG oder KGaA von einem Unternehmen96 abhängig ist. Mehr setzt § 311 AktG nicht voraus. Ein Verlangen einer einheitlichen Leitung, also das Vorliegen eines Konzerns i.S.v. § 18 AktG, würde den Anwendungsbereich der §§ 311 bis 318 AktG übermäßig einschränken. Ein Abstellen auf ein bloßes Verbundensein i.S.d. § 15 AktG wäre dagegen zu weit gefasst. Im Fall der Abhängigkeit einer Aktiengesellschaft ist nicht auszuschließen, dass ein herrschendes Unternehmen von seinem Einflusspotential Gebrauch macht und den bei einer unabhängigen Aktiengesellschaft typischerweise gegebenen Gleichlauf von Gesellschafter- und Gesellschaftsinteresse und damit die Richtigkeitsgewähr der verbandsinternen Willensbildung und die unternehmerische Autonomie der Gesellschaft beeinträchtigt. Diesen Gleichlauf bezwecken die §§ 311 bis 318 AktG zu schützen. Auf das Vorhandensein von Minderheitsaktionären kommt es dagegen nach h.M.97 nicht an; auch die abhängige Einpersonen-AG und die 100%-TochterAG unterliegen also den §§ 311 ff. AktG.
95
Zur Beschränkung des Schutzbereichs der § 311 ff. AktG auf inländische AG oder KGaA s. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 21; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 12; Krieger, in MünchHdbGesR, § 68 Rn. 58; A/D/S, § 311 Rn. 3. 96 § 311 AktG richtet sich an das herrschende Unternehmen. Zum Unternehmensbegriff siehe beispielhaft etwa A/D/S, § 15 Rn. 1 ff.; Emmerich, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 15 Rn. 6 ff; Hüffer, § 15 AktG Rn. 8 ff.; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 15 Rn. 9 ff.: Krieger, in MünchHdbGesR, § 68 Rn. 6; Bayer, in MünchKommAktG, § 15 Rn. 7 ff. 97 Kropff, in MünchKommAktG, § 312 Rn. 27; Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 31; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311, Rn. 13 und § 312 Rn. 6 m.w.N.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
45
1. Grundsatz: beherrschender Einfluss Die Voraussetzungen der Abhängigkeit bestimmen sich nach § 17 AktG. Danach sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Das Gesetz sagt in § 17 Abs. 1 AktG nicht ausdrücklich, worauf der Einfluss eines Unternehmens auf eine andere Gesellschaft beruhen muss, damit Abhängigkeit angenommen werden kann. Nach allgemeiner Auffassung ist § 17 AktG jedoch so zu verstehen, dass allein gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten Dritter gemeint sein können.98 Zwar bestehen unbestreitbar auch tatsächliche Einflussmöglichkeiten und wirtschaftliche Abhängigkeiten z.B. aufgrund von Liefer- und Kreditbeziehungen. Eine durch solche Austauschverhältnisse beruhende Abhängigkeit lässt sich aber hinreichend und besser mit dem allgemeinen Vertragsrecht und durch das GWB regeln.99 Treten neben diese wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse weitere gesellschaftsrechtliche Aspekte100, die für sich schon eine spürbare Einflussmöglichkeit eröffnen, so wird eine Abhängigkeit i.S.v. § 17 AktG in der Regel möglich sein. Bei Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung i.S.v. § 16 AktG wird diese Abhängigkeit nach § 17 Abs. 2 AktG widerleglich vermutet. Doch kann eine Minderheitenbeteiligung genügen, vorausgesetzt dass sie in Verbindung mit verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art dem beteiligten Unternehmen den nötigen Einfluss z.B. auf die Unternehmens- oder Personalpolitik der abhängigen Gesellschaft sichert. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz101. Bewegt sie sich üblicherweise auf einer Höhe, die dazu führt, dass bereits die fragliche Minderheitenbeteiligung allein oder gemeinsam mit durch rechtliche oder tatsächliche Umstände gesicherte Unterstützung anderer Gesellschaf98
Vgl. Emmerich, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 14 ff. Nach OLG Karlsruhe, AG 2004, 147 f., setzt Abhängigkeit einer AG die Fähigkeit voraus, auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage die Führung der Geschäfte der abhängigen Gesellschaft zu bestimmen. Eine rein tatsächliche Abhängigkeit genügt nicht. 100 Nach Meinung des BGH reicht z.B. eine unter 25 % liegende Beteiligung eines Großgläubigers in Verbindung mit dessen Vertretung im Aufsichtsrat der Gesellschaft noch nicht aus. 101 Im Hauptversammlungsjahr 2005 war gerade mal bei zwölf der 30 DaxUnternehmen mehr als die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals vertreten. Nur wer bedeutsame Großaktionäre oder Familieneigner hatte, konnte deutlich höhere Präsenzen verzeichnen, z.B. Henkel oder Deutsche Post mit jeweils über 74 %. Im Übrigen pendelte die Hauptversammlungspräsenz oft zwischen 30 und 40 % des stimmberechtigten Kapitals; siehe Zusammenstellung in der Börsenzeitung vom 9.06.2005. 99
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
ter eine sichere Hauptversammlungsmehrheit verleiht, so ist Folge die Abhängigkeit der Gesellschaft. Auch durch besondere Satzungsbestimmungen kann die Position eines Minderheitsgesellschafters bis hin zu einer die Abhängigkeit begründenden Stellung verstärkt werden.102
2. Unmittelbare und mittelbare Abhängigkeit Gemäß § 17 Abs. 1 AktG stehen einander die unmittelbare und die mittelbare Abhängigkeit gleich. Unmittelbare Abhängigkeit liegt vor, wenn das fragliche Unternehmen allein in der Lage ist, einen beherrschenden Einfluss auf die abhängige Gesellschaft auszuüben. Eine mittelbare Abhängigkeit ist gegeben, wenn es sich zur Einflussnahme der Mitwirkung Dritter bedienen muss.103 Beispiele sind die Mitwirkung von Tochtergesellschaften, wie noch später näher zu sehen sein wird, von Treuhändern oder anderen Gesellschaftern, über deren Stimmen das fragliche Unternehmen aufgrund von Verträgen oder Absprachen verfügen kann.
3. Einstufige und mehrstufige Abhängigkeit Davon zu unterscheiden ist die mehrstufige Abhängigkeit, die vorliegt, wenn das dritte Unternehmen, über welches das herrschende Unternehmen seinen Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft ausübt, gleichfalls von dem herrschenden Unternehmen abhängig ist.104 Typisches Beispiel ist die Mehrheitsbeteiligung einer Muttergesellschaft an einer Tochtergesellschaft, die ihrerseits mehrheitlich an einer dritten Gesellschaft, der so genannten Enkelgesellschaft beteiligt ist; eine Konstellation also, die sich üblicherweise innerhalb eines Konzerns finden lässt und daher auch für die weitere Untersuchung relevant ist. Gemäß der Regelung des § 17 AktG folgt hier, dass die Enkelgesellschaft nicht nur von der Tochtergesellschaft, sondern auch von der Muttergesellschaft
102 Vgl. hierzu Emmerich, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 20; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 17 Rn. 14 ff. 103 Emmerich, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 26; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 17 Rn. 29 ff. 104 Hüffer, AktG § 17 Rn. 13; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 17 Rn. 32; Emmerich, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 27.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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abhängig ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Muttergesellschaft ihrerseits an der Enkelgesellschaft unmittelbar beteiligt ist oder nicht.105 Für die Vorschriften der §§ 311 bis 318 AktG bedeutet dies, dass diese auch unmittelbar auf die Beziehung zwischen Enkel- und Muttergesellschaft, nicht nur auf das Verhältnis Mutter – Tochter bzw. Tochter – Enkel Anwendung finden.
4. Kein Beherrschungsvertrag oder Eingliederung Eine Abhängigkeit i.S.v. § 17 AktG liegt ohne Zweifel auch bei Bestehen von Beherrschungsverträgen, § 291 Abs. 1 AktG, oder bei einer Eingliederung gemäß § 319 AktG vor.106 Diese Fälle der Abhängigkeit werden allerdings nicht von §§ 311 ff. AktG erfasst.
a) Kein Abschluss eines Beherrschungsvertrags Für den Beherrschungsvertrag ergibt sich dies aus dem Wortlaut von § 311 Abs. 1 AktG, der das Fehlen eines solchen Vertrags voraussetzt. Hier greifen ohnehin die Sonderregeln der §§ 291 ff. AktG. Die Vorschrift des § 308 AktG berechtigt zudem das herrschende Unternehmen zur Erteilung von nachteiligen Weisungen und damit zur Konzernleitung, was mit Sinn und Zweck des § 311 AktG unvereinbar wäre. Die §§ 300 ff. AktG sehen der Weisungsbefugnis entsprechend ein abweichendes Schutzsystem vor, welches keinen einzelfallbezogenen Ausgleich, wie dies § 311 Abs. 1 AktG vorschreibt, sondern nach § 302 AktG eine bilanzielle Verlustübernahme vorsieht. b) Keine Eingliederung Die Nichtanwendung der §§ 311 ff. AktG für den Fall der Eingliederung bestimmt ausdrücklich § 323 Abs. 1 S. 2 AktG. Auch hier liegt mit den Vorschriften der §§ 320 ff. AktG ein eigenes System zum Schutz der Gläubiger und (ehemaligen) Minderheitsaktionäre vor.
105 BAGE 22, 390; Emmerich/Sonnenschein/Habersack § 3 II 4; Emmerich, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 27 m.w.N.; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 17 Rn. 32. 106 Siehe Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, Rn. 848 f.
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
5. Faktischer Konzern Die §§ 311 bis 318 AktG erfassen damit insbesondere den sog. faktischen Konzern.107 Für § 311 AktG genügt, wie dargelegt, die bloße Abhängigkeit. Das Vorliegen eines Konzerns i.S.v. § 18 AktG ist nicht erforderlich, wird aber in der Regel gegeben sein.108 Daher soll das Haftungssystem der §§ 311 bis 318 AktG insbesondere für die Vornahme von Umwandlungen im faktischen Konzern untersucht werden. Ein faktischer Konzern liegt entsprechend oben Gesagtem bei Zusammenfassungen von Unternehmen unter einheitlicher Leitung vor, die sich nicht auf Beherrschungsvertrag oder Eingliederung stützen109, sondern auf eine sonstige Abhängigkeit i.S.v. § 17 AktG.110
a) Einheitliche Leitung, § 18 AktG Wie die Definition des faktischen Konzerns zeigt, besteht dieser aus mindestens zwei rechtlich selbständigen Unternehmen, die durch ihre Abhängigkeit zusammengefasst sind, und zwar gerade unter der Leitung des herrschenden Unternehmens. Der faktische Konzern bildet somit in der Regel einen Unterordnungskonzern. Neben der schon beschriebenen Abhängigkeit ist der Begriff der einheitlichen Leitung das zentrale Tatbestandsmerkmal des Unterordnungskonzerns. Der Begriff der einheitlichen Leitung ist im Gesetz wegen der Mannigfaltigkeit der in der Praxis vorliegenden Konzerngestaltungen nicht näher definiert. In der wissenschaftlichen Diskussion wurde der Begriff der einheitlichen Leitung unterschiedlich umschrieben; hierdurch bedingt, konnte ebenfalls über die genauen Grenzen des Konzernbegriffs keine vollständige Einigkeit erzielt werden.
107 Zwar ist Zöllner darin zuzustimmen, dass der Begriff des faktischen Konzerns juristisch falsch und irreführend ist, da es sich bei einem solchen nicht bloß um faktische Verbindungen, sondern um rechtliche Sonderverbindungen, und zwar in Gestalt mitgliedschaftlicher Verhältnisse oder doch durch die Mitgliedschaft einer Zwischengesellschaft vermittelter Einwirkungsmöglichkeit handelt, vgl. Zöllner, in FS Kropff, 1997, S. 341. Dennoch handelt es sich hierbei um einen mittlerweile gefestigten Begriff, weshalb diese Arbeit keine neue eigene Formulierung schaffen möchte. 108 Dies folgt nicht zuletzt aus der Vermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG, siehe sogleich. 109 Vgl. Hüffer, AktG, § 18 Rn. 3. 110 Siehe oben 2. Teil A.I.1.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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aa) Schrifttum Das Schrifttum111 unterscheidet zwischen einem weiteren und einem engeren Begriff der einheitlichen Leitung.112 Der engere Konzernbegriff113 geht von einem wirtschaftswissenschaftlichen Vorverständnis des Konzerns als wirtschaftliche Einheit aus und bejaht dementsprechend das Vorliegen eines Konzerns im Rechtssinne nur, wenn die Konzernspitze für nahezu alle zentralen unternehmerischen Bereiche eine einheitliche Planung aufstellt und bei den Konzerngliedern ohne Rücksicht auf deren Selbständigkeit durchsetzt. Wichtigstes Element ist hierfür eine zentrale Leitung des Finanzwesens, z.B. im Sinne eines zentralen Cash-Managements. Die Befürworter stützen sich vornehmlich auf die Überlegung, dass allein bei Vorliegen dieser Umstände eine einheitliche Rechnungslegung (§ 290 Abs. 1 HGB) Sinn macht und dass auch nur dann Raum für die Entwicklung eines rechtlichen Rahmens für die wirtschaftliche Einheit „Konzern“ ist. Der weite Konzernbegriff114 stimmt zwar insoweit mit dem engeren Konzernbegriff überein, dass bei Vorliegen einer zentralen Finanzplanung eine einheitliche Leitung und somit ein Konzern i.S.d. § 18 AktG gegeben ist. Die Vertreter des weiteren Konzernbegriffs begnügen sich jedoch für die Annahme eines Konzerns unter Umständen auch mit einer einheitlichen Planung in einem anderen zentralen Unternehmensbereich wie Personalwesen, Einkauf, Organisation und Vertrieb, vorausgesetzt, diese Koordinierung des genannten Bereichs strahlt auf das Gesamtunternehmen aus.
bb) Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat nur vereinzelt hierzu Stellung genommen: Das BayObLG115 hat entschieden, dass es bereits als Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung angesehen werden muss, wenn die Konzernspitze die Geschäftspolitik der Konzerngesellschaften und sonstige grundsätzliche Fragen der Geschäftsführung aufeinander abstimmt. Der BGH116 hat später den Schluss 111 Hüffer, AktG, § 18 Rn. 9; Bayer, in MünchKommAktG, § 18 Rn. 28 ff.; Emmerich, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 18 Rn. 10 ff. sowie folgende Fußnoten. 112 Dazu Bayer, in MünchKommAktG, § 18 Rn. 23 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 9 m.w.N. 113 Siehe A/D/S, § 18 Rn. 6; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 18 Rn. 14 m.w.N. 114 Bayer, MünchKommAktG, § 18 Rn. 33; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 4 III 1. 115 BayObLGZ 1998, 85, 93. 116 Vgl. BGHZ 107, 7, 20.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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gezogen, dass ein Konzern, insbesondere bei einheitlicher Leitung im finanziellen Bereich, auch zwischen branchenfremden Unternehmen möglich ist, da auch bei ganz unterschiedlichen Tätigkeiten konzernspezifische Gefährdungen denkbar seien. Die Gerichte sehen folglich die einheitliche Finanzplanung für die zusammengefassten Unternehmen als besonders wichtiges Indiz für das Vorliegen eines Konzerns an. cc) Fazit Das Gesetz geht in § 18 Abs. 1 S. 3 AktG bei Abhängigkeit i.S.v. § 17 AktG vom Bestehen einer einheitlichen Leitung aus. § 17 Abs. 2 AktG stellt wiederum die widerlegbare Vermutung auf, dass eine Gesellschaft von einem an ihm mehrheitlich (§ 16 AktG) beteiligten Unternehmen abhängig ist. Folge einer mehrheitlichen Beteiligung ist allerdings nicht lediglich eine Bestimmung des Finanzmanagements, sondern auch personelle, organisatorische, strategische und die noch näher zu betrachtenden strukturellen Planungen.117 Durch diese aufeinander aufbauenden Vermutungen der Abhängigkeit und der einheitlichen Leitung geht das Gesetz selbst davon aus, dass nicht unbedingt eine zentrale Finanzplanung für das Vorliegen eines Konzerns erforderlich ist. Das konzernweite Finanzmanagement ist jedoch zweifellos ein gewichtiges Indiz, insbesondere für die Fälle fehlender Abhängigkeit oder Mehrheitsbeteiligung. Dies spricht für den weiteren Konzernbegriff und steht im Einklang mit dem Schutzsystem der §§ 311 bis 318 AktG, welches nicht nur in Bereichen der Finanzplanung, sondern umfassend vor der nachteiligen Einflussnahme eines herrschenden Unternehmens in allen Bereichen bewahren will.
b) Leitungsverantwortung – Leitungspflicht Mit der einheitlichen Leitung des Konzerns geht auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft auch die Frage einher, wie sich diese zentrale Planung auf die abhängigen Tochterunternehmen überträgt. Einerseits bestimmt § 76 AktG die Eigenständigkeit der AG und die eigenverantwortliche Leitungsmacht des Vorstands der Tochter-AG. Andererseits ist, 117
Der mehrheitsbedingte Einfluss eines Unternehmens auf ein anderes äußert sich in der Praxis in erster Linie in der Einflussnahme auf die Personalpolitik des abhängigen Unternehmens, namentlich bei der AG in der Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertrauensleuten des herrschenden Unternehmens, zumeist durch Vorstände oder Direktoren des herrschenden Unternehmens.
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wie dargelegt und in § 18 AktG vorausgesetzt, Kennzeichen eines (faktischen) Konzerns die einheitliche Leitung, also eine zentrale Planung. Im Konzern ändern sich folglich die Eigenständigkeit einer AG und die darauf abgestellte Unternehmensverfassung.118 Mit der Konzernierung und dem darauf abgestellten Unternehmensgegenstand der herrschenden Gesellschaft erweitern sich gleichfalls die Anforderungen an die Geschäftsführung des herrschenden Unternehmens. Denn die Führung einer Unternehmensgruppe ist Teil der Geschäftsführungsaufgabe der Verwaltung der Obergesellschaft. Trotz einer Zusammenfassung unter eine einheitliche Leitung gibt es keinen besonderen Konzernvorstand bzw. Konzernaufsichtsrat. Die Konzernführung ist Aufgabe des Vorstands im herrschenden Unternehmen, die Überwachung der Konzerngeschäftsführung ist Teil der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats der Obergesellschaft.
aa) Leitungsverantwortung der herrschenden Gesellschaft Aus der Konzernierung folgt so trotz der Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft119 eine Leitungsmacht und -verantwortung der herrschenden Gesellschaft. Hauptaufgabenbereiche der Konzernführung durch das herrschende Unternehmen sind die Konzernpolitik, Konzernplanung und -organisation sowie die Konzernkontrolle.120 Die Konzernplanung umfasst verschiedene Leitungsbereiche, wobei hier insbesondere die Verwaltung des Beteiligungsportefeuilles zu betrachten ist. Der Vorstand des herrschenden Unternehmens ist aufgrund seiner Leitungsverantwortung gegenüber seiner Gesellschaft verpflichtet, dass die von dieser abhängigen Unternehmen zum Erfolg der (herrschenden) Gesellschaft beitragen.121 Der Vorstand muss dabei alles tun, was sich für einen verantwortungsvollen Kaufmann als Verpflichtung aus der Kapitalanlage ergibt.122 Hieraus folgt ebenfalls die Befugnis zur strategischen und strukturellen Ordnung der Beteiligungsgesellschaften und abhängigen Unternehmen. Die Festlegung der Konzernausrichtung, Ziele der Effizienzsteigerung sowie Einführung und Durchsetzung einer einheitlichen Konzernpolitik bringen Veränderungen des Konzernaufbaus mit sich. Im Rahmen der strategischen Planung formuliert 118
Semler/Spindler, in MünchKommAktG, Vor § 76 Rn. 136. § 76 AktG bleibt, wie erwähnt, auf der Ebene des Tochtervorstands unberührt, vgl. oben 2. Teil A.I.5.b). 120 Keller, Führung einer Holding, in Holding Handbuch, C 22. 121 Mertens, in KölnKommAktG, § 76 Rn. 54. 122 Semler/Spindler, in MünchKommAktG, Vor § 76, Rn. 140. 119
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die Konzernleitung die Konzernziele und legt unter anderem fest, welche Geschäftsaktivitäten, wie, mit wem aufgebaut oder abgestoßen werden.123 Folge sind insbesondere Umgestaltungen wie Abspaltung, Ausgliederung, Verschmelzungen oder die Veränderung der Einflussmöglichkeiten durch Eingliederung oder den Abschluss von Unternehmensverträgen. Der herrschenden Gesellschaft steht es jedoch frei, auch nur einzelne Leitungsfunktionen auszuüben. Eine Beschränkung der Konzernbefugnisse auf eine Konzernkontrolle reicht allerdings nicht aus, um eine einheitliche Leitung zu begründen.
bb) Leitungspflicht Durch §§ 76, 93 AktG ist der Vorstand einer AG grundsätzlich verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Erreichung des satzungsmäßigen Unternehmenszwecks einzusetzen. Dies bedeutet u.U auch die Verpflichtung, dass er erworbene Ressourcen dem Unternehmenszweck nutzbar machen muss. Dies kann unter Umständen durch direkte oder indirekte Einflussnahme erfolgen.
cc) Konzernführungsgrundsätze Bei der Konzernführung hat die Verwaltung neben den allgemeinen Handlungsmaximen auch besondere Handlungserfordernisse zu beachten. Ebenso wie in der Einzelgesellschaft haben Vorstand und Aufsichtsrat der Obergesellschaft bei der Konzernführung die Grenzen ihres Handlungsspielraums durch den Unternehmensgegenstand, das Gebot angemessener Gewinnerzielung und das Unternehmensinteresse zu beachten. Diese Grundsätze müssen bei der Konzernführung an die besonderen Anforderungen des Unternehmensverbunds angepasst werden. Eine bedeutende Rolle spielt hier die Berücksichtigung des Konzerninteresses. Denn dieses ist zumeist Ursache konzernweiter Umgestaltungen. Das Konzerninteresse ist nicht notwendig mit dem Unternehmensinteresse der Obergesellschaft gleichzusetzen.124 Zwar beinhaltet das Unternehmensinteresse des herrschenden Unternehmens die Forderung, dass Maßnahmen nur zum Nutzen und zur Förderung der herrschenden Gesellschaft erfolgen dürfen. Die gemeinsame Konzernpolitik muss dagegen alle Beteiligten des Unternehmenszusammenschlusses berücksichti123 124
Keller, Führung einer Holding, in Holding Handbuch, C 54. Semler/Spindler, in MünchKommAktG, Vor § 76, Rn. 150.
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gen. Das Konzerninteresse geht damit in der Regel über das Eigeninteresse der konzernierten Gesellschaft hinaus und sollte allen zugute kommen.125
dd) Eigenständigkeit der Tochter-Aktiengesellschaft im faktischen Konzern Die Realisierung dieser Konzernziele wird zwangsläufig auch auf der Ebene der Tochtergesellschaften erfolgen. Dort übt das herrschende Unternehmen seine Einflussmöglichkeiten direkt oder indirekt aus. Das Gesetz verbietet, wie aufgezeigt, diese Einflussnahmen nicht in vollem Umfang. Es stellt aber für den faktischen Konzern mit den §§ 311 ff. AktG für die Einflussnahme auf eine Tochter-Aktiengesellschaft Grenzen auf. Diese Grenzen beruhen auf dem Umstand, dass im faktischen Konzern trotz der Zusammenfassung unter die einheitliche Konzernleitung weiterhin die Eigenständigkeit der abhängigen AG bestehen bleibt, vgl. § 76 AktG.126 Ohne Beherrschungsvertrag127 oder Eingliederung128 ist der Vorstand der abhängigen AG keinerlei Weisung des herrschenden Unternehmens unterworfen. Allerdings gelten im Fall der Konzernierung auch für den Pflichtenkreis der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft Besonderheiten. Bevor der Vorstand einer Veranlassung des herrschenden Unternehmens folgen kann, hat er zu prüfen, ob die veranlasste Maßnahme nachteilig ist, etwaige Nachteile ausgleichsfähig sind und das herrschende Unternehmen zum Ausgleich bereit und in der Lage ist. Hält der Vorstand die Maßnahme für nachteilig und einen Ausgleich für möglich, hat er das herrschende Unternehmen auf den Nachteil hinzuweisen und sich dessen grundsätzliche Bereitschaft zum Nachteilsausgleich versichern zu lassen; bestreitet das herrschende Unternehmen den Nachteil oder verweigert es den Nachteilsausgleich, muss die Maßnahme unterbleiben.129 Droht aus einer vom herrschenden Unternehmen gewünschten Maßnahme kein Nachteil oder ist der Ausgleich sichergestellt, darf der Vorstand der ab125
Vgl. Ebenroth/Reiner, Der Schutz der abhängigen Kapitalgesellschaft vor nachteiligen Vermögensverlagerungen in Frankreich, S. 42. 126 Vgl. Krieger, MünchHdbGesR, § 69 Rn. 24. 127 Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags ergibt sich die Folgepflicht aus § 308 Abs. 2 AktG. Nur bei offensichtlich gegen das Unternehmensinteresse gerichteten Weisungen besteht ein Weigerungsrecht. 128 Bei einer Eingliederung folgt die Weisungsbefugnis aus §§ 323 Abs. 1, 308 Abs. 2 AktG. 129 H.M., vgl. etwa Hüffer, AktG § 311 Rn. 48; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 141; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311, Rn. 78; Kropff, in G/H/E/K AktG § 311 Rn. 61 m.w.N.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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hängigen Gesellschaft der Veranlassung folgen.130 Er ist dazu aber nicht verpflichtet, sondern hat eigenverantwortlich (§ 76 AktG) zu entscheiden, ob er die Maßnahme ausführen will131; sein Entscheidungsmaßstab ist allein das Interesse der abhängigen Gesellschaft.132 Aus der Konzernierung und den entsprechenden Vorschriften erweitern sich somit ebenfalls die Pflichten des Vorstands der abhängigen Gesellschaft; ein Verstoß führt unter Umständen zu einer Haftung nach § 318 AktG bzw. § 93 AktG. Entsprechendes gilt für die erweiterte Überwachungs- und Kontrollaufgabe durch den Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft. Auch er hat sich grundsätzlich nur an den Interessen der abhängigen Gesellschaft zu orientieren.133 Offensichtlich ist dabei, dass insbesondere bei Vorliegen personeller Verflechtungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ein Konflikt zwischen dem Konzerninteresse und dem Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft auftreten kann. Lösungsmöglichkeiten eines solchen Konflikts werden in großer Breite angeboten. Für das Haftungssystem der §§ 311 bis 318 AktG ist allerdings entscheidend, dass trotz der faktischen Konzernierung die Eigenverantwortlichkeit und Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft bestehenden bleibt und somit keine Folgepflicht des Tochter-Vorstands gegeben ist. §§ 311 bis 318 AktG lösen jedoch den Konflikt zwischen Konzerninteresse und Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft insoweit, dass die Verwaltung des abhängigen Unternehmens Veranlassungen von nicht nachteiligen Maßnahmen ohne Haftungsrisiko befolgen darf.
c) Qualifizierte Nachteilszufügung Wie dargelegt, beruht das System der §§ 311 bis 318 AktG auf dem Gedanken des Ausgleichs einzelner nachteiliger Maßnahmen. Unbrauchbar werden diese Regelungen jedoch im Fall qualifizierter Nachteilszufügungen, d.h. wenn sich die einzelnen veranlassten Maßnahmen nicht mehr isolieren lassen. Derartige Einflussnahmen sind nur bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags oder nach einer Eingliederung zulässig, vgl. §§ 308 Abs. 2, 323 Abs. 1 AktG. 130
Siehe Krieger, MünchHdbGesR, § 69 Rn. 24. Vgl. etwa OLG Karlsruhe WM 1987, 533/534; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 579. 132 Hoffmann-Becking ZHR 150 (1986), 570, 579. 133 Bei einem Verstoß besteht gemäß § 318 Abs. 2 AktG eine Schadensersatzpflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats. 131
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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Die Rechtsprechung und Literatur schufen in Anlehnung an die Rechtsprechung zum GmbH-Konzern den Begriff des qualifiziert faktischen Konzerns134, für welchen bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht die §§ 311 bis 318 AktG gelten sollen, sondern stattdessen eine analoge Anwendung der §§ 302, 303 AktG erforderlich sei. Infolge der Entwicklung der Rechtsprechung zur GmbH135 und aufgrund der Besonderheiten des Aktienrechts ist zwar fraglich, ob an diesem Begriff weiterhin festzuhalten ist. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung kann dies jedoch offenbleiben. Auf die so genannte qualifizierte Nachteilszufügung soll an dieser Stelle allein zur Abgrenzung und Definition des eigentlichen Anwendungsbereichs des § 311 AktG eingegangen werden. Die Voraussetzungen für deren Vorliegen sind nach richtiger Auffassung mit den Tatbestandserfordernissen des § 311 AktG vergleichbar. Die Grundsätze über die qualifizierte Nachteilszufügung verstehen sich als Ergänzung des in §§ 311, 317 AktG geregelten Systems des Einzelausgleichs.136 Wie in § 311 AktG genügt das Vorliegen einer Abhängigkeit i.S.v. § 17 AktG.137 Weitere Voraussetzung ist die Zufügung eines Nachteils i.S.v. § 311 AktG. Die Besonderheit und damit das Charakteristikum der Qualifikation besteht darin, dass die Nachteile nicht einzeln ausgleichbar sind. Hierbei genügt es nicht, dass die fragliche Maßnahme dem Nachteilsausgleich des § 311 AktG entzogen ist. Vielmehr ist entscheidend, ob die Möglichkeit des Einzelausgleichs durch Schadensersatz gemäß § 317 AktG besteht; dabei ist die Möglichkeit der Schadensschätzung nach § 287 ZPO auszuschöpfen.138 Die Rechts-
134
Vgl. bei Koppensteiner, in KölnKommAktG, Anh. § 318 Rn. 1 ff. Längere Zeit bejahten Rechtsprechung und Literatur in doppelter Analogie zu §§ 302, 303 AktG auch eine unmittelbare Haftung des herrschenden Unternehmens für die Verluste der Tochter-GmbH im so genannten qualifiziert faktischen Konzern. Diese Judikatur hat der BGH seit dem Urteil „Bremer Vulkan“ vom 17. September 2001 (BGHZ 149, 10) zugunsten einer im GmbH-Recht verankerten „Existenzvernichtungshaftung“ aufgegeben, vgl. Raiser, in Ulmer/Habersack/Winter, § 13 Rn. 122, 134 ff.; Vorarbeiten von Röhricht, in FS 50 Jahre BGH, S. 83 ff. 136 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht Anh. § 317 Rn. 1 ff. 137 Unter Geltung des „TBB“-Grundsätze (BGHZ 11, 123) war die wohl h.M. der Auffassung, dass die Haftung entsprechend §§ 302, 303 AktG das Vorliegen eines Konzerns i.S.v. § 18 AktG voraussetzt. Versteht man die angesprochenen Grundsätze der qualifizierten Nachteilszufügung als Ergänzung zu §§ 311, 317 AktG muss auch hier allein die Abhängigkeit genügen, vgl. eingehend Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 7. 138 Vgl. zum Ganzen Koppensteiner, in KölnKommaktG, Anh. § 318 Rn. 53 ff.; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 16 f. m.w.N. 135
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
folgen der qualifizierten Nachteilszufügung gestalten sich im Überblick folgendermaßen:139 Das herrschende Unternehmen ist der abhängigen Gesellschaft in analoger Anwendung des § 302 AktG zum Verlustausgleich verpflichtet.140 Darüber hinaus können Schadensersatzansprüche nach § 93 AktG bestehen.141 Gläubiger der abhängigen Gesellschaft können daneben Einzelansprüche nach §§ 317, 318 AktG haben sowie Sicherheitsleistung in Analogie zu § 303 AktG verlangen.142 Außenstehende Aktionäre haben zudem Abwehr- und Beseitigungsansprüche sowie einen Anspruch auf Abfindung und unter Umständen einen Ausgleichsanspruch in Analogie zu § 304 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 AktG.143 Trotz der Qualifikation durch die fehlende Ausgleichsfähigkeit eines Nachteils stellt sich bei der qualifizierten Nachteilszufügung ebenfalls zunächst die Frage, ob das herrschende Unternehmen zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft oder einer nachteiligen Maßnahme veranlasst hat.
II. Veranlassung 1. Grundsatz § 311 AktG bezieht sich auf die Fälle, in denen ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluss auf die abhängige Aktiengesellschaft dazu einsetzt, diese zu einem ihr nachteiligen Verhalten zu veranlassen. Das Gesetz berücksichtigt damit die Möglichkeit des herrschenden Unternehmens im faktischen Abhängigkeitsverhältnis, seine außerhalb der abhängigen Aktiengesellschaft verfolgten Interessen mittels seiner beherrschenden Stellung auch innerhalb dieser Gesellschaft durchzusetzen144. Um dem herrschenden Unternehmen bestimmte nachteilige Wirkungen von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften bei der abhängigen Gesellschaft mit den Rechtsfolgen des Nachteilsausgleichs oder Schadensersatzes zurechnen zu
139 Umfassend Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 23 ff. m.w.N. 140 So Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 5, 23; a.A. Koppensteiner, in KölnKommAktG, Anh. § 318 Rn. 64 f., 104. 141 Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 23. 142 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 24 ff. Anders Koppensteiner, in KölnKommAktG, Anh. § 318 Rn. 64 ff. 143 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 27 ff. m.w.N. 144 Zum Begriff der Veranlassung siehe auch Neuhaus, DB 1970, 1913, 1915.
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können, bedarf es eines Zurechnungsgrundes. Dieser besteht in der Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zu einem nachteiligen Verhalten.145
a) Begriff und Formen der Veranlassung Der Begriff der „Veranlassung“ ist weit zu verstehen.146 § 311 Abs. 1 AktG setzt die Begriffe „veranlassen“ und „Benutzung beherrschenden Einflusses“ zueinander in Beziehung147, so dass vor diesem Hintergrund eine Veranlassung gegeben ist, wenn das herrschende Unternehmen versucht, gestützt auf seine Machtstellung, das Verhalten der abhängigen Gesellschaft zu bestimmen.148 Als Bindeglied zwischen der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens und einem entsprechend beeinflussten Handelns der abhängigen Gesellschaft setzt die Veranlassung ein zielgerichtetes Verhalten des herrschenden Unternehmens und ein dadurch verursachtes Verhalten der abhängigen Gesellschaft voraus.149 Auf Seiten des herrschenden Unternehmens genügt jede Form der Verlautbarung des auf Vornahme der Maßnahme gerichteten Willens, die von der abhängigen Aktiengesellschaft als Ausdruck des Wunsches zu verstehen ist, dass sie sich in bestimmter Weise verhalten möge.150 Eine dahingehende Äußerung kann die Form von konkreten Weisungen oder Aufforderungen zu einzelnen Maßnahmen, aber auch von allgemeinen Richtlinien oder Planungsgesprächen haben. Sie kann auch in Ratschlägen oder „Kamingesprächen“ zum Ausdruck kommen.151 Entscheidend ist, dass sie unter Berücksichtigung der Machtverhältnisse und des Führungsstils der Konzernleitung als Aufforderung zu bestimmtem Verhalten zu verstehen ist. Es ist nicht erforderlich, dass der Einfluss mit Nachdruck ausgeübt wird152 oder dass dem Vorstand bei Nichtbefolgen Konsequenzen drohen. Auch die genaue Bestimmung des gewünschten Rechtsgeschäfts oder der Maßnahme ist nicht notwendig.
145 Vgl. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 I 1; Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen, S. 177. 146 Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 73. 147 Vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 2; A/D/S, § 311 Rn. 20; Hogh, Die Nachteilsermittlung im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG, S. 23. 148 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 22. 149 Kropff, MünchKommAktG, § 311 Rn. 72. 150 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 23. 151 Vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 73. 152 So die allg. M. z.B. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 23; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 73; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 16.
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
Folglich gibt es neben der ausdrücklichen Anweisung mannigfaltige Formen der Veranlassung wie auch die Einflussnahme mittels personeller Verflechtungen oder der Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung.
b) Urheber der Veranlassung Die Veranlassung muss vom herrschenden Unternehmen ausgehen. Dabei kann die Einflussnahme sowohl vom gesetzlichen Vertreter oder Inhaber als auch von einer nachgeordneten Stelle des herrschenden Unternehmens erfolgen.153 Veranlassungen durch Angestellte oder durch Dritte sind dem herrschenden Unternehmen zuzurechnen, wenn dieses sie bevollmächtigt oder sonst den Rechtsschein begründet hat. Bei mehrfacher oder mehrstufiger Abhängigkeit ist zu untersuchen, von welcher Stelle genau die Veranlassung ausgeht.
c) Adressat der Veranlassung Veranlassungsempfänger ist die abhängige Gesellschaft. Auch hier muss sich die Veranlassung nicht zwangsläufig an den Vorstand der Gesellschaft richten. Auch der Aufsichtsrat oder Angestellte des Unternehmens sind mögliche Adressaten.154
2. Beweiserleichterungen im Konzern Der durch die Regelungen der §§ 311, 317 AktG bezweckte Schutz der abhängigen Gesellschaft und daran anknüpfend der Schutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger würde weitgehend verfehlt, wenn es hinsichtlich des Vorliegens des Tatbestandsmerkmals der Veranlassung bei den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung im Zivilprozess verbliebe. Danach hätte die abhängige Gesellschaft, in den Fällen des § 317 AktG auch die außenstehenden Aktionäre und Gläubiger, das Vorliegen einer Veranlassung zu beweisen. Da oftmals eine nur informelle Einflussnahme, sei es durch allgemeine Arbeitsanweisungen und Richtlinien155, vorliegen wird, werden die Gläubiger und außenstehenden Aktionäre oftmals nur feststellen können, dass die abhängige Gesellschaft sich offenkundig in Widerspruch zu ihren Interessen verhalten hat. 153 Siehe Kropff, MünchKommAktG, § 311 Rn. 77; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 17 ff. 154 Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 27; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 21. 155 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 R. 32.
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Eine Mitwirkung des unter Umständen pflichtwidrig handelnden Entscheidungsträgers der abhängigen Gesellschaft, auf die sich die Außenseiter stützen können, ist eher unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund ist es nahezu einhellige Auffassung, dass zugunsten der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gläubiger und außenstehenden Aktionäre Beweiserleichterungen eingreifen müssen.156 Umstritten sind jedoch sowohl die Mittel als auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Beweiserleichterung. Als Mittel der Beweiserleichterungen kommen sowohl eine Veranlassungsvermutung157 als auch ein prima facie-Beweis158 in Betracht. Überzeugender ist die Annahme eines prima facie-Beweises. Die Annahme einer generellen Veranlassungsvermutung ginge zu weit und ließe sich nicht mit § 18 Abs. 1 S. 3 AktG begründen. Denn die Vermutung einheitlicher Leitung besagt nichts zur Veranlassung einer konkreten Einzelmaßnahme.159 Untauglich ist ferner das Argument, im Konzern würden die Verwaltungsmitglieder der abhängigen Gesellschaft ihr Verhalten schon im eigenen Interesse ohne weiteres an den Interessen des herrschenden Unternehmens ausrichten. Dies vermischt die Frage des Vorliegens einer Veranlassung mit dem Problem der Beweisführung. Eine generelle Vermutung der Veranlassung bei nachteiligem Verhalten der abhängigen Gesellschaft würde außer Acht lassen, dass auch autonome Pflichtverletzungen vorkommen, vielleicht nicht einmal unwahrscheinlich sind.160 Dem herrschenden Unternehmen ist daher zu gestatten, die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs, etwa eine nicht vom herrschenden Unternehmen veranlasste Pflichtverletzung darzulegen und damit den Anscheinsbeweis durch einfachen Gegenbeweis zu erschüttern.161
156
Vgl. die Nachweise in den folgenden Fn.; Beweiserleichterungen ablehnend Haesen, Der Abhängigkeitsbericht, S. 90 f.; Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 63. 157 Vertreten von Bachelin, in: Rechtsfragen der Handelsgesellschaften, S. 63 ff.; Kronstein, BB 1967, 637, 640; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 21; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 66; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 84; Strohn, Verfassung der AG, S. 4 ff. Würdinger in GroßKommAktG, § 312 Rn. 3, § 317 Rn. 9. 158 Vertreten von Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 I 3; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 33; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 10. 159 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 13. 160 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 33; Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 13. Die Befürworter einer Veranlassungsvermutung messen dem Vorliegen eines Konzerns stärkeres indizielles Gewicht als einem anderswo im Verbund realisierten Vorteil zu, vgl. Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 66. 161 Dazu BGHZ 100, 31, 34; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115 III m.w.N.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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Des Weiteren ist umstritten, ob die Beweiserleichterung bereits bei Vorliegen einer nachteiligen Maßnahme162 oder nur unter der weiteren Voraussetzung eingreift, dass das herrschende Unternehmen oder ein anderes verbundenes Unternehmen Vorteile aus der Maßnahme gezogen hat.163 Vor dem Hintergrund, dass die §§ 311 ff. AktG dem herrschenden Unternehmen nicht die Verantwortung für jegliches Fehlverhalten der Organwalter der abhängigen Gesellschaft auferlegen, ist einleuchtender, die Beweiserleichterungen vom Vorliegen eines Vorteils für das herrschende oder ein verbundenes Unternehmen abhängig zu machen.164 Dies berücksichtigt ebenfalls den systematischen Unterschied der Haftungsverfassung der §§ 311 ff. AktG als System des Einzelausgleichs gegenüber dem pauschalen Schutz bei Vorliegen eines Vertragskonzerns gemäß §§ 300 ff. AktG. Ferner wird das Eingreifen der Beweiserleichterungen vielfach vom Vorliegen eines faktischen Konzerns abhängig gemacht, da nur die für diese Unternehmensverbindung konstitutive einheitliche Leitung eine Beweiserleichterung rechtfertige.165 Überzeugender erscheint jedoch, den prima-facie-Beweis auch bereits bei einfacher Abhängigkeit anzuwenden166, denn gerade auch in diesem Fall besteht die Gefahr eines Interessenkonflikts.
3. Besondere Formen der Veranlassung bei Umwandlungen Bei Umstrukturierungen wie der Verschmelzung und Spaltung können die Veranlassungen und Einflussnahmen gleichermaßen vielgestaltig und verschieden sein wie die Gründe für die Durchführung derartiger Maßnahmen.
a) Hauptversammlungsbeschluss Eine Veranlassung im Sinn des § 311 AktG kann nach allgemeiner Ansicht auch durch Ausübung des Stimmrechts des herrschenden Unternehmens und 162
Vertreten von Emmerich/Habersack, KonzernR, § 20 I 3; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 66; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 20 f. 163 So Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 84, 86 f.; ähnlich Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 10, 13. 164 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 33; Hogh, Die Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 Abs. 1 AktG, S. 30. 165 So Hüffer, AktG, § 311 Rn. 21; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 66; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 86. 166 Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 34; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 11; Würdinger, in GroßKommAktG, § 312 Rn. 3.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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damit durch einen Beschluss der Hauptversammlung erfolgen. Die Streichung des § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG durch das UMAG167 hat hierauf keinen Einfluss, sondern unterstreicht die bis dahin geltende Ansicht; denn schon vor Inkrafttreten des UMAG fand § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG im Rahmen des § 311 AktG keine entsprechende Anwendung.168 Eine Veranlassung durch Beschluss der Hauptversammlung ist unzweifelhaft für den Fall möglich, dass die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung entscheidet, also bei Beschlüssen gemäß § 119 Abs. 2 AktG sowie bei der Zustimmung zu einem Unternehmensvertrag im Sinn des § 292 AktG. Verschmelzungen und Spaltungen sind jedoch nur begrenzt Aufgabe der Geschäftsführung. Schwerpunktmäßig stellt eine derartige Umwandlung einen organisatorischen Akt dar, was das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung in § 13 UmwG zeigt. Daher könnte die unbesehene Annahme, ein Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung zum Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag könne als Veranlassung im Sinn von § 311 AktG gelten, zweifelhaft sein. Zu berücksichtigen ist allerdings der zusätzliche schuldrechtliche Charakter eines Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrages. Dessen Ausarbeitung sowie der Abschluss des Vertrags sind Aufgaben der Geschäftsführung und insoweit können auch Veranlassungen durch die Hauptversammlung vorgenommen werden. Später ist auf diese Besonderheit des Charakters der Umwandlungsverträge näher zurückzukommen, wenn die Tabestandsmäßigkeit von Verschmelzungen oder Spaltungen als Rechtsgeschäfte i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG untersucht werden soll.
b) Personelle Verflechtungen Wesentliches Mittel zur Durchsetzung des herrschenden Einflusses sind personelle Verflechtungen mit der abhängigen Gesellschaft. Häufig gehören Organwalter oder leitende Angestellte des herrschenden Unternehmens dem Aufsichtsrat oder dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft an. Da diese Personen weiterhin Bindungen gegenüber dem herrschenden Unternehmen unterliegen, die die Wahrnehmung ihrer Aufgaben in der abhängigen Gesellschaft beeinflussen können, verlangt der Schutzzweck der §§ 311 ff. AktG, dass auch bei 167
BT-Drucks 15/5092 sowie BT-Drucks 15/5693. Kropff, in MünchKommAktG, § 317 Rn. 106; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 88; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 164; Mertens, in KölnKommAktG, § 117 Rn. 46; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 50; a.A. Würdinger, in GroßKommAktG, 3. Aufl., § 311 Rn. 5. 168
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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einem Handeln, das die Organe der abhängigen Gesellschaft von sich aus vornehmen, eine Veranlassung vorliegen kann.169 In diesen Fällen ist zwar fraglich, ob eine von außen kommende Veranlassung vorliegt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei personellen Verflechtungen „von außen kommende Einflussnahmen“ des herrschenden Unternehmens für die Durchsetzung des wirtschaftlichen Fremdinteresses nicht erforderlich sind und im Gegensatz hierzu die Schutzbedürftigkeit der abhängigen Gesellschaft, seiner Gläubiger und außenstehender Aktionäre besonders groß ist.170 § 311 AktG ist daher zumindest analog anwendbar171; ein anderes Ergebnis würde das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG allzu sehr aushöhlen. Nicht einheitlich beurteilt wird, ob in Fällen personeller Verflechtungen über die oben dargelegten allgemeinen Beweiserleichterungen hinaus weiterreichende Beweiserleichterungen eingreifen. Hier ist nach h.M. zu unterscheiden: Nehmen Vorstandsmitglieder des herrschenden Unternehmens im Vorstand der abhängigen Gesellschaft (Vorstandsdoppelmandat) ein für diese nachteiliges Rechtsgeschäft oder Maßnahme vor, so ist generell eine widerlegliche Vermutung anzunehmen172. Anders ist jedoch zu entscheiden, wenn ein Vorstandsmitglied oder ein leitender Angestellter des herrschenden Unternehmens dem Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft angehört. Hier bleibt es bei den dargestellten allgemeinen Beweiserleichterungen, da die Möglichkeit der Einflussnahme nicht in einem wesentlichen Maß gesteigert ist und im Gegensatz zur Situation bei Vorstandsdoppelmandaten eine unmittelbare Umsetzung der Interessen des herrschenden Unternehmens nicht ermöglicht wird.173 Gleiches gilt, 169
Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 28; Strohn, Verfassung der AG, S. 47. 170 Siehe hierzu Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 18. 171 Ebenso A/D/S, § 311 Rn. 31; Decher, Personelle Verflechtungen, S. 171 ff.; Hüffer, § 311 Rn. 17; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 97; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 65 sowie Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 I 2 b) m.w.N. 172 So Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 35; Paehler, Zulässigkeit des faktischen Konzerns, S. 36 f; Raiser/Veil, KapGesR, § 53 Rn. 31; Semler, FS Stiefel, S. 719, 760; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 100 f. mit überzeugender Begründung; eine unwiderlegliche Vermutung wird angenommen von Hüffer, AktG, § 311 Rn. 22; Neuhaus, DB 1970, S. 1913, 1916; Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 4; gleichfalls für eine unwiderlegliche Befürwortung, jedoch zusätzlich einen Vorteil für das herrschende Unternehmen oder ein Handeln in dessen Interesse verlangend, Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 65; Strohn, Verfassung der AG, S. 47 und wohl auch Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 18. 173 Siehe Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 36; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 23; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 105 f. mit Differenzierungen; weitergehende Beweiserleichterungen befürwortend Koppensteiner, in KölnKommAktG, §311 Rn. 18; Strohn, Verfassung der AG, S. 47; Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 713 f.; Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 4; Beweiserleichterungen ausschließend Raiser/Veil, KapGesR, § 53 Rn. 31.
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sofern nicht schon § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG anzuwenden ist, wenn ein Aufsichtsratsmitglied des herrschenden Unternehmens im Vorstand oder als leitender Angestellter des abhängigen Unternehmens tätig ist.174 Eine weitergehende Beweiserleichterung ist hier vor dem Hintergrund der mangelnden Geschäftsführungskompetenz im herrschenden Unternehmen nicht gerechtfertigt.175
c) Sonstige Formen der Veranlassung Neben einer Veranlassung durch die Stimmabgabe des herrschenden Unternehmens in der Hauptversammlung oder mittels personeller Verflechtungen kann das herrschende Unternehmen auf vielfältige Weise auf strukturelle Vorgänge auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft Einfluss ausüben. So gelten, wie erwähnt, allgemeine Richtlinien, Arbeitsanweisungen oder Rahmenbedingungen als Veranlassungen. Ferner sind Maßnahmen, die das herrschende Unternehmen selbst, aber aufgrund einer (veranlassten) Vollmacht für die abhängige Gesellschaft vornimmt, ihrerseits als veranlasst zu qualifizieren.176
4. Kausalität a) Grundsatz Eine von der abhängigen Gesellschaft getroffene Maßnahme wird nur dann von § 311 AktG erfasst, wenn sie auf der Veranlassung durch das herrschende Unternehmen beruht.177 Hätte die abhängige Gesellschaft also ohne die Einwirkung des herrschenden Unternehmens in gleicher Weise gehandelt, scheidet eine Veranlassung aus. Zwischen der Veranlassung seitens des herrschenden Unternehmens und der Maßnahme muss deshalb Kausalität bestehen; es genügt al-
174
Vgl. A/D/S, § 311 Rn. 33; ferner, allerdings einen prima-facie-Beweis befürwortend, Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 36 sowie Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 20. 175 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 36. 176 A/D/S, § 311 Rn. 29; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 17; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 15; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 65; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 109; Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 4; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 31. 177 Neuhaus, DB 1970, 1913, 1915 f.; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 4; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 24; A/D/S, § 311 Rn. 35.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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lerdings Mitursächlichkeit.178 An der Kausalität der Veranlassung fehlt es deshalb nur in dem Fall, dass sich die abhängige Gesellschaft andernfalls genauso verhalten hätte.
b) Besonderheiten bei Umwandlungen Bei Maßnahmen nach dem UmwG sind allerdings Besonderheiten zu berücksichtigen: Umwandlungsverträge benötigen neben der Ausfertigung durch die Geschäftsleitung gemäß § 13 UmwG der Zustimmung durch die Hauptversammlung. In der Praxis wird in den häufigsten Fällen der Hauptversammlung schon der unterzeichnete Vertrag zur Zustimmung vorgelegt. Der Hauptversammlungsbeschluss als solcher, der die Interessen des herrschenden Unternehmens ausdrückt, kann daher in der Praxis zumeist nicht (mehr) kausal das Verhalten der abhängigen Gesellschaft beeinflussen. Denn die Zustimmung des herrschenden Unternehmens durch Stimmabgabe in der Hauptversammlung hat keine Auswirkungen mehr auf die konkrete Ausgestaltung der Umwandlungsmaßnahme. Zwar steht der unterzeichnete Umwandlungsvertrag unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Hauptversammlung. Diese billigt mit ihrer Zustimmung auch den Inhalt des Vertrags. Sofern keine Änderungen erfolgen, hat diese Billigung aber keinen Einfluss auf den Inhalt des Umwandlungsvertrags. Bezüglich der nach dem Beschluss erforderlichen Maßnahmen, wie die Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister, entfällt die Kausalität aufgrund der Ausführungspflicht des Vorstands gemäß § 83 Abs. 2 AktG. Danach ist der Vorstand verpflichtet, die von der Hauptversammlung in ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen179. Es besteht insoweit eine gesetzliche Folgepflicht, die in ihrem Bereich eine ursächliche Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen ausschließt. Die Zustimmung in der Hauptversammlung kann somit nur noch ursächlich für das Verhalten der abhängigen Gesellschaft sein, wenn der Hauptversammlung lediglich ein Entwurf zur Entscheidung über die Umwandlungsmaßnahme vorgelegt oder der Vertrag abgeändert wird. Die weitaus häufigeren Einflussnahmen auf das Verhalten der abhängigen Gesellschaft werden in der Praxis jedoch im Vorfeld und somit vor Abschluss des Umwandlungsvertrags vorgenommen werden, sei es durch konkrete Anweisungen aufgrund der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens, aufgrund personeller Verknüpfungen oder eher informeller Maßnahmen. Zumeist werden die in Frage stehenden Maßnahmen ohnehin in enger Abstimmung mit 178
Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 38. Vgl. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 330; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3; sowie näher unten XIII.B. 179
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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der Konzernspitze vorgenommen werden180. Insofern ist in diesen Fällen die Kausalität nicht in Zweifel zu ziehen.
III. Im Konzerninteresse Das System und der Schutzzweck der §§ 311 ff. AktG fordern nach allgemeiner Auffassung181 eine immanente Einschränkung der (erlaubten) Nachteilszufügung. Denn die Möglichkeit vorläufig nachteiliger Einflussnahme ist vom Gesetz nur zu konzernpolitischen Zwecken eröffnet worden182 und darf daher auch nur für sie benutzt werden.183 Eine Grenze des Einzelausgleichs und damit der Einflussnahme nach § 311 AktG liegt damit in dem Erfordernis, dass nachteilige Maßnahmen im Interesse des herrschenden Unternehmens oder eines anderen mit ihm verbundenen Unternehmens liegen müssen.184 Nachteilszufügung aus sonstigem Drittinteresse bleibt rechtswidrig, ohne dass es insoweit darauf ankäme, ob ein Ausgleich möglich ist.185
1. Ungeschriebenes Merkmal Für dieses ungeschriebene Merkmal der Veranlassung im Konzerninteresse spricht vor allem der im Vertragskonzern geltende § 308 Abs. 1 AktG186. Danach dürfen selbst bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags nachteilige Weisungen nur erteilt werden, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Wenn das Konzerninteresse schon bei Vorliegen eines Vertragskonzerns die Einflussnahme begrenzt, so muss dies erst recht bei Fehlen eines Beherrschungsvertrages gelten.187 180 So sehen einige Konzerngesellschaften in der Geschäftsordnung ihres Vorstands die Klausel vor, die Ressortvorstände sollen im Rahmen ihrer Zuständigkeit darauf hinwirken, dass Geschäftsführungsmaßnahmen der jeweiligen Tochtergesellschaft nicht im Widerspruch zur Strategie und Geschäftspolitik des Konzerns vorgenommen werden. Andere Gesellschaften sehen sogar – soweit rechtlich zulässig – eine Bindung der Tochtergesellschaften an Beschlüsse des Vorstands der Muttergesellschaft vor. 181 Kropff, DB 1967, 2147, 2152; Beuthien, DB 1969, 1734; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 236. 182 Vgl. Kropff, DB 1967, 2147, 2152. 183 Kropff, in G/H/E/K, § 311 Rn. 34 m.w.N. 184 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 43. 185 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 43. 186 Nach Geßler, in FS Kropff, S. 158 bedarf es einer Heranziehung von § 308 AktG nicht. 187 Zu Recht Kropff, G/H/E/K, § 311 Rn. 34 m.w.N.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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Das Schrifttum188 argumentiert für das Erfordernis des Tatbestandsmerkmals der Veranlassung im Konzerninteresse zudem von der Folgenseite her damit, dass nur bei konzernpolitischen Maßnahmen unterstellt werden könne, dass sie im Endergebnis auch der abhängigen Gesellschaft und den Außenseitern zugute kämen. Diese Schlussfolgerung mag zwar in der Praxis tatsächlich konsequent sein. Diese empirische Argumentation vermengt hier jedoch die Frage der Voraussetzungen des erlaubten Handelns mit dem Problem der Nachteilsermittlung. Denn auch Einflussnahmen aus konzernfremden Gründen können im Einzelfall Vorteile für die abhängige Aktiengesellschaft bringen. Doch diese Möglichkeiten soll und vermag § 311 AktG nicht zu regeln. Im systematischen Zusammenhang des Konzernrechts können die §§ 311 ff. AktG eine beschränkte Zulässigkeit von Einflussnahmen durch das herrschende Unternehmen nur aus konzernrechtlicher Sicht und damit lediglich konzernpolitische Veranlassungen regeln.
2. Konzerninteresse (Definition) In diesem Zusammenhang wird häufig verkürzt von Konzerninteresse gesprochen. Eine gesetzliche Definition oder Verwendung dieses Begriffes findet sich allerdings nicht. An einigen Stellen, insbesondere in § 308 Abs. 2 S. 2 AktG, verwendet das Gesetz die Formulierung „Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dient“. Entsprechend der Begründung des begrenzenden Merkmals in § 311 AktG und der ähnlichen Interessenlage kann i.R.v. § 311 AktG auf die Diskussion zu § 308 AktG zurückgegriffen werden. Dabei ist festzustellen, dass auch § 311 AktG wie § 308 AktG nicht als rechtliche Anerkennung eines Konzerninteresses verstanden werden kann. Dies ergibt sich bei § 308 AktG schon aus dem Wortlaut sowie aus dem Umstand, dass der Konzern mangels eigener Rechtssubjektsqualität kein mögliches Zuordnungssubjekt eigener Interessen darstellt189. Gleiches gilt für das Abhängigkeitsverhältnis nach §§ 311 ff. AktG. Das von der Gesetzesbegründung als Konzerninteresse bezeichnete Tatbestandsmerkmal kann folglich nur – wie in § 308 AktG – als Interessen des herrschenden Unternehmens oder damit verbundener Gesellschaften verstanden werden.190
188
Vgl. bei Kropff Fn 187. Paefgen, S. 509 f.; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 308 Rn. 38. 190 Siehe hierzu Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung, S. 15 m.w.N. 189
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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a) Belange des herrschenden Unternehmens Den Belangen des herrschenden Unternehmens dient eine Einflussnahme zweifellos, wenn sie dessen eigene unternehmerischen Interessen fördert. Beispielhaft sei auf konzerninterne Lieferungen unter dem Marktpreis oder auf die Aufgabe einer Produktion hingewiesen, die eine bessere Auslastung beim herrschenden Unternehmen vorhandener Kapazität sicherstellen soll.191 Nicht hierher gehören jedoch Spekulationsgeschäfte, deren Risiko entweder mit einer Gefährdung des Gesamtkonzerns oder keiner entsprechenden Gewinnchance verbunden ist.192 Bei einer Maßnahme nach dem UmwG gilt dies gleichermaßen. Diese dienen dem Interesse des herrschenden Unternehmens, wenn damit Gewinnchancen aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen oder eher zentraler oder dezentraler Ausrichtung des Unternehmens verbunden sind. Weiterhin dürften beabsichtigte steuerliche Vorteile der herrschenden Gesellschaft eine Rolle spielen. Richtschnur dabei ist, dass die Maßnahme den Gesellschaftszweck des herrschenden Unternehmens fördert.
b) Belange konzernverbundener Unternehmen Gleichermaßen ist das Erfordernis zu verstehen, den Belangen eines konzernverbundenen Unternehmens zu dienen. Umstritten ist, wie das Merkmal „konzernverbunden“ verstanden werden soll: nur durch Beherrschungsvertrag oder Eingliederung verbunden, da dann abgeleitete Interessen zu identifizieren sind, oder auch bei bloßer Abhängigkeit? In letzterem Fall sei bei der Beurteilung zwecks eines Nachteils i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG diese Gesellschaft rechtlich als „unabhängig“ zu behandeln. Mit der h.M.193 erscheint es überzeugender und es entspricht der Systematik des AktG, wenn man „konzernverbunden“ in § 308 AktG aktienrechtlich i.S.v. § 18 AktG versteht, d.h. es ist lediglich das Vorliegen eines Konzerns erforderlich, nicht dagegen ein Vertrags- oder Eingliederungskonzern. Denn die §§ 311 ff. AktG wollen lediglich eine Trennung der Geschäftsführungskompetenz und des Vermögens zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, verbieten aber nicht eine Konzernierung und damit auch nicht eine Konzernverbindung.
191
Vgl. Würdinger, in GroßKommAktG, § 308 Rn. 13. Vgl. Koppensteiner, in Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 43 GmbHG Rn. 18. 193 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 308 Rn. 45; Altmeppen, in MünchKommAktG, § 308 Rn. 107 ff., wonach auch ein faktisches Konzernverhältnis genügt. 192
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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3. Zusammenfassung Damit lässt sich festhalten, dass auch auf die Einflussnahme der herrschenden Gesellschaft zurückzuführende Verschmelzungen oder Spaltungen nur dann zulässig sein können, wenn sie im Interesse des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der betroffenen Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen erfolgen.
IV. Rechtsgeschäft oder Maßnahme der abhängigen Gesellschaft Die abhängige AG muss zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder einer Maßnahme veranlasst worden sein. 1. Rechtsgeschäft (Definition) Zur Definition des „Rechtsgeschäfts“ kann zunächst auf das allgemeine Zivilrecht zurückgegriffen werden. Hiernach besteht das Rechtsgeschäft aus einer oder mehreren Willenserklärungen, die allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, die gewollt ist.194 Demnach erfasst § 311 AktG alle Willenserklärungen und alle Arten von Rechtsgeschäften, einseitige und mehrseitige, schuldrechtliche und sachenrechtliche.195 Fraglich ist, ob der Begriff des Rechtsgeschäfts im Hinblick auf Sinn und Zweck des Haftungsgefüges der §§ 311 bis 318 AktG einschränkend ausgelegt werden muss, dass er die Bewirkung einer Leistung oder die Verpflichtung hierzu voraussetzt.196 Dies wird jedoch aufgrund des Wortlauts und Zwecks von § 311 AktG zu verneinen sein197, so dass auch dann ein Rechtsgeschäft i.S.v. §§ 311 ff. AktG vorliegt, wenn sich die Gesellschaft – ohne Gegenleistung – zu einem Unterlassen verpflichtet. Auch eine Einschränkung auf gegenseitige Rechtgeschäfte ist weder geboten noch zulässig. Bei gegenseitigen Verträgen wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass als Rechtsgeschäfte nur Verpflichtungs-, nicht aber Erfüllungsgeschäfte zu
194
Palandt/Heinrichs, BGB, Überbl. v. § 104 Rn. 2. Siehe auch WP-Handbuch, Rn. 866 f. 196 So Kropff, in MünchKommAktG, § 312 AktG Rn. 86. 197 § 311 AktG spricht ausdrücklich nur vom Unterlassen einer „Maßnahme“. Da die „Maßnahme“ Oberbegriff des „Rechtsgeschäfts“ ist, wird auch das Unterlassen eines Rechtsgeschäft erfasst. Vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 8; Hüffer, AktG, § 312 Rn. 13; Kropff, MünchKommAktG, § 312 Rn. 83. 195
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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betrachten sind.198 Dies folge aus der Zielrichtung der §§ 311 bis 318 AktG, die dahin geht, einen Missbrauch der Beherrschung durch bewusste Benachteiligung zu verhindern. Der beabsichtigte Missbrauch setzt einen bewussten Willensakt voraus, der nur bei Kausal- oder Verpflichtungsgeschäften besteht, nicht dagegen bei bloßen Erfüllungsgeschäften. Denn diese werden in Erfüllung einer bestehenden rechtlichen Verpflichtung vorgenommen. Als Argument werden weiter sich aus einer „doppelten“ Prüfung ergebenden Probleme für die Bestimmung des Zeitpunkts der Angemessenheit herangezogen. Denn Vorrang muss nach allgemeiner Ansicht der Zeitpunkt der rechtswirksamen Verpflichtung haben. Entscheidendes Tatbestandsmerkmal dürfte beim Erfüllungsgeschäft aber nicht das Rechtsgeschäft sein, sondern vielmehr die Kausalität der Veranlassung. Diese wird fehlen, wenn lediglich eine schon bestehende rechtliche Verpflichtung erfüllt wird. 2. Maßnahme (Definition) Im Gegensatz zum Begriff des Rechtsgeschäfts kennt die Rechtsordnung einen einheitlichen Begriff der „Maßnahme“ nicht. Bei der Auslegung des Begriffs der „Maßnahme“ ist daher vom Sinn und Zweck des § 311 AktG sowie des Abhängigkeitsberichts nach § 312 AktG auszugehen. Um im Interesse der Gläubiger und der außenstehenden Aktionäre den Eintritt von Nachteilen vermeiden zu können, wird man den Begriff der Maßnahme im weiten Sinn umfassend dahingehend zu interpretieren haben, dass alle geschäftlichen Dispositionen des Vorstands der abhängigen Gesellschaft – auch von interner Bedeutung – in Frage kommen, die – ohne „Rechtsgeschäft“ zu sein – sich auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, d.h. auf Vermögen oder Ertrag, auswirken können.199 Zu derartigen Maßnahmen gehören vor allem Maßnahmen, die die Produktion, den Vertrieb, die Finanzierung, die Organisation, den Personalsektor oder die Investitionen der Gesellschaft betreffen.200 3. Umwandlungsmaßnahmen als Rechtsgeschäft Ob auch allgemein strukturelle Maßnahmen und insbesondere Verschmelzungs- und Spaltungsvorgänge als Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen i.S.v. 198 Vgl. Hüffer, AktG, § 312 Rn. 14; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 312 Rn. 49; Kropff, in MünchKommAktG, § 312 AktG Rn. 86. 199 So A/D/S, § 312 AktG Rn. 42; ebenso auch Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 312 Rn. 35; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 312 Rn. 23 ff. 200 Vgl. St/HFA 3/1991, Abschn. II 6; auch A/D/S, § 312 Rn. 43; WP-Handbuch, F 875.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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§§ 311 ff. AktG anzusehen sind, soll nun nach Darstellung der allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen des § 311 AktG näher untersucht werden.
a) Meinungsstand in der Literatur Die Literatur vertritt in der Mehrheit die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf Verschmelzungs- und Spaltungsfälle, ohne jedoch näher auf die Frage der Nachteiligkeit solcher Maßnahmen einzugehen. Nur vereinzelt wird die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG für diese Maßnahmen verneint.
aa) Ansicht der herrschenden Meinung Nach Ansicht von Hüffer201 kann der „Tatbestand des § 311 Abs. 1 dadurch verwirklicht werden, dass das herrschende Unternehmen in den Organen der abhängigen Gesellschaft tätig wird, sei es durch ein seine Interessen repräsentierendes AR-Mitglied, sei es durch sein Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung. Das gilt jedenfalls für Beschlüsse nach § 119 Abs. 2, für Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen im Sinne von § 292 und wegen § 27 UmwG für Verschmelzungsbeschlüsse und vergleichbare Maßnahmen“. Auch nach Kropff202 „gelten die §§ 311, 317, wenn die Hauptversammlung aufgrund gesetzlicher Sondervorschriften über Geschäfte der Gesellschaft entscheidet, wie über eine Vermögensübertragung oder einen Vertrag nach § 292. Das gleiche gilt für Hauptversammlungsbeschlüsse über eine Verschmelzung oder Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz; für die Verschmelzung ergab sich dies vor dem Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes aus § 351 AktG; das Umwandlungsgesetz hat daran nichts geändert.“ Gleichfalls sieht Immenga203 im Gesetz selbst einen Hinweis, „dass die §§ 311 ff. auch für die Verschmelzung gelten sollen; § 351 geht davon aus, dass sich Ersatzansprüche gegen Verwaltungsmitglieder aufgrund der Verschmelzung auch aus §§ 317, 318 ergeben können. Dass die Verschmelzung zur Aufhebung der Rechtspersönlichkeit des abhängigen Unternehmens führt, schließt die Anwendung der §§ 311 ff. nicht aus.“
201
Siehe Hüffer, AktG, § 311 Rn. 17.
202
So in MünchKommAktG, § 311 Rn. 111.
203
Siehe in BB 1970, 629 f., 632.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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Ebenso ist nach Koppensteiner204, allerdings vor Einführung des UmwG und Änderung des AktG, „im Kontext von Verschmelzungsbeschlüssen [...] § 311 anwendbar; § 351 geht ausdrücklich davon aus.“ In der 3. Aufl. des Kölner Kommentars geht Koppensteiner weiter von der Anwendbarkeit des § 311 AktG auf Verschmelzungsbeschlüsse und vergleichbare Maßnahmen aus; § 27 UmwG habe diese Rechtslage des § 351 AktG a.F. fortgeschrieben. Doch er kritisiert auch die Regelung des § 27 UmwG als verfehlt, einmal wegen ihrer Inkonsistenz mit der Nichterfassung des Beherrschungsvertrags, zum anderen deshalb, weil das UmwG allen relevanten Interessen Rechnung trage. De lege lata bleibt er jedoch bei der Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf Umwandlungsfälle. Dennoch liefert er einen Anhaltspunkt, der wenn nicht auf den Anwendungsbereich der Vorschriften, so doch womöglich auf die Beurteilung der Nachteiligkeit solcher Maßnahmen Auswirkungen hat. Schließlich geht auch Grunewald mit dem Hinweis auf die Gesetzesbegründung des § 27 UmwG von der Geltung der §§ 311 ff. AktG auf Umwandlungsfälle aus, bezweifelt jedoch das Vorliegen eines Nachteils.205 bb) Ansicht der Gegenauffassung Ziemlich alleine vertreten A/D/S206 dagegen die Nichtanwendbarkeit von § 311 AktG auf Umwandlungen, insbesondere auf Spaltungsvorgänge: „Eine veranlassende Einflussnahme kann sich auf mittels eines durch das herrschende Unternehmen herbeigeführten Hauptversammlungsbeschlusses beziehen. Dies gilt jedenfalls für Beschlüsse nach § 119 Abs. 2 AktG sowie für die Zustimmung zu Unternehmensverträgen nach § 292 AktG. Beschlüsse der Hauptversammlung, die die Billigung eines Verschmelzungsvertrags (§ 5 UmwG) oder eines Spaltungs- oder Übernahmevertrages (§ 126 UmwG) betreffen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 311; gleiches gilt für den Abschluss dieser Verträge durch den Vorstand einer abhängigen AG. Es handelt sich um organisationsrechtliche Vorgänge, für die zudem spezialgesetzliche Regelungen für den Schutz sowohl der Gläubiger als auch der Aktionäre der abhängigen AG bestehen.“
204 Vgl. in 2. Aufl. KölnKommAktG, § 311 Rn. 18. In der 3. Aufl. des KölnKommAktG, § 311 Rn. 25. 205 Grunewald, in Lutter UmwG, § 27 Rn. 2 f., 8. Siehe auch Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 30, nach dem eine Umwandlung nicht per se nachteilig ist, aber Risiken in sich birgt, sofern die Eigenständigkeit der abhängigen Gesellschaft in Frage gestellt wird. 206 So A/D/S, § 311 Rn. 30.
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
b) Stellungnahme aa) Wortlaut des § 311 AktG Das Gesetz spricht in § 311 AktG von einer Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen, ohne diesen Erfassungsbereich näher zu konkretisieren oder gar einzuschränken. Dem Wortlaut nach genügt also, dass die abhängige AG ein Rechtsgeschäft vornimmt oder eine Maßnahme trifft. Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei dem Begriff der Maßnahme um den Oberbegriff; das Rechtsgeschäft ist eine bestimmte Form der Maßnahme.207 Die Abgrenzung zwischen Rechtsgeschäft und Maßnahme hat daher lediglich für die Berichtspflichten des § 312 AktG Bedeutung.208 Die Gesetzesmaterialen sprechen nicht gegen die Anwendbarkeit der Vorschriften auf Umwandlungsmaßnahmen. Die Begründung zu § 300 AktGE (= § 311 AktG) des Gesetzesentwurfs des AktG 1965 spricht die Verantwortlichkeit für die Ausübung rein tatsächlicher, also nicht auf einem Beherrschungsvertrag beruhender Beherrschungsmacht an und regelt den Kernbereich des so genannten faktischen Konzerns. Zur Art und Weise der Einflussnahme führt die Begründung aus, dass das grundsätzliche Verbot der nachteiligen Einflussnahme – allerdings vor Einfügen der Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs in den Gesetzestext209 – umfassend ist: „§ 300 AktGE stellt den Grundsatz auf, dass ein herrschendes Unternehmen seinen beherrschenden Einfluss nicht dazu benutzen darf, die abhängige Gesellschaft zu für sie nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen zu veranlassen. Der Entwurf lässt eine Benachteiligung abhängiger Gesellschaften im Interesse des herrschenden Unternehmens oder im Konzerninteresse nur zu, wenn ein Beherrschungsvertrag besteht und die außenstehenden Aktionäre und die Gläubiger durch die mit ihm verbundenen Sicherungen geschützt sind. Besteht kein Beherrschungsvertrag, so können weder Interessen des herrschenden Unternehmens oder eines Konzerns noch Belange der Allgemeinheit eine Benachteiligung der Gesellschaft rechtfertigen. Bei den Interessen des herrschenden Unternehmens oder des Konzerns handelt es sich, ebenso wie bei den Interessen der Gesellschaft und ihrer Aktionäre, stets um
207 Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 136; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 14; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 24; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 37. 208 Siehe hierzu Kropff, in MünchKommAktG, § 312 Rn. 78 ff. 209 Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 13; vgl. RegBegr. Kropff, S. 409.
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Vermögensinteressen. Sie sind unabhängig von ihrer Größe für das Recht gleichwertig. [...] Der Entwurf verbietet daher dem herrschenden Unternehmen, das keinen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hat, die abhängige Gesellschaft zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen zu veranlassen. Dieses Verbot ist umfassend. Es ist nicht, wie das des § 113 AktGE210, auf den Fall der Beeinflussung von bestimmten Verwaltungsmitgliedern beschränkt. Vielmehr ist gleichgültig, auf welchem Weg die abhängige Gesellschaft zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen veranlasst wird. Namentlich gilt das Verbot des § 300 AktGE auch für die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung. Ein herrschendes Unternehmen darf sich bei der Stimmrechtsausübung nicht nur von seinen eigenen Interessen leiten lassen. Der Grundsatz, dass die Ausübung des Stimmrechts keine Verantwortlichkeit begründet (vgl. § 113 Abs. 7 Nr. 1 AktGE), gilt nur für den breitgestreuten Aktienbesitz. Bei ihm ist eine solche Verantwortung nicht sachgerecht, weil das Gesetz bei ihm davon ausgehen kann, dass alle Aktionäre das gleiche gesellschaftliche Interesse verfolgen. Wenn ein Aktionär dieses ausnahmsweise nicht tut, genügt zum Schutze der anderen Aktionäre die Möglichkeit, den Hauptversammlungsbeschluss anzufechten (§ 233 Abs. 2 AktGE). Diese Interessengleichheit der Aktionäre kann bei einer abhängigen Gesellschaft nicht unterstellt werden. Bei ihr wird vielmehr das herrschende Unternehmen versucht sein, sein Stimmrecht für gesellschaftsfremde Interessen, nämlich seine eigenen unternehmerischen Interessen, auszunutzen. Dann liegt die Gefahr von Interessenkonflikten so nahe, dass die Möglichkeit, den Hauptversammlungsbeschluss anzufechten, die anderen Aktionäre nicht genügend schützt. Vielmehr muss dem herrschenden Unternehmen eine Verantwortlichkeit auch für die Ausübung des Stimmrechts auferlegt werden. Sie findet ihre Rechtfertigung darin, dass ein Aktionär, der als Unternehmen seinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, in eine besondere Pflichtenstellung gegenüber den anderen Aktionären tritt. Denn er verfügt auf Grund einer Machtposition, die von der AG in ihrer herkömmlichen Struktur nicht berücksichtigt worden ist, der Sache nach auch über das Vermögen seiner Mitaktionäre und darf hierbei die durch das gemeinsame Interesse aller Aktionäre gezogenen Grenzen nicht überschreiten.“
Somit werden nach der Begründung des Gesetzesentwurfs von § 311 AktG umfassend auch Einflussnahmen durch die Hauptversammlung erfasst, die zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts führen. Die Gesetzesbegründung stellt damit aber lediglich klar, dass eine Einflussnahme durch die Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung erfolgen kann. Dadurch wird allein das Tatbestandsmerkmal der Veranlassung konkretisiert, was nicht bei der Definition des Begriffs „Rechtsgeschäft“ in § 311 AktG hilft.
210
§ 117 AktG.
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Diese für den Tatbestand des § 311 Abs. 1 AktG notwendige Trennung zwischen „Veranlassung“ und „veranlasster Maßnahme“ kommt auch bei den aufgeführten Verfassern zu kurz, die von der Gesetzesbegründung auf die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf Umwandlungen als veranlasste Maßnahmen schließen. Denn hierzu schweigt die Gesetzesbegründung. Anhaltspunkte für eine erforderliche getrennte Betrachtung der unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale liefern jedoch Koppensteiner211 und Grunewald212, indem sie zwar von der Anwendbarkeit der Vorschriften ausgehen, aber eine umfassende Interessenregelung des UmwG annehmen oder das Eintreten eines Nachteils anzweifeln. Geht man daher zunächst vom Wortlaut des § 311 Abs. 1 AktG aus, um diese Frage zu klären, spricht dieser von „Rechtsgeschäft“, worunter zweifellos auch die angesprochenen Umwandlungsmaßnahmen fallen. Verschmelzungen und Spaltungen kann man daher – obwohl sie Organisationsakte darstellen – nicht generell aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften nehmen.
bb) Was bedeutet „Rechtsgeschäft“ in § 311 AktG? Nach dem Wortlaut des § 311 Abs. 1 AktG fallen somit auch Verschmelzungs- und Spaltungsverträge als Rechtsgeschäfte in den Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG. Dem Einwand von A/D/S ist jedoch nachzugehen. Denn bei den hier zu untersuchenden Umwandlungen handelt es sich zweifellos um strukturändernde Organisationsentscheidungen. Im Falle einzelner Organisationsakte, wie bei Eingliederungsverträgen, Beherrschungsverträgen213 oder einer Satzungsänderung214 (im Konzerninteresse), wurde schon der Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG konkretisiert und dahingehend eingeengt, dass solche rein organisatorischen Entscheidungen nicht davon erfasst werden. Zum Teil wird auch vertreten, dass eine Stimmrechtsausübung als Veranlassung i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG lediglich bei Geschäftsmaßnahmen i.S.v. § 119 Abs. 2 AktG möglich ist.215 Die Umwandlung als solche erschöpft sich aber nicht allein im Abschluss eines entsprechenden organisatorischen Vertrages. Dieser bildet die Grundlage 211
Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Fn. 66. Grunewald, in Lutter UmwG, § 27 Rn. 2 ff., 8. 213 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 25, § 291 Rn. 3. 214 Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 156 f.; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 42. 215 Strohn, Verfassung der AG, S. 28 ff. 212
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für einschneidende (schuld)rechtliche Veränderungen. Es gilt daher systematisch, historisch und teleologisch unter diesem Gesichtspunkt näher zu untersuchen, ob Verschmelzungen und Spaltungen als Maßnahmen i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG anzusehen sind. Dabei spielt der Doppelcharakter der Umwandlungen eine entscheidende Rolle. (1) Rechtsnatur von Verschmelzungs- oder Spaltungsverträgen Die Rechtsnatur des Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrages wird von Elementen verschiedener Vertragstypen geprägt. Deshalb verbieten sich formaldogmatische Schlussfolgerungen aus einer einseitigen Zuordnung.216 (a) Organisationsakt Der Verschmelzungs- und gleichermaßen der Spaltungsvertrag sind in erster Linie Teil eines körperschaftlichen Organisationsaktes und nicht Austauschvertrag217; nicht der Austausch von Mitgliedschaften, sondern die Neuordnung der Strukturen der beteiligten Rechtsträger prägt den Vorgang der Verschmelzung218 oder Spaltung: Der Vertrag ist Grundlage der gesamten Umstrukturierung und legt fest, wie sich die Rechtsverhältnisse der Anteilsinhaber untereinander und gegenüber den übernehmenden Rechtsträgern ändern; insoweit ähnelt er den als Organisationsakten klassifizierten Unternehmensverträgen nach §§ 291 ff. AktG.219 Bei der Verschmelzung oder Spaltung durch Neugründung hat der Umwandlungsvertrag auch den Gesellschaftsvertrag des neu zu gründenden Rechtsträgers (§ 37 UmwG) und damit dessen gesamten Organisationsplan zum Inhalt. Erfordern die Umstände der Umwandlung eine Satzungsänderung, so wird der Umwandlungsvertrag in der Regel auch diese Änderung als freiwillige Angabe beinhalten. Zur Wirksamkeit einer solchen Satzungsänderung ist jedoch
216
Rn. 7.
Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 3; Priester, in Lutter UmwG, § 126
217 H.M.; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 4 UmwG Rn. 7; Heckschen, S. 14; Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl., § 21 KapErhG Rn. 2; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 4 Rn. 2; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 4 Rn. 3; eingehend R. Meier, S. 19 ff., 138. 218 Vgl. BFH v. 14.12.1988 – I R 397/83, DB 1989, 663, 664; vgl. auch Immenga, BB 1970, 629, 631; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 4. 219 Bei diesen ist die Nichtanwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG aus systematischen Gründen konsequent einhellige Auffassung.
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
die vom Umwandlungsvertrag zu trennende Einhaltung der formalen Voraussetzungen nach § 179 AktG erforderlich. (b) Austauschvertrag Daneben weist der Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag auch schuldrechtliche Wirkungen auf: Die beteiligten Rechtsträger verpflichten sich gegenseitig zur Durchführung der Verschmelzung. Der übertragende Rechtsträger verpflichtet sich gegen die Gewährung von Anteilen für seine Anteilsinhaber sein gesamtes Vermögen als Einlage zu leisten. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass das Vermögen in dem Umfang übergeht, wie es sich aus der Festlegung des Umtauschverhältnisses ergibt;220 werden daher über die normale Weiterführung des Unternehmens hinaus neue Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang übernommen, so kann dies zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen.221 Darüber hinaus trifft den bzw. die übertragenden Rechtsträger die Verpflichtung, für eine der §§ 16, 38 UmwG entsprechende Anmeldung zu sorgen und ggf. vorliegende Eintragungshindernisse zu beseitigen.222 (c) Dingliche Wirkung Dingliche Wirkungen hat der Verschmelzungsvertrag nicht.223 Mit Eintragung der Verschmelzung geht das gesamte Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG kraft Gesetz über. Der Verschmelzungsvertrag bewirkt den Vermögensübergang also nicht, ist aber dessen notwendige Voraussetzung und Rechtsgrund. (2) Ergebnis Der Umwandlungsvertrag ist damit geprägt von einem Doppelcharakter. Aufgrund seiner organisatorischen Wirkungen ist er nicht mit den in der Dis220 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 5 m.w.N.; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 7. 221 Vgl. Kraft, in KölnKommAktG, § 341 Rn. 12 f.; Grunewald, in G/H/E/K, § 341 AktG Rn. 8 m.w.N.; Priester, in Scholz, 7. Aufl., Anh. UmwG § 21 KapErhG Rn. 27. 222 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 5, 29; Hüffer, AktG, § 83 Rn. 6 m.w.N. 223 Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 4 Rn. 3; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 4 UmwG Rn. 7; Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1754; Grunewald, in G/H/E/K, § 341 AktG Rn. 6; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 6; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 7.
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kussion der Literatur und Rechtsprechung i.R.d. §§ 311 ff. AktG näher behandelten Fällen der „üblichen Rechtsgeschäfte“ wie z.B. Lieferungsverträge, Umsatzgeschäfte, Konzernumlagen und Maßnahmen der Konzernfinanzierung224 zu vergleichen. Während reine Organisationsakte, wie Eingliederungsverträge, Beherrschungsverträge225 oder Satzungsänderungen226, nicht in den Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG fallen, ist in Umwandlungsfällen deren Besonderheit zu beachten, dass die Verträge sowohl organisatorische als auch schuldrechtliche Bestandteile aufweisen. Insofern können diese Vorgänge nicht einfach aus dem Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG entzogen werden. Die Vorschriften sind vielmehr daraufhin zu untersuchen, ob von ihnen auch Umwandlungsverträge erfasst werden.
cc) Systematische Auslegung Für eine systematische Auslegung der §§ 311 ff. AktG in der Frage der Anwendbarkeit auf Umwandlungsfälle ist die Stellung der Vorschriften innerhalb des Konzernrechts entscheidend. Dabei kann ein Vergleich der Vorschriften des faktischen Konzerns mit den Regelungen bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages oder einer Eingliederung vorgenommen werden.227 (1) Vertragskonzern Der Beherrschungsvertrag verschafft dem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit, durch Weisungen auf die Geschäftsleitung Einfluss zu nehmen und hierbei für die abhängige Gesellschaft nachteilige Maßnahmen durchzusetzen, sofern diese im Interesse des herrschenden Unternehmens oder des Konzerns liegen (§ 308 Abs. 1 AktG). Die von dem Konzernkonflikt ausgehende Gefahrenlage wird für die Außenseiter dadurch für die Zukunft wesentlich verschärft. Dem herrschenden Unternehmen wird ein Mittel an die Hand gegeben, 224
Zum Cash-Management und Sicherheitenstellung bei der AG vgl. Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 691. 225 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 25, § 291 Rn. 3. 226 Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 156 f.; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 42. 227 Siehe Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 14 ff., der hinsichtlich des Schutzzwecks der §§ 311 ff. AktG ebenfalls aus systematischen Überlegungen eine gewollte Vergleichbarkeit der Regelungen der §§ 311 ff. mit den §§ 291, 320 AktG annimmt. Vgl. ebenso Mestmäcker, FG Kronstein, S. 129, 146; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 35 m.w.N.
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mit dessen Hilfe es sich in legitimer Weise über die Interessen der Gesellschaft zugunsten der verbandsübergreifenden Konzerninteressen hinwegsetzen kann. Nach inzwischen fast einhelliger Meinung ist der Beherrschungsvertrag ein Organisationsvertrag, der den Zweck der abhängigen Gesellschaft nicht formal, wohl aber materiell abändert. 228 Worin die zweckändernde Wirkung des Beherrschungsvertrags liegt, wird unterschiedlich beurteilt. Nach einigen Autoren folgt eine Änderung des Gesellschaftszwecks bereits daraus, dass auch die Autonomie einer AG zu deren Zweck gehöre und diese Autonomie nunmehr durch Abschluss des Beherrschungsvertrages abgeschafft werde. Darüber hinaus soll durch den Beherrschungsvertrag die Interessenausrichtung der abhängigen Gesellschaft verändert werden: Statt der Eigeninteressen der abhängigen Gesellschaft seien nunmehr die Konzerninteressen maßgebend, wie in § 308 Abs. 1 AktG hinreichend zum Ausdruck komme. Selbst wenn dies zuträfe, ist aber doch zweifelhaft, ob diese Ausrichtung nur insoweit erfolgt, als das herrschende Unternehmen von seiner Weisungsbefugnis Gebrauch macht, oder ob der Vorstand der abhängigen Gesellschaft auch dann im Konzerninteresse zu handeln hat, wenn und soweit das herrschende Unternehmen keine Weisungen erteilt. Der Umfang der Weisungsbefugnis und damit der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens besteht nur hinsichtlich solcher Geschäfte und Maßnahmen, die in die Zuständigkeit des Vorstands fallen und nur hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand.229 Unter den Begriff Leitung i.S.v. § 76 AktG fallen zunächst alle zur Geschäftsführung gehörenden Handlungen, d.h. alle geschäftlichen und betrieblichen Maßnahmen nach außen und innerhalb des Unternehmens. Es besteht dagegen kein Weisungsrecht gegenüber dem Aufsichtsrat und, für die Beurteilung von Umwandlungen relevant, der Hauptversammlung. Diese sind hinsichtlich der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Handlungen nicht weisungsgebunden. Insoweit könnte man annehmen, dass somit auch Weisungen zur Vornahme von Umwandlungen, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen und insoweit organisatorischen Charakter haben, nicht möglich wären, was ebenfalls die Nichtanwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG bedeuten würde. Denn derartige Maßnahmen wären dann nicht Ausdruck eines spezifischen Konzernrisikos und daher nach den allgemeinen Regeln zu behandeln. Unter das Weisungsrecht fallen jedoch nach h.A. nicht nur die aufgeführten, zur Geschäftsführung gehörenden Handlungen, vielmehr werden auch innergesellschaftliche und organisatorische Aufgaben des Vorstands erfasst, die nicht in 228 229
Z.B. Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 291 Rn. 156 m.w.N. Altmeppen, in MünchKommAktG, § 308 Rn. 84.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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seiner ausschließlichen Zuständigkeit liegen, deren Wirksamkeit vor allem von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängt. Folglich kann sich eine Weisung nach § 308 AktG auch auf die Vorbereitung derartiger Maßnahmen und damit auch auf die Vorbereitung von Umwandlungsmaßnahmen beziehen. Diese Vorbereitung wird z.T. selbst als Teil der Geschäftsführung angesehen.230 Somit sind jedenfalls im Vertragskonzern Weisungen zur Vorbereitung von Umwandlungsmaßnahmen zulässig. Die Weisungsbefugnis endet selbstverständlich auch in diesem Bereich, soweit die Hauptversammlung zu entscheiden hat.231 (2) Eingliederung Die Eingliederung nach den §§ 319 ff. AktG bewirkt eine noch weitergehende Einbindung in den Konzern als der Beherrschungsvertrag. Nachteilige Weisungen sind hier selbst dann im Grundsatz zugelassen, wenn sie nicht im Konzerninteresse liegen (§ 323 Abs. 1 AktG).232 Es gibt zudem keinen den §§ 300 bis 302 AktG vergleichbaren Schutz der Kapitaldecke, sondern nur eine Pflicht zur Erhaltung der Grundkapitalziffer (§ 324 Abs. 1, 3 AktG). Dafür haftet die Konzernmutter gemäß § 322 AktG in Anlehnung an die Regelungen für die Gesellschafter einer OHG „wie“ ein Gesamtschuldner.233 Die eingegliederte Gesellschaft wird damit praktisch zur „Betriebsabteilung“ des herrschenden Unternehmens. Auf einen besonderen Minderheitenschutz nach erfolgter Eingliederung wird verzichtet, weil gemäß § 320a AktG alle Aktien auf die Hauptgesellschaft übergehen. Da aber im Vergleich zum Beherrschungsvertrag an der Geschäftsleitungsstruktur, also der Leitung der Gesellschaft durch den Tochtervorstand nach Anweisung durch die Mutter, keine Unterschiede bestehen, gilt das zum Beherrschungsvertrag Gesagte weitgehend auch für die Eingliederung. Solange die Muttergesellschaft keine konkreten Vorgaben in der Form von Weisungen erteilt, sind für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft die Interessen dieser abhängigen Gesellschaft maßgebend.234 Ebenso wenig wie nach Abschluss eines Beherrschungsvertrags steht es dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft 230 Siehe Altmeppen, in MünchKommAktG, § 308 Rn. 89 mit Hinweis auf Koppensteiner, in KölnKommAktG 2. Aufl., § 308 Rn. 21. Siehe nun auch Koppensteiner, in KölnKommAktG 3. Aufl., § 308 Rn. 33 f. 231 Vgl. Altmeppen, in MünchKommAktG, § 308 Rn. 89. 232 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 323 Rn. 2; RegBegr. Kropff, S. 427. 233 Vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 322 Rn. 3 ff. 234 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 323 Rn. 8; mit Verweis auf den Beherrschungsvertrag § 308 Rn. 71 f.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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zu, selbständig und nach eigenem Ermessen zu beurteilen, welche Geschäftspolitik der abhängigen Gesellschaft sich am besten in das Konzept der Muttergesellschaft einfügt. Das gilt für die Situation nach Eingliederung der TochterAG umso mehr, als die Muttergesellschaft im Rahmen ihrer Einflussnahmemöglichkeiten freier ist als nach Abschluss eines Beherrschungsvertrages, da § 323 Abs. 1 u. 2 AktG nicht auf § 308 Abs. 1 u. 2 AktG verweist. Für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft ist somit noch ungewisser, welche Geschäftspolitik tatsächlich den Interessen des herrschenden Unternehmens gerecht wird. Satzungsdurchbrechende Weisungen sind wegen des kompetenzrechtlichen Verständnisses von der Beherrschung nicht zuzulassen235, wenngleich der Minderheitenschutz bei der Eingliederung keine Rolle spielt. Denn Wortlaut und Systematik erlauben in diesem Punkt keine Abweichung von denjenigen Regeln, die für den Beherrschungsvertrag gelten. Die Eingliederung gibt keine weiterreichenden Kompetenzen, sondern nur ein inhaltlich weitergehendes Weisungsrecht. Dass keine kompetenzrechtliche Ausweitung gewollt ist, zeigt sich im Übrigen auch an der Verweisung des § 323 Abs. 1 u. 2 AktG auf 308 Abs. 3 AktG: Das Verfahren für Maßnahmen, die nach der Satzung der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen, bleibt selbst nach Eingliederung der Gesellschaft erhalten. Wie beim Beherrschungsvertrag lässt sich somit auch hier festhalten, dass das Weisungsrecht bei einer Eingliederung ebenfalls die Veranlassung zu Vorbereitungshandlungen der Hauptversammlung erfasst, nicht aber einen Einfluss auf die Hauptversammlung selbst rechtfertigt. (3) „Faktischer“ Konzern Im faktischen Konzern steht dem herrschenden Unternehmen zwar kein Weisungsrecht zu. Die Rechtsfolgen faktischer Konzernierung beruhen jedoch darauf, dass man dem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit unterstellt, auf faktischem Wege unter Umgehung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft zu bestimmten Maßnahmen zu veranlassen. Wie schon beim Beherrschungsvertrag erfordert beim faktischen Konzern die Ausrichtung der abhängigen Gesellschaft am Konzerninteresse ein Tätigwerden des herrschenden Unternehmens. Im Unterschied zu dort ist der Vorstand der abhängigen AG jedoch nicht verpflichtet, den Verhaltensanweisungen des herrschenden Unternehmens Folge zu leisten, so dass die Muttergesellschaft auf ihren faktischen Einfluss angewiesen ist.
235
Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 323 Rn. 4 m.w.N.
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(4) Ergebnis Sowohl im Vertragskonzern als auch bei einer Eingliederung erfassen die Regelungen der §§ 308 ff. AktG bzw. §§ 319 ff. AktG nicht nur eine Verantwortlichkeit bzw. Leitungsmacht im Bereich der Geschäftsführungsmaßnahmen nach § 119 Abs. 2 AktG. Ein Vergleich des § 311 AktG mit den Vorschriften über die Haftungsverfassung bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung legt zwar vor allem in Hinblick auf § 308 AktG, der bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung weitgehende Weisungskompetenzen erteilt, nahe, dass in erster Linie Geschäftsführungsmaßnahmen erfasst werden sollen. Ebenfalls ist im Rahmen der §§ 311 ff. AKtG mit Hinblick auf den angestrebten Vermögensschutz weiter gehend davon auszugehen, dass damit nicht allein Vorgänge i.S.v. § 119 Abs. 2 AktG, sondern auch die Vorbereitungshandlungen zu organisatorischen Maßnahmen erfasst werden. Die §§ 311 ff. AktG wollen einen den §§ 291 ff., 320 ff. AktG vergleichbaren Vermögensschutz leisten.236 Zwar ist zu konstatieren, dass § 308 AktG eine weitergehendere Leitungsbefugnis gibt.237 Hinsichtlich des Schutzes der Vermögensinteressen der Aktionäre und Gläubiger bestehen jedoch vergleichbare Abhängigkeitsrisiken. Insofern sollte aus Gründen des Außenseiterschutzes ein vergleichbares Schutzniveau mit ähnlicher Reichweite gelten. Die Stellung der außenstehenden Aktionäre darf prinzipiell nicht anders sein.238 Die systematische Auslegung widerspricht somit nicht der Anwendbarkeit des § 311 AktG auf Fälle der Verschmelzung und Spaltung im faktischen Konzern. Wie dargelegt, sind Verschmelzung und Spaltung, insbesondere die entsprechenden Verschmelzungs- und Spaltungsverträge, Rechtsgeschäfte, die vom Vorstand der abhängigen Gesellschaft vorbereitet und abgeschlossen werden. Insoweit liegt eine Handlung der Geschäftsführung vor, zu welcher ebenfalls im Rahmen von § 308 AktG angewiesen werden kann. Da die §§ 311 ff. AktG den Vermögensschutz in gleicher Weise wie im Vertragskonzern gewährleisten wollen, muss auch hier der Anwendungsbereich über § 119 Abs. 2 AktG hinausgehen, so dass eine systematische Einordnung nicht dagegen spricht, auch „Mischformen“ wie den Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag zu erfassen.
236
Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 14 ff. Vgl. auch die Überschriften zum Ersten („Leitungsmacht und Verantwortlichkeit bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags“) und Zweiten Abschnitts („Verantwortlichkeit bei Fehlen eines Beherrschungsvertrags“) des Zweiten Teils des Dritten Buchs des AktG. 238 Vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 16. 237
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
dd) Überlagerung der §§ 311 ff. AktG durch das UmwG? Der Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG könnte jedoch das Schutzsystem des UmwG entgegenstehen. Das UmwG trat im Jahr 1995 erst deutlich nach Einführung der §§ 311 ff. AktG 1965 in Kraft und enthält u.a. aus Gründen des Minderheiten- und Gläubigerschutzes besondere Vorschriften. Insofern könnte eine Verdrängung der §§ 311 ff. AktG in diesem Bereich in Erwägung gezogen werden. Eine solche Verdrängung käme allerdings nur in Betracht, wenn sich die Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck und hinsichtlich ihrer Schutzwirkung gleichen. Hierzu sind Sinn und Zweck der §§ 311 ff. AktG zu hinterfragen und in Relation zu den einschlägigen Vorschriften des UmwG zu setzen. (1) Schutzprinzipien der §§ 311 ff. AktG Die §§ 311 ff. AktG setzen bei der bereits abhängigen oder konzernierten Gesellschaft an. Sie versuchen bei Bestehen eines derartigen Abhängigkeitsverhältnisses und der damit verbundenen Gefahr des Interessenkonflikts einen Ausgleich der Interessen durch einen besonderen Schutz der abhängigen Gesellschaft sowie ihrer Gläubiger und außenstehenden Aktionäre zu erreichen.239 (a) Minderheitenschutz Die außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft sollen durch die Ausübung einheitlicher Leitungsmacht und einer herrschenden Position nicht schlechter gestellt werden als sie stünden, wenn die Gesellschaft unabhängig wäre.240 Bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages sind die Außenseiter durch besondere, vom Gesellschaftsverhältnis abgehobene Sicherungen geschützt; die außenstehenden Aktionäre haben ein Wahlrecht zwischen Ausgleichszahlung (§ 304 AktG) und Abfindung (§ 305 AktG).241 Im Rahmen der einfachen Abhängigkeit schützen die §§ 311 ff. AktG durch ihr Schutzsystem des Einzelausgleichs vordergründig die Gesellschaft vor Vermögens- und Ertragseinbußen. Der Sache nach aber werden die an ihr bestehenden Vermögensinteressen der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger geschützt.
239 Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 1; Emmerich/Habersack, § 24 IV. 1. 240 Kropff, in G/H/E/K, § 311 Rn. 1; Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 15 m.w.N. 241 Kropff, in G/H/E/K, § 311 Rn. 1; Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 16.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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Durch das grundsätzliche Verbot der Nachteilszufügung und der Verpflichtung zum Nachteilsausgleich soll vor allem der Schutz der Kapitalerhaltung gewährleistet werden. Damit soll das Vermögensinteresse der außenstehenden Aktionäre grundsätzlich einem vergleichbaren Risiko ausgesetzt sein wie bei Unabhängigkeit der Gesellschaft. Jedenfalls sollen im Vergleich zur Situation bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages oder einer Eingliederung keine zusätzlichen Gefahren durch die mögliche Interessenkollision beim herrschenden Unternehmen bestehen. Zwar beinhaltet § 311 Abs. 1 AktG zunächst für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft auch ein Weigerungsrecht bzw. -pflicht242 bei der Veranlassung zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen. Weiterhin sehen §§ 317, 318 AktG grundsätzlich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die abhängige Gesellschaft selbst vor. Dass dies Ausdruck eines speziellen Minderheitenschutzes ist, zeigt sich aber in der Tatsache, dass außenstehende Aktionäre gemäß §§ 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG i.V.m. § 309 Abs. 4 S. 1 AktG gleichermaßen zur Geltendmachung der Ansprüche auf Leistung an die Gesellschaft berechtigt sind.243 (b) Gläubigerschutz In ähnlicher Weise verfolgen die §§ 311 ff. AktG den Schutz der außenstehenden Gläubiger. Auch sie sollen keine Einbuße durch die Abhängigkeit oder Konzernierung erleiden. Daher will das System der §§ 311 ff. AktG die Kapitalerhaltung und den Vermögensschutz gewährleisten, um dadurch negative Auswirkungen auf den Umfang der Haftungsmasse zu vermeiden. Risiken durch gesellschaftsfremde Einflussnahmen sollen ausgeschlossen sein.244 Durch die Regelungen der Schadensersatzansprüche kann unter Umständen sogar die Haftungsmasse zum Vorteil der Gläubiger vergrößert sein. Haften nämlich zusätzlich das herrschende Unternehmen und dessen gesetzliche Vertreter nach § 317 AktG, so mag in der Regel das zur Verwertung vorhandene Vermögen das alleinige Vermögen der abhängigen Gesellschaft übersteigen. Der Schutz der Gläubiger wird dadurch komplettiert, dass diese unter bestimmten Umständen selbst zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche befugt sind, vgl. §§ 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG i.V.m. § 309 Abs. 4 S. 3 AktG.245
242
Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 78. Kropff, in G/H/E/K, § 317 Rn. 32 f, § 318 Rn. 11. 244 Kropff, in G/H/E/K, § 311 Rn. 22 f. 245 Kropff, in G/H/E/K, § 317 Rn. 34; Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 1. 243
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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(c) Schutz der abhängigen Gesellschaft i.S. eines Bestandsschutzes? Wie erwähnt, steht bei den Regelungen der §§ 311 ff. AktG der Schutz der abhängigen Gesellschaft im Vordergrund, um dadurch die außenstehenden Aktionäre und Gläubiger vor Einbußen zu bewahren. Es ist jedoch einhellige Meinung, dass die §§ 311 ff. AktG keine Vorschriften zum Schutz der (noch) unabhängigen AG und ihrer Aktionäre gegen abhängigkeits- und konzernbegründende Maßnahmen sind.246 Nach der Konzeption der §§ 311 ff. AktG haben außenstehende Aktionäre die Begründung des Abhängigkeitsverhältnisses und die einfache faktische Konzernierung ihrer Gesellschaft mit den damit verbundenen sog. passiven Konzerneffekten247 grundsätzlich hinzunehmen. Diese Annahme enthält jedoch keinerlei Aussage darüber, ob und wie die §§ 311 ff. AktG bei Bestehen eines Abhängigkeits- oder faktischen Konzernverhältnisses die abhängige Gesellschaft selbst in ihrem Bestand i.S. eines Integritätsinteresses zu schützen beabsichtigen, das bei der Durchführung insbesondere von zum Erlöschen der Gesellschaft führenden Verschmelzungen oder Aufspaltungen beeinträchtigt bzw. beseitigt würde. Nach der h.A. umfasst der Schutzbereich der §§ 311 ff. AktG das so genannte Eigeninteresse der (schon) abhängigen AG.248 Wenn nämlich ein herrschendes Unternehmen bestimmenden Einfluss auf die Leitung der abhängigen Gesellschaft ausübt, besteht ein Risiko, „dass als Folge der Unternehmensverbindung das eigenständige Interesse der Gesellschaft durch das Konzerninteresse249 überlagert wird und das herrschende Unternehmen dazu tendiert, die Tätigkeit der abhängigen Gesellschaft an diesem Konzerninteresse auszurichten“.250 Dieser Interessenkonflikt zwischen Konzerninteresse und Interesse der abhängigen Gesellschaft – kurz: Eigeninteresse251 – bildet ein zentrales Problem im Recht der verbundenen Unternehmen.252 246
Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 1. Vgl. hierzu Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 344 ff. 248 Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 6 m.w.N. 249 Gemeint ist, wie unter V.C. ausgeführt, das gesellschaftsfremde unternehmerische Interesse, das von einem herrschenden Unternehmen ausgeübt werden kann. Damit soll keinesfalls die Existenz eines abstrakt bestimmbaren „Konzerninteresses“ postuliert werden; ein solches kann es nicht geben. Der Begriff „Konzerninteresse“ stammt indes von Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 79 ff. 250 So bereits Ulmer, Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern (1984), S. 396. 251 Dabei war die Existenz und Bedeutung eines Eigeninteresses der Gesellschaft anfangs durchaus stark diskutiert. Während das Reichsgericht (RGZ 107, 202, 204) die Bedeutung eines Eigeninteresses früh in den Vordergrund stellte, entfachte eine erneute Diskussion während der Weimarer Republik: So betonten die Anhänger der Lehre vom „Unternehmen an sich“ die Eigenwertigkeit und das Eigeninteresse der Gesellschaft, vgl. hierzu Hommelhoff, Konzernleitungspflicht (1982), S. 25. Diesem entgegengesetzt 247
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Um hinterfragen zu können, inwieweit die §§ 311 ff. AktG allerdings ein in Umwandlungsfällen berührtes Bestandsinteresse der abhängigen AG schützen wollen, soll zunächst kurz das Eigeninteresse der Gesellschaft definiert werden, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob dieses Eigeninteresse gleichfalls ein Bestandsinteresse der Gesellschaft an sich beinhaltet. (aa) Eigeninteresse der AG als Kapitalgesellschaft Die AG253 als Kapitalgesellschaft ist weder vernünftiger Einsicht noch eines Willens fähig, ihre so genannten Interessen sind die ihrer Mitglieder und „Organwalter“254. Das Gesetz geht bei der Regelung der Kapitalgesellschaften vom Leitbild einer eigenständigen Gesellschaft aus. Dabei setzt Eigenständigkeit voraus, dass sich die Kapitalgesellschaft unternehmerisch kraft eigenen Willens255 im eigenen Interesse betätigt und sich dabei allein auf das Unternehmen der Gesellschaft und an die Belange der an ihr Beteiligten ausrichtet. Die Eigenständigkeit ist dabei gekennzeichnet durch die Betätigung eines eigenen Willens und der Verfolgung eines Eigeninteresses.256
meinten Reformbefürworter, die sich für eine Wiederherstellung der „Demokratie der Aktionäre“ einsetzten, dass ein Interessendualismus zwischen Aktionären und Gesellschaft grundsätzlich zu verneinen und die Lehre vom Eigeninteresse deshalb zu verwerfen sei, vgl. Schubert, Protokolle (1986), S. XXIII. Vgl. zum Ganzen Cornett, Treubindung gegenüber dem Eigeninteresse abhängiger Gesellschaften, S. 189 f. 252 Vgl. hierzu bereits die Diskussion in der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Unternehmensrechtskommission. Dort wurde der Gedanke ausgesprochen, man solle den Interessenkonflikt dadurch lösen, „dass man durch konkretisierende Normen ein gewisses Korsett schaffe“, vgl. im Bericht der Unternehmensrechtskommission (1980), Tz. 1393. Ebenso Cornett, Treubindung gegenüber dem Eigeninteresse abhängiger Gesellschaften S. 187 f. 253 Zum Eigeninteresse der GmbH, vgl. BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan“) sowie die davor erganenen Entscheidungen, z.B. BGHZ 95, 330 („Autokran“), BGHZ 122, 123 („TBB-Urteil“). 254 Vgl. die Nachweise bei Flume, Juristische Person (1983), S. 23. 255 Vgl. zum fehlenden eigenen Willen der abhängigen Gesellschaft etwa DJTKonzernbericht (1967), Rn. 135 ff.; wo es u.a. heißt, dass bei der abhängigen Gesellschaft oft kein Organ vorhanden ist, das sich bei der Wahrung der eigenen Belange dieser Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen durchsetzen könnte, welches letztlich dazu führen kann, dass die Interessen der abhängigen Gesellschaft als zweitrangig behandelt werden oder ganz unberücksichtigt bleiben. Eben deshalb sei es nötig, das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft zu schützen (a.a.O. Rn. 205 ff.). 256 So etwa DJT-Konzernbericht (1967), Rn. 202; dabei wird ein Eigeninteresse der Kapitalgesellschaft generell vorausgesetzt.
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Unter Eigeninteresse der Kapitalgesellschaft ist das gesammelte Interesse u.a. von Gesellschaftern257 und Gesellschaftsgläubigern zu verstehen, deren Interessen in der Gesellschaft zusammenlaufen. Da eine Förderung dieses Interesses der Gesellschaft mittelbar zugleich den Belangen der Gläubiger und der Allgemeinheit dient258, ist das Eigeninteresse der sachimmanente Maßstab dafür, ob die Belange der Gesellschaft ausreichend gewahrt werden. Ein solches Eigeninteresse ist fortlaufend neu festzulegen, da es das Resultat eines dauernden, in seinem Ausgang offenen Abgleichungsprozesses ist259, in dem die unterschiedlichen Partialinteressen260 harmonisiert werden müssen.261 Der Rahmen, in dem der das Eigeninteresse der Gesellschaft bildende Abgleichungsprozess unterschiedlicher Interessen abläuft, ist stark vom jeweiligen Gesellschaftszweck abhängig; denn der Maßstab des Eigeninteresses umschreibt die von jeder Ausrichtung auf ein fremdunternehmerisches Sonderinteresse freie Verwirklichung des Gesellschaftszwecks.262 Mit dem Begriff des Eigeninteresses ist so das Substrat jener Partialinteressen gemeint, welche die Rechtsordnung schützen will. Das jeweilige Eigeninteresse liegt dabei nicht ein für allemal fest, es wandelt sich mit den sich verändernden häufig divergierenden Einzelinteressen.263 257
Vgl. zur Unterscheidung zwischen Eigeninteresse der Gesellschaft und den Interessen der Gesellschafter bereits Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht (1963), S. 17 ff. 258 Fleck, Drittanstellung des GmbH-Geschäftsführers (1985), S. 395. 259 Deshalb wird hier von einer abstrakten Definition eines Eigeninteresses einer Kapitalgesellschaft abgesehen. Eine solche erscheint wenig gewinnbringend, da sich diese an der Interessenlage eines unabhängigen Unternehmens orientieren müsste, obwohl doch die Interessenlage einer abhängigen AG eine ganz andere ist (so Lutter, Konzernrecht in Europa (1987), S. 334 mit dem Verweis auf Mestmäcker, Konzerngewalt (1958), S. 303: eine Gesellschaft verändert mit dem Augenblick ihrer Einbindung in einen Konzern ihren Charakter). Zudem bleibt auch weiter die Frage der gesellschaftsrechtlichen Existenz eines solchen Eigeninteresses nicht endgültig geklärt. In der Literatur wird das Eigeninteresse einer Kapitalgesellschaft z.T. mit der Begründung abgelehnt, dies verkenne, dass die Kapitalgesellschaft nur ein angenehmes und nützliches Denkmuster darstellt (so z.B. Adams, Beschränkte Haftung (1991), S. 15). Ein solches Argument kann hier ebenso wenig greifen wie bei verwandten Abstraktionsbegriffen (wie z.B. beim Begriff der juristischen Person, vgl. Flume, Juristische Person (1983), S. 26). 260 So unter anderem Anteilseignerinteressen, das Zusammenschlussinteresse, das Unternehmensinteresse als Inhalt der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft, finanzielle Interessen, Gläubigerinteressen etc., vgl. Cornett, Treubindung gegenüber dem Eigeninteresse abhängiger Gesellschaften, S. 194 m.w.N. 261 Vertiefend hierzu Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht (1982), S. 247, und darauf aufbauend Kleindiek, Strukturvielfalt (1991), S. 54 m.w.N. 262 So für sowohl Personen- als auch Kapitalgesellschaften Kleindiek, Strukturvielfalt (1991), S. 41 m.w.N. 263 Ebenso schon Cornett, Treubindung gegenüber dem Eigeninteresse abhängiger Gesellschaften, S. 195.
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(bb) Einfluss von Beherrschung auf das Eigeninteresse Als Leitbild der AG gilt die große und selbständige Publikumsgesellschaft mit vielen einflusslosen Aktionären, deren Interessen sich mit denen der Verwaltung gleichrichten. In der eigenständigen Gesellschaft haben dabei idealiter alle Anteilseigner das Beste der Gesellschaft im Sinn, und aufgrund dieses Gleichlaufs der Interessen der Anteilseigner gibt es bei der unabhängigen Gesellschaft keinen Interessenkonflikt, der das ungestörte Ablaufen des dargelegten Abgleichungsprozesses einseitig beeinflussen würde. In der abhängigen AG trifft diese Aussage nicht zu264; denn der dieser Annahme zugrunde liegende Gedanke des Gleichlaufs der Interessen der Anteilseigner ist nicht gegeben, da die Einbindung in ein verbundenes Unternehmen die Interessen und die Ausrichtung der abhängigen Gesellschaft grundlegend verändert.265 Das aktienrechtlich vorgesehene Funktionsschema stimmt nicht mehr. Dem Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft steht im Unternehmensverbund das Interesse des herrschenden Unternehmens266 gegenüber, welches im gesamten Verbund wahrgenommen werden kann. Es besteht die Gefahr, dass der Unternehmensgesellschafter die Gesellschaft zum Nachteil einer Minderheit oder von Gläubigern für seine sonstigen Interessen ausbeutet: Der für das Recht der verbundenen Unternehmen spezifische Interessenkonflikt liegt vor. Das normale Gesellschaftsinteresse wird durch das dieses beeinträchtigende Fremdinteresse überlagert. (cc) Bestandsschutz als Teil des Eigeninteresses Nachdem nun der Interessenkonflikt im Unternehmensverbund zwischen herrschender und abhängiger Gesellschaft festgestellt wurde, ist dies weiterzuführen mit der für die Behandlung von Umwandlungsfällen grundlegenden Frage, ob das Eigeninteresse auch einen Bestandsschutz267 i.S. eines Integritätsinteresses268 gewährt und ob die §§ 311 ff. AktG diesen bezwecken. Wäre von einem zumindest teilweisen Schutz dieses Integritätsinteresses auszugehen, stellte sich die Frage, welche Maßnahmen dieses Interesse mit der Folge verletzten, dass sie auch ohne Beeinträchtigung der Vermögensinteressen 264
Vgl. Mestmäcker, Systematik (1967), S. 311. Wiedemann, Unternehmensgruppe (1988), S. 70. 266 Siehe zu den Interessenbereichen im Aktienrecht z.B. Zöllner, in der Einleitung zum KölnKommAktG (1984), S. 244 ff. 267 Zum Bestandsschutz vgl. Geßler, ZHR 140 (1976), 433. 268 Siehe zu diesem Begriff Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 133 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 274; Strohn, Verfassung der AG, S. 18. 265
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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der abhängigen Gesellschaft als nachteilig einzustufen wären269. Ungeachtet dessen ist bisher nicht stichhaltig begründet worden, dass das Regelungssystem der §§ 311 ff. AktG über das reine Vermögensinteresse hinaus in gewissem Umfang auch das Integritätsinteresse schützen will. Vielmehr wurde überzeugend von Hommelhoff270 und Mülbert271 dargelegt, dass die am deutlichsten von Strohn272 vertretene Auffassung273 der wirtschaftlich-organisatorischen Zielsetzung der §§ 311 ff. AktG unzutreffend ist274. Zwar mag ein Schutz der abhängigen Gesellschaft in wirtschaftlich-organisatorischer Hinsicht über den Schutz vor rein vermögensmäßigen Beeinträchtigungen erforderlich erscheinen275. Hieraus lässt sich aber nicht folgern, dass die §§ 311 ff. AktG diesen zusätzlichen Schutz gewährleisten wollen bzw. müssen276. Weder im Gesetz noch in der Begründung zum Aktiengesetz lassen sich Anhaltspunkte für diesen Schutz finden. Daher ist davon auszugehen, dass die §§ 311 ff. AktG nur vermögensmäßig eine Gleichstellung der einzelnen Partialinteressen verfolgen277 und so versuchen, die Folgen des beherrschenden Einflusses mit der Situation einer fingierten unabhängigen Gesellschaft zu vergleichen. Ein Bestandsschutz kann durch dieses Schutzsystem nicht erreicht werden und ist auch nicht davon bezweckt. Anders mag es bei nicht unter die §§ 311 ff. AktG fallenden qualifizierten Einflussnahmen sein, die einem Einzelausgleich entzogen sind. In diesen Fällen, die oftmals eine Existenzgefährdung darstellen, stehen den Anteilseignern und Gläubigern u.U. Schadensersatzansprüche zu. Hierbei handelt es sich letzlich um einen Bestandsschutz, der allerdings auf der qualifizierten Einflussnahme und nicht auf einer Abhängigkeit i.S.v. § 311 AktG gründet. Unabhängig von der Schutzrichtung der §§ 311 ff. AktG kann man zuvor fragen, ob es überhaupt einen derartigen Bestandsschutz der Gesellschaft geben 269
Hogh, Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 I AktG, S. 11. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 133 ff. 271 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 277 f. 272 Strohn, Verfassung der AG, S. 17 ff. 273 Die h.M. nimmt einen mehr oder weniger weitgehenden Schutz in wirtschaftlichorganisatorischer Hinsicht an, vgl. Strohn, Verfassung der AG, S. 17 ff.; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 10. 274 Die Gefahr einer schleichenden Verrentung der abhängigen Gesellschaft ist kein durchgreifendes Argument für eine derartige Ausrichtung des Regelungssystems der §§ 311 ff. AktG, vgl. Hogh, Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 I AktG, S. 12. 275 Vgl. Hogh, Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 I AktG, S. 12 sowie S. 66 ff. 276 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 134. 277 Vgl. z.B. Hogh, Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 I AktG, S. 12; auch nur den Schutz von Vermögensinteressen befürwortend Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 6. 270
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kann. Denn um zu einem materiellen Bestandsinteresse der Gesellschaft zu gelangen, müsste das Aktienrecht die Aussage enthalten, dass die Anteilsinhaber die Existenz des Verbands nicht antasten dürfen. Das ist offensichtlich weder für die abhängige noch die unabhängige Gesellschaft der Fall. Das Recht der Aktionäre, die Auflösung nach §§ 262 Nr. 2, 264 ff. AktG zu betreiben, steht außer Frage. Darüber hinaus haben die Aktionäre die Möglichkeit, die AG statuarisch nur auf eine begrenzte Zeit festzulegen, vgl. § 262 Nr. 1 AktG. Die Interessen von Minderheitsaktionären und Gläubigern werden durch die Einhaltung von bestimmten Formalitäten gewahrt.278. Insofern besteht allerdings ein formelles Eigeninteresse der Gesellschaft auf Einhaltung des förmlichen Verfahrens279. Besteht kein derartiges zwingendes gläubigerschützendes Verfahren, wie z.B. bei der bloßen Änderung des Unternehmensgegenstandes oder des Gesellschaftszwecks, ist ein auf diesen Bereich begrenztes satzungsfestes Bestandsinteresse gegeben280. Dies bedeutet zunächst, dass jede Gesellschaft über ein immanentes Bestandsinteresse verfügt, welches grds. nur durch die Einleitung der ordnungsgemäßen Liquidation beseitigt wird281. Das UmwG sieht, ebenso wie die Liquidation, ein förmliches Verfahren vor. Je nach Art der durchgeführten Maßnahme sind besondere aktionärs- und gläubigerschützende282 Grenzen und Vorschriften zu beachten. Nach oben Gesagtem erschöpft sich auch bei der Durchführung der in dieser Arbeit untersuchten Maßnahmen nach dem UmwG das Bestandsinteresse der abhängigen AG als übertragende Gesellschaft in der Einhaltung eines formellen Verfahrens. 278
Die Rechtssprechung verlangt für einen solchen Auflösungsbeschluss keine sachliche Rechtfertigung. Erforderlich ist zunächst lediglich, sofern die Gesellschaft nicht ohnehin wegen Zeitablaufs aufgelöst ist, § 262 Nr. 1 AktG, ein förmlicher Gesellschafterbeschluss mit Drei-Viertel-Mehrheit, § 262 Nr. 2 AktG, sowie die Eintragung der Auflösung in das Handelsregister, § 263 AktG. Anschließend sind die Gläubiger unter Hinweis auf die Auflösung der Gesellschaft in den Gesellschaftsblättern aufzufordern, ihre Ansprüche bei den Liquidatoren anzumelden, § 267 AktG. Eine Sperrfrist stellt die Geltendmachung der Ansprüche der Gläubiger bzw. eine Sicherheitsleistung vor Verteilung des restlichen Gesellschaftsvermögens sicher, § 272 AktG. Soweit die Gesellschaft weiterhin im Geschäftsverkehr auftritt, ist die Tatsache, dass sie sich in der Abwicklung befindet, kenntlich zu machen, § 268 Abs. 4 Satz 1 AktG. Dieser Gläubigerschutz ist zwingend; siehe etwa Hüffer, AktG, § 264 Rn. 1; § 272 Rn. 1. 279 Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung, S. 243; vgl. zum formellen Charakter auch Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, S. 580 f. 280 So Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung, S. 244; ebenso Fleck ZHR 149 (1985), 387, 394 ff. 281 Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung, S. 244. 282 Siehe zum Schutzzweck der Vorschriften des UmwG sogleich unter (dd)(2).
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Damit ist festzuhalten, dass es im Aktienrecht keinen umfassenden Bestandsschutz als solchen gibt. In vielen Fällen wird das immanente Integritätsinteresse der Gesellschaft bei Einhaltung eines speziellen aktionärs- und gläubigerschützenden Verfahrens durchbrochen. Zum anderen zielen die §§ 311 ff. AktG auf einen reinen vermögensmäßigen Schutz der abhängigen AG ab. Sie können und wollen keinen umfassenden Bestandsschutz der abhängigen Gesellschaft verfolgen. Allerdings ist unumgänglich, dass §§ 311 ff. AktG – gleichermaßen wie die Vorschriften der §§ 291 ff., 319 ff. AktG im Vertragskonzern und bei Eingliederung – versuchen, bei der Tätigkeit der abhängigen AG das Eigeninteresse zu wahren, oder bei zulässigem nachteiligen Einfluss einen Ausgleich vorsehen, um so das in der Gesellschaft liegende Kapital vor in der rechtlichen Abhängigkeit begründeten Beeinträchtigungen zu bewahren. Die §§ 311 ff. AktG stellen damit jedoch keine besonderen Vorschriften zur Begründung eines Bestandsschutzes der abhängigen AG dar. Sie sind vielmehr allein in vermögensrechtlicher Hinsicht als Ergänzung für einen aufgrund der Privilegierungsfunktion der §§ 311 ff. AktG eingeschränkten Kapitalschutz nach §§ 57, 62 AktG zu sehen. Denn nach der ganz überwiegenden Auffassung283, welche der Privilegierung des herrschenden Unternehmens durch die §§ 311 ff. AktG Rechnung tragen will, die abhängige Gesellschaft zu einem nachteiligen Rechtsgeschäft bzw. einer nachteiligen Maßnahme auffordern zu dürfen, ohne den Nachteil sofort ausgleichen zu müssen, verdrängt § 311 AktG partiell als lex specialis die §§ 57, 62 AktG.284 Die Grenzen der Verdrängungswirkung der §§ 311 ff. AktG gegenüber §§ 57, 62 AktG würden allerdings dann erreicht, wenn es innerhalb des Geschäftsjahrs nicht zu einem Ausgleich des Nachteils der abhängigen Gesellschaft kommt285 oder von vornherein feststeht, dass es keine Möglichkeit für einen Ausgleich gibt286. Der Regelungskomplex der §§ 57, 62 AktG lebe dann wieder auf und finde neben § 317 AktG Anwendung. 283 Lutter, in KölnKommAktG, § 57 Rn. 80 f.; Kropff, in MünchKommAktG, § 317 Rn. 106; Habersack, in Emmerich/Habersack § 311 Rn. 82; Hüffer, AktG § 311 Rn. 49, § 317 Rn. 17; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 47, 61, 110; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 27 I, S. 433; Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft, S. 179 ff.; Bechlivanis, Vermögensbindung bei der unabhängigen und der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft, S. 277 m.w.N. 284 Vgl. Überblick bei Altmeppen, in Managerhaftung im Konzern, S. 57. 285 OLG München, Urt. v. 15.12.2004 – 7 U 5665/03 = NZG 2005, 181 ff.: „Bei Bestehen eines faktischen Konzerns werden die Vorschriften über die Kapitalerhaltung nach §§ 57 ff. AktG im Wege der Spezialität nur solange verdrängt, bis das herrschende Unternehmen den Nachteil, den es der abhängigen AG zugefügt hat, entweder ausgeglichen hat oder den Ausgleich verweigert. Wird innerhalb der Frist des § 311 II AktG für Nachteilsausgleich nicht gesorgt, so tritt die Nichtigkeitsfolge des § 57 AktG ein.“ 286 Vgl. Bechlivanis, Vermögensbindung bei der unabhängigen und der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft, S. 278.
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Eine a.A.287 möchte §§ 57, 62 AktG dagegen uneingeschränkt parallel neben §§ 311 ff. AktG anwenden, um so den Wertungswiderspruch zu beseitigen, dass ohne parallele Geltung das herrschende Unternehmen für eine von ihm nicht veranlasste Maßnahme einer schärferen Haftung unterliege als hinsichtlich einer von ihm veranlassten Maßnahme288. Die Befürworter dieser Ansicht widersprechen damit jedoch der Privilegierungsfunktion der §§ 311 ff. AktG und der Erleichterung des faktischen Konzerns durch die §§ 311 ff. AktG289. Eine dritte Ansicht290 sieht eine nachteilige Leistung aufgrund einer Veranlassung hinsichtlich der Privilegierungsfunktion der §§ 311 ff. AktG als rechtmäßig291 an, worauf § 62 Abs. 1 AktG nicht anwendbar sei, und geht von einer umfassenden Verdrängung der §§ 57, 62 AktG durch § 311 AktG aus. Ohne diesen Meinungsstreit zu entscheiden und ohne eine weitere Auffassung hinzuzufügen, ist festzuhalten, dass alle Auffassungen von einer Kapitalerhaltungsfunktion der §§ 311 ff. AktG ausgehen. Die §§ 311 ff. AktG sollen den Abfluss von Vermögen ohne angemessene Gegenleistung oder Geschäftsund Ertragschance verhindern. Die Kapitalerhaltungsfunktion führt jedoch nur zu einem vermögensrechtlichen Schutz, nicht dagegen zu einem umfassenden Bestandsschutz der abhängigen AG.
287
Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 65; vgl. zusammenfassend bei Bechlivanis, Vermögensbindung bei der unabhängigen und der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft, S. 278 f. m.w.N. 288 Siehe bei Bechlivanis, Vermögensbindung bei der unabhängigen und der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft, S. 278. Nach Vertretern dieser Auffassung, z.B. Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 65, Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen, S. 182, bestünde ein Wertungswiderspruch beispielsweise, da ein Nachteil, den die abhängige Gesellschaft auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens erleidet, erst am Ende des Geschäftsjahrs und durch jeden ausgleichsfähigen Vorteil ausgeglichen werden darf. Eine nicht veranlasste Ausschüttung unterläge dagegen der schärferen Haftung der §§ 57, 62 AktG. Diese Ansicht verkennt dabei jedoch die Privilegierung des herrschenden Unternehmens durch die §§ 311 ff. AktG. 289 Siehe Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 5; ders., DB 1973, 46; Bälz, AG 1992, S. 303 f.; Bechlivanis, Vermögensbindung bei der unabhängigen und der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft, S. 279 m.w.N. 290 Kropff, DB 1967, 2153; Michalski, AG 1980, 264; vgl. Bechlivanis, Vermögensbindung bei der unabhängigen und der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft, S. 279. 291 Dagegen geht Bechlivanis von einer schwebenden Rechtswidrigkeit einer nachteiligen Ausschüttung aus und beseitigt so den verbleibenden Wertungswiderspruch, vgl. in Vermögensbindung bei der unabhängigen und der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft, S. 285; ebenfalls schon Strohn, Verfassung der Aktiengesellschaft, S. 180.
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(d) Zusammenfassung Zusammenfassend bezwecken die §§ 311 ff. AktG einen Minderheiten- und Gläubigerschutz lediglich im Sinne eines Vermögensschutzes. Die §§ 311 ff. AktG zielen auf den Schutz außenstehender Aktionäre und Gläubiger der abhängigen AG ab, um diese vermögensmäßig so zu stellen, als seien die – nachteiligen – Maßnahmen und Rechtsgeschäfte ohne Einfluss auf die Vermögens- und Ertragsstruktur der abhängigen AG. Dieser adäquate Schutz der Außenseiter ist Primärzweck der §§ 311 ff. AktG.292 Die veranlassten Maßnahmen und Rechtsgeschäfte sollen bei diesem Vermögensschutz keineswegs hinweggedacht werden. Vielmehr soll durch die Vorschriften des Nachteilsausgleichs gerade die möglicherweise eingetretene Vermögenseinbuße beseitigt werden. Einen Bestandsschutz der abhängigen Gesellschaft verfolgen die §§ 311 ff. AktG dagegen nicht. (2) Schutzprinzipien des UmwG Auch Umwandlungen können Interessen verschiedener Personengruppen gefährden. Das UmwG enthält aus diesem Grund Schutzprinzipien, um mögliche Beeinträchtigungen von Beteiligten zu verhindern. § 1 Abs. 3 UmwG erklärt die Vorschriften des UmwG zu zwingendem Recht. Die Schutzprinzipien stehen damit nicht zur Disposition der Parteien.293 (a) Minderheitenschutz/Anlegerschutz Mit zahlreichen Regelungen verfolgt der Gesetzgeber im UmwG einen angemessenen Minderheiten- und Anlegerschutz. Grundlegend sind das Zustimmungsbedürfnis und die gesetzliche Festlegung von Mehrheitserfordernissen. Die Anteilseigner müssen der Umwandlung – sofern nicht die Ausnahme des § 62 Abs. 1 UmwG greift – mit mindestens Dreiviertelmehrheit in der Hauptversammlung zustimmen (§§ 13, 125, 176, 193 UmwG). Zum Teil sind Sonderbeschlüsse bestimmter Gesellschaftsgruppen (§§ 65 Abs. 2, 125, 233 Abs. 2 UmwG) und auch individuelle Zustimmungen erforderlich (u.a. §§ § 13 Abs. 2, 125, 193 Abs. 2 UmwG).294
292
Vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 19. Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 1 Rn. 40. 294 Vgl. Semler/Stengel, in Semler/Stengel UmwG, Einleitung A Rn. 25. 293
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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Zudem schreibt das UmwG verschiedene Berichts- und Informationspflichten vor. Insbesondere der Bericht des Vorstands soll den Anteilsinhabern ermöglichen, sich im Vorfeld der Versammlung, in welcher die Zustimmung der Anteilsinhaber eingeholt werden soll, mit den wesentlichen Grundlagen der Umwandlung vertraut zu machen. Die Anteilsinhaber sollen bereits vor der Beschlussfassung in der Versammlung über eine zuverlässige Beschlussgrundlage verfügen und sich ein Bild machen können, ob die Umwandlung wirtschaftlich sinnvoll ist und den gesetzlichen Anforderungen genügt.295 Dabei sollen sie in die Lage versetzt werden, eine Plausibilitätskontrolle vorzunehmen, nicht aber den Vorgang in allen Einzelheiten nachzuvollziehen.296 Da für eine derartige Kontrolle in vielen Fällen und insbesondere bei Publikums-Aktiengesellschaften die erforderliche Kenntnis fehlen wird, unterliegt der Anteilswert dem Grundsatz nach zusätzlich einer Sachverständigenprüfung (§§ 9 ff. UmwG), um Benachteiligungen durch unzutreffende Umtauschverhältnisse im Vorhinein zu verhindern.297 Der Präventivschutz der §§ 9 ff. UmwG wird ergänzt durch den Aposteriori-Schutz des Spruchverfahrens zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses (§ 15 UmwG i.V.m. SpruchG), allerdings nur für Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, oder ggf. der Klage gegen den Umwandlungsoder Kapitalerhöhungsbeschluss, worauf die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers allein angewiesen sind.298 Inhaber von Sonderrechten werden besonders geschützt, indem ihnen gleichwertige Rechte am übernehmenden Rechtsträger gewährt werden müssen (§§ 23, 125, 204 UmwG). (b) Gläubigerschutz In der Begründung des Regierungsentwurfs ist ebenfalls der Gläubigerschutz als Leitziel festgehalten.299 Der Gläubigerschutz des UmwG beruht auf der Überlegung, dass eine Umwandlung für die Gläubiger aller beteiligten Rechtsträger neue Risiken mit sich bringen kann. Die Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers verlieren bei dessen Beendigung ihren Schuldner. Stattdessen erhalten sie zwar einen neuen Schuldner, doch haben sie auf dessen Auswahl kei-
295 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 8 Rn. 5 f.; Gehling, in Semler/Stengel UmwG, § 8 Rn. 2; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 8 Rn. 1. 296 OLG Hamm ZIP 1999, 798; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 8 Rn. 5. 297 Siehe Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 9 Rn. 4; Müller, in Kallmeyer UmwG, § 9 Rn. 2 ff. 298 Vgl. Müller, in Kallmeyer UmwG, § 9 Rn. 3; Semler/Stengel, in Semler/Stengel UmwG, Einleitung A Rn. 25. 299 RegBegr. Ganske S. 13.
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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nen Einfluss.300 Der Gläubigerschutz wird daher über verschiedene Instrumente erreicht: Wesentlich ist das Recht der Gläubiger, eine Sicherheitsleistung zu verlangen (§§ 22, 125, 204 UmwG). Bei der Spaltung wird dieses Recht ergänzt durch die gesamtschuldnerische Haftung der beteiligten Rechtsträger (§ 133 UmwG). Der Gläubigerschutz wird abgesichert durch eine Ersatzpflicht bei umwandlungsbedingter Schadenverursachung durch einen Verwaltungsträger (§§ 25, 125, 205 UmwG). Dabei ist zu unterscheiden zwischen Schadensersatzansprüchen gegenüber Verwaltungsorganen des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers. Die Verpflichtung der Verwaltungsorgane des übertragenden Rechträgers zum Schadensersatz nach § 25 UmwG besteht jedoch nur dann, wenn sich die Pflichtverletzung der Verwaltungsträger auf die Prüfung der Vermögenslage oder auf andere Pflichten bei Abschluss des Verschmelzungs- bzw. Spaltungsvertrages bezieht.301 Für andere Pflichtverletzungen bleibt es bei den allgemeinen Regeln. Für die sich infolge der Umwandlung ergebenden Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsträger des übernehmenden Rechtsträgers ist lediglich bestimmt, dass sie in fünf Jahren ab Bekanntmachung der Umwandlung verjähren (§ 27 UmwG). Der zuvor schon erwähnte § 27 UmwG enthält allerdings keine eigene Anspruchsnorm, sondern knüpft an allgemeine Ansprüche an.302 Über diesen individuellen Gläubigerschutz hinaus ist stets auch ein institutioneller Gläubigerschutz303 durch Berichte und Prüfungsrechte in formeller sowie die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in materieller Hinsicht vorhanden.304 (c) Schutz der Arbeitnehmerinteressen Als weiteres – wenn auch nicht ausdrückliches – Gesetzesziel stand der Arbeitnehmerschutz im Mittelpunkt des gesetzgeberischen Interesses.305 Denn 300
Grunewald, in Lutter UmwG, § 22 Rn. 3 f.; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 22 Rn. 1. 301 Sagasser, in Sagasser/Bula/Brünger, C Rn. 32 ff. 302 Vgl. Sagasser, in Sagasser/Bula/Brünger, C Rn. 34. Ist der übernehmende Rechtsträger eine AG oder KGaA, so kommen Ersatzansprüche gegen den Vorstand oder Aufsichtrat vor allem nach den §§ 93, 116, 117 Abs. 2, 283, 310 sowie den hier in Frage stehenden 317, 318 AktG in Betracht, vgl. Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 27 Rn. 3. 303 Vgl. Petersen, Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, S. 19 ff., 147 ff.; ders., in Der Konzern 2004, 185. 304 Sagasser, in Sagasser/Bula/Brünger, C Rn. 34. 305 Semler/Stengel, in Semler/Stengel UmwG, Einleitung A Rn. 27.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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auch die Interessen der Arbeitnehmer werden durch die Umstrukturierung eines Unternehmens in vielfacher Weise berührt, insbesondere beim beabsichtigten Übergang von Arbeitsverhältnissen beim Rechtsträgerwechsel bzw. Kündigungsmöglichkeiten, der Haftung des Arbeitgebers im Hinblick auf Arbeitnehmerforderungen einschließlich der Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung.306 Zum Schutz der Arbeitnehmerinteressen muss der Umwandlungsvertrag Angaben über die Folgen der Umwandlung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretung enthalten. Der Umwandlungsvertrag oder sein Entwurf sind dem Betriebsrat zuzuleiten (§§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 194 Abs. 2 UmwG), was bei der Anmeldung der Umwandlung zum Handelsregister nachzuweisen ist (§ 17 UmwG). Eine wesentliche Regelung im Interesse der Arbeitnehmer ist § 324 UmwG, der in den Fällen der Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung § 613a Abs. 1 und 4 bis 6 BGB für anwendbar erklärt.307 Der Arbeitnehmer behält seine kündigungsrechtliche Stellung für die Dauer von zwei Jahren (§ 323 UmwG). Weiterhin ist die Mitbestimmungsbeibehaltung bei Abspaltungen und Ausgliederungen (§ 325 UmwG) zu beachten.308 (3) Vergleich der Schutzprinzipien der §§ 311 ff. AktG und des UmwG Vergleicht man Sinn und Zweck der §§ 311 ff. AktG mit den Zielen der Vorschriften des UmwG, wird deutlich, dass beide Regelungssysteme hauptsächlich den Schutz der Aktionäre und Gläubiger im Sinne eines Vermögensschutzes im Augenmerk haben. Dennoch lassen sich bei der Ausgestaltung dieser Schutzsysteme Unterschiede ausmachen. Das UmwG beschränkt sich auf eine Verantwortung der beteiligten Rechtsträger. Findet dagegen eine Umwandlung im faktischen Konzern ohne direkte Beteiligung des herrschenden Unternehmens statt, so vermögen die Vorschriften des UmwG nicht denselben Schutz zu leisten wie ihn die §§ 311 ff. AktG bezwecken: Das UmwG erreicht keine Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens. Auch hinsichtlich der Art und Weise, wie dieser Vermögensschutz erreicht werden soll, bestehen Unterschiede: Während das UmwG dem Gläubiger das Recht auf Sicherheitsleitung zur Verfügung stellt, also die vorhandene Haf306
Siehe hierzu Sagasser, in Sagasser/Bula/Brünger, C Rn. 35. Eine Anwendbarkeit des § 613 BGB im Fall des Formwechsels ist aufgrund der identitätswahrenden Umwandlung des Unternehmens als Arbeitgeber nicht erforderlich. 308 Vgl. Semler/Stengel, in Semler/Stengel UmwG, Einleitung A Rn. 28. 307
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tungsmasse schützt, geben die §§ 311 ff. AktG lediglich die Möglichkeit, bei Veranlassung zu einem Rechtsgeschäft einen möglichen Nachteil im Nachhinein auszugleichen. Der Minderheiten- und Anlegerschutz der §§ 311 ff. AktG ist trotz seiner Präventivwirkung des Nachteilsausgleichs ein reaktionärer und dynamischer Vermögensschutz. Das UmwG versucht jedoch den Vermögenswert der Anteilsinhaber bezogen auf einen Stichtag zu bewahren, indem es einen angemessenen Umtausch vorsieht. Es lassen sich jedoch auch einige Gemeinsamkeiten finden, wie die Prüfungs- und Berichtspflichten zeigen. Somit stimmen die unterschiedlichen Regelungen zwar in vielen Zielen überein. Allerdings unterscheidet sich die Reichweite und Schutzrichtung der Normen entscheidend. Nur bei Eingreifen der §§ 311 ff. AktG besteht eine Verpflichtung eines nicht an der Umwandlung beteiligten herrschenden Unternehmens. In diesen Fällen wäre bei der Annahme einer Verdrängung der §§ 311 ff. AktG durch das UmwG dem Minderheiten- und Gläubigerschutz nicht Genüge getan. Daher spricht der teleologische Vergleich der Regelungen für ein Nebeneinander von Umwandlungsrecht und den §§ 311 ff. AktG.
ee) Historische Entwicklung des § 27 UmwG Unterstützt wird diese Folgerung durch die Entwicklung der Vorschriften des UmwG. Namentlich § 27 UmwG geht wie erwähnt von Ansprüchen auf Schadensersatz aus, die sich auf Grund der Verschmelzung gegen ein Mitglied des Vertretungsorgan oder des Aufsichtsorgans des übernehmenden Rechtsträgers ergeben.309 Zu derartigen Ansprüchen zählen nach nahezu einhelliger Ansicht u.a. die §§ 317, 318 AktG.310 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Auffassung von Marsch-Barner.311 Dieser zählt § 317 AktG als Anspruch gegen die Gesellschaft an sich nicht zu den unter § 27 UmwG fallenden Ansprüche. Lediglich § 318 AktG sei von § 27 UmwG erfasst.312 Allerdings richtet sich auch § 317 Abs. 3 AktG gegen die veranlassenden Vertretungsorgane des herrschenden Unternehmens als Gesamtschuldner neben der herrschenden Gesellschaft. Aus diesem Grund unterfällt jedenfalls § 317 Abs. 3 AktG dem § 27 UmwG. Zwar sind in § 27 UmwG im Gegensatz zur Vorgängernorm des § 351 AktG a.F. diese Schadensersatzansprüche nicht mehr erwähnt. § 351 AktG a.F. ging dagegen ausdrücklich von möglichen Schadensersatzansprüchen nach §§ 317, 309
Kübler, in Semler/Stengel UmwG, § 27 Rn. 3. Grunewald, in Lutter UmwG, § 27 Rn. 2. 311 In Kallmeyer UmwG, § 27 Rn. 5. 312 Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 27 Rn. 3. 310
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318 AktG aus und bestimmte für weitere verschiedene Schadensersatzansprüche einen gleichlaufenden Verjährungsbeginn mit dem Tag der Bekanntmachung der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers. Dem Wortlaut nach beschränkte sich dieser ausdrückliche Verweis zwar lediglich auf derartige Schadensansprüche aufgrund der Verschmelzung gegen Verwaltungsträger der übernehmenden Gesellschaft. Hintergrund dessen ist jedoch der bezweckte Gleichlauf des Verjährungsbeginns der allgemeinen Ansprüche mit den Besonderheiten der Verschmelzung313. Die Beschränkung des § 351 AktG a.F. auf Ansprüche gegen die übernehmende Gesellschaft kann dagegen nicht als Reduktion des Anwendungsbereichs der §§ 311 ff. AktG auf diese Fälle angesehen werden. Im Gegenteil lässt sich hier ein Rückschluss auf die vom Gesetzgeber vorgestellte generelle Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG ziehen314. Die Neufassung in § 27 UmwG führt die möglichen Anspruchsgrundlagen nicht mehr explizit auf, sondern spricht allgemein von Ansprüchen, die sich aufgrund der Verschmelzung315 gegen ein Mitglied des Vertretungsorgans oder, wenn ein Aufsichtsorgan vorhanden ist, des Aufsichtsorgans des übernehmenden Rechtsträgers ergeben. Man könnte nun zwar die §§ 311 ff. AktG nicht mehr anwenden, da im Wege der umfassenden Neuordnung des Umwandlungsrecht und dem Einfügen von Berichts- und Prüfungspflichten316 ein Bedürfnis der Anwendung der §§ 317, 318 AktG entfallen und durch das UmwG ein hinreichender Außenseiterschutz gewährleistet sei. Wie dargelegt, zielen das UmwG und die §§ 311 ff. AktG trotz großer Übereinstimmung hinsichtlich ihrer Ziele in verschiedene Richtungen und schützen in unterschiedlichem Umfang. Daher vermag die Überlegung an Hand des geänderten Wortlauts des § 27 UmwG nicht zu überzeugen. Vielmehr ging auch der Gesetzgeber zu § 27 UmwG nicht von einer Änderung gegenüber § 351 AktG a.F. aus.317 § 27 UmwG fasst zudem die Vorschriften der § 30 KapErhG,
313
Vgl. BT-Drucks. IV/171, S. 251. In BT-Drucks. IV/171, S. 251 rechtfertigt der Gesetzgeber die Nichtübernahme des § 245 Abs. 1 AktG 1937 damit, „dass die Ersatzpflicht der Verwaltungsträger der übernehmenden Gesellschaft sich nach den allgemeinen Vorschriften richtet, ist selbstverständlich und braucht deshalb nicht ausdrücklich bestimmt zu werden“. Der Entwurf des AktG 1965 dehnte § 351 AktG 1965 aus, „da sich Ersatzansprüche gegen die Verwaltungsträger der übernehmenden Gesellschaft auch aus §§ 113, 298, 299, 306 und 307 des Entwurfs ergeben können“, also den späteren §§ 117, 309, 310, 317, 318 AktG 1965. 315 § 27 UmwG gilt über § 125 UmwG auch für die Fälle der Spaltung. 316 Vgl. z.B. § 8 UmwG (Verschmelzungsbericht) und §§ 9 ff. UmwG (Verschmelzungsprüfung). 317 BT-Drucks. 75/94 S. 93, 94; vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 27 Rn. 1, 2. 314
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
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§ 93o GenG und § 44a Abs. 3 VAG zusammen318 und sieht daher von einer – auch in den Vorgängernormen zum Teil nicht abschließenden – Aufzählung ab. Geht somit das Gesetz in § 27 UmwG und dessen Entwicklungsgeschichte von der Möglichkeit von Ansprüchen aus §§ 317, 318 AktG aus, so bedeutet dies konsequenterweise auch eine Geltung der §§ 311 – 316 AktG in diesen Fällen.319
c) Ergebnis Mit der h.M. ist die Anwendbarkeit der §§ 311 AktG auf Verschmelzungen und Spaltungen zu bejahen. Umwandlungen sind trotz ihres organisatorischen Charakters nicht aus dem Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG auszuschließen. Neben der historischen Entwicklung der relevanten Vorschriften sprechen insbesondere die systematische Stellung sowie Sinn und Zweck der Vorschriften für die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf Verschmelzungen und Spaltungen. Zwar ist nicht zu unterschätzen, dass das UmwG von 1995 nunmehr Schutzmaßnahmen im Detail und wesentlich umfassender regelt, als dies noch unter Geltung des oft für die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG herangezogenen § 351 AktG a.F. der Fall gewesen ist. Dennoch sprechen die überzeugenden Argumente für ein Nebeneinander von Umwandlungsrecht und den Regeln des faktischen Konzerns im Aktienrecht, also eine Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf Verschmelzungen und Spaltungen, zumal die Schutzvorschriften des UmwG hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Schutzrichtung nicht mit den §§ 311 ff. AktG überein stimmen. Die §§ 311 ff. AktG regeln lediglich die Verantwortung der herrschenden Gesellschaft gegenüber der abhängigen AG. Das UmwG dagegen sieht nur im Verhältnis zwischen den an der Umwandlung beteiligten Rechtsträgern Vorschriften vor. Bei Nichtbeteiligung des herrschenden Unternehmens greifen diese nicht, so dass ohne die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG der Minderheitenschutz stark beeinträchtigt wäre. Dies ist mit dem Anliegen der §§ 311 ff. AktG nicht vereinbar. Inwiefern tatsächlich dann auch eine Verpflichtung zum Nachteilsausgleich in Fällen der Verschmelzung oder Spaltung bestehen kann, ob und inwieweit also ein Nachteil infolge der Umwandlung vorliegen kann, ist eine andere Frage.320 318
BT-Drucks. 75/94 S. 93; Grunewald, in Lutter UmwG, § 27 Rn. 1. Vgl. Lutter, in Lutter1 UmwG, § 27 Rn. 9. 320 Siehe Grunewald, in Lutter UmwG, § 27 Rn. 8, der davon ausgeht, dass § 311 Abs. 2 AktG wohl kaum je zur Anwendung kommen wird, da eine Verschmelzung für die abhängige AG zumeist keine besonderen Nachteile mit sich bringen wird. Im Detail unten zur Verschmelzung 3. Teil B.I. und zur Spaltung 3. Teil B II. 319
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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V. Nachteil Nach § 311 Abs. 1 AktG ist es dem herrschenden Unternehmen untersagt, die abhängige AG ohne entsprechenden Ausgleich zu einer nachteiligen Maßnahme zu veranlassen. Hiermit spricht das Gesetz den Schutz der Vermögensinteressen der abhängigen AG aus. Zwar verbietet § 311 AktG nicht die Überlagerung des Eigenwillens der Tochter-AG durch mögliche andere Interessen des herrschenden Unternehmens. Die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft und die damit verbundenen Interessen der Gläubiger und Minderheitsaktionäre müssen allerdings unangetastet bleiben (oder jedenfalls ausgeglichen werden).
1. Grundsatz Der Begriff des Nachteils ist im Gesetz nicht näher definiert. Eine Bestimmung des Nachteilsbegriffs hat daher vom Regelungszweck der §§ 311 ff. AktG auszugehen. Dieser besteht darin, die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft und die daran anknüpfenden Interessen ihrer Gläubiger und der außenstehenden Aktionäre gegen eine Beeinträchtigung durch das herrschende Unternehmen zu schützen.
a) Gängige Definitionen zum Nachteilsbegriff Die am häufigsten anzutreffende Definition in der Literatur besagt im Grundsatz, dass nachteilig i.S.d. § 311 AktG all diejenigen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen sind, die zu einer Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft führen321. Einige Autoren322 betonen besonders, dass nur wirtschaftliche Auswirkungen i.R.d. 311 ff. AktG berücksichtigungsfähig seien, da nur dann Außenseiterinteressen tangiert sein könnten und nur vor diesem Hintergrund die Regelung zum Nachteilsausgleich in § 311 AktG und der Schadenersatzanspruch des § 317 AktG verständlich seien. Teilweise lösen sich die Definitionen für einen Nachteil i.S.v. § 311 AktG in ihrem Ansatzpunkt von der rein wirtschaftlichen Betrachtung. Danach sind – 321 Vgl. BGHZ 141, 79, 84; A/D/S, § 311 Rn. 37 f.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 1 a); Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 39; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 25; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 34; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 138; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 68. 322 Kropff, in G/H/E/K § 311 Rn. 107; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 34; Raiser Recht § 53 Rn. 24; Linsmann, Ausgleichsanspruch nach § 311 II AktG, S. 25, 45.
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allgemein gesprochen – nachteilig solche Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die gegen die Interessen der abhängigen Gesellschaft verstoßen.323 Zwar betonen die Vertreter dieser Ansicht ebenfalls, dass eine Haftung nach den §§ 311 ff. AktG jeweils nur für Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Wirtschaftslage der abhängigen Gesellschaft in Betracht komme. Dennoch kommt es nach dieser Definition erst in zweiter Linie auf eine Beeinträchtigung der Vermögensund Ertragslage der abhängigen AG an, nämlich nur insoweit, als die Erhaltung oder Verbesserung der Vermögens- und Ertragslage tatsächlich im Interesse der Gesellschaft liegt.
b) Beeinträchtigung der Vermögens- und Ertragslage – Vergleich mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft Die Möglichkeit der Feststellung eines Nachteils erfordert einen wertenden Vergleich der in Folge des veranlassten Verhaltens eingetretenen Vermögensoder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft mit einer Bezugsgröße. Ein Hinweis auf die maßgebliche Bezugsgröße könnte den §§ 312 Abs. 3 S. 1, 313 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG zu entnehmen sein, in denen es bei Rechtsgeschäften für den Bericht des Vorstands und die Prüfung durch Abschlussprüfer auf die Angemessenheit der Gegenleistung bzw. die Unangemessenheit der Höhe der Leistung der Gesellschaft ankommt. Demnach könnte für Rechtsgeschäfte die hypothetische Vermögens- und Ertragslage bei angemessener (Gegen-)Leistung als Bezugsgröße anzusehen sein. Die Angemessenheit der (Gegen-)Leistung bringt zum Ausdruck, dass das „rechte Maß“ beachtet werden muss. Diese Aussage ist jedoch nur weiterführend, wenn das rechte Maß positiv bezeichnet wird. Daran fehlt es aber in den §§ 312 Abs. 2 S. 1, 313 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG. Sie sind für das vorliegende Problem unergiebig. Die Bezugsgröße bzw. der Vergleichsmaßstab muss vielmehr aus dem Sinn und Zweck der §§ 311 ff. AktG hergeleitet werden.324 Es scheint nahe zu liegen, als Vergleichsmaßstab die Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft heranzuziehen, wie sie sich ohne Veranlassung durch das herrschende Unternehmen, d.h. bei Zugrundelegen des hypothetischen, nicht durch das herrschende Unternehmen beeinflussten Verhaltens des Vorstands der abhängigen Gesellschaft darstellen würde. Dieser Ansatz 323 Baumbach/Hueck § 311 Rn. 8; Eschenbruch Rn. 3314; Raiser Recht § 53 Rn. 1.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 118; Zöllner ZHR 162 (1998), 235, 242 f.; ähnlich Strohn, Verfassung der AG, S. 18 f.; vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 77 m.w.N. 324 Vgl. Hogh, Die Nachteilsermittlung im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG, S. 41.
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würde dazu führen, dass das herrschende Unternehmen das allgemeine und unvermeidliche unternehmerische Risiko für jedes auf ihrer Veranlassung beruhende Verhalten der abhängigen Gesellschaft tragen müsste. Das herrschende Unternehmen träfe eine volle Erfolgshaftung für jedes von ihm veranlasste Verhalten, lediglich abgemildert durch die Regelung in § 317 Abs. 2 AktG.325 Der Gesetzgeber hat sich in den §§ 311 ff. AktG allerdings für eine andere Risikoverteilung zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen entschieden, wie u.a. die terminologische Differenzierung zwischen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG und Schaden gemäß § 317 AktG zeigt326. Außerdem spricht die sich aus dem Gesetzeszusammenhang der §§ 311 ff. AktG ergebende ratio legis gegen diesen Ansatz. Denn das Gesetz verfolgt das Ziel, die abhängige Gesellschaft im Ergebnis so zu stellen, als wäre sie unabhängig. In einer unabhängigen Aktiengesellschaft müssen Aktionäre und Gläubiger jedoch ebenfalls am unternehmerischen Risiko teilnehmen. Dieses Risiko besteht gerade auch darin, dass selbst bei sorgfältigster Berücksichtigung aller im Zeitpunkt der Vornahme oder Unterlassens des Geschäftsakts zur Verfügung stehenden Informationen eine spätere negative Entwicklung nicht immer verhindert werden kann.327 Deshalb scheint es nicht gerechtfertigt, den Gläubigern und Aktionären dieses Risiko, welches sie auch in einer unabhängigen Gesellschaft tragen müssten, abzunehmen.328 Eine Beeinträchtigung der Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft kann daher nur dann zu einem nachteiligen Verhalten i.S.v. § 311 AktG führen, wenn dieses ursächlich auf der Abhängigkeit beruht.329 Ein gesetzlicher Hinweis auf die dargestellte ratio legis der §§ 311 ff. AktG und auf den aus dem Regelungszweck zu folgernden maßgeblichen Vergleichsmaßstab findet sich in § 317 Abs. 2 AktG. Danach tritt die Ersatzpflicht des herrschenden Unternehmens nicht ein, wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte. Der Gesetzgeber sah offenbar einen Schutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger in diesen Fällen als nicht für erforderlich an, da sie bei Unabhängigkeit der Gesellschaft nicht anders gestanden hätten.
325
Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen, S. 169. Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen, S. 169. 327 Siehe Uecker, Der Vorteils-Nachteils-Ausgleich, S. 64. 328 Vgl. Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen, S. 170; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 34; ähnlich A/D/S, § 311 Rn. 38 und Habersack, in Emmerich/Habersack Konzernrecht, § 311 Rn. 40. 329 Siehe A/D/S, § 311 Rn. 38; Emmerich/Habersack, Konzernecht, § 25 II 1 a); Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 40; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 27; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 6, 34, 36 f. 326
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c) Der Nachteilsbegriff des § 311 AktG und sein Verhältnis zu § 317 Abs. 2 AktG Aus diesem Grund zieht die heute überwiegende Meinung330 den Pflichtwidrigkeitsmaßstab des § 317 Abs. 2 AktG in den Nachteilsbegriff hinein. Danach sind Verschlechterungen der Vermögens- und Ertragslage nur dann für die abhängige Gesellschaft nachteilig, wenn nicht ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft dieselbe Maßnahme getroffen hätte. Nach einer älteren Meinung331 ist der Maßstab des § 317 Abs. 2 AktG demgegenüber für die Nachteilsbestimmung irrelevant. Bereits jede Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage soll zu einem Nachteil für die abhängige AG führen. Die Frage, ob zugleich ein Verstoß gegen die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsführers in der als unabhängig gedachten Gesellschaft gemäß § 317 Abs. 2 AktG vorliegt, hat danach zwar Einfluss auf die Schadenersatzhaftung, bleibt aber bei der Definition des Nachteils außer Betracht.
2. Stellungnahme Die heute ganz überwiegende Auffassung geht zu Recht davon aus, dass ein Nachteil i.S.v. § 311 AktG einen Sorgfaltsverstoß voraussetzt, was zu einer gemeinsamen Betrachtung von § 311 AktG und § 317 Abs. 2 AktG führt. Danach kann nicht jede Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Pflichtverletzung als „Nachteil“ qualifiziert werden. Zwar scheint das Gesetz in § 317 Abs. 2 AktG davon auszugehen, dass das Vorliegen eines Nachteils nicht davon abhängt, ob auch das Handeln des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der unabhängigen Gesellschaft dieselbe Lage herbeigeführt hätte. Indessen ist die Bestimmung auch i.S. einer reinen Beweislastregelung interpretierbar und schließt daher nicht aus, den Verstoß gegen die Pflichten eines verantwortlichen Leiters einer unabhängigen AG materiellrechtlich dem Begriff des Nachteils zuzuordnen.332
330 Siehe Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 40 und § 317 Rn. 7; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 140 und § 317 Rn. 5 ff.; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 36 m.w.N. 331 Vgl. Godin/Wilhelmi § 311 AktG Rn. 3; J.H.Geßler, AktG, § 311 Rn. 12; Haesen, S. 111; Kellmann, BB 1969, 1509, 1514 f.; Linsmann, Ausgleichsanspruch nach § 311 II AktG, S. 45 f.; Würdinger, Aktienrecht, S. 344; neuerdings auch wieder Bollmann, Schadensersatzanspruch gemäß § 317 AktG bei Schädigung der abhängigen EinePerson-AG, S. 67 f. 332 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 36; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 140; s.a. BGHZ 141, 79, 84 f.
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Ein zweiter Gesichtspunkt für die Identifizierung von „Schaden“ und „Nachteil“ und damit für die Trennung des Nachteilsbegriffs von einem Sorgfaltsverstoß wird darin gesehen, dass die Ausgleichsmöglichkeit nach § 311 AktG dem herrschenden Unternehmen im Verhältnis zur Schadensersatzverpflichtung nach § 317 AktG eine facultas alternativa333 zur Verfügung stelle, die nichts an dem Umfang der Ersatzleistung ändere, sondern nur die Notwendigkeit der Naturalrestitution beseitige334. Aus dieser Sicht kann Schaden nicht etwas anderes bedeuten. Richtig daran ist lediglich, dass es keinen Sinn macht, einen Nachteil in Fällen anzunehmen, in denen Schadensersatz nach § 317 AktG nicht in Betracht kommt und es deshalb an einer Sanktion der Nachteilszufügung fehlen würde. Aber gerade das demonstriert die Richtigkeit der h.M. Denn § 317 AktG sieht Schadensersatz – wie sich aus § 317 Abs. 2 AktG eindeutig ergibt – nur vor, „wenn auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen AG das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme unterlassen hätte“.335 Eben wegen des Zusammenhangs zwischen Schadensersatzverpflichtung und Beschreibung des Nachteilsbegriffs ist es geboten, diesen Begriff anhand der Sorgfaltsmaßstäbe zu konkretisieren, die für den Leiter einer unabhängigen AG gelten. Nur dieses Ergebnis entspricht im Übrigen dem Zweck der §§ 311 ff. AktG.336 Wenn dieser Zweck darin besteht, die abhängige Gesellschaft so zu stellen, wie wenn sie unabhängig wäre337, so kommt es darauf an, von dem herrschenden Unternehmen veranlasste Handlungen des Vorstands der abhängigen Gesellschaft zu erfassen, die ein sorgfältiger Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft nicht vornehmen dürfte. Wird dieser Maßstab beachtet und entsteht gleichwohl ein Schaden, so handelt es sich um eine Realisierung unvermeidbaren unternehmerischen Risikos, das nicht in der Abhängigkeit begründet liegt. Könnten Veranlassungen zu nach § 93 AktG einwandfreiem Vorstandsverhalten nachteilig sein, wäre zudem unbegreifbar, warum sie nur gegen Ausgleich zulässig sind. Aus der Einbeziehung des § 317 Abs. 2 AktG in den Nachteilsbegriff des § 311 Abs. 1 AktG und der Maßgeblichkeit einer ex-ante-Prognose für die Nachteilsfeststellung folgt, dass nachträgliche, bei pflichtgemäßer Sorgfalt im 333
Siehe Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 37. Kellmann, ZGR 1974, 220, 221; vgl. auch Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 6, 9. 335 Unzutreffend daher die Bemerkung von Kellmann, BB 1969, 1509, 1515, § 317 Abs. 2 AktG sei nicht an den Kriterien von Vorhersehbarkeit und Sorgfaltsverstoß orientiert. 336 Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 38. 337 Vgl. oben V.E.1., zudem Koppensteiner, KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 6. 334
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Rahmen der ex-ante-Prognose nicht voraussehbare negative oder positive Entwicklungen außer Betracht bleiben.338 Nach dieser gesetzlichen Risikoverteilung ist es hinzunehmen, dass sich das herrschende Unternehmen in diesem Rahmen zum Risiko der abhängigen Gesellschaft und insbesondere der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger unternehmerisch entfalten kann.339 Auch für die Höhe des Nachteils sind die Umstände maßgeblich, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen AG im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäftsakts kennen und im Rahmen der Bewertung des Rechtsgeschäfts oder der Maßnahme berücksichtigen musste.340 Würde hier zur Beurteilung der Nachteiligkeit eines Verhaltens auf die spätere Entwicklung abgestellt, verstieße das gegen den dargelegten Zweck der §§ 311 ff. AktG, die Gesellschaft so zu stellen als wäre sie unabhängig.341
a) Annahme der konkreten abhängigen Gesellschaft als unabhängig Der Formulierung des § 317 Abs. 2 AktG lässt sich freilich nicht entnehmen, ob unter einer „unabhängigen Gesellschaft“ eine unabhängig gebliebene fremde, aber über denselben statuarischen Zweck und Unternehmensgegenstand verfügende und sich in derselben wirtschaftlichen Lage befindliche und von daher vergleichbare Gesellschaft zu verstehen ist342 oder ob auf die konkrete abhängige Gesellschaft bei fingierter Unabhängigkeit abzustellen ist.343 Im Er338
Siehe A/D/S, § 311 Rn. 42; Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen, S. 170 f.; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 44; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 1 c); Hüffer, AktG, § 311 Rn. 28; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 74; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 69. 339 Vgl. dazu Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 119; Lieb, FS Lutter, S. 1151, 1162; Strohn, Verfassung der AG, S. 71 f.; Uecker, Der Vorteils-Nachteils-Ausgleich, S. 64. 340 H.M. Vgl. nur Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 39; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 69; A/D/S, § 311 Rn. 43; Kropff in MünchKommAktG, § 311 Rn. 142; Strohn, Verfassung der AG, S. 84 f.; a.A. Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 11, § 317 Rn. 4 in Widerspruch zu § 311 Rn. 6; Kellmann, ZGR 1974, 220, 221 f. 341 Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 142; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 39. 342 So Bommert, Verdeckte Vermögensverlagerungen, S. 169; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 41; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 1. a); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rn. 3326; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 150 ff.; Winkhaus, Der Bericht des Vorstands der Aktiengesellschaft, S. 83; wohl auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 118 f.; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 68; Neuhaus, DB 1970, 1913, 1918 sowie Zeidler, Zentrales Cashmanagement, S. 30. 343 So A/D/S, § 311 Rn. 40; Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 6; Paehler, Zulässigkeit des faktischen Konzerns, S. 42; Richardt, Der aktienrechtliche
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gebnis ist es unerheblich, welcher der Ansichten gefolgt wird, soweit im Falle des Abstellens auf eine unabhängig gebliebene fremde Gesellschaft die an die Vergleichbarkeit zu stellenden Anforderungen vorliegen. Die letztere Auffassung vermag allerdings in dem Punkt zu überzeugen, dass sich so das zusätzliche Risiko der Abhängigkeit feststellen lässt, welches das System der §§ 311 ff. AktG zu erfassen beabsichtigt. Bei der Fiktion der Unabhängigkeit der AG ist nicht darauf abzustellen, wie sich die abhängige Gesellschaft seit dem Zeitpunkt der Begründung des Abhängigkeitsverhältnisses bei unterstellter Unabhängigkeit hypothetisch entwickelt hätte.344 Dies ist schon deshalb abzulehnen, weil sich dem Vorstand der abhängigen AG aufgrund unternehmerischer Planung und Entscheidung im Falle seiner Unabhängigkeit verschiedene, pflichtgemäße Handlungsalternativen geboten hätten, zwischen denen eine Auswahl von dem nicht berechenbaren individuellen unternehmerischen Ermessen des Vorstands abgehangen hätte. Eine Simulation der Entwicklung der als unabhängig fingierten Gesellschaft vom Zeitpunkt der Herstellung der Abhängigkeitssituation über Jahre wäre praktisch nicht möglich. Für die Fiktion der Unabhängigkeit ist daher und wegen des in § 311 AktG verankerten Prinzips des Einzelausgleichs die konkrete tatsächliche Situation der abhängigen Gesellschaft zum Zeitpunkt der Vornahme des zu beurteilenden Verhaltens maßgeblich.345
b) Annahme der Unabhängigkeit und wirtschaftliche Abhängigkeit Demnach ist ein Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG dann gegeben, wenn die infolge des veranlassten Verhaltens eingetretene Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens negativ von der hypothetischen Vermögens- und Ertragslage abweicht, die sich bei gedachter Unabhängigkeit der abhängigen Gesellschaft unter Beachtung der Sorgfaltspflichten nach § 93 AktG durch den Vorstand ergeben würde.
Abhängigkeitsbericht, S. 39 f.; Strohn, Verfassung der AG, S. 73 ff.; wohl auch BGH WM 1999, 850, 851; sowie Bachelin, in Rechtsfragen der Handelsgesellschaften, S. 47 f.; Tröger, Treupflicht, S. 182. 344 Strohn, Verfassung der AG, S. 73. Schubert, BFuP 1966, S. 223, 226 hält jedoch das Abstellen auf diese hypothetische Entwicklung für erforderlich und lehnt daher diese Fiktion ab. 345 Zur Problematik, ob bei der Durchführung der Fiktion der Unabhängigkeit zur Nachteilsfeststellung das jeweilige aktuelle Konzerninteresse zugrunde zu legen ist, siehe Lutter, in FS Peltzer, S. 241, 246 ff.
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Bei der Fiktion der Unabhängigkeit sind so alle Umstände herauszunehmen, die zur Begründung der Abhängigkeit i.S.d. § 17 AktG geführt haben bzw. durch sie vermittelt werden. Eine bloße wirtschaftliche Abhängigkeit ist nicht zu eliminieren, sondern hat als Charakteristikum für die konkrete AG in die Fiktion einzufließen.346 Denn der Handlungsspielraum eines nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich unabhängigen Unternehmens ist erheblich größer als der eines Unternehmens, das, auch wenn es nicht abhängig i.S. von § 17 AktG ist, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit befindet. Derartige wirtschaftliche Abhängigkeiten dürfen nicht hinweg gedacht werden, wenn das Vorliegen eines Sorgfaltsverstoßes bzw. Nachteils geprüft wird.347 Je intensiver sich also die wirtschaftlichen Verflechtungen der Unternehmen darstellen und je größer die wirtschaftliche Abhängigkeit der AG ist, desto größerer Einwirkungsspielräume kann sich das herrschende Unternehmen bedienen, ohne dass dies zu einem Nachteil i.S.v. § 311 AktG führt; denn in gleicher Weise verringert sich der Handlungsspielraum der Geschäftsleitung der als unabhängig fingierten abhängigen AG.348
c) Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters Im Rahmen der Nachteilsermittlung kommt es darauf an, wie sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der als unabhängig fingierten Gesellschaft verhalten hätte. Das Anforderungsprofil eines solchen Geschäftsleiters entspricht § 93 AktG. Dessen Absatz 1, nach dem Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter anzuwenden haben, kommt eine Doppelrolle zu: Zum einen bezeichnet § 93 Abs. 1 AktG in Form einer Generalklausel objektive Verhaltenspflichten. Durch Konkretisierung können sich aus der Generalklausel Ein-
346 A/D/S, § 311 Rn. 40; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 46 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 277; Strohn, Verfassung der AG, S. 74 f.; stellt man mit der a.A. auf eine fremde, unabhängige Gesellschaft ab, so sind die Umstände einer wirtschaftlichen Abhängigkeit hinzuzudenken, da sich das Vergleichs-unternehmen in derselben wirtschaftlichen und rechtlichen Lage befinden muss, vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack Konzernrecht, § 311 Rn. 41; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 68; einschränkend Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 151. 347 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 41; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 68; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 277. 348 Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 41; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 47; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 68; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 151.
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zelpflichten ergeben, soweit sie nicht schon tatbestandlich ausgeformt sind.349 Zum anderen haften Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG, wenn sie ihre durch Gesetz, Satzung und Anstellungsvertrag tatbestandlich ausgeformten Pflichten der Gesellschaft gegenüber verletzen, wobei der Verstoß gegen § 93 Abs. 1 AktG, als konkrete Fassung der allgemeinen Verhaltensstandards der § 276 Abs. 1 S. 2 BGB, § 347 Abs. 1 HGB350, das für eine Haftung notwendige Verschulden begründet351.
d) Gesellschaftsinteresse i.S.d. §§ 311 ff. AktG als Anlehnung an das Gesellschaftsinteresse im Rahmen der §§ 76, 93 AktG Es stellt sich als schwierig dar, die aus der Sorgfaltspflicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters i.S.d. §§ 317 Abs. 2, 93 Abs. 1 AktG resultierenden Verhaltensanforderungen abstrakt näher zu bestimmen. Der Maßstab, anhand dessen festzustellen ist, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, ist dabei derselbe wie bei § 93 AktG.352 Genau wie dort, kann man auch hier diese Anforderungen nicht aus einem einheitlichen und fest vorgegebenen Maßstab, sondern nur im Einzelfall entsprechend der Größe, Art und Funktion des Unternehmens, der Marktsituation sowie nach der Struktur der Geschäftsleitung bestimmen.353 Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters stellt eine Sorgfalt dar, wie sie ein Geschäftsleiter, der unter eigener Verantwortung ein Unternehmen von bestimmter Art und Größe leitet, anzuwenden hat.354 Es handelt sich hierbei um einen normativen Maßstab355, bestimmte subjektive Kenntnisse oder Fähigkeiten des einzelnen Vorstandsmitglieds bleiben außer Betracht.356 Als Grundsatz für ein sorgfaltsgemäßes Vor349 Vgl. Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 9; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3; Hopt, FS Mestmäcker, S. 909, 916; Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 7. 350 Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, S. 120; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4. 351 Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 9; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3; Hopt, FS Mestmäcker, S. 909, 916; Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 7. 352 Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 44 m.w.N. 353 Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, S. 121; Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 12; Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 29; Scholz, Konzernverrechnungspreise, S. 129. 354 Hierbei ist anzumerken, dass an die Sorgfaltspflicht eines eine Aktiengesellschaft leitenden Vorstandsmitglied höhere Anforderungen zu stellen sind, als an die eines normalen Geschäftsmannes, vgl. Schilling, in GroßKommAktG, 3.Aufl., § 93 Rn. 9; Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 12 m.w.N. 355 Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4. 356 BGH WM 1971, 1548, 1549; Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 29; Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 29.
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standshandeln lässt sich formulieren, dass der Vorstand darauf bedacht sein muss, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden357. Er nimmt die Unternehmerfunktion der Gesellschaft war und muss sich dabei von unternehmerischen Maßstäben leiten lassen.358 Da sich keine allgemeinverbindlichen Normen zur Definition des Sorgfaltsmaßstabs des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters festmachen lassen, ist als unternehmerischer Verhaltensmaßstab zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf die Grundregeln einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung zurückzugreifen359, aus denen unverbindliche Handlungsanweisungen entnommen werden können.360
e) Das unternehmerische Ermessen und seine Grenzen Dem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter steht als Leitungsorgan ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum zu361. Mit dem II. Zivilsenat362 ist davon auszugehen, dass steht dem Vorstand ein „weiter Handlungsspielraum“ zusteht, „ohne den unternehmerisches Handeln schlechterdings nicht denkbar ist“363. Dieser Handlungsspielraum umfasst auch das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken und die Gefahr von Fehlbeurteilungen364. Betätigt sich der Vorstand innerhalb dieses Handlungsspielraums,
357 BGHZ 21, 354, 357; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, S. 21 f.; Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 13; Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 29. 358 Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 29. 359 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, S. 121; Heermann, ZIP 1998, 761, 763; Scholz, Konzernverrechnungspreise, S. 130; ähnlich Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 45. Zu den Grundregeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung vgl. Schneider, in Scholz, § 43 GmbHG Rn. 70 ff. 360 Nur im Ausnahmefall gewinnen diese Regeln normativen Charakter, wie z.B. die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (§ 238 HGB) oder die Grundsätze über die Eigenmittel und die Liquidität der Kreditinstitute (§§ 10 ff. KWB), vgl. Schneider, in Scholz, § 43 GmbHG Rn. 71. 361 Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, S. 121; Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 10; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 171 ff.; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 13a, § 76 Rn. 12 ff.; Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 29, § 76 Rn. 10 ff.; Würdinger, Aktienrecht, S. 123 f. 362 BGHZ 135, 244 („ARAG/Garmenbeck“) = ZIP 1997, 883 = BB 1997, 1169. 363 BGHZ 135, 244, 253. 364 BGHZ 135, 244, 253; ähnlich schon BGHZ 69, 207, 213 = NJW 1977, 2311, 2312.
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stellen Fehlbeurteilungen keine Pflichtverletzung i.S.d. § 93 Abs. 2 AktG dar.365 Dogmatisch lässt sich die Existenz des unternehmerischen Ermessens des Vorstands aus § 76 Abs. 1 AktG herleiten, wonach dieser die AG unter eigener Verantwortung zu leiten hat366. Aus dieser Zuweisung der Unternehmensleitung in der AG an den Vorstand folgt beim Vorliegen verschiedener – pflichtgemäßer – Handlungsalternativen ein Ermessensspielraum, um die satzungsmäßig vorgegebenen Unternehmensziele verwirklichen und seine Rechte und Pflichten als Treuhänder des ihm anvertrauten Kapitals i.R. seiner Aufgabenstellung wahrnehmen zu können367. Folglich muss die Generalklausel des § 93 Abs. 1 AktG unter Berücksichtigung der eigenverantwortlichen Leitung der AG durch den Vorstand gemäß § 76 Abs. 1 AktG so ausgelegt werden, dass die Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht verletzt ist, wenn sich die Entscheidung des Vorstandsmitglieds im Rahmen desjenigen unternehmerischen Entscheidungsspielraums bewegt, der zur Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgabe unabdingbar notwendig ist368. Die Anerkennung eines unternehmerischen Ermessensspielraums führt jedoch nicht dazu, dass Leitungsentscheidungen dem Belieben des jeweiligen Leitungsorgans preisgegeben sind. Vielmehr sind diesen in unterschiedlichen Rechtsquellen Grenzen gesetzt, die diesen unternehmerischen Ermessensspielraum beschränken oder dem Eingreifen eines unternehmerischen Ermessensspielraumes von vornherein entgegenstehen369. Das Ermessen des Vorstands wird dadurch begrenzt, dass er die Gesetze370, die rechtlichen Verpflichtungen und die Satzung der Gesellschaft, vertragliche Pflichten aus dem Anstellungsvertrag, rechtmäßige Entscheidungen des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung, im Vertragskonzern die rechtmäßigen Weisungen des herrschenden Unternehmens, den Unternehmensgegenstand und Treue- und Loyalitätspflichten
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BGHZ 135, 244, 25. Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 10; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 168 ff.; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 105 f.; Mertens, in KölnKommAktG, § 76 Rn. 10 ff. 367 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, S. 121; Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 10, § 76 Rn. 14; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 105 f.; Mertens, in KölnKommAktG, § 93 Rn. 29, § 76 Rn. 10 ff. 368 Siehe Hefermehl, in G/H/E/K, § 93 Rn. 10; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 105; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3. 369 Zutreffend insbesondere bei Fehlen von Handlungsalternativen oder bei entgegenstehenden gesetzlichen Regelungen Lutter, in VGR, Bd. 1 (1999), S. 87, 102 sowie ders., FS (Wissenschaft) 50 Jahre BGH, Band II, S. 321, 335. 370 Im Aktienrecht insbesondere §§ 57, 71-71e, 76 Abs. 1, 80, 81, 83, 88, 90, 91, 92, 93 Abs. 1 und 3, 131 AktG. 366
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beachten muss und zudem keine Misswirtschaft betreiben darf371. Auch aus dem Unternehmensinteresse lassen sich Begrenzungen des unternehmerischen Ermessensspielraums ableiten.372 So besteht grds. eine Verpflichtung des Vorstands zur Erreichung einer Rentabilität und somit auf die Erzielung eines angemessenen, zur substantiellen Erhaltung von Kapital und Ertragskraft genügenden Gewinns373. Eine Verpflichtung, mit der Geschäftspolitik das Ziel eines möglichst hohen Gewinns zu verfolgen, besteht nicht, sondern er darf auch über rechtliche Bindungen hinaus soziale Interessen verfolgen374; im Vordergrund steht allerdings das Wohl der Gesellschaft und ihrer Aktionäre, so dass der Bestand der Gesellschaft nicht durch Berücksichtigung anderer Interessen gefährdet werden darf.375 Der unternehmerische Ermessensspielraum wird schließlich auch durch die oben erwähnten Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung begrenzt.376 Der BGH377 hat Voraussetzungen formuliert, unter denen eine Berufung auf unternehmerisches Ermessen statthaft ist. Danach entfällt eine Schadensersatzpflicht des Vorstands, wenn dieser die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig ermittelt, wenn er sich ausschließlich am Unternehmenswohl orientiert, die Risikobereitschaft nicht überspannt, seine Entscheidung in vollem Verantwortungsbewusstsein trifft und wenn das Handeln nicht aus anderen Gründen pflichtwidrig ist.378 Die Grenzen des Beurteilungsspielraums, der für das unternehmerische Ermessen in Anspruch genommen werden kann, müssen „deutlich überschritten“ sein, was dann der Fall sein soll, wenn die „Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist.379 Die Sorgfaltspflicht des ordentlichen und gewissenhaften Ge-
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Vgl. Heermann, ZIP 1998, 761, 762; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 105; Mertens, in KölnKommAktG, § 76 Rn. 10. 372 Siehe hierzu Heermann, ZIP 1998, 761, 762; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 13 ff.; Mertens, in KölnKommAktG, § 76 Rn. 23 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 13; ablehnend Schmidt-Hern, Schutz der außenstehenden Aktionäre, S. 104 f. 373 Mertens, in KölnKommAktG, § 76 Rn. 22 m.w.N.; vgl. auch Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 34 ff. 374 Hefermehl, in G/H/E/K, § 76 Rn. 25 ff.; Mertens, in KölnKommAktG, § 76 Rn. 11, 32 ff. m.w.N. 375 Heermann, ZIP 1998, 761, 765; Mertens, in KölnKommAktG, § 76 Rn. 17, § 93 Rn. 50. 376 Heermann, ZIP 1998, 761, 763. 377 BGHZ 135, 244. 378 BGHZ 135, 244, 253 f. 379 BGHZ 135, 244, 253.
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schäftsleiters ist danach erst bei schlechthin unvertretbarem Vorstandshandeln verletzt.380 Darauf aufbauend und aus dem US-amerikanischen Recht die sog. „business judgement rule“381 in abgewandelter Form übernehmend, soll auch der durch das UMAG neu formulierte § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu mehr Klarheit führen.382 Danach liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, „wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“383, wobei freilich die vernünftige Annahme offen für eine Beurteilung ist. Dabei wird den Organen die Gewissheit gegeben, dass es einen Raum für unternehmerisches Handeln gibt, der auch im Falle des Misserfolgs nicht der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.384
f) Konkrete Nachteilsermittlung bei Rechtsgeschäften und Maßnahmen Zur Ermittlung des nachteiligen Charakters eines Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Maßnahme und zur Bestimmung der Höhe des Nachteils ist das Verhalten des Vorstands der abhängigen Gesellschaft dem fiktiven Verhalten des Geschäftsleiters einer unabhängigen Aktiengesellschaft in vergleichbarer wirtschaftlicher Situation gegenüber zu stellen. Die mit einer solchen Methode verbundenen Schwierigkeiten sind beträchtlich, aber einem jeden Ausgleichssystem, das auf einen globalen Verlustausgleich verzichtet und statt dessen einzelne Maßnahmen bewertet, immanent.385 Nach allgemeiner Auffassung ist bei der Nachteilsermittlung zwischen Rechtsgeschäften und Maßnahmen zu unterscheiden.
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Vgl. hierzu Hüffer, AktG, § 93 Rn. 13a; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 103; ähnlich Henze, NZW 1998, 3309, 3311; Horn, ZIP 1997, 1129, 1133. 381 Nach US-amerikanischem Recht scheidet eine Haftung des Vorstands dann aus, wenn er sich vor der Entscheidung hinreichend informiert hat, sich bei der Maßnahme nicht in einem Interessenkonflikt befindet und annimmt und vernünftigerweise annehmen kann, dass seine Entscheidung im besten Interesse der Gesellschaft liege. Vgl. zum Ganzen Block/Maimone/Rodin, Business Judgement Rule und Fleischer, ZIP 2004, 685. 382 BT-Drucks 15/5092, S. 11 sowie BT-Drucks 15/5693, S. 4; vgl. Paefgen, AG 2004, 245 ff.; Wilsing, ZIP 2004, 1082, 1089; Fleischer, in Der Aufsichtsrat 2004, 16. 383 Vgl. Henze, NJW 1998, 3309, 3310 f.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1134; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 107. 384 Die Business Judgement Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG gilt für die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder sinngemäß über § 116 AktG. 385 Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 3.
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aa) Nachteilsermittlung bei Rechtsgeschäften
Für die Nachteilsermittlung bei Rechtsgeschäften können vor allem die im Handels- und Steuerrecht entwickelten Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung herangezogen werden.386 Darunter erfasst das Steuerrecht eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht auf einer (offenen) Gewinnausschüttung beruht. Ein Nachteil liegt danach vor, wenn ein Drittvergleich ergibt, dass zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektives Missverhältnis besteht. 387 Die Anwendung der Grundsätze über eine verdeckte Gewinnausschüttung wurde zuletzt von Hogh388in Zweifel gezogen. Unabhängig davon wird es in Umwandlungsfällen wegen ihrer Komplexität selten gelingen, auf diese Weise eine Nachteiligkeit festzustellen. Auch ein Rückgriff auf einen Marktpreis, wie als Bezugsgröße im Rahmen der Nachteilsermittlung vorgeschlagen389, wird zumeist ausscheiden. Sind Marktpreise nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, so wird vorgeschlagen, sonstige Bezugsgrößen heranzuziehen.390
bb) Nachteilsermittlung bei Maßnahmen Noch größere Schwierigkeiten bereitet die Nachteilsermittlung bei sonstigen Maßnahmen. Allgemein kommt es auch insoweit darauf an, die Ergebnisse der hypothetischen Entscheidung des Vorstandes einer unabhängigen AG mit den Ergebnissen der vom herrschenden Unternehmen veranlassten Maßnahme zu vergleichen.391 Bei unternehmerischen Entscheidungen handelt es sich in der
386 BGHZ 141, 79, 84 ff. H.M., vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 160; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 3; A/D/S, § 311 Rn. 47. Näher zur verdeckten Gewinnausschüttung Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 1975. 387 Vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 160; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 3; A/D/S, § 311 Rn. 47; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 1975. 388 Hogh, Die Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 I AktG, 2004. 389 Vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 164; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 3; A/D/S, § 311 Rn. 49. 390 So soll von den Selbstkosten zuzüglich eines üblichen Gewinnaufschlages oder von dem Endverkaufspreis des marktgängigen Produkts abzüglich der Beiträge anderer zwischengeschalteter Unternehmen ausgegangen werden, vgl. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 3 m.w.N.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
113
Regel um die Konkretisierung eines Ermessensspielraums. Daraus ergibt sich notwendigerweise eine Bandbreite nicht sorgfaltswidriger Verhaltensmöglichkeiten. Eine nachteilige Maßnahme kann dementsprechend erst vorliegen, wenn das in Frage stehende Verhalten außerhalb dieser Bandbreite liegt.392 g) Ergebnis Zusammenfassend liegt damit ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG vor, wenn das veranlasste Rechtsgeschäft oder die Maßnahme zu einer Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen AG führt. Entscheidend sind in erster Linie die wirtschaftlichen Auswirkungen der veranlassten Maßnahme auf das in der Gesellschaft vereinigte Vermögen der zu schützenden Anteilsinhaber. Zur Ermittlung eines Nachteils werden verschiedene Bezugsgrößen und Grundsätze herangezogen. Aus § 317 Abs. 2 AktG lässt sich ableiten, dass kein Nachteil eintritt, wenn die Vornahme der Maßnahme sich i.R.d. Sorgfaltsanforderungen und Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters halten. In diesem Bereich steht dem Vorstand der abhängigen AG bei der Verfolgung der Interessen der Gesellschaft ein unternehmerischer Spielraum zu. Nur bei Überschreiten dieses Pflichtenkreises durch den Vorstand infolge der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens kommt ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG in Betracht. Dieser Nachteil ist in einem Vergleich der abhängigen Gesellschaft mit einer als unabhängig fingierten AG in derselben wirtschaftlichen Lage zu bestimmen. 3. Einzelfragen a) Nicht quantifizierbare Nachteile Der nachteilige Charakter eines Rechtsgeschäfts oder einer Maßnahme entfällt nicht dadurch, dass der Nachteil nicht quantifiziert werden kann.393 Es wi391 Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 175 ff.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 3; A/D/S, § 311 Rn. 54 ff. 392 Siehe A/D/S, § 311 Rn. 56 m.w.N. Einzelfälle ebenfalls bei Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 175 ff.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 3. 393 Vgl. Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 1. b); Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 39, 43; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 126 f.; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 25; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 54; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 70; Lutter, FS Peltzer, S. 241, 251; Kropff in MünchKommAktG, § 311 Rn. 138 m.w.N.; a.A. Haesen, Der Abhängigkeitsbegriff,
114
2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
derspräche dem Zweck der §§ 311 ff. AktG, das Risiko veranlasster Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen mit nicht vorhersehbaren Folgen der abhängigen Gesellschaft aufzubürden.394 Wollte man bei dem Nachteilsbegriff auf die Bezifferbarkeit eines „Nachteils“ abstellen, würde damit ein weiter Bereich, in dem in der Konzernpraxis üblicherweise Einflussnahmen erfolgen, außerhalb der Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG bleiben.395 Damit würde man allerdings dem Nachteilsausgleich als Instrument des Außenseiterschutzes seiner Funktion nicht ausreichend gerecht. Allerdings sind derartige nicht quantifizierbare Nachteile im Allgemeinen als sog. qualifizierte Nachteilszufügung396 einem Ausgleich nach § 311 Abs. 1 AktG nicht zugänglich und machen derartige Einflussnahmen von vornherein rechtswidrig.397
b) Reflexschäden Ebenfalls können Reflexschäden einen Nachteil begründen, z.B. wenn das Tochterunternehmen veranlasst wird, der Enkegesellschaft einen Nachteil zuzufügen, was zur Ausgleichspflicht oder Schadensersatzpflicht der Tochtergesellschaft führt.398
c) Prinzip des Einzelausgleichs Weiterhin folgt aus dem der §§ 311 ff. AktG inne wohnenden Prinzip des Einzelausgleichs, dass bei der Nachteilsermittlung auf das einzelne Verhalten und nicht auf die Veränderung der Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft durch die Gesamtheit der im Geschäftsjahr veranlassten Handlungen abzustellen ist.399 S. 98 f., 110; Luchterhand, ZHR 133 (1970), 1, 22, 30 ff. Lässt sich der Nachteil nicht quantifizieren und ist daher einem Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG nicht zugängig, ist bereits die Veranlassung zur fraglichen Verhaltensweise rechtswidrig; vgl. nur Lutter, FS Peltzer, S. 241, 251 m.w.N. 394 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 54 f.; Neuhaus, DB 1970, 1913, 1917; a.A. Luchterhand, ZHR 133 (1970), 1, 22, 30 ff. 395 Neuhaus, DB 1970, 1913, 1917. 396 Siehe hierzu oben 2. Teil A.I.5.c). 397 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 43. 398 Vgl. A/D/S, § 311 Rn. 37; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 51; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 34; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 595 ff. m.w.N. 399 Wie hier die h.M., vgl. statt vieler Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 2 und Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 9; anders noch Albach, NB 1966, 203, 205 ff.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
115
d) Passive Konzerneffekte Der Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG ist begrenzt auf nachteilige Verhaltensweisen der abhängigen Gesellschaft, die vom herrschenden Unternehmen veranlasst wurden. Da eine Veranlassung nur bei einer Einwirkung auf die Willensbildung der bereits abhängigen Gesellschaft vorliegt, kann ein i.S.d. § 311 AktG tatbestandlicher Nachteil nicht in den negativen Auswirkungen gesehen werden, die sich allein aus der Einbeziehung in den Unternehmensverbund ergeben.400 4. Stichtag der Nachteilsermittlung Da auch ein sorgfältiger Leiter einer unabhängigen AG nur diejenigen Informationen berücksichtigen kann, die zum Zeitpunkt einer Entscheidung beschafft werden können, ist die Feststellung des Nachteils auf Grundlage einer ex-ante-Prognose beurteilt vorzunehmen.401 Durch die Verknüpfung des Nachteils mit dem Vorliegen einer Sorgfaltsverpflichtung kann dieser nur dann vorliegen, wenn zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung Sorgfaltspflichten nicht beachtet wurden. Daher kann das Vorliegen oder Fehlen eines Nachteils nur nach den zu diesem Zeitpunkt bekannten Umständen beurteilt werden. Zwar wurde z.T. die Auffassung402 vertreten, der Nachteilsausgleich i.S.d. § 311 AktG habe wertmäßig den vollen Schaden der abhängigen AG zu decken, so dass hierzu auch der Nachteil „ex post“ unter Berücksichtigung der Adäquanztheorie zu beurteilen wäre. Entscheidend ist aber der Zweck der §§ 311 ff. AktG, die abhängige AG als unabhängig zu betrachten und insoweit auch den Nachteilsausgleich in § 317 Abs. 2 AktG mit dem Verhaltensmaßstab des Vorstands der abhängigen AG zu verknüpfen: Auch ein Vorstand einer un-
400 Sog. passive Konzerneffekte, vgl. hierzu grundlegend Moxter, Der Einfluss von Publizitätspflichten auf das unternehmerische Verhalten, S. 149 ff.; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 344 ff.; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 63; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 34; Strohn, Verfassung der AG, S. 81; ausführlich, auch im Hinblick auf die Kosten des Abhängigkeitsberichts, Kropff, FS Lutter, S. 1133, 1142 f., der jedoch im Einzelfall eine Ausgleichspflicht für nachteilige passive Konzerneffekte unter Rückgriff auf Treuepflichten bejaht; abweichend beurteilend hinsichtlich der Kostenlast des Abhängigkeitsberichts Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 312 Rn. 17 und Hüffer, AktG, § 311 Rn. 26. 401 Vgl. Hüffer, AktG, § 311 Rn. 28; A/D/S, § 311 Rn. 42; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 141; Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 39 m.w.N. 402 Vgl. Kellmann, ZGR 1974, 220, 221 und BB 1969, 1509 f.; Haesen, Der Abhängigkeitsbericht im faktischen Konzern, 1970, 102 f.; Würdinger, in GroßKommAktG, § 311 Rn. 5 – 7, 11; Mertens, in KölnKommAktG, § 117 Rn. 37.
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2.Teil: Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG im Allgemeinen
abhängigen Gesellschaft kann seine Sorgfaltspflichten nur ex ante, d.h. im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder der Maßnahme befolgen.403 Das Gesetz geht ebenso davon aus: § 312 Abs. 3 S. 1 AktG bestimmt, dass die Angemessenheit eines Rechtsgeschäfts in der Schlusserklärung des Abhängigkeitsberichts nach den Umständen zu beurteilen sind, die zum Zeitpunkt seiner Vornahme bekannt waren; nach § 312 Abs. 1 S. 2 AktG ist die Prüfung des Abhängigkeitsberichts in zeitlicher Hinsicht an denselben Kriterien zu orientieren. Diese Vorschriften lassen einen sicheren Schluss darauf ziehen, dass über das Vorhandensein eines Nachteils die Lage zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung entscheidet, deren Nachteiligkeit in Frage steht.404 Ob ein Sorgfaltsverstoß und damit unter Umständen ein Nachteil vorliegt, richtet sich nicht danach, was der Vorstand zum maßgeblichen Zeitpunkt positiv wusste, sondern hängt davon ab, was bei sorgfältiger Tatbestandsaufklärung hätte bekannt sein müssen.405 Es gehört zu den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsleiters, sich über die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung nach Möglichkeit zu vergewissern.406 5. Verhältnis von Nachteil zu Schaden und Verlust Wie gerade im Rahmen der Bestimmung des Zeitpunkts der Nachteilsermittlung dargelegt, deckt sich der Begriff des Nachteils i.S.d. § 311 AktG nicht mit dem des Schadens i.S.d. § 317 AktG. Maßgeblich für den Umfang des Schadensersatzes sind aus einer ex-post-Betrachtung auch spätere Entwicklungen gemäß §§ 249 ff. BGB.407 Nachteil und Schaden können zwar übereinstimmen, wenn man beide als Vermögensdifferenz ausdrückt. Denkbar ist folglich jedoch auch, dass ein Nachteil anzunehmen ist, obwohl es nicht oder nicht in der Höhe des festgestellten Nachteils zu einem Schadenseintritt kommt. Andererseits trägt die abhängige Gesellschaft das Risiko, dass ein auf der Grundlage einer ex-ante-Prognose nicht voraussehbarer Schaden entsteht.408 403
Siehe Koppensteiner, ZGR 1973, 1, 10; ähnlich Schlewing, Das deutschausländische paritätische Gemeinschaftsunternehmen im Konzern- und Kartellrecht, 1973, S. 39 f., 43. 404 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 39. 405 Vgl. auch die durch das UMAG neu eingeführte so genannte „business judgement rule“ in § 93 AktG. 406 Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 40, 145; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 28; Luchterhandt, ZHR 133 (1970), 17 ff. 407 Vgl. Hüffer, AktG, § 317 Rn. 9. 408 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 45; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 38; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 146; Strohn, Verfassung der AG, S. 85.
A. Tatbestandliche Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG
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Der Sanktionszweck und der normative Schadenbegriff i.S.v. § 317 AktG verbieten es, in solchen Fällen Ausnahmen bzw. eine „Verrechnung“ vorzunehmen, in denen sich bei einem zunächst als nachteilig dargestellten Vorgang bereits in einem Zeitraum zum Ende des Geschäftsjahres zeigt, dass ein Schaden nicht (in dieser Höhe) entstehen wird.409 Vielmehr bildet dieser festgestellte Nachteil dann den Mindestschaden.410 Weiterhin ergibt sich aus dem Vergleichsmaßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zur Nachteilsfeststellung der Unterschied zwischen den Begriffen Nachteil und Verlust. Ein Verhalten, das nicht zu einem Verlust führt, aber gegen den oben aufgezeigten Pflichtenmaßstab verstößt, ist dennoch als nachteilig zu qualifizieren.411 Umgekehrt ist die Vornahme eines verlustbringenden Geschäftsakts nicht nachteilig, sofern sich auch die Gesellschaft bei fingierter Unabhängigkeit so verhalten hätte.412 Schließlich ist das Bestehen eines Nachteils unabhängig von den konkreten bilanziellen Auswirkungen des zu beurteilenden Geschäftsakts.413 Entscheidend sind die relativen Auswirkungen des Rechtsgeschäfts oder der Maßnahme nach einem Vergleich des Verhaltens der abhängigen AG mit dem einer unabhängigen Gesellschaft in derselben Lage.
409
Krieger, MünchHdbGesR, § 69 Rn. 69; Raiser/Veil, KapGesR, § 53 Rn. 24. Vgl. Hüffer, AktG, § 317 Rn. 7 m.w.N. 411 Siehe A/D/S, § 311 Rn. 44; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 45; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 147. 412 A/D/S, § 311 Rn. 44; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 45; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 148. 413 Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 149; Uecker, Der Vorteils-NachteilsAusgleich, S. 49. 410
3.Teil
Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG A. Nachteiligkeit bei Verschmelzung und Spaltung Nach Darlegung der Grundsätze der Nachteilsermittlung i.S.v. §§ 311 ff. AktG stellt sich die für diese Untersuchung entscheidende Frage, inwieweit Verschmelzungen oder Spaltungen nachteilig in diesem Sinne sein können. Wie bereits dargelegt, stellen jegliche Formen der Umwandlung nach dem UmwG Rechtsgeschäfte i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG dar. Insoweit ist der Doppelcharakter der Vorgänge nach dem UmwG unbeachtlich. Der Versuch der Definition des Nachteils im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG sowie die dargelegte Herleitung der Nachteilsermittlung im Ausgangspunkt zeigen jedoch, dass allein das Verhalten der Geschäftsleitung der abhängigen AG maßgeblich ist für das Vorliegen eines für § 311 Abs. 1 AktG relevanten Nachteils. Aus der Aussage, dass kein Nachteil vorliegt, wenn der Geschäftsleiter einer abhängigen Gesellschaft in einer vergleichbaren Lage und Situation gleichfalls in der konkreten Art und Weise gehandelt hätte, lässt sich der Rückschluss ziehen, dass nur ein Nachteil vorliegt, wenn der Vorstand der abhängigen Gesellschaft in dieser Situation zum Wohle der Gesellschaft anders entschieden hätte. Voraussetzung ist damit immer ein veranlasstes Handeln des Organs der Geschäftsleitung. Dies entspricht dem im Aktienrecht ausgeprägten Prinzip der Trennung der Organe. Während in der GmbH die Gesellschafter als Anteilsinhaber durchaus ihren Einfluss geltend machen können und unmittelbar auf die Geschäftsführung einwirken können, verfolgen die Regelungen über den Vertragskonzern und im Fall eines Abhängigkeitsverhältnisses die Aufrechterhaltung der Trennung der Institutionen „Anteilseigner“ und „Geschäftsleitung“. In den Fällen zulässiger oder gebilligter Einflussnahme soll das Gleichgewicht durch eine Einstandspflicht – sei es durch Verlustausgleich gemäß §§ 300 ff. AktG im Vertragskonzern oder durch die Nachteilsausgleichspflicht bei Vorliegen eines bloßen Abhängigkeitsverhältnisses – wieder hergestellt werden. Liegt dagegen keine veranlasste Handlung der Geschäftsleitung vor, sondern lediglich ein Verhalten der Institution Hauptversammlung als Gemeinschaft der Anteilseigner, können die §§ 311 ff. AktG keine Anwendung finden. Daher ist
A. Nachteiligkeit bei Verschmelzung und Spaltung
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zu prüfen, ob der besondere Charakter der Maßnahmen nach dem UmwG, nämlich die Verknüpfung von organisatorischem und schuldrechtlichem Inhalt, i.R.d. Nachteilsermittlung des § 311 Abs. 1 AktG zu Besonderheiten führt. Insbesondere ist zu untersuchen, ob zwischen der Entscheidung zur Vornahme der Maßnahme nach dem UmwG und den Modalitäten der Umwandlung zu unterscheiden ist.
I. Aufgabenzuteilung beim Abschluss eines Umwandlungsvertrags Anhaltspunkt für eine solche Trennung ist die Aufgabenzuteilung im Rahmen des UmwG. Während § 4 UmwG den Abschluss und die Vorbereitung des Umwandlungsvertrags den Vertretungsorganen der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger zuweist, im Fall der Umwandlung einer abhängigen AG somit deren Vorstand, verlangt § 13 Abs. 1 UmwG zur Wirksamkeit des Umwandlungsvertrags grundsätzlich die Zustimmung der Versammlung der Anteilseigner. Gemäß § 65 Abs. 1 AktG bedarf der Verschmelzungsbeschluss der Hauptversammlung einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Diese Aufgabenzuteilung des UmwG zeigt die Trennung von organisatorischer und schuldrechtlicher Komponente des Umwandlungsvertrags.414 Durch das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nach §§ 13, 65 UmwG soll ein ausreichender Schutz der Anteilsinhaber gewährleistet werden.415 Denn die Umwandlung stellt für alle beteiligten Rechtsträger, sowohl für die übernehmende als auch für die übertragende Gesellschaft, eine Grundlagenentscheidung von erheblicher Bedeutung dar. Eine solche Entscheidung kann – mit Ausnahme des Sonderfalls nach § 62 Abs. 1 UmwG416 – nicht von den Vertretungsorganen, sondern ausschließlich von den Anteilsinhabern getroffen wer-
414 Eine solche Unterscheidung zwischen organisatorischem und schuldrechtlichem Teil des Verschmelzungs- bzw. Spaltungsvertrages ist im Rahmen der Auslegung derartiger Verträge einhellige Auffassung, vgl. Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 14 zum Spaltungsvertrag bzw. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 4 und Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 4 zum Verschmelzungsvertrag: Hier kommt es bei der Auslegung wegen der organisationsrechtlichen Natur des Vertrags auf den Empfängerhorizont der vertragsschließenden Vertretungsorgane (§§ 133, 157 BGB) nur insoweit an, als es sich um schuldrechtliche Bestandteile des Vertrags handelt. Immer dort, wo die Anteilseigner oder der Rechtsverkehr betroffen sind, greift eine Auslegung nach objektiven Kriterien. Entscheidend ist dann die Beurteilung eines verständigen Dritten, vgl. auch Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 4 und § 126 Rn. 25; Kallmeyer, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 64 f. 415 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 1. 416 Siehe hierzu 3. Teil B.I.2.c).
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
den.417 Die Entscheidung über die organisatorischen Folgen einer Umwandlung ist somit der Institution Hauptversammlung zugewiesen. Noch deutlicher brachte dies § 234 Abs. 1 S. 1 AktG 1937 zum Ausdruck, der davon sprach, dass die Hauptversammlung jeder Gesellschaft die Verschmelzung „beschließt“. Danach lag die Verschmelzung dem Wortlaut nach eindeutig in der Kompetenz der Hauptversammlung der jeweiligen Gesellschaft. Das AktG 1965 brachte hier in § 340c AktG geringfügige Änderungen und bestimmte, dass der Verschmelzungsvertrag nur wirksam wird, wenn die Hauptversammlung jeder Gesellschaft ihm zustimmt.418 Dadurch komme klarer zum Ausdruck, dass ohne Zustimmung beider Hauptversammlungen die Verschmelzung nicht nach außen wirksam werden kann. Das Konzept der §§ 339 ff. AktG 1965 zeigte ebenfalls die Trennung zwischen der Zuständigkeit der Vertretungsorgane und der Hauptversammlung, indem es gleichfalls von der Verpflichtung der Vorstände zur Vorbereitung der Verschmelzung sprach (§ 340 AktG 1965), während die Wirksamkeit der Verschmelzung vom Beschluss der Hauptversammlung abhing (§ 340c AktG 1965). Die Entscheidung über die Durchführung und die organisatorischen Folgen, also das „Ob“ einer Umwandlung, stellt damit eine Grundlagenentscheidung des Verbunds „Aktiengesellschaft“ dar und ist zugleich Ausdruck der Eigentumsrechte deren Anteilsinhaber aus Art. 14 GG. Diese organisatorische Entscheidung ist als Grundlagengeschäft den Anteilseignern in der Hauptversammlung zugewiesen. Die Vorbereitung dieses Beschlusses sowie die Ausarbeitung und der Abschluss des Umwandlungsvertrages obliegen dagegen nach § 4 UmwG i.V.m. § 78 AktG den Vertretungsorganen, somit dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft. § 4 UmwG beschreibt damit die Abschlusskompetenz für das abhängige Unternehmen. Vertragsparteien werden konsequent nur die beteiligten Rechtsträger selbst, nicht deren Anteilsinhaber.419 Die Vorbereitung der Anteilseignerversammlung, die über die Verschmelzung beschließt, ist im UmwG nur ansatzweise geregelt. Die wenigen Regelungen betreffen vor allem formale Fragen, insbesondere wie bei der Beteiligung von für diese Untersuchung relevanten Aktiengesellschaften die erforderlichen Unterlagen den Anteilsinhabern 417
Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 1: Aus diesem Grund scheidet auch eine satzungsmäßige Übertragung der Zuständigkeit auf andere Organe aus. Die Entscheidung kann auch nicht von der Mitwirkung solcher weiteren Organe abhängig gemacht werden; erforderlich ist die alleinige Entscheidung der Anteilsinhaber. 418 Siehe BT-Drucks. IV/171, S. 249. 419 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 7. Einzelne Anteilsinhaber haben deshalb in der Regel auch keine einklagbaren Ansprüche, vgl. OLG München v. 12.5.1993 – 27 U 459/92, BB 1993, 2040, 2041; OLG Zweibrücken v. 28.2.199 – W 183/89, ZIP 1990, 374, 375; Mayer, in Widmann/Mayer, § 4 UmwG Rn. 32.
A. Nachteiligkeit bei Verschmelzung und Spaltung
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zugänglich zu machen sind.420 Die Fragen der ordnungsgemäßen Einberufung der Hauptversammlung folgen dagegen den allgemeinen Regeln der Satzung bzw. der §§ 121 ff. AktG. Die Pflicht zur Vorbereitung des Vertragsinhalts und die Ausarbeitung des Entwurfs sind nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern ergeben sich aus der generellen Aufgabenzuweisung an den Vorstand nach §§ 76, 93 AktG, wonach dieser die Gesellschaft eigenverantwortlich und mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu führen hat. Ausdruck findet diese darin begründete Pflicht zur Unternehmensleitung421 unter anderem in der Aufgabe, die Vornahme einer Fusion oder Spaltung nach dem UmwG zu prüfen und die hierfür erforderlichen Schritte vorzunehmen.422 Eng mit der Vorbereitung des Entwurfs des Unternehmensvertrags verbunden ist die Pflicht zur Erstattung eines Verschmelzungsberichts (§ 8 Abs. 1 UmwG), Spaltungsberichts (§ 127 UmwG) bzw. Ausgliederungsberichts (§ 162 UmwG)423. Das Gesetz unterscheidet folglich zwischen den unterschiedlichen Zuständigkeiten der Organe Hauptversammlung und Geschäftsleitung. Indem grundsätzlich der Hauptversammlung durch das Erfordernis ihrer Zustimmung die Letztentscheidungsbefugnis obliegt, ist den Aktionären die Entscheidung über die organisationsrechtlichen Folgen der Umwandlung zugewiesen; die inhaltlichen Fragen, die Ausarbeitung der Modalitäten sowie der Abschluss des Vertrags ist Aufgabe der Vertretungsorgane, freilich auch hier mit dem Erfordernis der Zustimmung durch die Hauptversammlung nach § 13 Abs. 1 UmwG. Dieses Ergebnis der Trennung der Zuständigkeiten fügt sich in die sog. „Holzmüller“-Rechtsprechung des BGH424 betreffend die Ausgliederung außer420
Vgl. §§ 61, 63 f. UmwG. Vgl. hierzu ausführlich, Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 255 ff., 274 ff. 422 In gleicher Weise obliegt dem Vorstand die Prüfung der Möglichkeit einer Umstrukturierungsmaßnahme außerhalb des UmwG. Insbesondere ist er zur Abwägung der Vor- und Nachteile einer Umwandlung nach den Vorschriften des UmwG oder außerhalb des UmwG verpflichtet, vgl. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 289, 290. 423 Dies gilt freilich nur, soweit nicht auf die Erstattung des Umwandlungsberichts gemäß § 8 Abs. 3 UmwG ggf. i.V.m. § 127 Satz 2 UmwG in notarieller Form verzichtet wird. 424 BGHZ 83, 122: Gegenstand des Verfahrens war die Ausgliederung eines Seehafenbetriebs, der ca. 80% des Gesellschaftsvermögens der betreffenden Aktiengesellschaft ausmachte. Zur anschließenden Diskussion siehe Reichert, in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, ZHR-Beiheft 68, 1999, 25, 45 f.; Reichert, in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, § 5 Rn. 74.; Hüffer, in FS Ulmer, 279, 284 ff.; Butzke, in Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, (4.Aufl.) L Rn. 77; Henze, in FS Ulmer, 211, 218 ff.; Lutter, in FS Fleck, 169, 182 f.; Priester, ZHR 163 421
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
halb des UmwG ein, wonach der BGH (zunächst) aus § 119 Abs. 2 AktG in bestimmten Situationen von organisatorischer Bedeutung eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung abgeleitet hatte. In den beiden „Gelatine“-Entscheidungen vom 26.04.2004425 hat der BGH im Kern an der „Holzmüller“-Rechtsprechung festgehalten, diese jedoch sowohl in ihrer Herleitung als auch hinsichtlich der zu erreichenden Schwellenwerte präzisiert.426 Mit dieser Rechtsprechung betont der BGH die Kompetenz der Hauptversammlung als Gemeinschaft der Anteilseigner und stellt ausdrücklich klar, dass in diesen Fragen der Unternehmensverfassung und -organisation die Kompetenz der Hauptversammlung zusteht. In diesen Situationen handelt es sich demnach nicht lediglich um eine Frage der Geschäftsführung, sondern um eine Grundlagenentscheidung. Bei Umwandlungen bestimmt § 13 UmwG durch das prinzipielle Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung deren Entscheidungskompetenz. Die-
(1999) 187, 195; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 6; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1996, 395 ff.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 9 IV 1; Koppensteiner, in KölnKommAktG, Vor § 291 Rn. 21; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor 311 Rn. 33 ff.; Kubis, in MünchKommAktG, § 119 Rn. 39 ff.; Zimmermann/Pentz, in FS Welf Müller, 151, 165 f.; Geßler, in FS Stimpel, 1985, 771, 777. Seydel, Konzernbildungskontrolle bei der Aktiengesellschaft, 1995, 429 ff.; Habersack, AG 2005, 137, 142 f. 425 BGH NZG 2004, 575 (Gelatine I) und BGH NJW 2004, 1860 (Gelatine II); vgl. Bungert, BB 2004, 1345 ff. sowie Koppensteiner, in Der Konzern 2004, 381 ff. 426 Der Senat hat sich in Abkehr von der Herleitung aus § 119 Abs. 2 AktG dafür ausgesprochen, die Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung „als Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung anzusehen“. Die Rechtfertigung und damit den Ansatz für das Eingreifen der hiernach grundsätzlich möglichen ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit hat der BGH in der „Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre“ sowie im „Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung“ im Bereich einer insoweit bestehenden gesetzgeberischen „Anschauungslücke“ gesehen (vgl. Habersack, AG 2005, 137, 140 ff. A.A. Pentz, in BB 2005, 1397, 1403, der allein den Mediatisierungseffekt als ausschlaggebend ansieht). Bezüglich der Erheblichkeits- bzw. Wesentlichkeitsschwelle hat der BGH die gesetzlich vorgesehene Kompetenz- und Arbeitsteilung betont und deshalb die Auffassung vertreten, eine Durchbrechung dieser grundsätzlichen Kompetenzverteilung durch Annahme einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit müsse die Ausnahme darstellen und die maßgebliche Schwelle sei regelmäßig erst dann erreicht, wenn die betreffenden Maßnahmen „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprochen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann“ (BGH NZG 2004, 575, 579 (Gelatine I); BGH NJW 2004, 1860, 1864 (Gelatine II)). Dies sei erst dann der Fall, wenn der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung in dem vom Senat entschiedenen „Holzmüller“-Fall erreicht, somit ca. 80% des Gesamtvermögens der Gesellschaft, vgl. Pentz, in BB 2005, 1397, 1403.
A. Nachteiligkeit bei Verschmelzung und Spaltung
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se Kompetenzverteilung zwingt zu einer getrennten Betrachtung der organisatorischen und inhaltlichen Fragen.
1. Inhalt des organisatorischen Teils Inhalt des Umwandlungsvorgangs als Organisationsakt ist als Ausgangspunkt die Frage, ob überhaupt eine Umwandlung durchgeführt werden soll. Den Anteilseignern steht gemäß § 13 UmwG ggf. i.V.m. § 125 UmwG die finale Entscheidung zur Strukturänderung zu. Als Grundlage der Umwandlung legt der organisatorische Teil fest, wie sich die Rechtsverhältnisse der Anteilsinhaber untereinander und gegenüber den übernehmenden Rechtsträgern ändern.427 Insoweit bestimmt er sowohl den Umfang des zu übertragenden Vermögens428 als auch mittelbar das Umtauschverhältnis der Anteile429.
2. Inhalt des schuldrechtlichen Teils des Umwandlungsvertrages Der schuldrechtliche Teil des Umwandlungsvertrags als Austauschvertrag umfasst die Modalitäten der Umstrukturierung, somit insbesondere die Festlegung des Umtauschverhältnisses der zu übertragenden Anteile, die Einzelheiten der Übertragung der Anteile des übernehmenden Rechtsträgers, den Zeitpunkt der Übertragung und Gewinnberechtigung dieser Anteile sowie die Gewährung besonderer Rechte und Vorteile.430
II. Ergebnis Der Doppelcharakter des Umwandlungsvertrags sowie die unterschiedliche Kompetenzverteilung erfordern eine getrennte Behandlung des organisatorischen und des schuldrechtlichen Teils des Vertrags. Deutlich macht diese notwendige Trennung auch das UmwG selbst. § 14 Abs. 2 UmwG verbietet eine Klage von Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers gegen die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses mit dem Argument eines unangemessenen Umtauschverhältnisses. Zur Verbesserung des Umtauschverhältnis427
Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 4. Der Umfang des zu übertragenden Vermögens umfasst bei der Verschmelzung und Aufspaltung ohnehin das Gesamtvermögen der Gesellschaft. Lediglich bei der Ausgliederung und Aufspaltung ist eine Übertragung von Teilen des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers möglich. 429 §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 126 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UmwG. 430 § 5 Abs. 1 Nr. 3 – 8 UmwG; § 126 Abs. 1 Nr. 3 – 8, 10 UmwG. 428
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
ses nach § 15 UmwG ist das Spruchverfahren gegeben. Wegen anderer Mängel ist jedoch ein Angriff der Umwandlungsmaßnahme zulässig. Folglich ist es möglich, zwar den Beschluss und damit die organisationsrechtlichen Folgen der Umwandlung gut zu heißen, die inhaltlichen Festlegungen und damit schuldrechtliche Teile des Vertrags jedoch anzugreifen. Konsequent muss daher auch hinsichtlich einer Beurteilung der Umwandlung als nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG zwischen dem organisatorischen und dem schuldrechtlichen Teil des Umwandlungsvertrags getrennt werden.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG Im Weiteren ist zu untersuchen, in welchen Bestandteilen eine Verschmelzung bzw. Spaltung nachteilig i.S.d. § 311 AktG sein kann und eine Nachteilsausgleichpflicht begründet. Dabei gilt es, stets den Sinn und Zweck der §§ 311 ff. AktG zu beachten, der darauf gerichtet ist, das abhängige Unternehmen vermögensmäßig im Ergebnis so zu stellen, wie es stünde, wäre es ein unabhängiges Unternehmen.431 Nur abhängigkeitsspezifische Risiken und Interessenskonflikte sind dabei zu berücksichtigen. Gemäß der oben aufgeführten Aufgabenteilung i.R.d. Umwandlung und der Differenzierung zwischen organisatorischem und schuldrechtlichem Teil ist eine getrennte Untersuchung hinsichtlich einer Nachteiligkeit erforderlich. Aufgrund der unterschiedlichen Umwandlungsmöglichkeiten und der damit verbundenen differierenden Rechtsfolgen sind darüber hinaus die Maßnahmen Verschmelzung und Spaltung zu trennen.
I. Verschmelzung 1. Zu untersuchende Verschmelzungsfälle Ehe in die detaillierte Prüfung der Nachteiligkeit von Verschmelzungsmaßnahmen eingestiegen wird, ist die Relevanz der unterschiedlichen Varianten zu untersuchen. Zu nennen sind zum einen die Verschmelzung zur Neugründung, zum anderen eine Verschmelzung zur Aufnahme. Im zweiten Fall kann die Verschmelzung im Wege eines downstream mergers, upstream mergers oder sidestream mergers vorgenommen werden.
431
Vgl. Hüffer, AktG, § 311 Rn. 27; Kuhlmann/Ahnis, C. I. Rn. 17.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
125
Von vornherein lassen sich die Fälle eines downstream mergers aus dem Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG und damit aus der Prüfung einer Nachteiligkeit gemäß § 311 Abs. 1 AktG ausschließen, da in diesem Fall das herrschende Unternehmen erlischt. So würde nicht nur das für §§ 311 ff. AktG herrschende Unternehmen entfallen, sondern auch der Anspruchsgegner nach § 311 Abs. 1 AktG. Nicht nur eine während des Geschäftsjahrs zu erfüllende Ausgleichspflicht, sondern auch die §§ 312 ff. AktG würden ins Leere gehen. Daher fehlt einer Verschmelzung in der Variante eines downstream mergers hinsichtlich einer Nachteiligkeit i.S.v. § 311 AktG die erforderliche Relevanz. Anders verhält sich die Lage bei einer Verschmelzung zur Neugründung oder einem upstream oder sidestream merger. Hier bleibt das herrschende Unternehmen zweifellos bestehen. Lediglich die betroffene abhängige Gesellschaft wird je nach Variante umgewandelt und erlischt, § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Somit sind im Folgenden lediglich die Verschmelzung zur Neugründung sowie upstream und sidestream merger näher auf ihre Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG zu untersuchen.
2. Organisatorischer Teil der Verschmelzung als Nachteil? Bei der Beurteilung der Nachteiligkeit des organisatorischen Teils der Verschmelzung stellt sich zunächst die Frage, ob und – wenn dies bejaht werden kann – inwieweit dieser Teil i.R.v. § 311 Abs. 1 AktG überhaupt zur Nachteilsermittlung herangezogen werden kann. Wie dargelegt verlangt die Anwendung von §§ 311 ff. AktG ein kausal durch das herrschende Unternehmen veranlasstes Verhalten der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft. Ein bloßes Handeln des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft genügt nicht. Die organisatorische Grundlagenentscheidung steht – mit Ausnahme des Sonderfalls nach § 62 Abs. 1 UmwG – der Hauptversammlung zu. Sie trifft die Entscheidung, die zur Wirksamkeit der Umwandlung führt. Die Vorbereitungen hierfür hat der Vorstand der abhängigen AG zu treffen; die Letztentscheidungsbefugnis hat die Hauptversammlung. Daher muss näher untersucht werden, inwieweit die organisatorische Entscheidung der Hauptversammlung als nachteilig eingestuft werden darf oder kann.
a) Ist der organisatorische Teil der Verschmelzung der Nachteilsbewertung zugänglich? Zunächst stellt sich die Frage, ob die Entscheidung zur Vornahme der Verschmelzung einer Bewertung auf seine Vor- oder Nachteiligkeit überhaupt zu-
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
gänglich sein kann. Wie die Definition zur Ermittlung des Nachteils i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG zeigt, wonach eine Maßnahme oder ein Rechtsgeschäft nicht nachteilig ist, sofern ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen AG dieses ebenfalls vorgenommen hätte, entfällt ein Nachteil, wenn die Vornahme der Maßnahme oder des Rechtsgeschäfts aus Gründen des unternehmerischen Ermessens gerechtfertigt ist. Es erfolgt so immer die Suche nach einer Rechtfertigung der Vornahme der Maßnahme. Im Rahmen der Verschmelzung würde sich hier konsequent die Frage stellen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft gleichermaßen die Verschmelzung durchgeführt hätte. Dass sich diese Frage aufgrund des Zustimmungserfordernisses durch die Hauptversammlung zur Wirksamkeit der Verschmelzung in dieser Form nicht beantworten lässt, ergibt sich von selbst: zwar schließt der Vorstand den Verschmelzungsvertrag, die Hauptversammlung hat jedoch die Letztentscheidungsbefugnis inne. Der Vorstand der abhängigen AG kann daher die Umstrukturierungsmaßnahme niemals alleine durchführen. Die Frage lässt sich deshalb in Bezug auf den organisatorischen Teil der Verschmelzung nur in abgewandelter Form stellen: Hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft den Verschmelzungsvertrag in gleicher Weise ausgestaltet und abgeschlossen? Dies betrifft allerdings die Frage der inhaltlichen Modalitäten des Verschmelzungsvertrags. Eine andere Frage ist, ob auch zu beantworten ist, ob der Vorstand einer unabhängigen AG den Verschmelzungsvertrag überhaupt der Hauptversammlung zur Entscheidung vorgelegt hätte. Dies wäre nur der Fall, wenn der Beschluss der Hauptversammlung auch so hätte erfolgen müssen. Dabei ist jedoch zwischen den diesbezüglichen Pflichten des Vorstands und der Hauptversammlung zu unterscheiden. Hierbei ist auf Seiten des ordentlichen und gewissenhaften Vorstands zunächst dessen Pflicht zur Unternehmensleitung und -planung zu erwähnen, wonach er zur Verbesserung und Verwirklichung von Unternehmenszielen angehalten ist. Insbesondere hat er in diesem Zusammenhang zu prüfen, inwieweit eine Fusion Möglichkeiten einer besseren Sicherung von Beschaffungsund Absatzmärkten oder der Erhöhung eigener Marktanteile dient; ebenso hat er die finanzwirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen.432 Sprechen daher gute Gründe für eine Fusion, kann ihm die Vorbereitung und Vornahme einer Verschmelzung obliegen, wozu er der Hauptversammlung einen entsprechenden Vertrag zur Abstimmung vorzulegen hat. Es darf dabei allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Durchführung der Verschmelzung in den Händen der Hauptversammlung liegt. Die 432
Vgl. ausführlich Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 289.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Pflichten des Vorstands zur Vorbereitung einer Verschmelzung erschöpfen sich darin. Die Entscheidung über das „Ob“ fällen die Anteilseigner. Dies gilt umso mehr, als in den i.R.d. §§ 311 ff. AktG relevanten Fällen der Anstoß zur Vornahme und Vorbereitung einer Verschmelzung durch die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens erfolgt. Dieses wird auf die Vornahme des Rechtsgeschäfts hinwirken. Kommt der Vorstand diesem Anliegen nicht nach, bestünde für das herrschende Unternehmen nach § 83 Abs. 1 AktG die Möglichkeit, den Vorstand zur Vorbereitung von Rechtsgeschäften zu verpflichen, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.433 In den für §§ 311 ff. AktG relevanten Fällen wird zumeist Einfluss auf die Geschäftsleitung dergestalt geübt, dass diese kaum mehr Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des „Ob“ der Vornahme haben wird. Vielmehr wird die Geschäftsleitung durch – wie auch immer geartete – Veranlassung zur Durchführung oder Vorbereitung der aus Sicht des herrschenden Unternehmens vorzunehmenden Umwandlungsmaßnahme gebracht werden. Damit verlagert sich die Entscheidung zur Vornahme der Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen. Es stellt sich daher die Frage der Rechtfertigung der Veranlassung zum „Ob“ der Vornahme und damit die Frage, ob das herrschende Unternehmen bei der Entscheidung zur Vornahme der Maßnahme Grenzen unterliegt. Inhaltlich stimmt diese Fragestellung weitgehend mit der Diskussion überein, ob und inwieweit der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung zur Verschmelzung der sachlichen Rechtfertigung bedarf. Denn nur wenn überhaupt nach einem Grund für eine Umwandlung gefragt werden darf, kann ein solcher auf seine Nachteiligkeit beurteilt werden. Ist kein sachlicher Grund als Basis für die Entscheidung der qualifizierten Mehrheit der Hauptversammlung erforderlich, kann nicht auf andere Weise die Entscheidung zur Vornahme als nachteilig bewertet werden. Insoweit bestünde auch nicht die Gefahr der Verwirklichung eines Interessenkonflikts bzw. eines (verbotenen) Interessengleichlaufs von herrschendem Unternehmen und der Hauptversammlung der abhängigen AG. Ohne Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung stellt sich diese Frage nicht, da insoweit diese Interessen keine Rolle spielten und daher in dieser Hinsicht unbeachtlich wären. Es würde sich so nie ein insoweit unzulässiges spezifisches Konzernrisiko verwirklichen.
aa) Kein Erfordernis eines sachlichen Grunds für Hauptversammlungsbeschluss Das UmwG enthält keine Regelung zur Frage einer sachlichen Rechtfertigung des Verschmelzungsbeschlusses. Auch die Gesetzesbegründung gibt kei433
Hierzu näher unten 5. Teil D.II.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
nen Aufschluss. Der Gesetzgeber hat diese Frage allerdings bewusst offen gelassen.434 In Bezug auf eine ähnlich gelagerte Fallgestaltung – den Beschluss zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss – hat sich seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Gedanke entwickelt, dass ein Mehrheitsentscheid nicht ausreichend ist, sondern darüber hinaus einer sachlichen Rechtsfertigung bedarf.435 Die Rechtsprechung hat sich dieser Ansicht angeschlossen436 und sie auf andere Fälle ausgedehnt437. Die Gesetzesbegründung zum UmwG führt zum Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung des Verschmelzungsbeschlusses aber aus, dass es zum einen zweifelhaft sei, ob sich diese zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss entwickelten Grundsätze auf Verschmelzungsbeschlüsse übertragen lassen, und dass es zum anderen ausgeschlossen erscheine, dieses Grundsatzproblem unter Beschränkung auf die Verschmelzung zu regeln, ansonsten aber ungeregelt zu lassen.438 Der Gesetzgeber wollte damit keine Distanzierung vom sachlichen Rechtfertigungszwang festschreiben.439 Er wollte vielmehr einer umfassenden gesellschaftsrechtlichen Lösung nicht vorgreifen, welche der Literatur und Rechtsprechung vorbehalten bleiben soll.440 (1) Herrschende Ansicht: keine sachliche Rechtfertigung erforderlich Die Literatur hat sich mit dieser Frage unterschiedlich befasst. Während aus den Grundsätzen zum Bezugsrechtsausschluss und abhängigkeitsbegründender Beschlüsse teilweise gefolgert wird, dass sämtliche strukturändernden Entscheidungen der Anteilseignerversammlung der materiellen Kontrolle im Sinne 434
Vgl. Ganske S. 61; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 31. Siehe Lutter, in KölnKommAktG, § 186 Rn. 50; Zöllner, in KölnKommAktG, 1. Aufl., § 243 Rn. 196; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, S. 352 ff. Schilling, in GroßKommAktG, 3. Aufl., § 255 Rn. 2; R. Fischer, Minderheitenschutz bei Kapitalgesellschaften, 1967, S. 59, 70; Füchsel, Der Bezugsrechtsausschluss im deutschen Aktienrecht, 1970, S. 95. 436 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40 (Kali u. Salz); BGH v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319 (Holzmann). 437 Zu nennen ist hier insbesondere die Inhaltskontrolle von Beschlüssen, die eine Abhängigkeit von einem herrschenden Unternehmen erstmals begründen, vgl. BGHZ 80, 69 (Süßen). 438 Siehe Ganske, S. 61. 439 So aber offenbar Heckschen, in Widmann/Mayer, Einf. UmwG Rn. 192; Heckschen, S. 78; für den Umwandlungsbeschluss nach § 193 UmwG Streck/Mack/Schwedhelm, GmbHR 1995, 161, 172; wohl auch Decher, in Lutter, Kölner Umwandlungsrechtstage, S. 220. 440 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 31. 435
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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einer sachlichen Rechtfertigungsprüfung unterliegen441, differenziert die Gegenmeinung zwischen Beschlüssen, die einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen, und solchen, bei denen Anteilsinhaber durch eine qualifizierte Beschlussmehrheit und ggf. hinzutretende besondere Schutzmechanismen bereits hinreichend geschützt sind.442 Diese Auffassung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die ebenfalls zwischen zwei Typen von Beschlüssen unterscheidet: Solche, die der Rechtfertigungskontrolle unterliegen, und solche, die einer allgemeinen Missbrauchskontrolle unterliegen und damit im Kern nur bei Verstoß gegen die allgemeinen Regeln wie Treu und Glauben, den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Sondervorteilsverbot anfechtbar sind.443 Der Grundstein für die zuerst genannte Gruppe wurde in den Fällen Kali+Salz (Anfechtung gegen eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlage)444 sowie Süssen (Beurteilung eines Beschlusses, der den Mehrheitsgesellschafter von einem Wettbewerbsverbot befreien sollte)445 gelegt. In diesen Fällen wird gefordert, dass die in Frage stehenden Beschlüsse im Interesse der AG sachlich gerechtfertigt zu sein haben. Erforderlich sei eine Interessenabwägung, bei der nach der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu fragen sei.446 Für das genehmigte Kapital hat der BGH in seiner Entscheidung in Sachen Siemens AG/Nold447 diese Grundsätze wieder eingeschränkt und u.a. darauf verzichtet, dass der Beschluss alle Einzelheiten zur Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung beinhalten müsse. Damit entband der BGH keineswegs von einer Interessenabwägung448, er ver-
441
So Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 8 III 1a; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 157; Martens, ZGR 1979, 493, 496 f.; Martens, FS Fischer, 1979, 437, 445; Martens, GmbHR 1984, 265, 269; Bischoff, BB 1987, 1061; Zöllner, in KölnKommAktG, Einl. Rn. 55. 442 Vgl. Lutter, ZGR 1981, 171, 177 ff.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446 ff.; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 32 ff.; Timm, ZGR 1987, 415, 421 ff.; Timm, JZ 1980, 665, 667; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, 138 ff.; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, 1986, S. 135 ff.; Schlockenhoff, Gesellschaftsinteresse und Gleichbehandlung beim Bezugsrechtsausschluss, 1988, S. 97 ff.; Priester, in Scholz, § 53 GmbHG Rn. 54; K. Schmidt, in Scholz, § 47 GmbHG Rn. 29; K. Schmidt, in GroßKommAktG, § 243 Rn. 46; Ulmer, in Hachenburg, § 53 GmbHG Rn. 69; Raiser, in Hachenburg, Anh. § 47 Rn. 126 ff.; Hüffer, in MünchKommAktG, § 243 Rn. 55 m.w.N. 443 Vgl. Röhricht, in Hommelhoff, Hopt, v. Werder, S. 513, 531 ff. 444 BGHZ 71, 40. 445 BGHZ 80, 69. 446 Vgl. BGHZ 71, 40, 44 ff. sowie BGHZ 80, 69, 74 ff. 447 BGH NJW 1997, 2815. 448 So auch die allgemeine Diskussion vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 190 m.w.N.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
lagerte diese nur auf den Zeitpunkt der Ausnutzung einer entsprechenden Ermächtigung zur Kapitalerhöhung durch den Vorstand.449 Anders entschied der BGH in den Fällen Mannesmann450 und Linotype451 sowie im Fall Sachsenmilch452. Er kam zu dem Ergebnis, dass die nachträgliche Einführung eines Höchststimmrechts, die Auflösung der Gesellschaft und die isolierte Kapitalherabsetzung jeweils mit den Stimmen der Mehrheit beschlossen werden könnten, ohne dass es einer besonderen Rechtfertigung des Beschlusses bedürfe. Diese Rechtsprechung wurde in der Folge auf Fragen des Delisting453 und Squeeze-Out454 ausgeweitet. Das OLG Düsseldorf hat diese Rechtsprechung des BGH im Fall Linotype auch auf die Änderung des Unternehmensgegenstands erstreckt.455 Diese Beschlüsse, bei denen es sich um Maßnahmen unternehmerischer Natur456 handelt, trügen die Rechtfertigung bereits in sich, da der Gesetzgeber die erforderliche Interessenabwägung bereits vorgenommen habe und in den gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck komme, dass entsprechende Beschlüsse gerade mit der (qualifizierten) Mehrheit der Stimmen ohne Erfüllung weiterer Voraussetzungen gefasst werden könnten.457 Denn jede materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Mehrheitsentscheidung unter dem Aspekt der Treupflichtbindung hat sich zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die gesetzliche Regelung überhaupt noch Raum für eine weitere Kontrolle unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten lässt. Die Annahme einer sanktionsbewehrten Treuwidrigkeit scheidet also aus, wenn das Gesetz erkennen lässt, dass es einen bestimmten Eingriff in die Mitgliedschaft zulassen und über die dafür von ihm selber aufgestellten Voraussetzungen hinaus keine sachliche weitere Rechtfertigung durch das Gesellschaftsinteresse
449 Fortgeführt wird diese Rechtsprechung von BGH NZG 2006, 18 f., 20 f. (Commerzbank/Mangusta I und II), wonach den Vorstand einer AG keine Berichtspflichten über einen Bezugsrechtsausschluss vor Gebrauch der Ermächtigung zur Kapiatlerhöhung treffen; s. auch BVerfG ZIP 2006, 1486 und Bürgens/Holzborn, BKR 2006, 202 ff. 450 BGHZ 70, 117. 451 BGHZ 103, 184. 452 BGH ZIP 1998, 692. 453 BGH ZIP 2003, 387, 389 („Macotron“). 454 Siehe zum Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung des Übertragungsbeschlusses beim Squeeze-Out v. Schnurbein, AG 2005, 725 ff., Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 327f Rn. 10 m.w.N. 455 OLG Düsseldorf WM 1994, 337, 343 f, 345 f.: Wenn schon der Auflösungsbeschluss nicht der Rechtfertigungskontrolle unterliege, so müsse dies erst recht für die bloße Änderung des Unternehmensgegenstands gelten. 456 Vgl. Röhricht, in Hommelhoff, Hopt, v. Werder, S. 535. 457 So in BGHZ 70, 117, 123 ff; 103, 184, 189 ff.; vgl. auch BGHZ 71, 40, 45.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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fordern will, insbesondere weil es diese Abwägung selber bereits vorgenommen hat.458 Für den Fall der Verschmelzung und Spaltung ist die Auffassung innerhalb dieser herrschenden differenzierenden Ansicht lebhaft umstritten.459 Einig ist man lediglich darin, dass jedenfalls auf erster Stufe der Kontrolle eine Überprüfung des Beschlusses auf Ermessensmissbrauch und Ungleichbehandlung stattfindet.460 Nach der überwiegenden Auffassung ist für das UmwG an dieser differenzierenden Lösung festzuhalten. Dass die Forderung nach einer für alle strukturändernden Beschlüsse geltenden sachlichen Rechtfertigung unberechtigt ist, zeige sich insbesondere im Fall der Auflösung.461 Der Mehrheit müsse gestattet sein, den Gesellschaftszweck zu ändern und das in der Gesellschaft gebundene Kapital frei zu bekommen, auch wenn diese Entscheidung den Interessen der Minderheit und der Gesellschaft selbst entgegensteht.462 Diese Möglichkeit habe der Gesetzgeber den Anteilseignern zur Verfügung gestellt463 und zum Schutz der Minderheit einer qualifizierten Mehrheit unterworfen. Eine materielle Beschlusskontrolle könne daher nur dort gerechtfertigt sein, wo das Gesetz die Interessenabwägung zwischen der Mehrheit und der betroffenen Minderheit (und Gläubiger der Gesellschaft) nicht schon abschließend vorgenommen hat. Somit sei für die verschiedenen strukturändernden Beschlüsse jeweils eine getrennte Untersuchung vorzunehmen, ob eine sachliche Rechtfertigung erforderlich ist. 458
Röhricht, in Hommelhoff, Hopt, v. Werder, S. 534. Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 32. 460 Siehe Kindler, ZHR 158 (1994), 339 ff.; Lutter, ZGR 1981, 171, 177 ff.; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 32 m.w.N. 461 Die Auflösungsentscheidung ist Prototyp einer Entscheidung, die einer sachlichen Rechtfertigung aus dem Gesellschaftsinteresse nicht zugänglich ist. Denn sie verändert den Gesellschaftszweck umfassend von demjenigen werbender Tätigkeit zu demjenigen der Liquidation. Da sie damit immer das bisherige Gesellschaftsinteresse nicht mehr fördert, könnte sie somit unter Geltung des Erfordernisses sachlicher Rechtsfertigung nie per Mehrheitsentscheid beschlossen werden. Dem widerspricht ihre gesetzliche Zulassung. Der zu entscheidende Interessenkonflikt besteht hier unmittelbar zwischen den Aktionären, wobei er nicht mit Hilfe eines einverständlich gesetzten oder des als allseits akzeptiert geltenden bisherigen Gesellschaftszwecks entschieden werden kann. Es bleibt bei entsprechenden Einzelumständen die Inhaltskontrolle auf Basis nach den Grundsätzen des Verbots von Rechtsmissbrauch und Ungleichbehandlung. 462 BGHZ 76, 352, 353; BGHZ 103, 183, 190; Lutter, ZHR 158 (1989), 446 ff.; Henze, ZIP 1995, 1473 ff.; Hüffer, AktG, § 243 AktG Rn. 28; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 33 m.w.N. 463 Im Ergebnis ebenso BGHZ 103, 184, 190f. (Linotype); Lutter, ZGR 1981, 171, 176, 179; ders. ZHR 153 (1989), 446, 449; Zöllner, in KölnKommAktG, § 243 Rn. 193; a.A. Wiedemann, ZGR 1980, 147, 157; Martens, FS Fischer, 437, 455. 459
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Die Verschmelzung ist dabei in zweifacher Hinsicht problematisch, da sie sowohl die Stimmkraft des einzelnen Anteilsinhabers beeinträchtigen464 als auch eine Kapitalverwässerung durch ein zu hohes oder zu niedriges Umtauschverhältnis verursachen kann. Hinsichtlich der Kapitalverwässerung ist das Problem als vom Gesetzgeber als gelöst anzusehen.465 Denn zugunsten der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft sieht das Gesetz bei Unterbewertung der Anteile das Spruchverfahren nach dem SpruchG vor. Bei Überbewertung der Anteile haben die Anteilsinhaber des übernehmenden Gesellschafters ein Anfechtungsrecht gegen den Verschmelzungsbeschluss, ohne dass es eines Rückgriffs auf eine sachliche Rechtfertigung bedürfte.466 Das Problem der Stimmrechtsverwässerung kann gleichfalls nach h.M. aus zweierlei Gründen nicht zum Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung des Verschmelzungsbeschlusses führen. Zum einen nimmt das Gesetz den Verlust an Stimmrechtsmacht dadurch billigend in Kauf, dass bei der Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit einem Zusammenschluss von Unternehmen nach § 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG und § 69 UmwG467 ein Bezugsrecht schon von Gesetzes wegen nicht besteht. Nach h.A. ist in dieser Wertung des Gesetzes die Freistellung auch der Sach-Kapitalerhöhung vom Rechtfertigungserfordernis zu sehen, sofern sich die Sachlage als Zusammenschluss darstellt468. Sei nun schon bei der Sach-Kapitalerhöhung zum Zweck eines Unternehmenszusammenschlusses die Stimmrechtverschiebung als von Gesetzes wegen akzeptiert anzusehen, kann dies für die Verschmelzung nur erst recht gelten.469 Wie bei der Sachkapitalerhöhung ist daher in § 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG und § 69 UmwG eine gesetzliche Wertung für die Freistellung unternehmerischer Zusammenschlüsse vom
464 Dies gilt sowohl für die Anteilseigner der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft. 465 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 34. 466 BGH WM 1990, 1372, 1375; Heckschen, S. 45; Hoffmann-Becking, ZGR 1990, 482, 484 f.; Timm JZ 1982, 403, 410; Kraft, in KölnKommAktG2, § 352c AktG Rn. 3. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 34 m.w.N. Zur Kritik an der Regelung vgl. schon Grunewald, in G/H/E/K, § 352c Rn. 8 m.w.N. 467 Ebenso wie zuvor § 343 AktG a.F. 468 So Lutter, in KölnKommAktG, § 186 Rn. 82; Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 13 UmwG Rn. 25; Semler, BB 1983, 1566, 1569; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 UmwG Rn. 35; a.A. Wiedemann, in GroßKommAktG § 186 Rn. 173; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 155 ff.; Martens, ZGR 1979, 496, 501; Martens, FS Fischer, 1979, 437, 445. 469 Ebenso Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 35; Lutter, in KölnKommAktG, § 186 Rn. 81; Timm, ZGR 1987, 403, 428; a.A. Wiedemann, in GroßKommAktG, § 186 Rn. 173; Krieger, in MünchHdbGesR, § 56 Rn. 66; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, S. 70 ff. m.w.N. zu beiden Ansichten.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Erfordernis sachlicher Rechtfertigung zu sehen.470 Zum anderen hat das UmwG den Minderheitenschutz in erheblichem Umfang erweitert und bietet einen umfangreichen Schutz außenstehender Aktionäre und Gläubiger:
(a) Der Verschmelzungsbericht nach § 8 UmwG Dies gilt vor allem für den Verschmelzungsbericht nach § 8 UmwG, in welchem die unternehmerische Notwendigkeit der Verschmelzung mit allen Vorund Nachteilen darzulegen und zu begründen ist.471 Die Verschmelzung ist – ausgehend von der wirtschaftlichen Situation der beteiligten Rechtsträger – mit all ihren unternehmerischen Chancen und Risiken darzustellen, was durch konkrete Angaben zu belegen ist.472 Hierbei sind die angestrebten Ziele und die aus der Verschmelzung resultierenden Auswirkungen zu erläutern. Weiter sind die genannten wirtschaftlichen Vor- und Nachteile abzuwägen.473 Es ist darzulegen, warum in Anbetracht dieser Gründe die Verschmelzung aus der Sicht der Verwaltung zur besten Verfolgung des unternehmerischen Zwecks geboten ist (oder weshalb nicht) und warum die Anteilseigner dem Verschmelzungsvertrag zustimmen sollten. Der Verschmelzungsbericht hat somit eine bremsende Funktion474, vergleichbar mit dem Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG. Hieraus folgt allerdings nicht, dass jegliche unzweckmäßigen oder nachteiligen Umwandlungsmaßnahmen unzulässig wären. Der Verschmelzungsbericht ist kein Indiz für eine materielle Beschlusskontrolle.475 Er dient vorrangig der Information der Hauptversammlung, damit diese selbst die Einschätzung der Zweckmäßigkeit der Umwandlungsmaßnahme vornehmen kann. Folglich ist nach herrschender Meinung die Zweckmäßigkeit der Verschmelzung nicht Gegenstand der Verschmelzungsprüfung.476 Diese Beurteilung obliegt allein den Anteilseignern. Sie haben zu entscheiden, ob sich die Maßnahme nach Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Gründe als beste Verfolgung des
470
Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 35. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 36; Gehling, in Semler/Stengel UmwG, § 8 Rn. 15 ff. 472 BGHZ 107, 296, 301 (Kochs Adler); Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 8 Rn. 15 ff.; Limmer, in Neye/Limmer/Frenz/Harnacke Rn. 275 ff.; Bayer, ZIP 1997, 1613, 1619; Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 8 Rn. 8. 473 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 8 Rn. 18. 474 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 36. 475 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 16; a.A. Feddersen/Kiem, ZIP 1994, 1078, 1084. 476 Vgl. Gehling, in Semler/Stengel UmwG, § 9 Rn. 16 m.w.N. 471
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Unternehmenszwecks darstellt.477 Diese Entscheidung kann und soll ihnen der Verschmelzungsbericht oder die Verschmelzungsprüfung nicht abnehmen.478 (b) Weitere Schutzmaßnahmen des UmwG Weitere Schutzvorkehrungen des UmwG sind z.B. die schon aufgeführten Mehrheitserfordernisse479, die Prüfung der Verschmelzung durch unabhängige Prüfer480, das Recht zum Austritt gegen Barabfindung gemäß § 29 UmwG sowie besondere Informationsrechte bei der Verschmelzung. Hieraus folgert die h.M. einen ausreichenden Minderheitenschutz, der eine materielle Beschlusskontrolle für die Verschmelzung entbehrlich mache.481 (c) Zusammenfassung Nach h.A wird hinsichtlich des Zustimmungsbeschlusses grds.482 keine materielle Beschlusskontrolle durchgeführt. Die Entscheidung hierüber ist allein den Anteilsinhabern überlassen. Die Minderheit der Anteilsinhaber ist durch umfangreiche Regelungen geschützt. Das Recht, mehrheitlich eine Umwandlung zu beschließen, darf allerdings auch nach dieser Auffassung nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden. Außerdem ist dafür Sorge zu tragen, 477
Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 9 Rn. 12. Siehe zum Ganzen auch RegBegr. z. § 340 b AktG a.F., BT-Drucks. 9/1065, 16; siehe auch Bayer, ZIP 1997, 1613, 1621; Hoffmann-Becking, FS Fleck, S. 122; Sagasser/Bula/Brünger, Rn. G 78; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 9 Rn. 12 m.w.N. 479 Gehling, in Semler/Stengel UmwG, § 13 Rn. 36, 20. 480 Siehe §§ 9 Abs. 1, 44, 48, 60 Abs. 1 UmwG. 481 Vgl. Gehling, in Semler/Stengel UmwG, § 13 Rn. 36; Zimmermann, in Kallmeyer UmwG, § 13 Rn. 12; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 13 Rn. 21; Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch § 13 Rn. 24 f.; Heckschen, in Widmann/Mayer, § 13 Rn. 219 f.; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 36; differenzierend Winter, in Lutter Umwandlungsrechtstage, S. 19, 40 f. 482 Freilich ist im Anschluss an BGHZ 80, 69 (Süßen) anders zu entscheiden, wenn sich die Verschmelzung als eine abhängigkeitsbegründende Maßnahme darstellt, also die Anteilsinhaber eines beteiligten Rechtsträgers erstmals Anteilseigner einer abhängigen Gesellschaft werden, vgl. insbesondere Timm, ZGR 1987, 402, 424 ff. sowie Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 38 m.w.N. Diese Ausnahme beruht auf der Notwendigkeit einer zusätzlichen Konzerneingangskontrolle, da das Gesetz den Schutz der Minderheit allein innerhalb des existierenden Konzerns regelt und den Schutz der Unabhängigkeit der Gesellschaft vernachlässigt hat, vgl. Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 415 f. sowie Seydel, Konzernbildungskontrolle bei der AG, 1995, S. 185 ff. Da sich die vorliegende Arbeit allerdings mit Umwandlungsmaßnahmen innerhalb des schon bestehenden Konzerns bzw. bei gegebener Abhängigkeitslage befasst, ist diese Ausnahme der sachlichen Rechtfertigung nicht näher berücksichtigt. 478
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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dass bei einem Eingriff in die mitgliedschaftliche Position ein angemessener materieller Ausgleich geschaffen wird. Der Eingriff in die mitgliedschaftliche Position unterliegt somit kumulativ den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmissbrauchsverbots und dem Gebot eines angemessenen Ausgleichs der Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Position.483 Letzteres versucht das Umwandlungsrecht durch einen angemessenen Anteilstausch sicherzustellen. Da zudem das generell geltende Gleichbehandlungsgebot zu berücksichtigen ist, darf der Umwandlungsbeschluss nicht gegen das Willkürverbot484 verstoßen. (2) Mindermeinung: sachliche Rechtfertigung aufgrund Treubindung? Eine entgegenstehende Auffassung verlangt allerdings eine sachliche Rechtfertigung auch für den Verschmelzungsbeschluss und stützt sich auf eine zwischen den Anteilsinhabern untereinander und zwischen den Anteilsinhabern und der Gesellschaft bestehenden Treuepflicht. (a) Herleitung der Treuepflichten im Unternehmensverbund Eine solche Treuepflicht im Unternehmensverbund wird zum einen aus rechtsethischen und -politischen Gründen hergeleitet485, welche der positivrechtlichen Rechtsgrundlage als grundlegende Gerechtigkeitserwägungen vorgelagert sind und als Leitbilder und Prüfungsmaßstab dienen.486 Ein erster Ansatz für die Bejahung von Treubindungen in der Gesellschaft stammt aus dem Personengesellschaftsrecht und gründet auf dem Vorliegen persönlicher Vertrauensverhältnisse der einem gemeinsamen Zweck verpflichteten Gesellschafter.487 Da allerdings häufig nur auf ein unterstelltes Vertrau-
483 Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 262. 484 BGHZ 33, 175, 186; 116, 359, 373; 120, 141, 150 ff.; vgl. Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 262. 485 Hueck, Treuegedanke, S. 6 f.; Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Aktienrecht, S. 14 f. 486 Vgl. Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 45; Hueck, Treuegedanke, S. 6 f.; Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Aktienrecht, S. 14 f. 487 Hueck, Treuegedanke, S. 14 f.; Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Aktienrecht, S. 16 f.; Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 45 m.w.N.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
ensverhältnis zurückgegriffen488 und dieser Ansatz außerdem nicht durchgängig verfolgt wurde489, überzeugt diese Anknüpfung für die Treubindung an ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis nicht und ist daher abzulehnen. Dagegen wird gesellschaftsübergreifend die Bindung besonderer Einflussmöglichkeiten als Ansatz für eine Treupflicht angesehen. Im Personengesellschaftsrecht unterliege z.B. der Komplementär aus Gründen der Treupflicht einem Wettbewerbsverbot490, während dies für den Kommanditisten nicht gelte. Im Aktienrecht zeige sich diese Bindung im durch das Mehrheitsprinzip geprägten Mechanismus der Willensbildung491, der sich aus der notwendigen Zusammenfassung der Einzelmeinungen der Mitglieder zu einem einheitlichen, die Handlungsfähigkeit der juristischen Person im Rechtsleben ermöglichenden Willen ergebe. Die Existenz von Eingriffsmöglichkeiten und -notwendigkeiten entspräche der privatautonomen Grundordnung des Gesellschaftsrechts. Dagegen basiere unser grundgesetzliches Wertesystem darüber hinaus auf der Anerkennung individueller Rechtsgüter und Interessen, was einen Schutz gegen Eingriffe bedinge.492 Immer dann, wenn Eingriffsrechte in fremde Interessen gewährt werden, seien diese im Gegenzug entsprechender Kontrolle zu unterwerfen.493 Hieraus lasse sich zum einen eine Treuebindung der Gesellschafter bzw. Aktionäre untereinander als auch eine Treupflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft als solche herleiten.494 Diese habe zum Ziel, die Anteilseigner im offenen, normenlosen Gelände in ihrem Vertrauen auf die Mitgliedschafter und deren Loyalität bei der Zielverfolgung und in ihrem wechselseiti-
488 Dieses ist auch keine rechtliche Vorraussetzung für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages und muss freilich auch während des Bestehens des Gesellschaftsverhältnisses nicht gegeben sein, vgl. Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Aktienrecht, S. 17; Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 46. 489 So wurden auch unbesehen die aus einer Vielzahl untereinander unbekannter Gesellschafter gebildeten Publikums-KGs unstreitig dem Treupflichtregime unterstellt, obwohl hier offensichtlich nicht vom Bestehen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses gesprochen werden kann, siehe Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Aktienrecht, S. 17. 490 § 112 HGB; siehe hierzu BGH WM 1957, 1128 ff.; OLG Frankfurt BB 1983, 1383; Hüffer, FS für Steindorff, S. 59, 72; Schmidt, GesR, S. 595 f. 491 Siehe Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 47. 492 Vgl. Lutter, in KölnKommAktG, § 186 Rn. 59. 493 So Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 48. 494 Vgl. die Darstellung bei Roth, in MünchKommBGB, § 242 Rn. 120 ff.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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gen Verhältnis zueinander ebenso zu schützen wie deren Einwirkungsmacht auf die eigene Mitgliedschaft zu begrenzen.495 Darüber hinaus komme der AG aufgrund ihrer Verselbständigung als juristischer Person eine eigene Stellung als Trägerin von Rechten und Pflichten zu. Auch der AG werden Eingriffsmöglichkeiten zugebilligt. Soweit ihre Willensbildung in der Hauptversammlung nach dem Mehrheitsprinzip durchgeführt wird, könne sie gegen den Willen nicht zustimmender Aktionäre in deren Interessen eingreifen.496 Aus dem im Gesellschaftsrecht ebenso geltenden Prinzip von Treu und Glauben497 ergebe sich eine gesteigerte Pflicht, auf die Interessen der Mitglieder Rücksicht zu nehmen. Ausdruck derartiger Rücksichtspflichten seien die Vorschriften der §§ 53a, 243 Abs. 2 S. 2, 222 Abs. 4 S. 2, 254 Abs. 1, 255 Abs. 2 AktG, deren Verletzung z.T. zur Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses führt.498 (b) Folgerungen dieser Auffassung Nach dieser Ansicht besteht eine Pflicht zur Rücksichtnahme i.S. einer Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären499, soweit diese ohne Änderung des Gesellschaftszwecks in spezielle Aktionärsinteressen eingreift. Als Modell einer Kontrolle von in die Aktionärsinteressen eingreifenden Beschlüssen kommt danach eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Betracht, welche für die von ihr erfassten Hauptversammlungsbeschlüsse zu einem Übermaßverbot führt.500 Diese Rücksichtspflicht der AG führe letztlich zu einem Ausgleich der Mehrheits- gegenüber den Minderheitsinteressen. Dabei könnten Interessenbeeinträchtigungen nur durch das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung aufgefangen werden.501 495
So Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167; Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 20 IV, 1, S. 588, der die Treuepflicht als „ungeschriebene Legalordnung im Gesellschaftsrecht“ bezeichnet. 496 Siehe Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 68. 497 Dieses in § 242 BGB exemplarisch kodifizierte Prinzip findet auch im Gesellschaftsrecht Anwendung, vgl. Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treupflicht im Aktienrecht, S. 2; Roth, in MünchKommBGB, § 242 Rn. 120; Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 62 m.w.N. 498 Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 56 ff., 69. 499 Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 128. 500 Vgl. Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 129. 501 So Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 129.
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Für den Fall der Verschmelzung bedeute dies, dass die für die vorliegende Untersuchung entscheidende abhängige AG als übertragender Rechtsträger die Beschlussfassung an einem den Interessen der einzelnen Aktionäre übergeordneten Zweck zu messen hat. Zwar ist Merkmal der Verschmelzung das Erlöschen der übertragenden Rechtsträger und die Übertragung ihres Vermögens als ganzes auf andere Rechtsträger (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UmwG). Dennoch verbiete sich im Fall der Verschmelzung eine Gleichbehandlung mit der Liquidation, bei welcher nach der Rechtssprechung des BGH keinerlei sachliche Rechtfertigung erforderlich ist.502 Denn die betroffenen Aktionäre können bei der Verschmelzung nicht wie bei der Auflösung in jedem Fall über ihr Kapital neu frei verfügen, sondern werden zunächst in eine neu zusammengestellte Gesellschaft aufgenommen.503 Es handelt sich daher im Gegensatz zur Liquidation nicht um eine Maßnahme der Desinvestition, sondern um eine Verschiebung des Vermögens. Auch die im UmwG vorgesehenen konkreten Schutzmechanismen zugunsten der betroffenen Aktionäre504 gäben nach dieser Auffassung keinen Aufschluss darüber, ob diese als abschließende Regelung zu verstehen seien und damit gegen das Erfordernis einer sachlichen Rechtsfertigung sprächen. Vielmehr erfordere der eintretende Einflussverlust eine Berücksichtigung der Interessen der nicht zustimmenden Aktionäre, somit eine sachliche Rechtfertigung.505 (3) Stellungnahme Die gegenüberstehenden Ansichten streiten im Wesentlichen über das Eingreifen einer Treupflicht der herrschenden Gesellschaft. Ob eine derartige Treuepflicht in einer Abhängigkeitslage nach den §§ 311 ff. AktG besteht und ob sich diese im Rahmen der §§ 311 ff. AktG auf Umwandlungsfälle dergestalt auswirkt, dass trotz der umfangreichen Interessenabwägung des UmwG mit
502 Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 335 m.w.N. 503 Vgl. §§ 2 Nr. 2, 36 Abs. 1 i.V.m. 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG; Möller, Der aktienrechtliche Verschmelzungsbeschluss, S. 91; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 121; Hoffmann-Becking, ZGR 1990, 482, 485; Wiesen, ZGR 1990, 503, 506 f.; Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 335 m.w.N. 504 So insbesondere das Spruchstellenverfahren und das Abfindungsrecht gemäß § 29 UmwG. 505 Vgl. Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 345.
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seinen Schutzvorschriften eine sachliche Rechtfertigung der Zustimmung der Hauptversammlung notwendig ist, ist näher zu untersuchen. (a) Treuepflichten und Unternehmensverbund Eine hier wohl entscheidende Frage ist, ob diese Treupflicht auch im faktischen Konzern Geltung beansprucht. Die eine sachliche Rechtfertigung fordernde Auffassung stellte ihrerseits lediglich auf die (noch) nicht abhängige Gesellschaft ab.506 Es ist daher näher zu untersuchen, ob die angeführte Treupflicht gleichermaßen im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses gilt. Dabei ist zunächst kurz die Meinung bei Vorliegen eines Vertragskonzerns darzustellen und sodann auf die Situation bei bloßer Abhängigkeit einzugehen, zumal die §§ 311 ff. AktG vermögensmäßig dem Vertragskonzern entsprechende Umstände herstellen bzw. bewahren möchten. (b) Vertragskonzern Im Recht der durch Unternehmensverträge verbundenen Unternehmen hat der Gesetzgeber als Kehrseite des vertraglich legitimierten Machtgefälles vielfältige Schutzvorschriften zur Eindämmung von Missbrauch und zur Regulierung einflussbedingter Folgen getroffen (§§ 300 – 307, 309 f. AktG). Die nötige Einwirkungskontrolle ist damit im Vertragskonzern gesetzlich geregelt; davon wird die Anwendung der allgemeinen mitgliedschaftlichen Treuepflicht überlagert. Immerhin bei Teilgewinnabführungsverträgen kommt in Betracht, dass die Rechte der Aktionäre ergänzend auch durch die Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit gewahrt werden.507 Vorrangig gilt aber auch dort, dass der Aktionärsschutz durch die gesetzlichen Regelungen über das Erfordernis einer angemessenen Gegenleistung des Vertragspartners bzw. durch das Verbot der Gewährung von Sondervorteilen an einzelne Aktionäre durch die §§ 57, 58, 60 AktG sichergestellt wird. 506 Boese, Anwendungsgrenzen des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung, S. 120, der dagegen die These aufstellt, dass im Falle einer aktienrechtlichen Abhängigkeit und damit einhergehenden Beherrschung das Erfordernis sachlicher Rechtfertigung wegen der Relativierung der Verfolgung des Gesellschaftszwecks möglicherweise zugunsten derjenigen eines Konzerzwecks oder einer konzernspezifischen Treubindungskontrolle ausgeschlossen sei; vgl. auch Schmidt, GesR, S. 961 bei Fn. 105; Zöllner, ZHR 162 (1998), 235 ff. 507 Vgl. BGHZ 156, 38, 43 f.; siehe Henze/Notz, GroßKommAktG, Anh § 53 a AktG Rn. 153.
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Im Vertragskonzern spielt die Treupflicht der Aktionäre untereinander und gegenüber der Gesellschaft somit nur eine untergeordnete Rolle. Weitgehend wird diese von den Regeln der §§ 300 ff. AktG verdrängt, die einen hinreichenden Schutz der Minderheit vorsehen, was einen Rückgriff auf eine allgemeine Treupflicht entbehrlich macht. (c) Faktischer Aktienkonzern (aa) Ausgangspunkt Im faktischen Aktienkonzern wollen die §§ 311 ff. AktG das Spannungsverhältnis zwischen Macht und Verantwortung regeln. Für faktische Konzernverhältnisse im Recht der GmbH, auf die diese aktienrechtlichen Vorschriften nicht (analog) anzuwenden sind,508 kommt die mitgliedschaftliche Treuepflicht als Hauptinstrument der Einwirkungskontrolle des Konzernverhältnisses zum Tragen.509 Das wirft die Frage auf, ob nicht auch für den nicht von einem Unternehmensvertrag getragenen Aktienkonzern die Treuepflicht das beherrschende Prinzip für die Kontrolle sowohl der unmittelbaren als auch der mittelbaren Abhängigkeit ist.510 Die §§ 311, 317 AktG könnten in dieses umfassende Prinzip eines treupflichtgesteuerten Aktienkonzernrechts einzubetten und als stabilisierende Teilelemente im Sinn einer kodifizierten Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen AG verstanden werden.511 (bb) Anwendbarkeit der Treuepflicht im Abhängigkeitsverhältnis? Richtig ist zunächst, dass der Einfluss des faktisch herrschenden Unternehmens gesellschaftsrechtlich über das Eigentum an den Anteilen der abhängigen Gesellschaft vermittelt ist, sich der Nichtvertragskonzern also – entgegen der eingebürgerten Begriffsbezeichnung – nicht als „faktische“, sondern als mitgliedschaftsbedingte Eingriffsituation darstellt,512 so dass nach ihrem grundsätzlichen Anliegen der Anwendungsbereich der Treuepflicht als Instrument 508 Ganz h.M., siehe BGHZ 149, 10; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh § 318 Rn. 6 m.w.N. 509 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh § 318 Rn. 15 ff., 24 ff., 27 ff. m.w.N.; Henze, NZG 2003, 649, 654 f. 510 Vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 89 m.w.N. 511 Vgl. Zöllner, ZHR 162 (1998), 235 ff.; Henze/Notz, GroßKommAktG, Anh 53 a Rn. 154. 512 Zöllner ZHR 162 (1998), 235, 237; Hüffer, AktG, § 53 a Rn. 20; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 89; Henze/Notz, GroßKommAktG, Anh 53 a Rn. 155.
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der Einwirkungskontrolle eröffnet sein kann513. Gegner einer Anwendung der allgemeinen Treuepflicht nehmen demgegenüber an, wegen der mit Bedacht vorgesehenen Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs und des darin manifestierten organisationsrechtlichen Gehalts der Vorschrift sei der Rückgriff auf eine Treuepflicht im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG grundsätzlich ausgeschlossen. Die These, die §§ 311, 317 AktG könnten eine abschließende Regelung beinhalten514, ist allerdings nicht ohne weiteres stichhaltig, da mit Blick auf den geschichtlichen Ablauf bei Einführung der §§ 311 ff. AktG eine dem heutigen Stand entsprechende Treuepflicht mit ihrer Reichweite nicht anerkannt war und somit auch kaum von der Intention des historischen Gesetzgebers verdrängt sein kann.515 Der Gesetzgeber bezeichnet die Regelungen des Dritten Buches – und damit auch die §§ 311 ff. AktG – als „besondere Vorschriften, die bereits als Grundzüge einer Konzernverfassung anzusehen sind“516, geht also offensichtlich von der Unvollkommenheit der erlassenen Vorschriften aus. Man könnte zwar die Materialien als ersten Schritt zu einer Konzernverfassung verstehen517, jedoch die Maßnahmen zum Schutz außenstehender Aktionäre und Gläubiger als abschließend ansehen, so dass es im weiteren nur noch darum ginge, dieses Schutzrecht in ein umfassendes Organisationsrecht des Unternehmensverbundes als rechtlich gegliedertem Gesamtunternehmen zu integrieren518. Der Gesetzgeber bringt jedoch an anderer Stelle zum Ausdruck, dass auch die ausschließlich auf den vermögensmäßigen Bestandsschutz der verbundintegrierten Gesellschaft ausgerichteten Bestimmungen der §§ 311 ff. AktG keine erschöpfende Regelung, sondern nur das „Kernstück der Regelung des so genannten faktischen Konzerns“ darstellen.519 Damit wird klar, dass der Gesetzgeber die Regelung der nicht auf einen Beherrschungsvertrag oder Eingliederung gestützten Unternehmensverbindung nicht als abschließend verstanden hat, so dass durchaus Raum bleibt für eine Rechtsfortbildung auch zur Verbesserung des Minderheiten- und Gläubigerschutzes im Nichtvertragskonzern.520 513
Es sei denn, das herrschende Unternehmen ist Alleinaktionär, siehe unten 4. Teil. Vgl. hierzu Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, S. 210 f. 515 Vgl. auch Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 167. 516 RegBegr bei Kropff, AktG, S. 374. 517 Vgl. die diesbezüglich eher restriktiven Interpretationen der Regierungsbegründung bei Immenga, ZGR 1978, 269; Kropff, DB 1967, 2204, 2208. 518 Siehe Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, S. 211. 519 RegBegr bei Kropff, AktG, S. 407. 520 Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 241 f.; Eckert, Konzerneingangsschutz, S. 144; vgl. auch Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 45 f.; Salfeld, Wettbewerbsverbote, S. 180. 514
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Daher könnten gute Gründe dafür sprechen, die §§ 311 ff. AktG als ein gesetzlich standardisiertes Mindestregelwerk zu begreifen, in dem der Treuepflichtgedanke unter dem Aspekt des inzwischen erreichten Entwicklungsstandes nur rudimentär enthalten ist. Man braucht sich deshalb nicht zu scheuen, den Grundsätzen mitgliedschaftlicher Treubindung Zugang zum faktischen Aktienrechtskonzern zu verschaffen, um sie dort bedarfsabhängig als begleitendes Instrument anzuwenden.521 Das darf aber nur behutsam geschehen, da sich die Treuepflicht im Aktienrechtskonzern nicht zu einer „das Gesetz überlagernden Allzweckwaffe“ entwickeln darf.522 Denn die Treuepflicht kommt als argumentativer Ausgangspunkt nur in Betracht, soweit es – wie bei Fragen des konzernrechtlichen Präventivschutzes – an einer gesetzlichen Regelung fehlt.523 Umgekehrt liegt es, wenn diese Pflicht die Korrektur des Gesetzes, hier des § 311 AktG begründen soll.524 Denn § 311 AktG stellt in seinem Anwendungsbereich eine im Prinzip abschließende Regelung dar. Daran ist die Rechtsanwendung grundsätzlich gebunden. Zudem liegen die Voraussetzungen einer Lücke insoweit nicht vor. Denn Treuepflichten der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft sowie untereinander – nur sie sind hier relevant – hat der Sache nach schon das Reichsgericht anerkannt.525 Im Rahmen der Diskussion, die zum Konzernrecht des AktG 1965 führte, hat man sich auf sie berufen; in den Materialien wird sie zur Begründung eines Regelungsdetails angeführt.526 Die weitere Entwicklung des Ansatzes, namentlich seine Anerkennung durch die Judikatur des BGH, hat keineswegs zu gesicherten Ableitungsprämissen, erst recht nicht zu einem Regelungsgebäude geführt, das die §§ 311 ff. AktG als wertungsinkonsistenten Fremdkörper erscheinen ließe.527 Bis heute ist noch nicht einmal zureichend geklärt, inwieweit sich ungeschriebene und variable Pflichten mit der Gesamttendenz des Aktienrechts vereinbaren lassen, die Aktie als durch Gesetz und Satzung standardisiertes Rechts- und Pflichtenbündel auszugestalten.528 Mit gutem Grund ist deshalb der Tendenz entgegengetreten worden, die Treuepflicht zu einer das Gesetz überlagernden Allzweckwaffe zu entwickeln.529 Richtiger erscheint es, die §§ 311 ff. AktG umgekehrt als gesetzgeberische Konkretisierung der Treuepflichten aufzufassen, die einem herrschenden Un521
Vgl. Henze/Notz, GroßKommAktG, Anh 53 a AktG Rn. 155. Zu Recht Kropff, in MünchKommAktG, Vor § 311 AktG Rn. 19. 523 Vgl. hierzu Koppensteiner, in KölnKommAktG, Anh. § 318 Rn. 5. 524 Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 167 f. 525 Vgl. Flume, ZIP 1996, 161, 164. 526 Siehe Dettling, S. 164, 216 ff.; Kropff, Begr.RegE, S. 408. 527 Vgl. Zwissler, S. 138 ff. 528 Siehe Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 168 m.w.N. 529 Kropff, in MünchKommAktG, Vor § 311 AktG Rn. 19. 522
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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ternehmensgesellschafter aufgegeben sind530 und die sich, vor allem in Gestalt der §§ 312 ff. AktG und der Klagebefugnis nach § 317 AktG, als deutlich spezieller erweisen. Die Rechtslage des nicht unternehmerischen Mehrheitsgesellschafters kann demnach dem derzeitigen Stand der Rechtsentwicklung nicht entgegengehalten werden. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Treuepflicht im hier interessierenden Zusammenhang mehr hergibt als ein Schädigungsverbot, sind nicht ersichtlich. Ein Sonderfall ist allerdings gegeben, wenn kein außenstehender Aktionär vorhanden ist.531 Rechtsprechung532 und Schriftum533 zur GmbH verneinen in diesen Fällen eine Treuepflicht des Alleingesellschafters im Hinblick auf einen Minderheitenschutz. Diese Auffassung beansprucht auch im Aktienrecht Geltung.534 Sofern keine Minderheitsaktionäre vorhanden sind, würde eine allgemeine Treuepflicht zum Schutz außenstehender Aktionäre leer laufen. Auch wenn in diesen Fällen zwar ein Minderheitenschutz sinnlos wäre, besteht weiterhin ein Bedürfnis zum Schutz der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft. Hierfür enthält das GmbHG im Gegensatz zum AktG keine Regelungen, weshalb im GmbH-Recht zum Schutz der Gläubiger ein Rückgriff auf eine allgemeine Treuepflicht angezeigt ist. Im AktG dagegen lassen sich die §§ 311 ff. AktG in diesem Sinne als gesetzlich konkretisierte Treuepflicht verstehen. Hinsichtlich der aus der Treuepflicht abgeleiteten konzernrechtlichen Konsequenzen zeigt sich zudem, dass sich die meisten, wenn nicht alle, auch aus dem richtig verstandenen Gesetz begründen lassen.535 (cc) Schlussfolgerungen Demnach kann man zwar dem Grundsatz nach auch im faktischen Konzern vom Bestehen einer Treuebindung sowohl der Aktionäre untereinander als auch der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft ausgehen. Diese leitet sich vom Unternehmensgegenstand und dem Zweck der abhängigen Gesellschaft ab. Diese Treuepflichten sind auch bei der Durchführung von Umwandlungen zu beachten. Zur Ausgliederung einer GmbH hat das OLG Stuttgart536 eine Treuepflicht 530 So auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 114 f.; Schneider/Burgard, FS Ulmer, S. 579, 591; Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 168. 531 Im Einzelnen siehe unten VIII.A.1.a)(2)(a). 532 BGHZ 119, 257, 262; 122, 333, 336; 151, 181. 533 H. Winter, in Scholz, GmbHG 9.Aufl. § 14 Rn. 52; Pentz, in Rowedder, § 13 GmbHG Rn. 38; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 13 GmbHG Rn. 21. 534 Henze/Notz, in GroßKommAktG, Anh § 53a AktG Rn. 44. 535 Koppensteiner, KölnKommAktG, § 311 Rn. 169; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 89. 536 Urt. v. 28.1.2004 – 20 U 3/03.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
eines Mehrheitsgesellschafters bei der Zustimmung zur Ausgliederung zur Aufnahme betont. Zum Inhalt der Treuepflicht äußerte sich das Gericht jedoch nur, dass der Mehrheitsgesellschafter dafür Sorge zu tragen hat, dass der ausgliedernden Gesellschaft in Form der vom übernehmenden Rechtsträger gewährten Anteile ein angemessener Gegenwert für das übertragene Vermögen zukommt; dies betrifft jedoch den noch zu behandelnden schuldrechtlichen Teil des Umwandlungsvertrags. Über eine Treuepflicht in Bezug auf die Zweckmäßigkeit der Umwandlungsmaßnahme war dagegen nicht zu entscheiden, so dass hierzu die obigen Ausführungen weiter Bestand haben. Im Recht der abhängigen AG existieren jedoch im Gegensatz zum Recht der GmbH spezielle Vorschriften zur Berücksichtigung der Interessen im Unternehmensverbund. Deshalb ist nach der herrschenden Ansicht im Aktienrecht hinsichtlich des Bestehens einer Treuebindung der Gesellschaft gegenüber den Aktionären, welche grundlegend für das Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung ist, die Privilegierung der Konzerninteressen durch das Regelungswerk der §§ 311 ff. AktG zu berücksichtigen.537 Wie dargestellt538, erlauben die §§ 311 ff. AktG durch die Möglichkeit einer Nachteilszufügung bei Leistung eines Nachteilsausgleichs auch auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft eine Beachtung des Konzernzwecks. Die abhängige Gesellschaft bzw. deren Leitung darf, ohne ihrerseits Sanktionen befürchten zu müssen, nachteilige Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte vornehmen, sofern der Nachteil ausgeglichen wird bzw. ein Anspruch gewährt wird. Zugunsten des herrschenden Unternehmens genügt es, den Nachteil innerhalb des laufenden Geschäftsjahrs auszugleichen.539 Die Privilegierung greift allerdings nur bei Vorliegen eines Konzerninteresses.540 Somit kann man sich auf den Standpunkt stellen, dieses privilegierende Konzerninteresse überlagere die allgemeine Treuepflicht und stelle seinerseits eine sachliche Rechtfertigung dar, mit den Folgen der §§ 311 ff. AktG. Ein weiteres Argument gegen die Anwendbarkeit einer allgemeinen Treuepflicht im Fall von Umwandlungen nach dem UmwG folgt aus der Tatsache, dass sich eine Treuebindung vom Unternehmensgegenstand und dem Gesellschaftszweck der abhängigen Gesellschaft ableitet, diese durch die Verschmelzung jedoch erlischt. Zwar ist entscheidend für die Bestimmung der Nachteilig537
Siehe auch Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 174, der Treuepflichten des Mehrheitsaktionärs im Innenverhältnis unter Hinweis auf die §§ 311 ff. AktG im allgemeinen nicht für einschlägig erachtet; anders möge dies jedoch bei qualifizierter Abhängigkeit sein. 538 Vgl. 2. Teil A.III. 539 Hogh, in Die Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 I AktG, S. 12 f. 540 Siehe zum Konzerninteresse Linsmann, Ausgleichsanspruch nach § 311 II AktG, S. 8 f.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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keit der Verschmelzung zunächst allein der Zeitpunkt der Vornahme der Verschmelzung bzw. des Verschmelzungsbeschlusses. Zu diesem Zeitpunkt können Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck zweifellos zur Begründung und Konkretisierung einer möglichen Treuepflicht herangezogen werden. Jedoch weist die Strukturentscheidung, um die es sich bei einer Umwandlung handelt, keinen Zusammenhang mit der Zweckverfolgung auf. Sie zielt vielmehr auf die Übertragung des in der Gesellschaft gebundenen Vermögens und das damit einhergehende Erlöschen der Gesellschaft ab. Der Anteilseigner kann daher nicht aus der vom Gesellschaftszweck abgeleiteten Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber Mitaktionären zur Förderung541 oder Verhinderung einer Grundlagenentscheidung verpflichtet sein. Er kann seine Entscheidung zur Verfolgung eigennütziger Rechte ausrichten542. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verschmelzung durch das mit ihr verbundene Erlöschen der Gesellschaft zugleich zu einer Veränderung des Gesellschaftszwecks bzw. zu dessen Beseitigung führt. Obgleich grds. während des Bestehens der Gesellschaft der Gesellschaftszweck nur einvernehmlich in analoger Anwendung von § 33 BGB geändert werden kann543, genügt nach dem UmwG eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Insoweit lässt sich der Schluss ziehen, dass die Verschmelzung nach dem UmwG eine besondere Form der Änderung des Gesellschaftszwecks und des Erlöschens der Gesellschaft darstellt. (dd) Auswirkungen der Treuepflicht Zwar könnte man mit Boese annehmen, dass gerade dann Besonderes gilt, wenn sich die Mitgliedschaft nach der Verschmelzung in der Beteiligung an einer anderen Gesellschaft fortsetzt. Doch in diesem Fall greift genau die oben behandelte Frage ein, ob im Bereich des Umwandlungsrechts für den Beschluss der Hauptversammlung eine sachliche Rechtfertigung erforderlich ist. Dagegen spricht mit der h.M. zum einen die durch das UmwG vorgesehene Legitimation der Verschmelzung als besondere Form des Erlöschens der Gesellschaft bzw. Beendigung des Gesellschaftszwecks; diese gesetzliche Wertung steht einem Erfordernis eines sachlichen Grundes entgegen. Zum anderen spricht gegen die Notwendigkeit einer sachlichen Rechtfertigung die von der h.M. verfolgte Konsequenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche für die durch die Treuepflicht geschaffene inhaltliche Kontrolldichte bei Hauptversammlungsbe541 BGHZ 129, 136: in der sog. „Girmes“-Entscheidung urteilte der BGH, dass im Fall der GmbH aus der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft eine Pflicht zur Förderung einer Grundlagenentscheidung nicht hergeleitet werden kann. Auch in der AG kann diesbezüglich nichts anderes gelten. 542 Vgl. Henze, ZHR 162 (1998), 186, 192. 543 Siehe hierzu beispielhaft Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, S. 215 f. m.w.N.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
schlüssen zwischen zwei Typen von Beschlüssen unterscheidet: Solche, die einer Rechtfertigungskontrolle unterliegen, und solche, die einer allgemeinen Missbrauchskontrolle unterliegen und damit im Kern nur bei Verstoß gegen die allgemeinen Regeln wie Treu und Glauben, den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Sondervorteilsverbot anfechtbar sind.544 Konsequenz dieser Entscheidungen mit Hinblick auf das nach Begründung dieser Rechtsprechung eingeführte UmwG mit seinen umfassenden und abwägenden Schutzvorschriften zugunsten von Minderheitsaktionären und außenstehenden Gläubigern kann daher nur sein, dass der entsprechende Hauptversammlungsbeschluss keiner Rechtfertigungskontrolle unterliegt. Das UmwG beinhaltet selbst eine umfassende Abwägung der Interessen der qualifizierten Mehrheit und der (überstimmten) Minderheit und stellt hierfür sowohl formelle als auch materielle Vorgaben auf.545 Somit lässt sich festhalten, dass neben (bzw. trotz) §§ 311 ff. AktG zwar eine Treuepflicht besteht. § 311 AktG ist aber gerade Ausdruck dieser Treuepflicht. Um darüber hinaus eine allgemeine Treuepflicht zur Kontrolle des Handelns der Anteilseigner bzw. der Hauptversammlung als Organ der abhängigen Gesellschaft zu bemühen, besteht in diesem Anwendungsbereich keine Regelungslücke, zumal zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber die AG bewusst als konzernoffen ausgestaltet hat.546 Diese Grundwertung darf nicht durch einen Rückgriff in ihr Gegenteil verkehrt werden.547 Im Fall der Verschmelzung sind zusätzlich die aufgezeigten Mechanismen des UmwG zu beachten, welche einen weit reichenden Minderheiten- und Gläubigerschutz beinhalten, der insoweit nicht weiter durch eine allgemeine Treuepflicht unterstützt zu werden braucht.
bb) Ergebnis Somit folgt diese Arbeit der herrschenden Ansicht, wonach eine sachliche Rechtfertigung nicht erforderlich ist und keine Kontrolle der Zweckmäßigkeit der Verschmelzung nach objektiven Kriterien stattfindet. Vielmehr obliegt diese Einschätzung allein den Anteilsinhabern, die in der Hauptversammlung über die Verschmelzung abzustimmen haben. Diese haben freilich das Rechtsmissbrauchsverbot sowie das aus dem Prinzip der Gleichbehandlung folgende Will544
Siehe hierzu ausführlich oben 3. Teil B.I.2.a) aa)(1). Sollte man bei Eingreifen der §§ 311 ff. AktG dagegen einen sachlichen Grund für den Verschmelzungsbeschluss fordern, könnte man diesen sogar im Vorliegen eines für das Eingreifen von § 311 Abs. 1 AktG notwendigen Konzerinteresses sehen. 546 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 1, 5. 547 So Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 5. 545
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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kürverbot als allgemeine Rechtsgrundsätze zu beachten. Eine über §§ 311 ff. AktG hinausgehende und eine Rechtfertigungskontrolle auslösende Treuepflicht ist in diesem Bereich nicht anzuerkennen. Hieraus lässt sich ein Rückschluss für die §§ 311 ff. AktG und die mögliche Nachteiligkeit einer Verschmelzung ziehen. Auch das herrschende Unternehmen ist nach dem UmwG mangels Erfordernis einer sachlichen Rechtfertigung nicht verpflichtet, eine für die abhängige Gesellschaft zweckmäßige Umwandlungsmaßnahme zu verfolgen. Eine Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens nach den §§ 311 ff. AktG würde diese gesetzliche Zulassung der Umwandlung durch das UmwG unterlaufen, obgleich die dargestellten gesetzlich abgewogenen Schutzvorschriften der Minderheit ausreichende Möglichkeiten zur Reaktion bieten. Damit lässt das UmwG nicht die Frage der Nachteiligkeit des Zwecks („Ob“) einer Verschmelzung zu. Da kein sachlicher Grund für die Vornahme der Verschmelzung erforderlich ist, kann auch kein solcher auf seine Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG untersucht werden. Diese gesetzliche Wertung des UmwG ist auf die Regelungen der §§ 311 ff. AktG zu übertragen, bei denen daher auch nicht beantwortet werden kann, inwieweit die Vornahme der Verschmelzung einen Nachteil darstellen könnte. Zwar ist das Bestehen einer Treuepflicht auch im Unternehmensverbund grds. anzuerkennen. Diese wird im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG jedoch von diesen Vorschriften erfasst und hat daher kaum mehr eigenständige Bedeutung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Treuepflicht, die sich aus dem Gesellschaftszweck herleitet, bei Grundlagenentscheidungen wie einer Verschmelzung, die gerade diesen Gesellschaftszweck beseitigt, keinen entscheidenden Einfluss haben kann. Offensichtlich ist zwar, dass diese Entscheidungen nicht willkürlich und ohne Rücksicht auf die gesellschaftsbezogenen Interessen der übrigen Anteilsinhaber getroffen werden darf. Das UmwG stellt jedoch formelle und inhaltliche Sonderregelungen auf, die derartige Entscheidungen zu verhindern helfen. Darüber hinaus verlangt die Anwendung von §§ 311 ff. AktG ein Handeln im Konzerninteresse, was eine willkürliche Entscheidung ausschließt.
b) Weitere Argumente aa) Kompetenz der Hauptversammlung An einer Beurteilung der Entscheidung zur Vornahme und des Zwecks einer Verschmelzung als nachteiliges Rechtsgeschäft lässt sich auch deshalb zweifeln, weil § 311 Abs. 1 AktG schon nach seinem Wortlaut – wie bereits er-
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
wähnt – ein aufgrund der Veranlassung des herrschenden Unternehmens vom Vorstand der abhängigen Gesellschaft oder anderen vertretungsberechtigten Personen durchgeführtes Rechtsgeschäft oder eine entsprechende Maßnahme erfordert. Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht zwar kein Zweifel daran, dass auch die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung als Veranlassung i.S.v. § 311 AktG in Betracht kommt.548 Entscheidender Beurteilungsgegenstand für einen Nachteil sind jedoch immer nur die Auswirkungen der Veranlassung, also die Exekutivakte. Der zustimmende Verschmelzungsbeschluss der Hauptversammlung ist kein relevanter Akt; er liegt vielmehr in der Kompetenz der Anteilsinhaber, nicht der Exekutive.549 Vergleichbare Auswirkungen auf die Unternehmensverfassung hat die Entscheidung über die Änderung des Unternehmensgegenstandes bzw. des Gesellschaftszwecks. Zugleich mit dem entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss über die Änderung des Unternehmensgegenstandes und des Gesellschaftszwecks ändert sich auch der Beurteilungsmaßstab für das Verhalten des Vorstands und untergeordneter Vertreter der Gesellschaft.550 Diejenigen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die nach der Änderung des Unternehmensgegenstandes oder des Gesellschaftszwecks vorgenommen werden, könnten deshalb nicht mehr als nachteilig angesehen werden. Sie liegen in einem neu definierten Interesse der abhängigen Gesellschaft. Verschmelzungen ist zwar wegen der Beendigung der übertragenden Rechtsträger auch eine entsprechende Änderung des Unternehmensgegenstandes und des Gesellschaftszwecks wesenseigen. Dies ist allerdings nur ein Bestandteil des Projekts „Verschmelzung“. Der Verschmelzungsvertrag kann hiervon nicht getrennt werden. Denn der zustimmende Hauptversammlungsbeschluss gründet auf dem Entwurf bzw. auf dem schon abgeschlossenen Verschmelzungsvertrag und beinhaltet gerade auch die Zustimmung zum Inhalt des Vertrags und stellt nicht lediglich eine Änderung des Unternehmensgegenstandes oder des Gesellschaftszwecks dar. Die Folgen der Verschmelzung treten zudem erst mit Eintragung in das Handelsregister ein, § 20 UmwG. Es verbietet sich daher eine verkürzte Betrachtung des Vorgangs als bloß rein organisatorische Maßnahme wie die Änderung des Unternehmensgegenstandes oder des Gesellschaftszwecks. Allerdings lässt sich aus diesem Vergleich mit einer bloßen Änderung des Gesellschaftszwecks oder des Unternehmensgegenstandes mittels einer Satzungsänderung dennoch ein Argument dafür entnehmen, dass das organisatori548
Vgl. auch Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung, S. 156. Vgl. oben ausführlich 3. Teil A.I.1. Zum Sonderfall des § 62 Abs. 1 UmwG sogleich unter 3. Teil B.I.2.c). 550 Siehe Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung, S. 74 ff., 156. 549
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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sche Element der Verschmelzung nicht als Nachteil angesehen werden kann. Denn auch beim Beschluss über eine Satzungsänderung, der offensichtlich in die Kompetenz der Hauptversammlung fällt, verbietet sich eine Nachteilsbeurteilung i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG. Im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG ist danach zu fragen, wie der Vorstand einer als unabhängig gedachten Gesellschaft bei Vornahme der Maßnahme gehandelt hätte. Liegt die zu beurteilende Maßnahme, wie auch im Fall der Verschmelzung der zustimmende Hauptversammlungsbeschluss, im Kompetenzbereich der Aktionäre, kann nicht danach gefragt werden, wie der Vorstand einer fiktiven unabhängigen Gesellschaft in dieser Situation im Rahmen der Beschlussfassung abgestimmt hätte. Lediglich die Bewertung von Beschlüssen, in denen die Hauptversammlung ausnahmsweise zu Fragen der Geschäftsleitung Stellung nehmen darf, §§ 119 Abs. 2, 292 AktG, ist mit dem Beurteilungsmaßstab des § 317 Abs. 2 AktG durchführbar und sinnvoll. Würde man im Fall des Verschmelzungsbeschlusses dennoch eine an diesem Verhaltensmaßstab sich orientierende Bewertung – allerdings gerichtet auf die abstimmenden Aktionäre – vornehmen, würde dies nicht nur zu einem in der Praxis eigenartigen Instrument zur Kontrolle von Beschlüssen der Hauptversammlung551, sondern auch zu einer Vermengung von Vorstandspflichten und Gesellschafterinteresse führen. Vor Inkrafttreten des UmwG wurde dagegen zum Teil552 vertreten, dass gerade die Unzweckmäßigkeit einer Fusion zum Nachteil der übertragenden oder übernehmenden Gesellschaft führen kann. Es sei sogar eine in Geld ausdrückbare Beeinträchtigung der fusionierenden Unternehmen messbar. Denn die Fusion sei dann unzweckmäßig, wenn sie zu einer Ertragsbeeinträchtigung der fusionierten Unternehmen führe. Zweifellos sei eine Ermittlung der genauen Höhe einer solchen Beeinträchtigung in Geld schwierig. Doch auch die Quantifizierung anderer Nachteile der abhängigen Gesellschaft bereite Schwierigkeiten, so dass dies kein Gegenargument sein könnte553.
551
Insbesondere kann hier nicht ohne weiteres an die aus der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber einer Minderheit angeknüpft werden, da die §§ 311 ff. AktG auch im Fall der 100%igen Tochtergesellschaft eingreifen. Diese Treupflicht beinhaltet zudem keinen konzernspezifischen Maßstab für die Bewertung des Verhaltens der herrschenden Gesellschaft. Deshalb müsste zunächst ein passender konzernspezifischer Maßstab entwickelt werden, was allerdings zu einer dem Sinn und Zweck der §§ 311 ff. AktG widersprechenden Analogie führen würde, vgl. zur analogen Anwendung der §§ 311 ff. AktG auf die satzungsmäßige Indienststellung einer abhängigen Gesellschaft Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung, S. 158. 552 Vgl. Stahl, Das Verbot der Benachteiligung abhängiger Aktiengesellschaften, S. 98 f. 553 So jedoch Immenga, BB 1970, 629 ff. Allgemein zur Irrelevanz der fehlenden Quantifizierbarkeit siehe oben 2. Teil A.V.3.a).
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Entscheidend ist hier jedoch die Tatsache, dass die Entscheidung über die Vornahme einer Verschmelzung als Grundlagenentscheidung der Hauptversammlung und nicht der Geschäftsführung der beteiligten Rechtsträger zugewiesen ist. Die Entscheidung hierüber obliegt allein deren Verantwortung und führt zum Erlöschen der Gesellschaft. Wie bei der Entscheidung über eine Liquidation sind die Anteilsinhaber frei von einer Treuepflicht. Sie können sich von eigennützigen Interessen, hier vom Konzerninteresse des herrschenden Unternehmens, leiten lassen. Das Argument, eine unzweckmäßige Umwandlung sei nachteilig, wenn sie die Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft beeinträchtigt, schlägt fehl. Denn die Gesellschaft erlischt gerade durch die wirksame Verschmelzung, so dass diese Gesellschaft genau genommen keinerlei Ertrag mehr erwirtschaften kann. Es ist zwar richtig, dass die Anteile des übertragenden Rechtsträgers in Anteile einer anderen Gesellschaft getauscht werden, die ihrerseits Erträge erwirtschaften soll. Hierbei versucht das UmwG, wie noch zu zeigen sein wird, einen angemessenen Anteilstausch sicherzustellen. Darüber hinaus ist das Interesse der Minderheit bei Umwandlungen wie bei der Auflösung durch ein Abfindungsangebot nach § 29 UmwG gewahrt. Die oben aufgeführten Argumente vor Inkrafttreten des UmwG können daher bei Geltung des UmwG nicht mehr überzeugen. Hauptargument gegen eine Beurteilung der Entscheidung zur Vornahme einer Umwandlung als nachteilig ist die tatsächliche Kompetenzverteilung des UmwG. Während die Frage des „Ob“ der Umwandlung der Hauptversammlung zugewiesen ist, greifen die §§ 311 ff. AktG nur auf der Ebene der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft ein. Es handelt sich um unterschiedliche Gesetzesmechanismen. Die Kompetenz der Hauptversammlung zur Entscheidung über die Vornahme einer Umwandlung wird insoweit durch das UmwG geregelt und verbietet daher auf dieser Ebene eine Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG.
bb) Unterschied zur Einzelübertragung von Vermögen außerhalb des UmwG Diese prinzipielle Kompetenzverteilung des UmwG ist zudem wesentlicher Unterschied gegenüber der Rechtslage bei einer Einzelübertragung von Vermögen außerhalb des UmwG. Außerhalb des UmwG ist der Vorstand der AG zuständig für die Übertragung von Vermögen und handelt insoweit aufgrund und im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis, § 76 AktG, jedenfalls sofern kein „Holzmüller“-Fall gegeben ist.554 Bei der Übertragung von Vermögen außerhalb des UmwG, z.B. bei einer Ausgliederung oder einer Veräußerung von Betriebsteilen, gibt die Gesellschaft Teile des Gesellschaftsvermögens ab. 554
Vgl. hierzu oben 3. Teil B.I.1.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Im Gegenzug erhält die Gesellschaft einen Gegenwert. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung lässt sich anhand der zu § 311 AktG in der Literatur diskutierten Kriterien auf seine Angemessenheit bzw. Nachteiligkeit bewerten. Bei Durchführung einer Maßnahme nach dem UmwG ist dies jedoch anders. Mit Ausnahme der Ausgliederung wird nicht der das Vermögen übertragenden Gesellschaft, sondern unmittelbar den Anteilsinhabern das abgegebene Vermögen in Form eines Anteilstauschs ausgeglichen. Die Umwandlung bedarf stets der Zustimmung der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft. Dies gilt sogar in Bagatellfällen, etwa bei der Ausgliederung lediglich geringer Vermögenswerte. Diese unterschiedliche Kompetenzverteilung des UmwG zeigt insoweit den Wesensunterschied bei einer Durchführung einer Maßnahme nach den Vorschriften des UmwG und einer Einzelrechtsnachfolge. Das UmwG weist den Aktionären der übertragenden Gesellschaft die Entscheidungsbefugnis über die Durchführung der Umwandlung selbst zu, da es sich bei derartigen Maßnahmen um Grundlagengeschäfte handelt. Insoweit sind die Aktionäre in der Verantwortung. Ihrer Entscheidung setzt das UmwG keine Grenzen, insbesondere verlangt es keinen Grund für die Verfolgung ihrer mit der Umwandlung verbundenen Interessen. Dass sie dabei eigene Interessen verfolgen können, ist einem Grundlagengeschäft wesenseigen, da derartige Maßnahmen außerhalb von Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand stattfinden. Freilich sind die Vorschriften des UmwG zu beachten. Die §§ 311 ff. AktG können insoweit mangels tauglichen Bewertungsgegenstands aber keine Anwendung finden.
cc) Bedeutung von § 83 AktG In diesem Zusammenhang kann auch die Möglichkeit der Hauptversammlung zu einem Vorgehen nach § 83 AktG555 angeführt werden. § 83 Abs. 1 AktG gibt der Hauptversammlung die Möglichkeit, mittels eines förmlichen Beschlusses den Vorstand zur Vorbereitung von Maßnahmen zu verpflichten, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen.556 Für Verschmelzungen ist die Hauptversammlung gemäß §§ 65 Abs. 1, 73 UmwG zuständig. Bei Weigerung des Vorstands der abhängigen AG zur Vorbereitung der von der herrschenden Gesellschaft geplanten Verschmelzung steht dem herrschenden Unternehmen somit die Möglichkeit zu, den Vorstand zur Vorbereitung der Maßnahme zu verpflichten. Folgt der Vorstand diesem Beschluss, unterfällt sein 555
Zum Einsatz dieser Möglichkeit der Hauptversammlung zur Erzwingung einer Umwandlungsmaßnahme vgl. ausführlich unten 5. Teil D. 556 Hüffer, AktG, § 83 AktG Rn. 2.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Handeln nicht der Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG. Im Gegenteil würde eine Missachtung des Hauptversammlungsbeschlusses zu einer Sorgfaltsverpflichtung nach § 93 AktG führen. Auch diese aktienrechtliche Kompetenzregelung verbietet eine Vermengung der Sorgfaltspflichten der Aktionäre einerseits und des Vorstands andererseits. Die Bedeutung des § 83 Abs. 2 AktG zeigt sich vor allem beim Vergleich der Pflichten des Vorstands bei der Vorbereitung der entsprechenden Hauptversammlungsbeschlüsse und in deren Anschluss: grundsätzlich ist der Vorstand bei der Vorbereitung von Hauptversammlungsbeschlüssen verpflichtet, im Rahmen der Begründungspflicht von § 8 Abs. 1 UmwG sowohl das „Ob“ der Strukturmaßnahme wie die inhaltliche Ausgestaltung, also das „Wie“, rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern. Dies beinhaltet nicht nur die Rechtmäßigkeit des Vertragsschlusses und des Vertragsinhalts, sondern auch die Zweckmäßigkeit. Hierbei ist in dem Bericht darzulegen, welche Gründe die Verschmelzung als das „geeignete Mittel zur Verfolgung des Unternehmenszwecks“ erscheinen lassen.557 Der Vorstand hat das Für und Wider der geplanten Verschmelzung darzulegen sowie den Vertragsinhalt zu erläutern und auf mögliche Risiken hinzuweisen558. Im Anschluss an eine Entscheidung der Hauptversammlung entfällt jedoch die Pflicht zur Zweckmäßigkeitsprüfung.559 Eine solche würde auch nicht der Konzeption des AktG entsprechen. Diese Folgerung ergibt sich zum einen aus § 93 Abs. 4 S. 1 AktG. Hiernach kommt es dann zur Privilegierung des Vorstandshandelns, wenn der Beschluss „gesetzmäßig“ ist. Anders als bei den Erläuterungs- und Begründungspflichten im Vorfeld der Beschlussfassung wird daher nicht mehr nach „rechtlich und wirtschaftlich“ differenziert.560 Ist der Beschluss bloß unzweckmäßig im Sinne von unternehmerisch unvernünftig, greift die Haftungsprivilegierung nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG und der Vorstand unterliegt konsequenterweise auch einer uneingeschränkten Folgepflicht.561 Da im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG, wie aus dem bereits ausgeführten Verhältnis von § 317 Abs. 2 AktG und § 93 AktG folgt, ein Nachteil nur bei einem notwendigerweise ebenfalls vorliegenden Sorgfaltsverstoß des Vorstands der ab-
557
BT-Drucks 12/6699, S. 83 f. Vgl. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 301 f. 559 Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 336 f. 560 Vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwG, aber auch § 293 a Abs. 1 Satz 1 AktG. 561 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sich nachträglich die Umstände geändert haben. Dann ist der Vorstand aufgrund seiner allgemeinen Pflicht zur Unternehmensplanung gehalten, auf die neuen Umstände zu reagieren und ggf. eine weitere Entscheidung der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzuschlagen, vgl. Habersack, in GroßKommAktG, § 83 Rn. 13. 558
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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hängigen Gesellschaft gegeben sein kann, besteht bei einem Vorgehen nach § 83 AktG diese Möglichkeit nicht. Die Beschränkung der Überprüfung des Beschlusses auf seine Rechtmäßigkeit und die daraus resultierende Grenze der Folgepflicht nach § 83 Abs. 2 AktG entspricht der Systematik des Beschlussmängelrechts. So kommt die Nichtigerklärung eines Hauptversammlungsbeschlusses allein wegen wirtschaftlicher Unvernunft nicht in Betracht. Die Beschlussmängel gemäß §§ 241, 243 Abs. 1 AktG beziehen sich nur auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses wegen Verstoßes gegen gesetzliche Normen oder die Satzung.562 Darüber hinaus können Aktionäre Abstimmungsfreiheit beanspruchen und sind nicht verpflichtet, Beschlüsse zu fassen, die stets die optimale Verwirklichung des Gewinnziels darstellen.563 Der Vorstand hat demnach zwar im Vorfeld des Beschlusses auf Gefahren und auch die mögliche Sachwidrigkeit hinzuweisen. Ist ihm dabei kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen, hat er auch den möglicherweise unvernünftigen Beschluss auszuführen. Daraus folgt, dass das AktG in seiner Grundkonzeption die Verantwortung für zweckmäßige Beschlüsse vorwiegend der Hauptversammlung und damit den Aktionären zuschreibt. Bei der Vornahme von Umwandlungen nach dem UmwG bedeutet dies, dass die Aktionäre eigenverantwortlich über das „Ob“ der Vornahme entscheiden, freilich auf Basis der Erläuterungen durch den Vorstand. Wird dennoch die Entscheidung getroffen, so geschieht dies allein aufgrund der Verantwortung der Aktionäre. Ein Handeln der Gesellschaft i.S.v. §§ 311 ff. AktG, also ein Exekutivakt, liegt insoweit nicht vor, so dass insofern auch kein relevanter Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG eintreten kann.
dd) Legitimation des Erlöschens der Gesellschaft durch das UmwG Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das UmwG für die Vornahme einer Verschmelzung, wie beschrieben, ein besonderes formelles Verfahren vorsieht. Innerhalb dieses Verfahrens und unter Beachtung dieser Vorschriften legitimiert das UmwG allein durch die Bereitstellung der Möglichkeit einer Verschmelzung die Entscheidung zu ihrer Vornahme. Auch schon unter der Geltung von § 351 AktG a.F. war anerkannt, dass insbesondere eine Verschmelzung zwischen einem herrschenden und einem abhängigen Unternehmen
562 563
Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 338. Siehe Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 219 f., 223 f.
154
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
im Grundsatz zulässig und rechtmäßig ist;564 ein sachlicher Grund, der für die Verschmelzung sprechen müsste, sei nicht erforderlich.565 Das UmwG respektiert dadurch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, worunter insbesondere alle privatrechtlichen vermögenswerten Rechte und Güter fallen566, somit auch der Aktienbesitz567, und schützt insofern die „Nutzung“ dieses Eigentums. Freilich ist die Rechtsposition nur innerhalb der Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG geschützt, zu welchen sowohl die aktienrechtliche Organisationsverfassung568 als auch das UmwG zählen. Hiernach werden die in der Mitgliedschaft verkörperten Verwaltungsund Vermögensrechte der Aktionäre zum einen zu Gunsten der Bindung an die Mehrheitsmacht, zum anderen aber auch zum Schutz der Minderheit begrenzt. Dabei verlangt § 13 UmwG eine Dreiviertelmehrheit der Hauptversammlung, um sowohl die Interessen der Mehrheit zu ermöglichen als auch zugleich die Minderheit zu schützen. Das UmwG fordert mit dem Erfordernis einer ¾Mehrheit somit sogar eine höhere Hürde als zur Abhängigkeit i.S.v. § 311 i.V.m. § 17 Abs. 2 AktG nötig wäre. Das UmwG geht daher selbst davon aus, dass diese organisatorischen Maßnahmen nur bei großen Mehrheiten durchgeführt werden können. Durch diese hohe Hürde von drei Vierteln des auf der Hauptversammlung vertretenen Kapitals ist das UmwG strenger und nimmt somit auch abhängigkeitsspezifische Risiken in sich auf. Darüber hinaus sieht das UmwG weitere, oben erläuterte Vorkehrungen zum Schutz der Interessen der Minderheit vor. Das UmwG bietet darüber hinaus einen Interessenausgleich und lässt dennoch die Verschmelzung bzw. Spaltung als zwecksneutrale Entscheidungen bezogen auf den Gesellschaftszweck zu, welche außerhalb von diesem zu bewerten sind. Da das UmwG keine weiteren inhaltlichen Anforderungen stellt, muss für eine solche Entscheidung der Beschluss lediglich der erforderlichen Mehrheit genügen, ohne dass weiter ein sachlicher Grund zu fordern ist.569 Vor Inkrafttreten des UmwG kam Mielert bei der Untersuchung der Nachteiligkeit einer Stilllegung oder Auflösung der abhängigen Gesellschaft zu dem – dieser Arbeit kongruenten – Ergebnis, dass zwar eine Stilllegung nicht mit der 564
Vgl. Grunewald, in G/H/E/K, § 351 Rn. 5 mit Verweis auf § 352 b AktG a.F. So Grunewald, in G/H/E/K, § 351 Rn. 5 sowie § 340c Rn. 16. 566 Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, § 23 Rn. 970. 567 BVerfGE 14, 262, 276; BVerfGE ZIP 99, 532, 950 und 2000, 1670. 568 Grundlegend BVerfGE 50, 290, 341 ff.; Schöner, in FS Ulmer, 1359, 1362; Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 52 m.w.N. 569 Vgl. Lutter, Zur inhaltlichen Begründung von Mehrheitsbeschlüssen – Besprechung der Entscheidung BGH WM 1980, 378, ZGR 1981, 171, 175 allerdings zum Auflösungsbeschluss. Konsequent gilt dasselbe für den Umwandlungsbeschluss als vom Gesetz zugelassene Entscheidung. 565
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
155
Konzeption der §§ 311 ff. AktG vereinbar wäre, eine Auflösung als ausdrücklich gesetzliche Regelung aber schon.570 Zwar stelle die Auflösung zweifellos die einschneidendere Maßnahme dar. Die unterschiedliche Behandlung sei aber dadurch gerechtfertigt, dass bei der Auflösung der Gesellschaft die Rechte der Minderheitsaktionäre und der Gläubiger durch das Gesetz ausreichend geschützt werden.571 Diese Sicherungen sind bei einer Betriebseinstellung nicht gegeben, so dass hier eine Umgehung der Auflösungsvorschriften ohne weiteres möglich wäre. Weiter ist zu berücksichtigen, dass bei einer bloßen Stilllegung für die Außenstehenden die Gefahr besteht, nicht an der Entscheidung beteiligt zu werden.572 Gleiches muss nun nach Inkrafttreten des UmwG konsequent für den Fall der Umwandlung gelten. Das früher für Verschmelzungen vorgebrachte Argument, die Form des vermögensrechtlichen Ausgleichs durch Gewährung einer angemessenen Abfindung an die Minderheitsaktionäre und Möglichkeit der Gläubiger, eine Sicherheitsleistung zu verlangen, trage das System der §§ 311 ff. AktG nicht573, kann insoweit nicht mehr aufrecht erhalten werden. Denn gerade diese Möglichkeiten sieht das UmwG für diese Fälle vor. Es ist daher im Fall der Umwandlung aus Sicht der §§ 311 ff. AktG im Zusammenspiel mit den Vorschriften des UmwG unschädlich, dass die abhängige Gesellschaft aufhört, als werbende zu bestehen. Denn der innere Wertzuwachs des Unternehmens ist durch die Möglichkeit der Abfindung und des angemessenen Ausgleichs nicht verloren. Es kann daher auch hier weiter die Fiktion nach § 311 AktG aufgestellt werden, den Aktionär und Gläubiger so zu stellen, als wenn er an einer unabhängigen Gesellschaft beteiligt wäre.
c) Sonderfall des § 62 Abs. 1 UmwG Einen Sonderfall regelt § 62 UmwG. Dieser erleichtert die Verschmelzung von Gesellschaften, an denen die übernehmende Gesellschaft eine hohe Beteiligung hält (Konzernverschmelzungen). § 62 Abs. 1 UmwG stellt eine Ausnahme vom Grundsatz des Zustimmungserfordernisses auf Seiten der übernehmenden Gesellschaft auf, sofern diese mindestens neun Zehntel des Grund-
570
Mielert, Grenzen der Leitungsbefugnis des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern, S. 72 f. 571 §§ 262 ff. AktG. Siehe Mielert, Grenzen der Leitungsbefugnis des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern S. 74. 572 Insoweit hat hier die sog. Holzmüller-Rechtsprechung des BGH Grenzen gesetzt, vgl. 3. Teil A.I. 573 So zur Stilllegung Mielert, Grenzen der Leitungsbefugnis des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern, S. 73.
156
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
bzw. Stammkapitals der übertragenden Gesellschaft hält.574 Diese Vereinfachung bei Konzernverschmelzungen gilt auch für Spaltungen zur Aufnahme.575 Um trotzdem einen angemessenen Minderheitenschutz zu gewährleisten, sind nach § 62 Abs. 2 S. 1 UmwG Aktionäre, die mindestens 5% des Grundkapitals der aufnehmenden Gesellschaft halten, berechtigt, eine Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Verschmelzung zu verlangen. Zudem bestehen gemäß § 62 Abs. 3 UmwG erweiterte Informationspflichten. Damit entzieht § 62 Abs. 1 UmwG in diesen Fällen der Hauptversammlung der aufnehmenden Gesellschaft deren Entscheidungskompetenz über die Durchführung und Billigung der Umwandlung. Dies widerspricht jedoch nicht dem soeben gefundenen Ergebnis, dass bei der Beurteilung der Nachteiligkeit von Verschmelzung oder Spaltung zwischen deren organisatorischen und schuldrechtlichen Festlegungen zu trennen ist. Denn zum einen ist nach § 62 Abs. 1 UmwG nur der Zustimmungsbeschluss der aufnehmenden Gesellschaft entbehrlich; beim übertragenden Rechtsträger bleibt es bei der Kompetenz der Hauptversammlung, über das Fortbestehen bzw. Erlöschen nach § 13 UmwG selbst zu entscheiden. Zum anderen lässt sich die in ihrer Entstehungsgeschichte umstrittene576 Sonderregelung des § 62 UmwG mit einer Begünstigung der Konzernverschmelzung erklären. Als Ausnahme zum aktienrechtlichen Grundsatz, wonach bei Entscheidungen, die zur Übernahme von wirtschaftlichen Risiken eines anderen Rechtsträgers führen (Abschluss eines Unternehmensvertrages, Eingliederung), stets eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist, geht man bei Konzernverschmelzungen davon aus, dass diese das Risiko für die aufnehmende AG nur geringfügig erhöhen und daher ein Verzicht auf eine obligatorische Beteiligung ihrer Anteilseigner vertretbar wäre.577 Dies bedeutet keine Abkehr von der prinzipiellen Kompetenzverteilung des AktG und des UmwG, was die Möglichkeit des Minderheitenverlangens nach § 62 Abs. 2 UmwG deutlich zeigt. § 62 Abs. 1 UmwG erleichtert und beschleunigt daher lediglich die Übernahme einer im Vergleich zum schon vorhandenen An574 Zur Berechnung des Anteilsbesitzes und zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beteiligung siehe Grunewald, in Lutter UmwG, § 62 Rn. 2 bis 6 sowie Diekmann, in Semler/Stengel, § 62 Rn. 8 ff. m.w.N. 575 Siehe Stengel/Schwanna, in Semler/Stengel, § 125 Rn. 6. 576 Der Diskussionsentwurf zum UmwG wollte die in der Vorläufernorm des § 352b AktG vorgesehenen Erleichterungen für derartige Verschmelzungen abschaffen, da sie nicht dem System des Aktienrechts entspreche. Während der Regierungsentwurf einen Verzicht auf den Verschmelzungsbeschluss nur dann vorsah, wenn die aufnehmende AG als herrschendes Unternehmen i.S.v. § 17 AktG für alle Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft gehaftet hätte, wurden die Erleichterungen für Konzernverschmelzungen dann doch auf Empfehlung des Rechtsausschusses übernommen. Vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 62 Rn. 1; Diekmann, Semler/Stengel, § 62 Rn. 3. 577 Vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 62 Rn. 1.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
157
teilsbesitz unwesentlichen Beteiligung, ohne den organisationsrechtlichen Charakter der Entscheidung zu berühren. Dennoch liegt in dieser Situation kein Handeln der Hauptversammlung, sondern des Vorstands der AG vor. § 311 Abs. 1 AktG ist in diesen Fällen daher auch grds. auf die organisatorische Entscheidung des Vorstands anwendbar, so dass sich insoweit die Frage der Nachteiligkeit der Umwandlung stellt. Aus § 62 Abs. 1 UmwG sowie aus dessen Vorläufernorm lässt sich jedoch insoweit eine Bewertung einer Konzernverschmelzung als nicht nachteilig ablesen. Auch Art. 8 der 3. Richtlinie 78/855/EWG (VerschmelzungsRL) und Art. 6 der 6. Richtlinie 82/891/EWG (SpaltungsRL) sprechen von einem Verzicht auf die Zustimmung der Aktionäre der „begünstigten“ Gesellschaft. Hintergrund dessen ist das Verständnis, dass Konzernverschmelzungen nur eine unwesentliche Erhöhung des Risikos einer Beteiligung am betreffenden übertragenden Rechtsträger mit sich bringen. Der Gesetzgeber hat in § 62 Abs. 1 UmwG eine Schwelle für diese Wesentlichkeit und so einen Rahmen für die unternehmerische Entscheidung des Vorstands über die Vornahme einer Konzernverschmelzung gesetzt. Indem § 62 Abs. 1 UmwG in diesen Fällen bewusst auf eine Beteiligung der Aktionäre der aufnehmenden AG verzichtet, bewertet der Gesetzgeber eine solche Verschmelzung als irrelevant für deren Aktionäre. Er nimmt an, dass durch die Aufnahme einer weiteren Beteiligung von weniger als 10% an einer anderen Gesellschaft das in der aufnehmenden AG gebündelte Aktionärsinteresse nicht gefährdet ist. Nur daher verzichtet § 62 Abs. 1 UmwG auf die Beteiligung der Aktionäre der aufnehmenden Gesellschaft. Darüber hinaus bleibt es, wie erwähnt, bei einer organisatorischen Entscheidung. Wie dargelegt, bedarf ein Beschluss der Hauptversammlung über die Zustimmung zu einer Verschmelzung keiner sachlichen Rechtfertigung. Dieses Ergebnis kann aufgrund der geschilderten Vorbewertung des Gesetzgebers und der nur ausnahmsweisen Zuweisung der Kompetenz an den Vorstand der AG auch auf die Ausnahme des § 62 Abs. 1 UmwG übertragen werden. Für die Frage der Nachteiligkeit der Konzernverschmelzung i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG lässt sich daher der Schluss ziehen, dass der Vorstand bei einer derartigen Konzernverschmelzung grds. freie Hand hat, was die Entscheidung über deren Vornahme angeht. Auch die organisatorische Entscheidung des Vorstands über die Zweckmäßigkeit einer Verschmelzung bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung. Ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG kann insoweit nicht gegeben sein.
d) Ergebnis Weist man demnach konsequent der Hauptversammlung als Gemeinschaft der Anteilseigner die Kompetenz in organisatorischen Fragen der Unterneh-
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
mensverfassung zu, muss bei der Entscheidung hierüber auch deren individuelles Interesse an ihrem Eigentum berücksichtigt werden. Durch die Vorschriften des UmwG ist die Beachtung der Interessen von Mehrheit und Minderheit durch notwendige Beschlussmehrheiten, Abfindungsangebot, Informationsrecht und weitere Schutzvorschriften ausreichend sichergestellt, so dass sich in dem vom UmwG legitimierten Freiraum die Aktionäre allein von ihren Interessen leiten lassen können. Für eine darüber hinaus gehende Treuepflicht, abgesehen von vorsätzlicher Schädigung, ist in diesen Fällen daher kein Raum. Das UmwG legitimiert zudem die aufgezeigte Möglichkeit der Verschmelzung und verlangt nach richtiger Auffassung für den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung keine sachliche Rechtfertigung. Auch aus einer allgemeinen Treuepflicht sind im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG keine weitergehenden Voraussetzungen zu fordern. Die Entscheidung der Hauptversammlung zur Durchführung der Verschmelzung als organisatorische Maßnahme steht – mit Ausnahme des § 62 Abs. 1 UmwG – der Institution Hauptversammlung zu. Deren – möglicherweise von dem Interesse der abhängigen Gesellschaft abweichendes – Interesse ist mangels Erfordernis eines sachlichen Grundes und somit mangels tauglichen Beurteilungsgegenstands nicht als nachteilig zu bewerten. Würde man an anderer Stelle diese Möglichkeiten der Vornahme, das „Ob“, in Frage stellen oder den Zweck der Umwandlung als nachteilig ansehen wollen, führte dies zu einem systematischen Bruch und einer Unterwanderung des UmwG. Der Zweck einer Umwandlung ist mangels materieller Prüfungsmöglichkeit demnach nicht vermögensmäßig zu bewerten. Folglich bleibt der Entschluss zur Vornahme einer Verschmelzung bei der Beurteilung der Nachteiligkeit der Maßnahme i.S.v. § 311 AktG außer Betracht; diese organisatorische Entscheidung kann für das herrschende Unternehmen niemals zu einem Risiko der Verpflichtung zum Nachteilsausgleich führen. Bei dieser Trennung zwischen der organisatorischen Entscheidung und den sogleich zu untersuchenden schuldrechtlichen Festlegungen der Verschmelzung bleibt es konsequenterweise auch im Sonderfall des § 62 Abs. 1 UmwG, soweit bei der aufnehmenden Gesellschaft ein Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung entbehrlich und daher ein Handeln des Vorstands gegeben ist. Die organisatorische Entscheidung bei Konzernverschmelzungen überträgt das Gesetz dem Vorstand der aufnehmenden Gesellschaft. So liegt zwar kein Beschluss der Anteilseigner über die Verschmelzung vor, der nach dem in dieser Arbeit vertetenen Ergebnis ohnehin einer Bewertung auf seine Nachteiligkeit entzogen wäre. Aber auch das entsprechende Handeln des Vorstands der aufnehmenden Gesellschaft muss insoweit aufgrund seines organisatorischen Charakters und der Wertung des Gesetzgebers als unwesentlich für eine Beurteilung der Nachteiligkeit einer Verschmelzung ausscheiden. Dieses Ergebnis fügt sich widerspruchsfrei in das System der §§ 311 ff. AktG ein, wonach der Nachteilsausgleich vermögensmäßig bezifferbar sein
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
159
soll578. Aufgrund der aufgezeigten Gründe verbietet sich eine solche vermögensmäßige Bewertung des Zwecks einer Verschmelzung. Darüber hinaus liegt insoweit grundsätzlich kein veranlasstes Handeln der Geschäftsleitung der abhängigen AG vor; doch gerade dies verlangen die §§ 311 ff. AktG. Die Anteilseigner haben über die organisatorische Maßnahme selbst entschieden.
3. Schuldrechtlicher Teil des Verschmelzungsvertrages als Nachteil Es ist daher für die Frage der Nachteiligkeit von Verschmelzungen bei Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG näher zu untersuchen, inwieweit der schuldrechtliche Teil des Verschmelzungsvertrags, also die Modalitäten der Verschmelzung, zu einem Nachteil für die abhängige Gesellschaft bzw. deren Aktionäre und Gläubiger führen können. Wie erwähnt, ist die Ausarbeitung der inhaltlichen Regelungen Aufgabe der Vertretungsorgane.579 Durch den Zustimmungsbeschluss nach § 13 Abs. 1 UmwG billigt die Hauptversammlung zwar den Inhalt des Umwandlungsvertrags. Dieser beruht dennoch auf einem weiterhin kausalen Handeln des Vorstands. Damit sind auf dieses (veranlasste) Verhalten des Vorstands der abhängigen AG580 auch die zur Nachteilsermittlung dargestellten Grundsätze anwendbar, wonach ein Nachteil dann gegeben ist, wenn die zur Vermögensbeeinträchtigung führende Maßnahme ohne den Einfluss des herrschenden Unternehmens auf die Geschäftsleitung nicht auf diese Art und Weise durchgeführt worden wäre. Es stellt sich somit die Frage, ob der Vorstand einer fiktiven unabhängigen Gesellschaft die – möglicherweise das Vermögen der Gesellschaft beeinträchtigenden oder gefährdenden – Modalitäten des Verschmelzungsvertrags in gleicher Weise ausgearbeitet und den so gestalteten Vertrag abgeschlossen hätte. Es ist dabei wegen des von den §§ 311 ff. AktG verfolgten 578
Dies unterscheidet sich von der Frage der Bezifferbarkeit des Nachteils dadurch, dass eine solche organisatorische Maßnahme zumeist nicht durch Geldleistungen auszugleichen ist, sondern zu ihrer „Beseitigung“ die komplette Rückgängigmachung der Umstrukturierung erfordert. Dies kann nicht von § 311 Abs. 1 AktG erfasst sein, der im systematischen Zusammenspiel mit den Vorschriften zum Gewinn- und Verlustausgleich gemäß §§ 301 f. AktG und den Schutzvorschriften nach §§ 304, 305 AktG einen vermögensmäßigen Ausgleich anstrebt. 579 Siehe oben 3. Teil A.I. 580 In gleicher Weise stellt sich für das Handeln des Vorstands der aufnehmenden Gesellschaft die Frage einer Nachteiligkeit, insbesondere wenn diese ihrerseits von einem herrschenden Unternehmen zur Aufnahme veranlasst wurde. Auch in diesem Fall ist der Inhalt des Umwandlungsvertrags auf seine Nachteiligkeit zu untersuchen. Der Zweck des Vertrags ist hierbei aufgrund seines organisatorischen Charakters ebenfalls nicht relevant. Dies muss auch gelten, wenn es sich um eine Konzernverschmelzung nach § 62 Abs. 1 UmwG handelt, vgl. oben 3. Teil B.I.2.c).
160
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Vermögensschutzes zu untersuchen, inwieweit Regelungen des Verschmelzungsvertrags das Vermögen der abhängigen Gesellschaft beeinträchtigen können.
a) Inhalt des Verschmelzungsvertrages Den Inhalt des Verschmelzungsvertrages legt § 5 Abs. 1 UmwG fest. Danach hat der Vertrag im Wesentlichen neben der Benennung der beteiligten Rechtsträger die Übertragung des Vermögens jedes übertragenden Rechtsträgers und deren Einzelheiten und Zeitpunkt anzugeben. Weiterhin sind die Sonderrechte bestimmter Anteilsinhaber oder besondere Vorteile von bestimmten Personen zu nennen sowie die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane aufzuführen. Darüber hinaus hat der Verschmelzungsvertrag natürlich das Umtauschverhältnis der Anteile und ggf. die Höhe der baren Zuzahlung oder Angaben über die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger zu nennen. Diese unterschiedlichen Punkte sind allerdings nur eingeschränkt vermögensrelevant.
b) Firma und Sitz des beteiligten Rechtsträgers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UmwG Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UmwG hat der Verschmelzungsvertrag Firma und Sitz der beteiligten Rechtsträger zu bezeichnen. Zwar ist auch für die Vermögens- und Ertragslage des abhängigen Unternehmens entscheidend, wer Partner der Verschmelzung ist. Diese Frage hat jedoch vorrangig im Rahmen der Zweckmäßigkeit und bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses581 ihre Bedeutung, ist daher Teil des organisatorischen Elements des Verschmelzungsvertrags. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UmwG hat dagegen lediglich deklaratorische Bedeutung582, da die Festlegung des aufnehmenden sowie der beteiligten Rechtsträger eine Selbstverständlichkeit ist583. Die Benennung der Rechtsträger an sich kann damit aber keine Auswirkung auf die Vermögenslage der abhängigen Gesellschaft haben.
581
Vgl. hierzu unten 3. Teil B.I.3.j). Siehe Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 26. 583 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 5; Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 26. 582
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
161
c) Umfang des zu übertragenden Vermögens nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG als Nachteil Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG beinhaltet der Verschmelzungsvertrag die Feststellung der Vermögensübertragung als Ganzes gegen Anteilsgewähr584. Die Vorschrift dient im Wesentlichen der Klarstellung des Vertragscharakters585. Durch die Verpflichtung zur Gewährung von Anteilen gegen Vermögensübernahme stellt sich die Verschmelzung als Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage dar. Ein überschuldetes Unternehmen kann deshalb nicht übertragender Rechtsträger sein, da die Vermögensübertragung nicht den Nominalbetrag der Kapitalerhöhung beim aufnehmenden Rechtsträger erreicht586.587 Das Kapitalerhöhungsrecht der Verschmelzung auf ein überschuldetes Unternehmen steht allerdings nicht entgegen; wohl aber widersprechen prinzipiell u.U. die unangemessenen Vorteile der Anteilsinhaber der – überschuldeten – übernehmenden Gesellschaft einer solchen Maßnahme, da sie im Verhältnis zu denjenigen der übertragenden Gesellschaft ein Mehr an Stimm- und Gewinnrechten erhalten würden als ihre überschuldungsbedingt geringwertigen Anteile darstellen.588 In einigen Fällen kann dies aufgrund eines besonderen Know-hows oder nicht nach HGB zu bilanzierenden immateriellen Schutzrechten anders sein.589 Der Vermögensübertragung gegen Anteilsgewähr ist eine Vermögensrelevanz wesenseigen, denn die Verschmelzung durch Übertragung des gesamten Vermögens führt zum Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers. Dies soll jedoch gerade durch eine Anteilsgewähr ausgeglichen werden. Die Wahl der
584 Mit Ausnahme der Verschmelzung einer 100%igen Tochtergesellschaft auf das Mutterunternehmen, für die § 5 Abs. 2 UmwG eine Ausnahmeregelung vorsieht, kann in anderen Verschmelzungsfällen auf die Pflicht der Gewährung von Anteilen als Gegenleistung und somit auf ihre Angabe im Verschmelzungsvertrag nicht verzichtet werden, vgl. Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 27 sowie Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 9. Abweichend Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 5. Zur Möglichkeit eines Verzichts vgl. Winter, in Lutter UmwG, § 54 Rn. 16 ff. m.w.N. 585 Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 27. 586 Deutsches Notarinstitut, Gutachten zum Umwandlungsrecht, 1996/97, Bd. 4 Nr. 20; Heckschen, DB 1998, 1385, 1396. 587 Im Rahmen einer Konzernverschmelzung, bei der es nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 1, 68 Abs. 1 Nr. 1 UmwG keiner Kapitalerhöhung bedarf, kann auch ein überschuldetes Unternehmen auf die Muttergesellschaft verschmolzen werden. Auch die Verschmelzung mehrer Schwestergesellschaften, von denen eine überschuldet ist, auf eine weitere ist möglich, weil hier nicht für jeden der übertragenden Rechtsträger gesondert ein Anteil beim übernehmenden Rechtsträger zu gewähren ist. 588 Vgl. Heckschen, DB 1998, 1385, 1387. 589 Vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 8; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 8a.
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
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Verschmelzung als Mittel zum Unternehmenszusammenschluss an sich unterfällt der Entscheidung über das „Ob“ der Maßnahme, da nach hier vertretener Ansicht zwischen der Entscheidung über den Entschluss zur Vornahme der Verschmelzung und den Modalitäten des Vertrags zu trennen ist. Die Entscheidung über die Vornahme der Verschmelzung ist grundsätzlich der Hauptversammlung übertragen und kann für sich mangels Erfordernisses einer sachlichen Rechtfertigung keinen Einfluss auf eine Nachteiligkeit der Verschmelzung haben. Damit kann auch die bloße Beschreibung des Vertragscharakters als Verschmelzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG folgerichtig nicht zur Nachteiligkeit der Umwandlung i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG führen.590
d) Einzelheiten der Anteilsübertragung oder des Mitgliedschaftserwerbs nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 UmwG Der Verschmelzungsvertrag bzw. sein Entwurf muss nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 UmwG weiter die Einzelheiten festlegen, die die Übertragung der Anteile oder Mitgliedschaften des übernehmenden Rechtsträgers auf die Anteilseigner der übertragenden Rechtsträger betreffen. Anzugeben ist, wie die Anteile übertragen werden sollen und wer die Kosten dafür zu tragen hat.591 Die Anteile gehen unmittelbar mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung kraft Gesetzes über, § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, müssen also nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden. Welche weiteren Schritte erst nach dem erfolgten Umtausch geplant sind, muss nicht angegeben werden.592 Die weiteren zwingend zu berücksichtigenden Einzelheiten richten sich nach der Rechtsform des übernehmenden Rechtsträgers. Von Bedeutung ist hier bei Kapitalgesellschaften auch die regelmäßige Angabe, ob die zu übertragenden
590
Im Übrigen wäre nach dieser Betrachtung der reinen Vermögensrelevanz eine Verschmelzung in jedem Falle nachteilig, da sie zur Beendigung der übertragenden Gesellschaft führt. Dies kann allerdings angesichts der gesetzlichen Zulässigkeit der Verschmelzung nicht das gewünschte Ergebnis sein, zumal die §§ 311 ff. AktG keinen Bestandsschutz der abhängigen Gesellschaft erreichen wollen und können, siehe oben 2. Teil A.IV.3.b) dd)(1). 591 Vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 28; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 25; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 37. Umstritten ist dagegen, ob auch die Höhe der zu tragenden Kosten im Verschmelzungsvertrag genannt werden muss. Dafür Lutter a.a.O.; Dehmer1, § 340 AktG Rn. 10; Grunewald, in G/H/E/K, § 340 AktG Rn. 11 sowie Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 60; a.A. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 28; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 25. 592 Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 28; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 39.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Anteile eigene Anteile des übernehmenden Rechtsträgers sind oder erst durch eine Kapitalerhöhung geschaffen werden.593 Um einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG zu begründen, müssten diese Angaben vermögensrelevant sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Übertragung der Anteile kraft Gesetzes erfolgt. In diesem Zusammenhang kann somit keine Entscheidung der Vertretungsorgane vorliegen, die zu einem hierauf beruhenden Nachteil führen können. Im Normalfall der Verschmelzung besitzen somit lediglich die Höhe und Verteilung der Kosten Vermögensrelevanz. Die Kosten können für sich allerdings aus zwei Gründen nicht zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG führen. Denn zum einen wird die Anteilsübertragung für die Anteilsinhaber in der Regel kostenfrei sein.594 Zum anderen fließen die Kosten des Anteilstauschs in das nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG festzulegende Umtauschverhältnis ein. Bei korrekter Berücksichtigung der durch den Anteilstausch verursachten Kosten bei der Berechnung des Umtauschverhältnisses kann daher (noch) kein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründet werden. Eine Besonderheit ist lediglich im Fall der Mischverschmelzung gegeben, also der Verschmelzung von Rechtsträgern unterschiedlicher Rechtsform, wobei es zum Erwerb von Anteilen oder Mitgliedschaften kommen kann, die sich hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten, Nebenpflichten, Haftungsrisiken oder in anderen wesentlichen Punkten von den bisherigen Anteilen an der übertragenden abhängigen AG unterscheiden.595 In diesen Fällen ergeben sich Schwierigkeiten bei der Berechnung des Umtauschverhältnisses, da sich die qualitativen Unterschiede in der Art der gewährten Anteile kaum bewerten lassen596 und sich dadurch begründete Benachteiligungen nicht berechnen lassen597. Die Anteilsinhaber werden jedoch vor den deshalb nicht auszuschließenden Nachteilen dadurch geschützt598, dass in bestimmten Fällen ihre ausdrückliche Zustimmung erforderlich ist599 oder sie gegen Barabfindung austreten können600. Die Anteilseigner müssen über derartige Benachteiligungen in-
593 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 37; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 29; a.A. Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 25. 594 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 37 Fn. 2. 595 Siehe Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 34; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 40 m.w.N. 596 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 40. 597 Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 34; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 40. 598 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 40. 599 §§ 13 Abs. 2, 40 Abs. 2, 43 Abs. 2 und 51 Abs. 2 UmwG. 600 § 29 UmwG.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
formiert werden.601 Insofern sind die Anteilsinhaber für diese Entscheidung selbst verantwortlich. Es liegt deshalb kein Eingriff der Vertretungsorgane vor. Zwar ist in dieser Situation die Entscheidung zur Durchführung einer Mischverschmelzung ausschlaggebend, welche den unter Umständen nachteiligen Eingriff in die bestehenden Anteilsrechte mit sich bringt. Diese Entscheidung ist aber wiederum Bestandteil der Entscheidung über das „Ob“ und „Mit wem“ der Verschmelzung. Diese Fragen sind, wie dargelegt, von einer Bewertung als nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG ausgenommen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass insoweit kein Handeln des Vorstands vorliegt, sondern ein Verhalten der Hauptversammlung.602 Gegen deren Eingriff werden die betroffenen Anteilsinhaber durch das Erfordernis der Zustimmung bzw. das Barabfindungsrecht nach dem Willen des Gesetzgebers603 ausreichend geschützt.
e) Zeitpunkt der Gewinnbeteiligung, § 5 Abs. 1 Nr. 5 UmwG Der Verschmelzungsvertrag muss gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 UmwG den Zeitpunkt angeben, von dem an die zu übertragenden Anteile oder Mitgliedschaften einen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn604 gewähren. Zudem sind alle Besonderheiten in Bezug auf diesen Anspruch anzugeben.605 Grundsätzlich werden die Anteilseigner einer übertragenden Gesellschaft mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft. Sie sind dann von diesem Zeitpunkt an bei dieser gewinnberechtigt.606 Der genaue Zeitpunkt, nämlich die Eintragung der Verschmelzung in das Register des übernehmenden Rechtsträgers nach § 20 Abs. 1 UmwG, ist in der Regel allerdings nicht vorhersehbar. Im Verschmelzungsvertrag wird daher meist ein anderer Zeitpunkt für den Beginn der Gewinnberechtigung ver-
601 Eine umfassendere Erläuterung dürfte aber eher im Verschmelzungsbericht als im Verschmelzungsvertrag zu erfolgen haben, vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 34; nur auf den Verschmelzungsvertrag abstellend Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 40. 602 Eine Ausnahme gemäß § 62 Abs. 1 UmwG ist in diesem Fall nicht relevant, da nach dieser Vorschrift lediglich ein Zustimmungsbeschluss der aufnehmenden AG entbehrlich ist. Auf Seiten der übertragenden Gesellschaft ist immer ein Beschluss erforderlich. 603 Vgl. z.B. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 29 Rn. 1. 604 Zur Gewinnberechtigung bei der Aktiengesellschaft siehe §§ 58 ff., 174 AktG. 605 Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 27; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 35; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 41. 606 Vgl. Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 28.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
165
einbart. Der genaue Zeitpunkt kann dabei von den Parteien des Verschmelzungsvertrags frei festgelegt werden.607 Meist wird auf den Beginn des Geschäftsjahrs des übernehmenden Rechtsträgers abgestellt, welches auf den Stichtag der letzten Jahresbilanz des übertragenden Rechtsträgers folgt608. Dieser Zeitpunkt hat den Vorteil, dass die Gewinnberechtigung aus den neuen Anteilen direkt im Anschluss an das Ende der Gewinnberechtigung aus den Anteilen des übertragenden Rechtsträgers anschließt.609 Es kann aber auch ein anderer, etwa ein späterer610, unterjähriger611 oder rückwirkender612 Beginn der Gewinnberechtigung festgelegt werden. Anstelle einer Vereinbarung eines fixen Beginns der Gewinnberechtigung kann es in manchen Situationen auch vorteilhaft sein, einen variablen Beginn der Gewinnberechtigung zu wählen.613 Die Festlegung des Beginns der Gewinnberechtigung erfolgt durch die Vertretungsorgane der beteiligten Parteien. Der genaue Zeitpunkt der Gewinnberechtigung besitzt offensichtlich vermögensrechtliche Relevanz für die beteiligten Rechtsträger und deren Anteilseigner. Denn je nach Ergebnis im betreffen607 Vgl. BegrRegE zu § 5, abgedruckt bei Ganske, S. 50 und Schaumburg/Rödder, § 5 UmwG Rn. 6; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 41; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 5 Rn. 33; Müller, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 36. 608 Siehe Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 35; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 41; Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch § 5 Rn. 47; Priester, BB 1992, 1594; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 28. 609 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 41; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 35. 610 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 41; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 35; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 28. 611 Hoffmann-Becking, FS Fleck, S. 105, 110; Grunewald, in G/H/E/K, § 340 AktG Rn. 12; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 41; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 35; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 28. Dies erscheint allerdings nach Lutter/Drygala a.a.O. nicht zweckmäßig, da eine auf diesen Zeitpunkt bezogene Gewinnermittlung bei dem übernehmenden Rechtsträger üblicherweise nicht erfolgt; dies vorschlagend jedoch Hoffmann-Becking a.a.O.. 612 Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 35; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 28. Dies setzt bei einem Beginn der Gewinnberechtigung ab einem früheren Geschäftsjahr jedoch voraus, dass dafür noch kein Gewinnverwendungsbeschluss gefasst ist, vgl. Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 Rn. 48. 613 Vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 36; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 29. Solche Regelungen haben den Vorteil, dass der Verschmelzungsvertrag beim Eintritt von Verzögerungen und Auswirkungen auf das Umtauschverhältnis nicht angepasst werden muss; zu solchen Regelungen vgl. Hoffmann-Becking, in FS Fleck, S. 105, 119; Hoffmann-Becking, in MünchVertragsHdB., Bd. 3, Form X.1 § 7 Abs. 2; Mayer, in Widmann/Mayer Rn. 146; kritisch gegenüber zeitlich unbefristeten Klauseln Kiem, in Die Eintragung der angefochtenen Verschmelzung, S. 63 ff. sowie in ZIP 1999, 173, 179 f.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
den Geschäftsjahr erhalten die Anteilseigner mehr oder weniger an Dividende ausgezahlt. Insofern erscheint es nahe zu liegen, dass das herrschende Unternehmen auf den Zeitpunkt der Gewinnberechtigung Einfluss ausüben wird, um so die Ausschüttung des Gewinns vor oder nach Übernahme zu erreichen. Dies könnte insbesondere dann für das herrschende Unternehmen vorteilhaft sein, wenn nach der Verschmelzung die Beteiligungsverhältnisse am neu geschaffenen vereinten Rechtsträger erheblich von der Situation vor der Verschmelzung abweichen und daher die neuen Anteilseigner von einer früheren oder späteren Gewinnausschüttung profitieren würden. Doch wie die Höhe des zu erwartenden Gewinns der beteiligten Rechtsträger muss auch der Zeitpunkt der Gewinnberechtigung und die damit verbundenen Folgen in das Umtauschverhältnis einfließen.614 Auch bei Verzögerungen der Wirksamkeit der Verschmelzung und der damit einhergehenden Veränderung des vereinbarten Umtauschverhältnisses obliegt die Entscheidung den jeweiligen Vertretungsorganen, ob sie am Verschmelzungsvertrag festhalten oder ein eventuell vereinbartes Rücktrittsrecht ausüben wollen.615 Ebenso könnte das vereinbarte Umtauschverhältnis unrichtig werden, wenn die beteiligten Parteien bis zur Wirksamkeit der Verschmelzung den Gewinn aufgrund eigenständiger Bilanzierung und nach ihrem eigenen Willen verteilen; im Extremfall könnte dies zum Entfallen der Geschäftsgrundlage führen.616 In diesen Fällen muss daher von dem Verschmelzungsvertrag Abstand genommen oder der Vertrag den eingetretenen Veränderungen angepasst werden. Andernfalls dürfte die Verschmelzung nicht eingetragen werden.617 Die Festlegung des Beginns der Gewinnberechtigung hat somit vermögensrechtliche Relevanz und könnte zur Begründung der Nachteiligkeit einer Verschmelzung i.S.v. § 311 AktG führen. Allerdings fließen der Zeitpunkt der Gewinnberechtigung und seine Auswirkungen in die Bestimmungen des Umtauschverhältnisses mit ein. Nur bei ungenügender Berücksichtigung der vermögensrechtlichen Folgen der Wahl des Beginns der Gewinnberechtigung kann somit möglicherweise ein Nachteil eintreten. Die Festlegung des Zeitpunkts für sich führt dagegen (noch) nicht zur Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG. 614 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 30 und 41; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 37; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 30. 615 Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 30. 616 Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 37. Daher empfiehlt es sich, im Verschmelzungsvertrag festzulegen, dass während der Schwebezeit wichtige Geschäftsführungs- und Gewinnverteilungsmaßnahmen aufeinander abzustimmen bzw. Gewinne jeweils nur entsprechend dem vereinbarten Umtauschverhältnis auszuschütten sind, vgl. Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 30; skeptisch Kiem, ZIP 1999, 173, 180 f.; Barz, AG 1972, 1, 4 will das sogar dem hierzu schweigenden Verschmelzungsvertrag durch ergänzende Auslegung entnehmen. 617 So Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 38.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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f) Verschmelzungsstichtag, § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG Der Verschmelzungsvertrag bzw. sein Entwurf müssen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG auch den Verschmelzungsstichtag angeben, also den Zeitpunkt, von dem an die Handlungen der übertragenden Rechtsträger als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen werden. Damit ist der Stichtag des Wechsels der Rechnungslegung vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger gemeint.618 Er kann von den an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgern frei bestimmt werden619, wobei er regelmäßig, aber nicht zwingend620 mit dem Tag übereinstimmen wird, an dem die Gewinnberechtigung der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers im übernehmenden Rechtsträger beginnt.621 Der Verschmelzungsstichtag dient nach h.L. zugleich als Stichtag für die steuerlich relevante Übertragung, vgl. § 2 Abs. 1 UmwStG.622 Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der steuerliche Übertragungszeitpunkt zwar auch identisch mit dem Schlussbilanzstichtag. Sie verlangt jedoch, dass dieser auf den Tag vor dem Verschmelzungsstichtag fallen muss.623 Die Wahl des Verschmelzungsstichtags nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG als steuerlich relevanter Zeitpunkt bringt zwar auch vermögensrechtliche Auswirkungen mit sich. Denn die Festlegung des Verschmelzungsstichtags entscheidet ebenso darüber, welchem Veranlagungszeitraum das Übertragungs- und Übernahmeergebnis aus der Verschmelzung zuzurechnen ist.624 Die eintretenden Wirkungen der Wahl des Verschmelzungsstichtags sind jedoch bei der Bestimmung des Umtauschverhältnisses zu berücksichtigen und müssen in das Umtauschverhältnis einfließen. Zwar ist es durch die Entscheidung zur Durchführung der Verschmelzung bzw. Festlegung des Verschmelzungsstichtags in einem bestimmten Veranlagungszeitraum möglich, dass eine unterschiedliche steuerliche Behandlung erfolgt. Doch durch das (erforderliche) Einfließen die618
Vgl. hierzu auch Art. 5 Abs. 3 lit. e 3. Richtlinie (78/855/EWG). Vgl. BegrRegE zu § 5, bei Ganske S. 50 sowie Schaumburg/Rödder, § 5 UmwG Rn. 4; siehe auch Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 42. 620 Priester, DNotZ 1995, 427, 438; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 5 Rn. 33; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 42; W. Müller, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 35. 621 § 5 Abs. 1 Nr. 5 UmwG. 622 Siehe Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 42; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 5 Rn. 36. Dabei ist zu beachten, dass die der Verschmelzung liegende Schlussbilanz nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG nicht älter als acht Monate sein darf. 623 Vgl. BMF-Schreiben vom 25.3.1998, GmbHR 1998, 444, 454, Tz. 02.03; Schröer, in Semler/Stengel § 5 Rn. 42 m.w.N. 624 Schröer, in Semler/Stengel § 5 Rn. 42; Slabon, in Haritz/Benkert, § 2 UmwStG Rn. 47; Fox, GmbHR 1999, 1314, 1315. 619
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
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ser Umstände in das Umtauschverhältnis entsteht für sich noch kein Nachteil für die Gesellschaft bzw. der Anteilseigner oder Gläubiger, denn die Gesellschaft wäre stets der Steuer unterlegen, auch bei Nichtvornahme der Verschmelzung. Die freie Wahl des Verschmelzungsstichtags nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG kann deshalb keinen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründen. Die Auswirkungen müssen im Umtauschverhältnis berücksichtigt werden. Die Begründung der Nachteiligkeit durch Festlegung eines „falschen“ Umtauschverhältnisses gilt es allerdings noch zu untersuchen.625 g) Rechte einzelner Anteils- und Rechtsinhaber, § 5 Abs. 1 Nr. 7 UmwG Der Verschmelzungsvertrag hat nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 UmwG über diejenigen Rechte, Rechtspositionen und Maßnahmen zu berichten, die der übernehmende Rechtsträger bestimmten Personen gewährt. Der Wortlaut der Vorschrift beschränkt sich dabei nicht auf Rechte oder Rechtspositionen, die „anlässlich der Verschmelzung“ gewährt werden, sondern verlangt eine generelle Angabe derartiger Sonderrechte. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, den nichtbegünstigten Anteilsinhabern durch die frühzeitige Information die Überprüfung des Gleichbehandlungsgebots626 zu ermöglichen627. Inhaltlich bezieht sich die Angabepflicht auf jede Form gesellschaftsrechtlicher Sonderrechte oder sonstiger gegenüber dem neuen Rechtsträger eingeräumter schuldrechtlicher Sondervorteile628; die Sonderstellung kann in vermögensrechtlicher629 wie auch mitverwaltungsrechtlicher630 Hinsicht bestehen631. Dadurch wird deutlich, dass die Vorschrift dem Schutz des Gleichbehandlungsgrundsatzes dient und nicht einem konkreten Vermögensschutz der übertragenden Gesellschaft bzw. deren außenstehender Aktionäre oder Gläubiger in ihrer Gesamtheit. Darüber hinaus entfalten die anzugebenden Sondervorteile zumeist erst in Zukunft ihre Wirkung wie z.B. bei Vorzugsrechten auf Gewinn. § 311 AktG vermag insoweit nicht zu greifen, da die §§ 311 ff. AktG einen Vermögensschutz der abhängigen Gesellschaft als solche, und zwar zum Zeit625
Hierzu unten 3. Teil B.I.3.j). Z.B. § 53 a AktG. 627 Lutter/Drygala, § 5 Rn. 33. 628 Lutter/Drygala, § 5 Rn. 34. 629 Z.B. Vorzugsrechte auf Gewinn oder Liquidationserlös. 630 Z.B. Sonderstimmrechte, Bestellungs- und Entsendungsrechte oder Vorerwerbsrechte. 631 Vgl. Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 66; Sagasser, Sondervorteile, S. 8 f., 68 f. m.w.N.; ebenso Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 34. 626
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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punkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder der Maßnahme, zu erreichen suchen. Führt diese Bevorzugung einzelner Anteils- oder Rechtsinhaber im Verschmelzungsvertrag dagegen nicht zu einer Beeinträchtigung des Vermögens der abhängigen Gesellschaft bzw. ihrer Anteilsinhaber insgesamt zu diesem Zeitpunkt, sondern zu einer Bevorzugung bzw. Benachteiligung einzelner in Zukunft, greifen die dem Vermögensschutz dienenden §§ 311 ff. AktG nicht ein.632
h) Besondere Vorteile für Vertretungsorgane, Aufsichtsräte und weitere bestimmte Personen, § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG Aufgeführt werden müssen in dem Verschmelzungsvertrag zwischen Aktiengesellschaften auch die besonderen Vorteile, die Vorstandsmitgliedern, Aufsichtsräten, Beiräten633 oder auch Abschluss- und Verschmelzungsprüfern634 gewährt wurden. Ziel der Vorschrift ist es, den Anteilsinhabern zu ermöglichen, sich darüber zu informieren, in welchem Umfang Personen aus dem in § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG genannten Kreis von der Verschmelzung Vorteile erlangen, die möglicherweise Zweifel an ihrer Objektivität begründen könnten635. Dabei sind Vergünstigungen jeder Art aufzuführen, etwa Abfindungszahlungen an ausscheidende Verwaltungsmitglieder oder sonstige Zusagen an Verwaltungsmitglieder des übertragenden Rechtsträgers, in der übernehmenden Gesellschaft wiederum Organfunktionen zugewiesen zu bekommen.636
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Schutz kann insoweit lediglich eine Anfechtungsmöglichkeit der nicht begünstigten Anteilsinhaber gemäß § 243 AktG bieten. Zum Verhältnis der §§ 311 ff. AktG zu § 243 AktG vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 85; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 118 ff. 633 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 36. 634 Nicht aufzuführen sind jedoch die üblichen Prüfungshonorare, vgl. BegrRegE zum Verschmelzungsrichtliniengesetz, BT-Drucks. 9/1065, 15; Dehmer, UmwG, § 5 Rn. 43; Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 67; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 37. 635 Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 67; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 36; Dehmer, UmwG, § 5 Rn. 43, der zudem den Gläubigerschutz als Zweck der Vorschrift einbezieht. 636 Dies soll nach einer Ansicht auch geschehen, wenn diese Zusage nur als unverbindliche Willensbekundungen gesehen werden, vgl. Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 67; Grunewald, in G/H/E/K, § 340 Rn. 26; a.A. HoffmannBecking, in Heidenhain/Meister, Münchener Vertragshandbuch Bd. 1 IX. 13 Rn. 3; vgl. auch Zöllner, in KölnKommAktG, § 133 Rn. 5, der einen ausdrücklichen Beschlussantrag fordert; differenzierend Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 40, der zwar die Aufnahme der Abreden zulässt, jedoch hinsichtlich der Durchsetzbarkeit unterscheidet.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Die Zusage derartiger Sondervorteile an den in § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG genannten Personenkreis kann je nach ihrer Art vermögensrelevante Folgen für die übertragende Gesellschaft nach sich ziehen, insbesondere bei Abgeltungsoder Abfindungszahlungen. Werden diese, wie üblich, aus dem Vermögen der übertragenden Gesellschaft gezahlt, verringert sich deren Vermögen. Bei der vereinbarten Höhe dieser das Vermögen der abhängigen Gesellschaft mindernden Sonderzahlungen ist für eine Nachteilsfeststellung i.R.v. § 311 Abs. 1 AktG somit entscheidend, ob diese auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens außergewöhnlich hoch ist und einem sog. Drittvergleich nicht standhält. Freilich besteht ein weiter Rahmen für die Höhe der Abfindungszahlungen, der sich im Einzelfall nach den bestehenden Anstellungsverträgen, der Unternehmenszugehörigkeit und der Geschäftsentwicklung richtet. Halten sich die Abfindungszahlungen in diesem Rahmen, so hätte auch die Geschäftsleitung einer fiktiven unabhängigen Gesellschaft in gleicher Weise gehandelt bzw. ohne Sorgfaltspflichtverstoß i.S.d. § 93 Abs.1 AktG handeln können.637 Ein Nachteil im Sinne des § 311 Abs. 1 AktG wird in diesem Fall insoweit nicht vorliegen. Bewegen sich die Abfindungszahlungen außerhalb dieses Rahmens, so liegt zumindest eine nachteilige Bedingung des Verschmelzungsvertrags vor. Noch nicht entschieden ist damit die Frage, ob damit auch ein Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG gegeben ist; denn die Sonderzahlungen können ungeachtet ihrer außergewöhnlichen Höhe entscheidend für das Gelingen der Umwandlungsmaßnahme gewesen sein. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, derartige Vermögensminderungen bei der abhängigen Gesellschaft und damit mittelbar bei deren Anteilsinhabern durch eine entsprechende Berücksichtigung beim Umtauschverhältnis mit einzubeziehen. Eine endgültige Entscheidung über die Nachteiligkeit der Verschmelzung in Hinblick auf Sonderzahlungen kann somit erst erfolgen, sobald feststeht, dass diese nicht durch sonstige Vertragsbedingungen ausgeglichen worden sind.
i) Folgen für Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG hat der Verschmelzungsvertrag Angaben über die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen zu enthalten. Die
637 Vgl. zu den Grenzen LG Düsseldorf, Urt. v. 22.7.2004 – XIV 5/03, in NJW 2004, 3275, 3280 (Mannesmann/Vodafone); aufgehoben durch BGH Urteil vom 21.12.2005 – 3 StR 470/04.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Vorschrift dient nach allgemeiner Auffassung dem sozialen Frieden.638 Den Arbeitnehmervertretungen soll eine frühzeitige Information über die Verschmelzung und die durch sie bewirkten Folgen für die Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden, um bereits im Vorfeld des Verschmelzungsvorhabens eine sozialverträgliche Durchführung zu erleichtern.639 Die Vorschrift wirft nicht unerhebliche Probleme auf, insbesondere hinsichtlich ihrer Reichweite und hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung.640 Von einer näheren Untersuchung dieser Probleme und dem Versuch, eine eigene Lösung dieser Fragen anzubieten, wird in dieser Arbeit mangels Entscheidungsrelevanz für die Frage einer Nachteiligkeit im Sinn von § 311 Abs. 1 AktG bewusst Abstand genommen. Zwar können Verstöße gegen diese Vorschrift nach einer umstrittenen Ansicht zur Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses führen641, Verstöße haben jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Vermögenssituation der übertragenden Gesellschaft. Denn die im Verschmelzungsvertrag aufzuführenden Angaben haben reinen Berichtscharakter und können mangels Regelungsgehalt keine Rechtsansprüche der Arbeitnehmer oder ihrer Vertretungen begründen.642 Somit können die Angaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG nicht zu einer für einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG relevanten Vermögensbeeinträchtigung führen. Insoweit kann eine Verschmelzung keinen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründen.
638 BegrRegE, bei Schaumburg/Rödder, § 5 Rn. 6 und bei Ganske, S. 50; siehe auch Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 39; Schröer/Simon, in Semler/Stendel UmwG, § 5 Rn. 58 m.w.N. 639 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 39. 640 Siehe nur Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger Rn. J 68; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 39 ff.; Schröer/Simon, in Semler/Stendel UmwG, § 5 Rn. 60 ff. 641 Drygala, ZIP 1996, 1365, 1367; Engelmeyer, DB 1996, 2542, 2544; Grunewald, in Lutter Umwandlungsrechtstage, S. 19, 22 f.; Düwell, in Kasseler Hdb., 6.8. Rn. 53; einschränkend Bungert, DB 2209, 2212 ff., nach dem eine Anfechtbarkeit ausnahmsweise in Betracht komme, wenn die Angaben zu den Arbeitnehmerfolgen für die wirtschaftliche Begründung der Umwandlung offensichtlich von Bedeutung sind und im Umwandlungsbericht keine Erwähnung finden; ablehnend Simon, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 80; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 107; Willemsen, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 57; Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 Rn. 109. 642 Simon, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 61; Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger, Rn. J 68; der Verschmelzungsvertrag ist kein Vertrag zugunsten Dritter, vgl. Joost, ZIP 1995, 976, 985; Willemsen, RdA 1998, 23, 31; Willemsen, in Kallmeyer UmwG, § 5 Rn. 49; Steffan, in GroßKomm. Kündigungsrecht, § 126 Rn. 41; a.A. wohl Bachner/Köstler/Trittin/Trümmer, S. 91.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
j) Angabe des Umtauschverhältnisses gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG Die dargelegten notwendigen Bestandteile des Verschmelzungsvertrages haben, wie zum Teil schon angedeutet, Einfluss auf den für die Anteilseigner wichtigsten Punkt des Verschmelzungsvertrages, nämlich die Festlegung des Umtauschverhältnisses ihrer Anteile am übertragenden Rechtsträger gegen Anteile bzw. Mitgliedschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG. Daher soll dieser entgegen der in § 5 Abs. 1 UmwG aufgeführten Reihenfolge als letzter hinsichtlich einer möglichen Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG untersucht werden. Das Umtauschverhältnis ist im Verschmelzungsvertrag genau anzugeben.643 Anzugeben ist weiter die Höhe einer etwaigen baren Zuzahlung644, die maximal 10% des Wertes der zu gewährenden Anteile betragen darf (§§ 54 Abs. 4, 68 Abs. 3, 78, 87 Abs. 2 S. 2 UmwG)645. Die Erläuterung der ihrer Ermittlung zugrunde liegenden Methoden und Überlegungen ist dem Verschmelzungsbericht vorbehalten.646 Oft wird allerdings noch angegeben, welche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach welchem Verfahren das Umtauschverhältnis ermittelt hat.647
aa) Bestimmung des Umtauschverhältnisses Das Umtauschverhältnis gibt an, wie viele Anteile des Übernehmers die Anteilsinhaber der Überträger als Gegenleistung erhalten. Es richtet sich nach dem Verhältnis zwischen dem inneren Wert der als Gegenleistung zu gewährenden Anteile des Übernehmers.648 Ausgangspunkt für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses ist eine Bewertung der sich vereinigenden Rechtsträger. Auf dieser Grundlage ist dann die ggf. erforderliche Kapitalerhöhung des Übernehmers
643 Sagasser/Ködderitzsch, in Sagasser/Bula/Brünger, Rn. J 68; Schröer, in Semler/ Stengel UmwG, § 5 Rn. 18; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 17. 644 Dehmer, § 5 UmwG Rn. 28; Schröer, in Semler/Stengel, § 5 Rn. 24 ff.; Lutter/ Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 17. 645 Die Grenze von 10% des Nennbetrags der gewährten Anteile muss bei Kapitalgesellschaften auch für Ausgleichs- oder Darlehensforderungen von Gesellschaftern gegen den übernehmenden Rechtsträger gelten, da andernfalls die Vorschriften der § 54 Abs. 4, 68 Abs. 3, 78 UmwG umgangen werden könnten, vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 17 Fn. 3 m.w.N. 646 § 8 Abs. 1 UmwG; siehe auch BGH AG 1991, 102, 103. 647 Vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 18; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 17. 648 Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 Rn. 7.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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zu berechnen, indem das Verhältnis des Wertes der übertragenden Rechtsträger zum Gesamtwert der sich vereinigenden Rechtsträger dem Verhältnis der Kapitalerhöhung zum Gesamtnominalkapital nach der Verschmelzung oder Spaltung angepasst wird. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich regelmäßig bei der Ermittlung und Berechnung des Umtauschverhältnisses bei einer Konzernverschmelzung, wenn noch eine Minderheit beteiligt ist, die aber aufgrund ihres (geringen) Stimmenanteils die Umwandlungsbedingungen nicht beeinflussen kann.
bb) Ermittlung des Umtauschverhältnisses Bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses ist von dem Grundgedanken auszugehen, dass den Anteilinhabern der übertragenden Rechtsträger für den Verlust ihrer Anteile eine vermögensmäßig entsprechende Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren ist, wobei dadurch weder deren Rechtsstellung noch die der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers beeinträchtigt werden soll:649 Der Grundsatz der Gleichbehandlung unter sämtlichen Anteilsinhabern aller betroffenen Rechtsträger soll gewahrt werden.650 Keinem Anteilsinhaber soll also ein (unbewusster) Vor- oder Nachteil aus der Umwandlung entstehen, und jeder soll seinen bisherigen relativen Anteil an der Summe der Vermögensmasse des übernehmenden Rechtsträgers behalten. Im Interesse außenstehender Aktionäre vertraut das Gesetz für die Festlegung des Umtauschverhältnisses nicht allein auf die Richtigkeitsgewähr des Vertragsmechanismus bei der Aushandlung des Umtauschverhältnisses zwischen den beteiligten Rechtsträgern und deren Organvertretern.651 Die Aktionäre haben zwar die Möglichkeit, auch ein nicht angemessenes Umtauschverhältnis zu akzeptieren652, was sich u.a. daran zeigt, dass das Umtauschverhältnis nicht Gegenstand der registerrechtlichen Prüfung ist653. Das Gesetz möchte aber mit Bericht und Prüfung sicherstellen, dass sich die Aktionäre darüber jedenfalls bewusst sind. Insoweit gilt etwas anderes nur, wenn alle Anteilsinhaber zustimmen oder überhaupt keine Minderheitsanteilsinhaber vorhanden sind.654 649
Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 18. OLG Karlsruhe v. 9.8.1991 – 15 U 127/90, AG 1992, 31 = ZIP 1991, 1145 ff.; Schilling, JZ 1953, 489, 490; Raiser/Veil, KapGesR, § 48 Rn. 20; Lutter, in FS Mestmäcker, 1996, S. 943, 948 f. 651 Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 18. 652 Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 18 m.w.N. 653 Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 6; Winter, in Lutter UmwG, § 54 Rn. 21; Grunewald, in G/H/E/K, § 346 AktG Rn. 7; Widmann/Mayer, (1981) Rn. 2264. 654 §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 3 , 15 UmwG. 650
174
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Auf der anderen Seite ergibt sich aus § 12 Abs. 2 UmwG, dass das Ziel auch nicht die Bestimmung eines exakt richtigen Umtauschverhältnisses ist, sondern das Umtauschverhältnis nur „angemessen“ sein muss, d.h. die erhaltenen Anteile den Wert der hingegebenen Anteile im Wesentlichen erreichen.655 Entscheidend für die Angemessenheit ist nicht, ob die jeweiligen Unternehmenswerte exakt berechnet werden, sondern allein die richtige Ermittlung der Relation der Unternehmenswerte zueinander. Das Umtauschverhältnis ergibt sich damit aus dem Verhältnis der Unternehmenswerte der beteiligten Rechtsträger. Es lässt sich allgemein festhalten, dass das Umtauschverhältnis als angemessen bezeichnet werden kann, wenn eine Gleichwertigkeit von Leistung (Aufgabe der Beteiligung an dem übertragenden Rechtsträger) und Gegenleistung (Gewährung von Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger) erreicht wird. Die Anteilseigner der beteiligten Rechtsträger dürfen auch nach dem UmwG nach der Verschmelzung oder Spaltung nicht schlechter gestellt werden. Die Wertermittlung der inneren Werte bzw. Verkehrswerte (inklusive stiller Reserven und Firmenwert) der beteiligten Rechtsträger ist Ausgangspunkt für die Berechnung der Umtauschrelation; von entscheidender Bedeutung sind aber nicht so sehr die jeweiligen absoluten Werte als die Anwendung gleicher Bewertungsmethoden.656 Nur in besonders gelagerten Ausnahmen können bei einer Verschmelzung die zu verschmelzenden Rechtsträger mittels unterschiedlicher Methoden bewertet werden.657
cc) Grundsätze der Unternehmensbewertung Der Wert eines Unternehmens lässt sich grds. nicht nach Marktbedingungen bestimmen, da ein Markt für Unternehmen nicht abstrakt existiert. Zwar wird bei Unternehmensübernahmen immer häufiger das so genannte Auktionsverfahren durchgeführt.658 In diesen Fällen wird ein konkreter Markt für das be655
Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 18; Grunewald, in G/H/E/K, § 352 c AktG Rn. 19; Priester, in Scholz, Anh. Umw § 31 a KapErhG Rn. 5; Bula/Schlösser, in Sagasser/Bula/Brünger, Rn. J 29. 656 BayObLG v. 18.12.2002 – 3 Z BR 116/00, ZIP 2003, 253, 257; Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 UmwG Rn. 24; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 5 UmwG Rn. 26; Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 19 m.w.N. 657 Z.B. bei der Verschmelzung eines ertragreichen Unternehmens ohne Anlagekapital mit einem ertragsreichen Unternehmen, welches über erhebliche Vermögensgegenstände verfügt. Hier würde die bloße Anwendung der Ertragswertmethode oder Bewertung nach Liquidationswerten zu einer ungleichen Bewertung führen, vgl. Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 UmwG Rn. 23; Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 19 a. 658 Vgl. hierzu und zum herkömmlichen Verfahren Weber-Rey, in Semler/Stengel, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, § 11 B. II. und III.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
175
troffene Unternehmen geschaffen, wodurch der Wert des Unternehmens bestimmt werden soll. Ohne solche Verfahren scheiden dagegen Angebot und Nachfrage zur Wertfindung aus.659 In diesem Fall sind für den Wert eines Unternehmens oder eines Teils des Unternehmens nicht allein seine tatsächliche Substanz, sondern auch Zukunftserwartungen hinsichtlich Ertrag und Unternehmensentwicklung maßgebend.660 Nichtfinanzielle Ziele der Anteilsinhaber werden jedoch in der Regel bei einer objektivierten Unternehmensbewertung nicht berücksichtigt.661 Dies führt bei Kapital- und Personengesellschaften grundsätzlich zu angemessenen Ergebnissen.662 Die Unternehmenswerte sind zu einem bestimmten Stichtag zu ermitteln.663 Die Einschaltung unabhängiger Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gewährleistet eine grundsätzlich objektive Unternehmensbewertung. Mit Hinsicht auf eine für §§ 311 ff. AktG erforderliche Veranlassung kann daher in der Regel eine Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die (richtige) Unternehmensbewertung ausgeschlossen werden. Im Prüfungsbericht wird auf die Unternehmensbewertung sowie auf die darauf aufbauende Umtauschrelation hingewiesen werden. In der Praxis wird das herrschende Unternehmen somit aufgrund der Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers keinen Einfluss auf eine „nachteilige“ Unternehmensbewertung nehmen. Ein solches Vorgehen zöge unter Umständen strafrechtliche Konsequenzen nach sich und verbietet sich daher für die Muttergesellschaft. Allerdings könnte das herrschende Unternehmen seinen Einfluss zur Festlegung eines nicht angemessenen Umtauschverhältnisses geltend machen. Auch dieses Umtauschverhältnis wird freilich im Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbericht grundsätzlich als unangemessen aufgeführt werden.
659
Rotthege/Wassermann, Unternehmenskauf, Rn. 292. Vgl. Rotthege/Wassermann, Unternehmenskauf, Rn. 293, 296. 661 Siehe Müller, in Kallmeyer UmwG, § 9 Rn. 33; Bitzer, Probleme der Prüfung des Umtauschverhältnisses bei aktienrechtlicher Verschmelzung, S. 53 ff.; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 139. 662 Müller, in Kallmeyer UmwG, § 9 Rn. 33. Bei der Verschmelzung anderer Rechtsträger wie z.B. eingetragener Vereine kann es dagegen notwendig werden, nicht finanzielle, ideelle Komponenten in die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen, vgl. Ossadnik, DB 1995, 105, 109. 663 Rotthege/Wassermann, Unternehmenskauf, Rn. 299. 660
176
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
dd) Bewertungsstichtag Für die Bewertung aller beteiligten Rechtsträger ist von einem für alle Rechtsträger gleichen Stichtag, dem so genannten Bewertungsstichtag664, auszugehen. Dieser ist vom Gesetz nicht vorgegeben665, sondern kann von den Parteien grundsätzlich frei bestimmt werden. Der gewählte Stichtag muss vor dem Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Anteilseigner liegen, da anderenfalls eine gesicherte Basis für die Beschlussfassung nicht vorliegt.666 Eine Ansicht geht davon aus, dass als maßgeblicher Bewertungszeitpunkt der Zeitpunkt der Anteilseignerversammlung des übertragenden Rechtsträgers heranzuziehen ist.667 So hätten die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers zu diesem Zeitpunkt über die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses zu entscheiden. Aus diesem Grund sollten die beteiligten Rechtsträger möglichst zeitnah zum Tag der Beschlussfassung bewertet werden.668 Als Bewertungsstichtag kommt allerdings auch der Tag der Schlussbilanzen669 (§ 17 Abs. 2 UmwG) in Betracht, der zugleich der Zeitpunkt des geplanten Wechsels der Rechnungslegung ist und mit dem Verschmelzungsstichtag gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG übereinstimmt. Die Wahl dieses Zeitpunkts bringt zwar den Nachteil mit sich, dass sich der Wert des übertragenden Rechtsträgers zwischen dem Verschmelzungsstichtag und dem Zeitpunkt der Beschlussfassung noch durch außergewöhnliche Ereignisse erheblich ändern kann.670 Zwischen Verschmelzungsstichtag und Tag der Beschlussfassung eintretende besondere Entwicklungen und Einflüsse müssen in das Umtauschverhältnis einfließen.671 Dieser Gefahr kann aber teilweise durch eine auflösende
664
Der Bewertungsstichtag ist sowohl begrifflich als auch bezüglich seines Regelungsinhalts vom Verschmelzungsstichtag i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG zu trennen. Allerdings können Verschmelzungsstichtag und Bewertungsstichtag aufeinander fallen, dazu sogleich. 665 Hoffmann-Becking, FS Fleck, 1988, S. 105, 114 f.; Limmer, Unternehmensumwandlung, Rn. 270; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 21. 666 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 21; Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 UmwG Rn. 25; a.A. Mayer, in Widmann/Mayer, § 5 UmwG Rn. 132. 667 Vgl. Bula/Schlösser, in Sagasser/Bula/Brünger Umwandlungen J 30 m.w.N. Siehe auch Zeidler, in Semler/Stengel UmwG, § 9 Rn. 41 m.w.N. 668 Engelmeyer, Spaltung von AG, S. 38; Dörner, in WP-Handbuch Bd. II Teil D Rn. 46; Bula/Schlösser, in Sagasser/Bula/Brünger J 30. 669 Vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 21 m.w.N.; auch Zeidler, in Semler/Stengel UmwG, § 9 Rn. 42. 670 Siehe Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 21; Hoffmann-Becking, FS Fleck, 1988, S. 105, 116; Mayer in Widmann/Mayer, § 5 Rn. 132. 671 Bula/Schlösser, in Sagasser/Bula/Brünger J 30.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
177
Bedingung Rechnung getragen werden672, wonach die Umwandlung nur gültig ist, soweit nicht zwischenzeitliche erhebliche Änderungen eintreten.673 Es wird sich insgesamt empfehlen, soweit möglich, alle Stichtage auf das Ende des Geschäftsjahres des bzw. der übertragenden Rechtsträger zu legen, um es mit möglichst wenig unterschiedlichen Stichtagen zu tun zu haben.674
ee) Ermittlung des Umtauschverhältnisses im engeren Sinn Im Gesetz ist nicht bestimmt, nach welchen Verfahren und unter welchen Prämissen die Bewertung der beteiligten Rechtsträger erfolgen soll. Auch die Rechtsprechung hat bisher keine Methode der Bewertung als allein und uneingeschränkt maßgeblich angesehen.675 Es wurde häufig betont, dass weder der Buchwert der Anteile noch der Börsenkurs brauchbare Maßstäbe liefert. In der Literatur wurde zunehmend ein Rückgriff insbesondere auf den Börsenkurs befürwortet. Die Untersuchung will und vermag nicht alle verschiedenen Methoden und Prämissen aufzuzeigen und kritisch zu untersuchen. Vielmehr soll im folgenden lediglich das herrschende Verfahren dargestellt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH676 ist für die Ermittlung der angemessenen Barabfindung und der Umtauschwertrelation bei börsennotierten Aktiengesellschaften im Fall eines Unternehmensvertrags grundsätzlich der Verkehrswert zugrunde zu legen. Als Verkehrswert wird der Wert verstanden, der durch die Verkehrsfähigkeit der Aktie geprägt wird und dem Betrag entspricht, den der Aktionär aufgrund der Möglichkeit, sie frei zu veräußern, auf dem dafür relevanten Markt zu erzielen vermag. Der Verkehrswert ist dann bei börsennotierten Gesellschaften i.d.R. mit dem Börsenwert identisch. Insoweit folgt man hier der Rechtsprechung des BVerfG zur Bewertung des Ausgleichs bzw. der Abfindung von außenstehenden oder ausscheidenden Aktionären nach §§ 304, 672
Vgl. hierzu Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 26. Tritt das maßgebliche Ereignis erst nach dem Wirksamwerden der Verschmelzung durch Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers ein, so führt dies nicht zur Ungültigkeit der auflösend bedingten Verschmelzung; denn dann ist der übertragende Rechtsträger bereits untergegangen und kann auch nicht mehr nachträglich wieder entstehen, vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 4 Rn. 26 m.w.N. 674 So Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 21. Die Bestimmung des Bewertungsstichtags ist weiterhin relevant, weil bei der Bewertung nur derjenige Informationsstand zu berücksichtigen ist, den die beteiligten Rechtsträger bei angemessener Sorgfalt zum Bewertungsstichtag haben können, siehe hierzu Zeidler, in Semler/Stengel UmwG, § 9 Rn. 42 m.w.N.; Rotthege/Wassermann, Unternehmenskauf, Rn. 299. 675 BGHZ 116, 359, 371; BGH DB 1993, 1615, 1616. 676 BGH ZIP 2001, 734, 736 „DAT/Altana“, vgl. auch schon BVerfGE 100, 289, 305 f. „DAT/Altana“. 673
178
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
305, 320b AktG, die es mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar ansieht, den Börsenkurs – soweit vorhanden – außer Acht zu lassen. Der Börsenkurs stellt daher die Untergrenze für die Bewertung börsennotierter Gesellschaften dar. Ist dagegen der anhand anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden ermittelte Schätzwert höher, ist dieser zugrunde zu legen.677 Die Übertragung dieser Grundsätze auf die Verschmelzung und Spaltung ist höchstrichterlich noch nicht entschieden; da das Umtauschverhältnis aber wie bei einem Unternehmensvertrag mit einem variablen Umtauschverhältnis aufgrund der Umtauschwertrelation der beteiligten Rechtsträger beruht, liegt die Anwendung dieser Grundsätze nahe.678 Die behauptete Vergleichbarkeit der Eigentumsrelevanz von Verschmelzung bzw. Spaltung einerseits und der Abschluss von Eingliederungs- oder Beherrschungsverträgen andererseits kann jedoch kritisch gesehen werden.679 Denn bei der Eingliederung verlieren die ausscheidenden Aktionäre ihr durch die Aktien verkörpertes Anteilseigentum an der eingegliederten Gesellschaft und werden im Falle der Mehrheitseingliederung aus der Gesellschaft gedrängt.680 Bei der Verschmelzung oder Spaltung setzen sich die Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft an der übernehmenden Gesellschaft fort. Zwar verliert der Aktionär seine formale Eigentumsposition an dem Anteil des übertragenden Rechtsträgers. Dafür bekommt er jedoch eine Beteiligung an der übernehmenden Gesellschaft. Der Austausch der Beteiligungen kann daher nur schwerlich einem Verlust681 gleichgesetzt werden.682 Auch die Interessenlage der Anteilsinhaber der übertragenden wie der übernehmenden Gesellschaft ist anders gelagert als diejenige der Aktionäre von Gesellschaften, die einen Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrag abschließen. Denn in diesen Fällen kann eine Begünstigung einzelner Aktionäre, eben des herrschenden Unternehmens, im Raum stehen. Bei einer Umwandlung werden sämtliche Aktionäre jedoch gleichermaßen betroffen, ohne dass ein Ak677
BGHZ ZIP 2001, 734, 736 „DAT/Altana“; vgl. Gehling, in Semler/Stengel UmwG, § 8 Rn. 26. 678 So beispielhaft Gehling, in Semler/Stengel UmwG, § 8 Rn. 26; vgl. auch Behnke, NZG 1999, 934; Erb, DB 2001, 523; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 8 Rn. 14; Vollrath, FS Widmann, 2000, 117, 121. 679 Vgl. Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 24. 680 Siehe Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 24. Die Ausführungen des BVerfG bezogen sich jedoch allein auf den Ausgleich und die Abfindung beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sowie die Festsetzung der Abfindung bei der Mehrheitseingliederung. In der Regel erfolgt beim Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen sowie der Eingliederung allerdings keine Barabfindung, sondern ein Anteilstausch. 681 So das Erfordernis des BVerfG ZIP 1999, 1436, 1440 („DAT/Altana“). 682 Vgl. auch Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 24.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
179
tionär einen Sondervorteil zu Lasten der Minderheit zu erzwingen vermag. Eine Berücksichtigung des Börsenwertes bei der Bewertung der übertragenden Gesellschaft soll damit bei der Verschmelzung und Spaltung gleichberechtigter Gesellschaften nach überwiegender Ansicht ausscheiden.683 Anders zu beurteilen ist nach h.A. hingegen die auch hier relevante Verschmelzung oder Spaltung konzernverbundener Unternehmen, in denen das herrschende Unternehmen sowohl Aktionär der abhängigen Gesellschaft als auch Umwandlungsobjekt ist.684 Der Vorstand wird hier bei der Aushandlung des Umtauschverhältnisses einseitig die Interessen seiner Aktionäre im Blick haben, die in einem diametralen Gegensatz zu denen der außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft stehen. Die im Falle der Verschmelzung miteinander unverbundener Unternehmen bestehende grundsätzliche Interessengleichheit ist dann faktisch aufgehoben.685 Da das herrschende Unternehmen bei der Umwandlung konzernverbundener Unternehmen in der Lage ist, das Umtauschverhältnis zu Lasten der außenstehenden Aktionäre der abhängigen Gesellschaft zu verschieben, ist hier die DAT/Altana-Rechtsprechung des BVerfG zu beachten, so dass der Börsenwert des Unternehmens die Untergrenze der Bewertung der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft darstellt.686 Das gilt wiederum nicht, wenn der Börsenkurs wegen besonderer Umstände im Einzelfall nicht aussagekräftig ist.687 Dieses Ergebnis hilft aber in vielen Fällen der Umwandlung konzernverbundener Unternehmen nicht weiter. Da nämlich die Bewertung der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger nach einheitlichen Kriterien, also nach der gleichen Bewertungsmethode, vorgenommen werden muss688, scheidet eine Berücksichtigung des Börsenkurses folgerichtig aus, wenn an der Umwandlung nur eine börsennotierte Gesellschaft beteiligt ist. In diesen Fällen bleibt es bei der heute üblichen so genannten Ertragswertmethode. 683 So auch BayObLG ZIP 2003, 253; Bungert, BB 2003, 699; Decher, FS Wiedemann, 2002, 787, 800; Riegger, DB 1999, 1889, 1890; Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 24 m.w.N. 684 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 25 m.w.N. 685 Paschos, ZIP 2003, 1017, 1023. 686 BVerfGE 100, 289, 305 f. „DAT/Altana“; Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 25; Paschos, ZIP 2003, 1017, 1023; Wilsing/Kruse, DStR 2001, 991, 995. Der Referenzkurs zur Bestimmung des angemessenen Umtauschverhältnisses ist im Grundsatz aus dem Mittel der Börsenkurse der letzten drei Monate vor dem Stichtag zu bilden, vgl. BGHZ 147, 108. 687 BVerfG ZIP 1999, 1441 f.; Hüttemann, ZGR 2001, 454, 470 ff.; Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 25. 688 Siehe oben (10) (b); vgl. im Übrigen BayObLG ZIP 2003, 253, 257; Bungert, BB 2003, 699, 700; Hüttemann, ZGR 2001, 454, 463; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 26.
180
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Die Berechnung des demnach maßgebenden Ertragswerts erfolgt dadurch, dass aus den in der näheren Vergangenheit (3-5 Jahre) erzielten ausschüttungsfähigen Gewinnen689 auf die künftig nachhaltig erzielbaren Erträge geschlossen und diese mit einem Kapitalisierungszinsfuß690 kapitalisiert werden. Im Rahmen der Feststellung der Ertragskraft des Unternehmens zum Bewertungsstichtag sind außergewöhnliche Erträge und Belastungen während des Bewertungszeitraums herauszurechnen691; bei der Prognose sind erkennbare positive und negative Aspekte zu berücksichtigen.692 Bei der Unternehmensbewertung im faktischen Konzern kann die Bemessung der Ertragskraft auf zukünftig eintretende Erfolgschancen dann gestützt werden, wenn bei objektivierter Betrachtung in einem bestimmten, vor dem Bewertungsstichtag liegenden Ereignis die Wurzel künftiger Effekte ausgemacht werden kann. Da es auf die subjektive Kenntnis des Organs des zu bewertenden Unternehmens nicht ankommt, können auch Ereignisse im Bereich der Muttergesellschaft berücksichtigt werden, die den konzernangehörigen Gesellschaften zum Stichtag noch nicht bekannt gegeben waren, sich aber auf deren künftige Ertragskraft auswirken.693 Die Berechnung der Ertragswerte erfolgt unter Annahme des Fortbestandes und der weiteren Selbständigkeit der beteiligten Rechtsträger, d.h. erst mit der Umwandlung beabsichtigte Vorteile sind bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses nicht zu berücksichtigen.694 Nicht möglich ist die Einbeziehung „qualitativer“ Unterschiede der Anteile an Rechtsträgern bei Mischverschmelzungen unterschiedlicher Rechtsformen oder bei Spaltungen in andersartige Rechtsträger in die Bewertung. Das Gesetz hat die Unmöglichkeit der Bewertung von Herrschaftsrechten abschließend durch die Möglichkeit geregelt, Abfindung unter den Voraussetzungen der §§ 29 ff. UmwG verlangen zu können.695 Nur in Sonderfällen, etwa bei der Bewertung ertragsschwacher Unternehmen oder eines überdurchschnittlich hohen Anteils nicht betriebsnotwendigen Vermögens in einem Unternehmen, kann neben der dargestellten Ertragswertme-
689
Diese und nicht die tatsächlich ausgeschütteten Gewinne sind maßgeblich, vgl. Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 162; WPHandbuch 1992, Band II, Rn. A 44. 690 Vgl. hierzu Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 35. 691 Mayer, in Widmann/Mayer, § 5 UmwG Rn. 103. 692 BGH DB 1973, 565; OLG Düsseldorf WM 1988, 1052 ff.; Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 UmwG Rn. 15. 693 OLG München NZG 2005, 181 f.; BGH NZG 1999, 208. 694 Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 31 m.w.N. 695 Lutter/Drygala, Lutter UmwG, § 5 Rn. 34; auch Bula/Schlösser, in Sagasser/Bula/Brünger, J 56.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
181
thode auch die Substanzwertmethode696 relevant sein. Der Liquidationswert kommt allenfalls als Wertuntergrenze für die Bewertung in Betracht.697 Bei der Spaltung ist – wie noch zu zeigen sein wird – insbesondere zu beachten, dass die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers eine hinreichende Kompensation für den Verlust (bei Aufspaltung) bzw. die Wertminderung (bei Abspaltung) ihrer Anteile bekommen. Den Eignern des übernehmenden Rechtsträgers geht es darum, dass keine Verwässerung ihrer Beteiligung durch ein Missverhältnis von Anteilshingabe und hereinkommenden Vermögen eintritt. Maßgebend ist der tatsächliche Wert der übertragenen Vermögenswerte im Verhältnis zum Wert des übernehmenden Rechtsträgers. Die Höhe der Anteile ergibt sich aus der Relation dieser Werte.698 Bei der Ausgliederung muss kein Umtauschverhältnis bestimmt werden, weil der übertragende Rechtsträger selbst alle Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhält, somit kein Anteilstausch auf Gesellschafterebene stattfindet.699 ff) Berechnung des Umtauschverhältnisses und der baren Zuzahlung Sind die Unternehmenswerte festgestellt, werden sie zur Berechnung des Umtauschverhältnisses und einer ggf. zu leistenden baren Zuzahlung herangezogen. (1) Berechnung des Umtauschverhältnisses Das Umtauschverhältnis berechnet sich bei einer Verschmelzung von Aktiengesellschaften nach folgender Formel: u = (b x WA)/(a x WB) u:
Umtauschverhältnis
a:
Anzahl der Aktien der übernehmenden AG
b:
Anzahl der Aktien der übertragenden AG
WA:
Unternehmenswert der übernehmenden AG
WB:
Unternehmenswert der übertragenden AG
696 OLG Düsseldorf DB 1988, 1109 ff.; Großfeld, Die Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, S. 91 ff.; WP-Handbuch 1992, Band II, Rn. A 255 ff. 697 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 29. 698 Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 32; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 37. 699 Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 34.
182
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Die Anzahl der bei der Kapitalerhöhung auszugebenden Aktien sich dann wie folgt700:
a ergibt
a = b/u
Besonderheiten ergeben sich dann, wenn der übernehmende Rechtsträger, wie bei einer Verschmelzung innerhalb des Konzerns üblich, Anteile an den übertragenden Rechtsträgern besitzt. Hier müssen nur die übrigen Anteilseigner der übertragenden Rechtsträger mit Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger abgefunden werden. Nur insoweit ist eine Kapitalerhöhung erforderlich.701 Die Berechnung des Gesamtnennbetrages der erforderlichen Kapitalerhöhung kann dabei nicht unmittelbar aus dem Wert des Vermögens des übernehmenden Rechtsträgers ermittelt werden, denn dieser wird durch den Wegfall von Beteiligungen an den übertragenden Rechtsträgern gemindert. An die Stelle der wegfallenden Beteiligung tritt quotal das übergehende Vermögen der Überträger.702 (2) Berechnung der baren Zuzahlung Im Umwandlungsvertrag ist auch die Höhe der ggf. zu leistenden baren Zuzahlungen festzulegen. Bare Zuzahlungen sollen es vorrangig ermöglichen, gängige und einfach handhabbare Umtauschverhältnisse zu schaffen. Die Zuzahlungen dürfen nach §§ 54 Abs. 4 und 68 Abs. 3 UmwG 10% des Gesamtnennbetrages der gewährten Aktien703 nicht überschreiten.704
700
Vgl. Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 UmwG Rn. 37. Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 UmwG Rn. 40; siehe unten 4. Teil A.1.b) aa). 702 Bermel/Hannappel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 5 UmwG Rn. 40. 703 Bzw. Geschäftsanteile. 704 Vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 5 Rn. 24 m.w.N. Hat bei der Verschmelzung von Aktiengesellschaften ein Aktionär weniger Aktien, als nach dem Umtauschverhältnis für den Erwerb einer Aktie an der übernehmenden Gesellschaft erforderlich sind, so hat er keinen Anspruch auf eine Barleistung, da das Gesetz nur bare Zuzahlungen vorsieht. In diesem Fall gelten die § 72 Abs. 1 Satz 2 UmwG i.V.m. §§ 73, 226 AktG, wonach dem Aktionär in diesem Fall nur die Möglichkeit bleibt, seine Aktien zum Zwecke der Verwertung für seine Rechnung zur Zusammenlegung zur Verfügung zu stellen und sie andernfalls als nicht eingereichte Aktien für kraftlos erklärt und vernichtet werden. Bis dahin bleibt der betreffende Aktionär Inhaber eines Teilrechts und Inhaber der meisten Mitgliedschaftsrechte, nicht jedoch des Stimmrechts, siehe Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 36 m.w.N. 701
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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gg) Vermögensrelevanz Die Bestimmung des Umtauschverhältnisses hat offensichtlich Auswirkungen auf das Vermögen der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft. Durch den Anteilstausch soll gerade ihr in der übertragenden Gesellschaft verkörpertes Vermögen angemessen ausgeglichen werden. Nicht selten wird wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Umtauschverhältnisses für die Anteilseigner Streit darüber bestehen, ob die neuen Anteilsrechte am übernehmenden Rechtsträger den bisherigen gleichwertig sind705, ob also die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers eine angemessene Gegenleistung erhalten. Insbesondere bei den hier in Frage stehenden Umwandlungen innerhalb eines Konzerns, bei denen ein herrschendes Unternehmen entscheidenden Einfluss auf die Bestimmung des Umtauschverhältnisses nehmen können, besteht für außenstehende Aktionäre die Gefahr einer Vermögensbeeinträchtigung. Im Zusammenhang mit Beschlüssen der Hauptversammlung über die Änderung des Unternehmensgegenstandes oder über die Gewinnverwendung wird zwar weitgehend die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG mit dem Argument verneint, dass kein Nachteil eintreten könne, wenn alle Aktionäre gleich behandelt werden.706 Allgemein seien die §§ 311 ff. AktG nicht auf Beschlüsse anwendbar, die alle Aktionäre gleich behandeln und legitime Gläubigerinteressen nicht gefährden.707 Im Regelfall gelte dies schon deshalb, da der Vorstand zu nichts „veranlasst“ werde. Bei der Festlegung des Umtauschverhältnisses wären die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ebenfalls in gleicher Weise betroffen, es fände insoweit eine Gleichbehandlung aller Aktionäre statt. Nach erster Betrachtung wäre daher bei einem unangemessenen Umtauschverhältnis entweder ein Nachteil für alle gegeben oder relativ gesehen eben gar kein Nachteil. Aber auch hier vermengt die h.A. die Tatbestandsmerkmale „Veranlassung“ der Geschäftsleitung und „nachteiliges Rechtsgeschäft“. Richtig ist daher zu differenzieren: Erschöpft sich das Verhalten der Hauptversammlung in dem alle Aktionäre betreffenden Beschluss, ist bei der Veranlassung anzusetzen; eine solche wird in derartigen Fällen nicht gegeben sein. Ist der Beschluss der Hauptversammlung jedoch die Veranlassung der Geschäftsleitung zu einem weiteren Verhalten, so ist dieses veranlasste Verhalten auf einen Nachteil zu untersuchen. Erst dabei ist auf die Belange der Außenseiter Rücksicht zu nehmen. Erfolgt keine (relative) Benachteiligung, sondern eine Gleichbehandlung, mag kein Nachteil
705
Siehe Bork, in Lutter UmwG, § 14 Rn. 13. Vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 26, 42. 707 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 26; A/D/S, § 311 Rn. 30. 706
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
vorliegen. Dies schließt jedoch nicht von vornherein die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG aus. Somit ist auch bei Umwandlungen zwischen dem zustimmenden Hauptversammlungsbeschluss über die organisatorischen Folgen der Verschmelzung und der inhaltlichen Ausgestaltung des Umwandlungsvertrags zu trennen. Bei Umwandlungen ist demgegenüber gerade auch der für die Vornahme entscheidende Grund, der sich zumeist in einem Konzernvorteil zeigen wird, zu berücksichtigen. Nicht zuletzt werden Verschmelzungen und Spaltungen aus steuerlichen oder Effizienzgründen mit Hinsicht auf den Konzern durchgeführt. Dieser Konzernvorteil ist für Aktionäre in der Regel nicht in diesem Ausmaß gegeben. Dies gilt umso mehr bei einer upstream-Verschmelzung, wenn die aufnehmende herrschende Gesellschaft keine Anteile im Austausch erhält, § 68 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. In diesem Fall erhält bzw. behält diese den „vollen“ Beteiligungswert, ohne durch ein zu niedriges Umtauschverhältnis beeinträchtigt zu sein. Daher werden die außenstehenden Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zwar bei der Festlegung des Umtauschverhältnisses gleich behandelt. Die weiteren mit der Umwandlung verbundenen Folgen sind jedoch unterschiedlich, so dass Umwandlungsmaßnahmen insoweit nicht mit einer Änderung des Unternehmensgegenstandes bzw. dem Gewinnverwendungsbeschluss gleichgestellt werden können. Es verbleibt damit bei einer Vermögensbeeinträchtigung auf Seiten der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses. (1) Vermögenseinbuße bei übertragendem Rechtsträger selbst Bei Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses wird freilich, wie gesehen, das Vermögen der Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft beeinträchtigt. Diese erwerben an diesem nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG kraft Gesetzes mit der Eintragung der Verschmelzung im Register des übernehmenden Rechtsträgers die ihnen im Austausch zugeteilten Mitgliedschaftsrechte. 708 Es findet kein Durchgangserwerb beim übernehmenden Rechtsträger statt. 709 Die übertragende Gesellschaft selbst erleidet durch den unangemessenen Anteilstausch dagegen keine Vermögensbeeinträchtigungen. Deren Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten geht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG mit Wirksamwerden der Verschmelzung vielmehr im Wege der Gesamtrechtsnach708 Vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 57; Kübler, in Semler/Stengel UmwG, § 20 Rn. 74. 709 Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 20 Rn. 29; Kübler, in Semler/Stengel UmwG, § 20 Rn. 74; Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 57 m.w.N.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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folge710 auf den übernehmenden Rechtsträger über. Mit der Eintragung der Verschmelzung im Register am Sitz des übernehmenden Rechtsträgers erlischt711 zugleich automatisch der übertragende Rechtsträger. Folglich bewirkt der Anteilsumtausch keine i.R.d. § 311 Abs. 1 AktG vermögensrelevanten Beeinträchtigungen bei der übertragenden Gesellschaft selbst. Dass die abhängige Gesellschaft selbst erlischt und alles Vermögen „verliert“, ist wegen der gesetzlichen Legitimation der Verschmelzung für eine Nachteilsermittlung i.R.v. § 311 Abs. 1 AktG nicht relevant. (2) Vermögenseinbuße bei Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers Eine Vermögenseinbuße durch ein unangemessenes Umtauschverhältnis tritt allerdings auf Seiten der Anteilsinhaber der übertragenden712 oder übernehmenden713 Rechtsträger ein. Nur sie sind in ihrem in der Gesellschaft investierten Vermögen beeinträchtigt, wenn sie für ihre zu übertragenden Anteile einen zu geringen Gegenwert erhalten bzw. für ihr in der übernehmenden Gesellschaft liegendes Vermögen relativ zu viele Anteile gegen übernommenes Vermögen einzutauschen haben, d.h. die Kapitalerhöhung zu hoch ausfällt und damit zu einer Verwässerung ihrer Anteile führt. Ein Nachteil für die Anteilsinhaber tritt allerdings noch nicht schon dann auf, wenn lediglich das Vermögen der übertragenden abhängigen Gesellschaft zu gering bewertet wird. Entscheidend ist die Wertrelation des Vermögens des übertragenden Rechträgers zum Vermögen des übernehmenden Rechtsträgers. Nur wenn diese Wertrelation unangemessen und das Umtauschverhältnis zu gering ist, werden die Anteilsinhaber der abhängigen und übertragenden Gesellschaft in ihrem Vermögen beeinträchtigt. Dieses Ergebnis kann im Hinblick auf eine Verschmelzung (oder Spaltung) nicht mit dem Argument angezweifelt werden, die Aktionäre würden diesen Nachteil durch ihre Zustimmung zum Umwandlungsbeschluss in Kauf nehmen und dadurch auf ihren Schutz auch nach §§ 311 ff. AktG verzichten. Hiergegen spricht eindeutig zum einen § 317 Abs. 4 i.V.m. § 309 Abs. 3 AktG, wonach ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche der Gesellschaft nach § 317 Abs. 1 AktG unter Beachtung weiterer Voraussetzungen allenfalls nach drei Jahren 710
Vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 7; Kübler, in Semler/Stengel UmwG, § 20 Rn. 8 ff. 711 § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Kübler, in Semler/Stengel UmwG, § 20 Rn. 73; Grunewald , in Lutter UmwG, § 20 Rn. 56. 712 Dies gilt insbesondere bei der Festlegung eines zu niedrigen Umtauschverhältnisses. 713 Der Wert der Anteile der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers wird durch die Festlegung eines erhöhten Umtauschverhältnisses verwässert.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
möglich ist. Zum anderen zeigt auch das UmwG durch die Möglichkeit der Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 Abs. 1 UmwG deutlich, dass diese Nachbesserungsmöglichkeit unabhängig vom Verhalten bei der Abstimmung über den Umwandlungsvertrag ist. Es bleibt daher bei dem gefundenen Ergebnis, dass die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers bei einem unangemessenen Umtauschverhältnis in ihrem in der Gesellschaft investierten Vermögen beeinträchtigt werden. (3) Keine Vermögenseinbuße bei Gläubigern der abhängigen Gesellschaft Ein Nachteil für Gläubiger der übertragenden Gesellschaft tritt durch die Übertragung der entsprechenden Anteile nicht ein. Die Anteile am übernehmenden Rechtsträger sind direkt den Anteilsinhabern der übertragenden Gesellschaft zu gewähren. Der Erwerb der Mitgliedschaft erfolgt kraft Gesetzes, ohne dass die Anteilsinhaber etwas dazu beitragen müssten.714 Handelt es sich um Anteile, die vor der Verschmelzung dem übertragenden Rechtsträger gehörten, so erwirbt sie der Anteilsinhaber ohne Durchgangserwerb des übernehmenden Rechtsträgers.715 Die Gläubiger haben auf diese ausgetauschten Anteile keine Zugriffsmöglichkeit. Die Interessen der Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers, die auf einen Durchgangserwerb gerichtet sein könnten, sind unbeachtlich, da diese Anteile nie dem Zugriff der Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers offen standen. Die Interessen der Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers sind insoweit ebenfalls unbeachtlich.716 Bei Einhaltung der Anforderungen des UmwG stehen den Gläubigern lediglich die besonderen Gläubigerschutzrechte der §§ 22, 25 und 26 UmwG zu. Danach haftet der übernehmende Rechtsträger als Gesamtrechtsnachfolger auch gegenüber den Gläubigern des übertragenden Rechtsträgers.717 Nach § 22 UmwG haben die Gläubiger der beteiligten Rechtsträger bei einer Gefährdung der Erfüllung ihrer Forderung zudem das Recht auf Sicherheitenstellung in angemessener Höhe.718 Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Verschmelzung für die Gläubiger aller beteiligten Rechtsträger neue Risiken 714 Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 20 Rn. 29; Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 57; Grunewald, in G/H/E/K, § 346 AktG Rn. 43. 715 Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 57; Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 20 Rn. 50; Grunewald, in G/H/E/K, § 346 AktG Rn. 43; Korte, EiB 1997, 953, 955; Kübler, in Semler/Stengel UmwG, § 20 Rn. 75; Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 20 Rn. 29. 716 Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 57 717 Diese Rechtsfolge ergibt sich schon aus dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge, d.h. dem Eintritt in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers. 718 Maier-Reimer, in Semler/Stengel UmwG, § 22 Rn. 3.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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mit sich bringen kann. Die Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers verlieren ihren Schuldner. Sie erhalten zwar mit dem übernehmenden Rechträger einen neuen Schuldner, diesen haben sie sich jedoch nicht ausgesucht. Zugleich stehen sie in Konkurrenz mit den Gläubigern des übernehmenden Rechtsträgers.719 Daher sollen die Gläubiger durch die Sicherheitsleistung ausreichend geschützt werden.720 Denn so bleibt ihnen die Möglichkeit, sich ohne Einfluss der Verschmelzung und der damit womöglich verbundenen Änderung der Rechtsform ihres bisherigen Schuldners aus der zum Zeitpunkt der Verschmelzung vorhandenen Masse zu befriedigen.721 Durch diesen Anspruch auf Sicherheitsleistung verändert sich damit die Lage der Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers nicht. Ihnen steht weiterhin genau dieselbe Haftungsmasse zur Verfügung, sofern sie ihre Forderungen rechtzeitig anmelden. Dass diese Obliegenheit nun in der Verantwortung der Gläubiger liegt, ist hinzunehmen und führt mangels Verwirklichung eines Konzernrisikos keinesfalls zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG. Die Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers sind somit hinreichend durch das UmwG geschützt. Ein vermögensrelevanter Nachteil i.S.v. § 311 AktG kann hinsichtlich der Gläubiger durch die Übertragung der Anteile am übernehmenden Rechtsträger nicht eintreten. Dies ist konsequent, da auch vor der Verschmelzung die Gläubiger grundsätzlich nicht die Möglichkeit eines direkten Durchgriffs auf das Vermögen der Anteilsinhaber hatten, was gerade die Anteile an der Gesellschaft darstellen. Die Forderungen richten sich gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AktG gegen die Gesellschaft als solche, nicht gegen die dahinter stehenden Anteilsinhaber. Dieses Prinzip der Trennung von Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen darf auch im Fall einer Umwandlung nicht aufgegeben werden.722 719
Vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 22 Rn. 3. In der Anwendung der Vorschrift des § 22 UmwG ist nach Maier-Reimer, in Semler/Stengel UmwG, § 22 Rn. 5, Zurückhaltung geboten. Denn sonst würde das Erfordernis der Sicherheitsleistung genau die Probleme verursachen, gegen die sie schützen soll, nämlich die Insolvenz infolge Zahlungsunfähigkeit durch übermäßige Bindung liquider Mittel oder potenzieller Kreditunterlagen. Zwar soll das UmwG „keine maroden Umwandlungsvorgänge“ begünstigen. Doch dürfen umgekehrt auch sinnvolle Umwandlungen nicht durch eine exzessive Anwendung des Erfordernisses der Sicherheitenleistung verhindert werden. Vgl. auch Schmidt, ZGR 1993, 366, 383; Lutter ZGR, 1990, 392, 410 ff. sowie Schröer, DB 1999, 317, 320. 721 Insbesondere mit der durch die Verschmelzung bedingten Strukturveränderungen können ein Abbau des institutionellen Gläubigerschutzes einhergehen, etwa dadurch, dass ein bisher bestehender Kapitalschutz wegfällt oder nur auf geringerem Niveau besteht, z.B. durch Herabsetzung des Stammkapitals oder Änderung der Rechtsform. 722 Anderes gilt freilich in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Existenzgefährdung einer GmbH, vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, Anh. § 318 Rn. 73 ff. 720
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Es kann somit festgehalten werden, dass die Übertragung der Anteile des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, gleich ob das Umtauschverhältnis angemessen oder unangemessen ist, keine vermögensrelevanten Auswirkungen auf die Stellung der Gläubiger der übertragenden Gesellschaft hat. Insoweit kann daher auch niemals ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG eintreten. Gläubigerschützende Belange spielen somit für eine Bestimmung der Nachteiligkeit einer Umwandlung i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG keine Rolle. (4) Ergebnis Zusammenfassend kann man festhalten, dass allein die Festlegung des Umtauschverhältnisses im Verschmelzungsvertrag eine Vermögensbeeinträchtigung und damit einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründen kann. Nachteilsausgleich nach § 311 AktG ist daher nur dann zu leisten, wenn der Vorstand der abhängigen AG zur Ausarbeitung und zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrags mit einem unangemessenen Umtauschverhältnis veranlasst wird. Die Vermögensbeeinträchtigung erfahren jedoch – entgegen der Annahme von § 311 Abs. 1 AktG – die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers, nicht die abhängige AG selbst. Auch die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft sind davon nicht betroffen.
4. Fällt diese Situation in den Schutzbereich der §§ 311 ff. AktG? Bei der übertragenden abhängigen AG kann also durch die Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses eine Vermögenseinbuße nur bei den Anteilseignern eintreten, nicht bei der Gesellschaft selbst oder deren Gläubigern. Insofern erscheint fraglich, ob und inwieweit ein unangemessenes Umtauschverhältnis nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG sein kann. Insbesondere scheint die oben angeführte Definition in der Literatur, dass nachteilig i.S.d. § 311 AktG all diejenigen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen sind, die zu einer Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft führen723, am Problem vorbeizugehen. Denn nach Durchführung der Verschmelzung ist die bis dahin abhängige AG erloschen und nicht mehr eigenständig am Markt vertreten, so dass eine Bemessung der Ertrags- und Ver723 Vgl. BGHZ 141, 79, 84; A/D/S, § 311 Rn. 37 f.; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 25 II 1 a); Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 39; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 25; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 50; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 138; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 68.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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mögenslage nicht mehr möglich ist. Es lässt sich schlichtweg wegen qualitativer Unterschiede kein Vergleichsmaßstab finden.724 Auch die Definition anderer Autoren725, dass nur wirtschaftliche Auswirkungen im Rahmen der 311 ff. AktG berücksichtigungsfähig seien, da nur dann Außenseiterinteressen tangiert sein könnten und nur vor diesem Hintergrund die Regelung zum Nachteilsausgleich in § 311 AktG und der Schadenersatzanspruch des § 317 AktG verständlich seien, kann hier nicht weiter helfen. Schon Stahl hielt diese Beschränkung der §§ 311 ff. AktG auf Nachteile der „Gesellschaft selbst“ für fragwürdig.726 Denn damit blieben Vorgänge, die zwar nicht die Gesellschaft selbst benachteiligen, jedoch eine Abwägung der Individualinteressen erfordern, trotz typischer Gefahren faktischer Konzernmacht und der Macht eines Großaktionärs, außerhalb der gesetzlichen Regelung. Der Schutz der abhängigen AG ist nach der Konzeption der §§ 311 ff. AktG allerdings nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Schutz der Individualinteressen der Minderheitsaktionäre und Gläubiger der abhängigen AG. Dieser Weg ermöglicht einerseits den Verzicht auf die Beachtung einzelner Individualinteressen und damit auf die Entwicklung vom Ausmaß der jeweiligen Beherrschung unabhängiger Maßstäbe, was die Normen des Schutzes von Interessenträgern in abhängigen Gesellschaften praktikabler und transparenter machen dürfte.727 Andererseits muss damit noch nicht gesagt sein, dass trotz des Wortlauts von § 311 AktG alleine Nachteile der „Gesellschaft selbst“ erfasst werden. Ein Ansatz könnte die Definition für einen Nachteil i.S.d. §§ 311 ff. AktG geben, die sich in ihrem Ansatzpunkt von der rein wirtschaftlichen Betrachtung löst. Danach sind nachteilig solche Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die gegen die Interessen der abhängigen Gesellschaft verstoßen.728 Zwar betonen die genannten Verfasser, dass eine Haftung nach den §§ 311 ff. AktG jeweils nur für Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Wirtschaftslage der abhängigen Gesell724 Wird eine abhängige AG zur Aufnahme einer anderen Gesellschaft veranlasst, besteht sie fort und kann in ihrer Vermögens- oder Ertragslage beeinträchtigt werden. § 311 AktG kann daher eingreifen. In Fortführung der in dieser Arbeit entwickelten Ergebnisse wäre ein Nachteil für die aufnehmende AG aber nur gegeben, wenn das Umtauschverhältnis unangemessen hoch wäre. 725 Kropff, in G/H/E/K § 311 Rn. 107; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 50; Raiser/Veil, KapGesR, § 53 Rn. 24; Linsmann, Ausgleichsanspruch nach § 311 II AktG, S. 25, 45. 726 Stahl, Das Verbot der Benachteiligung abhängiger Aktiengesellschaften, S. 190. 727 Stahl, Das Verbot der Benachteiligung abhängiger Aktiengesellschaften, S. 190. 728 Baumbach/Hueck § 311 Rn. 8; Eschenbruch, Rn. 3314; Raiser/Veil, KapGesR, § 53 Rn. 1; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 118; Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 242 f.; ähnlich Strohn, S. 18 f.; vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 77 m.w.N.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
schaft in Betracht komme. Dennoch kommt es nach dieser Definition erst in zweiter Linie auf eine Beeinträchtigung der Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft an, nämlich nur insoweit, als die Erhaltung oder Verbesserung der Vermögens- und Ertragslage tatsächlich im Interesse der Gesellschaft liegt. Das Eigeninteresse der übertragenden Gesellschaft setzt sich jedoch aus einem Bündel von verschiedenen Interessen zusammen, insbesondere auch aus den Interessen der Anteilseigner. Genau hier greift die Schutzfunktion der §§ 311 ff. AktG ein, welche die Verfolgung der nach §§ 311 ff. AktG gegebenen Rechte nicht nur der Gesellschaft, sondern auch unter gewissen Voraussetzungen den außenstehenden Aktionären überträgt.729 Nicht allein dadurch wird deutlich, dass die §§ 311 ff. AktG zwar mittelbar, aber in erster Linie das Vermögen der außenstehenden Minderheitsaktionäre schützen wollen. Konsequent ist in diesem Sinne die Ausgestaltung der Rechte der Außenstehenden als grundsätzlicher Anspruch der Gesellschaft. Dieses Instrument dient neben einem effektivem Gläubigerschutz in erster Linie der Vereinfachung der Durchsetzung möglicher Ansprüche und der Gleichbehandlung der dahinter stehenden Interessen. Aus dieser Ausgestaltung lässt sich doch keinesfalls der Schluss ziehen, dass alleine das Interesse der Gesellschaft geschützt würde. Vielmehr ist nicht zuletzt aus der Entstehungsgeschichte der Regelungen zu schließen, dass der Primärzweck der Regelungen der §§ 311 ff. AktG der Schutz außenstehender Aktionäre und Gläubiger ist, der auch keiner Relativierung durch mitverfolgte Nebenziele zugänglich ist.730 Deutlich wird dies ebenfalls in der Regelung des § 317 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach Aktionäre selbst auch zur Geltendmachung eines Anspruch auf Ersatz insoweit berechtigt sind, als sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind.731 Auch hier ist ein Schaden der Gesellschaft selbst nicht unbedingt erforderlich, sondern es zeigt sich, dass die Regelungen der §§ 311 ff. AktG vorrangig das Vermögen der Aktionäre schützen wollen. Für dieses Ergebnis spricht in systematischer Hinsicht auch der oben732 schon angeführte Vergleich mit den Vorschriften über den Vertragskonzern, wonach die §§ 304 ff. AktG die volle wirtschaftliche Entschädigung außenstehender Aktionäre für den Verlust der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Gesellschaft sicherstellen. Diese Entschädigung droht im faktischen Konzern leer zu laufen, wo Ausgleichs- und Abfindungsansprüche nicht vorgesehen sind, 729
§ 317 i.V.m. § 309 Abs. 4 AktG. Hogh, in Die Nachteilsermittlung im Rahmen des § 311 I AktG, S. 16. 731 Eine vergleichbare Regelung findet sich auch in § 117 Abs. 1 S. 2 AktG. 732 2. Teil A.IV.3.b) cc)(1). 730
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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was einen weniger effektiven Außenseiterschutz bedeuten würde. Deshalb beinhaltet der Schutzgegenstand des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft vornehmlich auch den effektiven Schutz der außenstehenden Aktionäre vor Einwirkungen seitens des herrschenden Unternehmens, damit die Stellung der Außenseiter im faktischen Konzern mit der im Vertragskonzern vergleichbar ist. Auch Grunewald733 geht konsequent für Konzernverschmelzungen bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags davon aus, dass man bei einer Weisung nach § 308 AktG zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrags mit einem für die Anteilsinhaber nachteiligem Umtauschverhältnis § 302 AktG weiter entwickeln müsse, um den in §§ 309 Abs. 2, 310 AktG vorgesehenen Gesellschafterschutz nicht ins Leere laufen zu lassen. Auch sie spricht sich daher in diesem Zusammenhang für einen eigenen Anspruch der Gesellschafter aus, auch wenn die übertragende abhängige Gesellschaft nach Wirksamkeit der Verschmelzung nicht mehr besteht und deshalb auch keinen Verlust hat. Gleiches muss für die §§ 311 ff. AktG gelten. Denn sie gehen in ihrer Ausgestaltung von der weiteren Existenz der abhängigen AG aus. Erlischt diese, ist auf ihre Aktionäre abzustellen. Auch ein Vergleich mit der Rechtslage bei einer Einzelübertragung von Vermögen734 außerhalb des UmwG spricht für die Beachtung derartiger Vermögensbeeinträchtigungen im Rahmen von § 311 AktG. Bei der Vermögensübertragung außerhalb des UmwG überträgt die Gesellschaft Teile ihres Vermögens gegen Erhalt einer Gegenleistung. Dieses Verhältnis kann offensichtlich auf seine Angemessenheit überprüft werden. Bei einem beeinflussten Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung entsteht der Gesellschaft ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG, welcher der Gesellschaft ausgeglichen werden muss. Bei Umwandlungen nach dem UmwG erhalten – mit Ausnahme der Ausgliederung – die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft Anteile des übernehmenden Rechtsträgers. Dieser Unterschied darf jedoch nicht zu einer Schlechterstellung der hinter der Gesellschaft stehenden Aktionäre führen. Aus ihrer Sicht besteht kein großer Unterschied, ob sie mittelbar durch Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens oder unmittelbar beeinträchtigt werden. Folglich muss aus Gründen eines effektiven Minderheitenschutzes auch die Situation von § 311 Abs. 1 AktG erfasst werden, dass „nur“ Vermögensinteressen der am übertragenden Rechtsträger beteiligten Aktionäre durch Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses beeinträchtigt werden. Denn die 733
In Lutter UmwG, § 27 Rn. 7. Siehe zum Verkauf der Anteile an 100%iger Tochtergesellschaft an die Holding, die dem Mehrheitsgesellschafter gehört LG München, in DB 2004, 923; zur Vermögensveräußerung einer abhängigen Aktiengesellschaft vgl. auch Lutter, in FS Steindorff, S. 125, 135 f. 734
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
§§ 311 ff. AktG verfolgen gerade ihren Schutz als Primärziel. Deshalb ist wegen des Erlöschens der übertragenden AG auf die Interessen der Aktionäre abzustellen.735 Freilich darf dies nicht dazu führen, dass jeder einzelne Aktionär für sich gegen das herrschende Unternehmen vorgehen kann. Auch § 309 AktG sieht dies nur in Sonderfällen vor. Das UmwG bzw. SpruchG zeigen hier Vorbilder, wonach entweder die Gesellschaft insoweit als fortbestehend gelten soll oder für die Gesamtheit der Aktionäre ein besonderer gemeinsamer Vertreter bestellt wird, der gebündelt die Interessen der Aktionäre wahrnimmt. Das Verhältnis von Nachteilsausgleich nach § 311 AktG und der Möglichkeit der Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 Abs. 1 UmwG i.V.m. dem SpruchG soll später näher betrachtet werden. Bei einer unangemessenen Umtauschrelation ist somit zwar nicht direkt das Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft betroffen, sondern allein das durch die Gesellschaft vermittelte Vermögen der Anteilsinhaber. Um § 311 AktG hier nicht leer laufen zu lassen und die Aktionäre nicht schutzlos zu stellen, muss ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG allerdings auch dann vorliegen, wenn sich die organisatorische Vermögenseinbuße lediglich bei den außenstehenden Aktionären einstellt.
5. Ergebnis Nachteiligkeit einer Verschmelzung Die Untersuchung hat gezeigt, dass bei der veranlassten Vornahme einer Verschmelzung ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG nur dann vorliegen kann, wenn das im Verschmelzungsvertrag festgelegte Umtauschverhältnis unangemessen gering für die Anteilsinhaber der übertragenden abhängigen AG ausfällt. In diesem Fall tritt zwar nicht auf Seiten der abhängigen Gesellschaft eine relevante Vermögenseinbuße ein. Denn die Beendigung der Gesellschaft durch die Durchführung der Verschmelzung ist als organisatorischer Teil des Umwandlungsvorgangs wegen der Wertung des UmwG nicht als relevanter Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG anzusehen. Die bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses drohenden Vermögenseinbußen der Anteilsinhaber in ihrem in der abhängigen Gesellschaft zusammengefassten Vermögen sind jedoch zu deren effektiven Schutz gleichermaßen als Nachteil i.S.v. § 311 AktG anzusehen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Verschmelzungsvertrags finden sich dagegen keine sonstigen Anhaltspunkte für eine Nachteiligkeit im Sinne einer Vermögenseinbuße. Das Umtauschverhältnis hat nämlich alle erkennbaren gegenwärtigen und zukünftigen vermögensmäßigen Einflüsse zu berücksichtigen. In ihm vereinen sich somit alle vermögensrelevanten Auswirkungen, was es 735
So schon Grunewald, in G/H/E/K, § 351 Rn. 5.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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zum alleinigen Anknüpfungspunkt für die Nachteilsermittlung i.S.d. §§ 311 ff. AktG macht. Für das herrschende Unternehmen ist eine Einflussnahme zur Durchführung einer Verschmelzung daher mit Hinsicht auf §§ 311 ff. AktG nur dann mit einem Risiko verbunden, wenn der Vorstand der abhängigen AG zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrags veranlasst wird, der ein unangemessenes Umtauschverhältnis für die Aktionäre vorsieht. In der Praxis stellt sich allerdings die Frage des Nutzens einer solchen Einflussnahme auf den Abschluss eines Umwandlungsvertrags mit unangemessenem Umtauschverhältnis. Im Umwandlungsbericht ist neben der Unternehmensbewertung auch die Berechnung des Umtauschverhältnisses zu erläutern. Dies wird sich auch in der Umwandlungsprüfung niederschlagen. Die (außenstehenden) Aktionäre werden daher über die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses informiert und können eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses im Spruchverfahren geltend machen. Unterschiede und Vorteile für das herrschende Unternehmen können sich aber in Konzernsachverhalten ergeben, wenn zum Teil wegen § 68 Abs. 1 UmwG eine Kapitalerhöhung und damit ein Anteilstausch ausgeschlossen sind.
II. Nachteiligkeit bei Spaltungen In gleicher Weise wie bei der Verschmelzung stellt sich die Frage der Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG bei einer Spaltung nach dem UmwG. Oft wird die Spaltung als das Spiegelbild736 oder „eine Art Gegenstück der Verschmelzung“737 angesehen. Diese Aussage trifft allerdings für die Auf- und Abspaltung nur im phänomenologischen Sinn zu: Bei der Verschmelzung wird Vermögen zusammengeführt, bei der Spaltung wird Vermögen aufgeteilt. Systematisch handelt es sich jedoch bei der Spaltung nicht um einen zur Verschmelzung gegensätzlichen, sondern vielmehr parallelen Vorgang.738 Denn bei der Auf- und Abspaltung kommt es zu einer partiellen Verschmelzung, also zu einer Verschmelzung nicht der Vermögen von Rechtsträgern insgesamt, sondern von Vermögensteilen des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Aufnahme dieser Teile durch bereits vorhandene oder neue Rechtsträger.739 Dementsprechend ändert sich die Binnenstruktur des übertragenden sowie des über736
Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1748 für die Aufspaltung. Motive, S. 71; Ganske, S. 12. 738 Vgl. Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 17. 739 Bei einer Aufspaltung führt dies ebenfalls zu einem Untergang des übertragenden Rechtsträgers. 737
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
nehmenden Rechtsträgers. Diese Parallele rechtfertigt zwar zunächst die grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften über die Verschmelzung nach § 123 UmwG, begründet allerdings auch wegen der lediglich parallelen Kongruenz des Transfers ihre Modifikation. Daher sind die zur Bewertung der Verschmelzung als nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG gefundenen Ergebnisse zwar zunächst als Anhaltspunkt heranzuziehen. Zu berücksichtigen sind jedoch die bestehenden Unterschiede. Insbesondere im Fall der Abspaltung muss näher berücksichtigt werden, dass diese nicht zum Untergang des übertragenden Rechtsträgers führt. Die sich spaltende Gesellschaft bleibt vielmehr bestehen und wird ihr zukünftiges Handeln weiterhin an ihrem Gesellschaftszweck und ihrem Unternehmensgegenstand auszurichten haben.740 Ein noch größerer und grundlegender Unterschied zur Verschmelzung besteht bei einer Ausgliederung. Der übertragende Rechtsträger bleibt – wie bei der Abspaltung – bestehen. Zudem kommen die Mitgliedschaftsrechte bzw. Gesellschaftsanteile am übernehmenden Rechtsträger nicht den Anteilsinhabern zu, sondern dem übertragenden Rechtsträger selbst.741 Es tritt also – bei Gleichwertigkeit der an den übernehmenden Rechtsträger transferierten Vermögenswerte und dem Erhalten von Geschäftsanteilen bzw. Mitgliedschaftsrechten – keine Verringerung des Vermögens beim übertragenden Rechtsträger ein, sondern nur eine Vermögensumschichtung.742 Die Beteiligungsverhältnisse der Anteilsinhaber am übertragenden Rechtsträger bleiben, anders als bei der Aufund Abspaltung, unberührt. Damit kann auch die Interessenlage anders sein als bei diesen Umwandlungsmaßnahmen. Festhalten lässt sich daher, dass die Ausgliederung ein eigenes Rechtsinstitut darstellt.743 Aus diesen Gründen kann auch nicht von vornherein das zur Bewertung der Nachteiligkeit der Vornahme einer Verschmelzung gefundene Ergebnis unbesehen auf die unterschiedlichen Formen der Spaltung übernommen werden. Die
740 Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, den Unternehmensgegenstand der verbleibenden Gesellschaft zu ändern. Hierfür sind freilich die hierfür vorgesehenen formellen Vorschriften zu beachten. Die Änderung des Unternehmensgegenstandes führt allerdings auch zu einer Veränderung des Bewertungsmaßstabs i.S.v. §§ 311, 317 AktG. Vgl. hierzu Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung, S. 74 ff. 741 Vgl. Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 23. 742 Dies mag ebenfalls je nach Umfang und Gewicht des ausgegliederten Vermögens und der Fassung der Satzung eine Änderung des Unternehmensgegenstandes auslösen, siehe dazu Reichert, in Habersack/Koch/Winter, S. 39 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 226 ff. (insbesondere zur Aufgabe bestimmter in der Satzung genannter Unternehmenszweige). 743 Vgl. H. Schmidt, in Habersack/Koch/Winter, S. 15 ff.; Teichmann, in Lutter UmwG, § 123 Rn. 23 sowie ZGR 1993, 396, 400.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
195
Beurteilung der Spaltungsfälle als nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG bedarf vielmehr der näheren Untersuchung.
1. Zu untersuchende Spaltungsfälle Insbesondere ist näher zu untersuchen, ob Unterschiede zwischen der Durchführung einer Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung bestehen. Ebenso kann es für die Feststellung eines Nachteils i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG entscheidend sein, ob es sich um eine Spaltung zur Aufnahme oder zur Neugründung handelt. Übergreifend können jedoch zuvor Ergebnisse festgehalten werden, die für alle Arten der Spaltung gelten.
2. Organisatorischer Teil der Spaltung als Nachteil Entsprechend den Ausführungen zur Verschmelzung744 kann für alle Arten der Spaltung festgehalten werden, dass der Zweck der Spaltung, das so genannte „Ob“, ebenfalls keinen Nachteil i.S.v. §§ 311 ff. AktG bedingen kann. Auch die Vornahme von Spaltungen erfordert keine sachliche Rechtfertigung des zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses und es findet keine Zweckmäßigkeitskontrolle der Spaltung nach objektiven Kriterien statt. Vielmehr obliegt diese Einschätzung allein den Anteilsinhabern, die in der Hauptversammlung über die Spaltung abzustimmen haben. Diese individuelle Einschätzung der Anteilsinhaber ist von der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens zu trennen. Denn auch das herrschende Unternehmen hat mangels des Erfordernisses einer sachlichen Rechtfertigung nach dem UmwG keine Verpflichtung zur Verfolgung einer für die abhängige Gesellschaft zweckmäßigen Umwandlungsmaßnahme. Eine Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens nach den §§ 311 ff. AktG würde diese gesetzliche Zulassung der unterschiedlichen Spaltungsmaßnahmen durch das UmwG unterlaufen, obgleich die gesetzlichen Schutzvorkehrungen für Minderheiten ausreichende Möglichkeiten zur Reaktion bieten. Damit erlaubt das UmwG nicht die Frage nach der Nachteiligkeit des Zwecks einer Spaltung. Diese gesetzliche Wertung ist auf die Regelungen der §§ 311 ff. AktG zu übertragen, bei denen daher auch nicht beantwortet werden muss, inwieweit die Vornahme einer Spaltung einen Nachteil darstellen könnte. Denn wie auch schon für die Verschmelzung dargelegt, obliegt diese Entscheidung ohnehin nicht der für § 311 Abs. 1 AktG relevanten Geschäftsleitung, sondern allein den Anteilsinhabern in der Hauptversammlung. 744
Vgl. 3. Teil B.I.2.a).
196
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Genau aus diesem Grund lässt sich an einer Beurteilung der Entscheidung zur Vornahme und des Zwecks einer Spaltung als nachteiliges Rechtsgeschäft in gleicher Weise zweifeln, da § 311 Abs. 1 AktG ein aufgrund der Veranlassung hervorgerufenes und vom Vorstand der abhängigen AG oder von anderen vertretungsberechtigten Personen durchgeführtes Rechtsgeschäft oder Maßnahme erfordert. Entscheidender Beurteilungsgegenstand für eine Nachteiligkeit sind somit immer nur die Auswirkungen der Veranlassung, also die Exekutivakte. Der zustimmende Spaltungsbeschluss der Hauptversammlung ist kein derartiger relevanter Akt, sondern liegt in der Kompetenz der Anteilsinhaber, nicht der Exekutive.745 Einen Sonderfall stellt § 62 Abs. 1 i.V.m. § 125 UmwG dar, wonach bei Konzernspaltungen zur Aufnahme kein Zustimmungsbeschluss der Anteilsinhaber der aufnehmenden Gesellschaft erforderlich ist. Doch wie bei der Verschmelzung scheidet trotz Handelns der Geschäftsleitung der aufnehmenden Gesellschaft insoweit eine Nachteiligkeit der Spaltung aus; denn auch das Verhalten des Vorstands der aufnehmenden Gesellschaft bedarf in Hinblick auf die Frage der Zweckmäßigkeit der Umwandlung keiner Rechtfertigung.746 Zudem darf auch in den Fällen der Spaltung nicht außer Acht gelassen werden, dass das UmwG für die Vornahme der Spaltung – genau wie für die Verschmelzung – ein besonderes formelles Verfahren vorsieht. Innerhalb dieses Verfahrens und unter Beachtung dieser formellen Vorschriften legitimiert das UmwG allein durch die Bereitstellung der Möglichkeit einer Spaltung die Entscheidung zu ihrer Vornahme. Die Rechte der Anteilsinhaber und Gläubiger schützt das UmwG auf andere Weise erst auf der inhaltlichen Ebene des Spaltungsvertrages, insbesondere hinsichtlich eines angemessenen Umtauschverhältnisses bzw. einer Abfindung für Aktionäre sowie einer ausreichenden Haftung für Gläubiger des übertragenden Rechtsträgers. Diese Wertung des UmwG darf trotz der Unabhängigkeit der aktienrechtlichen Vorschriften nicht unterlaufen werden, da sonst schon allein die Vornahme der entsprechenden Umwandlungsmaßnahmen vor einem solch großen und nicht zu überwindenden Hindernis stehen würde, das die Funktionalität des UmwG in Frage stellen könnte. Der Schutzzweck der §§ 311 ff. AktG wird damit seinerseits nicht ausgehöhlt, sondern ist selbstverständlich bei den Modalitäten der unterschiedlichen Spaltungsarten zu beachten.
745 746
Vgl. oben ausführlich 3. Teil B.I. Siehe oben 3. Teil B.I.2.c).
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
197
3. Schuldrechtlicher Teil des Spaltungsvertrages als Nachteil Wie für die Verschmelzung beschrieben, ist die Vorbereitung des schuldrechtlichen Teils sowie der Abschluss des Spaltungs- und Übernahmevertrages747 nach § 4 i.V.m. § 125 UmwG bzw. § 136 UmwG Aufgabe der Vertretungsorgane. Insoweit können die Anwendungsanforderungen der §§ 311 ff. AktG erfüllt werden, so dass eine zu untersuchende Maßnahme der Geschäftsleitung vorliegt. Der Inhalt des Spaltungs- und Übernahmevertrags bestimmt sich nach § 126 UmwG748, welcher in Abs. 1 eine Liste für den Mindestinhalt des Vertrages sowie in Abs. 2 und 3 Sonderbestimmungen für die Übertragung des Vermögens bzw. die rechtzeitige Information der Betriebsräte der beteiligten Unternehmen enthält.749 Da Abs. 1 und Abs. 3 ihre Parallele bei der oben behandelten Verschmelzung finden und § 126 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 und 11 UmwG weitgehend § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 UmwG entsprechen, erübrigt sich insoweit eine nähere Untersuchung hinsichtlich der Nachteiligkeit der entsprechenden Modalitäten des Spaltungs- und Übernahmevertrages. Insoweit kann vielmehr auf das zur Verschmelzung gefundene Ergebnis verwiesen werden, dass bei der Beurteilung dieser inhaltlichen Vorgaben des Umwandlungsvertrags für sich (noch) keine Vermögensbeeinträchtigung und damit kein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG gegeben sein kann. Auch bei der Auf- und Abspaltung haben diese Bedingungen, soweit möglich, in das Umtauschverhältnis einzufließen, bei der Ausgliederung in die Berechnung der angemessenen Beteiligung des übertragenden am aufnehmenden bzw. neu gegründetem Rechtsträger. In der Folge soll daher, um Wiederholungen zu vermeiden, lediglich auf die Sonderbestimmungen für die Fälle der Spaltungen bzw. auf Abweichungen gegenüber den Verschmelzungsfällen eingegangen werden.
a) Angabe des Umtauschverhältnisses nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG schreibt bei der Aufspaltung und der Abspaltung die Angabe des Umtauschverhältnisses der Anteile und ggf. die Höhe der baren Zuzahlung oder Angaben über die Mitgliedschaft bei den übernehmenden
747 Bzw. des Spaltungsplans im Fall der Spaltung zur Neugründung, vgl. § 136 UmwG. 748 Für den Spaltungsplan, der im Fall der Spaltung zur Neugründung an die Stelle des Spaltungs- und Übernahmeplans tritt, gilt entsprechend § 136 UmwG. 749 Vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 1; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 2 ff.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Rechtsträgern vor.750 Bei der Aufspaltung ist eindeutig festzulegen, in welchem Verhältnis jeder Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers seine Anteile in solche an den übernehmenden Rechtsträgern eintauschen kann und welche Barzahlung er außerdem ggf. erhält. Bei der Abspaltung geht es um die Festlegung des Verhältnisses, in dem für Anteile am übertragenden Rechtsträger solche an den bzw. den übernehmenden Rechtsträger(n) gewährt werden.751 Die Erläuterungen des Umtauschverhältnisses sind dem Spaltungsbericht vorbehalten.752 Die Bestimmung des Umtauschverhältnisses stellt – gleichermaßen wie im Verschmelzungsrecht – den rechtspraktisch schwierigsten Teil des ganzen Vorgangs dar.753 Denn bei der Bestimmung des Umtauschverhältnisses muss den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers im Fall der Abspaltung die Wertminderung und im Fall der Aufspaltung der Wegfall ihrer Anteile hinreichend und angemessen kompensiert werden.754 Auf Seiten der Anteilseigner übernehmender Rechtsträger muss sichergestellt sein, dass für das übernommene Vermögen nicht zu viele Anteile gewährt werden, so dass keine Verwässerung ihrer Anteile eintritt.755 Maßgebend ist der tatsächliche Wert der übertragenen Vermögenswerte im Verhältnis zum Wert des übernehmenden Rechtsträgers. Die Höhe der zu gewährenden Anteile ergibt sich aus der Relation dieser Werte.756 Wie bei der Verschmelzung dargelegt, besitzt die Festlegung des Umtauschverhältnisses auch in Spaltungsfällen Vermögensrelevanz. Insoweit gilt oben Gesagtes.757 Beim Abschluss eines Spaltungsvertrags mit einem unangemessenen Umtauschverhältnis greift die Geschäftsleitung u.U. auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens in das durch §§ 311 ff. AktG geschützte Vermögen der Anteilsinhaber der abhängigen AG als übertragender Rechtsträger ein. In diesem Fall kann ein für das Eingreifen der §§ 311 ff. AktG erforderlicher Nachteil eintreten. Insoweit gilt bei der Aufspaltung und Abspaltung nichts an750 Die Unterscheidung zwischen Anteilen und Mitgliedschaften ist bloß terminologisch und bezeichnet die unterschiedliche Beteiligung an einzelnen Rechtsträgern, vgl. Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 31. 751 Müller, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 9 weist daher darauf hin, dass diesbezüglich nicht von einem Umtauschverhältnis gesprochen werden kann. Der Einfachheit halber soll dies hier jedoch geschehen. Vgl. auch Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 35. 752 § 127 Satz 1 UmwG; vgl. Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 31 sowie Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 126 Rn. 26. 753 Vgl. Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 32; eingehend Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 16 ff.; siehe oben 3. Teil B.I.3.j). 754 Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 37. 755 Vgl. Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 32. 756 Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 32 m.w.N. 757 Siehe oben 3. Teil B.I.3.j)(7).
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
199
deres. Auf die Ausführungen zur Verschmelzung, insbesondere auf die Erläuterungen zur Ermittlung eines angemessenen Umtauschverhältnisses, kann daher verwiesen werden. Bei der Ausgliederung muss kein Umtauschverhältnis bestimmt werden, da der übertragende Rechtsträger selbst alle Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhält. Ein Anteilstausch auf Gesellschafterebene findet nicht statt. Insoweit ist bei der Ausgliederung auch kein vermögensrelevanter Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG auf Seiten des Anteilsinhabers gegeben. Gleichwohl ist bei der Ausgliederung festzulegen, welche und wie viele Anteile am übernehmenden Rechtsträger dem übertragenden zu gewähren sind.758 Erhält der übertragende Rechtsträger bei der Ausgliederung zur Aufnahme allerdings für das von ihm übertragene Vermögen zu wenige Anteile am übernehmenden Rechtsträger, kann eine vermögensrelevante Beeinträchtigung eintreten. Zum einen kann dies Schadensersatzansprüche gegen die Vertretungsorgane des übertragenden Rechtsträgers begründen.759 Zum anderen wird bei einer entsprechenden Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen wegen des bei der abhängigen AG als übertragender Rechtsträger eintretenden Vermögensschadens ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG gegeben sein. Im Spaltungs- und Übernahmevertrag sind ferner bare Zuzahlungen anzugeben. Hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der Zuzahlungen und der Grenze von 10% des Gesamtnennbetrages gilt in Spaltungsfällen nichts anderes als bei der Verschmelzung. Gleichermaßen gestalten sich auch die Folgerungen aus einer unangemessenen Zuzahlung: entsprechen diese nicht der tatsächlichen Wertrelation des übertragenen Vermögens, so tritt bei den Anteilsinhabern in der Regel eine Vermögensbeeinträchtigung ein, welche zugleich einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG darstellt. Auch insoweit kann auf die näheren Ausführungen zur Verschmelzung verwiesen werden.760
b) Einzelheiten der Anteilsübertragung oder des Mitgliedschaftserwerbs nach § 126 Abs. 1 Nr. 4 UmwG Im Fall der Auf- oder Abspaltung muss der Spaltungs- und Übernahmevertrag gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 4 UmwG die Einzelheiten für den Erwerb der An758
Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 36; Müller, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 10; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 34; Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 126 Rn. 28; Heurung, DStR 1997, 1302, 1306; abweichend Mayer, in Widmann/Mayer, § 126 Rn. 130. 759 Vgl. § 125 Satz 1 i.V.m. § 25 UmwG; siehe Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 36 und Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 34 Fn. 4. 760 Siehe oben 3. Teil B.I.3.j) gg).
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
teile am übernehmenden Rechtsträger durch die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger festlegen. Anzugeben ist, wie bei der Verschmelzung761, wie die Anteile übertragen werden sollen und wer hierfür die Kosten trägt.762 Für weitere Einzelheiten kann auf die Ausführungen zur Verschmelzung verwiesen werden. Der Gesetzgeber verlangt solche Angaben nur bei Aufspaltung und Abspaltung, obwohl sich dieselben Fragen auch bei der Ausgliederung stellen. Nach Schröers Ansicht sind diese Angaben entbehrlich, da kein Anteilstausch stattfindet.763 Andererseits sind solche Angaben insbesondere bei einer Ausgliederung auf eine AG erforderlich.764 Hintergrund der Entscheidung des Gesetzgebers für die Entbehrlichkeit der Angaben bei der Ausgliederung dürfte daher sein, dass die bei der Aufspaltung und Abspaltung anteilserwerbenden Gesellschafter informations- und schutzbedürftiger sind als die bei der Ausgliederung erwerbende Gesellschaft.765 Ungeachtet dieses Meinungsstreits ergeben sich aus den Einzelheiten der Übertragung der Anteile keine vermögensrelevanten Beeinträchtigungen auf Seiten der Aktionäre. Das Vermögen der hinter der übertragenden AG stehenden Aktionäre wird lediglich durch das Umtauschverhältnis tangiert; bei der Berechnung des Umtauschverhältnisses können und müssen Besonderheiten bei der Übertragung der Anteile berücksichtigt werden. Geschieht dies nicht, entspricht das Umtauschverhältnis nicht der tatsächlichen Wertrelation, was einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG darstellen kann. Insoweit gilt nichts anderes als in Verschmelzungsfällen, so dass zu Einzelheiten darauf verwiesen werden kann.766
c) Bezeichnung und Aufteilung der Aktiva und Passiva gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG Da für die Aufteilung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens im Spaltungs- und Übernahmevertrag nach § 126 Abs. 2 S. 1 UmwG der Bestimmtheitsgrundsatz gilt, ist gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG eine genaue
761
Siehe oben 3. Teil B.I.3.d). Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 44; Müller, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 13; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 36 m.w.N. 763 Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 44. 764 Vgl. Müller, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 13. 765 Ebenso Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 36. 766 Siehe oben 3. Teil B.I.3.j). 762
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Bezeichnung der zu übertragenden Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens erforderlich. Es genügt Bestimmbarkeit.767 Eine Beeinträchtigung des Vermögens der Gesellschaft bzw. der dahinter stehenden Anteilseigner durch die Aufteilung wird vereinzelt hinsichtlich der Aufteilung des Eigenkapitals diskutiert. Denn zu entscheiden ist bei der Spaltung, in welcher Höhe auf welchen übernehmenden oder neuen Rechtsträger Eigenkapital übertragen werden soll. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn auf eine Gesellschaft gespalten wird, die weder 100%ige Tochtergesellschaft der übertragenden Gesellschaft noch beteiligungsidentische Schwestergesellschaft ist. Denn dann muss das übertragene Eigenkapital zu dem in der übernehmenden Gesellschaft vorhandenen Eigenkapital im selben Verhältnis stehen wie der Gesamtnennbetrag der gewährten Anteile zum Gesamtnennbetrag der Anteile der Altgesellschafter.768 Ist das nicht der Fall, so hat die eine oder andere Gesellschaftergruppe bei künftigen Ausschüttungen und bei steuerlichen Abschreibungen einen Nachteil. Diese Annahme ist insofern richtig, als dass das übertragene Eigenkapital sich angemessen im Nennbetrag der gewährten Anteile niederschlagen muss. Jedoch dürfte die richtige Einordnung dieser Vorgabe eher eine Frage des Umtauschverhältnisses sein, welches sich nach der Wertrelation des zu übertragenden Aktiv- und Passivvermögens bestimmt, in welchem sich auch die Aufteilung des Eigenkapitals wieder finden lässt. Es ist daher gedanklich richtiger, nicht die Aufteilung des Eigenkapitals nach dem Umtauschverhältnis zu bestimmen, sondern das Umtauschverhältnis unter Berücksichtigung der Aufteilung des Eigenkapitals festzulegen. Dann können auch Auswirkungen bei der Aufteilung wie z.B. steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten i.R.d. Ermittlung des Umtauschverhältnisses berücksichtigt werden. Geschieht dies nicht, ist das Umtauschverhältnis aus diesem Grund unangemessen. Entstehen bei den Aktionären des – hierzu veranlassten – übertragenden Rechtsträgers dadurch Vermögenseinbußen, so können diese ebenso einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG darstellen. Die Aufteilung der Aktiva und Passiva an sich kann dagegen nach hier vertretener Auffassung grds. noch keinen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG verursachen. Erst die fehlende Berücksichtigung im Rahmen des Umtauschverhältnisses kann zu relevanten Vermögensbeeinträchtigungen führen.
767
BegrRegE § 126, Ganske, S. 138; Müller, in Kallmeyer § 126 Rn. 19; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 54; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 50 m.w.N. 768 Vgl. Müller, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 32.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
d) Aufteilung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft, § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG § 126 Abs. 1 Nr. 10 UmwG verlangt bei der Aufspaltung und Abspaltung die Aufteilung der Anteile jeder der übernehmenden Gesellschaften auf die Gesellschafter der übertragenden Rechtsträger. Hier gilt als gesetzliche Regel, dass die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers jeweils im Verhältnis ihrer Beteiligung an diesem auch an dem oder den übernehmenden Rechtsträgern beteiligt sind.769 Bei einer verhältniswahrenden Spaltung genügt daher die Angabe, dass sich die Aufteilung der Anteile nach dem bisherigen Beteiligungsverhältnis beim übertragenden Rechtsträger richtet.770 Im Fall einer nicht-verhältniswahrenden Spaltung, bei der die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers an den übernehmenden nicht im jeweils gleichen Verhältnis beteiligt werden wie am übertragenden, reicht die nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG erforderliche Angabe des Umtauschverhältnisses nicht aus. In diesem Fall ist vielmehr die Individualisierung der Anteilsinhaber erforderlich.771 Selbständige Bedeutung erlangt diese Angabe nur bei Rechtsformen, bei denen nicht schon ohnehin eine Pflicht zur Individualisierung besteht, so insbesondere wenn, wie in Konzernfällen häufig, eine AG oder KGaA übernehmender oder neuer Rechtsträger ist.772 Durch die reine Angabe des Beteiligungsverhältnisses können die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers noch keine Vermögensbeeinträchtigung erleiden. Ein Nachteil wird jedoch bei der nicht-verhältniswahrenden Spaltung eintreten, da hierbei eine unangemessene Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger charakteristisch ist. Allerdings sieht das Gesetz in § 128 UmwG einen hohen Schutz der Anteilseigner vor, indem es zur Wirksamkeit eines derartigen Spaltungs- und Übernahmevertrags die Zustimmung aller Anteileigner des übertragenden Rechtsträgers verlangt. Stimmen somit außenstehende Aktionäre einer abhängigen AG einer nicht-verhältniswahrenden Spaltung zu, so
769
Vgl. Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 73. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 82; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 73; Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 126 Rn. 114. 771 Willemsen, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 41; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 81; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 74. In diesem Fall der nichtverhältniswahrenden Spaltung verlangt zudem § 128 UmwG, dass alle Anteilsinhaber dem Spaltungsvertrag zustimmen. Nur wenn alle Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zustimmen, wird der Spaltungs- und Übernahmevertrag wirksam. Insoweit besteht also ein hoher Schutz der Minderheitsgesellschafter. 772 Vgl. Willemsen, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 41; Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 81. 770
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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liegt dies nach der Wertung des Gesetzes in ihrer eigenen Verantwortung und kann nicht auf eine für § 311 AktG erforderliche Veranlassung des herrschenden Unternehmens zurückgeführt werden. Zwar mag u.U. auch hier das herrschende Unternehmen gegenüber einzelnen Minderheitsaktionären Einfluss ausüben; diese Fälle werden jedoch richtigerweise nicht von den §§ 311 ff. AktG erfasst, welche einen Einfluss auf die abhängige AG und ein Handeln der Geschäftsleitung, nicht lediglich ein Verhalten der Aktionäre, voraussetzen. Stimmt die herrschende Gesellschaft selbst einer ihrerseits nachteiligen nichtverhältniswahrenden Spaltung zu, so wird dieser Fall ebenfalls nicht von § 311 Abs. 1 AktG erfasst, da die Voraussetzungen für die Anwendung der §§ 311 ff. AktG, insbesondere ein diesbezügliches Handeln der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft sowie eine kausale Veranlassung der abhängigen Gesellschaft, fehlen.773 Daher können auch die Angabe der Beteiligungsverhältnisse sowie die Durchführung einer nicht-verhältniswahrenden Spaltung mangels Kausalität keinen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG hervorrufen.
e) Weitere zwingende Anforderungen Neben den gemäß § 126 UmwG erforderlichen Vertragsbestandteilen bestehen je nach Rechtsform der beteiligten Rechtsträger weitere zwingende Anforderungen. Erwähnenswert in Hinblick auf die Beteiligung einer (abhängigen) AG bei Umwandlungen im faktischen Konzern ist lediglich die Erleichterung nach § 125 i.V.m. § 35 UmwG für die übertragende AG, wonach für unbekannte Aktionäre die Angabe ihrer Aktienurkunden genügt.774
f) Zwischenergebnis Somit kann auch bei der Vornahme von Spaltungsmaßnahmen nach dem UmwG ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG, jedenfalls soweit dies zwingende inhaltliche Vorgaben des Spaltungs- und Übernahmevertrags betrifft, nur hinsichtlich des darin festgelegten Umtauschverhältnisses liegen.
773 Es besteht dann allerdings die Möglichkeit, dass sich die Vertretungsberechtigten der herrschenden Gesellschaft ihrerseits möglicherweise schadensersatzpflichtig machen, wenn ihr Handeln entgegen dem Unternehmensinteresse erfolgt, also nicht dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters entspricht, vgl. § 93 AktG. 774 Vgl. Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 84; Simon, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 92.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
4. Fakultativer Inhalt des Spaltungs- und Übernahmevertrages Über die Angabe der zwingenden Vertragsinhalte hinaus steht es den Vertragspartnern frei, zusätzlich weitere Regelungen aufzunehmen, soweit diesen nicht abschließende oder zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Zum einen kommen vertragliche Bestandsteile in Betracht, wie z.B. die Einbeziehung von Gewährleistungsregelungen, Bedingungen oder Genehmigungen. Haben diese Klauseln Vermögensrelevanz, sind ihre Auswirkungen bei der Ermittlung des angemessenen Umtauschverhältnisses zu berücksichtigen. Geschieht dies – auf Veranlassung der herrschenden Gesellschaft – nicht, so kommt wegen Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses gleichfalls, wie oben dargelegt, ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG in Betracht. Von Bedeutung sind zum anderen die Beschreibungen struktureller und organisatorischer Veränderungen sowohl auf Seiten der übernehmenden als auch der übertragenden Gesellschaft. Denn als Folge der Spaltung kann sich bei allen beteiligten Rechtsträgern das Bedürfnis für bestimmte Satzungsänderungen ergeben.775 Das gilt zum einen für die Firmierung. Bei einer Aufspaltung kann so festgelegt werden, welche der übernehmenden Gesellschaften die Firma des übertragenden Rechtsträgers übernimmt. Steckt in dieser Firma ein entsprechender Wert (goodwill), so ist dieser freilich im Umtauschverhältnis zu berücksichtigen. Bei einer Abspaltung oder Ausgliederung ist ggf. die neue Firmierung des übertragenden Rechtsträgers zu regeln. In Betracht kommen bei der Abspaltung und Ausgliederung weiterhin sonstige Änderungen der Satzung der übertragenden AG wie die Änderung des Unternehmensgegenstandes, des Sitzes der Gesellschaft, der Bestimmungen über die Kontrollorgane und Hauptversammlung einschließlich der Mehrheitserfordernisse.776 Die Regelung dieser Änderungen sollte im Spaltungs- und Übernahmevertrag erfolgen.777 Die Änderungen treten allerdings mit der Wirksamkeit der Spaltung nicht automatisch ein, es bedarf vielmehr einer gesonderten Änderung der Satzung der übertragenden abhängigen AG nach den allgemeinen Vorschriften.778 Die Frage, ob derartige, möglicherweise auf den Einfluss einer herrschenden Gesellschaft zurückzuführende, satzungsändernde Strukturänderungen als Ver775
Simon, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 96; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 87; Kallmeyer, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 62. 776 Kallmeyer, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 62; Simon, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 96; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 87; Engelmeyer, S. 55. 777 Vgl. Simon, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 96. 778 Kallmeyer, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 62; Simon, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 96; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 87. Zur Verschmelzung Mayer, in Widmann/Mayer § 5 Rn. 225.
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anlassung zu nachteiligen Maßnahmen i.S.v. § 311 AktG angesehen werden können, wird zum Teil nur pauschal zustimmend beantwortet.779 Stützen kann sich diese Auffassung vornehmlich auf die Gesetzgebungsgeschichte des Konzernrechts. Denn nach den Ausführungen der Regierungsbegründung zu § 317 AktG780 verbietet die Vorschrift dem herrschenden Unternehmen, das keinen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hat, die abhängige Gesellschaft zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen zu veranlassen. Dabei ist das Verbot nicht auf den Fall der Beeinflussung von bestimmten Verwaltungsmitgliedern beschränkt.781 Vielmehr sei gleichgültig, auf welche Weise die abhängige Gesellschaft zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen veranlasst wird. Deshalb käme auch eine Einflussnahme durch die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung in Betracht. Nicht angesprochen wird in der Begründung des Regierungsentwurfs allerdings die Frage, ob die §§ 311 ff. AktG auch die Stimmrechtsausübung bei bloßen Grundlagenentscheidungen wie etwa der Änderung von Gesellschaftszweck oder Unternehmensgegenstand erfassen782. Es wird vertreten, dass sich die Aussagen des Gesetzgebers in erster Linie auf Hauptversammlungsbeschlüsse auf dem Gebiet der Geschäftsleitung nach § 119 Abs. 2 und § 292 AktG bezögen, was angesichts der dort bestehenden Umgehungsgefahr783 auch gerechtfertigt sei.784 Strukturändernde Beschlüsse wie die Anpassung des Gesellschaftszwecks oder des Unternehmensgegenstandes werden danach hingegen aus dem Anwendungsbereich des § 311 AktG he-
779
Die Stimmrechtsausübung des herrschenden Unternehmens wird pauschal u.a. von Emmerich/Habersack, § 25 I 2 a); Krieger, MünchHdbAktG § 69 Rn. 62; Neuhaus, DB 1970, 1913, 1915 in den Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG mit einbezogen. 780 Siehe Begr.RegE, Kropff AktG 1965, S. 408. 781 § 284 Abs. 4 des Referentenentwurfs enthielt noch eine dem § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG entsprechende Regelung, nach der die Haftung im faktischen Konzern ausgeschlossen sein sollte, „wenn die Gesellschaft durch Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung zu der Maßnahme bestimmt worden ist“. Diese Haftungsbefreiung ist schon im Regierungsentwurf wieder fallen gelassen worden, vgl. Geßler, FS Westermann S. 148. Auch der angesprochene § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG steht derzeit auf dem Prüfstand und wird durch das UMAG gestrichen. 782 So allerdings Bollmann, S. 69 f.; siehe auch Strohn S. 36 ff., 52 ff., der hier sogar einen zeitlich versetzten Nachteilsausgleich für unzulässig hält. Hinsichtlich der Bewertung als nachteilig einschränkend Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 41; vgl. auch Mertens, in KölnKommAktG, § 82 Rn. 22; offen lassend OLG Hamburg ZIP 1990, 311, 313. 783 Hierzu Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 25; Strohn, S. 53; Neuhaus, DB 1970, 1913, 1915; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 155 f. 784 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 26; nach Hüffer, AktG, § 311 Rn. 17 erfassen die §§ 311 ff. AktG jedenfalls die Stimmrechtsausübung im Falle des § 119 Abs. 2 AktG.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
rausgenommen.785 Zur Begründung heißt es, dass die Anfechtungsmöglichkeiten nach allgemeinem Recht in diesem Bereich einen ausreichenden Außenseiterschutz gewährleisten.786 Außerdem beträfen diese Maßnahmen alle Aktionäre formal in gleicher Weise.787 Der durchgreifende Grund für die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf derartige Satzungsänderungen findet sich jedoch nicht im Tatbestandsmerkmal der Veranlassung, sondern mit Timmann788 in demjenigen des nachteiligen Rechtsgeschäfts bzw. der Maßnahme. Wie oben erläutert, müssen die durch die Veranlassung hervorgerufenen und von vertretungsberechtigten Personen der abhängigen Gesellschaft durchgeführten Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen, also die Exekutivakte, nachteilig sein. Beurteilungsgegenstand sind somit immer die Auswirkungen der Veranlassung. Bei Maßnahmen gemäß § 119 Abs. 2 AktG stellt dies kein Problem dar, da die Auswirkungen eines solchen Beschlusses immer auf der Geschäftsführungsebene liegen. Anders ist dies jedoch mit Satzungsänderungen. Diese führen gleichzeitig mit dem Beschluss bzw. der formalen Eintragung ins Handelsregister zu einer Veränderung der Interessen der abhängigen Gesellschaft und somit auch zu einer Veränderung des Beurteilungsmaßstabs zur Bestimmung der Nachteiligkeit. Die aufgezeigten Satzungsänderungen erschöpfen sich in dieser Wirkung. Nachfolgende Exekutivakte unterliegen damit auch einem geänderten, neuen Beurteilungsmaßstab zur Begründung eines Nachteils.789 Auch eine analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG in diesem Bereich widerspricht der Konzeption der §§ 311 ff. AktG. Wie aufgezeigt, gehen diese Normen von einer Einmischung des herrschenden Unternehmens in den Kompetenzbereich des Vorstands aus. Sie sind darauf ausgelegt, Einflussnahmen 785 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 26 f.; Kropff, in G/H/E/K § 311 Rn. 102; für den Auflösungsbeschluss Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 30; Mielert, Grenzen der Leitungsbefugnis des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern, S. 73 ff.; Rehbinder, Konzernaußenrecht S. 237. 786 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 26; Kropff, in G/H/E/K § 311 Rn. 102; Timmann, S. 155. 787 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 25 f. 788 Vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 156. 789 Siehe zum Beurteilungsmaßstab zur Bestimmung der Nachteiligkeit oben 2. Teil A.V.1.. Die förmliche Veränderung von Gesellschaftszweck oder Unternehmensgegenstand führten daher nur dann zu einer Haftung nach §§ 311, 317 AktG, wenn man entweder für eine Beurteilung der späteren hierauf beruhenden Maßnahmen der Exekutivorgane unterstellen würde, dass die Satzungsänderung nicht erfolgt wäre, oder statt der Exekutivakte den Beschlussinhalt selbst auf seine Nachteiligkeit hin überprüfen würde. Beides liefe auf eine analoge Anwendung von §§ 311 ff. AktG hinaus, siehe Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 156 f.
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nur in diesem Bereich zu kompensieren, was insbesondere der systematische Vergleich mit der Einflussnahme im Vertragskonzern sowie die Vorschrift des § 317 Abs. 2 AktG deutlich machen, die an den für den Vorstand geltenden § 93 Abs. 1 S. 1 AktG anknüpft. Da diese durch eine Spaltung erforderlichen Änderungen der Satzung der abhängigen Gesellschaft nicht in die Kompetenz des Vorstands, sondern die der Hauptversammlung fallen, steht diese Konzeption einer analogen Anwendung der §§ 311 ff. AktG entgegen.790 Die §§ 311 ff. AktG sind daher aufgrund ihrer Konzeption nicht auf die Beschlussfassung über eine Änderung des Gesellschaftszwecks oder des Unternehmensgegenstandes anwendbar. In diesem Ergebnis spiegelt sich die hier vertretene Auffassung zur Beurteilung der Nachteiligkeit von Umwandlungsmaßnahmen wider. Denn wie bei den aufgezählten Satzungsänderungen die Regelungen der §§ 311 ff. AktG lediglich im Kompetenzbereich des Vorstands bzw. auf der Geschäftsführungsebene eingreifen791, ist zur Beurteilung von Umwandlungsmaßnahmen eine Trennung zwischen organisatorischem und schuldrechtlichem Teil des Umwandlungsvertrags gerechtfertigt. So fügen sich beide Folgerungen in ein schlüssiges Konzept ein.
5. Besonderheiten bei Abspaltung und Ausgliederung: Umfang des zu übertragenden Vermögens als Nachteil? Nicht beantwortet und daher näher zu untersuchen ist die Frage, ob bei der Abspaltung und Ausgliederung eine Grenze hinsichtlich des Umfangs des zu übertragenden Vermögens besteht. Vor allem könnte die Gefahr bestehen, dass die übertragende abhängige Gesellschaft „ausgehöhlt“ wird. Diskutiert wird dieser Punkt in der Literatur u.a. unter dem Stichpunkt „Schutz der Kapitalaufbringung“ und dem damit einhergehenden Verbot der Unterpari-Emission le790 Vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 157 zu Satzungsänderungen zugunsten des Konzerninteresses. Man kann nicht danach fragen, wie der Vorstand einer als unabhängig gedachten Gesellschaft im Rahmen einer Beschlussfassung über eine Satzungsänderung abgestimmt hätte, weil es nicht zu den Kompetenzen des Vorstands zählt, hierüber abzustimmen. Allein die Bewertung von Beschlüssen, in denen die Hauptversammlung ausnahmsweise zu Fragen der Geschäftsführung Stellung nehmen darf, § 119 Abs. 2 AktG, ist mit dem Beurteilungsmaßstab des § 317 Abs. 2 AktG durchführbar und sinnvoll. 791 Das Nichteingreifen von §§ 311 ff. AktG führt allerdings sicher nicht dazu, dass die Minderheitsaktionäre und außenstehenden Gläubiger schutzlos sind. Vielmehr greifen hier die allgemeinen Regeln der Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse ein. Diese gelten jedoch unabhängig von einer Konzernsituation i.S.v. §§ 311 ff. AktG und sind damit kein gesondertes Risiko einer Konzernlage. Vgl. auch Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 178 ff., 315.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
diglich auf Seiten der übernehmenden Gesellschaft. Bei einer Spaltung zur Neugründung muss das Nennkapital durch den Saldo aus Aktiva und Passiva abgedeckt sein, § 135 Abs. 2 UmwG. Im Falle einer Kapitalerhöhung liegt eine solche gegen Sacheinlage vor, die gleichfalls einen entsprechenden Saldo verlangt.792 Entscheidend ist der tatsächliche Wert des Vermögens.793 Weiter wird in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob es eine Missbrauchsgrenze dafür gibt, dass einem Rechtsträger nur Aktiva, einem anderen nur Passiva zugeteilt werden.794 Hier regulieren bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft die Kapitalaufbringungsvorschriften immer dann, wenn diese Anteile zu gewähren hat. Im Übrigen schützt die Gläubiger die gesamtschuldnerische Haftung gemäß § 133 Abs. 1 UmwG. Diese Diskussion führt aber nicht weiter bzgl. der hier untersuchten Frage der Nachteiligkeit der Spaltung i.S.v. § 311 AktG, da sie nicht die abhängige AG als übertragenden Rechtsträger erfasst. Nicht näher behandelt wurde in der wissenschaftlichen Diskussion die Situation auf Seiten der „zurückbleibenden“ übertragenden Gesellschaft. Denklogisch ist bei der Untersuchung zwischen Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung zu trennen, da sich die Frage der Folgen für die zurückbleibende übertragende Gesellschaft nicht im Fall der Aufspaltung stellen kann, deren Charakter gerade das Erlöschen der übertragenden Gesellschaft und die Aufteilung deren gesamten Vermögens auf mindestens zwei übernehmende Rechtsträger ist. Bei Durchführung einer Aufspaltung muss und kann daher keine Rücksicht auf das Schicksal der übertragenden Gesellschaft genommen werden. Denn wie bei der Verschmelzung stellt die Auflösung eine vom UmwG besondere legitimierte Form der Beendigung des übertragenden Rechtsträgers dar. Bei der Abspaltung und Ausgliederung bleibt dagegen die übertragende Gesellschaft bestehen. Hier stellt sich deshalb die Frage, ob und inwieweit Grenzen für den Umfang des zu übertragenden Vermögens bestehen. Eine weitere Frage wird sein, ob derartige Grenzen Auswirkungen auf die Beurteilung des nachteiligen Charakters der Maßnahme i.S.v. §§ 311 ff. AktG haben oder ob die Einhaltung dieser Grenzen auf andere Weise zu gewährleisten ist. a) Grenzen der Vermögensübertragung Inhaltlich wird den beteiligten Gesellschaftern für die Aufteilung des Vermögens ein großer Freiraum gewährt.795 Sie können prinzipiell frei bestimmen, 792
Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 71. Vgl. Schröer, in Semler/Stengel UmwG, § 126 Rn. 70. 794 Vgl. dazu Belling/Collas, NJW 1991, 1919, 1926 f. Bei „geplanter Totgeburt“; auch Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 72. 795 BegrRegE § 126, Ganske, S. 136; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 59. 793
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welchem Rechtsträger sie welche Gegenstände zuteilen. Dennoch können sich auf Seiten der übertragenden Gesellschaft gesetzliche und praktische Grenzen ergeben:
aa) Grenzen aus dem UmwG Das UmwG selbst sieht für den Umfang des zu übertragenden Vermögens keine Grenzen vor. Den beteiligten Rechtsträgern ist nicht nur die Aufteilung, sondern auch die Bestimmung der zu übertragenden Gegenstände freigestellt. Das UmwG sieht nur hinsichtlich der Bestimmbarkeit der Vermögensgegenstände besondere Vorschriften vor, um dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu entsprechen. Hieraus lassen sich indes keine Grenzen für den Umfang des zu übertragenden Vermögens folgern. Eine Vorgabe, die das UmwG in diesem Zusammenhang gibt, entspringt lediglich dem Wesen der zur Verfügung gestellten Möglichkeiten: Der Abspaltung ist wesenseigen, dass nicht das gesamte Vermögen übertragen werden kann. Diese Voraussetzung kann damit als maximale Obergrenze herangezogen werden. Bei der Aufgliederung ist dagegen sogar die Übertragung des gesamten Vermögens denkbar, so dass die übertragende Gesellschaft als reine Holding zurückbleibt. Generell kann lediglich noch darauf verwiesen werden, dass das Umwandlungsrecht für die abhängige AG als Ausgangsrechtsträger durch den Verweis in § 146 UmwG auf die Gründungs- bzw. Kapitalerhaltungsvorschriften eine Grenze der Zuteilung der Aktiva und Passiva setzt.796 Im Übrigen lassen sich dem UmwG keine Zwischenstufen oder sonstigen Grenzen entnehmen.
bb) Grenzen aus dem Steuerrecht Das Steuerrecht sieht keine materiellen Grenze für den Umfang des zu übertragenden Vermögens vor. Allerdings ergeben sich hieraus praktische Grenzen. Denn § 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG gestattet eine Buchwertfortführung nur dann, wenn Gegenstand der Spaltung ein Teilbetrieb, ein Mitunternehmeranteil oder eine 100%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist.797 Dabei setzt der Begriff „Teilbetrieb“ voraus, dass es sich um einen mit gewisser Selbständigkeit ausgestatteten, organisch geschlossenen Teil eines Gesamtbetriebs handelt, der als solcher lebensfähig ist.798 Bei einer Abspaltung muss dieses Erfordernis 796
Danko/Heckschen/Plesterninks, Umstrukturierungen in Unternehmen, B 146. Siehe Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 15 UmwStG Rn. 4. 798 Siehe etwa BFH GrS BStBl. II 2000, 123; BFH v. 1.2.1989 – VIII R 33/85, BStBl. II 1989, S. 458, 460; Schaumburg/Schumacher, in Lutter UmwG, Anh. 151 Rn. 11 ff. m.w.N.; Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 15 UmwStG Rn. 42 ff. 797
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
auch auf den verbleibenden Vermögensteil zutreffen, § 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG.799 Da Umwandlungen zumeist davon abhängig gemacht werden, dass steuerauslösende Wertaufstockungen vermieden werden, wird man es bei Spaltungsfällen in der Regel mit Betrieben oder Teilbetrieben zu tun haben. Diese praktische Grenze hilft jedoch nicht zur Ergebnisfindung hinsichtlich der Frage, ob durch die Aufteilung des Vermögens ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG herbeigeführt werden kann.
cc) Grenzen aus §§ 311 ff. AktG Daher ist näher zu hinterfragen, ob sich aus dem Minderheiten- und Gläubigerschutz der §§ 311 ff. AktG hinsichtlich der Aufteilung des zu übertragenden Vermögens Grenzen ergeben. Wie schon mehrfach ausgeführt, tragen die §§ 311 ff. AktG dem Umstand Rechnung, dass es bei Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses eines besonderen Schutzes der abhängigen Gesellschaft sowie ihrer Gläubiger und außenstehenden Aktionäre bedarf. Der Gleichlauf von Gesellschafter- und Gesellschaftsinteresse und damit die Richtigkeit der internen Willensbildung und die unternehmerische Autonomie der Gesellschaft sollen durch den Nachteilsausgleich gewahrt bleiben. Darüber hinaus soll der Gefahr entgegen gewirkt werden, dass das herrschende Unternehmen das Vermögen der abhängigen Gesellschaft zu deren Nachteil oder zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger und der außenstehenden Aktionäre für eigene Belange einsetzt.800 Der Minderheiten- und Gläubigerschutz nach den §§ 311 ff. AktG fordert demnach eine Beachtung der Vermögensinteressen der Gesellschaft und der dahinter stehenden Aktionäre. Dieser Schutzgedanke ist auch bei der Durchführung von Spaltungsmaßnahmen zu beachten. Allerdings enthalten die §§ 311 ff. AktG zugleich eine Privilegierung des einfachen faktischen Konzerns. Denn sofern nur die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft gewahrt werden, ist es dem herrschenden Unternehmen gestattet, im Einvernehmen mit dem Vorstand der abhängigen AG seine außerhalb der Gesellschaft verfolgten Interessen auch gegenüber einem gegenläufigen Eigenwillen der abhängigen Gesellschaft durchzusetzen.801 Aus der 799
§ 15 UmwStG erfasst lediglich die Auf- und Abspaltung als Fälle der Spaltung nach § 123 UmwG. Die Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG wird nicht von § 15 UmwStG erfasst. Durch die Gewährung der Gegenleistung in Form der Anteile/Mitgliedschaftsrechte am übernehmenden Rechtsträger an den übertragenden Rechtsträger selbst ähnelt diese Konstellation einem Einbringungstatbestand, der von §§ 20, 24 UmwStG erfasst sein kann, vgl. Hörtnagl, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 15 UmwStG Rn. 23. 800 Siehe Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 1. 801 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 2.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Konzeption und dem Schutzgedanken der §§ 311 ff. AktG lässt sich somit folgern, dass Primärziel der adäquate Vermögensschutz der abhängigen Gesellschaft sowie der Schutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger ist.802 Hierbei sind im Fall von Abspaltungen und Ausgliederungen wiederum die Systematik und die Regelungen des UmwG zu beachten: das UmwG selbst enthält zahlreiche Vorschriften, die den Interessen der Aktionäre und Gläubiger dienen und diese ausreichend berücksichtigen, wie z.B. Zustimmungserfordernisse und das Abfindungsrecht. Gleiches gilt hinsichtlich des Schutzes der Gläubiger der abhängigen übertragenden Gesellschaft. Die ihnen zur Befriedigung zur Verfügung stehende Vermögensmasse darf sich letzten Endes nicht verringern. Um dies zu verhindern, soll hier der Gläubigerschutz des UmwG eingreifen, der z.B. eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 133 UmwG, das Recht auf Verlangen einer Sicherheitsleistung nach § 22 UmwG sowie die Verpflichtung zu Schadensersatz gemäß §§ 25, 27 UmwG vorsieht. Auch das UmwG verfolgt einen Schutz der Vermögensinteressen der Gläubiger und Aktionäre. Zwar werden durch das UmwG keineswegs die §§ 311 ff. AktG verdrängt; die Vorschriften des UmwG zum Schutz der außenstehenden Aktionäre und Gläubiger und die §§ 311 ff. AktG stehen vielmehr weitestgehend nebeneinander. Allerdings sind die Wertung des UmwG und der organisatorische Charakter einer solchen Entscheidung über den Umfang des zu übertragenden Vermögens zu beachten. Das UmwG bietet Möglichkeiten der Umwandlung, ohne hierfür eine sachliche Rechtfertigung zu fordern oder – abgesehen vom Kapitalschutz – Grenzen zu setzen. Das UmwG sieht die Maßnahmen als grundsätzlich organisatorische Maßnahmen, die prinzipiell zu einer Umordnung der in der zu wandelnden Gesellschaft liegenden Vermögensmasse führen. Im Saldo sollte keine Änderung der Vermögensmasse erfolgen. Was eine Gesellschaft überträgt, erhält ein anderer Rechtsträger. Der darin mittelbar enthaltene Anteil der Aktionäre setzt sich in der Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger fort. Entscheidend ist das Umtauschverhältnis. Ist dieses angemessen, erfolgt kein Vermögensverlust der (früheren) Anteilseigner, auch nicht durch die zukünftige Geschäftsentwicklung. Denn zukünftige Erträge bzw. Verluste sind, soweit möglich, in der Umtauschrelation zu berücksichtigen.803 Werden daher die Vorschriften des UmwG beachtet und dadurch der Grundgedanke des UmwG nach einem insgesamt vermögensmäßig neutralem Umtausch bzw. Übertragung gewahrt, so können auch aus den §§ 311 ff. AktG innerhalb dieser Grenzen keine weiteren Beschränkungen folgen. Denn die Vor802
Koppensteiner, KölnKommAktG, Vorb. § 311 Rn. 19. BGH DB 1973, 565; OLG Düsseldorf DB 1988, 1109 ff.; vgl. Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 30. 803
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
schriften des UmwG legitimieren diese Möglichkeiten der Vermögensübertragung als Gesamtrechtsnachfolge, ohne dass hierfür nach der h.M. eine besondere sachliche Rechtfertigung notwendig ist. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass die Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft und untereinander im faktischen Konzern eingeschränkt ist.804 Zwar kann man entgegen halten, dass im Umwandlungsbericht auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe und damit die Folgen der Umwandlung zu erläutern sind.805 Die Leitungsorgane haben schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, warum gerade eine Umstrukturierung im Allgemeinen und eine Verschmelzung bzw. Spaltung im Besonderen das geeignete Mittel zur Verfolgung des Unternehmenszwecks des jeweils beteiligten Rechtsträgers sein soll.806 Insbesondere hat im Verschmelzungsbericht auch eine Abwägung der Vor- und Nachteile der Maßnahme zu erfolgen. Dies bedeutet aber nicht, dass nicht vorteilhafte Umwandlungen unmöglich sind.807 Die Entscheidung darüber obliegt den Anteilsinhabern. Wie auch die Umwandlungsprüfung zeigt, dient diese zwar ausschließlich dem Schutz der Anteilsinhaber.808 Ihre Aufgabe ist jedoch nicht, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Umwandlungsmaßnahme zu beurteilen, sondern die Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen an die Aktionäre zu prüfen. Weiterhin muss aus der Gesetzessystematik der Schluss gezogen werden, dass es sich bei der Festlegung des Umfangs des zu übertragenden Vermögens wertungsmäßig um eine organisatorische Frage handelt, die nicht zu einer Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG führen kann. Das Gesetz überträgt durch das prinzipielle Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung den Anteilseignern die Kompetenz zur Entscheidung über die Durchführung der Maßnahme. Aus der Tatsache, dass das UmwG die Möglichkeit zur Spaltung zur Verfügung stellt, die wesensnotwendig mit der Abgabe von Vermögen der übertragenden Gesellschaft verbunden ist, kann hergeleitet werden, dass diese Vermögenseinbuße nicht als Nachteil gemäß §§ 311 ff. AktG angesehen werden kann. Denn anderenfalls würde dieses Resultat jede Art der Abspaltung im faktischen Konzern verhindern und so den Zweck des UmwG beseitigen. Darüber hinaus würde dies gleichfalls eine Anerkennung eines umfassenden und die Systematik der Rechtsordnung verkennenden Integritätsinteresses im Aktienrecht bedeuten. Doch dieses besteht nur eingeschränkt. Jedenfalls bei Vorhandensein formeller Verfahrensregeln zum Anteilseigner- und Gläubiger804
Siehe oben 3. Teil B.I.2.a) aa)(1). Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 8 UmwG Rn. 2, 11. 806 Siehe Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz § 8 UmwG Rn. 11. 807 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 9 Rn. 12. 808 BT-Drucks 9/1065, S. 15; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 9 Rn. 4 m.w.N. 805
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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schutz, wie sie das UmwG vorsieht, ist ein umfassendes Integritätsinteresse nicht anzuerkennen.809 Somit lässt sich feststellen, dass eine Spaltung innerhalb der Grenzen des UmwG nicht wegen der Bestimmung des Umfangs des zu übertragenden Vermögens nachteilig i.S.v. § 311 ff. AktG sein kann. Die Tatsache der Vermögensabgabe ist aufgrund der Legitimation der Umwandlung nicht als nachteilig zu bewerten. Entscheidend für einen Nachteil ist allein die angemessene Berücksichtigung des zu übertragenden Vermögens bei der Frage des Umtauschverhältnisses. Auf der anderen Seite kann man aber zugleich festhalten, dass diese Wertungen des UmwG nur bei Beachtung der darin enthaltenen Regelungen zu berücksichtigen sind. Mit anderen Worten: Verlässt die Spaltungsmaßnahme den vom UmwG gesetzten Rahmen, kann eine unrechtmäßige Umwandlung gegeben sein. Das kann aber nicht vornehmlich eine Frage von §§ 311 ff. AktG sein, welche lediglich einen vermögensrechtlichen Schutz der Gläubiger und Anteilseigner bezwecken. Es müssen dann vielmehr die allgemeinen Regeln zur Beseitigung eines rechtswidrigen Hauptversammlungsbeschlusses eingreifen. In Betracht kommen zum einen formelle Mängel, die sich aus Mängeln der vorbereitenden Unterlagen, der Veröffentlichung, Auslegung oder Übersendung sowie der Ladung und Versammlungsdurchführung ergeben.810 Gemeinsam ist diesen Mängeln, dass sie sich nur dann auf den Beschluss auswirken, wenn der Fehler für die Beschlussfassung kausal bzw. relevant811 geworden ist. Zum anderen kommen Inhaltsmängel in Betracht, z.B. bei Verletzung des Gesetzes oder der Satzung. Dieser Maßstab ist für die AG als Kapitalgesellschaft durch § 243 AktG ausdrücklich anerkannt.812 Zu den Verstößen zählen auch die Missachtung von Generalklauseln, wie z.B. ein Verstoß gegen die Sittenwidrigkeit oder den Gleichbehandlungsgrundsatz, sowie Verstöße gegen ungeschriebene Regeln des Gesellschaftsrechts, insbesondere die Treuepflicht.813 Da bei formellen Mängeln, die ein vorgesehenes Verfahren missachten, nicht vermögensrechtliche Fragen, sondern der Schutz der Rechtsordnung im Vordergrund steht, kann hier nicht auf den Schutz von § 311 AktG zurück gegriffen werden. Zum einen ist bei derartigen Mängeln der bloße Vermögensschutz der Gesellschaft und der dahinter stehenden Aktionäre und Gläubiger 809
Siehe oben 2. Teil A.IV.3.b)(dd)(1)(c). Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 42. 811 Hüffer, AktG, § 243 AktG Rn. 12; Schmidt, in GroßKommAktG § 243 Rn. 21 ff.; Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 43. 812 Nach Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 44 sind Verstöße gegen die Satzung im Bereich der Verschmelzung selten, da die Satzung üblicherweise keine darauf bezogenen Regeln enthalten. 813 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 13 Rn. 44. 810
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
der §§ 311 ff. AktG nicht das richtige Instrument. Zum anderen sind in diesem Fall die §§ 311 ff. AktG auch nicht einschlägig. Denn § 311 AktG beinhaltet eine Privilegierung des herrschenden Unternehmens allein in vermögensrechtlichen Fragen. § 311 AktG erlaubt lediglich einen (nachteiligen) Eingriff in das von der abhängigen Gesellschaft zu bestimmende Verhalten, d.h. in die Geschäftstätigkeit der abhängigen Gesellschaft. Ein Eingriff in gesetzliche Verfahren zum Schutz des Rechtsverkehrs kann und will § 311 AktG nicht privilegieren, da ein solcher auch niemals durch eine vermögensmäßige Entschädigung auszugleichen ist. Derartige Veranlassungen und Eingriffe durch ein herrschendes Unternehmen sind schlichtweg unzulässig und daher keine Frage von §§ 311 ff. AktG. Zur Beseitigung dieser formellen Mängel ist daher eine Klage gegen den in Streit stehenden Beschluss anzustrengen, um so die Nichtigkeit des Beschlusses nach § 241 Nr. 5 AktG festzustellen oder gemäß § 243 AktG herbeizuführen. Ebenfalls scheidet § 311 AktG bei materiellen Beschlussmängeln wie z.B. der Missachtung von Satzungsbestimmungen wie der Festlegung des Gesellschaftszwecks und des Unternehmensgegenstands hinsichtlich des Umfangs des zu übertragenden Vermögens aus und bietet nicht das passende Instrument. Denn die §§ 311 ff. AktG bieten auch für derartige Eingriffe keine Privilegierung, da das Instrument des Nachteilsausgleichs die Vorschriften über eine ordnungsgemäße Änderung bzw. Anpassung des Gesellschaftszwecks oder des Unternehmensgegenstandes nicht außer Kraft setzen können. Auch hier würden durch die Missachtung gesetzlicher Vorgaben Schutzvorschriften des Rechtsverkehrs verletzt, was nicht durch einen bloßen Vermögensausgleich abgegolten werden kann.814 In all diesen Fällen handelt es sich nicht um typischerweise im Konzernverhältnis begründete Mängel. Aber nur dieses Risiko wollen die §§ 311 ff. AktG speziell eindämmen. Daher greift in diesen Situationen nicht § 311 AktG ein. Stattdessen gelten hier die allgemeinen Vorschriften der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit.815 Aus den §§ 311 ff. AktG selbst ergeben sich deshalb keine zusätzlichen Grenzen hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs des zu übertragenden Vermögens.
814 Ähnlich schon Strohn, Verfassung der Aktiengesellschaft, S. 38 ff.; a.A. wohl Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 101. 815 Dies bedeutet auch nicht, dass die abhängige Gesellschaft bzw. die dahinter stehenden Aktionäre schutzlos gestellt sind. Vielmehr werden bei derartigen veranlassten Mängeln neben einer Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit auch Schadensersatzansprüche gegeben sein. Siehe dazu 5. Teil C.4.
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dd) Statuarische Grenzen Grenzen für die Zuteilung des zu übertragenden Vermögens können sich jedoch aus der Satzung der abhängigen Gesellschaft ergeben. So versteht es sich von selbst, dass das herrschende Unternehmen – in gleicher Weise wie der Vorstand und Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft – an den satzungsmäßigen Unternehmenszweck und den Unternehmensgegenstand der abhängigen AG gebunden ist.816 Veranlasst also das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft zu einer Geschäftsführungsmaßnahme, die jenseits des satzungsmäßigen Gegenstands liegt, so ist dies von vornherein rechtswidrig. Entsprechendes gilt für Maßnahmen, die strukturändernden Charakter haben, indem sie faktisch eine Änderung – sei es eine Ausweitung oder ein Unterschreiten – des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes herbeiführen.817 Folglich müssen auf der Seite der verbleibenden Gesellschaft die Vorgaben der Satzung berücksichtigt werden. Denn insofern ist zu beachten, dass die „Restgesellschaft“ noch ihr satzungsmäßiges Unternehmensziel verwirklichen kann. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die verbleibende Eigenkapitalquote, die Kern- oder Gesamtkapitalquote818, Liquidität, Verschuldungsgrad und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft zu legen. Die Verwirklichung des Unternehmensgegenstandes und Gesellschaftszwecks stellt jedoch die unterste Grenze für den Umfang des zu übertragenden Vermögens dar. Für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft besteht in dieser Situation allerdings eine Verpflichtung zur Prüfung jeder Veranlassung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Nachteiligkeit eines entsprechenden Tuns oder Unterlassens, sondern auch, ob die Veranlassung unabhängig davon nicht beachtet werden darf. Gelangt der Vorstand zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der Umwandlung gegen die Satzung verstößt, muss der entsprechende Abschluss des Umwandlungsvertrags unterbleiben. Wird die Abspaltung oder Ausgliederung dennoch unter Verstoß gegen die Satzungsvorgaben abgeschlossen, so kann diese nach den allgemeinen Vorschriften angegriffen werden. Bei Vorsatz und Eintritt eines Schadens können Schadensersatzansprüche nach § 117 AktG bestehen. In diesem Zusammenhang kann die Streichung von § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG durch das UMAG Bedeutung gewinnen.819
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Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 9, § 308 Rn. 56 f. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 9. 818 Insbesondere nach den §§ 10, 11 KWG ist die Beibehaltung bestimmter Kapitalquoten unerlässlich. Missachtungen können in diesem Zusammenhang zur Unmöglichkeit der Betreibung des Geschäfts führen. 819 Vgl. BT-Drucks 15/5092, S. 5, 12. 817
216
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Als Zwischenergebnis lässt sich damit zunächst festhalten, dass bei der Vornahme einer Abspaltung die Vorgaben der Satzung, insbesondere der Gesellschaftszweck und der Unternehmensgegenstand, zu berücksichtigen sind. (1) Möglichkeit der Satzungsänderung Allerdings besteht für das herrschende Unternehmen die Möglichkeit einer entsprechenden Satzungsänderung. Aber auch eine durch das herrschende Unternehmen veranlasste Änderung der satzungsmäßigen Gegenstandsbestimmung ist nicht uneingeschränkt zulässig.820 Die Änderung des Gesellschaftszweckes ist dabei nach überwiegender Ansicht nur durch Zustimmung aller Anteilseigner gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB analog möglich. Die Änderung des Gesellschaftszwecks wird in der Praxis daher bei Beteiligung konzernexterner Anteilseigner mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. De facto müsste der Zweck der Gesellschaft somit unverändert bleiben. In den meisten Fällen bliebe daher nur eine Anpassung des Unternehmensgegenstands, welche durch Satzungsänderung nach § 179 AktG möglich ist. Ehe näher beurteilt werden kann, ob und inwieweit derartige Änderungen in den Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG fallen und einen Nachteil begründen können, sollen zunächst Grenzen einer entsprechenden Satzungsänderung dargestellt werden. Wie ausgeführt, kann eine Abspaltung oder Ausgliederung hierbei durch die Bestimmung des Umfangs des zu übertragenden Vermögens 820 Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 274 f. Danach kann die abhängige Aktiengesellschaft satzungsmäßig als Funktionstochter des Konzerns nur ausgestaltet werden, sofern sie mindestens kostendeckend tätig werden soll und es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sie diese Funktion auf Dauer wahrnehmen kann. Die Änderung des Unternehmensgegenstandes sei zwar nicht per se nachteilig für die abhängige Gesellschaft, wohl aber dann, wenn sie die Eigenständigkeit der abhängigen Gesellschaft in Frage stellt; so Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 30. Vor allem durch das herrschende Unternehmen veranlasste Spaltungen würden insoweit Risiken bergen. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 30 spricht hier auch das Risikopotential bei der Vornahme von Verschmelzungen an. Für die abhängige Gesellschaft als aufnehmender Rechtsträger ist dem zuzustimmen. Auf Seiten der übertragenden Gesellschaft ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese mit Wirksamkeit der Verschmelzung ihre Rechtsidentität verliert und aufgelöst wird. Die durch die Verschmelzung „veranlasste“ Ausrichtung der übertragenden abhängigen Gesellschaft liegt somit in deren Auflösung und Übertragung des gesamten Vermögens auf den übernehmenden Rechtsträger. Nur in dem Fall, dass die Satzung der übertragenden Gesellschaft Vorschriften zur Verhinderung einer Verschmelzung vorsieht, könnte die Satzung somit verletzt werden. Dies wird allerdings äußerst selten der Fall sein. Daher führt eine veranlasste Verschmelzung zwar zum konsequenten Verlust der Eigenständigkeit. Dies führt jedoch nach den Wertungen des UmwG, welches diese Möglichkeit vorsieht, nicht zu einer Nachteiligkeit der Maßnahme.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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und die dadurch bedingten Auswirkungen sowohl auf den Gesellschaftszweck als auch auf den Unternehmensgegenstand Einfluss nehmen. In beiden Bereichen sind Grenzen zu berücksichtigen. (2) Änderungen des Gesellschaftszwecks (a) Formelle Grenzen Während sich aus § 179 Abs. 2 S. 2 AktG eindeutig schließen lässt, dass der Unternehmensgegenstand grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit auch gegen den Willen einer kleinen Minderheit abänderbar sein soll, findet der Gesellschaftszweck keine ausdrückliche Erwähnung im AktG. Die herrschende Meinung zieht die im allgemeinen Vereinsrecht geltende Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB für eine Änderung des Gesellschaftszwecks der AG heran.821 Demzufolge kann der Gesellschaftszweck nur mit Zustimmung aller Anteilseigner nachträglich geändert werden.822 Anderes soll nur gelten, wenn die Satzung der Gesellschaft eine von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB abweichende Regelung enthält (§ 40 BGB), die in den Grenzen des § 179 Abs. 2 S. 2 AktG überwiegend für zulässig erachtet wird.823 Nach der Gegenauffassung ist auch für eine Änderung des Gesellschaftszwecks § 179 Abs. 2 AktG maßgebend, wobei es sich um eine von § 33 Abs. 1 S. 2 BGB abweichende Sonderregelung des Aktiengesetzes handle, die sich auf alle Arten von Satzungsänderungen beziehe.824 Eine Ausnahme allein für die Änderung des Gesellschaftszwecks sei ohne Stütze im Gesetz nicht anzuerkennen. Stattdessen sehe das Aktiengesetz an mehreren Stellen auch eine Zweckänderung mit (bloßer) qualifizierter Mehrheit vor, z.B. für die Auflösung sowie für die Eingliederung und den Abschluss von Beherrschungsverträgen. Dies mache deutlich, dass in der AG selbst für derart wichtige Grundlagenentscheidungen nicht mit der Zustimmung sämtlicher Anteilseigner gerechnet werden 821 Hefermehl/Bungeroth, in G/H/E/K, § 179 Rn. 114; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 33; Zöllner, in KölnKommAktG, § 179 Rn. 113; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 234; Semler, in MünchHdbGesR, § 39 Rn. 53; Habersack, ZGR 1996, 545, 562; Würdinger, Aktienrecht, S. 41; Großmann, S. 26; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 162 m.w.N. 822 Siehe eingehend Schäfer, Der stimmrechtslose GmbH-Geschäftsanteil, S. 192 ff. 823 Hüffer, AktG, § 179 Rn. 33; Zöllner, in KölnKommAktG, § 179 Rn. 114; Brändel, in GroßKommAktG, § 3 Rn. 30; a.A. Hefermehl/Bungeroth, in G/H/E/K, § 179 Rn. 114. Nach BGHZ 96, 245, 249 f. muss sich die Festlegung anderweitiger Mehrheitserfordernisse mit der erforderlichen Bestimmtheit auch auf Zweckänderungen beziehen. 824 Wiedemann, in GroßKommAktG, § 179 Rn. 56; ders. GesR I § 3 I 3 (S. 156 f.) und § 6 III 2 (S. 337); Sonnenberg, S. 121 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 16 Rn. 73; Timm, Aktiengesellschaft, S. 31 ff.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
könne.825 An die Stelle des Zustimmungserfordernisses trete – neben der allgemeinen Inhaltskontrolle – die Sicherung der vermögensmäßigen Rechte der überstimmten Mitglieder.826 Sie könnten aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausscheiden und erhielten eine angemessene Barabfindung analog §§ 305 Abs. 2 Nr. 3, 320b Abs. 1 S. 5 AktG.827 Die Mitgliedschaft werde darüber hinaus nicht geschützt. Gegen diese Mindermeinung wird eingewandt, dass es an einer Regelungslücke für die analoge Anwendung der §§ 304, 305 AktG fehle.828 Ferner müssten dann auch die §§ 302, 303 AktG analog Anwendung finden, was mit dem Recht der Gesellschafter auf freie Bestimmung des Gesellschaftszwecks nicht zu vereinbaren sei. Der Charakter des § 179 Abs. 2 AktG als Sonderregelung ist ferner für eine dritte Meinung ausschlaggebend. Danach soll eine Änderung des Gesellschaftszwecks zwar gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB im Grundsatz der Zustimmung sämtlicher Anteilseigner bedürfen. Wenn und soweit jedoch der Gesellschaftszweck mit dem Unternehmensgegenstand identisch ist, gingen § 179 Abs. 2 AktG vor. Dann sei für die mit der Änderung des Unternehmensgegenstands verbundene Zweckänderung lediglich die ¾-Mehrheit erforderlich.829 Ohne näher auf die einzelnen Argumente für oder gegen die herrschende Ansicht einzugehen830, spricht entscheidend für die Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Änderung des Gesellschaftszwecks, dass die Gründe, die bei der Änderung des Unternehmensgegenstands für eine Lockerung der Anforderungen sprechen, für die Änderung des Gesellschaftszwecks nicht ein825 Wiedemann, GesR I § 3 I 3 (S. 156 f.); Sonnenberg, S. 121 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 16 Rn. 73; Timm, Aktiengesellschaft, S. 32 f. 826 Gleiches geschieht auch beim Auflösungsbeschluss, bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags und bei der Eingliederung. 827 Wiedemann, in GroßKommAktG, § 179 Rn. 56; Raiser/Veil, KapGesR, § 16 Rn. 73; Timm, Aktiengesellschaft, S. 34; i.E. ebenso, jedoch eine Analogie zu §§ 304, 305 AktG ablehnend Sonnenberg, S. 152 ff.; dagegen Röhricht, in GroßKommAktG, § 23 Rn. 105; Tieves, S. 165. 828 Sonnenberg, S. 152 f.; Tieves, S. 165; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 163. 829 So für die vergleichbare Vorschrift in § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG Ulmer, in Hachenburg GmbHG, § 53 Rn. 103. Auf die im Zusammenhang mit der Kommentierung von Ulmer, in Hachenburg GmbHG, § 1 Rn. 10 bestehende Unklarheiten weist Tieves, S. 22 zutreffend hin. Seine Schlussfolgerung, bei der Formulierung in § 53 Rn. 103 handele es sich um ein bloßes Redaktionsversehen, mag bezweifelt werden. Siehe auch Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 163. 830 Vgl. hierzu Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 163 ff.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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schlägig sind. § 179 Abs. 1 und 2 AktG soll bei der Änderung des Unternehmensgegenstands die im Geschäftsverkehr erforderliche Flexibilität und damit den Bestand des Unternehmens sichern.831 Im Wirtschaftsleben kann die gelegentliche Anpassung des Geschäftsgegenstandes an die Marktverhältnisse zum Erhalt des Unternehmens erforderlich sein. Deshalb wäre es hinderlich und in einigen Fällen existenzbedrohend, die Zustimmung sämtlicher Anteilseigner einzufordern. Die im Geschäftsleben erforderliche Flexibilität macht demgegenüber regelmäßig keine Änderung des Gesellschaftszwecks erforderlich.832 Das Gegenteil ist der Fall: Der Gesellschaftszweck bildet die Grundlage und Existenzberechtigung, zu dessen Erreichen sich die Gesellschaft mit Hilfe ihres Unternehmensgegenstands auszurichten hat. Die Gesellschafter, die bereits ihr Kapital investiert haben, vertrauen auf die Beibehaltung des Gesellschaftszwecks, der sinngebend und überindividuell die Zielsetzung des Zusammenschlusses angibt.833 Deshalb ist mit der h.M. zu verlangen, dass sich sämtliche Anteilseigner gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 BGB einverstanden erklären müssen, bevor dieses Ziel verändert werden kann.834 (b) Materielle Grenzen der Änderung des Gesellschaftszwecks Neben diesen formellen Grenzen für eine Änderung des Gesellschaftszwecks sind aufgruund des Charakters der AG als selbständige organisatorische Einheit auch materielle Vorgaben zu berücksichtigen. Zwar ist allgemein anerkannt, dass die AG eine nicht erwerbswirtschaftliche Zielsetzung aufweisen kann, also nur teilweise oder gar nicht auf Gewinnerzielung oder -maximierung ausgerichtet ist.835 Die Freiheit der Aktionäre bei der 831
Krejci, Partnerschaft, S. 292, 305; v. Trott zu Solz, S. 39; Winter, Treubindungen, S. 143. 832 Vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 165. 833 Zwar ist auch in Umwandlungsfällen bei der mit einer Aufspaltung oder Verschmelzung verbundenen Änderung des Gesellschaftszwecks eine bloße ¾-Mehrheit genügend. Allerdings greifen die Schutzvorkehrungen des UmwG, um einen Interessenausgleich zu gewährleisten. 834 v. Trott zu Solz, S. 64 ff.; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 165; a.A. für öffentliche Zielsetzungen Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 243. 835 Brändel, in GroßKommAktG, § 3 Rn. 17; Eckardt, in G/H/E/K, § 3 Rn. 4 und § 23 Rn. 64; Röhricht, in GroßKommAktG, § 23 Rn. 92 ff.; Wiedemann, GesR I S. 156; Wiedemann, ZGR 1975, 385, 427; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 104 m.w.N.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Festlegung von Gesellschaftszielen ist aber nicht grenzenlos. Gesetzes- oder sittenwidrige Ziele sind unzulässig.836 Schon deshalb sind der Freiheit der Festlegung des Gesellschaftszwecks Grenzen gesetzt.837 Eine Zielsetzung, die die Gesellschaft darauf festlegt, unter Selbstkosten zu wirtschaften, verstößt ebenso gegen das insoweit anzuerkennende Eigeninteresse der Gesellschaft. Denn ein derartiges Ziel macht es der Geschäftsleitung unmöglich, das Unternehmen gemäß §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG ordnungsgemäß zu führen.838 Vielmehr müsste ständig die Substanz der Aktiengesellschaft angegriffen werden, was sich nicht nur zu Lasten der Gläubiger, sondern auch auf die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft selbst auswirkt. Einer solchen Zielsetzung widersprechen eindeutig die §§ 57, 92 AktG. § 57 AktG verbietet eine Rückgewähr von Einlagen aus Gründen der Kapitalerhaltung. Sollte dennoch das Grundkapital wesentlich gefährdet oder die Gesellschaft gar zahlungsunfähig sein, stellt § 92 AktG für den Vorstand besondere Pflichten auf. Es kann sich hierbei nur um eine absolute Schranke für die Dispositionsfreiheit der Anteilseigner handeln. Indem die Gesellschaft jedoch eine werbende Zielsetzug verfolgt, beinhaltet dies grundsätzlich, gleich ob sie erwerbswirtschaftlich, ideell oder politisch tätig wird, die Aussage, dass zumindest kostendeckend gewirtschaftet werden soll.839 Nur auf diese Weise kann das Ziel der Gesellschaft nachhaltig verfolgt werden.840
836
Allgemeine Meinung, siehe nur Hüffer, AktG, § 23 Rn. 23; Kraft, in KölnKommAktG, § 23 Rn. 43; Eckardt, in G/H/E/K, § 3 Rn. 4; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 148 Fn. 184 m.w.N. Für die GmbH Emmerich, in Scholz GmbHG, § 1 Rn. 16 ff.; Ulmer, in Hachenburg GmbHG, § 1 Rn. 27 ff. 837 Vgl. BGH ZIP 1992, 694, 695: Danach kann ein Verstoß gegen § 826 BGB in Betracht kommen, wenn der Gesellschafter sein Unternehmen ständig unter Selbstkostenpreisen wirtschaften lässt und damit die Erfüllung der Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern gefährdet, während er selbst als Gläubiger der Gesellschaft sein eigenes Ausfallrisiko durch Sicherheitenstellung auf ein Minimum reduziert. 838 Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 246. 839 Vgl. Beinert, S. 69 f.; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 247. 840 Völlig ausgeschlossen ist es demgegenüber nicht, dass die Gesellschaft nicht kostendeckend tätig sein soll. So mag etwa bei Gesellschaften der öffentlichen Hand, aber auch im Aktienkonzern ein Interesse für eine derartige Ausrichtung bestehen. Ein Verstoß gegen das Eigeninteresse der Gesellschaft muss aber dadurch vermieden werden, dass etwa der herrschende Gesellschafter in der Satzung seine finanzielle Unterstützung zum Ausgleich der Verluste und zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit verbindlich und einklagbar zusagt; vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 247 m.w.N. Zu Unternehmen der öffentlichen Hand so Engelland, S. 37 f.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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(c) Zusammenfassung Hinsichtlich der Änderung des Gesellschaftszwecks ergibt sich somit formell das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Anteilseigner. Materiell ist dagegen lediglich zu berücksichtigen, dass das Eigeninteresse der Gesellschaft auf kostendeckendes Wirtschaften und damit die Möglichkeit der selbständigen Existenzfähigkeit der Akteingesellschaft als selbständiges wirtschaftliches Unternehmen beachtet wird.841 (3) Möglichkeiten der Änderung des Unternehmensgegenstandes (a) Formelle Anforderungen Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung im Aktienrecht ist der Unternehmensgegenstand unzweifelhaft – vorbehaltlich einer Regelung in der Satzung der Gesellschaft, die höhere Anforderungen stellt, vgl. § 179 Abs. 2 S. 2 AktG – mit ¾-Mehrheit des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals veränderbar.842 § 33 Abs. 1 S. 2 BGB ist schon nach seinem Wortlaut
841
Das herrschende Unternehmen soll nach dem AktG die nur faktisch abhängige Gesellschaft wirtschaftlich nicht so stark auf den Konzern ausrichten dürfen, dass diese ihre Fähigkeit verliert, selbständig am Markt zu existieren. Durchaus sind jedoch Gesellschaften denkbar, die ihre Leistungen satzungsgemäß entweder allein bzw. überwiegend für den Konzern erbringen oder bei denen einzelne nicht für die juristische Person als solche essentielle Unternehmensfunktionen auf die Muttergesellschaft oder andere Konzerngesellschaften delegiert sind, etwa um diese Funktionen innerhalb des Konzerns zentral und damit wirtschaftlich rationaler durch einen Rechtsträger auszufüllen. Kennzeichnend ist jeweils, dass die abhängige AG ohne den Konzern nicht überlebensfähig wäre, dass also die wirtschaftliche Abhängigkeit eine qualifizierte Ausprägung angenommen hat, die es der abhängigen AG unmöglich macht, sich mit eigenen wirtschaftlichen Mitteln unter finanziell zu rechtfertigendem Aufwand aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu befreien. Mit einem satzungsfesten Eigeninteresse, das auf die Bewahrung eines Mindestbestands wirtschaftlicher Unabhängigkeit gerichtet ist, wäre es dagegen unvereinbar, dass die abhängige Tochtergesellschaft als reine Funktionstochter ausgestaltet ist. Überwiegend wird indes angenommen, dass die Muttergesellschaft nach Abschluss eines Beherrschungsvertrages die beherrschte Gesellschaft umfassend wirtschaftlich in den Konzern integrieren könne. Die Bedeutung des Integritätsinteresses wäre demzufolge auf den hier entscheidenden faktischen Konzern beschränkt. Teilweise findet man jedoch Stimmen in der Literatur, die der qualifizierten wirtschaftlichen Abhängigkeit sogar im Vertragskonzern kritisch gegenüberstehen. Vgl. zum Ganzen Timmann, Die Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 229 ff.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
nicht anwendbar. Darüber hinaus zeigt die Verwendung des Begriffs „jedoch“ in § 179 Abs. 2 S. 2 AktG, dass auch S. 1 für den Unternehmensgegenstand Geltung beansprucht.843 Alleinige formelle Vorgabe ist damit die Beschlussfassung der Satzungsänderung mit einer qualifizierten Hauptversammlungsmehrheit. (b) Materielle Vorgaben Inhaltlich enthält das AktG keine Vorgaben. Ansatzpunkt ist das Verhältnis des Unternehmensgegenstandes zum Gesellschaftszweck. Nach h.M. stehen diese in einer Mittel-Zweck-Relation.844 Daher kann, abgeleitet vom Gesellschaftszweck als finales Ziel, der Unternehmensgegenstand nur diejenigen Mittel beschreiben, die zur Erreichung dieses Zieles führen können. Als Grenzen sind innerhalb dieses Freiraums freilich insbesondere die §§ 134, 138 BGB zu beachten. Innerhalb dieser Gestaltungmöglichkeiten können die Anteilseigner den Unternehmensgegenstand grundsätzlich frei bestimmen und dem Vorstand dadurch Grenzen seiner Geschäftsführungsbefugnis bestimmen und außenstehende Dritte über den Tätigkeitsbereich der AG informieren.845 (c) Zwischenergebnis Wie ausgeführt ist somit der Gestaltungsspielraum der Aktionäre bei der Festlegung des Gesellschaftszwecks und der Bestimmung des Unternehmensgegenstandes groß. (d) Möglichkeit der Anpassung des Unternehmensgegenstandes Im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abspaltung oder Ausgliederung kann eine Änderung des Unternehmensgegenstandes beschlossen werden.
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So die ganz h.M., vgl. Hefermehl, in G/H/E/K, § 179 Rn. 91; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 34; Zöllner, in KölnKommAktG, § 179 Rn. 116; Tieves, S. 32, 167; a.A. nur Großmann, S. 26. 843 Hüffer, AktG, § 179 Rn. 34; Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 168 f. 844 Vgl. beispielhaft Kraft, in KölnKommAktG, § 23 Rn. 43; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 22 m.w.N. 845 Dies der Zweck der Angabe des Unternehmensgegenstands in der Satzung gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, vgl. BGH WM 1981, 163, 164, OLG Frankfurt OLGZ 1987, 40; Hüffer, AktG, § 23 Rn. 21.
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Diese Änderung hat jedoch unabhängig von der Umwandlungsmaßnahme zu erfolgen und muss allein den Anforderungen einer entsprechenden Satzungsänderung genügen. Vorgaben hierzu macht das UmwG nicht. Konsequenz daraus ist, dass die Anteilseigner wie bereits ausgeführt auch im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abspaltung oder Ausgliederung grundsätzlich frei sind, den Unternehmensgegenstand der verbleibenden Gesellschaft neu zu bestimmen. Dabei ist anzumerken, dass auch eine statuarische Konzernausrichtung erfolgen kann, indem der Unternehmensgegenstand der abhängigen AG an die konkreten Bedürfnisse des Konzerns angepasst wird.846 Das herrschende Unternehmen unterliegt dabei allerdings Grenzen, die es ihm zum einen verbieten, sich auch nur einen mittelbaren Sondervorteil gegenüber anderen Aktionären zu verschaffen, während die Änderung sich zugleich zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft oder ihrer Aktionäre auswirkt. In diesem Fall wäre der zugrunde liegende Beschluss gemäß § 243 Abs. 2 AktG anfechtbar.847 Zum anderen hat das herrschende Unternehmen Treuepflichten zu beachten. Eine Konkurrenz zu den §§ 311 ff. AktG besteht insoweit nicht, da diese bei rein organisatorischen Vorgängen wie einer Satzungsänderung keine Anwendung finden. Verstöße gegen Treuepflichten führen gemäß § 243 Abs. 1 AktG ebenfalls zur Anfechtbarkeit. Ein Treuepflichtverstoß liegt bei der Einführung konzernfreundlicher Satzungsbestimmungen mit Timmann immer schon dann vor, wenn die Neuregelung nicht im Interesse der abhängigen Gesellschaft sachlich gerechtfertigt werden kann oder nicht erforderlich bzw. verhältnismäßig ist. Demnach bietet dieser gesteckte Rahmen auch im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abspaltung oder Ausgliederung eine große Bandbreite der Anpassungsmöglichkeiten der Satzung. (e) Unterlassen der Änderung des Unternehmensgegenstandes Sieht die Hauptversammlung im Zusammenhang mit der Abspaltung oder Ausgliederung nicht zugleich eine möglicherweise angebrachte Anpassung des Unternehmensgegenstandes vor, stellt sich unabhängig von einer Pflicht des Vorstands der Tochtergesellschaft, den Umwandlungsvertrag nicht abzuschließen, die Frage, inwieweit ein derartiger Beschluss der Hauptversammlung rechtlich fehlerfrei ist bzw. ob unter Umständen eine Pflicht zur Änderung der Satzung, insbesondere des Unternehmensgegenstandes, anzunehmen ist. 846 Vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 313. 847 Siehe Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S. 315.
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3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
Führt der Abspaltungs- bzw. Ausgliederungsbeschluss der abhängigen Gesellschaft zu einem Widerspruch zur grundsätzlich weiter fortbestehenden Regelung des Unternehmensgegenstandes, liegt eine sog. Satzungsdurchbrechung vor.848 Bei der Vornahme einer Umwandlung und der damit verfolgten Dauerwirkung wird es sich in der Regel um eine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung handeln.849 Nach h.M. ist eine derartige zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung nur dann rechtsfehlerfrei, wenn sie als förmliche Satzungsänderung beschlossen wird850, und gemäß § 181 Abs. 3 AktG erst dann wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen wird.851 Die zustandbegründende Satzungsdurchbrechung ist danach unzulässig.852 Es lässt sich damit festhalten, dass ein Unterlassen einer bei einer Abspaltung oder Ausgliederung erforderlichen Satzungsänderung zur Anfechtbarkeit des Umwandlungsbeschlusses führen kann. Dem herrschenden Unternehmen ist in Fällen, in denen ein wesentlicher Teil des Vermögens der übertragenden abhängigen Gesellschaft übertragen wird, wodurch die Erreichung des Gesellschaftszwecks und Unternehmensgegenstands der Gesellschaft beeinträchtigt sein kann, anzuraten, mit der Umwandlung die notwendige Satzungsanpassung vorzunehmen. Freilich sind dabei die hierfür zu beachtenden Voraussetzungen einzuhalten. (f) Änderung des Unternehmensgegenstandes als Nachteil Ist demnach eine Abspaltung oder Ausgliederung eines wesentlichen Teils des Vermögens der abhängigen Gesellschaft, wodurch deren Erreichen ihres Gesellschaftszwecks bzw. Unternehmensgegenstandes beeinträchtigt wird, ohne gleichzeitige Anpassung dieses Unternehmensgegenstandes unzulässig, stellt sich weiter die Frage einer Nachteiligkeit dieses Verhaltens i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG. Diese Frage lässt sich jedoch nach dem oben Dargelegten schnell beantworten: Bei der Änderung einer Satzungsbestimmung bzw. der unterlassenen Änderung als „actus contrarius“ handelt es sich zweifellos um Grundlagenentscheidungen, auf welche die §§ 311 ff. AktG nicht anwendbar sind. Derartiges
848
Vgl. Hüffer, AktG, § 179 Rn. 7 f. Im Gegensatz dazu die punktuelle Satzungsdurchbrechung, die sich in ihren Rechtswirkungen des Beschlusses in einer ad hoc-Maßnahme erschöpft, vgl. Hüffer, AktG, § 179 Rn. 7. 850 OLG Köln AG 2001, 426; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 8; Zöllner, in KölnKommAktG, § 179 Rn. 97. 851 BGHZ 123, 15, 19 f.; Zöllner, in KölnKommAktG, § 179 Rn. 92 ff.; Ulmer, in Hachenburg GmbHG, § 53 Rn. 36; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 8 m.w.N. 852 Fleck, ZGR 1988, 104, 127; Habersack, ZGR 1994, 354, 361, 365. 849
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
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Verhalten ist durch das Konzept der §§ 311 ff. AktG nicht privilegiert und kann daher auch nicht durch eine Zahlung vermögensmäßig ausgeglichen werden.853 Die Abspaltung oder Ausgliederung eines wesentlichen Vermögensteils, welche die Erreichung des Unternehmensgegenstandes unmöglich macht oder beeinträchtigt, kann daher nicht nachteilig im Sinn von § 311 Abs. 1 AktG sein. Konsequent spielt ebenso die Frage nach dem Umfang des zu übertragenden Vermögens insoweit keine Rolle für eine Nachteiligkeit einer Abspaltung oder einer Ausgliederung nach § 311 Abs. 1 AktG. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein solches Verhalten von §§ 311 ff. AktG somit gebilligt wird. § 311 AktG greift vielmehr gar nicht ein, denn die Mängel beruhen nicht auf einem typischen Konzernrisiko. Stattdessen sind die allgemeinen Regeln anwendbar, welche gemäß § 243 Abs. 1 AktG wegen Missachtung der Satzung zur Anfechtbarkeit des Umwandlungsbeschlusses führen können. Eine weitere Folge dieses Verhaltens kann unter Umständen die Verpflichtung zu Schadensersatz sein.854 (4) Zwischenergebnis Damit setzt zwar die Satzung der übertragenden Aktiengesellschaft Grenzen. Das Überschreiten dieser statuarischen Grenzen ist jedoch nicht Gegenstand der Geschäftsleitungsaufgabe des Vorstands der abhängigen Aktiengesellschaft und erfolgt nicht aufgrund seines Zutuns, sondern durch das Verhalten der Anteilsinhaber in der Hauptversammlung. Mangels Handelns der Geschäftsleitung der abhängigen Aktiengesellschaft fällt ein Überschreiten dieser Grenzen damit auch nicht in den Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG. Nichtsdestotrotz sind derartige Maßnahmen in der Regel rechtswidrig oder gar nichtig, so dass auf anderem Wege die Rückgängigmachung bzw. unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz855 gefordert werden kann.
853 Vgl. auch Voigt, Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, S. 318 f.: Das herrschende Unternehmen ist bei der Verfolgung von Sondervorteilen nicht privilegiert, daher greife § 243 AktG ein. Die gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben vermögen die §§ 311 ff. AktG durch einen Nachteilsausgleich nicht zu durchbrechen. Anders wohl Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 101. 854 Vgl. im Einzelnen unten 5. Teil C.IV. 855 Vgl. hierzu unten 5. Teil C.IV. sowie Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Aktiengesellschaft, S 264 f.
226
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
6. Sonderfall Ausgliederung Die Ausgliederung stellt unter einem weiteren Gesichtspunkt einen Sonderfall dar. Wie beschrieben, führt die Ausgliederung nicht zu einem Anteilstausch auf der Ebene der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Stattdessen erhält die übertragende Gesellschaft gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 UmwG selbst Anteile am aufnehmenden bzw. neugegründeten Rechtsträger. Mangels Bestimmung eines Umtauschverhältnisses kann hierauf kein Einfluss genommen werden, somit insoweit auch niemals ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG eintreten. Die übertragende Gesellschaft hat jedoch im Tausch gegen ihr abgegebenes Vermögen entsprechende Anteile am aufnehmenden bzw. neugegründeten Rechtsträger zu erhalten. Hinsichtlich der Ermittlung der angemessenen Beteiligung kann auf die Ausführungen zur Ermittlung eines angemessenen Umtauschverhältnisses verwiesen werden.856 Der Unterschied ist lediglich, dass nicht die Unternehmenswerte der beteiligten Unternehmen in Relation gesetzt werden, sondern das zu übertragende Vermögen mit dem Unternehmenswert der aufnehmenden Gesellschaft.857 Bei der Ausgliederung zur Neugründung führt dies nicht zum Problem einer Vermögensbeeinträchtigung. Denn die übertragende Gesellschaft erhält alle Anteile am neugegründeten Rechtsträger. Somit kann bei einer Ausgliederung zur Neugründung nie ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG eintreten. Anders verhält es sich bei der Ausgliederung zur Aufnahme. Erhält die übertragende Gesellschaft in diesem Fall keine angemessenen Anteile am aufnehmenden Rechtsträger, führt dies zu einer Vermögensbeeinträchtigung der abhängigen Gesellschaft selbst und damit zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG.
7. Zusammenfassung Somit ist bei der Beurteilung der Nachteiligkeit von Spaltungen zwischen der Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung zu unterscheiden. Während man bei der Aufspaltung und Abspaltung zum gleichen Ergebnis wie bei der Verschmelzung gelangt, dass lediglich bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses die Möglichkeit eines Nachteils i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
856
Siehe oben 3.Teil A.I.3.j). Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 34 Fn. 4: Sind diese Anteile am übertragenen Vermögen zu niedrig, entsteht der übertragenden Gesellschaft ein Schaden, für den die Vertretungsorgane nach §§ 124, 25 UmwG herangezogen werden können. 857
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
227
eintreten kann, kann bei der Ausgliederung zur Aufnahme mangels Anteilstauschs ein Nachteil dadurch begründet werden, dass die übertragende Gesellschaft unangemessen am aufnehmenden Rechtsträger beteiligt wird. Hinsichtlich des Umfangs des zu übertragenden Vermögens im Fall der Abspaltung und der Ausgliederung gibt § 311 Abs. 1 AktG keine weiteren Grenzen vor. Die Vermögensabgabe der übertragenden Gesellschaft als solche ist nach der Wertung und Legitimation durch das UmwG nicht als nachteilig zu bewerten. Insofern greifen lediglich die allgemeinen Regeln der Anfechtung bzw. Nichtigkeit bei Nichtbeachtung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes oder des Gesellschaftszwecks. In Zweifelsfällen sollte daher mit der Abspaltung oder Ausgliederung zugleich eine Änderung des Unternehmensgegenstandes erfolgen.
III. Ergebnis Als Ergebnis dieses Abschnitts der Untersuchung lässt sich somit festhalten, dass ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG für außenstehende Aktionäre bei der Durchführung von Verschmelzungen, Aufspaltungen und Abspaltungen nur bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses möglich ist. Bei dem Sonderfall der Ausgliederung kann mangels Festlegung eines Umtauschverhältnisses dagegen ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG nur dann eintreten, wenn die übertragende Gesellschaft keine dem übertragenen Vermögen entsprechenden Anteile am aufnehmenden Rechtsträger erhält; da die übertragende Gesellschaft im Fall der Ausgliederung zur Neugründung alle Anteile der neuen Gesellschaft erhält, kann hier niemals eine Vermögensbeeinträchtigung möglich sein. Die Frage der Motivation zur Durchführung der Verschmelzung oder Spaltung sowie deren Zweckmäßigkeit ist als organisatorischer Bestandteil des Umwandlungsvorgangs und aufgrund der prinzipiellen Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung als Institution der Anteilsinhaber einer Beurteilung hinsichtlich ihrer Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG nicht zugänglich. Der Wertung des UmwG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit dem Zurverfügungstellen dieser Maßnahmen auch deren Durchführung unter Einhaltung der formalen Vorgaben, insbesondere einer ¾-Mehrheit, gebilligt hat. Die Entscheidung zur Vornahme der Umwandlung bedarf keiner zusätzlichen sachlichen Rechtsfertigung. Diese Wertung des Gesetzgebers darf nicht an anderer Stelle, auch nicht aus Gründen des Minderheitenschutzes der §§ 311 ff. AktG, aufgehoben werden. Dies gilt umso mehr, da die §§ 311 ff. AktG, wie dargelegt, lediglich ein Handeln der Geschäftsführung erfassen können, nicht jedoch ein Verhalten der Hauptversammlung bewerten wollen. Ein Verhalten der Hauptversammlung stellt es folgerichtig auch dar, wenn diese den Umfang des
228
3.Teil: Verschmelzung und Spaltung als Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG
zu übertragenden Vermögens bestimmt. Bei der Verschmelzung und der Aufspaltung ist zwangsläufig das gesamte Vermögen der übertragenden Gesellschaft betroffen; bei der Abspaltung und der Ausgliederung sind die Anteilsinhaber nach dem UmwG und auch nach §§ 311 ff. AktG frei, zu bestimmen, in welchem Umfang Vermögen übertragen werden soll. Auch dies ist Ausdruck des organisatorischen Gehalts der Umwandlungsmaßnahme. Freilich haben die Aktionäre ihr Verhalten dabei an der Satzung der übertragenden Gesellschaft und allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Willkürverbots und Rechtsmissbrauchs auszurichten. Eine Nichtbeachtung dieser Prinzipien führt jedoch mangels Verwirklichung eines abhängigkeitsspezifischen Risikos nicht zu einem Eingreifen der §§ 311 ff. AktG, sondern richtigerweise zu einer Möglichkeit für die Anteilsinhaber, den entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss nach den allgemeinen Vorschriften anzugreifen. Die Ausarbeitung des Inhalts des in Frage stehenden Umwandlungsvertrags, dessen Vorbereitung und dessen Abschluss sind zweifellos Aufgaben der Geschäftsführung. In diesem Bereich kann daher eine Beurteilung der Nachteiligkeit der Maßnahme in Hinblick auf § 311 Abs. 1 AktG erfolgen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Inhalt des Umwandlungsvertrags einerseits nichtvermögensrelevante, andererseits durchaus das Vermögen der Anteilsinhaber beeinträchtigende Bestandteile besitzt. Die vermögensrelevanten Bestimmungen sind jedoch bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen und finden Einfluss in das Umtauschverhältnis (bzw. im Fall der Ausgliederung in die angemessene Beteiligung). In ihm vereinen sich alle relevanten Auswirkungen auf das Vermögen der Anteilsinhaber. Folgerichtig kann eine Vermögensbeeinträchtigung und damit ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG nur dann eintreten, wenn dieses Umtauschverhältnis bzw. im Fall der Ausgliederung der Anteilserwerb unangemessen, d.h. zu niedrig bemessen ist. Zwar begründet die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses bei der Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung allein eine Vermögensbeeinträchtigung auf Seiten der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Die Gesellschaft selbst oder ihre Gläubiger sind in diesen Fällen nicht betroffen; letztere werden ausreichend durch die Vorschriften des UmwG geschützt. Doch auch diese Situation erfassen die §§ 311 ff. AktG aus Gründen eines effektiven Außenseiterschutzes. Unproblematisch ist der Nachteil im Fall der Ausgliederung zur Aufnahme. Hier tritt der Nachteil bei einer unangemessenen Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers unmittelbar bei der abhängigen Gesellschaft ein, was offensichtlich von § 311 Abs. 1 AktG erfasst wird. Abschließend lässt sich also festhalten, dass eine Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG nur begründen kann, sofern das Umtauschverhältnis auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens unangemessen festgelegt wurde. Eine Ausgliederung kann nur in der Variante
B. Nachteilsermittlung bei Verschmelzung und Spaltung nach dem UmwG
229
zur Aufnahme einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründen, und zwar unter der Voraussetzung, dass der übertragende Rechtsträger keine angemessene Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger erhält. Spiegelt das Umtauschverhältnis bzw. die erhaltene Beteiligung dagegen einen fairen Wert wider, kann die Umwandlung niemals als nachteilig i.S.v. § 311 Abs. AktG bewertet werten und stellt damit auch kein Risiko für das herrschende Unternehmen dar.
4. Teil
Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis Nach der Betrachtung von Verschmelzungen und Spaltungen innerhalb eines Konzernverbunds bei Beteiligung außenstehender Minderheitsaktionäre ist der in der Praxis weitaus häufiger vorkommende Sonderfall eines 100%-Konzernverhältnisses näher zu untersuchen. In solchen Konzernsachverhalten werden Umwandlungen als Strukturmaßnahmen in der Praxis nicht zuletzt aus steuerlichen und strategischen Gründen vorgenommen. Auch bei Umwandlungen von 100%-Tochtergesellschaften stellt sich die Frage nach einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG bei der Einflussnahme auf das Verhalten der Tochtergesellschaft durch das herrschende Unternehmen. Dass hierbei keine Minderheitsaktionäre vorhanden sind, spielt für den Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG wie gesehen keine Rolle. Dennoch ergeben sich in dieser Situation zwangsläufig Besonderheiten, die im Folgenden näher zu untersuchen sind. Dabei kann zwischen Umwandlungen unterschieden werden, die auf der Ebene eines 100%-Tochterunternehmens der herrschenden Gesellschaft, und solchen, die auf der Ebene einer 100%-Enkelgesellschaft auf Veranlassung des Mutterunternehmens vorgenommen werden.
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG Die Besonderheit der Konstellation bei der Durchführung von Umwandlungsmaßnahmen auf der Ebene einer 100%-Tochteraktiengesellschaft ist, dass das Mutterunternehmen die alleinige Anteilsinhaberin des übertragenden Rechtsträgers ist. Veranlasst sie somit die Tochtergesellschaft zur Vornahme von Verschmelzungen oder Spaltungen, treffen alleine sie die Auswirkungen eines Tauschs der Anteile der übertragenden Gesellschaft. Nach dem oben gefunden Ergebnis wäre daher bei einem unangemessenen Umtauschverhältnis allein die Muttergesellschaft in ihrem in dem Tochterunternehmen investierten Vermögen beeinträchtigt. Dies macht zum einen einen gewissen Widerspruch des Verhaltens der Muttergesellschaft deutlich. Zum anderen wird nach dem UmwG in vielen Fällen der möglichen Umwandlungsarten in einem solchen Konzernsachverhalt kein
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
231
Umtauschverhältnis bestimmt werden858, was zusätzlich eine Bewertung einer Verschmelzung oder Spaltung als nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG schwierig machen wird. Um diese Besonderheiten näher zu erfassen, sollen daher die einzelnen Umwandlungsmaßnahmen auf der Ebene einer 100%-Tochtergesellschaft näher betrachtet werden. Ebenfalls ist dabei zwischen der Vornahme einer Verschmelzung und den Arten der Spaltungsmaßnahmen zu unterscheiden.
I. Verschmelzungen von 100% abhängigen Gesellschaften Als Verschmelzungsformen kommen im Konzern sowohl ein downstream(Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die Tochter-AG oder der TochterAG auf eine Enkel-AG), ein upstream- (Verschmelzung der Tochter-AG auf die Muttergesellschaft oder der Enkel-AG auf die Tochter-AG) als auch ein sidestep-merger (Verschmelzung von Schwestergesellschaften) in Betracht. Eine nähere Betrachtung des downstream-mergers ist in der Beziehung zwischen herrschender und abhängiger Gesellschaft im Rahmen der Bestimmung eines Nachteils i.S.v. § 311 AktG nicht erforderlich. Bei „Wegfall“ der herrschenden Gesellschaft im Wege der Verschmelzung greift § 311 AktG nicht ein: ein Nachteilsausgleich wäre nicht mehr möglich, die Abhängigkeitslage wäre beendet. § 311 AktG greift im Verhältnis Muttergesellschaft – Tochtergesellschaft daher nur bei einer Übertragung seitens der abhängigen Gesellschaft. Im Folgenden sind deshalb die Möglichkeiten der Verschmelzung zur Aufnahme als upstream- und sidestep-merger sowie die Verschmelzung zur Neugründung näher zu behandeln. 1. Verschmelzung zur Aufnahme Bei der Verschmelzung zur Aufnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist zu unterscheiden zwischen der Aufnahme durch die herrschende MutterAG, durch eine ebenfalls 100% abhängige Schwestergesellschaft oder durch eine sonstige direkt oder indirekt abhängige Gesellschaft der MutterAG. a) Aufnahme durch MutterAG (upstream) Das UmwG erkennt explizit die Zulassung der Verschmelzung der 100%Tochter auf ihre Mutter an. Aufgrund der besonderen Mutter-TochterBeziehung gelten hierbei verschiedene Erleichterungen, insbesondere ist nach 858
§ 68 Abs. 1 UmwG.
232
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
§ 8 Abs. 3 S. 1 2. Alt. UmwG kein Verschmelzungsbericht erforderlich, wenn sich alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers befinden.859 Diese Besonderheiten beruhen auf denselben Gründen, aus welchen auch angenommen werden kann, dass eine Nachteiligkeit einer Verschmelzung im Sinn von § 311 AktG in dieser Konstellation niemals vorliegen kann: Das Gesetz geht unzweifelhaft davon aus, dass in diesem Fall keine Anteile als Gegenleistung für den Übergang des Vermögens gewährt werden.860
aa) Sonderregeln im UmwG zur Verschmelzung der 100%-Tochter auf die Muttergesellschaft Bei der Verschmelzung der 100%-Tochter zur Aufnahme durch die Muttergesellschaft unterbleibt jegliche Anteilsgewährung. Ausdrücklich bestimmt § 5 Abs. 2 UmwG zum Inhalt des Verschmelzungsvertrags, dass die – sonst obligatorischen – Angaben über den Umtausch der Anteile, § 5 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 UmwG, entfallen, wenn sich alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers befinden. Und in § 20 Nr. 3 S. 1, 1. Halbs. UmwG heißt es folgerichtig, dass die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers entgegen der Regel im 1. Halbs. nicht Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers werden, soweit der übernehmende Rechtsträger Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ist. Konsequent gilt in diesem Fall auch das Kapitalerhöhungsverbot nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, wonach die aufnehmende AG ihr Grundkapital zur Durchführung der Verschmelzung nicht erhöhen darf, soweit sie Anteile eines übertragenden Rechtsträgers innehat. Diese Vorschriften sind dabei nur Ausdruck eines dahinter stehenden Rechtsgrundsatzes und nicht ihrerseits für die Nichtgewährung von Anteilen bei der 100%-Tochter-Mutter-Verschmelzung ursächlich. Denn der entscheidende Grund, warum bei der 100%-Tochter-Mutter-Verschmelzung keine Anteilsgewährung erfolgt, liegt darin, dass in diesem Fall jeder Anspruch des Anteilsinhabers des übertragenden Rechtsträgers auf Anteilsgewährung notwendig mit der korrespondierenden Verpflichtung in der Person des übernehmenden Rechtsträgers zusammenfällt. Im Vordergrund stehen also nicht Gläubigerschutzaspekte, z.B. das Gebot realer Kapitalaufbringung861; das Unterbleiben 859 Bei Beteiligung von Aktiengesellschaften ist jedoch gemäß § 60 Abs. 1 UmwG entgegen § 9 Abs. 2 UmwG stets eine Verschmelzungsprüfung erforderlich. 860 Vgl. Ihrig, Verschmelzung und Spaltung ohne Gewährung neuer Anteile?, ZHR 160 (1996), 317, 326; BR-Drucks 75/94, S. 84. 861 Siehe Diekmann, in Semler/Stengel UmwG, § 68 Rn. 5; zur GmbH Winter, in Lutter UmwG, § 54 Rn. 5.
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
233
jeglicher Anteilsgewährung beruht vielmehr auf dem Vorliegen eines Konfusionstatbestandes.862 Konsequenz dieser Tatsache des Unterbleibens eines Anteilsumtausches kann daher für die Frage einer Nachteiligkeit i.S.v. §§ 311 ff. AktG einer Verschmelzung in dieser Konstellation nur sein, dass mangels Umtauschverhältnis, worin wie gesehen allein ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG liegen kann, eine 100%-Tochter-Mutter-Verschmelzung niemals nachteilig sein kann.863 Vielmehr werden die Vermögensmassen fortgesetzt. Tatsächlich ändert sich der Wert der Beteiligungen der Anteilsinhaber nicht.
bb) Weitere Überlegungen Zudem folgt aus weiteren Gründen, dass in dieser Konstellation niemals ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG eintreten kann. Wie dargelegt, kann in diesem Fall nur auf Seiten der Anteilsinhaber ein relevanter vermögensmäßiger Nachteil eintreten. Bei der Verschmelzung einer 100%-TochterAG auf die Muttergesellschaft existieren jedoch keine außenstehenden Aktionäre, so dass sich aus diesem Grund auch Besonderheiten hinsichtlich einer möglichen Treuepflicht bzw. des Minderheitenschutzes ergeben. Zwar führt das Nichtvorhandensein von außenstehenden Aktionären nicht zur Unanwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG. Dennoch beeinflusst dies die Frage der Nachteiligkeit im Sinn dieser Vorschriften.
862
So die h.M. vgl. Ihrig, Verschmelzung und Spaltung ohne Gewährung neuer Anteile?, ZHR 160 (1996), 317, 327; Begr.RegE zur GmbH-Novelle 1980, bei Deuter, Das neue GmbH-Recht, 1980, 141; BayObLG DB 1984, 285 f.; Priester, in Scholz, 7. Aufl., § 23 KapErhG Rn. 1; Widmann/Mayer (1996), § 54 Rn. 13; Dehmer, § 54 Rn. 3; abweichend und für ein Nichtentstehen eines entsprechenden Anspruchs Winter, in Lutter UmwG, § 54 Rn. 5. 863 Gleiches gilt für eine 100%-Enkel-Mutter-Verschmelzung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 UmwG. Denn richtigerweise ist auch eine 100%ige Tochtergesellschaft als Dritte i.S.d. Norm anzusehen, vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 60 m.w.N. Denn eine solche Verschmelzung kann bei GmbH und AG nicht unter Durchführung einer Kapitalerhöhung erfolgen, da die Tochter in der Mutter keine Anteile übernehmen kann. Möglich wäre eine Verschmelzung ohne Kapitalerhöhung. Sofern die Tochtergesellschaft Kapitalgesellschaft ist sind freilich die Grundsätze der Kapitalerhaltung zu beachten, vgl. Grunewald, in Lutter UmwG, § 20 Rn. 60.
234
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
(1) Minderheitenschutz und Treuepflichten Denn für die Bestimmung einer Nachteiligkeit könnte sich des Weiteren die Frage stellen, ob bei Vorhandensein nur eines Alleinaktionärs überhaupt eine Treuepflicht besteht oder ob hier nicht der in §§ 311 ff. AktG angelegte Minderheitenschutz leer läuft. Befinden sich nämlich alle Anteile der Gesellschaft in der Hand derselben Person oder Unternehmen, kann sich die Treuepflicht des Aktionärs naturgemäß nicht darauf gründen, Instrument der Einwirkungskontrolle zum Schutz vor übermäßiger Rechtsausübung zu Lasten von Mitgesellschaftern zu sein.864 Es stellt sich aber die Frage, ob immerhin die Gesellschaft selbst ein von dem Alleinaktionär losgelöstes Eigeninteresse besitzt, zu dessen Schutz der Einmann-Gesellschafter gegenüber seiner AG zur Loyalität verpflichtet ist. Bei der GmbH verneinen Rechtsprechung865 und herrschende Literatur866 eine Treuepflicht des Alleingesellschafters. Diese Auffassung beansprucht auch im Aktienrecht Geltung.867 In der eingliedrigen Gesellschaft muss – da nicht vorhanden – weder auf Mitgesellschafter noch auf ein in der Gesellschaft verkörpertes aktienrechtliches Mitinvestment Rücksicht genommen werden und ebenso wenig kann eine durch „Gemeinsamkeit“ bestimme Förderpflicht erwachsen. Daher bedarf es weder der Schutz- und Schrankenfunktion der Treuepflicht noch einer Treubindung zur Herleitung von Mitwirkungspflichten.868 Dies gilt nach Henze/Notz869 auch dann, wenn der Alleinaktionär herrschendes Unternehmen i.S.v. § 17 AktG ist. In dieser Konstellation kommt nicht in Betracht, dass die dann anwendbaren Vorschriften der §§ 311 ff. AktG durch eine allgemeine Treuepflicht des einzigen Anteileigners i.S. eines Minderheitenschutzes flankiert werden. Gegen diese Auffassung, dass der Alleinaktionär ebenso wenig einer mitgliedschaftlichen Treuepflicht unterliegt wie der Einmanngesellschafter einer GmbH, spricht nicht die unterschiedliche Leitungsstruktur zwischen der GmbH, in der die Weisungsunterworfenheit der Geschäftsführer der Gesellschafter bereits konzeptionell zum reinen Zweckinstrument ihrer Gesellschafter
864
Henze/Notz, in GroßKommAktG, Anh § 53a AktG Rn. 42. BGHZ 119, 257, 262; 122, 333, 336; 151, 181. 866 H. Winter, in Scholz, GmbHG 9.Aufl. § 14 Rn. 52; Pentz, in Rowedder, § 13 GmbHG Rn. 38; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 13 GmbHG Rn. 21. 867 Henze/Notz, in GroßKommAktG, Anh § 53a AktG Rn. 44. 868 Henze/Notz, in GroßKommAktG, Anh § 53a AktG Rn. 44; vgl. auch Bachmann, NZG 2001, 961, 971. 869 In GroßKommAktG, Anh § 53a AktG Rn. 44. 865
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
235
degradiert, und der AG, in der der Vorstand die Gesellschaft gemäß §§ 76 Abs. 1, 119 Abs. 2 AktG ausgerichtet auf das Unternehmensinteresse zu führen hat. Denn die Weisungsunabhängigkeit des Vorstands führt nur dazu, dass sich das Leitungsorgan und die organisatorische Einheit verselbständigt. Daraus ergibt sich aber kein Anhaltspunkt für ein vom Alleinaktionär losgelöstes unternehmerisches Interesse der AG selbst. Außerdem hat auch der alleinige Anteilseigner der AG, wenn auch über den Aufsichtsrat nur mittelbar, vollen Einfluss auf die Vorstandsbesetzung und kann so den personellen Interessengleichlauf herstellen. Ferner lässt sich zur Begründung einer gegenüber der 100%-abhängigen Tochtergesellschaft bestehenden Treuepflicht nicht anführen, dass eine als Ausdruck der Treue zu verstehende Förderpflicht des Aktionärs primär gegenüber der Gesellschaft bestehe, womit formal das Bezugsverhältnis für eine Förderpflicht auch im Rahmen der Einmann-Gesellschaft nicht fehle. Diese interne Bezugsrichtung der Förderpflicht resultiert allein daraus, dass es die juristische Person ist, in der sich die wirtschaftlichen Interessen der Anteilseigner bündeln. Inhaltlich wirkt auch diese Förderpflicht zugunsten der anderen Anteilsinhaber, weil sie gemeinsam mit dem Aktionär das unternehmerische Risiko tragen. Ist allein ein einziger Aktionär in dieses Risiko involviert, fällt der innere Grund für die Förderpflicht weg.870 Man kann somit festhalten, dass bei Vorhandensein lediglich eines Alleinaktionärs ein Minderheitenschutz leer läuft. Auch der in §§ 311 ff. AktG begründete Schutz außenstehender Aktionäre besteht in dieser Konstellation ohne Ziel. (2) Gläubigerschutz Bei der von der natürlichen Person des Aktionärs zu trennenden juristischen Person der AG besteht auch ein Interesse der Gesellschaftsgläubiger an dem in die Gesellschaft geflossenen schuldrechtlichen Investment. Daher kann auch aus der Situation einer Einmann-Kapitalgesellschaft eine stetige Förderung des Unternehmenszwecks den außenstehenden Gläubigern günstig sein. Der Schutz dieses Gläubigerinteresses am Bestand der Gesellschaft findet seinen Ausdruck jedoch im zwingenden Grundsatz der Vermögensbindung nach § 57 AktG, ohne im Innenverhältnis zu einem Eigeninteresse der Gesellschaft gegenüber dem einzelnen Aktionär zu führen. Es ist für die Einmann-AG nicht angezeigt, das allein verbleibende äußere Befriedigungsinteresse der Gesellschaftsgläubiger in Form eines Eigeninteresses der Gesellschaft zu instituti870
Henze/Notz, in GroßKommAktG, Anh § 53a AktG Rn. 46.
236
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
onalisieren, das dann den Bezugspunkt für eine Treuepflicht auch des Alleinaktionärs bilden könnte.871 Der gebotene Gläubigerschutz kann interessengerechter auf andere Weise erfolgen.872 Ferner ist aus den Erwägungen, die gegen eine Treuepflicht des Alleingesellschafters sprechen, auch die dazu ähnliche Überlegung, es existiere in Bezug auf ein rudimentäres Eigeninteresse der EinmannGesellschaft eine Art Sonderverbindung des alleinigen Anteilseigners zu seiner Gesellschaft,873 abzulehnen.874 Dieser nur eingeschränkte Vermögensschutz auf das satzungsmäßige Stammkapital wird unterstützt von den Vorschriften des UmwG. Dort ist zum Schutz der Gläubiger eine Haftung des übernehmenden Rechtsträgers vorgesehen. Darüber hinaus wird den Gläubigern in § 22 UmwG ein Recht auf Sicherheitenstellung eingeräumt. Darüber hinaus wurde schon ausgeführt, dass lediglich das Umtauschverhältnis zum Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG führen kann. Der Anspruch auf ein angemessenes Umtauschverhältnis steht jedoch den Aktionären direkt zu und ist kein Recht der übertragenden Gesellschaft als solche oder ihrer Gläubiger. Bei Vorhandensein außenstehender Aktionäre erfolgt ein Direkterwerb der getauschten Anteile, weshalb die Gläubiger der Gesellschaft auf diese Anteile kein Zugriffsrecht haben. Erfolgt mangels außenstehender Aktionäre kein Anteilstausch, gilt umso mehr, dass Gläubiger hiervon nicht betroffen sein können. Ihnen verbleiben die Rechte aus dem UmwG, welche die Umwandlungen abhängiger und unabhängiger Unternehmen insoweit unterschiedslos regeln. Zudem wäre es auch nicht gerechtfertigt, den Gläubigern einer abhängigen oder gar 100%-Tochtergesellschaft bei einer Umwandlung mehr Rechte einzuräumen als Gläubigern sonstiger Aktiengesellschaften.
cc) Zusammenfassung Bei einer 100%-Tochtergesellschaft greift der in § 311 AktG angelegte Schutz außenstehender Aktionäre trotz der unbestrittenen Anwendbarkeit dieser Vorschriften ins Leere. Der Gläubigerschutz besteht wie beim Vorhandensein außenstehender Aktionäre lediglich in den gesetzlichen Grenzen des UmwG. Auch hier haben die Gläubiger keinen Zugriff auf die auszutauschenden Anteile. Im Fall einer 100%igen Abhängigkeit der übertragenden Gesellschaft darf hiervon keine Ausnahme gemacht werden. Eine solche wäre nicht gerechtfer871
Henze/Notz, in GroßKommAktG, Anh § 53a AktG Rn. 47. Siehe unten 5. Teil C.IV. 873 Dahin Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026 [noch auf Grundlage von BGHZ 149, 10]; Wiedemann/Hirte, in Heldrich/Hopt, FG 50 Jahre BGH (2000), Band II, S. 337, 353 und dem folgend K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3580. 874 Vgl. Henze, NZG 2003, 649, 657. 872
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
237
tigt und ist in Hinblick auf den gesetzlichen Schutz nicht erforderlich. Darüber hinaus besteht in der Einmann-AG keine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder ihrer (nicht vorhandenen) Aktionäre als unterstützendes Argument. Daher lässt sich zur 100%-Tochter-Mutter-Verschmelzung festhalten, dass in dieser Konstellation mangels Anteilsumtauschs und mangels außenstehender, vermögensmäßig beeinträchtigter Aktionäre niemals ein Nachteil i.S.v. §§ 311 ff. AktG eintreten kann.
b) Aufnahme durch andere 100%-TochterAG der herrschenden Gesellschaft Anders vermag es sich bei der Aufnahme durch eine andere 100%TochterAG des herrschenden Unternehmens verhalten. Die Frage der Nachteiligkeit einer derartigen Verschmelzung i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG scheint auf den ersten Blick einher zu laufen mit der Diskussion über die Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Schwestergesellschaft und der damit verbundenen Frage eines Anteilsumtausches. Denn wie dargelegt kann eine Verschmelzung nur hinsichtlich eines unangemessenen Umtauschverhältnisses nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG sein. Erfolgt keine Kapitalerhöhung, erübrigt sich auch ein Anteilstausch und somit eine Nachteiligkeit.
aa) Erfordernis einer Kapitalerhöhung Vor Inkrafttreten des UmwG war die Literatur und Rechtsprechung uneins in der Frage, ob bei einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften auf eine Kapitalerhöhung verzichtet werden kann.875 Auch unter Geltung des UmwG war die Rechtsprechung zunächst uneinheitlich: Während das Kammergericht876 und (obiter) das OLG Frankfurt/Main877 – in der Tradition der Judikatur zum alten Recht – eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft für zwingend erforderlich hielten, hatte sich das LG München878 für die Gegenauffassung ausgesprochen. Auch die Literatur war gespalten: Die wohl h.M.879 verneinte auch nach neuem Recht die zwingende Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung, weil die Auffassung der Regie875
Siehe Winter, in Lutter UmwG, § 54 Rn. 16 m.w.N. KG DB 1998, 2511. 877 OLG Frankfurt/Main DB 1998, 917. 878 LG München I BB 1998, 2331. 879 Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 68 Rn. 15; Ihrig, Verschmelzung und Spaltung ohne Gewährung neuer Anteile?, ZHR 160 (1996), 317, 322 ff.; Bayer, ZIP 1997, 1613, 1615; Winter, in Lutter UmwG, § 54 Rn. 17 m.w.N. 876
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4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
rungsbegründung, bei der Verschmelzung von Schwestergesellschaften nicht auf eine Kapitalerhöhung verzichten zu können880, im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden habe. Nach der h.M. erzwängen dagegen weder das Gebot der Kapitalerhaltung noch der Gläubigerschutz eine Kapitalerhöhung.881 Gewichtige Stimmen in der Literatur waren und sind jedoch der Meinung, es liege eine eindeutige gesetzliche Regelung vor, die zwar nicht überzeugend sei, den Rechtsanwender aber gleichwohl binde, mit der Folge, dass die Durchführung einer Kapitalerhöhung nur in den in §§ 54 Abs. 1, 68 Abs. 1 UmwG ausdrücklich aufgeführten Fällen entbehrlich sei.882 Auch die neuere Rechtsprechung883 schließt sich der letzt genannten Auffassung und damit der Judikatur zum alten Recht an. Angesichts der eindeutigen Willenskundgabe des Gesetzgebers ist nach Auffassung des OLG Hamm für eine teleologische Reduktion des Gesetzes auch dann kein Raum, wenn man die gesetzliche Regelung für sachlich verfehlt halte. Der gesetzgeberische Wille habe in Wortlaut und Systematik des Gesetzes, insbesondere in § 2 UmwG, einen hinreichenden Ausdruck gefunden, so dass angesichts der Bindung der Gerichte an das Gesetz rechtspolitische Bedenken keine Bedeutung erlangen könnten.884 Ohne diese Diskussion zu vertiefen, ist de lege lata davon auszugehen, dass bei der Verschmelzung von Schwestergesellschaften eine Kapitalerhöhung auf Seiten der aufnehmenden Schwestergesellschaft erforderlich ist. Damit hat auch eine Anteilsgewährung zu erfolgen.885 Dies bedeutet jedoch nicht gleichzeitig – und daher ist die beschriebene Diskussion für eine Nachteiligkeit einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG nur auf den 1. Blick relevant –, dass mit dieser Anteilsgewährung zugleich ein Nachteil gemäß § 311 Abs. 1 AktG durch ein unangemessenes Umtauschverhältnis entstehen könnte. Es hat zwar bei Durchführung einer Kapitalerhöhung eine Anteilsübertragung zu erfolgen. Dies hat aber keinerlei Einfluss auf das Vermögen der herrschenden MutterAG als alleinige Anteilsinhaberin. Denn richtigerweise ändert sich bei einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften am Wert der Beteiligungen der Anteilsinhaber nichts886. Unabhängig von einer Unterneh880
BR-Drucks 75/94, S. 101 und 104. Vgl. Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 68 Rn. 15; Knott, DB 1996, 2423. 882 Lutter/Drygala, in Lutter UmwG, § 5 Rn. 9; Kallmeyer, in Kallmeyer UmwG, § 54 Rn. 10; Bermel, in Goutier/Knopf/Tulloch, § 54 Rn. 7; Dehmer, § 2 Rn. 19 ff.; Zeidler, NZG 1999, 174; Widmann/Mayer, UmwG, § 5 Rn. 45; wohl auch Heidinger, DNotZ 1999, 161, 162. 883 OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2004 – 15 W 236/04, in Der Konzern 2004, 805. 884 Siehe OLG Hamm, in Der Konzern 2004, 805, 806. 885 Vgl. OLG Hamm, in Der Konzern 2004, 805. 886 So zu Recht Marsch-Barner, in Kallmeyer UmwG, § 68 Rn. 15. 881
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
239
mensbewertung oder einem Umtauschverhältnis tritt bei der alleinigen Anteilseignerin, die für ein Eingreifen von §§ 311 ff. AktG zur Vornahme dieser Verschmelzung hat Einfluss nehmen müssen, kein Vermögensnachteil ein. Beispiel: Verschmelzung von T1 auf T2: Der Wert der Beteiligung an der TochterAG T1 von 30 geht voll auf die TochterAG T2 über. Deren Wert erhöht entsprechend ebenfalls den Beteiligungswert der MutterAG, auf deren Ebene somit keine Veränderung der Summe der Beteiligungen (100) eintritt.
herrschendes Unternehmen Wert 100
TochterAG T1 Wert 30
TochterAG T2 Wert 70
100
Aus diesem Grund führt eine derartige Verschmelzung zu keiner vermögenswerten Änderung auf der Ebene der MutterAG als alleinige Anteilseignerin der übertragenden Tochter-AG. Die Beteiligungswerte der Muttergesellschaft am Tochterunternehmen verändern sich nicht. Das Vermögen der Muttergesellschaft wird unabhängig von einem Umtauschverhältnis nicht beeinträchtigt. Daher kann auch kein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG eintreten.
bb) Weitere Überlegungen Zudem kann auch hier auf obige Überlegungen zurückgegriffen werden. Mangels außenstehender Aktionäre besteht keine Notwendigkeit eines Minderheitenschutzes. Ebenfalls sind die Gläubiger insoweit nicht schützenswert, da sie nicht auf den Bestand einer Gesellschaft vertrauen dürfen. Zudem sind diese durch entsprechende Rechte des UmwG ausreichend geschützt. Darüber hinaus bestünde das Paradoxon, dass die alleinige Anteilsinhaberin durch eine Einflussnahme als herrschende Gesellschaft im Konzerninteresse – dies ist Voraussetzung für ein Eingreifen der Privilegierung der §§ 311 ff. AktG – sich dabei einen Nachteil zufügen würde. Das Verhältnis „Verschmelzung im Konzerninteresse“ – „Nachteil der Verschmelzung“ würde sich in einem Widerspruch befinden. Da jedoch bei einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften keine tatsächliche Wertveränderung in der Beteiligung der Anteilseignerin eintritt, löst sich dieses Problem zugunsten des Konzerninteresses. Ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG ist nicht gegeben.
240
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
cc) Zusammenfassung Bei Verschmelzungen von Schwestergesellschaften ist daher wegen der Wertneutralität der Anteilsgewährung – sofern man eine solche für zwingend erforderlich hält – in der Beteiligung der alleinigen Anteilseignerin ebenfalls kein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG bei der übertragenden abhängigen Gesellschaft möglich. c) Aufnahme durch Enkelgesellschaft Bei der Aufnahme durch eine 100%-Enkelgesellschaft ist der Sache nach zu unterscheiden zwischen der Konstellation, dass die übertragende Gesellschaft auf ihre eigene 100%-Tochtergesellschaft verschmolzen wird (downstreammerger), und dem Fall einer Verschmelzung auf eine andere 100%Enkelgesellschaft des herrschenden Unternehmens. In beiden Fällen ist nach oben Gesagtem eine Kapitalerhöhung erforderlich. Während in der 1. Alternative auf der Ebene der Anteilseigner der Tochtergesellschaft, nämlich des herrschenden Unternehmens, kein tatsächlicher Anteilstausch vorgenommen wird und es daher tatsächlich zu keiner Wertveränderung der Beteiligung der herrschenden Gesellschaft kommen kann, findet in der 2. Alternative ein Anteilsumtausch statt: die herrschende Gesellschaft erhält Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese wiederum allein von einer 100%Tochtergesellschaft des herrschenden Unternehmens gehalten wird. Wertmäßig führt eine solche Verschmelzung deshalb ebenfalls nicht zu einer Veränderung des Wertes der Beteiligungen auf der Ebene der Muttergesellschaft. Beispiel: Verschmelzung von T1 auf E1: Der Wert der Beteiligung an T1 von 30 geht voll auf die Enkelgesellschaft E1 über. Deren Wert erhöht entsprechend ebenfalls den Beteiligungswert der Tochtergesellschaft T2. Auf Ebene der Muttergesellschaft erfolgt keine Veränderung der Summe der Beteiligungen (100).
herrschendes Unternehmen Wert 100 TochterAG T1 Wert 30
TochterAG T2 Wert 70
100
Enkelgesellschaft E1 Wert 20 50
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
241
Damit führt eine Verschmelzung in diesen Fällen unabhängig von der Bestimmung des Umtauschverhältnisses ebenfalls zu keiner Wertveränderung auf Seiten der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers. Hinsichtlich des Gläubigerschutzes kann in diesen Konstellationen wieder auf das im Zusammenhang mit der Untersuchung der Verschmelzung gefundene Ergebnis zurückgegriffen werden: Die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft werden aufgrund der hinreichenden Schutzvorschriften, insbesondere das Recht auf Verlangen einer Sicherheit sowie durch die Rechtsnachfolge durch die aufnehmende Gesellschaft, ausreichend geschützt. Ihre Interessen werden durch die Verschmelzung nicht beeinträchtigt, insbesondere konnten sie nicht auf ein Bestehen der übertragenden Gesellschaft vertrauen.887
2. Verschmelzung zur Neugründung Bei einer durch die herrschende Gesellschaft veranlassten Verschmelzung zur Neugründung kann ebenfalls die Möglichkeit einer Fusion mit der MutterAG kurz behandelt werden: Da dies zum Erlöschen der herrschenden MutterAG führt, ist dieser Fall nicht von § 311 AktG erfasst. Wird jedoch gemeinsam mit einer anderen unmittelbar oder mittelbar allein dem herrschenden Unternehmen unterstehenden Gesellschaft eine neue Gesellschaft gegründet, kann auf die obige Untersuchung zurückgegriffen werden. Denn auch hier führt dies auf der Ebene der MutterAG als alleinige Anteilseignerin nicht zu einer Veränderung ihres Beteiligungswertes. Beispiel: Verschmelzung von T1 und T2 auf neu gegründete TochterAG T3: Die Summe der Beteiligungen auf der Ebene der MutterAG ändert sich nicht.
herrschendes Unternehmen Wert 70 TochterAG T1
TochterAG T2
Wert 30
Wert 40
neue TochterAG T3 Wert 70
Somit führt eine derartige Verschmelzung zur Neugründung ebenfalls nicht zu einer Vermögensbeeinträchtigung auf der Ebene der Anteilseigner, nämlich 887
Siehe hierzu oben 3. Teil A.I.3.j) gg)(3).
242
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
der Muttergesellschaft. Dies wäre jedoch Voraussetzung für einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG.
II. Spaltungen von 100% abhängigen Gesellschaften Bei der Vornahme von Spaltungen von 100% abhängigen Gesellschaften bzw. innerhalb eines Konzernverhältnisses ist für eine Ermittlung einer vermögensrelevanten Beeinträchtigung und damit zur Beurteilung einer Nachteiligkeit der Spaltungsmaßnahme i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG zwischen den einzelnen Spaltungsarten zu unterscheiden.
1. Aufspaltung Die Aufspaltung einer abhängigen 100%-Tochtergesellschaft ist gemäß § 123 Abs. 1 UmwG ebenfalls zur Aufnahme oder zur Neugründung möglich. In beiden Fällen führt sie zu einer Vollbeendigung der abhängigen Gesellschaft als übertragender Rechtsträger.
a) Aufspaltung zur Aufnahme Bei der konzerninternen Aufspaltung zur Aufnahme gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG wird ein Teil des Vermögens der übertragenden Tochtergesellschaft entweder der Muttergesellschaft und einer anderen von dieser abhängigen Gesellschaft oder auf zwei von der Muttergesellschaft abhängige Gesellschaften übertragen. Soweit Vermögen auf die Muttergesellschaft übertragen wird, kann dies – wie bei der Verschmelzung zur Aufnahme durch die Muttergesellschaft – nur ohne Anteilsgewährung und ohne Kapitalerhöhung erfolgen.888 Anderenfalls müsste sich die MutterAG selbst eigene Anteile gewähren, was nicht möglich ist.889 888
Ihrig, Verschmelzung und Spaltung ohne Gewährung neuer Anteile, ZHR 160 (1996), 317, 327; vgl. aber RegBegr. bei Schaumburg/Rödder, vor § 141 Rn. 6, und § 125 Rn. 4: § 9 Abs. 2 UmwG sei nicht anwendbar, weil es bei Auf- und Abspaltung „stets“ zu einem Anteilstausch komme; dem folgend Mayer, in Widmann/Mayer, Spaltung, Rn. 26. Im Ergebnis wie hier Dehmer, § 126 Rn. 40, 43. 889 Die Gleichstellung der Aufspaltung im 100%-Mutter-Tochter-Verhältnis mit der Verschmelzung der 100%igen Tochter auf ihre Mutter sieht sich allerdings dem Einwand ausgesetzt, dass § 126 UmwG gerade keinen dem § 5 Abs. 2 UmwG vergleichbaren Dispens enthält. Darüber hilft auch nicht der Generalverweis in § 125 UmwG hinweg, wonach auf die Spaltung die Verschmelzungsvorschriften entsprechend anzuwenden sind. Denn § 126 UmwG soll ausdrücklich die abschließende Bestimmung zum In-
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
243
Hinsichtlich des Vermögens, das auf eine andere 100% abhängige Gesellschaft übertragen wird, sind dagegen eine Kapitalerhöhung und ein Anteilstausch erforderlich. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der Verschmelzung auf eine Schwestergesellschaft, allein mit dem Unterschied, dass nicht das gesamte Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf diese Gesellschaft übergeht. Die vergleichbare Lage führt ebenfalls zu demselben Ergebnis: auf der Ebene der Muttergesellschaft als alleiniger Anteilseignerin der übertragenden TochterAG tritt kein Wertverlust durch die konzerninterne Umhängung ein. Das von der übertragenden Gesellschaft überführte Vermögen spiegelt sich nun lediglich im Wert der Beteiligung am aufnehmenden Rechtsträger wider. Ein Vermögensverlust kann nicht eintreten. Beispiel: Aufspaltung von T1 auf T2 und T3 zu gleichen Teilen. Die Summe der Beteiligungen auf der Ebene der MutterAG ändert sich nicht.
herrschendes Unternehmen Wert 120 TochterAG T2 Wert 30 50
TochterAG T3 Wert 50 70
TochterAG T1 Wert 40 (20+20)
Somit kann es auch bei der konzerninternen Aufspaltung zur Aufnahme nicht zu einer Vermögensänderung und damit nicht zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG kommen.
halt des Spaltungs- und Übernahmevertrages sein. Würde es aber dabei bleiben, müsste man in den genannten Fällen die Aufspaltung für unzulässig halten, denn nicht anders als bei der 100%-Tochter-Mutter-Verschmelzung würde das Bestehen auf Erfüllung der Anforderungen nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 UmwG bei der Aufspaltung von der Tochter auf die Muttergesellschaft auf etwas rechtlich unmögliches hinauslaufen, nämlich die Verpflichtung des übernehmenden Rechtsträgers zur Gewährung eigener Anteile gegenüber sich selbst. Damit wäre der Aufspaltung aber ein praktisch besonders relevanter Anwendungsbereich versperrt; vgl. Ihrig, Verschmelzung und Spaltung ohne Gewährung neuer Anteile, ZHR 160 (1996), 317, 328.
244
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
b) Aufspaltung zur Neugründung Wird eine Aufspaltung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 2 UmwG durchgeführt, so kommt es nicht zu einem Anteilstausch und einer Bestimmung eines – möglicherweise einen Nachteil begründenden – Umtauschverhältnisses. Denn die Verteilung der (ehemaligen) Beteiligung an der nun beendeten Tochtergesellschaft erfolgt allein auf der Ebene der Muttergesellschaft, ohne dass es hierbei zu einer wertmäßigen Veränderung kommt. Beispiel: Aufspaltung von T1 auf die neu zu gründenden T2 und T3. Die Summe der Beteiligungen auf der Ebene der MutterAG ändert sich nicht. herrschendes Unternehmen Wert 100 neue TochterAG T2 Wert 30
neue TochterAG T3 Wert 70
TochterAG T1 Wert 100 (30+70)
Die Aufspaltung zur Neugründung führt daher gleichfalls nicht zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG.
c) Zusammenfassung Wird eine Aufspaltung auf der Ebene einer 100%-Tochter-AG als übertragender Rechträger auf Veranlassung der herrschenden Gesellschaft vorgenommen, kann dies in keinem Fall zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG führen. In vielen Fällen wird schon kein Anteilstausch stattfinden, so dass es keiner Festlegung eines Umtauschverhältnisses bedarf, was, wie gesehen, allein einen Nachteil i.S.v. § 311 AktG begründen kann. Aber auch in den anderen Fällen wird die Aufspaltung nicht zu einer Vermögensbeeinträchtigung bei der Muttergesellschaft als Anteilsinhaberin des übertragenden Rechtsträgers führen, da sich zwar auf der Ebene der Muttergesellschaft die Vermögenszusammensetzung ändert, der in den Beteiligungen liegende Wert jedoch gleich bleibt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gerade die Muttergesellschaft auf den Abschluss eines Vertrags mit unangemessenem Umtauschverhältnis hätte nachteilig Einfluss nehmen müssen, um sich selbst auf die Regelungen der §§ 311 ff. AktG berufen zu können; dies erscheint widersprüchlich.
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
245
2. Abspaltung Bei der 100%-konzerninternen Abspaltung ist ebenfalls zwischen der Abspaltung zur Aufnahme, § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG, und der Abspaltung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG zu unterscheiden.
a) Abspaltung zur Aufnahme Die Abspaltung zur Aufnahme nach § 123 Abs. 2 Nr. 1 UmwG erfolgt im Konzernverhältnis entweder zur Aufnahme durch die Muttergesellschaft oder eine andere vom herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaft. Hinsichtlich der Abspaltung von Vermögen auf die MutterAG gilt das zur Verschmelzung und Aufspaltung gefundene Ergebnis entsprechend. Auch die Abspaltung im 100%-Tochter-Mutter-Verhältnis kann nur ohne Anteilsgewährung und Kapitalerhöhung erfolgen, denn sonst müsste sich die Muttergesellschaft selbst eigene Anteile gewähren, was auf rechtlich Unmögliches hinausliefe.890 Folglich ist in diesem Fall auch kein Umtauschverhältnis zu bestimmen, was allein einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründen könnte. Die Abspaltung zur Aufnahme durch eine andere 100%ige Tochtergesellschaft des herrschenden Unternehmens führt freilich zur Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Gesellschaft und zur Anteilsübertragung. Doch auch in dieser Konstellation verändert sich der Wert der Beteiligungen der herrschenden Gesellschaft als alleinige Anteilseignerin nicht. Auch hier tritt daher unabhängig von einer Anteilsübertragung bzw. Bestimmung des Umtauschverhältnisses kein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG ein. Beispiel: Abspaltung von T1 auf T2. Auf der Ebene der MutterAG bleibt die Summe der Beteiligungswerte gleich. herrschendes Unternehmen Wert 100
TochterAG T1 Wert 60
TochterAG T2
30 (60-30)
Wert 40
70
30 890
Vgl. Ihrig, Verschmelzung und Spaltung ohne Gewährung neuer Anteile?, ZHR 160 (1996), 317, 327 f.
246
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
b) Abspaltung zur Neugründung Die Abspaltung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG führt zur Gründung einer neuen, ebenfalls 100%igen Tochtergesellschaft des herrschenden Unternehmens. Es erfolgt kein Umtausch von Anteilen. Auf der Ebene der Muttergesellschaft als alleiniger Anteilsinhaberin des übertragenden Rechtsträgers kommt es lediglich zu einer Neuordnung der Beteiligungen, jedoch tatsächlich nicht zu einer Wertveränderung. Beispiel: Abspaltung von T1 auf T2. Auf der Ebene der MutterAG bleibt die Summe der Beteiligungswerte gleich.
herrschendes Unternehmen Wert 80
TochterAG T1 Wert 80
TochterAG T2
30 (80-50)
Wert
50
50
Auch in diesem Fall tritt daher kein Vermögensverlust bei der Muttergesellschaft als alleinige Aktionärin und somit kein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG ein.
c) Zusammenfassung Somit kann auch bei der Abspaltung auf der Ebene einer 100%-TochterAG der Einfluss nehmenden herrschenden Gesellschaft kein Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG eintreten. Auch hier wäre im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG die herrschende Gesellschaft die einzige Betroffene. Doch bei ihr ändert sich lediglich die Zusammensetzung ihrer Vermögenswerte, die Summe ihrer Beteiligungen wird nicht nachteilig beeinträchtigt. Zu berücksichtigen sind zwar, wie oben in der Situation bei Beteiligung außenstehender Aktionäre gesehen, sonstige, insbesondere statuarische Grenzen hinsichtlich des Umfangs des zu übertragenden Vermögens. Eine Nichtbeachtung dieser Grenzen begründet jedoch keinen Nachteil i.S.v. § 311 AktG, sondern ist nach den allgemeinen Vorschriften anzugreifen.
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
247
3. Ausgliederung Im Falle der Ausgliederung besteht die Besonderheit, dass nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG über das Umtauschverhältnis nichts festzulegen ist. Denn hier findet ein Anteilstausch auf Gesellschafterebene nicht statt.891 Die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft fallen nach der Definition der Ausgliederung in § 123 Abs. 3 UmwG in das Vermögen der übertragenden Gesellschaft. Zwar muss der Ausgliederungsvertrag festlegen, welche Anteile am übernehmenden Rechtsträger dem übertragenden zu gewähren sind.892 Grund hierfür ist das Erfordernis der Bestimmbarkeit und Zuordnung des zu übertragenden Vermögens. Es erfolgt jedoch kein Anteilstausch auf der Tochterebene. Auch im Fall der konzerninternen Ausgliederung ist zwischen der Ausgliederung zur Aufnahme und der Ausgliederung zur Neugründung zu unterscheiden.
a) Ausgliederung zur Aufnahme Erfolgt die Ausgliederung zur Aufnahme gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG innerhalb des 100%igen Konzernverhältnisses, kommt die Aufnahme durch die MutterAG oder eine andere von dieser (mittelbar oder unmittelbar) 100%abhängigen Gesellschaft in Betracht. Die Ausgliederung auf die MutterAG würde zu einer gegenseitigen Beteiligung der Gesellschaften führen. Bei Erreichen der Werte des § 19 AktG könnte sogar eine wechselseitige Beteiligung mit den in § 19 AktG aufgeführten Folgen entstehen. Zwar verbietet § 19 AktG nicht den Erwerb von Aktien der Muttergesellschaft durch das abhängige Unternehmen. Problematisch ist dies jedoch nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Vorschriften der §§ 71 ff. AktG.893 Denn § 71 d S. 2 AktG begründet ein Erwerbsverbot für die abhängige Gesellschaft, wenn nicht die Voraussetzungen des § 71 I und II AktG vorliegen. § 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG erlaubt den Aktienerwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Insoweit bestehen mit der h.M. keine Bedenken im Hinblick auf eine Freistellung vom Erwerbsverbot im Fall der Ausgliederung von einem im Besitz der herrschenden Gesellschaft stehenden bzw. von ihr abhängigen Unternehmen auf die Gesellschaft selbst.894 Hier findet eine partielle Gesamt891
Priester, Lutter UmwG, § 126 Rn. 23. Dehmer, § 126 UmwG Rn. 32 ff.; Müller, in Kallmeyer UmwG, § 126 Rn. 10; Priester, in Lutter UmwG, § 126 Rn. 23; abw. Widmann/Mayer, § 126 Rn. 130. 893 Das Verhältnis von § 19 AktG zu den §§ 71 ff. AktG ist umstritten. Mit der h.M. (Hüffer, AktG, § 19 Rn. 6 m.w.N.) ist nicht von einer Spezialität des § 19 AktG (so vereinzelt, z.B. Cahn/Farrenkopf, AG 1984, 178, 179), sondern von einer Anwendbarkeit der §§ 71 ff. AktG auszugehen. 894 Vgl. Oechsler, in MünchKommAktG, § 71 Rn. 155; Korte, WiB 1997, 953, 959. 892
248
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
rechtsnachfolge nach § 131 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 UmwG statt. Für die Anwendbarkeit des § 71 Abs. 5 AktG darf es nach dem Gesetzeszweck895 keinen Unterschied machen, ob die Gesamtrechtsnachfolge partiell oder unbeschränkt erfolgt. Darüber hinaus könnte ein Ermächtigungsbeschluss nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG alternativ gestalterische Sicherheit bringen. Freilich sind dabei die 10%-Grenze des Grundkapitals sowie die weiteren Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 AktG zu berücksichtigen. Unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit der Ausgliederung von der Tochter- auf die Muttergesellschaft wird es jedoch in der Praxis der herrschenden Gesellschaft nicht daran gelegen sein, derartige Verbindungen aufzubauen. Denn nach h.M. steht dem Erwerb der Aktien der herrschenden AG durch das abhängige Unternehmen praktisch § 71d S. 4 i.V.m. § 71b AktG entgegen, wonach dem beherrschten Unternehmen aus Aktien der herrschenden AG weder Verwaltungs- noch Vermögensrechte, insbesondere der Dividendenanspruch896, zustehen.897 Folglich dürfte diese Variante auch bei gesetzlicher Zulässigkeit kaum in Erwägung gezogen werden. Daher verbleibt in der Praxis der AG lediglich die Möglichkeit einer Ausgliederung zur Aufnahme durch eine andere 100%ige Konzerngesellschaft. Durch die Ausgliederung erhält die übertragende Gesellschaft Anteile an dem aufnehmenden Rechtsträger. Ein Anteilstausch findet nicht statt. Wie oben bei Vorhandensein außenstehender Aktionäre gesehen, kann ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG für die übertragende Gesellschaft eintreten, wenn sie zu geringe Anteile am aufnehmenden Rechtsträger erhält. Daran ändert sich nichts, wenn sich die Tochtergesellschaft vollkommen in der Hand der MutterAG befindet. Denn auch die bloß abhängige, nicht durch einen Beherrschungsvertrag gebundene Gesellschaft ist nach dem Gesetz als eigenständig zu behandeln. In ihrem Vermögen kann es somit unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen zu einer Vermögensbeeinträchtigung kommen. Es kann somit bei der Ausgliederung zur Aufnahme auch im Konzernverhältnis zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG kommen.
895 Siehe hierzu Oechsler, in MünchKommAktG, § 71 Rn. 152: Gesamtrechtsnachfolge soll prinzipiell ermöglicht werden. 896 Der Verweis und die Auswirkungen des § 71d AktG auf die Dividendenansprüche des beherrschten Unternehmens sind indes umstritten, vgl. Oechsler, in MünchKommAktG, § 71d Rn. 55. Da jedoch die h.M. die Erstreckung auf Dividendenansprüche mit dem Argument des Wortlauts des § 71d AktG befürwortet, wäre dies für das Unternehmen ein zu großes Risiko. 897 Vgl. Lutter, in KölnKommAktG, § 71d Rn. 37; Benckendorff, Erwerb eigener Aktien im deutschen und US-amerikanischen Recht, S. 200 ff.; sowie bei Oechsler, in MünchKommAktG, § 71d Rn. 55.
A. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-TochterAG
249
b) Ausgliederung zur Neugründung Die Ausgliederung zur Neugründung führt zur Entstehung einer MutterTochter-Enkel-Beziehung. Sowohl auf der Tochterebene als auch auf der Ebene der Muttergesellschaft führt die Ausgliederung zur Neugründung allerdings auch im Konzernverhältnis nicht zu einer Wertveränderung der betroffenen Beteiligungen. Denn die übertragende Gesellschaft erhält alle Anteile an der neuzugründenden Gesellschaft. Eine Vermögensbeeinträchtigung kann daher auch hier nicht eintreten. Beispiel: Ausgliederung der neu gegründeten Gesellschaft E1 von T1. Der Wert der Beteiligung auf der Ebene der MutterAG ändert sich nicht.
herrschendes Unternehmen Wert 100
TochterAG T1 Wert 100
(70+30)
neue EnkelAG E1 Wert 30
Damit tritt auch in dem Fall einer Ausgliederung zur Neugründung unabhängig vom Vorhandensein außenstehender Aktionäre der ausgliedernden Gesellschaft kein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG ein. Freilich ist auch hier darauf zu achten, dass die Vorgaben der Satzung der verbleibenden Tochtergesellschaft beachtet werden; hierzu gehört insbesondere, dass diese weiterhin ihren Unternehmensgegenstand ausführen und ihren Gesellschaftszweck verfolgen kann.
c) Zusammenfassung Damit kann in dem Fall einer konzerninternen Ausgliederung nicht bei der Vornahme einer Ausgliederung zur Neugründung, sondern allein in der Konstellation einer Ausgliederung zur Aufnahme ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG eintreten, sofern das herrschende Unternehmen Einfluss auf die im Gegenzug für das übertragene Vermögen zu erhaltenen Anteile an der Gesellschaft ausübt. Insoweit bleibt es bei dem oben gefundenen Ergebnis.
250
4.Teil: Umwandlungen im 100%-Konzernverhältnis
III. Ergebnis Die Ausführungen haben ergeben, dass eine Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung auf der Ebene einer 100%-Tochtergesellschaft niemals nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG sein können und damit für das hierzu veranlassende, herrschende Unternehmen kein Risiko darstellen. In einigen Fällen ist schon kein Umtauschverhältnis zu bestimmen, in den anderen Fällen werden die Werte der Vermögensmassen unverändert aus Sicht der alleine betroffenen MutterAG fortgeführt. Es erfolgt daher keine Vermögensbeeinträchtigung, was für ein Eingreifen von § 311 Abs. 1 AktG Voraussetzung wäre. Im Fall der Ausgliederung von Vermögen einer 100%-TochterAG zur Aufnahme einer anderen Konzerngesellschaft verbleibt es bei dem allgemein gefundenen Ergebnis, dass in dieser Situation für die übertragende TochterAG ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG dann eintreten kann, wenn sie auf Veranlassung der herrschenden Gesellschaft keine ihrem abgegebenen Vermögen entsprechenden Anteile des übernehmenden Rechtsträgers erhält. Bei der Durchführung von Abspaltungen und Ausgliederungen ist darüber hinaus, jedoch unabhängig von den Rechtsfolgen der §§ 311 ff. AktG, die Funktionsfähigkeit der verbleibenden TochterAG hinsichtlich ihres in der Satzung festgelegten Gesellschaftszwecks und Unternehmensgegenstands zu beachten. Insoweit stehen den Aktionären die allgemeinen Rechte zu, wie dargelegt jedoch keine Ansprüche auf Nachteilsausgleich oder Schadensersatz nach §§ 311 ff. AktG.
B. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-Enkelgesellschaft In der Konzernpraxis gleichermaßen häufig werden Verschmelzungen und Spaltungen auf der Ebene einer Enkelgesellschaft durchgeführt. Auch wenn diese über eine 100%-Tochtergesellschaft mittelbar allein in der Hand der Einfluss nehmenden Muttergesellschaft liegen wird, so besteht doch der entscheidende Unterschied in dieser Konstellation, dass bei einem Anteilstausch die Tochtergesellschaft als Anteilsinhaberin der übertragenden Enkelgesellschaft betroffen ist. Es sind daher auf ihrer Ebene die Auswirkungen einer Verschmelzung oder Spaltung zu beachten. Voraussetzung für ein Eingreifen der §§ 311 ff. AktG ist dabei die Einflussnahme der Muttergesellschaft auf das – einfach abhängige898 – Tochterunter898 Besteht ein Vertragskonzern, so wird die Tochtergesellschaft zwar durch die Festlegung eines zu geringen Umtauschverhältnisses beeinträchtigt. Die Muttergesellschaft
B. Verschmelzung und Spaltung auf Ebene einer 100%-Enkelgesellschaft
251
nehmen, um von ihm die Zustimmung zur Durchführung der Umwandlung zu erreichen. Die Zustimmung erteilen deren Vertretungsorgane in der Hauptversammlung der Enkelgesellschaft, ist damit eine Handlung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft und unterfällt daher zweifellos den §§ 311 ff. AktG. Nach dem oben gefundenen Ergebnis kann die Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses das Vermögen der Tochtergesellschaft als Anteilsinhaberin des übertragenden Rechtsträgers nachteilig beeinträchtigen. Ist die Tochtergesellschaft lediglich abhängig, d.h. besteht kein Vertragskonzern, ist diese weiterhin als eigenständig zu behandeln. Auch wenn an ihr das Mutterunternehmen alleiniger Anteilsinhaber ist, sich der Wertverlust daher nur in einer Verringerung des Beteiligungswertes auf der Ebene der Muttergesellschaft auswirkt, darf diese Selbständigkeit nicht außer Acht gelassen werden. Bei einfacher Abhängigkeit der Tochtergesellschaft entsteht somit auf ihrer Ebene bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG, der die Muttergesellschaft zu einem Nachteilsausgleich verpflichtet bzw. der bei unterlassenem Ausgleich zu einem Schadensersatz nach § 317 Abs. 1 AktG führen kann. Die bloß abhängige Tochtergesellschaft ist damit aufgrund ihrer vom Gesetz vorgesehenen Eigenständigkeit wie ein sonstiger außenstehender Aktionär zu behandeln. Entsprechendes gilt im Fall der Veranlassung zur Ausgliederung zur Aufnahme bei Einfluss auf ein zu geringes Beteiligungsverhältnis des übertragenden Rechtsträgers in Relation zum abgegebenen Vermögen. Auch insoweit kann auf den 3. Teil dieser Arbeit verwiesen werden. Es darf allerdings angenommen werden, dass die herrschende Gesellschaft auch in der Frage der Verfolgung des Nachteilsausgleichs bzw. eines Schadensersatzanspruches ihren Einfluss geltend machen wird, aufgrund dessen das Tochterunternehmen in der Praxis wohl keinen Nachteilsausgleich verlangen oder einen Schadensersatz fordern wird, auch wenn er ihm rechtlich zustünde.
ist jedoch nach § 302 AktG bzw. im GmbH-Vertragskonzern kraft vertraglicher Bestimmung dazu verpflichtet, den bei der Tochtergesellschaft möglicherweise eintretenden Jahresverlust zu tragen.
5. Teil
Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis Als Ergebnis der vorstehenden Untersuchung lässt sich somit festhalten, dass die Durchführung einer Verschmelzung oder Spaltung nach dem UmwG allein bei der veranlassten Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses bzw. im Fall der Ausgliederung bei einem unangemessenen Anteilserwerb der übertragenden Gesellschaft als nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG bewertet werden kann. Dies kann weiter eingeschränkt werden, sofern diese Umwandlungsmaßnahmen auf der Ebene eines 100%-Tochterunternehmens der herrschenden Gesellschaft durchgeführt werden soll, da hierdurch auf Seiten des übertragenden Rechtsträgers allein die Muttergesellschaft betroffen wäre. Wie aufgezeigt, führen derartige im Konzernverbund vorgenommene Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen beim herrschenden Unternehmen lediglich zu einer Verschiebung, nicht jedoch zu einer nachteiligen Veränderung der Beteiligung. Allein eine Ausgliederung zur Aufnahme kann nachteilig sein, freilich nicht für das herrschende Unternehmen, sondern nur für die ausgliedernde Tochtergesellschaft. Daraus können für die Praxis entscheidende Schlussfolgerungen gezogen werden. Dabei ist zu unterscheiden, auf welcher Ebene des Konzerns die Umwandlungsmaßnahme durchgeführt werden soll.
A. Durchführung einer Umwandlung auf 100%-Tochterebene oder im Vertragskonzern Sollen die Umwandlungsmaßnahmen auf der Ebene einer 100%Tochtergesellschaft oder innerhalb eines Vertragskonzerns durchgeführt werden, stellen die §§ 311 ff. AktG kein Hindernis für die Durchführung einer Verschmelzung, Auf- oder Abspaltung dar. Die herrschende Gesellschaft, die in solchen Fällen alleinig schutzwürdig wäre, erleidet keine Vermögensbeeinträchtigung, sondern lediglich eine Verschiebung ihrer Beteiligungswerte. Schon aus diesem Grund hat das herrschende Unternehmen keinen Nacheilsausgleich oder Schadensersatz nach den §§ 311 ff. AktG zu fürchten, der sich bei Veranlassung zum Abschluss eines „nachteiligen“ Umwandlungsvertrags ohnehin allein gegen sie richten würde. Die §§ 311 ff. AktG setzen dem Einfluss der herrschenden Gesellschaft bei der Durchführung von Verschmelzun-
B. Durchführung einer Umwandlung in sonstigen Fällen
253
gen, Aufspaltungen oder Abspaltungen auf der Ebene einer 100%-TochterAG somit keine Grenzen. Lediglich im Fall der Ausgliederung zur Aufnahme auf eine andere Konzerngesellschaft hat die MutterAG bei einer Veranlassung zum Abschluss eines Ausgliederungsvertrags mit einem unangemessenen Beteiligungserwerb der übertragenden Tochtergesellschaft einen Nachteilsausgleich bzw. Schadensersatzansprüche zu fürchten. Um dies zu vermeiden, sollte das herrschende Unternehmen insoweit keinen Einfluss ausüben bzw. auf einen angemessenen Ausgleich achten. Freilich hat die herrschende Gesellschaft insbesondere bei der Durchführung von Abspaltungen oder Ausgliederungen statuarische Vorgaben zu beachten. Es muss sichergestellt sein, dass in diesen Fällen die verbleibende Restgesellschaft weiterhin ihren Gesellschaftszweck verwirklichen und ihren Unternehmensgegenstand verfolgen kann. Andernfalls müssten der Gesellschaftszweck oder – häufiger – der Unternehmensgegenstand wirksam angepasst werden.
B. Durchführung einer Umwandlung in sonstigen Fällen Anders stellt sich die Lage dar, wenn außenstehende Anteilsinhaber eines übertragenden Rechtsträgers vorhanden sind, ungeachtet ob sie konzernfremde Aktionäre oder ein dem Konzern angehöriges, lediglich einfach abhängiges Unternehmen sind. In diesen Fällen sind diese Außenstehenden durch die §§ 311 ff. AktG geschützt. Sollte das herrschende Unternehmen also Einfluss auf die Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses bzw. Anteilserwerbs ausüben, besteht die Gefahr der Verpflichtung zum Nachteilsausgleich bzw. Schadensersatz. Dem herrschenden Unternehmen ist daher in diesen Fällen von einem entscheidenden Einfluss auf den Abschluss eines Umwandlungsvertrags mit unangemessenem Umtauschverhältnis bzw. Beteiligungserwerb abzuraten. Davon abgesehen dürfte sich bei der herrschenden Gesellschaft ohnehin die praktische Frage nach einem Sinn einer derartigen Einflussnahme stellen, denn diese müsste sich gerade auf den Abschluss eines Umwandlungsvertrags mit einem unangemessenen Umtauschverhältnis beziehen. Dies ist zwar, wie dargestellt, auf vielfältige Weise möglich. Bei Umwandlungsmaßnahmen, insbesondere bei Beteiligung von Aktiengesellschaften, sind jedoch – mit Ausnahme der Ausgliederung899 – stets die Prüfung der Umwandlung gemäß §§ 9, 60 Abs. 1 UmwG sowie die jeweiligen Berichtspflichten des Vorstands gemäß § 8 i.V.m. § 125 UmwG zu berücksichtigen. Die außenstehenden Aktionäre werden 899
Vgl. § 125 Satz 2 UmwG.
254
5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
auf diese Weise stets über die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses nach § 12 Abs. 2 S. 1 UmwG informiert. Bei Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses wird die notwendige ¾-Mehrheit i.d.R. nur bei Vorhandensein eines Mehrheitsaktionärs zustande kommen. Selbst dann werden die außenstehenden Aktionäre wahrscheinlich von der Möglichkeit der Verbesserung des Umtauschverhältnisses Gebrauch machen. Insoweit ist der Nutzen für das herrschende Unternehmen fraglich, wenn anstelle der zu tauschenden angemessenen Anteile Geldzahlungen zu leisten sind. Insofern wird es der herrschenden Gesellschaft selten von Vorteil sein, durch Einflussnahme zum Abschluss eines Umwandlungsvertrags mit einem unangemessenen Umtauschverhältnis einen Nachteil nach § 311 AktG zu veranlassen. Daran könnte man höchstens in den Fällen denken, in denen sie selbst oder andere Tochtergesellschaften als benachteiligte Aktionäre ihrerseits keine Verbesserung des Umtauschverhältnisses erreichen werden wollen, möglicherweise wiederum auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens. Doch dürften diese Fälle theoretischer Natur sein. Deshalb wird in der Praxis das herrschende Unternehmen auch aus praktischer Sicht mangels eigenen Vorteils von einer derartigen Einflussnahme absehen. Neben den §§ 311 ff. AktG sind bei der Vornahme von Abspaltungen und Ausgliederungen freilich die Vorgaben der Satzung des übertragenden Rechtsträgers zu berücksichtigen. In Zweifelsfällen ist eine Anpassung der Satzung durch Änderung des Unternehmensgegenstandes zu empfehlen.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung Werden die genannten Vorgaben nicht beachtet, besteht für das herrschende Unternehmen das Risiko einer Inanspruchnahme. Bei einer Veranlassung zum Abschluss eines Umwandlungsvertrags mit unangemessenem Umtauschverhältnis bzw. Beteiligungserwerb bei der Ausgliederung stünde eine Verpflichtung zum Nachteilsausgleich oder Schadensersatz im Raum; zudem hätten die außenstehenden Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers – mit Ausnahme bei der Ausgliederung900 – gemäß § 15 UmwG die Möglichkeit zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses. Bei Nichtbeachtung der statuarischen Grenzen bestünde das Risiko einer Anfechtung und der Verpflichtung zum Schadensersatz.
900
Vgl. § 125 UmwG.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
255
I. Verpflichtung zum Nachteilsausgleich 1. Grundlagen: Dogmatische Einordnung des Nachteilsausgleichs Der Nachteilsausgleich wird dogmatisch weder als Schadensersatzanspruch901 noch als Ersetzungsbefugnis des herrschenden Unternehmens902 angesehen. Es ist heute herrschende Auffassung, dass der Ausgleich nicht einen Schaden ersetzen soll. Vielmehr soll der Nachteilsausgleich das wirtschaftliche Gleichgewicht zwischen der Leistung der abhängigen Gesellschaft und der erhaltenen oder ganz fehlenden Gegenleistung herstellen.903 Er führt so zur Rechtfertigung der Einflussnahme.904 Dies entspricht dem Wortlaut der Regelung und wird von seiner Entstehungsgeschichte bestätigt.905 Bei der Ausgleichspflicht handelt es sich somit um eine Kompensationsleistung sui generis.906
2. Festlegung des Ausgleichs Umstritten ist, ob der ausgleichende Vorteil (nur) im Einvernehmen mit der abhängigen Gesellschaft festzulegen ist. Überwiegend wird angenommen, dass
901 So eine vor allem früher verbreitete Lehre, vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 218 m.w.N. 902 Vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 219; eingehend Kellmann, BB 1969, 1509, 1512 ff. und ZGR 1974, 219, 221; Wälde, DB 1972, 2289; K. Müller, ZGR 1977, 1, 16; unklar Geßler, FS Westermann, 1974, S. 145, 160 f., der im Ausgleich „eine Art gesetzlicher facultas alternativa“ sieht, die aber zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft vereinbart werden müsse. 903 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 37; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 98; A/D/S, § 311 Rn. 62; Martens, DB 1970, 865 Fn. 44; Neuhaus, DB 1971, 1193, 1194; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 61; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 222; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 75. 904 So Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 61. 905 Der RegE verlangte den Ausgleich durch Vorteile aus einem Vertrag, der mit dem nachteiligen Rechtsgeschäft oder der nachteiligen Maßnahme so eng zusammenhängt, dass sie wirtschaftlich als ein einheitliches Rechtsgeschäft anzusehen sind. Die Bundestagsausschüsse haben dann zwar den Ausgleich innerhalb eines Geschäftsjahres zugelassen; sie haben damit aber die Struktur des Ausgleichs nicht geändert. Der nachträgliche Ausgleich sollte also nach Sinn und Zweck weiterhin das zunächst nach Leistung und Gegenleistung ungleichgewichtige Geschäft so vervollständigen, dass es unter Einbeziehung des Ausgleichs nicht mehr nachteilig ist. Vgl. zum Ganzen Kropff, S. 409 f. und Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 223 m.w.N. 906 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 61; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 222 f.; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 37.
256
5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
das herrschende Unternehmen die Art und Weise des Ausgleichs einseitig bestimmen kann.907 Nach einer anderen Auffassung muss der Ausgleich nach Art und Höhe zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen einvernehmlich festgelegt werden.908 Eine mittlere Lösung vertritt Koppensteiner909, nach dem zwar die Art des Ausgleichsanspruchs einvernehmlich festgelegt werden müsse, nicht aber dessen Höhe. Ohne diesen Streit entscheiden zu wollen, dürfte vor allem in Hinblick auf die Privilegierungsfunktion des § 311 AktG die überwiegende Ansicht überzeugender sein. Denn das herrschende Unternehmen darf, sofern es auf die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft Rücksicht nimmt, sein anderweitig verfolgtes unternehmerisches Interesse auch gegen den Eigenwillen der abhängigen Gesellschaft verfolgen. Es muss deshalb auch Art und Weise des Ausgleichs bestimmen können, ohne dass die Vereinbarung eines Vertrags im zivilrechtlichen Sinn erforderlich ist.910
3. Undurchsetzbarkeit der Ausgleichsverpflichtung § 311 AktG begründet nicht lediglich eine Obliegenheit des herrschenden Unternehmens auf Nachteilsausgleich.911 Das herrschende Unternehmen ist, wenn es die abhängige Gesellschaft zur Vornahme nachteiliger Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte veranlasst, dazu verpflichtet912, der abhängigen Gesellschaft einen geeigneten Ausgleich anzubieten. Dennoch folgt hieraus kein durchsetzbarer Anspruch der abhängigen Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen. Denn vor dem Hintergrund, dass § 311 Abs. 2 AktG es dem herrschenden Unternehmen gestattet, mit dem Nachteilsausgleich bis zum Ende des Geschäftsjahres zu warten, und dass mit dem Ablauf des Geschäftsjahres die Ausgleichspflicht entfällt und an ihre Stelle die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 317 AktG tritt, kann ein durchsetzbarer Ausgleichsanspruch weder unter rechtlichen noch unter praktischen Gesichtspunkten beste907
Hüffer, AktG, § 311 Rn. 41; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 71; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 77; Beuthien, DB 1969, 1783; Kellmann, BB 1969, 1512; Möhring, FS Schilling, 1973, S. 253, 265; Würdinger, in GroßKommAktG, 3. Aufl. § 311 Rn. 10. 908 So Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 250 ff.; Geßler, FS Westermann, 1974, S. 145, 161; Altmeppen ZIP 1996, 693, 695 ff.; A/D/S, § 311 Rn. 69. 909 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 123, 125. 910 Vgl. z.B. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 71. 911 Kropff, MünchKommAktG, § 311 Rn. 263 und 343; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 61. 912 Siehe Kropff, MünchKommAktG, § 311 Rn. 263 und 343; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 61.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
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hen.913 Bis zur Bestimmung des Ausgleichs besteht ein Schwebezustand.914 Ist der Ausgleich jedoch innerhalb des Geschäftsjahrs nach § 311 Abs. 2 AktG nach seiner Höhe und Art festgelegt worden, so kann er wie jeder andere Anspruch auf eine Gegenleistung eingefordert und notfalls gerichtlich geltend gemacht werden.915
4. Inhalt des Nachteilsausgleichs In welcher Form ein Nachteilsausgleich in Umwandlungsfällen zu erfolgen hat, muss aufbauend auf diesen Grundlagen näher diskutiert werden. Fest steht allein, dass der Ausgleich das durch den Nachteil gestörte wirtschaftliche Gleichgewicht wieder herstellen soll. Unproblematisch dürfte der Fall bei einem nachteiligen Einfluss im Fall einer Ausgliederung zur Aufnahme sein. Hier wird das Vermögen der übertragenden Gesellschaft beeinträchtigt. In entsprechender Weise muss und kann der entstandene Nachteil durch eine Zahlung oder Einräumung eines Ausgleichsanspruchs ausgeglichen werden. Es ist jedoch in den Fällen problematisch, in denen der Nachteil, nämlich die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses, inhaltlich mit dem Anspruch der Aktionäre auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 Abs. 1 UmwG überein stimmt, welcher wiederum den besonderen Regeln des UmwG i.V.m. SpruchG folgt. Insofern ist fraglich, in welcher Form der Nachteilsausgleich zu erfolgen hat. Vor Inkrafttreten des UmwG waren die Ausgleichsmöglichkeiten durch einen wichtigen Grundsatz des Verschmelzungsrechts begrenzt, da der dem abhängigen Unternehmen zugefügte Nachteil in der Gestaltung der Umwandlungsbedingungen lag916: Das Verschmelzungsrecht vereinfachte die Fusion mit dem Verzicht auf eine Abwicklung der übertragenden Gesellschaft bei gleichzeitiger Gesamtrechtsnachfolge allein unter der Vorraussetzung des Aktientauschs. Die Aktionäre der untergehenden Gesellschaft sollten durch Aktien der aufnehmenden Gesellschaft entschädigt werden. Geldzuzahlungen waren nur in den engen Grenzen des § 344 Abs. 2 AktG a.F. zulässig, um den Charakter der Verschmelzung nicht zu gefährden. Dieser Grundsatz wurde rechtsdogmatisch mit der kooperationsrechtlichen Natur der Ver913 Allg. Ansicht, vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 75; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 38; Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 122; A/D/S, § 311 Rn. 70; Krieger, in MünchHdbGesR, § 69 Rn. 74; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 263 m.w.N. 914 Vgl. Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 263. 915 Siehe Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 263. 916 Vgl. Immenga, BB 1970, 629, 633.
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
schmelzung begründet und diente dem berechtigten Interesse der Aktionäre, sich gegen ihren Willen auch nicht teilweise aus ihrer Beteiligung an einem wirtschaftlichen Unternehmen verdrängen zu lassen. Daher war es nicht möglich, die außenstehenden Aktionäre unter Berufung auf die §§ 311 ff. AktG auf einen nicht in Aktien der aufnehmenden Gesellschaft bestehenden Ausgleich zu verweisen. Ein derartiges Vorgehen hätte allerdings als uneigentliche Fusion, nämlich als Vermögensübertragung nach § 361 AktG a.F. mit den dort genannten Rechtsfolgen aufrechterhalten werden können. Die Ausgleichspflicht war daher inhaltlich auf die Gewährung von Aktien begrenzt. Anderenfalls konnte die Fusion nur als Vermögensübertragung anerkannt werden. Mit Inkrafttreten des UmwG sind jedoch die hierin vorgesehenen Möglichkeiten der Nachbesserung des Umtauschverhältnisses und der Abfindung zu berücksichtigen, die den damaligen Grundsatz des grundsätzlichen Verbots des Barausgleichs beseitigten. Somit wird man wohl annehmen müssen, dass der Nachteil auch in diesen Fällen durch eine Geldzahlung ausgeglichen werden kann.
5. Ausgleich bis zum Ende des Geschäftsjahres Der Nachteilsausgleich ist nach § 311 Abs. 2 AktG bis zum Ablauf des Geschäftsjahres zu gewähren. Problematisch ist der Nachteilsausgleich allerdings in den Fällen der Verschmelzung und der Aufspaltung, die mit ihrer Wirksamkeit zum Erlöschen der übertragenden Gesellschaft führen, §§ 20 Abs. 1 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. In dieser Situation bleibt dem herrschenden Unternehmen keine Möglichkeit des Ausgleichs während des Geschäftsjahres. Die übertragende und erlöschende Gesellschaft wird in der Regel zudem mit Rückwirkung zum vergangenen Geschäftsjahresende verschmolzen oder aufgespalten werden.917 Folge ist, dass bei der veranlassten Vornahme einer nachteiligen Verschmelzung oder Aufspaltung mit deren Wirksamkeit kein Nachteilsausgleich mehr möglich ist918 und sofort ein Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 AktG entsteht.
917
Vgl. § 17 Abs. 2 UmwG. So auch Grunewald, in G/H/E/K, § 351 Rn. 5. A.A. Immenga, BB 1970, 629, 632 f.: Pflicht zur Ausgabe weiterer Aktien an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft. Allerdings beinhaltet § 311 Abs. 1 AktG keine Verpflichtung zur Leistung an Aktionäre, sondern an die Gesellschaft. Zudem wird es dem herrschenden Unternehmen bei eigener Nichtbeteiligung an der Umwandlung unmöglich sein, entsprechende Anteile zu leisten. 918
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
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II. Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG Verstöße gegen die Nachteilsausgleichspflicht des § 311 AktG sanktioniert § 317 AktG mit einer Schadensersatzpflicht des herrschenden Unternehmens (§ 317 Abs. 1 AktG) und seiner gesetzlichen Vertreter (§ 317 Abs. 3 AktG). Die Haftung nach § 317 AktG setzt voraus, dass das herrschende Unternehmen den Tatbestand des § 311 AktG verwirklicht hat, ohne dass es zum Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 2 AktG gekommen ist.919 Wenn aus diesem unterlassenen Ausgleich ein Schaden erwächst, ist der Anspruch begründet.920 Maßgeblich für den Inhalt des Schadensersatzes sind die §§ 249 ff. BGB. Auf ein Verschulden oder ein Veranlassungsbeswusstsein des herrschenden Unternehmens kommt es nicht an.921 Maßgebend ist allein die ursächliche Veranlassung zu der nachteiligen Maßnahme.
1. Durchsetzung des Schadensersatzanspruches Der Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG ist vor dem ordentlichen Gerichtsweg im Wege der Leistungsklage geltend zu machen.922 Insoweit bestehen keine Sonderregelungen, insbesondere ist das Spruchverfahren für den Anspruch aus § 317 AktG nicht eröffnet.923 Wegen der inhaltlichen Überschneidungen und der Ausschließlichkeit des Spruchverfahrens sind jedoch die hier aufeinander prallenden Unterschiede zu einer gerechten Lösung zu bringen. Dies soll im Anschluss an die Darlegung der Grundlagen des Schadensersatzanspruchs nach § 317 AktG erfolgen.
2. Verfahren zur Verfolgung des Schadensersatzanspruches nach § 317 AktG in Umwandlungsfällen Wie oben dargelegt, deckt sich im Fall der nachteiligen, das Umtauschverhältnis bzw. die Beteiligung der ausgliedernden Gesellschaft nicht korrekt abbildenden Verschmelzung oder Spaltung die Verpflichtung zum Nachteils919
Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 317 Rn. 5. Vgl. Hüffer, AktG, § 317 Rn. 4. 921 Hüffer, AktG, § 311 Rn. 16 m.w.N. 922 Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 317 Rn. 27. 923 OLG Stuttgart NZG 2000, 744, 746 unter Hinweis auf den vermeintlich gegenteiligen, freilich nur die Heranziehung von Ansprüchen nach § 317 AktG im Rahmen des Verfahrens nach § 306 AktG a.F. befürwortenden Beschluss des OLG Düsseldorf, AG 1991, 196; vgl. Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 317 Rn. 27. 920
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
ausgleich inhaltlich mit dem Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses bzw. Erhöhung der Barabfindung gemäß §§ 15, 34 UmwG. Für die Geltendmachung dieser Verbesserung ist das Spruchverfahren zwingend und abschließend vorgeschrieben.924 Näher zu untersuchen ist daher die Frage, ob aus diesem Grund die Verfahrensregeln des Spruchverfahrens nach §§ 2 ff. SpruchG Einfluss auf die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs nach § 317 AktG haben.
a) Grundsätze des Spruchverfahrens nach §§ 1 ff. SpruchG Der Ablauf des Spruchverfahrens ist in den §§ 6 ff. SpruchG niedergelegt. Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung sind nun in den §§ 7, 8 SpruchG mit umfangreichen Verfahrensförderungspflichten der Beteiligten geregelt.925 Die Kosten des Verfahrens tragen nach § 15 Abs. 2 SpruchG grds. die Antragsgegner, soweit sie nicht aus Billigkeitsgründen einem anderen Beteiligten auferlegt werden. Zuständiges Gericht ist nach § 2 SpruchG das Landgericht, Kammer für Handelssachen, in dessen Bezirk der Rechtsträger, dessen Anteilsinhaber antragsberechtigt sind, seinen Sitz hat. Sind an einer Verschmelzung mehrere übertragende Rechtsträger beteiligt, die ihren Sitz in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken haben, ist § 4 FGG entsprechend anzuwenden.926 Die Antragsfrist, die zugleich eine Ausschlussfrist ist, beträgt drei Monate nach dem Tage, an dem die Eintragung der Umwandlung als bekannt gemacht gilt, § 4 SpruchG, § 19 Abs. 3 UmwG. Antragsberechtigt sind gemäß § 3 SpruchG nur Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Die Antragsbefugnis ist weiter eingeschränkt: Hinsichtlich des Antrags auf Erhöhung der Barabfindung sind nur diejenigen Anteilseigner antragsbefugt, die nach § 29 Abs. 1 UmwG in der Versammlung der Anteilseigner, d.h. für den hier untersuchten Fall in der Hauptversammlung, Widerspruch zur Niederschrift gegen den Umwandlungsbeschluss des übertragenden Rechtsträgers erklärt haben. Das Verfahren auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses hängt dagegen nicht von der Anbringung eines Protokoll-
924
Vgl. zum alten Recht: Meister/Klöcker, in Kallmeyer UmwG, § 305 Rn. 4. Das frühere Spruchverfahren nach den §§ 305 ff. UmwG war noch stark vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägt, welcher jedoch nach der Einführung von Verfahrensförderungspflichten der Beteiligten zurückgeführt wurde, vgl. Krieger, in Lutter UmwG, Anhang I SpruchG Einl. Rn. 3. 926 § 2 Abs. 1 Satz 2 SpruchG. Zur Zuständigkeitsproblematik nach altem Recht vgl. LG Dortmund ZIP 1999, 1711. Zum damaligen Appell an den Gesetzgeber, dieses – bislang seltene – Zuständigkeitsproblem zu lösen, Neye in FS Widmann, S. 87, 94. 925
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
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widerspruchs in der Hauptversammlung ab.927 Der Antrag ist gemäß § 5 Nr. 4 SpruchG im Fall der Verschmelzung oder Spaltung der abhängigen AG jeweils gegen den übernehmenden oder neuen Rechtsträger zu richten. Nach § 5 SpruchG wird den außenstehenden Anteilseignern, die nicht selbst Antragsteller im Verfahren sind, ein gemeinsamer Vertreter von Amts wegen gerichtlich bestellt, was im elektronischen Bundesanzeiger und den Gesellschaftsblättern vom Gericht zu veröffentlichen ist. Dieser ist berechtigt, das Verfahren auch bei Rücknahme des Antrags weiterzuführen, um so eine Bevorzugung nur einzelner Aktionäre durch Verbesserung von deren Umtauschverhältnis bzw. deren Barabfindung zu verhindern. Konsequent gilt auch die Entscheidung des Gerichts für und gegen alle, § 13 SpruchG.
b) Einfluss des SpruchG auf die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs Die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach § 317 AktG und das Spruchverfahren zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses zeigen deutliche Unterschiede sowohl hinsichtlich der Antragsberechtigung und -befugnis, bei den Verfahrensbeteiligten als auch durch die Ausschlussfrist des Spruchverfahrens. §§ 1 ff. SpruchG, §§ 15, 34 UmwG sind Ausdruck einer umfassenden Interessenabwägung zwischen Außenseiterschutz und den Interessen des Rechtsverkehrs sowie der übernehmenden Gesellschaft. Diese Interessenabwägung kann jedoch nicht zu einer Verdrängung des Schadensersatzanspruches nach § 317 AktG führen. Hiergegen spricht der grundlegende Widerspruch bezüglich der Ausschlussfrist des SpruchG und der Möglichkeit des Nachteilsausgleichs nach § 311 AktG innerhalb eines Geschäftsjahres. Wesentliches Argument gegen eine Verdrängung eines Schadensanspruches nach § 317 AktG ist weiterhin die Tatsache, dass es sich bei Einflussnahme eines herrschenden Unternehmens um unterschiedliche Antragsgegner bzw. Beklagte handeln kann. Daher erfolgt trotz der umfassenden Interessenabwägung durch das SpruchG und dessen insoweit abschließenden Charakters, genau wie im Verhältnis zwischen § 311 AktG und den Vorschriften des UmwG, keine generelle Verdrängung eines möglichen Schadensersatzanspruches nach § 317 Abs. 1 AktG. Dennoch ist ein Einfluss des Spruchverfahrens auf den Nachteilsausgleich sowie einen Schadensersatzanspruch nach 927 Hintergrund dieses Unterschieds ist zum einen § 14 Abs. 2 UmwG und die Tatsache, dass in den Fällen, in denen die Anteilseigner zwar mit der Umwandlung als solcher einverstanden sind, sich jedoch gegen das Umtauschverhältnis wenden wollen, ein Widerspruch notwendige Umstrukturierungen verhindern könnte, vgl. HoffmannBecking, ZGR 1990, 482, 484; Hommelhoff, ZGR 1993, 452, 470; Wiesen, ZGR 1990, 503, 505; Sagasser, in Sagasser/Bula/Brünger, C 26.
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
§ 317 Abs. 1 AktG zu untersuchen. Dabei sind zwei Alternativen zu unterscheiden: Im einen Fall wird das Spruchverfahren durchgeführt, im anderen Fall wird das Spruchverfahren nicht durchgeführt, sondern die Geltendmachung des Nachteilsausgleichs bzw. Schadensersatzanspruchs nach § 317 AktG abgewartet. Die erste Alternative ist dabei auf den ersten Blick einfach zu beantworten. Wird das Spruchverfahren durchgeführt, so wird dadurch das Umtauschverhältnis „nachgebessert“. Der veranlasste Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG wird dadurch ausgeglichen. Besonderheiten könnten zwar dadurch eintreten, dass dieser Ausgleich nicht durch das herrschende Unternehmen ausgeglichen wird, sondern durch die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger. Dennoch ist auch in diesem Fall ein Nachteil vermögensmäßig nicht mehr gegeben, schließlich fordert auch § 311 Abs. 1 AktG nicht ausdrücklich, dass der nötige Aufwand für den Nachteilsausgleich vom herrschenden Unternehmen getragen wird. Der Ausgleich kann daher auch zu Lasten eines Dritten erfolgen.928 Ein Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 AktG kann dann nicht mehr eingreifen. Die zweite Alternative birgt dagegen mehrere Schwierigkeiten. Wird das Spruchverfahren nicht durchgeführt, so bliebe den (ehemaligen) Anteilsinhabern nach der Wertung des UmwG keine Möglichkeit der Verbesserung des Umtauschverhältnisses. Der fehlende Nachteilsausgleich dagegen wäre für einen Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 AktG Voraussetzung. Trotz Verstreichens der Antragsfrist nach § 4 SpruchG bestünde zunächst ein Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 1 AktG, bei fehlendem Ausgleich bzw. bei Erlöschen der Gesellschaft mit Eintragung der Umwandlung und dem damit erfolgten Ende des Geschäftsjahres ohne Nachteilsausgleich ein Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG. Aus diesem Grund droht eine Gefahr der Umgehung des Spruchverfahrens durch Leistung des „gestreckten“ Nachteilsausgleichs oder durch Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nach § 317 AktG. Der Zweck des Spruchverfahrens, die Umwandlung als solche nicht zu beeinträchtigen bzw. zu blockieren, würde zwar nicht ausgeschaltet, jedoch nicht unwesentlich beeinträchtigt. Zwar blockiert eine Geltendmachung des Anspruchs nach § 317 AktG 928
Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 120; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 39; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 239 m.w.N. So ist es möglich und zulässig, den einer Tochtergesellschaft durch Veranlassung zugefügten Nachteil durch Leistung eines anderen Tochterunternehmens auszugleichen. Allerdings muss dabei darauf geachtet werden, dass die den Vorteil gewährende Gesellschaft nicht ihrerseits einen Nachteil erleidet. In Fällen der Umwandlung und der damit verbundenen Vermögensaufnahme wird bei Verbesserung des Umtauschverhältnisses auf ein angemessenes Verhältnis zum übernommenen Vermögen in der Regel kein Nachteil auf Seiten des ausgleichenden Unternehmens entstehen.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
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nicht die Durchführung der Umwandlung. Durch die Nichtbeachtung der Ausschlussfrist des SpruchG kann aber die unternehmerische Tätigkeit des übernehmenden Rechtsträgers oder des herrschenden Unternehmens gestört werden. Jedoch sind der Nachteilsausgleich und der Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG gerade Ausfluss des Minderheitenschutzes und beruhen auf einer gesteigerten Gefahr des Interessenkonflikts im Abhängigkeitsverhältnis. Nach der aktienrechtlichen Wertung hat zumindest das herrschende Unternehmen mit dieser Möglichkeit zu rechnen, was aus Gründen des Minderheitenschutzes nicht einfach aufzugeben ist. Auch Aktionäre dürfen danach zunächst auf einen Nachteilsausgleich vertrauen bzw. ihre Rechte auf Schadensersatz nach § 317 AktG geltend machen. Dies trifft jedenfalls zu, wenn es sich jeweils um unterschiedliche Beklagte bzw. Verfahrensbeteiligte handelt, das herrschende Unternehmen somit nicht an der Umwandlung beteiligt ist. In diesen Fällen stimmen zwar der Anspruch auf Nachteilsausgleich und die Möglichkeit der Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 Abs. 1 UmwG inhaltlich überein; sie richten sich jedoch gegen unterschiedliche Rechtsträger. Das herrschende Unternehmen durfte und konnte dann nicht auf das Verstreichen der Ausschlussfrist des UmwG vertrauen. Aber auch bei einer Beteiligung des herrschenden Unternehmens, z.B. bei einem upstream-merger, wenn herrschendes Unternehmen gleich Beklagter und Antragsgegner ist, ist eine Verdrängung des Nachteilsausgleich bzw. Schadensersatzanspruches ungerechtfertigt. Die Interessenlage ist vergleichbar und gründet auf einem nachteiligen Einfluss der Muttergesellschaft auf die abhängige AG. Auch insoweit liegt ein bewusstes Handeln des herrschenden Unternehmens vor, das dieses in eine Haftungsveranwortung bringt. Daher wäre es aus Gründen eines effektiven Minderheitenschutzes nicht gerechtfertigt, in diesem Fall den Aktionären die Möglichkeit der §§ 311 ff. AktG zu nehmen, da der Schutz ihrer Interessen gerade wegen der Konzernlage höher einzuschätzen ist. Folglich stehen beide Möglichkeiten als Alternativen nebeneinander. Der Widerspruch zwischen beiden Alternativen zur Besserung des Umtauschverhältnisses kann jedoch auf andere Weise aufgelöst werden. Kaum zu berücksichtigen dürfte dabei die Tatsache sein, dass drei Viertel der auf der Hauptversammlung vertretenen Aktionäre der Umwandlung zugestimmt haben. Denn dies führt nach dem UmwG nicht zum Ausschluss des Rechts auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses. Zudem ist auch nach § 317 Abs. 4 i.V.m. § 309 Abs. 3 AktG ein Verzicht auf den Schadensersatzanspruch erst nach Ablauf von drei Jahren unter Beachtung weiterer Voraussetzungen möglich. Allerdings dürfte die fehlende Beantragung des Spruchverfahrens zur Bestimmung des angemessenen Ausgleichs zu Modifikationen bei der Verfolgung
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
des Schadensersatzanspruchs nach § 317 Abs. 1 AktG führen. So könnte man zur Bestimmung des angemessenen Umtauschverhältnisses oder der Barabfindung allein auf den Zeitpunkt der Umwandlung abstellen, da nach dem UmwG nur eine Verbesserung in dieser Höhe möglich gewesen wäre, nicht jedoch ein darauf kausal aufbauender sonstiger Schaden. Dagegen spricht jedoch, dass § 15 Abs. 2 S. 2 UmwG die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausschließt. Dogmatisch richtig wird jedoch allein die Berücksichtigung der Nichtdurchführung des Spruchverfahrens im Rahmen eines möglichen Mitverschuldens der Anteilseigner nach § 254 BGB sein. Denn die Geltendmachung des angemessenen Ausgleichs im Wege des Spruchverfahrens wäre deutlich einfacher und mit weniger Aufwand möglich gewesen. Dieses Versäumnis sollte auf Seiten der Anteilseigner berücksichtigt werden, so dass in der Regel nicht der gesamte erlittene Nachteil ausgeglichen würde.929 Für Gläubiger ist die Berücksichtigung eines Mitverschuldens ebenfalls anerkannt, wenn diese keine Sicherheitsleistung nach § 22 UmwG verlangt haben.930
c) Ergebnis Trotz gleichen Inhalts, nämlich der Bestimmung eines verbesserten und damit angemessenen Ausgleichs für die übertragenen Vermögenswerte, verdrängt das Spruchverfahren wegen der unterschiedlichen Anspruchsrichtung und aus Gründen eines effektiven Minderheitenschutzes nicht die Möglichkeit der Aktionäre zum Nachteilsausgleich bzw. Schadensersatz nach §§ 311 ff. AktG. Dennoch muss die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs Modifikationen erfahren, sofern das Spruchverfahren als vom UmwG vorgesehener und einen gerechten Interessenausgleich anstrebender Normalfall zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses nicht durchgeführt wurde. Denn nach dem UmwG sollen vorrangig etwaige Unangemessenheiten unmittelbar zwischen den beteiligten Rechtsträgern ausgeräumt werden. Schließlich findet auch in diesem Verhältnis der Vermögensübergang statt. Ein Versäumnis auf Seiten der Aktionäre zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach dem SpruchG sollte im Rahmen eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 und 2 BGB berücksichtigt werden.
929
falls. 930
Die tatsächliche Höhe des Nachteilsausgleichs ist jedoch eine Frage des EinzelGrunewald, in Lutter UmwG, § 25 Rn. 21.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
265
3. Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs Inhaber des Schadensersatzanspruches nach § 317 Abs. 1 S. 1 AktG ist grundsätzlich die Gesellschaft.931 Die Geltendmachung der Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter hat grundsätzlich durch den Vorstand der abhängigen Gesellschaft zu erfolgen.932 Unproblematisch zeigt sich die Situation, wenn lediglich eine Abspaltung oder Ausgliederung stattfand, so dass noch ein „Rest“ der abhängigen Gesellschaft existiert. In diesen Fällen kann die übertragende Gesellschaft den Anspruch nach § 317 AktG selbst geltend machen. Problematisch ist die Lage jedoch, wenn die abhängige Gesellschaft nach Durchführung der Umwandlungsmaßnahme nicht mehr existiert, sondern durch eine Verschmelzung oder Aufspaltung erloschen ist. Darüber hinaus ist im Fall der Verschmelzung und der Aufspaltung zur Aufnahme durch die Muttergesellschaft das abhängige Unternehmen in dieser aufgegangen, so dass genau genommen Kläger und Beklagte nunmehr die gleiche Rechtspersönlichkeit darstellen. Zu berücksichtigen ist dabei einerseits, dass Ansprüche der Gesellschaft ebenfalls vom einzelnen Aktionär geltend gemacht werden können, allerdings gemäß §§ 317 Abs. 4, 309 Abs. 4 AktG nur als Leistung an die Gesellschaft. Nach einer Ansicht müsse darüber hinaus den Aktionären in besonderen Einzelfällen zugestanden werden, bei Schädigung der Gesellschaft Leistung an sich selbst zu fordern.933 Ein solcher Ausnahmefall soll insbesondere vorliegen, wenn die Gesellschaft auf den Anspruch verzichtet oder wenn sie sich in Abwicklung befindet und bereits sämtliche Gläubiger befriedigt sind.934 Diese Lehre sieht sich jedoch Bedenken ausgesetzt.935 Denn die aktienrechtliche Kapitalbindung und der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre erfordern, dass die Leistung aufgrund eines Schadens der Gesellschaft stets in das Gesellschaftsvermögen erfolgt. Weiterhin wäre in diesem Fall § 25 Abs. 2 UmwG zu berücksichtigen. Danach gilt der übertragende Rechtsträger für Ansprüche, die sich für und gegen ihn nach den allgemeinen Vorschriften aufgrund der Verschmelzung ergeben,
931
§ 317 Abs. 1 Satz 1 AktG; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 317 Rn. 12 ff. 932 Kropff, in MünchKommAktG, § 317 Rn. 46 f. 933 Kropff, in MünchKommAktG, § 317 Rn. 50. 934 Kowalski, Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschaden – zum gesellschaftsrechtlichen Zweckbindungsgedanken im Schadensrecht, 1990, S. 174 f.; Brandes, FS Fleck, 1988, S. 19 f. 935 Kropff, in MünchKommAktG, § 317 Rn. 50; G. Müller, FS Kellermann, 1991, S. 317 ff.; Brosius-Gersdorff, NZG 1998, 664, 668 f. m.w.N.
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
als fortbestehend. Der Schadensersatzanspruch nach § 317 Abs. 1 S. 1 AktG ist ein solcher Anspruch des übertragenden Rechtsträgers; nach dem Wortlaut gilt § 25 Abs. 2 UmwG nicht lediglich für Ansprüche des übertragenden Rechtsträgers unmittelbar nach dem UmwG, sondern ebenfalls für Ansprüche nach allgemeinen Vorschriften.936 Somit gälte auch im Fall der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 317 Abs. 1 S. 1 AktG die abhängige Gesellschaft trotz ihrer möglichen Beendigung als fortbestehend. Die Forderungen gehen bei Verschmelzung oder Aufspaltung zur Aufnahme nicht auf den übernehmenden Rechtsträger über.937 Die Rechtsinhaberschaft wechselt also nicht, wodurch zugleich die bei Ansprüchen gegen den übernehmenden Rechtsträger sonst eintretende Konfusion ausgeschlossen wird.938 Demnach würde § 25 Abs. 2 UmwG auch im Falle eines Anspruchs nach § 317 Abs. 1 S. 1 AktG der (erloschenen) abhängigen Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen als übernehmenden Rechtsträger greifen. In diesen Fällen wäre weiter § 26 UmwG zu beachten. Danach können Ansprüche nach § 25 Abs. 1 und 2 UmwG nur durch einen besonderen Vertreter geltend gemacht werden, der auf Antrag eines Anteilsinhabers oder eines Gläubigers der abhängigen Gesellschaft vom Gericht des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers (= abhängige Gesellschaft) zu bestellen ist.939 Da die abhängige Gesellschaft als übertragender Rechtsträger selbst erloschen ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG), hat sie keine Organe mehr, die für sie handeln könnten. Ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG kann bei Verschmelzungen und Aufspaltungen allerdings lediglich in der Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses liegen. Deshalb sind allein die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft in ihrem Vermögen beeinträchtigt. Im Regelfall wird es sich damit um Ansprüche der Aktionäre nach § 317 Abs. 1 S. 2 AktG handeln. In diesen Fällen können die Aktionäre selbst gegen das herrschende Unternehmen vorgehen, soweit ihnen ein eigener, nicht auf der Minderung des Gesellschaftsvermögens beruhender und damit nicht durch Geltendmachung des Anspruchs der Gesellschaft zu kompensierender Schaden erwächst. Bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses bei Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen könnte die Geltendmachung des Anspruchs eines einzelnen Aktionärs auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses jedoch mit dem Konzept eines besonderen Vertreters nach § 26 UmwG unvereinbar sein. Das UmwG versucht, die außenstehenden Aktionäre hinsichtlich ihrer erhaltenen Anteile gleich zu behandeln, und sieht die Bestellung eines be936
Vgl. auch Grunewald, in Lutter UmwG, § 25 Rn. 24. Grunewald, in Lutter UmwG, § 25 Rn. 31. 938 Vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 UmwG; Grunewald, in Lutter UmwG, § 25 Rn. 25. 939 Grunewald, in Lutter UmwG, § 26 Rn. 4. 937
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
267
sonderen Vertreters vor, der die Interessen der nichtbeteiligten Aktionäre vertritt. Er hat die Aufgabe, eine einheitliche Anspruchsdurchsetzung zu erreichen940 und einen eventuellen Erlös gleichmäßig zu verteilen.941 Diesem Gedanken würde ein Vorgehen einzelner Aktionäre nach § 317 Abs. 1 S. 2 AktG widersprechen. Insofern besteht eine Regelungslücke, weshalb hier aus diesem Grund an eine analoge Anwendung von § 26 UmwG gedacht werden könnte. Zur Annahme einer Analogie müsste jedoch eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Gesetzeslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Die Möglichkeit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches nach § 317 AktG durch einzelne Aktionäre wurde vom Gesetzgeber nicht gesehen, jedenfalls nicht behandelt. Zwar besteht auch das gemeinsame Interesse der Aktionäre auf einen angemessenen Anteilstausch. Doch dies genügt nicht für die Annahme einer Analogie zu § 26 UmwG. Hierfür sind die grundlegenden Verfahrensunterschiede des Spruchverfahrens sowie des ordentlichen Verfahrens zu beachten. Im ordentlichen Verfahren ist die Bestellung eines besonderen Vertreters nicht bekannt. Darüber hinaus ist der Anspruch auf Nachbesserung des Umtauschverhältnisses gemäß § 317 Abs. 1 S. 2 AktG ein Anspruch eines einzelnes Aktionärs, dessen Höhe nach dem genau bei ihm eingetretenen Schaden zu bemessen ist. Zwar spielt auch hier das Umtauschverhältnis eine tragende Rolle; es ist jedoch nicht einziger Beurteilungsgegenstand. Es handelt sich somit um eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung. Dies gilt umso mehr, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung bei der Berechnung der Höhe des Schadensersatzanspruchs nach § 317 AktG ein Mitverschulden des Aktionärs wegen Nichtbetreiben des Spruchverfahrens zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses zu berücksichtigen hat. Es handelt sich daher um grundlegend unterschiedliche Verfahren und damit verbundene differierende Interessenlagen. Aus diesem Grund verbietet sich eine Analogie zu § 26 UmwG. Ein besonderer Vertreter ist bei der Geltendmachung eines Anspruchs nach § 317 AktG nicht zu bestellen. Folglich können Aktionäre ihre Ansprüche nach § 317 Abs. 1 S. 2 AktG, wie bei der Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses, selbst geltend machen. Beklagter ist das herrschende Unternehmen, welches nicht notwendig an der Umwandlung beteiligt ist.
940 Vgl. Kraft, in KölnKommAktG, § 350 AktG Rn. 2; Priester, in Scholz 7.Aufl., § 29 KapErhG Rn. 1; Stratz, in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 26 UmwG Rn. 2; Vossius, in Widmann/Mayer, § 26 UmwG Rn. 2. 941 Grunewald, in Lutter UmwG, § 26 Rn. 3.
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
III. Auswirkungen auf §§ 312 bis 316 AktG Im Folgenden soll kurz betrachtet werden, welche Auswirkungen dieses Ergebnis und das Zusammenspiel von AktG und umwandlungsrechtlichen Vorschriften auf die §§ 312 bis 316 AktG haben. Nach § 312 Abs. 1 S. 1 AktG hat der Vorstand der abhängigen Gesellschaft in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres einen Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzustellen. Zu berichten ist vor allem über die auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens vorgenommenen Rechts-geschäfte und Maßnahmen, mithin auch über eine auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens durchgeführte Umwandlung. Die Verpflichtung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft nach § 312 AktG dürfte sich materiell nicht von der Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 UmwG unterscheiden, den Umwandlungsvertrag zu erläutern. Dennoch gewinnt dieser Abhängigkeitsbericht eigenständige Bedeutung durch die nach § 313 AktG notwendige Kontrolle durch Abschlussprüfer.942 Sie haben insbesondere festzustellen, ob die Rechtsgeschäfte zwischen den verbundenen Gesellschaften zu angemessenem Entgelt durchgeführt wurden. Damit wird gerade das Umtauschverhältnis der Aktien einer neutralen Beurteilung unterzogen. Und wenn die Abschlussprüfung nur zu einer eingeschränkten Bestätigung des Abhängigkeitsberichts geführt hat, kann jeder Aktionär nach § 315 Nr. 1 AktG die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern verlangen. Im Vergleich zum UmwG ergibt sich somit die Besonderheit, dass – sofern keine „kleine“ Aktiengesellschaft i.S.v. § 267 Abs. 1 HGB gegeben ist – jedenfalls eine Prüfung durch den Abschlussprüfer gemäß § 313 AktG erfolgt. Es greifen keine Befreiungstatbestände wie z.B. nach § 8 Abs. 3, 9 Abs. 2 UmwG. Darüber hinaus hat stets auch eine Prüfung durch den Aufsichtsrat nach § 314 Abs. 2 AktG zu erfolgen. Bei Vorliegen von in Konzernverhältnissen häufigen Doppelmandaten, d.h. Entsendung von Geschäftsführungsmitgliedern des herrschenden Unternehmens in den Aufsichtsrat der Tochter-AG, dürfte diese Prüfung allerdings leider nicht immer zu einer objektiven Prüfung des Abhängigkeitsberichts führen. Dies kann jedoch die Haftung nach § 318 AktG nach sich ziehen.
942 Keine Prüfung durch Abschlussprüfer erfolgt jedoch bei „kleinen“ Aktiengesellschaften gemäß §§ 316 Abs. 1, 267 Abs. 1 HGB. Dennoch ist ein Abhängigkeitsbericht aufzustellen. Zur Kritik der fehlenden Prüfung vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 313 Rn. 8 m.w.N.
C. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
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IV. Folgen bei Überschreiten der statuarischen Grenzen Die Ausführungen zu den §§ 311 ff. AktG betreffen nur solche veranlassten Maßnahmen, die auch in deren Anwendungsbereich fallen. Nicht unter § 311 Abs. 1 AktG fällt jedoch eine Umwandlung unter Missachtung der statuarischen Vorgaben der abhängigen Gesellschaft. Verstößt ein Beschluss der Hauptversammlung gegen das Gesetz oder die Satzung, so kann er nach den allgemeinen Regeln gemäß § 243 Abs. 1 AktG angefochten werden. Bei wesentlichen Verstößen gegen das Wesen der AG, wie insbesondere auch bei Missachtung von Gläubigerschutzvorschriften i.S.v. § 241 Nr. 3 AktG oder bei Verstößen gegen die guten Sitten nach § 241 Nr. 4 AktG, kommt sogar eine Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses in Frage. Das Verhältnis der §§ 311 ff. AktG zu den Anfechtungsregeln ist in diesem Zusammenhang nicht relevant, da derartige Verstöße bereits nicht in den Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG fallen.943 § 243 AktG als generelle Vorschrift reicht weiter als § 311 AktG und erfasst insbesondere Einflussnahmen, die nicht durch die §§ 311 ff. AktG privilegiert sind, wie z.B. die dargelegten Verstöße. In diesen Fällen kann sich die herrschende Gesellschaft nicht auf eine Privilegierung nach § 311 AktG berufen und auf Durchführung dieser Maßnahmen gegen Leistung eines Nachteilsausgleichs drängen. Hierbei handelt es sich um objektiv und absolut zu beachtende Regelungen. Die Missachtung dieser Vorschrif-
943 Zum Verhältnis zwischen § 243 AktG und §§ 311 ff. AktG ist mit der h.M. davon auszugehen, dass der Anfechtungsgrund des § 243 Abs. 2 AktG bei Streben nach einem Sondervorteil nicht durch § 311 AktG verdrängt wird (OLG Frankfurt/M. WM 1973, 348, 350 f.; LG München I NZG 2002, 826, 827; Kropff, in MünchKommAktG, § 311 Rn. 120 ff.; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 43; Zöllner, in KölnKommAktG, § 243 Rn. 255 ff.; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 85 m.w.N.; aA OLG Stuttgart 1994, 411, 412; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 288 ff.; Abrell, BB 1974, 1463, 1467), so wie umgekehrt die Möglichkeit der Beschlussanfechtung nach § 243 Abs. 2 AktG nicht der Anwendbarkeit des § 311 AktG entgegensteht. Entsprechendes gilt auch für die Beschlussanfechtung nach § 243 Abs. 1 AktG, soweit diese auf eine Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht gestützt wird (Schmidt, in GroßKommAktG § 243 Rn. 42, 45 ff.; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 311 Rn. 86). §§ 311 ff. AktG und § 243 AktG sind somit grds. nebeneinander anwendbar. Bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses sind jedoch §§ 14 Abs. 2, 15 UmwG zu berücksichtigen. Nach § 14 Abs. 2 UmwG ist eine Klage gegen den Hauptversammlungsbeschluss aus diesem Grund unzulässig; als Kompensation steht den Aktionären die Möglichkeit zu, gemäß § 15 Abs. 1 UmwG i.V.m. SpruchG eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses zu erreichen. Dieser Ausschluss des Anfechtungsrechts ist auch bei Anwendung der §§ 311 ff. AktG zu berücksichtigen, so dass zwar grds. § 243 Abs. 2 AktG neben §§ 311 ff. AktG anwendbar ist, wegen § 14 Abs. 2 UmwG aber unabhängig vom Verhältnis zu den §§ 311 ff. AktG nicht bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses greift.
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
ten ist keine spezielle Gefahr eines von §§ 311 ff. AktG geregelten Interessenkonflikts zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, weshalb sich die Anteilseigner der abhängigen TochterAG nicht auf die §§ 311 ff. AktG nach dem Motto „dulde und liquidiere“ berufen können. Sie haben vielmehr gegen den Hauptversammlungsbeschluss, konkret gegen den Umwandlungsbeschluss vorzugehen. Darüber hinaus kommen in Fällen der Verletzung besonderer Treuepflichten ein Schadensersatzanspruch gegen die Einfluss nehmenden Anteilsinhaber in Betracht.944 Die Verpflichtung zum Schadensersatz bezieht sich auf den Ausgleich derjenigen Vermögenseinbußen, die der Gesellschaft durch den Vollzug der nichtigen Vorgabe entstehen. Auch wenn man den Beschlüssen ihre Wirksamkeit versagt, gehen von ihnen möglicherweise für die Gläubiger untragbare und daher aus Sicht der Gesellschaft nicht hinnehmbare tatsächliche Wirkungen aus, die vom herrschenden Unternehmen veranlasst wurden. Dieses trägt hierfür eine Mitverantwortung. Bei Vorliegen eines Verschuldens, ist das herrschende Unternehmen daher haftungsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.945 Da ein derartiger Haftungsdurchgriff allerdings die Ausnahme darstellen soll, ist weiterhin für eine Haftung der Anteilsinhaber zu fordern, dass ein derartiger statuarischer Verstoß zur Unmöglichkeit der Verfolgung des Unternehmensgegenstandes und damit zum Zusammenbruch der Gesellschaft946 führt (existenzvernichtender Eingriff). In den Fällen einer Satzungsdurchbrechung kann dies durchaus der Fall sein, z.B. bei Übertragung von Vermögen, das die Gesellschaft zur Einhaltung der §§ 10 ff. KWG benötigt, was folglich die Ausrichtung eines Finanz- oder Kreditinstituts am Unternehmensgegenstand und die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs nicht nur erschwert, sondern gänzlich unmöglich macht. Ein derartiger Haftungsdurchgriff dürfte zwar eine Ausnahme bleiben. Dem herrschenden Unternehmen ist jedoch mit Hinsicht auf die Nichtigkeit bzw. die Anfechtbarkeit der Beschlüsse von einer derartigen nachteiligen Einflussnahme abzuraten.
944
Vgl. Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 264; ähnlich Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 317 Rn. 13. 945 Für den Fall von Verstößen gegen das satzungsfeste Eigeninteresse bei der Konzernausrichtung einer abhängigen Gesellschaft Timmann, Durchsetzung von Konzerninteressen in der Satzung der abhängigen Gesellschaft, S. 264. 946 Zur Existenzvernichtung im GmbH-Recht vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, Anh. § 318 Rn. 1 ff. sowie Schön, in ZHR 168 (2004), 268, 281 ff.; Habersack, in Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Anh. § 318 Rn. 37 ff.
D. Mittel zur „Verpflichtung“ zu Umwandlungsmaßnahmen
271
D. Mittel zur „Verpflichtung“ zu Umwandlungsmaßnahmen Beachtet das herrschende Unternehmen die Vorgaben der Satzung und der §§ 311 ff. AktG, so kann ihm aus Gründen des Konzerninteresses doch sehr an der Durchführung der entsprechenden Umwandlungsmaßnahme gelegen sein. Insoweit hat das Unternehmen keine Haftungsrisiken oder eine Verpflichtung zum Nachteilsausgleich zu fürchten. In diesen Fällen stellt sich für das herrschende Unternehmen die Frage, auf welche Weise es die abhängige AG zur Durchführung der Maßnahme bewegen kann.
I. Informelle Veranlassung Der einfachste Weg für das herrschende Unternehmen wäre die informelle Veranlassung durch alle Möglichkeiten der Einflussnahme, d.h. Anweisungen, Gespräche etc. Hier ist jedoch die weiter und trotz der Abhängigkeit bestehende Eigenständigkeit der abhängigen AG zu beachten. Aus der Konzernierung folgt zwar eine Leitungsmacht der Verwaltung der herrschenden Gesellschaft in den Bereichen der Konzernpolitik947, Konzernplanung und -organisation sowie der Konzernkontrolle.948 Hieraus folgt ebenfalls die Befugnis zur strategischen und strukturellen Ordnung der Beteiligungsgesellschaften und abhängigen Unternehmen. Die Festlegung der Konzernausrichtung, Ziele der Effizienzsteigerung sowie Einführung und Durchsetzung einer einheitlichen Konzernpolitik bringen Veränderungen des Konzernaufbaus mit sich. Im Rahmen der strategischen Planung formuliert die Konzernleitung die Konzernziele und legt unter anderem fest, welche Geschäftsaktivitäten wie und mit wem aufgebaut oder abgestoßen werden.949 Aus der bloßen Konzernierung folgt jedoch keine Folgepflicht der abhängigen Gesellschaft. Im faktischen Konzern bleibt trotz der Zusammenfassung unter die einheitliche Konzernleitung weiterhin die Eigenständigkeit der abhängigen AG bestehen.950 Ohne Beherrschungsvertrag951 oder Eingliederung952 ist
947 Zu den Entwicklungen des Gesellschaftsrechts in Europa in der Frage einer Konzernpolitik, also dem Thema Konzerninteresse gegen Eigeninteresse, vgl. Lutter, in BB 2004, 1 sowie den Vorschlag des internationalen Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 674. 948 Keller, Führung einer Holding, in Holding Handbuch, C 22. 949 Keller, Führung einer Holding, in Holding Handbuch, C 54. 950 § 76 AktG. Vgl. Krieger, MünchHdbGesR, § 69 Rn. 24. 951 Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags ergibt sich die Folgepflicht aus § 308 Abs. 2 AktG. Nur bei offensichtlich gegen das Unternehmensinteresse gerichteten Weisungen besteht ein Weigerungsrecht.
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
der Vorstand der abhängigen AG keinerlei Weisung des herrschenden Unternehmens unterworfen. Er hat eigenverantwortlich (§ 76 AktG) zu entscheiden, ob er eine veranlasste Maßnahme ausführen will953; sein Entscheidungsmaßstab ist allein das Interesse der abhängigen Gesellschaft.954 Der Vorstand, bei zustimmungspflichtigen Vorgängen auch der Aufsichtsrat, ist zunächst verpflichtet, die Veranlassung unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob dementsprechendes Tun oder Unterlassen einen Nachteil der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zur Folge hat oder schon unabhängig davon nicht beachtet werden muss. Verneint er diese Frage bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt, so darf er sich veranlassungsgemäß verhalten.955 Er ist jedoch auch dann nicht verpflichtet, die Maßnahme auch tatsächlich durchzuführen.956 Daraus folgt, dass dem herrschenden Unternehmen keine unmittelbaren informellen Mittel zustehen, die abhängige AG zur Durchführung der angedachten Maßnahme zu verpflichten. Der Vorstand der abhängigen TochterAG kann lediglich aus Gründen des Unternehmensinteresses der abhängigen Gesellschaft zum Handeln verpflichtet sein.957 Insoweit kann er jedoch einen unternehmerischen Ermessensspielraum ausschöpfen, der für das herrschende Unternehmen die Durchsetzung einer rechtliche Verpflichtung wesentlich erschwert. In der Praxis dürfte sich das herrschende Unternehmen allerdings einer mittelbaren Einflussnahme auf den Vorstand der abhängigen AG bedienen. Nachdem auch die personellen Entscheidungen auf der Konzernebene getroffen und damit die Aufstiegschancen des sich weigernden Vorstands dort entschieden werden, würde sich dieser bei einer Weigerung der Befolgung der Interessen des herrschenden Unternehmens nichts Gutes tun. Daher wird dem herrschenden Unternehmen in der Praxis eine informelle Veranlassung genügen.
II. Formelles Vorgehen nach § 83 AktG Daneben besteht mit einem formellen Vorgehen nach § 83 Abs. 1 AktG, wie erwähnt, für das herrschende Unternehmen als Mehrheitsaktionär in der Haupt952
Bei einer Eingliederung folgt die Weisungsbefugnis aus §§ 323 Abs. 1, 308 Abs. 2 AktG. 953 Vgl. etwa OLG Karlsruhe WM 1987, 533,534; Hoffmann-Becking ZHR 150 (1986), 570, 579. 954 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 579. 955 Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 140. 956 Vgl. Koppensteiner, in KölnKommAktG, § 311 Rn. 139. 957 Diese Pflicht des Vorstands der abhängigen AG besteht dann aber nur dieser gegenüber, wegen der Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft jedoch nicht gegenüber dem herrschenden Unternehmen.
D. Mittel zur „Verpflichtung“ zu Umwandlungsmaßnahmen
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versammlung die Möglichkeit, den Vorstand durch einen Beschluss zur Vorbereitung von Maßnahmen zu verpflichten, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen.958 Die Zuständigkeit der Hauptversammlung ergibt sich aus § 119 Abs. 1 AktG und aus ergänzenden ausdrücklichen Bestimmungen der Satzung.959 Der Katalog des § 119 Abs. 1 AktG bestimmt den Umfang der Kompetenzen der Hauptversammlung nicht abschließend, sondern weist der Hauptversammlung vielmehr alle in Gesetz und Satzung bestimmten Fälle zur alleinigen Entscheidung zu.960 Für Strukturmaßnahmen ist die Hauptversammlung neben den in Abs. 1 Nrn. 5, 6 und 8 genannten Fällen u.a. auch für Verschmelzungen gemäß §§ 65 Abs. 1, 73 UmwG, für Spaltungen gemäß §§ 125 i.V.m. 65 Abs. 2 UmwG und für Rechtsformumwandlungen gemäß §§ 226 i.V.m. 193 Abs. 1 UmwG zuständig. Bei Weigerung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft zur Vorbereitung der von der herrschenden Gesellschaft geplanten Umwandlungsmaßnahmen steht dem herrschenden Unternehmen somit die Möglichkeit zu, den Vorstand zur Vorbereitung der Maßnahme zu verpflichten. Dies hat zwingend durch eine Entscheidung der Hauptversammlung zu erfolgen, kann also nicht durch eine bloße Veranlassung, wie oben aufgezeigt, erfolgen. § 83 Abs. 1 AktG ergibt so, dass die Instrumentalisierung des Vorstands transparent und in Form eines geordneten Verfahrens der Willensbildung und -äußerung zu erfolgen hat. Dieses Verfahren würde unterlaufen, wenn der Vorstand hiervon unabhängig verpflichtet wäre, seine Unternehmensplanung unmittelbar zugunsten des Großaktionärs zu verwirklichen. Außerhalb dieses Verfahrens darf die Befriedigung seiner Interessen zwar Reflex der Unternehmensplanung sein, aber nicht dessen Ziel.961 Gemäß § 83 Abs. 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, die von der Hauptversammlung i.R. ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. Die Vorschrift soll die Kompetenzen der Hauptversammlung effektuieren962 und gewährleisten, dass der entsprechende Beschluss auch umgesetzt wird. Die Ausführungspflicht ist somit ebenfalls Ausprägung der Zweckbindung des Vorstands. Denn hierdurch wird der in der Hauptversammlung gebildete Aktionärswille, der seinerseits Verfolgung des Verbandszwecks ist bzw. den Verbandszweck neu definiert, verwirklicht.963 Sie erstreckt sich vor allem auf die
958
Hüffer, AktG, § 83 AktG Rn. 2. Hüffer, AktG, § 83 AktG Rn. 2. 960 Kubis, in MünchKommAktG, § 119 AktG Rn. 9. 961 Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 281. 962 RegBegr Kropff zu § 83 AktG 1965, S. 104. 963 Vgl. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensplanung, § 14 III, § 15 V 2. 959
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5. Teil: Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Praxis
bei Grundlagenentscheidungen und Strukturmaßnahmen notwendigen Eintragungen ins Handelsregister.964 Diese Ausführungspflicht des Vorstands ist erforderlich, da die Hauptversammlung als Organ der möglicherweise vielen tausend Aktionäre nicht in der Lage ist, die entsprechenden Maßnahmen alleine umzusetzen. § 83 Abs. 2 AktG statuiert daher in gewissem Maße eine Folgepflicht des Vorstands als Vollzugsorgan.965 Diese kann jedoch nicht unbegrenzt gelten. Wie auch die Haftungsprivilegierung des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG sich nur auf die Ausführung gesetzmäßiger Beschlüsse bezieht966, erfährt auch die Ausführungspflicht hierdurch seine Grenze. Wenn nämlich die Befolgung eines gesetzwidrigen Hauptversammlungsbeschlusses nicht die Haftung gegenüber der AG entfallen lässt, kann sich auch die Ausführungspflicht nicht darauf beziehen. Rechtswidrige Beschlüsse darf der Vorstand daher nicht ausführen. Der Vorstand ist daher zu einer Rechtmäßigkeitsprüfung verpflichtet, jedoch nicht zu einer Zweckmäßigkeitskontrolle.967 Für die herrschende Gesellschaft bedeutet dies, dass für sie bei Anwendung des § 83 AktG auch im faktischen Konzern trotz der grundsätzlichen Unabhängigkeit des Vorstands der abhängigen AG von der Konzernleitung die Möglichkeit der Verpflichtung zur Durchführung einer geplanten Umwandlung besteht. Würde sich der Vorstand der abhängigen AG daher weigern, die entsprechende Umwandlungsmaßnahme durchzuführen, könnte er gemäß § 83 AktG verpflichtet werden. Freilich sind dabei die formellen Voraussetzungen, nämlich die Entscheidung durch einen Hauptversammlungsbeschluss, einzuhalten.
964 Zum Beherrschungsvertrag ausdrücklich BGH NJW 1993, 1976, 1977; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3. 965 Vgl. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensplanung, S. 331; Habersack, in GroßKommAktG, § 83 Rn. 11; Martens, in FS Beusch, S. 529, 535. 966 Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensplanung, S. 332 f. 967 Vgl. Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensplanung, S. 333 ff.
Ergebnisse und Thesen 1. Die Frage der Durchführbarkeit von Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG als strukturelle Leitentscheidungen des herrschenden Unternehmens gegenüber abhängigen Aktiengesellschaften ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages oder Eingliederung regeln die §§ 311 ff. AktG sowie das UmwG nur unvollkommen. Doch sind die organisationsrechtlichen Maßnahmen der Verschmelzung oder Spaltung wichtige Möglichkeiten zur Gestaltung und Durchsetzung einer Konzernstrategie, deren ökonomische Bedeutung in der weltweit wachsenden Wirtschaft nach wie vor an Gewicht gewinnt. Umso drängender stellt sich daher für die Unternehmen die Frage eines Risikos der Verpflichtung zum Nachteilsausgleich oder Schadensersatz nach §§ 311 ff. AktG bei der Vornahme derartiger Maßnahmen innerhalb eines Konzerns. 2. Bei Verschmelzungen im Konzern steht die Vereinfachung der Konzernstruktur im Vordergrund. Daneben spielen steuerliche und finanztechnische Gründe eine gewichtige Rolle. Ökonomisch bedeutend ist die Zusammenführung unabhängiger Unternehmen für einen Zusammenschluss „unter Gleichen“ sowie als Wachstumsinstrument. Spaltungen dienen dagegen zur Schaffung divisionaler Strukturen und Spezifikation des Unternehmensbereichs, was zugleich mit einer Isolation von Haftungsrisiken verbunden ist. 3. Werden Umwandlungsmaßnahmen innerhalb eines Konzerns ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung durchgeführt, wird die Tatbestandsvoraussetzung der Abhängigkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG gegeben sein. Eine kausale Veranlassung der abhängigen Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen zur Vornahme der Umwandlungsmaßnahme wird in den für § 311 Abs. 1 AktG relevanten Fällen schon im Vorfeld der Zustimmung der Hauptversammlung zur Umwandlungsmaßnahme stattfinden; um in den Genuss der Privilegierung des § 311 AktG durch den gestreckten Ausgleich innerhalb eines Geschäftsjahres zu kommen, kann die Veranlassung allein im Konzerninteresse erfolgen. 4. Verschmelzungen und Spaltungen sind trotz ihres organisatorischen Charakters als Rechtsgeschäfte i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG anzusehen. Hierfür spricht neben dem Wortlaut von § 311 Abs. 1 Akt zum einen ein systematischer Vergleich der Einflussnahmemöglichkeiten im Vertrags- oder Eingliederungskonzern mit der Verantwortlichkeit bei einfacher Abhängigkeit, dass in all diesen Fällen ein ähnlicher Minderheiten- und Gläubigerschutz gewährleistet werden
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Ergebnisse und Thesen
soll. Zum anderen führt die historische Entwicklung des § 27 UmwG zur Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG auf Umwandlungen. Auch wenn die §§ 311 ff. AktG und das UmwG mit dem Schutz außenstehender Aktionäre und Gläubiger vergleichbare Schutzprinzipien verfolgen, verdrängt das Umwandlungsrecht keinesfalls die §§ 311 ff. AktG. Die Vorschriften haben eine differierende Reichweite und können sich gegen unterschiedliche Beteiligte wenden, so dass sie deshalb nebeneinander stehen. 5. Die §§ 311 ff. AktG verfolgen keinen Schutz der abhängigen Gesellschaft i.S. eines Bestandsschutzes. Ein solcher ist im Aktienrecht nur als formeller Bestandsschutz anzuerkennen, nämlich in der Forderung auf Einhaltung spezieller Verfahren zur Auflösung oder Umwandlung von Gesellschaften. Die §§ 311 ff. AktG verbieten damit grundsätzlich nicht eine Veranlassung zur Vornahme von Verschmelzungen und Spaltungen, obwohl diese zum Erlöschen der abhängigen Gesellschaft führen. 6. § 311 Abs. 1 AktG erlaubt einem herrschenden Unternehmen, eine abhängige AG nur gegen entsprechenden Ausgleich zu einer nachteiligen Maßnahme zu veranlassen. Nachteilig i.S.d. § 311 AktG sind all diejenigen Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die bedingt durch einen Konzernkonflikt zu einer Verschlechterung der Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft führen und auf einem Sorgfaltsverstoß der Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft beruhen. Beim Vergleich der Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft ist wegen des in § 311 AktG verankerten Prinzips des Einzelausgleichs die konkrete tatsächliche Situation der abhängigen Gesellschaft zum Zeitpunkt der Vornahme des zu beurteilenden Verhaltens maßgeblich. Es liegt damit kein Nachteil vor, wenn der Geschäftsleiter einer abhängigen Gesellschaft in einer vergleichbaren Lage und Situation gleichfalls in der konkreten Art und Weise gehandelt hätte; es ist damit immer ein Verhalten des Vorstands der abhängigen AG erforderlich. 7. Der Doppelcharakter von Verschmelzungen und Spaltungen als organisatorische und schuldrechtliche Maßnahmen und die damit verbundenen Zuständigkeiten sowohl der Hauptversammlung als auch des Vorstands beim Zustandekommen dieser Strukturmaßnahmen zwingen zu einer getrennten Beurteilung des organisatorischen und des schuldrechtlichen Teils der Verschmelzung oder Spaltung auf ihre Nachteiligkeit i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG. Unterstützt wird diese notwendige Trennung durch §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 1 UmwG, wonach die Durchführung der Umwandlung auch getrennt von der schuldrechtlichen Frage der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses möglich ist. 8. Die organisatorische Frage, ob eine Verschmelzung oder Spaltung durchgeführt wird, steht grundsätzlich der Hauptversammlung der abhängigen AG zu. Die Entscheidung der Hauptversammlung zur Durchführung einer Verschmelzung oder Spaltung kann keinen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG be-
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gründen. Dies folgt zum einen aus der Kompetenz der Hauptversammlung für diese Entscheidung, während die §§ 311 ff. AktG ein veranlasstes Handeln der Geschäftsleitung der abhängigen AG voraussetzen. Der Hauptversammlungsbeschluss unterliegt dabei nicht einmal einer sachlichen Rechtfertigungskontrolle. Eine solche folgt auch nicht aus entsprechenden Treuepflichten, da das UmwG insoweit eine eigenständige und umfassende Interessenabwägung vornimmt. Mangels Erfordernisses eines sachlichen Grundes existiert somit auch kein Vergleichsmaßstab für einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG. Zum anderen legitimiert das UmwG durch Bereitstellung der verschiedenen Möglichkeiten der Umwandlung deren Vornahme; die mit einer Verschmelzung oder Spaltung notwendig verbundene Vermögensübertragung oder gar das Erlöschen der abhängigen Gesellschaft als übertragender Rechtsträger im Fall der Verschmelzung und Aufspaltung sind damit vom UmwG gebilligt und können nicht im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG zu einer Nachteiligkeit führen. Insoweit scheidet aus diesem Grund auch im Sonderfall des § 62 Abs. 1 UmwG ein Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG aus, wenn der Vorstand einer zur Aufnahme veranlassten abhängigen AG diese organisatorische Entscheidung trifft. 9. Der schuldrechtliche Teil eines Umwandlungsvertrags beinhaltet gemäß §§ 5, 126 UmwG zahlreiche Festlegungen. Vorbereitung und der Abschluss des Umwandlungsvertrages sind Aufgabe des Vorstands der abhängigen Gesellschaft. Hierin liegt ein für § 311 Abs. 1 AktG erforderliches Handeln der Geschäftsleitung der abhängigen AG. 10. Die einzelnen Festlegungen im Verschmelzungsvertrag haben nur zum Teil vermögensmäßige und damit für eine Nachteilsbestimmung im Rahmen von § 311 Abs. 1 AktG relevante Auswirkungen. Die gesamten Folgen für das Vermögen der abhängigen Gesellschaft als übertragender Rechtsträger haben als Bestandteil der Unternehmensbewertung in die Bestimmung des Umtauschverhältnisses einzufließen. Ein Nachteil nach § 311 Abs. 1 AktG ist daher nur dann möglich, wenn der Vorstand der abhängigen AG zur Ausarbeitung und zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrags mit einem unangemessenen Umtauschverhältnis veranlasst wird. 11. Bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses ist von dem Grundgedanken auszugehen, dass den Anteilinhabern der übertragenden Rechtsträger für den Verlust ihrer Anteile eine vermögensmäßig entsprechende Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren ist, wobei dadurch weder deren Rechtsstellung noch die der Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers beeinträchtigt werden soll. Das Umtauschverhältnis ist angemessen, wenn eine Gleichwertigkeit von Leistung (Aufgabe der Beteiligung an dem übertragenden Rechtsträger) und Gegenleistung (Gewährung von Anteilen an dem übernehmenden Rechtsträger) erreicht wird. Die Anteilseigner der beteiligten Rechts-
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träger dürfen auch nach dem UmwG nach der Verschmelzung oder Spaltung nicht schlechter gestellt werden. 12. Die Bestimmung des Umtauschverhältnisses hat Auswirkungen auf das Vermögen der Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft. Die Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses führt auf Seiten der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zu einer Vermögensbeeinträchtigung. Der übertragende Rechtsträger oder dessen Gläubiger erleiden selbst keine Vermögensbeeinträchtigung. Dass die abhängige Gesellschaft bei einer Verschmelzung oder Aufspaltung selbst erlischt und alles Vermögen „verliert“, ist wegen der gesetzlichen Legitimation der Verschmelzung für einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG nicht relevant. 13. Auch wenn die Definition des Nachteils i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG grundsätzlich eine Verschlechterung der Vermögens- und Ertragslage der abhängigen Gesellschaft verlangt, fällt auch die Situation, dass lediglich die außenstehenden Aktionäre beeinträchtigt sein können, in den Schutzbereich der §§ 311 ff. AktG. Der Schutz der abhängigen Gesellschaft ist nach der Konzeption der §§ 311 ff. AktG nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Schutz der Individualinteressen der Minderheitsaktionäre und Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, die sich im Eigeninteresse der geschützten Gesellschaft wieder finden lassen. Nur mit diesem Verständnis kann ein vergleichbarer und effizienter Schutz der Minderheitsaktionäre bei Vorgängen nach dem UmwG sowie bei Einzelübertragungen außerhalb des UmwG erreicht werden. 14. Auch die Festlegungen im Spaltungsvertrag haben nur teilweise Vermögensrelevanz und sind im Fall einer Aufspaltung oder Abspaltung bei der Festlegung eines angemessenen Umtauschverhältnisses, bei der Ausgliederung bei der angemessenen Beteiligung der übertragenden Gesellschaft am übernehmenden Rechtsträger zu berücksichtigen. Wie bei der Verschmelzung kann der Spaltungsvertrag nur bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses bzw. einer unangemessenen Beteiligung das Vermögen der Aktionäre bzw. der ausgliedernden Gesellschaft beeinträchtigen und dadurch nachteilig i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG sein. 15. Keinen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG können mit einer Abspaltung oder Ausgliederung verbundene Satzungsänderungen begründen. Auf diese bloßen Organisationsentscheidungen der Hauptversammlung sind die §§ 311 ff. AktG weder unmittelbar noch analog anwendbar. 16. Die §§ 311 ff. AktG beinhalten keine Grenzen für den Umfang des zu übertragenden Vermögens bei der Abspaltung oder Ausgliederung. Wie bei der Verschmelzung und Aufspaltung ist die Übertragung von Vermögen der Umwandlung wesenseigen und Bestandteil des organisatorischen Charakters der Strukturmaßnahme. Die Bereitstellung dieser Möglichkeiten durch das UmwG
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enthält eine Billigung dieses Vorgangs, welcher durch das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung den Anteilseignern übertragen ist und zum Schutz von Minderheiten eine Zustimmung einer Dreiviertelmehrheit der Hauptversammlung voraussetzt. Bei der Abspaltung und Ausgliederung sind allerdings statuarische Vorgaben, insbesondere der Gesellschaftszweck und Unternehmensgegenstand der verbleibenden Restgesellschaft, zu beachten. Bei Missachtung oder Nichtanpassung der satzungsmäßigen Vorgaben können die entsprechenden Hauptversammlungsbeschlüsse anfechtbar sein; unter Umständen kann eine schuldhafte, mit dem Satzungsverstoß verbundene Existenzgefährdung der verbleibenden Gesellschaft zu Schadensersatzansprüchen gegen das herrschende Unternehmen führen. In Zweifelsfällen ist der herrschenden Gesellschaft daher eine mit der Umwandlung einhergehende Satzungsänderung zu empfehlen. 17. Bei der Ausgliederung zur Neugründung erhält die übertragende Gesellschaft alle Anteile am neugegründeten Rechtsträger ohne Anteilstausch. Mangels Umtauschverhältnis kann eine Ausgliederung zur Neugründung daher niemals eine Vermögensbeeinträchtigung und damit keinen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründen. Bei der Ausgliederung zur Aufnahme kann bei unangemessener Beteiligung der übertragenden Gesellschaft am aufnehmenden Rechtsträger diese selbst eine Vermögensbeeinträchtigung erleiden und gemäß § 311 AktG einen Nachteilsausgleich verlangen. 18. Auf der Ebene einer 100%-Tochtergesellschaft führen weder Verschmelzungen noch Auf- und Abspaltungen zu einer Vermögensbeeinträchtigung des herrschenden Unternehmens als alleiniger Anteilsinhaber; es findet lediglich eine Umschichtung der Beteiligungswerte statt, die nicht zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG führen. Lediglich die Ausgliederung zur Aufnahme aus einer 100%-Tochtergesellschaft kann bei einer unangemessenen Beteiligung der übertragenden abhängigen AG am aufnehmenden Rechtsträger zu einer Beeinträchtigung der Vermögenslage der abhängigen Gesellschaft führen und somit einen Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG begründen. 19. Durch das herrschende Unternehmen veranlasste Verschmelzungen und Spaltungen auf der Ebene einer 100%-Enkelgesellschaft sind in gleicher Weise zu behandeln wie Umwandlungen bei Vorhandensein außenstehender Aktionäre (nämlich hier der Tochtergesellschaft als alleinige Anteilsinhaberin der Enkelgesellschaft). Daher können Verschmelzungen und Spaltungen von Enkelgesellschaften nur bei Festlegung eines unangemessenen Umtauschverhältnisses bzw. bei einer Ausgliederung zur Aufnahme bei einer unangemessenen Beteiligung zu einer Vermögensbeeinträchtigung und damit zu einem Nachteil i.S.v. § 311 Abs. 1 AktG führen. 20. Eine mögliche Verpflichtung zum Nachteilsausgleich aufgrund eines unangemessenen Umtauschverhältnisses und die Möglichkeit der Verbesserung
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des Umtauschverhältnisses gemäß § 15 Abs. 1 UmwG i.V.m. SpruchG verdrängen sich nicht, sondern bestehen wegen unterschiedlicher Anspruchsrichtung nebeneinander. Der entsprechende Nachteil ist durch Barzahlung an die Aktionäre bzw. die ausgliedernde Gesellschaft auszugleichen. 21. Bei der Verschmelzung und Aufspaltung wird mit Erlöschen der übertragenden Gesellschaften ein Nachteilsausgleich innerhalb des Geschäftsjahres unmöglich, so dass bei Nachteiligkeit der Maßnahme mit dem Erlöschen der Gesellschaft ein Schadensersatzanspruch gegen das herrschende Unternehmen gemäß § 317 AktG entsteht. Bei der Geltendmachung des Anspruchs aus § 317 AktG gelten die erloschenen Rechtsträger nach § 25 UmwG als fortbestehend. 22. Die Ansprüche der Aktionäre auf Schadensersatz gemäß § 317 Abs. 1 S. 2 AktG und auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses gemäß § 15 Abs. 1 UmwG bestehen trotz überschneidenden Inhalts, aber wegen unterschiedlicher Anspruchsrichtung nebeneinander. Vorrangig soll nach der Wertung des UmwG das Spruchverfahren durchgeführt werden, um einen Ausgleich zwischen den an der Vermögensübertragung unmittelbar beteiligten Rechtsträgern durchführen zu können. Ein Verstreichenlassen der Fristen nach dem SpruchG ist bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs nach § 317 AktG gegen das herrschende Unternehmen im Rahmen eines Mitverschuldens zu berücksichtigen. 23. Ist die veranlasste Verschmelzung oder Spaltung wegen Festlegung eines angemessenen Umtauschverhältnisses nicht nachteilig i.S.v. §§ 311 ff. AktG und entspricht den statuarischen Vorgaben der Tochtergesellschaft, besteht wegen der Eigenständigkeit der bloß abhängigen AG keine Folgepflicht des Vorstand der Tochtergesellschaft zur Vornahme der Strukturmaßnahme. Das herrschende Unternehmen muss versuchen, durch informelle Einflussnahme die Durchsetzung der Maßnahme zu erreichen. Scheitert dies, steht dem herrschenden Unternehmen ein formelles Vorgehen nach § 83 AktG zur Verfügung, wonach die abhängige Gesellschaft durch wirksamen Beschluss der Hauptversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit zur Vorbereitung und Durchführung der veranlassten Verschmelzung oder Spaltung verpflichtet werden kann. Eine Weigerung des Vorstands der Tochtergesellschaft gegen einen Beschluss nach § 83 AktG kann diesen zu Schadensersatz verpflichten.
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Sachwortverzeichnis Abfindung 82 Abhängigkeit 44, 105 – mehrstufige 46 – mittelbare 46 – unmittelbare 46 – wirtschaftliche 106 Abhängigkeitsbericht 42, 268 Abschlussprüfung 268 Abspaltung 32, 52, 194, 245 Aktionärsinteresse 157 Anfechtungsklage 214, 269 Angemessenheit 69, 254 Anlegerschutz 92 Anteilseigner – Identität 29, 33 Anteilsübertragung 162, 199 Anwachsung 25 Arbeitnehmerschutz 94, 170 Auflösung 138, 155 Aufsichtsrat 41, 54, 78, 215 – im Konzern 51 – Prüfung des Abhängigkeitsberichts 268 Aufspaltung 32, 208, 242 Ausgleichszahlung 82 Ausgliederung 33, 181, 207, 226, 247, 253 – zur Aufnahme 257 Barabfindung 134, 260, 264 Beherrschungsvertrag 47, 72, 77, 81, 82, 178 – Weisungsbefugnis 78 Besonderer Vertreter 266 Bestandsinteresse Siehe Eigeninteresse
Bestandsschutz 84, 87 Bestandsübertragung 26 Bestimmtheitsgrundsatz 200 Bewertungsstichtag 176 Bezugsrechtsausschluss 128 Business judgement rule 111 Dividendenanspruch 248 downstream merger 125, 231 Eigeninteresse 85, 87, 90, 190 Eingliederung 25, 47, 79, 81 – Weisungsbefugnis 80 Enkelgesellschaft 240, 250 Ermächtigungsbeschluss 248 Ertragswertmethode 179 Exekutivakte 206 Existenzgefährdung 88, 270 Existenzvernichtender Eingriff Siehe Existenzgefährdung Firma 160, 204 Formwechsel 25, 26 Gesamtrechtsnachfolge 248 Geschäftsführung 61 Geschäftsleiter 106 – unternehmerisches Ermessen 108 Geschäftsleitung 64, 157, 276 Gesellschaftszweck 131, 145, 205 – Änderung 217 Gewinnberechtigung Siehe Gewinnbeteiligung Gewinnbeteiligung 164
298
Sachwortverzeichnis
Gläubigerschutz 83, 92, 93, 210, 235, 241 Gleichbehandlung Siehe Gleichbehandlungsgrundsatz Gleichbehandlungsgrundsatz 129, 135, 146, 168 Grundlagenentscheidung 122, 125 Grundlagengeschäft 151 Haftungsdurchgriff 270 Hauptversammlung 61, 120, 121, 148, 212, 273 – sachliche Rechtfertigung 127, 129, 145 – Zustimmungsbeschluss 61, 64, 119, 195 Holzmüller 122 Kapitalerhöhung 182, 237, 240, 242 – Erfordernis 237 Kapitalerhöhungsverbot 232 Kausalität 64, 203 – Hauptversammlungsbeschluss 64 Konfusion 266 Konzern – Begriff 49 – einheitliche Leitung 48 – faktischer 48, 80 – Leitungsgrundsätze 52 – Leitungspflicht 52 – Leitungsverantwortung 50 Konzerninteresse 66, 77, 84, 144, 239 Konzernverschmelzung 155, 191, 231 Kreditinstitut 270 Landgericht – Zuständigkeit 260 Liquidation 150 Maßnahme – Definition 69 Minderheitenschutz 82, 92, 98, 133, 134, 143, 156, 210, 233, 263 Mischverschmelzung 164
Mitbestimmung 95 Mitverschulden 264 Nachteil 99, 116, 124, 147, 153, 193, 202, 251 – Begriff 99, 102 – Folgen 37 – nicht quantifizierbar 113 – Passive Konzerneffekte 115 – Reflexschäden 114 Nachteilsausgleich 38, 83, 189, 210, 253, 255 – Durchsetzbarkeit 256 – Festlegung 256 – Formen 38 – Inhalt 257 – Zeitpunkt 258 Nachteilsermittlung 112, 118 – Stichtag 115 Nachteilszufügung – qualifizierte 54 Organisationsakt 74, 75, 123 Pflichtverletzung 111 Realteilung 30 Rechtsgeschäft – Definition 68 – Umwandlungen 69 Satzungsänderung 74, 148, 204, 216 Schaden 103, 116 Schadensersatzanspruch 99, 189, 259 – Durchsetzung 259 – Geltendmachung 265 Schadensersatzpflicht 40 Sicherheitsleistung 155, 187 sidestep-merger Siehe sidestream merger sidestream merger 124, 231 Sitz 160 Sonderrechte 168, 169 Sondervorteile Siehe Sonderrechte
Sachwortverzeichnis Spaltung 29, 74, 95, 193 – Arten 32 – historische Entwicklung 29 – nicht-verhältniswahrende 202 – sachliche Rechtfertigung 195 – von Kapitalgesellschaften 30 Spaltungsvertrag – fakultativer Inhalt 204 Spruchverfahren 124, 132, 193, 260 Strukturänderungen – Motivation 33 Teilbetrieb 209 Tochtergesellschaft – Eigenständigkeit 53 Treuepflicht 130, 135, 138, 234 – Alleingesellschafter 143 – Auswirkungen 145 – Herleitung 135 – im Unternehmensverbund 139 Umtauschrelation Siehe Umtauschverhältnis Umtauschverhältnis 132, 160, 166, 172, 182, 197, 213, 228, 252, 267 – bare Zuzahlung 182 – bei Ausgliederung 199 – Berechnung 181 – Börsenwert 179 – Ermittlung 172, 177, 198 – Verbesserung 192, 254, 263 – Verkehrswert 177 Umwandlung 24 – Doppelcharakter 118 – Rechtsnatur 75 Umwandlungsbericht 212 Umwandlungsvertrag 75 – Austauschvertrag 76 – dingliche Wirkung 76 – Doppelcharakter 123 Unabhängigkeit – Fiktion 105 Unternehmensbewertung 175 Unternehmensgegenstand 145, 205
299
– Änderung 222 Unternehmensvertrag 24 upstream merger 124, 184, 231, 263
Veranlassung 203, 206, 271 – Adressat 58 – Begriff 56 – Beweiserleichterung 58, 62 – Formelle 272 – Formen 57, 60 – Informelle 271 – Urheber 58 Verfahrensförderungspflichten 260 Vermögensbeeinträchtigung Siehe Vermögenseinbuße Vermögenseinbuße 184, 186, 241 Vermögensrelevanz 163, 183, 204 Vermögensschutz 81, 92, 160, 213, 236 Vermögensübertragung 25 – Einzelübertragung 150, 191 – Grenzen 208 – Umfang 161 Verschmelzung 70, 74, 95 – durch Aufnahme 28 – durch Neugründung 28 – Formen 28 – historische Entwicklung 27 Verschmelzungsbericht 133, 232 Verschmelzungsprüfung 134 Verschmelzungsstichtag 167, 176 Verschmelzungsvertrag – organisatorischer Teil 123 – schuldrechtlicher Teil 159 Versicherungsgesellschaft 26 Vertragskonzern Siehe Beherrschungsvertrag Vorstand 71, 120, 126, 152, 210, 274 Wechselseitige Beteiligung 247 Zweckmäßigkeitsprüfung 152, 195