Cash Pooling im deutschen und türkischen Konzernrecht unter den Aspekten von Kapitalerhaltung und -aufbringung [1 ed.] 9783428555239, 9783428155231

»Cash Pooling under the Aspects of Capital Preservation and Capital Raising in German and Turkish Group Law«The thesis a

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German Pages 538 Year 2018

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Cash Pooling im deutschen und türkischen Konzernrecht unter den Aspekten von Kapitalerhaltung und -aufbringung [1 ed.]
 9783428555239, 9783428155231

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Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 3

Cash Pooling im deutschen und türkischen Konzernrecht unter den Aspekten von Kapitalerhaltung und -aufbringung

Von

Funda Özdin

Duncker & Humblot · Berlin

FUNDA ÖZDIN

Cash Pooling im deutschen und türkischen Konzernrecht unter den Aspekten von Kapitalerhaltung und -aufbringung

Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 3

Cash Pooling im deutschen und türkischen Konzernrecht unter den Aspekten von Kapitalerhaltung und -aufbringung

Von

Funda Özdin

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 2567-5427 ISBN 978-3-428-15523-1 (Print) ISBN 978-3-428-55523-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85523-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meinen Vater Hasan Özdin und meinen Bruder Y. Yavuz Özdin, die während des Schreibens der Arbeit diese Welt verlassen haben. Niemals geht man aber so ganz …

Vorwort Diese Arbeit wurde der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität zu Berlin im Jahre 2017 als Dissertation vorgelegt. Die mündliche Prüfung fand im Januar 2018 statt. Rechtsprechung und Literatur sind bis Januar 2018 berücksichtigt. Die Erstellung dieser Arbeit war für mich eine Herausforderung und zugleich in vielerlei Hinsicht eine bereichernde Erfahrung. Eine langjährige wissenschaftliche Arbeit ist sicherlich niemals das Werk einer einzelnen Person. Deshalb möchte ich diesen Anlass nutzen, um mich bei allen Menschen zu bedanken, die mich in dieser herausfordernden Phase meiner akademischen Laufbahn begleitet, mich in vielfältiger Art und Weise unterstützt und mir somit die Erstellung meiner Dissertation ermöglicht haben. Mein besonderer Dank gilt zunächst meiner Doktormutter, Prof. Dr. Christine Windbichler, LL.M. (Berkeley), die mir fachlich und menschlich ein Vorbild bleiben wird. Das Thema der Dissertation, womit ich mich jahrelang voller Begeisterung befasst habe, beruht auf ihrem Vorschlag. Hierfür, für die hervorragende Betreuung meines Dissertationsvorhabens und ganz besonders für ihre jederzeit vorhandene Hilfsbereitschaft möchte ich mich bei ihr von ganzem Herzen bedanken. Zu ganz besonderem Dank bin ich ihr außerdem für die während der Promotionszeit von ihr angebotenen „Werkstattrunden“ verpflichtet, bei denen wertvolle bereichernde wissenschaftliche Diskussionen und Austausch unter den Doktoranden in einer freundlichen Atmosphäre stattgefunden haben. Dank dieser lehrreichenden interaktiven Veranstaltungen hatte ich nicht nur die Möglichkeit, meine juristischen Kenntnisse bzw. Betrachtungsweisen zu erweitern und immer wieder Neues dazuzulernen, sondern auch die Gelegenheit immer in Kontakt mit meinen Mitdoktoranden zu bleiben und dadurch dem in der Schreibphase einer Dissertation herrschenden bekannten „alleine-sein-und-auf-sich-selbst-gestellt“-Gefühl zu entkommen. Meine Promotionszeit bei meiner verehrten Doktormutter war in vielfältiger Hinsicht eine Bereicherung und eine überaus wertvolle Erfahrung, wofür ich mich bei ihr wohl niemals genug bedanken kann. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Gregor Bachmann, LL.M. (Michigan), für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens und seine wertvollen Anmerkungen sowie bei Herrn Prof. Dr. Christoph Paulus, LL.M. (Berkeley), für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission. Ein herzliches Dankeschön gilt zudem Frau Heike Fach für ihre stete Hilfsbereitschaft und ausgesprochene Freundlichkeit.

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Vorwort

Hiermit möchte ich mich auch beim türkischen Bildungsministerium ganz herzlich bedanken, welches mich während der Promotionszeit durch ein großzügiges Stipendium finanziell unterstützt und mir damit ausgedehnte und komfortable Forschungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt hat. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Cemal Yıldız, dem Leiter der Abteilung für Bildungswesen der Botschaft der Republik Türkei und der Mitarbeiterin Frau Hülya Kunig, die mir bei allen Schwierigkeiten beigestanden haben. Hier darf die Staatsbibliothek zu Berlin (Potsdamer Straße) nicht unerwähnt bleiben, in der die Arbeit größtenteils zustande gekommen ist. Ohne die umfangreichen Quellen und die hervorragende Arbeit der Angestellten dieser Bibliothek wäre diese Arbeit nicht zu dem Werk geworden, welches sie heute ist. Von ganz besonderem Wert ist für mich die Freundschaft, die sich in der Zeit meines „StabiAufenthalts“ zu Frau Gabriela Witt entwickelt hat. Bei ihr möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken, dass sie mich durch ihre Freundlichkeit in der Bibliothek, in der ich jahrelang sechs Tage pro Woche verbracht habe, zu Hause fühlen ließ. Ein herzlicher Dank gebührt weiterhin meinen lieben Freunden, durch die ich meine Promotionszeit in Berlin in schöner Erinnerung behalten werde. Ganz herzlich möchte ich mich an dieser Stelle bei Dr. Corina Meyer und Pascal Bading für ihre unbezahlbare Freundschaft, ihre Unterstützung und insbesondere für ihre motivierenden Worte während so manch müder Stunde bedanken. Nicht zu vergessen sind unsere gemeinsamen heiteren und motivierenden Mittags- bzw. Kaffeepausen bei Ahmet & Stefanie. Für die lebenswichtige Kaffeeversorgung und für die vielen gemütlichen Mittagspausen sowie Grillabende möchte ich mich ganz herzlich bei Ahmet Korubay und Stefanie Pfeifer bedanken. Ich wusste nicht, wie ich manch stressigen Tag ohne die ermutigenden Gespräche mit Ahmet hätte überleben können. Von größter Bedeutung ist mir die unbezahlbare Freundschaft von meinen „Schicksalsgenossen“, mit denen ich nach Deutschland im Rahmen desselben Promotions-Förderungsprogramms mit derselben Absicht „Promovieren“ gereist bin. In diesem Zusammenhang gilt mein größter Dank zunächst Dog˘ a Akyürek, Arzu Deveci Kaygusuz und Berçin Kuzu, dass sie mir in den schwierigsten Zeiten meiner Promotionszeit immer beigestanden, mir Mut zugesprochen haben und mit ihrer moralischen Unterstützung sowie steten Hilfsbereitschaft immer für mich da waren. Nicht zu vergessen sind unsere gemeinsamen „Berliner Tage und Nächte“, unsere heiteren Ausflüge in Deutschland sowie Europa, die uns von unserem „Mammutwerk“ Dissertation abgelenkt haben. Es war ein beruhigendes Gefühl zu wissen, Freunde um mich zu haben, auf die ich mich immer verlassen konnte – hierfür danke ich ihnen aufrichtig. Ebenso danke ich Merve Uysal, die mich durch ihren motivierenden Zuspruch, ihre stete Hilfsbereitschaft und wertvolle fachliche Diskussionen unterstützt hat. Ich weiß es zu schätzen, dass ich mich immer auf sie verlassen konnte. Dr. Hilal Kaya muss ich dafür danken, dass sie mir durch ihre spontanen Organisationen, gelassene Fröhlichkeit und humorvolle Art beim Stressabbau geholfen und unsere Promotionszeit in Berlin verschönert hat.

Vorwort

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Besonders möchte ich an dieser Stelle meinen lieben Freunden Dog˘ a Akyürek, Engin Diri und Eva Flug meinen größten Dank aussprechen, dass sie mich mit der einfach besten Mischung aus Humor, Feingefühl, Verständnis, persönlichem Interesse und Verlässlichkeit in jeder Hinsicht unterstützt haben. Nicht nur für ihr „Immerfür-mich-da-sein“, sondern auch dafür bin ich ihnen aufrichtig dankbar, dass sie mich immer daran erinnert haben, dass es andere heitere Dinge in der Welt neben meiner Dissertation gibt. Sie waren meine „kleine Familie“ in Berlin, wofür ich meine Dankbarkeit nicht genug ausdrücken kann. Zu besonderem Dank bin ich zudem meinen Freunden Dr. Alexander Jakovljevic´ und Pascal Bading verpflichtet, die sich viel Zeit für das sorgfältige Korrekturlesen des fertigen Entwurfs genommen haben. Mein größter Dank gilt meiner Familie. Meinen Eltern und allen meinen Geschwistern danke ich von Herzen, dass sie mich auf meinem bisherigen Lebens- bzw. Bildungsweg vorbehaltlos und unermüdlich unterstützt, gefördert und gefordert haben. Durch ihren steten Rückhalt, ihren motivierenden Zuspruch und ihre Liebe haben sie mir nicht nur bei der Bewältigung aller möglichen Stolpersteine in meinem Leben geholfen, sondern auch im wesentlichen Maße zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Meiner Schwester Av. Hanife Özdin möchte ich an dieser Stelle meinen größten Dank aussprechen, da sie mir als Juristin den Sinn der Gerechtigkeit beigebracht und mich in jedem Bereich des Lebens immer unterstützt hat. ˙Istanbul, im September 2018

Funda Özdin

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Kapitel 1 Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

35

§ 1 Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 2 Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Kapitel 2 Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

107

§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Im deutschen Recht § 2 Im faktischen GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 § 3 Im faktischen AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Im türkischen Recht § 4 Im faktischen AG- und GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Kapitel 3 Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung

337

§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Im deutschen Recht § 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Im türkischen Recht § 3 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427

8

Inhaltsübersicht Kapitel 4 Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

480

§ 1 Allgemein zum Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 § 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 § 3 Unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Bedeutung des Cash Pooling im Konzern und der Gegenstand der Untersuchung 27 B. Motivation und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Kapitel 1 Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

35

§ 1 Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 A. Funktion des Cash Pooling in der Konzernfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Konzernfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Finanzierungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Allgemeine unternehmensorientierte Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Konzernspezifische Art der Finanzierung: (konzern-)interne Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Cash Pooling als Bestandteil von Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Begriffliche Abgrenzung von Cash Management und Cash Pooling . . . . . . . 40 II. Definition von Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. Ziele von Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 IV. Aufgaben von Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 V. Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Wesen und Ziel des Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Arten des Cash Pooling und ihre Funktionsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Physisches/Effektives Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Virtuelles/Fiktives Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Kombination von physischem und virtuellem Cash Pooling . . . . . . . . 53 VI. Abgrenzung von Cash Pooling zu Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

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Inhaltsverzeichnis C. Vorteile und Risiken von Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Optimaler Umgang mit der im Konzern vorhandenen Liquidität . . . . . . . 57 a) Verwendung der Konzernüberschüsse zur Finanzierung . . . . . . . . . . . 57 b) Liquiditätssicherung mit geringerer zentraler Liquiditätsreserve . . . . . 58 2. Ersparnis der Zinsdifferenz zwischen Soll- und Habensalden (Interner Zinseffekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Größenvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Bessere Zinskonditionen (Externer Zinseffekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Besseres Rating i.S.v. Basel-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 c) Unmittelbarer Zugang zu den Kapitalmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Senkung der Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Nutzung günstigerer länderübergreifender Konditionen . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Internationales Steuergefälle (Niedrigere Steuerbelastung) . . . . . . . . . 61 b) Chancen aus finanzmarktlichen Konditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 6. Bessere Überwachung und frühzeitiges Reagieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 7. Stärkung finanzieller Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Verschärfung von Bonitätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Ausstrahlung wirtschaftlicher Schwierigkeiten („Dominoeffekt“) . . . . . . 66 3. Verzicht auf Risikostreuung („Klumpenrisiko“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Finanzielle Abhängigkeit und Existenzgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Entstehen gesamtschuldnerischen Haftungsverbundes . . . . . . . . . . . . . . . 68 6. Unzulässiger Liquiditätsabzug von Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . 69 7. Verschlechterung der Ertragssituation der Tochtergesellschaften durch Liquiditätsentzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 8. Beschränkung finanzwirtschaftlicher Entscheidungsbefugnis der Leitungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 9. Abhängigkeit vom Cash Pool anbietenden Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . 71 10. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 D. Zwischenergebnis zur wirtschaftlichen Bedeutung von Cash Pooling . . . . . . . . . . 72

§ 2 Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 A. Vertragsrechtliche Beziehungen zwischen den Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Rechtsverhältnisse zwischen den Konzernunternehmen und der Betreibergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Interne Cash Pooling-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Hauptgegenstand des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Verrechnungskonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Ergänzende Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Inhaltsverzeichnis

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3. Rechtliche Qualifikation der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Im türkischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Rechtsverhältnisse zwischen den Konzernunternehmen und dem Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Externe Cash Pooling-Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Hauptgegenstand des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Kontoverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 c) Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 d) Gesamtschuldnerische Mithaftung bzw. Besicherung des Zielkontos 84 e) Ergänzende Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Rechtliche Qualifikation der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Rechtsverhältnisse der einzelnen Konzernunternehmen untereinander . . . . . 86 IV. Beendigung der internen bzw. externen Cash Pooling-Vereinbarungen . . . . . 87 1. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Grundlagen des außerordentlichen Kündigungsrechts . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Im türkischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Kündigung durch die Betreibergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Kündigung durch die Poolgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Kündigung durch das Kreditinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Rechtsfolgen der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 B. Rechtsgrundlage der konzerninternen Zahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Vertrag sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 III. Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Kapitel 2 Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

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§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Im deutschen Recht § 2 Im faktischen GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 A. Kapitalerhaltung in GmbH, § 30 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

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Inhaltsverzeichnis B. Rechtsentwicklung bezüglich der Zulässigkeit der aufsteigenden Darlehen bis MoMiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. (Neu-)Regelung durch MoMiG und Rückkehr zur „bilanziellen Betrachtungsweise“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 D. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Cash Pooling-Darlehen nach § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I. Vollwertigkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Bilanzielle Bewertung und Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers . . . 116 2. Berücksichtigung von Klumpenrisiko i.R.d. Vollwertigkeitsprüfung? . . . 120 3. Berücksichtigung eines Frühwarnsystems? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4. Maßgeblicher Zeitpunkt der Vollwertigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Erfordernis der Verzinsung und/oder Besicherung des Darlehens . . . . . . . . . 125 1. Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Verzinsungspflicht aufgrund bilanzieller Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Verzinsungspflicht aufgrund des „Deckungsgebots“ . . . . . . . . . . . . . . 130 c) Verzinsungspflicht als Erfordernis der Vollwertigkeit („Drittvergleichsprüfung“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) „MPS“-Rechtsprechung des BGH zur Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . 135 e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Besicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Bei „Teilwertigkeit“ des Rückerstattungsanspruchs: „Anrechnungslösung“ oder „Alles-oder-Nichts“-Prinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IV. Exkurs: Kapitalerhaltungsrechtliche Irrelevanz der Liquiditätslage . . . . . . . . 153 E. Zur Frage der Besicherung von Verbindlichkeiten der Betreibergesellschaft . . . . 154 I. Berücksichtigung des Freistellungs- oder Rückgriffsanspruchs unter dem „Vollwertigkeitskriterium“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Zeitpunkt des Auszahlungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Vergleich der Ansichten mit Blick auf ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 F. Handlungspflichten und Haftung der Geschäftsführer der Poolgesellschaft . . . . . 160 I. Vor der Liquiditätszufuhr auf das Zentralkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Vollwertigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 3 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Nach der Liquiditätszufuhr auf das Zentralkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Nachträgliche Beobachtungs- bzw. Reaktionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

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3. Haftung unmittelbar nach § 43 Abs. 3 GmbHG beim Stehenlassen der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 III. Liquiditätsbeobachtungspflicht gemäß § 64 S. 3 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . 169 IV. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 V. Prüfungs- und Kontrollpflicht bei aufsteigenden Sicherheiten . . . . . . . . . . . . 172 G. Erstattungspflicht des Auszahlungsempfängers im Falle verbotener Auszahlung, § 31 Abs.1 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Inhalt und Umfang der Erstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Zur Besonderheit des Schuldners des Erstattungsanspruchs im Cash Pooling 176 1. Verwaltung des Cash Pools durch die Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . 177 2. Verwaltung des Cash Pools durch eine Betreibergesellschaft . . . . . . . . . . 178 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 H. Verantwortung der Konzerngeschäftsleiter hinsichtlich der Überwachung der Vollwertigkeit in der Praxis des Cash Pooling? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Analoge Anwendung § 317 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Konzernleitungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 IV. Existenzvernichtungshaftung, §§ 826, 830 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 V. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 § 3 Im faktischen AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 A. Kapitalbindung in der unverbundenen AG, § 57 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Das Prinzip der umfassenden „Vermögensbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Die (Neu-)Regelung des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Rechtsfolge der Einlagenrückgewähr, § 62 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 B. Konzernrechtliche Sonderregelungen und Vermögensschutz, §§ 311 ff. AktG . . . 196 I. Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Nachteilsbegriff der §§ 311, 317 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 C. Vergleich § 57 AktG und §§ 311 ff. AktG mit Blick auf ihre Schutzsysteme bzw. -zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 D. Das Verhältnis zwischen den §§ 311 ff. AktG und des § 57 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 AktG 202 I. Überblick über die alte Rechtslage (§ 57 AktG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Fragestellungen in der aktuellen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Die Anwendbarkeit der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG bei der Nachteilsfeststellung i.S.d. § 311 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Die Bewertungen der „MPS“-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Die Gegenansicht und die Kritik der „MPS“-Entscheidung . . . . . . . . . . . 208

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Inhaltsverzeichnis 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 E. Nachteiligkeit der Cash Pooling-Darlehen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Verschlechterte Liquiditätslage wegen des Liquiditätsabzugs . . . . . . . . . . . . 216 IV. Lange Laufzeiten und Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 V. Klumpenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 VI. Die Konzentration der Bankbeziehungen der Poolgesellschaften . . . . . . . . . . 221 VII. Unterlassen der Einrichtung eines Informations- und Frühwarnsystems . . . . 221 F. Handlungspflichten und Haftung des Vorstands der Poolgesellschaft . . . . . . . . . . 222 I. Grundsatz: Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung . . . . . . . . 222 II. Pflicht zur Vollwertigkeitsprüfung vor der Valutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 III. Fortlaufende Pflicht zur Vollwertigkeitsprüfung nach der Valutierung . . . . . 224 IV. Haftungsgrundlage beim Stehenlassen der Forderung i.F.d. Bonitätsverschlechterung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 V. Prüfung der Nachteiligkeit unter anderen Gesichtspunkten . . . . . . . . . . . . . . 227 VI. Exkurs: Liquiditätsbeobachtungspflicht gemäß § 92 Abs. 2 S. 3 AktG . . . . . 228 G. Verantwortung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter 229 I. Pflicht zur Einrichtung eines Informations- und Frühwarnsystems . . . . . . . . 229 II. Pflicht zur fortlaufenden Vollwertigkeitsprüfung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Herrschende Ansicht: Gegen die fortlaufende Prüfungspflicht . . . . . . . . 231 2. Mindermeinung: Für die fortlaufende Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Herleitung der Prüfungspflicht aus § 317 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . 234 b) Herleitung der Prüfungspflicht aus der Konzernleitungspflicht . . . . . . 236 c) Folge der Prüfungspflicht: Primärverantwortlichkeit der Konzerngeschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 H. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Im türkischen Recht § 4 Im faktischen AG- und GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 A. Der Grundsatz der „Kapitalerhaltung“ bei der unverbundenen AG . . . . . . . . . . . . 247 I. Terminologische und inhaltliche Ungenauigkeit des Begriffs . . . . . . . . . . . . . 247 II. Diskussionen zum Kapitalschutzssystem der unverbundenen AG . . . . . . . . . 248 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Überblick über das Kapitalschutssystem in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . 249 3. Meinungszustand in der türkischen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Inhaltsverzeichnis

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III. Besondere Regelung bezüglich der Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter, Art. 358 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Die ursprüngliche Fassung des Art. 358 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3. Die geltende Fassung des Art. 358 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4. Stellungnahme: Art. 358 tHGB kann nicht losgelöst aus dem zentralen Grundsatz des Vermögensschutzes (Art. 480 Abs. 3 tHGB) interpretiert werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 IV. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. In Art. 358 tHGB beschriebene Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Erfüllung der fälligen Einlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Wirtschaftliche Lage der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Aus dem Grundsatz des Vermögensschutzes (Art. 480 Abs. 3 tHGB) hervorgehende Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 c) Die Rückzahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers bei unbesichertem Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 V. Rechtsfolgen von Verstoß gegen Art. 358, 480 Abs. 3 tHGB . . . . . . . . . . . . . 280 1. Beim Verstoß gegen Art. 358 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Beim Verstoß gegen Art. 480 Abs. 3 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 B. Der Grundsatz der „Kapitalerhaltung“ bei der unverbundenen GmbH . . . . . . . . . . 281 C. Konzernrechtliche Sonderregelungen und Vermögensschutz, Art. 202 ff. tHGB 282 I. Die Anwendung konzernrechtlicher Regelungen auf die verbundene AG und GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Schutzsystem des Art. 202 Abs. 1 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 III. Nachteilsbegriff des Art. 202 Abs. 1 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 IV. Das Verhältnis zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzssystem und dem konzernrechtlichen Schutzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Der Vorrang von Art. 202 Abs. 1 tHGB gegenüber Art. 358 tHGB . . . . . 289 2. Die Auswirkungen der Voraussetzungen von Art. 358, Art. 480 Abs. 3, Art. 601 tHGB auf die Zulässigkeit der Darlehensvergabe i.S.d. Art. 202 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 V. Nachteiligkeit der Liquiditätsströme i.R.d. Cash Pooling gem. Art. 202 Abs. 1 tHGB im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 2. Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

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Inhaltsverzeichnis 3. Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4. Verschlechterte Liquiditätslage wegen des Liquiditätsabzugs . . . . . . . . . 297 5. Klumpenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 6. Konzentration der Bankbeziehungen der Poolgesellschaften . . . . . . . . . . 298 VI. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 1. Differenzierung der Haftungslage bei „einfacher“ und „vollständiger“ Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 2. Bei einfacher Beherrschung („Basit Hakimiyet“), Art. 202 tHGB . . . . . . 302 a) Verantwortung der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft . . . 302 aa) Grundsatz: Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung und Verfolgung der Interessen eigener Gesellschaft . . . . . . . . . . . 302 bb) Prüfungs- und Kontrollpflicht der Geschäftsführung der Poolgesellschaften vor und nach der Valutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 cc) Haftungsbefreiung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft, Art. 202 Abs. 5 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Haftung der herrschenden Gesellschaft bzw. der Konzerngeschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 bb) Handlungspflichten der Konzerngeschäftsleiter i.R.d. Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (1) Überprüfungspflicht der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs vor der Valutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (2) Kontroll- und Reaktionspflicht nach der Valutierung . . . . . . . 316 3. Bei vollständiger Beherrschung („Tam Hakimiyet“), Art. 203 ff. tHGB

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a) Tatbestand der vollständigen Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Verantwortung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft . . . . . . . . . 319 aa) Grundsatz: Folgepflicht der zulässigen Weisungen der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 bb) Handlungspflichten der Geschäftsführung der Poolgesellschaft 322 (1) Beurteilung der Zulässigkeit des Cash Pooling mit Blick auf die Konzernpolitik und die Existenzgefahr . . . . . . . . . . . . . . . 322 (2) Prüfung der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs vor und nach der Valutierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 cc) Haftungsausschluss gegenüber eigener Gesellschaft und Gesellschaftern, Art. 205 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 dd) Haftungslage gegenüber den Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 c) Verantwortung der herrschenden Gesellschaft bzw. der Konzerngeschäftsleiter, Art. 206 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Inhaltsverzeichnis

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bb) Haftungsausschluss bei Forderungen aus Kreditgeschäften, Art. 206 Abs. 2 tHGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

Kapitel 3 Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung

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§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Im deutschen Recht § 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 B. Die Problematik und die Rechtsentwicklung unter der alten Rechtslage . . . . . . . . 340 I. Kapitalaufbringungsrechtliche Problematik im Cash Pooling . . . . . . . . . . . . 340 1. Rechtswidrigkeit angesichts der „verdeckten Sacheinlage“ . . . . . . . . . . . 341 2. Rechtswidrigkeit angesichts des „Hin- und Herzahlens“ . . . . . . . . . . . . . 345 II. Rechtsfolgen der Kapitalaufbringung im Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Bei negativem Saldo der Poolgesellschaft („verdeckter Sacheinlage“) 346 a) Keine Erfüllungswirkung der Bareinzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 b) Heilung einer verdeckten Sacheinlage durch Umqualifizierung der Bareinlage in die Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 2. Bei positivem bzw. ausgeglichenem Saldo der Poolgesellschaft („Hinund Herzahlen“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 a) Keine Erfüllungswirkung der Bareinzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 b) Keine Heilung durch Nachzahlungen aus dem Cash Pool bzw. keine Verrechnung mit Ansprüchen aus dem Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . 351 III. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 C. Kapitalaufbringung im Cash Pooling nach geltender Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . 354 I. Überblick über die relevanten (Neu-)Regelungen im Allgemeinen (§§ 19 Abs. 4, 5 GmbHG, 27 Abs. 3, 4 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 2. Subsidiarität vom Hin- und Herzahlen im Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Bedeutung der relevanten Neuerungen für die Cash Pooling-Praxis im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 III. Verdeckte Sacheinlage beim Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. „Anrechnung“ des Werts der Darlehensforderung auf die Einlageschuld bei erfolgter Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 a) „Anrechnungslösung“ und „Differenzhaftung“ im Allgemeinen . . . . . 361

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Inhaltsverzeichnis b) Anrechnung des Werts der Darlehensforderung im Cash Pooling . . . . 363 c) Die Effizienz der Anrechnungslösung in der Praxis von Cash Pooling 364 d) Beweislast für Werthaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 3. Exkurs: Die eventuellen Rechtsfolgen der Anrechnungslösung im Cash Pooling unter Berücksichtigung der von der herrschenden Meinung abweichenden Ansätze zur Bewertungsmethodik der Forderungen gegen die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 b) Anrechnung zum Nennwert der Forderung („Nennwertprinzip“) . . . . 369 c) Vorschlag zur Implementierung eines „Aufrechnungsmodells“ ins Gesetz (de lege ferenda) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 d) Würdigung der Ansätze mit Blick auf ihre eventuellen Folgen im Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 4. Heilungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 5. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 a) Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 377 aa) Strafrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 bb) Zivilrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 b) Haftung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 aa) Strafrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 bb) Gesellschaftsrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 c) Haftung des den Cash Pool betreuenden Kreditinstituts . . . . . . . . . . . 384 6. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 IV. Hin- und Herzahlen beim Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2. Zulässigkeitsvoraussetzungen des Hin- und Herzahlens . . . . . . . . . . . . . . 389 a) Anforderungen an den Rückgewähranspruch (§§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 aa) Vollwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 bb) Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 cc) Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 b) Offenlegung des verabredeten Hin- und Herzahlens . . . . . . . . . . . . . . 393 c) „Alles-oder-nichts“-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 a) Beim Vorliegen aller Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 aa) Eintritt der Erfüllungswirkung der Einlagepflicht der Muttergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 bb) Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Geschäftsführung der Poolgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

Inhaltsverzeichnis

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b) Beim Nichtvorliegen aller Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 aa) Keine Erfüllungswirkung und Geltung der bisherigen Rechtsprechungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 bb) Keine Heilung durch Rückzahlung des Darlehens oder durch Verrechnung mit Neuforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 cc) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 (1) Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft . . . . . . . . 404 (a) Strafrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 (b) Zivilrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 (2) Haftung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 (a) Strafrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 (b) Gesellschaftsrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 4. Das Verhältnis des Hin- und Herzahlens zur verdeckten Sacheinlage bei wechselnden Salden im Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 5. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 V. Mischfälle beim Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 VI. Cash-Pool-Tauglichkeit der kapitalaufbringungsrechtlichen Neuregelungen (§§ 19 Abs. 4, 5 GmbHG, 27 Abs. 3, 4 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 1. Kritik an der Differenzierung der Rechtsfolgen und besonders an der erschwerten Handhabbarkeit im Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2. Lösungsvorschläge zur Vermeidung der Abgrenzungsprobleme . . . . . . . 415 a) Einheitliche Anwendung der Voraussetzungen des Hin- und Herzahlens auf die Cash Pooling-Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 b) Anordnung der Sacheinlagefähigkeit von Forderungen gegenüber Inferenten (de lege ferenda) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 VII. Alternative Lösungsvorschläge vom Schrifttum für ordnungsgemäße bzw. haftungsrisikofreie Kapitalaufbringung im Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 1. Kapitalaufbringung im Wege einer offenen Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . 418 a) Einbringung der Forderung der Betreibergesellschaft als Sacheinlage 418 b) Beim Vorliegen von Forderungen der Poolgesellschaft gegen die Betreibergesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 2. Leistung der Einlage auf ein nicht in den Cash Pool einbezogenes Sonderkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 3. Temporäres Ausscheiden aus dem Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 4. Gewährleistung eines nicht negativen Saldos der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 5. Betreiben eines (nur) fiktiven Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426

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Inhaltsverzeichnis Im türkischen Recht

§ 3 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 B. Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft bei Vorliegen von Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 I. Kapitalaufbringung im Wege der „Verrechnung“ im Allgemeinen . . . . . . . . 428 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 2. Überblick über das schweizerische Recht hinsichtlich des „Verrechnungsinstituts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 a) „Verrechnungsliberierung“ als eigenständige dritte Einlageleistungsart 428 b) Das „Nominalwertprinzip“ hinsichtlich der Verrechnungsforderung

431

3. Verrechnungsmöglichkeit der Forderungen gegen die Gesellschaft im türkischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 a) Sacheinlagecharakter der Forderungen im Allgemeinen im AG- und GmbH-Recht (Art. 342 Abs. 1 bzw. 581 Abs. 1 tHGB) . . . . . . . . . . . . 434 b) „Verrechnungsmöglichkeit“ der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 aa) Zulässigkeit der „Verrechnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 bb) Herrschende Literaturmeinung zum Verrechnungstatbestand . . . . 436 (1) Einordnung der Verrechnung als eine „Erfüllungsart/Zahlungsmodalität der Bareinlageschuld“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 (2) Unanwendbarkeit der Verrechnung im Gründungsstadium . . . 437 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (1) Gesetzliche Systematik des neu-tHGB hinsichtlich der Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (a) Überblick über die Bestimmungen zur Gründung . . . . . . . . 438 (b) Überblick über die Bestimmungen zur Kapitalerhöhung . . 439 (2) Bewertung des Verrechnungstatbestands unter Beachtung der jetzigen gesetzlichen Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 (a) „Eigenständiges Verrechnungsinstitut“ als dritte, qualifizierte Einlageleistungsart in der Kapitalerhöhungsphase . . 440 (b) Analoge Anwendung der Verrechnung bei der Gründungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 c) Bewertungsfrage der zur Verrechnung einzubringenden Forderung . . 445 aa) Das einschlägige Dekret des Ministeriums für Zoll und Handel

445

bb) Meinungsstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 (1) Der Wortlaut und Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 (2) Kritik des Dekrets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

Inhaltsverzeichnis (3) Rechtfertigung der Verrechnung zum „Nennwert“ unter den Gesichtspunkten des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes

21

453

(a) Erforderlichkeit der Werthaltigkeitskontrolle hinsichtlich des Gläubigerschutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 (b) Erforderlichkeit der Werthaltigkeitskontrolle hinsichtlich des Gesellschafterschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 (4) Untauglichkeit der Analogie von Art. 200 Abs. 3 tSchKG hinsichtlich der Einbringlichkeit der Forderung . . . . . . . . . . . 460 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 dd) Zwischenergebnis zur Bewertungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 II. Kapitalerhöhung im Wege der Verrechnung i.R.d. Cash Pooling . . . . . . . . . . 463 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 2. Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 a) Der Bestand bzw. die Gültigkeit der zu verrechnenden Forderung . . . 463 b) Verrechenbarkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 c) Kein Werthaltigkeitserfordernis der Forderung im Hinblick auf die finanzielle Situation der Poolgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 3. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 a) Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 468 aa) Zivilrechtlich (Art. 549, 644 lit. a tHGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 bb) Strafrechtlich (Art. 562 Abs. 8, 644 lit. d tHGB) . . . . . . . . . . . . . . 469 b) Haftung der Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigten Buchführer der Poolgesellschaft und der den Cash Pool betreuenden Bank . . . . . . . . . . . . 469 c) Haftung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 aa) Zivilrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 bb) Strafrechtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 III. Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Verbindlichkeiten der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 1. Zulässigkeit der Kapitalmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 a) Gleiche Zielsetzung mit Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 b) Erforderlichkeit analoger Anwendung der für den Verrechnungstatbestand geltenden Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 c) Rechtsfolgen eines Analogieschlusses mit Blick auf das Cash Pooling 476 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 IV. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 C. Anschließende Rückzahlung der einbezahlten Mittel als Darlehen in den Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478

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Inhaltsverzeichnis Kapitel 4 Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

480

§ 1 Allgemein zum Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 § 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 A. Gültigkeit der bilanziellen Betrachtungsweise („Vollwertigkeitskriterium“) . . . . . 481 B. Verzinsungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 I. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 II. Im Falle des Cash Pooling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 C. Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 § 3 Unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 A. Unterscheidung nach dem Kontostand der betreffenden Poolgesellschaft . . . . . . . 497 B. Rechtslage beim Vorliegen von Verbindlichkeiten der betreffenden Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 C. Rechtslage beim Nichtvorliegen von Verbindlichkeiten der betreffenden Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 D. Bewertung der Cash-Pool-Tauglichkeit der kapitalaufbringungsrechtlichen Regelungen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532

Abkürzungsverzeichnis a.A./A.A. a.F. Abs. AG AktG Alt. alt-tHGB Anh. Anm. Art. AÜHFD BATiDER BB BGB BGBl BGE BGH BGHSt BGHZ bzw. C. CCZ CFL DAV DB ders./dies. d. h. dHGB Diss. DNotZ DStR DZWIR E. EWiR f./ff. Fn. FS gem. GesKR ggf.

andere Auffassung alte Fassung Absatz Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative altes türkisches Handelsgesetzbuch Anhang Anmerkung Artikel Ankara Üniversitesi Hukuk Fakültesi Dergisi (Zeitschrift) Banka ve Ticaret Hukuku Dergisi (Zeitschrift) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtsentscheid Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen beziehungsweise Cilt Corporate Compliance Zeitschrift Corporate Finance Law (Zeitschrift) Deutscher Anwaltsverein Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe/dieselbe(n) das heißt deutsches Handelsgesetzbuch Dissertation Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift fu¨ r Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Zeitschrift) Esas Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) folgende/fortfolgende Fußnote Festschrift gemäß Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (Zeitschrift) gegebenenfalls

24 GmbH GmbHG GmbHR GWR HD. h.L. h.M. Hndb Hrsg. i.d.R. i.d.S. i.E. i.e.S. i.F.d. IFLR insb. i.R.d. i.S.d. i.S.v. ˙IÜHFM i.V.m. InsO JZ K. KG KGaA LG lit. MDR m. E. MoMiG

Abkürzungsverzeichnis

Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Hukuk Dairesi herrschende Lehre herrschende Meinung Handbuch Herausgeber in der Regel in dem Sinn im Ergebnis im engeren Sinn im Falle des/der International Financial Law Review insbesondere im Rahmen des/der im Sinn des/der im Sinn von ˙Istanbul Üniversitesi Hukuk Fakültesi Mecmuası (Zeitschrift) in Verbindung mit Insolvenzordnung Juristenzeitung Karar Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Landesgericht litera = Buchstabe Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) meines Erachtens Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen MÜHFHAD Marmara Üniversitesi Hukuk Fakültesi Hukuk Aras¸tırmaları Dergisi (Zeitschrift) m.w.N. mit weiteren Nachweisen neu-tHGB/tHGB neues türkisches Handelsgesetzbuch NJW Neue juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht (Zeitschrift) NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) OLG Oberlandesgericht RG Reichsgericht Rn. Randnummer s. siehe S. Seite/Satz SAG Die schweizerische Aktiengesellschaft (Zeitschrift) SchuldRModG Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sHRegV schweizerische Handelsregisterverordnung

Abkürzungsverzeichnis SJZ sog. sOR SPR sSchKG StGB SZW TBB Dergisi TFM tHRegV tOR tSchKG tZGB u. a. Urt. usw. u. U. v. vgl. WiB WM Y. YHGK z. B. ZBJV ZGR ZHR ZInsO ZIP ZSR

Schweizerische Juristen-Zeitung (Zeitschrift) sogenannt(e), (-er), (-es) Schweizerisches Obligationengesetz Schweizerisches Privatrecht (Zeitschrift) schweizerisches Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz Strafgesetzbuch Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht Türkiye Barolar Birlig˘ i Dergisi (Zeitschrift) Ticaret ve Fikri Mülkiyet Hukuku Dergisi (Zeitschrift) türkische Handelsregisterverordnung türkisches Obligationengesetz türkisches Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz türkisches Zivilgesetzbuch unter anderem Urteil und so weiter unter Umständen von/vom vergleiche Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Yargıtay Yargıtay Hukuk Genel Kurulu zum Beispiel Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift fu¨ r das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Schweizerisches Recht

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Einleitung A. Bedeutung des Cash Pooling im Konzern und der Gegenstand der Untersuchung Aufgrund des sich stets verschärfenden Wettbewerbs zwischen Unternehmen sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene, sowie der in jüngster Zeit immer wieder eintretenden Finanzkrisen gestaltet sich die Fremdfinanzierung für Einzelunternehmen und Konzerne als zunehmend schwierig und teuer. Einem erfolgreichen Finanzmanagement und damit der optimalen Allokation knapper Mittel in der Wirtschaftspraxis kommt daher immer größere Bedeutung zu. Im Vergleich zu Einzelunternehmen verfügen Konzerne insofern über Finanzierungsquellen, die über die von Einzelunternehmen hinausgehen. Anders als ein Einzelunternehmen bilden nämlich Konzerne von außen betrachtet strukturell eine wirtschaftliche Einheit, die innen aus einer Vielzahl rechtlich selbständiger Unternehmen besteht.1 Aus dieser besonderen Struktur des Konzernverbundes ergeben sich konzernspezifische Finanzierungsmöglichkeiten, weil die Konzernunternehmen bereits als potenzielle Finanzierungspartner für einander bereitstehen.2 In diesem Zusammenhang kommt dem sogenannten Cash Pooling-System als alternativer konzerninterner Finanzierungsquelle bei der Finanzierung der Konzerne eine enorme Rolle zu. Durch die Implementierung eines konzernweiten Cash Pooling hat ein Konzern nämlich vor allem die Möglichkeit, vorhandene überschüssige Liquidität zentral an einer Stelle zu bündeln und damit für den Gesamtkonzern, insbesondere für diejenigen Tochtergesellschaften, denen es an Liquidität mangelt, eine alternative Finanzierungsquelle zu schaffen. Durch dieses Verfahren generieren Konzerne quasi aus ihrem eigenem wirtschaftlichen Potenzial eine besondere Finanzierungsquelle. So wird es Konzernen bzw. einzelnen Konzernunternehmen in Zeiten teurer Kredite und begrenzter Finanzmittel ermöglicht, relativ mühelos und günstig an das benötigte Kapital zu kommen und so unabhängig von Fremdgeld zu agieren. Dadurch wird nicht nur verschwenderischer und damit profitloser Umgang mit der bereits im Konzern vorhandenen Liquidität in einer Zeit verhindert, in der das Kapital knapp und die Konditionen für Kreditaufnahmen streng sind, sondern es wird auch eine optimale Verwendung der im Konzern vorhandenen Liquidität sichergestellt, sodass 1 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4, Rn. 6 ff.; Schneider, ZGR 1984, S. 501 f.; Makowski, Cash Management, S. 14. 2 Theisen, Der Konzern, S. 460; Rudolph, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 2.14; Kessler, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 36.12.

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im Endeffekt erhebliche Einsparungen und Vorteile erzielt werden können. Aufgrund dieser überragenden betriebswirtschaftlichen Bedeutung ist das Cash Pooling-Verfahren heute in der Konzernpraxis äußerst verbreitet, sodass es aus der Konzernfinanzierung „nicht mehr weg zu denken“3 ist. Diese ökonomisch vorteilhafte Konzernfinanzierungsart kann allerdings in bestimmten Fällen die Selbständigkeit der beteiligten Konzerngesellschaften beeinträchtigen. Auch wenn der Konzern aus wirtschaftlicher Sicht als eine Einheit angesehen werden kann, behalten aus gesellschaftsrechtlicher Sicht die einzelnen abhängigen Konzerngesellschaften ihre rechtliche Selbständigkeit. Da die beteiligten Konzerngesellschaften im Rahmen des Cash Pooling ihre überschüssige Liquidität ständig an ein Zentralkonto abführen, über das die Konzernmutter verfügungsberechtigt ist, birgt dieses System das Gefahrenpotenzial, dass das Vermögen bzw. die Interessen der Konzerngesellschaften zugunsten der Konzernmutter bzw. des gesamten Konzerns beeinträchtigt werden. Damit kann es vor gesellschaftsrechtlichem Hintergrund zu Konflikten zwischen dem Cash Pooling und namentlich den Grundprinzipien der Kapitalerhaltung bzw. -aufbringung kommen. Daher steht das konzernweite Cash Pooling im Spannungsfeld zwischen ökonomisch sinnvoller Konzernfinanzierung und dem einschränkenden gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungs- bzw. -aufbringungsrecht. Dieser Konflikt bildet im Allgemeinen den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Es werden daher die Rahmenbedingungen des Cash Pooling-Verfahrens unter dem Gesichtspunkt von Kapitalerhaltungs- bzw. Kapitalaufbringungsrecht sowohl aus Sicht des deutschen als auch der des türkischen Rechtssystems analysiert. Um eine umfassende bzw. aufschlussreiche Untersuchung der Thematik aus Sicht beider Rechtssysteme vornehmen zu können, ist allerdings eine Einschränkung erforderlich. Es werden daher die Cash Pooling-Konstellationen mit der Teilnahme einer faktisch abhängigen GmbH und AG analysiert; auf die Rahmenbedingungen des Cash Pooling bei Vertragskonzernen wird hingegen nicht eingegangen. Aus demselben Grund konzertiert sich die Untersuchung nur auf die i.R.d. Cash Pooling aufsteigenden Darlehen, die die beteiligten Konzernunternehmen an die Betreibergesellschaft ausreichen. Nicht untersucht werden hingegen die i.R.d. Cash Pooling absteigenden Darlehen, die die Betreibergesellschaft an die Konzerngesellschaften ausreicht und die damit verbundene Problematik des Gesellschafterdarlehens.

B. Motivation und Ziel der Untersuchung Die Bedeutung des Cash Pooling-Systems für die heutige Wirtschaftswelt wird noch deutlicher, wenn man sich insbesondere die relevanten gesetzlichen Entwicklungen bzw. Neuerungen in Deutschland vor Augen führt, die auf die Ermöglichung des Cash Pooling-Verfahrens abzielen. Im Jahr 2008 hat nämlich der deutsche Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und 3

Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 23.

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zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)4 Änderungen bei den Kapitalerhaltungsregeln (§§ 30 GmbHG, 57 AktG) sowie den Kapitalaufbringungsregeln (§§ 19 GmbHG, 27 AktG) mit dem Ziel vorgenommen, die „ökonomisch sinnvolle“ Praxis des Cash Pooling auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen und die infolge der Rechtsprechung entstandenen Rechtsunsicherheiten vor allem im Zusammenhang mit der Kapitalerhaltung zu beseitigen.5 Auslöser dieses gesetzlichen Handelns waren die bisherigen einschlägigen Entscheidungen des BGH6 und die daraus entstandenen Rechtsunsicherheiten bzw. Handhabungsschwierigkeiten bezüglich des Cash Pooling.7 Insbesondere infolge des berühmten „November“-Urteils des BGH8 von 2003 sind erhebliche Rechtsunsicherheiten mit Blick auf die Vereinbarkeit des Cash Pooling mit den kapitalerhaltungsrechtlichen Grundsätzen entstanden. Die durch dieses Urteil entstandene Ablehnung der „bilanziellen Betrachtungsweise“ für Darlehen aus gebundenem Vermögen (einer GmbH) wurde im Schrifttum vereinzelt als „Todesstoß für das konzernweite Cash Pooling“9 bewertet. Darauf hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG reagiert und durch die §§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt AktG die „bilanzielle Betrachtungsweise“ ins Gesetz eingefügt. Damit sollen die Darlehensgewährungen an die Gesellschafter, speziell im Rahmen eines konzernweiten Cash-Pools rechtssicher ermöglicht werden.10 Auch bei den kapitalaufbringungsrechtlichen Regelungen hat der deutsche Gesetzgeber Änderungen zu Gunsten des Cash Pooling vorgenommen. Dass die durch das herrschende Unternehmen erbrachte Einlageleistung i.R.d. Cash Pooling wieder an das Zentralkonto abgeführt wird, welches unter der Verfügungsmacht des herrschenden Unternehmens steht, führte in Deutschland aufgrund der – durch die Rechtsprechung entwickelten – Rechtsinstitute der „verdeckten Sacheinlage“ und des „Hin- und Herzahlens“ zur Unzulässigkeit der Kapitalmaßnahme. Durch das MoMiG wurden die Rechtsfiguren der „verdeckten Sacheinlage“ und des „Hin- und Herzahlens“ reformiert und ins Gesetz eingefügt (§§ 19 Abs. 4, 5 GmbHG, 27 Abs. 3, 4 AktG11). Wie bei den Änderungen bezüglich des Rechts der Kapitalerhaltung war es dabei Ziel des Gesetzgebers, die Praxis des Cash Pooling zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen. Im Rahmen der Analyse des deutschen Rechts werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Cash Pooling unter Beachtung der oben genannten gesetzli4

BGB1. 2008-I, 2026, in Kraft getreten am 01. 11. 2008. BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 6 BGHZ, 157, 72, „November“ v. 24. 11. 2003 zur Kapitalerhaltung und BGHZ 166, 8, „Cash Pool-I“ v. 16. 01. 2006 zur Kapitalaufbringung. 7 Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 25. 8 BGHZ, 157, 72. 9 Schäfer, GmbHR 2005, S. 133. 10 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 11 Die Änderung wurde im AG-Recht nachträglich durch ARUG vorgenommen. „Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie“, BGB1. 2009-I, 2479, in Kraft getreten am 01. 09. 2009. 5

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chen Neuerungen untersucht und die mit den Neuregelungen einhergehenden besonderen Handlungspflichten bzw. Haftungsrisiken der Beteiligten umfassend erörtert. Darüber hinaus wird gleichzeitig das Ziel verfolgt, zu klären, inwieweit die Cash Pooling-Praxis durch die Neuregelungen tatsächlich erleichtert bzw. die Unsicherheiten beseitigt werden, und ob die Erwartungen mit Blick auf ein rechtssicheres Cash Pooling überhaupt erfüllt werden konnten. Außer den höchstrichterlichen Rechtsprechungen und den besonderen gesetzlichen Maßnahmen zur Ermöglichung der Cash Pooling-Praxis finden sich auch in der Literatur zahlreiche Untersuchungen sowie Abhandlungen zum Verhältnis zwischen Cash Pooling und den Grundsätzen der Kapitalerhaltung bzw. -aufbringung in Deutschland. Im türkischen Recht wurden allerdings die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen des Cash Pooling unter dem Aspekt des Kapitalerhaltungsbzw. -aufbringungsrechts bisher weder in der Rechtsprechung thematisiert noch wurde in der Literatur auf die Frage unter den hier genannten Gesichtspunkten vertieft eingegangen. Ziel dieser Arbeit aus der Sicht des türkischen Rechts ist es daher, in erster Linie diese Lücke zu schließen. Die Tatsache, dass im Rahmen des komplett neu gefassten tHGB12 Neuregelungen vorgenommen werden, die unmittelbar für das hier behandelte Thema relevant sind, gibt auch einen besonderen Anlass, die Rahmenbedingungen des Cash Pooling-Systems auf Grundlage der relevanten Neuregelungen zu untersuchen. Denn im Rahmen des neu-tHGB werden einerseits erstmals konzernrechtliche Regelungen zur faktischen Konzernierungen vorgenommen (Art. 195 – 209 tHGB), andererseits wurde eine besondere Norm bezüglich der aufsteigenden Darlehen bei der AG und GmbH gefasst (Art. 358 tHGB), die das türkische Kapitalgesellschaftsrecht bisher nicht kannte. Diese Regelung sorgte sowohl in der Lehre als auch in der Praxis für zahlreiche Fragen bzw. Unsicherheiten bezüglich der Voraussetzungen für die Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter. Seit Einführung dieser Vorschrift beschäftigt sich das Schrifttum mit Fragen, mit denen sich die deutsche Literatur bereits vor dem MoMiG jahrelang befasst hatte. Es wird daher zugleich beabsichtigt, einen Beitrag zur Klärung dieser besonderen Regelung hinsichtlich der aufsteigenden Darlehen (Art. 358 tHGB) zu leisten. Es wird dabei insbesondere darauf eingegangen, ob und inwieweit diese Regelung bezüglich der aufsteigenden Darlehensvergabe im tu¨ rkischen Recht mit Blick auf den Kapitalschutz als erfolgreich bezeichnet werden kann oder, ob sie lu¨ ckenhaft bzw. korrekturbedu¨ rftig ist. Es wird geprüft, in welchem Verhältnis der erst durch neu-tHGB eingefu¨ hrte Art. 358 bezüglich der aufsteigenden Darlehensvergaben einerseits den kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln (Art. 480 Abs. 3 tHGB – zur AG, 601 tHGB – zur GmbH), andererseits den konzernrechtlichen Regelungen über den Vermögensschutz der Art. 202 ff. tHGB steht, die auch zum ersten Mal durch neu-tHGB kodifiziert wurden. Eine vergleichende Darstellung der Thematik ist aus der Sicht des türkischen Rechts besonders unter dem Aspekt des Kapitalerhaltungsrechts wünschenswert. 12

Nr. 6102, in Kraft getreten am 01. 07. 2012.

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Denn es bietet die Möglichkeit, bei der Herausarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen des Cash Pooling sowie bei diesbezüglichen Fragestellungen von den im deutschen Recht über viele Jahre hinweg gesammelten Erfahrungen bzw. vorhandenen Literaturmeinungen zu profitieren. Einen Anlass zum Vergleich mit dem deutschen Recht gibt insbesondere der Umstand, dass die konzernrechtlichen Regelungen des neu-tHGB zu faktischen Konzernierungen größtenteils auf den deutschen konzernrechtlichen Regelungen der §§ 311 ff. AktG beruhen. Das türkische Konzernrecht stellt nach dem Vorbild des deutschen § 311 AktG auf das „NachteilAusgleichssystem“ ab (Art. 202 tHGB). Anders als das deutsche System zum faktischen Konzern unterscheidet jedoch das türkische Konzernrecht zwischen „einfacher“ und „vollständiger“ Beherrschung. Zwar werden bei jeder Art der Beherrschung die Interessen der abhängigen Gesellschaft durch das „Nachteil-Ausgleichssystem“ geschützt, aber bei vollständiger Beherrschung der herrschenden Gesellschaft, anders als es bei der einfachen Beherrschung der Fall ist, ein Weisungsrecht eingeräumt (Art. 203 S. 1 tHGB). Die Haftung der Geschäftsführung der vollständig-abhängigen Gesellschaft wird dabei konsequenterweise beschränkt. Auch aufgrund dieses Unterschieds zwischen dem deutschen und dem türkischen faktischen Konzernrecht gewinnt eine vergleichende Arbeit an Bedeutung. Wie sich herausstellen wird, unterscheiden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen des Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung im türkischen Recht von denen des deutschen Rechts. Eine vergleichende Darstellung der beiden Rechtssysteme ermöglicht Erkenntnisse darüber, in welcher Rechtsordnung das Cash Pooling-System unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung einfacher betrieben werden kann. Das Ziel dieser Arbeit ist schließlich, die für das Cash Pooling-System geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen unter den Gesichtspunkten von Kapitalerhaltungsund Kapitalaufbringungsregeln beim faktischen GmbH- und AG-Konzern aus deutscher und türkischer Sicht umfassend zu untersuchen und zu vergleichen. Anhand dieser Gegenu¨ berstellung soll gepru¨ ft werden, in welcher der beiden Rechtsordnungen das Cash Pooling unter den genannten Gesichtspunkten weniger Aufwand bereiten bzw. wenige Haftungsrisiken für die Beteiligten mit sich bringen und damit einfacher zu betreiben ist.

C. Gang der Untersuchung Abschließend soll noch ein Überblick über den Gang der Untersuchung gegeben werden. Im Zentrum der Arbeit steht zwar die Untersuchung bzw. Präzisierung der i.R.d. Cash Pooling in Frage kommenden gesellschaftsrechtlichen Probleme bzw. Schranken unter den Aspekten von Kapitalerhaltung und -aufbringung; jeweils auf der Grundlage des deutschen und türkischen Rechts. Allerdings verdient auch die ökonomische Funktionsweise und zivilrechtliche Einordnung des Cash Pooling eine eigene Analyse. Daher wird die Arbeit in drei Kapitel unterteilt.

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Nach der allgemeinen Analyse des Cash Pooling im ersten Kapitel wird jeweils im zweiten und dritten Kapitel zunächst umfassend das deutsche Recht untersucht. Im Anschluss daran wird die Darstellung der Rechtslage in der Türkei analog zu jenem im deutschen Recht zugrundegelegten Aufbau vorgenommen. Sofern es notwendig erscheint, wird vergleichend auf den Unterschied zum deutschen Recht aufmerksam gemacht. Darüber hinaus werden in jedem Teil zum türkischen Recht einzelne relevante schweizerische Regelungen vergleichend herangezogen. Dies ist insofern sinnvoll, als das türkische Gesellschaftsrecht bei kapitalerhaltungs- bzw. kapitalaufbringungsrechtlichen Regelungen teilweise vom schweizerischen Recht beeinflusst worden ist. Die hier vorgenommene Gliederung trägt der Tatsache Rechnung, dass jedes Rechtssystem unter den behandelten Aspekten zumeist eigene Regelungen bzw. Streitstände hat und daher eine eigene Untersuchung erfordert. Es wird zudem beim Aufbau der Arbeit bevorzugt, den Aspekt der Kapitalerhaltung vor dem der Kapitalaufbringung zu erörtern, um das Kapitalschutzssystem und seine Bedeutung bei den Kapitalgesellschaften deutlicher herauszustellen. Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit im Einzelnen wie folgt aufgebaut: Kapitel 1: Das erste Kapitel der Arbeit befasst sich mit den wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen des Cash Pooling. Nach einer Analyse der Funktion bzw. Bedeutung des Cash Pooling für die Konzernfinanzierung wird eine begriffliche Abgrenzung zwischen dem Cash Pooling und dem Cash Management vorgenommen. Danach wird die Stellung bzw. Aufgabe des Cash Pooling innerhalb eines konzernweiten Cash Management-Systems angesprochen. Zudem werden die verschiedenen Methoden und die damit verbundenen unterschiedlichen Verfahrensabläufe des Cash Pooling dargestellt. Um den wirtschaftlichen Nutzen des Cash Pooling zu verdeutlichen, werden die mit dem Cash Pooling einhergehenden betriebswirtschaftlichen Vorteile und Risiken für den Gesamtkonzern sowie für die einzelnen beteiligten Konzernunternehmen eingehend erörtert. Damit wird beabsichtigt, zu zeigen, wie das Cash Pooling einerseits als ein internes Konzernfinanzierungsmittel vorteilhaft für Konzerne sein kann, aber auch wirtschaftliche Risiken mit sich bringen kann. Daraufhin werden zivilrechtliche Aspekte des Cash Pooling dargestellt. In diesem Zusammenhang werden zunächst die i.R.d. Cash PoolingSystems zustande kommenden vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten dargestellt. Danach wird die zivilrechtliche Einordnung der i.R.d. Cash Pooling erfolgenden Zahlungsströme untersucht. Kapitel 2: Im zweiten Kapitel werden die rechtlichen Rahmenbedingungen der Cash Pooling-Praxis unter dem Gesichtspunkt des Kapitalerhaltungsrechts untersucht. Da im deutschen Recht konzernrechtliche Regelungen bezüglich faktischer Konzernierungen (§§ 311 ff. AktG) nur für den Fall der Abhängigkeit einer AG (bzw. KGaA) vorgesehen werden und für den Fall der faktischen Abhängigkeit einer GmbH hingegen kein geschriebenes Konzernrecht existiert, kommen im faktischen GmbH-Konzern in Bezug auf die Kapitalerhaltung die allgemeinen Regeln der §§ 30, 31 GmbHG uneingeschränkt zur Anwendung, während im faktischen AG-

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Konzern die speziellen Regelungen der §§ 311 ff. AktG Anwendung finden. Dementsprechend werden im ersten Schritt die rechtlichen Rahmenbedingungen des Cash Pooling-Verfahrens im GmbH-Konzernrecht untersucht (unter § 2), danach wird auf die Rechtslage im AG-Konzernrecht eingegangen (unter § 3). Im Gegensatz zum deutschen Recht gelten jedoch im türkischen Recht die Regelungen bezüglich faktischer Konzernierung (Art. 195 – 209 tHGB) nicht nur für die abhängige AG, sondern auch für die abhängige GmbH. Daher erfordert die Behandlung der konzernintern aufsteigenden Darlehensgewährungen i.R.d. Cash Pooling aus Sicht des türkischen Rechts – im Gegensatz zum deutschen Recht – keine gesonderte Darlegung der GmbH und der AG (unter § 4). In dem Teil, der sich mit dem GmbH-Konzern in Deutschland befasst, wird zunächst ein Überblick über die vor dem MoMiG herrschende Rechtslage und damit über den damaligen Meinungsstand sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Lehre gegeben, damit die Intention bzw. die Notwendigkeit des MoMiG besser verstanden werden kann. Danach werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Cash Pool-Darlehen bzw. der aufsteigenden Sicherheitsbestellungen i.R.d. kapitalerhaltungsrechtlichen Neuerungen des MoMiG (§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt GmbHG) umfassend untersucht. Da durch das MoMiG auch § 57 AktG die gleiche Änderung erfahren hat, wird an relevanten Stellen auch § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt AktG genannt. Danach werden die mit der Neuregelung des MoMiG einhergehenden Handlungspflichten bzw. Haftungsrisiken der Geschäftsführer der Poolgesellschaften detailliert untersucht. Abschließend wird auf die in letzter Zeit im Schrifttum immer wieder erwähnte Frage eingegangen, ob auch die Konzerngeschäftsleiter im Cash Pooling Überprüfungspflichten treffen. Im Teil zum AG-Konzern wird zunächst das Kapitalschutzssystem der konzernfreien AG kurz dargestellt. Anschließend werden die Auswirkungen der Vorgaben des kapitalerhaltungsrechtlichen § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt AktG auf das besondere Schutzkonzept des AG-Konzernrechts und damit auf den Nachteilsbegriff des § 311 AktG geprüft. Unter besonderer Berücksichtigung und Betrachtung des Schutzumfangs bzw. -systems des § 311 AktG wird die Nachteiligkeit eines i.R.d. Cash Pooling ausgezahlten Darlehen im Einzelnen analysiert. Nach der Analyse der sich aus der Praxis des Cash Pooling für den Vorstand der abhängigen AG ergebenden Handlungspflichten sowie Haftungsrisiken wird auf die Frage eingegangen, ob die Konzerngeschäftsleiter insbesondere aus §§ 311, 317 AktG die Pflicht trifft, nach einer ex-ante nicht-nachteiligen Darlehensvergabe fortlaufend die Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche der Poolgesellschaften zu prüfen. Nach der Untersuchung der Rechtslage jeweils aus Sicht des deutschen GmbHund AG-Konzernrechts wird die Problematik aus Sicht des tu¨ rkischen Konzernrechts betrachtet. Auch wenn der Aufbau und die inhaltliche Schwerpunktsetzung weitestgehend der Darstellung des deutschen Rechts entsprechen, werden rechtliche Diskussionen und Streitstände, die dem tu¨ rkischen Recht eigen sind, erörtert, soweit sie fu¨ r das Verständnis des türkischen Kapitalschutzssystems nötig sind. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die Rechtslage bzw. die Literaturmeinungen in Bezug auf das Kapitalschutzssystem in der Schweiz kurz dargestellt. Da die Kapi-

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talerhaltungsregelungen des AG- und GmbH-Rechts in der Türkei von den relevanten Regelungen des schweizerischen Rechts beeinflusst wurden, ist es für ein besseres Verständnis bzw. für eine sachgerechte Auslegung der Kapitalerhaltungsregeln des türkischen Rechts vonnöten, zugleich auch einen kurzen Vergleich mit den einschlägigen Regelungen des schweizerischen Rechts zu machen. Kapitel 3: Im dritten Kapitel werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Cash Pooling unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung erörtert. Im Teil zum deutschen Recht werden die Voraussetzungen eines zulässigen Kapitalaufbringungs- bzw. -erhöhungsvorgangs beim Cash Pooling i.R.d. durch MoMiG und ARUG vorgenommenen Änderungen bei Rechtsfiguren der „verdeckten Sacheinlage“ (§§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG) und des „Hin- und Herzahlens“ (§§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG) umfassend dargestellt. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Frage eingegangen, inwiefern der Kapitalaufbringungs- bzw. -erhöhungsvorgang beim Cash Pooling nach der Neuregelung erleichtert wurde. Nachfolgend werden die Rechtsfolgen einer unzulässigen Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung beim Cash Pooling für die Beteiligten analysiert. Das türkische Recht kennt keine entsprechenden Rechtsfiguren sowie Schutzmechanismen wie die „verdeckte Sacheinlage“ oder das „Hin- und Herzahlen“ im Recht der Kapitalaufbringung. Im Gegensatz zum deutschen Recht sind die Forderungen nicht sacheinlagepflichtig, vielmehr ist die Verrechnung der Forderungen gegen die Gesellschaft mit der Einlageschuld zulässig. Ebenso behandelt das türkische Recht die (verabredeten) Rückzahlungen der im Zusammenhang mit der Gründung bzw. Kapitalerhöhung einbezahlten Mittel anders. Während dies im deutschen Recht ein Fall der besonderen kapitalaufbringungsrechtlichen Rechtsfigur des „Hin- und Herzahlens“ darstellt und unter eigenen Voraussetzungen behandelt wird, unterliegt dieser Vorgang im türkischen Recht eher den kapitalerhaltungsrechtlichen Schutzmechanismen. Da das deutsche und das türkische Recht erhebliche Unterschiede in Bezug auf die im Umfeld der Kapitalaufbringung in Betracht kommenden Regelungen sowie Schutzmechanismen aufweisen, weicht der Aufbau der Rechtslage im Teil zum türkischen Recht zwangsläufig von dem ab, der mit Blick auf das deutsche Recht verwendet wird. Geprüft wird dabei zunächst, wie das Rechtsinstitut der „Verrechnung“ im türkischen Kapitalaufbringungsrecht geregelt wird. Dabei werden sowohl die neuen Regelungen des neu-tHGB und die Literaturmeinungen im türkischen Schrifttum als auch die relevanten Regelungen bzw. Entwicklungen des schweizerischen Rechts mitberücksichtigt. Danach werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Kapitalmaßnahme im Wege der Verrechnung i.R.d. Cash Pooling analysiert. Abschließend wird auf die Frage eingegangen, wie es sich im türkischen Recht bezüglich der Zulässigkeit des Vorgangs verhält, wenn die i.R.d. der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung einbezahlten Mittel alsbald wieder als Darlehen in den Cash Pool fließen. Abgeschlossen wird die Untersuchung mit einer zusammenfassenden vergleichenden Schlussbetrachtung.

Kapitel 1

Allgemeine Informationen zum Cash Pooling § 1 Wirtschaftliche Grundlagen A. Funktion des Cash Pooling in der Konzernfinanzierung I. Finanzierung Der Finanzierung kommt hohe Bedeutung zu. Das Cash Pooling-Verfahren nimmt einen wichtigen Stellenwert innerhalb der finanziellen Vorgänge der Konzerne ein und fungiert dabei als beträchtliches Finanzierungsinstrument. In der Betriebswirtschaftslehre werden verschiedene finanzielle Vorgänge in einem Unternehmen mit dem Begriff der Finanzierung beschrieben, ohne dass eine eindeutige Abgrenzung der darunter einzuordnenden Aufgaben vorgenommen wird.1 Dabei wird überwiegend zwischen einem „engen“ und „weiten“ Finanzierungsbegriff unterschieden.2 Beim engen Finanzierungsbegriff handelt es sich um die Beschaffung finanzieller Mittel, wohingegen der weite Finanzierungsbegriff nicht nur die Vorgänge zur Mittelbeschaffung meint, sondern auch die Maßnahmen zum Einsatz des Kapitals zur Durchführung des Betriebsprozesses erfasst.3 Da das Cash PoolingVerfahren unter den weit gefassten Finanzierungsbegriff zu subsumieren ist, liegt dieser Arbeit vor allem der weite Finanzierungsbegriff zugrunde. II. Konzernfinanzierung Aufgrund der strukturellen Besonderheit eines Konzerns, dass er eine aus verschiedenen rechtlich selbständigen Unternehmen bestehende wirtschaftliche Einheit ist, ergeben sich finanzierungsbezogene Möglichkeiten sowie mannigfaltige kon1

Zu den Erörterungen über die verschiedenen inhaltlichen Bestimmungen des Finanzierungsbegriffs siehe insb. Wöhe/Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 2. 2 Wöhe/Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 2; Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 419 f.; so auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur: Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 35 f.; MHLS/Fleischer, Syst. Darst.5, Rn. 16; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 41. 3 Wöhe/Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 2; MHLS/Fleischer, Syst. Darst. 5, Rn. 16; Scheffler, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 20.01; Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 35 ff.; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 41.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

zernbedingte Verhältnisse zwischen den Konzernmitgliedern, die bei der Ausführung der Finanzierungsvorgänge im Rahmen eines Konzerns mit zu berücksichtigen sind. Durch die konzernspezifischen Faktoren unterscheiden sich die Finanzierungsvorgänge in Konzernen, insbesondere im Rahmen der Kapitalbeschaffung und Verwendung, in vielfältiger Weise von der Finanzierung konzernfreier Unternehmen.4 Dadurch erhält der Begriff der Finanzierung in Konzernen eine entsprechende Erweiterung.5 Die Finanzierung bezieht sich hier nämlich nicht mehr auf das Einzelunternehmen, sondern auf den gesamten Konzern, d. h. auf alle Konzernunternehmen. So entsteht aus Sicht der Konzernspitze das Erfordernis, einerseits für die Maßnahmen zur Versorgung der Konzernunternehmen mit finanziellen Mitteln zu sorgen, andererseits die optimale Verwendung und Anlage der im Konzern nicht benötigten Finanzmittel zu gewährleisten, damit die einheitlichen Konzernziele verwirklicht werden können.6 In diesem Zusammenhang wird seit einiger Zeit bei Konzernen von einem besonderen Kapitalsteuerungs- und beschaffungsmodell namens Cash Pooling Gebrauch gemacht. Grundsätzlich handelt es sich dabei um den Ausgleich von Kapitalüberschüssen und Kapitaldefiziten bei verschiedenen Konzernunternehmen.7 III. Finanzierungsarten 1. Einleitung Bei der üblichen betriebswirtschaftlichen Systematisierung der Finanzierungsarten wird in der Regel von einer unternehmensorientierten Betrachtung ausgegangen. Hier werden verschiedene Unterscheidungskriterien, u. a. auch die Herkunft des Kapitals, berücksichtigt.8 Bei diesem Kriterium wird die Finanzierungsart danach festgestellt, ob die Mittel dem Unternehmen extern durch Dritte zugeführt werden (Außenfinanzierung) oder aus dem Unternehmen selbst, d. h. intern durch die aus dem Leistungsprozess erwirtschafteten Gewinn generiert werden (Innenfinanzierung). Beim Vorliegen eines Konzernverhältnisses reicht diese traditionelle Zweiteilung allerdings nicht aus. Denn dank der konzernbezogenen Faktoren ge4 Lutter/Scheffler/Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 1.40. 5 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 36 ff. 6 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 36 ff.; Lutter/Scheffler/Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 1.45. 7 Ausführlich zum Cash Pooling Kapitel 1, § 1, B., V. 8 U. H. Schneider, ZGR 1984, S. 501; Rudolph, in: Lutter/Scheffler/Schneider, HndbKonzernfinanzierung, Rn. 2.7 ff.; Theisen, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 11, Rn. 46. Die anderen Kriterien, die bei der Systematisierung der Finanzierungsarten verwendet werden, sind die Rechtsstellung der Kapitalgeber (Eigen- oder Fremdfinanzierung), die Dauer der Kapitalbereitstellung (unbefristet–langfristig–mittelfristig–kurzfristig) und der Anlass der Finanzierung (Gründung–Kapitalerhöhung–Fusion–Umwandlung–Sanierung), siehe dazu Wöhe/ Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 12.

§ 1 Wirtschaftliche Grundlagen

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winnt noch eine weitere Finanzierungsmöglichkeit an Bedeutung,9 sodass neben die klassische Innen- und Außenfinanzierung eine konzernspezifische Finanzierungsvariante hinzukommt („konzerninterne Außenfinanzierung“). Darunter ist auch das Konzept von Cash Pooling zu subsumieren.10 2. Allgemeine unternehmensorientierte Klassifizierung a) Innenfinanzierung Im Falle der Innenfinanzierung entstehen finanzielle Mittel aus dem Unternehmen selbst. Es wird kein Kapital von außen zugeführt, sondern es wird aus eigener Kraft generiert. Dabei handelt es sich grundsätzlich um die Finanzierung aus Vorgängen, die innerhalb der Unternehmung erfolgen und aus dem innerbetrieblichen Umsatz- und Leistungsprozess resultieren.11 In diesem Zusammenhang kommt als Hauptquelle zunächst der wirtschaftliche Überschuss der Geschäftstätigkeit in Betracht.12 Die Mittel werden dabei aus einbehaltenen Gewinnen/Gewinnthesaurisierung (i.e.S. Selbstfinanzierung) sowie aus Rückstellungen und Abschreibungsgegenwerten erzielt.13 Die andere Quelle der Innenfinanzierung ist die Vermögensumschichtung (Kapitalfreisetzung). Darunter versteht man, dass gebundenes Vermögen in finanzielle Mittel umgewandelt wird.14 Im Zuge der Innenfinanzierung verschaffen sich Unternehmen die Geldmittel aus eigener Kraft. Somit bleiben sie unabhängig vom Willen externer Kapitalgeber. Darüber hinaus ist die Innenfinanzierung in der Regel mit keinen oder geringen Kosten verbunden. Die genannten Aspekte können zwar als Vorteile der Innenfinanzierung betrachtet werden. Als Nachteil gilt jedoch die Begrenztheit des Innenfinanzierungspotentials. Daher benötigen Unternehmen zumeist zusätzliches Kapital, also Außenfinanzierung.

9 U. H. Schneider, ZGR 1984, S. 501; Schneider, in: Theisen, Der Konzern im Umbruch, S. 264; Theisen, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 11, Rn. 49; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 15. 10 Zu anderen konzerninternen Außenfinanzierungsmöglichkeiten s. Scheffler, in: Lutter/ Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 20.29 ff. 11 Wöhe/Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 14; Wöhe/Döring/Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 581 f.; Rudolph, in: Lutter/Scheffler/ Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 2.9; MHLS/Fleischer, Syst. Darst. 5, Rn. 101. 12 MHLS/Fleischer, Syst. Darst.5, Rn. 101; Rudolph, in: Lutter/Scheffler/Schneider, HndbKonzernfinanzierung, Rn. 2.9; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 41. 13 MHLS/Fleischer, Syst. Darst.5, Rn. 101; Rudolph, in: Lutter/Scheffler/Schneider, HndbKonzernfinanzierung, Rn. 2.9; U. H. Schneider, ZGR 1984, S. 501. 14 Für ausführliche betriebswirtschaftliche Erklärungen über die Quellen der Innenfinanzierung s. Wöhe/Döring/Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 581 f.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

b) Außenfinanzierung Bei der Außenfinanzierung fließt das Kapital dem Unternehmen von außen, also aus unternehmensexternen Quellen zu.15 Hier erfolgt die Mittelbeschaffung entweder durch Eigenfinanzierung, bei der das finanzielle Mittel dem Unternehmen als Eigenkapital von Gesellschaftern zur Verfügung gestellt wird (Beteiligungsfinanzierung) oder durch Fremdfinanzierung, wobei das Geld als Fremdkapital von Gläubigern zugeführt wird (Kreditfinanzierung).16 Die Zuführung von Eigenkapital kann – bei nicht emissionsfähigen Unternehmen – durch Erhöhung der Einlagen der Gesellschafter bzw. durch Aufnahme neuer Gesellschafter, die neue Einlagen einbringen, oder – im Falle emissionsfähiger Unternehmen – durch Emission neuer Aktien erfolgen. Bei der Fremdfinanzierung hingegen strömt das Kapital zumeist als Darlehen von außen durch Fremdkapitalgeber in das Unternehmen. Da sich das Unternehmen bei der Außenfinanzierung im Gegensatz zur Innenfinanzierung zur Kapitalbeschaffung an Dritte wenden muss, hat das Unternehmen zugleich einige Nachteile in Kauf zu nehmen. Dazu zählen zusätzliche Kosten, die es zu zahlen gilt, die Stimm- bzw. Machtverhältnisänderungen sowie die Abhängigkeit von Kreditgebern. 3. Konzernspezifische Art der Finanzierung: (konzern-)interne Außenfinanzierung Beim Vorliegen eines Konzerns kommen noch konzernbezogene Besonderheiten bezüglich der Finanzierungsmöglichkeiten hinzu. Anders als ein Einzelunternehmen bildet nämlich ein Konzern von außen betrachtet strukturell eine wirtschaftliche Einheit, die innen aus einer Vielzahl rechtlich selbständiger Unternehmen besteht.17 Aufgrund dieser besonderen Struktur des Konzernverbundes entsteht eine weitere konzernspezifische Finanzierungsmöglichkeit, weil die Konzernunternehmen bereits als potenzielle Finanzierungspartner für einander bereitstehen.18 Dabei könnte für ein Konzernunternehmen, welches liquide Mittel benötigt, neben konzernexternen Dritten auch konzerninterne Dritte, d. h. andere Konzernunternehmen, als Kapitalgeber in Frage kommen.19 Fließen finanzielle Mittel in diesem Zusammenhang einem Konzernunternehmen von einem anderen Konzernunternehmen zu, dann 15

Wöhe/Döring/Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 532 f. Süchting, Finanzmanagement, S. 23; U. H. Schneider, ZGR 1984, S. 501; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 14. 17 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4, Rn. 6 ff.; U. H. Schneider, ZGR 1984, S. 501 f.; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 14; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 42. 18 Theisen, Der Konzern, S. 460; Rudolph, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 2.14; Kessler, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 36.12. 19 Theisen, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 11, Rn. 49. 16

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ist dieser innerhalb des Konzerns stattfindende Finanzierungsvorgang aus Sicht der rechtlich selbstständigen einzelnen Unternehmen als Außenfinanzierung zu betrachten. Nimmt man hingegen die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als Ausgangspunkt, dann ist diese Finanzierungsmaßnahme als eine erweiterte Innenfinanzierung zwischen den Konzernunternehmen, d. h. als Konzerninnenfinanzierung zu qualifizieren.20 Wird der beschriebene Vorgang aus der Perspektive der Konzerngesamtheit und der des Konzernunternehmens betrachtet, stellt sich diese konzernspezifische Finanzierungsart quasi als eine Mischform dar, welche bezüglich der Herkunft des Kapitals sowohl Besonderheiten der Innenfinanzierung als auch der Außenfinanzierung aufweist. In der Literatur wird sie daher häufig als „(konzern-) interne Außenfinanzierung“ bezeichnet.21 Die konzerninterne Außenfinanzierung kann durch konzerninterne Beteiligungsfinanzierung oder durch konzerninterne Fremdfinanzierung erfolgen.22 Als eine wichtige Finanzierungsform im Sinne der konzerninternen Fremdfinanzierung stellt sich das Konzept des Cash Pooling dar. Cash Pooling dient der optimalen Liquiditätssteuerung innerhalb eines Konzerns und fungiert im Wesentlichen als ein Verfahren zum Liquiditätsausgleich der Konzernunternehmen. Dies geschieht dadurch, dass überschüssige Liquidität der partizipierenden Konzernunternehmen auf ein Zentralkonto übertragen bzw. gepoolt und die Konzernunternehmen, die zusätzliche Liquidität benötigen, von diesem Pool/zentralen Konto finanziert werden. Hierbei wird quasi von der konzerninternen wirtschaftlichen Dynamik sowie von wirtschaftlichem Erfolg einzelner Konzerngesellschaften Gebrauch gemacht und eine innere spezielle Finanzierungsquelle für den Gesamtkonzern geschaffen. Durch das Cash Pooling entkommen Konzerngesellschaften schließlich sowohl der Begrenztheit der Innenfinanzierung i.S.v. Mittelbeschaffung als auch den Nachteilen von Außenfinanzierung, wie z. B. dem Kostenaufwand und Abhängigkeitsrisiko, die mit der Außenfinanzierung einhergehen.23

20 Scheffler, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 20.12; U. H. Schneider, ZGR 1984, S. 501 f.; Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 40; Theisen, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 11, Rn. 49; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 14; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 42. 21 Theisen, Der Konzern, S. 460; Scheffler, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 20.11 ff.; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 14 f.; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 42. 22 U. H. Schneider, ZGR 1984, S. 501 f.; Theisen, Der Konzern, S. 460; Makowski, CashManagement in Unternehmensgruppen, S. 15. 23 Ausführlich zur Vor- und Nachteilen von Cash Pooling Kapitel 1, § 1, C.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

B. Cash Pooling als Bestandteil von Cash Management I. Begriffliche Abgrenzung von Cash Management und Cash Pooling In der Literatur werden die Begriffe des Cash Management und Cash Pooling häufig synonym verwendet bzw. gleichgesetzt. Dabei werden meist die dem Cash Pooling zuzuordnenden Aufgaben sowie Besonderheiten unter den Begriff des Cash Management gefasst.24 Allerdings ist diese Begriffsverwendung insofern nicht zutreffend, als Cash Management und Cash Pooling in einem engen Zusammenhang stehen, aber sowohl funktionsmäßig als auch inhaltlich ein Stufenverhältnis zwischen ihnen besteht. Dies wiederum stellt nur einen Teilbereich der Aufgaben von Cash Management dar.25 Schließlich ist das Cash Pooling nur ein Verfahren, das u. a. innerhalb des Cash Management Systems Anwendung findet.26 II. Definition von Cash Management Der aus dem anglo-amerikanischen Raum stammende27 Begriff „Cash Management“28 ist wörtlich als „Führung bzw. Verwaltung der Liquidität“ ins Deutsche zu übersetzen.29 Jedoch genügt diese Übersetzung nicht der genaueren Erfassung von dessen Bedeutung bzw. Funktion. Es bedarf daher einer inhaltlichen Präzisierung dieses Begriffs. In der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich zwar zahlreiche Definitionen des Cash Management,30 aber es herrscht wenig Übereinstimmung, wenn es darum geht, zu bestimmen, was mit diesem Begriff inhaltlich genau gemeint

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So z. B.: Fuhrmann, NZG 2004, S. 552; Gehrlein, MDR 2006, S. 789; Maier-Reimer, in: VGR 10, S. 127 f. Das Cash Pooling meinen zudem Makowski mit dem „automatisches Cash Management“ (Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 26) und Schneider mit dem „konzernweites Cash Management“ (Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, HndbKonzernfinanzierung, Rn. 25.2 ff.). In einer Entscheidung von BGH wurde das Cash Pooling als „automatisches Cash Managementsystem“ bezeichnet, BGHZ 166, 8, „Cash Pool I“. 25 Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 341, Rn. 148; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.30; Perridon/ Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 166 f.; Billek, Cash Pooling, S. 5. 26 Für ausführliche Erklärungen zum Cash Pooling s. Kapitel 1, § 1, B., V. 27 Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 46. 28 In der deutschen betriebswirtschaftlichen Literatur ist anzutreffen, dass der Begriff auch als „Kassendisposition“, (Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 166) oder als „Finanzdisposition“ (Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 674) umschrieben wird. 29 Ins Türkische kann der Begriff als „Nakit Yönetimi“ übersetzt werden. 30 Zu den verschiedenen Definitionen in der Literatur s. Kettern, Cash Management, S. 7 ff.; Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 5 ff.; Werdenich, Modernes CashManagement, S. 11 f. Für die Unterscheidung der Definitionsrichtungen (Realdefinition oder Nominaldefinition) s. insb. Kettern, Cash Management, S. 7 f.

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ist. Die Unterschiede beziehen sich auf die Reichweite des Aufgabenfelds.31 Nach einer weitreichenden Definition stellt das Cash Management „die Gesamtheit aller Aktivitäten, die direkt oder indirekt auf eine zielorientierte Gestaltung des kurzfristigen Finanzpotenzials der Unternehmung ausgerichtet sind“32 dar. Unter dem kurzfristigen Finanzpotential werden hier sowohl die Kassenbestände in Form von Bargeld und Sichtguthaben (Primärliquidität), als auch die kurzfristig liquidierbaren Finanzanlagen, sowie die nicht ausgeschöpften Kreditlinien, die kurzfristig in Anspruch genommen werden können (Sekundärliquidität) verstanden.33 Um sich ein umfassendes Bild über den genaueren Funktionsbereich von Cash Management verschaffen zu können, müssen seine Ziele und Aufgaben detailliert dargestellt werden. Inhalt und Aufgabenbereich des Cash Management lassen sich nämlich nicht durch Definitionen erklären, sondern am besten vor dem Hintergrund seiner Ziele und Aufgaben präzisieren. III. Ziele von Cash Management Cash Management ist ein wesentlicher Bestandteil der finanziellen Unternehmensführung. Insofern lassen sich seine Ziele nicht isoliert von den finanzwirtschaftlichen Zielen der Gesamtunternehmung betrachten. Zielsetzungen des Cash Management sind daher ursprünglich aus den finanzwirtschaftlichen Oberzielen der Unternehmen abzuleiten.34 Sie sollen grundsätzlich zur Erreichung dieser Oberziele beitragen. Beim Verfolgen dieser Ziele ist es aber nicht immer möglich, die im Rahmen von Cash Management zu treffenden Entscheidungen direkt an diesen generellen Oberzielen zu orientieren.35 Sie sollen nämlich ihre eigene Dynamik haben. Insofern werden Cash Management Ziele in der betriebswirtschaftlichen Literatur bezüglich der Zielhierarchie zumeist als Unterziele angesehen, die sich als Operationalisierung bei der Erfüllung der Oberziele erweisen.36 31 Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 5 ff. Zu einer Differenzierung verschiedener Definitionen nach inhaltlichen Schwerpunkten s. Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 47 ff. 32 Kettern, Cash Management, S. 19; ihm folgend Theisen, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 11, Rn. 32; Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 342, Rn. 151. 33 Kettern, Cash Management, S. 13 f.; ausführlich dazu Süchting, Finanzmanagement, S. 563 ff. 34 Kettern, Cash Management, S. 39; Spahni-Klass, Cash Management, S. 16, 41 ff.; Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 77 ff.; Essmann, Die Bankbeziehungen im Cash Management, S. 113; Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 165 f. 35 Kettern, Cash Management, S. 38. 36 Kettern, Cash Management, S. 38 f.; Essmann, Die Bankbeziehungen im Cash Management, S. 113 ff. Manche Autoren formulieren es anders und gehen direkt davon aus, dass das Zielsystem des Cash Management selber durch zwei Ebenen, den Ober- und Unterzielen gebildet werde und die Oberzielen eng mit den Komponenten des finanzpolitischen Zielsystems

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

Es bestehen auch verschiedene Meinungen und Bestimmungen über die Zielsetzungen des Cash Management, wie bei der Definition des Begriffs des Cash Management. Die vorrangigen und insbesondere für das Funktionsgebiet des Cash Management relevanten Ziele des Finanzbereichs lassen sich insbesondere auf Rentabilität, Liquidität und Sicherheit beziehen.37 Diese Oberziele bilden den Ausgangspunkt für die Ableitung der Ziele des Cash Management. Das Hauptziel einer Unternehmung ist finanzwirtschaftlich gesehen die Rentabilität. Damit ist die Erzielung eines optimalen Gewinns gemeint,38 wobei grundsätzlich die Maximierung von Geldanlageerlösen und die Minimierung unterschiedlicher Kosten in Betracht kommt. Das Rentabilitätsziel kann jedoch nicht isoliert verfolgt werden, ohne den zwei existenziell wichtigen Zielen der Unternehmung „Liquidität“ und „Sicherheit“ Rechnung zu tragen. Denn die letzten beiden Ziele verschaffen der Unternehmung vor allem die Existenzsicherung und somit die Gewinnerzielungsmöglichkeit. Dem Liquiditätsaspekt zufolge soll bei der Erzielung einer maximalen Rentabilität die jederzeitige Zahlungsfähigkeit der Unternehmung stets im Auge behalten und sichergestellt werden. Jederzeitige Zahlungsbereitschaft einer Unternehmung ist von existenzieller Bedeutung, weil im Insolvenzrecht die Zahlungsunfähigkeit einer der Konkursgründe ist. Aus sicherheitsorientierter Perspektive gesehen sollen zugleich jegliche vorbeugende Maßnahmen getroffen werden, damit finanzielle Risiken, die den dauerhaften Bestand der Unternehmung gefährden, vermieden werden können. In diesem Zusammenhang kommt die Bewältigung unerwarteter Liquiditätsengpässe,39 die Werthaltung der liquiden Mittel40 und die Währungs- und Zinsrisikominimierung41 in Betracht. Letztendlich muss das Cash Management zur Rentabilitätssteigerung unter strenger Berücksichtigung der Liquiditätssicherung beitragen.42 Im Hinblick auf konzernweites Cash Management kommt zudem – im Zusammenhang mit dem Liquiditätsziel – besondere Bedeutung den Zielen Flexibilität und verwandt seien, Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 78; ihm folgend Werdenich, Modernes Cash-Management, S. 14. 37 Spahni-Klass, Cash Management, S. 16, 43; Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 51; Essmann, Die Bankbeziehungen im Cash Management, S. 113. Diese drei Ziele werden in der Literatur verschieden bezeichnet. Sie werden von Kettern mit „Gewinn, Sicherheit und Unabhängigkeit“ (Kettern, Cash Management, S. 39); von Boettger mit „Liquidität, Erfolg und Eigenkapital“ (Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 77) umschrieben. 38 In der betriebswirtschaftlichen Literatur unterschied Boettger hinsichtlich des Hauptzieles der Unternehmung angemessene „Rentabilität“ von der einfachen „Gewinnmaximierung“, Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 77 und Fn. 1. 39 Spahni-Klass, Cash Management, S. 43. 40 Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 79; Werdenich, Modernes Cash-Management, S. 14. 41 Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 79; Essmann, Die Bankbeziehungen im Cash Management, S. 125. 42 Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, S. 165 f.

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Unabhängigkeit zu. Von einem modernen konzernweiten Cash Management ist zu erwarten, dass einerseits der Konzernspitze Handlungsfreiheit im Sinne der Handhabung konzerninterner Überschussliquidität und somit rechtzeitige Reaktionsmöglichkeit auf die Kassendefizite von Konzernunternehmen zugebilligt wird, andererseits finanzwirtschaftliche Einflussnahmen von Außenstehenden, also autonomiefeindliche Finanzierungsarten verringert bzw. vermindert werden.43 In diesem Zusammenhang rückt das Cash Pooling-Verfahren, was u. a. gewissermaßen der finanziellen Flexibilität und Unabhängigkeit des Konzerns dient, als ein wichtiges Cash Management Instrument in den Vordergrund. Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Cash Management Ziele nicht isoliert nebeneinander, sondern vielmehr in konkurrierender Beziehung zueinander stehen.44 Ein bekannter Zielkonflikt besteht beispielsweise zwischen Liquiditäts- und Rentabilitätszielen. Während ein hoher Kassenbestand die jederzeitige Zahlungsbereitschaft sichert, verursacht es gleichzeitig erhebliche Opportunitätskosten. Damit steht es dem Rentabilitätsziel entgegen.45 Von daher soll schließlich ein effizientes Cash Management entscheidungspolitisch gesehen die Optimierung zwischen den verschiedenen Zielen erreichen. IV. Aufgaben von Cash Management Die Aufgaben des Cash Management lassen sich aus den obigen Zielen von Cash Management ableiten und in folgender Weise kurz zusammenfassen: Liquiditätsplanung: Die erste Aufgabe des Cash Management ist es, sämtliche Ein- und Auszahlungen innerhalb eines Zeitraums zu erfassen und zu saldieren.46 Die dadurch erhaltenen Informationen und Daten sollen die Grundlage für alle Entscheidungen sowie Vorgänge, vor allem für Anlage- bzw. Kreditaufnahmenentscheidungen im Bereich des Cash Management bilden.47 Einer genauen und detaillierten Liquiditätsplanung kommt zudem hinsichtlich der Sicherstellung jederzeitiger Zahlungsfähigkeit des Unternehmens große Bedeutung zu.48 Denn sie sorgt für einen Überblick über die finanzielle Lage auf der Zahlungsmittelebene und er43

Heinen, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, S. 115. Kettern, Cash Management, S. 51 ff.; ihm folgend Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 81 ff.; Essmann, Die Bankbeziehungen im Cash Management, S. 114. Neben der konkurrierenden Beziehungen bestehen auch komplementäre und indifferente Beziehungen zwischen den finanzwirtschaftlichen und somit Cash Management Zielen. Zur grundlegenden Darstellung von Zielbeziehungen der Unternehmung s. Heinen, Grundlagen betriebswirtschaftlicher Entscheidungen S. 94 ff. 45 Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 81; Kettern, Cash Management, S. 52 ff. 46 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 55; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.16. 47 Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.18. 48 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 55. 44

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

möglicht dem Unternehmen die Gelegenheit, rechtzeitig darauf zu reagieren.49 Betrifft es einen Konzern, so werden Liquiditätspläne nicht nur für die Einzelunternehmen, sondern auch konsolidiert für den Gesamtkonzern erstellt.50 Damit soll ein umfassendes Bild hinsichtlich der Liquiditätssituation des gesamten Konzerns entstehen. Liquiditätsdisposition: Disposition der liquiden Mittel ist der zentrale Aufgabenbereich des Cash Management.51 Zur Erreichung des Zieles jederzeitiger Zahlungsfähigkeit der Unternehmung sollte im Rahmen des Cash Management sowohl auf prognostizierbare als auch nicht prognostizierbare Liquiditätsbedürfnisse bzw. Liquiditätsengpässe zeitlich angemessen reagiert werden können.52 Andererseits muss hinsichtlich der Rentabilität dafür Sorge getragen werden, dass die Liquiditätsüberschüsse zinsbringend angelegt werden. Von daher ist hierbei die Aufgabe des Cash Managers, auf Grundlage der durch die Liquiditätsplanung erhaltenen Informationen bzw. Daten, Entscheidungen über die optimale Deckung der Liquiditätsdefizite und die optimale Anlage kurzfristiger Liquiditätsüberschüsse zu treffen.53 Bei Konzernen kommt an dieser Stelle insbesondere der konzerninterne Liquiditätsausgleich, also das Konzept des Cash Pooling in Betracht. Da durch das Cash Pooling sowohl die Inanspruchnahme externer Kredite, als auch die im Konzern unverzinsliche oder gering zinsbringende Liquidität verringert wird, spielt dieses Cash Management Instrument bei der Disposition der im Konzern vorhandenen Liquidität eine besondere Rolle. Gestaltung der Zahlungsströme: Bei dieser Aufgabe handelt es sich um die Steuerungsmöglichkeiten des Unternehmens, die sowohl den konzerninternen als auch den konzernexternen Zahlungsverkehr betreffen.54 Das Ziel ist, die Zahlungsströme so effizient zu gestalten, dass am Schluss das optimale finanzielle Resultat für das Unternehmen zustande kommt. In diesem Zusammenhang steht die Reduzierung der Kosten, die sich aus dem Zahlungsverkehr oder aus den nicht zinsbringend eingesetzten Geldern ergeben (Opportunitätskosten) im Vordergrund.55 Es sollen die geeignetsten Zahlungsmittel und Zahlungswege gewählt werden, damit anfallende Kosten möglich gering gehalten werden können.56 Zweitens soll der Zeitpunkt der Ein- und Auszahlungen zu Gunsten des Unternehmens beeinflusst 49

Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.16. Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.16. 51 Spahni-Klass, Cash Management, S. 89; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, HndbKonzernfinanzierung, Rn. 23.19; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 66. 52 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 67. 53 Eistert, Cash Management Systeme, S. 27; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.19. 54 Eistert, Cash Management Systeme, S. 32. 55 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 77. 56 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 77. 50

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werden, damit die Liquidität so lange wie möglich in der Kasse des Konzerns bleiben kann und im Interesse der Konzernunternehmen genutzt werden kann.57 Auswahl und Pflege der Bankverbindungen: Die Durchführung eines effizienten Cash Management bedarf immer der Mitwirkung der Kreditinstitute und setzt unbedingt eine enge Zusammenarbeit mit den Banken sowie entsprechende Bankdienstleistungen voraus.58 Kreditinstitute stellen nämlich einerseits die für den Entscheidungsprozess benötigten Informationen und Daten zur Verfügung, andererseits führen sie die Zahlungsabwicklung im Rahmen des Cash Management durch.59 Zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses von Unternehmen zwecks Konzernbildung unterhält jedes Unternehmen mindestens eine Bankverbindung, was danach eine Vielzahl von Konten bei verschiedenen Banken innerhalb eines Konzerns nach sich zieht. Die dadurch entstandene übermäßige Anzahl von Bankverbindungen bringt zum einen höheren Aufwand mit sich, zum anderen erschwert sich hierdurch die finanzielle und damit organisatorische Koordination innerhalb des Konzerns.60 Von daher ist hierbei nach den Bedürfnissen und Strategien des Konzerns61 eine zweckmäßige und kostenminimierende, also optimale Anzahl und Auswahl von Bankverbindungen zu bestimmen.62 Die Einführung eines Cash Pooling-Verfahrens bringt in diesem Zusammenhang erhebliche organisatorische und finanzielle Vorteile mit sich, weil beim Cash Pooling die Unterkonten der Konzernunternehmen üblicherweise nur bei einem Kreditinstitut unterhalten werden und damit die Anzahl der Bankverbindungen minimiert wird. V. Cash Pooling 1. Wesen und Ziel des Cash Pooling Cash Pooling ist ein wesentliches Cash Management Instrument, welches ein Mittel zum konzerninternen Liquiditätsausgleich darstellt. Als solches gehört es zum Bereich der Liquiditätsdisposition,63 welche die Hauptaufgabe eines modernen Cash Management ist. Es fungiert dabei als ein Mittel zur „Effizienzsteigerung“ und

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Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 78; Eistert, Cash Management Systeme, S. 34. 58 Kettern, Cash Management, S. 118; Eistert, Cash Management Systeme, S. 43. 59 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 79. 60 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 79. 61 Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 149. 62 Kettern, Cash Management, S. 119 ff.; Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 148. 63 Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 343, Rn. 152. Vgl. Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 56 ff., welcher der „Liquiditätsausgleich“ getrennt von dem „Liquiditätsdispositon“ als ein eigenständiges Komponent von Cash Management betrachtet.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

„Automatisierung“ der Liquiditätsdisposition.64 Unter dem Cash Pooling versteht man – grob gesprochen – die konzernweite Bündelung der im Konzern vorhandenen Liquidität. Dabei werden die Bankkonten/Unterkonten65 einzelner Konzernunternehmen in periodischen Abständen auf einem zentralen Konto/Zielkonto/Cash Pool66 zusammengefasst und die Konzernunternehmen, die Liquiditätsbedarf haben, werden aus diesem Konto mit Liquidität versorgt.67 Im Kern bezweckt das Cash Pooling die optimale Verwendung überschüssiger Liquidität der Konzerngesellschaften.68 Der Ausgangsgedanke dieses Verfahrens ist vor allem die Absicht, aus der im Konzern vorhandenen Überschüsse zu Gunsten aller Konzernunternehmen, insbesondere im Interesse der Tochtergesellschaften, denen es an Liquidität mangelt in optimaler Weise zu profitieren und so innerhalb des Konzerns, quasi aus eigenem wirtschaftlichen Potenzial, eine eigene Finanzierungsquelle zu schaffen. Denn, während in einem Konzern einige Konzernunternehmen niedrig oder gar nicht verzinste Guthaben bei Kreditinstituten unterhalten, müssen andere Konzernunternehmen, die Liquiditätsdefizite haben, ihren Bedarf zu höheren Schuldzinsen decken.69 Das führt im Endeffekt zu einem verschwenderischen und damit ertraglosen Umgang mit der bereits im Konzern vorhandenen Liquidität in jener Zeit, in der das Kapital knapp und die Konditionen für Kreditaufnahmen streng sind. Genau diese ertraglose Nutzung des Konzernüberschusses wollen Konzerne durch das Cash Pooling verhindern. Das Zielkonto wird üblicherweise durch die Konzernmutter oder durch eine dafür speziell gegründete und von der Muttergesellschaft beherrschte „Betreibergesellschaft“70 geführt.71 Im Falle der Einschaltung einer speziellen Betreibergesellschaft 64 Werdenich, Modernes Cash-Management, S. 109; Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 343, Rn. 152. 65 Es existieren dafür verschiedene Bezeichnungen: „Quellkonten“, „Ursprungskonten“, „Zahlungsverkehrskonten“, usw. 66 Es bestehen dafür verschiedene Bezeichnungen: „Masterkonto“, „Master Account“, „Konzentrationskonto“, „Hauptkonto“, „Verrechnungskonto“. 67 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 5; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.28; Altmeppen, ZIP 2006, S. 1025; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 24; Billek, Cash Pooling, S. 5. 68 Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 172; Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 675; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 56; Billek, Cash Pooling, S. 5. 69 Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 675. Ausführlich zum zinsmäßigen Vorteil des Cash Pooling s. Kapitel 1, § 1, C., I., 2. 70 Andere gebräuchliche Bezeichnungen dafür sind: Finanzierungsgesellschaft, InhauseBank, Treasury, Cash-Pool-Führer, Liquiditätsgesellschaft, Konzernbank usw. 71 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.6; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 6; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 27; Altmeppen, ZIP 2006, S. 1025; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 50. Darüber hinaus wird in der Literatur befürwortet, dass für die Verwaltung des Cash Pools ein „Konzernorgan“ eingesetzt werden könne, das speziell lediglich zur Durchführung des Cash Pools eingerichtet wird. Nach dieser Ansicht würde dies dazu

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wird das Zielkonto von ihr mittelbar für die Konzernmutter geführt. Der Geschäftszweck einer derartigen Gesellschaft ist lediglich die Durchführung des Cash Pooling. Sie betreibt zumeist kein mit eigenen Risiken behaftetes Geschäft. Im Rahmen der Arbeit wird unabhängig davon, ob das Zielkonto von der Konzernmutter oder von der Betreibergesellschaft verwaltet wird, für die Inhaberin des Zielkontos aus Vereinfachungsgründen allgemein der Begriff „Betreibergesellschaft“ verwendet, sofern es nicht vonnöten ist, die Konzernmutter als Inhaberin des Zielkontos hervorzuheben. 2. Arten des Cash Pooling und ihre Funktionsweisen a) Physisches/Effektives Cash Pooling72 Das physische Cash Pooling ist die herkömmliche und meist verbreitete Art von Cash Pooling. Mit der Verwendung des Begriffs „Cash Pooling“ wird im Allgemeinen das physische Cash Pooling gemeint (Cash Pooling i.e.S.). Dies ist auch im Rahmen dieser Arbeit der Fall. Beim physischen Cash Pooling werden die Salden der jeweiligen Unterkonten der in das Verfahren einbezogenen Konzernunternehmen tatsächlich auf das Zielkonto transferiert und dort ausgeglichen.73 Das heißt, im Falle von Vorhandensein eines Habensaldos der teilnehmenden Konzernunternehmen werden die Guthaben auf das Zielkonto überwiesen, also zu Gunsten des Zielkontos abgeschöpft und beim Vorhandensein eines Sollsaldos wird der fehlende Betrag vom Zielkonto ausgeglichen, indem der benötigte Betrag zu Lasten des Zielkontos übertragen wird.74 Dabei wird das Geld nicht nur rechnerisch, sondern auch „physisch“ in bar transferiert. Die Unterkonten werden dabei jeweils zu einem zuvor vertraglich festgelegten Zeitpunkt – meist bankarbeitstäglich – automatisch ausgeglichen.75 Es besteht eine sog. (interne) Cash Pooling-Vereinbarung zwischen den Konzernunternehmen und der Betreibergesellschaft, wonach all die teilnehmenden Konzernunternehmen zum Saldenausgleich verpflichtet sind.76 Von daher erfolgt der Ausgleich automatisch, führen, dass bisher zuständige Organmitglieder entlastet würden und ein effektives Synergiemanagement eingeführt werden könne, Jula/Breitbarth, AG 1997, S. 257 ff.; Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, S. 30; vgl. Hangebrauck, Cash Pooling, S. 40. Die Einsetzung derartiger Organe bei Verwaltung des Cash Pooling ist allerdings zumindest gemäß jetzigen Regelungen nicht möglich, weil besondere Konzernorgane weder im deutschen Recht noch im türkischen Recht vorgesehen werden. 72 Andere gebräuchliche Bezeichnungen für diese Art von Cash Pooling sind „Kontenübertragungsverfahren“ und „Cash Concentration“. 73 Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 24. 74 Oho/Eberbach, DB 2001, S. 825; Morsch, NZG 2003, S. 97; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 24. 75 Oho/Eberbach, DB 2001, S. 825; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 27. 76 Ausführlich zur internen Cash Pooling-Vereinbarung siehe Kapitel 1, § 2, A., I., 1.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

ohne dass eine Einzelanweisung weder an die jeweiligen Konzernunternehmen noch an das Kreditinstitut zur Liquiditätsübertragung nötig ist.77 Je nach Ausgestaltung der zwischen den Beteiligten getroffenen Cash PoolingVereinbarung bzw. dem Zentralisierungsgrad können der Betreibergesellschaft noch andere Aufgaben erteilt werden. Es ist z. B. denkbar, dass die Leitung des Zahlungsverkehrs der Konzernunternehmen an die Betreibergesellschaft abgegeben wird. In diesem Fall ist die Betreibergesellschaft dazu verpflichtet, für die Zahlungen aus dem Cash Pool auf Forderungen Dritter gegen die Konzernunternehmen zu sorgen.78 Außerdem ist es möglich, dass die Forderungen der Konzernunternehmen vom Schuldner direkt in den Pool eingezahlt werden.79 Die an dem Cash Pooling beteiligten Konzernunternehmen haben zwar in der Regel ihre eigenen Bankkonten (Unterkonten), aber diese Konten funktionieren nur noch als Durchlaufs-, oder Zahlungskonten, von denen alle eingehenden Zahlungen auf das Zielkonto übertragen werden.80 Diesen Unterkonten ist i.d.R. nicht zu entnehmen, in welcher Höhe das betreffende Konzernunternehmen einen Anspruch gegenüber der Betreibergesellschaft hat oder umgekehrt die Betreibergesellschaft bei Negativsalden ein Anspruch gegenüber dem Konzernunternehmen hat.81 Deswegen werden bei der Einführung des physischen Cash Pooling gesonderte konzerninterne „Verrechnungskonten“ („Intercompany Accounts“) eingerichtet,82 welche die Übertragungs-, bzw. Ausgleichsvorgänge zwischen den Unterkonten der beteiligten Konzernunternehmen und dem Zielkonto darstellen und das Verhältnis zwischen der Betreibergesellschaft und einem jeden der teilnehmenden Konzernunternehmen regeln.83 Auf dem Verrechnungskonto wird beim Zugang auf dem Zielkonto der transferierte Betrag beim betreffenden Teilnehmer belastet, wohingegen beim Zugang auf dem Unterkonto des Konzernunternehmens der ausgeglichene Betrag zu Gunsten der Betreibergesellschaft gutgeschrieben wird.84 Es ergibt sich auf den jeweiligen Verrechnungskonten einerseits ein fiktiver Saldo, der nicht dem Saldo des Unterkontos des Konzernunternehmens entspricht, andererseits insofern ein realer Saldo, als er den Zustand des Guthabens bzw. der Verbindlichkeiten 77

Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 27. Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.7; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 27. 79 Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 50. 80 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.6, 25.18; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 27; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 39. 81 Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 27. 82 Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 27; Hasselbach/Nawroth/ Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 345 f., Rn. 160; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 50; vgl. Hangebrauck, Cash Pooling, S. 39 Fn. 74. 83 Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 345 f., Rn. 160. Ausführlich zur Verrechnungskonten s. Kapitel 1, § 2, A., I., 2., b). 84 Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 17; Hasselbach/ Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 345 f., Rn. 160. 78

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der Konzernunternehmen am Cash Pool schildert.85 Die Verrechnungskonten geben vor allem der Betreibergesellschaft Aufschluss über die Beträge, die die einzelnen Konzernunternehmen in den Pool eingezahlt haben bzw. von dem Pool übertragen bekommen haben.86 Mit Hilfe der durch interne Verrechnungskonten erhaltenen Informationen über den Geldtransfer zwischen dem jeweiligen Unterkonto und dem Zielkonto hat die Betreibergesellschaft zudem die Möglichkeit, für jedes Konzernunternehmen individuelle Verrechnungszinsen zu kreieren. Dieser Verzinsungsprozess ist aber von jenem zu unterscheiden, der vom Kreditinstitut basierend auf dem Zielkontosaldo für den gesamten Konzern durchgeführt wird.87 Das physische Cash Pooling wird zumeist in zwei Untermodellen durchgeführt, welche je nachdem durch Pooling am Ende des Tages entstandenen Kontenstand des jeweiligen Unterkontos zu unterscheiden bzw. bezeichnen sind: *

*

Zero Balancing: Bei diesem Modell werden automatisch die Unterkonten der beteiligten Konzernunternehmen jeweils auf Null gestellt.88 Dies erfolgt entweder durch Übertragung der positiven Salden gänzlich auf das Zielkonto oder durch Ausgleich der negativen Salden im Wege der Buchung eines entsprechenden Betrags von Zielkonto.89 Am Ende dieser Art des Pooling wird also der Saldo des jeweiligen Unterkontos je nachdem durch Übertragung oder durch Ausgleich glattgestellt. Target Balancing: Im Gegensatz zu dem Zero-Balancing erfolgt bei dieser Art von Pooling der Ausgleich von Unterkonten bis zu einem vorbestimmten Betrag.90 Dabei wird am Anfang des Pooling ein Betrag (Sockelbetrag) festgelegt und der Ausgleich wird derart durchgeführt, dass bei positiven Salden nur der Saldo, der über dem vereinbarten Sockelbetrag steht, auf das Zielkonto übertragen wird und bei negativen Salden der Saldo dermaßen ausgeglichen wird, bis er zu dem festgelegten Sockelbetrag erreicht. Darüber hinaus können auch noch andere Parameter festgelegt werden, wie z. B. der Umfang der mindestens zu übertragenden Salden.91

85 Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 27 ff.; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 39. 86 Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 27 f. 87 Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 50. 88 Ammelung/Kaeser, DStR 2003, S. 657; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 27; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 8; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 50; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 36; Korts, Cash Pooling, S. 9. 89 Korts, Cash Pooling, S. 9; Billek, Cash Pooling, S. 11. 90 Korts, Cash Pooling, S. 9; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 8; Reidenbach, WM 2004, S. 1423; Bauer, Untreu durch Cash Pooling, S. 14; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 36. 91 Korts, Cash Pooling, S. 9; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 36; Billek, Cash Pooling, S. 11.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

Hier ist darauf hinzuweisen, dass das Target-Balancing im Vergleich zu ZeroBalancing vorteilhafter ist, weil hierbei das Konzernunternehmen – trotz des Pooling – weiterhin über eine bestimmte Menge Liquidität verfügt und damit zumindest Risiken teilweise vermieden werden können, die sich aus der finanziellen Abhängigkeit vom Cash Pool ergeben.92 b) Virtuelles/Fiktives Cash Pooling93 Im Gegensatz zum physischen Cash Pooling erfolgt beim virtuellen Cash Pooling grundsätzlich keine tatsächliche Übertragung von Liquidität zwischen den Unterkonten der beteiligten Konzernunternehmen und dem Zielkonto. Die Salden auf den Unterkonten bleiben unverändert bestehen. Dabei findet lediglich eine rechnerische Zusammenführung der Unterkonten auf einem gedachten Zielkonto (Schattenkonto) statt, als würden die Habensalden auf den teilnehmenden Unterkonten auf das Zielkonto übertragen und die Sollsalden vom Zielkonto ausgeglichen.94 Auf diese Weise ergibt sich i.d.R. arbeitstäglich ein fiktiver Saldo, der eine Grundlage für die Zinsabrechnung, d. h. für die Bestimmung der Haben- und Sollzinssätze darstellt.95 Die Salden der Unterkonten werden hierbei nur rechnerisch zusammengeführt, aber die Zinsabrechnung erfolgt tatsächlich auf Basis dieses virtuellen Saldos. Der Sinn und Zweck dieses Verfahrens besteht nämlich darin, Zinseinsparungen zu realisieren, ohne dabei eine effektive Liquiditätsbündelung bzw. -verschiebung durchzuführen. Auf diese Weise werden – ähnlich wie beim physischen Cash Pooling – Zinsnachteile vermieden, die daraus resultieren, dass einige Konzernkonten im Minus geführt werden und deshalb mit hohen Sollzinsen belegt sind, während andere Konten schlecht oder gar keine verzinsten Guthabensalden aufweisen. Der durch die fiktive Verrechnung der Unterkonten entstandene fiktive Gesamtsollsaldo bzw. -habensaldo lässt sich i.d.R. im Vergleich zu den Einzelkonten bessere Zinskondi92

Siehe dazu noch Kapitel 1, § 1, C., II., 4. Die andere häufig verwendete Bezeichnung dafür ist „Notional Pooling“. Es ist jedoch in der Literatur auch anzutreffen, dass dafür auch Bezeichnungen wie „Psychisches Cash Pooling“ (Hangebrauck, Cash Pooling, S. 36 ff.) und „Zinskompensation“ (Wehlen, in: Lutter/Scheffler/ Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.30; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 59 ff.) verwendet werden. 94 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.20; Oho/ Eberbach, DB 2001, S. 825; Morsch, NZG 2003, S. 98; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 10; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 28; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 9; Billek, Cash Pooling, S. 12; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 36 f.; Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 346, Rn. 162. 95 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.20; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 9; Oho/Eberbach, DB 2001, S. 825; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 10; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 28; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 26; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 36 f.; Bauer, Untreu durch Cash Pooling, S. 18; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling S. 48. 93

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tionen, also höhere Habenzinsen und niedrigere Sollzinsen mit dem Kreditinstitut erzielen und dadurch kommt es zu besseren Zinsergebnissen, trotz fehlender realer Liquiditätsverschiebung.96 Verbleibt ein virtueller Konzernguthabensaldo auf dem gedachten Konto, werden an die Betreibergesellschaft dementsprechend Zinsen bezahlt und beim Bestehen eines virtuellen Konzernsollsaldos werden von diese Sollzinsen verlangt.97 Bezüglich des Zinsvorteilsausgleichs ist zwischen zwei gängigen Untermodellen des virtuellen Cash Pooling zu unterscheiden: - Zinsoptimierungsmodell: Bei diesem Modell handelt es sich um die unmittelbare Teilnahme der Unterkonten einzelner Konzernunternehmen an den günstigeren Zinskonditionen. D. h. es werden hierbei die auf Grundlage des gedachten Zielkontos kalkulierten Zinssätze direkt auf die Banksalden der einzelnen Konzernunternehmen auf den Unterkonten angewandt und dort die entsprechende Verzinsung durchgeführt.98 - Zinskompensationsmodell: Demgegenüber partizipieren bei diesem Modell die Konzernunternehmen mit ihren Unterkonten nicht unmittelbar an den günstigeren Zinskonditionen. Nach wie vor erfolgt dabei die Verzinsung der Unterkonten weiterhin aufgrund der individuell geltenden ursprünglichen Zinssätze, als würde kein virtuelles Cash Pooling angewandt. Der Zinsvorteilsausgleich erfolgt anschließend unmittelbar bei der Betreibergesellschaft – oder falls so vereinbart ist, nachträglich bei den Konzerngesellschaften99 – in Form einer Zinsausgleichszahlung, wobei die auf Basis des fiktiven Gesamtkontos errechneten günstigeren Zinskonditionen angewandt werden.100 Da die Salden der Unterkonten nicht effektiv übertragen bzw. ausgeglichen werden und damit keine realen Zahlungsströme innerhalb des Konzerns fließen, unterscheidet sich das virtuelle Cash Pooling in mehrfacher Hinsicht vom physischen Cash Pooling. Es ist vor allem beim virtuellen Cash Pooling nicht möglich, sich all die potenziellen wirtschaftlichen Vorteile eines effektiven Cash Pooling vollständig zunutze zu machen. Hier lässt sich lediglich der Zinseinsparungseffekt verwirklichen. Diese Art von Cash Pooling bildet weder eine Grundlage für Sicherung und Optimierung der konzernweiten Liquiditätsversorgung101 noch ermöglicht sie eine

96 Oho/Eberbach, DB 2001, S. 825; Ammelung/Kaeser, DStR 2003, S. 658; Billek, Cash Pooling, S. 12 f. 97 Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 346, Rn. 162. 98 Oho/Eberbach, DB 2001, S. 826; Seidel, DStR 2004, S. 1134; Wendland, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 35. 99 Hasselbach/Nawroth/Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 346 f., Rn. 163. 100 Oho/Eberbach, DB 2001, S. 826; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 27; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 49. 101 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 10.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

zentrale Steuerung bzw. Verteilung sowie Überwachung der Konzernliquidität.102 Es kommt auch nicht zur Einsparung der Verwaltungskosten.103 Da kein realer Ausgleich der Haben- und Sollsalden stattfindet und das Kreditinstitut über keine Sicherheiten verfügt, besteht zudem aus Sicht des Kreditinstituts ein – im Vergleich zum physischen Cash Pooling – noch höheres Kreditausfallrisiko. Das schlägt sich einerseits in den niedrigeren Zinsvorteilen nieder, weswegen sich der mit dem virtuellen Cash Pool bezweckte Zinsvorteil nicht gänzlich verwirklichen lässt.104 Andererseits fordert das Kreditinstitut häufig – wie beim physischen Cash Pooling – von der Betreibergesellschaft und/oder den beteiligten Konzernunternehmen zusätzliche Sicherheiten, wie Bürgschaften oder Patronatserklärungen – insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen (sog. Cross Guarantee) – für das Insolvenzrisiko des Konzerns bzw. einzelner Konzernunternehmen.105 In der Konsequenz kann dies dann dazu führen, dass die einzelnen Konzernunternehmen aus ihren eigenen Vermögen Sicherheiten für das Gesamtkreditvolumen des Konzerns stellen müssen, obwohl sie – im Vergleich zum physischen Cash Pooling – weniger Vorteile haben. Dadurch wird dann wohl einer der wenigen und wichtigsten Vorteile dieser Art des Cash Pooling vermindert, der darin besteht, dass die Konzernunternehmen – anders als das physische Cash Pooling – das Bonitätsrisiko anderer Konzernunternehmen nicht per se mit übernehmen müssen.106 Positiv einzustufen ist allerdings, dass bei dieser Art von Pooling die meisten aus dem physischen Cash Pool resultierenden wirtschaftlichen Risiken und rechtlichen Probleme nicht entstehen.107 Da es hier am realen Kapitaltransfer fehlt und die Unterkonten der einzelnen Konzernunternehmen unverändert bleiben, ergibt sich dabei i.d.R. kein Widerspruch zu den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen hinsichtlich der Kapitalerhaltung und -aufbringung. Allerdings ist an dieser Stelle nicht aus den Augen zu verlieren, dass in Einzelfällen, wobei die Konzernunternehmen für das gedachte Konto aus ihren eigenen Vermögen Sicherheiten stellen und damit für die Verbindlichkeiten der anderen haften, sich auch das virtuelle Cash Pooling in Bezug auf die Einhaltung der Kapitalerhaltungsgrundsätze als rechtlich problematisch erweisen könnte.108 Obwohl sich die folgenden Ausführungen lediglich auf das 102 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 9; Hasselbach/Nawroth/ Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 346, Rn. 162. 103 Billek, Cash Pooling, S. 12; Werdenich, Modernes Cash-Management, S. 113. 104 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 9; Seidel, DStR 2004, S. 1130; Hentzen, ZGR 2005, S. 525; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 37. 105 Altmeppen, ZIP 2006, S. 1034; Hentzen, ZGR 2005, S. 525; Korts, Cash Pooling, S. 10; Bauer, Untreu durch Cash Pooling, S. 18; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 37; Wendland, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 36. 106 Wendland, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 36; zum Bonitätsrisiko beim (physischen) Cash Pooling s. Kapitel 1, § 1, C., II., 1. 107 Für Risiken des physischen Cash Pooling s. Kapitel 1, § 1, C., II. 108 Seidel, DStR 2004, S. 1234 f.; Bauer, Untreu durch Cash Pooling, S. 18; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling S. 49. In der Literatur halten allerdings manche Autoren das virtuelle Cash Pooling rechtlich für völlig unproblematisch, wobei sie davon ausgehen, dass

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(physische) Cash Pooling beschränken, sollen sie daher auch für das virtuelle Cash Pooling gelten, soweit die Konzernunternehmen für das fiktive Konto Sicherheiten stellen und daraus rechtliche Probleme resultieren. c) Kombination von physischem und virtuellem Cash Pooling Um einige Schwierigkeiten wie den hohen Kostenaufwand oder rechtliche Restriktionen zu vermeiden und damit das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, kann es zur Kombination von physischem und virtuellem Cash Pooling kommen (sog. hybrides Cash Pooling).109 Diese Kombinationsmöglichkeit wird häufig beim Ausgleich von Banksalden unterschiedlicher Währungen auf grenzüberschreitender Ebene genutzt, um dabei eventuell zu entstehende hohe Umtausch- oder Kurssicherungskosten zu vermeiden. Dabei werden die auf die gleiche Währung lautenden Unterkonten tatsächlich transferiert, während die Unterkonten in anderen Währungen virtuell gepoolt werden.110 VI. Abgrenzung von Cash Pooling zu Netting Netting bzw. Clearing111 ist ein weiteres konzerninternes Cash Management Instrument,112 wodurch die Verringerung der Anzahl bzw. des Volumens konzerninterner Zahlungsvorgänge und die Reduzierung der damit verbundenen kostenbedingten Nachteile bezweckt werden.113 Beim Netting werden Forderungen und Verbindlichkeiten einzelner Konzernunternehmen innerhalb des Konzerns zu einem vorher bestimmten (meistens monatlichen)114 Stichtag gegenseitig erfasst und aufmangels eines realen Liquiditätsabflusses kein Verstoß auf die Kapitalerhaltungs-, und Kapitalaufbringungsvorschriften vorliegen könne. So etwa Morsch, NZG 2003, S. 99; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 9 f.; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 37 f.; wohl auch Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 28. 109 Oho/Eberbach, DB 2001, S. 825. 110 Oho/Eberbach, DB 2001, S. 825; Wendland, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 36. 111 „Netting“ und „Clearing“ werden zumeist synonym verwendet. So z. B.: Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 26; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 46; in der betriebswirtschaftlichen Literatur: Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 162; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 34; Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 19. 112 A.A. wohl Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 16 f., welcher das Netting als eine Sonderform bzw. eine Erscheinungsform des Cash Pooling bezeichnet; vgl. Hangebrauck, Cash Pooling, S. 34 f., welcher das Netting unter dem Titel „Arten des Cash Pooling“ beschreibt, ohne aber explizit auszudrücken, dass es eine Art des Cash Pooling sei. 113 Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.38; Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 162. 114 Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 676. Die Häufigkeit des Netting ist eher von der Anzahl und Höhe der internen Zahlungsbeziehungen abhängig und bei größeren

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gerechnet.115 Anstatt jede Verbindlichkeit gegenseitig einzeln zu begleichen, wird hierbei lediglich die Differenz (der Nettosaldo) transferiert, die am Ende der Verrechnung der gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten entsteht.116 Es handelt sich hier um ein Cash Management Instrument zur „Gestaltung der konzerninternen Zahlungsströme“.117 Die konzerninterne Verrechnung der Forderungen und Verbindlichkeiten bringt viele wirtschaftliche Vorteile mit sich. Dadurch wird vor allem die Anzahl von konzerninternen Einzeltransaktionen und damit verbundenen – insbesondere im währungsübergreifenden Zahlungsverkehr – erheblichen Transaktions- bzw. Wechselkurssicherungskosten verringert.118 Ein anderer Vorteil liegt in der Verringerung der Transaktionslaufzeiten und damit auch in der Vermeidung bzw. Reduzierung der Floatverluste, also der Zinsnachteile, die die im Überweisungsvorgang befindlichen nicht zinsbringenden Mittel verursachen.119 Außerdem kommt es zu einer Einsparung der Bankgebühren bzw. Umtauschprovisionen.120 Durch das Netting entsteht zusätzlich Transparenz und bessere Planbarkeit der Zahlungen innerhalb des Konzerns.121 All diesen Vorteilen stehen allerdings die extra Arbeit zur Datenverarbeitung122 und die Kosten für die Umsetzung, Verwaltung sowie die

Transaktionsvolumen kann das Netting auch wöchentlich stattfinden, Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 63. 115 Büschgen, WM 1995, S. 736; Lutter/Scheffler/Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 1.76; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 13; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.38; Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 676; Makowski, CashManagement in Unternehmensgruppen, S. 24; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 47. 116 Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 162; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 34; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 13; Ammelung/Kaeser, DStR 2003, S. 656; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 47. 117 Vgl. Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 676 f.; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 56 ff. und Scheffler, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 20.45, welche davon ausgehen, dass das Netting den „Liquiditätsausgleichsmaßnahmen“ zuzuordnen sei. 118 Büschgen, WM 1995, S. 736; Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 162; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 34; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 14; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, HndbKonzernfinanzierung, Rn. 23.38; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling S. 47. 119 Büschgen, WM 1995, S. 736; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 34; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.39; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 14; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 47. 120 Büschgen, WM 1995, S. 736; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 14. 121 Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.39; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 63. 122 Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.40.

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Überwachung der Durchführung des Nettings gegenüber.123 Aus diesem Grund ist bei der Einführung des Nettings besonders darauf zu achten, dass ein entsprechendes Transaktionsvolumen und umfangreicher Zahlungsverkehr innerhalb des Konzerns vorhanden sind, sodass sich die bei dessen Durchführung entstehende Mehrarbeit sowie Kosten amortisieren.124 Nach der Zahl der in die Verrechnung einbezogenen Konzernunternehmen ist beim Netting zwischen bilateralem und multilateralem Netting zu unterscheiden.125 Beim bilateralen Netting erfolgt die Verrechnung lediglich zwischen zwei Konzernunternehmen. Am Ende der Verrechnung entsteht ein Nettosaldo, den der Nettoschuldner an den Nettogläubiger übertragen muss.126 Beim multilateralen Netting hingegen, welches in der Literatur auch als „(Konzern-)Clearing“127 bezeichnet wird, wird die Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten vieler einbezogenen Konzernunternehmen vorgenommen.128 In der Praxis wird das Netting auch in Kombination mit Cash Pooling vorgenommen.129 Beim Cash Pooling findet normalerweise keine Aufrechnung der Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen einzelnen Konzernunternehmen statt, sondern nur eine Zusammenführung der Kontostände der beteiligten Konzernunternehmen.130 Da es dabei zu einer Vielzahl von absteigenden und aufsteigenden Darlehensverhältnisse kommt, ergeben sich daraus in meisten Fällen viele Zahlungsvorgänge, die zu vielen und vielleicht auch überflüssigen Einzelüberweisungen führen könnten.131 Um das und den damit verbundenen Aufwand zu verhindern, wird in der Praxis das Cash Pooling gelegentlich in Verbindung mit dem Netting

123

Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 34. Essmann, Die Bankbeziehungen im Cash Management, S. 136; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 35. 125 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 13; MüllerBullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 34; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 63. 126 Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 162; Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 20. 127 So z. B.: J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 13; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 24; Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 676; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.39. Der letzte Autor bezeichnet zwar auch theoretisch das multilaterale Netting als Clearing, aber in der Tat verfolgt diese Trennung nicht explizit. 128 Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.38; Wendland, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 28. 129 Rendels, ZIP 2003, S. 1584; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 28; N. Schmidt, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Cash Pool, S. 14; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 48. Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 28 f. 130 Ammelung/Keaser, DStR 2003, S. 657; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 35. 131 Rendels, ZIP 2003, S. 1584. 124

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

durchgeführt.132 Bei der Kombination dieser Verfahren werden die aus dem Cash Pooling resultierenden Salden mit den sich aus dem Netting ergebenden Salden verrechnet, so dass zwischen dem Systemführer und den einzelnen Konzernunternehmen nur jeweils eine Forderung oder eine Verbindlichkeit entsteht.133 In der Literatur wird das Netting teilweise dem konzerninternen Finanzierungsausgleich zugeordnet.134 Der Sinn und Zweck des Netting ist – wie bereits dargestellt – die Vereinfachung des Zahlungsmechanismus für bestehende Verbindlichkeiten der Konzernunternehmen innerhalb des Konzerns135 und somit die Vermeidung bzw. Reduzierung der sich aus den Zahlungsvorgängen ergebenden Kosten und der Arbeitsbelastung. Durch das Netting spart zwar der Konzern einige Kosten, aber dieser Differenzbetrag, der dank der Verrechnung nicht anfällt, ist bloß als ein ökonomischer Vorteil dieses Aufrechnungssystems anzusehen. Es handelt sich hierbei nicht um etwa einen tatsächlichen – wie beim Cash Pooling – Finanzierungsausgleich bzw. Liquiditätsausgleich im Sinne der konzerninternen Finanzierung, sondern um eine Aufrechnung, die der Verringerung des Volumens und der Anzahl der Zahlungsströme dient. Von daher ist beim Netting m. E. keine Finanzierungsfunktion erkennbar.136 Das Netting ist daher als ein konzerninternes Cash Management Instrument zu betrachten, welches unter eine andere Cash Management Komponente, nämlich die „Gestaltung der Zahlungsströmen innerhalb des Konzerns“ zu subsumieren ist.

C. Vorteile und Risiken von Cash Pooling I. Vorteile Von einem Cash Pooling verspricht sich die Konzernleitung in erster Linie wirtschaftliche Vorteile. Diese Erwartungen erfüllen sich in der Regel, solange es den 132 Rendels, ZIP 2003, S. 1584; vgl. Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 28 f.; N. Schmidt, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Cash Pool, S. 14. 133 Blöse, GmbHR 2002, S 675; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 35. 134 Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 676 f. Nachdem er äußerte, dass der konzerninterne Finanzausgleich der wirtschaftlichen Nutzung der im Konzern vorhandenen oder zu beschaffenden Liquidität diene und so es i.d.R. kurzfristige Finanzierung betreffe, bezeichnet er das Clearing/Netting als eine Sonderform des konzerninternen Finanzausgleichs. Ähnlich auch Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 56 ff.; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 24; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 26, vgl. Scheffler, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 20.45. Nach dem letzteren Autor verbleibe beim Netting der Saldo der höheren Verbindlichkeiten als konzerninterne Fremdfinanzierung nach der Verrechnung der konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten. 135 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 15. 136 Auch in diese Richtung vgl. Bischoff, Determinanten des Cash Managements, S. 163; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 15.

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ins Cash Pooling eingebundenen Konzernunternehmen wirtschaftlich gut geht.137 Da dieses Verfahren es der Konzernspitze grundsätzlich ermöglicht, die beteiligten Konzerngesellschaften trotz ihrer rechtlichen Selbstständigkeit im Bereich der kurzfristigen Finanzierung gewissermaßen als eine Einheit zu führen, lassen sich so durch die einheitliche Liquiditätssteuerung bzw. -planung besondere wirtschaftliche Positiveffekte erzielen, die im Ergebnis zum finanziellen Zustand des Konzerns und auch einzelner Töchtergesellschaften erheblich beitragen. Darüber hinaus gehen mit der Einführung des Cash Pooling auch organisatorische Vorteile einher, sodass das Cash Pooling als ein Instrument zur besseren Steuerung und Kontrolle des gesamten Konzerns fungiert. Da der Gegenstand der Arbeit die herkömmliche Form des Cash Pooling, also das physische Cash Pooling ist, gelten die nachstehenden Erklärungen zwar hauptsächlich für das physische Cash Pooling. Die Ausführungen zu den Zinsvorteilen haben aber auch Gültigkeit für das virtuelle Cash Pooling. 1. Optimaler Umgang mit der im Konzern vorhandenen Liquidität a) Verwendung der Konzernüberschüsse zur Finanzierung Das Hauptziel des Cash Pooling ist die innerhalb des Konzerns vorhandene, aber unrentable bzw. relativ wenig ertragsbringende überschüssige Liquidität einzelner Konzernunternehmen auf einem zentralen Konto zusammenzufassen. Sie bildet damit eine innere Liquiditätsquelle, aus welcher der kurzfristige Liquiditätsbedarf einzelner Konzernunternehmen befriedigt werden kann.138 Wie schon dargestellt139 erweist sich das Cash Pool in diesem Zusammenhang als eine besondere konzerninterne Finanzierungsquelle neben den herkömmlichen Innen- und Außenfinanzierungsmodellen, mithilfe derer Liquiditätsdefizite der Konzernunternehmen ohne Einschaltung externer Kapitalgeber einigermaßen beseitigt werden können. So trägt das Cash Pooling-Verfahren gewissermaßen zur finanziellen Selbstständigkeit des Gesamtkonzerns und damit auch indirekt der beteiligten Konzernunternehmen bei. Das Verfahren ermöglicht es nämlich, dass der Liquiditätsbedarf einzelner Konzernunternehmen von einer durch eigene finanzielle Kraft der Konzernmitgliedern geschaffenen gemeinsamen Quelle gedeckt wird. Insbesondere seit der Baseler Rahmenvereinbarung (Basel II bzw. III), die auf die Stärkung der Sicherheit und Solidität des Finanzsystems abzielt, überprüfen die Banken die Kredit verlangenden 137 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 83; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 19; Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 44 f.; Vetter, in: VGR 6, S. 71; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 28 f. Die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit des Cash Pooling wird auch vom Gesetzgeber des MoMiG anerkannt und das Cash Pooling wird als ökonomisch sinnvoll und dem Interesse aller beteiligten Gesellschaften dienend angesehen, BT-Drucks 16/6140, S. 41. 138 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 84. 139 Siehe Kapitel 1, § 1, A., III., 3.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

Unternehmen gründlich in Bezug auf ihre Bonität. Entweder verschärfen sie die Kreditkonditionen oder sie lehnen die Kreditanträge ab, sofern sie die angebotenen Sicherheiten für nicht ausreichend erachten. In diesem Fall wird es für die Unternehmen immer schwerer und teuerer, sich Kapital bei Banken zu besorgen. Unter diesen Bedingungen kommt dem Cash Pooling zwangsläufig eine besondere Bedeutung zu, weil dadurch den Unternehmen in Zeiten teurer Kredite und begrenzter Finanzmittel ermöglicht wird, relativ reibungslos und günstiger an das benötigte Kapital heranzukommen und so unabhängig von Fremdgeld zu agieren. Daher spielt das Cash Pooling als alternative Finanzierungsquelle eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Konzerns bzw. einzelner Konzerngesellschaften. b) Liquiditätssicherung mit geringerer zentraler Liquiditätsreserve Neben der oben erwähnten kurzfristigen Finanzierungsfunktion hat das Cash Pooling auch eine konzernweite Liquiditätssicherungsfunktion. Darunter ist die permanente Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Konzerntöchter zu verstehen.140 Liquidität ist aus wirtschaftlicher Sicht für ein Unternehmen nicht nur deswegen lebensnotwendig, weil all seine Tätigkeiten und Investitionsentscheidungen darauf beruhen, sondern auch weil die Zahlungsunfähigkeit zur Insolvenz führen kann. Aus diesem Grund müssen die Unternehmen jederzeit zahlungsfähig sein und bei der Liquiditätsplanung immer darauf achten, ständig über eine Sicherheitsreserve zum Schutz gegen Illiquidität zu verfügen.141 Die Bildung dieser Reserve ist allerdings mit einem Renditeausfall verbunden, der daraus resultiert, dass die Mittel – normalerweise in Anlageformen gegen niedrige Verzinsung – relativ unrentabel gehalten werden, anstatt langfristig und ertragsbringend investiert zu werden.142 2. Ersparnis der Zinsdifferenz zwischen Sollund Habensalden (Interner Zinseffekt) Innerhalb eines Konzerns haben die einzelnen Unternehmenseinheiten i.d.R. unterschiedlichen Kredit- und Anlagebedarf. Die Zinssätze für Soll- und Habenkonten sind äußerst unterschiedlich hoch, sodass die Habensalden üblicherweise niedrig oder gar nicht verzinst werden, während bei den Sollsalden für die fehlende Liquidität hohe Zinsen zu zahlen sind.143 Durch die Bündelung der im Konzern befindlichen überschüssigen Liquidität an einer Stelle und den ständigen Ausgleich von Salden der Konzernunternehmen wird verhindert, dass liquiditätsbedürftige Konzernglieder für aufgenommenes Fremdkapital hohe Zinsen zahlen, während die 140

Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.2. Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 58; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 54; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 41. 142 MHLS/Fleischer, Syst. Darst.5, Rn. 26; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 54. 143 Cahn, ZHR 166 (2002), S. 279; Billek, Cash Pooling, S. 6; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 55. 141

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anderen für ihr Guthaben geringe oder bestenfalls die übliche Verzinsung erhalten. Die Ausschaltung der Kreditinstitute im Rahmen des Cash Pooling führt dadurch zu einem positiven Zinseffekt, sodass die normalerweise den Banken zufallende Zinsmarge in Höhe der Differenz zwischen dem Zinsertrag für Überschüsse und dem Zinsaufwand für das aufzunehmende Kapital im Konzern verbleibt.144 Die eingesparte Zinsmarge kann sogar je nach Größe und Finanzierungsvolumen des Konzerns einen dreistelligen Millionenbereich erreichen.145 Im Endeffekt werden dadurch die Zinsbelastung und die Finanzierungskosten146 sowohl seitens des gesamten Konzerns als auch einzelner Konzernunternehmen beträchtlich verringert.147 3. Größenvorteile Durch die gemeinsame Liquiditätsplanung und die Konzentration der kurzfristigen Finanzierungsgeschäfte an einer Stelle entsteht eine Vergrößerung des Volumens der finanziellen Transaktionen innerhalb des Konzerns. Das bringt auf Seiten des Konzerns die sog. Größenvorteile mit sich (Economies of Scale). Im Vergleich zu Einzelunternehmen verschafft dies dem Konzern einerseits eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Kreditinstituten, andererseits ermöglicht es ihm alternative Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt. a) Bessere Zinskonditionen (Externer Zinseffekt) Die Größenvorteile wirken sich hierbei in zweierlei Hinsicht positiv aus. Einerseits, solange der Cash Pool einen Habensaldo aufweist, ist die Betreibergesellschaft in der Lage, die – im Vergleich zu Einzelüberschüssen der Konzerngesellschaften – höheren Volumina zu besseren Zinskonditionen anzulegen.148 Andererseits kann die Betreibergesellschaft am Kapitalmarkt zu günstigeren Zinskonditionen Kredit aufnehmen, wenn der Pool einen negativen Saldo ausweist.149 Dadurch werden die im Konzern vorhandenen einzelnen niedrig oder nicht verzinslichen Liquiditätsüberschussbeträge im Rahmen des Cash Pools als ein gesamter Netto-Betrag zu besseren 144 Büschgen, WM 1995, S. 736; Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 164; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 8; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 28 f.; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 55; Gärtner, Cash Pooling, S. 54. 145 BDI/GDV, Stellungnahme, S. 15. Nach Niemeier, (im Bericht von Seulen, in: VGR 10, S. 160) könne der Zinsvorteil bei einem M-DAX Konzern mehr als 10 Millionen Euro betragen; diesbezüglich siehe auch Seibert, ZIP 2006, S. 1162 f. 146 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 6. 147 Jäger, DStR 2000, S. 1653; Morsch, NZG 2003, S. 98; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 29. 148 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 86; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 29. 149 Jäger, DStR 2000, S. 1654; Morsch, NZG 2003, S. 98; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 29.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

Zinserträgen angelegt und die Aufnahme von liquider Mittel erfolgt umgekehrt zu niedrigeren Schuldzinsen. So führt dies im Endeffekt zur Reduzierung des Zinsaufwandes. b) Besseres Rating i.S.v. Basel-Richtlinien Seit der Einführung der Basel-II und -III Richtlinien müssen nunmehr die Banken bei der Kreditvergabe auf die Bonität der Unternehmen achten. Zur Beurteilung der Bonität der Unternehmen nutzen Kreditinstitute seitdem das Rating-Verfahren. Die Ratings-Ergebnisse der Unternehmen bzw. Konzerne spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Kreditkonditionen. Ein gutes Rating-Ergebnis wirkt sich sowohl auf die Entscheidung über Kreditvergabe selbst als auch auf die Bestimmung der Kreditzinssätze positiv aus. In diesem Zusammenhang bekommt der Konzern dank der bei ihr zusammengefassten Liquiditätsmenge, also durch die höhere Volumina, ein gutes Rating und somit bessere Kreditkonditionen,150 während die Kreditaufnahme für die kleineren (eigenkapitalschwachen) Unternehmen außerhalb von Cash Pooling-Verfahren oder zu günstigen Konditionen wegen der Basel-II Standards nicht möglich ist.151 Denn das durch die Abhängigkeit von der Niedrigkeit der Eigenkapitalquote erhöhte Risiko schlägt sich nach Basel-II in höheren Kreditkosten nieder. c) Unmittelbarer Zugang zu den Kapitalmärkten Über bessere Zinseffekte und besseres Rating hinaus wirken sich die Größenvorteile auch aus anderen Gesichtspunkten ertragssteigernd bzw. kostensenkend aus. Manche ertragreiche Anlagemöglichkeiten oder Finanzierungsalternativen bzw. -märkte sind nämlich erst ab einer gewissen Größenordnung zugänglich.152 Dank der durch Konzentration sämtlicher Liquidität entstehenden höheren Volumina wird dem Konzern in diesem Zusammenhang der Weg geöffnet, einen unmittelbaren Zugang zu den Geldmärkten zu haben und sich damit direkt am Kapitalmarkt kostengünstiger zu finanzieren, wie z. B. durch eigene Anleiheemission.153

150

Hentzen, ZGR 2005, S. 482; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 25; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 56. 151 Billek, Cash Pooling, S. 7. 152 Cahn, ZHR 166 (2002), S. 280; Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.32; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 86. 153 Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.32; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 86; Ammelung/Keaser, DStR 2003, S. 658; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 57.

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4. Senkung der Betriebskosten Die Zentralisierung des Zahlungsverkehrs, d. h. die Reduzierung von Einzeltransaktionen und die zentrale Abwicklung der Mittelaufnahme sowie -anlage führen vor allem insbesondere seitens der Konzerntöchter zur Einsparungen der Betriebskosten.154 Die Senkung der Kosten schlägt sich sowohl in der technischen Ausstattung, als auch in der personellen Arbeitskraft nieder. Die für spezialisiertes Personal anfallenden Kosten und der Ausstattungsaufwand werden hierbei zwar einzelnen Konzerngesellschaften eingespart, weil sie diese Aufgaben nicht mehr selbst wahrnehmen müssen.155 Aber es könnte jedoch wiederum wegen des Erfordernisses von hochspezialisiertem Personal bzw. entsprechender technischen Ressourcen zur Durchführung des Cash Pooling aus Sicht der Konzernspitze zu höheren Personalkosten verursachen.156 Darüber hinaus fallen die transaktionsgebundenen Fixkosten noch weniger an.157 5. Nutzung günstigerer länderübergreifender Konditionen Hierbei handelt es sich um grenzüberschreitende Konzernaktivitäten. In international tätigen Konzernen erweitern sich die Möglichkeiten finanzieller Vorteile, die mittels Cash Poolings erzielt werden können. Es steht ihnen nämlich die Möglichkeit zur Verfügung, von günstigeren landesspezifischen Besonderheiten zu profitieren, die sich beispielsweise aus den unterschiedlichen Zinssätzen, niedrigerer Steuerbelastung oder günstigen Währungskursentwicklungen ergeben.158 a) Internationales Steuergefälle (Niedrigere Steuerbelastung) Im internationalen Raum treten im Bereich der Ertragssteuer gravierende Unterschiede auf. In manchen Ländern ist es üblich, dass niedrige Ertragssteuern erhoben werden, bei manchen wiederum wird Steuersatz erhoben, der fast 50 % erreicht. Durch das Cash Pooling erhalten die grenzüberschreitenden Konzerne die Möglichkeit, ihre Überschussliquidität in Länder mit niedrigerer Steuerbelastung zu 154 Cahn, ZHR 166 (2002), S. 280; Altmeppen, ZIP 2006, S. 1026; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 57; Billek, Cash Pooling, S. 7. 155 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, S. 4; Burgard, in: VGR 6, S. 49; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 25; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 57; Billek, Cash Pooling, S. 7 Fn. 38. 156 So Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 90; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 62; vgl. Billek, Cash Pooling, S. 7 Fn. 38. 157 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 6; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 57; N. Schmidt, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Cash Pool, S. 17. 158 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 87; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 58 f.; ausführlich noch dazu Boettger, Cash-Management internationaler Konzerne, S. 86.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

verlagern und dort anzulegen, sodass die steuerpflichtigen Erträge in diesen Niedrigsteuerländern anfallen. So wird die Liquidität an einen ausländischen Cash Pool überwiesen, der in einem Niedrigsteuerland gegründet und angelegt wurde, solange gesetzliche Rahmenbedingungen des ausländischen Rechts dies zulassen.159 Auf diese Weise könnten global agierende Konzerne die im nationalen Land hoch anzufallende Steuerbelastung umgehen160 und ihre Steuerlast optimieren, wie es einzelne Unternehmen allein nicht könnten.161 b) Chancen aus finanzmarktlichen Konditionen Neben steuerlichen Möglichkeiten öffnet das Cash Pooling dem Konzern auch die Möglichkeit, günstigere internationale Marktkonditionen und -angebote auszunutzen. Es ist z. B. für internationale Konzerne vorteilhaft, in jenen Ländern ein Cash Pool zu gründen, in denen die Habenzinssätze hoch und die Sollzinssätze niedrig oder zumindest wegen der größeren Volumina – im Vergleich zu eigenem Land – Zinskonditionen besser verhandelbar sind. Darüber hinaus können Wechselkurssicherungskosten dadurch erheblich reduziert werden, dass für die im Konzern gebräuchlichen Währungen jeweils eigene nationale Cash Pools eingerichtet werden (sog. Single Currency Pooling).162 So wird zum einen der Ausgleich der Liquiditätsbestände der im Fremdwährungsland angesiedelten Tochtergesellschaften durchgeführt, zum anderen werden die Ein- und Auszahlungen in der betreffenden Währung abgewickelt,163 sodass der Konzern die Wechselkosten einspart. 6. Bessere Überwachung und frühzeitiges Reagieren Da durch das Cash Pooling die kurzfristige Finanzdisposition des Konzerns zentralisiert wird und je nach Zentralisierungsgrad sogar der gesamte Zahlungsverkehr des Konzerns einheitlich bei der Betreibergesellschaft durchgeführt wird, stehen dem Konzern jederzeit unmittelbare Informationen über die finanzielle Situation jeweiliger Konzerntöchter und des Gesamtkonzerns zur Verfügung.164 Dies verschafft der Konzernspitze eine hohe Transparenz und damit eine bessere Über159 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 87; Wendland, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 302. 160 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 87. 161 Für eine detaillierte Darstellung der steuerrechtlichen Vorteilen s. Wendland, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 302. 162 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 60; Ammelung/ Kaeser, DStR 2003, S. 658; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 2; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 59. 163 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 60; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 59. 164 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 88; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 59.

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wachungsmöglichkeit der kurzfristigen finanziellen Aktivitäten innerhalb des Konzerns.165 Dadurch können wirtschaftliche Entwicklungen der Konzerntöchter stets im Auge behalten und Probleme frühzeitig vermieden werden, die sich wegen des Übertragungsmangels oder der Verzögerung der Informationen über den schlechten Gang der finanziellen Lage der Konzerngesellschaften ergeben könnten. Auf diese Weise können Risiken rechtzeitig erkannt und auf sie schnell genug reagiert werden, bevor Fehlentscheidungen getroffen werden.166 Allerdings ist nicht aus den Augen zu verlieren, dass sich die zentrale Abwicklung der finanziellen Vorgänge im Rahmen des Cash Pooling als gefährlich erweisen kann, wenn die Konzernspitze schlechte wirtschaftliche Entwicklungen beteiligter Konzernunternehmen nicht ausreichend überwacht oder zögerlich darauf reagiert. Dann kann die eigentlich zum Vorteil führende Möglichkeit umgekehrt wirken und eine eventuelle finanzielle Schieflage einiger Poolgesellschaften negative Effekte auf die anderen Poolgesellschaften bzw. den gesamten Konzern haben.167 Die zentralisierte Finanzführung trägt zudem zur Flexibilität des Konzerns bei.168 Da die Konzernspitze über die finanziellen Entwicklungen der Konzerngesellschaften regelmäßig informiert ist und die Möglichkeit hat, Konzernüberschussliquidität zu handhaben, kann sie neben der rechtzeitigen Reaktion auf finanzielle Defizite der Konzerngesellschaften, sich schnell an die dauernd ändernde Marktbzw. Wettbewerbskonditionen anpassen und notwendige Maßnahmen ergreifen. Darüber hinaus führt die Zentralisierung von Finanzierungsaufgaben zu einer Reduktion der Anzahl der Bankverbindungen bzw. Kreditlinien,169 sodass eine effiziente und übersichtliche Bankenstruktur für den Gesamtkonzern geschaffen werden kann.170 7. Stärkung finanzieller Unabhängigkeit Die finanzielle Unabhängigkeit eines Konzerns ist – wie oben dargestellt – im Rahmen der Ziele konzernweiten Cash Managements mit zu berücksichtigen.171 Das 165

Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 88; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 59. 166 Spahni-Klass, Cash Management, S 34; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 88; Hentzen, ZGR 2005, S. 482; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 148; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 2; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 6; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 59. 167 Für den sog. „Dominoeffekt“ als ein Nachteil von Cash Pooling siehe Kapitel 1, § 1, C., II., 2. 168 Für ausführliche Erklärungen zur Flexibilität als ein Cash Management Ziel s. Kapitel 1, § 1, B., III. 169 Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 23.32. Andererseits zu den mit dieser Reduktion verbundenen Risiken s. Kapitel 1, § 1, C., II., 9. 170 Korts, Cash Pooling, S. 4. 171 Kapitel 1, § 1, B., III.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

Cash Pooling spielt im Sinne der finanziellen Unabhängigkeit des Konzerns eine wichtige Rolle, da durch den Liquiditätsausgleich die Kapitalbedürfnisse einzelner Konzernmitgliedern innerhalb des Konzerns beseitigt werden und damit der Fremdkapitalbedarf des Konzerns erheblich verringert wird. So wird dem Konzern eine gewisse Unabhängigkeit von Außenstehenden verschafft, weil dadurch verhindert wird, dass der Konzern durch Aufnahme neuer Gesellschafter in die Abhängigkeit dieser Gesellschafter gerät und/oder wegen der Fremdkreditaufnahme auf ihn durch die Kreditinstituten eine faktische Einflussnahme ausgeübt wird.172 II. Risiken Auch wenn das Cash Pooling in wirtschaftlich gesunden Konzernen in vielerlei Hinsicht finanzwirtschaftlich nützlich ist, kann es in Krisenzeiten für die beteiligten Konzerngesellschaften bzw. für den ganzen Konzern im Extremfall existenziell gefährlich sein.173 Die meisten negativen finanziellen Effekte von Cash Pooling sind allerdings nicht im Vorfeld quantifizierbar174 und sie tauchen – anders als positive Effekte (Vorteile) – später auf, also erst dann, wenn es dem Konzern wirtschaftlich schlecht geht. Deswegen sind solche negativen Effekte von Cash Pooling im Vorfeld eher nicht als Nachteile, sondern als Risiken zu bezeichnen. Das Cash Pooling ist nämlich nicht immer per se nachteilig, sondern hat das Potenzial, sich bei finanzieller Schieflage des Konzerns oder u. U. einiger Konzerngesellschaften nachteilig auszuwirken. Auch wenn die negativen Effekte von Cash Pooling eher als sich bei Krisenzeiten zu verwirklichende Risiken zu bezeichnen sind, ist es auch im Auge zu behalten, dass sich das Cash Pooling manchmal auf die Tochtergesellschaften bloß wegen der Einschränkung der Dispositionsbefugnis über eigene Vermögen von Anfang an nachteilig auswirken könnte. Die finanziellen Risiken von Cash Pooling rühren grundsätzlich aus der engen liquiditäts- und vermögensbezogenen Verflechtung der in den Cash Pool eingebundenen Konzerngesellschaften her.175 Die Zusammenfassung der gesamten Konzernüberschüsse an einer Stelle führt quasi zu einer ineinandergeschobenen Strukturierung finanzieller Bereiche der Konzernmitglieder, was teilweise finanzielle Unselbständigkeit dieser Konzerngesellschaften und damit wohl eine aus dem wirtschaftlichen Zusammenwirken resultierende Zerbrechlichkeit zur Folge hat. 172 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 30; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 6; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 59. 173 In der jüngeren Vergangenheit deutscher Praxis hatte das Cash Pooling nicht zuletzt bei einigen spektakulären Insolvenzfällen eine Auswirkung. Es ist hierbei u. a. insbesondere der Fall Bremer Vulkan (BGHZ, 149, 10 ff.) hervorzuheben. Um auf die Risiken von Cash Pooling Aufmerksamkeit zu ziehen, wurde sogar in schweizerischer Literatur das Wort „Crash Pool“ draus entwickelt, Kull, in: FS für Karl Spühler, S. 192; ebenso Spliedt, ZIP 2009, S. 151. 174 Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 60. 175 Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 45 f.

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Dass die Abwicklung finanzieller Vorgänge von einer einzigen Instanz zentral durchgeführt wird, könnte zudem auch organisatorische Risiken mit sich bringen. 1. Verschärfung von Bonitätsrisiko Die Konzerngesellschaften, die ihre Liquidität – anstatt bei einem Kreditinstitut anzulegen – in den Cash Pool abführen, setzen sich der Gefahr aus, dieses Geld nicht mehr zurückzubekommen. Das Rückzahlungsrisiko besteht zwar theoretisch mehr oder weniger allgemein bei jedem Darlehensverhältnis, sogar im Falle der Geldanlage bei einem Kreditinstitut. Allerdings hat im Regelfall hier die Betreibergesellschaft eines Cash Pools wegen struktureller Besonderheiten dieser Finanzierungsart noch geringere Bonität als Kreditinstitute.176 Die Bonität der Betreibergesellschaft ist nämlich von der Bonität jeder einzelnen Poolgesellschaft abhängig, weil sie i.d.R. nicht mit eigenen Risiken behaftetes operatives Geschäft betreibt,177 sondern nur die Liquiditätsmasse der beteiligten Konzerngesellschaften verwaltet, die sich abhängig von wirtschaftlicher Lage der Poolgesellschaften positiv oder negativ ändern kann. Solange die Rückzahlungsansprüche gegenüber der Betreibergesellschaft wertlos sind, weil dem Cash Pool von den kriselnden Poolgesellschaften übermäßig Liquidität entzogen wurde und das Zentralkonto in die roten Zahlen gerät, müssen die Gebergesellschaften178 faktisch das normalerweise den Kreditinstituten überlassene Rückzahlungs- und sogar Insolvenzrisiko der Betreibergesellschaft und somit auch der Nehmergesellschaften179 mittragen.180 Deswegen erfährt hierbei das Bonitätsrisiko aus Sicht der Gebergesellschaften – im Vergleich zum Bonitätsrisiko bei Kreditinstituten – eine Erweiterung und damit eine andere Dimension, sodass es dabei in der Tat nicht mehr um die Bonität eines einzigen Schuldners geht, sondern um die Bonität aller beteiligten Konzerngesellschaften bzw. des gesamten Konzerns.181 Aus

176

Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 11; Burgard, in: VGR 6, S. 49; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 34 f.; a.A. Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 61 ff., welcher die Meinung vertritt, dass es unangebracht sei, der Pool führende Gesellschaft pauschal eine niedrigere Bonität zuzusprechen als einem Kreditinstitut, da auch ein Kreditinstitut bei Ausfall weniger Großkreditnehmer oder wie im Fall der Finanzmarktkrise 2007 zahlungsunfähig werden könne. 177 J. Vetter, in: VGR 6, S. 72 ff.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 19; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 39; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 61. 178 Mit „Gebergesellschaften“ werden diejenigen gemeint, die an den Pool Geld abführen. 179 Mit „Nehmergesellschaften“ werden diejenigen gemeint, die aus dem Pool Geld erhalten. 180 Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 35 f. 181 J. Vetter, in: VGR 6, S. 72 ff.; Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.52; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 39; Billek, Cash Pooling, S. 8.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

diesem Grund nehmen in diesem System die Gebergesellschaften im Grunde ein vergleichsweise größeres Bonitätsrisiko in Kauf. 2. Ausstrahlung wirtschaftlicher Schwierigkeiten („Dominoeffekt“) Aus der engen Vernetzung der Vermögenssphären der beteiligten Konzerngesellschaften resultiert ein besonders nachteiliger Effekt, der sich zwar auf das Bonitätsrisiko niederschlägt und es verstärkt, aber wegen seines speziellen Risikofaktors in einer eigenen Kategorie anzuführen ist. Aufgrund der engen Verknüpfung einzelner Gesellschaften im Finanzbereich miteinander ergibt sich insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Gefahr eines Dominoeffektes, sodass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten einzelner Konzerngesellschaften oder der Betreibergesellschaft ganz leicht und schnell auf die übrigen, profitabel agierenden Konzernunternehmen und somit auf den ganzen Konzern ausstrahlen können.182 Der Dominoeffekt des Cash Pools kann sich in verschiedenen Fallkonstellationen zeigen. Beispielsweise im Falle, dass die Nehmergesellschaften stets vom Cash Pool finanziert werden, aber die erhaltenen Mittel nicht zurückzahlen, haben die Gebergesellschaften Forderungsausfälle zu verzeichnen und dies kann sogar die bisher erfolgreichen Konzerngesellschaften in die Insolvenz stürzen.183 Umgekehrt könnte die Krise einer Gebergesellschaft die auf Liquidität angewiesenen Nehmergesellschaften so beeinträchtigen, dass die letzteren in Illiquidität geraten könnten, weil die jetzt kriselnde Gebergesellschaft ihre an den Pool abgeführten Mittel zurückfordern und/oder vom Pool extra Mittel aufnehmen muss.184 Aus der jüngeren Vergangenheit von Deutschland erweist sich der Bremer Vulkan Fall als ein explizites Beispiel des Dominoeffektes im Cash Pool, in dem sich die Schieflage der Konzernmutter auf die wirtschaftlich gesunden Tochtergesellschaften auswirkte und den ganzen Konzern zum Zusammenbruch brachte.185

182 J. Vetter, in: VGR 6, S. 73; Burgard, in: VGR 6, S. 50; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 12; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 39; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 61; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 27; Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 49; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 49. So etwa bei der Insolvenz der AEG (hierzu Kübler, ZGR 1984, S. 562 ff.) und bei dem Fall Babcock Borsing (hierzu Piepenburg, NZI 2004, S. 234 ff.). 183 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 12; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 39; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 61; Billek, Cash Pooling, S. 8. 184 J. Vetter, in: VGR 6, S. 73; Jauch, Cash-Pooling als Form der Unternehmensfinanzierung, S. 49. 185 Zum Sachverhalt: BGHZ 149, 10, Rn. 13 f. „Bremer Vulkan“.

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3. Verzicht auf Risikostreuung („Klumpenrisiko“) Durch die Abführung aller Liquidität zu einer Stelle (an die Betreibergesellschaft) verzichten die Poolgesellschaften auf den Sicherungsmechanismus, das Ausfallsrisiko auf verschiedene Schuldner zu streuen (sog. Klumpenrisiko186).187 Dabei haben die Gebergesellschaften als Schuldner nur die Betreibergesellschaft, und sollte diese ausfallen, verlieren sie all ihre Liquidität. Im schlimmsten Fall geraten sie in Insolvenz. 4. Finanzielle Abhängigkeit und Existenzgefährdung Die Poolgesellschaften verlieren ihre Autonomie hinsichtlich der eigenständigen Liquiditätsversorgung bzw. -steuerung. Sie verfügen weder über eigene Liquiditätsreserven noch eigene Bankverbindungen.188 Im Hinblick auf die Finanzierung sind sie von daher völlig auf konzerninterne Liquiditätsversorgung, also den Cash Pool angewiesen.189 Diese Abhängigkeit kann erst dann problematisch werden, wenn der Poolgesellschaft plötzlich kein Kapital mehr aus dem Cash Pool zufließt. Dies könnte deswegen vorkommen, weil der Konzern unter Mittelknappheit leidet, also insolvent ist oder aber auch weil die Betreibergesellschaft aus völlig anderen Gründen190 die betreffende Poolgesellschaft nicht mehr mit Liquidität versorgen will. So wird diese Gesellschaft dringend eine externe Finanzierungshilfe brauchen, aber 186

Der Begriff „Klumpenrisiko“ gehört ursprünglich zu dem Bankenwesenbereich und bezeichnet ein Ausfallsrisiko, welches ein für die Bank festgelegtes Verlustrisiko erreicht oder übertrifft. Eine Bank kann demnach durch Eingehen eines zu hohen Risikos, wie es die Vergabe eines oder mehrerer Großkredite an einen einzigen Kreditnehmer darstellt, in Schwierigkeiten geraten, die die Existenz der gesamten Bank gefährden. (http://www.geld.de/kredite-lexikonklumpenrisiko.html – Stand: 19. 08. 2013). 187 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.52; Burgard, in: VGR 6, S. 49; Vetter, in: VGR 6, S. 73; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 11; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 9, 26, 110; Spindler, ZHR 171 (2007), S. 250; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 39; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 61. 188 Unter „eigene Bankverbindungen“ sind die außer zum Cash Pooling Verfahren dienenden eigenen Bankkonten zu verstehen, die mit auf eigenen Namen zu laufender Kreditlinien ausgestattet sind. 189 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 90 ff.; J. Vetter, in: VGR 6, S. 73; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 9, 21; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 12; Hasselbach/Nawroth/ Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 343, Rn. 152; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling S. 64. 190 Außer finanziellen Gründen könnte die Betreibergesellschaft die Liquiditätszufuhr beispielsweise in solchen Fällen verweigern wollen, wenn die kapitalbedürftige Poolgesellschaft im Vergleich zu anderen kein hohes Profit verspricht oder die verfügbare Liquidität unbedingt für notleidende Schwestergesellschaften genutzt werden müssen. Für einen solchen Fall siehe das Urteil von OLG München vom 24. 11. 2005 – 23 U 3480/05, GmbHR 2006, S. 144 ff.

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weil ihr eine eigene aktiv gepflegte Bankverbindung und eine geschäftliche Vergangenheit bei einer Bank fehlt, ist es für sie schwierig, die benötigten Mittel von außen kurzfristig und rechtzeitig zu bekommen.191 In so einem Fall kann sie sofort illiquide und zahlungsunfähig werden, obwohl sie bisher wirtschaftlich ganz gesund war und unter normalen Bedingungen ihren Liquiditätsbedarf am Markt reibungslos decken könnte. Letztendlich werden die Tochtergesellschaften durch Einbindung in den Cash Pool ihrer finanziellen Unabhängigkeit beraubt, sodass es für sie insbesondere bei einer unerwarteten, krisenbedingten Auflösung der Konzernverbindung zu einer ernsthaften Existenzgefahr kommen könnte.192 5. Entstehen gesamtschuldnerischen Haftungsverbundes Die Betreibergesellschaft eines Cash Pools verfügt oftmals nicht über nennenswerte Vermögenswerte und im Falle ihres Konkurses kann sich das Kreditinstitut nicht unmittelbar an die Poolgesellschaften wenden. Als direkter Gläubiger der Betreibergesellschaft befindet es sich nämlich in einer strukturellen Nachrangigkeit gegenüber den Gläubigern der Poolgesellschaften. Um dieser Gefahr zu begegnen, verlangen üblicherweise die Kreditinstitute für die externe Kreditaufnahme durch die Betreibergesellschaft von den einzelnen Poolgesellschaften eine gesamtschuldnerische Mithaftung oder Bestellung von Sicherheiten.193 Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass die Poolgesellschaften nicht nur das Ausfallsrisiko ihrer schon in den Pool abgeführten Mittel übernehmen müssen, sondern sie müssen noch zusätzlich – meistens unbeschränkt194 – für das Kreditvolumen des gesamten Pools mit ihren übrig gebliebenen Anlagevermögen haften.195 Dessen Höhe übersteigt meistens 191 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 136 f.; J. Vetter/ Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 9, 21 m.w.N.; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 12; Pentz/Sollanek/Pentz, Cash-Pooling im Konzern, S. 14; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 64; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 47; Billek, Cash Pooling, S. 8. A.A. Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.51, der die Meinung vertritt, dass in der Krise des Konzerns ein Konzernunternehmen, das nicht von der Krise betroffen ist, zügig neue Bankverbindungen aufbauen könne. 192 Vgl. Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 134 f. 193 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.54; Cahn, ZHR 166 (2002), S. 282; Bender, BB 2005, S. 1492; Henze, WM 2005, S. 718; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 13; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 35 f.; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 148; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 65. 194 Um das Risiko wenigstens betragsmäßig minimieren zu können, wird in der Literatur die Begrenzung der gesamtschuldnerischen Haftung bzw. der Sicherheiten empfohlen, so Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.54; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 13. 195 J. Vetter, in: VGR 6, S. 74; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 13; Pentz/Sollanek/Pentz, Cash-Pooling im Konzern, S. 11; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 37 f.

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ihren eigenen Kreditbedarf und auch deren Leistungsfähigkeit.196 So sind hierbei die in ein Cash Pool eingebundenen Konzerngesellschaften einer doppelten Haftung ausgesetzt und im Vergleich zu allein stehenden Gesellschaften haftungsmäßig überaus belastet.197 6. Unzulässiger Liquiditätsabzug von Tochtergesellschaften Aufgrund des automatischen Saldenausgleichs kann es vorkommen, dass manche Tochtergesellschaften aus dem Pool weiterfinanziert werden, obwohl sie eigentlich unter normalen Marktkonditionen als nicht kreditwürdig zu erachten wären.198 Dies könnte sich in zweierlei Weise ergeben: Beim Fehlen geeigneter Überwachungsmechanismen kann die Konzernspitze fahrlässig oder wegen der vorsätzlichen Verschleierung der betreffenden Tochtergesellschaft nicht bemerken, dass sie unzulässiger Weise Liquidität vom Pool abzieht.199 Trotz des Wissens über die finanzielle Schieflage der betroffenen Tochtergesellschaft könnte die Konzernspitze ihr aus konzernstrategischer Gründen durchgehen lassen, dass sie fortlaufend aus dem Cash Pool Mittel abzieht. In beiden Fällen werden die Tochtergesellschaften, die normalerweise untergehen würden, auf Kosten aller anderen am Cash Pool teilnehmenden Konzerngesellschaften aufrecht erhalten. Im Falle, dass diese Tochtergesellschaften die abgezogene Liquidität nicht zurückzahlen können, werden die anderen Tochtergesellschaften geschädigt, obwohl diese keine Möglichkeit haben, sich über die finanzielle Lage anderer beteiligter Unternehmen zu informieren und/ oder Liquiditätszufuhr zu denen zu verhindern. Schließlich sind die Poolgesellschaften stets der Verlustgefahr ausgesetzt, die wegen der Fahrlässigkeit oder Fehlentscheidungen der Betreibergesellschaft hinsichtlich der Verwaltung des Pools entsteht.200 7. Verschlechterung der Ertragssituation der Tochtergesellschaften durch Liquiditätsentzug Die Teilnahme an einem Cash Pool ist für die Tochtergesellschaften in Bezug auf die Zinskonditionen vorteilhaft, solange ihnen nur die überschüssige, brachliegende 196

Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 13; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 37. 197 Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 65. 198 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 93 f.; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 13 f.; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 63. 199 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 93 f.; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 13; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 63. 200 Bei dem Fall von „Babcock“ wies der Insolvenzverwalter darauf hin, dass das Cash Clearing (Pooling) den Blick auf die reale Situation verstelle, Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 14, Fn. 63.

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Liquidität entzogen wird, die sie auch kurzfristig am Markt angelegt hätten.201 Es ist allerdings im Rahmen des Cash Pooling meistens der Fall, dass ihnen darüber hinaus betriebswirtschaftlich anderweitig sinnvoller verwendbare Liquidität entzogen wird.202 Der Abzug der Mittel, die von der betroffenen Konzerngesellschaft ansonsten nicht am Geldmarkt kurzfristig angelegt worden wären, sondern wirtschaftlich ertragsbringend investiert worden wären, kann Ertragsschäden für die abführende Gesellschaft mit sich bringen.203 Durch die Abführung solcher liquiden Mittel verzichtet die Tochtergesellschaft auf Erträge, die sie ohne Beteiligung am Cash Pool durch rentable Investitionen hätte erwirtschaften können. Um diesem Nachteil begegnen zu können, werden zwar die Verrechnungsguthaben der Konzerngesellschaften verzinst, aber da der Zinshöhe dabei eher die marktüblichen Zinssätze für kurzfristig aufgenommene Gelder zugrunde liegen, müssen die Konzerngesellschaften immer noch einen Verlust in Höhe der Differenz zwischen ihrer – ohne Beteiligung erwirtschaftbaren – Kapitalrendite und dem vergüteten Zinssatz erleiden.204 8. Beschränkung finanzwirtschaftlicher Entscheidungsbefugnis der Leitungsorgane Bei intensiver Zentralisierung der finanziellen Führung führt die Abgabe der kurzfristigen finanziellen Aktivitäten an die Betreibergesellschaft über die finanzielle Unabhängigkeit der Tochtergesellschaften hinaus zu ihrer führungsbezogenen Unselbstständigkeit. Denn das Finanzmanagement ist essenzieller Bestandteil der Unternehmensführung und der Wegfall der Entscheidungsbefugnis der Leitungsorgane in diesem Bereich bedeutet eine Beschränkung ihres Tätigkeitsgebiets.205 Aufgrund dieser Einschränkung haben die Leitungsorgane der Poolgesellschaften meistens keine Mitwirkungsmöglichkeit auf den finanzbezogenen Entscheidungsprozess, also auf die Zuteilungsstrategie der Liquidität. So entsteht hieraus die Gefahr, dass finanzielle Entscheidungen zentral und ganz konzerninteressenorientiert, ohne Berücksichtigung der spezifischen Notwendigkeiten oder Interessen der betreffenden Poolgesellschaften gefällt werden.206

201

Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 129. Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 39. 203 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 129. 204 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 128 f.; J. Vetter/ Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 107; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 39; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 62. 205 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 95. 206 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 95; vgl. Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 19 und Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 62. 202

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9. Abhängigkeit vom Cash Pool anbietenden Kreditinstitut Da das Cash Pooling-System üblicherweise von einem einzigen Kreditinstitut durchgeführt wird, werden die Unterkonten der Poolgesellschaften und damit ihrer finanziellen Aktivitäten an diesem einen Kreditinstitut konzentriert. Dies kann zu einer einseitigen Abhängigkeit des ganzen Konzerns hinsichtlich der Kreditbeschaffung führen. Die Zusammenfassung sämtlicher finanzwirtschaftlicher Daten verschafft dem Kreditinstitut zudem einen vollständigen Überblick über die finanzielle Lage des Konzerns und damit bekommt dieses die Möglichkeit, diese Insiderinformationen bei den Verhandlungen auszunutzen. So geht der Konzern durch die Konzentration finanzieller Aktivitäten und Liquiditätsversorgung bei einer einzigen Bank gewissermaßen ein Klumpenrisiko hinsichtlich externer Finanzierung ein.207 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Konzentration der liquiden Mittel des ganzen Konzerns an einer Stelle auch eine Stärke für wirtschaftlich gesunde Konzerne sein kann, weil dies sog. Größenvorteile mit sich bringt und damit dem Konzern ggf. eine bessere Verhandlungsposition verschafft.208 Daher kann diese Abhängigkeit eher für wirtschaftlich angeschlagene Konzerne als Risiko angesehen werden. 10. Kosten Auch wenn die zentrale Führung der im Konzern vorhandenen Liquidität anhand des Cash Pooling die Senkung einschlägiger Betriebskosten und eine Arbeitserleichterung aus Sicht der Poolgesellschaften veranlasst, bringt dies aus Sicht der Konzernspitze zusätzliche Kosten mit sich. Für die Einrichtung und Durchführung des Cash Pooling wird vor allem technische Ausstattung, wie besondere Software, benötigt.209 Darüber hinaus ist ein professionelles Finanzmanagementteam vonnöten, das aus hochqualifiziertem, fachspezialisiertem Personal besteht, welches sich mit den Märkten und relevanten Finanzmarktprodukten gut auskennt und je nach der Größe des Konzerns Kenntnisse über die grenzüberschreitenden Finanzmärkte hat. Die organisatorische Arbeit, wie beispielsweise die für das Finanzmanagement benötigten Informationen zu sammeln und sie auszuwerten, die Feststellung des Liquiditätsbedarfs einzelner Poolgesellschaften und die Verteilung der Liquidität, erfordert einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand.210 All das ist mit hohen Kosten verbunden. In Folge der Einführung des Cash Pooling-Systems dürften sich zudem die Anforderungen an das Finanzberichtswesen bei Konzerntöchtern vermehren, was mehr Personalaufwand in diesem Bereich einzelner Konzernunter-

207

So J. Vetter, in: VGR 6, S. 73. Zur Größenvorteile Kapitel 1, § 1, C., I., 3. 209 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 90. 210 Z. B. muss die Konzernspitze bei einem Cash Pooling ein „Informations- und Frühwarnsystem“ einrichten, um die Risiken rechtzeitig festzustellen und darauf zu reagieren. 208

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

nehmen erforderlich machen könnte.211 Dieses Erfordernis steht dann gewissermaßen dem Vorteil entgegen, der den Konzerntöchtern durch die Zentralisierung in Form geringerer Personalkosten erwachsen ist. Diese Kosten könnten letztendlich u. U. im Ergebnis die durch das Cash Pool gewonnenen Vorteile zunichte machen.212 Aus diesem Grund muss die Konzernspitze sich vor der Implementierung gründlich mit der Frage beschäftigen, ob sich die Einrichtung eines Cash Pooling trotz all dieses Aufwands ökonomisch lohnt. Dies hängt immer von der Größe und dem Transaktionsvolumen eines Konzerns ab. Erst ab einer bestimmten Grenze ist meistens davon auszugehen, dass mit dem Cash Pooling gezielte wirtschaftliche Vorteile den dazu erforderlichen Aufwand amortisieren.

D. Zwischenergebnis zur wirtschaftlichen Bedeutung von Cash Pooling Cash Management Systeme gehören heute zu den wesentlichen Bestandteilen des zentralen, effizienten Finanzmanagements von verbundenen Unternehmen. Als wohl wichtigstes Instrument des Cash Management spielt das Cash Pooling im Bereich der Liquiditätsdisposition eine herausragende Rolle. Cash Pooling ist eigentlich eine praktische Folgeerscheinung vom wirtschaftlichen Zweck der Zusammenstellung eines Konzernverbundes, der in der Bildung einer wirtschaftlichen Einheit besteht. Dadurch wird es nämlich dem Konzern ermöglicht, die ökonomischen Synergien,213 die sich aus der Konzernierung der Gesellschaften ableiten lassen, in einem möglichst hohen Maße zu nutzen. Durch die Zusammenfassung der Konzernüberschüsse an einziger Stelle wird eine konzernspezielle Finanzierungsquelle gebildet, die in Zeiten begrenzter Finanzmittel und steigender Kreditkosten dem ganzen Konzern die Möglichkeit bietet, unabhängig von Fremdkapital zu agieren. Durch den automatischen Liquiditätsausgleich werden einerseits die teilnehmenden Konzerngesellschaften ausreichend mit Liquidität versorgt und ihre Zahlungsfähigkeit jederzeit sichergestellt, andererseits werden durch Kostensenkungen sowie Zins- bzw. Größenvorteile bedeutsame finanzielle Vorteile herbeigeführt. Auch wenn in erster Linie die positive Seite des Cash Pooling ins Auge fällt und seine Vorteilhaftigkeit stets in den Vordergrund rückt, dürfen die mit dem Betrieb eines Cash Pooling zusammenhängenden Gefahren nicht übersehen werden. Die zentralistische Struktur des Verfahrens macht es vom wirtschaftlichen Standpunkt aus verwundbar. Insbesondere in Krisenzeiten könnte sich das Cash Pooling als äußerst problematisch erweisen. Die durch das Cash Pooling entstehende finanzielle Verflechtung und Interdependenz zwischen den beteiligten Konzerngesellschaften 211

Billek, Cash Pooling, S. 7, Fn. 38. Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 95; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 46 f. 213 Vgl. Morsch, NZG 2003, S. 98. 212

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könnte nämlich zu wirtschaftlich unerwünschten Folgen führen, die normalerweise für allein stehende Gesellschaften nicht in Frage kommen würden. Der Abzug übermäßiger Liquidität vom Pool durch wirtschaftlich angeschlagene Poolgesellschaften kann zu einer Verknappung der im Cash Pool insgesamt befindlichen Mittel führen, was zur Folge haben könnte, dass die Krise schnell den ganzen Konzern bzw. die bisher wirtschaftlich gesund agierenden Konzerngesellschaften erfasst (sog. „Dominoeffekt“). Diese strukturellbedingte Anfälligkeit vom Cash Pooling stellt wohl seinen größten Schwachpunkt dar. Hierbei übernehmen zudem die beteiligten Konzerngesellschaften aufgrund der zentralen Bündelung liquider Mittel das Bonitätsrisiko gegenseitig. Darüber hinaus machen sie sich finanziell von der Betreibergesellschaft abhängig, deren Zahlungsfähigkeit ohnehin von der Kreditwürdigkeit der Poolgesellschaften abhängt. Es zeigt sich, dass das Cash Pooling-Verfahren beträchtliche Vorteile mit sich bringt, zugleich aber nicht unerhebliche Risiken birgt. Die wirtschaftlichen Vorteile schlagen sich eher bei der Konzernspitze nieder, wohingegen sich die Risiken meistens bei Konzerngesellschaften realisieren. Deswegen müssen die Konzernmutter bzw. die Betreibergesellschaft und die Geschäftsführung der beteiligten Poolgesellschaften ihrerseits dafür Sorge tragen, dass Cash-Pooling bezogene Ausfälle den Gesamtkonzern sowie die gesunden Poolgesellschaften nicht oder möglichst wenig beeinträchtigen. Auch wenn die Konzernmutter mit den Konzerngesellschaften vom wirtschaftlichen Standpunkt aus eine Einheit darstellt, ist nicht aus den Augen zu verlieren, dass die Konzerngesellschaften in rechtlicher Hinsicht immer noch ihre Selbständigkeit haben und ihre Gläubiger sowie Minderheitsgesellschafter genau wie bei Einzelgesellschaften schutzwürdig sind. Von daher sollte den Liquiditätsverschiebungen realistische und vorbeugende (gesellschafts-)rechtliche Grenzen im Interesse der Poolgesellschaften gesetzt werden.

§ 2 Rechtliche Grundlagen Die vertragliche Gestaltung eines Cash Pooling-Verfahrens kann je nach der Art der Durchführung der zentralen Konzernfinanzierung und dem Zentralisierungsgrad sowie der Interessenlage des jeweiligen Einzelfalls variieren. Obwohl aus diesem Grund keine einzige typische vertragliche Gestaltung des Cash Pooling besteht, lassen sich die Grundstrukturen und zumindest die allgemeinen vertraglichen Bestandteile eines automatisierten Cash Pooling in der Form von Zero Balancing, was den Gegenstand dieser Untersuchung darstellt, feststellen. Um an dieser Stelle eine sachgerechte und genauere Einordnung der im Rahmen des Cash Pooling entstehenden zivilrechtlichen Beziehungen vornehmen zu können, bedarf es einer Unterscheidung zwischen verschiedenen Ebenen. Deswegen wird zunächst die zivilrechtliche Einordnung der zwischen den beteiligten Parteien jeweils entstehenden Beziehungen vorgenommen, danach werden unter dem zivilrechtlichen Aspekt die Rechtsnatur der im Rahmen des Cash Pooling geschehenen Zahlungsvorgänge

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

zwischen den Unterkonten der Poolgesellschaften und dem Zentralkonto der Betreibergesellschaft betrachtet.

A. Vertragsrechtliche Beziehungen zwischen den Beteiligten An einem Cash Pooling-Verfahren beteiligte Parteien sind üblicherweise die Konzernmutter bzw. Betreibergesellschaft als Inhaberin des Zielkontos, die jeweilige einbezogene Konzerngesellschaft und das Kreditinstitut, bei dem das Zielkonto durchgeführt wird. Zwischen diesen Parteien können mannigfaltige rechtliche Beziehungskreise auf verschiedenen Ebenen entstehen. I. Rechtsverhältnisse zwischen den Konzernunternehmen und der Betreibergesellschaft 1. Interne Cash Pooling-Vereinbarung Im Innenverhältnis setzt die Durchführung von konzernweiter Liquiditätsbündelung in Form von Cash Pooling eine interne Vereinbarung zwischen der jeweiligen teilnehmenden Konzerngesellschaften und der Konzernspitze bzw. der Betreibergesellschaft voraus.214 Eine derartige Vereinbarung ist im Hinblick auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens und die Rechtssicherheit schlechthin vonnöten. Hierdurch verpflichten sich im Grunde die in den Pool einbezogenen Gesellschaften gegenüber der Betreibergesellschaft, ihre Überschussliquidität auf das Zielkonto zu übertragen. Die Betreibergesellschaft verpflichtet sich umgekehrt, negative Salden der Poolgesellschaften auszugleichen. Um eine klare und genauere Regelung der Verpflichtungen bzw. der Art und Weise der Abwicklung des Cash Pooling vornehmen und damit mögliche Rechtsunsicherheiten und Streitigkeiten im Vorfeld vermeiden zu können, ordnen die Parteien in der Praxis ihre diesbezüglichen Beziehungen in einer schriftlichen vertraglichen Regelung.215 In Anbetracht der praktischen und rechtlichen Komplexität des Verfahrens und auch insbesondere unter Berücksichtigung der Sorgfaltspflicht der betroffenen Organmitglieder ist es als erforderlich zu erachten, dass das Cash Pooling auf eine bis in die Einzelheiten ausgearbeitete vertragliche Grundlage zu stellen ist.216 214 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 101 f.; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 35. 215 Vetter, in: Lutter, Holding-Hndb., § 8, Rn. 33; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 55; Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 647; Rittscher, Cash-ManagementSysteme, S. 41; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 51; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 56. 216 Das OLG München folgerte in einem Fall aus der fehlenden schriftlichen Fixierung der vertragsrechtlichen Strukturen eine Sorgfaltsverletzung des Geschäftsführers einer Tochter-

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Der interne Vertrag über das Cash Pooling kann theoretisch auf zwei verschiedene Arten geschlossen werden: entweder durch den individuellen Abschluss standardisierter Darlehensverträge für jede Transaktion oder durch Abschluss eines Rahmenvertrags (sog. Treasury Guideline).217 Im ersten Fall wird für jede Umbuchung zwischen den Unterkonten und dem Zielkonto ein einzelner (Darlehens-)Vertrag abgeschlossen. Diese Methode ist allerdings in der Praxis nicht oft anzutreffen, weil sie sich für die Durchführung des Cash Pooling nicht gut eignet. Es handelt sich nämlich bei dem Cash Pooling-Verfahren (eher) um eine stark zentral organisierte, täglich automatisch stattfindende Liquiditätszuweisungen innerhalb des Konzerns.218 Jeden Liquiditätsabfluss als standardisierter Einzelvertrag auszugestalten würde die mit dem Cash Pool bezweckten Synergieeffekte und Einsparungspotenziale weitgehend gemindert.219 Aus diesem Grund erfolgt das Cash Pooling in der Praxis zweckmäßigerweise auf Grundlage eines Rahmenvertrags, der zwischen den Parteien abgeschlossen wird.220 2. Vertragsinhalt Aufgrund des Grundprinzips der Vertragsfreiheit kann zwar der Inhalt des Vertrags je nach Bedürfnissen variieren, aber inhaltlich umfasst ein derartiger Rahmenvertrag in den meisten Punkten ähnliche grundsätzliche Rechte und Pflichten der Parteien, die sich aus der Natur des konzerninternen Liquiditätsausgleichs ergeben.

gesellschaft, in dem die Konzernmutter von der Tochtergesellschaft nur mittels eines informellen Telefaxschreibens die Abführung liquider Mittel an den Cash Pool verlangte. OLG München v. 24. 11. 2005 – ZIP 2006, S. 25 f. Zur ausführlichen Erklärungen über diesbezügliche Sorgfaltspflicht der Organmitglieder s. Hangebrauck, Cash Pooling, S. 51 f. Vgl. Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.11, wonach es bei mittelständischen Konzernen oft an ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarungen fehle. Er wies sogar dabei auch auf die Möglichkeit hin, dass die Parteien ohne eine ausdrückliche Vereinbarung, nur mit der Teilnahme an einem Cash Pool zu einem kokludenten Vertragsschluss kommen könnten. So auch Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 42 f.; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 59; und vgl. Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 51. 217 Kübler, ZGR 1984, S. 562; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 101. 218 Diese Art von Darlehensverträge eignen sich eher für dezentral organisiertes Cash Management, Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 102. 219 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 102; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 31; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 35 f.; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 54. 220 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.11; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 102; Rittscher, CashManagement-Systeme, S. 31; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 36 f.; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 41; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling S. 81; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 54.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

a) Hauptgegenstand des Vertrags In dem internen Cash Pooling-Rahmenvertrag werden hauptsächlich die Konditionen des Liquiditätsausgleichs reguliert. Durch den Vertrag verpflichtet sich im Wesentlichen jede teilnehmende Konzerngesellschaft gegenüber der Betreibergesellschaft ihr Guthaben auf das Zielkonto, also in den Cash Pool zu übertragen bzw. die automatische Umbuchung durch das Kreditinstitut zu akzeptieren. Im Gegenzug verpflichtet sich die Betreibergesellschaft hierdurch dazu, den liquiditätsbedürftigen Konzernunternehmen die erforderlichen Beträge zur Verfügung zu stellen bzw. die Soll-Salden der Unterkonten von Poolgesellschaften auszugleichen.221 In diesem Zusammenhang wird den Poolgesellschaften zugleich die Berechtigung eingeräumt, von dem Pool kurzfristig die benötigten Liquidität – bis zu einer vorbestimmten Höchstsumme – abzurufen.222 Da beim zentral organisierten Cash Management durch das Cash Pooling ein zentralistisch organisiertes Liquiditätsmanagement im Rahmen der kurzfristigen Finanzierung herbeigeführt wird und dabei die Betreibergesellschaft zumeist mit der Durchführung des Cash Pooling betraut ist, kommen ihr zudem noch andere zusätzliche Aufgaben zu, wie für die notwendigen Bankverbindungen zu sorgen, die Liquidität im Konzern zu kontrollieren, überschüssige Poolliquidität anzulegen und Kredite zu möglichst günstigen Konditionen aufzunehmen, falls die im Pool vorhandene Liquidität nicht ausreicht.223 Die letzte Aufgabe ist für die Poolgesellschaften besonders wichtig, weil in Cash Pool-Konstellationen die Betreibergesellschaft auch als diejenige agiert, die ggf. für die externe Kreditlinien des ganzen Konzerns sorgt. b) Verrechnungskonten Zur genaueren Erfassung der im Rahmen des Cash Pooling stattfindenden Kapitalbewegungen werden die Liquiditätsvorgänge zwischen den Unterkonten der Poolgesellschaften und dem Zielkonto jeweils auf einem internen Verrechnungskonto bei der Betreibergesellschaft gebucht.224 Auf den Verrechnungskonten erhalten die Liquidität abgebenden Poolgesellschaften für die auf das Zielkonto übertragenen Mittel eine Gutschrift in gleicher Höhe. Im umgekehrten Fall, in dem die Poolgesellschaften Liquidität aus dem Zielkonto in Anspruch nehmen, werden die Ab221 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.11; Morsch, NGZ 2003, S. 98; Ammelung/Kaeser, DStR 2003, S. 659; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 81; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 50. 222 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 103; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 37. 223 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.11, 25.14; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 36 f.; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 41; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 59. 224 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 103; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 37.

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flussbeträge zu Lasten der jeweiligen Poolgesellschaften auf dem Verrechnungskonto belastet.225 So wird mittels dieser internen Verrechnungskonten ein Überblick darüber verschafft, ob die Poolgesellschaften einen negativen oder positiven Saldo aufweisen. So lässt sich feststellen, in welcher Position sie sich befinden; in der Position von Geldgeberin oder Geldnehmerin.226 Weist das Verrechnungskonto einer Konzerngesellschaft einen negativen Saldo aus, befindet sie sich in der Position der Geldnehmerin, während die Betreibergesellschaft Geldgeberin ist. Im Falle eines positiven Saldostandes auf dem Verrechnungskonto, befindet sich die Poolgesellschaft in der Position der Geldgeberin und die Betreibergesellschaft ist in der Position der Geldnehmerin. Die Verrechnung dieser konzerninternen Zahlungsströme erfolgt typischerweise auf Grundlage einer (konkludenten) Kontokorrentabrede (§ 355 HGB).227 Nach dem gesetzlichen Regelfall wird zwar die Verrechnung in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt (sog. Periodenkontokorrent, § 355 Abs. 1 HGB), allerdings wurde es in der deutschen Literatur theoretisch diskutiert, ob bei dem Cash Pool ein Staffelkontokorrent zu vereinbaren ist.228 Bei dem Staffelkontokorrent erfolgt eine sofortige Verrechnung bei jedem einzelnen kontokorrentpflichtigen Vorgang zwischen dem Unterkonto und dem Zielkonto.229 Dabei entsteht nach jeder Buchung ein neuer Saldo, der gegenseitig mitzuteilen und anzuerkennen ist.230 Auch wenn beim Cash Pooling ein arbeitstäglicher Saldenausgleich erfolgt und daher dem ersten Anschein nach der Staffelkontokorrent dabei noch entsprechender zu sein scheint, würden individuelle Mitteilungs- und Anerkennungspflichten einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen. Somit würden die wirtschaftlichen Ziele des Cash Pooling maßgeblich beeinträchtigt werden.231 Es wird daher zurecht im deutschen Recht davon ausgegangen, dass es sich bei arbeitstäglicher Saldomitteilung im Rahmen von Cash Pooling lediglich um eine rein informatorische Mitteilung handelt 225 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 103; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 36 f.; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 32. 226 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 37. 227 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.12; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 103; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 38 f.; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 28; Morsch, NGZ 2003, S. 98; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 56; Ulmer, ZHR 169 (2005), S. 5; Schäfer, GmbHR 2005, S. 135; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 58; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 54; Gärtner, Cash Pooling, S. 58. 228 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 103; s. insb. Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 38 f., welcher sich mit der Frage ausführlich auseinandersetzt, ob ein Perioden- oder Staffelkontokorrent für ein Cash Pooling Verfahren vorteilhafter ist. 229 Baumbach/Hopt/Hopt, § 355, Rn. 8; Canaris, Handelsrecht, Rn. 18. 230 Baumbach/Hopt/Hopt, § 355, Rn. 10. 231 Für weitergehende Erklärungen zur Vorteilhaftigkeit des Periodenkontokorrents beim Cash Pooling s. Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 38 f.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

und bei der Verrechnungsabrede eigentlich ein Periodenkontokorrent vereinbart wird.232 c) Ergänzende Bestimmungen Der Vertrag enthält ferner noch weitere Modalitäten der Abwicklung des Cash Pooling. Darunter fallen u. a. insbesondere die Höchstsumme und die anderen Voraussetzungen für Poolgesellschaften zur Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Pool, Soll- und Habenzinssätze, Zahlungsmodalitäten, Fälligkeit der Forderungen, gegenseitige Mitteilungspflichten, Kündigungsfristen bzw. -modalitäten.233 Die banktechnischen Abwicklungsfragen des Verfahrens, wie z. B. über welche Kreditinstitute und über welche Konten das Cash Pooling abgewickelt werden soll, werden auch mit Hilfe dieser Vereinbarung geregelt. Außerdem beinhaltet der Rahmenvertrag zumeist Bestimmungen über die Verteilung der durch das Cash Pooling anfallenden Kosten und u. U. über das Entgelt an die Betreibergesellschaft für ihre Dienstleistungen. Die Besicherungsfragen gehören jedoch nicht in diesen Bereich, weil im Verhältnis der Konzernunternehmen untereinander zumeist keine Sicherheiten für die konzerninternen Darlehen gestellt werden.234 Besicherungsfragen tauchen eher im externen Verhältnis zwischen den Konzernunternehmen und dem Kreditinstitut auf, wenn die Konzernunternehmen gegenüber der Bank Sicherheiten bestellen oder als Gesamtschuldner mit der Betreibergesellschaft einstehen müssen.235 3. Rechtliche Qualifikation der Vereinbarung a) Im deutschen Recht Die dem Cash Pooling zugrunde liegende innere Vereinbarung stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675, 611 BGB) dar,236 welcher aufgrund des im Cash 232 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 38 f.; ihm folgend Hangebrauck, Cash Pooling, S. 58, Fn.196; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 54. 233 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 103; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 41 f.; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 36 f. 234 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.15; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 7; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 38; Billek, Cash Pooling, S. 17. 235 Nachfolgend s. Kapitel 1, § 2, A., II., 2., d). 236 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.14; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 102; Makowski, CashManagement in Unternehmensgruppen, S. 51; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 36; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 31; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 60; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 55; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 54; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern,

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Pooling-System innewohnenden Liquiditätsausgleichs, d. h. aufgrund der konzerninternen Zahlungsströme auch darlehensrechtliche Elemente aufweist.237 Die Betreibergesellschaft befindet sich in diesem Verhältnis in der Position des Geschäftsbesorgers und die Geschäftsbesorgung besteht hierbei im Wesentlichen darin, das Cash Pooling-System durchzuführen, die erforderlichen Bankverbindungen sicherzustellen, sich um die Liquiditätsplanung bzw. -steuerung zu kümmern und dabei insbesondere die Liquiditätsbenötigten Poolgesellschaften mit Liquidität zu versorgen, ggf. externe Kredite aufzunehmen und dies an die liquiditätsbedürftigen Poolgesellschaften weiterzuleiten.238 Außerdem – falls es im Rahmenvertrag vereinbart ist – hat auch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs der Poolgesellschaften durch die Betreibergesellschaft und in diesem Zusammenhang vorgenommene Zahlungen an Dritte Geschäftsbesorgungschrakter.239 Die Frage, ob der Einordnung der Cash Pooling-Vereinbarung als Geschäftsbesorgungsvertrag entgegensteht, dass die Betreibergesellschaft dabei neben den Interessen einzelner Poolgesellschaften auch die Interessen des Konzerns verfolgt, wird im deutschen Schrifttum zu Recht verneint.240 Eines der Merkmale der Geschäftsbesorgung i.S.v. § 675 Abs. 1 BGB ist, dass die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers objektiv im fremden Interesse (des Geschäftsherrn) liegen und insofern objektiv fremdnützig sein soll (objektive Fremdnützigkeit).241 Dass die Tätigkeit auch zugleich im Eigeninteresse (des Geschäftsbesorgers) liegt, soll im Grunde der Qualifikation der Tätigkeit der Betreibergesellschaft als Geschäftsbesorgung nicht entgegenstehen.242 Außerdem, auch wenn die Cash Pooling-Vereinbarung nicht direkt im Interesse der Konzerngesellschaften getroffen wird oder, anders gesagt, dabei eher im Interesse des Gesamtkonzerns erfolgt, ändert dies aus Sicht der Konzerngesellschaften nichts an der Tatsache, dass sich die Tätigkeiten der Betreiberge-

S. 57; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 42 f. A.A. Decker, ZGR 2013, S. 403 ff., wonach die Cash Pooling-Rahmenvereinbarung als Gesellschaftsvertrag (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) i.S.d. § 705 BGB zu qualifizieren sei. 237 Dazu Kapitel 1, § 2, B., III. 238 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.14; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 31; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 51; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling S. 81. 239 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 51; Schneider, in: Lutter/Scheffler/ Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.14; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 32; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 36; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 51 f.; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 57. 240 Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 31 f.; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 81; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 55. 241 Staudinger/Martinek/Omlor, § 675, Rn. A19. 242 Staudinger/Martinek/Omlor, § 675, Rn. A19, die dabei auch verlangen, dass das Fremdinteresse stets überwiegt, während es jedoch anderer Meinung nach genügt, dass ein Minimum an Fremdinteressenwahrung gegeben sei.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

sellschaft letztendlich auf Poolgesellschaften vorteilhaft auswirken. Dadurch verwirklichen sich diese Tätigkeiten zugleich im Interesse der Konzerngesellschaften. Ferner hat ein Geschäftsbesorger bei der Geschäftsbesorgung i.S.v. § 675 BGB die Interessen des Geschäftsherrn zu wahren, d. h. mit dem ihm anvertrauten Vermögen treu und gewissenhaft umzugehen (Interessenwahrungscharakter243/subjektive Fremdnützigkeit).244 Es ist bei einem Cash Pooling-Vertrag anzunehmen, dass die Poolgesellschaften beim Übertragen der Durchführung von überschüssiger Liquidität auf die Betreibergesellschaft davon ausgehen, dass die Betreibergesellschaft bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe auch die Vermögensinteressen der Poolgesellschaften mit berücksichtigen würde. Die Betreibergesellschaft hat auch theoretisch die Interessen einzelner Poolgesellschaften zu wahren. In diesem Zusammenhang dienen schließlich die sich aus der Durchführung des Cash Pooling ergebenden positiven wirtschaftlichen und organisatorischen Ergebnisse bzw. Vorteile, wie z. B. gewinnbringende Anlage der überschüssiger Mittel sowie die Aufnahme von externen Kredite für Poolgesellschaften zu möglichst günstigeren Konditionen, der Wahrnehmung von Vermögensinteressen der einzelnen Poolgesellschaften. Dass die Betreibergesellschaft im Nachhinein in einer Art und Weise mit dem Cash Pooling umgehen könnte,245 die die Interessen einzelner Poolgesellschaften beeinträchtigen könnte, läuft jedoch nicht dem Geschäftsbesorgungschrakter des Cash Pooling-Vertrags zuwider, weil es sich dann bei diesem Fall lediglich um eine Vertragsverletzung seitens der Betreibergesellschaft handeln würde. Abgesehen von den Aufgaben der Betreibergesellschaft mit Geschäftsführungscharakter gegenüber den beteiligten Konzernunternehmen entstehen durch die Innenrahmenvereinbarung auf Grund des Liquiditätsausgleichs, also der Zahlungsbewegungen zwischen den Unterkonten der Poolgesellschaften und dem Zielkonto der Betreibergesellschaft Darlehensbeziehungen.246 Denn im Rahmen des im Cash Pooling stattfindenden Liquiditätsausgleichs werden den liquiditätsbedürftigen Poolgesellschaften vom Zielkonto Mittel zugeführt, wodurch die Betreibergesellschaft in die Position einer Darlehensgeberin rückt, während die Mittel in Anspruch nehmenden Poolgesellschaften die Position von Darlehensnehmerin bekommen. Im umgekehrten Fall, bei dem die Poolgesellschaften Liquiditätsüberschüsse haben, führen sie diese auf das Zielkonto der Betreibergesellschaft ab. Damit

243 „Interessenwahrungscharakter“ wird in der Literatur als charakteristisches Wesensmerkmal der Geschäftsbesorgung i.S.v. § 675 Abs. 1 BGB angesehen, ausführlich zum Begriff s. Staudinger/Martinek/Omlor, § 675, Rn. A22. 244 Staudinger/Martinek/Omlor, § 675, Rn. A22. 245 Für einen derartigen Fall siehe BGHZ, 149, Rn. 10 ff. „Bremer Vulkan“. 246 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.11; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 31 f.; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 37 f.; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 41 f. Ausführlich zur Qualifizierung der Zahlungsströme zwischen den Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft als „Darlehen“ siehe nachfolgend Kapitel 1, § 2, B., III.

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bekommen sie die Position einer Darlehensgeberin, wohingegen sich die Betreibergesellschaft in der Position einer Darlehensnehmerin befindet. b) Im türkischen Recht Aufgrund der oben erwähnten vertraglichen Pflichten der Betreibergesellschaft stellt der interne Cash Pooling-Rahmenvertrag auch aus Sicht des türkischen Rechts ein Geschäftsbesorgung dar. Allerdings findet sich im türkischen Obligationenrecht keine besondere Regelung zu entgeltlichen Geschäftsbesorgungsverträgen, die dem eigenständigen, engen Geschäftsbesorgungsverständnis247 des § 675 BGB entspricht und so einen eigenständigen Vertragstypus248 bildet. Im türkischen Zivilrechtssystem bildet das (einfache) Auftragsrecht den rechtlichen Ausgangspunkt für die Regelungen der vertraglichen Tätigkeiten für Dritte. Nach dem in den Art. 502 – 514 tOR geregelten Auftragsrecht verpflichtet sich der Beauftragte durch den Auftrag, die ihm übertragenen Geschäfte oder Dienste vertragsgemäß zu besorgen (Art. 502 Abs. 1 tOR). Anders als das deutsche Recht, wo an der Unentgeltlichkeit des Auftrags festgehalten wird (§ 662 BGB), kennt das türkische Recht sowohl den entgeltlichen als auch den unentgeltlichen Auftrag. Der Auftrag wird also im türkischen System nicht als begriffswesentlich unentgeltlich gekennzeichnet (Art. 502 Abs. 3 tOR). So handelt es sich in der Türkei beim Auftragsrecht mit seinem umfassenden bzw. weiten Geschäftsbesorgungsbegriff und mit der Regelung unentgeltlicher sowie entgeltlicher Vertragsverhältnisse mit Geschäftsbesorgungschrakter um einen allgemeinen Arbeitsleistungs- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag im weiteren Sinne.249 Dies schlägt sich im Art. 502 Abs. 2 tOR nieder. Danach müssen auf alle Verträge mit Geschäftsführungscharakter, die keinem anderen besonderen Vertragstypus des Gesetzes unterstellt sind, die Vorschriften über das Auftragsrecht angewendet werden. Schließlich unterscheidet sich das türkische System, wo die Geschäftsbesorgungen sowohl bei Entgeltlichkeit als auch bei Unentgeltlichkeit dem Auftragsrecht unterstellt sind, vom deutschen Recht. Angesichts der gemachten Feststellungen ist der interne Cash Pooling-Vertrag aus Sicht des türkischen Rechts als ein Auftragsverhältnis (Art. 502 Abs.1 tOR) zwischen der Betreibergesellschaft und den Poolgesellschaften zu klassifizieren, der zugleich aufgrund der Liquiditätsströmung der Beteiligten darlehensrechtliche Elemente aufweist.250

247

In deutscher Lehre treten zur Differenzierung der Geschäftsbesorgungsverträge i.S.v. § 675 BGB von dem herkömmlichen Auftragsrecht zwei Theorien zutage (Einheitstheorie – Trennungstheorie). Nach der sich im Schrifttum durchgesetzten Trennungstheorie legt der entgeltlichen Geschäftsbesorgung des § 675 Abs. 1 BGB ein engeres und eigenständiges Geschäftsbesorgungsverständnis als im Auftragsrecht der §§ 662 ff. BGB zugrunde. Ausführlich dazu s. Staudinger/Martinek/Omlor, Vorbem. zu §§ 662 ff, Rn. 9 ff. 248 Staudinger/Martinek/Omlor, § 675, A6 ff. 249 ¨ zel Hu¨ ku¨ mler, § 16, Rn. 533. Yavuz, Borçlar Hukuku Dersleri-O 250 Dazu Kapitel 1, § 2, B., III. und IV.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

II. Rechtsverhältnisse zwischen den Konzernunternehmen und dem Kreditinstitut 1. Externe Cash Pooling-Vereinbarung Der Durchführung eines automatisierten Cash Pooling-Verfahrens liegt im Außenverhältnis – auch wie im Innenverhältnis – ein mit dem Kreditinstitut geschlossener „Rahmenvertrag“ zugrunde, wodurch typischerweise die von Vertragsseiten zu erfüllenden Leistungen sowie Rechte bzw. Pflichten der Parteien festgelegt werden. Es handelt sich dabei um einen Mehrparteienvertrag, an dem das Kreditinstitut, die Konzernmutter bzw. die Betreibergesellschaft und die Konzerngesellschaften beteiligt sind.251 In der Praxis wird der Vertrag üblicherweise zunächst zwischen dem ausführenden Kreditinstitut und der Konzernmutter bzw. Betreibergesellschaft abgeschlossen. Danach treten die Konzerngesellschaften im Nachhinein dem Vertrag bei oder sie bevollmächtigen im Vorfeld die Betreibergesellschaft und sie schließt den Vertrag bereits am Anfang auch im Namen der jeweiligen Konzerngesellschaften ab.252 2. Vertragsinhalt In der Praxis halten zwar regelmäßig die Kreditinstitute Musterverträge vor, in denen die Rahmenbedingungen des Cash Pooling-Vertrags bereits festgelegt werden, aber die Bestimmungen des Vertrags werden zumeist je nach Bedürfnissen des Kunden in gewissen Punkten maßgeschneidert abgeändert. Aus diesem Grund variieren grundsätzlich die inhaltlichen Gestaltungen von Cash Pooling-Verträgen je nach Abkommen zwischen der Bank und der Betreibergesellschaft bzw. den Konzerngesellschaften. Bei einem Cash Pooling-Verhältnis kommt eine Vielfalt von vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien zustande, auf die nachfolgend kurz eingegangen wird. a) Hauptgegenstand des Vertrags Der wesentliche Gegenstand des externen Cash Pooling-Rahmenvertrags ist die Beauftragung sowie Ermächtigung der Bank durch die Betreibergesellschaft und die teilnehmenden Konzerngesellschaften, das Guthaben auf den Unterkonten der Poolgesellschaften auf das Zielkonto umzubuchen und eventuell bestehende Negativsalden auf den Unterkonten zu Lasten des Zielkontos auszugleichen, sodass die

251

Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 114; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 39. 252 Morsch, NZG 2003, S. 97 f.; Korts, Cash Pooling, S. 12; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 85. Ein Mustervertrag findet sich in: Korts, Cash Pooling, S. 13 ff.

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Unterkonten arbeitstäglich auf Null gestellt werden und nur auf dem Zielkonto ein positiver oder negativer Saldo entsteht.253 b) Kontoverträge Die Durchführung eines Cash Pooling durch das Kreditinstitut erfordert eine Kontoverwaltung für die Betreibergesellschaft bzw. die Poolgesellschaften, weil dabei ein Liquiditätstransfer zwischen den Unterkonten der Poolgesellschaften und dem Zielkonto stattfindet. Von daher setzt das Cash Pooling-Verfahren vor allem ein Bankkontoverhältnis jeder Poolgesellschaft bzw. der Betreibergesellschaft mit dem Kreditinstitut voraus.254 Es könnten schon durch die (vorbestehenden) Bankkonten der Poolgesellschaften beim Kreditinstitut durchgeführt werden. Beim Fehlen vorbestehender Bankkontoverhältnisse beinhaltet der Cash Pooling-Rahmenvertrag regelmäßig jeweils übliche Giroverträge i.S.v. §§ 675f ff. BGB255 (§ 676f BGB a.F.), aufgrund derer das Kreditinstitut das Zielkonto sowie die Unterkonten führt.256 c) Kontokorrentkredit Als ein anderer wichtiger Punkt des Vertrags ist die Regelung über die Kreditlinie zu nennen. Es wird regelmäßig im Rahmenvertrag geklärt, ob die Bank der Betreibergesellschaft eine Kreditlinie für das Zentralkonto einräumt oder die Verfügungen über die Unterkonten der Poolgesellschaften nur aus Guthaben vorgenommen werden.257 Häufig verlangt die Betreibergesellschaft zur Liquiditätssicherung, soweit nötig, Kredite von dem Cash Pool ausführenden Kreditinstitut und hierfür gewährt das Kreditinstitut der Betreibergesellschaft ein Kontokorrentkredit auf dem Zielkonto.258 253 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 114; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 39; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 34; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 61; Sieder, Cash Pooling im GmbHKonzern, S. 54. 254 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 11. 255 Mit Wirkung zum 31. 10. 2009 wurde das Zahlungsdiensteregime im BGB neu gestaltet. Die durch das Gesetz vom 29. 07. 2009 (BGB1.I 2009, 2355) eingefügten §§ 675c – 675z und §§ 676 – 676c treten an die Stelle der §§ 676a – 676h a.F., die lediglich den Giroverkehr im BGB verankert hatten. Ausführlich zu diesen neuen Regelungen s. HKK-BGB/Meder/Czelk, §§ 675c – 676c, Rn. 1 ff. Nach dem neuen Recht ist der bisherige Girovertrag eine besondere Ausprägung des Zahlungsdiensterahmenvertrags, also nach neuer Terminologie ist er ein „Zahlungsdiensterahmenvertrag“, MünchKomm-BGB/Casper, § 675f, Rn. 36; Prütting/ Wegen/Weinreich/Fehrenbach, § 675f, Rn. 17. 256 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 114; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 39; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 33; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 61; Sieder, Cash Pooling im GmbHKonzern, S. 52. 257 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 40. 258 Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 34.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

d) Gesamtschuldnerische Mithaftung bzw. Besicherung des Zielkontos In den Cash Pool-Verträgen verlangen die Banken üblicherweise, dass auch die am Cash Pooling teilnehmenden Konzerngesellschaften für einen eventuell entstehenden Debetsaldo bzw. für eine entstehende Kreditinanspruchnahme auf dem Zielkonto mit der Betreibergesellschaft gesamtschuldnerisch haften.259 Dies erfolgt in der Praxis eher durch Schuldbeitritt der Poolgesellschaften. Damit treten diese neben die Betreibergesellschaft für die negativen Salden auf dem Zielkonto als Gesamtschuldner gegenüber der Bank ein.260 Die Höhe der gesamtschuldnerischen Haftung der Poolgesellschaften könnte entsprechend den Forderungen der Bank variieren. Die Bank könnte eine unbegrenzte gesamtschuldnerische Haftung der Poolgesellschaften verlangen, aber auch diesbezügliche Mithaftung der Poolgesellschaften könnte betragsmäßig begrenzt werden.261 Im Falle der Vereinbarung von Haftungshöchsbeträgen haftet jede Poolgesellschaft – unabhängig von den Zahlungen eines anderen Gesamtschuldners – bis zu dem vereinbarten Höchsbetrag für die auf dem Zielkonto entstehenden Sollsalden bzw. Kreditinanspruchnahme einschließlich der darauf entfallenden Kosten und Zinsen.262 Neben der Vereinbarung von Haftungshöchsbeträgen sind auch in der Praxis flexible Haftungsobergrenzen anzutreffen, die sich an dem im Innenverhältnis zur Betreibergesellschaft aus dem Cash Pool in Anspruch genommenen Kredit orientieren.263 Außer der Übernahme der gesamtschuldnerischen Haftung durch die teilnehmenden Gesellschaften ist es zudem in der Praxis verbreitet, dass die Banken zur Absicherung ihrer Ansprüche gegen die Betreibergesellschaft als Ergänzung auch eine Besicherung durch die teilnehmenden Gesellschaften fordern. Die Besicherung könnte durch die Abgabe von Bürgschaften bzw. Garantien oder durch Bestellung dinglicher Sicherheiten erfolgen.264 e) Ergänzende Bestimmungen Cash Pooling-Rahmenverträge enthalten außerdem ergänzende Nebenbestimmungen, wobei es sich um Modalitäten zur Durchführung des Verfahrens oder 259 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 35 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 11; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 40; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling S. 85. 260 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 36. Der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt ist im BGB nicht geregelt, aber er ist nach § 311 Abs.1 BGB zulässig, MünchKomm-BGB/Bydlinski, Vor § 414, Rn. 10; Palandt/Grüneberg, Überbl v § 414, Rn. 2. Zum Begriff und zu Rechtsfolgen eines Schuldbeitritts s. Palandt/Grüneberg, Überbl v § 414, Rn. 2 ff. Im türkischen Recht ist jedoch der Schuldbeitritt erstmals durch die Revision des tOR im Artikel 201 gesetzlich gefasst und definiert. 261 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 40. 262 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 36. 263 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 84 f. 264 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 55.

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verschiedene administrative Zusatzleistungen des Kreditinstituts handelt. Dazu gehören z. B. die Modalitäten über die Art des Cash Pooling und dessen technische Abwicklung sowie die Einbeziehung bzw. den Ausschluss von Unterkonten. Dazu kommen noch Bestimmungen zu Zinssätzen sowie der konzerninternen Zinsabrechnung, zu dem zu bezahlenden Entgelt für die Dienstleistung des Kreditinstituts, zur Vertragsdauer und Kündigungskonditionen.265 Bei anderen Bestimmungen geht es um administrative Pflichten der Bank, deren Art, Anzahl und Umfang sich nach der auf sie übertragenen Tätigkeiten ändern. Dazu gehört beispielsweise die Zustellung von Kontoauszügen, welche die von den Unterkonten täglich übertragenen Soll- und Habenumsätze ausweisen266 und die Bereitstellung sonstiger Informationen, die von der Betreibergesellschaft zum Kontrolle des Cash Pooling verlangt werden.267 3. Rechtliche Qualifikation der Vereinbarung Durch den externen Rahmenvertrag verpflichtet sich das Kreditinstitut ein Geschäft im Interesse der Betreibergesellschaft und der teilnehmenden Konzerngesellschaften zu besorgen, das in der Führung des Cash Pooling-Verfahrens besteht. Im deutschen Schrifttum wird daher – ebenso wie bei dem inneren Cash PoolingRahmenvertrag – davon ausgegangen, dass es sich auch bei der externen Rahmenvereinbarung um einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) handelt.268 Aus Sicht des türkischen Rechts geht es hier um einen Auftrag (Art. 502 tOR). Beim Verhältnis der Konzernunternehmen zu dem Kreditinstitut im Rahmen des Cash Pooling steht im Vordergrund die Pflicht des Kreditinstituts zur technischen Durchführung des Cash Pooling, die größtenteils in der Vornahme der erforderlichen Überweisungen zwischen den Unterkonten und dem Zielkonto besteht. Es wäre daher an dieser Stelle auch denkbar, dass die Pflicht des Kreditinstituts hierbei eine große Ähnlichkeit zu dessen Pflicht beim Girovertrag zeigt. Diese Feststellung würde allerdings keinen praktischen Unterschied ausmachen, weil auch der Girovertrag im deutschen Recht269 als ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichen Elementen (§ 675 BGB), im türkischen Recht als Auftrag (Art. 502 tOR) qualifiziert wird.

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Ausführlich dazu s. Korts, Cash Pooling, S. 13 ff., wo sich ein Muster Cash Pooling Rahmenvertrag findet. 266 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 40. 267 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 40; Sieder, Cash Pooling im GmbHKonzern, S. 55. 268 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 114; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 39; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 33; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 54; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 61; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 61. 269 Staudinger/Omlor, § 675f, Rn. 6, 12.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

III. Rechtsverhältnisse der einzelnen Konzernunternehmen untereinander Durch den Abschluss des internen Cash Pooling-Rahmenvertrags kommt zwischen den jeweiligen Konzernunternehmen und der Betreibergesellschaft eine vertragliche Beziehung zustande. Im Rahmen dieses Vertrags verpflichten sich Konzerngesellschaften und Betreibergesellschaft gegenseitig. Der Liquiditätstransfer erfolgt lediglich zwischen den Unterkonten einzelner Konzernunternehmen und dem Zielkonto (Cash Pool) der Betreibergesellschaft. Hierbei organisiert bzw. entscheidet die Betreibergesellschaft, welcher Poolgesellschaft Kapital zur Verfügung gestellt werden soll und nur sie weiß, aus welcher Poolgesellschaft wie viel Liquidität auf den Pool abfließt.270 Mit anderen Worten werden die Liquiditätsströme ganz zentral von der Betreibergesellschaft, ohne Mitwirkung der Poolgesellschaften durchgeführt. Schließlich entsteht bei einem üblichen Cash Pooling-Verfahren keine Darlehensverhältnisse bzw. zivilrechtliche Beziehung zwischen den Poolgesellschaften, weil die Liquiditätsabflüsse nicht direkt zwischen den Unterkonten, sondern über die Betreibergesellschaft, d. h. über den Umweg des Zielkontos erfolgen.271 Es stellt sich allerdings von gesellschaftsrechtlichem Standpunkt aus die Frage, ob zwischen diesen Konzerngesellschaften eine gesellschaftsrechtliche Sonderbeziehung besteht, wobei eine BGB-Gesellschaft (aus Sicht des deutschen Rechts, §§ 705 ff. BGB) bzw. einfache Gesellschaft (aus Sicht des türkischen Rechts, Art. 620 ff. tOR) in Betracht kommen könnte.272 Es liegt auf der Hand, dass durch das Cash Pooling eine gewisse Verknüpfung bzw. Gemeinschaft zwischen den Poolgesellschaften entsteht, sodass sich daraus Vor- und Nachteile ergeben, die sich unmittelbar oder mittelbar auf diese Poolgesellschaften auswirken. Ob diese Verknüpfung zu einer gesellschaftlichen Beziehung führt, ist danach zu entscheiden, ob dabei die Hauptmerkmale der in Frage kommenden Gesellschaftsart erfüllt sind. Zur Entstehung einer BGB-Gesellschaft i.S.d. deutschen Rechts bzw. einfachen Gesellschaft i.S.d. türkischen Rechts bedarf eine Gemeinschaft vor allem einer Einigung über den gemeinsamen Zweck (§ 705 BGB; Art. 620 tOR). In diesem Zusammenhang wäre wohl als gemeinsamer Zweck denkbar, dass die Poolgesellschaften durch den zentralen Liquiditätsausgleich eine optimale Liquiditätssteuerung und -beschaffung innerhalb des Konzerns bezwecken.273 Allerdings geht es bei einem Cash Pooling vielmehr um ein Verfahren zur Zentralisierung der Liquiditätssteuerung innerhalb des Konzerns, wobei hinsichtlich der Verwirklichung des Zieles und der Abwicklung des Pools die einzige Berechtigte immer die Betreibergesellschaft ist. Weder bei der Wahl des Geschäftsführers noch bei der Umsetzung des Zieles haben die teilnehmenden Poolgesellschaften eine Mitwirkungsmöglich-

270

Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 127. Hangebrauck, Cash Pooling, S. 60 f.; Zahrte, Finanzierung durch Cash Pooling, S. 85. 272 Bejahend für das deutsche Recht Decker, ZGR 2013, S. 403 ff. 273 Vgl. Decker, ZGR 2013, S. 403 ff., wonach der gemeinsam verfolgte Zweck in der gegenseitigen Liquiditätsversorgung unter Einsparung von Fremdkapitalkosten liege. 271

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keit.274 So gibt es von Anfang an keine Gleichberechtigung zwischen den teilnehmenden Gesellschaften. Außerdem ist ebenfalls fraglich, ob sich die Poolgesellschaften durch den Abschluss eines Cash Pooling-Vertrages gesellschaftsrechtlich zusammenschließen wollen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Konzerngesellschaften zumeist von der Konzernmutter mittels konzernbezogener Herrschaftsmöglichkeiten zum Abschluss des Vertrages geführt werden, wäre es nicht einfach, diese Frage zu bejahen. Deswegen ist davon auszugehen, dass die Konzernunternehmen bei einem Cash Pooling in der Regel keine BGB Gesellschaft i.S.d. deutschen Rechts und keine einfache Gesellschaft i.S.d. türkischen Rechts bilden. IV. Beendigung der internen bzw. externen Cash Pooling-Vereinbarungen 1. Ordentliche Kündigung Beide Rahmenverträge beinhalten üblicherweise regelmäßig ordentliche Kündigungsrechte für alle Vertragsparteien, wonach der Vertrag unter Einhaltung bestimmter Fristen von der Betreibergesellschaft sowie vom Kreditinstitut oder der jeweils beteiligten Poolgesellschaft gekündigt werden kann. 2. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund In beiden Rahmenverträgen wird in der Praxis regelmäßig ausdrücklich ein außerordentliches Kündigungsrecht für die Vertragsparteien vorgesehen. In diesem Zusammenhang werden in Verträgen zumeist die wesentlichen nachteiligen Veränderungen der wirtschaftlichen Situation der Poolgesellschaften, insbesondere Fälle wie Insolvenz und Zwangsvollstreckung als außerordentliche Kündigungsgründe bestimmt. Unabhängig davon, ob eine diesbezügliche Bestimmung vorliegt oder nicht, können sowohl der innere als auch der externe Rahmenvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, weil diese Verträge Dauerschuldcharakter haben. a) Grundlagen des außerordentlichen Kündigungsrechts aa) Im deutschen Recht Das Rechtsinstitut der außerordentlichen Kündigung der Dauerschuldverhältnisse wurde im deutschen Recht gesetzlich erst durch das am 01. 01. 2002 in Kraft getretene SchuldRModG275 ausdrücklich in das BGB (§ 314) eingeführt. Inhaltlich gesehen wurde durch diese Vorschrift eigentlich weder etwas Neues in das deutsche Zivilrechtssystem eingeführt, noch eine Veränderung der bisherigen Rechtslage 274 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 52 f.; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 59. 275 „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“, vom 20. 11. 2001, BGBI I 3138.

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vorgenommen. Denn bereits vor der Reform wurde schon durch die Literatur und die Rechtsprechung ein Grundsatz über die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund entwickelt. Demnach konnten die Dauerschuldverhältnisse immer aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, auch wenn dies weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehen war.276 Die ausdrückliche Regelung in § 314 BGB wurde mit der großen praktischen Bedeutung und der seit langem gefestigten Rechtsprechung zur Kündigung aus wichtigem Grund begründet.277 Gemäß dieser Regelung kann jeder Vertragsteil eines Dauerschuldverhältnisses den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen (§ 314 Abs. 1 BGB). Daher könnten die Vertragsparteien sowohl von internen als auch von externen Cash Pooling-Rahmenverträgen, welche als Dauerschuldverhältnisse zu bezeichnen sind, gestützt auf § 314 BGB den Vertrag kündigen, solange ein wichtiger Grund dazu besteht.278 Im deutschen Recht stellt sich hier zudem die Frage, ob eine außerordentliche Kündigung des internen sowie externen Cash Pooling-Rahmenvertrags gemäß § 490 BGB in Betracht kommen würde. § 490 BGB stellt im deutschen Darlehensrecht eine spezielle Vorschrift dar, in der ein besonderes außerordentliches Kündigungsrecht für die Parteien eines Darlehens vorgesehen wird. Durch diese Regelung bezweckte der deutsche Gesetzgeber es, den Parteien eines Darlehens zu ermöglichen, sich bei Eintritt darlehensspezifischer Risiken vom Vertrag zu lösen.279 Dem Darlehensgeber wird dadurch ein außerordentliches und fristloses Kündigungsrecht für den Fall der Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers und somit der Gefährdung der Rückzahlung des Darlehens gewährt (§ 490 Abs. 1 BGB).280 Da der interne Cash Pooling-Rahmenvertrag aufgrund des im Cash PoolingSystem innewohnenden Liquiditätsausgleichs und damit des Liquiditätstransfers zwischen den Parteien ein Darlehensverhältnis gründet,281 kommt auch die außerordentliche Kündigung durch die Parteien gemäß § 490 BGB beim internen Cash Pooling-Rahmenvertrag zur Anwendung. Die außerordentliche Kündigung gemäß § 490 BGB kann auch beim externen Cash Pooling-Rahmenvertrag Anwendung finden, wenn die Cash Pooling führende Bank der Betreibergesellschaft eine Kreditlinie für das Zentralkonto einräumt und damit ein Darlehensverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen ist.

276

MünchKomm-BGB/Gaier, § 314, Rn. 1; Erman/Böttcher, § 314, Rn. 2. BT-Drucks. 14/6040, S.177; ausführlich zur Vorgeschichte der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund s. HKK-BGB/Meyer-Pritzl, §§ 313 – 314, Rn. 74 ff. 278 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 37; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 41. 279 Erman/Saenger, § 490, Rn. 1. 280 Staudinger/Mülbert, § 490, Rn. 1. 281 Siehe dazu nachstehend Kapitel 1, § 2, B., III. 277

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Wie das allgemeine außerordentliche Kündigungsrecht aus § 314 BGB und das nur für Darlehensverhältnisse vorgesehene außerordentliche Kündigungsrecht aus § 490 BGB zueinander stehen, stellt der § 490 Abs. 3 BGB klar. Demnach ist der § 490 BGB nicht abschließend und findet auch § 314 BGB neben § 490 BGB Anwendung. So stehen die Kündigungsrechte aus § 314 BGB und aus § 490 BGB selbständig nebeneinander, allerdings, soweit die Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 und 2 BGB im Einzelfall erfüllt sind, gehen diese Bestimmungen als lex specialis den allgemeinen Bestimmungen des § 314 BGB vor.282 Das heißt, für die Fälle der Vermögensverschlechterung oder des sinkenden Wertes der gestellten Kreditsicherheiten hat § 490 Abs. 1 BGB Vorrang gegenüber dem allgemeinen Kündigungsrecht von § 314 BGB und ist ausschließlich anzuwenden. Auf § 314 BGB kann immer dann zurückgegriffen werden, wenn die außerordentliche Kündigung aus Gründen erfolgen soll, die von den in § 490 BGB statuierten speziellen gesetzlichen Tatbeständen nicht erfasst werden.283 So kann die Vertragspartei in der Position von Darlehensgeber eines Cash Pooling-Rahmenvertrags bei der Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers auf § 490 Abs. 1 BGB zurückgreifen und den Vertrag außerordentlich kündigen, falls die Parteien im Vertrag nicht anderes vereinbart haben. § 490 BGB ist nämlich abdingbar284 und die Vertragsparteien dürfen die Anwendung des § 490 BGB auf den Vertrag ausschließen. § 314 BGB ist jedoch in seinem Kern zwingendes Recht und kann durch den Vertrag nicht vollständig ausgeschlossen werden.285 bb) Im türkischen Recht Wie schon dargestellt stellt der interne Cash Pooling-Rahmenvertrag aus Sicht des türkischen Rechts hinsichtlich der Funktion der Betreibergesellschaft einerseits einen Auftrag dar, andererseits wird damit aufgrund der Liquiditätsströme zwischen den Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft eine Darlehensbeziehung gegründet.286 Auch im externen Cash Pooling-Rahmenvertrag kommt ein Darlehensverhältnis dann zustande, wenn die Cash Pooling führende Bank Kreditlinien für die Betreibergesellschaft öffnet. Einem Darlehensverhältnis wird im türkischen Recht einen Dauerschuldcharakter zuerkannt,287 aber ob der Auftrag stets einen Dauerschuldcharakter hat, ist im Schrifttum streitig. Nach herrschender Meinung ist dies in jedem Einzelfall je nach der Handlungsweise der geschuldeten Leistung des Be282 BT-Drucks 14/6040, S. 177; Staudinger/Mülbert, § 490, Rn. 122; Erman/Saenger, § 490, Rn. 15; MünchKomm-BGB/Berger, § 490, Rn. 46 f. m.w. N. 283 MünchKomm-BGB/Berger, § 490, Rn. 46 m.w.N. 284 Palandt/Weidenkaff, § 490, Rn. 1; MünchKomm-BGB/Berger, § 490, Rn. 22; Staudinger/Mülbert, § 490, Rn. 53. 285 Palandt/Grüneberg, § 314, Rn. 3. 286 Siehe nachstehend Kapitel 1, § 2, B., III. und IV. 287 Seliçi, Sürekli Borç Ilis¸kilerinin Sona Ermesi, S. 201, 203 f.; Altınok-Ormancı, Sürekli Borç ˙Ilis¸kileri, S. 107, 111 ff., 116 f.; Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 181 m.w.N.

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auftragten einzuschätzen.288 Ist der Auftrag demnach von vornherein auf eine andauernde Leistung des Beauftragten ausgerichtet, weist er Dauerschuldcharakter auf, während er als ein punktuell wirkendes Schuldverhältnis zu bewerten ist, wenn sich die geschuldete Leistung in einer einmaligen Leistung des Beauftragten erschöpft. Auf der Basis der herrschenden Ansicht ist bezüglich eines Cash Pooling-Verfahrens davon auszugehen, dass dabei der Auftrag immer einen Dauerschuldcharakter innehat, weil bei beiden Cash Pooling-Rahmenverträgen die geschuldeten Leistungen der Beauftragten in einer Dauerhandlung bestehen. Mit Blick auf die außerordentliche Kündigung der Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund unterscheidet sich das türkische Recht von deutschem Recht. Denn anders als das deutsche Recht (§ 314 BGB) befindet sich im türkischen Zivilgesetzbuch keine für alle Dauerschuldverhältnisse allgemein geltende gesetzliche Regelung zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Im türkischen Zivilgesetzbuch wird das außerordentliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund eher nur bei manchen einzelnen Dauerschuldverhältnissen, wie z. B. Mietvertrag (Art. 331 tOR) und Dienstvertrag (Art. 435 tOR) speziell vorgesehen, während dies für andere Dauerschuldverhältnisse, u. a. Darlehen, nicht geregelt wird. Diese Systematik des Gesetzes führte und führt immer noch zu Diskussionen darüber, ob der Gesetzgeber die Möglichkeit außerordentlicher Kündigung aus wichtigem Grund lediglich für diese ausgewählten Vertragstypen vorsieht und damit die außerordentliche Kündigung anderer Dauerschuldverhältnisse, insbesondere des Darlehens aus wichtigem Grund konkludent ausschließt. Der Kassationshof traf zwar bisher keine einheitliche Grundsatzentscheidung darüber, aber einzelnen seiner Entscheidungen,289 bei denen er einige Vertragstypen mit Dauerschuldcharakter für außerordentlich kündbar erachtete, obwohl für sie im Gesetz kein besonderes außerordentliches Kündigungsrecht vorgesehen wird, ist zu entnehmen, dass der Kassationshof die Anwendbarkeit der außerordentlichen Kündigung nicht nur auf die im Gesetz auserwählten Vertragstypen beschränkt. Eher befürwortet er eine generelle Anwendbarkeit des außerordentlichen Kündigungsrechts aus wichtigem Grund bei allen Dauerschuldverhältnissen.290 Auch im Schrifttum wird überwiegend für die allgemeine Anwendung des außerordentlichen Kündigungsrechts aus wichtigem Grund bei allen Dauerschuldverhältnissen plädiert.291 Es sei ausgewählten Dauer288 Seliçi, Sürekli Borç Ilis¸kilerinin Sona Ermesi, S. 27; ähnlich Altınok-Ormancı, Sürekli Borç I˙lis¸kileri, S. 56. 289 YHGK, v. 04. 07. 2001, E.2001/19-526, K.2001/572; Y. 19. HD., v. 05. 03. 2002, E.2001/ 4568, K.2002/1473. (www.kazanci.com) 290 So auch Altınok-Ormancı, Sürekli Borç ˙Ilis¸kileri, S. 110. 291 Seliçi, Sürekli Borç Ilis¸kilerinin Sona Ermesi, S. 201, 203 f.; Altınok-Ormancı, Sürekli Borç ˙Ilis¸kileri, S. 107, 111 ff., 116 f.; ˙Ince, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage nach deutschem und türkischem Recht, S. 392 f., Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 181 m.w.N. Da das türkische Zivilrechtssystem größtenteils vom schweizerischen Zivilrecht übernommen bzw. beeinflusst worden ist, werden in türkischer Lehre auch die einschlägigen Ansichten und Entwicklungen im schweizerischen Recht mitberücksichtigt, solange sie allgemein dem türkischen Rechtssystem und der türkischen Praxis entsprechen. Hinsichtlich der Regelungssystematik des Rechtsin-

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schuldverhältnissen, bei denen besondere Regelungen zum außerordentlichen Kündigungsrecht vorgenommen werden, zu entnehmen, dass Vertragspartnern derartiger Dauerschuldverhältnisse eine Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund eingeräumt werden müsse, weil hier „Vertrauensverhältnisse“ sowie zum Teil „persönliche Beziehungen“ die Basis der Verträge bildet und wegen des Vertragsgegenstandes jederzeit ein wichtiger Grund zur Kündigung entstehen könnte.292 Diese Besonderheiten würden allerdings keine Unterscheidungsmerkmale herstellen und eine verschiedene Behandlung der anderen Dauerschuldverträgen sei sachlich gesehen ungerechtfertigt.293 Das Ausbleiben einer ausdrücklichen Regelung des außerordentlichen Kündigungsrechts aus wichtigem Grund bei Darlehensverhältnissen bzw. anderen Dauerschuldverhältnissen müsse nicht bedeuten, dass der Gesetzgeber das außerordentliche Kündigungsrecht den Vertragspartnern eines Darlehensverhältnisses absichtlich entziehen wollte.294 Das Schweigen des türkischen Gesetzgebers bei Darlehen sowie bei anderen Dauerverträgen solle nur als eine Gesetzeslücke angesehen werden und dies solle zu Gunsten der Vertragspartnern und damit der Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund ausgelegt werden.295 Außerdem wird der Art. 23 tZGB (Schutz der Persönlichkeit vor Verzicht und übermäßiger Bindung) als Begründung des Anwendbarkeitserfordernisses des außerordentlichen Kündigungsrechts bei allen Dauerschuldverhältnissen herangezogen.296 Es ist schließlich festzustellen, dass im geltenden türkischen Recht eine starke Tendenz sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Lehre dazu besteht, außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund für alle Dauerschuldverhältnisse zuzulassen. Aus rechtsvergleichender Sicht lässt sich daher ausdrücken, dass die geltende Rechtslage über die außerordentliche Kündigung der Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund im türkischen Recht Ähnlichkeit mit der vor dem SchuldRModG herrschenden Rechtslage im deutschen Recht zeigt. Denn schon vor der Einführung der Regelung zur außerordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund durch SchuldRModG in § 314 BGB bestand stituts vom außerordentlichen Kündigungsrecht der Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund weist das türkische Recht mit schweizerischem Recht starke Ähnlichkeiten auf und auch da wird vorwiegend angenommen, dass eine außerordentliche Kündigung aller Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund zulässig sein solle, BGE 128 III 428 ff.; BSK OR-I/Schärer/ Mauerenbrecher, Art. 318, Rn. 24 m.w.N.; KuKo OR/Schwaibold, Art. 318, Rn. 10; CHK/ Schönenberger, Art. 318, Rn. 4 m.w.N.; a.A. Christ, SPR 1979, S. 257 f. 292 Seliçi, Sürekli Borç Ilis¸kilerinin Sona Ermesi, S. 136; Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 182; Altınok-Ormancı, Sürekli Borç ˙Ilis¸kileri, S. 106 f. 293 Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 182. 294 Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 183. 295 Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 183, 186; Altınok-Ormancı, Sürekli Borç I˙lis¸kileri, S. 61 f., 106 f. 296 Altınok-Ormancı, Sürekli Borç ˙Ilis¸kileri, S. 116 f.; wohl auch ˙Ince, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage nach deutschem und türkischem Recht, S. 393, wonach die Kündigung aus wichtigem Grund sowohl das Persönlichkeitsrecht als auch den Grundsatz von Treu und Glauben betreffe.

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auch im deutschen Recht eine einheitliche Annahme über die allgemeine Anwendbarkeit des außerordentlichen Kündigungsrechts bei allen Dauerschuldverhältnissen. Auf Grundlage der oben dargestellten herrschenden Meinung lässt sich sagen, dass die Cash Pool Rahmenverträge aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden können. Die entscheidende und die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang ist allerdings, ob die Verschlechterung des Vermögensverhältnisses des Darlehensnehmers als ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Vertrags angesehen werden kann. Anders als das deutsche Recht kennt das türkische Darlehensrecht keine § 490 BGB entsprechende Norm, in der dem Darlehensgeber im Falle der nach Vertragsabschluss eintretenden Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers das Recht eingeräumt wird, den Vertrag auch nach der Auszahlung – in der Regel – außerordentlich zu kündigen (§ 490 Abs. 1 BGB). Bezüglich der Auswirkung der Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers auf den Darlehensvertrag befindet sich im türkischen Darlehensrecht lediglich der – teilweise – denselben Schutzzweck mit dem § 490 BGB verfolgende Art. 390 tOR, welcher aber den Darlehensgeber nur für die Zeit vor der Auszahlung der Darlehensvaluta zum Rücktritt vom Vertrag ex-tunc berechtigt. Gemäß Art. 390 tOR297 kann der Darlehensgeber vor der Übergabe der Darlehenssumme vom Vertrag zurücktreten,298 wenn der Darlehensnehmer entweder nach dem Vertragsabschluss zahlungsunfähig geworden ist (Art. 390 Abs. 1 tOR) oder dessen bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit dem Darlehensgeber am Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unbekannt war (Art. 390 Abs. 2 tOR). Dass nach Art. 390 tOR der Darlehensgeber lediglich vor der Ausgabe der Darlehenssumme den Vertrag vorzeitig beenden kann, stellt einen gravierenden Unterschied zu dem deutschen System dar, in dem die Kündigung des Vertrags vor der Auszahlung des Darlehens – stets –, aber auch nach der Auszahlung – in der Regel – möglich ist (§ 490 Abs. 1 BGB). Dass gemäß Art. 390 tOR das Rücktrittsrecht vom Vertrag nur vor der Auszahlung der Darlehenssumme möglich ist, wirft aus Sicht des türkischen Rechts die Frage auf, ob für den noch nicht ausgezahlten Teil der Hauptleistung vom Vertrag zurückge297 Art. 390 tOR: „Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers: (1) Der Darlehensgeber kann die Aushändigung des Darlehens verweigern, wenn der Darlehensnehmer seit dem Vertragsabschluss zahlungsunfähig geworden ist. (2) Diese Befugnis steht dem Darlehensgeber auch dann zu, wenn die Zahlungsunfähigkeit schon vor Abschluss des Vertrages eingetreten, ihm aber erst nachher bekannt geworden ist.“ 298 Obwohl im Art. 390 tOR die Rede von einem „Leistungsverweigerungsrecht“ ist, geht die h.L. über den Gesetzeswortlaut (Verweigerung der Aushändigung) hinaus und nimmt an, dass es sich beim im Art. 390 Abs. 1 tOR statuierten Leistungsverweigerungsrecht um ein Recht handelt, ohne Einhaltung einer Frist vom Vertrag zurückzutreten (Rücktrittsrecht), ¨ zel Borç ˙Ilis¸kileri, S. 351; Elçin-Grassinger, in: FS für Tahir C¸ag˘ a, S. 232 jeweils Tandog˘ an, O m.w.N.; aus schweizerischem Recht: Higi, Art. 316, Rn. 3; Christ, SPR 1979, S. 239; BSK ORI/Schärer/Mauerenbrecher, Art. 316, Rn. 11; BK-Weber, Art. 316 OR, Rn. 11; a.A. Mauerenbrecher, recht 2003, S. 187 Fn. 43.

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treten werden kann, soweit die Übergabeleistung noch nicht vollkommen erbracht wurde. Teilweise wird diesbezüglich gestützt auf den Schutzgedanken von Art. 390 tOR (bzw. von Art. 316 sOR)299 die Ansicht vertreten, dass ein Teilrücktritt auch für den noch nicht übergegebenen Darlehensbetrag möglich sein müsse,300 während nach anderer Auffassung ein Teilrücktritt im Rahmen des Art. 390 tOR nicht möglich sei.301 Bei der Lösung dieser Problematik muss m. E. der Sinn und Zweck der Norm beachtet werden. Durch Art. 390 tOR bezweckt der Gesetzgeber schlechthin den Darlehensgeber vor dem Ausfallrisiko des Darlehens für den Fall zu schützen, dass die Auszahlung des Darlehens noch nicht erfolgt ist, weil – wohl nach ihm – die berechtigten Interessen des Darlehensgebers dies gebieten. Es ist nämlich dem Darlehensgeber nicht zuzumuten, seinerseits seine Auszahlungspflicht zu erfüllen, wenn davon auszugehen ist, dass der Darlehensnehmer seiner Rückzahlungspflicht nicht wird nachkommen können.302 Dieses geschützte Interesse des Darlehensgebers besteht bei der Teilauszahlung bezüglich des nicht übergegebenen Darlehensbetrags zweifelsfrei fort. Der Darlehensgeber hat nämlich immer noch das identische schutzbedürftige Interesse am (Teil-)Rücktritt vom Vertrag für den unerfüllten Teilbetrag. Aus diesem Grund ist es m. E. zweckmäßig und gerechtfertigt, dass der Darlehensgeber im Rahmen des Art. 390 tOR hinsichtlich des noch nicht übergegebenen Darlehensbetrags ein Teilrücktrittsrecht hat. Wird dementsprechend vom Teilrücktritt Gebrauch gemacht, dann kann nur von einer teilweisen Beendigung des Vertrags mit Wirkung ex-tunc gesprochen werden.303 Da im Rahmen des Art. 390 tOR hinsichtlich der bereits geleisteten Teilzahlung kein Rücktritt mehr möglich ist, behält der Vertrag für den schon ausgezahlten Betrag die Gültigkeit.304 Der Vertrag wird also gedanklich in zwei Teile aufgeteilt, sodass der eine Teil über den noch nicht übergegebenen Darlehensbetrag beendet und der andere Teil über den bereits ausbezahlten Teil in vollem Umfang erhalten bleibt.305 299

Der Art. 390 tOR wurde vom Art. 316 sOR übernommen. Elçin-Grassinger, in: FS für Tahir C¸ag˘ a, S. 232; so auch aus dem schweizerischen Schrifttum: BSK OR-I/Schärer/Mauerenbrecher, Art. 316, Rn. 7; CHK/Schönenberger, Art. 316, Rn. 2; Christ, SPR 1979, S. 239; BK-Weber, Art. 316 OR, Rn. 23, nach ihm der Teilrücktritt im Rahmen des Art. 316 sOR (Art. 390 tOR) möglich sein müsse, weil sonst die unerwünschte Rechtsfolge durch allgemein zur Verfügung stehende Rechtsbehelfe nicht zu vermeiden sei. 301 ¨ zel Borç I˙lis¸kileri, S. 351; Gümüs¸, Boçlar Hukuku – Özel Hükümler, Tandog˘ an, O S. 447; so auch aus dem schweizerischem Recht: KuKo OR/Schwaibold, Art. 316, Rn. 3; Higi, Art. 316, Rn. 31 f. m.w.N., welcher den Teilrücktritt für systemwidrig hält. 302 BK-Weber, Art. 316 OR, Rn. 5; BSK OR-I/Schärer/Mauerenbrecher, Art. 316, Rn. 1; BGE II 345, 350. 303 BK-Weber, Art. 316 OR, Rn. 37. 304 BK-Weber, Art. 316 OR, Rn. 24; BSK OR-I/Schärer/Mauerenbrecher, Art. 316, Rn. 7; BGE 100 II, 350 f., wobei eine analoge Anwendung des Art. 316 sOR (entsprechend Art. 390 tOR) nach Auszahlung des Darlehens abgelehnt wurde. 305 BK-Weber, Art. 316 OR, Rn. 37; a.A. Higi, Art. 316, Rn. 31, welcher den Teilrücktritt nicht als ein Rücktritt mit Wirkung ex-tunc bezüglich der noch nicht erbrachten Leistungen interpretiert, sondern als eine außerordentliche Kündigung mit Wirkung ex nunc bezüglich des 300

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Eine andere wichtige Frage ist, ob Art. 390 tOR das außerordentliche Kündigungsrecht bei Darlehen für Fälle abschließend regelt, in denen als wichtiger Grund die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers in Frage kommt. Mit anderen Worten, verhindert die Formulierung des Art. 390 tOR, wonach das Rücktrittsrecht vom Vertrag aufgrund der Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers nur vor der Auszahlung der Darlehenssumme möglich ist, dass der Darlehensgeber die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers im Rahmen des – oben genannten – generellen Kündigungsrechts auch nach der Auszahlung als ein wichtiger Grund für Kündigung vorbringt. Die Antwort auf diese Frage gewinnt dann noch an Bedeutung, wenn die Parteien eine vom Art. 390 tOR abweichende Vereinbarung treffen, sodass der Darlehensgeber auf das Rücktrittsrecht verzichtet.306 In dem Fall, dass der Darlehensgeber auf das Rücktrittsrecht (Art. 390 tOR) verzichtet, stellt sich die Frage, ob dem Darlehensgeber das generelle Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnisse vorbehalten bleibt und wenn ja, ob dann die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers als ein wichtiger Grund im Rahmen des außerordentlichen Kündigungsrechts angesehen werden kann. Wie oben dargestellt, besteht im türkischen Recht die Tendenz, das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund generell bei jedem Dauerschuldverhältnis zuzulassen. Ausgehend von dieser allgemeinen Annahme wird im Schrifttum zwar ausgedrückt, dass das Darlehen wegen seines Dauerschuldcharakters außerordentlich gekündigt werden kann,307 aber darüber, ob die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers – insbesondere im Falle vertraglicher Abweichung von Art. 390 tOR – noch als ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung angesehen werden kann, wurde bisher weder im Schrifttum308 noch in der Rechtsprechung gründlich diskutiert. Im schweizerischen Recht, wovon die türkischen zivilrechtlichen Regelungen über das Gelddarlehen beinahe komplett übernommen worden sind (Art. 312 – 318 sOR; Art. 386 – 392 tOR), wird die Berechtigung des Darlehensgebers zur Kündigung aus wichtigem Grund in engen Grenzen bejaht.309 Bei der Überprüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes muss nach schweizerischem Bundesgericht darauf geachtet werden, ob das Gebundensein an den Vertrag für einen Vertragsteil „unzumutbar“ geworden sei.310 Stellt demgemäß die Fortführung des Vertrags eine gesamten Vertrags auffasst und behauptet, dass dies dem Art. 316 sOR (Art. 390 tOR) widerspreche. 306 Es handelt sich bei Art. 390 tOR um dispositives Recht. Higi, Art. 316, Rn. 30; BKWeber, Art. 316 OR, Rn. 10, 20. 307 Seliçi, Sürekli Borç Ilis¸kilerinin Sona Ermesi, S. 201, 203 f.; Altınok-Ormancı, Sürekli Borç ˙Ilis¸kileri, S. 107, 111 ff., 116 f.; Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 181 m.w.N. 308 Diesbezüglich s. insb. Og˘ uz, BATiDER 2004, S. 185 ff., welcher ausführlich auf das Thema eingeht und die Verschlechterung der Vermögenslage des Darlehensnehmers als ein wichtiger Grund für außerordentliche Kündigung des Darlehens bewertet. 309 Bertschinger, SJZ 1996, S. 372 ff.; CHK/Schönenberger, OR 318, Rn. 4; Maurenbrecher, recht 2003, S. 180 ff.; a.A. Christ, SPR 1979, S. 257. 310 BGE 128 III 428.

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unzumutbare Einschränkung der Persönlichkeitsrechte einer Partei dar, solle sich die betroffene Partei vom Vertrag auflösen können.311 Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit sieht das schweizerische Bundesgericht beim zinslosen Darlehen mit einer langen Laufzeit (über 10 Jahre).312 Die Verschlechterung der Vermögenslage des Darlehensnehmers wird jedoch vorwiegend als das typische Risiko eines Darlehens bewertet und nicht als ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung bzw. zur vorzeitigen Rückforderung angesehen.313 Diesbezüglich wird ausgeführt, dass angesichts der in Art. 316 sOR (entsprechend Art. 390 tOR) zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, wonach die Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers lediglich vor der Übergabe der Darlehenssumme einen Grund zum Rücktritt darstellt, könne die Fehlbeurteilung des Darlehensgebers über die Bonitätsentwicklung des Darlehensnehmers nicht als ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Kündigung angesehen werden.314 Erstens muss man feststellen, dass das deutsche und das türkische bzw. schweizerische Recht hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrags aufgrund der Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers verschiedene Sichtweisen haben. Darauf weist nämlich die von einander abweichenden Regelungen von § 490 Abs. 1 BGB und Art. 390 tOR (bzw. Art. 316 sOR) hin. Das deutsche Recht räumt dem Darlehensgeber bei Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers nicht nur vor der Auszahlung sondern auch nach der Auszahlung in der Regel die Kündigungsmöglichkeit ein, während das türkische und schweizerische Recht die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers nur vor der Auszahlung des Darlehens als ein Grund zur Kündigung ansieht. Aus dem Vergleich dieser Regelungen ergibt sich, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs die Interessen des Darlehensgebers den Interessen des Darlehensnehmers vorzieht und sich für den Darlehensgeber entscheidet. Dahinter steckt wohl der Gedanke: „Der Darlehensgeber soll nicht eine sich abzeichnende Insolvenz des Darlehensnehmers abwarten müssen, um sich vom Darlehensvertrag lösen zu dürfen, sondern ihm soll in den tatbestandlich erfassten Fällen unter Preisgabe der Interessen des Schuldners die Möglichkeit eröffnet werden, so schnell wie möglich zu retten, was zu retten ist.“315 Das türkische und schweizerische Recht bürdet hingegen das Ausfallsrisiko des Darlehens wegen der nach der Auszahlung erfolgten Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers dem Darlehensgeber 311

BGE 128 III 428, 431 f. BGE 128 III 428, 432. 313 BGE II 345, E. 4; CHK/Schönenberger, Art. 318, Rn. 4.; KuKo OR/Schwaibold, Art. 318, Rn. 10; BK-Weber, Art. 318 OR, Rn. 52; BSK OR-I/Schärer/Mauerenbrecher, Art. 318, Rn. 25 m.w.N.; a.A. Gruber, SJZ 1996, S. 26 f.; Bertschinger, SJZ 1996, S. 371 f.; vgl. Gauch, System der Beendigung von Dauerverträgen, S. 104 f. 314 BSK OR-I/Schärer/Mauerenbrecher, Art. 318, Rn. 25; BGE 100 II 345, E. 4; Bertschinger, SJZ 1996, S. 372 ff.; Mauerenbrecher, recht 2003, S. 186 f.; a.A. Gruber, SJZ 1996, S. 29. 315 Staudinger/Mülbert, § 490, Rn. 3. 312

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auf. Wessen Interessen in einer derartigen Situation schutzbedürftiger sind, ist eine Wertungssache und kann diskutiert werden. Allerdings, angesichts der Tatsache, dass im geltenden türkischen Darlehensrecht ein derartiger Art. 390 tOR existiert, in dem deutlich die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers nur vor der Auszahlung des Darlehensvaluta als ein Grund zur Kündigung angesehen wird, ist es de lege lata schwierig zu sagen, dass trotz des Art. 390 tOR die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers im Rahmen des generellen, ungeschriebenen außerordentlichen Kündigungsrechts wie vor der Auszahlung auch nach der Auszahlung als ein wichtiger Grund zur Kündigung angenommen werden kann. M.E. ist allerdings die negative Einstellung des türkischen und des schweizerischen Gesetzgebers gegenüber den Darlehensgebern und der Vorzug der Darlehensnehmer den Darlehensgebern kritikwürdig. Auf die Frage, warum ein Darlehensgeber nach der Auszahlung der Darlehenssumme bei Verschlechterung der Vermögenslage des Darlehensnehmers den Vertrag nicht kündigen darf und damit sehendes Auges einem sich offensichtlich abzeichnenden Verlust ausgesetzt wird, gibt es m. E. keine befriedigende Antwort. Ein Darlehensverhältnis setzt im Hinblick auf die längere Dauer der Vertragsbeziehung ein allgemeines Vertrauensverhältnis voraus. Der Darlehensgeber verlässt sich hierbei darauf, dass der andere auch während der längeren Dauer des Vertrags leistungsbereit bleibt und das Darlehen absprachegemäß zurückgewährt. Dieses Vertrauen des Darlehensgebers muss m. E. von dem Rechtssystem in Schutz genommen werden. Auch wenn ein Darlehensverhältnis das Risiko der Bonitätsverschlechterung des Darlehensnehmers stets in sich birgt und das vom Darlehensgeber zu beurteilen ist, kann es ihm nicht zugemutet werden, dass er im Laufe des Vertrags wissend das Ausfallsrisiko völlig auf sich nimmt. Es darf nicht übersehen werden, dass der Darlehensgeber die Darlehensgewährung vermutlich abgelehnt hätte, wenn er die Verschlechterung der Vermögenslage schon im Voraus gewusst hätte. Sogar bei Darlehensgewährungen, die der Verbesserung der schon ungesunden Vermögenslage des Darlehensnehmers dienen, ist m. E. davon auszugehen, dass der Darlehensgeber dabei darauf vertraut, dass die Vermögenslage des Darlehensnehmers mithilfe des Darlehens besser wird, sodass er das Darlehen wieder zurückerhält. Dieses Vertrauen bedarf m. E. mehr Schutz als der Darlehensnehmer. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Lage ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Parteien, insbesondere die Geschäftsführer der Poolgesellschaften dafür sorgen sollten, dass die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers als eine Klausel zur außerordentlichen Kündigung im Cash PoolingVertrag festgeschrieben wird. b) Kündigung durch die Betreibergesellschaft Damit die Betreibergesellschaft rechtzeitig auf schädliche bzw. negative Entwicklungen reagieren kann und in diesem Zusammenhang die gesunden Poolgesellschaften und ggf. den ganzen Konzern vor den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Cash Pooling-Verfahrens schützen kann, bedarf sie eines sofortigen

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Kündigungsrechts. Im deutschen Recht ist § 490 BGB abdingbar316 und auf § 314 BGB kann dann zurückgegriffen werden, wenn die außerordentliche Kündigung aus Gründen erfolgen soll, die von den in § 490 BGB statuierten speziellen gesetzlichen Tatbeständen nicht erfasst werden.317 Auch im türkischen Recht ist Art. 390 tOR dispositiv. Deswegen ist es empfehlenswert, dass die Betreibergesellschaft eigens darauf achtet, dass ihr ein sofortiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund, aber insbesondere für den Fall der Vermögensverschlechterung der Poolgesellschaften vertraglich eingeräumt wird. Die entscheidende Frage an dieser Stelle ist, wann die Betreibergesellschaft eingreifen soll, oder anders gesagt, wann anzunehmen ist, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung besteht. Dies muss freilich im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände beurteilt werden. Hervorzuheben ist hierbei von allem, dass weder das Kündigungsrecht der Betreibergesellschaft eine Kündigungsberechtigung ohne Grund gibt, noch jede Krise einzelner Poolgesellschaften zu einer sofortigen Kündigung durch die Betreibergesellschaft führen kann. Dies resultiert insbesondere daraus, dass dem Cash Pool-Verfahren u. a. eine Liquiditätssicherungsfunktion zukommt, welche willkürliche Kündigungen durch die Konzernmutter grundsätzlich verhindert. Die Poolgesellschaften verzichten nämlich durch – zumeist von der Konzernmutter oktroyierte – Teilnahme an einem Cash Pool auf ihre eigenständige Beziehungen zu den Kreditinstituten und so wird ihnen größtenteils die Möglichkeit entzogen, ihre Liquiditätsdefizite auf dem Markt durch Aufnahme externer Kredite zu beheben, wodurch sie auf den Cash Pool angewiesen werden. Deshalb darf die Betreibergesellschaft den Vertrag gegenüber den Poolgesellschaften nicht ohne einen wichtigen Grund kündigen. Außerdem sollte auch nicht jede Krise einzelner Poolgesellschaften zu einer sofortigen Kündigung durch die Betreibergesellschaft führen. Bei kleineren, überbrückbaren Krisen von Poolgesellschaften, die das Cash Pooling-Verfahren nicht grundsätzlich beeinträchtigen, ist in der Regel anzunehmen, dass kein Grund zur Kündigung besteht. Es würde also dem Zweck des Cash PoolingVerfahrens und damit auch wie eben dargestellt, seine Liquiditätssicherungsfunktion entgegenstehen.318 Allerdings sollte bei ernsthaften wirtschaftlichen Verschlechterungen des Vermögens einer Poolgesellschaft, wobei den Umständen entsprechend anzunehmen ist, dass diese die ihr zugeflossenen Mittel nicht mehr zurückzahlen kann und die Weiterversorgung dieser Gesellschaft nicht mehr sinnvoll wäre, die Konzernmutter im Interesse des gesamten Cash Pooling-Verbundes sowie der anderen gesunden Poolgesellschaften handeln und den Vertrag gegenüber dieser Gesellschaft kündigen. In den Fällen, in denen es sich um die Überschuldung sowie Zwangsvollstreckung der betreffenden Poolgesellschaft oder Überziehung der im Innenverhältnis vereinbarten Kreditlinie handelt, ist generell anzunehmen, dass ein Grund für eine außerordentliche Kündigung durch die Konzernmutter besteht. Al316 Palandt/Weidenkaff, § 490, Rn. 1; MünchKomm-BGB/Berger, § 490, Rn. 22; Staudinger/Mülbert, § 490, Rn. 53. 317 MünchKomm-BGB/Berger, § 490, Rn. 46 m.w.N. 318 Vgl. Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 43.

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lerdings sollte bei der Überschreitung des Kreditlimits nach wirtschaftlichen Gründen der betreffenden Poolgesellschaft im Einzelfall entschieden werden, weil sich ein hoher Kapitalbedarf u. U. gerechtfertigt sein kann.319 Schließlich muss die Betreibergesellschaft hinsichtlich der reibungslosen Fortführung des Cash Poolings im Interesse der anderen Poolgesellschaften auf die das System beeinträchtigenden wirtschaftlichen Verschlechterungen der Poolgesellschaften zeitgemäß reagieren können. Insofern muss die betreffende Poolgesellschaft ggf. aus dem Cash Pool ausgeschlossen werden.320 c) Kündigung durch die Poolgesellschaften Hinsichtlich der rechtzeitigen Vermeidung der negativen Effekte des Cash Pooling-Verfahrens ist das außerordentliche Kündigungsrecht für die Poolgesellschaften von größerer Bedeutung. Denn eine Krise der Betreibergesellschaft, die über sämtliche Mittel von Poolgesellschaften verfügt, und das Versagen des Verfahrens könnten schlimme Folgen für die Poolgesellschaften haben. Ein sofortiger Ausstieg aus dem Cash Pool kann eine gesunde Poolgesellschaft vor dem sog. Domino-Effekt und damit auch vor einer eventuellen Existenzvernichtung bewahren. Die entscheidende Frage ist hier, wann sich die Betreibergesellschaft in einer Krise befindet. Auch hier kann man von oben erwähnten Prinzipien ausgehen. Wenn die Betreibergesellschaft überschuldet ist oder sich ihre wirtschaftliche Lage derart verschlechtert, dass sie Zahlungsschwierigkeiten hat und die Rückzahlung der bisher übertragenen Mittel daher gefährdet ist, ist anzunehmen, dass die Betreibergesellschaft in eine Krise geraten ist und aus Sicht der Poolgesellschaften ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt.321 Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob die Schieflage bzw. Krise einer Schwesterpoolgesellschaft als ein Kündigungsgrund für die anderen Poolgesellschaften in Betracht kommt. Da das Darlehensverhältnis nur zwischen den einzelnen Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft besteht und zwischen den Poolgesellschaften kein direktes Darlehensverhältnis gegeben ist, ist diese Frage m. E. grundsätzlich zu verneinen. In einem Cash Pooling-System ist die Betreibergesellschaft der einzige Anspruchsgegner des Rückzahlungsanspruchs einzelner Poolgesellschaften. Es kommt hinsichtlich des Kündigungsrechts aufgrund der Vermögensverschlechterung lediglich auf die Solvenz der Betreibergesellschaft an. Allerdings darf man hier die strukturbedingte Anfälligkeit der Bonität der Betreibergesellschaft in Cash Pooling-Konstellationen nicht unbeachtet lassen. Da die Betreibergesellschaft üblicherweise kein eigenes Vermögen hat und deren wirtschaftliche Lage unmittelbar von der wirtschaftlichen Entwicklung der Poolgesellschaften abhängig ist, kommt der wirtschaftlichen Situation der (Schwester-) 319 320 321

Vgl. Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 43 f. Vgl. Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 43. Hentzen, ZGR 2005, S. 502; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 44.

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Poolgesellschaften im Hinblick auf die Solvenz der Betreibergesellschaft eine große Bedeutung zu. Die Krise einer Schwesterpoolgesellschaft könnte nämlich u. U. die Finanzlage der Betreibergesellschaft sehr stark beeinflussen, sodass deren Schieflage für die anderen Poolgesellschaften eine existenzielle Bedrohung darstellen könnte. d) Kündigung durch das Kreditinstitut Da es sich bei dem externen Cash Pooling-Rahmenvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, kann das Kreditinstitut den Vertrag außerordentlich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Erklärung gegenüber den jeweiligen Vertragspartnern (der Betreibergesellschaft und ggf. einzelner Poolgesellschaften) kündigen.322 Die Insolvenz oder die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Betreibergesellschaft bzw. einer Poolgesellschaft kann als ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung angesehen werden. Das Kreditinstitut kann den Vertrag gegenüber aller Vertragsparteien oder ggf. nur auf eine Poolgesellschaft beschränkt kündigen. 3. Rechtsfolgen der Kündigung Im Falle der Kündigung des Vertrags durch eine Poolgesellschaft scheidet diese aus dem Cash Pooling-Verfahren aus und die beiden Verträge bzw. die Saldenzusammenführung werden grundsätzlich unter den übrigen Vertragspartnern unverändert fortgeführt.323 Die gesamtschuldnerische Haftung der ausgeschiedenen Gesellschaft für einen Debetsaldo auf dem Zielkonto besteht auch nach Wirksamwerden der Kündigung fort, welche jedoch nur auf die Sollsalden bzw. den Kreditbetrag zu dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung einschließlich darauf entfallender Zinsen und Kosten beschränkt ist.324 Bei der Kündigung durch die Betreibergesellschaft oder durch das Kreditinstitut ist eine Unterscheidung danach vorzunehmen, ob der Vertrag generell gekündigt wird oder lediglich eine Einzelkündigung einer Poolgesellschaft stattfindet. Bei der Kündigung des Vertrags gegenüber einer Poolgesellschaft durch die Betreibergesellschaft oder die Bank gelten die vorstehenden Folgen, d. h. der Vertrag besteht für die übrig gebliebenen Poolgesellschaften unverändert fort. Werden die Verträge seitens der Betreibergesell322 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 37; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 41. 323 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 40 f.; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 37. Es kann jedoch vorkommen, dass die Beteiligten im Rahmenvertrag andere Klauseln bezüglich des Fortgehens des Vertrags bei der Kündigung einer Poolgesellschaft vereinbart haben. Es könnte z. B. vereinbart werden, dass die Kündigung einer Poolgesellschaft, deren Teilnahme am Pooling wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung ist, ein Grund zur Kündigung des Vertrags durch die anderen Poolgesellschaften darstellt. 324 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 41.

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schaft oder des Kreditinstituts allgemein gekündigt, werden die Verträge und damit die Saldenzusammenführung insgesamt für alle Vertragspartner beendet.325

B. Rechtsgrundlage der konzerninternen Zahlungsströme Über die Rechtsnatur der konzerninternen Zahlungsströme wurde in der deutschen Literatur eine zeitlang diskutiert. Nach herrschender Meinung in Deutschland sind diese Zahlungsströme als Gelddarlehen i.S.v. § 488 Abs. 1 BGB einzustufen, während einigen Autoren zufolge diese als unregelmäßige Verwahrung oder als Vertrag sui generis einzuordnen sind. Im türkischen Recht wurde jedoch die Problematik bisher weder gründlich aufgegriffen noch ausführlich diskutiert, aber es geht aus einigen steuerrechtlichen Aufsätzen und der Bankpraxis326 hervor, dass in der Türkei – ohne eine ausdrückliche Begründung – direkt davon ausgegangen wird, dass es sich bei den Zahlungsströmen im Cash Pooling um Darlehen handelt. I. Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag Im deutschen Schrifttum wird teilweise argumentiert, dass es sich bei der Rechtsgrundlage der Zahlungsströme im Cash Pooling um einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag (§ 700 Abs. 1 BGB) handelt.327 Diese Ansicht wird damit begründet, dass im zentralistisch finanzierten Konzern die Rückzahlungsverpflichtung aufgrund der Disposition des Cash Pool-Führers jederzeit fällig sein könne und dieses jederzeitige Verfügungsrecht gerade das wesensbestimmende Merkmal der unregelmäßigen Verwahrung (§ 700 Abs. 1, S. 3 i.V.m. § 695 BGB) sei. Die jederzeitige Verfügungsmöglichkeit der Kontoinhaber über ihr Guthaben sei auch eine Voraussetzung für die Zusammenfassung der Geldmittel im Cash Pool, was die Annahme rechtfertige, dass beim Cash Pooling-Verhältnis ein unregelmäßiger Verwahrungsvertrag bestehe. Beim Darlehen trete hingegen die Rückzahlungsverpflichtung ohne andere Abrede erst zu einem vereinbarten Zeitpunkt oder nach der gesetzlichen dreimonatigen Kündigungsfrist gemäß § 488 Abs. 3, S. 2 BGB ein, was grundsätzlich dem Grundgedanken des Cash Pooling zuwiderlaufe. Kritik der Ansicht: Diese Ansicht wird von einer überwiegenden Mehrheit der Autoren mit dem Hinweis abgelehnt, dass dem Cash Pooling wie beim Verwahrungsvertrag ein Interesse des Hinterlegers an einer sicheren Verwahrung nicht innewohne, sondern im Gegensatz beim Cash Pooling die Zahlungen einzelner Gesellschaften an die Betreibergesellschaft eher dem Interesse des Cash Pool-Führers 325

Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 64. Diese Information basiert auf Auskünfte, die dem Verfasser von einigen Banken zur Verfügung gestellt werden. 327 Ulmer, ZHR 169 (2005), S. 4 f.; Schäfer, GmbHR 2005, S. 135 f.; Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 55. 326

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an der günstigen Konzernfinanzierung dienten.328 Das Cash Pooling sei nämlich eher finanzwirtschaftlich motiviert und eine sichere Aufbewahrung der Gelder spiele bei Finanzierungsvorgängen im Konzern keine Rolle.329 Es gehe hier eher um die Maximierung der finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen330 bzw. um die kurz- oder mittelfristige Bereitstellung von Liquidität sowie um die Erfüllung oder Verrechnung von Verbindlichkeiten.331 Dabei profitierten zwar auch die einzelnen Gesellschaften von diesem Verfahren, aber der eigentliche Interessenschwerpunkt liege beim Cash Pool Führer.332 Das gelte auch im umgekehrten Fall der Ausreichungen der Gelder vom Cash Pool Führer an die einzelnen Konzerngesellschaften, weil auch hier eine konzernexterne Kreditaufnahme unterbleiben könne.333 Außerdem sei das Darlehensrecht dispositiv und dreimonatige Kündigungsfrist könne zwischen den Parteien verkürzt bzw. völlig aufgehoben werden. So würde dann die Kündigung durch das Rückforderungserlangen konkludent erfolgen.334

II. Vertrag sui generis In der deutschen Literatur wendete sich Hommelhoff lange Zeit gegen die Einordnung der konzerninternen Zahlungsströme als Darlehen und plädierte dafür, konzerninterne Zahlungsströme im Rahmen von Cash Pooling als Verträge sui generis zu klassifizieren.335 Seiner Meinung nach seien die den Konzernunternehmen zugeführten Mittel nicht zur wirtschaftlichen Verwertung und Nutzung auf Zeit überlassen, sondern würden sie zur Deckung des aktuellen Liquiditätsbedarfs der Konzernunternehmen dienen. Damit seien sie nicht zur artgleichen Rückerstattung bestimmt. An die Konzernmutter bzw. an die Betreibergesellschaft zurückfließende Gelder würden nicht der Darlehenstilgung dienen, sondern es handele sich hier um rechtlich eigenständige Mittel, die vom rückzahlenden Konzernunternehmen nicht oder an anderer Stelle des Konzerns dringender benötigt würden. Deswegen handele 328 Hommelhoff, WM 1984, S. 1106; Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 43; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 132; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 32; Priester, ZIP 2006, S. 1557; Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 646; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 16; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 47. 329 Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 32; Priester, ZIP 2006, S. 1557; Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 646; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 16; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 47. 330 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 49. 331 Schilmar, DStR 2006, S. 569; Zeidler, Zentrales Cashmanagement, S. 11, der zudem als Zweck der Kapitalverlagerung auch die Mittelverwendung für Investitionen erwähnt. 332 Langner, GmbHR 2005, S. 1019; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 55; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 51. 333 Hangebrauck, Cash Pooling, S. 55. 334 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 43. 335 Hommelhoff, WM 1984, S. 1106; ihm folgend Blöse, GmbHR 2002, S. 675; ders., GmbHR 2006, S. 147; wohl auch Becker, DStR 1998, S. 1531.

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es sich dabei vielmehr um die organisationsrechtlichen Vorgaben der Konzernspitze und in diesem Zusammenhang begründet nach ihm jeder Zahlungsstrom realvertraglich336 eine eigene Forderung (§§ 241, 305 a.F. BGB; heute §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB) und diese Forderungen würden schlussendlich nicht getilgt, sondern miteinander verrechnet.337 Kritik der Ansicht: Erstens wird entgegen dieser Ansicht die Behauptung aufgestellt, dass die Disposition von Geldern im zentralistisch finanzierten Konzern zwar nicht der üblichen Vorstellung der Darlehensverträgen, wie sie z. B. zwischen Banken und ihren Kunden sind, entspreche, aber dies nicht verhindere, dass die Zahlungsströme im Cash Pooling als Darlehen angesehen werden.338 Der Zweck der zugewiesenen Gelder, der sich nach Hommelhoff339 nicht in der wirtschaftlichen Verwertung und Nutzung des Geldes, sondern in der Deckung des aktuellen Bedarfs der Konzernunternehmen erschöpft, spiele bei der Festlegung der Rechtsgrundlage konzerninterner Zahlungsströme keine Rolle und dass die konkrete Zielbestimmung durch die Konzernspitze vorgenommen wird, stehe hierbei der Annahme eines Darlehensvertrags nicht entgegen.340 Der mit dem Darlehen zu erreichende wirtschaftliche Zweck sei nämlich für die rechtliche Einordnung belanglos.341 Außerdem bestehe kein Hinderungsgrund, die Rückzahlung als Tilgung anzusehen, wenn auch mit dem zurückgezahlten Geld wirtschaftliche Ziele verfolgt werden.342 Dass dieser Zweck einer Tilgung nicht entgegensteht, wird in der Literatur auch damit bekräftigt, dass nach der herrschenden Theorie der realen Leistungsbewirkung ein subjektives Element nicht erforderlich sei und zum Bewirken der Erfüllung das alleinige Herbeiführen des Leistungserfolgs ausreichend sei.343 Außerdem wird argumentiert, dass infolge der Zahlungsbewegungen bei der liquiditätsabführenden Gesellschaft Forderungen und Zinserträge und bei der empfangenen Gesellschaft Verbindlichkeiten und Zinsaufwendungen entstünden. Ein Ausgleich der Konten sei folglich als 336 Seit der Schuldrechtsreform 2002 („Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“, BGBI I 3138) kennt das geltende deutsche Schuldrecht allerdings nicht mehr Realvertrag, bei dem zur Einigung die Sachhingabe hinzutreten muss, Palandt/Grüneberg, Überbl v § 311 Rn. 3. 337 Hommelhoff, WM 1984, S. 1106. 338 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 43; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 32. Eichholz begründet die Abweichung konzerninterner Zahlungsströmen von einem herkömmlichen Darlehensvertrag damit, dass das Kapital nicht von außen dem Konzern zugeführt wird, während nach Faßbender die Abweichung darin besteht, dass die Ausreichung des Geldes nicht auf einer einzelvertraglichen Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner beruht. 339 Hommelhoff, WM 1984, S. 1106. 340 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 42 f.; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 33; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 129. 341 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 42 f.; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 33. 342 Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 42. 343 Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 50; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 33; Palandt/Grüneberg, § 362, Rn. 1 f.

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Rückerstattung zuvor empfangener Gelder und als Darlehenstilgung anzusehen, weil anderenfalls die Zahlungen, je nach dem an welche Stelle im Konzern sie geleitet würden, wohl als steuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttung oder verdeckte Einlage zu werten wären.344 III. Darlehen Die Zahlungsströme im Rahmen von Cash Pooling werden im deutschen Recht sowohl von der überwiegenden Mehrheit von Autoren345 als auch von der Rechtsprechung346 als Gelddarlehen i.S.v. § 488 Abs.1 BGB eingestuft. In einem Darlehensverhätnis sei die Übertragung des Eigentums am überlassenen Geld zur wirtschaftlichen Verwertung und Nutzung auf Zeit wesensbestimmend. Demnach stelle auch beim Cash Pooling sowohl die Hingabe von Geldern durch Konzerngesellschaften an die Betreibergesellschaft als auch die Ausreichung von Geldern aus dem Cash Pool an liquiditätsbedürftige Konzerngesellschaften eine solche Überlassung zur wirtschaftlichen Verwertung und Nutzung auf Zeit dar. In der Türkei wurde jedoch die Frage der Rechtsgrundlage der Zahlungsströme im Cash Pooling bisher weder zur Diskussion gestellt noch eindeutig beantwortet. Dass eine diesbezügliche Auseinandersetzung fehlt, liegt wohl daran, dass das Cash Pooling in der Türkei eine relativ neue Anwendung ist. Es geht allerdings aus manchen steuerrechtlichen Aufsätzen und der Bankpraxis hervor, dass in der Türkei – ohne eine ausdrückliche Begründung – direkt davon ausgegangen wird, dass es sich bei den Zahlungsströmen im Cash Pooling um Darlehen i.S.v. Art. 389 tOR handelt. Das Darlehensrecht wird im türkischen Obligationenrecht in den Artikeln 386 bis 392 tOR geregelt. Anders als bei der deutschen Struktur des Darlehensrechts, wobei der „Darlehensvertrag“ (§§ 488 ff. BGB) und „Sachdarlehensvertrag“ (§§ 607 ff. 344

Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 42 f. Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 24.11 f.; Christians/Reintges, Finanzierungshandbuch, S. 675; Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 235; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 38; Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 133; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 100; Zeidler, Zentrales Cashmanagement, S. 11; Ammelung/Kaeser, DStR 2003, S. 659; Rittscher, Cash-Management-Systeme, S. 31; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 48 ff.; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 17 f.; Joost, in: VGR 11, 2006, S. 33; U. H. Schneider, in: FS Döllerer, S. 438; Sieger/Hesselbach, BB 1999, S. 645 f.; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 32 ff.; Morsch, NZG 2003, S. 100; Henze, WM 2005, S. 717; Altmeppen, ZIP 2006, S. 1028 f.; Priester, ZIP 2006, S. 1557; Pentz, ZIP 2006, S. 782; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 450; Burgard, AG 2006, S. 532 ff.; Böcker, ZGR 2006, S. 213 ff.; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 52 ff. m.w.N.; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 46 ff. m.w.N. 346 BGHZ 166, 8, Rn. 12, „Cash Pool-I“. Auch der 5. Strafsenat des BGH äußerte sich in seiner zum „Bremer Vulkan“ ergangenen Entscheidung dahingehend, dass die Einbeziehung von Vermögenswerten in ein Cash-Pooling-System „materiell die Gewährung eines Darlehens“ bedeute, BGH, 13. 05. 2004 – 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, Rn. 160. 345

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BGB) getrennt unter verschiedenen Titeln geregelt werden, werden das Gelddarlehen und das Sachdarlehen im türkischen Rechtssystem gemeinsam unter denselben Artikeln gefasst und so den selben Regelungen untergeordnet. Mit der jetzigen Art und Weise der Strukturierung des Geld- und Sachdarlehensrechts entspricht die türkische Systematik der vor dem SchuldRModG geltenden deutschen Systematik. Denn auch im deutschen BGB befanden sich die Regelungen zum Geld- und Sachdarlehensrecht vorher gemeinsam in den §§ 607 ff. a.F BGB. Die äußere Struktur dieser Regelungen zum Darlehensrechts im BGB wurde erst durch das SchuldRModG347 zum 1. Januar 2002 umgestaltet und dabei wurden das Gelddarlehensrecht (§§ 488 ff. BGB) und das Sachdarlehensrecht (§§ 607 ff. BGB) unter separaten Titeln geregelt.348 Nach dem Art. 389 tOR, in dem das Geld- und Sachdarlehen grundsätzlich geregelt ist, heißt es „Durch den Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer gegenüber zur Übertragung des Eigentums einer Summe Geldes oder einer vertretbaren Sache, der Darlehensnehmer verpflichtet sich dagegen zur Rückerstattung von Sachen in gleicher Art, Güte und Menge“. Auch wenn es aus dem Gesetzestext nicht hervorgeht, erhält der Darlehensnehmer durch die Überlassung der Darlehenssumme eine zeitlich begrenzte Nutzungsbefugnis über einen wirtschaftlichen Kapitalwert.349 Dieser Vertragszweck ist – ähnlich wie im deutschen Recht – auch im türkischen Recht für den Begriff des Darlehens wesentlich und begrenzt das Darlehen grundsätzlich vom unregelmäßigen Verwahrungsvertrag ab (Art. 570 tOR), wobei der Vertragszweck im Aufbewahrungsinteresse des Hinterlegers besteht.350 Da auch bei den Zahlungsströmen im Cash Pooling der Verbrauchs- bzw. Nutzungszweck im Vordergrund steht, ist dieses Verhältnis auch aus Sicht des türkischen Rechts als Darlehen einzustufen. IV. Stellungnahme In manchen Punkten weichen konzerninterne Zahlungsströme ausdrücklich von den klassischen Merkmalen des herkömmlichen Darlehens sowohl aus Sicht des deutschen Rechts (§ 488 Abs. 1 BGB) als auch aus Sicht des türkischen Rechts (Art. 389 tOR) ab. Anders als das klassische Darlehen beruhen vor allem die Kapitalbewegungen im Cash Pooling nicht auf einzelnen Vereinbarungen zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner, sondern erfolgen hierbei die Liquiditätsbewegungen zwischen den Unterkonten und dem Zielkonto gegenseitig und automatisch, 347

„Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“, vom 20. 11. 2001, BGBI I 3138. HKK-BGB/Schäfer, §§ 488 – 512, Rn. 55. 349 ¨ zel Borç I˙lis¸kileri, S. 298 ff. Da die Regelungen zum Darlehen im türkiTandog˘ an, O schen Recht fast komplett vom Schweizerischen Obligationenrecht übernommen wurden, siehe dazu auch: BSK OR I/Schärer/Maurenbrecher, § 312, Rn. 3a.; CHK/Schöneberger, Art. 312, § Rn. 3. 350 ¨ zel Borç I˙lis¸kileri, S. 328 ff. m.w.N.; auch s. CHK/Schöneberger, Art. 312, Tandog˘ an, O § Rn. 3. 348

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ohne dass jeweils ein ausdrücklicher Darlehensvertrag abgeschlossen wird. Da es sich hier um die Zahlungsströme handelt, die ständig, automatisch und kontokorrentmäßig erfolgen, ist die Frage, wer der Gläubiger bzw. Schuldner ist, erst danach zu beantworten, ob das Unterkonto der jeweiligen beteiligten Poolgesellschaft einen Soll- oder Habensaldo aufweist.351 So ist beim Cash Pooling im Gegensatz zum klassischen Darlehen nicht von vornherein bestimmt, welche Gesellschaft die Darlehensgeberin bzw. Darlehensnehmerin ist. Auch wenn die Zu- und Abflüsse im Cash Pooling aus erwähnten Gründen nicht vollkommen den üblichen Vorstellungen von Darlehensverhältnissen entsprechen, besteht zwischen diesen Vorgängen ein ausschlaggebender Berührungspunkt, weil in beiden Fällen im Prinzip eine Liquiditätsübertragung zur wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung auf Zeit erfolgt.352 Gerade aufgrund dieser Gemeinsamkeit erscheint die Klassifizierung der Liquiditätsströme als Darlehen aus Sicht beider Rechtssysteme naheliegend. Es ist allerdings an dieser Stelle hervorzuheben, dass der Feststellung Hommelhoffs353 auch insoweit zuzustimmen ist, dass sich die Zahlungsströme aus den organisationsrechtlichen Vorgaben der Konzernspitze ergeben und die zugewiesenen Mittel zur Deckung des aktuellen Liquiditätsbedarfs der Konzernunternehmen dienen. Wie bereits dargestellt, ist der Hauptzweck der Implementierung eines Cash Pooling-Systems die Beschaffung eines optimalen Liquiditätsmanagements innerhalb des Konzerns, indem die Überschüsse und die Bedürfnisse teilnehmender Poolgesellschaften an Liquidität optimal koordiniert werden und somit die Liquiditätsdefizite der Poolgesellschaften durch den Cash Pool gedeckt werden. Dieser übergeordnete konzernbezogene Zweck bringt das Erfordernis mit sich, an einer Stelle unbenötigte Mittel einer anderen Stelle zuzuweisen, damit diese, sei es die Betreibergesellschaft oder seien es Poolgesellschaften, von diesem Geld eine zeitlang wirtschaftlich Gebrauch machen können. D. h. die organisationsrechtlichen Vorgaben der Konzernspitze spielen bei der Darlehensgebung eine zusätzliche Rolle. Durch die Darlehensvergabe verwirklicht sich die Umsetzung dieser Vorgaben. Von daher stehen weder die konzernbezogenen organisationsrechtlichen Zielsetzungen der Konzernspitze der Qualifizierung dieser Zahlungsbewegungen als Darlehen entgegen, noch schließen die Mittelzuweisungen, die zum Zweck der Deckung des Liquiditätsbedarfs der Konzerngesellschaften erfolgen, einen Darlehenszweck aus. Ganz im Gegenteil: Mittelzuweisung zur Deckung des Liquiditätsbedarfs einer Konzerngesellschaft schließt zugleich einen Darlehenszweck im Sinne von Geldübertragung zur wirtschaftlichen Nutzung auf Zeit mit

351

Müller-Bullinger, Rechtsfragen des Cash Management, S. 132 f.; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 32. 352 Vgl. Eichholz, Das Recht konzerninterner Darlehen, S. 42; Faßbender, Cash Pooling und Kapitalersatzrecht, S. 32 f.; a.A. Hommelhoff, WM 1984, S. 1106. 353 Hommelhoff, WM 1984, S. 1106.

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Kap. 1: Allgemeine Informationen zum Cash Pooling

ein.354 Das gleiche Prinzip gilt auch für die Geldabflüsse, die von den beteiligten Konzernunternehmen an die Betreibergesellschaft erfolgen. Aufgrund der Tatsache, dass die Poolgesellschaften rechtlich immer noch selbständig sind, obwohl sie in der Praxis de facto den organisationsrechtlichen Bestimmungen der Konzernmutter unterworfen sind, ist es notwendig, dass die Umsetzung der konzernbezogenen Zielsetzungen wie Verträge zwischen rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Dritten behandelt und bewertet wird.355 Konzernbezogene organisatorische Zielsetzungen der Konzernmutter und deren Umsetzung ereignen sich nämlich auf unterschiedlichen Ebenen. Sie müssen unabhängig von einander bewertet werden.356 Ferner wäre die Bewertung der Zahlungsströme zwischen den Unterkonten der Poolgesellschaften und dem Zielkonto als bloße Folgen organisatorischer Vorgaben der Konzernspitze aus gesellschafts- und haftungsrechtlichen Gründen nicht nachvollziehbar. Die Rechtsgrundlage der Zahlungsströme als Vertrag sui generis zu qualifizieren würde in der Folge keinen großen Unterschied ausmachen, weil sich die meisten atypischen Verträge auf die geregelten Vertragstypen zurückführen lassen und in diesem Fall würde wahrscheinlich ohnehin die Regelungen des Darlehens Anwendung finden.357 Die Einordnung der Zahlungsströme im Cash Pooling als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag wäre ebenfalls nicht zutreffend, da – wie schon dargestellt – der Vertragszweck beim Cash Pooling nicht die sichere Aufbewahrung, sondern die Überlassung der Gelder zur wirtschaftlichen Nutzung auf Zeit ist. Dies stellt das wesentliche Merkmal des Darlehens dar. Außerdem würde die Klassifizierung der Zahlungsströme als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag – genauso wie bei Vertrag sui generis – keinen praktischen Unterschied machen, weil gemäß § 700 Abs. 1, S. 1 und 2 BGB die Vorschriften über Darlehensvertrag anzuwenden ist, wenn die hinterlegte Sache Geld ist.

354

Vgl. Schilmar, DStR 2006, S. 572; ihm folgend Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 49. 355 Siehe auch Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 49; vgl. Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.12. 356 Schneider, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, Rn. 25.12. 357 Vgl. Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 50 f.

Kapitel 2

Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung § 1 Einführung Bei Cash Pool-Konstellationen kann es vor gesellschaftsrechtlichem Hintergrund zu Konflikten mit dem Kapitalerhaltungsgebot kommen. Da bei einem Cash PoolingVerfahren die beteiligten Poolgesellschaften ihre überschüssige Liquidität ständig an das Zentralkonto abführen, über das die Konzernmutter verfügungsberechtigt ist, birgt das Cash Pooling das Gefahrenpotenzial, dass das Kapital der Poolgesellschaften zugunsten der Konzernmutter bzw. des gesamten Konzerns beeinträchtigt und somit gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstoßen wird. In diesem Kapitel wird daher die Zulässigkeit der konzernintern-aufsteigenden Darlehensgewährungen (upstream-loans) i.R.d. Cash Pooling bei faktischen GmbH- und AG-Konzernen unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung behandelt. Im deutschen Konzernecht muss die Zulässigkeit des Cash Pooling unter dem Gesichtspunkt von Kapitalerhaltung für das AG- und GmbH-Recht getrennt thematisiert werden. Denn anders als im Aktienrecht existiert für die faktisch abhängige GmbH im deutschen Rechtssystem kein geschriebenes Konzernrecht. Das deutsche Aktienrecht liefert mit den §§ 311 ff. AktG ein spezielles Regelungssystem (nur) für faktisch abhängige AG (und KGaA). Die analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG auf die GmbH wird insbesondere aufgrund der Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH von der Rechtsprechung und der Literatur abgelehnt.1 Daher kommen in der faktisch abhängigen GmbH im Bezug auf die Kapitalerhaltung die allgemeinen Regeln der §§ 30, 31 GmbHG uneingeschränkt zur Anwendung, während bei der faktisch abhängigen AG die speziellen Regelungen der §§ 311 AktG einschlägig sind. Dementsprechend werden im ersten Schritt Grundlagen und Funktionsweise der Kapitalerhaltung im GmbH-Konzernrecht untersucht (in § 2), danach wird auf die Rechtslage im AG-Konzernrecht eingegangen (in § 3).

1 BGHZ 149, 10, Rn. 16, „Bremer Vulkan“; BGHZ 95, 330, Rn. 340, „Autokran“; MünchKomm-AktG/Altmeppen, Vor § 311, Rn. 81; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 53; Spindler/Stilz/ Müller, Vor §§ 311 – 318, Rn. 21; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 11; K. Schmidt, GesR, § 39 III 2 c; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 287; Ulmer, ZHR 148 (1984), S. 411 ff.; Habersack, ZGR 2009, S. 360; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, Anh. § 318, Rn. 6, jeweils m.w.N.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Im türkischen Recht hingegen wird das gesamte Konzernrecht auf Grundlage der „Handelsgesellschaften“ abgestellt (Art. 195 Abs. 4 S. 1 tHGB),2 sodass die konzernrechtlichen Sonderregelungen (Art. 195 – 209 tHGB) ohne Differenzierung hinsichtlich der Rechtsform des abhängigen Konzernmitglieds Anwendung finden.3 Nach dem türkischen Konzept gelten mithin die speziellen konzernrechtlichen Regelungen zur faktischen Konzernierung nicht nur dann, wenn die abhängige Gesellschaft eine AG ist, sondern auch, wenn die abhängige Gesellschaft eine GmbH ist. Deswegen erfordert die Zulässigkeitsproblematik der konzernintern aufsteigenden Darlehensgewährungen i.R.d. Cash Pooling aus Sicht des türkischen Rechts – im Gegensatz zum deutschen Recht – keine getrennte Darlegung zwischen der GmbH und der AG (in § 4). Im deutschen Recht

§ 2 Im faktischen GmbH-Konzern A. Kapitalerhaltung in GmbH, § 30 GmbHG § 30 GmbHG fungiert als die zentrale Kapitalschutznorm bzw. Gläubigerschutzbestimmung des GmbH-Rechts4 und gilt damit als „Kernstück des GmbHRechts“5. Der Abs. 1 S. 1 verbietet die Auszahlung des zur Erhaltung des „Stammkapitals“ erforderlichen Vermögens an die Gesellschafter. Damit wird hauptsächlich der Schutz der Gesellschaftsgläubiger bezweckt.6 Das Privileg des Ausschlusses der persönlichen Haftung der Gesellschafter für die Gesellschafts2

Art. 195 Abs. 4 S. 1 tHGB: „Die von der herrschenden Handelsgesellschaft mittelbar oder unmittelbar abhängigen Handelsgesellschaften bilden mit der herrschenden Handelsgesellschaft eine Gesellschaftsgruppe.“ 3 Nach Art. 124 Abs. 1 des tHGB gelten im türkischen Gesellschaftsrecht die Folgenden als Handelsgesellschaften: „Kollektif S¸irket“ (Kollektivgesellschaft), „Komandit S¸irket“ (KG), „Anonim S¸irket“ (AG), „Limited S¸irket“ (GmbH), „Sermayesi Paylara Bölünmüs¸ Komandit S¸irket“ (KGaA) und „Kooperatif“ (Genossenschaft). 4 MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 1; Fleck, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 391; Scholz/Verse, § 30, Rn. 1; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 1; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 1, m.w.N. 5 MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 1 m.w.N.; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 1: „Eckpfeiler des GmbH-Rechts“. 6 Scholz/Verse, § 30, Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 1; Bayer, ZGR 2007, S. 228; Zahrte, Cash Pooling, S. 88 ff.; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 3 m.w.N. Vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 3; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 16; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 7, denen zufolge damit auch der Schutz der Gesellschafter und der Gesellschaft selbst bezweckt wird. Vgl. Scholz/Verse, § 30, Rn. 3, wonach die Gesellschafter und die Gesellschaft selbst eher reflexartig geschützt würden. Vgl. GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 3, welcher zur letztgenannten Aussage nur für den Schutz der Gesellschaft zustimmt.

§ 2 Im faktischen GmbH-Konzern

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verbindlichkeiten (sog. „Trennungsprinzip“) setzt nämlich sinngemäß voraus, dass das einmal aufgebrachte Stammkapital – in erster Linie – zugunsten der Gläubiger als Befriedigungsreserve erhalten wird.7 Dementsprechend verpflichtet das Gesetz die Gesellschafter dazu, das zur rechnerischen Abdeckung der Stammkapitalziffer benötigte Vermögen der Gesellschaft nicht zurückzufordern.8 Damit stellt das Kapitalerhaltungsgebot von § 30 GmbHG ein Korrelat für die fehlende persönliche Haftung der Gesellschafter dar.9 Durch das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG wird das Vermögen der Gesellschaft nur in Höhe der Stammkapitalziffer geschützt.10 Demnach liegt eine Auszahlung i.S.d. § 30 GmbHG vor, wenn durch die Auszahlung das nach Bilanzierungsgrundsätzen zu ermittelnde Gesellschaftsvermögen wertmäßig unter den Betrag des Stammkapitals sinkt und damit eine Unterbilanz entsteht oder eine bereits vorliegende Unterbilanz noch vertieft wird.11 Eine Auszahlung, die aus dem die Stammkapitalziffer übersteigenden Vermögen erfolgt, fällt demgemäß nicht unter den Anwendungs- bzw. Schutzbereich des § 30 GmbHG und stellt keine verbotene Auszahlung in diesem Sinne dar.12 Dadurch unterscheidet sich das GmbH-Recht vom Aktienrecht, in dem nicht nur der zur Deckung des Grundkapitals erforderliche Teil, sondern das gesamte Gesellschaftsvermögen geschützt wird („Vermögensbindung“).13 Es gilt für das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG als ungeschriebene Voraussetzung, dass die Leistung der GmbH an den Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses (causa societatis) erfolgt und nicht im Rahmen einer Drittbeziehung, bei der sich Gesellschaft und Gesellschafter wie unabhängige Geschäftspartner gegenüber stehen.14 Demnach muss zwischen Gesellschaftergeschäften und Drittgeschäften unterschieden werden. § 30 Abs. 1 GmbHG verbietet auch bei Unterbilanz die Geschäfte mit Gesellschaftern nicht per se, sofern sie durch

7 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 4 f.; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 2, jeweils m.w.N. 8 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 2. 9 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 2; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 1. 10 BGHZ 136, 125, Rn. 127; Scholz/Verse, § 30, Rn. 52; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 25; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 1; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 8 f. 11 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 25; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 9; Scholz/Verse, § 30, Rn. 52; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 19; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Pentz, § 30, Rn. 5; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 21. 12 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 25, 29; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 1; Roth/ Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 9. 13 Ausführlich zur umfassenden Vermögensbindung bei der AG s. Kapitel 2, § 3, A., I. 14 BGHZ 13, 49, Rn. 54; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 29; Rowedder/SchmidtLeithoff/Pentz, § 30, Rn. 5; Scholz/Verse, § 30, Rn. 30 m.w.N.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

betriebliche Gründe gerechtfertigt sind, also in gleicher Weise zu gleichen Konditionen auch mit Dritten abgeschlossen worden wären.15 Im Übrigen ist zwar nach dem Wortlaut des § 30 GmbHG der Adressat des Auszahlungsverbots grundsätzlich „Gesellschafter“, aber mit Rücksicht auf die Umgehungsgefahr der Norm wird ganz überwiegend angenommen, dass sich das Auszahlungsverbot unter bestimmten Voraussetzungen auch auf die Leistungen an Dritte erstrecken soll.16 In diesem Zusammenhang wird allgemein gefordert, dass die Leistung an Dritte wegen deren persönlicher bzw. wirtschaftlicher „Nähe“ zum Gesellschafter diesem zugute kommt und ihm damit als Auszahlung zugerechnet werden muss.17 Denn der Grundsatz der Kapitalerhaltung aus § 30 Abs. 1 GmbHG kann auch bei der Auszahlung an Dritte verletzt werden, wenn diesem aus dem gebundenen Stammkapital der Gesellschaft Geld ausgezahlt wird, aber die Leistung in der Tat dem Gesellschafter zugute kommt.18 Im Zusammenhang mit konzerninternen Zahlungen wird in der Literatur und in der Rechtsprechung angenommen, dass auch die Zahlungen an konzernverbundene Unternehmen i.S.d. §§ 15 ff. AktG unter das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG fallen, wenn der Gesellschafter auch an der Nehmer-Gesellschaft beteiligt ist und Einfluss auf die Geschäftsleitung ausüben kann.19 Deswegen macht es im hier betrachteten Fall, also beim Cash Pooling hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 30 Abs. 1 GmbHG, keinen Unterschied, ob die Zahlung direkt an den Gesellschafter selbst (die Muttergesellschaft) oder an die Betreibergesellschaft erfolgt. Denn die das Cash Pooling durchführende Betreibergesellschaft wird üblicherweise mit dem Zweck von der Muttergesellschaft gegründet, das Cash Pooling an ihrer Stelle auszuführen. Als solche steht sie unter dem Einfluss der Muttergesellschaft. Es ist also gerechtfertigt, die Zahlungen an die Betreibergesellschaft dem Gesellschafter (der Muttergesellschaft) zuzurechnen.20 Außerdem wird der Begriff der „Auszahlung“ von § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG im Interesse der Kapitalerhaltung eher weit ausgelegt, sodass die Leistungen aller Art, die wirtschaftlich das Gesellschaftsvermögen verringern, eine Auszahlung in diesem

15

Rn. 5.

Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 29; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 30,

16 Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 21; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 171; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 24 ff.; a.A. Fleck, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 406 f. 17 Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 22; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 24; Altmeppen, in: FS für Kropff, S. 641 ff. 18 MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 109; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 24; Scholz/ Verse, § 30, Rn. 44 ff.; ausführlich GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 71 ff.; Zahrte, Cash Pooling, S. 93 m.w.N. 19 BGHZ 107, 7, Rn. 10 f.; BGHZ 105, 168, Rn. 175; BGHZ 81, 311, Rn. 315; Baumbach/ Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 24. 20 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 2, G., III.

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Sinne darstellen können.21 So wird die i.R.d. Cash Pooling-Verfahren erfolgende Liquiditätszufuhr auf das Zentralkonto grundsätzlich als ein Anwendungsfall des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG eingeschätzt.22

B. Rechtsentwicklung bezüglich der Zulässigkeit der aufsteigenden Darlehen bis MoMiG In der kapitalerhaltungsrechtlichen Geschichte des GmbH-Rechts kommt eine große Bedeutung dem „November“-Urteil23 des BGH aus dem Jahr 2003 zu. Denn durch dieses Urteil wendete sich der BGH von der bis zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Zulässigkeit der Kreditvergabe im Rahmen der Kapitalerhaltungsregeln überwiegend vertretenen24 „bilanziellen Betrachtungsweise“ ab und erklärte die Auszahlungen an Gesellschafter aus dem gebundenen Vermögen der GmbH auch bei Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs für unzulässig.25 Auf Grundlage der bilanziellen Betrachtungsweise wurde angenommen, dass bei einer Darlehensgewährung eine Auszahlung i.S.v. § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. nicht vorliege, solange der Rückzahlungsanspruch vollwertig und nicht abzuschreiben sei. Dieser Maßstab ließ sich mit der Begründung rechtfertigen, dass es in diesem Fall nur zu einem bilanzneutralen Aktivtausch komme, der das Vermögen der Gesellschaft nach bilanziellem Maßstab nicht beeinträchtige. Dementsprechend kam es auch bei dem Vorliegen bzw. der Vertiefung einer Unterbilanz zu keinem Verstoß gegen das Auszahlungsverbot, solange die Darlehensgewährung unter bilanziellen Gesichtspunkten einen Aktivtausch darstellte. Somit waren nach dieser Auffassung die Liquiditätsflüsse i.R.d. Cash Pooling als „bilanzneutral“ anzusehen und ohne Rücksicht auf die Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG a.F. durchzuführen, solange die aus der Darlehensgewährung resultierenden Rückzahlungsansprüche gegen den Gesellschafter unter bilanziellen Aspekten zum Nennwert anzusetzen waren. Die Kritiker der bilanziellen Betrachtungsweise fanden indes diese Sichtweise wegen mangelnden Gläubigerschutzes als zu weitgehend.26 Denn der Schutz der Gläubiger erfordere, das Gesellschaftsvermögen im Stadium der 21 BGHZ 31, 258, Rn. 276 „Lufttaxi“; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 33; MHLS/ Heidinger, § 30, Rn. 34; Scholz/Verse, § 30, Rn. 18; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 47 jeweils m.w.N. 22 MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 185; ausführlich dazu s. MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 80 ff., mit Erklärungen zur Rechtslage vor und nach MoMiG. 23 BGHZ 157, 72. 24 K. Schmidt, GesR., S. 1132 ff.; Baumbach/Hueck/Hueck-Fastrich, 17. Aufl., 2000, § 30, Rn. 7, jeweils m.w.N. 25 Ausführlich zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum vor dem „November“-Urteil s. insb. Avvento, Das Gebot der Vollwertigkeit, S. 45 ff. 26 Die Vertreter der Gegenansicht waren namentlich Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 335 ff.; Schön, ZHR 159 (1995), S. 351.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Unterdeckung in seiner Substanz zu erhalten und dessen Auflösung in schuldrechtliche Ansprüche zu verhindern. Ein schuldrechtlicher Anspruch sei nämlich bei Unterbilanz kein angemessener Ersatz für die Vergabe liquider Vermögensbestandteile, weil sich damit die Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger verschlechtern würde. Daher solle in der Unterbilanzsituation die Darlehensgewährung ungeachtet der Bonität des Schuldners immer als verbotene Vermögensminderung eingestuft werden.27 Ferner erfordere der Schutzzweck des § 30 Abs. 1 GmbHG a.F., die aus der Darlehensgewährung an Gesellschafter resultierenden Rückzahlungsansprüche in der Bilanz mit null anzusetzen, weil jede Rückzahlung an einen GmbHGesellschafter die Überwälzung seines Insolvenzrisikos auf die Gesellschaft bedeute. Deswegen solle eine Darlehensvergabe nur aus dem ungebundenen Gesellschaftsvermögen erfolgen.28 Im Jahr 2003 schloss sich der BGH in seinem „November“-Urteil insbesondere unter Anlehnung an Stimpel29 der die bilanzielle Betrachtungsweise kritisierenden Mindermeinung an und lehnte die bilanzielle Betrachtungsweise ab.30 Der BGH stufte die Kreditgewährungen an Gesellschafter, die nicht aus Rücklagen oder Gewinnvorträgen, sondern aus dem gebundenen Vermögen der GmbH erfolgten, als „verbotene Auszahlung“ von Gesellschaftsvermögen ein, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter im Einzelfall vollwertig war oder nicht.31 Er argumentierte, dass der Vermögensschutz i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. nicht nur die Garantie einer bilanzmäßigen Rechnungsziffer bedeute, sondern fordere darüber hinaus die Erhaltung einer die Stammkapitalziffer deckenden Haftungsmesse, d. h. einen „realen Substanzschutz“ des Gesellschaftsvermögens.32 Hier ging der BGH davon aus, dass ein Mindestvermögen der GmbH erhalten bleiben und vor dem Zugriff der Gesellschafter geschützt werden solle, um dem Gebot der Kapitalerhaltung gerecht werden zu können.33 Nach Auffassung des BGH sei nämlich die Handelsbilanz ein „ungeeignetes Mittel“, um diesen Schutz zu verwirklichen. Bei der Darlehensgewährung an Gesellschafter finde ein Austausch von Kapital gegen lediglich schuldrechtliche Ansprüche statt und bei einer Unterbilanz sei dies deswegen bedenklich, weil hierdurch die Gläubiger des Gesell27

Insbesondere Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 347 ff. Bayer, in: FS Lutter, S. 1021 f.; bezüglich der Bestellung von Sicherheiten Schön, ZHR 159 (1995), S. 357 ff. 29 Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 349 ff. 30 BGHZ 157, 72, „November“. Siehe insb. Goette, ZIP 2005, S. 1484 und Altmeppen, ZIP 2006, S. 1030 ff., welche bestätigend das „November“-Urteil ausdrückten, dass die bilanzielle Betrachtungsweise (nur) dann für unzulässig zu halten sei, wenn im Zeitpunkt der Darlehensvergabe das gebundene Vermögen der Darlehensgeberin bereits nicht mehr gedeckt sei. Vgl. noch Altmeppen, in: VGR 12, S. 108 f., ihm zufolge nachher das im Referentenentwurf des MoMiG erwogene „Vollwertigkeitskriterium“ insofern im Ansatz fehlging. 31 BGHZ 157, 72, (Leitsatz). 32 BGHZ 157, 72, Rn. 75; diesbezüglich siehe auch Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 335 ff.; Schön, ZHR 159 (1995), S. 351 ff. 33 Das verlangte auch bereits Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 340. 28

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schafters einen vollstreckungs- und insolvenzrechtlich vorrangigen Zugriff auf Vermögenswerte der Gesellschaft zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft erlangen.34 Außerdem bestehe nach dem BGH bei der Kreditgewährung an Gesellschafter in der Unterbilanz die Gefahr, den nicht stundungsfähigen Erstattungsanspruch der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 GmbHG a.F. bilanzneutral als Darlehen zu verschleiern und damit das Stundungsverbot zu umgehen.35 Schließlich war nach dem „November“-Urteil die Zahlung einer in der Unterdeckung befindlichen abhängigen GmbH an den Gesellschafter, die zu Lasten des gebundenen Vermögens erfolgte, als verbotene Auszahlung von Gesellschaftsvermögen einzuordnen, ganz unabhängig davon, ob die Rückzahlung vollwertig und marktgerecht verzinst war.36 Im Urteil wurden zwar im obiter dictum Ausnahmekriterien festgestellt, nach denen eine Auszahlung aus dem gebundenen Gesellschaftsvermögen dann zulässig sein sollte, wenn (1) die Darlehensvergabe im Interesse der Gesellschaft lag, (2) die Konditionen einem Drittvergleich standhielten und (3) die Kreditwürdigkeit des Empfängers außerhalb jedes vernünftigen Zweifels stand.37 Diese Kriterien wurden allerdings den Wünschen und Erfordernissen der Cash Pooling-Systeme nicht gerecht.38 Nach diesem Urteil entstand in der Praxis und im Schrifttum große (Rechts-)Unsicherheit über die Zulässigkeit der Darlehensausreichungen an die Gesellschafter im Allgemeinen und im Besonderen darüber, ob und wenn ja, wie Cash Pooling-Systeme im Konzern weiter betrieben werden könnten.39 Diese Unsicherheit führte folglich zum Handeln des Gesetzgebers des MoMiG, um Klarheit für eine rechtsichere Durchführbarkeit des Cash Pooling zu schaffen.40 Es ist an dieser Stelle kurz darauf hinzuweisen, dass im türkischen Recht unter aktueller Rechtslage eine ähnliche Diskussion zur Anwendung der bilanziellen Betrachtungsweise geführt wird, welche im deutschen Recht bis zum Inkrafttreten des MoMiG stattfand.41

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BGHZ 157, 72, Rn. 76. So auch Schön, ZHR 159 (1995), S. 361. BGHZ 157, 72, Rn. 76 f.; ebenso Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 350 f. Ausführlich zu den Argumenten des BGH siehe insbesondere Wessel, ZIP 2004, S. 793 f.; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 37 ff. 36 BGHZ 157, 72, Rn. 75. 37 BGHZ 157, 72, Rn. 77. 38 Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.31 f. 39 Ausführlich dazu Altmeppen, NGZ 2010, S. 361 und insb. Avvento, Das Gebot der Vollwertigkeit, S. 61 ff. 40 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 41 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 4, A., IV., 1., b). 35

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

C. (Neu-)Regelung durch MoMiG und Rückkehr zur „bilanziellen Betrachtungsweise“ Auf die Rechtsunsicherheit, die durch die „November“-Entscheidung bezüglich der Zulässigkeit der Liquiditätsabführungen i.R.d. Cash Pooling ausgelöst wurde,42 reagierte der Gesetzgeber des MoMiG43 in 2008 durch eine Neuregelung des relevanten kapitalerhaltungsrechtlichen § 30 GmbHG (und § 57 AktG)44. Durch das MoMiG wurde das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG a.F. mit dem Ziel ergänzt, die sich aus der Interpretation des § 30 GmbHG a.F. durch die „November“Entscheidung ergebenden Belastungen und Rechtsunsicherheiten für wirtschaftlich sinnvolle Leistungsbeziehungen zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern insbesondere im Cash Pool zu beseitigen und zu erleichtern.45 Dabei wurde das grundlegende Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG a.F. unverändert beibehalten. Davon wurden jedoch Ausnahmen gemacht. Rechtstechnisch hat der Gesetzgeber dies durch eine Ergänzung des § 30 Abs. 1 S. 1 um zwei neue Folgesätze (§ 30 Abs. 1 S. 2 und S. 3) gemacht. Demnach findet das weiterhin bestehende Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG keine Anwendung auf Leistungen im Zusammenhang mit einem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag (§ 30 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. GmbHG) und auch auf jene Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- bzw. Rückgewähranspruch bedeckt sind (§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG) oder auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG). In Bezug auf die an dieser Stelle der Arbeit zu behandelnde Frage, welche Grenzen das Kapitalerhaltungsrecht der i.R.d. Cash Pooling erfolgenden aufsteigenden Darlehensgewährung im faktischen GmbH-Konzern setzt, ist allein der § 30 Abs. 1, S. 2, 2. Alt. GmbHG von Bedeutung, wonach das Auszahlungsverbot vom Abs. 1 Satz 1 nicht bei Leistungen gilt, die durch einen vollwertigen Gegenleistungsoder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. In der Begründung zum MoMiG führt der Gesetzgeber explizit aus, dass er durch die Einführung des Vollwertigkeitskriteriums bezwecke, die wegen des „November“-Urteils erschwerte Praxis des Cash Pooling zu ermöglichen.46 Damit lehnt der Gesetzgeber des MoMiG einen „gegenständlichen“ Schutz des Gesellschaftsvermögens ab, statt42 Für die Würdigung der Rechtsprechung und eine ausführliche Darstellung der Reaktion der Literatur dazu siehe insb. Altmeppen, ZIP 2006, S. 1025 m.w.N. 43 BGBl. 2008-I, 2026, in Kraft getreten am 01. 11. 2008 44 Für Erklärungen zu § 57 AktG s. Kapitel 2, § 3, A., II. 45 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41; siehe auch Pressemitteilung von BMJ vom 30. 10. 2008, Ziffer 2 lit. d), abrufbar auf der Internetseite des BMJ. Vgl. K. Schmidt, DB 2009, S. 1974, wonach jedoch (immer noch) die Zulässigkeit des Cash Pooling nicht von der Neuregelung abhänge, da ihm zufolge die Liquiditätsbewegungen im Cash Pooling nicht als Darlehen, sondern als Geschäftsbesorgung (treuhänderische Mittelverwaltung) einzuordnen seien. So auch vor dem MoMiG: K. Schmidt, GmbHR 2007, S. 1076. 46 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41.

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dessen stellt er auf den Schutz des Gesellschaftsvermögens in seinem „bilanziellen Wert“ ab.47 Demnach gilt nunmehr das „Vollwertigkeitskriterium“ und somit die „Bonität“ des darlehensnehmenden Gesellschafters als das maßgebliche Kriterium mit Blick auf die Zulässigkeit der aufsteigenden Darlehensgewährungen, sodass bei Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs keine verbotene Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1, S. 1 GmbHG zu sehen ist, obgleich damit der Gesellschaft eine Unterbilanz herbeigeführt oder die bereits bestehende Unterbilanz vertieft wird.48 Denn „bei einer Leistung, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Ru¨ ckerstattungsanspruch gedeckt wird, wird ein Aktivtausch vorgenommen“,49 sodass eine solche kompensierte Auszahlung das Kapital der Gesellschaft bilanziell unverändert lässt.50 Die Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise ins Gesetz wurde zwar im deutschen Schrifttum überwiegend befürwortet.51 Es wird allerdings vereinzelt in der Literatur kritisiert, dass der Gesetzgeber nur auf die „bilanzielle Betrachtungsweise“ abstellt und in der Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs eine ausreichende „Schutzschwelle“ für die Gläubiger sieht, ohne eine Differenzierung danach zu machen, ob das gebundene Kapital im Zeitpunkt der Kreditvergabe gedeckt ist oder nicht.52

D. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Cash Pooling-Darlehen nach § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG I. Vollwertigkeitskriterium Seit Inkrafttreten des MoMiG gelten die Cash Pool-Darlehen aus dem gebundenen Vermögen der Gesellschaft gegen einen schuldrechtlichen Anspruch als zulässig, solange der daraus folgende Rückzahlungsanspruch vollwertig ist. Was genau 47 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41: „Der Entwurf kehrt … eindeutig zum bilanziellen Denken zuru¨ ck.“; Seibert, GmbHR 2007, S. 673; Baumbach/Fastrich/Fastrich, § 30, Rn. 35; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 25. 48 Statt vieler GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 92. 101 und Roth/Altmeppen/ Altmeppen, § 30 Rn. 109 f. 49 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 50 Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 25. 51 Für eine ausführliche Liste der Befürwortern siehe, zur GmbH: Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30 Rn. 109; zur AG: MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 234 Fn. 295. 52 Altmeppen, NZG 2010, S. 362; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 239 f.; Roth/Altmeppen/ders., § 30 Rn. 110, mit Verweis auf die schon vor dem Inkrafttreten des MoMiG vertretene Literaturmeinung, wonach die bilanzielle Betrachtungsweise für unzulässig zu halten war, wenn im Zeitpunkt der Darlehensvergabe das im Gläubigerinteresse gebundene Vermögen der Darlehensgeberin bereits nicht mehr gedeckt war. Demnach waren bei Deckung des gebundenen Vermögens die Darlehensgewährung und damit das Cash Pooling bei Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs ohne weiteres zulässig. Zu dieser Auffassung (vor MoMiG) siehe insb. Altmeppen, ZIP 2006, S. 1030 ff. und Goette, ZIP 2005, S. 1484.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

unter „Vollwertigkeit“ zu verstehen ist, oder anders ausgedrückt, wann ein Rückgewähranspruch als vollwertig anzunehmen ist, geht allerdings aus dem Gesetzeswortlaut nicht präzise hervor. Es handelt sich im Grunde um einen auslegungsbedürftigen, unbestimmten Rechtsbegriff.53 Deswegen wird der Begriff der Vollwertigkeit im Schrifttum kontrovers diskutiert.54 Dabei werden verschiedene Kriterien herangezogen bzw. in Frage gestellt. 1. Bilanzielle Bewertung und Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers Unter Berücksichtigung der Begründung des MoMiG, in der immer wieder auf die Maßgeblichkeit der „bilanziellen Betrachtungsweise“ hingewiesen wird,55 wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass es bei der Ermittlung der Vollwertigkeit ganz entscheidend auf die Einbringlichkeit der Rückzahlungsforderung nach den „allgemeinen handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen“ (§ 253 dHGB) abzustellen sei.56 Demnach wird angenommen, dass eine Forderung vollwertig sei, wenn sie in der Bilanz zu ihren Nennbetrag angesetzt werden könne, also wenn – zum Zeitpunkt der Auszahlung der Darlehensvaluta57 – kein Abschreibungsbedarf bestehe.58 Unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Forderungsbewertung (§ 253 dHGB) dürfen nur solche Ansprüche in der Bilanz zum Nennwert angesetzt werden, deren Realisierung gesichert erscheint und die nicht mit einem konkreten

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Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 151. Für eine ausführliche Herausarbeitung des Merkmals „Vollwertigkeit“ s. Avvento, Das Gebot der Vollwertigkeit, S. 166 ff., insb. S. 239 ff. 55 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 56 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“-Urteil (zu § 311 AktG); Baumbach/Fastrich/Fastrich, § 30, Rn. 56; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 28; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 191; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 104; Scholz/Verse, § 30, Rn. 84; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 282; zur Parallelnorm des § 57 AktG auch: MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 151; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 42, 46; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 68; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 151 f.; Cahn, Der Konzern 2009, S. 72 ff.; Zahrte, Cash Pooling, S. 105; vgl. Altmeppen, NGZ 2010, S. 402 f., welcher betont, dass bei der Vollwertigkeitsprüfung keine große Bedeutung dem Bilanzrecht beigemessen werde. A.A. Hirte, ZInsO 2008, S. 692 und Spliedt, ZIP 2009, s. 150 f., welche bei der Ermittlung der Vollwertigkeit auf den „Drittvergleich“ abstellen. Avvento, Das Gebot der Vollwertigkeit, S. 156 ff., welche gegen die Bewertung der Vollwertigkeit der Leistung des Gesellschafters ausschließlich nach handelsbilanziellen Grundsätzen ist, weil diese zu enormen Schutzlücken führen würden. 57 Habersack, ZIP 2009, S. 361; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; Zahrte, Cash Pooling, S. 105. 58 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Winter, DStR 2007, S. 1486; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 151; Zahrte, Cash Pooling, S. 105; Rothley/Weinberger, NZG 2010, S. 1003. 54

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Ausfallsrisiko59 behaftet sind.60 Die bilanzielle Bewertung der Vollwertigkeit der Darlehensrückzahlungsansprüche erfordert somit im Wesentlichen eine Beurteilung der Kreditwürdigkeit des darlehensnehmenden Gesellschafters und damit im Cash Pooling-Verfahren der Kreditwürdigkeit der Betreibergesellschaft bzw. ggf. der Muttergesellschaft.61 Dabei ist im Allgemeinen zu prüfen, ob die Einbringlichkeit des Rückzahlungsanspruchs unter Berücksichtigung der individuellen finanziellen Lage des Schuldners zweifelhaft ist oder ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Schuldner bei Fälligkeit in der Lage sein wird, die Forderung zu erfüllen.62 Welche Anforderungen genau an die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers anzusetzen sind, ist im Schrifttum umstritten. Der BGH und der überwiegende Teil der Lehre sehen – entgegen dem „November“-Urteil63 – „eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Darlehensrückzahlung“ nicht als erforderlich an, sondern stellen vielmehr darauf ab, ob ein konkretes Ausfallrisiko erkennbar ist.64 Als Anzeichen hierfür werden u. a. genannt: Verzögerte oder ausbleibende Zahlungen, Kontopfändungen, Liquiditätsengpässe, eine hohe Verschuldung des Schuldners, die Ausschöpfung von Kreditlinien sowie die weitgehende Aufzehrung des Eigenkapitals.65 Die Gegenmeinung legt hingegen an die Kreditwürdigkeit des Schuldners strengere Maßstäbe an und verlangt für die Annahme der Vollwertigkeit, dass die Aktivierbarkeit des Rückzahlungsanspruchs nicht „nur geringsten Zweifeln“ unterliegen dürfe.66 Dem wird entgegengehalten, dass diese

59 Der BGH hat in seiner „MPS“-Entscheidung vom „konkreten Ausfallsrisiko“ gesprochen, um den Begriff der Vollwertigkeit zu füllen, ohne jedoch dabei zu konkretisieren, was darunter zu verstehen ist. BGHZ 179, 71, Rn. 13. 60 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Rothley/ Weinberger, NZG 2010, S. 1003. 61 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 111 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 56; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 104; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 28; Scholz/Verse, § 30, Rn. 85 f.; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 446 ff.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 78 ff. m.w.N. 62 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 104; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 56. 63 Vor der Neuregelung des § 30 Abs. 1 GmbHG durch das MoMiG solle nach der obiter dictum Aussage des „November“-Urteils für die Annahme der Vollwertigkeit die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters „bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels“ stehen. BGHZ 157, 72, Rn. 77. 64 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 47; GroßKommGmbHG/Habersack, § 30, Rn. 105; Scholz/Verse, § 30, Rn. 85; Schmolke, § 30, Rn. 96; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 244; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447; Cahn, Der Konzern 2009, S. 72; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 78 ff. m.w.N. 65 Cahn, Der Konzern 2009, S. 72; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447; MünchKommGmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 244; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 81. 66 Altmeppen, ZIP 2009, S. 53; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 112; Spliedt, ZIP 2009, S. 150 f.; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1296. Weniger streng Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 42, wonach zwar keine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Ansicht wohl die Anforderungen des „November“-Urteils hinsichtlich der Kreditwürdigkeit des Gesellschafters berücksichtige und die Neuregelung übersehe.67 Denn durch die neue Regelung sei das Vollwertigkeitskriterium – gegenüber dem strengsten Maßstab des „November“-Urteils – auf ein milderes Maß zurückgeführt worden. Gemäß der Gesetzesbegründung68 genüge es hierfür, dass die Durchsetzung des Rückgewähranspruchs nicht „absehbar in Frage gestellt“ wird.69 Bezüglich der Bewertung der Kreditwürdigkeit des Gesellschafters wird im Schrifttum teilweise die Rolle eines externen Rating-Verfahrens diskutiert. Insbesondere nach dem „November“-Urteil, in dem ein an die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters strenger Maßstab angelegt wurde,70 beschäftigte sich ein Teil der Literatur mit der Frage, ob dieser Maßstab bei Vorliegen eines erstklassigen Ratings erfüllt wurde.71 Nach der Neuregelung durch das MoMiG wird im Schrifttum immer wieder ausgeführt, dass das Rating i.R.d. Beurteilung der Kreditwürdigkeit und somit der Vollwertigkeit der Rückzahlungsanprüche im Cash Pooling weder eine zwingende noch eine erforderliche Voraussetzung darstelle, sodass ohne ein bestehendes Rating von der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs ausgegangen werden könne.72 Ein vorhandenes Rating könne nicht mehr ein Bewertungshilfsmittel für die Geschäftsführer darstellen.73 Unter geltender neuer Rechtslage fielen die strengen Anforderungen an die Kreditwürdigkeit der Muttergesellschaft weg, sodass für die Vollwertigkeit nicht mehr in jedem Fall ein Best-Grade-Rating erforderlich sei.74 Es sei zudem nicht klar, ab welchem Rating von Vollwertigkeit gesprochen werden kann. Eine Anforderung eines AAA-Ratings, welche sich am Wortlaut des „November“-Urteils orientiere, sei in der Praxis kaum erfüllbar, weil selbst eine Vielzahl von Banken kein AAA-Rating erhalten.75 Außerdem sei die Urteilskraft von Ratingagenturen ohnehin fragwürdig; vor allem hinsichtlich der rechtzeitigen Reaktionsfähigkeit auf negative Veränderungen innerhalb eines Konverlangen sei, aber „mit großer Sicherheit damit gerechnet werden“ müsse, dass die Rückzahlungspflicht rechtzeitig erfüllt werde. 67 So Zahrte, Cash Pooling, S. 106. 68 BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 41. 69 Winter, DStR 2007, S. 1486; so auch Zahrte, Cash Pooling, S. 106. 70 BGHZ 157, 72, Rn. 77: „bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftiges Zweifels.“ 71 U. a. Fuhrmann, NZG 2004, S. 554; Hentzen, ZGR 2005, S. 504; für weitere Literatur siehe Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.41 Fn. 41. 72 MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 244; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 47; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 162; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.41; Zahrte, Cash Pooling, S. 108; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 341 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 81 Fn. 278; für das Rating eher Cahn, Der Konzern 2009, S. 74 ff., insb. 76. 73 Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.41. 74 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 81 Fn. 278. 75 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 75; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 340 f.; Zahrte, Cash Pooling, S. 107.

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zerns.76 Ein anderer und zutreffender Kritikpunkt am Rating-Verfahren ist, dass es praxisuntauglich sei, weil kleine und mittlere Unternehmen zumeist kein externes Rating besäßen und das Verfahren viel Zeit und Geld kosten würde, was das Cash Pooling lahm legen würde.77 Ferner wird angeführt, dass im Rahmen von Ratings eher qualitative Kriterien, wie etwa Qualität des Management analysiert werden und die Bewertung stets von der subjektiven Einschätzung der Experten abhänge, von denen man nicht wissen könne, auf welchen Daten ihre Bewertungen basieren.78 Ein Geschäftsleiter könne im Gegensatz zu Ratingagenturen die Überprüfung in wesentlich konkreterer Weise vornehmen.79 Ein Befürworter des Ratings hält das Rating zwar hinsichtlich der Risikomessung grundsätzlich für besser geeignet als eine freihändige Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Gesellschaftern durch Geschäftsleiter einer nicht im Kreditgewerbe tätigen Gesellschaft, er weist aber zugleich darauf hin, dass Rating keine ohne weiteres bindende Vorgabe für Kreditvergabeentscheidung darstellen könne.80 Ein Rating unterhalb von Investment-Grade solle vielmehr als Vermutung für die fehlende Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs bzw. für eine konkrete Ausfallwahrscheinlichkeit verstanden werden, die widerlegt werden könne, sofern im Einzelfall besondere Gründe für eine bessere Beurteilung des Ausfallrisikos sprächen.81 Deswegen sei eine Orientierung der Kreditwürdigkeitsbeurteilung an Ratings geeignet, die Rationalität und Sorgfalt der Entscheidungsfindung zu steigern, ohne eine geeignete Flexibilität völlig auszuschließen.82 In Anbetracht der oben ausgeführten zutreffenden Kritik am Rating ist m. E. die Ansicht zu vertreten, dass das Rating weder eine generelle Voraussetzung noch ein allein ausreichendes Kriterium für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Betreibergesellschaft sein kann. Allerdings ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein Rating bis zu einem gewissen Grad Aufschluss über die Realisierbarkeit des Rückzahlungsanspruchs geben kann. Deswegen sollte m. E. zwar die Geschäftsführung der Poolgesellschaft – sofern vorhanden – das Rating-Ergebnis über die Kreditwürdigkeit der Betreibergesellschaft berücksichtigen, dennoch sollte er in jedem Einzelfall nach eigenem Ermessen entscheiden. Denn zum einen wird ein 76 Hentzen, ZGR 2005, S. 504; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 82, Fn. 278; Zahrte, Cash Pooling, S. 107, der hinsichtlich der Unvertraunswürdigkeit des Ratings zutreffenderweise darauf hinweist, dass die US-Investmentsbank Lehman Bros. Inc. von der Ratingagentur Standard & Poor’s wenige als eine Woche vor der Ankündigung der Insolvenzantragstellung langfristig mit „A“ geratet wurde. 77 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 75; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 341; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 81 Fn. 278. 78 Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 143. 79 Altmeppen, NZG 2010, S. 403. 80 Cahn, Der Konzern 2009, S. 74 ff., insb. 76. 81 Cahn, Der Konzern 2009, S. 76. 82 Cahn, Der Konzern 2009, S. 77.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Geschäftsleiter mit seinem Unternehmen und dem Gesellschafter häufig besser vertraut sein als die Rating-Experten, zum anderen könnten im Einzelfall besondere Gründe für die Kreditvergabe an den Gesellschafter sprechen, obwohl das Rating zu einer anderen Einschätzung kommt.83 Im Ergebnis ist festzuhalten, dass bei der Ermittlung der Vollwertigkeit beim Cash Pooling im Wesentlichen eine Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Betreibergesellschaft anhand bilanzieller Kriterien zu erfolgen hat. Die Vollwertigkeit kann nicht angenommen werden, wenn Zweifel an der Erfüllung des Rückzahlungsanpruchs und somit ein konkretes Ausfallrisiko besteht. Da sich allerdings beim Cash Pooling die wirtschaftliche Situation der Poolgesellschaften stets in der Bonität der Betreibergesellschaft widerspiegelt, sollte bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit der Betreibergesellschaft zwangsläufig die wirtschaftliche Lage aller am Pool teilnehmenden Tochtergesellschaften berücksichtigt werden.84 Denn nur eine Beurteilung aller am Pooling beteiligten Konzernunternehmen kann Aufschluss über die tatsächliche Bonitätslage des Gesamtkonzerns geben.85 Diese weitgehende Prüfung könnte zwar insoweit kritisiert werden, als eine Solvenzprüfung jeder einzelnen Poolgesellschaft insbesondere bei großen Konzernen nicht nur undurchführbar,86 sondern auch aufwendig sowie dem tagtäglich durchgeführten Ausgleich zwischen den Unterkonten der Konzerngesellschaften und dem Pool nicht angemessen wäre. Aber die Konzernmutter muss diesen Prozess vereinfachen, damit sie ihnen entsprechende Informationen liefert. Nach dem BGH und der Literatur unterliegt nämlich die Konzernmutter der Pflicht, ein „Informations- und Frühwarnsystem“ zu installieren, damit darlehensgebende Poolgesellschaften die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs sachgerecht überprüfen und fortlaufend kontrollieren können.87 2. Berücksichtigung von Klumpenrisiko i.R.d. Vollwertigkeitsprüfung? Außer der oben dargestellten gewöhnlichen Einzelwertberichtigung der jeweiligen Darlehensforderung nach maßgeblichen bilanziellen Grundsätzen wird im 83

Cahn, Der Konzern 2009, S. 76 f. Wand/Tillmannn/Heckenthaler, AG 2009, S. 157; Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 342 ff.; ebenso vor dem MoMiG: Cahn, Der Konzern 2004, S. 243; Hahn, Der Konzern 2004, S. 645. 85 Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 342 ff. 86 Wohl so Cahn, Der Konzern 2004, S. 243; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 306. 87 BGHZ 179, 71, Rn. 13 f., 20 „MPS“; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 111 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684 f.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 70; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 165; Bayer/ Lieder, AG 2010, S. 891; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157 f.; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 117; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 116 ff.; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 31, 40; ders., ZHR 173 (2009), S. 274 f. und Fn. 87; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.48. Schon vor MoMiG: Hentzen, ZGR 2005, S. 500 f.; J. Vetter/ Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 194 ff. 84

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Schrifttum in Frage gestellt, ob darüber hinaus auch das dem Cash Pool-Verfahren immanente „Klumpenrisiko“ bei der Bewertung der Vollwertigkeit mitberücksichtigt werden und damit beim Cash Pooling eine Gesamtbetrachtung der Darlehensforderungen jeweiligen Poolgesellschaften gegenüber der Konzernmutter vorgenommen werden müsse.88 Denn anders als bei einzelnen Kreditvergaben führen die Poolgesellschaften bei einem Cash Pooling-System ihre Liquidität an eine einzige Stelle (also an die Betreibergesellschaft) ab. Damit verzichten sie auf den Sicherungsmechanismus, das Ausfallsrisiko auf verschiedene Schuldner zu streuen („Risikodiversifikation“).89 Im Zusammenhang mit der Vollwertigkeitsbewertung beim Cash Pooling wollen daher verschiedene Literaturstimmen zur Bestimmung der Vollwertigkeit nicht nur isoliert das jeweils neu zu gewährende Darlehen betrachten, sondern auch das aufgrund der fortwährenden Darlehensausreichung eintretende Klumpenrisiko in die Vollwertigkeitsbestimmung einfließen lassen und ihm durch einen Bewertungsabschlag Rechnung tragen.90 Da allerdings nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen das Ausfallrisiko für jede Forderung isoliert bewertet werden muss (Einzelbewertung) und eine Gesamtbetrachtung aller Schuldnerforderungen keinen Abschreibungsbedarf auslöst, wird die Rechtsgrundlage eines solchen Bewertungsabschlags in Frage gestellt.91 Zur Lösung dieses Problems wird im Schrifttum zum Teil vorgeschlagen, die Abbildung des Klumpenrisikos über den Grundsatz der Einzelbewertung hinaus durch eine Pauschalwertberichtigung der aufsteigenden Darlehen vorzunehmen.92 Dem wird allerdings zum einen entgegen88 Literatur zu dieser Diskussion insb.: GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 105; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 112; ders., NGZ 2010, S. 403; KölnKomm-AktG/ Drygala, § 57, Rn. 69; Scholz/Verse, § 30, Rn. 86; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 164; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 683 ff.; Schmolke, § 30, Rn. 100; Eusani, GmbHR 2009, S. 796; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 74 ff.; Küting/Eichenlaub, GmbHR 2014, S. 172; Kropff, NJW 2009, S. 815; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.46; vgl. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 28 Fn. 3; bereits vor dem MoMiG: Hentzen, ZGR 2005, S. 504 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, S. 9, Rn. 26. 89 Zum Klumpenrisiko Kapitel 1, § 1, C., II., 3. und siehe insb. Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 681 ff., mit Erörterung der schweizer „Klumpenrisiko-Doktrin“ und mit Ausführungen zur Auswirkung des Klumpenrisikos beim Cash Pooling aus Sicht des deutschen Rechts. 90 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 105; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 112; ders., NGZ 2010, S. 403; Spindler, ZHR 171 (2007), S. 269; Grigoleit/Rieder, GmbHRecht nach dem MoMiG, S. 74, Rn. 199; Kropff, NJW 2009, S. 815 Fn. 3; Küting/Eichenlaub, GmbHR 2014, S. 172; wohl auch Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 25a; vor dem MoMiG: Hentzen, ZGR 2005, S. 504 f. Nach manchen Autoren sollte jedoch das Klumpenrisiko bei Cash Pooling durch eine angemessene Verzinsung ausgeglichen werden: Eusani, GmbHR 2009, S. 796; Wackerbarth, Der Konzern, S. 343; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 58. 91 Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 683 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49. Darauf deuten auch die Befürworter des Bewertungsabschlags bei Klumpenrisiko hin: Hentzen, ZGR 2005, S. 504 f.; Altmeppen, NGZ 2010, S. 403; Spindler, ZHR 171 (2007), S. 269. 92 Hentzen, ZGR 2005, S. 504 f.; Kropff, NJW 2009, S. 815 Fn. 3; ähnlich auch Spindler, ZHR 171 (2007), S. 269; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 105.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

gehalten, dass sich bisher für einen Bewertungsabschlag bei Klumpenrisiken keine bilanzrechtlichen Vorbilder finden,93 zum anderen, dass plausible Bewertungsmaßstäbe für die Höhe der Pauschalwertberichtigung fehlen.94 Nach der Gegenansicht sei jedoch bei der Beurteilung der Vollwertigkeit i.S.d. §§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG bei Cash Pooling nur auf Bilanzierungsgrundsätze abzustellen.95 Das Klumpenrisiko bei Cash Pooling in die Beurteilung der Vollwertigkeit einzubeziehen und dabei einen Bewertungsabschlag zur Erfassung des Klumpenrisikos zu machen, würde dem zweifelsfreien Willen des Reformgesetzgebers widersprechen, das Cash-Pooling (bei dem das Klumpenrisiko quasi systemimmanent sei) zu ermöglichen.96 Der BGH äußerte sich zwar in seinem „MPS“-Urteil97 nicht ausdrücklich zum Klumpenrisiko,98 aber dass er keinen Nachteil in der Kreditvergabe an die Konzernmutter trotz bestehenden Klumpenrisikos sah, wird im Schrifttum dahingehend ausgelegt, dass auch der BGH das Klumpenrisiko i.R.d. Vollwertigkeitsprüfung bei Cash Pooling nicht berücksichtige bzw. als nicht relevante Restrisiken in Kauf nehme.99 Schließlich spielt nach dem BGH und wohl überwiegender Literaturmeinung das dem Cash Pooling immanente Klumpenrisiko bei der Vollwertigkeitsprüfung keine Rolle, weil es bilanziell keinen Abschreibungsbedarf auslöst. Demnach sei bei der Vollwertigkeitsprüfung der i.R.d. Cash Pooling entstandenen Forderungen auf die allgemeinen bilanziellen Kriterien aufzustellen, was wesentlich erfordert, die Realisierbarkeit der Forderung auf Grundlage der Bonität der Betreibergesellschaft bzw. der Mutterge93 Dazu Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 164; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.46; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 76. 94 Dazu Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; Scholz/Verse, § 30, Rn. 86; KölnKommAktG/Drygala, § 57, Rn. 70; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 244; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684, 688; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 76. 95 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 42; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684; Scholz/Verse, § 30, Rn. 86; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.46; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150 f.; Thole, ZInsO, S. 1426; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 77 f.; Mülbert/Sajnovits, WM 2015, S. 2349. 96 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 69; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 42; Scholz/Verse, § 30, Rn. 86; MünchKomm-AktG/ Bayer, § 57, Rn. 164; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 688; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 77 f. 97 BGHZ 179, 71 „MPS“-Urteil. Ausführliche Erklärungen zum „MPS“-Urteil werden unter dem Kapitel 2, § 3 vorgenommen. 98 Siehe Goette, DStR 2009, S. 2603, welcher ausdrücklich betont, dass der Senat bei der Vollwertigkeitsbewertung das Klumpenrisiko nicht übersehen habe. 99 Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684, 688; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150 f.; Kropff, NJW 2009, S. 815 f.; von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, S. 122; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 77. Kritisch zum Fehlen einer ausdrücklichen Stellungnahme des BGH zum „Klumpenrisiko“ im „MPS“-Urteil insb. Kropff, NJW 2009, S. 815 f. In Bezug auf die Nachteiligkeit des Klumpenrisikos i.S.d. § 311 AktG s. Kapitel 2, § 3, E., V.

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sellschaft zu beurteilen.100 Über das Klumpenrisiko wird daher im Schrifttum teilweise geäußert, dass es (nur) im Rahmen der Organhaftung (i.S.d. §§ 43 GmbHG, 93 AktG) und somit unter dem Aspekt der allgemeinen Sorgfaltspflicht zu berücksichtigen sei.101 3. Berücksichtigung eines Frühwarnsystems? Mit Blick auf das Cash Pooling-System besteht im Allgemeinen Einigkeit drüber, dass die Installierung eines geeigneten „Informations- und Frühwarnsystems“ zur Bonitätskontrolle der Betreibergesellschaft erforderlich ist.102 Die Installierung eines solchen Frühwarnsystems wird im Schrifttum allerdings teilweise als zusätzliches Kriterium zur Bewertung der Vollwertigkeit i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG gefordert.103 Damit wird die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs – unabhängig von der Bonität der Betreibergesellschaft – zusätzlich von der Installierung eines „Informations- und Reaktionssystems“ abhängig gemacht. Insbesondere nach Hommelhoff falle die Einrichtungspflicht eines solchen Systems nicht nur unter den Bereich der Geschäftsführungshaftung (gem. § 43 GmbHG), sondern darüber hinaus sei diese notwendig, um den Gegenanspruch nicht von Anbeginn in seiner Vollwertigkeit zu beeinträchtigen.104 Fehle ein derartiges System, bleibe die Auszahlung trotz der bestehenden Bonität des empfangenen Gesellschafters mangels Vollwertigkeit verboten. Im Gegensatz dazu bewertet die herrschende Literaturansicht das Einrichtungserfordernis eines „Informations- und Reaktionssystems“ nicht als Kriterium bei der Bewertung der Vollwertigkeit und damit nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Darlehensausreichung i.S.d. §§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 100

KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 67, 69 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; Scholz/Verse, § 30, Rn. 86; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 244; MünchKommAktG/Bayer, § 57, Rn. 157 f., 164; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 688; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150 f.; Thole, ZInsO, S. 1426; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 78. 101 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 69; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150; Kropff, NJW 2009, S. 815 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 77; wohl auch Schmolke, § 30, Rn. 100; vgl. auch Fleischer/ Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 688. 102 BGHZ 179, 71, Rn. 13 f., 20 „MPS“-Urteil; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 111 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684 f.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 70; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 165; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 891; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157 f.; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 117; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 116 ff.; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 31, 40; ders., ZHR 173 (2009), S. 274 f. und Fn. 87; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.48. Schon vor MoMiG: Hentzen, ZGR 2005, S. 500 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 194 ff. Ausführlich dazu s. noch Kapitel 2, § 3, G., I. 103 So Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 31, insb. im Zusammenhang mit dem Cash Pooling Rn. 40; ders., ZHR 173 (2009), S. 274 f. und Fn. 87; wohl im Ansatz auch Goette/ Habersack/Vetter, Rn. 4.48. Ähnlich schon vor MoMiG: Hentzen, ZGR 2005, S. 500 f. 104 Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 31.

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57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG. Die Einrichtungspflicht eines solchen Frühwarnsystems wird vielmehr im Rahmen der Organhaftung der Geschäftsführung (§§ 43 GmbHG, 93 AktG) behandelt und als eine Frage der Geschäftsführerhaftung angesehen.105 Die Installierung eines solchen Frühwarnsystems – welches auf das Cash Pooling zugeschnitten sei – als ein (Zusatz-)Kriterium der Vollwertigkeit einzuschätzen, stehe den bisherigen handelsrechtlichen Maßstäben zur Forderungsbewertung entgegen106 und sei daher bilanzrechtlich nicht quantifizierbar.107 Neben der Wollwertigkeit weitere, im Gesetz nicht konkretisierte Anforderungen an die Darlehenskonditionen zu stellen, würde zudem durch die Neuregelung beabsichtigte Schaffung von Rechtssicherheit konterkarieren.108 4. Maßgeblicher Zeitpunkt der Vollwertigkeitsprüfung Bei der Beurteilung der Vollwertigkeit und damit des Vorliegens einer Auszahlung wird allein der Zeitpunkt der Darlehensgewährung durch die Gesellschaft als maßgeblich angesehen (ex-ante Betrachtung).109 Auch die Verlängerung des Darlehens ist wie eine erstmalige Darlehensgewährung zu betrachten, sodass auch hier die Vollwertigkeit zum Zeitpunkt der Verlängerung vorliegen muss.110 Demgemäß muss die Vollwertigkeitsprüfung vor der Darlehensausreichung bzw. vor der Verlängerung auf Grundlage der Bonität des darlehensnehmenden Gesellschafters erfolgen. Auch für den Fall des Cash Pooling wird in der Literatur überwiegend angenommen, dass die Vollwertigkeitsprüfung vor jeder erneuten Abführung der Liquidität auf das Zentralkonto erfolgen muss.111 Ein späterer Verlust der Vollwer105

GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 111 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684 f.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 70; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 165; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 116 ff. 106 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684 f.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 70. 107 MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 165; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 70. 108 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283. 109 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41; Scholz/Verse, § 30, Rn. 88; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 108; ders, ZGR 2009, S. 361; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 282; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1300; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 160; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 55; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 25. 110 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 108; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 161 jeweils m.w.N. 111 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 108; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 112; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 187; Scholz/Verse, § 30, Rn. 88; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 178; Schmidt/Lutter/Fleisch, § 57, Rn. 58; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447; Cahn, Der Konzern 2009, S. 69; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 53 f.; Habersack, ZGR 2009, S. 361; ders, in: FS Schaumburg, 2009, S. 1291; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.52; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 153; Gärtner,

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tigkeit ist jedoch i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG unerheblich.112 In der Begründung des MoMiG wird explizit ausgeführt, dass eine nachträgliche Verschlechterung der Bonität, also nicht vorhersehbare negative Entwicklungen der Forderung gegen den Gesellschafter und bilanzielle Abwertungen nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung i.S.v. § 30 Abs. 1 GmbHG fu¨ hren.113 II. Erfordernis der Verzinsung und/oder Besicherung des Darlehens 1. Verzinsung Es ist in der Literatur heftig umstritten, welche Bedeutung der Verzinsung eines Darlehens im Allgemeinen und im Besonderen i.R.d. Cash Pooling als einer Zulässigkeitsvoraussetzung bezüglich der Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG zukommt. Da die Verzinsung des Darlehens in der Praxis üblich ist, stellt sich die Frage, ob auch i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG eine angemessene Verzinsung eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt. Das Erfordernis einer angemessenen Verzinsung wird weder in den Gesetzesmaterialien zum MoMiG noch im Gesetzestext präzise angesprochen.114 Die Thematik wird im Schrifttum somit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. a) Verzinsungspflicht aufgrund bilanzieller Regeln Die wohl am meisten verbreitete Literaturmeinung untersucht und konkretisiert die Verzinsungsfrage im Ansatz der Vollwertigkeit und zieht dabei allein die bilanzrechtlichen Bewertungsmaßstäbe heran.115 Dabei wird überwiegend auf die im Cash Pooling, S. 319 ff. A.A. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 38; ders., ZGR 2012, S. 544 ff.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 85; Erne, GWR 2010, S. 315, welche eher die Ansicht vertreten, dass der maßgebliche Zeitpunkt der Vollwertigkeitsprüfung bei Cash Pooling-Systemen nicht erst jede tatsächliche Darlehensgewährung, sondern vielmehr schon der Abschluss des Rahmenvertrags zur Teilnahme am Cash Pooling sein solle. Für ausführliche Kritik zu dieser Ansicht s. insb. Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 53 f. 112 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 85; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 160 113 BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 41; BGHZ 179, 71, Rn. 13 „MPS“ (zu § 311 AktG). Zur Diskussion, ob das Stehenlassen der Forderung nach dem Wegfall der Vollwertigkeit wegen der Bonitätsverschlechterung des Schuldners einer „erneuten“ Auszahlung gleichzustellen ist, siehe Kapitel 2, § 2, F., II., 3. 114 Der BGH hatte im „November“-Urteil im Rahmen seines obiter dictum darauf hingewiesen, dass die Darlehensbedingungen dem Drittvergleich standhalten müssen, BGHZ, 157, 72, Rn. 77. Damit wurde eine marktübliche Verzinsung verlangt, Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.64. 115 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Wand/ Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 238, 240; Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 731 f.; KölnKommAktG/Drygala, § 57, Rn. 71; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 54; Schmolke, § 30, Rn. 98;

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Bilanzrecht verbreitete Jahresfrist116 abgestellt, wonach bei einer fehlenden oder marktüblich niedrigeren Verzinsung eine bilanzielle Abzinsung notwendig ist, wenn die Laufzeit der Darlehensgewährung mehr als ein Jahr beträgt, während bei einer Laufzeit von bis zu einem Jahr die Forderung trotz fehlender oder unzulänglicher Verzinsung aus „Vereinfachungs- bzw. Praktikabilitätsgründen“ zum Nennwert bilanziert werden kann, weil wegen der Kurzfristigkeit der Kreditgewährung bilanziell eine Abzinsung nicht erforderlich ist.117 Von diesem Prinzip ausgehend wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass bei Darlehensgewährungen mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr die Vollwertigkeit wegen fehlender oder unzulänglicher Verzinsung nicht beeinträchtigt würde.118 Ein kurzfristiges Darlehen aus dem gebundenen Vermögen der Gesellschaft verstoße daher nicht wegen seiner Un- oder Unterverzinslichkeit gegen das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG.119 Mit Blick auf das Cash Pooling-System wird insoweit teilweise behauptet, dass es sich bei den i.R.d. Cash Pooling ausgereichten Darlehen typischerweise um kurzfristige Kreditgewährungen handele120 und daher bei Cash Pooling-Konstellationen auf eine Verzinsungspflicht verzichtet werden könne.121 Dass man bei der Verzinsungsfrage (vorschnell) auf das oben genannte Kurzfristigkeits-Prinzip abstellt und davon ausgehend insbesondere beim Cash Pooling einen pauschalen Abzinsungsverzicht verlangt, wird im Schrifttum aus bilanzrechtlichen und kapitalerhaltungsrechtlichen Gründen kritisiert. Einerseits wird MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 252; Wicke, § 30, Rn. 10; vgl. auch Baumbach/ Fastrich/Fastrich, § 30, Rn. 56; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 100 ff. m.w.N. 116 So Baumbach/Hopt/Merkt, § 253, Rn. 26; GroßKomm-HGB/Kleindiek, § 253, Rn. 21; Adler/Düring/Schmaltz, § 253, Rn. 532; a.A. Küting/Weber/Döring, § 253, Rn. 175, der als Maßstab für die Verzinsung von einer Laufzeit bis zu 3 Monaten spricht. 117 Zum Abzinsungsverzicht bei Kurzfristigkeit aus Vereinfachungs- bzw. Praktikabilitätsgründen siehe Baumbach/Hopt/Merkt, § 253, Rn. 26; GroßKomm-HGB/Kleindiek, § 253, Rn. 21; Adler/Düring/Schmaltz, § 253, Rn. 532; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449; Eusani, GmbHR 2009, S. 796 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 65 ff. 118 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Winter, DStR 2007, S. 1486; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 238, 240; Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 731 f.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 71; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 54; Schmolke, § 30, Rn. 98; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 252; Wicke, § 30, Rn. 10, der nach der Laufzeit nicht differenziert; vgl. auch Baumbach/Fastrich/Fastrich, § 30, Rn. 56. 119 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785; Schmolke, § 30, Rn. 98. 120 Ablehnend Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449, ihm zufolge beim Cash Pooling die Mindestlaufzeit des Darlehens nicht vorhergesagt werden kann. 121 Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 26; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 58; Schmolke, § 30, Rn. 100; Hüffer/ Koch, § 57, Rn. 26; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 112 ff., der als Kompensation der Unverzinslichkeit bei kurzfristiger Darlehensgewährungen i.R.d. Cash Pooling zusätzlich die Konzernvorteile heranzieht.

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betont, dass nicht unumstritten sei, wann eine solche Kurzfristigkeit gegeben sei,122 andererseits wird argumentiert, dass es mit dem bilanziellen Vorsichtsprinzip nicht vereinbar sei, wegen der Kurzfristigkeit einer Forderung auf die Anwendung des strengen Niederstwertprinzips und damit auf die Abzinsung zu verzichten.123 Insbesondere beim Cash Pooling, bei welchem dem Vorsichtsprinzip wegen der besonderen Risiken stets besondere Beachtung geschenkt werden solle, sei ein pauschaler Zinsverzicht nicht zu begründen.124 Außerdem sei diese Anwendung mit den sonst strengen Regelungen der Kapitalerhaltung nicht vereinbar.125 Denn der Abzinsungsverzicht bei Forderungen mit Restlaufzeit von bis zu einem Jahr dürfe aus „Vereinfachungs- bzw. Praktikabilitätsgründen“ unterbleiben und derartige bilanzielle Praktikabilitätsgründe könnten im Rahmen der strengen Kapitalerhaltungsvorschriften nicht ausschlaggebend sein.126 Dem durch die Kapitalschutzregeln bezweckten Gläubigerschutz sei der Vorrang vor der Bequemlichkeit bei der Forderungsbewertung einzuräumen.127 Für das unabhängig von der Laufzeit des Upstream-Darlehens bestehende Erfordernis einer angemessenen Verzinsung spreche ferner, dass § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG den Gesellschaften lediglich die Abwicklung von alltäglichen und wirtschaftlich sinnvollen Leistungsbeziehungen mit ihren Gesellschaftern erleichtern wolle, jedoch keinesfalls das Ausplündern von Gesellschaften ermöglichen oder erleichtern solle. Diesem Zweck sei bereits Genüge getan, wenn die Norm die Gewährung von Upstream-Darlehen grundsätzlich ermöglicht; den Verzicht auf eine angemessene Verzinsung gebiete er dagegen nicht.128 Schließlich sei nach den Vertretern dieser Ansicht, welche von der strikten bilanziellen Betrachtungsweise ausgehen, laufzeitunabhängig stets eine angemessene Verzinsung von Upstream-Darlehen (auch bei Cash Pooling)129 als Voraussetzung für die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs zu fordern.130 122

Eusani, GmbHR 2009, S. 796 f. Eusani, GmbHR 2009, S. 797; vgl. Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 102. 124 Eusani, GmbHR 2009, S. 797. 125 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449; ders., Kapitalaufbringung, S. 221; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 899; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 281; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 102. A.A. wohl KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 71, ihm zufolge der mit dem Verzinsungsverzicht zu erreichende Vereinfachungszweck mit Regelungsanliegen des MoMiG vereinbar sei, in der Frage der Kapitalerhaltung die Komplexitäten zu reduzieren. 126 Blasche/König, GmbHR 2009, S. 899; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 102; vgl. Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 282 f. 127 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 102. 128 Blasche/König, GmbHR 2009, S. 899 f.; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 168. 129 Insb. mit Bezug auf das Cash Pooling Eusani, GmbHR 2009, S. 796 f.; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 100 ff., 103. 130 Blasche/König, GmbHR 2009, S. 899; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449; Eusani, GmbHR 2009, S. 796 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 102 f. Winter, DStR 2007, S. 1487; Möller, Der Konzern 2008, S. 5; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 282 f.; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 168; Hirte, ZInsO 2008, S. 692; vgl. Goette/Habersack/ Vetter, Rn. 4.65. 123

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Neben dem Argument der Kurzfristigkeit der Darlehenslaufzeit i.R.d. Cash Pooling wird im Schrifttum zudem teilweise für den vollständigen Verzinsungsverzicht auf die anderweitigen Kompensationsmöglichkeiten („verdeckte Verzinsung“)131 hingewiesen, die sich aus dem Cash Pooling-System ergeben. In diesem Zusammenhang werden konzernspezifische, dem Cash Pooling immanente Vorteile herangezogen und es wird argumentiert, dass eine Un- oder Unterverzinsung i.R.d. Cash Pooling grundsätzlich durch mit diesem System zusammenhängende Konzernvorteile im Einzelfall ausgeglichen werden könne.132 Demnach seien die aus dem Cash Pooling resultierenden Vorteile geeignet, von einer Verzinsungspflicht abzusehen, „wenn und soweit ein betriebswirtschaftlich angemessenes System betrieben wird, kraft dessen die am Cash Pool beteiligten Gesellschaften zumindest potenziell in einer Weise profitieren, die einen Verzicht auf die Verzinsung hergegebener Liquidität unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als vertretbar erscheinen lässt.“133 Die zinslose Überlassung von Liquidität im Cash Pooling werde insoweit mit dem Vorteil kompensiert, im Bedarfsfall selbst zinslos Liquidität aus dem Cash Pool in Anspruch nehmen zu dürfen.134 Diese Argumentation stößt jedoch im Schrifttum auf Kritik.135 Es wird zwar zum Teil bestätigt, dass theoretisch je nach Ausgestaltung des Cash Pooling daraus sowohl für den Gesamtkonzern als auch für die Tochtergesellschaften Finanzvorteile resultieren könnten, aber gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Cash Pooling lediglich um potenzielle, auf eine hypothetische, zukünftige Situation abstellende Vorteile handele, welche einer greifbaren, geldwerten Bewertung entzogen seien.136 Die Kompensationsmöglichkeit einer Un- bzw. Unterverzinslichkeit des Darlehens hänge bilanziell davon ab, dass eine verdeckte Verzinsung in Form anderer konkreter Gegenleistungen erfolge, oder anders formuliert, dass die Gesellschaft statt der Verzinsung einen konkret

131 Zur „verdeckten Verzinsung“ und ihrer bilanziellen Auswirkung siehe Küting/Weber/ Karrenbauer, § 253, Rn. 44 m.w.N. 132 So insb. Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; ders., NZG 2010, S. 404; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 119; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 57, Rn. 36; differenzierend nach der Darlehenslaufzeit, zustimmend für den Fall der Kurzfristigkeit Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 112 ff.; MünchKommGmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 188, 252, der dies für die kurzfristige Transferleistungen bestätigt; vgl. MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 170. Vor dem Inkrafttreten des MoMiG wurde auch beruhend auf der Konzernvorteile für den Zinsverzicht beim Cash Pooling befürwortet: Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 115; Schilmar, DStR 2006, S. 570; Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 646; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 109, 112. 133 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 119. 134 Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 119; MünchKommGmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 188; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 57, Rn. 36; vgl. Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 111 ff. 135 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449 f.; Eusani, GmbHR, 2009, S. 798; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Spliedt, ZIP 2009, S. 150; Scholz/Verse, § 30, Rn. 95. 136 Eusani, GmbHR, 2009, S. 798; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449.

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greifbaren und abgrenzbaren (anderen) Vorteil erhalte.137 Allein die Möglichkeit, jederzeit Liquidität aus dem Pool zu erhalten oder Entlassung der Finanzbereiche der Poolgesellschaften würden für die Kompensation des Verzinsungsverzichts beim Cash Pooling nicht genügen, weil es an der konkreten Gegenleistung für die Kapitalüberlassung fehlen würde, welche die Voraussetzung einer Kompensation wäre.138 Es könne z. B. bei Gesellschaften, die über ausreichende Bonität verfügen, nicht pauschal angenommen werden, dass die Gesellschaft über einen gegebenen Zeitraum genauso viel hypothetischen Zins aus dem Pool erhalte, wie sie zahlen müsse.139 Deswegen wird im Schrifttum bezüglich der Kompensation der fehlenden bzw. unangemessenen Verzinsung beim Cash Pooling durch anderweitige Finanzvorteile auf die Notwendigkeit hingewiesen, stets auf den Einzelfall abzustellen und dabei zu untersuchen, inwieweit auch die darlehensgewährende Poolgesellschaft von der Nutzung des Cash Pools profitiert.140 Mit Blick auf die Realisierbarkeit der Kompensation der Unverzinslichkeit beim Cash Pooling durch andere Finanzvorteile geht ein Befürworter der Kompensationslösung jedoch differenziert vor.141 Er akzeptiert zwar, dass sich der Vorteil, selbst zinslos Liquidität abzurufen, für eine darlehensgebende Gesellschaft bei mangelnder eigener Inanspruchnahme der Darlehen nicht verwirkliche, aber er lehnt es ab, dies als eine Begründung für eine umfassende Verzinsungspflicht für Kreditierungen i.R.d. Cash Pooling anzusehen. Denn zum einen könnten auch die übrigen Konzernvorteile geeignet sein, eine mangelnde Verzinsung auszugleichen, zum anderen sei die Inanspruchnahme des Cash Pools aufgrund der Gefahr unvorhergesehener Krisensituationen nie gänzlich ausgeschlossen, auch wenn eine Gesellschaft über einen Zeitraum von mehreren Monaten ausschließlich als Darlehensgeber fungiere.142 Aus diesem Grund sei diesem Autor zufolge zur Bestimmung einer Verzinsungspflicht i.R.d. Cash Pooling zwischen Darlehen mit einer Laufzeit unter einem Jahr und mit einer Laufzeit über einem Jahr zu differenzieren. Bei kurzfristigen Ausleihungen, in denen die Laufzeit die Jahresfrist nicht überschreitet, würden anderweitige Konzernvorteile (wie Einsparungen im Bereich der Finanzierungs- und Personalkosten) in den Vordergrund treten und genügen, eine mangelnde Verzinsung zu kompensieren, auch wenn aufgrund des Ungleichgewichts von Mittelbereitstel137

Eusani, GmbHR, 2009, S. 798; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449. Eusani, GmbHR, 2009, S. 798; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449 f.; ähnlich Mülbert/ Leuschner, NZG 2009, S. 283; Spliedt, ZIP 2009, S. 150. 139 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283. 140 Eusani, GmbHR, 2009, S. 798; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449 f.; MünchKommAktG/Bayer, § 57, Rn. 170; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 106; Scholz/Verse, § 30, Rn. 95; Auch Befürworter der „Kompensationslösung“ für den Ausgleich des Verzinsungsverzichts bei Cash Pooling erkennen an, dass es auf den Einzelfall ankomme. So Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 119; i.E. MünchKomm-GmbHG/ Ekkenga, § 30, Rn. 252, 188. 141 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 112 ff. 142 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 113. 138

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lung und Inanspruchnahme des Cash Pools sich der Vorteil nicht verwirkliche, selbst zinslose Darlehen vom Pool abzuschöpfen. Ab einer Darlehenslaufzeit von über einem Jahr könne jedoch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die übrigen Konzernvorteile bei mangelnder Inanspruchnahme zinsloser Kredite aus dem Cash Pool noch genügen würden, einen hinreichenden Ausgleich zu schaffen.143 Denn die Nachteile auf Seiten der darlehensgebenden Gesellschaft würden kontinuierlich an Gewicht gewinnen, während die Vorteile des Cash Pooling immer weiter in den Hintergrund rücken würden. Aus diesem Grund bedürfe es (erst) ab einer Darlehenslaufzeit von über einem Jahr einer angemessenen Regelung der Verzinsung. Für diesen Fall empfiehlt der Autor mit der nachhaltig darlehensgebenden Gesellschaft einen separaten Darlehensvertrag außerhalb des Cash-Pool-Systems abzuschließen und in diesem externen Vertrag die jeweiligen Konditionen wie die Darlehensvaluta, die Laufzeit und die Zinshöhe zu regeln.144 Durch die Heranziehung der übrigen Konzernvorteile unterstützt bzw. ergänzt der Autor im Ergebnis die im Schrifttum vertretene Auffassung, die von der Kurzfristigkeit ausgehend zinslose Darlehen bis zu einer Laufzeit von einem Jahr als vollwertig ansieht.145 b) Verzinsungspflicht aufgrund des „Deckungsgebots“ Die Diskussion über das Erfordernis einer angemessenen Verzinsung i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG wird im Schrifttum noch an einer anderen Stelle, und zwar beim „Deckungsgebot“ weitergeführt, das neben dem Vollwertigkeitskriterium als zweite zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung in § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG gilt.146 Auch wenn es aus dem Wortlaut des Ausnahmetatbestands in § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG auf den ersten Blick nicht eindeutig hervorgeht,147 wird im Schrifttum angenommen, dass das „Deckungsgebot“ neben dem Vollwertigkeitskriterium ein anderes eigenständiges Kriterium darstellt. Dieses wird im Wortlaut der Norm durch das Wort „gedeckt“ beschrieben.148 Nach der Regie143

Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 114. Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 115. 145 So Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 26; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 58; Schmolke, § 30, Rn. 100; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 26. 146 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 74; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 107; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 43; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 152; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 57, Rn. 140; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 236; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.62. 147 Rothley/Weinberger, NZG 2010, S. 1004. 148 Winter, DStR 2007, S. 1486; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 74; GroßKommGmbHG/Habersack, § 30, Rn. 107; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 37; Schmidt/Lutter/ Fleischer, § 57, Rn. 43; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 152; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 450; Eusani, GmbHR, 2009, S. 800; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 94 f.; abweichend Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 33, der wegen des fehlenden Niederschlags des Begriffs von Deckungsgebot 144

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rungsbegründung des MoMiG bedeutet das Deckungsgebot, dass bei einem Austauschvertrag der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter nicht nur vollwertig sein müsse, sondern auch wertmäßig nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten den geleisteten Gegenstand „decken“ müsse.149 Im Schrifttum ist umstritten, was das Deckungsgebot für die Darlehensgeschäfte bedeutet, oder anders formuliert, ob der Anwendungsbereich des Deckungsgebots die Darlehensgeschäfte überhaupt umfasst. Diese Diskussion ist bezüglich der Verzinsungsfrage beim Cash Pooling deswegen von Bedeutung, weil im Falle der Anwendung des Deckungsgebots auf Leistungen mit Kreditcharakter eine angemessene Verzinsung als Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Erfüllung des Deckungsgebots und damit für die Zulässigkeit der Darlehensgewährung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG erforderlich wäre. Nach einer verbreiteten Literaturmeinung finde das Deckungsgebot auch auf Darlehensverhältnisse Anwendung und die Verzinsungspflicht stelle bei Darlehensbeziehungen die Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Kapitalüberlassung dar.150 Deshalb sei bei Darlehensgewährungen i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG für die Erfüllung des Deckungsgebots eine angemessene Verzinsung vonnöten. Unter diesem Gesichtspunkt wird auch teilweise angenommen, dass das Deckungsgebot bei Darlehensbeziehungen als das Gebot eines Drittvergleichs anzusehen sei.151 Nach der Gegenansicht finde jedoch das Deckungsgebot überhaupt nicht bei aufsteigenden Darlehen (bzw. Sicherheiten) Anwendung, weil der Gesetzgeber bei der Einführung des Deckungsgebots nicht die Kreditverträge, sondern gegenstandsbezogene Austauschverträge im Blick gehabt habe.152 Darlehensverträge seien von Austauschverträgen zu unterscheiden,153 weil es nach dem Gesetz bei Darlehen im Wortlaut des Gesetzes die Ansicht vertritt, das Deckungsgebot in den Begriff der Vollwertigkeit zu integrieren. 149 BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 41. 150 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Eusani, GmbHR 2009, S. 800; Cahn, Der Konzern 2009, S. 71; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449; Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 27; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 106 f.; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 140 f.; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.67; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 57, Rn. 140; Winter, DStR 2007, S. 1486 f., 1489, der die Verzinsung sowohl bei der Bewertung der Vollwertigkeit als auch bei der Prüfung der Deckung berücksichtigt. 151 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Eusani, GmbHR 2009, S. 800; wohl auch GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 106 f. 152 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Rothley/Weinberger, NZG 2010, S. 1005; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 241; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732; Scholz/Verse, § 30, Rn. 81; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 30, Rn. 68 ff.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 117; Schmolke, § 30, Rn. 98; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 72; Schmidt/ Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 54; vgl. differenzierend Wirsch, Der Konzern 2009, S. 450; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 94 ff. m.w.N. 153 Schmolke, § 30, Rn. 98; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 54; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 97.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

und ähnlichen Kreditgeschäften nur auf die Werthaltigkeit der Hauptforderung ankomme.154 Außerdem gewinne das Deckungsgebot seiner Natur nach nur in Fällen Bedeutung, in denen die Gesellschaft einen Sachwert veräußert habe.155 Damit beziehe es sich nur auf Gegenleistungen im weitesten Sinne, jedoch nicht auf Ansprüche.156 Bei den zurückgezahlten Finanzmitteln würden also Buch- und Verkehrswert immer übereinstimmen.157 Zur Rechtfertigung des Willens des Gesetzgebers nach der Nichtanwendbarkeit des Deckungsgebots auf Darlehensverträge wird zudem im Schrifttum die kapitalaufbringungsrechtliche Regelung des § 19 Abs. 5 GmbHG herangezogen,158 die den Fall des Hin- und Herzahlens regelt.159 In § 19 Abs. 5 GmbHG, in dem die Darlehensverträge geregelt werden, hänge die Zulässigkeit der als Darlehen zurückgezahlten Einlageleistung nur von der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs ab. Anders als § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG müsse die Leistung gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG von einem vollwertigen Rückgewähranspruch und nicht von einem vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt sein. Die Formulierung des § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG sei richtig, weil es sich beim Hin- und Herzahlen nur um Darlehensverträge handele, so dass dort folgerichtig und ausschließlich vom Rückgewähranspruch gesprochen werde. Auch in der Gesetzesbegründung zu § 19 Abs. 5 GmbHG gebe es keinen Hinweis darauf, dass dabei neben der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs auch das Deckungsgebot zu berücksichtigen sei.160 Dass aber in § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG immer noch von Rückgewähr- und Gegenleistungsansprüchen die Rede sei, sei ebenfalls zutreffend, weil dort – anders als im Stadium der Kapitalaufbringung – neben Darlehensverträgen auch andere (Austausch-)Verträge abgeschlossen werden könnten, die sich zusätzlich am Marktwert des Gegenstandes zu orientieren hätten.161 Schließlich geht der Autor davon aus, dass nachdem der Gesetzgeber i.R.d. Hin- und Herzahlens an die Rückgewähransprüche keine über die Vollwertigkeit hinausgehenden Voraussetzungen gestellt habe, i.R.d. Kapitalerhaltung nichts anderes gelten könne, sodass auch i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG bei Kreditleistungen der Gesellschafter allein auf das Vorliegen der Vollwertigkeit abzustellen sei.162

154 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Rothley/Weinberger, NZG 2010, S. 1005. 155 Scholz/Verse, § 30, Rn. 81. 156 Rothley/Weinberger, NZG 2010, S. 1005. 157 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 450. 158 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 97 ff. 159 Ausführlich zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG im Zusammenhang mit dem Cash Pooling Kapitel 3, § 2, C., IV. 160 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 98 f. 161 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 98. 162 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 99.

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c) Verzinsungspflicht als Erfordernis der Vollwertigkeit („Drittvergleichsprüfung“) Hierunter wird die Verzinsungsproblematik im Zusammenhang mit der Frage aufgegriffen, ob sich aus dem Vollwertigkeitskriterium selbst zwangsläufig eine Verzinsungspflicht ergibt, anders formuliert, ob – abgesehen von der bilanziellen Betrachtungsweise bzw. deren Kriterien – eine angemessene Verzinsung für das Bestehen der Vollwertigkeit stets vonnöten ist. Dies steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, ob das durch MoMiG eingeführte Vollwertigkeitskriterium eine Drittvergleichsprüfung erfordert.163 Regelmäßig geht es bei der Prüfung unter der Voraussetzung des Drittvergleichs um die „marktübliche Verzinsung“ (bzw. die Besicherung)164.165 Für die Cash Pooling-Praxis hätte der Drittvergleich bezüglich der Verzinsungsproblematik zur Folge, dass die Vollwertigkeit von einer den marktüblichen Konditionen entsprechenden und damit angemessenen Verzinsung abhinge. Das Kriterium des Drittvergleichs, das auch im November-Urteil obiter dictum im Zusammenhang mit dem von BGH für möglich gehaltenen Ausnahmetatbestand des generellen Darlehensverbots erwähnt wurde,166 wurde auch durch den Referentenentwurf des MoMiG ausdrücklich in der Begründung angeführt,167 aber er wurde weder in die Regierungsbegründung noch in den Gesetzestext des § 30 GmbHG eingeführt.168 Dass im Gesetzeswortlaut des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG nur die „Vollwertigkeit“ des Rückgewähranspruchs zum Maßstab erklärt wurde und das Drittvergleichskriterium nicht erwähnt wurde, sorgte in der Literatur für Meinungsverschiedenheiten darüber, welche bzw. ob dem Drittvergleich im Rahmen der Vollwertigkeitsprüfung nach der Neuregelung fortan überhaupt Bedeutung zukommt. Vereinzelt wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass bei Kreditge163

Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732, welche i.E. den Drittvergleich ablehnen. Zur Frage zum Erfordernis der Besicherung Kapitel 2, § 2, D., II., 2. 165 Reidenbach, WM 2004, S. 1424; Cahn, Der Konzern 2004, S. 243; Maier-Reimer, in: VGR 10, S. 150 f. 166 BGHZ 157, 72, Rn. 77 „November“ Urteil: „Es kann dahinstehen, ob die Gewährung eines Darlehens aus gebundenem Vermögen ausnahmsweise zulässig sein kann, wenn die Darlehensvergabe im Interesse der Gesellschaft liegt, die Darlehensbedingungen dem Drittvergleich standhalten und die Kreditwürdigkeit des Gesellschafters selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe außerhalb jedes vernünftigen Zweifels steht oder die Rückzahlung des Darlehens durch werthaltige Sicherheiten voll gewährleistet ist …“. 167 ¨ nderung von § 30 Abs. 1, S. 54: „Dabei kann BegrRefE MoMiG, zu Nummer 11 – A vorab festgestellt werden, dass die Kriterien „Drittvergleich“ und „Kreditwu¨ rdigkeit des Schuldners“ oder „Sicherheiten“ allesamt auch im Rahmen der Bewertung des Gesellschaftsinteresses zu pru¨ fen sind …“. 168 Über die Drittvergleichbarkeit beim Darlehen wurde auch nach der Vorlegung des Referentenentwurfs auf einem Arbeitstreffen (Berliner Kreis) diskutiert und aufgrund mangelnder handhabbaren Drittvergleichskriterien für den Fall des Cash Pooling das Prinzip des Drittvergleichs kritisiert. Ausführlich dazu Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1292. Siehe auch für relevante Überlegungen Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 90 ff. 164

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währungen eine Drittvergleichsprüfung im Rahmen des Vollwertigkeitskriteriums erfolgen müsse.169 Eine auf die marktüblichen Konditionen gerichtete angemessene Verzinsung sehen die Vertreter dieser Auffassung für die Erfüllung des Vollwertigkeitskriteriums als erforderlich an. Dementsprechend fehle es schon an der Vollwertigkeit bei gering oder nicht verzinslichen Darlehen.170 Es wird zudem in der Literatur teilweise davon ausgegangen, dass die Drittvergleichbarkeit lediglich hinsichtlich der Beurteilung des Ausfallsrisikos des Darlehens nicht mehr erforderlich sei, aber im Hinblick auf die Gegenleistung, also bei der Beurteilung der Verzinsung, weiter angewendet werden solle.171 Nach herrschender Auffassung verzichtet hingegen der Gesetzgeber des MoMiG durch die Neuregelung mit Rücksicht auf die Zulässigkeit der Darlehensvergabe i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG (und § 57 Abs. 1 S. 3 AktG) bewusst auf das Erfordernis eines Drittvergleichs. Er verlange nur die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs, welche nach den bilanziellen Grundsätzen zu beurteilen sei.172 Dabei komme es also nunmehr hauptsächlich auf die Einschätzung der Realisierbarkeit und somit auf die Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs an. Dass im Gesetzesentwurf der Bundesregierung die Formulierung vom Referentenentwurf zu § 30 GmbHG geändert worden sei und anders als der Referentenentwurf als entscheidendes Tatbestandsmerkmal nicht das Interesse der Gesellschaft, welches auch die Drittvergleichsprüfung erfordere, sondern nur die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs festgestellt wurde, und dass sich zudem das Erfordernis einer Drittvergleichsprüfung weder im Gesetzestext noch in der Begründung des Regierungsentwurfs wiederfinde, seien Indizien dafür, dass der Gesetzgeber auf den 169 Hirte, ZInsO 2008, S. 692; Spliedt, ZGR 2009, S. 150: „Vollwertigkeit bedeutet Drittvergleich“; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 106; vgl. Winter, DStR 2007, S. 1487 f., der im Falle fehlender oder zu niedriger Verzinsung die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs für zweifelhaft hält. 170 Hirte, ZInsO 2008, S. 692; Spliedt, ZGR 2009, S. 150; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 106. 171 Eusani, GmbHR 2009, S. 800, welcher der Drittvergleich bei Darlehensgewährungen unter dem Gesichtspunkt des Deckungsgebots als ein Kriterium der Verzinsung einschätzt; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 141; Scholz/Verse, § 30, Rn. 84, 94; i.E. ebenso Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283. 172 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732; Möller, Der Konzern 2008, S. 5; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; ders., NZG 2010, S. 403; Wand/Tillmann/ Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Rothley/Weinberger, NZG 2010, S. 1005; Zahrte, Cash Pooling, S. 107; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 239; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 34a; Scholz/Verse, § 30, Rn. 84, 94; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 90 ff.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 72. A.A. Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 237, die keine Anhaltspunkte dafür sehen, dass der Gesetzgeber den Drittvergleich bewusst ausscheide. Kritisch dazu insb. Schulze, Bilanzielle Betrachtungsweise und Drittvergleich, S. 246 ff., der das alleinige Abstellen auf die bilanzielle Betrachtungsweise als „über das Ziel hinausschießen“ bezeichnet und das Korrektiv des Drittvergleichs neben der bilanziellen Betrachtungsweise aus funktioneller Sicht für unentbehrlich hält.

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Drittvergleich verzichtet habe.173 Der Gesetzgeber hätte klarstellen können, dass er von einer Drittvergleichsprüfung i.R.d. Vollwertigkeit ausgeht, er habe aber darauf nicht nur bewusst verzichtet, sondern auch mehrfach betont, dass es i.R.d. von § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG auf eine „bilanzielle Betrachtungsweise“ ankommen soll.174 Außerdem würde die Einführung eines umfassenden Drittvergleichs i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG der Absicht des Gesetzgebers entgegenstehen, durch die Neuregelung die Gewährung von Gesellschafterkrediten zu erleichtern und insbesondere die Abwicklung von wirtschaftlich sinnvollem Cash Pooling reibungslos zu ermöglichen.175 Ferner orientiere sich das Cash Pooling, als Innenfinanzierung einer ausgestalteten Konzernfinanzierung, in der Praxis regelmäßig nicht an marktüblichen Konditionen und gerade das sei aber der betriebswirtschaftliche Vorteil eines solchen Systems.176 Wenn man marktübliche Konditionen zugrunde lege, wäre der Zweck der Einführung des Cash Pooling fraglich, weil dann die Kreditierungen direkt mit den Banken abgewickelt werden könnten. Daher müsse für Cash Pooling-System ein Drittvergleich i.S.v. Marküblichkeit schon aufgrund ihres Charakters als Konzernfinanzierung ausscheiden.177 d) „MPS“-Rechtsprechung des BGH zur Verzinsung Der BGH ging in seinem kurz nach dem Erlass des MoMiG ergangenen „MPS“Urteil (zu § 311 ff. AktG) an einer Stelle vom Vorliegen der Vollwertigkeit aus, wenn die Bonität der Muttergesellschaft zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht zweifelhaft war, weil sie ihre Gesamtverbindlichkeiten, inklusive jener aus den jeweiligen Neudarlehen, decken konnte.178 An einer anderen Stelle äußerte er sich dahingehend, dass der Nachteil, der aufgrund einer fehlenden oder zu niedrigen Verzinsung entsteht, ein anderer ist „als derjenige eines die gesamte Darlehenssumme ergreifenden, nicht ausgleichsfähigen konkreten Kreditrisikos“.179 Aus diesen Ausführungen des BGH wird gefolgert, dass der BGH die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs losgelöst von der Verzinsung bewerte und somit im Rahmen der Kapitalerhaltung die Zulässigkeit einer Kreditgewährung nicht von der Verzinsung abhängig mache.180 Dass der BGH einerseits ausführt, dass im Rahmen des als Privilegierung gegenüber § 57 AktG gedachten § 311 AktG keine strengeren Maßstäbe gelten könnten, und andererseits eine fehlende bzw. nicht angemessene Verzinsung als nachteilig i.S.d. § 311 AktG bezeichnet, wird im Schrifttum ferner 173

Statt vieler Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 90 ff. m.w.N. Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 92. 175 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 92 m.w.N. 176 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 92 f. 177 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 92 f. 178 BGHZ 179, 71, Rn. 16. 179 BGHZ 179, 71, Rn. 17. 180 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 88; Vgl. Habersack, ZGR 2009, S. 359 f. Siehe auch Kapitel 2, § 3, E., I. und II. 174

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

dahingehend interpretiert, dass diese Ausführungen des BGH eine laufzeitunabhängige Verzinsung i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG nahelegen würden.181 Denn wenn eine fehlende Verzinsung bereits gegen die als Privilegierung zu § 57 AktG angesehene Norm des § 311 AktG verstoße, so könne für § 57 AktG bzw. für die Parallelvorschrift § 30 GmbHG nichts anderes gelten.182 Zwar ist auch m. E. eine laufzeitunabhängige Verzinsungspflicht i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG vonnöten,183 aber aus dem „MPS“-Urteil des BGH lässt sich nicht automatisch schließen, dass er auch i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG eine laufzeitunabhängige Verzinsungspflicht für nötig erachtet. Denn in seinem MPS-Urteil behandelt der BGH die Verzinsungsproblematik nicht unmittelbar i.R.d. § 57 AktG, sondern i.R.d. § 311 AktG, wonach die Verzinsung des Darlehens – unabhängig von den Vorgaben des § 57 AktG – aufgrund seines besonderen Schutzkonzepts erforderlich ist.184 Dass er bei der Beurteilung der Vollwertigkeit i.S.d. § 57 AktG lediglich die Bonität des Schuldners für maßgeblich hält185 und dabei die Verzinsung nicht erwähnt, vermittelt zwar bereits den Eindruck, dass er die Verzinsungsfrage nicht unter dem Vollwertigkeitskriterium subsumiert. Daraus, dass er die Verzinsung i.R.d. § 311 AktG für nötig hält, ist aber auch nicht direkt zu schließen, dass er damit auch die Frage beantwortet, welche Rolle die Verzinsung hinsichtlich der Zulässigkeit des Darlehens i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG spielt. Daher bleibt m. E. noch abzuwarten, wie und unter welchem Kriterium („Vollwertigkeitskriterium“, „Deckungsgebot“, „Drittvergleich“) der BGH die Verzinsungsproblematik i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG genau klären wird. e) Stellungnahme Zur Verzinsung aufgrund der bilanziellen Regeln: Der Gesetzgeber des MoMiG führt in der Begründung mehrmals aus, dass er – zur Erleichterung des Cash Pooling – auf die bilanzielle Betrachtungsweise abstelle und die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs für die Zulässigkeit des Darlehens genügen lasse, welche nach bilanziellen Grundsätzen zu beurteilen ist.186 Er äußert sich zur Frage der Verzinsung allerdings weder in der Begründung noch im Gesetzeswortlaut. Vor dem Hintergrund, dass er nur die bilanzielle Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs verlangt, wäre es m. E. angezeigt, davon auszugehen, dass er es auch hinsichtlich der Verzinsung bei aufsteigenden Kreditgewährungen lediglich auf die bilanziellen Grundsätze will ankommen lassen. Geht man auf diesen Willen des Gesetzgebers 181 Scholz/Verse, § 30, Rn. 94; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 900; MünchKomm-AktG/ Bayer, § 57, Rn. 168; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 88. 182 Blasche/König, GmbHR 2009, S. 900; Scholz/Verse, § 30, Rn. 94; MünchKomm-AktG/ Bayer, § 57, Rn. 168; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 88. 183 Kapitel 2, § 2, D., II., 1., e). 184 Zum Schutzsystem und Nachteilsbegriff des § 311 AktG siehe Kapitel 2, § 3, B. 185 BGHZ 179, 71, Rn. 16. 186 BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 41.

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bezüglich der Verzinsungsfrage unter Beachtung der bilanziellen Grundsätzen ein, sprechen m. E. beste Gründe hinsichtlich der Cash Pooling-Praxis für eine laufzeitunabhängige Verzinsung, sodass grundsätzlich bei Un- bzw. Unterverzinslichkeit ungeachtet der Kurzfristigkeit und damit der Vereinfachungserwägungen nach – strengen – bilanziellen Grundsätzen eine Abzinsung gemacht werden muss. Gestützt darauf, dass in der Bilanzierungspraxis aus Vereinfachungsgründen eine Abzinsung nur bei Forderungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr vorgenommen wird, wird zwar von einem Großteil der Literatur betont, dass im Cash Pooling eine Verzinsung nicht nötig sei, weil es sich dabei typischerweise häufig nur um kurzfristige Darlehen handelt. Dieser Ansicht ist allerdings aus verschiedenen Gründen nicht zuzustimmen. Denn erstens wird dabei übersehen, dass es, obwohl es im Cash Pooling wegen des täglichen Kündigungsrechts theoretisch gesehen um kurzfristige Darlehen geht, in der Praxis des Cash Pooling nicht unüblich ist, dass die ausgezahlten Mittel über Jahre hinweg im Pool verbleiben können. Dies könnte zur Folge haben, dass die wohlhabenden Poolgesellschaften stets Mittel auf den Pool übertragen müssen, ohne eine angemessene Verzinsung dafür zu bekommen, was Gewinnverluste ihrerseits verursachen könnte. Zweitens ist in Cash Pool-Konstellationen weder das Volumen noch die Laufzeit des Darlehens schon vorher vereinbar, weil beides aufgrund der Struktur des Cash Pool-Systems von der Liquiditätsentwicklung der jeweiligen Poolgesellschaften abhängig ist.187 Deswegen ist beim Cash Pooling die Mindestlaufzeit des Darlehens zumeist schwer vorherzusagen.188 Drittens besteht im deutschen Schrifttum keine Einigkeit darüber, wann eine solche Kurzfristigkeit gegeben sein soll. Mache sprechen von einer Laufzeit von bis zu einem Jahr,189 während andere von einer Restlaufzeit von bis zu drei Monaten ausgehen.190 So steht nicht fest, ab wann genau von einer Kurzfristigkeit auszugehen ist. Außerdem ist auch die gegen die Verzinsungspflicht beim Cash Pooling herangezogene Begründung, wonach das Regelungsanliegen des Gesetzgebers, dieses auch künftig weiter ohne übermäßigen Prüfungsaufwand zu ermöglichen, für die Gestattung des Verzinsungsverzichts bei Cash Pooling für kurzfristige Darlehensgewährungen spreche,191 m. E. kritikwürdig. Der Regelungsanlass des Gesetzgebers des MoMiG war es, das alltägliche und wirtschaftlich sinnvolle Cash Pooling zu erleichtern und auf eine rechtsichere Grundlage zu stellen.192 Um diese Intention zu verwirklichen, stellt er auf die bilanzielle Betrachtungsweise ab, sodass er auch im Stadium der Unterbilanz den Tausch von Liquidität gegen einen vollwertigen 187

Ähnlich auch Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449. So auch Wirsch, Der Konzern 2009, S. 449. 189 Adler/Düring/Schmaltz, § 253, Rn. 532; Baumbach/Hopt/Merkt, § 253, Rn. 26. 190 Küting/Weber/Döring, § 253, Rn. 175. 191 So Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 54; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 26; vgl. KölnKommAktG/Drygala, § 57, Rn. 71. 192 BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 41. 188

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Rückzahlungsanspruch ermöglicht, welcher durch das „November“-Urteil für unzulässig erklärt wurde.193 Mit anderen Worten wurde dem zentralen Regelungsanliegen, die Teilnahme an einem Cash Pooling-System zu ermöglichen und zu erleichtern, dadurch Genüge getan, dass die Ausreichung des Darlehens im Falle der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs und damit bei ausreichender Kreditwürdigkeit des Gesellschafters im Stadium der Unterbilanz für zulässig erachtet wird.194 Betrachtet man die Vorgeschichte des MoMiG, sieht man, dass die Erleichterung eigentlich darin besteht, vom gegenständlichen Vermögensschutzsprinzip des „November“-Urteils zum bilanziellen Vermögensschutz zurückzukehren.195 Aus der Erleichterungsintention des Gesetzgebers bezüglich des Cash Pooling kann daher nicht automatisch geschlossen werden, dass er die Cash Pooling-Praxis auch hinsichtlich der Verzinsung privilegieren und den Kapitalschutz bei faktischer Konzernierung dem Konzerninteresse opfern will. Auf die umgekehrte Intention des Gesetzgebers weist vielmehr folgende Aussage in der Begründung hin: „Keineswegs soll diese klärende Regelung das Ausplu¨ ndern von Gesellschaften ermöglichen oder erleichtern“.196 Deswegen würde es m. E. über das Ziel des Gesetzgebers hinausgehen, wenn man der Verzinsungsverzicht im Cash Pooling auf das Regelungsanliegen zurückführen würde. Ferner, die konzernrechtlichen Vorteile des Cash Pooling und insbesondere die Tatsache, dass auch der gebenden Poolgesellschaft Liquidität zur günstigen Konditionen zur Verfügung steht, kann m. E. nicht immer den Verzicht auf die Verzinsung i.R.d. Cash Pooling rechtfertigen. Allein die Möglichkeit der eigenen Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Pool zu günstigen Konditionen genügt nämlich nicht, wenn die Poolgesellschaft hierauf nicht angewiesen ist.197 Hierfür müssten also der gebenden Poolgesellschaft tatsächlich Vorteile zukommen. Dabei muss es sich um sehr konkrete Vorteile handeln, die sich nicht nur in einer allgemein verbesserten betriebswirtschaftlichen Gesamtsituation erschöpfen. Es kommt daher dabei immer auf den Einzelfall an, ob die Poolgesellschaft in der Tat so viel von den Vorteilen des Pools Gebrauch macht und Vor- und Nachteile aus deren Sicht in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen,198 sodass der Verzicht auf Verzinsung als gerechtfertigt angesehen werden kann. Das Vorliegen möglicher Vorteile sollte also m. E. nicht im Vorfeld und pauschal zur Zinslosigkeit beim Cash Pooling führen. An dieser Stelle scheint im Übrigen auch die Auffassung nicht vielversprechend, welche zur Kompensierung der mangelnden Verzinsung bei Kurzfristigkeit im Cash Pooling 193 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 82; ausführlich zum Regelungsanliegen des MoMiG i.Z.m. Cash Pooling ders., ZGR 2009, S. 351 f. 194 Auch so Blasche/König, GmbHR 2009, S. 899 f.; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 168. 195 Ausführlich zur Rechtsentwicklung im Bereich der Kapitalerhaltung bis MoMiG siehe Kapitel 2, § 2, B. 196 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 197 Mülbert/Leuschner, NZG 2009 S. 283; Spliedt, ZIP 2009, S. 150. 198 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 107.

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zusätzlich anderweitige Konzernvorteile (wie Einsparungen im Bereich der Finanzierungs- und Personalkosten) für den Fall heranzieht, dass die darlehensgebende Poolgesellschaft selbst keinen Gebrauch vom Vorteil der zinslosen Inanspruchnahme des Cash Pools macht.199 Dies wäre nämlich auch eine konkret unbegründete, pauschalisierende Annahme, welche nicht auf näher quantifizierbaren Erkenntnissen beruht. Solange keine genau quantifizierbaren anderweitigen Konzernvorteile aufseiten der Poolgesellschaft vorhanden sind, sollte diese Unbestimmtheit m. E. nicht zugunsten des Cash Pooling-Systems bzw. des gesamten Konzerns, sondern zum Interesse der Poolgesellschaft und deren Kapitalschutz ausgelegt werden, sodass auch bei Kurzfristigkeit eine angemessene Verzinsung des Darlehens – je nach dem Einzelfall – erfolgen muss. Schließlich sind m. E. die bisherigen Argumente, die zur Rechtfertigung des Zinsverzichts beim Cash Pooling unter dem Gesichtspunkt der bilanziellen Regeln gemacht werden, vom Einzelfall abhängig und daher nicht immer überzeugend bzw. rechtssicher. Hier erscheint es sachgerecht und für den Betrieb eines effektiven bzw. rechtssicheren Cash Pooling unter dem Gesichtspunkt der bilanziellen Vollwertigkeit laufzeitunabhängig stets eine angemessene Verzinsung zu fordern, solange im Einzelfall die mangelnde Verzinsung durch konkret quantifizierbare Konzernvorteile nicht zu kompensieren ist. Anders formuliert, ist – wie bei einzelnen Darlehen – auch beim Cash Pooling grundsätzlich von der laufzeitunabhängigen Verzinsungspflicht auszugehen, solange keine genau quantifizierbaren anderweitigen Konzernvorteile aufseiten der Poolgesellschaft vorhanden sind, welche die Un- bzw. Unterverzinslichkeit der Cash Pool-Darlehen kompensieren können. Zur Verzinsung aufgrund des Deckungsgebots: Aus systematischer Sicht gewinnt man aus den Formulierungen der Begründung und bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Wortlauts des Gesetzes den Eindruck, dass der Gesetzgeber eine Differenzierung hinsichtlich der Anwendung des Deckungsgebots zwischen Leistungen mit Kreditcharakter und sonstigen Austauschverträgen vornimmt. Erstens spricht der Gesetzgeber bei der Erklärung zu dem Deckungsgebot in der Begründung „von geleisteten Gegenständen“, was die innerhalb der Darlehensbeziehungen erfolgenden „Zahlungsströme“ terminologisch nicht zu erfassen vermag.200 Darüber hinaus sind Darlehensverträge zwar zweiseitige Schuldverhältnisse, aber die Hauptpflichten stehen nicht in Synallagma, weil die Motivation der Darlehensvergabe nicht der Rückerstattungsanspruch ist, sondern der Anspruch auf Zinszahlung.201 Nach einer anderen Auffassung lässt sich jedoch im Darlehensvertrag durch das Gegenübertreten der Hauptpflicht (Zur-Verfügung-Stellung des Darlehens) und Nebenpflicht (Zinszahlung des Darlehensnehmers) ein Synallagma begründen.202 Teilt man die letztgenannte Ansicht, wäre zwar eine angemessene Verzinsung konzerninterner 199 200 201 202

Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 112 ff. So auch Zahrte, Cash Pooling, S. 114. Erman/Saenger, § 488, Rn. 9, 49. MünchKomm-BGB/Berger, Vor § 488, Rn. 10.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Darlehen als Gegenstand des Deckungsgebots anzunehmen. Allerdings sieht m. E. der Gesetzgeber in Kreditbeziehungen offensichtlich keinen synallagmatischen Vertrag, weil er in der Begründung offensichtlich dem synallagmatischen Vertrag einen „Gegenanspruch“ und der Auszahlung mit Kreditcharakter einen „Rückzahlungsanspruch“ gegenüberstellt.203 Diese Annahme unterstützt auch die quasi „entweder-oder“-Formulierung des Wortlauts des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG (durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch).204 Das ist nämlich ein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber nur die bilanzielle Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs fordert und keine vollwertige Gegenleistung verlangt, die bei einem Darlehen als marktgerechte Verzinsung anzulesen wäre. Ob die dortige Wortwahl („oder“, aber nicht „und“) bewusst gewählt wurde und auf eine derartige Absicht hindeutet, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit sagen, aber angesichts der Begründung könnte m. E. davon ausgegangen werden.205 Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das Darlehen nicht als Austauschvertrag ansieht und mit der Einführung des Deckungsgebots nur die Gefahr des Vermögensabflusses beseitigen will, die bei einer rein bilanziellen Betrachtungsweise für tatsächliche Austauschverträge in Betracht käme, bei denen der bilanzielle Wert des Gegenstands dem tatsächlichen Marktwert nicht entspricht oder wenn der Vermögenswert überhaupt nicht bilanziell abgebildet werden kann. Zusammenfassend gewinnt man m. E. aus dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien den Eindruck, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des Deckungsgebots nicht unmittelbar an die Frage der Verzinsung bei Darlehensbeziehungen, sondern eher an andere Austauschverträge, wie z. B. Kaufvertrag und ähnliches gedacht haben muss. Ob diese Einstellung des Gesetzgebers der traditionellen Schutzfunktion des Kapitalerhaltungsprinzips bei Geschäften mit Kreditcharakter gerecht wird und somit vertretbar ist, ist jedoch m. E. diskutabel. Wenn der Grundgedanke der Einführung des Deckungsgebots in der Beseitigung der Gefahr des Vermögensabflusses bzw. der Ausplünderung der Gesellschaft besteht, so liegt kein Grund dafür vor, das Deckungsgebot nicht auf die Darlehensbeziehungen anzuwenden. Ein Vermögensabfluss käme nämlich auch bei Darlehensgewährungen offensichtlich zustande, wenn das Darlehen nicht angemessen verzinst wird. Es könnte sehr wohl auch i.R.d. Cash Pooling zu einem Vermögensabfluss in dem Fall kommen, dass man – folgend der entsprechenden Literaturmeinung –206 schon im Ansatz auf die Kurzfristigkeit 203

BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 41, ebenso Zahrte, Cash Pooling, S. 114. A.A. Winter, DStR 2007, S. 1487 und MHLS/Ziemons, § 43, Rn. 496, welche die Ansicht vertreten, dass das „oder“ in § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG als „und“ gelesen werden solle. 205 Schmolke, § 30, Rn. 98, der dafür plädiert, dass es eine bewusste Unterscheidung des Gesetzgeber sei; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 54, der aber nicht unbedingt sicher ist. 206 So Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 26; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 58; Schmolke, § 30, Rn. 100; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 26; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 112 ff. 204

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des i.R.d. Cash Pooling ausgereichten Darlehens abstellt und pauschal auf eine Verzinsung verzichtet. Das Deckungsgebot, das bei Darlehensbeziehungen grundsätzlich als „angemessene Verzinsung“ zu bewerten wäre, für die Kreditgewährungen auszuschließen, könnte daher im Einzelfall sogar als Widerspruch zu der vom Gesetzgeber selbst ausdrücklich hervorgehobenen Intention bewertet werden, wonach die Erleichterung des Cash Pooling „nicht zum Ausplündern der Gesellschaft führen solle“.207 Dem könnte zwar entgegengesetzt werden, dass der Gesetzgeber die Verzinsungsfrage schon i.R.d. Vollwertigkeitsermittlungen nach bilanziellen Grundsätzen wolle beurteilen lassen. Betrachtet man allerdings die Uneinigkeit der Literaturmeinungen zur Verzinsung der Forderungen208 und insbesondere die dem Cash Pooling-System immanente Komplexität, die darin begründet liegt, dass weder das Volumen noch die Laufzeit des Darlehens vorhergesagt werden können, sondern beides in jedem Einzelfall von der Liquiditätsentwicklung jeweiliger Poolgesellschaften abhängig ist, und deswegen die Verzinsungsfrage unter alleiniger Beachtung der bilanziellen Regeln nicht immer rechtssicher zu beantworten ist,209 würde das Deckungsgebot m. E. eine rechtsichere Bewertungsgrundlage für das Verzinsungsproblem bei Darlehensgeschäften i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG darstellen. Vor diesem Hintergrund wäre es m. E. angebracht, das Deckungsgebot bei Kreditgewährungen neben der Vollwertigkeit als ein Grundprinzip hinsichtlich der angemessenen Verzinsung in Analogie anzuwenden. Auf diese Weise würde die Verzinsungsproblematik bei Kreditgewährungen im Allgemeinen an eine klare, sichere Regel gekoppelt sein. Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis darf allerdings an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass die sich aus dem Cash Pooling-System ergebenden Finanzvorteile gegebenenfalls auch unter dem Deckungsgebot als ErsatzGegenleistung zur Verzinsung angesehen werden können. Da anders als bei einzelnen Darlehensgewährungen die beteiligten Poolgesellschaften beim Cash Pooling theoretisch von vielfältigen (Konzern-)Vorteilen Gebrauch machen können, sollte auch hier die Möglichkeit bestehen, je nach Umständen die bereits konkret erhaltenen, quantifizierbaren Vorteile als Gegenleistung i.S.d. Deckungsgebots zu betrachten, sodass sie im Einzelfall den Mangel einer Un- bzw. Unterverzinsung kompensieren können. Deswegen sollte die vom Deckungsgebot abzuleitende Verzinsungspflicht bei Cash Pool-Konstellationen nicht zwangsläufig zu einem marktgerechten Zinssatz führen. Die Kompensationsmöglichkeit der erhaltenen Vorteile als Gegenleistung sollte für jeden Einzelfall und damit für jede Poolgesellschaft in bestimmten Abständen (m. E. max. in dreimonatigen Perioden) gesondert überprüft und dementsprechend festgestellt werden, ob anderweitige Finanzvorteile die Un- oder Unterverzinslichkeit des Darlehens rechtfertigen.

207

BegrRegE, BT-Drucks 16/6140, S. 41. Für diesbezügliche Meinungsverschiedenheiten siehe Kapitel 2, § 2, D., II., 1., a). 209 Für die Vielfalt der Literaturmeinungen zur Verzinsungsproblematik bei Darlehen, welche die Verzinsungsfrage i.R.d. Vollwertigkeitskriteriums nach den bilanziellen Grundsätzen betrachten, Kapitel 2, § 2, D., II., 1., a). 208

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Zusammenfassend scheint schließlich m. E. der Gesetzgeber des MoMiG die Verzinsungsfrage im Rahmen der Ermittlung der Vollwertigkeit nach den bilanziellen Grundsätzen beurteilen zu lassen und bei der Einführung des Deckungsgebots nicht unmittelbar an die Leistungen mit Kreditcharakter und damit an die Verzinsungsproblematik gedacht zu haben. Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis sprechen m. E. die besten Gründe für eine laufzeitunabhängige angemessene Verzinsungspflicht, weil die für einen pauschalen Verzinsungsverzicht beim Cash Pooling herangezogenen Argumentationen der Kurzfristigkeit und des Vorliegens der Konzernvorteile aus erwähnten Gründen nicht immer zu einer rechtsicheren bzw. gerechtfertigten Lösung i.R.d. Kapitalerhaltungsgebots führen können. Auch aus dem Erleichterungszweck des Gesetzgebers ist auf keine derartige Privilegierung des Cash Pooling zu schließen, wonach im Cash Pool unverzinsliche Darlehen per se gestattet sein sollen. Daher sollte in jedem Einzelfall in plausiblen Abständen (m. E. max. alle drei Monate) untersucht werden, ob und wie intensiv die betroffene Poolgesellschaft von den Cash Pool immanenten Konzernvorteilen konkret profitiert. Vor diesem Hintergrund sollte entschieden werden, ob nach Umständen und in Einzelfällen auf die Verzinsung verzichtet werden kann oder wie hoch der Zinssatz ausfallen muss. Ferner, vor dem Hintergrund des in der Begründung Gesagten, wonach die Neuregelung keineswegs das Ausplu¨ ndern von Gesellschaften ermöglichen oder erleichtern solle,210 wäre die Empfehlung m. E. nicht verkehrt, das „Deckungsgebot“ im Rahmen der Kreditgeschäfte und namentlich beim Cash Pooling als angemessene Verzinsung zu interpretieren und analog anzuwenden. Dies würde nämlich eine rechtsichere Beurteilungsgrundlage bezüglich der Verzinsung darstellen. f) Zwischenergebnis Im Schrifttum wird kontrovers diskutiert, ob bei Darlehensgewährungen eine angemessene Verzinsung eine Zulässigkeitsvoraussetzung vom Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG (bzw. § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG) darstellt. Die Verzinsungsproblematik wird sowohl unter Vollwertigkeitsgesichtspunkten als auch unter denen des Deckungsgebots und Drittvergleichs betrachtet. So besteht bereits im Ansatz keine Einigkeit darüber, unter welches Kriterium die Verzinsungsfrage zu verorten ist. Die Mehrheit derjenigen, die das Verzinsungserfordernis auf der Grundlage der bilanzrechtlichen Maßstäben im Rahmen der Vollwertigkeit bewerten, gehen gemäß der bilanziellen Vorbilder davon aus, dass bei langfristigen Krediten (über ein Jahr) zur Vollwertigkeit eine angemessene Verzinsung erforderlich ist, während bei kurzfristigen Krediten (weniger ein Jahr) bilanzrechtlich auf Verzinsung verzichtet werden kann. In Erwägung der kapitalschutzrechtlichen Sonderwertungen lehnt hingegen ein Teil des Schrifttums auch bei kurzfristigen Krediten den Verzinsungsverzicht ab und verlangt laufzeitunabhängig angemessene Verzinsung. Eine andere Literaturmeinung leitet jedoch das Erfor210

BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41.

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dernis angemessener Verzinsung aus dem Deckungsgebot und verlangt die Verzinsung als Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Kapitalüberlassung, während nach einer anderen Literaturmeinung die Verzinsungspflicht aus dem Drittvergleich abzuleiten ist. An dieser Stelle ist somit festzustellen, dass zumindest Einigkeit darüber besteht, dass bei längerfristigen Kreditgewährungen (über ein Jahr – § 253 dHGB) eine angemessene Verzinsung als unverzichtbar betrachtet wird, wobei es i.E. keinen Unterschied macht, ob dafür das Vollwertigkeits- oder Deckungsgebot herangezogen wird. Mit Blick auf die Cash Pool-Darlehen wird teilweise im deutschen Schrifttum mit verschiedenen Argumenten fu¨ r den Verzinsungsverzicht plädiert. Zur Begründung wird einerseits auf die dem Cash Pooling immanenten konzernrechtlichen Vorteile, und insbesondere auf die Möglichkeit der eigenen Inanspruchnahme von Geld aus dem Pool zu günstigen Konditionen hingewiesen. Andererseits wird dafür die Kurzfristigkeit der Cash Pool-Darlehen herangezogen. Darüber hinaus wird das dahingehende Regelungsanliegen des Gesetzgebers, Cash Pooling künftig zu ermöglichen und die Komplexitäten zu reduzieren, als eine Rechtfertigung für den Verzinsungsverzicht im Cash Pooling vorgebracht. Der BGH hat sich zwar bisher nicht direkt mit der Verzinsungspflicht i.R.d. § 30 GmbHG (oder § 57 AktG) befasst, aber dass er in seinem MPS-Urteil (zu § 311 AktG) die zinslose Kreditgewährung als Verstoß gegen § 311 AktG und damit als Nachteil bewertet hat, gilt im Schrifttum als ein Indiz dafür, dass der BGH i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG laufzeitunabhängig eine Verzinsung fordere. Nach hier vertretener Ansicht ist die Verzinsungsfrage ausweislich der Gesetzesmaterialien im Rahmen der Ermittlung der Vollwertigkeit nach den bilanziellen Grundsätzen zu beurteilen. Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis sprechen m. E. die besten Gründe grundsätzlich für eine laufzeitunabhängig angemessene Verzinsungspflicht, weil die für einen pauschalen Verzinsungsverzicht beim Cash Pooling herangezogenen Argumentationen (Kurzfristigkeit, die mit dem System zusammenhängenden Konzernvorteile) nicht immer zu einer rechtsicheren Lösung i.R.d. Kapitalerhaltungsgebots führen können. Auch aus dem Erleichterungszweck des Gesetzgebers ist keine derartige Privilegierung zu schließen, wonach im Cash Pooling unverzinsliches Darlehen per se gestattet ist. Ferner, es scheint zwar, dass bei der Einführung des Deckungsgebots nicht unmittelbar an die Leistungen mit Kreditcharakter und damit an die Verzinsungsproblematik gedacht worden ist, aber m. E. wäre die analoge Anwendung des Deckungsgebots bezüglich der Verzinsung bei Darlehensbeziehungen empfehlenswert, weil dies eine rechtsichere Beurteilungsgrundlage bieten würde. Schließlich sollte m. E. auch für die Cash Pooling-Praxis laufzeitunabhängig eine angemessene Verzinsung – sei es aufgrund des Vollwertigkeitsgebots, sei es aufgrund des Deckungsgebots – unverzichtbar sein, solange keine konkreten sowie quantifizierbaren Konzernvorteile vorhanden sind, die die Unoder Unterverzinslichkeit kompensieren können.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

2. Besicherung Bei Kreditgewährungen ist es marktüblich, dass ab einer bestimmten Darlehenssumme Sicherheiten in Anspruch genommen werden. Ob auch bei Darlehensgewährungen im Allgemeinen bzw. i.R.d. Cash Pooling gemäß § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG die Sicherheitenbestellung eine Zulässigkeitsvoraussetzung ist, ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Diejenigen Autoren, die eine Drittvergleichsprüfung als einen Tatbestand der Vollwertigkeit bewerten, verlangen – konsequenterweise – neben die einem Drittvergleich standhaltende Verzinsung auch eine ausreichende Besicherung des Darlehens.211 Nach herrschender Literaturansicht sei hingegen Sicherheitenbestellung für die Zulässigkeit der Darlehen i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG bzw. bei Ermittlung der Vollwertigkeit kein zwingendes Erfordernis.212 Der Gesetzgeber verlange nämlich durch die Neuregelung nur die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs, welche nach den bilanziellen Grundsätzen zu beurteilen sei. Dabei komme es nicht auf einen Drittvergleich, sondern hauptsächlich auf die Einschätzung der Realisierbarkeit der Rückzahlung anhand der bilanziellen Regeln an, welche ausreichende Kreditwürdigkeit des Schuldners erfordere.213 Maßgeblich seien also nach der Neuregelung vielmehr die Abschreibungsregeln nach § 253 Abs. 3, 4 dHGB.214 Und nach bilanziellen Grundsätzen könne sich eine Besicherungspflicht erst dann ergeben, wenn die Forderung sonst aufgrund von Bonitätsmängeln gem. § 253 Abs. 4 dHGB abzuschreiben sei.215 So ist die vorherrschende Literaturmeinung, dass das Vollwertigkeitskriterium und der Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG bei ausreichender Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers ohne eine marktübliche Besicherung erfüllt sei, beim Fehlen hinreichender Bonität des Schuldners jedoch eine werthaltige Besi-

211 Hölzle, GmbHR 2007, S. 734; Hirte, ZInsO 2008, S. 692: „… an der Vollwertigkeit fehlt es dementsprechend bei nicht oder gering verzinslichen Darlehen ebenso wie bei ungesicherten Darlehen, sofern sich dies nicht in den Konditionen niederschlägt“; wohl auch Spliedt, ZIP 2009, S. 150, der explizit ausdrückt: „Vollwertigkeit ist Drittvergleich“. 212 Altmeppen, NZG 2010, S. 403; ders., ZIP 2009, S. 52; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 114; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 56; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 48; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 245; Scholz/Verse, § 30, Rn. 84, 94; Wicke, § 30, Rn. 10; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Rothley/ Weinberger, NZG 2010, S. 1003; Winter, DStR 2007, S. 1487 f.; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Möller, Der Konzern 2008, S. 5; Zahrte, Cash Pooling, S. 107; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 239; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 900; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 104 f. m.w.N. 213 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Möller, Der Konzern 2008, S. 5; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; ders., NZG 2010, S. 403; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Rothley/ Weinberger, NZG 2010, S. 1005; Zahrte, Cash Pooling, S. 107; Sieder, Cash Pooling im GmbHKonzern, S. 239. 214 MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 245. 215 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 104.

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cherung den unsicheren Rückgewähranspruch vollwertig machen könne.216 Dass bei hinreichender Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers für die Erfüllung des Kriteriums der Vollwertigkeit keine marktübliche Sicherheitenbestellung erforderlich ist, entspricht auch der üblichen Cash Pooling-Praxis, bei der in der Regel keine Besicherung des konzerninternen Darlehens vorgenommen wird.217 Der BGH hat die Besicherungsproblematik in seinem „MPS“-Urteil im Rahmen der Frage aufgegriffen, ob ein ungesichertes Upstream-Darlehen ein nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG darstellt.218 Nachdem er ausdrücklich ausgeführt hat, dass er nicht entscheiden müsse, ob Darlehensgewährungen ohne bankübliche Sicherheiten gegen § 57 AktG verstoßen, wies er anschließend auf die Unterschiede zwischen § 311 AktG und den Kapitalerhaltungsregeln hin. Er stellt fest, dass nicht in jedem ungesicherten Upstream-Darlehen ein nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. § 311 AktG zu sehen sei.219 Dabei hat er allerdings nicht erwähnt, ob dies auch für die kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln (§§ 57 AktG, 30 GmbHG) gilt. Deswegen könnte man behaupten, dass die Besicherungsfrage im „MPS“-Urteil lediglich hinsichtlich des Nachteilsbegriffs des § 311 AktG aufgegriffen wurde, bezüglich der kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln jedoch die Frage offengelassen wurde, ob Besicherung der Darlehen eine notwendige Zulässigkeitsvoraussetzung des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG ist.220 Es muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass im Schrifttum vereinzelt argumentiert wird, dass sich das Fehlen der banküblichen Sicherheiten in einem höheren Zinssatz niederschlagen müsse; sonst eine gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG relevante Auszahlung in Höhe des Zinsbetrags anzunehmen sei.221 Diese Ansicht lässt sich allerdings m. E. mit der Begründung kritisieren, dass das Fehlen einer Besicherung durch den Anspruch auf einen höheren Zins nicht zu kompensieren ist. Besicherung und Verzinsung eines Darlehens dienen nämlich verschiedenen Zwe216 MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 245; Scholz/Verse, § 30, Rn. 85; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 162; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 282; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447 f.; Zahrte, Cash Pooling, S. 109. 217 Cahn, Der Konzern 2009, S. 243; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447 f. 218 BGHZ 179, 71, Rn. 10 f. 219 BGHZ 179, 71, Rn. 11. 220 So Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 89, 105 Fn. 392. 221 Winter, DStR 2007, S. 1487 f.; Gehrlein Der Konzern 2007, S. 785; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 205 m.w.N., welcher zur Unterstützung seiner Auffassung über den hohen Zinssatz beim Mangel der Besicherung auf das „MPS“-Urteil hinweist (BGHZ 179, 71, Rn. 10) und es dahingehend interpretiert, dass auch der BGH i.Z.m. der Nichterforderlichkeit von Sicherheiten von angemessener Verzinsung spreche. Dieser Interpretation ist jedoch nicht zuzustimmen, weil der BGH die Verzinsung des Darlehens von der Vollwertigkeit des Darlehens, welche er abhängig von dem Ausfallrisiko bewertet, losgelöst behandelt und nicht mit dem Fehlen einer Sicherheit verknüpft. Ausführlich dazu siehe Kapitel 2, § 2, D., II., 1., d). Vgl. zudem Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785 und Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447, welche äußern, dass Sicherheiten den angemessenen Darlehenszinssatz reduzieren könnten.

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cken. Durch Besicherung eines Darlehens bezweckt man, dass im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers das Ausfallrisiko des Darlehens vermieden wird, während durch die Verzinsung darauf abgezielt wird, dass der hingereichte Betrag mit Blick auf die Inflation nicht an Wert verliert, damit der Rückzahlungsanspruch werthaltig bleibt. III. Bei „Teilwertigkeit“ des Rückerstattungsanspruchs: „Anrechnungslösung“ oder „Alles-oder-Nichts“-Prinzip? Dass im GmbH-Recht – anders als im AG-Recht –222 der gesetzliche Kapitalschutz nur bis zur „Deckung des Stammkapitals“ (§ 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG) erfolgt und die freien Rücklagen der Gesellschaft nicht unter das Kapitalerhaltungsgebot fallen, wirft die Frage auf, ob der Rückgewähranspruch auch dann in seiner ganzen Höhe (zu 100 %) aktivierbar bzw. zweifelsfrei werthaltig sein muss, wenn er zum Zeitpunkt der Valutierung zur Deckung des Stammkapitals nur teilweise erforderlich ist. In diesem Zusammenhang wird im Schrifttum diskutiert, ob bei teilweise fehlender Vollwertigkeit das Privileg des § 30 Abs. 1, S. 2, 2. Alt. GmbHG für die ganze Darlehensvaluta auszuschließen und damit die ganze Darlehenssumme als verbotene Auszahlung anzunehmen oder zumindest der Nennwert der Forderung i.R.d. § 30 Abs. 1, S. 1, 2. Alt. GmbHG zu berücksichtigen ist. Nimmt man an, dass bei teilweiser Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs (z. B. 70 %), zumindest der Nennwert der Forderung i.R.d. § 30 Abs. 1, S. 2, 2. Alt. GmbHG anzurechnen ist („Anrechnungslösung“), dann würde eine unzulässige Auszahlung lediglich in Höhe des bilanziellen, mit Rücksicht auf das konkrete Kreditrisiko erforderlichen Abwertungsbedarfs vorliegen. Lehnt man hingegen die teilweise Berücksichtigungsmöglichkeit ab und geht davon aus, dass der Rückgewähranspruch jedenfalls in seiner ganzen Höhe (zu 100 %) vollwertig sein muss, dann müsste – unabhängig vom Umfang des bilanziellen Abwertungsbedarfs – stets die gesamte Darlehensvaluta als unzulässige Auszahlung angenommen werden („Alles-oder-Nichts“-Prinzip). Diese Frage ist insbesondere bezüglich der Bestimmung des Auszahlungsumfangs und damit des Umfangs des Erstattungsanspruchs gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG von Bedeutung.223 1. Meinungsstand Nach wohl herrschender Ansicht solle der Rückerstattungsanspruch jedenfalls zu 100 % vollwertig sein, auch wenn die Valuta nur teilweise (sogar nur ein Cent!)224 aus gebundenem Vermögen stammen würde und theoretisch nur teilweise zur Stamm222

Bei Aktiengesellschaften herrschen striktere Kapitalbindungsregeln, sodass nur der Bilanzgewinn an die Aktionäre verteilt werden darf, ausführlich dazu nachfolgend Kapitel 2, § 3, A., I. 223 Nachfolgend Kapitel 2, § 2, G., II. 224 Gärtner, Cash Pooling, S. 394 ff.

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kapitaldeckung erforderlich wäre.225 Zur Rechtfertigung dieser Auffassung werden verschiedene Argumente vorgebracht. Man beruft sich dabei einerseits direkt auf den Gesetzeswortlaut („vollwertig“ nicht „teilwertig“),226 andererseits wird vorwiegend auf die kapitalaufbringungsrechtliche Regelung des § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG zurückgegriffen, in der für den Fall des Hin- und Herzahlens auf das „Alles-oderNichts“-Prinzip abgestellt wird.227 Nach dieser Regelung ist für die Befreiung der Bareinlageverpflichtung die uneingeschränkte Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs erforderlich, sodass im Falle der teilweisen Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs eine teilweise Erfüllung der Einlageforderung, also eine Anrechnung nicht möglich ist.228 Dieses Prinzip des § 19 Abs. 5 GmbHG sei auf § 30 GmbHG zu übertragen, um den Gleichlauf der kapitalaufbringungsrechtlichen und kapitalerhaltungsrechtlichen Regelungen zu gewährleisten, weil aus systematischer Sicht für die Kapitalerhaltung nichts anderes gelten könne als für die Kapitalaufbringung. Aus den Gesetzmaterialien gehe nämlich auch diese Intention des Gesetzgebers hervor.229 Ferner ziehen einige Autoren als Begründung des Erfordernisses uneingeschränkter Werthaltigkeit des Rückerstattungsanspruchs die Gefahr der verdeckten Gewinnausschüttung230 und damit einhergehender Haftungsrisiken231 heran. Nach dieser Auffassung würde eine Darlehensgewährung an einen Gesellschafter, die nicht in gesamter Höhe durch einen vollwertigen Rückgewährungsanspruch gedeckt ist, eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen.232 In Folge dessen würde die Haftung des den Kredit gewährenden Geschäftsführers in Betracht kommen, falls er die Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs und damit die 225 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 113; ders., ZIP 2009, S. 53; MünchKommGmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 242; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 27; Baumbach/ Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 55; Spliedt, ZIP 2009, S. 151 f.; Cahn, Der Konzern 2009, S. 70; Bormann/Urlichs, GmbHR-Sonderheft zum MoMiG, 2008, S. 48; wohl auch Rodewald, GmbHR 2009, S. 1305; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 122 ff., 133; Gärtner, Cash Pooling, S. 394, 400 m.w.N. Vgl. MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 199 und Habersack, ZGR 2009, S. 354, welche eine Differenzierung mit Rücksicht darauf machen, ob im Zeitpunkt der Valutierung bereits eine Unterbilanz vorliegt oder nicht, und erst für Darlehensgewährungen bei bestehender Unterbilanz eine uneingeschränkte (100 %) Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs verlangen. 226 So Spliedt, ZIP 2009, S. 151; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 27; kritisch dazu s. Gärtner, Cash Pooling, S. 394 f. 227 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 113; ders., ZIP 2009, S. 53; Lutter/Hommelhoff/ Hommelhoff, § 30, Rn. 27; Bormann/Urlichs, GmbHR-Sonderheft zum MoMiG, 2008, S. 48 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 125 ff.; Spliedt, ZIP 2009, S. 151 f., wonach sich die Gültigkeit vom „Alles-oder-Nichts“-Prinzip aus dem Gesetzeswortlaut, der kein „soweit“ erhält, ergebe. 228 Ausführlich dazu Kapitel 3, § 2, C., IV., 2., a), aa). 229 Ausführlich zu relevanten Erklärungen in den Gesetzmaterialien dazu siehe statt vieler Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 123 ff. 230 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 113; Gärtner, Cash Pooling, S. 398. 231 Gärtner, Cash Pooling, S. 398. 232 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 113; Gärtner, Cash Pooling, S. 398.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Bonität des Gesellschafters pflichtwidrig falsch bewertet habe.233 Ferner wird speziell zum Cash Pooling zur Rechtfertigung der 100 %igen Vollwertigkeit die praktische Schwierigkeit genannt, dass die Geschäftsführer der beteiligten GmbH ggf. bei jedem Liquiditätsabfluss unter dem Aspekt des Kapitalerhaltungsgebots prüfen müssten, ob das gebundene Vermögen tangiert wird oder nicht.234 Die Gegenansicht lehnt hingegen die Übertragbarkeit des „Alles-oder-Nichts“Prinzips des kapitalaufbringungsrechtlichen § 19 Abs. 5 GmbHG auf § 30 GmbHG ab und spricht sich ausgehend von der bilanziellen Betrachtungsweise für die „Anrechnungslösung“ aus, sodass bei teilwertiger Vollwertigkeit die Forderung mit ihrem wirtschaftlichen Wert anzusetzen ist.235 Nach dieser Ansicht weiche vor allem der Wortlaut bzw. die Formulierung des § 30 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. GmbHG von dem Wortlaut des § 19 Abs. 5 GmbH ab, sodass eine zwingende Gleichbehandlung beider Vorschriften nicht geboten sei.236 Außerdem verfolge § 19 GmbHG selbst in den Absätzen 4 (S. 3) und 5 (S. 1) entgegengesetzte Regelungskonzepte, weswegen dabei zur Schaffung einer Einheit zwischen der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung auf diese kapitalaufbringungsrechtliche Norm nicht zurückgegriffen werden könne.237 Zudem seien auch an anderen Stellen die Kapitalaufbringungsregeln strenger als die Kapitalerhaltungsregeln.238 Zutreffend sei dieser Ansicht nach schließlich vielmehr das Verständnis des § 30 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. GmbHG in dem Sinne, dass eine Leistung der Gesellschaft aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen keine Auszahlung darstelle, wenn und soweit sie durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt sei.239 Eine unzulässige Auszahlung und ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG liege demnach bei teilwertiger 233

Gärtner, Cash Pooling, S. 398. Gärtner, Cash Pooling, S. 401. 235 Hirte, ZinsO 2008, S. 691 f.; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 92, 103; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Mülbert/Leuschner, NZG 2009. S. 284; Wilhelmi, WM 2009, S. 1922; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 901 f. mit Fn. 39; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 444; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.51; Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.36; Grunewald, Stellungnahme zum MoMiG, S. 7; Gehrlein/Ekkenga/Simon/Kuntz, § 30, Rn. 47; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 236 f.; Johnen, Cash Pooling, S. 279 ff. 236 Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.51. 237 Mülbert/Leuschner, NZG 2009. S. 284; Wilhelmi, WM 2009, S. 1922; kritisch dazu Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 127 f., welcher zur Rechtfertigung uneingeschränkter Übertragbarkeit von „Alles-oder-Nichts“-Prinzip“ des § 19 Abs. 5 auf § 30 auf dahingehende Gemeinsamkeit der beiden Fälle hinweist, dass bei mangelnder Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs der Gesellschafter nicht imstande sei, den Anspruch auf Ausgleich der Wertdifferenz zu erfüllen. 238 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 444. 239 Hirte, ZinsO 2008, S. 691 f.; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 103; Kiefner/ Theusinger, NZG 2008, S. 804; Mülbert/Leuschner, NZG 2009. S. 284; Wilhelmi, WM 2009, S. 1922; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 901 f.; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 444; Goette/ Habersack/Vetter, Rn. 4.51; Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.36; Grunewald, Stellungnahme zum MoMiG, S. 7; Gehrlein/Ekkenga/Simon/Kuntz, § 30, Rn. 47; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 236. 234

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Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs nicht in Höhe der gesamten Darlehensvaluta vor, sondern lediglich in Höhe des bilanziellen Abwertungsbedarfs. Nach den Vertretern der Anrechnungslösung würde schließlich kein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG vorliegen, solange der Rückgewähranspruch insoweit werthaltig ist, als bei bilanzieller Bewertung das Stammkapital der Gesellschaft nicht beeinträchtigt wird; im Falle der teilweisen Beeinträchtigung des Stammkapitals würde jedoch eine unzulässige Auszahlung und ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG vorliegen, aber nicht in Höhe der gesamten Darlehensvaluta, sondern lediglich in Höhe des bilanziellen Abwertungsbedarfs. Dies lässt sich am folgenden Beispiel darstellen:240 „Gewährt die GmbH dem Gesellschafter ein Darlehen i.H.v. 100, dessen Wert mit 60 anzusetzen ist, so führt die Darlehensgewährung zu einer Eigenkapitalminderung i.H.v. 40. Wies die Gesellschaft vor der Darlehensgewährung freie Rücklagen i.H.v. 20 auf, entsteht eine Unterbilanz i.H.v. 20. Unzulässig ist die Leistung an den Gesellschafter i.H.v. 20. Dieser Auffassung nach würde es der Wertung des Gesetzes nicht entsprechen, wegen fehlender Vollwertigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs eine unzulässige Zahlung i.H.v. 80, also i.H.d. die freien Rücklagen übersteigenden Betrages, oder gar i.H.v. 100 anzunehmen.“ Darüber hinaus wird auch in Frage gestellt, wie es sich verhält, wenn es lediglich an der Verzinsung fehlt. Ist bei fehlender oder unzureichender Verzinsung eine verbotene Auszahlung i.H.d. gesamten Darlehensvaluta oder nur i.H.d. der Gesellschaft entzogenen Zinses anzunehmen? Die herrschende Literaturansicht und der BGH orientieren sich dabei eher an der „Anrechnungslösung“ und nehmen an, dass bei unzureichender oder fehlender Verzinsung eine Auszahlung lediglich in Höhe der Zinsdifferenz vorliege, nicht in Höhe der gesamten Darlehensvaluta, sodass bei mangelnder Verzinsung nur die Zinsdifferenz gemäß § 31 GmbHG (bzw. § 62 AktG) zu verlangen sei.241 Vereinzelt wird dies damit begründet, dass der Zinsanspruch rechtlich gesehen eine „selbständige Verpflichtung“ darstelle, die neben die Rückgewährungspflicht trete.242 Die Verzinsung sei also die Gegenleistung für Kapitalüberlassung und daher vom Rückzahlungsanspruch zu unterscheiden.243 Die Nichtanwendbarkeit des „Alles-oder-Nichts“-Prinzips hierbei sei zudem darauf zurückzuführen, dass das zur Begründung dieses Prinzips genannte Argument bei 240

Das Beispiel stammt aus Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.51. BGHZ 179, 71, Rn. 17, „MPS“; Scholz/Verse, § 30, Rn. 94; Schmolke, § 30, Rn. 99; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 119; Wicke, § 30, Rn. 10; GroßKomm-GmbHR/Habersack, § 30, Rn. 106; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 284; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 26; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 57, Rn. 140; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.67; Cahn, Der Konzern 2009, S. 71; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 131 ff.; Gärtner, Cash Pooling, S. 487 ff. m.w.N. 242 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; vgl. BGHZ 179, 71, Rn. 17 „MPS“, wonach der durch eine unangemessene Verzinsung entstehende Nachteil eine anderer sei „als derjenige eines die gesamte Darlehenssumme ergreifenden, nicht ausgleichsfähigen konkreten Kreditrisikos“. 243 Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 57, Rn. 140; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 26. 241

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einer lediglich mangelnden Verzinsung nicht verfange.244 Denn dem „Alles-oderNichts“-Prinzip liege der Gedanke zugrunde, dass bestehende Vollwertigkeitsmängel eine Forderung insgesamt als minderwertig erscheinen lassen, weil eine Teilbarkeit der Forderung aufgrund von Bonitätsmängeln des Rückgewährschuldners ausgeschlossen sei. Die mangelnde Verzinsung lasse jedoch keine Rückschlüsse darauf zu, dass der Rückgewährschuldner in der Lage ist, die Darlehenssumme zurückzuzahlen, weil die Abschreibung aufgrund mangelnder Verzinsung ja gerade nicht auf dem Risiko beruhe, dass eventuell die gesamte Darlehenssumme nicht erstattet werden kann. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bei grundsätzlich bestehender Vollwertigkeit auch der zusätzliche, deutlich geringere Zinsbetrag geleistet werden könne. Hier zeige sich deutlich die Parallele zur Regelung der verdeckten Sacheinlage, bei der der vorhandene, aber zu geringe Sacheinlagewert ebenfalls keine Rückschlüsse darauf zulässt, ob der Inferent leistungsfähig genug wäre, den Ausgleichsanspruch auf Zahlung der Wertdifferenz zu erfüllen. Die Gegenansicht geht davon aus, dass auch bei lediglich mangelnder Verzinsung das „Alles-oder-Nichts“-Prinzip (von §19 Abs. 5 GmbHG) gilt, sodass bei einer unangemessenen bzw. fehlenden Verzinsung die ganze Darlehensvaluta wegen der Verfehlung des Vollwertigkeitskriteriums als unzulässige Auszahlung anzusehen sei.245 Die Lösung des BGH zu § 311 AktG, in der mangelnden Verzinsung einen von der Darlehensgewährung isolierbaren und daher auch separat ausgleichsfähigen Nachteil zu sehen, sei für § 57 AktG nicht gangbar.246 Die rechtliche Selbständigkeit der Verzinsung sei dabei kein Gegenargument, weil die Zinsforderung zumindest durch das Abzinsungserfordernis auf die bilanzielle Bewertung der Hauptforderung durchschlage.247 Folglich sieht die Gegenansicht den Ausnahmetatbestand des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG dann als nicht erfüllt an, wenn der Rückgewähranspruch mangels angemessener Verzinsung nur geringfügig nicht vollwertig ist.248 Es wird allerdings von den Vertretern dieser Auffassung zugleich darauf hingewiesen, dass, da die Rechtsfolge der §§ 31 GmbHG, 62 AktG – nach moderner und richtiger Auffassung – auf Wertansatz gerichtet sei, man letztendlich über beide Ansichten zum Ergebnis gelange, dass der Schuldner nur für den Zinsnachteil hafte.249

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Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 132 f. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 30; Hirte, ZInsO 2008, S. 692; differenzierend MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 202 f., der sich für die Auszahlung der gesamten Darlehensvaluta nur bei bestehender Unterbilanz ausspricht; zur AG: KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 73; wohl auch MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 171, welcher schon im Ansatz die Anwendung des „Alles-oder-Nichts“-Prinzips für nahliegend erachtet. 246 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 73. 247 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 73; vgl. MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 171. 248 So explizit MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 202, der dies jedoch für den Fall der schon bestehenden Unterbilanz bejaht. 249 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 73; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 171. 245

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2. Stellungnahme Im Rahmen der oben ausgeführten Diskussion ist m. E. der Schutzumfang bzw. -zweck des Kapitalerhaltungsgebots bei der GmbH und damit die Reichweite des Auszahlungsverbots des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG als Ausgangspunkt zu nehmen. Es ist unstrittig, dass durch § 30 GmbHG das Gesellschaftsvermögen – anders als bei der AG –250 nur in Höhe des satzungsmäßig festgestellten Stammkapitals geschützt wird.251 Dementsprechend bezieht sich das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG auf das Kapital, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist, nicht jedoch auf das ganze Gesellschaftsvermögen. Deswegen sollte man den in § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG geregelten Ausnahmetatbestand in Verbindung mit dem Schutzumfang des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG und damit der Reichweite des Auszahlungsverbots betrachten. Vor diesem Hintergrund sollte m. E. der in § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG geregelte, das Auszahlungsverbot beschränkende Ausnahmetatbestand sinngemäß dahingehend interpretiert werden, dass der Rückerstattungsanspruch zumindest so weit werthaltig sein muss, als die Valuta aus dem Stammkapital der Gesellschaft stammt. Da es das Ziel des § 30 GmbHG ist, die bilanzielle Auszahlung des Stammkapitals zu verhindern, sollte die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs der Summe entsprechen, die zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich bzw. genügend ist. Dieses Ergebnis entspricht auch der Bewertung des Gesetzgebers des MoMiG, weil er das Stammkapital ausdrücklich als „bilanzielle Ausschüttungssperre“252 begreift253 und bei bilanzieller Deckung des Stammkapitals keine Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG vorsieht. Dementsprechend sollte man m. E. annehmen, dass kein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG vorliegt, solange der Rückgewähranspruch insoweit werthaltig ist, dass bei bilanzieller Bewertung das Stammkapital der Gesellschaft nicht beeinträchtigt wird. Eine unbeschränkte Forderung auf eine 100 %ige Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs, obwohl das Stammkapital nur teilweise davon betroffen ist, würde hingegen im Grunde über den Schutzumfang des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG hinausgehen, sodass damit nicht nur das für die Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen, sondern – wie bei der AG – auch das darüber hinausgehende Vermögen der Gesellschaft in den Schutzbereich des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG genommen würde. Unter Beachtung der oben dargestellten Ausführungen ist m. E. dem Argument nicht zuzustimmen, das zur Rechtfertigung der 100 %igen Vollwertigkeit auf die Gefahr der verdeckten Gewinnausschüttung hinweist.254 § 30 GmbHG regelt näm250

I. 251

Ausführlich zur umfassenden „Vermögensbindung“ bei der AG siehe Kapitel 2, § 3, A.,

Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 1; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 1; Wicke, § 30, Rn. 1; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 1; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 1 jeweils m.w.N. 252 BegrRegE BT-Drucks, 16/6140, S. 41. 253 Mülbert/Leuschner, NZG 2009. S. 284; Johnen, Cash Pooling, S. 279 f. 254 So Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 113; Gärtner, Cash Pooling, S. 398.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

lich nicht unmittelbar die Frage der verdeckten Ausschüttung, sondern dient unmittelbar dem Schutz des Stammkapitals; hauptsächlich im Gläubigerinteresse.255 Die Figur verdeckter Gewinnausschüttung stellt nämlich keinen Kernbereich dar, die der § 30 GmbHG unmittelbar regelt, sondern sie stellt vielmehr eine potenzielle Gefahr dar, auf die der § 30 GmbHG greift, wenn das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen beeinträchtigt wird. Die Rede ist von einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn außer der förmlichen Gewinnverteilung Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft ohne marktmäßig entsprechende Gegenleistung an Gesellschafter gewährt werden.256 Im Gegensatz zum strikten Verbot bei der AG (§§ 57, 58 Abs. 5 AktG) ist bei der GmbH die verdeckte Gewinnausschüttung grundsätzlich zulässig, solange bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden.257 Als Bewertungskriterien der Zulässigkeit verdeckter Gewinnausschüttung kommen an dieser Stelle unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses der Gesellschafter untereinander, der Gleichbehandlungsgrundsatz, die Treupflicht und die Kompetenzverteilung in Betracht.258 Hinsichtlich des Gläubigerschutzes beurteilt sich die Zulässigkeit der Ausschüttung zwar nach dem Kapitalerhaltungsgrundsatz des § 30 GmbHG,259 aber er greift – entsprechend seinem Schutzumfang – nur und erst dann ein, wenn und soweit das Stammkapital durch die Ausschüttung berührt wird. D. h. solange durch die Ausschüttung die Schutzgrenze, also der zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögensbetrag des § 30 GmbHG – bilanziell gesehen – nicht überschritten wird, kommt der Kapitalerhaltungsgrundsatz des § 30 GmbHG nicht in Betracht. Schließlich ist das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der Auslegung des Vollwertigkeitskriteriums im Rahmen des § 30 GmbHG kein geeigneter Ausgangspunkt, da die Frage des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung eine andere, d. h. von einem Verstoß gegen § 30 GmbHG zu unterscheidende Frage ist.260 Vor dem Hintergrund des Schutzumfangs der kapitalerhaltungsrechtlichen §§ 30, 31 GmbHG ist schließlich m. E. die dahingehende Ansicht zu vertreten, die keine Auszahlung sieht, solange der Rückzahlungsanspruch wenigstens insoweit vollwertig ist, als die Valuta aus gebundenem Vermögen stammt. Allerdings sollte man hier mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis auf die Schwierigkeit hinweisen, dass dies 255 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 1; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30 Rn. 1; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 1; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 1; MHLS/ Heidinger, § 30, Rn. 1. 256 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 29, Rn. 68; MHLS/Salije, GmbHG Kommentar, 2. Aufl., 2010, § 29, Rn. 102. Für ausführliche Beispielsfälle s. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 29, Rn. 69; Roth/Altmeppen/Roth, § 29, Rn. 60 f. 257 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 29, Rn. 71; MHLS/Salije, GmbHG Kommentar, 2. Aufl., 2010, § 29, Rn. 104; vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 29, Rn. 164. 258 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 29, Rn. 164; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 29, Rn. 72 ff. 259 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 29, Rn. 71. 260 So auch vgl. Johnen, Cash Pooling, S. 282 ff.

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die Geschäftsführer der beteiligten GmbH dazu verpflichtet, vor jedem Liquiditätsabfluss unter dem Aspekt des Kapitalerhaltungsgebots zu prüfen, ob und wie stark das gebundene Vermögen tangiert wird.261 Daher könnte die besondere Situation des Cash Pooling-Systems – anders als bei einzelnen Darlehensgewährungen – eine 100 %-ige Vollwertigkeit erforderlich machen.262 IV. Exkurs: Kapitalerhaltungsrechtliche Irrelevanz der Liquiditätslage Vor der Neuregelung wurde im Rahmen von §§ 30 GmbHG a.F., 57 AktG a.F. dem Drittvergleich teilweise eine über den Konditionenvergleich hinausgehende, auch die konkreten Umstände der jeweiligen Gesellschaft in die Betrachtung einbeziehende Funktion beigemessen.263 Es wurde insofern nicht nur untersucht, ob das Rechtsgeschäft mit einem Dritten zu diesen Konditionen abgeschlossen worden wäre, sondern auch, ob die Gesellschaft mit einem Dritten ein solches Rechtsgeschäft unter dem Gesichtspunkt betrieblicher Gründe überhaupt abgeschlossen hätte.264 In diesem Zusammenhang wäre insbesondere die Liquiditätslage der Gesellschaft zu berücksichtigen, sodass die Darlehensvergabe die Liquidität der Gesellschaft nicht hätte beeinträchtigten dürfen. Könnte die Gesellschaft als Folge des Liquiditätsabflusses ihrer eigenen wirtschaftlichen Betätigung nur noch eingeschränkt nachgehen, würde dies unabhängig von den Darlehenskonditionen zur Annahme einer kapitalerhaltungsrelevanten Leistung zwingen.265 Nach der Neuregelung wird jedoch übereinstimmend angenommen, dass die Liquiditätslage der darlehensgewährenden Gesellschaft im Rahmen der bilanziellen Betrachtungsweise in den neuen kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln (§§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG) weder berücksichtigt noch gestützt wird.266 Denn ein strenger Drittvergleich, der die Kreditvergabe unabhängig von der Angemessenheit der Konditionen verbiete, lasse sich angesichts der Betonung der bilanziellen Betrachtungs261

Ausführlich Gärtner, Cash Pooling, S. 401. Gärtner, Cash Pooling, S. 400 f. 263 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283. 264 BGH, v. 01. 12. 1986 – II ZR 306/85 (zur GmbH), NJW 1987, S. 1194, „Leitsatz“: Ob ein normales Austauschgeschäft oder eine verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen vorliegt, richtet sich danach ob ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer unter sonst gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen auch mit einem Nicht-gesellschafter abgeschlossen hätte, ob die Leistung also aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist.“; OLG Hamm, AG 1995, S. 515 (zur AG); MünchKomm-AktG/Bayer, 3. Aufl., 2008, § 57, Rn. 100; GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 50. 265 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283. 266 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919, 1921; Cahn, Der Konzern 2009, S. 14; Baare, Cash-Pooling und die Haftung der Geschäftsführer, S. 137; Schaefer/Steinmetz, WuB II A. § 311 AktG 1.09, S. 191; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177; i.E. Winter, DStR 2007, S 1489; Eusani, GmbHR 2009, S. 516 f.; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 225 f. m.w.N. A.A. Gärtner, Cash Pooling, S. 514 ff., insb. 528 f. 262

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

weise auf das Kapitalerhaltungsgebot nicht stützen.267 Da das im Referentenentwurf vorgeschlagene Kriterium des „Interesses der Gesellschaft“268 gerade nicht Gesetz geworden sei, sei es für die Beurteilung, ob eine Auszahlung vorliegt, nicht entscheidend, ob Darlehenshingabe oder Leistungsaustausch im Interesse der Gesellschaft vorliege; maßgebend sei hier nur, ob die Gegenleistung bzw. der Rückgewähranspruch nach Verkehrswerten gedeckt und vollwertig sei.269 Im Rahmen des Kapitalerhaltungsrechts ist also die Frage, ob mit der Darlehensvergabe betriebsnotwendige Liquidität verloren geht, nicht relevant.270 Mit Blick auf die Frage, wie der Schutz der Liquiditätslage der Gesellschaft dann – insbesondere im mehrgliedrigen faktischen GmbH-Konzern – zu gewährleisten ist, wird im Schrifttum einerseits auf das aus dem Verbandzweck bzw. der Treupflicht abzuleitende Schädigungsverbot hingewiesen,271 andererseits wird ausgeführt, dass dies i.R.d. Verhaltenshaftung der Beteiligten (wegen existenzvernichtenden Eingriffs, § 826 BGB) behandelt werden solle.272 Im AG-Konzern wird jedoch überwiegend angenommen, dass bei Darlehensvergaben die Liquiditätslage der abhängigen AG i.R.d. § 311 AktG geschützt wird.273

E. Zur Frage der Besicherung von Verbindlichkeiten der Betreibergesellschaft Im Rahmen des Cash Pooling fordern Kreditinstitute in der Regel für die von der Betreibergesellschaft in Anspruch genommenen Kredite zusätzliche Sicherheiten, deren Bestellung regelmäßig durch die teilnehmenden Poolgesellschaften erfolgen („aufsteigende Sicherheiten“). Auch wenn die Poolgesellschaften den Sicherheitsvertrag mit der Bank abschließen und davon vor allem die betreffende Bank profitiert, wird bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise damit gleichwohl eine Leistung an die Betreibergesellschaft (i.E. an den herrschenden Gesellschafter)274 erbracht.275

267 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. S. 225 f.; wohl auch i.E. Winter, DStR 2007, S 1489: „Das Kriterium, „ob“ die Gesellschaft ein Darlehen an Dritte vergeben würde, lässt sich weder unter das Vollwertigkeits- noch unter das Deckungsgebot subsumieren“. 268 Im Referentenentwurf wurde für die kapitalerhaltungsrechtliche Zulässigkeit darauf abgestellt, ob die Rechtsgeschäfte mit Gesellschaftern im Interesse der Gesellschaft lagen. Ausführlich zum relevanten Gesetzgebungsprozess Gärtner, Cash Pooling, S. 510 f. 269 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 39. 270 Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 226. 271 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283, 287. 272 Eusani, GmbHR 2009, S. 517. 273 Siehe dazu Kapitel 2, § 3, E., III. 274 Es gelten hierbei auch die Ausführungen zur Zahlungen, die nicht an die Mutter-, sondern an die Betreibergesellschaft fliesen, siehe nachfolgend Kapitel 2, § 2, G., III.

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Deswegen kann die Gewährung einer aufsteigenden Sicherheit grundsätzlich eine Auszahlung i.S.d. § 30 GmbHG (bzw. „Einlagenrückgewähr“ i.S.d. § 57 AktG)276 darstellen.277 Deswegen ist zu untersuchen, wie es sich hinsichtlich der Zulässigkeit der i.R.d. Cash Pooling bestellten Sicherheiten zugunsten der Betreibergesellschaft unter der Neuregelung des MoMiG verhält. I. Berücksichtigung des Freistellungs- oder Rückgriffsanspruchs unter dem „Vollwertigkeitskriterium“ Der Gesetzgeber des MoMiG äußerte sich zwar nicht ausdrücklich zu aufsteigenden Sicherheiten, aber es wird angenommen, dass ein wertungsmäßiger Gleichlauf von Kreditgewährungen und Sicherheitenbestellungen geboten ist und damit die Besicherung des Zielkontos durch die am Cash Pooling beteiligten Konzerngesellschaften an den Wertungen der §§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG gemessen werden soll.278 Demnach kommt es darauf an, ob der der Sicherheit bestellenden Poolgesellschaft zustehende Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruch, welcher der Gesellschaft im Falle der Inanspruchnahme der Sicherheit gegenüber dem Schuldner der besicherten Forderung zusteht, vollwertig ist.279 Ist der Rückgriffsanspruch vollwertig, begründet die Besicherung des Cash 275 Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 237, ausführlich dazu Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 246. 276 MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 185 m.w.N. 277 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 127; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 59; BGH v. 10. 01. 2017 – II ZR 94/15, WM 2017, S. 479 ff., Rn. 15 (zu § 57 AktG, bei dinglicher Sicherheit); BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., Rn. 14 (zu § 30 GmbHG, bei dinglicher Sicherheit). 278 BGH v. 10. 01. 2017 – II ZR 94/15, WM 2017, S. 479 ff., Rn. 17 f. (zu § 57 AktG); BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., Rn. 18 f. (zu § 30 GmbHG); Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 127, 144; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 96; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1295; Cahn, Der Konzern 2009, S. 9; Eusani, GmbHR 2009, S. 799; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 140; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 207; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 59 ff.; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 246; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 237; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 185 ff. m.w.N.; a.A. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 35 f., 44, welcher die Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG bei aufsteigenden Sicherheitsleistungen – aus Vorsichtsgründen – schon im Ansatz für unanwendbar hält. Nach ihm sei zum Interesse des Kapitalschutzes bereits im Zeitpunkt der Sicherheitsgewährung die Verwertung der Sicherheit zu fungieren und von der Wertlosigkeit des Ru¨ ckgriffsanspruchs auszugehen (Rn. 35). Daher seien Sicherheitsleistungen vielmehr ausschließlich an § 30 Abs. 1 S. 1 zu messen. Demnach dürften die Sicherheitsleistungen nur aus dem freien Vermögen der Gesellschaft zulässig erfolgen (Rn. 36, 44). 279 BGH v. 10. 01. 2017 – II ZR 94/15, WM 2017, S. 479 ff., Rn. 18 f.; BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., Rn. 18 f.; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804 f.; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 246; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1067 ff.; MünchKomm-AktG/

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Pools keinen Verstoß gegen das Auszahlungsverbot der §§ 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 1 AktG. Fehlt es an der Vollwertigkeit des Rückgriffsanpruchs, liegt in der Besicherung hingegen eine das Gesellschaftsvermögen mindernde Auszahlung vor. Zu beachten ist hier allerdings, dass in der GmbH – anders als in der AG – noch zu prüfen ist, ob durch diese Sicherheitenbestellung eine Unterbilanz herbeigeführt oder vertieft wird.280 Hinsichtlich der Prüfung der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs gelten die gleichen Grundsätze, die bei der Ermittlung der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs beachtet werden müssen.281 II. Zeitpunkt des Auszahlungsvorgangs Da bei der Bestellung von Sicherheiten in der Regel der Zeitpunkt der „Bestellung“ und derjenige der „Verwertung“ auseinander fallen, war es im Schrifttum insbesondere vor dem MoMiG umstritten, welcher Zeitpunkt bei der Beurteilung der Vollwertigkeit und damit für den Zeitpunkt der Auszahlung maßgeblich sein soll.282 Denn vor allem wirken sich die Sicherheiten bilanziell – anders als Darlehensgewährungen – zunächst nicht aus, sondern erst dann, wenn wegen drohender Inanspruchnahme der Sicherheit eine Rückstellung gebildet werden muss (§ 249 Abs. 1 S. 1 dHGB).283 Dieser bilanzielle Unterschied führte – und führt teilweise immer noch – zu Meinungsverschiedenheiten darüber, zu welchem Zeitpunkt die Vollwertigkeit eines etwaigen Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruchs zu prüfen ist. Hierüber gibt weder der Gesetzeswortlaut noch die Begründung zu MoMiG eindeutigerweise Aufschluss. 1. Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung Die herrschende Ansicht stellt unter dem neuen Recht lediglich auf den Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung ab284 und will damit einen Gleichlauf zwischen der

Bayer, § 57, Rn. 188; Schmidt/Lutter/Bayer, § 57, Rn. 60; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 78, 87. 280 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 97; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 247; BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., Rn. 20. 281 Ausführlich zur Ermittlung der Vollwertigkeit s. Kapitel 2, § 2, D., I. 282 Für die relevanten Diskussionen vor dem MoMiG siehe insb. Komo, GmbHR 2010, S. 231 f. und BGH v. 18.06. 2007 – II ZR 86/06, DStR 2007, S. 1877 f. 283 Ausführlich dazu s. Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1065 ff. 284 Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1295; Kiefner/ Theusinger, NZG 2008, S. 805; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152; Baumbach/ Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 61 ff.; Schmolke, § 30, Rn. 105; Spliedt, ZIP 2009, S. 152; Scholz/ Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 32; Scholz/Verse, § 30, Rn. 103; Baare, CashPooling und die Haftung der Geschäftsführer, S. 146 ff.; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 186; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 61.

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Darlehensgewährung und der Sicherheitenbestellung schaffen,285 die eine Wertungsparallelität haben.286 Auch der BGH hat sich in seinen letzten Entscheidungen zur (dinglichen) Sicherheiten der herrschenden Ansicht angeschlossen.287 Demnach sei zu dem Zeitpunkt der Sicherheitsbestellung zu prüfen, ob mit einer Inanspruchnahme aus der Sicherheit zu rechnen ist. Sei dies zu verneinen, so handele es sich bei der Sicherheitenbestellung entsprechend der vom Gesetzgeber in §§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG geregelten bilanziellen Betrachtungsweise nicht um ein Verstoß gegen §§ 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG, 57 Abs. 1 S. 1 AktG.288 Der Vorgang sei nämlich bilanzneutral, da keine Notwendigkeit bestehe, eine etwaige Inanspruchnahme aus der Sicherheit der Passivseite durch Bildung einer entsprechenden Rückstellung abzubilden.289 Es würden also weder Aktiva abfließen noch ein Passivposten begründet.290 Die Gesellschaft dürfe in diesem Fall vielmehr auf die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Gesellschafters vertrauen, so wie sie dies bei Gewährung eines Darlehens gegen ein vollwertiges Rückzahlungsversprechen tun dürfe.291 Da nach der Begründung spätere, nicht vorhersehbare negative Entwicklungen bzw. bilanzielle Abwertungen nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung führen würden, würden nachträgliche Entwicklungen die Sicherheitsgewährung nicht unzulässig machen.292 Allerdings wird der Geschäftsführer nach den zur Darlehensgewährung aufgestellten Grundsätzen des „MPS“Urteils als verpflichtet angesehen, die Werthaltigkeit des Rückgriffsanspruchs ständig zu beobachten.293 Bei einer sich abzeichnenden Gefährdung des Rückgriffsanspruchs muss der Geschäftsführer (gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG) die Freistellung oder Stellung von Sicherheiten verlangen.294 Sei hingegen mit einer Inanspruchnahme zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung zu rechnen, welche die Bildung einer Rückstellung erfordere, hänge die Zulässigkeit der Sicherungsgewährung i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG (bzw. § 57 Abs. 1 285

MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 189; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 97. 286 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 79 m.w.N. 287 BGH v. 10. 01. 2017 – II ZR 94/15, WM 2017, S. 479 ff., Rn. 15 ff. (zur AG, § 57 AktG); BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., S. 15 ff., 24 (zur GmbH, § 30 GmbHG). 288 MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 186 m.w.N. BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., Rn. 18 f. 289 Drygala/Kremer, ZIP 2007; S. 1295; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805. 290 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 97. 291 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 97; BGH v. 10. 01. 2017 – II ZR 94/15, WM 2017, S. 479 ff., Rn. 18 f.; BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., S. 18 f. 292 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 63; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785; Drygala/ Kremer, ZIP 2007, S. 1295; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., S. 20 f. 293 BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., S. 22 f. 294 BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/16, WM 2017, S. 945 ff., S. 22 ff.; Baumbach/Hueck/ Fastrich, § 30, Rn. 63; Wicke, § 30, Rn. 12.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

AktG) davon ab, ob die Gesellschaft einen bilanziell neutralisierenden, vollwertigen Rückgriffsanspruch gegen den begünstigten Gesellschafter, also bei Cash Pooling gegen die Betreibergesellschaft, habe.295 Sei dies nicht der Fall, so liege in der Bestellung der Sicherheit eine verbotene Leistung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG (bzw. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG) vor.296 2. Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheit Der Gegenansicht zufolge solle jedoch unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber gewünschten bilanziellen Betrachtungsweise der Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheit für maßgeblich erachtet werden.297 Denn eine Auszahlung liege auch bei bereits bestehender Unterbilanz grundsätzlich nur vor, sofern das bilanzielle Vermögen durch die Besicherung gemindert wird. Zu einer Vermögensminderung komme es bei der Besicherung nur und erst, wenn eine Inanspruchnahme aus der Sicherheit zumindest drohe und daher eine entsprechende Verbindlichkeit passiviert werden müsse, die nicht durch einen werthaltigen Freistellungs- bzw. Rückgriffsanpruchs gegen den Gesellschafter gedeckt ist.298 Vorher sei ein Rückgriffsanspruch nicht bilanzierungsfähig.299 Soweit der zu aktivierende Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruch jedoch werthaltig sei und den Passivposten decke, liege keine Auszahlung, sondern eine bloße Aktiv-Passiv-Mehrung vor, die keine Vermögensminderung bewirke. Im Vergleich zur herrschenden Ansicht könnte bei der Zugrundelegung dieses Beurteilungszeitpunkts die Bestellung einer Sicherheit später dann gegen §§ 30 GmbHG, 57 AktG verstoßen, wenn zum Zeitpunkt der Sicherheitsbestellung der Rückgriffsanspruch vollwertig ist, sofern zum Zeitpunkt der späteren Verwertung der Sicherheit kein vollwertiger Rückgriff mehr gegen den Gesellschafter besteht.300 So dürfte, folgt man dieser Ansicht, regelmäßig ein Verstoß gegen §§ 30 GmbH, 57 AktG gegeben sein, weil der Gesellschafter (also die Betreibergesellschaft) zum Zeitpunkt der Sicherheitsverwertung regelmäßig nicht solvent ist und der Rückgewähranspruch damit zwangsläufig nicht vollwertig sein wird.301 Beim Abstellen auf die Bestellung der Sicherheit als maßgeblichen Zeitpunkt dürfte jedoch ein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot auch bei Unterbilanz in der 295

Drygala/Kremer, ZIP 2007; S. 1295; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 97 m.w. N. 296 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 140 f.; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 186 m.w.N. BGH v. 21. 03. 2017 – II ZR 93/ 16, WM 2017, S. 945 ff., Rn. 20. 297 Tillmann, NZG 2008, S. 405; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 249 ff.; Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1068; Goette/Habersack/Wetter, Rn. 4. 79 ff.; ähnlich Kollmorgen/Santelmann/Weiß BB 2009, S. 1819; Komo, GmbHR 2010, S. 233. 298 Tillmann, NZG 2008, S. 405; Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1065, 1068. 299 Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1065, 1068. 300 Komo, GmbHR 2010, S. 234. 301 Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1068.

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Mehrzahl der Fälle nicht vorliegen.302 Denn zu diesem Zeitpunkt sei der Gesellschafter meistens noch solvent, so dass der gegen ihn gerichtete Rückgriffsanspruch vollwertig sei. Dann gelte das Auszahlungsverbot gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG nicht. Die Nichtberücksichtigung der nach der Sicherheitenbestellung eintretenden Umstände, welche zu einer Unterbilanz führen und damit eigentlich einen Verstoß gegen § 30 GmbHG begründen würden, sei unter Gläubigerschutzgesichtspunkten nicht akzeptabel.303 3. Vergleich der Ansichten mit Blick auf ihre Folgen Vorab ist festzuhalten, dass der Streit über den Zeitpunkt der Vollwertigkeitsprüfung und damit der Auszahlung erst dann relevant wird, wenn die Bonität der Betreibergesellschaft am Anfang, also zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung unzweifelhaft ist, sich aber nachträglich verschlechtert, sodass die Poolgesellschaft aus der Sicherheit in Anspruch genommen wird und bei der Betreibergesellschaft mangels Solvenz nicht mehr erfolgreich Rückgriff nehmen kann. Nach herrschender Auffassung, welche den Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung für die Frage der Auszahlung als maßgeblich annimmt, wird ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG (bzw. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG) nicht mehr in Betracht kommen, weil die Bonität der Betreibergesellschaft regelmäßig zum Zeitpunkt der Bestellung nicht in Zweifel stehen würde.304 Vertritt man die Gegenauffassung, die auf den Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheit abstellt, läge hingegen eine Auszahlung zu dem Zeitpunkt vor, in dem die drohende Inanspruchnahme aus der Sicherheit eine entsprechende Rückstellung/Verbindlichkeit passiviert werden muss, weil dafür kein vollwertiger Rückgriffsanspruch vorliegt.305 Stellt man als Beurteilungszeitpunkt auf die Sicherheitsverwertung, wird der Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruch in den meisten Fällen nicht vollwertig, weil die Bank aufsteigende Sicherheiten nur dann in Anspruch nehmen wird, wenn die Betreibergesellschaft kriselt. Bei Zugrundelegung dieses Beurteilungszeitpunkts dürfte dann im AG-Konzern regelmäßig, im GmbHKonzern jedoch erst bei der Beeinträchtigung des gebundenen Vermögens der Poolgesellschaft ein Verstoß gegen Kapitalerhaltungsgebot gegeben sein, weil die Betreibergesellschaft zum Zeitpunkt der Sicherheitsverwertung regelmäßig nicht solvent sein wird.306 Ist die Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung nicht solvent, würde jedoch der Streit an Bedeutung verlieren, weil bereits die Inanspruchnahme aus der Sicherheit drohen würde und es wegen mangelnder Bonität der Be302

Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 249; Tillmann, NZG 2008, S. 405; Komo, GmbHR 2010, S. 233. 303 Komo, GmbHR 2010, S. 233. 304 Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1068; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 249; Tillmann, NZG 2008, S. 405; Komo, GmbHR 2010, S. 233. 305 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 250. 306 Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1068.

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treibergesellschaft an einem vollwertigen Rückgriffsanspruch fehlen würde. So läge, darin stimmen beide Auffassungen überein, zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung eine Auszahlung vor.307 Führt man sich vor Augen, dass Upstream-Sicherheiten in Cash Pool-Konstellationen üblich sind und der Gesetzgeber des MoMiG bei den Änderungen in §§ 30 GmbHG, 57 AktG wesentlich die Ermöglichung der wirtschaftlich vernünftigen Cash Pool-Praxis bezweckte, müsste man m. E. die bilanzielle Betrachtungsweise in einer dem Willen des Gesetzgebers entsprechenden Weise interpretieren, sodass ein Gleichlauf zwischen der Darlehensgewährung und der Sicherheitenbestellung zustande kommt. Vor diesem Hintergrund scheint es dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen, bei der Vollwertigkeitsprüfung auf den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit abzustellen. Zwar ist auch m. E. das Abstellen auf den Zeitpunkt der Bestellung mit dem Gläubigerschutzzweck des Kapitalerhaltungsgebots nicht völlig vereinbar, weil zum Zeitpunkt der Sicherheitsbestellung die Betreibergesellschaft fast immer solvent sein dürfte, sodass ein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot zumeist nicht vorliegen dürfte.308 Allerdings dürfte beim Abstellen auf den Zeitpunkt der Sicherheitsverwertung als Beurteilungszeitraum regelmäßig ein Verstoß gegen §§ 30 Abs. 1 S. 1 GmbH, 57 Abs. 1 S. 1 AktG gegeben sein. Insofern wären die Sicherheitsbestellungen der Poolgesellschaften bei Cash Pooling fast immer unzulässig, weil die Betreibergesellschaft zum Zeitpunkt der Sicherheitsverwertung regelmäßig nicht solvent und damit der Rückgewähranspruch nicht vollwertig sein wird. Daher sollte man auch m. E. unter Beachtung des dahingehenden Willens des Gesetzgebers von MoMiG, das Cash Pooling zu ermöglichen, den Zeitpunkt der Sicherheitsbestellung bei der Beurteilung der Vollwertigkeit des Rückgriffsanspruchs für maßgeblich halten.

F. Handlungspflichten und Haftung der Geschäftsführer der Poolgesellschaft I. Vor der Liquiditätszufuhr auf das Zentralkonto 1. Vollwertigkeitsprüfung Da im Cash Pooling täglich Darlehensvergaben bzw. -annahmen zwischen den einzelnen Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft erfolgen, muss der Geschäftsführer jeder Poolgesellschaft bei jeder erneuten Darlehensgewährung an die Betreibergesellschaft die Vollwertigkeit des (neuen) Rückgewähranspruchs kontrollieren und prognostizieren, ob die Betreibergesellschaft in der Lage ist, das ge-

307

Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 250. So Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 249; Tillmann, NZG 2008, S. 405; Komo, GmbHR 2010, S. 233. 308

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währte Darlehen zurückzuzahlen.309 Im Schrifttum wird übrigens hinsichtlich der Cash Pooling-Praxis teilweise darauf aufmerksam gemacht, dass die allgemeine Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer dabei auch das dem Cash Pooling-System immanente Klumpenrisiko mit zu berücksichtigen habe und angemessene Maßnahmen zu ergreifen seien.310 Falls die Kreditvergabe trotz fehlender Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs erfolgt und dadurch eine Unterbilanz herbeigeführt oder die bereits vorhandene Unterbilanz vertieft wird, also das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen eine Minderung erfährt, liegt eine Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG vor. Dies führt dann zur Haftung der Geschäftsführer vor allem nach § 43 Abs. 3 GmbHG. 2. Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 3 GmbHG § 43 Abs. 3 GmbHG stellt einen gesonderten und speziellen Haftungstatbestand dar, nach dem die Geschäftsführer zum Ersatz verpflichtet sind, wenn Auszahlungen an Gesellschafter entgegen § 30 GmbHG stattgefunden haben.311 Im Vergleich zur allgemeinen Haftung der Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG begründet § 43 Abs. 3 GmbHG eine verschärfte Haftung im Sinne des Schutzes des Stammkapitals im Gläubigerinteresse insofern, als Ersatzansprüche nicht zur freien Disposition der Gesellschafter stehen (§ 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG).312 Zahlungen entgegen § 30 GmbHG sind also auch dann pflichtwidrig, wenn ihnen ein entsprechende(r) Gesellschafterbeschluss bzw. -weisung zugrundeliegt, sofern der Ersatzanspruch zur Gläubigerbefriedigung notwendig ist.313 Die Haftung des Geschäftsführers der Poolgesellschaften aus § 43 Abs. 3 GmbHG kann demnach durch Weisungen der 309 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 108; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 112; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 187; Scholz/Verse, § 30, Rn. 88; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 178; Schmidt/Lutter/Fleisch, § 57, Rn. 58; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 447; Cahn, Der Konzern 2009, S. 69; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 53 f.; Habersack, ZGR 2009, S. 361; ders, in: FS Schaumburg, 2009, S. 1291; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.52; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 153; Gärtner, Cash Pooling, S. 319 ff. A.A. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 38; ders., ZGR 2012, S. 544 ff.; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 85; Erne, GWR 2010, S. 315, welche bezügliche des Zeitpunkts der Vollwertigkeitsprüfung bei Cash Pooling-Systemen auf den Zeitpunkt vom Abschluss des Rahmenvertrags zur Teilnahme am Cash Pooling abstellen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vollwertigkeitsprüfung siehe noch vorstehend Kapitel 2, § 2, D., I., 4. 310 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 77, 157 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 69; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150; Kropff, NJW 2009, S. 815 f.; wohl auch Schmolke, § 30, Rn. 100; vgl. auch Fleischer/ Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 688. Ausführlich zum „Klumpenrisiko“ und zur Diskussion über seine Rolle i.R.d. Vollwertigkeitsermittlung: Kapitel 2, § 2, D., I., 2. 311 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 48; MHLS/Ziemons, § 43, Rn. 493 f. 312 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 48; GroßKomm-GmbHG/Paefgen, § 43, Rn. 254, jeweils m.w.N. 313 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 48.

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Konzernmutter nicht vermieden werden. Solche Weisungen der Gesellschafter sind rechtswidrig und dürfen deshalb von den Geschäftsführern nicht befolgt werden.314 Gewährt daher der Geschäftsführer der Poolgesellschaft in den Cash Pool Darlehen, obwohl Zweifel an der Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche besteht, haftet er für den dadurch entstandenen Schaden nach § 43 Abs. 3 GmbHG. Er kann sich zur Entlastung auch nicht auf den Gesellschafterbeschluss berufen.315 II. Nach der Liquiditätszufuhr auf das Zentralkonto 1. Nachträgliche Beobachtungs- bzw. Reaktionspflicht Die in der Begründung zum MoMiG explizit ausgeführte „stichtagsbezogene“ Ansicht bzw. die „ex-ante Perspektive“ bezüglich des Auszahlungsvorgangs, wonach spätere, nicht vorhersehbare negative Entwicklungen der Forderung gegen den Gesellschafter und bilanzielle Abwertungen nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung fu¨ hren,316 wird sowohl im „MPS“-Urteil des BGH (im Bezug auf die abhängige AG)317 als auch im Schrifttum318 ganz überwiegend akzeptiert. Es wird daher davon ausgegangen, dass, sollte die Darlehensgewährung zum Zeitpunkt der Ausreichung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt sein, die spätere Bonitätsverschlechterung des Darlehensnehmers und die Beeinträchtigung der Vollwertigkeit nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung i.S.d. § 30 GmbHG führen kann. Gleichzeitig wird allerdings sowohl in der Begründung319 als auch im Schrifttum320 und im „MPS“-Urteil321 darauf hingewiesen, dass die Ge314

Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 48. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 129; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 157. 316 BegrRegE MoMiG, BT-Druck. 16/6140, S. 41. 317 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“: „Erscheint dagegen aus der hier allein maßgeblichen exante-Perspektive die Forderung als vollwertig bzw. ein Forderungsausfall unwahrscheinlich, handelt es sich um ein in dieser Hinsicht nicht nachteiliges Rechtsgeschäft auch dann, wenn es später wider Erwarten doch zu einem Forderungsausfall kommt.“ 318 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 109; Scholz/Verse, § 30, Rn. 88; Wicke, § 30, Rn. 11; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.54; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1297; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 161 m.w.N. 319 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41: „Es kann dann aber ein Sorgfaltspflichtverstoß des Geschäftsfu¨ hrers gegeben sein, der diese Forderungen stehen ließ, obwohl er sie hätte einfordern können“. 320 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 111; Scholz/Verse, § 30, Rn. 89; Wicke, § 30, Rn. 11; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; Schmolke, § 30, Rn. 98; Kiefner/ Theusinger, NZG 2008, S. 805; Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.40; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1299; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 161 f. m.w.N. 321 BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“ (zur AG): „Das bedeutet freilich nicht, dass die Verwaltungsorgane der abhängigen Gesellschaft nach einer für diese ex ante nicht nachteiligen Darlehensausreichung keine hierauf gerichteten Kontrollpflichten mehr träfen“. 315

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schäftsführer nach der Valutierung fortwährend die Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche sorgfältig zu beobachten haben. Die spätere Beeinträchtigung der Vollwertigkeit und der Ausfall des Rückgewähranspruchs führt demnach nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung, aber die allgemeine Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer erfordert das Bestehen der Vollwertigkeit des Darlehens nach der Valutierung fortlaufend zu beobachten und bei einer Bonitätsverschlechterung rechtzeitig mit einer Kündigung oder dem Anfordern von Sicherheiten zu reagieren.322 Da die praktische Umsetzung der ständigen Beobachtungs- und Kontrollpflichten insbesondere bei der Cash Pooling-Praxis durch die Geschäftsführer der Poolgesellschaften Schwierigkeiten bereiten kann, wird im Schrifttum seit jeher darauf hingewiesen, dass bei Cash Management-Systemen unter bestimmten Voraussetzungen die Einrichtung eines geeigneten „Informations- oder Frühwarnsystems“ erforderlich sein kann.323 Auch der BGH hat in seinem „MPS“-Urteil zur Konkretisierung der Intensität der Beobachtungspflicht darauf hingewissen, dass bei umfangreichen langfristigen Darlehen oder bei einem Cash Management die Einrichtung eines solchen Systems erforderlich sein könnte.324 Im Zusammenhang mit der Beobachtungspflicht der Geschäftsführer wird im Schrifttum zudem darauf hingewiesen, dass es die Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer erfordert, dass sie schon während der Beitrittsverhandlungen vertraglich hinsichtlich der Aufnahme hinreichender vertraglicher Kündigungsrechte vorsorgen sollten.325 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften eine Sorgfaltspflichtverletzung begehen und sich zum Ersatz des durch den Ausfall des Kredits verursachten Schadens verpflichten, wenn sie ihrer Beobachtungspflicht nicht nachkommen und/oder beim Ausfallrisiko der Darlehensrückzahlungsansprüche nicht mit der Kündigung oder Anforderung von Sicherheiten reagieren. Auch das Unterbleiben der Einführung eines „Informations- oder Frühwarnsystems“ oder generell der Implementierung vertraglicher Vorsorgemaßnahmen, die einer effektiven Durchführung der Kontroll- und Reaktionspflichten dienen, werden schon als ein Sorgfaltspflichtverstoß der Geschäftsführer der Poolgesellschaft gesehen. Entsprechendes gilt sodann, wenn die Geschäftsführer von den vertraglichen Rechten keinen Gebrauch machen oder die überlassenen Informationen nicht ordnungsgemäß verwerten.326 322

BGHZ 179, 71, Rn. 14 „MPS“, GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 111; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 49a; Fleischer, NJW 2009, S. 2341; Altmeppen, ZIP 2009, Rn. 54; ders., NZG 2010, s. 406; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S.161 ff.; ausführlich i.R.d. Cash Pooling Willemsen/ Rechel, GmbHR 2010, S. 352. 323 Bereits vor dem MoMiG; u. a.: Henze, WM 2005, S, 726; Münch.Hdb.AG/Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 62; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 194 ff. 324 BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“. 325 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 113; Scholz/Verse, § 30, Rn. 90; Erne, GWR 2010, S. 316 f.; Muster bei Weitzel/Socher, ZIP 2010, S. 1070. 326 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 113.

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2. Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG Die Haftung des Geschäftsführers für die nicht hinreichende fortlaufende Bonitätsbeobachtung und nicht rechtzeitige Anspruchsverfolgung wird aus der allgemeinen Haftungsnorm des § 43 Abs. 2 GmbHG abgeleitet.327 Da anders als in § 43 Abs. 3 in § 43 Abs. 2 GmbHG eine dahingehende Klarstellung fehlt, dass ein Gesellschafterbeschluss keine haftungsbefreiende Wirkung hat (§ 43 Abs. 3, S. 3 GmbHG), stellt sich in diesem Zusammenhang die entscheidende Frage, ob die Geschäftsführer dabei weisungsgebunden sind bzw. ob sich die Geschäftsführer – in der Phase nach der Valutierung – zu ihrer Entlastung darauf berufen können, dass sie aufgrund einer Weisung der Gesellschafter gehandelt haben. Auch wenn beim GmbH-Recht grundsätzlich von dem Weisungsrecht auszugehen ist, sind diesem im Schrifttum für bestimmte Fälle Grenzen gesetzt. Es wird angenommen, dass die Weisungen, die auf ein Handeln zugunsten der Gesellschafter aber gegen die Gläubigerinteressen gerichtet sind und durch die gleichzeitig entgegen dem Kapitalerhaltungsgebot das Stammkapital angegriffen würde, weder bindend noch haftungsbefreiend seien.328 So wird die haftungsbefreiende Wirkung der Gesellschafterweisungen für den Fall abgelehnt, dass durch die Weisungen die den Gläubigerinteressen dienenden Pflichten des Geschäftsführers, namentlich solche im Rahmen der Kapitalerhaltung, verletzt werden.329 Im Zusammenhang mit der Haftung der Geschäftsführer der Poolgesellschaften aus § 43 Abs. 2 GmbHG – in der Phase nach der Valutierung – wird dementsprechend von der Unverbindlichkeit der Weisungen ausgegangen.330 Demnach müssen die Geschäftsführer bei auftretenden Zweifeln an der Vollwertigkeit – entgegen einem anderslautenden Gesellschaftersbeschluss – mit der Kündigung oder Sicherheitenbestellung der Darlehen reagieren. Die anderslautenden Weisungen seien nicht bindend und würden eine Entlastung der Geschäftsführer nicht zur Folge haben. Anderenfalls gerieten die Geschäftsführer der Poolgesellschaft unmittelbar aus § 43 Abs. 2 GmbHG zwingend in die Haftung, wenn sie der nicht durch Gesellschaf327

GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 111; MHLS/Ziemons, § 43, Rn. 497; Johnen, Cash Pooling, S. 319 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 162; vgl. BGHZ, 179, 71, Rn. 14, „MPS“, (bei der AG wird auch auf die allgemeine Haftungsnorm des § 93 Abs. 1 AktG hingewiesen). 328 MünchKomm-GmbHG/Stephan/Tieves, § 37, Rn. 120; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43, Rn. 62 ff., 64; GroßKomm-GmbHG/Paefgen, § 43, Rn. 266 jeweils m.w.N.; Johnen, Cash Pooling, S. 319 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 163 f.; Winkler/Becker, ZIP 2009, S. 2365; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 901. In diesem Zusammenhang für analoge Anwendung des § 43 Abs. 3 GmbHG: Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 142 f.; ders., NZG 2010, s. 406; ders., ZIP 2009, S. 55. 329 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 43, Rn. 62 ff.; GroßKomm-GmbHG/Paefgen, § 43, Rn. 266 jeweils m.w.N. 330 Johnen, Cash Pooling, S. 319 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 163 f.; Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 354 f.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 129 ff., 131; ders., ZIP 2009, Rn. 55; ders., NZG 2010, s. 406; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 901; Weitzel/Socher, ZIP 2010, S. 1071.

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terweisung abdingbaren Pflicht, in der Unterbilanz die Gesellschaft zu sichern, nicht nachkommen würden.331 3. Haftung unmittelbar nach § 43 Abs. 3 GmbHG beim Stehenlassen der Kündigung Es ist im Schrifttum umstritten, ob das bloße Stehenlassen der Rückforderung des Darlehens nach späterem Wegfall der Vollwertigkeit als eine eigenständige bzw. erneute Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 GmbHG gesehen werden kann. Die Diskussion nach der Qualifizierung des Stehenlassens der Darlehensrückforderung ist mit Blick auf die Haftungsgrundlage des Geschäftsführers der Poolgesellschaft von Bedeutung. Nimmt man nämlich an, dass das bloße Stehenlassen einer verbotenen Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG gleichsteht, würde die Haftung des Geschäftsführers unmittelbar aus § 43 Abs. 3 GmbHG in Betracht kommen, während anderenfalls der Geschäftsführer der Poolgesellschaft aus § 43 Abs. 2 GmbHG haften würde. a) Meinungsstand Vor dem MoMiG wurde überwiegend angenommen, dass das Stehenlassen eines Darlehens, das sich in der Nichtausübung des Kündigungsrechts und Nichtzurückforderung des Darlehens manifestiert, eine eigenständige Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 a.F. GmbHG darstelle.332 Nach der Einführung der „stichtagsbezogenen Ansicht“ durch das MoMiG hinsichtlich der Vollwertigkeitsprüfung und der Zulässigkeit des Darlehens i.R.d. kapitalerhaltungsrechtlichen Vorschriften (§§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG; 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG),333 wird diese Annahme jedoch von einem Teil der Literatur abgelehnt.334 Denn bei der Vollwertigkeitsprüfung und der Frage, ob und wann eine Auszahlung vorliegt, sei nur „der Zeitpunkt der Darlehensgewährung“ maßgeblich, sodass später eintretende Verschlechterungen 331

Johnen, Cash Pooling, S. 320. Mülbert, ZGR 1995, S. 596; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, S. 78; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 26 f.; GroßKomm-GmbHG/Habersack, 1. Aufl., 2006, § 30, Rn. 79 m.w.N. Für ausführliche Erklärungen zu alten Diskussionen s. Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 203 ff. m.w.N. 333 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41: „Spätere, nicht vorhersehbare negative Entwicklungen der Forderung gegen den Gesellschafter und bilanzielle Abwertungen fu¨ hren nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung. Es kann dann aber ein Sorgfaltspflichtverstoß des Geschäftsfu¨ hrers gegeben sein, der diese Forderungen stehen ließ, obwohl er sie hätte einfordern können.“ 334 BGHZ, 179, 71, Rn. 14, „MPS“; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; Schicker/ Blunk, GmbHR 2009, S. 1300; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.57, 4.60; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 450; Habersack, ZGR 2009, S. 361; Johnen, Cash Pooling, S. 313 ff.; wohl auch so Rothley/Weinberger, NZG 2010, S. 1003; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 140 f., insb. 143, welcher sich eher für analoge Anwendung des § 43 Abs. 3 GmbHG ausspricht; zur AG: KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 77; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, § 57, Rn. 35. 332

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der Bonität des Gesellschafters nicht zu einem Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot und zur Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln führe. Die Verletzung der Überwachungspflicht und somit das bloße Stehenlassen der Rückforderung bei späteren negativen Entwicklungen falle dementsprechend nicht in den – kapitalerhaltungsrechtlichen – Haftungsbereich der §§ 43 Abs. 3 GmbHG, 93 Abs. 3 AktG, sondern in den der §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG. Als ein Verstoß gegen §§ 30 GmbHG, 57 AktG wird vielmehr angesehen, dass das Darlehen am Ende der Laufzeit verlängert oder nicht eingefordert wird, wenn es zum relevanten Zeitpunkt an der Vollwertigkeit fehlt.335 Lediglich ein solches Stehenlassen der Valuta sei einer erneuten Auszahlung des Darlehens gleichzustellen, weil erst dann neu über den Rückerstattungsanspruch verfügt wird, der eine neue Prognoseentscheidung erforderlich mache. Nach der Gegenansicht sei jedoch das Stehenlassen einer Kündigungsmöglichkeit einer erneuten Darlehensgewährung gleichzustellen und daher als ein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot anzusehen.336 Der neue Gesetzeswortlaut ändere nämlich nichts daran, dass eine Auszahlung vorliegen kann, wenn der Geschäftsführer die Durchsetzung der Forderung unterlässt, also nicht kündigt, obwohl zum Zeitpunkt, als der Kredit hätte gekündigt werden können, der Anspruch der Gesellschaft nicht mehr vollwertig war.337 Diese Auffassung wird teilweise damit begründet, dass der Gesetzgeber nicht sämtliche spätere, negative Entwicklungen und bilanzielle Abwertungen für die Frage der Auszahlung unberücksichtigt lassen wolle, sondern nur solche, die „nicht vorhersehbar“ seien.338 Daraus lasse sich nicht zwingend folgern, dass damit allein die Vorhersehbarkeit zum Zeitpunkt der Forderungsentstehung angesprochen sei. Da es bei einer Darlehensgewährung um ein Dauerschuldverhältnis gehe, erstrecke sich die Leistungsgewährung über einen längeren Zeitraum. Dies wiederum erfordere es, die Wertentwicklungen der Darlehensforderung laufend zu beobachten. An der „Voraussehbarkeit“ fehle es nur dann, wenn der spätere Vermögensverfall so überraschend und plötzlich eintrete, dass den Geschäftsführern keine Möglichkeit bleibe, die Forderung durch außerordentliche Kündigung fällig zu stellen und geltend zu machen. Die andere Interpretation würde der von dem Gesetzgeber proklamierten bilanziellen Betrachtungsweise nicht entsprechen, weil sich die bilanzielle Betrachtung bei einem Darlehen als Dauerschuldverhältnis nicht 335 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 109; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 43; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785; Scholz/Verse, § 30, Rn. 88; Wicke, § 30, Rn. 11; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 140. 336 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 109; Wicke, § 30, Rn. 11, § 43, Rn. 14; Scholz/Verse, § 30, Rn. 88; Schmolke, § 30, Rn. 97, 99; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 49a; MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 206; MHLS/Ziemons, § 43, Rn. 497; wohl auch MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 243; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 242 f.; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 57; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 161; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 450; Wilhelmi, WM 2009, S. 1920, 1922; wohl ebenso Mülbert/ Leuschner, NZG 2009, S. 284; auch in diese Richtung Gärtner, Cash Pooling, S. 338 ff. 337 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 109. 338 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 242.

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allein auf den Stichtag der Auszahlung beziehe, sondern auf die gesamte Dauer der Leistungsgewährung.339 Auch ein anderer Autor weist darauf hin, dass bei Kreditgeschäften die punktuelle Ausschüttungssperre und eine rein stichtagsbezogene Vollwertigkeitsprognose nach bilanziellen Grundsätzen der Funktion des Kapitalerhaltungsgebots als zentraler Gläubigerschutznorm nicht gerecht werde.340 Denn bei Kreditgeschäften mit Gesellschaftern aus dem gebundenen Vermögen müsse die Einhaltung des Kapitalerhaltungsgebots während der gesamten Dauer des Kreditgeschäfts gewährleistet sein („laufzeitbezogener“ Ansatz). Dieses Erfordernis resultiere aus der Garantiefunktion des Konzepts der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung zugunsten des Gläubigerschutzes. Kapitalerhaltungsrechtlich genüge es nicht, wenn nur zum Zeitpunkt der Valutierung die Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs zweifelsfrei feststeht, weil die Unbedenklichkeit eines Rechtsgeschäfts unter dem Aspekt der §§ 30 GmbHG, 57 AktG erst dann feststehe, wenn das Rechtsgeschäft vollständig abgewickelt sei.341 Ferner wird argumentiert, dass im Stehenlassen der Kündigung keine nachträgliche Qualifizierung als Darlehen ohne vollwertigen Rückzahlungsanspruch vorliege, sondern ein eigener Akt, der eine selbständige Einlagenrückgewähr bezogen auf das Stehenlassen darstelle.342 Bei der Einlagenrückgewähr343 (bzw. Auszahlung) komme es auf eine wertmäßige Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens an. Unter dem Aspekt der bilanziellen Betrachtungsweise sei vom Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung auszugehen, wenn ein konkretes Ausfallrisiko bestehe. Deswegen könne nicht nur bei der Verlängerung oder Nichteinforderung eines Darlehens am Ende der Laufzeit eine Auszahlung vorliegen, sondern auch dann, wenn nach dem Entstehen eines konkreten Ausfallrisikos die Möglichkeit zur Beendigung des Darlehensvertrags nicht genutzt werde.344 Wertungsmäßig mache es nämlich keinen Unterschied, ob Minderung des Gesellschaftsvermögens dadurch eintritt, dass die Zahlung zum Zeitpunkt der eigentlichen Auszahlung nicht durch vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt sei, oder dadurch, dass der Zahlungsanspruch gegen Gesellschafter nicht rechtzeitig realisiert werde. Auch im letzten Fall sei die verschärfte Haftung aus §§ 43 Abs. 3 GmbHG, 93 Abs. 3 AktG angezeigt, wenn der Geschäftsführer entsprechende Maßnahmen einschließlich rechtzeitiger Kündigung bzw. Anspruchsdurchsetzung trotz erkannter oder erkennbarer Beeinträchtigung der Bonität des Darlehensnehmers sorgfaltswidrig unterlasse.345 339 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 243; ebenso Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 785. 340 Gärtner, Cash Pooling, S. 338 ff. 341 Gärtner, Cash Pooling, S. 347. 342 Wilhelmi, WM 2009, S. 1920. 343 Der Verfasser behandelt die Problematik hinsichtlich der AG, Wilhelmi, WM 2009, S. 1920. 344 Wilhelmi, WM 2009, S. 1920. 345 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 49a.

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b) Stellungnahme Die „stichtagsbezogene Ansicht“ der Neuregelung steht m. E. einer dahingehenden Bewertung nicht entgegen, dass auch bei bloßem Stehenlassen der Darlehensforderung eine eigenständige Auszahlung in dem Fall gesehen werden kann, in dem die Geschäftsführer keine Sicherungsmaßnahmen ergriffen haben, obwohl der Ausfall der Forderung vorhersehbar war. Die relevanten Erklärungen in der Begründung sollten nicht in der Weise ausgelegt werden, dass der Fall des „Stehenlassens der Forderung“ bzw. der „Nichtausübung des Kündigungsrechts“ bei der Bonitätsverschlechterung des Darlehensnehmers als ein – eigener – Auszahlungsvorgang komplett ausgeschlossen wird. Denn bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Aussage der Begründung vielmehr eine klärende und differenzierende Funktion derart hat, dass nicht sämtliche spätere, negative Entwicklungen, sondern nur die „nicht vorhersehbare“ Vermögensverschlechterung hinsichtlich eines späteren Auszahlungsvorgangs außer Acht gelassen wird.346 Diese Wortwahl des Gesetzgebers ist m. E. ganz bewusst gewählt, um hervorzuheben bzw. klarzustellen, dass „unvorhersehbare“, also später nicht erkennbare negative Entwicklungen bei der Frage keine Rolle spielen werden, ob eine Auszahlung vorliegt. Durch diese aufklärende Stellungnahme bezweckt der Gesetzgeber m. E. konsequenterweise Gewissheit über den Einfluss der unvorhersehbaren Bonitätsverschlechterungen auf die Zulässigkeit der am Stichtag unproblematischen Darlehensgewährungen zu schaffen. Diese differenzierende Formulierungsweise der Begründung lässt daher eine dahingehende Annahme nicht zu, dass auch bei vorhersehbaren späteren negativen Entwicklungen das Unterlassen der Darlehensrückforderung zwangsläufig keine erneute Auszahlung darstellen würde. Vielmehr ist m. E. eine dahingehende Interpretation plausibler, dass die Kreditvergabe, die am Auszahlungsstichtag nach derzeitigen Tatsachen rechtmäßig war, wegen der späteren und (nur) unvorhersehbaren negativen Entwicklungen nicht rückwirkend für unzulässig erklärt werden kann. Die negativen und durch die Geschäftsleiter erkennbaren bzw. vorhersehbaren Entwicklungen sollten jedoch daraus ausgeschlossen werden. Dementsprechend sollte das sorgfaltswidrige Unterlassen entsprechender Sicherungsmaßnahmen seitens der Geschäftsführer trotz erkannter oder erkennbarer Beeinträchtigung der Bonität des Schuldners als ein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot gesehen werden. Bei dieser Auslegung handelt es sich nicht darum, das am Anfang als gültig geltende Darlehen infolge der nachträglichen negativen Entwicklungen – entgegen dem Willen des Gesetzgebers – später als unzulässig zu erklären. Hierbei liegen nämlich zwei eigenständige Handlungen der Geschäftsführer vor.347 Aktives Handeln: „Darlehensvergabe“ und passives Handeln: „Unterlassen“ der Darlehensrückforderung bzw. Sicherheitenbestellung. Ein Auszahlungsvorgang könnte schon 346

So bereits Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 242. So bereits Wilhelmi, WM 2009, S.1920, der beim Stehenlassen vom Vorliegen eines „eigenen Aktes“ ausgeht. 347

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am Anfang durch eine rechtswidrige Darlehensvergabe (aktives Handeln), aber auch später durch das pflichtwidrige Unterlassen der Darlehensrückforderung (passives Handeln) erfolgen. Hier handelt es sich daher um zwei eigenständige Akte, welche zum selben Ergebnis führen: einem Auszahlungsvorgang. Eine Annahme des Gegenteils würde m. E. dem Kapitalerhaltungsgebot nicht gerecht werden. Unter dem Aspekt des Kapitalerhaltungsgebots und dessen Schutzzwecks macht es nämlich bei einem Darlehensverhältnis keinen Unterschied, ob die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs schon im Zeitpunkt der Mittelabgabe fehlte oder die anfänglich bestehende Vollwertigkeit wegen der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Gesellschafters später beeinträchtigt wurde. In beiden Fällen wird das dem Gläubigerschutz gewidmete Haftungsfond verringert. Im Ergebnis wird es sich unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes gleichermaßen als schädlich erweisen. Deswegen sollte m. E. beim pflichtwidrigen Unterlassen der Kreditkündigung beim (späteren) Fehlen der Vollwertigkeit – genauso wie bei der pflichtwidrigen Verlängerung – angenommen werden, dass eine Auszahlung zu dem Zeitpunkt entstanden ist, als der Kredit mangels Vollwertigkeit hätte gekündigt werden müssen. Aus dieser Perspektive gesehen ist kein gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung zwischen Verlängerung und bewusstem Stehenlassen ersichtlich. Dementsprechend sollte m. E. beim pflichtwidrigen Stehenlassen der Rückzahlungsforderung die Haftung der Geschäftsleiter unmittelbar über §§ 43 Abs. 3 GmbHG, 93 Abs. 3 AktG in Betracht kommen. III. Liquiditätsbeobachtungspflicht gemäß § 64 S. 3 GmbHG Nach der durch das MoMiG eingeführten speziellen „Insolvenzverursachungshaftung“348 in § 64 S. 3 GmbHG (bzw. in § 92 Abs. 2 S. 3 AktG)349 sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen an die Gesellschafter verpflichtet, soweit die Zahlungen zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten. Durch die neue „Insolvenzverursachungshaftung“ von § 64 S. 3 GmbHG soll nach der Gesetzesbegründung das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG insofern ergänzt werden, als § 64 S. 3 GmbHG auch Zahlungen erfassen soll, die zwar das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen nicht antasten, die aber die Zahlungsunfähigkeit herbeifu¨ hren mu¨ ssen und tatsächlich auch herbeifu¨ hren.350 Damit soll sich der erweiterte § 64 GmbHG gegen den Abzug von Vermögenswerten richten, welche die Gesellschaft bei objektiver Be-

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MünchKomm-GmbHG/H.-F. Müller, § 64, Rn. 177 m.w.N. Es wird im Schrifttum zudem davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Norm um einen „Ersatzanspruch eigener Art“ handele: Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 64, Rn. 47; Wicke, § 64, Rn. 26. 349 Zum § 92 Abs. 2 S. 3 AktG siehe Kapitel 2, § 3, F., VI. 350 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46.

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trachtung zur Erfu¨ llung ihrer Verbindlichkeiten benötigt.351 Mit dieser Regelung wird schließlich bezweckt, dass die Schutzlücken geschlossen werden, welche die „bilanzielle Betrachtungsweise“ i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG aufgerissen hat.352 Das Zahlungsverbot der §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 3 AktG hat daher vor allem für solche Zahlungen an Gesellschafter/Aktionäre Bedeutung, die unter dem Gesichtspunkt des §§ 30 GmbHG, 57 AktG nicht zu beanstanden sind, weil sie das bilanzielle Vermögen nicht beeinträchtigen und daher keine Auszahlung i.S.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG darstellen, jedoch durch Entzug von Liquidität zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen.353 Damit kommt den §§ 64 S. 3 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 3 AktG im Rahmen ihrer Anwendungsbereiche die Funktion des „Liquiditätsschutzes“ zu.354 Auch in Cash Pool-Konstellationen sind die Geschäftsführer der Poolgesellschaften von dem Haftungsrisiko aus § 64 S. 3 GmbHG betroffen,355 sodass sie sich wegen der Insolvenzverursachung schadenersatzpflichtig machen können, wenn in Folge der Darlehensgewährungen in den Cash Pool die Zahlungsunfähigkeit356 der Poolgesellschaft eingetreten ist.357 Zur Vermeidung dieser Haftung müssen daher die Geschäftsführer der Poolgesellschaften stets die Liquiditätslage der Gesellschaft beachten und dafür sorgen, dass bei Liquiditätsschwierigkeiten der eigenen Gesellschaft unmittelbar Zahlungen aus dem Cash Pool an sie erfolgen können, damit die Gesellschaft ihre eigenen Verbindlichkeiten rechtzeitig bedienen kann und nicht in Liquiditätsschwierigkeiten bzw. in die Insolvenz gerät.358 Aus § 64 S. 3 GmbHG

351 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46. Mit dieser Regelung werde nach der Aussage des Gesetzgebers einen Teilbereich der Haftung wegen „existenzvernichtenden Eingriffs“ erfasst, aber u¨ berdies ergäben sich auch Parallelen zum sog. „solvency test“. 352 Gärtner, Cash Pooling, S. 537; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 230 ff.; Cahn, Der Konzern 2009, S. 14 (zur Parallelvorschrift § 92 Abs. 2 S. 3 AktG): „Grauzonen“ im Bereich des allgemeinen Verbots der Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 S. 1 AktG. 353 Cahn, Der Konzern 2009, S.14 (zur Parallelvorschrift § 92 Abs. 2 S. 3 AktG). 354 Cahn, Der Konzern 2009, S.14 (zur Parallelvorschrift § 92 Abs. 2 S. 3 AktG). 355 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 64, Rn. 53; Baumbach/Hueck/Haas, § 64, Rn. 124; Wicke, § 64, Rn. 27; Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 351 ff.; Weitzel/Socher, ZIP 2010, S. 1069; Eusani, GmbHR 2009, S. 797; Erne, GWR 2009, S. 388 f.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 158 ff. 356 Zur Frage bzw. Diskussion, ob und wie die Cash Pooling-Forderungen bei der Ermittlung der Zahlungsfähigkeit zu berücksichtigen sind, siehe Saenger/Koch, GmbHR 2010, S. 115 ff. 357 MünchKomm-GmbHG/H.-F. Müller, § 64, Rn. 185; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 64, Rn. 53; Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 351; Weitzel/Socher, ZIP 2010, S. 1069; Eusani, GmbHR 2009, S. 797; Schmolke, § 30, Rn. 100; Saenger/Koch, GmbHR 2010, S. 113; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 159; Cahn, Der Konzern 2009, S. 14 ff.; Altmeppen, in: FS für Hüffer, S. 4 (zur AG), S. 12 (zur GmbH). 358 Im Zusammenhang mit dem Cash Pooling insb. Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 352. Vgl. Altmeppen, in: FS für Hüffer, S. 4 (zur AG), S. 12 (zur GmbH); Roth/Altmeppen/ Altmeppen, § 64, Rn. 76 f. und Gärtner, Cash Pooling, S. 539 ff., wonach diese Liquiditäts-

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folgt mithin für die Geschäftsführer der Poolgesellschaften in Cash Pool-Konstellationen eine umfassende Liquiditäts-Beobachtungspflicht, wonach sie nicht nur die Liquidität der eigenen Gesellschaft, sondern auch die Gesamtliquidität des Cash Pools, der anderen beteiligten Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft fortlaufend überwachen müssen.359 Die Geschäftsführer müssen die Entwicklungen im Cash Pooling genau verfolgen und bei Gefahr der eigenen Liquidität die Teilnahme am Cash Pooling sofort beenden. Da die in diesem Zusammenhang zu erstellenden Liquiditätsprognosen nur auf der Grundlage der entsprechenden Informationen über die Liquiditätsentwicklungen des Cash Pools und der Muttergesellschaft möglich sind, ist es von großer Bedeutung, dass die Geschäftsführer bereits im Vorfeld des Beitritts zu einem Cash Management-System vertraglich für entsprechende Informationspflichten und kurzfristig Kündigungsrechte sorgen.360 Aufgrund des ausdrücklichen Verweises des § 64 Abs. 4 GmbHG auf § 43 Abs. 3 GmbHG können sich die Geschäftsführer zur Ihrer Entlastung nicht darauf berufen, dass sie aufgrund einer Weisung der Gesellschafter gehandelt haben.361 IV. Deliktische Haftung Außer der Haftung aus dem GmbHG droht den Geschäftsführern auch eine Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht. In diesem Zusammenhang könnten die Geschäftsführer strafrechtlich über § 266 StGB362 und bei einem existenzvernichtenden Eingriff in das Gesellschaftsvermögen als Teilnehmer über §§ 826, 830 BGB in Anspruch genommen werden.363

kontrollpflicht der Geschäftsleitung bei Kreditvergaben bereits aus §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 AktG folge. 359 Fleischer, NJW 2009, S. 2341; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 158 f. Ausführlich zu Beobachtungs- bzw. Handlungspflichten der Geschäftsführer der Poolgesellschaften in Cash Pool-Systemen i.R.d. § 64 Abs. 3 GmbHG siehe Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 352 ff. und Erne, GWR 2009, S. 388 f. 360 Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 352 f. 361 BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 47: „Die Weisungsgebundenheit endet jedoch dort, wo der Geschäftsfu¨ hrer durch Ausfu¨ hrung der Weisung eine ihn treffende gesetzliche Pflicht verletzen und sich selbst gegenu¨ ber der Gesellschaft ersatzpflichtig machen wu¨ rde. Dementsprechend schneidet § 43 Abs. 3, auf den § 64 verweist, dem Geschäftsfu¨ hrer den Einwand ab, er habe einen Beschluss der Gesellschafter befolgt.“ 362 Drygala/Staake/Szalai, § 11, Rn. 62; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 160. 363 Drygala/Staake/Szalai, § 11, Rn. 62; Fleischer, NJW 2009, S. 2341; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 160.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

V. Prüfungs- und Kontrollpflicht bei aufsteigenden Sicherheiten Wie bereits dargestellt, besteht in den gesetzlichen Materialien zum MoMiG keine Erklärung zum Zeitpunkt der Auszahlung i.S.d. § 30 GmbHG und damit keine Klärung bezüglich des Beurteilungszeitraums der Vollwertigkeit des Rückgriffsanpruchs bei aufsteigenden Sicherheiten. Es variiert daher der Zeitraum der Vollwertigkeitsprüfung des Rückgriffsanspruchs bei Sicherheiten je nach der Ansicht, die man vertritt. Für den Fall, dass man auf den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit abstellt, wird im Schrifttum von einer zweistufigen Prüfungsweise gesprochen.364 Demnach müsse der Geschäftsfu¨ hrer zunächst pru¨ fen, ob zum Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung nach bilanziellen Grundsätzen mit einer Inanspruchnahme der Sicherheit zu rechnen ist. Sei dies zu verneinen, dann sei der Vorgang bilanzneutral gem. § 249 dHGB und zulässig.365 Sei hingegen mit einer Inanspruchnahme zu rechnen (mit der Folge, dass eine entsprechende Rückstellung gebildet werden muss), dann sei in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Rückgriffsanspruch vollwertig sei.366 Die Vollwertigkeit des Ru¨ ckgriffsanspruchs sei danach also erst und nur dann zu pru¨ fen, wenn Gru¨ nde für eine ku¨ nftige Inanspruchnahme sprechen würden. Manche Autoren hingegen vertreten die Meinung, dass die Vollwertigkeit des Ru¨ ckgriffsanspruchs stets geprüft werden solle.367 Wenn man hingegen auf den Zeitpunkt der Verwertung der Sicherheit abstellt, muss der Geschäftsführer bereits bei der Sicherheitsbestellung eine Prognose vornehmen, inwieweit die Verwertung der Sicherheit zum Zeitpunkt dieser Verwertung, also zu einem bei der Sicherheitsbestellung ungewissen Zeitpunkt, zu einer Unterbilanz führen wird.368 Er muss somit bereits bei Sicherheitsbestellung beurteilen, ob zum Zeitpunkt der Verwertung ein Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter noch vollwertig sein wird. Im Vergleich zur ersten Ansicht stehen die Geschäftsführer bei der Sicherheitsbestellung also vor einer äußerst schwierigen Aufgabe, weil sie eine Prognose darüber abgeben müssen, ob der Rückgriffsanspruch zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme noch vollwertig sein wird.369 Nach herrschender, also auf den Zeitpunkt der Bestellung beruhender Ansicht, können zwar spätere Veränderungen ebenso wenig wie im Fall der Kreditgewährung einen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot begru¨ nden, davon unberührt bleibe aber die nachträgliche Beobachtungs- und Reaktionspflicht des Geschäftsführers.370 364

Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1295; MHLS/ Heidinger, § 30, Rn. 93. 365 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1295. 366 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1295. 367 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 62; Schmolke, § 30, Rn 106; Spliedt, ZIP 2009, 149, 152; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, 148, 152. 368 Komo, GmbHR 2010, S. 232. 369 Komo, GmbHR 2010, S. 232. 370 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 145 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 63; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 98, 111 ff.

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So wird hinsichtlich nachträglicher Kontrollpflichten des Geschäftsführers angenommen, dass er – wie bei der Darlehensvergabe – die Bonität bzw. Liquidität des Gesellschafters ständig unter Kontrolle halten muss, sodass das gebundene Vermögen der GmbH durch die Besicherung nicht angetastet wird.371 Bei Zweifeln an der Solvenz des Gesellschafters (im Cash Pool der Betreibergesellschaft), dessen Kredit besichert wurde, müsse der Geschäftsführer bei Meidung seiner Haftung die Befriedigung oder Besicherung des Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruchs verlangen.372 Da nach dieser Ansicht nachträgliche Verschlechterungen keinen Verstoß gegen § 30 GmbHG darstellen, wird die Haftung des Geschäftsführers für nicht hinreichende Bonitätsüberwachung und Anspruchsverfolgung nicht aus § 43 Abs. 3, sondern aus § 43 Abs. 2 GmbHG gefolgert.373 Die Übertragbarkeit der für den Fall der Darlehensgewährung vorgesehenen nachträglichen Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers auf die Situation der Sicherheitsbestellung und namentlich die Funktionalität einer solchen nachträglichen Beobachtungspflicht bei aufsteigenden Sicherheiten wird allerdings im Schrifttum teilweise in Frage gesellt.374 Dabei wird darauf hingewiesen, dass der gegen den Gesellschafter gerichtete Freistellungs- oder Sicherheitsanspruch meistens nicht durchsetzbar sein werde, weil der Gesellschafter zum Zeitpunkt der drohenden Inanspruchnahme der Sicherheit regelmäßig nicht in der Lage sein werde, diese Ansprüche zu verwirklichen.375 Andererseits würde die Bank der Poolgesellschaft keine Freigabe der Sicherheit im Falle der Bonitätsverschlechterung des Gesellschafters gewähren,376 was letztendlich dazu führen könnte, dass die sicherheitsbestellende Poolgesellschaft den Schaden tragen müsse. Deswegen wird in der Literatur zu Recht betont, dass der Geschäftsführer schon in der Sicherungsabrede Vorkehrungen zum

371 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 145; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 63; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 98, 111; Baare, Cash-Pooling und die Haftung der Geschäftsführer, S. 150. 372 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 145; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 111; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 63. 373 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 63; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 98, 111; Baare, Cash-Pooling und die Haftung der Geschäftsführer, S. 150. A.A. Roth/ Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 145, der für die analoge Anwendung des § 43 Abs. 3 GmbHG plädiert. Ausführlich zur Diskussion über die Haftungsgrundlage des Geschäftsführers beim bloßen „Stehenlassen“ siehe Kapitel 2, § 2, F., II., 3. 374 Kollmorgen/Santelmann/Weiß, BB 2009, S. 1819; Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1069, welche auf den Verwertungszeitpunkt abstellen. 375 Bormann/Urlichs GmbHR Sonderheft MoMiG, 2008, S. 49; Kollmorgen/Santelmann/ Weiß, BB 2009, S. 1819; Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1069; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 146. 376 Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1069; Kollmorgen/Santelmann/Weiß, BB 2009, S. 1819, die außerdem zum Ausdruck bringen, dass die Pflicht des Geschäftsführers bei Kreditvergabe, bereits vertraglich entsprechende Vorkehrungen zu bestimmen, wie Begründung der Informationspflichten des Gesellschafters und besonderer Kündigungsrechte für den Fall der Bonitätsverschlechterung des Schuldners, bei aufsteigenden Sicherheiten schwer umsetzbar sei.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Schutz des Stammkapitals bei Eintritt des Sicherungsfalls treffen solle.377 Es wird zudem argumentiert, dass wenn der Geschäftsführer bei aufsteigenden Darlehen schon dafür haften solle, dass er später mögliche Schadensabwendungsmaßnahmen unterlässt, erst recht dafür haften müsse, dass er bei aufsteigenden Sicherheiten von vornherein jegliche Möglichkeiten einer Schadensabwendung unterlasse.378

G. Erstattungspflicht des Auszahlungsempfängers im Falle verbotener Auszahlung, § 31 Abs.1 GmbHG I. Allgemein Entsteht angesichts mangelnder Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs eine Auszahlung und führt dies zur Unterbilanz oder Vertiefung bereits bestehender Unterbilanz, stellt die Darlehensgewährung einen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot dar. Rechtsfolge der Auszahlung bzw. des Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG ist ein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Rückzahlungsanspruch gemäß § 31 GmbHG.379 Der Anspruch besteht von dem Zeitpunkt an, zu dem nach § 30 GmbHG eine unzulässige Leistung erfolgt ist und wird sofort fällig; er bedarf keines weiteren Gesellschafterbeschlusses.380 Von großer Bedeutung hierbei ist die Frage, ob die Erstattungspflicht erlischt, wenn sich die finanzielle Situation der Gesellschaft, die nach § 31 Abs. 1 GmbHG einen Rückzahlungsanspruch hat, bessert und dadurch zwischenzeitlich das Stammkapital wieder aufgefüllt wird. Anders als früher381 gehen die Rechtsprechung und die herrschende Meinung jetzt davon aus, dass der einmal entstandene Rückzahlungsanspruch nicht automatisch wegfallen solle, auch wenn das Stammkapital 377 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 85; Sutter/ Masseli, WM 2010, S. 1069; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 146. 378 Sutter/Masseli, WM 2010, S. 1069. 379 BGHZ 31, 258, Rn. 265, „Lufttaxi“; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 31, Rn. 3; Lutter/ Hommelhoff/Hommelhoff, § 31, Rn. 2; Scholz/Verse, § 31, Rn. 5 jeweils m.w.N. 380 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 31, Rn. 5; Ulmer/Hommelhoff/Hommelhoff, § 31, Rn. 11. 381 Es wurde früher lange Zeit die Auffassung vertreten, dass der einmal entstandene Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG wegen „Zweckerreichung“ wegfiele, wenn das Stammkapital der Gesellschaft auf andere Weise nachhaltig wieder aufgefüllt werde, BGH 11. 05. 1987 – II ZR 226/86, m.w.N. (ZIP 1987, S. 1114): „Die Verpflichtung des Gesellschafters, der GmbH zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliches Vermögen zu erstatten, entfällt, sobald und soweit das angegriffene Gesellschaftskapital bis zur Höhe der Stammkapitalziffer zeitlich nach der Auszahlung auf andere Weise nachhaltig wiederhergestellt ist. … Dieser Wegfall ergibt sich aber aus dem Zweck der Erstattung, das durch die Entnahme angegriffene Gesellschaftskapital bis zur Höhe der Stammkapitalziffer wiederherzustellen. Sobald und soweit in der Zeit nach der Entnahme die Unterbilanz oder Überschuldung durch Gewinne, Auflösung von Rückstellungen etc. nicht nur für den Augenblick, sondern nachhaltig beseitigt und damit der im Interesse der Gläubiger mit der Erstattung verfolgte Zweck anderweitig erreicht worden ist, bedarf es ihrer nicht mehr, so daß der Anspruch entfällt.“

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zwischenzeitig wiederhergestellt würde.382 Unter Beachtung der herrschenden Meinung müsste dann die nachträgliche Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs und damit die nachträgliche Deckung des Stammkapitals den einmal entstandenen Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG nicht mehr zum Erlöschen bringen, auch wenn die nachträglich eingetretenen Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG den Bedarf für einen Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG aus Sicht der Gläubigerinteressen zum Wegfall gebracht haben.383 II. Inhalt und Umfang der Erstattung Da es beim Cash Pooling stets ums Geld geht, ist der Rückerstattungsanspruch i.R.d. § 31 GmbHG beim Cash Pooling auf die Rückzahlung der verbotswidrigen Auszahlung und damit auf eine Geldleistung gerichtet.384 Nach der allgemeinen Literatur zum Umfang des Rückgewähranspruchs i.S.d. § 31 Abs. 1 GmbHG ist nach dieser Vorschrift der empfangene Betrag zurückzuerstatten, soweit er zur Auffüllung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens benötigt wird.385 D. h. wenn eine Auszahlung zum Teil aus Mitteln bestritten wird, die den Deckungsbestand des Stammkapitals übersteigen, verstößt nur der darüber hinausgehende Anteil der Auszahlung gegen § 30 Abs. 1 GmbHG, so dass auch nur dieser Teil zu erstatten ist, nicht etwa der erlangte Geldbetrag in voller Höhe.386 Zahlt z. B. eine Gesellschaft, die freie Rücklagen in Höhe von 20.000 E hat, an einen Gesellschafter 50.000 E ohne Gegenleistung, ist gemäß § 31 Abs. 1 nicht der ganze ausgezahlte Betrag (50.000 E) zu erstatten, sondern nur der das Stammkapital betreffende Betrag, also 30.000 E.387 Denn die komplette Rückerstattung entspreche nicht dem GmbHRecht, sondern dem AG-Recht, wobei nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG der Gesellschaft alles zurückzugewähren ist, was nicht von der regulären Gewinnausschüttung ent382 BGHZ 144, 336, Rn. 340 f., „Balsam/Procedo I“ (NJW, 2000, S. 2577 ff.). Mit diesem Urteil (vom 29. 5. 2000) hat der BGH seine alte Rechtsprechung (siehe die obige Fußnote) zur Bestandsdauer des Anspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG geändert; dies bestätigt BGHZ 193, 96, Rn. 28 ff. (WM, 2012, S. 1037). MHLS/Heidinger, § 31, Rn. 38 f.; Ulmer/Hommelhoff/ Hommelhoff, § 31, Rn. 12; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 31, Rn. 17; GroßKomm-GmbHG/ Habersack, § 31, Rn. 28 ff.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 31, Rn. 17. 383 A.A. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 31, Rn. 18 und Gärtner, Cash Pooling, S. 429, denen zufolge der sich aus mangelnder Solvenz des Gesellschafters ergebende Anspruch nicht mehr gerechtfertigt sei, da bei der nachträglichen Solvenz des Gesellschafters die durch §§ 30, 31 geschützten Gläubigerinteressen nicht mehr gefährdet seien. 384 Statt vieler Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 155. Zur allgemeinen Diskussion, ob sich der Rückgewähranspruch bei verbotswidrigen Erwerbsgeschäften auf das „Erlangte“ oder auf bloßen „Wertansatz“ richtet, siehe GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 31, Rn. 23 ff. 385 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 31, Rn. 13; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 31, Rn. 22; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 31, Rn. 8; MHLS/Heidinger, § 31, Rn. 29. 386 MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 31, Rn. 8. 387 Für das Beispiel: GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 31, Rn. 22.

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stammt (§ 57 Abs. 3 AktG).388 Bei dem darüber hinausgehenden Betrag greifen die Grundsätze über die verdeckte Vermögensverlagerung389 oder ggf. die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht390 ein. Umstritten ist allerdings im Schrifttum der Umfang des Rückerstattungsanspruchs bei Upstream-Darlehen für den Fall, dass der Darlehensrückgewähranspruch nicht vollwertig, sondern nur teilwertig ist. Denn – wie schon ausführlich dargestellt – besteht im Schrifttum keine Einigkeit darüber, ob bei teilweiser Abdeckung der Darlehensvaluta durch den bilanziellen Wert des Ru¨ ckzahlungsanspruchs die ganze Darlehensvaluta oder nur der das Stammkapital beeinträchtigte Teil verbotswidrig und damit zurückzugewähren ist.391 Nach der Ansicht, die 100 %ige Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs für den Eintritt des Ausnahmetatbestandes des § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG für erforderlich sieht, ist der Auszahlungsbetrag in voller Höhe zu erstatten, auch wenn die Valuta nur teilweise aus gebundenem Vermögen stammen würde und theoretisch nur teilweise zur Stammkapitaldeckung erforderlich wäre. Nach der Gegenansicht ist jedoch bei der Teilwertigkeit die Forderung mit ihrem wirtschaftlichen Wert anzusetzen, sodass nur der Teil zurückzuerstatten sei, der zur Deckung des Stammkapitals benötigt wird. Schließlich, da im Schrifttum keine Einigkeit über den Umfang des Rückerstattungsanspruchs bei UpstreamDarlehen für den Fall der Teilwertigkeit des Rückgewähranspruchs besteht, bedarf es einer höchstrichterlichen Abklärung in diesem Sinne. III. Zur Besonderheit des Schuldners des Erstattungsanspruchs im Cash Pooling Auch wenn § 31 Abs. 1 GmbHG den Anspruchsschuldner nicht ausdrücklich nennt, wird insbesondere beruhend auf der Anknüpfung an § 30 GmbHG („Auszahlung an Gesellschafter“)392 davon ausgegangen, dass der Schuldner des Erstattungsanspruchs grundsätzlich der Gesellschafter ist, der die verbotene Auszahlung empfangen hat393 oder dem die Zuwendung der Gesellschaft an einen Dritten zuzurechnen ist.394 Bei einem Cash Pooling muss der Zahlungsempfänger nicht immer der Gesellschafter, also die Muttergesellschaft sein. Zwar erfolgt die Darlehensgewährung hauptsächlich stets zugunsten der Muttergesellschaft, aber in der Praxis ist es üblich, dass der Cash Pool regelmäßig bei einer Betreibergesellschaft angesiedelt 388

MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 31, Rn. 8. GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 31, Rn. 22. 390 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 31, Rn. 13. 391 Ausführlich zur Diskussion Kapitel 2, § 2, D., III. 392 Scholz/Verse, § 31, Rn. 9. 393 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 31, Rn. 8; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 31, Rn. 2; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 31, Rn. 6; Scholz/Verse, § 31, Rn. 9; MHLS/Heidinger, § 31, Rn. 14. 394 Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 31, Rn. 6 m.w.N. 389

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ist, die an den Poolgesellschaften nicht beteiligt ist und somit aus deren Sicht in der Position einer Schwestergesellschaft steht. Deswegen können im Rahmen des Cash Pooling mit Blick auf den Schuldner des Erstattungsanspruchs verschiedene Fallkonstellationen entstehen, die getrennt zu behandeln sind. 1. Verwaltung des Cash Pools durch die Muttergesellschaft Im Falle, dass der Cash Pool unmittelbar durch die Muttergesellschaft geführt und die Mittel direkt durch die Tochtergesellschaften an sie zugewiesen werden, stellt sich die Situation als unproblematisch dar. Denn bei dieser Konstellation wird die Liquidität direkt an die Muttergesellschaft abgeführt, die sowohl unmittelbare Gesellschafterin als auch die Empfängerin der verbotenen Leistung ist.395 Die Muttergesellschaft ist daher die Schuldnerin des Anspruchs aus § 31 Abs. 1 GmbHG. Komplexer ist hingegen die Situation in mehrstufigen Konzernstrukturen, in denen die Auszahlung durch eine Enkelgesellschaft an die Muttergesellschaft geleistet wird. In diesem Fall kommt sowohl eine Haftung des an der Enkelgesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafters (abhängige Tochtergesellschaft) als auch eine Haftung des mittelbar beteiligten Gesellschafters (herrschende Muttergesellschaft) in Betracht. Hinsichtlich der Verantwortung der unmittelbar beteiligten Tochtergesellschaft wird im Allgemeinen überwiegend angenommen, dass sie dann gemäß § 31 GmbHG haftet, wenn die Auszahlung an ihren Gesellschafter (Muttergesellschaft) auf seine Veranlassung oder in ihrem Einverständnis erfüllt sei.396 Was das Cash Pooling betrifft, ist davon auszugehen, dass die Teilnahme der Enkelgesellschaft an dem Cash Pool und damit die Auszahlung an die mittelbare Gesellschafterin, also an die Muttergesellschaft, durch die unmittelbare Gesellschafterin (Tochtergesellschaft) veranlasst wird. Denn die Teilnahme der Enkelgesellschaft an dem Cash Pooling-Verfahren erfolgt im Regelfall durch die Unterzeichnung des Cash Pooling-Rahmenvertrags, der von der unmittelbaren Gesellschafterin, also der Tochtergesellschaft vermittelt wird, die wiederum auf Weisung der Muttergesellschaft handelt.397 Die Tochtergesellschaft ist folglich in einem Cash Pooling die Veranlasserin, die für die Leistungen der Enkelgesellschaft gemäß §§ 30, 31 GmbHG haftet.398 In Betracht kommt zudem die Haftung der Muttergesellschaft. 395 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 28; Zahrte, Cash Pooling, S. 124; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 128. 396 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 28 und § 31 Rn. 13; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 78; Scholz/Verse, § 30, Rn. 49; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 55; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, § 30, Rn. 10; a.A. Fleck, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 416, der die Inanspruchnahme der Tochtergesellschaft mit der Begründung ablehnt, dass sich das Vermögen der Tochtergesellschaft durch die Leistung der Enkelgesellschaft nicht vermehre, sondern sich im Gegenteil durch die Verminderung ihrer Anteile an der Enkelgesellschaft vermindere. 397 Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 130. 398 Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 130; im Ergebnis auch Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 224 f.

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Als Betreiberin des Cash Pools ist die Muttergesellschaft zwar die Empfängerin der Liquidität, aber sie ist nicht unmittelbare, sondern mittelbare Gesellschafterin der Enkelgesellschaft. Nach wohl allgemeiner Ansicht haftet auch die Muttergesellschaft selbst hierbei gemäß § 31 GmbHG, wenn sie auf die Tochtergesellschaft, die an der Enkelgesellschaft ummittelbar beteiligt ist, einen beherrschenden Einfluss ausübt.399 Die Rechtsprechung stellt jedoch in diesem Zusammenhang eher auf das Vorliegen einer „maßgeblichen“ Beteiligung ab.400 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass beim Cash Pooling sowohl die Tochtergesellschaft als auch die Muttergesellschaft zur Rückerstattung der verbotenen Auszahlung gegenüber der ausgezahlten Enkel-Poolgesellschaft verpflichtet ist.401 2. Verwaltung des Cash Pools durch eine Betreibergesellschaft Wie oben kurz erwähnt, ist es in der Praxis des Cash Pooling eher eine Ausnahme, dass die Liquidität bei der Muttergesellschaft gebündelt wird. Der Cash Pool wird zumeist durch eine eigens von der Muttergesellschaft zu diesem Zweck gegründete Betreibergesellschaft verwaltet.402 Führt die Tochtergesellschaft die Liquidität an die Betreibergesellschaft, so erfolgt die Leistung theoretisch an eine Schwestergesellschaft. In diesem Fall stellt sich die Situation komplexer dar, weil sowohl die gewährende als auch die empfangende Gesellschaft Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft sind.403 In dieser Fallkonstellation kommt zunächst die Haftung der gemeinsamen Muttergesellschaft in Frage. Im Allgemeinen kommt nach der wohl überwiegenden Meinung die Muttergesellschaft als Anspruchsschuldner in Betracht, obwohl nicht sie, sondern ein Dritter der Auszahlungsempfänger ist, wenn die Leistung an den Dritten wegen dessen wirtschaftlicher Nähe zum (Mutter-)Gesellschafter diesem als Auszahlung zugerechnet werden muss.404 Dabei muss auch als Zurechnungskriterium darauf geachtet werden, ob die Leistung an Dritte durch den Gesellschafter veranlasst wurde und er damit begünstigt wurde.405 In der besonderen Konstellation von Cash Pooling ist demnach davon auszugehen, dass die Muttergesellschaft als 399

Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 28; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 78; Gehrlein/Ekkenga/Simon/Kurz, S. 30, Rn. 69; Scholz/Verse, § 30, Rn. 52. 400 BGH 22. 10. 1990 – II ZR 238/89, NJW 1991, S. 1059: „unmittelbar oder mittelbar maßgeblich“; klarstellend erklärend BGH 21. 6. 1999 – II ZR 70/98, NJW 1999, S. 2822: „Mehrheitsbeteiligung, 51 %“. 401 Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 132; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 224 f.; Zahrte, Cash Pooling, S. 124. 402 Siehe Kapitel 1, § 1, B., V., 1. 403 Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 132. 404 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 31, Rn. 13; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 31; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 22. 405 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 48; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 31, Rn. 13.

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Veranlasserin der Auszahlungen aus § 31 Abs. 1 GmbHG haftet.406 Denn obwohl die Auszahlungsempfängerin dabei die das Cash Pooling betreibende Gesellschaft ist, wird sie durch die Konzernmutter mit dem besonderen Zweck gegründet, dass sie die zentrale Konzernfinanzierung anstatt der Konzernmutter verwaltet. Die Veranlassung der Muttergesellschaft ist in der Vermittlung der vertraglichen Teilnahme der Konzerngesellschaften am Cash Pooling zu sehen.407 Es ist umstritten, ob die Betreibergesellschaft des Cash Pools als eine weitere Schuldnerin des Anspruchs aus § 31 GmbHG in Betracht kommt. § 31 GmbHG bezieht sich auf § 30 GmbHG, welcher wiederum als Adressat des Auszahlungsverbots auf den Gesellschafter hindeutet. Da die Betreibergesellschaft normalerweise keine Gesellschafterstellung bei der leistenden Poolgesellschaft hat, stellt sie sich als ein Dritter dar und daher ist gemäß § 31 GmbHG grundsätzlich nicht verpflichtet.408 Die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur machen jedoch davon eine Ausnahme und weiten die Haftung auch auf die Schwestergesellschaften aus.409 Der BGH nimmt an, dass eine Auszahlung auch dann gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoße, wenn die Gesellschaft die Auszahlung einem Unternehmen erbringe, an dem ihr Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sei.410 Demzufolge müsse für die Schwestergesellschaft das Gleiche gelten wie für die Muttergesellschaft. Die Vertreter einer anderen Ansicht lehnen jedoch die Haftung der Schwestergesellschaft gemäß § 31 GmbHG ab.411 Dies wird einerseits damit begründet, dass die Schwestergesellschaft selbst bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht mit Risikokapital an der leistenden Tochtergesellschaft beteiligt sei,412 andererseits damit, dass sich ihre Haftung nach den allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts richte.413 Zwar ist die Betreibergesellschaft weder unmittelbare noch mittelbare Gesellschafterin der leistenden Gesellschaft und fällt deswegen grundsätzlich nicht unter 406 Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 29; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 312 f.; Sieder, Cash Pooling im GmbHKonzern, S. 223. 407 Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 133; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 223. 408 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 31, Rn. 10; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 31, Rn. 4; ders., in FS für Kropff, S. 647 ff.; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 31, Rn. 6. 409 BGHZ 81, 311, Rn. 315 ff.; BGH, 22. 10. 1990 – II ZR 238/89, NJW 1991, S. 1059; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 169; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 29 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 79; Zahrte, Cash Pooling, S. 126. 410 BGH 22. 10. 1990 – II ZR 238/89, NJW 1991, S. 1059. 411 MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 182; GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 79; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 30, Rn. 28; Scholz/Verse, § 30, Rn. 48; MünchKomm-AktG/ Ekkenga, § 30, Rn. 182; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 65. 412 MHLS/Heidinger, § 30, Rn. 182; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 65 f.; MünchKomm-AktG/Ekkenga, § 30, Rn. 182 413 Scholz/Verse, § 30, Rn. 53; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 281 f.

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den Anwendungsbereich des § 31 GmbHG. Allerdings ist, um dem Schutzzweck der Kapitalerhaltungsvorschriften tatsächlich gerecht zu werden und damit die Umgehung der Wirkung des § 31 GmbHG zu verhindern, m. E. der Gesetzeswortlaut nach Sinn und Zweck der Vorschrift auszulegen und jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu bewerten, ob neben der Muttergesellschaft auch die Schwestergesellschaft selbst im Rahmen von § 31 GmbHG zur Rückgewähr verpflichtet ist. Denn die Muttergesellschaft könnte die Zuwendungen an eine Schwestergesellschaft absichtlich veranlassen und die ausgezahlten Mittel bei ihr verlagern, sodass sie selbst über keine Mittel verfügt und damit die Rückgewährpflicht umgeht. Aus diesem Grund sollte im Einzelfall überprüft werden, ob die Zuwendungen an eine Schwestergesellschaft auf Veranlassung der Muttergesellschaft erfolgen und dies der Muttergesellschaft die Umgehungsmöglichkeit verschafft.414 Im Lichte des Gesagten rückt die Notwendigkeit der Mithaftung der Betreibergesellschaft im Cash Pooling in den Vordergrund. Denn hier wird die Betreibergesellschaft auf Veranlassung der Muttergesellschaft zumal zum Zwecke der Verwaltung der im Rahmen des Cash Pooling geleisteten Mittel gegründet. Auch wird das ganze Kapital dorthin verlagert. Würde man die Betreibergesellschaft angesichts mangelnder Gesellschafterstellung aus der Haftung freistellen, so würde man die Muttergesellschaft in die Lage versetzen, durch die Einschaltung der Betreibergesellschaft insbesondere für den Fall, dass sie wirtschaftlich kriselt, die Rückgewährpflicht zu umgehen. Deswegen sollte die Betreibergesellschaft mit der Muttergesellschaft gesamtschuldnerisch haften.415 3. Zwischenergebnis Im Falle der Verwaltung des Cash Pools durch die Muttergesellschaft haftet diese, jedenfalls gemäß § 31 GmbHG gegenüber der Tochtergesellschaft für die Rückzahlung. Erfolgt die Auszahlung durch eine Enkelgesellschaft, so haftet neben der Muttergesellschaft auch die Tochtergesellschaft. Wird der Cash Pool durch die Betreibergesellschaft geführt, wird sowohl die Muttergesellschaft als auch die Betreibergesellschaft zur Rückerstattung von verbotenen Auszahlungen gegenüber der Tochtergesellschaft gemäß § 31 GmbHG verpflichtet. Das Gleiche gilt auch für die Liquiditätsgewährung, die durch die Enkelgesellschaft erfolgt. Allerdings haftet hier dann auch die Tochtergesellschaft neben der Muttergesellschaft und der Betreibergesellschaft.

414 So auch Zahrte, Cash Pooling, S. 126; vgl. Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 134. 415 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, S. 41; Makowski, Cash-Management in Unternehmensgruppen, S. 169; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 30; Zahrte, Cash Pooling, S. 126; Gudlick, Gläubigerschutz und Gesellschafterhaftung beim Cash Pooling, S. 134; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 223; so i.E. Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 79.

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H. Verantwortung der Konzerngeschäftsleiter hinsichtlich der Überwachung der Vollwertigkeit in der Praxis des Cash Pooling? I. Einleitung Wie oben schon erklärt, trifft die Pflicht, die Vollwertigkeit von Rückerstattungsansprüchen vor und nach der Ausreichung der Darlehen in den Cash Pool zu überprüfen bzw. zu überwachen, nach herrschender Auffassung die Geschäftsführung der teilnehmenden Poolgesellschaften.416 Im Schrifttum wird es allerdings teilweise für erforderlich gehalten, dass auch auf Seiten der Geschäftsführung des herrschenden Unternehmens entsprechende Überprüfungs- bzw. Überwachungspflichten bezüglich der Vollwertigkeit bestehen.417 Dabei wird insbesondere darauf hingewiesen, dass bei Cash Pool-Konstellationen die Überprüfung der Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche und damit der Bonität der Betreibergesellschaft bzw. Konzernmutter seitens der Geschäftsleitung der Poolgesellschaften mit praktischen sowie ökonomischen Schwierigkeiten verbunden sei und daher in den meisten Fällen eine effiziente Überprüfung durch die Geschäftsleitung der Poolgesellschaften nicht möglich sei. Aufgrund der Konzentration des Finanzwesens des gesamten Konzerns bei der Konzernmutter seien eher die Konzerngeschäftsleiter – im Vergleich zu den Organwaltern der abhängigen Poolgesellschaften – viel besser in der Lage, die wirtschaftliche Situation der Konzernmutter bzw. des gesamten Konzerns zu überwachen. Die Inanspruchnahme der Konzerngeschäftsleiter des herrschenden Unternehmens gewinnt für die Poolgesellschaften für den Fall an Bedeutung, dass die Muttergesellschaft insolvent ist.418 In einem solchen Fall bleibt nämlich den Poolgesellschaften als einzige Möglichkeit, die Konzerngeschäftsleiter in Anspruch zu nehmen. Fraglich und umstritten ist jedoch an dieser Stelle, wie sich eine Pflicht der Konzerngeschäftsleitung zur dauerhaften Überprüfung der Vollwertigkeit von Rückgewähransprüchen der Poolgesellschaften bei einem faktischen GmbH-Konzern rechtlich begründen lässt.

416

Siehe Kapitel 2, § 2, F., I. und II. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 132 ff.; ders., ZIP 2009, S. 55; ders., NZG 2010, S. 406; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 40a; Gärtner, Cash Pooling, S. 279, 412 ff.; Johnen, Cash Pooling, S. 296 ff.; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 188 ff.; Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 354; Schickerling/Blank, GmbHR 2009, S. 1300; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919 f. 418 Altmeppen, ZIP 2009 S. 53 ff.; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, §13 Rn. 44; Schickerling/Blank, GmbHR 2009, S. 1300. 417

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

II. Analoge Anwendung § 317 Abs. 3 AktG Vorab ist bereits darauf hinzuweisen, dass sich im deutschen Recht – anders als beim faktischen AG-Konzern (§§ 311 ff. AktG) – für den faktischen GmbH-Konzern keine formellen Sondervorschriften befinden und im Allgemeinen die analoge Anwendung der §§ 311 ff. AktG – und mithin auch des § 317 Abs. 3 AktG – auf faktische GmbH-Konzerne ganz überwiegend abgelehnt wird.419 Zur Begründung der Unanwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG wird insbesondere auf die strukturellen Unterschiede zwischen AG und GmbH hingewiesen. Es wird argumentiert, dass nachteilige Einflussnahmen gegen verzögerten Ausgleich im faktischen GmbHKonzern nicht zugelassen werden könnten, weil der Abhängigkeitsbericht als Korrektiv bei GmbH nicht zur Verfügung stehe.420 Eine Pflicht zur Aufstellung und Prüfung eines Abhängigkeitsberichts analog §§ 312 bis 315 AktG komme in der faktisch abhängigen GmbH nicht in Frage, weil der GmbH-Geschäftsführer weisungsgebunden sei und GmbH ein obligatorischer Aufsichtsrat als zur Prüfung des Berichts berufenes Organ fehle.421 Außerdem sei die Gestattung der Nachteilszufügung gegen Nachteilsausgleich mit der im GmbH-Recht geltenden Treuepflicht nicht vereinbar,422 weil die Treuepflicht im GmbH-Recht ein striktes Schädigungsverbot begründe.423 Schließlich bestünden bei nachteiligen Eingriffen im faktischen GmbH-Konzern nach dem BGH Schadensersatzansprüche wegen der Treupflichtverletzung424 oder ggf. existenzvernichtenden Eingriffs.425 Auf der anderen Seite nimmt jedoch nach und nach die Zahl der Autoren zu, die – ungeachtet der Frage nach der generellen Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG – zumindest eine analoge Anwendung des § 317 Abs. 3 AktG auf den GmbH-Konzern befürworten.426 Speziell bezüglich des hier im Fokus stehenden Zusammenhangs wird von einem Teil der Befürworter der analogen Anwendung des § 317 Abs. 3 419 H.M.: BGHZ 65, 15, Rn. 18, „ITT“; BGHZ 93, 330, Rn. 340, „Autokran“; BGHZ 149, 10, Rn. 16, „Bremer Vulkan“; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, Anh. § 318, Rn. 6; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 53; Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 311 jeweils m.w.N. Für weitere Nachweise siehe insb. MünchKomm-AktG/Altmeppen, Vor § 311, Rn. 78 Fn. 155. 420 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, Anh. § 318, Rn. 6; Liebscher, GmbHKonzernrecht, Rn. 313. 421 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, Anh. § 318, Rn. 6. 422 Hüffer/Koch, § 311, Rn. 53 m.w.N. 423 Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 312. 424 BGHZ 93, 330, Rn. 340, „Autokran“. 425 BGHZ 149, 10, Rn. 16, „Bremer Vulkan“. 426 Kropff, in: FS für Kastner, S. 297 f.; ders., in: FS für Semler, S. 538; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 1317 ff.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, Anh § 13 Rn. 168 ff., § 30, Rn. 133; MünchKomm-AktG/Altmeppen, Vor § 311, Rn. 80 f.; ders., ZIP 2009, S. 55; ders., NZG 2010, S. 406; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Hommelhoff, Anh zu § 13, Rn. 15, 41, § 13 Rn. 44 (welche in der 17. Auflage 2009 gegen analoge Anwendung waren, Anh zu § 13, Rn. 15, 20); Hommelhoff, ZGR 2012, S. 547 f.; S. H. Schneider, GmbHR 2011, S. 690; Tröger/Dangelmayer, ZGR 2011, S. 575 ff.; Gärtner, Cash Pooling, S. 423 ff.; wohl auch Mülbert/ Leuschner, NZG 2009, S. 287.

§ 2 Im faktischen GmbH-Konzern

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AktG auf den GmbH-Konzern angenommen, dass diese Norm zur Begründung der Pflicht zur Überwachung der Vollwertigkeit und der Haftung der Konzerngeschäftsleiter im abhängigen GmbH-Konzern bei Cash Pooling analog herangezogen werden müsse.427 Die Vertreter dieser Literaturansicht leiten nämlich bereits bei Cash Pooling mit der Teilnahme abhängiger Aktiengesellschaften die entsprechenden Überprüfungspflichten der Konzerngeschäftsleiter aus § 317 Abs. 3 AktG her.428 § 317 Abs. 3 AktG sei nach dieser Literaturmeinung wie im faktischen AG-Konzern auch im faktischen GmbH-Konzern die geeignetste Anspruchsgrundlage für die Begründung entsprechender Pflichten und Haftung der Konzerngeschäftsleiter bei Cash Pooling. Denn § 317 Abs. 3 AktG bringe lediglich die allgemeine Verantwortlichkeit des Besorgers fremder Geschäfte zum Ausdruck und überwinde vor allem die fehlende Organbeziehung zwischen dem Konzerngeschäftsleiter und der faktisch abhängigen GmbH.429 Der Konzerngeschäftsleiter, welcher die faktisch abhängige GmbH zu einem ungesicherten Darlehen an das herrschende oder an ein mit ihm verbundenes Unternehmen veranlasst habe, bleibe in der Verantwortung, dass sich diese Veranlassung für die faktisch abhängige Gesellschaft nicht nachteilig auswirke. Jedenfalls dann, wenn es um eine Schädigung der GmbH gehe, die das gebundene Kapital erfasst, sei die Haftung nach § 317 Abs. 3 AktG analog unverzichtbar. Namentlich bei weit verzweigten Konzernen sei der Geschäftsführer der abhängigen GmbH auch kaum in der Lage, die Bonität des herrschenden Unternehmens (bzw. der Betreibergesellschaft) stets zuverlässig zu beurteilen.430 Insbesondere i.R.d. Cash Pooling müsse daher nach dieser Auffassung in erster Linie der Konzerngeschäftsleiter die Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche bei Meidung eigener Haftung analog § 317 Abs. 3 AktG unter Kontrolle halten.431 Dies ergebe sich nicht zuletzt aus seiner Pflicht, ggf. ein geeignetes Informations- oder „Frühwarnsystem“ zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft einzurichten.432 Die Haftung des Konzernmanagers analog § 317 Abs. 3 AktG dürfte auch und gerade die schutzbedürftige abhängige GmbH vor zu riskanten Kreditgewährungen an Konzernunternehmen schützen433 und dem gesetzgeberischen Willen zur Durchsetzung verhelfen,

427 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 133 f., ders., ZIP 2009, S. 55; ders., NZG 2010, S. 406; ihm folgend Gärtner, Cash Pooling, S. 423 ff.; Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 40a; wohl auch Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 287: „analog § 317 Abs. 3 AktG in Erwägung zu ziehen“; ablehnend Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 192 ff., insb. 199 f. und Johnen, Cash Pooling, S. 299. 428 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, G., II., 2., a). 429 Gärtner, Cash Pooling, S. 424. Ausführlich zur sich nicht durchgesetzten Literaturmeinung, wonach § 317 Abs. 3 AktG eine gewöhnliche Verschuldenshaftung für pflichtwidrige Konzerngeschäftsleitung normiere, Kapitel 2, § 3, G., II., 2., a). 430 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 133; Gärtner, Cash Pooling, S. 424. 431 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 134; Gärtner, Cash Pooling, S. 423 ff. 432 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 134 und Gärtner, Cash Pooling, S. 423 ff., unter Verweis auf die „MPS“-Entscheidung des BGH (zur AG), BGHZ 179, 71, Rn. 14. 433 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 134.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

die Praxis des Cash Pooling zu privilegieren.434 In diesem Zusammenhang wird teilweise von der Verlagerung der primären Prüfungspflichten von der Geschäftsleitung der Poolgesellschaften auf die Konzerngeschäftsleiter gesprochen, sodass die Konzerngeschäftsleitung primär, die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften jedoch sekundär für die Vollwertigkeitsprüfung verantwortlich sein sollten.435 Für ausführliche Erklärungen zu dem vorgeschlagenen Konzept der „Primär- und Sekundärverantwortlichkeit“ ist an dieser Stelle auf die Ausführungen unter dem AGKonzern zu verweisen.436 III. Konzernleitungspflicht Eine andere Literaturmeinung leitet die Pflicht der Konzerngeschäftsführer zur Vollwertigkeitsprüfung bei Cash Pooling aus der „Konzernleitungspflicht“ der Geschäftsführer der Konzernobergesellschaft gegenüber der eigenen Anstellungskörperschaft ab.437 Dem Geschäftsführer einer Konzernobergesellschaft obliege bei pflichtmäßiger Geschäftsführung seiner Anstellungskörperschaft gegenüber auch die Pflicht zur Konzernleitung. Nach dieser Auffassung umfasse die Konzernleitungsverpflichtung auch den Bereich der Konzernkontrolle. Daher sei die Konzernleitung im faktischen Unterordnungskonzern mit der abhängigen GmbH dazu verpflichtet, die notwendigen, zur Vermeidung von Fehlentwicklungen erforderlichen Informationen zu sammeln und im Ergebnis die Vollwertigkeitsprüfung durchzuführen.438 Dieser Lösungsansatz wird jedoch teilweise mit Hinweis darauf als unzulänglich erachtet, dass die interne Haftung gegenüber dem herrschenden Unternehmen abbedungen sein könne oder der Konzerngeschäftsführer seiner Binnenhaftung eventuell einwenden könne, dass ein Schaden der Anstellungskörperschaft nicht vorliege, weil mit der Valuta eine andere Konzerntochter noch gerettet würde.439 IV. Existenzvernichtungshaftung, §§ 826, 830 Abs. 2 BGB Nach einer Literaturmeinung könne im faktischen GmbH-Konzern die Inanspruchnahme der Konzerngeschäftsleiter im hier interessierenden Sinne aus der 434

Gärtner, Cash Pooling, S. 425. So Altmeppen, NZG 2010, S. 404; Gärtner, Cash Pooling, S. 293; Johnen, Cash Pooling, S. 230 ff., 309 f. Für die Benutzung des Begriffs der „Primär- und Sekundärverantwortlichkeit“ in diesem Zusammenhang siehe insbesondere Gärtner, Cash Pooling, S. 293. Ablehnend Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff, § 30, Rn. 40a Fn. 2, dem zufolge die Primärverantwortung der Konzernleitung überzogen sei. 436 Nachstehend Kapitel 2, § 3, G., II., 2., c). 437 Johnen, Cash Pooling, S. 299 ff. und 158 ff. (zum AG-Konzern). 438 Johnen, Cash Pooling, S. 300 f. 439 Gärtner, Cash Pooling, S. 413 f. 435

§ 2 Im faktischen GmbH-Konzern

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„Existenzvernichtungshaftung“ gem. §§ 826, 830 Abs. 2 BGB hergeleitet werden.440 Nach dem deliktsrechtlichen Konzept der Existenzvernichtungshaftung würden zwar prinzipiell der Gesellschafter und die beteiligten Geschäftsführer der geschädigten Gesellschaft in die Haftung gezogen, aber auch die Verantwortung der Geschäftsführer der Muttergesellschaft könne – dieser Ansicht zufolge – als Teilnehmer im Zusammenhang mit der Praxis des Cash Pooling in Betracht kommen, weil der Geschäftsführer in der Regel derjenige sei, der die Zahlung anweise oder zumindest nicht verhindere und somit zwangsläufig in den existenzvernichtenden Eingriff verwickelt sei.441 Wenn die Muttergesellschaft als juristische Person zugleich Gesellschafterin der Tochtergesellschaft ist, sei der doppelte Teilnahmevorsatz der Geschäftsführer nicht zu verneinen.442 Die Muttergesellschaft als juristische Person sei nämlich selbst nicht handlungsfähig, sondern handle durch ihre Organe. Vielmehr löse das existenzvernichtende Verhalten ihres Geschäftsführers die Haftung gem. § 826 BGB aus.443 Für diese stelle sich daher die Einrichtung eines konzernweiten Cash Pooling-Systems als potenziell haftungsbegründetes Verhalten dar, das es erfordere, der Prävention größtmögliche Aufmerksamkeit beizumessen, um von vornherein die Haftungsrisiken zu minimieren. So habe dem Vertreter dieser Auffassung zufolge die Teilnahmehaftung im Bereich der Existenzgefährdung eine prophylaktische Wirkung, die verhaltenssteuernd auf die Geschäftsführer einwirkt. Zur Vermeidung ihrer persönlichen Haftung gem. § 826 BGB solle also der Geschäftsführer der Muttergesellschaft im Falle der Verschlechterung der Bonität der Muttergesellschaft die am Cash Pooling beteiligten Konzerngesellschaften unverzüglich über die drohenden Ausfallrisiken informieren.444 Das Konzept der Existenzvernichtungshaftung wird allerdings im Schrifttum teilweise als Anspruchsgrundlage der persönlichen Verantwortung der Konzerngeschäftsleiter wegen der hier einschlägigen Pflichten (Überprüfung und Überwachung der Vollwertigkeit) für ungeeignet gehalten.445 Erstens wird darauf hingewiesen, dass da die Haftung erst bei einer Existenzgefährdung der abhängigen Gesellschaft greife, eine Pflicht zur Vornahme der Vollwertigkeitsprüfung auf der Grundlage von § 826 BGB jedenfalls nicht begründbar sei, solange die abhängige Gesellschaft lebensfähig bleibe, auch wenn ihr aufgrund fehlender Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche ein finanzieller Schaden entstehe.446 Daher sei, auch wenn die Existenzvernichtungshaftung eine Pflicht zur Vollwertigkeitsprüfung nach sich ziehen würde, bei 440

Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 200 ff.; ablehnend Gärtner, Cash Pooling, S. 414 ff.; Johnen, Cash Pooling, S. 302 ff. 441 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 202 ff. Vgl. Schneider, S. H., GmbHR 2011, S. 690 f., der allgemein gegen die Mithaftung des Geschäftsführungsmitglieds eines wegen der Existenzvernichtung haftenden Gesellschafters nach § 830 Abs. 2 BGB ist. 442 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 203 f. 443 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 204. 444 Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 207 f. 445 Gärtner, Cash Pooling, S. 415 ff.; Johnen, Cash Pooling, S. 305 ff. 446 Gärtner, Cash Pooling, S. 416; Johnen, Cash Pooling, S. 306 f.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

dieser ein anderer Maßstab als bei der Prüfung durch die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft anzulegen. Solange die Existenz der Poolgesellschaften nicht gefährdet sei, scheide eine Haftung der herrschenden Gesellschaft also gerade aus, sodass auch bis zu diesem Zeitpunkt zur Vermeidung der Haftung keine Vollwertigkeitsprüfung vorgenommen werden müsse. Somit bleiben die Pflichten, die sich aus der Existenzvernichtungshaftung des herrschenden Unternehmens ableiten ließen, deutlich hinter den Pflichten des Geschäftsführers der abhängigen Gesellschaft zurück.447 Zweitens wird auf die subjektiven Hürden des § 826 BGB hingewiesen.448 Während für eine Haftung des herrschenden Unternehmens und – eventuell –449 der Konzerngeschäftsleiter eine vorsätzliche Handlung seiner Geschäftsleitung erforderlich sei, gerate der Geschäftsleiter der abhängigen Poolgesellschaft schon bei einfacher Fahrlässigkeit in die Haftung gem. § 43 GmbHG.450 Eine Haftungssanktion, die den Nachweis von Schädigungsvorsatz voraussetze, genüge nicht, um die gebotene Präventivwirkung zu entfalten. Solange keine „Existenzvernichtungshaftung“ für Fahrlässigkeit anerkannt sei, könne die Pflicht zur Überwachung der Vollwertigkeit gemäß § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG nicht auf die Existenzvernichtungshaftung gestützt werden.451 Aufgrund der vorstehenden Gründe wird schließlich behauptet, dass die Existenzvernichtungshaftung gem. § 826 BGB der Haftung gemäß § 43 GmbHG nicht gleichwertig sei und daher nicht als eine taugliche Rechtsgrundlage für die Begründung von Überprüfungspflichten des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter angesehen werden könne.452 Die Existenzvernichtungshaftung gem. § 826 BGB rechtfertige es also nicht, den Geschäftsführer der abhängigen Poolgesellschaft aus seiner Primärverantwortung zu entlassen.453 Schließlich sei die Existenzvernichtungshaftung nach ihrer dogmatischen Verortung bei § 826 BGB454 zwar nicht mehr subsidiär zu den 447

Johnen, Cash Pooling, S. 306. Gärtner, Cash Pooling, S. 416; Johnen, Cash Pooling, S. 306. 449 Gärtner, Cash Pooling, S. 415 f., der zwar betont, dass die Existenzvernichtungshaftung i.S.d. § 826 BGB ausschließlich den Gesellschafter, nicht aber dessen Geschäftsleiter trifft; es aber zugleich für nicht unmöglich hält, dass die Konzerngeschäftsleiter als Teilnehmer einer Existenzvernichtung gemäß § 826 BGB verantwortlich sein könnten. 450 Gärtner, Cash Pooling, S. 416; Johnen, Cash Pooling, S. 306. 451 Gärtner, Cash Pooling, S. 416 f. 452 Gärtner, Cash Pooling, S. 415 ff.; Johnen, Cash Pooling, S. 305 ff. 453 Gärtner, Cash Pooling, S. 417. 454 Mit der Grundsatzentscheidung „Trihotel“ aus dem Jahr 2007 wurde das Haftungskonzept der „Existenzvernichtungshaftung“ auf § 826 BGB gestützt. BGHZ 173, 246, Rn. 29: „Anknu¨ pfend an die Qualifizierung des existenzvernichtenden Eingriffs als Verstoß gegen die Schutzpflicht der Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermo¨ gens bedarf es zur Sanktionierung des Verstoßes nicht zwingend eines selbsta¨ ndigen, im Wege der Rechtsfortbildung zu schaffenden gesellschaftsrechtlich fundierten Haftungsinstituts zur Erfu¨ llung der durch die §§ 30, 31 GmbHG offen gelassenen Schutzlu¨ cke; vielmehr ist es ausreichend, diese Schutzfunktion im Bereich der ohnehin bereits seit jeher hierfu¨ r herangezogenen gesetzlichen, 448

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§§ 30, 31 GmbHG. Sie bleibe aber ein Institut, um Schutzlücken zu schließen, die neben dem Kapitalerhaltungsgebot bestehen.455 V. Stellungnahme Folgend der oben genannten Literaturmeinung456 könnte auch m. E. im faktischen GmbH-Konzern § 317 Abs. 3 AktG (analog) die rechtssicherste und passendste Anspruchsgrundlage für die Statuierung der kapitalerhaltungsrechtlichen Überprüfungs- und Kontrollpflichten der Konzerngeschäftsleiter i.R.d. Cash Pooling bilden. Im Gegensatz zum Lösungsansatz, welcher diese Pflicht aus der Konzernleitungspflicht der Konzerngeschäftsleiter ihrem Anstellungskörper gegenüber herleitet, bietet die für analoge Anwendung des § 317 Abs. 3 AktG plädierende Ansicht hinsichtlich des Gläubigerschutzes eine rechtssichere Anspruchsgrundlage. Denn damit wird ein Direktanspruch der abhängigen Pool-GmbH gegenüber dem Konzerngeschäftsleiter ermöglicht, der von den Einwänden des Konzerngeschäftsleiters seiner Anstellungskörperschaft gegenüber nicht beeinträchtigt wird. Außerdem sollte es auch m. E. möglich sein, die Geschäftsführer der Obergesellschaft im Rahmen des Haftungskonzepts der Existenzvernichtungshaftung als Teilnehmer über §§ 826, 830 Abs. 2 BGB in Anspruch zu nehmen. Dieses Haftungsrisiko würde die Konzerngeschäftsleiter natürlich dazu bringen, regelmäßig darauf zu achten, dass das Volumen der in den Cash Pool abgeführten Darlehen seitens der Poolgesellschaft nicht eine existenzgefährdende Menge erreicht, sodass die Illiquidität der Poolgesellschaft entsteht. Allerdings greift die Existenzgefährdungshaftung gem. § 826 BGB erst in der Insolvenz der abhängigen Gesellschaft ein,457 sodass die Haftung der Konzerngeschäftsführer nach diesem Haftungskonzept nicht in Betracht kommt, solange die Poolgesellschaft nicht insolvent ist. Schon deshalb bietet m. E. die Existenzgefährdungshaftung keine geeignete bzw. sichere Grundlage dafür, eine Vollwertigkeitsprüfungspflicht i.R.d. § 30 Abs. 1, S. 2, 2. Alt. GmbHG seitens der Konzerngeschäftsleiter zu begründen. Denn i.R.d. kapitalerhaltungsrechtlichen § 30 Abs. 1, S. 2, 2. Alt. GmbHG löst schon das Fehlen der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs die Haftung der Geschäftsführer der Poolgesellschaften unabhängig davon aus, ob die Poolgesellschaft in die Insolvenz geraten ist.458 Aus dieser Haftungsgrundlage kann man daher m. E. keine mit der kapitalerhaltungsrechtlichen Prüfungspflichten der Geschäftsführer der Poolge-

deliktischen Schadensersatznorm des § 826 BGB anzusiedeln, und zwar wiederum in Form einer Innenhaftung gegenu¨ ber der Gesellschaft“. 455 Gärtner, Cash Pooling, S. 417. 456 Kapitel 2, § 2, H., II. 457 BGHZ 173, 246, Rn. 22 ff.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 13, Rn. 38; Roth/Altmeppen/ Altmeppen, § 13, Rn. 89 m.w.N. 458 So bereits Gärtner, Cash Pooling, S. 416.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

sellschaften konkurrierende Verpflichtung der Konzerngeschäftsleiter zur Vollwertigkeitsprüfung herleiten.

I. Zusammenfassendes Ergebnis - Die Durchführung eines konzernweiten Cash Pooling-Systems im faktischen GmbH-Konzern ist nach der Neuregelung durch MoMiG ohne Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG und damit gegen das Kapitalerhaltungsgebot unter der Voraussetzung möglich, dass die Poolgesellschaft infolge der Darlehensvergabe einen „vollwertigen“ Rückgewähranspruch erhält (§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG). Ausgehend von der in der Begründung mehrmals betonten „bilanziellen Betrachtungsweise“459 wird überwiegend angenommen, dass die Ermittlung der Vollwertigkeit nach „bilanziellen Grundsätzen“ (§ 253 dHGB) zu erfolgen ist, was vor allem die Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Schuldners auf das Ausfallrisiko hin erfordert. Demnach ist von der Erfüllung des Vollwertigkeitskriteriums und damit von der Vereinbarkeit des Cash Pooling-Systems bei einem GmbH-Konzern mit dem Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG auszugehen, solange die Betreibergesellschaft (bzw. ggf. die Muttergesellschaft) wirtschaftlich in der Lage ist, alle Rückgewähransprüche der Poolgesellschaften zu erfüllen. Denn nach der für die Konkretisierung der Vollwertigkeit maßgeblichen, bilanziellen Betrachtungsweise liegt darin ein lediglich bilanzneutraler Aktivtausch, sodass im Ergebnis das Gesellschaftsvermögen der kreditgewährenden Gesellschaft nicht verringert wird. Zwar wird im Schrifttum auch teilweise verlangt, dass das sich aus dem Cash Pooling-System ergebende „Klumpenrisiko“ bei der Ermittlung der Vollwertigkeit mit berücksichtigt werden soll, aber nach dem BGH und wohl überwiegender Literaturmeinung spielt das Klumpenrisiko bei der Vollwertigkeitsprüfung i.R.d. Cash Pooling keine Rolle, weil dieses Risiko bilanziell keinen Abschreibungsbedarf auslöst. Es wird daher ausgeführt, dass es (nur) im Rahmen der Organhaftung (i.S.d. §§ 43 GmbHG, 93 AktG) und somit aus Sicht einer allgemeinen Sorgfaltspflicht zu berücksichtigen sei. Genauso wenig ist das „Bestehen eines Informations- und Frühwarnsystems“ nach herrschender Ansicht bei der Bewertung der Vollwertigkeit und damit für die Zulässigkeit des Darlehens von Bedeutung, weil die nachträgliche Vollwertigkeitskontrolle als eine Aufgabe der Geschäftsleitung eher unter den Bereich der Organhaftung falle. Ferner wird überwiegend angenommen, dass aufgrund der nunmehr geltenden bilanziellen Betrachtungsweise die Interessen und insbesondere die „Liquiditätslage“ der darlehensgewährenden Gesellschaft vom Kapitalerhaltungsgebot nicht gestützt wird. Mit anderen Worten ist bei Bestehen der Vollwertigkeit kapitalerhaltungsrechtlich nicht relevant, ob durch den Liquiditätsentzug die betriebswirtschaftliche Tätigkeit der Poolgesellschaft beeinträchtigt wurde. 459

BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41.

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- Es ist höchst umstritten, ob eine angemessene Verzinsung des Darlehens eine Zulässigkeitsvoraussetzung gemäß § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG (und § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG) darstellt. Eine Literaturmeinung leitet die Verzinsungspflicht aus dem Erfordernis des „Drittvergleichs“ ab und dementsprechend hält eine angemessene Verzinsung für erforderlich. Eine andere Auffassung beruht auf das in § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG geregelte zweite Kriterium „Deckungsgebot“ und daraus leitet das Verzinsungserfordernis ab. Die herrschende Ansicht betrachtet jedoch die Verzinsungsfrage unter dem Vollwertigkeitskriterium und versucht die Problematik unter Anwendung bilanzrechtlicher Grundsätze zu lösen. Es besteht allerdings auch keine Einigkeit unter den Vertretern dieser Ansicht bezüglich der Verzinsungspflicht, weil ein Teil der Autoren im Anschluss an bilanzielle Vorbilder davon ausgeht, dass bei langfristigen Krediten (mehr als ein Jahr) zur Vollwertigkeit eine angemessene Verzinsung erforderlich ist, während bei kurzfristigen Krediten (weniger als ein Jahr) bilanzrechtlich aus Vereinfachungsgründen auf eine Verzinsung verzichtet werden kann. In Erwägung der kapitalschutzrechtlichen Sonderwertungen lehnt hingegen ein Teil des Schrifttums auch bei kurzfristigen Krediten den Verzicht auf eine angemessene Verzinsung ab und verlangt laufzeitunabhängig angemessene Verzinsung. An dieser Stelle ist somit festzustellen, dass im Schrifttum zumindest Einigkeit darüber besteht, dass bei längerfristigen Kreditgewährungen (über ein Jahr – § 253 dHGB) angemessene Verzinsung für unverzichtbar gehalten wird, wobei es i.E. keinen Unterschied macht, ob dafür Drittvergleich, Vollwertigkeitsoder Deckungsgebot herangezogen wird. - Mit Blick auf die Cash Pool-Darlehen wird im Schrifttum mit verschiedenen Argumenten versucht, die Verzinsungspflicht auszuräumen. In diesem Zusammenhang wird einerseits behauptet, dass es sich bei Cash Pooling-Darlehen typischerweise um kurzfristige Kreditgewährungen (unter einem Jahr) handele und daher bei Cash Pooling-Konstellationen auf eine Verzinsungspflicht verzichtet werden könne. Auch das Regelungsanliegen des Gesetzgebers des MoMiG, Cash Pool auch künftig weiter ohne übermäßigen Prüfungsaufwand zu ermöglichen, spreche nämlich dafür, bei kurzfristigen Ausleihungen im Cash Pooling den Verzicht auf Verzinsung zu gestatten. Andererseits wird im Schrifttum teilweise für den vollständigen Verzinsungsverzicht auf die anderweitigen Kompensationsmöglichkeiten hingewiesen („verdeckte Verzinsung“), die sich aus dem Cash Pooling-System ergeben. In diesem Zusammenhang werden konzernspezifische, dem Cash Pooling immanente Vorteile herangezogen. Es wird argumentiert, dass grundsätzlich das Fehlen einer Un- oder Unterverzinsung i.R.d. Cash Pooling durch mit diesem System zusammenhängende Konzernvorteile im Einzelfall ausgeglichen werden könne. Der BGH hat sich zwar bisher nicht direkt mit der Verzinsungspflicht i.R.d. kapitalerhaltungsrechtlichen §§ 30 GmbHG, 57 AktG befasst, aber dass er in seinem MPS-Urteil (zu § 311 AktG) die zinslose Kreditgewährung als Verstoß gegen § 311 AktG und damit als einen Nachteil an-

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

gesehen hat,460 wird dahingehend interpretiert, dass der BGH auch i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG laufzeitunabhängig eine Verzinsung fordere. Nach hier vertretener Ansicht ist die Verzinsungsfrage ausweislich der Gesetzesmaterialien im Rahmen des Vollwertigkeitskriteriums auf der Grundlage der bilanziellen Grundsätze zu beurteilen. Da weder die im Schrifttum in diesem Zusammenhang für einen pauschalen Verzinsungsverzicht beim Cash Pooling herangezogene Kurzfristigkeits-Argumentation noch die vorgebrachte Kompensationsmöglichkeit-Argumentation durch die Konzernvorteile immer zu einer rechtsicheren Lösung i.R.d. Kapitalerhaltungsgebots führen könnten, sprechen m. E. die besten Gründe grundsätzlich für eine laufzeitunabhängige angemessene Verzinsungspflicht in der Cash Pooling-Praxis. Auch aus dem Erleichterungszweck des Gesetzgebers von MoMiG ist keine derartige Privilegierung des Cash Pooling zu schließen, dass im Cash Pool unverzinsliche Darlehen per se gestattet sind. In Anbetracht der Tatsache, dass anders als bei einzelnen Darlehensgewährungen im Cash Pooling spezielle Vorteile darlehensgebenden Poolgesellschaften zur Verfügung stehen, sollten allerdings die Zinskonditionen nicht pauschal festgestellt werden, sondern man sollte sie in jedem Einzelfall mit den Vorteilen abwägen, von denen die betroffene Poolgesellschaft schon Gebrauch gemacht hat oder noch macht. Hier wäre zu entscheiden, ob überhaupt eine Verzinsung erforderlich ist bzw. wie die Zinskonditionen ausfallen sollen. Bei der Einführung des Deckungsgebots scheint zwar nicht unmittelbar an die Leistungen mit Kreditcharakter und damit an die Verzinsungsproblematik gedacht worden zu sein, aber m. E. ist die analoge Anwendung des Deckungsgebots bezüglich der Verzinsung bei Darlehensbeziehungen empfehlenswert, weil es eine rechtsichere Beurteilungsgrundlage wäre. Schließlich sollte m. E. auch für die Cash Pooling-Praxis laufzeitunabhängig eine angemessene Verzinsung – sei es aufgrund des Vollwertigkeitsgebots, sei es aufgrund des Deckungsgebots (analog) – unverzichtbar sein, solange keine konkreten sowie quantifizierbaren Konzernvorteile vorhanden sind, die die Un- oder Unterverzinslichkeit kompensieren können. - Die Besicherung der Upstream-Darlehen ist nach herrschender Ansicht weder für die Zulässigkeit der Darlehen i.R.d. § 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG noch für das Bestehen der Vollwertigkeit erforderlich. Der Gesetzgeber verlange nämlich durch die Neuregelung nur die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs, die nach den bilanziellen Grundsätzen zu beurteilen sei. Deswegen komme es bei dem Vollwertigkeitskriterium hauptsächlich auf die Einschätzung der Realisierbarkeit der Rückzahlung anhand der bilanziellen Regeln an, welche ausreichende Kreditwürdigkeit des Schuldners erfordere. Demnach ist die Besicherung der Cash Pool-Darlehen nicht erforderlich, solange die Betreibergesellschaft hinreichende Bonität aufweist. Eine werthaltige Besicherung könne jedoch beim Fehlen hinreichender Bonität den unsicheren Rückgewähranspruch vollwertig machen.

460

BGHZ 179, 71, Rn. 10 ff., 17, „MPS“.

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- Aus der Besonderheit des Kapitalschutzumfangs der GmbH, in der der Kapitalschutz auf die Erhaltung des Stammkapitals beschränkt ist, ergibt sich eine Streitfrage darüber, ob bei Teilwertigkeit des Rückgewähranspruchs ein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot in Höhe der gesamten Darlehensvaluta anzunehmen ist, obwohl der Rückgewähranspruch zum Zeitpunkt der Valutierung zur Deckung des Stammkapitals nur teilweise erforderlich ist. Die wohl herrschende Literaturmeinung stellt dabei auf das „Alles-oder-Nichts“-Prinzip ab und geht vom Vorliegen einer verbotenen Auszahlung nach § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG bei mangelnder Vollwertigkeit in der vollen Höhe der ausgereichten Darlehensvaluta aus, während sich eine nicht unerhebliche Zahl der Autoren bei Teilwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs für die Anrechnung der Forderung mit ihrem wirtschaftlichen Wert ausspricht („Anrechnungslösung“). Eine unzulässige Auszahlung und ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG liegt nach dieser Auffassung bei teilweiser Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs nicht in Höhe der gesamten Darlehensvaluta vor, sondern lediglich in Höhe des bilanziellen Abwertungsbedarfs. Nach den Vertretern der Anrechnungslösung würde jedenfalls kein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG vorliegen, solange der Rückgewähranspruch insoweit werthaltig ist, als bei bilanzieller Bewertung das Stammkapital der Gesellschaft nicht beeinträchtigt wird. Im Falle der teilweisen Beeinträchtigung des Stammkapitals würde jedoch eine unzulässige Auszahlung und ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG vorliegen, aber nicht in Höhe der gesamten Darlehensvaluta vor, sondern lediglich in Höhe des bilanziellen Abwertungsbedarfs. Für den Fall, dass die mangelnde Vollwertigkeit lediglich auf eine unangemessene oder fehlende Verzinsung zurückzuführen ist, stellt jedoch wohl die herrschende Ansicht und der BGH auf die „Anrechnungslösung“ ab, sodass sich die Auszahlung in diesem Fall lediglich auf die Höhe der Zinsdifferenz beschränkt. - Die Abhängigkeit der Zulässigkeit der Cash Pooling-Darlehen von der Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche bringt besondere Handlungspflichten für die Geschäftsführer der Poolgesellschaften mit sich und begründet somit besondere Haftungsrisiken für sie. Hinsichtlich der Gewährleistung der Vollwertigkeit sind die Geschäftsführer der Poolgesellschaften vor und nach der Darlehensgewährung von besonderen Überprüfungs- und Kontrollpflichten betroffen. Vor jeder Liquiditätszufuhr in den Cash Pool müssen sie aufgrund des Vollwertigkeitskriteriums überprüfen, ob die Betreibergesellschaft bzw. Muttergesellschaft in der Lage ist, alle Rückgewähransprüche zurückzuzahlen. Falls trotz fehlender Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs die Kreditvergabe erfolgt und dadurch eine Unterbilanz herbeigeführt oder die bereits vorhandene Unterbilanz vertieft wird, also das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen eine Minderung erfährt, liegt eine Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG vor. Dies führt dann zur Haftung der Geschäftsführer vor allem nach § 43 Abs. 3 GmbHG. Nach der Darlehensausreichung unterliegen die Geschäftsführer der Pflicht, die Bonität der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft fortlaufend zu

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

kontrollieren und das Ausfallrisiko permanent neu einzuschätzen. Im Falle einer sich abzeichnenden Bonitätsverschlechterung und damit eines Ausfallrisikos müssen sie die ausgereichten Darlehen kündigen oder die Bestellung von Sicherheiten verlangen. Um dieser Überwachungs- und Reaktionspflicht gerecht werden zu können, müssen die Geschäftsführer der Poolgesellschaft einerseits für die Einrichtung eines geeigneten „Informationen- und Frühwarnsystems“ sorgen, sich andererseits vertraglich besondere Kündigungsrechte einräumen lassen, damit sie beim Vorhanden eines Ausfallrisikos rechtzeitig drauf reagieren können. Versäumen sie nach der Darlehensausreichung, die Wertentwicklung des Rückforderungsanspruchs zu überwachen und bei Verlust der Vollwertigkeit das Darlehen zu kündigen oder Sicherheiten zu bestellen, verletzen sie ihre allgemeine Sorgfaltspflicht und machen sich gegenüber ihrer Gesellschaft – nach wohl herrschender Meinung – nicht nach § 43 Abs. 3 GmbHG, sondern nach § 43 Abs. 2 GmbHG schadensersatzpflichtig. Denn die ursprüngliche Auszahlung an den Gesellschafter verstoße nicht gegen § 30 GmbHG und die Tatbestandsvoraussetzungen des § 43 Abs. 3 GmbHG würden nicht vorliegen. Die Haftung der Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG ist zwar in der Regel abdingbar, aber es wird überwiegend angenommen, dass die Weisungen, durch die die Gläubigerinteressen beeinträchtigt werden und entgegen dem Kapitalerhaltungsgebot das Stammkapital angegriffen würde, für die Geschäftsführer weder bindend noch haftungsbefreiend seien. Ausgehend davon wird i.Z.m. Cash Pooling angenommen, die Geschäftsführer der Poolgesellschaften unmittelbar aus § 43 Abs. 2 GmbHG zwingend in die Haftung gerieten, wenn sie der durch Gesellschafterweisung nicht abdingbaren Pflicht, in der Unterbilanz die Gesellschaft zu sichern, nicht nachkommen würden. Für den Fall des Stehenlassens der Kündigung des Darlehens bei Verlust der Vollwertigkeit wird von einem Teil des Schrifttums für eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 43 Abs. 3 GmbHG plädiert. - Über § 43 GmbHG hinaus kann auch eine Insolvenzverursachungshaftung der Geschäftsführer der Poolgesellschaften gemäß § 64 Abs. 3 GmbHG in Frage kommen, soweit die Zahlungen an den Cash Pool zur Zahlungsunfähigkeit der Poolgesellschaft führen mussten. Zwar ist der Kapitalschutz in der GmbH gem. § 30 GmbHG auf die Erhaltung des Stammkapitals beschränkt und die Überprüfungspflicht der Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche bezieht sich lediglich auf die Auszahlungen aus dem Stammkapital. Allerdings folgt aus § 64 Abs. 3 GmbHG für die Geschäftsführer der Poolgesellschaften zudem eine umfassende Liquiditätsüberprüfungspflicht, sodass sie die Liquiditätsentwicklungen des Cash Pools und der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft ständig überprüfen müssen, weil sie beim Cash Pooling nach § 64 Abs. 3 GmbHG auch für die Zahlungen haften, wenn infolge der gezahlten Darlehen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist. Deswegen sollten im Cash Pooling die Geschäftsführer der Poolgesellschaften außer der kapitalschutzrechtlichen Vollwertigkeitsprüfung auch eine Liquiditätsprüfung der eigenen sowie der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft vornehmen. Um dieser Pflicht

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nachkommen zu können, müssen sie bereits im Vorfeld des Beitritts zu einem Cash Management-System vertraglich für entsprechende Informationspflichten und kurzfristige Kündigungsrechte sorgen. - Die Pflicht, die Vollwertigkeit der Rückerstattungsansprüche vor und nach der Zufuhr der Darlehen in den Cash Pool zu überprüfen und zu überwachen, trifft zwar nach herrschender Auffassung die Geschäftsführer der teilnehmenden Poolgesellschaften. Da allerdings bei Cash Pool-Konstellationen die Überprüfung der Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche und damit der Bonität des herrschenden Unternehmens bzw. der Betreibergesellschaft seitens der Geschäftsleitung der Poolgesellschaften mit praktischen sowie ökonomischen Schwierigkeiten verbunden ist und daher in den meisten Fällen eine effiziente Überprüfung durch die Geschäftsleitung der Poolgesellschaften nicht möglich ist, wird in der Literatur teilweise auch die Konzerngeschäftsleitung bei Cash Pool-Konstellationen im faktischen GmbH-Konzern als zur Vollwertigkeitskontrolle verpflichtet gesehen. Die Organwalter der abhängigen Poolgesellschaften könnten nämlich die Bonität des herrschenden Unternehmens unter keinen Umständen so gut beurteilen wie deren Geschäftsleiter. In diesem Zusammenhang wird sogar teilweise von der Verlagerung der Prüfungspflichten von der Geschäftsleitung der Poolgesellschaften auf die Konzerngeschäftsleiter gesprochen, sodass die Konzernleitung primär, die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften jedoch sekundär für die Vollwertigkeitsprüfung verantwortlich sein sollten. Die persönliche Haftung der Konzerngeschäftsleiter des herrschenden Unternehmens gewinnt für die Poolgesellschaften insbesondere für den Fall an Bedeutung, dass das herrschende Unternehmen insolvent ist. In einem solchen Fall bleibt nämlich den Poolgesellschaften als einzige Möglichkeit, die Konzerngeschäftsleiter in Anspruch zu nehmen. Die Verantwortung der Konzerngeschäftsleiter zur dauerhaften Vollwertigkeitsprüfung von Rückgewähransprüchen der Poolgesellschaften bei faktisch abhängigen GmbH-Konzern wird in der Literatur rechtlich unterschiedlich begründet. Diese Pflicht ist nach einer Literaturansicht aus analoger Anwendung von § 317 Abs. 3 AktG abzuleiten, während einer anderen Auffassung zufolge diese Verpflichtung aus der Konzernleitungspflicht der Konzerngeschäftsleiter ihrer Anstellungskörper gegenüber herzuleiten ist. Eine andere Literaturmeinung hält jedoch als Anspruchsgrundlage der persönlichen Haftung der Konzerngeschäftsleiter die Existenzvernichtungshaftung für geeignet. Nach hier vertretener Ansicht ließe sich eine im oben genannten Sinne Verantwortung der Konzerngeschäftsleiter dogmatisch etwa durch eine analoge Anwendung von § 317 Abs. 2 AktG begründen.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

§ 3 Im faktischen AG-Konzern A. Kapitalbindung in der unverbundenen AG, § 57 AktG I. Das Prinzip der umfassenden „Vermögensbindung“ Das Kapitalerhaltungsprinzip wird im deutschen Aktienrecht in § 57 AktG wie folgt formuliert: In § 57 Abs. 1 S. 1 steht, dass Aktionären die Einlagen nicht zurückgewährt werden dürfen. Ferner wird in § 57 Abs. 3 AktG ausgeführt, dass vor Auflösung der Gesellschaft unter die Aktionäre nur der Bilanzgewinn verteilt werden darf. Die gesetzliche Formulierung des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG, in der – wörtlich betrachtet – die Rückgewähr von „Einlagen“ untersagt wird, wird im Schrifttum als sehr „eng“ bzw. „unzureichend“ eingeschätzt und kritisiert, weil nach nahezu allgemein herrschender Ansicht in der AG das strenge Prinzip der „Vermögensbindung“ gelte und diese Vorschrift über ihren engen Wortlaut („Einlagen“) hinaus das gesamte Vermögen der Aktiengesellschaft in seinem Wert schütze.461 Der Begriff „Einlage“ wird hier also nicht auf das beschränkt, was ein Gesellschaftsgründer bzw. Zeichner als aktionärsrechtliche Einlageschuld i.S.v. § 54 Abs. 1 AktG geleistet hat.462 Es wird deshalb bei der AG statt von einem „Verbot der Einlagenrückgewähr“ oder vom Prinzip der „Kapitalerhaltung“ eher vom Prinzip der „Vermögensbindung“ gesprochen.463 Demnach ist jede Leistung aus dem Vermögen der Aktiengesellschaft außerhalb des Bilanzgewinns (§ 57 Abs. 3 AktG) und der sonstigen gesetzlich zugelassenen Ausnahmen verboten.464 So kommt es bei der AG anders als bei der GmbH (§ 30 Abs. 1 GmbHG) nicht darauf an, ob durch die Leistung das zur Deckung des Grundkapitals erforderliche Vermögen angegriffen wird.465 Aus diesem Grund wird in der Literatur der Standpunkt vertreten, dass nur im Recht der GmbH – terminologisch einwandfrei – von einem Prinzip der „Erhaltung des Stammkapitals“ gesprochen werden könne, weil nach § 30 Abs. 1 GmbHG das Kapital lediglich bis zur Höhe der Stammkapitalziffer gebunden sei.466 Im Aktienrecht herrscht demgegenüber ein strengeres, (nicht auf das Grundkapital beschränktes) allgemeines

461

GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 10; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 2; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 11, jeweils m.w.N. Kritisch zu dieser Annahme Bezzenberger, Erwerb der eigenen Aktien, S. 5 ff. 462 GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 8; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 2, jeweils m.w.N. 463 MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 11; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 2; GroßKomm-AktG/ Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 10, m.w.N. 464 MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 8; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 19, Rn. 1; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 2. 465 Hüffer/Koch, § 57, Rn. 2; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 8. 466 GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 10.

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Prinzip der „Bindung des gesamten Vermögens des Rechtsträgers (Vermögensbindung)“.467 II. Die (Neu-)Regelung des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG Der Gesetzgeber des MoMiG hat – parallel zum GmbH-Recht – auch im Aktienrecht hinsichtlich der Zulässigkeit der Leistungen zwischen der AG und den Aktionären auf die „bilanzielle Betrachtungsweise“ und auf das „Vollwertigkeitskriterium“ abgestellt.468 Das Kapitalerhaltungsgebot des § 57 AktG wurde um einen im Wesentlichen zu § 30 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. GmbHG inhaltlich gleichlautenden Satz 3, 2. Alt. ergänzt:469 „Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die … durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gedeckt sind.“ Demnach gelten die Leistungen der AG an die Aktionäre nicht mehr als verbotene Einlagenrückgewähr i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG, wenn sie durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt sind (§ 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG). Bezüglich der Frage, welche Anforderungen an das in § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG enthaltene Vollwertigkeitsgebot zu stellen sind, ist hierbei sinngemäß auf die relevanten Ausführungen im Recht der GmbH zu verweisen.470 Zu beachten ist allerdings hier der umfangreichere Schutzumfang des Vermögensbindungsprinzips im AG-Recht, sodass die Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche nicht nur – wie bei GmbH – für die Auszahlungen aus dem gebundenen Vermögen erforderlich ist, sondern für alle Darlehensvergaben aus dem Vermögen der AG. Die Neuregelung wurde im Schrifttum teilweise als eine erhebliche Einschränkung des Kapitalerhaltungsgebots bei der AG empfunden, weil die bilanzielle Betrachtungsweise bisher in aktienrechtlicher Vermögensbindung kaum als Bewertungsmittel herangezogen würde.471 In diesem Zusammenhang wird die Neuregelung des § 57 AktG von einem Teil des Schrifttum nicht als Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise, sondern eher als Abweichung der Zulässigkeit aufsteigender Darlehen interpretiert, weil der früher im Recht der AG für notwendig gehaltene Drittvergleich nach der Neuregelung des § 57 AktG keine Rolle mehr spiele.472

467

GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 10. MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 153 ff. 469 BegrRegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 470 Kapitel 2, § 2, D., I. 471 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 282; ausführlich dazu Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 41 ff.; vgl. MünchKomm-AktG/ Bayer, § 57, Rn. 148, 153 ff. 472 Winter, DStR 2007, S. 1489; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 45. 468

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

III. Rechtsfolge der Einlagenrückgewähr, § 62 AktG § 62 Abs. 1 S. 1 AktG begründet einen speziellen aktienrechtlichen Rückgewähranspruch,473 der den Aktionär die entgegen § 57 AktG erhaltene Leistung zurückzugewähren verpflichtet.474 Demgemäß hat der Aktionär einer unabhängigen AG, welcher unter Verstoß gegen § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG Darlehen von der Gesellschaft erhalten hat, das Darlehen zurückzuzahlen. Da in der AG ein umfassender Kapitalschutz gilt und das Kapitalerhaltungsgebot – anders als in der GmbH – auch die freien Rücklagen der Gesellschaft betrifft, muss jede Darlehensvergabe aus dem Gesellschaftsvermögen an den Aktionär gemäß § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG mit vollwertigem Rückgewähranspruch gedeckt sein. Es bleibt daher in der AG kein Raum für die Frage, ob infolge der Auszahlung eine Unterbilanz eintritt bzw. vertieft wird. Allerdings wird auch im aktienrechtlichen Schrifttum teilweise die Frage gestellt, ob bei teilweise fehlender Vollwertigkeit zumindest der Nennwert der Forderung zu berücksichtigen und somit eine Auszahlung nur i.H.v. Umfang des bilanziellen Abwertungsbedarfs (also i.H.v. des nicht vollwertigen Teils) anzunehmen ist („Anrechnungslösung“) oder trotz der teilweisen Werthaltigkeit die ganze Darlehenssumme als verbotene Auszahlung i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG zu bewerten ist („Alles-oder-Nicht“-Prinzip). Es wird dabei eher die Auszahlung der gesamten Darlehensvaluta befürwortet.475

B. Konzernrechtliche Sonderregelungen und Vermögensschutz, §§ 311 ff. AktG I. Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG Das deutsche Konzernrecht liefert mit den §§ 311 ff. AktG ein spezielles Regelungssystem für faktische Konzernierungen, in denen es um den Fall der Abhängigkeit einer AG (oder KGaA) von einem Unternehmen geht. Im Rahmen dieser Regelungen zum faktischen Konzern enthält das Aktiengesetz eine Grundnorm476 (§ 311 AktG), durch die ein „System des Nachteilsausgleichs“ geschaffen wird,477 die an den Verstoß gegen diese Grundnorm anknüpfenden Schadensersatzansprüche (§§ 317, 318 AktG) und auch Vorschriften, welche spezielle Instrumenten bzw. Mechanismen zur Überprüfung der Einhaltung dieser Grundnorm (§§ 312 ff. AktG) 473 Allg.M.: Hüffer/Koch, § 62, Rn. 2; GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 62, Rn. 11; MünchKomm-AktG/Bayer, § 62, Rn. 8, jeweils m.w.N. 474 GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 62, Rn. 11; Hüffer/Koch, § 62, Rn. 2; MünchKomm-AktG/Bayer, § 62, Rn. 8, m.w.N. 475 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 50; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 163: „Der Begriff der Vollwertigkeit setzt denknotwendig die Wertigkeit des gesamten Anspruchs“. 476 Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 1. 477 Spindler/Stilz/H.-F. Müller, Vor § 311, Rn. 2.

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regeln.478 Diesen Regelungen liegt der Grundgedanke zugrunde, dass schon die Möglichkeit der beherrschenden Einflussnahme des faktisch herrschenden Unternehmens die Gefahr begründet, dass es sein Einwirkungspotenzial nicht im Sinne des gemeinsamen Gesellschaftsinteresses nutzt, sondern ein anderweitiges unternehmerisches Interesse zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft verfolgt („Konzernkonflikt“).479 Dieser Gefahr begegnet der deutsche Gesetzgeber mit der Grundnorm des § 311 AktG in der Weise, dass er damit einerseits ein absolutes Benachteiligungsverbot aufstellt, andererseits aber für den Fall des Verstoßes einen zeitlich verzögerten Nachteilsausgleich zulässt.480 § 311 Abs. 1 AktG besagt, dass ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluss nicht dazu nutzen darf, eine abhängige Aktiengesellschaft zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen. Es sei denn, die Nachteile werden ausgeglichen. Mit Blick auf den Nachteilsausgleich wird darauf folgend in § 311 Abs. 2 AktG eine Möglichkeit vorgesehen, sodass der Ausgleich während des laufenden Geschäftsjahrs oder durch Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Ausgleich am Ende Geschäftsjahrs erfolgen kann. Das Benachteiligungsverbot sowie das Nachteilsausgleichssystem des § 311 AktG und die daran anknüpfenden Haftungsfolgen (§§ 317 f. AktG) werden im Schrifttum einerseits als die „Schutzfunktion“ der §§ 311 ff. AktG angesehen.481 Dass allerdings das Gesetz bei faktischen Konzernierungen die Ausübung von der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens und damit die nachteilige Einflussübernahme ermöglicht bzw. zulässt,482 sofern der Nachteil nach Maßgabe des § 311 Abs. 2 erfüllt wird, wird andererseits als die „Privilegierungsfunktion“ der §§ 311 ff. AktG – im Vergleich zu den für konzernfreie Gesellschaften geltenden

478

Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 2. MünchKomm-AktG/Altmeppen, Vor § 311, Rn. 2, § 311 Rn. 4; Spindler/Stilz/ H.-F. Müller, Vor § 311, Rn. 1; Emmerich/Habersack, Aktien-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 1. 480 Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 1. 481 Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 3; Emmerich/Habersack, Aktien-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 1 f.; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, Vor § 311, Rn. 2; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 3; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 691 f.; vgl. Hüffer/Koch, § 311, Rn. 2. 482 H.M.: für die bewusste Zulassung des faktischen Konzerns: BGH v. 25. 06. 2008, WM 2008, S. 1873, Rn. 17; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 26; Spindler/Stilz/ H.-F. Müller, Vor § 311, Rn. 5; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 691 f.; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, S. 109 ff.; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 4; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 6; Emmerich/Habersack, Aktien-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 8, jeweils m.w.N. Für bloße „Duldung“ KölnKomm/Koppensteiner, Vor § 311, Rn. 10 ff., m.w.N. Siehe MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 26, dem zufolge die im Schrifttum gestellte Frage danach, ob in Zulässigkeit die „Billigung“ einfacher faktischer Konzernierung zum Ausdruck komme oder nur ihre „Duldung“ nur eine „graue Theorie“ sei; ähnlich Hüffer/Koch, § 311, Rn. 4, wonach diese Frage für Anwendung der §§ 311 ff. AktG ohne wesentliche Bedeutung sei. 479

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Vorschriften – bewertet.483 Denn sofern das herrschende Unternehmen den Nachteil nach Maßgabe des § 311 Abs. 2 AktG ausgleicht, treten namentlich die strengen Kapitalerhaltungsregeln der §§ 57, 62 AktG und die allgemeinen Haftungstatbestände zuru¨ ck, mithin die Haftung des herrschenden Unternehmens wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht und aus §117 AktG sowie die Haftung des Vorstands und Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft aus §§ 93, 116 AktG.484 Nimmt man einen Vergleich mit der Rechtslage vor, die gelten würde, wenn es § 311 AktG nicht gäbe, wäre die Nachteilszufügung, welche zugleich einen Verstoß gegen § 57 AktG begründete, unzulässig und die Leistung nach § 62 Abs. 1 AktG wäre sofort zurückzugewähren.485 Darüber hinaus würden auch die allgemeinen Haftungsnormen (§§ 93, 116, 117 AktG) in Betracht kommen. § 311 Abs. 2 AktG lässt allerdings im Gegensatz dazu einen zeitlich aufgeschobenen Nachteilsausgleich im Interesse des herrschenden Unternehmens zu und verhindert, dass die für konzernfreie Gesellschaften geltenden Vorschriften sofort eintreten. Damit kommt den §§ 311 ff. AktG die Funktion einer „Privilegierung“ des herrschenden Unternehmens und des einfachen Konzerns zu. Aus diesem Grund wird im Schrifttum schließlich sowohl von der Schutz- als auch von der Privilegierungsfunktion der §§ 311 ff. AktG gesprochen.486 II. Nachteilsbegriff der §§ 311, 317 AktG Vor dem Hintergrund des auf den Schutz der Gläubiger und Minderheitsaktionäre gerichteten Regelungszwecks der §§ 311 ff. AktG wird der Nachteilsbegriff allgemein als „jede Minderung oder konkrete Gefährdung der Vermögens- oder487 Ertragslage der Gesellschaft ohne Rücksicht auf die Quantifizierbarkeit, soweit sie als 483

Emmerich/Habersack, Aktien-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 2, 5; Spindler/Stilz/ H.-F. Müller, Vor § 311, Rn. 2; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, S. 124 ff.; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 4, Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 4, 6, jeweils m.w.N. Für die Ausführungen über die veraltete Bezeichnung der Möglichkeit des hinausgeschobenen Nachteilsausgleichs als „Schädigungsprivileg“ s. MünchKomm-AktG/ Altmeppen, § 311, Rn. 42 m.w.N. 484 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692; Emmerich/Habersack, Aktien-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 2, 5; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, Vor § 311, Rn. 2; Schmidt/Lutter/ Vetter, § 311, Rn. 4. 485 Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 4. 486 Emmerich/Habersack, Aktien-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 2, wonach den §§ 311 ff. AktG primär die Schutzfunktion zukomme; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, Vor § 311, Rn. 2; KölnKomm/Koppensteiner, Vor § 311, Rn. 5; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, S. 124 ff.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692, jeweils m.w.N. 487 Es wird zwar vorwiegend angenommen, dass eine Auswirkung auf die Vermögenslage oder Ertragslage erfolgen könne, aber es ist auch anzutreffen, dass die Formulierung der Nachteilsdefinition teilweise in der Weise vorgenommen, dass höhere Anforderungen angeknüpft werden: „Gefährdung der Vermögens- und Ertragslage“, so Spindler/Stilz/H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 27; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 284; auch BGHZ 179, 71, Rn. 8, „MPS“; BGHZ 141, 79, Rn. 84, „Buderus“.

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Abhängigkeitsfolge eintritt“ gefasst.488 Nach allgemeiner Ansicht deckt sich der Begriff des Nachteils weder mit dem Begriff des „Schadens“489 noch ist es erforderlich, dass für die Existenz des Nachteils ein „Verlust“ entsteht.490 Denn, ein Nachteil kann gegeben sein, auch wenn es nicht zum Eintritt eines entsprechend hohen Schadens kommt oder die abhängige Gesellschaft gar einen Gewinn erzielt.491 Eine Maßnahme, wodurch der abhängigen Gesellschaft ein andernfalls erzielbarer (höherer) Gewinn entgeht, kann auch einen Nachteil i.S.d. § 311 AktG begründen, auch wenn sie nicht zur Entstehung eines Verlusts fu¨ hrt.492 Aus der oben ausgeführten Definition des Nachteils geht zudem hervor, dass der Nachteilsbegriff in zwei Tatbestandsmerkmale aufgeteilt und dadurch außer der bloßen Vermögensauswirkung des Nachteils auch die Abhängigkeitsfolge untersucht wird. Demnach liegt ein Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG nur unter der Voraussetzung vor, dass sich die negativen Entwicklungen auf die Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft als Abhängigkeitsfolge ergeben sollen.493 Es fehlt daher bereits an einem Nachteil, wenn sich ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft ebenso verhalten hätte, wie der Vorstand der abhängigen Gesellschaft (§ 317 Abs. 2 AktG).494 So wird bei der Definition des Nachteils ein Vergleich mit einem hypothetischen Verhalten eines unabhängigen Geschäftsleiters herangezogen und damit stark an § 317 Abs. 2 AktG angelehnt. Entscheidend ist dabei also das fiktive Verhalten einer rechtlich unabhängigen, aber

488 BGHZ 190, 7, Rn. 20 f., 37, „Dritter Börsengang“; BGHZ 179, 71, Rn. 8, „MPS“; BGHZ 141, 79, Rn. 84, „Buderus“; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 54; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 24 f.; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 40 ff.; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 39, m.w.N. 489 Hüffer/Koch, § 311, Rn. 26; KölnKomm/Koppensteiner, § 311, Rn. 53; Emmerich/ Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 45, m.w.N. 490 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 45; Schmidt/Lutter/Wetter, § 311, Rn. 42; Spindler/Stilz/Müller, § 311, Rn. 28. Ausführlich dazu s. LG Köln, v. 23. 11. 2007 – 82 O 214/06, AG 2008, S. 333. 491 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 45, m.w.N. 492 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 45; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 30; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 42. Ausführlich dazu s. LG Köln, v. 23. 11. 2007 – 82 O 214/06, AG 2008, S. 333. 493 Hüffer/Koch, § 311, Rn. 25; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 39 f., jeweils m.w.N. 494 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 40; KölnKomm-AktG/ Koppensteiner § 311, Rn. 36; Spindler/Stilz/H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 28; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 40; Bürgers/Körber/Fett, § 311, Rn. 23; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 25, m.w.N. In der Rechtsprechung lautet die Formulierung eher so: „(ob) ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft zu denselben Konditionen vorgenommen hätte“, BGHZ, 175, 365, 367 f., Rn. 9, „UMTS“; BGHZ 179, 71, Rn. 9 f., „MPS“; BGHZ 190, 7, Rn. 20 f., 38, „Dritter Börsengang“; a.A. MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 162 ff.; ders., ZIP 2007, S. 330 ff., der gegen die Verknüpfung des Nachteilsbegriffs mit der Abhängigkeit ist.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

in derselben wirtschaftlichen Lage befindlichen Gesellschaft:495 Hätte demnach auch der pflichtgemäß handelnde Vorstand der als unabhängig gedachten Gesellschaft die Maßnahme treffen dürfen, so entfällt nicht erst die Ersatzpflicht gemäß § 317 Abs. 2 AktG, sondern bereits der nachteilige Charakter.496 So wird angenommen, dass dem Begriff des Nachteils stets eine Sorgfaltspflichtverletzung i.S.d. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG immanent sei.497 Schließlich handelt es sich hierbei nach herrschender Meinung um eine „verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung“, sodass § 317 Abs. 2 AktG nicht etwa eine Exkulpationsmöglichkeit regelt, sondern bei der Bestimmung des Nachteils i.S.d. § 311 AktG und damit bei der Frage nach dem Vorliegen der Schadensersatzhaftung gem. §§ 311, 317 AktG die zentrale Rolle spielt.498 Unter den Voraussetzungen des § 317 Abs. 2 AktG fehlt es also vielmehr schon an einem Nachteil und damit zugleich am objektiven Tatbestand des § 317 Abs. 1 AktG.499 Für die Beurteilung des nachteiligen Charakters und der Höhe des Nachteils ist nach ganz herrschender Ansicht der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder der Maßnahme als maßgeblich.500 Dementsprechend sei bei der Feststellung der Nachteiligkeit i.R.d. § 311 AktG eine ex-ante-Prognose anzustellen, wobei sämtliche Umstände zu berücksichtigen seien, die einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter zum damaligen Zeitpunkt erkennbar gewesen wären. Eine Maßnahme, die vorgenommen werden durfte, wird nicht durch spätere negative Ent-

495 Münch.Hdb.AG./Krieger, § 70, Rn. 82; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 41, jeweils m.w.N. 496 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 40. 497 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 40. 498 Hüffer/Koch, § 317, Rn. 5; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 317; Rn. 7; Schmidt/Lutter/Vetter, § 317, Rn. 7; Bürgers/Körber/Fett, § 317, Rn. 7; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 317, Rn. 11; Spindler/Stilz/H.-F. Müller, § 317, Rn. 4. A.A. MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 160 ff., § 317 Rn. 30; ders., ZIP 2007, S. 330 ff.; ders., NJW 2008, S. 1553 ff.; Fischbach, Haftung des Vorstands, S. 172 ff., insb. 179; Stöcklhuber, Konzern 2011, S. 255 ff. Nach diesen Autoren handele es sich in § 317 Abs. 2 AktG eigentlich um die gewöhnliche Bestimmung einer „Exkulpationsmöglichkeit“ nach dem Vorbild § 93 Abs. 2 S. 2 AktG und § 309 Abs. 2 AktG. Demnach begründe die Zufügung eines Nachteils, auch wenn sie vom herrschenden Unternehmen veranlasst wurde, dann keine Haftung nach §§ 311, 317 AktG, wenn die Beteiligten ohne Verschulden gehandelt hätten. Es gehe also hierbei um eine „Verschuldenshaftung“ für fehlerhafte Fremdgeschäftsführung. Das hypothetische Verhalten eines gedachten Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft diene nicht der Feststellung des Nachteils, sondern es sei der Maßstab zur Prüfung einer schuldhaften Pflichtverletzung. 499 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 40; KölnKomm-AktG/ Koppensteiner, § 311, Rn. 36. 500 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 26; Emmerich/Habersack, AktGmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 44; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 83; Spindler/Stilz/ H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 29; jeweils m.w.N. A.A. MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 174 ff.; Stöcklhuber, Konzern 2011, S. 255 ff.

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wicklung nachteilig.501 Das Umgekehrte gilt auch, sodass der nachteilige Charakter einer Maßnahme wegen späterer positiver Entwicklung nicht entfällt.502

C. Vergleich § 57 AktG und §§ 311 ff. AktG mit Blick auf ihre Schutzsysteme bzw. -zwecke Sowohl § 57 AktG als auch § 311 AktG beabsichtigen zwar den Schutz des Gesellschaftsvermögens, aber im Wesentlichen unterscheiden sich beide Regelungen in der Art und Weise, wie dieses Ziel verwirklicht wird. Im Falle des Verstoßes gegen das Kapitalerhaltungsgebot in einer unverbundenen AG kommt eine sofortige Rückgewährpflicht in Betracht (§ 62 Abs. 1 AktG), während bei einer verbundenen AG dem herrschenden Unternehmen/Aktionär die Möglichkeit eines hinausgeschobenen Nachteilsausgleichs eingeräumt wird (§ 311 Abs. 2 AktG).503 Ferner wird in der Literatur noch auf einen anderen Unterschied hingewiesen, wonach beide Vorschriften auf unterschiedlichen Grundgedanken beruhen.504 Da in der AG das Prinzip der Haftungsbeschränkung gelte, ziele § 57 AktG wesentlich durch den Erhalt des Vermögens auf die Gewährleistung der Befriedigung der Gläubiger aus dem Haftungsfond ab. Dahingegen bezwecke § 311 AktG die Verhinderung der unter dem beherrschenden Einfluss des herrschenden Aktionärs entstehenden Nachteile in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen sowohl zu Gunsten der Gläubiger als auch der Minderheitsaktionäre.505 Zur Rechtfertigung der verschiedenen Schutzzwecke der Vorschriften wird im Schrifttum noch die unterschiedliche Stellung zwischen Gläubiger und Aktionär hinsichtlich des Klagerechts herangezogen.506 Gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 AktG hätten die Gläubiger zwar keinen eigenen Anspruch auf Leistung, aber sie könnten den Anspruch auf dem Wege der Prozessstandschaft für die Gesellschaft geltend machen, während in der Norm den Aktionären kein solches Recht zustehe.507 Im Gegensatz dazu würden jedoch konzernrechtliche §§ 317, 318 AktG den Aktionären das Anspruchsrecht auf Leistungen an die Gesellschaft einräumen.508 501 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 26; Emmerich/Habersack, AktGmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 44; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 83; Spindler/Stilz/ H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 29, m.w.N. 502 Hüffer/Koch, § 311, Rn. 26; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 44; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 83; Spindler/Stilz/H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 29. 503 Kropff, NJW 2009, S. 815; Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 54. Zur Privilegierungsfunktion des § 311 AktG in diesem Sinne siehe Kapitel 2, § 3, B., I. 504 Kropff, NJW 2009, S. 815; Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 57. 505 Siehe dazu noch Kapitel 2, § 3, D., III., 2. 506 Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 34. 507 Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 34. 508 Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 34.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

D. Das Verhältnis zwischen den §§ 311 ff. AktG und des § 57 Abs. 1 S. 3 Alt. 2 AktG I. Überblick über die alte Rechtslage (§ 57 AktG a.F.) Vor der Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG durch das MoMiG ginge es um die Frage, in welchem Verhältnis § 311 AktG zu § 57 AktG a.F. stand.509 Der Problematik lagen die verschiedenen Schutzsysteme der Vorschriften zugrunde.510 Denn § 57 AktG a.F. verbot bereits die Auszahlung gebundenen Vermögens, sodass jede Einlagenrückgewähr einen Anspruch auf sofortige Rückgewähr auslöste (§ 62 AktG). § 311 AktG hingegen lässt die Benachteiligungen der faktisch abhängigen AG gegen einen zeitlich gestreckten schuldrechtlichen Ausgleich zu.511 Es wurde im Allgemeinen von der herrschenden Meinung angenommen, dass die Vorschrift § 311 AktG als lex specialis gegenüber dem allgemeinen Rückgewährverbot des § 57 AktG a.F. zu verstehen war, sodass §§ 57, 62 und 93 Abs. 3 AktG durch § 311 AktG verdrängt wurden, solange davon auszugehen war, dass eine sonst von § 57 AktG a.F. erfasste Vermögensverlagerung gemäß § 311 AktG tatsächlich ausgeglichen werden konnte.512 Wenn der nach § 311 Abs. 2 AktG gebotene Nachteilsausgleich nicht ordnungsgemäß geleistet wurde oder der Vorstand der abhängigen Gesellschaft einer nachteiligen Veranlassung nicht nachkommen durfte, lebten die §§ 57, 62 AktG wieder auf und fanden neben der Schadensersatzpflicht nach § 317 AktG Anwendung.513 Diese Grundsätze wurden auch für die Besicherung einer Kreditaufnahme des herrschenden Unternehmens durch abhängige AG für geltend erachtet.514 In Bezug auf die aufsteigenden Darlehen und speziell im Fall des Cash Pooling, wobei keine Absicherung erfolgt, wurde allerdings die Verdrängung des § 57 AktG a.F. durch § 311 AktG im Schrifttum teilweise abgelehnt. Es wurde die Ansicht vertreten, dass das Ausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG hier nicht funktionieren könne und derartige Rechtsgeschäfte daher auch bei faktischer AG stets aus509 Ausführlich zu Meinungen unter der alten Rechtslage s. Gärtner, Cash Pooling, S. 248 ff. 510 Schön, ZHR 159 (1995), S. 372; eingehend Habersack, ZGR 2009, S. 354 f. 511 Schön, ZHR 159 (1995), S. 372. 512 OLG München, 15. 12. 2004, NZG 2005, S. 183; Hüffer, 6. Aufl., 2004, § 311, Rn. 49; Hentzen, ZGR 2005, S. 507; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 693; Münch.Hdb.AG./ Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 52, 63; GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 194 f. m.w.N.; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 107 m.w.N.; noch eingehender zur relevanten Literatur siehe Habersack, ZGR 2009, S. 355, Fn. 28 und Gärtner, Cash Pooling, S. 248, Fn. 787. A.A. Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 64 ff.; ders., Der Konzern 2004, S. 245; Altmeppen, ZIP 1996, S. 695 ff.; speziell zum aufsteigenden Darlehen Schön, ZHR 159 (1995), S. 371 f. 513 OLG Frankfurt, AG 1996, S. 327; OLG Hamm, AG 1995, S. 516; Emmerich/Habersack, AktGmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., 2008, § 311, Rn. 83; Hüffer, 6. Aufl., 2004, § 311, Rn. 49; GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., 2004, § 57, Rn. 196 m.w.N.; ausführlich zum Verhältnis von § 62 AktG und § 317 AktG siehe Münch.Hdb.AG./Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 52. 514 Hüffer, 6. Aufl., 2004, § 311, Rn. 49, m.w.N.

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schließlich an den Kapitalerhaltungsregeln zu messen seien.515 Denn der Nachteilsausgleich sei ebenso wie der Rückerstattungsanspruch im Rahmen des Cash Pooling schuldrechtlicher Natur und als solcher könne er das Insolvenzrisiko nicht ausgleichen,516 zumal wenn wie beim Cash Pooling die liquiden Mittel der abhängigen AG systematisch abgezogen würden.517 Ferner gehöre das Cash Management nicht unbedingt zur unverzichtbaren Grundausstattung dezentraler Konzernführung, welche die Verdrängung des § 57 AktG a.F. durch § 311 AktG rechtfertigen könnte.518 Privilegiert sei das Cash Pooling insoweit allein beim Vorliegen eines Beherrschungsvertrags.519 Nach der Ansicht, die für den Vorrang der §§ 311 ff. AktG plädierte, gab es demgegenüber jedoch keinen Grund für die Darlehensvergabe i.R.d. Cash Pooling vom Vorrang der §§ 311 ff. AktG abzuweichen.520 Denn dabei gelte anstelle des abstrakten Vermögens- und Liquiditätsschutzes nach § 57 AktG a.F., eine konkrete, auf die Umstände des Einzelfalles abstellende Betrachtungsweise.521 Demnach, solange ein konkretes Ausfallsrisiko vermieden werde, seien die mit der Darlehensvergabe verbundenen Nachteile ausgleichsfähig.522 Voraussetzung sei bei einem Cash Pooling in diesem Zusammenhang, das System so auszugestalten, dass die abhängige Gesellschaft vor dem Ausfallrisiko bzw. existenzgefährdenden Eingriffen geschützt werde.523 Deswegen wurde insoweit darauf hingewissen, dass die abhängige Gesellschaft eine angemessene Verzinsung erhalten, über hinreichende eigene Liquidität verfügen und einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch erwerben solle.524 Die Meinungsverschiedenheit bezüglich des Vorrangs des § 57 AktG a.F. oder der §§ 311 ff. AktG wirkte sich insbesondere hinsichtlich der Frage aus, ob aufsteigende 515 Schön, ZHR 159 (1995), S. 372; Bayer/Lieder, ZGR 2005, S. 148 f; Hüffer, 8. Aufl., 2008, § 311, Rn. 49a, § 57, Rn. 3a, 3b; GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 197; MünchKomm-AktG/Bayer, 3. Aufl., 2008, § 57, Rn. 102 ff., 149 m.w.N. 516 Hüffer, 8. Aufl., 2008, § 311, Rn. 49a; MünchKomm-AktG/Bayer, 3. Aufl., 2008, § 57, Rn. 102 ff., 149; GroßKomm-AktG/Henze, 4. Aufl., § 57, Rn. 197; Schön, ZHR 159 (1995), S. 372, der darauf hinweist, dass das herrschende Unternehmen die Tochtergesellschaft schuldrechtlich nicht gegen ihr eigenes Insolzvenzrisiko sichern kann. 517 Zeidler, Zentrales Cashmanagement, S. 65 ff.; Bayer/Lieder, ZGR 2005, S. 148 f. 518 Hüffer, 8. Aufl., 2008, § 311, Rn. 49a. 519 Cahn, Der Konzern 2004, S. 245; MünchKomm-AktG/Bayer, 3. Aufl., 2008, § 57, Rn. 102, der auch beim Bestehen des Beherrschungsvertrags auf die Wertlosigkeit des Verlustausgleichsanspruchs bei Insolvenz des herrschenden Unternehmens hinweist. 520 Emmerich/Habersack, AktGmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., 2008, § 311, Rn. 47; Habersack/Schürnbrand, NGZ 2004, S. 692 ff.; Hentzen, ZGR 2005, S. 507; Wessel, ZIP 2006, S. 1707; Reidenbach, WM 2004, S. 1427 f. 521 Emmerich/Habersack, AktGmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., 2008, § 311, Rn. 47 m.w.N. 522 Emmerich/Habersack, AktGmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., 2008, § 311, Rn. 62a; für die Einzelausgleichsfähigkeit der mit dem Cash Pooling verbundenen Nachteile siehe Zeidler, Zentrales Cashmanagement, S. 45 ff. 523 Emmerich/Habersack, AktGmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., 2008, § 311, Rn. 48, m.w.N. 524 Emmerich/Habersack, AktGmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., 2008, § 311, Rn. 48; Hentzen, ZGR 2005, S. 507, m.w.N.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Darlehen stets zu besichern waren. Dies war insbesondere mit Blick auf das Cash Pooling-Verfahren von erheblicher Bedeutung. Denn da im Rahmen des Cash Pooling eine unkomplizierte und kostengünstige Finanzierung der teilnehmenden Konzerngesellschaften bezweckt wird, wird in der Praxis regelmäßig auf die Besicherung verzichtet.525 Die herrschende Ansicht, die das Cash Pooling an den §§ 311 ff. AktG maß, beurteilte die Vergabe eines ungesicherten Darlehens nicht per se als nachteilig.526 Demnach mussten stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden und eine werthaltige Besicherung sei nur bei Bestehen konkreter Ausfallrisiken erforderlich. Die Gegenansicht, die dabei § 57 AktG a.F. für einschlägig hielt, verlangte hingegen stets – auch beim Cash Pooling527 – volle Besicherung von Darlehen.528 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass man die ähnlichen Diskussionen im türkischen Recht seit dem Inkrafttreten des neu-tHGB, wodurch erstmals konzernrechtliche Regelungen kodifiziert wurden, ausführt.529 II. Fragestellungen in der aktuellen Rechtslage Der BGH schloss sich in seinem MPS-Urteil mit Verweis auf die Neuregelung in § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG der zuvor herrschenden Ansicht an und führte ausdrücklich aus: „… § 311 AktG enthält, auch soweit er mit § 57 AktG gleich läuft, eine die §§ 57, 62, 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG verdrängende Spezialregelung.530 Seitdem herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass § 311 AktG Vorrang vor den §§ 57, 62 AktG hat.531 Nach der Einführung des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG, in dem klargestellt wird, dass in Bezug auf die Kapitalbindung auf die bilanzielle Betrachtungsweise abgestellt wird und damit eine aufwärts gerichtete Darlehensvergabe in Aktiengesellschaft im Falle der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs nunmehr zulässig ist, kommt es, so 525 J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 8; Habersack/ Schürnbrand, NGZ 2004, S. 695. 526 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692 ff.; Hentzen, ZGR 2005, S. 507, 511 ff.; Grothaus/Halberkamp, GmbHR 2005, 1318 f.; Münch.Hdb.AG./Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 62 m.w.N. 527 Speziell zum Cash Pooling Bayer/Lieder, ZGR 2005, S. 149. 528 Schön, ZHR 159 (1995), S. 372; Bayer/Lieder, ZGR 2005, S. 149; MünchKomm-AktG/ Bayer, 3. Aufl., 2008, § 57, Rn. 102, 149; Hüffer, 8. Aufl., 2008, § 311, Rn. 49a, § 57 Rn. 3a, 3b; Zeidler, Zentrales Cashmanagement, S. 71. 529 Siehe dazu Kapitel 2, § 4, C., IV., 1. 530 BGHZ 179, 71, Rn. 11, „MPS“. 531 BGHZ 190, 7, Rn. 48, „Dritter Börsengang“; BGH v. 26. 06. 2012, WM 2012, S. 1689, 1691, Rn. 16; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 161 f.; Hu¨ ffer/Koch, § 311, Rn. 49; Spindler/Stilz/Müller, § 311, Rn. 63; Bu¨ rgers/Körber/Fett § 311, Rn. 58; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 82, jeweils m.w.N.; a.A. wohl immer noch Wackerbarth, Der Konzern 2010, S. 337, 346 ff.

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die Literatur, nicht mehr auf die Frage an, ob die §§ 57, 62 AktG durch § 311 AktG verdrängt werden.532 Dadurch wurde nämlich der für die abhängige AG seit jeher maßgebende Ansatz (konkrete Betrachtungsweise)533 in § 57 Abs. 1 S. 3 AktG verallgemeinert.534 Es besteht nunmehr Einigkeit darüber, dass aufsteigende Darlehen allgemein und namentlich im Rahmen des Cash Pooling bei einer faktisch abhängigen AG grundsätzlich an den § 311 ff. AktG zu messen sind.535 Die Diskussionen im Bezug auf das Verhältnis des § 311 AktG zu § 57 AktG haben insbesondere nach den Aussagen des BGH im „MPS“-Urteil vielmehr eine andere bzw. neue Dimension erfahren. Die Formulierung des BGH, dass „im Rahmen der als Privilegierung gegenüber § 57 AktG gedachten §§ 311, 317 f. AktG können keine strengeren Maßstäbe gelten …“,536 verursachte neue Fragestellungen. Die Diskussionen drehen sich seitdem darum, ob § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG oder § 311 AktG strengere Voraussetzungen an die Kreditvergabe stellt, und ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG die Auslegung der §§ 311 ff. AktG beeinflussen oder umgekehrt eher die Voraussetzungen der §§ 311 ff. AktG diejenigen des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG überlagern.537 Anders formuliert lautet die gegenläufige Frage, ob die durch § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG eingeführte bilanzielle Betrachtungsweise, also das Erfordernis der Vollwertigkeit für die Zulässigkeit eines Darlehens hinsichtlich der Kapitalerhaltungsregeln auch bei der Auslegung der Nachteiligkeit des Rechtsgeschäfts i.R.d. § 311 AktG als (einziges) maßgebliches Kriterium anzunehmen ist. Hat dieses Kriterium einen den Nachteilsbegriff begrenzenden Einfluss, sodass das Vorliegen eines Nachteils i.S.d. § 311 AktG zu verneinen ist, wenn und solange die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG erfüllt sind? Eine andere Frage, die die „MPS“-Entscheidung aufwarf, war übrigens, was genau unter dem „Konzernprivileg“ zu verstehen ist.538

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So Habersack, ZGR 2009, S. 357; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 83; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 50; Gärtner, Cash Pooling, S. 257. 533 Mit diesem Ausdruck wird die vorher herrschende Ansicht gemeint, welche die aufsteigende Kreditvergabe an § 311 AktG maß und bei unbesichertem Darlehen keine Einlagenrückgewähr per se sah. Ausführlich dazu vorstehend Kapitel 2, § 3, D., I. 534 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 83; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 50. 535 BGHZ 179, 71, Rn. 11, „MPS“; BGHZ 190, 7, Rn. 48, „Dritter Börsengang“; BGH, 26. 06. 2012 – II ZR 30/11, ZIP 2012, S. 1753; Hüffer/Koch, § 311, Rn 49 f.; Habersack, ZGR 2009, S. 357; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 82 f. m.w.N.; a.A. wohl Wackerbarth, Der Konzern 2010, 337, 346 ff. 536 BGHZ 179, 71, Rn. 12, „MPS“. 537 Gärtner, Cash Pooling, S. 257. 538 BGHZ 179, 71, Rn. 12, „MPS“: „im Rahmen der als Privilegierung gegenüber § 57 AktG gedachten §§ 311, 317 f. AktG können keine strengeren Maßstäbe gelten …“.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

III. Die Anwendbarkeit der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG bei der Nachteilsfeststellung i.S.d. § 311 AktG 1. Die Bewertungen der „MPS“-Entscheidung Seit der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise durch das MoMiG in § 57 Abs. 1 AktG besteht in der Rechtsprechung und Literatur eine starke Tendenz, das Vorliegen eines Nachteils i.S.d. § 311 AktG an der bilanziellen Betrachtungsweise bzw. an dem Vollwertigkeitskriterium des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG zu messen.539 Der BGH ging in seinem „MPS“-Urteil auf die Frage nach der Vereinbarkeit der Kreditgewährungen i.R.d. § 57 Abs. 1 S. 3 2. Alt. AktG mit § 311 AktG ein und hat aus der kapitalerhaltungsrechtlichen Neuregelung des MoMiG Konsequenzen für §§ 311 ff. AktG gezogen.540 So hat er unter Verweis auf die Neuregelung – verkürzt – ausgeführt, dass nunmehr (nach dem MoMiG) bei einer durch einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch gedeckten Leistung der Gesellschaft lediglich ein Aktivtausch stattfinde und (daher) im Rahmen der als Privilegierung gegenüber § 57 AktG gedachten §§ 311, 317 f. AktG keine strengeren Maßstäbe gelten könnten.541 Anschließend stellte er klar, dass ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG nicht allein deswegen vorliege, weil sich ein Rechtsgeschäft oder eine Maßnahme als Folge der Abhängigkeit darstelle und ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft zu denselben Konditionen nicht vorgenommen hätte.542 Hinzukommen müsse vielmehr: „… eine konkrete Gefährdung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft …“.543 Eine solche Gefahr sieht der BGH nicht bei einem unbesicherten Darlehen, wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig (§ 57 Abs. 1 S. 3 2. Alt. AktG) und die Verzinsung angemessen ist.544 In seinem „MPS“-Urteil stellt der BGH schließlich in Bezug auf die Beurteilung der Nachteiligkeit aufsteigender Darlehen i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG auf das Vollwertigkeitskriterium des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG ab und geht davon aus, dass die unbesicherten Darlehen gemäß § 311 Abs. 1 AktG nicht nachteilig sind, was das Ausfallrisiko anbelangt, wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist.545 Damit misst also der BGH bei aufsteigenden Kreditgewährungen das Vorliegen eines sich 539 BGHZ 179, 71, Rn. 12, „MPS“; Habersack, ZGR 2009, S. 357; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806; von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, S. 121; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177; Winter, DStR 2007, S. 1489; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47 f., m.w.N. 540 Cahn, Der Konzern 2009, S. 67 f. 541 BGHZ 179, 71, Rn. 12, „MPS“. Der BGH verweist dabei zwar auf Winter, welcher aber damit – im Gegenteil zu BGH – nicht so streng, sondern vorsichtig umgeht: „möglicherweise auch keinen Nachteil i.S.d. § 311 AktG darstellt“ (DStR 2007, S. 1489). 542 BGHZ 179, 71, Rn. 9 f., „MPS“; siehe diesbezüglich auch Cahn, Der Konzern 2009, S. 68. 543 BGHZ 179, 71, Rn. 10, „MPS“. 544 BGHZ 179, 71, Rn. 10, 17, „MPS“. 545 BGHZ 179, 71, Rn. 10, „MPS“; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177, jeweils m.w.N.

§ 3 Im faktischen AG-Konzern

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aus dem Ausfallrisiko ergebenden Nachteils i.S.d. § 311 AktG an der bilanziellen Betrachtungsweise bzw. am Vollwertigkeitskriterium des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG. Diese Ausführungen wurden in der Literatur teilweise in der Weise interpretiert und angenommen, dass nunmehr die §§ 311 ff. AktG unter Berücksichtigung der weniger strengen Vorgaben des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG ausgelegt werden sollten und damit beim Vorliegen einer vollwertigen Forderung gemäß § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG davon auszugehen sei, dass es bereits an einem Nachteil gemäß § 311 AktG fehle.546 Denn die Regeln der §§ 311 ff. AktG würden keine striktere Kapitalbindung als bei der unverbundenen AG beabsichtigen, sondern im Gegenteil bestimmte Erleichterungen bzw. Privilegierung ermöglichen.547 Insbesondere nach einigen Vertretern dieser Ansicht, die einen uneingeschränkten Gleichlauf des § 57 und § 311 AktG befürworten, würde eine an den Unterschieden von § 311 AktG und § 57 AktG orientierte, strengere Auslegung des § 311 AktG vor allem den Zwecken des MoMiG zuwiderlaufen.548 Demnach stehe die Annahme, man könne nach § 311 AktG hinsichtlich der Darlehensgewährung an Muttergesellschaften strengere Maßstäbe anlegen als nach § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG,549 entgegen dem Gesetzeszweck des MoMiG.550 Denn das Grundanliegen der Reform liege gerade in der Absicherung des konzerninternen Cash Pooling und der aufsteigenden Darlehen im Konzern. Berücksichtige man diesen Zweck bei der Auslegung des Aktienkonzernrechts nicht, so hätte das zur Folge, dass die Reform gerade dort leer laufe, wo der Gesetzgeber eingreifen wollte.551 Damit sei aber der zentrale Fall der Konzernfinanzierung von der durch das MoMiG eingefügten Neuregelung überhaupt nicht erfasst, sondern von dieser Reform profitierten eher Privatgesellschafter, die lediglich eigene private Interessen verfolgen, aber jedenfalls keine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen ihres Unternehmens bezwecken. Daher wird von den Vertretern dieser Ansicht Gleichlauf von § 57 AktG und § 311 AktG vorgeschlagen552 und die „MPS“-Entscheidung des BGH wird sogar in dem Punkt kritisiert, in dem eine marktübliche Verzinsung i.R.d. § 311 AktG verlangt wird,553 weil die Verzinsung i.R.d. § 57 AktG jedenfalls bei kurzfristigen Darlehen keine Rolle spiele.554 Schließlich empfiehlt diese Ansicht de lege ferenda, dass eine § 57 Abs. 1 546

Habersack, ZGR 2009, S. 357; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806; Emmerich/ Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, S. 121; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; Winter, DStR 2007, S. 1489; MünchKommAktG/Bayer, § 57, Rn. 177. 547 Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806. 548 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 112; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177. 549 Für die Vertreter dieser Auffassung siehe nachstehend Kapitel 2, § 3, D., III., 2. 550 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177. 551 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177. 552 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177. 553 BGHZ, 179, 71, Rn. 17, „MPS“. 554 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 110.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

S. 3, 2. Alt. AktG entsprechende Formulierung auch in § 311 aufgenommen wird,555 oder zumindest § 311 AktG dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die nach der bilanziellen Betrachtungsweise des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG zulässigen Darlehensvergaben auch i.R.d. § 311 AktG für nicht nachteilig gelten.556 2. Die Gegenansicht und die Kritik der „MPS“-Entscheidung Die Ansicht, die für den Gleichlauf von § 311 AktG und § 57 AktG und somit für eine abschließende Übertragung der bilanziellen Betrachtungsweise des § 57 AktG auf die Nachteilsfeststellung i.S.d. § 311 AktG befürwortet und insbesondere die dementsprechenden Ausführungen sowie Wertungen des BGH im „MPS“-Urteil stießen in der Literatur auf Kritik.557 Denn nach der Gegenansicht könne gestützt auf die Wertungen des Kapitalerhaltungsgebots (§ 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG) und zumal unter Verweis auf die Privilegierungsfunktion der §§ 311 ff. AktG ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG nicht generell verneint werden.558 In diesem Zusammenhang wird erstens auf die unterschiedlichen Schutzzwecke des § 57 AktG und der §§ 311 ff. AktG hingewiesen.559 Das Verbot der Einlagenrückgewähr solle den Gläubigern einen Haftungsfond sichern, während bei den §§ 311, 317 AktG der Schutz der Vermögensinteressen einer Aktionärsminderheit mindestens gleichrangig neben dem Gläubigerschutz stehe. Die abhängige Gesellschaft solle im Interesse der Außenseiter gegen die spezifischen Gefahren eines beherrschenden Einflusses geschützt werden. Es solle verhindert werden, dass ihr Wert und damit der Wert der an ihr bestehenden Anteile durch pflichtwidrige Maßnahmen ihrer Geschäftsführung zu Gunsten des herrschenden Unternehmens gemindert werde. Das gehe deutlich über die Sicherung eines Haftungsfonds hinaus und verbiete es, einen Nachteil generell oder jedenfalls bei aufsteigenden Konzerndarlehen schon dann zu verneinen, wenn kein Fall der Einlagenrückgewähr vorliege. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Schutzzwecke und -gehalte von § 311 AktG und § 57 AktG wird schließlich dagegen plädiert, bei der Nachteilsfeststellung i.R.d. § 311 AktG lediglich die bilanzielle Betrachtungsweise anzuwenden.

555

KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177. KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177, m.w.N. 557 Kropff, NJW 2009, S. 815 ff.; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285 f.; Cahn, Der Konzern 2009, S. 72 ff.; teilweise Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Gärtner, Cash Pooling, S. 261 ff.; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 72 ff., der insbesondere auf die Begrenztheit bilanzieller Betrachtungsweise hinsichtlich der Nachteilsfeststellung i.R.d. § 311 AktG hinweist. 558 Kropff, NJW 2009, S. 815 ff.; Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285 f.; Gärtner, Cash Pooling, S. 261 ff. 559 Kropff, NJW 2009, S. 815; Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285. 556

§ 3 Im faktischen AG-Konzern

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Zweitens wird die Unzulänglichkeit der bilanziellen Betrachtungsweise auf die Feststellung des Nachteils i.S.d. § 311 AktG zum Ausdruck gebracht.560 Auch wenn der BGH nicht sage, dass die bilanzielle Betrachtungsweise auch für die Erfassung von Nachteilen nach §§ 311 ff. AktG gelte, könne er in diesem Sinne verstanden werden. Die bilanzielle Betrachtungsweise möge zwar für Abflüsse aus Haftungsfonds ausreichen, sie könne aber kein allein taugliches Messinstrument für den Aktionärsschutz sein. Denn in der Bilanz würden gerade im Konzern nicht alle Maßnahmen zum Ausdruck kommen, die die abhängige Gesellschaft und damit ihre Minderheitsaktionäre beinträchtigen. Z. B. sei in der Bilanz nicht abzulesen, ob die abhängige Gesellschaft zu Gunsten des herrschenden Unternehmens zum Verzicht auf eine aussichtsreiche Entwicklung veranlasst worden sei. Es gehe bei den §§ 311 ff. AktG nicht nur um die Erhaltung des in der Bilanz ausgewiesenen Vermögens, sondern um die Erhaltung des Werts der abhängigen Gesellschaft, so wie er sich unter Einbeziehung aller (auch der nicht bilanzierten) Chancen und Risiken ergebe, denn dieser Wert bestimme das Vermögensinteresse der Außenseiter.561 Daher könne auch bei einem vollwertigen und besicherten upstream-Darlehen ein Nachteil nicht schlechthin ausgeschlossen werden, z. B. wenn ein pflichtmäßig handelnder Geschäftsführer die liquiden Mittel in aus Sicht der abhängigen Gesellschaft dringend benötigte Investitionen gelenkt hätte. Zudem wird die Einschränkung des Nachteilsbegriffs durch den Verweis auf das Konzernprivileg kritisiert.562 Die Aussage des BGH „im Rahmen als Privilegierung gegenüber § 57 AktG gedachten §§ 311, 317 AktG keine strengeren Maßstäbe gelten“, könne nicht in der Weise verallgemeinert werden, dass „keine Einlagenrückgewähr, also auch kein Nachteil“ vorliegt. Diese Überlegung würde die Grenzen des sog. Privilegs verkennen. Das Konzernprivileg beschränke sich nämlich auf die Möglichkeit der zeitlichen Hinausschiebung gemäß § 311 Abs. 2 AktG.563 Die §§ 311 ff. AktG würden die Ausübung faktischer Beherrschungsmacht im Hinblick auf die erhöhte Gefährdung der Außenseiter einer gegenüber §§ 57, 93, 116 AktG insgesamt deutlich verschärften Haftung sowie Kontrolle unterstellen und daher seien sie eigentlich strenger als Kapitalbindungsregeln. Einschränkungen beim Begriff des Nachteils seien also mit den Privilegierungsgedanken nicht zu begründen.

560

Kropff, NJW 2009, S. 815 f.; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 72 ff. Für ausführliche Erklärungen zur Anwendung der bilanziellen Betrachtungsweise auf die Nachteilsfeststellung i.S.d. § 311 AktG und Kritik dazu s. Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 70 ff. 562 Kropff, NJW 2009, S. 816; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285; Gärtner, Cash Pooling, S. 261 ff. 563 Kropff, NJW 2009, S. 815; Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285. 561

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

3. Stellungnahme Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Auch wenn das Vollwertigkeitskriterium des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG bei der Bewertung der Nachteiligkeit des Darlehens mit Blick auf das Ausfallrisiko i.R.d. § 311 AktG genügenden Schutz zu bieten vermag, deckt es jedoch alleine nicht alle Aspekte des Nachteilsbegriffs i.S.v. § 311 AktG. Dies ergibt sich – wie in der Literatur schon zu Recht hervogehoben wird564 – vor allem aus der Tatsache, dass sich manche auf das Vermögen der abhängigen Gesellschaft negativ auswirkenden Rechtsgeschäfte bzw. Maßnahmen auf die Bilanz keine Auswirkung haben, also in der Bilanz nicht zum Ausdruck kommen, obwohl sie gem. § 311 AktG einen Nachteil darstellen. Dies ist etwa der Fall, wenn die abhängige Gesellschaft die abgeführten Mittel dringend für eigene Interesse benötigt oder die weggegebenen Mittel anderweitig, z. B. für Investitionen oder wirtschaftlich vorteilhafte Geschäfte hätte einsetzen können.565 Auch wenn der Rückzahlungsanspruch dabei vollwertig ist und damit kein Verstoß gegen die Vorgaben des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG vorliegt, könnte sich die Darlehensvergabe aus dem eben genannten Grund als nachteilig i.S.d. § 311 AktG seitens der darlehensgebenden Poolgesellschaft erweisen. Diesem Unterschied liegt das als der gesellschaftsrechtliche § 57 AktG anders gestaltete Schutzkonzept des konzernrechtlichen § 311 AktG zugrunde. Im Gegensatz zum gesellschaftsrechtlichen § 57 AktG wird nämlich durch die §§ 311 ff. AktG bezweckt, ein höheres Schutzniveau zu erreichen.566 Die Vorgaben und damit die bilanzielle Betrachtungsweise des § 57 AktG dienen nämlich nur dem rechnerischen Erhalt des schon vorhandenen Vermögens als Haftungsfonds, während der Schutzumfang des § 311 AktG aufgrund des umfangreichen Nachteilsbegriffs darüber hinausgeht. Er erfasst nicht nur die Rechtsgeschäfte, die den rechnerischen Wert des schon vorhandenen Gesellschaftsvermögens mindern, sondern auch die die Ertragslage der Gesellschaft beeinträchtigenden Rechtsgeschäfte.567 D. h. bei der Feststellung des Nachteils i.S.d. § 311 AktG ist nicht nur die Beeinträchtigung der Vermögenslage, sondern auch die Beeinträchtigung der Ertragslage der abhängigen Gesellschaft zu berücksichtigen. Aufgrund dieses Konzepts von § 311 AktG könnte eine Maßnahme, die zwar nicht unmittelbar zur Entstehung einer Verminderung der Vermögenslage der Gesellschaft führt, aber der abhängigen Gesellschaft einen anderenfalls erzielbaren Gewinn entgehen lässt, einen Nachteil i.S.d. § 311 AktG darstellen, der ausgeglichen werden muss.568 Unter Berücksichtigung dieses im Vergleich zum Kapitalerhaltungsgebot (§ 57 AktG) noch strengeren Schutzzwecks bzw. -gehalts der §§ 311 ff. AktG ist es letztendlich erforderlich, die auch nicht bilanziellen negativen Auswirkungen in den Schutzbereich des § 311 AktG einzubeziehen. Anderenfalls würde man den tradi564 565 566 567 568

Kropff, NJW 2009, S. 815; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 73. Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 61; Zahrte, Cash Pooling, S. 162. Siehe vorstehend Kapitel 2, § 3, C. Zum Nachteilsbegriff vorstehend Kapitel 2, § 3, B., II. Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 45.

§ 3 Im faktischen AG-Konzern

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tionell umfasenden Begriffsinhalt, oder anders formuliert das bisherige Verständnis des „Nachteils“ i.S.d. § 311 AktG dahingehend beschränken, dass bei aufsteigenden Darlehen nur die bilanzielle Minderung des schon vorhandenen Vermögens einen Nachteil darstellen würde. Schließlich würde die Annahme dem Ziel von § 311 AktG gerecht, dass sich die Vorgaben des gesellschaftsrechtlichen § 57 AktG für die Feststellung des weit reichenden Nachteilsbegriffs des konzernrechtlichen § 311 AktG nicht ausschließend auswirken könnten. Mit anderen Worten sollte also dem Vollwertigkeitskriterium – anders als bei gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsfragen – im Rahmen der Nachteilsfeststellung i.S.d. § 311 AktG keine abschließende Wirkung zukommen. Eine dahingehende Aufweichung bzw. Einschränkung des Nachteilsbegriffs, dass solange die Voraussetzungen des § 57 AktG erfüllt wären, kein Nachteil i.R.d. § 311 AktG erfolgen würde, könnte m. E. auch nicht durch die Privilegierungsfunktion der §§ 311 ff. AktG gerechtfertigt werden. Denn mit Blick auf das Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG kann nicht von einem Willen des Gesetzgebers über die Privilegierung des faktischen AG-Konzerns in dem Sinne gesprochen werden, dass die Interessen von Minderheitsaktionären und Gläubigern weniger geschützt werden müssten als diejenigen in der unverbundenen AG.569 Heute wird die „Privilegierungsfunktion“ der §§ 311 ff. AktG in der Literatur nur in der sich aus § 311 Abs. 2 AktG ergebenden Möglichkeit gesehen, den Nachteilsausgleich zeitversetzt zu erbringen.570 Die Möglichkeit, den Nachteilsausgleich hinauszuschieben, führt rechtlich zu keiner Abweichung des Vermögensschutzes der Außenseiter. Sie ist kein „Schädigungsprivileg“, denn das den §§ 311 ff. AktG zugrundeliegende Schutzsystem des Einzelausgleichs verbietet rechtlich trotz seiner Auflockerung durch die Zulassung des zeitversetzten Ausgleichs im Ergebnis jede Schädigung der abhängigen Gesellschaft und damit ihrer Außenseiter.571 Ganz im Gegenteil wird der Schutz der abhängigen AG im faktischen Konzern dadurch intensiviert, dass die Haftung in entscheidenden Punkten weiter reicht als bei einer unverbundenen AG. Es werden nämlich dem herrschenden Unternehmen und seinen gesetzlichen Vertretern, aber auch den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft, besondere Verhaltenspflichten auferlegt, deren Verletzung ihrerseits zum Schadensersatz führt.572 Ferner wird das Schutzsystem im faktischen Konzern durch den Abhängigkeitsbericht und seine Prüfung eingeschärft, sodass das Kapital der abhängigen Gesellschaft in Wirklichkeit wesentlich wirksamer geschützt wird, als dies bei schlichter Geltung der allgemeinen Vorschriften der Fall wäre.573

569

Vgl. Gärtner, Cash Pooling, S. 263. Spindler/Stilz/H.-F. Müller, Vor §§ 311 – 318, Rn 2; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, Vor § 311, Rn. 5 aE; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 4. 571 MünchKomm-AktG/Altmeppen, AktG § 311, Rn. 42. 572 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 1. 573 MünchKomm-AktG/Altmeppen, AktG § 311, Rn. 42. 570

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Eine am besonderen Schutzzweck der §§ 311 ff. AktG orientierte, strengere Auslegung des Nachteilsbegriffs des § 311 AktG bei Cash Pooling würde m. E. zudem nicht den Zwecken des MoMiG zuwiderlaufen.574 Das Anliegen des Gesetzgebers von MoMiG war nämlich nicht das Cash Pooling aus dem Schutzbereich der §§ 311 ff. AktG auszunehmen, sondern die früher aufgrund der „November“Entscheidung entstandenen Rechtsunsicherheiten zugunsten von Cash Pooling zu beseitigen. Es war nämlich nach der „November“-Entscheidung insbesondere mit Blick auf die AG fraglich, ob eine AG überhaupt aufsteigende Darlehen gewähren durfte, wenn ja, ob die Darlehenskonditionen einem Drittvergleich standhalten mussten und unbedingt eine Besicherung des Darlehens erfolgen musste.575 Durch die Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise in § 57 AktG räumte der Gesetzgeber von MoMiG diese Fragen dahingehend aus, dass nunmehr eine AG bei Erfüllung des Vollwertigkeitskriteriums aufsteigende Darlehen gewähren darf, ohne eine Beurteilung nach dem Drittvergleich. Vor diesem Hintergrund bezieht sich die bilanzielle Betrachtungsweise von § 57 Abs. 1, S. 3, 2. Alt. AktG in einer verbundenen AG m. E. auf die Nachteiligkeitsbewertung eines aufsteigenden Darlehens i.S.d. § 311 AktG lediglich hinsichtlich des „Ausfallrisikos“. Aus diesem Grund wäre es m. E. angebracht anzunehmen, dass der Cash Pooling Absicherungs- bzw. Erleichterungszweck des Gesetzgebers im Recht der verbundenen AG schon als verwirklicht betrachtet werden sollte, weil bei Vorliegen der Vollwertigkeit das Fehlen der Besicherung eines aufsteigenden Darlehens i.S.d. § 311 AktG nicht mehr als ein Nachteil erachtet werden kann.576 Bei der Frage, ob unter anderen Gesichtspunkten ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG vorliegt, sollten jedoch die eigenen Kriterien des § 311 AktG herangezogen werden.

E. Nachteiligkeit der Cash Pooling-Darlehen im Einzelnen I. Ausfallrisiko Ausfallrisiko beschreibt das jeder Kreditvergabe inhärente Risiko, dass der gewährte Betrag nicht zurückgegeben werden kann. Da bei jeder abhängigkeitsbedingten Minderung oder konkreten Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG gegeben ist, könnte eine Kreditvergabe und somit das Eingehen eines Kreditrisikos einen Nachteil in diesem Sinne konstituieren, wenn das Ausfallrisiko die Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft konkret gefährdet.577 Nach der Einführung der bilanziellen Betrach574

So aber insbesondere KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 112; MünchKomm-AktG/ Bayer, § 57, Rn. 177. 575 Ausführlich zu diesbezüglichen Diskussionen siehe statt vieler Gärtner, Cash Pooling, S. 225 ff. 576 Siehe auch Kapitel 2, § 3, E., I. 577 Ausführlich dazu Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 115.

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tungsweise in § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG wird nunmehr in der Rechtsprechung und in der Literatur bei der Konkretisierung des Ausfallrisikos im Aktienkonzernrecht und damit bei der Feststellung eines Nachteils i.S.d. § 311 AktG auf das Vollwertigkeitskriterium abgestellt.578 Ist die Vollwertigkeit i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG gegeben, dann fehlt es, was das Ausfallrisiko anbelangt, an einem Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG. Der BGH spricht zwar nicht direkt von einer unmittelbar entsprechenden Anwendung der Vorgaben des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG auf die Bemessung des Kreditrisikos im Rahmen des § 311 AktG, aber er hat so entschieden, dass die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs genügt.579 Er führt diesbezüglich mit Verweis auf § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG aus, dass in § 311 keine strengeren Maßstäbe gelten könnten und die Vergabe eines ungesicherten Darlehens im Grundsatz per se keinen Nachteil darstelle, wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig (und angemessen verzinst) sei.580 Denn es komme dabei vielmehr auf keine konkrete Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage an. Dadurch stellt der BGH hinsichtlich der Frage nach der Nachteiligkeit unbesicherten Darlehens nur auf das Vollwertigkeitskriterium ab und lehnt hinsichtlich des Ausfallrisikos den Drittvergleich ab.581 Dass bei Vorliegen der Vollwertigkeit keine Besicherung erforderlich ist, rechtfertigt der BGH zudem mit dem Schutzsystem des gestreckten Nachteilsausgleichs des § 311 Abs. 2 AktG.582 Er führt aus, dass diese Regelung ein nachteiliges Rechtsgeschäft allein auf Grund der fehlenden Besicherung des Rückzahlungsanspruchs anzunehmen verbiete. Denn auch in der Möglichkeit des 578

BGHZ 179, 71 Rn. 10 ff., 13, „MPS“; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Habersack, ZGR 2009, S. 357; Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 125 ff.; KölnKommAktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57 Rn. 177; Hu¨ ffer/Koch, § 311, Rn. 29; Münch.Hdb.AG./Krieger, § 70, Rn. 62; wohl auch tendenziell Gärtner, Cash Pooling, S. 266 f.; vgl. Bayer/Lieder, AG 2010, S. 887 f. Kritisch zum Abstellen auf das Vollwertigkeitskriterium bei der Bewertung der im Ausfallrisiko liegenden Nachteiligkeit der Darlehensvergabe i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG: Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 284 f., 287; i.E. auch Cahn, Der Konzern 2009, S. 76 f. Denn nach dieser Auffassung würden sich nunmehr die strengeren Kapitalerhaltungsvorschriften gegenüber § 311 AktG durchsetzen und eine anderweitige entsprechende Kompensationsmöglichkeit des Ausfallrisikos beim Fehlen der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs werde generell ausgeschlossen. 579 Siehe auch Kapitel 2, § 3, D., III., 1. 580 BGHZ 179, 71 Rn. 10 ff., „MPS“. Schon vor der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise durch MoMiG dafür waren Henze, WM 2005, S. 723; Reidenbach, WM 2004, S. 1427 f.; Wessel, ZIP 2006, S. 1707 f.; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 79, 81; Münch.Hdb.AG./Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 62; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692 ff. jeweils m.w.N. Der Gegenansicht waren MünchKomm-AktG/Bayer, 3. Aufl., 2008, § 57, Rn. 100, 149; Schön, ZHR 159 (1995), S. 372; Bayer/Lieder, ZGR 2005, S. 148 f. m.w.N. Denn es handele sich bei einer unbesicherten Kreditvergabe um eine nicht ausgleichsfähige und damit von vornherein dem Einzelausgleichssystem des § 311 AktG entzogene Maßnahme. 581 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285; vgl. Wackerbarth, Der Konzern 2010, S. 342. 582 BGHZ 179, 71, Rn. 11, „MPS“. Schon vor dem MoMiG: Henze, WM 2005, S. 723; Münch.Hdb.AG./Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 62; Reidenbach, WM 2004, S. 1427 f.; Wessel, ZIP 2006, S. 1707 f.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692 ff., m.w.N.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

gestreckten Nachteilsausgleichs gem. § 311 Abs. 2 AktG stehe der Gesellschaft weder bis zum Ende des Geschäftsjahrs ein (besicherter) Ausgleichsanspruch zu noch ein Rechtsanspruch auf künftigen Nachteilsausgleich, der notwendig zu besichern ist. Es sei daher mit dem System des § 311 Abs. 2 AktG unvereinbar, in jedem ungesicherten upstream Darlehen der abhängigen Gesellschaft ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft zu sehen.583 Schließlich kommt es nunmehr in Bezug auf die Zulässigkeit eines unbesicherten Darlehen zu einer Angleichung des § 57 AktG und des § 311 AktG,584 sodass bei der Ausreichung unbesicherter Darlehen kein Nachteil i.S.d. § 311 AktG vorliegt, was das Ausfallrisiko anbelangt, soweit ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch besteht.585 Die Klarstellung der Frage nach der Nachteiligkeit der unbesicherten Darlehensgewährung ist für den hier behandelnden Fall von großer Bedeutung, weil in Cash Pooling-Konstellationen in der Regel auf die Besicherung des Darlehens verzichtet wird. Im Lichte der obigen Ausführungen ist mit Rücksicht auf das Cash Pooling festzustellen, dass die unbesicherten Cash Pooling-Darlehen an das herrschende Unternehmen keinen Nachteil i.S.d. § 311 AktG darstellen, soweit die Rückzahlungsansprüche vollwertig sind.586

II. Verzinsung Es geht hierbei um die Frage, ob die fehlende oder unzureichende Verzinsung des Darlehens einen Nachteil gemäß § 311 AktG begründet. Dies hat der BGH in seinem im MPS-Urteil ausdrücklich bejaht: „Zutreffend ist …, dass es für die darlehensgebende Gesellschaft einen Nachteil i.S. von § 311 AktG bedeutet, wenn die ihr durch die Darlehensgewährung an das herrschende Unternehmen entzogene und vorenthaltene Liquidität nicht oder nicht angemessen verzinst wird …“.587 Es wird auch in der Literatur überwiegend bestätigt, dass eine fehlende oder unangemessene Verzinsung bei Darlehensgewährung als ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG zu be583 BGHZ 179, 71, Rn. 11, „MPS“. Damit folgt der BGH der Argumentation von Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 693, wonach der Ausgleichsmechanismus des § 311 Abs. 2 AktG die Belastung der abhängigen Gesellschaft mit dem Insolvenzrisiko des herrschenden Unternehmens bewusst in Kauf nimmt. 584 Habersack, ZGR 2009, S. 357; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 286. 585 BGHZ 179, 71 Rn. 10 ff., „MPS“; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 57; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57 Rn. 177; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; Habersack, ZGR 2009, S. 357; Kiefner/ Theusinger, NZG 2008, S. 806; von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, S. 121; Winter, DStR 2007, S. 1489. 586 BGHZ 179, 71 Rn. 13, „MPS“; Winter, DStR 2007, S. 1489; Wilhelmi, WM 2009, S. 1918; Habersack, ZGR 2009, S. 357; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57 Rn. 177; Hu¨ ffer/Koch, § 311, Rn. 29; Münch.Hdb.AG./Krieger, § 70, Rn. 62; Bürgers/Körber/ Fett, § 311, Rn. 35c, m.w.N. 587 BGHZ 179, 71, Rn. 17, „MPS“.

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zeichnen sei.588 Der BGH weist hinsichtlich der Verzinsung im Übrigen darauf hin, dass der Nachteil i.S.d. § 311 AktG auf Grund der unangemessenen Verzinsung von „einem die gesamte Darlehenssumme ergreifenden, nicht ausgleichsfähigen konkreten Kreditrisiko“ zu unterscheiden sei und „sowohl bei der Frage eines Ausgleichs durch anderweitige Vorteile (§ 311 AktG) als auch im Rahmen von Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 317, 318 AktG gesondert zu erfassen“ sei.589 Aus diesen Ausführungen des BGH wird geschlossen, dass er die Verzinsungsfrage nicht im Rahmen des Vollwertigkeitskriteriums berücksichtigt, sondern den Verzicht auf eine angemessene Gegenleistung als eine eigenständige, von dem die gesamte Darlehenssumme ergreifenden konkreten Kreditrisiko getrennt zu beurteilende Leistung beschreibt,590 und dabei eher das Drittvergleichsprinzip berücksichtig.591 Demnach begründet ein unangemessener Zins noch nicht die Nachteiligkeit der Darlehensvergabe als solcher, weil es sich bei Zinsdifferenz um einen eigenständigen Nachteil handelt, der mit dem Nachteil wegen mangelnder Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs (also mit dem Ausfallrisiko) nicht identisch ist.592 Dies hat zur Folge, dass einerseits der Zinsnachteil nicht sofort gemäß § 62 AktG zurückerstattet werden muss, sondern ein späterer Ausgleich nach Maßgabe des § 311 Abs. 2 AktG zulässig ist, andererseits ein unangemessener Zins das gesamte Darlehen nicht ergreift und nicht bereits zur Unzulässigkeit bzw. Nachteilhaftigkeit der Darlehensgewährung an sich führt.593 Auch im Rahmen von Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 311, 317 AktG ist die Zinsfrage gesondert zu behandeln.594 Mit Blick auf die Cash Pooling-Darlehen wird allerdings im Schrifttum teilweise ausgeführt, dass dabei unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verzinsungspflicht gemäß § 311 AktG möglich ist.595 Insoweit wird darauf hingewiesen, dass es an der Nachteiligkeit fehlen könne, wenn und soweit innerhalb dieses betriebswirtschaftlich angemessenen Systems die teilnehmenden Poolgesellschaften in einer Weise profitieren würden, die einen Verzicht auf Ver588 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 60; Habersack, ZGR 2009, S. 359 f.; Cahn, Der Konzern 2009, S. 69; Mülbert/ Leuschner, NZG 2009, S. 284; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 219; Cahn, Der Konzern 2009, S. 69; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 61 m.w.N. 589 BGHZ 179, 71, Rn. 17, „MPS“. 590 Habersack, ZGR 2009, S. 359, f.; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 60; Emmerich/ Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 887; Blasche, EWiR 2009, S. 130. 591 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a. 592 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 887. Kritisch zur Separierung von Zinsnachteil und konkretem Ausfallrisiko Wackerbarth, Der Konzern 2010, S. 343 f.; KölnKomm/Drygala, § 57, Rn. 110. 593 Habersack, ZGR 2009, S. 360; Cahn, Der Konzern 2009, S. 69; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157; Bürgers/Körber/Fett, § 311, Rn. 35b. 594 Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157. 595 Zur Diskussion über den Verzinsungsverzicht bei Cash Pooling unter dem GmbH-Recht i.R.d. § 30 GmbHG siehe Kapitel 2, § 2, D., II., 1.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

zinsung hergegebener Liquidität unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als vertretbar erscheinen lasse.596 In diesem Zusammenhang werden unverzinsliche Cash Pool-Darlehen mit dem § 311 AktG als vereinbar bewertet, wenn die Gesellschaft davon ausgehen kann, dass den ihr aus Darlehenshingaben in den Pool entstehenden Zinsnachteilen über das Jahr gesehen in mindestens gleicher Größenordnung Zinsvorteile bei Darlehensaufnahmen gegenüberstehen.597 Es wird allerdings zutreffenderweise darauf hingewiesen, dass man hier vorsichtig sein und auf den Einzelfall abstellen solle.598 Denn da zum Nachteilsausgleich nur konkrete Vorteile herangezogen werden könnten, sei eine genaue Gegenüberstellung der Vorund Nachteile aus konkreten Einzelgeschäften nötig.599 Es sei daher nicht möglich, unangemessene Darlehenskonditionen nur auf eine pauschale Gesamtbetrachtung gestützt und mit dem Argument zu rechtfertigen, dass den Nachteilen bei der Liquiditätsanlage auch Vorteile bei einer Liquiditätsaufnahme gegenüberstünde.600 Dieser Ansicht ist m. E. bezüglich des Cash Pooling zu folgen.601 III. Verschlechterte Liquiditätslage wegen des Liquiditätsabzugs Die Liquiditätslage der darlehensgewährenden Gesellschaft wird in den kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln nicht berücksichtigt.602 Denn bei der Zulässigkeit der Darlehensvergabe i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG kommt es aufgrund der maßgeblichen bilanziellen Betrachtungsweise lediglich an die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs an, sodass die Liquiditätsgesichtspunkte keine Rolle spielen. Mit Blick auf die §§ 311 ff. AktG wird hingegen im Schrifttum überwiegend davon ausgegangen, dass obwohl § 57 AktG die Liquiditätslage des Darlehensgebers nicht schützt, die strengeren Anforderungen der §§ 311 ff. AktG es erfordern, nicht nur ein konkretes Ausfallrisiko, sondern auch den Entzug der für den wirtschaftlichen Be596 Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 257; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 220; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 64; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 60, 65. Kritisch Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283, die diese Überlegung aus Praktikabilitätsgründen ablehnen. 597 Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 64; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 48; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 65; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 220. 598 Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 257; Münch.Hdb. AG/Krieger, § 70, Rn. 61. 599 Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 61. 600 Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 61; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 220. 601 Zur Wiederholungsvermeidung ist hinsichtlich hier vertretener Meinung zur Verzinsung beim Cash Pooling auf die einschlägige Stelle zu verweisen: Kapitel 2, § 4, C., V., 3. Zur Verzinsungsfrage beim Cash Pooling unter dem GmbH-Recht im Rahmen des § 30 GmbHG siehe noch Kapitel 2, § 2, D., II., 1., e). 602 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919, 1921; Cahn, Der Konzern 2009, S. 14; Baare, Cash Pooling und die Haftung der Geschäftsführer, S. 137. Ausführlich dazu s. Kapitel 2, § 2, D., IV.

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trieb der Tochtergesellschaft notwendigen Liquidität bei Vorliegen weiterer Umstände als Nachteil i.S.d. § 311 AktG zu bezeichnen.603 Bilanzneutralität des Liquiditätsentzugs spiele nämlich i.R.d. §§ 311 ff. AktG keine Rolle, weil die Nachteiligkeit sich nicht allein nach bilanziellen Kriterien bestimme;604 sogar bei einem vollwertigen und besicherten upstream-Darlehen könne ein Nachteil schlechthin nicht ausgeschlossen werden.605 In diesem Zusammenhang wird überwiegend unter dem Gesichtspunkt des Liquiditätsabzugs vom Vorliegen eines Nachteils i.S.d. § 311 AktG ausgegangen, wenn die aus betriebsnotwendigen Mitteln der abhängigen Gesellschaft erfolgte Darlehensvergabe ein konkretes Liquiditätsrisiko auslöst und der Liquiditätsentzug dazu führt, dass die Gesellschaft ihre eigene wirtschaftliche Betätigung einschränken muss.606 Ein solches konkretes Liquiditätsrisiko bei der abhängigen Gesellschaft stehe dem konkreten Ausfallrisiko in Bezug auf die Obergesellschaft im Wesentlichen gleich.607 Außerdem werden im Schrifttum zur Konkretisierung der Nachteiligkeit des Liquiditätsentzugs verschiedene Voraussetzungen genannt. Vereinzelt wird der Mittelabfluss für die Entstehung des Nachteils als für ausreichend erachtet, wenn die hinausgegebenen liquiden Mittel aus Sicht der abhängigen Gesellschaft vorteilhafter zu benötigten Investitionen hätte eingesetzt werden können,608 während teilweise auf den Fall hingewiesen wird, dass die abgeführten Mittel von der abhängigen Gesellschaft benötigt würden, anderweitige Vermögenseinbussen bzw. Verbindlichkeiten abzuwenden.609 Die Gegenansicht hingegen geht davon aus, dass die Nachteiligkeit einer Kreditvergabe sowohl aus der Sicht des Ausfallrisikos als auch hinsichtlich des Liquiditätsentzugs nunmehr lediglich an die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs angeknüpft werden solle und eine nach der bilanziellen Betrachtungsweise des § 57 AktG zulässige Darlehensvergabe ebenfalls auch i.R.d. § 311 AktG als nicht nachteilig gelten solle.610 Auf die 603 Kropff, NJW 2009, S. 816; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283, 285 f.; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 268; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919; Wackerbarth, Der Konzern 2010, S. 342; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 888 f.; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 64; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a (vgl. aber Habersack, ZGR 2009, S. 359, wonach § 311 und § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG den „Verzicht auf Liquidität unter gleichzeitiger Übernahme des Ausfallrisikos“ erlauben). 604 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 283, 285; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 61. 605 Kropff, NJW 2009, S. 816; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 61. 606 Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285 f.; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 888 f. 607 Bayer/Lieder, AG 2010, S. 889. 608 Kropff, NJW 2009, S. 816. Kritisch dazu Bayer/Lieder, AG 2010, S. 888, wonach dies eine zu weite Interpretation sei. 609 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 268; ausführlich Zeidler, Zentrales Cashmanagement, S. 46 ff. 610 KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; Winter, DStR 2007, S1489; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806; Habersack, ZGR 2009, S. 359; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177, welcher zwar die Nachteiligkeit des Entzuges der selbst benötigten Liquidität i.R.d. § 311 AktG erkennt, aber sich für eine dahingehende Reduzierung des § 311 AktG ausspricht, dass nach der bilanziellen Betrachtungsweise des § 57 AktG zulässige Darlehensgewährungen ebenfalls nicht i.R.d. § 311 AktG nachteilig sein sollen.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Frage ging der BGH im „MPS“-Urteil zwar nicht ausdrücklich ein, aber aus seinen Ausführungen wird geschlossen, dass er den mit der Darlehensgewährung verbundenen Liquiditätsentzug als solchen nicht als Nachteil sieht.611 Unter Beachtung des umfangreichen Schutzzwecks des § 311 AktG genügt auch m. E. die bilanzielle Betrachtungsweise allein nicht aus, um die Anforderungen des Nachteilsbegriffs des § 311 AktG zu decken.612 Wird die normale unternehmerische Tätigkeit der abhängigen Gesellschaft wegen des Liquiditätsabzugs beeinträchtigt, könnte das – unter Umständen – einen konkreten Nachteil gem. § 311 AktG darstellen. Zu denken wäre z. B. daran, dass die abhängige Gesellschaft wegen des Liquiditätsmangels seinen Verbindlichkeiten nicht rechtzeitig nachkommen kann und daher Vermögenseinbussen erleiden muss. Als ein Nachteil ist beispielsweise zu bewerten, dass eine in der Lieferungs-Branche tätige Gesellschaft die Ware nicht rechtzeitig liefern kann, weil sie nicht über genügend Lieferungswagen verfügt und sich wegen des Liquiditätsmangels keine neuen leisten kann. Im Einzelfall können m. E. auch die aufgrund des Liquiditätsentzugs entgangenen Gewinnmöglichkeiten als nachteilig i.S.d. § 311 AktG angesehen werden. Denn der Nachteilsbegriff ist derart weit gefasst, dass er nicht nur die konkrete Minderung des Gesellschaftsvermögens, sondern auch die konkrete Gefährdung der Ertragslage der abhängigen Gesellschaft umfasst.613 Bei Cash Pooling-Konstellationen ist die Gefahr noch größer, dass der Mittelabfluss zu einem Liquiditätsrisiko und zur Einschränkung der betriebswirtschaftlichen Tätigkeit oder der Gewinnchancen der Poolgesellschaften führt. Denn dabei geht es nicht um die Gewährung einzelner Darlehen, sondern um eine Geschäftspolitik fortlaufender Darlehenshingabe, wodurch die gesamte Liquidität der Poolgesellschaften ständig auf das herrschende Unternehmen konzentriert wird. Kontinuierlich wird also beim Cash Pooling den Poolgesellschaften die Liquidität entzogen, sodass ihnen am Ende keine liquiden Mittel bleiben. Deswegen muss man m. E. den Besonderheiten bzw. Gefahren der Cash Pooling-Konstellationen große Beachtung schenken und sie nicht immer einzelnen Darlehensvergaben gleichstellen. Man könnte wohl der Nachteiligkeit des Liquiditätsentzugs beim Cash Pooling entgegenhalten, dass die Poolgesellschaften die benötigten Mittel vom Pool in Anspruch nehmen könnten, wenn sie sie bräuchten. Aber angesichts der Tatsache, dass dies immer mit dem Risiko der nicht rechtzeitig erfolgten Rückzahlung oder mit dem Risiko der bewussten Nichtversorgung mit Liquidität verbunden ist, ist die Durchsetzbarkeit dieses Verlangens stets zweifelhaft. Cash Pool-Vereinbarungen sehen nämlich zumeist vor, dass die Konzerngeschäftsleiter grundsätzlich frei darüber entscheiden können, ob sie der Liquiditätsfrage einer Poolgesellschaft nachkommen oder nicht. Damit wird bezweckt, die liquiden Mittel im Konzern optimal, 611 So Wilhelmi, WM 2009, S. 1919; Wackerbarth, Der Konzern 2010, S. 342, der kritisiert, dass der BGH im „MPS“-Urteil die Definition des Nachteils auf die Minderung und konkrete Gefährdung der Vermögens- und Ertragslage, nicht aber auch auf die Beeinträchtigung der Liquiditätslage abstellt. 612 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, D., III., 3. 613 Zum Nachteilsbegriff Kapitel 2, § 3, B., II.

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d. h. zugunsten derjenigen Konzerngesellschaften einzusetzen, die den größten Bedarf oder die beste Ertragschance haben.614 Schließlich könnte der Liquiditätsentzug der Poolgesellschaften – unter den Umständen jedes Einzelfalls – einen konkreten Nachteil i.S.d. § 311 AktG darstellen, auch wenn die Darlehensvergabe unter dem Gesichtspunkt des Ausfallrisikos nach dem Maßtab des § 57 AktG zulässig bzw. nicht nachteilig ist. IV. Lange Laufzeiten und Kündigungsfristen In der Literatur wird die Position vertreten, dass auch zu lange Laufzeiten und Kündigungsfristen einen eigenständigen Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 S. 1 AktG darstellen und einen Ausgleichsanspruch nach § 311 AktG oder Schadensersatzansprüche nach §§ 317 f. AktG auslösen können.615 In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, dass Großkredite, lange Laufzeiten und Kündigungsfristen lediglich unter dem Aspekt von Deckungsgebot einen eigenständigen Nachteil beinhalten würden, weil die Gesellschaft längerfristig auf liquide Mittel und damit die Möglichkeit verzichte, wirtschaftliche Chancen eigenständig wahrnehmen zu können.616 Dies würde Auswirkungen auf geschuldete Verzinsung bzw. den geschuldeten Ausgleich haben. V. Klumpenrisiko Das Klumpenrisiko beschreibt die Gefahr, dass sich die Bonitätsverschlechterung des darlehensnehmenden Unternehmens besonders gravierend auswirkt, weil die abhängigen Gesellschaften durch die Abführung aller Liquidität zu einer Stelle (im Cash Pooling gewöhnlicherweise an die Betreibergesellschaft) auf den Sicherungsmechanismus verzichten, das Ausfallsrisiko auf verschiedene Schuldner zu verteilen („Klumpenrisiko“).617 So haben beim Cash Pooling die Gebergesellschaften als Schuldnerin nur die Betreibergesellschaft. Im Fall, dass diese ausfällt, verlieren die Gebergesellschaften all ihre Liquidität und geraten im schlimmsten Fall in Insolvenz. Der BGH erwähnte in seinem „MPS“-Urteil weder das Klumpenrisiko allgemein noch ging er auf die Frage ein, ob es einen eigenständigen Nachteil i.S.d. § 311 AktG darstellt.618 Dass er keinen Nachteil in der Kreditvergabe an die Konzernmutter trotz bestehenden Klumpenrisikos sah, wird im Schrifttum so ausgelegt, dass der BGH das Klumpenrisiko weder i.R.d. Vollwertigkeitsprüfung619 noch i.R.d. 614

Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 121. Wilhelmi, WM 2009, S. 1919. 616 Gärtner, Cash Pooling, S. 268. 617 Siehe dazu Kapitel 1, § 1, C., II., 3. 618 Kritisch dazu insb. Kropff, NJW 2009, S. 815 f. 619 Siehe Goette, DStR 2009, S. 2603, welcher ausdrücklich betont, dass der Senat bei der Vollwertigkeitsbewertung das Klumpenrisiko nicht übersehen habe. 615

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Nachteilsbestimmung gemäß § 311 AktG berücksichtige bzw. als nicht relevante Restrisiken in Kauf nehme.620 Es wird allerdings in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass das im Cash Pooling angelegte Klumpenrisiko auch dann einen eigenständigen Nachteil i.S.d. § 311 AktG darstellen könne, wenn der Rückgewähranspruch bilanziell vollwertig wäre.621 Die Folge wäre, dass das Klumpenrisiko i.R.d. Cash Pooling besonders zu vergüten wäre.622 Nach der Gegenansicht verlangen die §§ 311, 57 Abs. 1, S. 3, 2. Alt. AktG, dass das Ausfallrisiko abstrakt bleibt. Daher stellt eine Konzentration dieses (abstrakten) Kreditrisikos keinen eigenständigen Nachteil dar.623 Ebenso wenig wie § 311 AktG die Inkaufnahme eines gegenüber § 57 Abs. 1, S. 3, 2. Alt. AktG erhöhten Ausfallrisikos gegen eine Risikoprämie gestatte, verlange § 311 AktG eine besondere „Prämie“ für die Konzentration des abstrakten Risikos. Über das Klumpenrisiko wird im Schrifttum teilweise – sei es bei Kreditgewährungen i.R.d. §§ 30 GmbH, 57 AktG, sei es bei denen i.R.d. § 311 AktG – geäußert, dass es (nur) im Rahmen der Organhaftung (§§ 43 GmbHG, 93 AktG) und somit unter der Perspektive der allgemeinen Sorgfaltspflicht zu berücksichtigen sei.624 Mit Blick auf das Cash Pooling-Verfahren wird dabei allerdings zugleich angemerkt, dass der Gesetzgeber das Cash Pooling ausdrücklich privilegiere und das Klumpenrisiko in Kauf nehme. Dass dem Cash Pooling ein Klumpenrisiko systemimmanent ist, sei dem Gesetzgeber schließlich schon bekannt gewesen.625 Das Klumpenrisiko (sowie das Risiko aus dem Dominoeffekt) wirkt sich auf das Ausfallrisiko des Darlehens unmittelbar verschärfend aus. Insoweit steht es in engem Zusammenhang mit dem Ausfallrisiko. Auch das Klumpenrisiko stellt m. E. genauso wie das Ausfallrisiko ein abstraktes Risiko dar, welches nach § 311 AktG keinen konkreten Nachteil darstellt. Mit anderen Worten ist das dem Cash Pooling stets inhärente Klumpenrisiko nicht per se als nachteilig zu betrachten. Es stellt eher eine Gefahr dar, welche durch die Geschäftsführung ständig sorgfältig beobachtet werden muss. Daher sollte man m. E. das Klumpenrisiko neben der Bonitätsprüfung der Betreibergesellschaft, welche nach den bilanziellen Regeln durchzuführen ist, sorgfaltspflichtig beobachten.

620 Kropff, NJW 2009, S. 815 f.; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 684, 688; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150 f.; von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, S. 122; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 77. Zur Diskussion über die Berücksichtigung von Klumpenrisiko i.R.d. Vollwertigkeitsprüfung s. Kapitel 2, § 2, D., I., 2. 621 Wilhelmi, WM 2009, S. 1919; vgl. Kropff, NJW 2009, S. 815. 622 Gärtner, Cash Pooling, S. 261. 623 Gärtner, Cash Pooling, S. 268. 624 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 69; Theusinger/Cernicky, CCZ 2009, S. 150; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 77; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 687 f.; vgl. Kropff, NJW 2009, S. 815 f. 625 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 69; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 687 f.

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VI. Die Konzentration der Bankbeziehungen der Poolgesellschaften Im Schrifttum wird im Zusammenhang mit der Nachteiligkeit der Cash PoolingKonstellationen übrigens darauf hingewiesen, dass die Poolgesellschaften in der Lage sein müssen, sich notfalls kurzfristig wieder unabhängig am Markt bewegen zu können. Dementsprechend dürften die Poolgesellschaften nicht restlos von eigenen unmittelbaren Bankverbindungen und Kreditlinien abgeschnitten werden.626 Ein Minimum an unmittelbaren Bankverbindungen und Kreditlinien müsse den abhängigen Gesellschaften belassen werden.627 So wird vom Vorliegen eines Nachteils ausgegangen, wenn bezüglich der Liquiditätsversorgung eine umfassende und Abhängigkeit begründende Zentralisation stattfindet.628 VII. Unterlassen der Einrichtung eines Informationsund Frühwarnsystems Wie schon erwähnt, wird dem Bestehen eines Informations- und Frühwarnsystems bei der kapitalerhaltungsrechtlichen Ermittlung der Vollwertigkeit und damit bei der Zulässigkeitsfrage des Darlehens i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG überwiegend keine Bedeutung zugemessen. Dies wird vielmehr als eine Frage der Organhaftung angesehen.629 Im Rahmen von § 311 AktG wird allerdings im Schrifttum teilweise vertreten, dass sich das Unterlassen der Einrichtung eines Informationsund Frühwarnsystems unter die weite Definition des Nachteilsbegriffs von § 311 Abs. 1 AktG subsumieren lasse, der jede konkrete Gefährdung der Vermögens- und Ertragslage der Tochtergesellschaft ausreichen lasse.630 Die konkrete Gefährdung ergebe sich hierbei daraus, dass ohne die Einrichtung eines solchen Systems der vollständige Forderungsausfall drohe. Auch der BGH erwähnt in seinem „MPS“Urteil in Bezug auf die Verantwortung des herrschenden Unternehmens die Notwendigkeit der Einrichtung eines geeigneten Informations- und Frühwarnsystems und führt aus, dass die Unterlassung solcher Maßnahmen auch unter § 311 AktG fallen und Schadensersatzansprüche nach §§ 317, 318 AktG auslösen könne.631 626 Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Eberhard/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, § 21, Rn. 20; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 48; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 217, 219 ff.; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 137 f.; Münch.Hdb.AG./Krieger § 70, Rn. 64; vgl. KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 81. Wohl a.A. Schneider, in: Lutter/ Scheffler/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, § 25, Rn. 51, der die Meinung vertritt, dass in der Krise des Konzerns ein Konzernunternehmen, das nicht von der Krise betroffen ist, zügig neue Bankverbindungen aufbauen könne. 627 Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Eberhard/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, § 21, Rn. 20; Münch.Hdb.AG./Krieger § 70, Rn. 64. 628 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 137 f. 629 Kapitel 2, § 2, D., I., 3. 630 Bayer/Lieder, AG 2010, S. 890. 631 BGH 179, 71, Rn. 14, „MPS“.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Diese Ausführungen des BGH werden auch teilweise dahingehend interpretiert, dass er die Unterlassung dieser Maßnahmen als einen Nachteil i.S.d. § 311 AktG bewerte. Demnach werde bei Fehlen eines Überwachungssystems die Darlehensgewährung i.d.R. unzulässig sein, weil der durch das Fehlen eines Überwachungssystems verursachte Nachteil nicht in Geld messbar und damit nicht ausgleichsfähig sei, sodass die Muttergesellschaft der sofortigen Rückforderung nach § 62 AktG ausgesetzt sei.632

F. Handlungspflichten und Haftung des Vorstands der Poolgesellschaft I. Grundsatz: Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung Im deutschen Recht begründen die §§ 311 ff. AktG kein Weisungsrecht und damit keine rechtlich fundierte Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft.633 Der Vorstand der abhängigen AG leitet also die Gesellschaft unter eigener Verantwortung wie derjenige einer unabhängigen AG, sodass die §§ 76, 93 AktG weiterhin gelten.634 Daraus resultiert, dass der Vorstand der abhängigen AG der Pflicht unterliegt, vor dem Folgen einer Veranlassung des herrschenden Unternehmens eigenständig zu prüfen, ob eine Maßnahme nachteilig ist, ob etwaige Nachteile ausgleichsfähig sind und ob das herrschende Unternehmen in der Lage bzw. bereit ist, den Ausgleich zu leisten.635 Der Vorstand darf einer für seine Gesellschaft nachteiligen Veranlassung von vornherein nicht folgen, wenn ihm nach pflichtgemäßer Prüfung ein Ausgleich des Nachteils zweifelhaft erscheint.636 Vor dem Hintergrund der fortlaufenden, durch die §§ 311 AktG nicht überlagerten Pflicht der Geschäftsführung der faktisch abhängigen AG zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft ist sie im Rahmen eines Cash Pooling gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG verpflichtet, die Vollwertigkeit von Rückzahlungsansprüchen i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG zu überprüfen.637 Deswegen kommt der Vollwertigkeitsprüfung auch beim Cash Pooling mit der Teilnahme einer faktisch abhängigen AG 632

KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 110, der allerdings völlig dagegen ist. Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 10, 78 ff., m.w.N.; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 401; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 23; Spindler/Stilz/H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 62; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 48, m.w.N. 634 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 78; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 48; Spindler/Stilz/H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 62; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 31; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 462, m.w.N. 635 Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 31. 636 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 78; Münch.Hdb.AG/ Krieger, § 70, Rn. 31; Spindler/Stilz/H.-F. Mu¨ ller, § 311, Rn. 62; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 48; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 463, m.w.N. 637 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“; Habersack, ZGR 2009, S. 358 f.; ders., in: FS Schaumburg, 2009, S. 1303 f.; Cahn, Der Konzern 2009, S. 79; Johnen, Cash Pooling, S. 117. 633

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bezüglich der Haftung der Geschäftsleitung der Poolgesellschaft zentrale Bedeutung zu.638 II. Pflicht zur Vollwertigkeitsprüfung vor der Valutierung Entsprechend der oben geschilderten fortbestehenden Leitungspflicht muss der nicht weisungsunterworfene Vorstand der Poolgesellschaft im Cash Pooling den kapitalerhaltungsrechtlichen Voraussetzungen folgen und dementsprechend vor jeder erneuten Liquiditätszufuhr639 in den Cash Pool prüfen, ob die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG gewährleistet und damit die Kreditgewährung in Bezug auf das Ausfallrisiko für die abhängige Poolgesellschaft i.R.d. § 311 AktG nicht nachteilig ist.640 Liegt die Vollwertigkeit vor und erscheint in diesem Zusammenhang die Kreditgewährung als nicht nachteilig, so darf der Vorstand der Poolgesellschaft das Rechtsgeschäft vornehmen. Bestehen hingegen an der Vollwertigkeit Zweifel, so darf der Vorstand das Risiko eines Forderungsausfalls nicht übernehmen und hat die Liquiditätsabführung in den Cash Pool zu verweigern.641 Denn das Fehlen der Vollwertigkeit bildet bei (unbesicherten) Kreditgeschäften ein konkretes Ausfallrisiko, sodass in solchen Fällen die einzig denkbare Form des Nachteilsausgleichs in der sofortigen Rückzahlung oder Besicherung des Kredits besteht.642 Wird trotz fehlender Vollwertigkeit Liquidität in den Pool ausgereicht, trifft die Geschäftsführung der Polgesellschaft die unverzichtbare Haftung gem. § 93 Abs. 3 N. 1 AktG.643 Bei der Beurteilung der Vollwertigkeit haben die Mitglieder des Vorstands die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG anzuwenden. Die Business Judgment Rule solle dabei nach herrschender Ansicht nicht zur Anwendung kommen, weil es sich bei der Entscheidung über die Darlehensvergabe mit Blick auf die Voraussetzung des Vollwertigkeitsgebots nicht um eine unternehmerische, sondern um eine gesetzlich gebundene Entscheidung handele.644 Es wird jedoch andererseits angenommen, dass man den Vorstandsmit638 Cahn, Der Konzern 2009, S. 69 ff.; Johnen, Cash Pooling, S. 115. Für die selbe Prüfungspflicht der Geschäftsführung der abhängigen GmbH siehe Kapitel 2, § 2, F. 639 Zur Diskussion über den Zeitpunkt der Vollwertigkeitsprüfung beim Cash Pooling siehe Kapitel 2, § 2, D., I., 4. 640 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“; Habersack, ZGR 2009, S. 358; ders., in: FS Schaumburg, 2009, S. 1303 f.; Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.41 f.; Johnen, Cash Pooling, S. 117 f.; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a. 641 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“; Habersack, ZGR 2009, S. 358; Gärtner, Cash Pooling, S. 319 ff. 642 BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“; Habersack, ZGR 2009, S. 358. 643 Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152 f.; Habersack, ZGR 2009, S. 357 ff.; Gärtner, Cash Pooling, S. 319 ff. 644 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1298; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152 f.;

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gliedern einen gewissen Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der Vollwertigkeit zubilligen müsse, da es sich bei der „Vollwertigkeit“ um einen unbestimmten und ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff handele.645 Um seiner Sorgfaltspflicht gerecht zu werden, muss sich der Vorstand in diesem Zusammenhang ausreichend Informationen beschaffen, um auf deren Basis die finanzielle Lage des Darlehensempfängers und somit die Vollwertigkeit des Anspruchs sorgfältig prüfen zu können.646 III. Fortlaufende Pflicht zur Vollwertigkeitsprüfung nach der Valutierung Sowohl in der Begründung von MoMiG als auch im „MPS“-Urteil des BGH wurde auf die fortlaufende Kontrollpflicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft mit Blick auf die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs (bzw. des Ausgleichsanspruchs) hingewiesen. Es wird in der Gesetzesbegründung in der Weise zum Ausdruck gebracht, dass im Falle der späteren negativen Entwicklungen eine Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers gegeben sein könne, der diese Forderungen habe stehen lassen, obwohl er sie hätte einfordern können.647 Auch der BGH führte in seiner „MPS“-Entscheidung aus, dass die Verwaltungsorgane der abhängigen Gesellschaft auch bei der ex-ante nicht nachteiligen Darlehensausreichung die Pflicht hätten, das Kreditrisiko fortlaufend zu prüfen und auf die Bonitätsverschlechterungen mit einer Kündigung oder Anforderung von Sicherheiten zu reagieren.648 Unberührt bleibt also nach BGH die aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG folgende Verpflichtung der Verwaltungsorgane der abhängigen Gesellschaft zur laufenden Prüfung etwaiger Änderungen des Kreditrisikos. Dies werde durch §§ 311, 318 AktG nicht verdrängt.649

Gärtner, Cash Pooling, S. 272; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 49a; in Bezug auf die Vollwertigkeitsprüfung bei Hin- und Herzahlen Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.35; a.A. von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, S. 122. 645 Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 152 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43, Rn. 49a; BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS“: „vernünftige kaufmännische Beurteilung“ 646 Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 153; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805 f. 647 BegrRegE MoMIG, BT-Druck 16/6140, S. 41. 648 BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“. Auch in der Literatur so Habersack, ZGR 2009, S. 361; ders., in: FS Schaumburg, 2009, S. 1303; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.52; Gärtner, Cash Pooling, S. 351; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47b, m.w.N. Für die gleiche Pflicht der Geschäftsführung einer GmbH: Kapitel 2, § 2, F., II. 649 BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“; siehe auch Altmeppen, ZIP 2009, S. 51 f.; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 245; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1298.

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Damit der Vorstand der Poolgesellschaft seine Überwachungspflicht sachgerecht ausüben kann, wird sowohl in der Literatur650 als auch in der Rechtsprechung651 seit jeher von einem Informations- und Frühwarnsystems zwischen den Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft gesprochen. Der Grundgedanke eines solchen Frühwarnsystems ist, den Poolgesellschaften die Möglichkeit zu geben, die mit dem Cash Pooling einhergehenden Risiken besser abschätzen und rechtzeitig darauf reagieren zu können.652 Da sich die Bonität der Betreibergesellschaft – wegen der täglich erfolgenden Zahlungsströme – abhängig von der Bonität anderer Poolgesellschaften in kürzeren Abständen ändern kann, wird ein richtig funktionierendes Informationssystem für unerlässlich gehalten, welches nicht nur die Betreibergesellschaft, sondern auch sämtliche Poolgesellschaften einbezieht. Aufgrund der speziell mit dem Cash Pooling-System verbundenen Risiken – wie z. B. Klumpenrisiko – sind die Poolgesellschaften besonderer Gefahr ausgesetzt.653 Deswegen wird in der Literatur ausgeführt, dass sich der Geschäftsführer der Poolgesellschaft für ein sachgerechtes Nachkommen seiner Kontrollpflicht vor allem zusichern lassen müsse, dass er in regelmäßigen und möglichst kurzfristigen Abständen Daten bzw. Zwischenberichte über die relevanten Vorgänge des Cash Pooling erhalte.654 Aus diesen Berichten sollten sich die Bonität der Betreibergesellschaft und ggf. der Poolgesellschaften sowie alle Zahlungsströme zwischen den Poolteilnehmern und der Betreibergesellschaft sowie mögliche Veränderungen im Teilnehmerkreis ergeben. Die Sorgfalt der Mitglieder des Vorstands erfordere also, sich im Cash Pooling-Rahmenvertrag die Installierung eines geeigneten Informations- und Frühwarnsystems zwischen der abhängigen Poolgesellschaft und dem herrschenden Unternehmen auszubedingen.655 Es solle insoweit insbesondere dafür gesorgt werden, dass die notwendige Beobachtung für alle Parteien rechtlich und verfahrenstechnisch auf eine klare und eindeutige Grundlage gestellt und eine entsprechende Aufteilung bzw. Benennung der gegenseitigen Pflichten dokumentiert wird.656 Außerdem müsse der sorgfältige Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft dafür Sorge tragen, dass sachgerechte Reaktionsmöglichkeiten, also besondere Kündigungsrechte für relevante Verschlechterungen vorgesehen würden.657 In diesem 650 Schon vor dem MoMiG: J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 187 ff., insb.194; Hentzen, ZGR 2005, Rn. 499 ff.; Maier-Reimer, in: VGR 10, S. 154 f.; Münch.Hdb.AG/Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 72. 651 BGHZ 149, 10, Rn. 19, „Bremer Vulkan“. In Bezug auf die Pflicht des herrschenden Unternehmens zur Einrichtung eines Informations- und Frühwarnsystems siehe BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“. 652 Eingehend dazu s. J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 187 ff., insb.194. 653 Ausführlich zur Risiken des Cash Pooling Kapitel 1, § 1, C., II. 654 Gärtner, Cash Pooling, S. 350. 655 Vgl. BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“. Zur diesbezüglichen Pflicht des herrschenden Unternehmens s. nachstehend Kapitel 2, § 3, G., I. 656 Schicker/Blunk, GmbHR 2009, S. 1298. 657 Schicker/Blunk, GmbHR 2009, S. 1298; Erne, GWR 2010, S. 317.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Zusammenhang sei daran zu denken, sich ein gegenüber § 490 Abs. 1 BGB an geringere Schwellen geknüpftes besonderes Kündigungsrecht aus vereinbartem wichtigem Grund658 und/oder zusätzliche, ggf. vorher definierte Sicherheiten einräumen zu lassen.659 Insbesondere für den Fall, dass das herrschende Unternehmen Berichts- und Informationspflichten verletzt, müsse sich der Vorstand der Poolgesellschaft das Recht einräumen lassen, den Vertrag aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen zu können. Beim Fehlen einer solchen individualvertraglichen Vereinbarung zur außerordentlichen Kündigung, müsse er zumindest die Möglichkeit einer unter diesem Aspekt denkbaren Kündigung gem. § 314 BGB prüfen.660 Das Unterlassen derartiger Rechte bzw. der Kontrollpflicht wird sich auf die Bewertung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auswirken.661 Da der BGH die unterlassene Durchführung der nachträglichen Kontrolle des Kreditrisikos implizit als hinreichende konkrete Vermögensgefährdung erachtet, dürfte Gleiches auch gelten, wenn die abhängige Gesellschaft sich die erforderlichen Kontroll-, Überwachungs-, und Kündigungsrechte gar nicht erst einräumen lässt.662 IV. Haftungsgrundlage beim Stehenlassen der Forderung i.F.d. Bonitätsverschlechterung des Schuldners Genauso wie beim GmbH-Recht663 wird auch hinsichtlich der Haftung des Vorstands der abhängigen AG im Schrifttum in Frage gestellt, ob im Falle der nachträglichen Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers das „Stehenlassen“ der Rückforderung des Darlehens einen eigenständigen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot und damit eine „Einlagerückzahlung“ begründet. Wird das schlichte Unterlassen der Forderung im Falle der späteren Bonitätsverschlechterung des Schuldners als „Einlagenrückgewähr“ i.S.v. § 57 Abs. 1 S. 1 AktG qualifiziert, so würde dies unmittelbar in den Anwendungsbereich der kapitalerhaltungsrechtlichen Vorschriften fallen (§§ 57, 62 AktG) und die Pflichtverletzung der Geschäftsleiter würde zu kapitalerhaltungsrechtlicher Haftung gem. § 93 Abs. 3 AktG (im GmbH gem. § 43 Abs. 3 GmbHG) führen.664 Anderenfalls wäre die Pflichtverletzung der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft lediglich der generellen Haftung gem. § 93 Abs. 2 AktG zu unterwerfen. Da diese Frage unter den Erklärungen zur Haftung

658 659 660 661 662 663 664

Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 286. Schicker/Blunk, GmbHR 2009, S. 1298. Gärtner, Cash Pooling, S. 351. Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, S. 352. Mülbert/Leuschner, NZG 2009, S. 285 f. Für die relevanten Ausführungen zur GmbH vorstehend Kapitel 2, § 2, F., II., 3. Gärtner, Cash Pooling, S. 324 ff.

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der Geschäftsführer der Poolgesellschaften im GmbH-Konzern detailliert behandelt wurde, bleibt hier entsprechend auf die dortigen Ausführungen zu verweisen.665 V. Prüfung der Nachteiligkeit unter anderen Gesichtspunkten Infolge dessen, dass seit der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise in § 57 Abs. 1 AktG die Nachteiligkeit eines Darlehens i.S.d. § 311 AktG von der Rechtsprechung und einem großen Teil der Literatur an der bilanziellen Betrachtungsweise bzw. an dem Vollwertigkeitskriterium des § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG gemessen wird,666 konzentrieren sich die Überlegungen hinsichtlich der Pflichten bzw. der Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaften bei Cash Pooling wesentlich auf die Vollwertigkeitsüberprüfung (vor und nach der Darlehensvergabe). Hinweisend auf die Unzulänglichkeit der bilanziellen Betrachtungsweise bei der Feststellung des Nachteils i.S.d. § 311 AktG667 wird diese jedoch im Schrifttum teilweise als ein ausschließliches Kriterium bei der Nachteilsbewertung abgelehnt. Dementsprechend wird ausgeführt, dass die Geschäftsführung der Poolgesellschaften neben der Vollwertigkeitsprüfung andere Pflichten trifft. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der Liquiditätsgesichtspunkt erwähnt und auf die Nachteiligkeit des Liquiditätsabzugs i.S.d. § 311 AktG für den Fall hingewiesen, dass die aus betriebsnotwendigen Mitteln der Poolgesellschaft erfolgte Darlehensvergabe ein konkretes Liquiditätsrisiko auslöst und der Liquiditätsentzug dazu führt, dass die Gesellschaft ihre eigene wirtschaftliche Betätigung einschränken muss.668 Der Vorstand der Poolgesellschaft hat daher zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe unter Beachtung seiner Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG zu prüfen, ob diese abgesehen vom Ausfallrisiko auch noch unter dem Gesichtspunkt der Liquiditätslage der Poolgesellschaft nachteilig ist.669 Im Falle des Vorliegens eines konkreten Liquiditätsrisikos hat er die Auszahlung zu verweigern.670 Wie bereits dargestellt, wird das Klumpenrisiko im „MPS“-Urteil des BGH weder i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57, 311 AktG noch i.R.d. Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaften angesprochen.671 Es wird zwar im Schrifttum teilweise darauf 665

Kapitel 2, § 2, F., II., 3. BGHZ 179, 71, Rn. 12 – „MPS“: „… Im Rahmen der als Privilegierung gegenüber § 57 AktG gedachten §§ 311, 317 f. AktG keine strengeren Maßstäbe gelten.“; Habersack, ZGR 2009, S. 357; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 806; von Falkenhausen/Kocher, BB 2009, S. 121; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 114; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 177; Winter, DStR 2007, S. 1489. Für ausführliche Ausführungen dazu Kapitel 2, § 3, D., III., 1. 667 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, D., III., 2. 668 Kapitel 2, § 3, E., III. 669 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 888 f.; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 62, 64. 670 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47a; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 888 f.; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 62, 64. 671 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, E., V. 666

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

hingewiesen, dass die übermäßigen Großkredite bzw. Risikokonzentrationen unter der Perspektive der allgemeinen Sorgfaltspflicht die Organhaftung der Geschäftsführung (i.S.d. §§ 43 GmbHG, 93 AktG) erfordern könne, aber das Klumpenrisiko bei Cash Pool-Konstellationen vom Gesetzgeber des MoMiG offensichtlich als nicht relevantes Risiko in Kauf genommen werde.672 Denn obwohl dem Cash Pooling ein Klumpenrisiko systemimmanent sei und diese Problematik dem Gesetzgeber daher schon bekannt sei, wolle er nur auf die Bonität des herrschenden Unternehmens abstellen und bei bestehender Bonität das Klumpenrisiko ignorieren.673 Das Klumpenrisiko führt m. E. per se nicht zur Unzulässigkeit der Cash PoolDarlehen i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57, 311 AktG, aber es sollte genauso wie das Ausfallrisiko von der Geschäftsführung der Poolgesellschaften sorgfältig beobachtet werden. In diesem Zusammenhang sollten also bei jeder Prüfung der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs auch noch die infolge der automatisch und hintereinander erfolgenden Darlehensgewährungen entstehenden kumulativen Risiken mit berücksichtigt und eingeschätzt werden. Die Teilnahme am Cash Pooling kann nämlich auch bei ausreichender Bonität der Betreibergesellschaft ggf. unter dem Gesichtspunkt des Klumpenrisikos sorgfaltswidrig i.S.d. §§ 43 GmbHG, 93 AktG sein und – im AG-Konzern – konkret nachteilig i.S.d. §§ 311, 317 AktG angesehen werden. Beispielsweise in dem Fall, dass die Poolgesellschaft ständig Liquidität in Großenvolumen dem Cash Pool zuführt und der Cash Pool ständig zugunsten anderer wirtschaftlich angeschlagenen Poolgesellschaften belastet wird, könnte m. E. unter Umständen vom Vorliegen eines konkreten Klumpenrisikos ausgegangen werden. In diesem Fall ist von einer sorgfaltspflichtigen Geschäftsführung zu erwarten, dass sie die Liquiditätszufuhr in den Cash Pool beendet und die Darlehensrückzahlung anfordert. VI. Exkurs: Liquiditätsbeobachtungspflicht gemäß § 92 Abs. 2 S. 3 AktG Genauso wie beim GmbH-Recht (§ 64 S. 3 GmbHG) ist der Vorstand einer AG nach § 92 Abs. 2 S. 3 AktG dazu verpflichtet, keine Zahlungen an Aktionäre vorzunehmen, welche zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Sonst haftet er der Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG auf Schadensersatz.674 Für die sich aus § 92 Abs. 2 S. 3 AktG ergebenden Handlungspflichten des Vorstands der abhängigen AG im Cash Pooling gilt auch das zu § 64 S. 3 GmbHG Ausgeführte entsprechend.675 Kurz zusammengefasst, trifft den Vorstand der abhängigen AG 672 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 69; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 687 f. 673 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 49; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 69; Fleischer/Schmolke, ZHR 173 (2009), S. 685, 687 f. 674 Ausführlich zur Haftung des Vorstands gemäß § 92 Abs. 2 S. 3 AktG siehe insb. Cahn, Der Konzern 2009, S. 7 ff. 675 Ausführlich dazu unter dem GmbH-Recht Kapitel 2, § 2, F., III.

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neben der Bonitätsüberwachungspflicht i.R.d. § 57 AktG auch noch eine Liquiditätsbeobachtungspflicht, sodass er zur Vermeidung der Insolvenzverursachungshaftung gem. § 92 Abs. 2 S. 3 AktG die Liquiditätslage der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft und damit die Entwicklungen im Cash Pooling fortlaufend kontrollieren und bei Bedrohung eigener Liquidität die Teilnahme am Cash Pooling unverzüglich beenden muss. Im faktischen AG-Konzern stellt sich allerdings die Frage, ob das Zahlungsverbot gem. § 92 Abs. 2 S. 3 AktG von §§ 311 ff. AktG verdrängt wird. Im Schrifttum wird diese Frage verneint und eher von einer parallelen Anwendung beider Vorschriften ausgegangen,676 weil der zeitlich gesteckte Nachteilsausgleich nach § 311 AktG der Gesellschaft keinen Solvenzschutz biete, der demjenigen nach § 92 Abs. 2 S. 3 AktG vergleichbar sei.677 Wenn eine mögliche insolvenzverursachende Zahlung im Raum stehe, könne dies nicht mehr zu einer privilegierenden Anwendung des § 311 AktG durch den verzögerten Nachteilsausgleich führen, da § 311 Abs. 2 AktG kein konkretes Insolvenzrisiko absichern könne.678 § 311 AktG erfülle vielmehr einen Liquiditätsschutz, wenn sich der Liquiditätsentzug nachteilig auf die Vermögens- und Ertragslage auswirke. D. h. im Unterschied zu § 92 Abs. 2 S. 3 AktG greife also § 311 AktG nicht erst, wenn die liquiditätswirksame Zahlung die Solvenz auslösen müsste.679 Daher sei der konkrete Überschneidungsbereich von § 311 AktG und § 92 Abs. 2 S. 3 AktG gering.680 Außerdem solle die Geltung des § 92 Abs. 2 S. 3 AktG von Verdrängungen der Kapitalerhaltung unberührt bleiben, weil der Tatbestand dem speziellen „Liquiditätsschutz“ diene und sich daher von anderen Vorschriften unterscheide, die den „Schutz der Vermögenssubstanz“ bezwecken.681

G. Verantwortung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter I. Pflicht zur Einrichtung eines Informations- und Frühwarnsystems Schon im früheren Schrifttum und in der Rechtsprechung wurde das Erfordernis der Einrichtung eines geeigneten Informationssystems i.R.d. Cash Pooling betont.682 Auch in seiner nach dem MoMiG ergangenen „MPS“-Entscheidung führte der BGH 676

Cahn, Der Konzern 2009, S. 17 und S. 69; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 243 f., m.w.N. 677 Cahn, Der Konzern 2009, S. 17; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 243. 678 Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 244. 679 Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 244. 680 Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 244. 681 Cahn, Der Konzern 2009, S. 15. 682 BGHZ 149, 10, Rn. 19, „Bremer Vulkan“; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 187 ff., insb.194; Hentzen, ZGR 2005, Rn. 499 ff.; MaierReimer, in: VGR 10, S. 154 f.; Münch.Hdb.AG/Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 72.

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aus, dass es die Pflicht des Vorstands der abhängigen AG sei, das Kreditrisiko fortlaufend zu prüfen und auf die Bonitätsverschlechterungen – mit einer Kündigung oder Anforderung von Sicherheiten – zu reagieren, was bei einem Cash Management die Einrichtung eines geeigneten „Informations- oder Frühwarnsystems“ zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft erforderlich machen könne. Das Unterlassen solcher Maßnahmen könne ihrerseits auch unter § 311 AktG fallen und Schadensersatzansprüche nach §§ 317, 318 AktG auslösen.683 Durch das Informations- oder Frühwarnsystem soll demnach in Cash Pool-Konstellationen den Geschäftsführungen der Poolgesellschaften Informationen über die aktuelle wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens bzw. der Betreibergesellschaft verschafft werden, damit sie ihrer fortlaufenden Überwachungspflicht in Bezug auf die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche nachkommen und i.F.d. Verlusts der Vollwertigkeit rechtzeitig eingreifen können.684 II. Pflicht zur fortlaufenden Vollwertigkeitsprüfung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter Wie schon unter dem faktischen GmbH-Konzern thematisiert wurde,685 wird auch im faktischen AG-Konzern insbesondere aufgrund der mit dem Cash Pooling einhergehenden Prüfungsschwierigkeiten seitens der Geschäftsführung der Poolgesellschaften diskutiert, ob außer der Geschäftsführung der Poolgesellschaften auch das herrschende Unternehmen und damit die Konzerngeschäftsleiter eine Pflicht nach der Valutierung trifft, fortlaufend die (ex-ante nicht nachteiligen) laufenden unbesicherten Darlehen und damit die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche unter Kontrolle zu halten und bei Bonitätsverschlechterungen die Poolgesellschaften vor dem Ausfallrisiko zu schützen. Hierbei wird also über die Pflicht zur – oben genannten – Informationsvergabe des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter hinausgegangen und in Frage gestellt, ob sie eine Haftung in Bezug auf die Überprüfung der wertmäßigen Erhaltung der Rückzahlungsansprüche im Laufe des Darlehens trifft. Insbesondere die Frage nach der Haftung der Konzerngeschäftsleiter ist von großer Bedeutung, weil im Falle der Insolvenz des herrschenden Unternehmens die Rückzahlung des Darlehens von diesem nicht mehr zu erwarten ist.686

683 BGHZ 179, 71, Rn. 14 ff., „MPS“. Zur diesbezüglichen Pflicht des Vorstandes der Poolgesellschaft siehe Kapitel 2, § 3, F., III. 684 Vetter, in: Lutter, Holding-Hndb, Rn. 8.36; eingehender J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 187 ff., insb.194; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1299; Baare, Cash-Pooling und die Haftung der Geschäftsführer, S. 98. 685 Kapitel 2, § 2, H. 686 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 248; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1300.

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1. Herrschende Ansicht: Gegen die fortlaufende Prüfungspflicht Es wird in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend die Ansicht vertreten, dass die Pflicht, die Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche fortlaufend zu kontrollieren und auf Bonitätsverschlechterungen zu reagieren, (ausschließlich) den Vorstand der abhängigen Poolgesellschaft gem. § 93 Abs. 1 AktG treffe.687 Mit Blick auf das Haftungskonzept der §§ 311, 317 AktG geht die herrschende Literaturmeinung davon aus, dass es sich bei § 317 AktG um eine „verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung“ handele,688 sodass nur die jeweilige Veranlassung Anknüpfungspunkt für die Haftung der Konzerngeschäftsleiter sein könne.689 Die Einordnung von § 317 AktG seitens der herrschenden Meinung als verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung führt zur Annahme, dass das Verwaltungsorgan des herrschenden Unternehmens keine Pflicht trifft, die Folgen der von ihm veranlassten Maßnahmen zu kontrollieren.690 § 317 Abs. 2 AktG regelt nach herrschender Meinung nicht etwa eine „Exkulpationsmöglichkeit“, sondern agiert bereits (und nur) als ein Kriterium für die Bestimmung des Nachteilsbegriffs und damit zugleich für den objektiven Haftungstatbestand des § 317 Abs. 1 AktG.691 So wird die Haftung der Konzerngeschäftsleiter gem. § 317 Abs. 3 AktG als eine reine „Veranlasserhaftung“ angesehen, die keine Verschuldung braucht. Stehe demnach fest, dass eine Maßnahme bereits nicht nachteilig sei, weil sie dem Pflichtstandard des Vorstands der unabhängigen AG gem. § 93 AktG entspricht (§ 317 Abs. 2 AktG), müsse eine Haftung gem. § 317 AktG wegen der Veranlassung entfallen. Dementsprechend gilt bei der Frage, ob ein veranlasstes Rechtsgeschäft bzw. eine veranlasste Maßnahme i.S.d. § 311 AktG nachteiligen Charakter hat, – genauso wie bei der Bewertung der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs und damit kapitalerhaltungsrechtlicher Zulässigkeit eines Darlehens i.S.d. § 57 AktG – der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder der Maßnahme als maßgeblich („stichtagsbezogene Betrachtung“).692 Ist das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme nicht 687 BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47b; Habersack, ZGR 2009, S. 361 f.; ders., in: FS Schaumburg 2009, S. 1303 f.; Cahn, Der Konzern 2009, S. 79; Bormann/Urlichs, GmbHR Sonderheft Oktober 2008, S. 50; Wand/ Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157 f.; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 805; Grigoleit/ Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 225; Schaefer/Steinmetz, WuB II A. § 311 AktG 1.09, 192; Bayer/Lieder, AG 2010, S. 890 f. Das gilt auch – nach h.M. – entsprechend für die Geschäftsführung der Poolgesellschaft im faktischen GmbH-Konzern gemäß § 43 GmbHG siehe Kapitel 2, § 2, F., II. 688 BGHZ, 175, 365, 367 f., Rn. 9, „UMTS“; BGHZ 179, 71, Rn. 9 f., „MPS“; BGHZ 190, 7, Rn. 20 f., 38, „Dritter Börsengang“; KölnKomm-AktG/Koppensteiner § 317, Rn. 11, 14; Spindler/Stilz/H.-F. Mu¨ ller, § 317, Rn. 4; Schmidt/Lutter/Vetter, § 317, Rn. 7; Bürgers/Körber/ Fett, § 317, Rn. 7; Hüffer/Koch, § 317, Rn. 5, Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 317, Rn. 5, 7, jeweils m.w.N. 689 Statt vieler Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 317, Rn. 7. 690 Johnen, Cash Pooling, S. 134. 691 Siehe Kapitel 2, § 3, B., II. 692 H.M.: BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS; statt vieler: Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 44, m.w.N.

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nachteilig i.S.d. § 311 AktG gewesen, ändert sich daran nichts mehr, auch wenn sich die relevanten Umstände im Nachhinein anders entwickeln und die abhängige Gesellschaft eine Vermögensbuße erleidet.693 Entsprechend diesem Verständnis sieht die herrschende Ansicht i.R.d. Cash Pooling ausschließlich in der jeweiligen Ausreichung des Darlehens eine auf einer Veranlassung der Konzerngesellschafter beruhende Maßnahme der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft. Demnach wird ein zunächst in Betreff des Ausfallsrisikos nicht nachteiliges Darlehen später dadurch nicht nachteilig, dass sich die Bonität des Darlehensnehmers verschlechtert und es zum Forderungsausfall kommt.694 Eine spätere Bonitätsverschlechterung des herrschenden Unternehmens und eine dadurch eintretende Schädigung der abhängigen Gesellschaft beruhe daher jedenfalls nicht auf der Veranlassung weiterer Maßnahmen nachteiliger Art durch das herrschende Unternehmen, weswegen sich keine Pflichten aus § 317 Abs. 3 AktG ableiten ließen. In dem Fall, dass die veranlasste Maßnahme aus ex-ante Perspektive nicht nachteilig war, kommt dieser Auffassung zufolge eine Verantwortlichkeit der Organswalter des herrschenden Unternehmens erst dann in Betracht, wenn nach Valutierung eine neue weitere nachteilige Maßnahme veranlasst wurde.695 Eine weitere im Rahmen von § 317 Abs. 3 AktG relevante Veranlassung könne im Cash Pooling beispielsweise nur dann vorliegen, wenn der Konzerngeschäftsleiter des herrschenden Unternehmens auf die Geschäftsführung der Poolgesellschaft dahingehend einwirke, dass diese trotz fehlender Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs von einer möglichen Kündigung des Darlehens und der Rückforderung des Darlehens absieht.696 Zusammenfassend besteht schließlich, folgt man der herrschenden Ansicht, eine Prüfungspflicht der Konzerngeschäftsleiter nach § 317 Abs. 3 AktG ausschließlich zum Zeitpunkt der Veranlassung und somit beim Cash Pooling zum Zeitpunkt der Darlehensausreichung. Demgemäß soll für eine mögliche Haftung der Konzerngeschäftsleitung nur der Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Valutierung (die Ex-ante-Betrachtung) maßgeblich sein. Nach diesem Verständnis der Haftung lässt sich also eine fortlaufende Prüfungspflicht der Konzernleitung aus § 317 Abs. 3 AktG nicht herleiten. 2. Mindermeinung: Für die fortlaufende Prüfungspflicht Teilweise wird im Schrifttum – entgegen der herrschenden Ansicht – angenommen, dass auch die Konzerngeschäftsleiter die Pflicht treffe, die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche fortlaufend zu überprüfen und die Kreditgeberin durch geeignete Maßnahmen vor dem Forderungsausfall zu bewahren, der sich aus der 693

BGHZ 179, 71, Rn. 13, „MPS; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 44, m.w.N.; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 39; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 28; Bürgers/Körber/Fett Rn. 25 m.w.N. 694 Habersack, ZGR 2009, S. 361; Schicker/Blunk, GmbHR 2009, S. 1300. 695 Habersack, ZIP 2009, S. 358 f., m.w.N. 696 Habersack, ZIP 2009, S. 358 f., m.w.N.

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Insolvenz des herrschenden Unternehmens ergibt.697 Für die fortlaufende Prüfungspflicht der Konzerngeschäftsleiter sprächen nach dieser Auffassung mehrere gute Gründe. Die Konzerngeschäftsleitung sei im Vergleich zur Geschäftsführung der abhängigen Poolgesellschaften hinsichtlich der Beobachtung nachträglicher wirtschaftlicher Entwicklungen in einer günstigeren Position. Daher müsste sie besser wissen, wie es mit der Solvenz ihrer Gesellschaft bzw. der Betreibergesellschaft steht.698 Eine zuverlässige Vollwertigkeitsprüfung bzw. -beurteilung auf Seiten der Poolgesellschaften sei jedoch aufgrund des Informationsdefizits mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, während die erforderlichen Informationen zur ordnungsgemäßen Prüfung der Vollwertigkeit beim herrschenden Unternehmen offen liegen würden.699 Selbst wenn der Vorstand der abhängigen AG sich umfangreiche Informationsrechte ausbedingen bzw. die Konzerngeschäftsleiter zu weitergehender Informationsweitergabe verpflichten würde, sei die Beurteilungsgrundlage für die Bonität des herrschenden Unternehmens nicht mit derjenigen vergleichbar, über die die Konzerngeschäftsleiter selbst verfügen. Die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften könnten also die Bonität der Konzernmutter jedenfalls nicht so zuverlässig beurteilen wie die Geschäftsleiter der Konzernmutter.700 Insbesondere die Bewertungsschwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass dabei alle Ansprüche des Pools und alle Ansprüche, die gegen den Pool bestehen, bewertet werden müssen, könnten die Geschäftsführer der Poolgesellschaften dazu bewegen, eine werthaltige Besicherung für ihre Rückzahlungsansprüche zu verlangen.701 Durch die fortlaufende Besicherung der Rückzahlungsansprüche würden jedoch die Vorteile des Cash Pooling teilweise aufgezehrt, sodass die Intention des Gesetzgebers der Erleichterung des Cash Pooling unterlaufen würde.702 Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Absicherung des Cash Pooling und die Ermöglichung eines effizient funktionierenden Cash Pooling erfordere daher mit Blick auf die Überwachungspflicht, dass das herrschende Unternehmen bzw. die Konzerngeschäftsleiter in die Verantwortung einbezogen werden.703 Die Inpflichtnahme der Konzerngeschäftsleiter sowohl vor als auch nach der Valutierung biete schließlich ausreichende Gewähr für die Gestattung 697

Altmeppen, ZIP 2009, S. 51 f.; ders., NZG 2010, S. 404 f.; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 246 ff.; Gärtner, Cash Pooling, S. 284 ff.; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, S. 1300; Wilhelmi, WM 2009, S. 1919; Johnen, Cash Pooling, S. 138 ff.; wohl auch Goette, DStR 2009, S. 2604 ihm zufolge gemäß §§ 317, 318 AktG auch die herrschende Gesellschaft und die Mitglieder des Leitungs- und des Überwachungsorgans selbst verantwortlich sein könnten, weil das Unterlassen der gebotenen Beobachtung – und ggf. der notwendigen Reaktion – ihrerseits eine Nachteilszufu¨ gung nach § 311 AktG sein könnte. 698 Altmeppen, ZIP 2009, S. 51 f.; ders., NZG 2010, S. 405; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 246 ff. Gärtner, Cash Pooling, S. 284 ff. 699 Gärtner, Cash Pooling, S. 277 f.; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 246 f.; ders., NZG 2010, S. 405; Johnen, Cash Pooling, S. 227, 231. 700 Altmeppen, NZG 2010, S. 405. 701 Gärtner, Cash Pooling, S. 277 f.; Johnen, Cash Pooling, S. 231 f. 702 Gärtner, Cash Pooling, S. 277 f.; Johnen, Cash Pooling, S. 231 f. 703 Gärtner, Cash Pooling, S. 291 ff., insb. 294; Johnen, Cash Pooling, S. 138 ff.

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der Abführung der gesamten freien Liquidität i.R.d. Cash Pooling-Systems ohne Besicherung.704 Es wird zwar von den Vertretern der Mindermeinung eine Vollwertigkeitsprüfung durch die Konzerngeschäftsleitung zur Überbrückung der faktisch bestehenden Schwierigkeiten mit Blick auf die Vollwertigkeitsprüfung seitens der Poolgesellschaften und zur Ermöglichung eines effizienten Cash Pooling für notwendig gehalten. Es besteht unter den Vertretern dieser Auffassung allerdings keine Einigkeit darüber, wie diese fortlaufende Überprüfungspflicht der Konzerngeschäftsleiter bei einer faktischen Abhängigkeit rechtlich zu begründen ist. Der überwiegender Teil der Autoren leitet diese Pflicht der Konzerngeschäftsleiter unmittelbar aus § 317 Abs. 3 AktG ab, weil diese Vorschrift – entgegen der herrschenden Ansicht – eine gewöhnliche „Verschuldenshaftung“ begründe,705 während eine andere Literaturansicht diese Pflicht aus der Konzernleitungspflicht der Konzerngeschäftsleitung ihrem Anstellungskörper gegenüber herleitet.706 a) Herleitung der Prüfungspflicht aus § 317 Abs. 3 AktG Teilweise wird als Rechtsgrundlage der fortlaufenden Pflicht der Konzerngeschäftsleiter zur Vollwertigkeitsüberwachung § 317 Abs. 3 AktG herangezogen, welcher nach dieser Auffassung – entgegen der herrschenden Meinung – als eine konzernrechtliche „Verschuldenshaftung“ („culpa-Haftung“) für fehlerhafte Fremdgeschäftsführung (negotiorum gestio) einzuordnen sei.707 Anknüpfungspunkt für die Haftung soll demnach ein pflichtwidriges Verhalten der Konzerngeschäftsleitung sein. Nach den Vertretern dieser Auffassung übersehe die herrschende Meinung, welche in der Haftung nach § 317 AktG eine verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung sieht, dass es sich in § 317 Abs. 2 AktG eigentlich um die gewöhnliche Bestimmung einer „Exkulpationsmöglichkeit“ nach dem Vorbild § 93 Abs. 2 S. 2 AktG und § 309 Abs. 2 AktG handele.708 Demnach begründe die Zufügung eines Nachteils, auch wenn sie vom herrschenden Unternehmen veranlasst wurde, dann keine Haftung nach §§ 311, 317 AktG, wenn die Beteiligten ohne Verschulden gehandelt haben. Deswegen wird die herrschende Meinung von den 704

Gärtner, Cash Pooling, S. 294. Altmeppen, ZIP 2009, S. 51 f.; ders., NZG 2010, S. 405; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 246 ff.; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 113 ff. (zur GmbH); Gärtner, Cash Pooling, S. 284 ff. 706 Johnen, Cash Pooling, S. 158 ff., insb. 177 f. 707 Altmeppen, ZIP 2009, S. 51 f.; ders., NZG 2010, S. 404 f.; MünchKomm-AktG/ders., § 311, 246 ff.; Gärtner, Cash Pooling, S. 284 ff. Allgemein zur Einordnung von § 317 Abs. 3 AktG als „Verschuldenshaftung“ für fehlerhafte Fremdgeschäftsführung siehe auch: MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 160 ff. m.w.N., § 317 Rn. 8 ff.; ders., NJW 2008, S. 1554 f.; Fischbach, Haftung des Vorstands, S. 172 ff., insb. 179; Stöcklhuber, Konzern 2011, 253, 255 ff. 708 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 162 ff.; ders., ZIP 2007, S. 330 ff.; ders., NJW 2008, S. 1553 f.; Gärtner, Cash Pooling, S. 284 ff. 705

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Vertretern dieser Auffassung kritisiert, weil diese dogmatische Einordnung keinen Raum für eine Exkulpation der Konzerngeschäftsleitung lasse.709 Im hier thematisierten Zusammenhang wird insoweit ausgeführt, dass die Anknüpfung der Verantwortlichkeit der Konzerngeschäftsleiter durch die herrschende Ansicht an eine „weitere Veranlassung“ damit zusammenhänge, dass die herrschende Ansicht die Haftung gemäß § 317 Abs. 3 AktG als reine „Veranlasserhaftung“ begreife, die kein Verschulden verlange.710 Erkenne man jedoch, dass die an die Verletzung dieser Überwachungspflicht anknüpfende Haftung Verschulden voraussetze, bedürfe es der Annahme einer weiteren Veranlassung (gerichtet auf das Unterlassen einer möglichen Kündigung) nicht, um die Verantwortlichkeit der Konzerngeschäftsleiter zu rechtfertigen. Denn die Konzerngeschäftsleiter müssten bei der Einordnung von § 317 Abs. 3 AktG als Verschuldenshaftung nicht anders als im Vertragskonzern (309 AktG) gewährleisten, dass das herrschende Unternehmen ausreichend solvent sei, um sämtliche upstream-Loans der abhängigen Gesellschaft zu erfüllen. Demnach müssten die Konzerngeschäftsleiter, welche die abhängige AG dazu veranlassen, unbesicherte Kredite an die Muttergesellschaft zu gewähren, die abhängige AG ohne jede Einschränkung vor den Risiken bewahren, die sich aus einem Forderungsausfall wegen Insolvenz des herrschenden Unternehmens ergeben können.711 Deswegen müssten sie bis zur endgültigen Abwicklung des Kreditgeschäfts unter Kontrolle halten, dass die Beurteilung der Einbringlichkeit des Rückerstattungsanspruchs „nicht nachteilig“ zutreffe. Widrigenfalls müssten sie von sich aus die sofortige Rückführung oder werthaltige Besicherung des Kredits anbieten.712 Nach dieser Auffassung sei nämlich hierbei die entscheidende Veranlassung diejenige zur Teilnahme der abhängigen Gesellschaft am Cash Pooling und die Folgen dieser Veranlassung seien von dem Konzerngeschäftsleiter zu kontrollieren.713 Die schuldhaft unzureichende Kontrolle der Bonitätsrisiken für die abhängige Gesellschaft, die sich aus ihrer Teilnahme am Cash Pooling ergeben, würde demnach eine Haftung der Konzerngeschäftsleiter gemäß § 317 Abs. 3 AktG nach sich ziehen.714 Für den Fall, dass nicht das herrschende Unternehmen selbst, sondern eine andere konzernangehörige, die Poolgesellschaften nicht beherrschende Gesellschaft als Betreibergesellschaft agiert, sprechen sich die Vertreter dieser Ansicht für eine sinnvolle Interpretation der §§ 311, 317 AktG aus, sodass auch in diesem Fall das herrschende Unternehmen bzw. seine Geschäftsleiter weiterhin die Vollwertigkeit 709 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 162 ff.; Gärtner, Cash Pooling, S. 286; Stöcklhuber, Konzern 2011, 253, 255 ff. 710 Gärtner, Cash Pooling, S. 286. 711 Altmeppen, ZIP 2009, S. 51 f. 712 Gärtner, Cash Pooling, S. 284. 713 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 247; ders., NZG 2010, S. 405; Gärtner, Cash Pooling, S. 284 ff. 714 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 247; ders., NZG 2010, S. 405; Gärtner, Cash Pooling, S. 284 ff.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

überwachen715 bzw. dafür sorgen müssten, dass die Bonitäts- sowie die Vollwertigkeitsüberwachung durch die Betreibergesellschaft ordnungsgemäß durchgeführt wird.716 Denn die Teilnahme am Cash Pooling sei vom herrschenden Unternehmen veranlasst worden. Daher sei das herrschende Unternehmen gemäß §§ 311, 317 AktG verpflichtet, die abhängigen Poolgesellschaften von sämtlichen sich aus der veranlassten Cash Pool-Teilnahme ergebenden Risiken zu befreien und dafür zu sorgen, dass das Cash Pooling für sie dauerhaft ungefährlich bleibe. Diese Verpflichtung des herrschenden Unternehmens folge aus dem Umstand, dass dieses die Betreibergesellschaft beherrsche.717 b) Herleitung der Prüfungspflicht aus der Konzernleitungspflicht Nach einer anderen Literaturansicht ist jedoch die Pflicht der Konzerngeschäftsleitung zur Vollwertigkeitsprüfung aus ihrer Konzernleitungspflicht eigenem Anstellungskörper gegenüber herzuleiten.718 Der Vertreter dieser Auffassung lehnt – mit der herrschenden Meinung –719 ab, dass die Konzerngeschäftsleiter gegenüber den abhängigen Gesellschaften eine Konzernleitungspflicht trifft,720 aber geht davon aus, dass sie ihrem Anstellungskörper gegenüber zur Leitung des Unternehmensverbundes verpflichtet seien.721 Ausgehend davon führt er aus, dass diese konzerndimensionale Leitungsverantwortung der Konzernleitung beim Vorliegen des Cash Pooling auch die Vornahme der Vollwertigkeitsprüfung umfasse.722 Denn die Konzernleitungsverantwortung verpflichte die Konzerngeschäftsleitung erstens zur Konzernkontrolle, sodass sie ein System zum Risikomanagement im Konzern einzurichten habe, das es ihr ermögliche, einen drohenden Schaden frühzeitig zu erkennen (§ 91 Abs. 2 AktG).723 In diesem Zusammenhang treffe die Konzernleitung bei Cash Pooling die Pflicht zur Vollwertigkeitsprüfung, da eine fehlende Vollwertigkeit Folgen für den gesamten Pool und für den Fortbestand des herrschenden Unternehmens nach sich ziehen könne. Zweitens umfasse die Konzernleitungsverantwortung ebenfalls den Bereich der Konzernfinanzierung und insoweit treffe die Konzerngeschäftsleitung auch konzernweite Finanzverantwortung.724 Diese ver715

MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 251. Gärtner, Cash Pooling, S. 312 ff. 717 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 251. 718 Johnen, Cash Pooling, S. 173 ff., insb. 177 f. 719 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311 Rn. 10; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 5; MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 402, jeweils m.w.N. A.A. U. H. Schneider, BB 1981, S. 256 ff.; U. H. Schneider/S. H. Schneider, AG 2005, S. 61, welche für die Konzernleitungspflicht gegenüber den abhängigen Gesellschaften sind. 720 Johnen, Cash Pooling, S. 161 ff. 721 Johnen, Cash Pooling, S. 164 ff., insb. 177 f. 722 Johnen, Cash Pooling, S. 173 ff. 723 Johnen, Cash Pooling, S. 173 ff., 177 f. 724 Johnen, Cash Pooling, S. 175 f. 716

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pflichte die Konzernleitung, ausreichende Liquidität im Konzernverbund sicherzustellen, was wiederum im Allgemeinen eine fortlaufende Beobachtung der Liquiditätslage in allen Konzernunternehmen und im Speziellen beim Cash Pooling die Vollwertigkeitsprüfung der in diesem Zusammenhang bestehenden Ansprüche der Poolgesellschaften erfordere. Drittens treffe die Konzernleitung aufgrund der konzerndimensionalen Leitungsverantwortung eine Überwachungspflicht in Bezug auf eine ordnungsgemäße Geschäftsführung bei den abhängigen Unternehmen.725 Auch aus dieser Verpflichtung der Konzernleitung könne eine Pflicht zur Prüfung der Vollwertigkeit bei Cash Pooling dem eigenen Anstellungskörper gegenüber hergeleitet werden, weil die fehlende Vollwertigkeit nicht nur für die abhängigen Gesellschaften, sondern auch unmittelbar für das herrschende Unternehmen von Bedeutung sei. Bei fehlender Vollwertigkeit könnten nämlich die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaften die Liquidität aus dem Pool ohne Vorwarnung abziehen, was den Fortbestand des herrschenden Unternehmens gefährden könne. In der fehlenden Vollwertigkeit liege somit schließlich ein erhebliches Risiko für das herrschende Unternehmen, das die Konzernleitung innerhalb ihrer konzerndimensionalen Leitungsverantwortung frühzeitig erkennen müsse.726 Im Falle der Pflichtverletzung haftet die Konzernleitung nach diesem Konzept nicht den Poolgesellschaften gegenüber auf Schadensersatz, sondern ausschließlich seiner Anstellungskörperschaft gegenüber nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG, weil keine Leitungspflicht gegenüber den abhängigen Gesellschaften besteht.727 c) Folge der Prüfungspflicht: Primärverantwortlichkeit der Konzerngeschäftsleiter Die Verpflichtung der Konzernleitung zur Vornahme der Vollwertigkeitsprüfung im Cash Pooling wirft die Frage auf, ob dies etwa zur Entpflichtung der Vorstände der Poolgesellschaften führt, und wenn nicht, wem dann die Prüfungspflichten in erster Linie zufallen. Die Befürworter der Prüfungspflicht der Konzerngeschäftsleiter schlagen eine Pflichtenverlagerung auf die Konzerngeschäftsleiter vor,728 sodass eine „Primär- und Sekundärverantwortlichkeit“ zwischen dem Konzerngeschäftsleiter und den Geschäftsleitern der Poolgesellschaften in Bezug auf das Überwachungspflicht entstehen soll.729 In diesem Zusammenhang wird die Ansicht vertreten, dass

725

Johnen, Cash Pooling, S. 176 f. Johnen, Cash Pooling, S. 178. 727 Johnen, Cash Pooling, S. 178. 728 MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 247; ders., NZG 2010, S. 405; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 134 (zur GmbH-analog); Gärtner, Cash Pooling, S. 278 f., 286 ff.; Johnen, Cash Pooling, S. 230 ff. 729 Die Begriffe von „Primär- und Sekundärverantwortlichkeit“ werden in diesem Zusammenhang wohl zunächst von Gärtner verwendet (Gärtner, Cash Pooling, S. 291 ff.). Ihm folgend Johnen, Cash Pooling, S. 233 f. Bereits Altmeppen, NZG 2010, S. 405; MünchKomm726

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bei Cash Pooling die Primärverantwortlichkeit dafür, die Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche fortwährend zu gewährleisten, die Konzerngeschäftsleiter treffen soll.730 Dass die Konzernleitung zur Vollwertigkeitsprüfung primär verpflichtet ist, entlasse jedoch den Vorstand der abhängigen Poolgesellschaft nicht vollständig aus seinen Pflichten, sondern ihn treffe vielmehr eine Sekundärverantwortlichkeit in Bezug auf die Vollwertigkeitsprüfung der Rückzahlungsansprüche.731 Das heißt, dass die Informationen, die der Vorstand der abhängigen AG erhält, lediglich einer Sekundärkontrolle auf der zweiten Stufe dienen würden, sodass der Vorstand der Poolgesellschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten zu überwachen hat, dass eine ordnungsgemäße Vollwertigkeitsprüfung durch die Konzerngeschäftsleitung durchgeführt wird.732 Mit anderen Worten ist zwar nach dieser Konzeption der Vorstand der Poolgesellschaft – infolge der Primärverantwortlichkeit der Konzerngeschäftsleiter – nicht mehr primär dafür verantwortlich, die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche zu gewährleisten, aber dies bedeutet nicht, dass er von sämtlichen Pflichten in Bezug auf die Vollwertigkeitsprüfung der Rückzahlungsansprüche entbunden ist. Es erfolgt dabei nämlich lediglich eine dahingehende inhaltliche Modifikation bzw. Beschränkung der Pflichten, dass er vielmehr verpflichtet ist, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Vollwertigkeitsprüfung der Konzernleitung zu kontrollieren.733 Somit entfalle die Direkthaftung nicht, sondern nur die Voraussetzungen für die Direkthaftung des Vorstands der Poolgesellschaft würden modifiziert.734 Schließlich müssen nach dieser Konzeption die Konzerngeschäftsleiter die relevanten Informationen bzw. Daten zunächst selber auswerten und im Falle des Verlusts der Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften nicht nur benachrichtigen, sondern selbstständig sofortige Rückgewähr oder Besicherung anbieten. Außerdem müssen sie alle erforderlichen Informationen den Geschäftsleitern der Poolgesellschaften weitergeben, damit diese die Vollwertigkeitskontrolle der Konzerngeschäftsleiter im gebotenen Umfang überwachen und ggf. selbst geeignete Maßnahmen ergreifen können.735 Nach dieser Konzeption dienen also die Informationen, die der Vorstand der abhängigen AG erhält, lediglich einer Sekundärkontrolle auf der zweiten Stufe.736 Zwar ist nach dieser Auffassung die Geschäftsleitung der Poolgesellschaft nur auf die Überwachung der Vollwertigkeitsprüfung beschränkt, aber ihre Kontrollpflicht könne in vollem Umfang wieder aufleben, sofern hinreichende Anhaltspunkte dafür AktG/ders., § 311, Rn. 247, der die Konzerngeschäftsleiter im Bezug auf die permanente Bonitätskontrolle als „Primärschuldner“ bezeichnet. 730 Gärtner, Cash Pooling, S. 293; Altmeppen, NZG 2010, S. 405; MünchKomm-AktG/ ders., § 311, Rn. 247; Johnen, Cash Pooling, S. 233. 731 Gärtner, Cash Pooling, S. 293; Johnen, Cash Pooling, S. 233. 732 Gärtner, Cash Pooling, S. 292 f.; Johnen, Cash Pooling, S. 233. 733 Johnen, Cash Pooling, S. 233, 235. 734 Johnen, Cash Pooling, S. 235. 735 Gärtner, Cash Pooling, S. 311 f. 736 Gärtner, Cash Pooling, S. 293.

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bestehen, dass die Vollwertigkeitsprüfung durch die Konzerngeschäftsleitung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird.737 Ein Aufleben der Prüfungspflichten komme demnach insbesondere in Betracht, wenn im Zusammenhang mit den Zahlungen im Cash Pooling Unregelmäßigkeiten auftreten würden oder wesentliche Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, dass die Vollwertigkeit der Ansprüche zweifelhaft sei.738 3. Stellungnahme Unabhängig von der dogmatischen Einordnung des § 317 Abs. 3 AktG ist m. E. der herrschenden Ansicht, welche die Pflicht zur fortlaufenden Vollwertigkeitsprüfung lediglich aufseiten der Poolgesellschaften behandelt und diese aufgrund des gesetzlichen Konzepts als nur zum Pflichtenkreis ihrer Geschäftsführung gehörig ansieht, jedenfalls für Cash Pool-Konstellationen aus praktischen und rechtlichen Gründen nicht zuzustimmen. Wenn man sich die Komplexität des Cash Pooling und damit einhergehende Schwierigkeiten bezüglich der Vollwertigkeitsprüfung seitens der Geschäftsführung der Poolgesellschaften vor Augen führt, zeichnet sich die praktische Notwendigkeit der Einbeziehung des herrschenden Unternehmens bzw. seiner Verwaltungsmitglieder in diesen Pflichtenkreis ab. Es liegt nämlich auf der Hand, dass die Konzerngeschäftsleiter im Gegensatz zu Geschäftsführern der Poolgesellschaften in einer besseren Position sind, die Bonität des herrschenden Unternehmens (bzw. der Betreibergesellschaft) zu überprüfen und die relevanten Daten zu bewerten. Vor dem Hintergrund des Schutzbedürfnisses der Konzernfremdminderheit und der Gläubiger der Poolgesellschaften sollte es zudem auch aus rechtlichen Gründen als ein Korrelat der konzernweiten Ausübung der Leitungsmacht angesehen werden, dass das herrschende Unternehmen bzw. seine Verwaltungsmitglieder die Folgen des von ihnen veranlassten Cash Pooling überprüfen und die Poolgesellschaften vor den Insolvenzrisiken des herrschenden Unternehmens bzw. der Betreibergesellschaft bewahren. Deswegen ist m. E. die Mindermeinung im Ergebnis überzeugend. Unabhängig von der Diskussion, ob § 317 Abs. 3 AktG eine Veranlasserhaftung oder Verschuldenshaftung begründet, folgt m. E. die fortbestehende Kontrollpflicht des Konzerngeschäftsleiters bei Cash Pooling-Konstellationen vor allem aus dem Schutzkonzept der §§ 311 ff. AktG, wonach das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaft Nachteil zufügen darf, sofern der Nachteil ausgeglichen wird und die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft gewährt werden.739 Aus dem Sinn dieses Konzepts ergibt sich die Verpflichtung für das herrschende Unternehmen und seine Organwalter, die von ihnen veranlassten Rechtsgeschäfte bzw. Maßnahmen bei abhängigen Gesellschaften in einer mit dem Schutzkonzept des

737 738 739

Johnen, Cash Pooling, S. 235 f. Johnen, Cash Pooling, S. 236. Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 5, 59.

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§ 311 AktG vereinbarten Weise durchzuführen.740 Das heißt, dass das herrschende Unternehmen bzw. die Konzerngeschäftsleiter bis zur endgültigen Durchführung des Nachteilsausgleichs nach Maßgabe der §§ 311 ff. AktG dafür Sorge tragen müssen, dass der Ausgleich tatsächlich stattfindet. Sonst würde die Schutzfunktion des Nachteilsausgleichssystems m. E. ins Leere laufen. Das Erfordernis der fortlaufenden Überprüfungspflicht der Konzerngeschäftsleiter kommt bei Kreditgeschäften, insbesondere bei Cash Pool-Konstellationen zum Vorschein, in denen die ganze Liquidität der abhängigen teilnehmenden Gesellschaften ohne Sicherheiten an das herrschende Unternehmen fließt. Da bei der Bonitätsverschlechterung des herrschenden Unternehmens ein Ausgleich des Darlehens i.S.d. § 311 AktG regelmäßig nicht möglich ist, ist von dem herrschenden Unternehmen bzw. von Konzerngeschäftsleitern zu erwarten, dass sie bis zum Ende der Abwicklung des Darlehensgeschäfts die Bonität des herrschenden Unternehmens bzw. die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche der Polgesellschaften fortlaufend kontrollieren, damit das auf dem späteren Ausgleich beruhende Schutzsystem der §§ 311 ff. AktG zweckgemäß funktionieren kann. Dies ist zudem eine Notwendigkeit, die sich aus der nunmehr für die Darlehensvergaben geltenden bilanziellen Betrachtungsweise ergibt, wonach allein auf die Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs für die Zulässigkeit des Darlehens abgestellt und in der Regel auf eine Besicherung verzichtet wird. Für eine effiziente Durchsetzung des durch das Kapitalerhaltungsgebot bezweckten Gläubigerschutzes ist es daher erforderlich, dass bei aufsteigenden Krediten die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche und damit die Nachteiligkeit des Darlehens fortlaufend überprüft wird. Da das den Kreditgeschäften immanente Ausfallrisiko im Falle der Insolvenz des herrschenden Unternehmens mit dem Ausgleichssystem des § 311 AktG nicht zu beseitigen ist, sollte von der Konzernleitung fortlaufend kontrolliert werden, ob die ex-ante nichtNachteiligkeit der Darlehensvergabe weiterhin besteht. Unter Berücksichtigung des Ausfallrisikos einer unbesicherten Kreditvergabe sollte m. E. folglich davon ausgegangen werden, dass die Einbringlichkeit des Rückerstattungsanspruchs nicht nur zum Zeitpunkt der Veranlassung des Darlehensgeschäfts, sondern bis zur Abwicklung des Geschäfts durch Konzerngeschäftsleiter ganz effektiv unter Kontrolle gehalten werden muss. Beim Verlust der Vollwertigkeit sollten die Poolgesellschaften vor dem Forderungsausfall dadurch geschützt werden, dass die Darlehensvaluta zurückgezahlt oder eine werthaltige Besicherung gestellt wird. Zum selben Ergebnis könnte man m. E. bei Cash Pool-Konstellationen auch dann kommen, wenn man die §§ 311, 317 AktG als eine „Veranlasserhaftung“ annehmen würde. Denn anders als bei einzelnen Darlehensvergaben erfolgt beim Cash Pooling-Verfahren permanent eine erneute Darlehensausreichung, sodass im Ergebnis jeder Darlehensabfluss als ein eigenständiges Rechtsgeschäft angesehen werden könnte (bzw. sollte), welches jeweils auf einer neuen Veranlassung beruht. Deswegen ist m. E. der herrschenden Ansicht, welche die Haftung der Konzerngeschäftsleiter „mangels Veranlassung 740

Vgl. MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 246.

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weiterer Maßnahmen nachteiliger Art durch das herrschende Unternehmen“ ablehnt, zumindest für das Cash Pooling-Verfahren nicht zuzustimmen. Auch der BGH erkennt m. E. in seinem „MPS“-Urteil stillschweigend – namentlich hinsichtlich des Cash Pooling – die Kontrollpflicht der Konzerngeschäftsleiter des herrschenden Unternehmens, indem er auf das Erfordernis eines „Informations- und Frühwarnsystems“ zwischen dem herrschenden Unternehmen und der Tochtergesellschaft hinweist. Er führt insoweit aus, dass „dies … bei einem Cash Management die Einrichtung eines geeigneten Informations- oder „Frühwarnsystems“ zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft erforderlich machen (könne) und die Unterlassung solcher Maßnahmen einschließlich einer rechtzeitigen Kreditkündigung ihrerseits auch unter § 311 AktG fallen kann und Schadensersatzansprüche nach §§ 317, 318 AktG (neben solchen aus §§ 93 Abs. 2, 116 AktG) auslösen (könne) … wenn und soweit der durch das Unterlassen eintretende Nachteil nicht ausgleichsfähig (sei)“.741 Bessere Gründe sprechen dafür, diese Erklärungen vom Senat dahingehend zu verstehen, dass er dabei nicht nur von einer „passiven“ Informationsvergabepflicht der Konzerngeschäftsleiter an die Poolgesellschaften spricht, sondern auch auf eine „aktive“ dahingehende Pflicht der Konzerngeschäftsleiter hinweist, die relevanten Entwicklungen ständig zu überwachen und im Falle der Gefährdung der Vollwertigkeit rechtzeitig darauf zu reagieren.742 Dies folgt insbesondere aus der Aussage des BGH, dass die Unterlassung solcher Maßnahmen und einer rechtzeitigen Kreditkündigung unter § 311 AktG fallen und Schadensersatzansprüche nach §§ 317, 318 AktG auslösen können. Die Pflicht zur rechtzeitigen Kreditkündigung erfordert freilich vor allem, dass die Bonitätslage des herrschenden Unternehmens bzw. der Betreibergesellschaft sinngemäß von den Geschäftsführern des herrschenden Unternehmens ständig unter Kontrolle gehalten sowie überprüft wird, damit der Pflicht zur Kreditkündigung rechtzeitig nachgekommen werden kann. Es sollte an dieser Stelle noch betont werden, dass es bei der hier relevanten Frage nicht darum geht, ob die Konzerngeschäftsleiter allgemein die Geschäftsleitung der Poolgesellschaften überprüfen sollten, sondern darum, ob sie die Folgen einer bereits vorgenommenen (ex-ante nicht nachteiligen) Veranlassung, also der Darlehensausreichung bis zum Ende des Rechtsgeschäfts unter Kontrolle halten und damit im Cash Pooling die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche permanent überwachen bzw. die werthaltige Erhaltung der Rückzahlungsansprüche gewährleisten müssen. Die hier in diesem Sinne befürwortete Kontroll- und Reaktionspflicht der Kon741

BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“. Wohl auch so Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 132, der die einschlägigen Ausführungen des BGH in der Weise auslegt, dass der BGH auch der Ansicht sei, die Geschäftsleiter des herrschenden Unternehmens die abhängige AG vor dem Forderungsauswahl zu bewahren hat. Vgl. MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 246. Wohl a.A. Gärtner, Cash Pooling, S. 281, ihm zufolge auch der BGH davon ausgehe, dass eine Haftung gem. § 317 AktG nur dann in Betracht komme, wenn erneut auf den Vorstand der abhängigen AG dahingehend Einfluss genommen würde, von einer möglichen Kündigung abzusehen. 742

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zerngeschäftsleiter i.R.d. Cash Pooling darf daher nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass dabei vom Vorliegen einer Konzernleitungspflicht der Konzerngeschäftsleiter gegenüber den abhängigen Gesellschaften ausgegangen wird. Denn der in Deutschland herrschenden Ansicht743 folgend sollte auch m. E. angenommen werden, dass beim faktischen Konzern keine Konzernleitungspflicht der Konzerngeschäftsleiter gegenüber den abhängigen Gesellschaften besteht. Diesem Grundsatz steht die dahingehende Annahme zur Pflicht der Konzerngeschäftsführer nicht entgegen, dass die Gefahren, die sich aus den durch die Beherrschungsmöglichkeit veranlassten Rechtsgeschäften ergeben, gemäß dem Schutzsystem von §§ 311, 317 AktG unter Kontrolle gehalten und verhindert werden sollten. Diese Pflicht des herrschenden Unternehmens und damit der Konzerngeschäftsleiter ist – wie oben ausgeführt – eine gerechtfertigte Folge des Konzepts der §§ 311 ff. AktG, wonach nachteilige Einwirkungen auf die abhängige Gesellschaft unter der Voraussetzung gestattet sind, dass der Nachteil tatsächlich ausgleichsfähig ist und das herrschende Unternehmen zum Ausgleich imstande bzw. bereit ist.744 Daraus lässt sich schließlich folgern, dass das herrschende Unternehmen, welches nur unter der genanten Bedingung faktischen Einfluss auf die abhängige Gesellschaft ausüben darf, darauf achten muss, dass der infolge seiner Veranlassung in Betracht kommende Nachteil ausgleichsfähig bleibt. Die andere Literaturansicht, die diese Pflicht aus der Konzernleitungspflicht der Konzerngeschäftsleiter ihrem Anstellungskörper gegenüber herleitet, ist zwar auch im Ergebnis überzeugend, weil auch m. E. die Konzernleitungspflicht der Konzernleitung ihrem Anstellungskörper gegenüber zur Überprüfung der Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche verpflichtet. Da allerdings nach diesem Konzept die Konzerngeschäftsleiter nicht unmittelbar den Poolgesellschaften, sondern ihrem Anstellungskörper gegenüber verantwortlich sind, bietet dieser Lösungsansatz nicht genügend Schutz. Zusammenfassend führt bei unbesicherten Darlehensgeschäften und insbesondere beim Cash Pooling eine an Sinn und Zweck der §§ 311, 317 AktG ausgerichtete Auslegung zur Annahme, dass die Konzerngeschäftsleiter sowohl vor der als auch nach der Darlehensvergabe die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche überprüfen müssen. Diese Interpretation entspricht auch dem Ergebnis einer Interessenabwägung. Denn es ist nicht gerechtfertigt, das ganze Risiko des Cash Pooling – im Falle der Insolvenz des herrschenden Unternehmens – auf die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften zu verlagern, welche zumeist durch die Einflussausübung der Konzerngeschäftsleitung zur Teilnahme an dem Cash Pooling veranlasst werden und zumal bezüglich der Vollwertigkeitsüberprüfung mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die Konzerngeschäftsleitung hingegen, welche die Teilname am Cash 743 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 10; MünchKomm-AktG/ Altmeppen, § 311, Rn. 400; Schmidt/Lutter/Vetter, § 311, Rn. 7; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 5; Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 27, jeweils m.w.N. A.A. U. H. Schneider, BB 1981, S. 256 ff.; U. H. Schneider/S. H. Schneider, AG 2005, S. 61. 744 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 78, m.w.N.

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Pooling veranlasst hat und in Bezug auf die wirtschaftlichen Entwicklungen vergleichsweise einen besseren Wissensstand hat, von einer entsprechenden Überwachungspflicht freizuhalten, ist m. E. nicht vertretbar. Deswegen ergibt die Interessenabwägung eindeutig, dass insbesondere i.R.d. Cash Pooling-System, in dem ständig Liquidität von den Poolgesellschaften an den Cash Pool erfolgt und gerade deswegen die Insolvenz der Betreibergesellschaft existenzbedrohlich für die Poolgesellschaften sein könnte, sollte die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche der Poolgesellschaften durch die Konzerngeschäftsleiter ständig unter Kontrolle gehalten werden und bei Drohung die Mittelzufuhr durch die Konzerngeschäftsleiter gestoppt werden.

H. Zusammenfassendes Ergebnis - Wie im GmbH-Recht (§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG) gilt auch im AG-Recht im Rahmen des Kapitalerhaltungsgebots die bilanzielle Betrachtungsweise bzw. das Vollwertigkeitskriterium (§ 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG). Bei der AG ist allerdings zu beachten, dass die Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche nicht nur – wie bei GmbH – für die Auszahlungen aus dem gebundenen Vermögen erforderlich, sondern für alle Darlehensvergaben aus dem Vermögen der AG („Vermögensbindungsprinzip“). Anders als bei faktischer Konzernierungen mit der Teilnahme der GmbH (faktischer GmbH-Konzern) liefert das deutsche Konzernrecht mit den §§ 311 ff. AktG ein spezielles Regelungssystem für die mit der Teilnahme der AG (faktischer AG-Konzern), wonach das herrschende Unternehmen die abhängige AG zu nachteiligen Geschäften veranlassen kann, soweit der Nachteil in der im Gesetz festgestellten Weise ausgeglichen wird. Deswegen ist die Zulässigkeit der i.R.d. Cash Pooling erfolgten aufsteigenden Darlehen im faktischen AG-Konzern unter Berücksichtigung der Sonderregelungen der §§ 311 ff. AktG zu betrachten. Nach der Einführung des Vollwertigkeitskriteriums in § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG wird sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Lehre angenommen, dass nunmehr die Vorgaben des § 57 AktG im Rahmen des Aktienkonzernrechts bei der Konkretisierung des Ausfallrisikos eines aufsteigenden Darlehens und damit bei der Feststellung eines in der Übernahme des Ausfallrisikos liegenden Nachteils i.S.d. § 311 AktG als maßgebliches Kriterium angesehen werden sollen. Ist demnach die Vollwertigkeit i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG gegeben, dann fehlt es hinsichtlich des Ausfallrisikos an einem Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG. Damit kommt es in Bezug auf die Zulässigkeit eines unbesicherten Darlehens zu einer Angleichung des § 57 AktG und des § 311 AktG, sodass in der Ausreichung eines ungesicherten upstream-Darlehens bzw. eines ungesicherten Cash Pooling-Darlehens per se kein nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. § 311 AktG vorliegt, soweit die Rückzahlungsansprüche vollwertig sind. Vielmehr kommt es also auf eine konkrete Gefährdung der Vermögens- und Ertragslage an.

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- Teilweise in Frage gestellt wird allerdings im Schrifttum, ob bei Kreditgeschäften die kapitalerhaltungsrechtlichen Vorgaben, also die bilanzielle Betrachtungsweise nunmehr bei der Feststellung des Nachteilsbegriffs des § 311 Abs. 1 AktG als einziges bzw. abschließendes Kriterium anzunehmen ist. Der BGH und ein Teil der Lehre scheinen davon auszugehen. Hinweisend auf den umfassenden Schutzzweck des § 311 AktG und auf den weit reichenden Nachteilsbegriff des § 311 Abs. 1 AktG wird dies von den Vertretern der Gegenansicht verneint. Denn nach dieser – m. E. zutreffenden – Auffassung kann ein aufsteigendes Cash Pooling-Darlehen sich unter anderen Gesichtspunkten als nachteilig erweisen, auch wenn die Rückgewähransprüche vollwertig sind und damit kein konkretes Ausfallrisiko besteht. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der Abfluss der für den wirtschaftlichen Betrieb der Poolgesellschaften notwendigen Liquidität als ein auszugleichender Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG angesehen. Außerdem wird teilweise darauf hingewiesen, dass auch das – dem Cash Pooling immanente – Klumpenrisiko einen nachteiligen Charakter haben kann. Darüber hinaus wird in Betracht gezogen, dass ggf. die langen Laufzeiten sowie Kündigungsfristen und die Konzentration der Bankverbindungen sowie Kreditlinien von Poolgesellschaften als nachteilig i.S.d. § 311 AktG bewertet werden können. - Die Nachteiligkeit einer fehlenden oder unzureichenden Verzinsung wird vom BGH von dem in der Übernahme des Ausfallrisikos liegenden Nachteil getrennt behandelt. Bei der Verzinsungsfrage wird das Drittvergleichsprinzip verfolgt und eine angemessene Verzinsung verlangt, während beim Ausfallrisiko auf das Vollwertigkeitsprinzip abgestellt wird. Der sich aus der Unangemessenheit der Verzinsung ergebende Nachteil und der im Ausfallrisiko liegende Nachteil sind also zwei eigenständige und von einander getrennt zu beurteilende Leistungen. Demgemäß begründet eine fehlende oder unzureichende Verzinsung des Darlehens zwar einen eigenständigen Nachteil gemäß § 311 AktG, aber ein unangemessener Zins ergreift nicht das gesamte Darlehen und führt nicht zur Nachteilhaftigkeit der Darlehensgewährung an sich. Hinweisend auf die Spezialität des Cash Pooling-Systems wird im Schrifttum teilweise darauf hingewiesen, dass bei Cash Pooling-Darlehen im Einzelfall eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verzinsungspflicht gemäß § 311 AktG machbar sein könne. Wenn die Poolgesellschaft im Einzelfall konkrete Vorteile aus dem System gezogen, z. B. selbst zinsgünstige Darlehen aus dem Cash Pool in Anspruch genommen habe, könne es einem Nachteil mangeln, der sich aus der mangelnden Verzinsung ergibt. Wie im Schrifttum zum Teil – zutreffend – hervorgehoben wird, darf man allerdings dabei nicht eine pauschale Gesamtbetrachtung heranziehen, sondern muss auf den Einzelfall abstellen und untersuchen, ob eine genaue Gegenüberstellung der Vorund Nachteile aus konkreten Einzelgeschäften möglich ist. - Die Abhängigkeit der Zulässigkeit der Cash Pooling-Darlehen von der Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche bringt besondere Handlungspflichten für den Vorstand der Poolgesellschaft mit sich und somit begründet für ihn besondere Haftungsrisiken. In diesem Zusammenhang betreffen den Vorstand der Poolge-

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sellschaften nämlich vor und nach der Darlehensgewährung besondere Überprüfungs- und Kontrollpflichten in Bezug auf die Vollwertigkeit. Vor der Liquiditätszufuhr in den Cash Pool müssen sie insoweit die Bonität der Betreibergesellschaft bzw. des herrschenden Unternehmens und damit die Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche überprüfen. Bei der Bewertung der Vollwertigkeit ist allerdings kein Raum für die Business Judgement Rule. Erfolgt die Kreditvergabe trotz fehlender Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs, macht sich der Vorstand der Poolgesellschaft nach § 93 Abs. 3 AktG haftbar. Nach der ex-ante nichtnachteiligen Darlehensausreichung unterliegt der Vorstand der Poolgesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 AktG der Pflicht, die Bonität der Betreibergesellschaft bzw. des herrschenden Unternehmens fortlaufend zu kontrollieren und das Ausfallrisiko ständig einzuschätzen. Im Falle einer sich abzeichnenden Bonitätsverschlechterung und damit eines Ausfallrisikos müssen sie die ausgereichten Darlehen kündigen oder die Bestellung von Sicherheiten verlangen. Um dieser Überwachungs- und Reaktionspflicht gerecht werden zu können, müssen die Geschäftsführer der Poolgesellschaften einerseits für die Einrichtung eines geeigneten „Informations- und Frühwarnsystems“ sorgen, sich andererseits vertraglich besondere Kündigungsrechte abdingen lassen, damit sie beim Vorhanden eines Ausfallrisikos rechtzeitig darauf reagieren können. Versäumen sie nach der Darlehensausreichung, die Wertentwicklung der Rückforderungsansprüche zu überwachen und bei Verlust der Vollwertigkeit das Darlehen zu kündigen oder Sicherheiten zu bestellen, so verletzen sie ihre allgemeine Sorgfaltspflicht und machen sich gegenüber ihrer Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig. Außer der Überprüfung des Ausfallrisikos wird die Geschäftsführung der Poolgesellschaften im Schrifttum auch noch als zur Liquiditätskontrolle verpflichtet gesehen, weil der Entzug der betriebswirtschaftlich benötigten Liquidität einen Nachteil für die Poolgesellschaft i.S.d. § 311 AktG darstellen kann. Demnach sollte der Vorstand der Poolgesellschaft bei konkretem Liquiditätsrisiko keine Darlehen mehr ausreichen. Über § 93 AktG hinaus kann auch eine Insolvenzverursachungshaftung des Vorstands der Poolgesellschaften gemäß § 92 Abs. 2 S. 3 AktG in Frage kommen, soweit die Zahlungen in den Cash Pool zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten. Deswegen trifft den Vorstand der Poolgesellschaften neben der Bonitätsüberwachungspflicht i.R.d. §§ 57, 93 AktG auch noch eine Liquiditätsbeobachtungspflicht, sodass er zur Vermeidung der Insolvenzverursachungshaftung die Liquiditätslage der eigenen Gesellschaft und die Liquiditätsentwicklungen des Cash Pools bzw. der Betreibergesellschaft ständig überprüfen und bei Bedrohung eigener Liquidität die Teilnahme am Cash Pooling unverzüglich beenden muss. - Nach der Rechtsprechung und überwiegender Literaturansicht trifft die Pflicht, die Vollwertigkeit der Ausgleichsansprüche fortlaufend zu kontrollieren und auf Bonitätsverschlechterungen zu reagieren, (ausschließlich) den Vorstand der abhängigen Poolgesellschaft gem. § 93 Abs. 1 AktG. Nach herrschender Meinung, welche das Haftungskonzept der §§ 311, 317 AktG als eine „verschuldensun-

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abhängige Veranlasserhaftung“ einordnet und damit „Veranlassung“ als Ausgangspunkt nimmt, trifft die Konzerngeschäftsleiter eine Prüfungspflicht gemäß § 317 Abs. 3 AktG ausschließlich zum Zeitpunkt der Veranlassung und somit beim Cash Pooling zum Zeitpunkt der Darlehensausreichung. Eine fortlaufende Prüfungspflicht der Konzernleitung in Bezug auf das Vollwertigkeitskriterium lässt sich aus § 317 Abs. 3 AktG hingegen nicht herleiten. Aufgrund der maßgeblichen Ex-ante-Betrachtung wird nach dieser Auffassung ein in Betreff des Ausfallrisikos nicht nachteiliges Darlehen später nicht dadurch nachteilig, dass sich die Bonität des Darlehensnehmers verschlechtert und es zum Forderungsausfall kommt. Die Verantwortung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter kommt danach gem. §§ 311, 317 AktG erst dann wieder in Betracht, wenn sie durch eine erneute weitere „Veranlassung“ in Form einer aktiven Einflussnahme den Vorstand der Poolgesellschaft dazu veranlassen, die Kreditkündigung und die Rückforderung des Darlehens zu unterlassen. Von der – m. E. zutreffenden – Gegenansicht wird hingegen eine fortlaufende Prüfungspflicht in Bezug auf die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche der Poolgesellschaften durch die Konzerngeschäftsleitung zur Überbrückung der faktisch bestehenden Schwierigkeiten mit Blick auf die Vollwertigkeitsprüfung auf Seiten der Poolgesellschaften und zur Ermöglichung eines effizienten Cash Pooling für notwendig gehalten. Es besteht allerdings keine Einigkeit unter den Vertretern dieser Auffassung darüber, wie diese fortlaufende Überprüfungspflicht der Konzerngeschäftsleiter bei einer faktischen Abhängigkeit rechtlich zu begründen ist. Der überwiegende Teil der Autoren leitet diese Pflicht der Konzerngeschäftsleiter unmittelbar aus § 317 Abs. 3 AktG ab, weil ihnen zufolge diese Vorschrift – entgegen der herrschenden Ansicht – eine gewöhnliche „Verschuldenshaftung“ begründe, während eine andere Literaturansicht diese Pflicht aus der Konzernleitungspflicht der Konzerngeschäftsleitung ihren Anstellungskörper gegenüber herleitet. Im Ergebnis wird von den Vertretern dieser Position eine Pflichtenverlagerung auf die Konzerngeschäftsleitung in Bezug auf die fortlaufende Vollwertigkeitsprüfung der Rückzahlungsansprüche der Poolgesellschaften vorgeschlagen, sodass die Primärverantwortlichkeit die Konzernleitung im Hinblick auf die Vollwertigkeitsprüfung treffen soll. Dies bedeutet allerdings nicht, dass dadurch der Vorstand der Poolgesellschaft gänzlich aus seinen Pflichten entlassen werde, sondern diese nur dahingehend modifiziert werden, dass er im Rahmen seiner Sekundärverantwortlichkeit lediglich zu überprüfen hat, ob die Vollwertigkeitsprüfung von Seiten der Konzernleitung ordnungsgemäß durchgeführt wird. Infolge der Verlagerung der Prüfungspflichten und damit der Primärverantwortlichkeit auf die Konzerngeschäftsleiter wird also die Prüfungspflicht des Vorstands der Poolgesellschaft darauf beschränkt, zu prüfen, ob eine sachgerechte Vollwertigkeitsprüfung von Seiten der Konzernleitung erfolgt. Entstehen jedoch bei dieser Prüfung Anhaltspunkte dafür, dass die Vollwertigkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird, so lebt die Pflicht des Vorstands der Poolgesellschaft zur Vollwertigkeitsprüfung in vollem Umfang wieder auf.

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Im türkischen Recht

§ 4 Im faktischen AG- und GmbH-Konzern A. Der Grundsatz der „Kapitalerhaltung“ bei der unverbundenen AG I. Terminologische und inhaltliche Ungenauigkeit des Begriffs Es lässt sich nicht sagen, dass im türkischen Recht eine einheitliche terminologische Verwendung des Grundsatzes der Kapitalerhaltung besteht. Im türkischen Schrifttum ist strittig, was die terminologische Verwendung und den Schutzumfang, also den Gegenstand des Grundsatzes anbelangt. In der Literatur ist anzutreffen, dass das Kapitalerhaltungsgebot sowohl als „Grundsatz der Kapitalerhaltung“ („Sermayenin Korunması I˙lkesi“) als auch als „Grundsatz des Vermögensschutzes“ („Malvarlıg˘ ının Korunması I˙lkesi“) formuliert wird. Dieser terminologische Verwendungsunterschied beruht grundsätzlich auf der Meinungsverschiedenheit darüber, ob es sich bei diesem Prinzip im Grunde – wörtlich gesehen – um die Erhaltung des „Grundkapitals“ bzw. des „gebundenen Kapitals“ oder des gesamten „Vermögens“ der Gesellschaft handelt oder handeln sollte. Die Vertreter der einen Ansicht, welche ganz bewusst den Begriff des „Grundsatzes des Vermögensschutzes“ verwenden, weisen insbesondere darauf hin, dass diesem Grundsatz keine enge Bedeutung i.S.d. Schutzes des Grundkapitals zuzubilligen sei, sondern darunter der Schutz des Gesamtvermögens der Gesellschaft zu verstehen sei745 und daher die Verwendung des Begriffs „Grundsatz der Kapitalerhaltung“ nicht richtig sei.746 Es gibt allerdings auch Autoren, die den Begriff der „Kapitalerhaltung“747 oder sogar den Begriff des „Verbots der Einlagenrückgewähr“748 verwenden, obwohl sie unter dem Kapitalerhaltungsgebot den Schutz des gesamten Vermögens meinen. Die Vertreter der Gegenansicht bestreiten jedoch, dass sich dieser Grundsatz auf den Schutz des Gesamtvermögens der Gesellschaft beziehe. Nach einigen Autoren wird durch diesen Grundsatz das das Kapital deckende Vermögen (das gebundene Kapital) geschützt.749 Daher solle das Prinzip sowohl aus inhaltlicher als auch aus begrifflicher Sicht als „Grundsatz der Kapitalerhaltung“ bezeichnet werden.750 Den 745

Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Poroy, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, Rn. 467; Tekil, Anonim S¸irket, S. 51; Pulas¸lı, S¸irketler Hukuku S¸erhi, C. I, § 24, Rn. 9; Paslı, AO-Kurumsal Yönetimi, S. 217; Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 434; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 126 ff. 746 Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Poroy, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, Rn. 467; Paslı, AOKurumsal Yönetimi, S. 217; Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 434. 747 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 126 ff. 748 Dog˘ an, TBB 2005, S. 48 ff. 749 Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 11 ff., 23 f.; Kırca, in: FS Haluk Konuralp, S. 645; wohl auch tendenziell Kendigelen, I˙lk Tespitler-2, S. 245 f. 750 Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 8 Fn. 5, 11 ff., 23 f.

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anderen Autoren zufolge sei jedoch anzunehmen, dass sich das Kapitalerhaltungsgebot nur auf den Schutz des eingezahlten Kapitals, also des Grundkapitals bezieht751.

II. Diskussionen zum Kapitalschutzssystem der unverbundenen AG 1. Einleitung Wie in kontinental Europa bzw. im deutschen Aktienrechtssystem gelten auch im türkischen Aktienrecht das feste Kapitalsystem und der Grundsatz der Kapitalerhaltung. Da aufgrund des Trennungsprinzips die Haftung der Aktionäre für die Gesellschaftsverbindlichkeiten mit ihrem Privatvermögen grundsätzlich ausgeschlossen ist und dafür nur das Vermögen der Gesellschaft in Betracht kommt, wird es auch im türkischen Rechtssystem zum Schutz der Gläubiger als ein unerlässliches Erfordernis angesehen, dass das „Kapital“ („Sermaye“) tatsächlich in die Gesellschaft eingebracht und in dieser erhalten wird.752 Die parallele Vorschrift zur deutschen Regelung über das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 S. 1 AktG) stellt im türkischen Aktienrecht Art. 480 Abs. 3 tHGB dar: „Die Aktionäre dürfen nicht das Kapital („Sermaye“)753 zurückfordern, das sie in die Gesellschaft einbrachten; der Liquidationsanteil ist vorbehalten.“ Auch die deutschen Regelungen zum Zinsverbot (§ 57 Abs. 2 AktG) und zur erlaubten Vermögensverteilung (§ 57 Abs. 3 AktG) finden sich im türkischen Aktienrecht entsprechend in Art. 509 Abs. 1 tHGB („Für das eingebrachte Kapital sind keine Zinsen auszuzahlen“) und in Art. 509 Abs. 2 tHGB („Dividenden dürfen nur aus reinem Jahresgewinn754 und aus freien Reserven verteilt werden“). Es zeigt sich zwar eine Parallele zwischen diesen zwei Rechtssystemen, was die wörtliche Formulierung der einschlägigen Normen angeht. Im türkischen Recht sind allerdings unterschiedliche und insbesondere von der im deutschen Aktienrecht vorherrschenden Meinung völlig abweichende Auslegungen zum Schutzumfang der zentralen kapitalerhaltungsrechtlichen Norm (Art. 480 Abs. 3 tHGB) anzutreffen. Es ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass aufgrund der Tatsache, dass kapitalerhaltungsrechtliche Regelungen des türkischen Aktienrechts eher von dem schweizerischen Rechtssystem beeinflusst werden, die einschlägigen Bestimmungen im türkischen Aktienrecht sowohl in Bezug auf die Formulierungsweise als auch bezüglich der Ge751

Kırca, in: FS Haluk Konuralp, S. 645; Sevi, AO’da Sermaye, S. 433 ff. Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Poroy, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, Rn. 467; Poroy/ Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, Rn. 467; Ansay, Anonim S¸irketler Hukuku, S. 37; Tekil, Anonim S¸irket, S. 51; Pulas¸lı, S¸irketler Hukuku S¸erhi, C. I, § 24, Rn. 9. 753 Dem Begriff „Kapital“ („Sermaye“) entspricht hier der im § 57 Abs. 1 AktG verwendete Begriff der „Einlagen“. 754 Gemäß der Gesetzesbegründung zum Art. 509 tHGB wird mit dem Begriff „reiner Jahresgewinn“ der Gewinn gemeint, der nach dem Abzug des Bilanzverlusts verbleibt. 752

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setzesstelle der Normen mit den entsprechenden Regelungen im sOR auffallende Ähnlichkeiten aufweisen.755 Dies hat zur Folge, dass die Diskussionen und Entwicklungen in der Schweiz eine starke Auswirkung auf die Meinungsbildung in der türkischen Lehre haben. In Bezug auf das Kapitalschutzssystem und dessen Folgen folgt ein Teil der türkischen Lehre der in der Schweiz vorherrschenden Meinung, welche den Umfang der gesperrten Substanz der AG eher enger feststellt. Manche Autoren verfolgen jedoch die deutsche weitreichende, sich auf das ganze Vermögen ausdehnende Anwendung der Kapitalerhaltung und weisen einen umfassenden Anwendungsbereich dem Art. 480 Abs. 3 tHGB zu. Deswegen wäre es an dieser Stelle angebracht, einen kurzen Blick auf das schweizerische Kapitalschutzssystem zu werfen, damit die Sichtweise der türkischen Lehre besser bewertet werden kann. 2. Überblick über das Kapitalschutssystem in der Schweiz Der Grundsatz der Kapitalerhaltung756 gilt auch im schweizerischen Aktienrechtssystem. Parallel zu § 57 Abs. 1 S. 1 AktG stellt die zentrale Norm zum Verbot der Einlagenrückforderung bzw.-gewähr in der Schweiz Art. 680 Abs. 2 sOR dar:757 „Ein Recht den eingezahlten Betrag zurückzufordern, steht dem Aktionär nicht zu.“ Trotzt des beschränkenden Wortlauts der Norm nehmen die Rechtsprechung758 und die Lehre759 an, dass Art. 680 Abs. 2 nicht nur ein „Rückforderungsverbot“ für Aktionäre, sondern auch ein an die Gesellschaft gerichtetes „Rückerstattungsverbot“ bestimme.760 Die dem § 57 Abs. 3 AktG entsprechende Bestimmung zur Gewinn-

755 Art. 480 Abs. 3 tHGB und Art. 509 Abs. 1 bzw. Abs. 2 tHGB entsprechen wörtlich beinahe völlig den Art. 680 Abs. 2 sOR und Art. 675 Abs. 1 bzw. 2 sOR. 756 In der Schweizer Literatur wird der Begriff „Kapitalerhaltung“ oder „Grundsatz der Kapitalerhaltung“ erst in neuer Zeit gebraucht. Siehe dazu Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 10 (iv); Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, S. 1 ff. Die Rede war – und ist noch teilweise – im schweizerischen Recht eher von der „Erhaltung des Grund- bzw. Aktienkapitals“: so Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 50, Rn. 44. Ausführlich zu verschiedenen Anwendungsweisen s. auch Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 4, Rn. 4. 757 BSK OR-II/Vogt, Art. 680, Rn. 17; Meier-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, § 16, N. 69 ff.; Unger, Kapitalaufbringung und -erhaltung im Rechtsvergleich, S. 336 f., 341 f.; Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 4, Rn. 49. 758 BGE 65 I 148 f.; BGE 109 II 129. 759 BSK OR-II/Vogt, Art. 680, Rn. 17; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 50, Rn. 107; Binder, Verbot der Einlagenrückgewähr, S. 28; Probst, Die verdeckte Gewinnausschüttung, S. 70 f.; Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 45, m.w.N. 760 Kritisch zu dieser Annahme Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 4 Rn. 108 ff., wonach anders als im deutschen Recht im schweizerischen Recht nur ein „NichtRecht auf Einlagenrückgewähr“, aber kein ausdrückliches „Verbot der Einlagenrückgewähr“ verankert ist. Das Verbot der Einlagenrückgewähr habe eher mit der „Rückforderung des einbezahlten Betrags“ zu tun.

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verteilung findet sich in Art. 675 Abs. 2 sOR, wonach die Ausschüttung an Aktionäre auf Bilanzgewinn (und auf hierfür gebildete Reserven) begrenzt ist.761 Die schweizerische traditionelle Auffassung des Kapitalschutzssystems unterscheidet sich allerdings im Wesentlichen mit Blick auf den Schutzumfang der hauptsächlichen Norm zum Verbot der Einlagenrückgewähr (Art. 680 Abs. 2 sOR) von der deutschen Anwendung der entsprechenden Vorschrift des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG. Die Regelung zum Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 S. 1 AktG) funktioniert im deutschen Aktienrecht in Verbindung mit der Beschränkung der Ansprüche des Aktionärs auf den Bilanzgewinn nicht nur als Schutznorm zur Erhaltung des Grundvermögens im Interesse der Gläubiger, sondern auch als allgemeine Vermögensschutznorm, die den Interessen sowohl der Gläubiger als auch der Aktionäre dient.762 Als Folge der weiten Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm zum Einlagenrückgewährverbot wird neben den Einlagenrückzahlungen (vom Grundvermögen) auch jede verdeckte Gewinnausschüttung als ein Anwendungsfall des Einlagenrückgewährverbots behandelt („Prinzip der Vermögensbindung“).763 Die traditionelle Auffassung in der Schweiz differenziert jedoch streng zwischen Einlagenrückzahlungen und Gewinnentnahmen bzw. -ausschüttungen, sodass der Kapitalschutz im Sinne des Art. 680 Abs. 2 sOR und der (umfassende) Vermögensschutz voneinander getrennt behandelt werden.764 So erfolgt der Schutz des Gesellschaftsvermögens in zwei Schritten, sodass man wohl vom Vorliegen eines zweiteiligen Kapitalschutzsystems ausgehen könnte.765 Auszahlungen, die nur aus der durch Art. 680 Abs. 2 sOR geschützten Einlagen ausgereicht werden, werden im Rahmen der Norm zum Einlagenrückgewährverbot (Art. 680 Abs. 2 sOR) behandelt. Die Zuwendungen, die aus dem freien Vermögen gemacht werden, fallen jedoch nicht unter das durch Art. 680 Abs. 2 sOR geschützte Kapital, sondern werden als verbotene Gewinnentnahmen oder verdeckte Gewinnausschüttungen im Rahmen der besonderen Norm des Art. 678 Abs. 1 und Abs. 2 sOR erfasst.766 So lässt sich daraus schließen, dass man in der Schweiz eher am Wortlaut des Gesetzes bleibt und sich damit von der deutschen aktienrechtlichen Anwendung des Kapitalschutzes unterscheidet, wobei über den Wortlaut des Gesetzes hinausgegangen wird.767 Wenn schon 761 Meier-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, § 16, N. 72; Unger, Kapitalaufbringung und -erhaltung im Rechtsvergleich, S. 336 f. 762 Statt vieler MünchKommAktG/Bayer, § 57, Rn. 2; siehe auch vorstehend Kapitel 2, § 3, A., I. 763 Kapitel 2, § 3, A., I. 764 Probst, Die verdeckte Gewinnausschüttung, S. 71, 76 f.; Binder, Verbot der Einlagenrückgewähr, S. 36; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 25, Rn. 98 f., § 50 Rn. 107 ff.; speziell zum Art. 678 Abs. 2 als generelle Vermögensschutz siehe insbesondere Spörri, Rückerstattungspflicht, § 1, Rn. 5 ff., § 13, Rn. 23 ff. 765 Für einen gründlichen Vergleich zwischen den deutschen und schweizerischen Kapitalsicherungssystemen siehe zudem Unger, Kapitalaufbringung und -erhaltung im Rechtsvergleich, S. 8 ff., insb. 362 ff. 766 Statt vieler siehe Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 50 Rn. 107 ff. 767 Siehe vorstehend Kapitel 2, § 3, A., I.

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ein Vergleich mit dem deutschen Recht gemacht werden soll, lässt sich festhalten, dass für das schweizerische Aktienrecht eher die kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln des deutschen GmbH-Rechts näher liegen, wobei gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG das Kapital nicht in vollem Maße, sondern lediglich bis zur Höhe der Stammkapitalziffer gebunden ist.768 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs bezüglich des Verbots der Einlagenrückgewähr auf Kapitalien und damit die Abstufung des Kapitalschutzssystems ist insbesondere hinsichtlich der Rückerstattungsgrundlage unrechtmäßig bezogener Ausschüttungen von Bedeutung. Denn nach schweizerischem Bundesgericht und dem überwiegenden Teil der schweizerischen Lehre führt eine gegen Art. 680 Abs. 2 sOR verstoßende Auszahlung zur absoluten Nichtigkeit769 und die Liberierungspflicht des Aktionärs lebt mit sofortiger Fälligkeit wieder auf,770 während die ungerechtfertigten Auszahlungen aus dem freien Vermögen unter den Bedingungen des Art. 678 sOR zur Rückerstattung führen. Die Tatbestände ungerechtfertigter Gewinnentnahmen und verdeckter Gewinnausschüttungen werden im schweizerischen Recht als rückerstattungspflichtige Einzelfälle unter dem Art. 678 sOR an besondere Voraussetzungen geknüpft. Der Art. 678 Abs. 1 erfasst die ungerechtfertigt und bösgläubig erworbene Dividenden, Tantiemen, Bauzinsen und andere Ausschüttungen, die unter Verstoß gegen das Gesetz oder die Statuten gewährt wurden.771 Im Art. 678 Abs. 2 sOR handelt es sich jedoch um die verdeckten Gewinnausschüttungen, worunter die Austauschgeschäfte zu verstehen sind, die offensichtlich durch ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung geprägt sind und gleichzeitig in einem offensichtlichen Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen.772 Beim Vorliegen ungerechtfertigter Gewinnentnahmen und verdeckter Gewinnausschüttungen ist der Aktionär der Gesellschaft gegenüber zur Rückgewähr des Erworbenen verpflichtet, solange die in Art. 678 Abs. 2 sOR genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Ein nicht unerheblicher Teil der Lehre spricht sich allerdings dafür aus, Art. 678 sOR als eine besondere aktienrechtliche Anspruchsgrundlage zu unrechtmäßigen Ausschüttungen anzusehen und ihn damit auch beim Verstoß gegen Art. 680 Abs. 2 sOR als materielle Grundlage des Rückforderungs-

768

Ausführlich dazu siehe vorsehend Kapitel 2, § 2, A. BGE 35 II 308, BGE 65 I 147; Binder, Verbot der Einlagenrückgewähr, S. 37 f.; BSK OR-II/Vogt, Art. 680, Rn. 25; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 50, Rn. 108; Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 56; Spörri, Rückerstattungspflicht, § 18, Rn. 7 f. m.w.N. 770 BGE 109 II 129; BSK OR-II/Vogt, Art. 680, Rn. 26; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 50, Rn. 108; Böckli, Darlehen, S. 6 f., 9; Glanzmann, Darlehensvertrag mit einer Aktiengesellschaft, S. 77. 771 Für ausführliche Erklärungen zum sOR Art. 678 Abs. 1 siehe Spörri, Rückerstattungspflicht, § 6 ff. 772 Für ausführliche Erklärungen zum sOR Art. 678 Abs. 2 siehe Spörri, Rückerstattungspflicht, § 10 ff.; insb. Dürr, Rückerstattungsklage, § 6 ff. 769

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anspruchs anzuwenden.773 Der Wortlaut von Art. 678 sOR erfasse nämlich sämtliche Leistungen der Gesellschaft, die ungerechtfertigerweise ausgereicht wurden. Eine Beschränkung auf die Ausschüttung von frei verfügbaren Mitteln lasse sich dem Gesetzestext nicht entnehmen.774 Die Anwendung von Art. 678 sOR als Rechtsgrund des Rückgewähranspruchs beim Verstoß gegen Art. 680 Abs. 2 sOR wird als praktischer Vorteil angesehen, weil dann sowohl bei der verdeckten Ausschüttung auf die schwierige Abgrenzung zwischen frei verfügbaren und gebundenen Mitteln verzichtet werden könne775 als auch die Abgrenzung bezüglich unterschiedlicher Verjährungsregeln wegfalle.776 Es wird aber auf der anderen Seite darauf hingewissen, dass wegen des Gutglaubensschutzes, der bei der Anwendung von Art. 678 Abs. 2 sOR gewährt wird, die Rechtsfolge des Verstoßes gegen Art. 680 Abs. 2 sOR abgeschwächt werden könne.777 Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es in der Schweiz auch Autoren gibt, welche die oben ausgeführte traditionelle Auffassung ablehnen und das Verbot zur Einlagenrückgewähr mit der verdeckten Gewinnausschüttung gleichsetzen. Nach Vertretern dieser Ansicht sei das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung auch zum Kapitalschutz des Art. 680 Abs. 2 sOR zu zählen.778 Insbesondere Müller nimmt mit dem Verweis auf die in Deutschland herrschende Lehre und die deutsche Praxis an, dass jede Leistung der Gesellschaft zugunsten der Aktionäre, die nicht unter Einhaltung der von Gesetz und Statuten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen der Kapitalentnahme erfolgt, gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr (Art. 680 Abs. 2 sOR) verstoße.779 Demnach lasse sich auch eine verdeckte Gewinnausschüttung allein schon wegen der Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften unter den Tatbestand des Verbots der Einlagenrückgewähr subsu773 Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 57 ff., insb. 64 f.; Spörri, Rückerstattungspflicht, § 18, Rn. 20 ff., insb. 31 ff.; Dürr, Rückerstattungsklage, § 5, Rn, 48 ff.; Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 9, Rn. 26 ff. A.A. insbesondere BSK OR-II/ Vogt, Art. 678, Rn. 4, Art. 680, Rn. 28 f.: „Die Zahlungen, die das Verbot der Kapitalrückgewähr verletzen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Norm Art. 678 (Art. 678, Rn. 4). Nicht anwendbar ist die Rückforderungsklage nach 678, weil sich diese Bestimmung nach klarem Gesetzestext auf ungerechtfertigte Gewinnausschüttungen und nicht auf Kapitalrückzahlungen bezieht (Art. 680, Rn. 28). Wenn neben dem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß Art. 680 Abs. 2 auch eine im Art. 678 festgestellte zu rückerstattende Ausschüttung erfolgt, sind Art. 680 und Art. 678 parallel je für die entsprechende Verletzung anzuwenden. Das kann nach Ablauf der Fünfjahresfrist von Art. 678 Abs. 4 dazu führen, dass nur noch jener Teil der unzulässigen Vermögensverschiebung zurückgefordert werden kann, der auf eine Rückzahlung des Nennkapitals hinauslief (Art. 680, Rn. 29).“ 774 Spörri, Rückerstattungspflicht, § 18, Rn. 22; Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 9, Rn. 35. 775 Spörri, Rückerstattungspflicht, § 18, Rn. 32; Dürr, Rückerstattungsklage, § 5 Rn. 51; Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 9, Rn. 35. 776 Spörri, Rückerstattungspflicht, § 18, Rn. 33. 777 Spörri, Rückerstattungspflicht, § 18, Rn. 35. 778 Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 88; wohl auch Böckli, SZW 2009, S. 4 ff. 779 Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 55 f.

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mieren.780 Böckli bezeichnet das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttungen als „weiteres Element des bilanzbezogenen Eigenkapitalschutzes“.781 Derartige Vermögensverschiebungen subsumiert er unter die nichtigen Beschlüsse gemäß Art. 706b Ziff. 3 sOR, weil er dies wohl als einen Fall der Kapitalschutzverletzung einschätzt.782 3. Meinungszustand in der türkischen Lehre Im türkischen Schrifttum lehnen manche Autoren die Anwendung der umfangreichen deutschen Auffassung der Kapitalerhaltung aus Sicht des türkischen Rechts ausdrücklich ab und sprechen sich eher für die in der Schweiz herrschende traditionelle Ansicht aus.783 Sie tendieren eher dazu, zwischen dem Grundsatz des „Vermögensschutzes“ („Malvarlıg˘ ının Korunması“) und dem Grundsatz von „Kapitalerhaltung bzw. -schutz“ („Sermayenin Korunması“) zu differenzieren. Nach Vertretern dieser Ansicht könne es bei der Bestimmung des Schutzumfangs vom Grundsatz des Kapitalschutzes nicht als ein Ausgangspunkt angenommen werden, dass die Gesellschaft gegenüber den Gläubigern mit dem ganzen Vermögen hafte und die Gläubiger das ganze Vermögen der Gesellschaft in Anspruch nehmen könnten. Denn nicht das ganze Gesellschaftsvermögen, sondern nur das gesetzlich gebundene Kapital diene dem Gläubigerschutz und die AG – mit Rücksicht auf die im Gesetz bestimmten Methoden – könne über das freie Vermögen frei verfügen.784 So plädiert ein Autor dafür, den Vermögensschutz nach Schutzzwecken abzustufen und zwischen zwei unterschiedlich geschützten Schichten zu unterschieden.785 Nach ihm muss bei der Feststellung des Schutzumfangs vom Grundsatz der Kapitalerhaltung als Ausgangspunkt ausschließlich der Zweck des Grundsatzes der Kapitalerhaltung angenommen werden, der allein im Gläubigerschutz besteht. Die Erhaltung des Gesetzes wegen an Aktionäre nicht ausschüttungsfähigen Vermögens, das aus dem Vermögen im Umfang von Grundkapital und gesetzlichen Rücklagen besteht (gesetzlich gebundene Eigenkapital), diene nämlich nur dem Gläubigerschutz (der materiellen Kapitalerhaltung), während die Regeln, wonach das ausschüttungsfähige Gesellschaftsvermögen nur nach bestimmten Verfahrensregeln verteilt werden darf, allein den Aktionärsschutz bezwecke (formelle Gesamtvermögensbindung).786 So unter780

Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 88. Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 153; ders., SZW 2009, S. 4 ff. 782 Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 185 und auch Fn. 426. 783 Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 8 Fn. 5, 11 ff.; Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 236; Sevi, AO’da Sermaye, S. 437 f. 784 Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 8 Fn. 5, 11 ff.; Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 236; i.E.auch Sevi, AO’da Sermaye, S. 437 f., welcher aber den Umfang der Kapitalerhaltung enger bestimmt. 785 Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 11 ff. 786 Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 11 ff. und 20 ff., welcher sich dabei Bezzenberger anschließt, der in Deutschland herrschender Meinung über das „Vermögensbindung Prinzip“ 781

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scheidet er zwischen der Kapitalerhaltung und der Vermögensbindung danach ganz streng von einander, wen sie zu schützen bezwecken. Nach dieser Interpretation beziehe sich also der durch die Kapitalerhaltung zugunsten der Gläubiger erschaffene Schutzmechanismus nicht auf das ganze Vermögen der Gesellschaft, sondern nur auf das gesetzlich gebundene Eigenkapital.787 Aus diesem Grund solle dieses Prinzip nicht – wie im deutschen Recht – in einem weiten Sinne verstanden werden, sondern wörtlich genommen und als der Grundsatz der „Kapitalerhaltung“ bezeichnet werden.788 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch ein anderer Autor, der allerdings den Umfang der durch das Art. 480 Abs. 3 tHGB geschützten Vermögenswerte enger bestimmt, anders gesagt dem Grundsatz der Kapitalerhaltung eine an dem Wortlaut des Art. 480 Abs. 3 tHGB orientierte – enge – Bedeutung zubilligt.789 Er geht davon aus, dass das Prinzip des Vermögensschutzes790 ein zentraler Grundsatz sei, welcher einen umfangreichen Schutz des Gesellschaftsvermögens vorrangig im Interesse der Gläubiger,791 aber daneben auch der Minderheitsaktionäre sowie einzelner Aktionäre792 bezwecke. Der Vermögensschutz sei in diesem Sinne ein weit zu fassender Grundsatz, dessen Kern die Regeln zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung (Verbot der Kapitalrückgewähr) bilden.793 So sei der Gegenstand des Grundsatzes des „Vermögensschutzes“ das ganze Vermögen der Gesellschaft einschließlich des freien Vermögens, welches durch verschiedene Regeln zu verschiedenen Graden geschützt werde, während sich jedoch der Begriff der „Kapitalerhaltung“ oder des „Schutzes von das Kapital deckendem Vermögen“ ausschließlich auf das in Art. 480 Abs. 3 tHGB geregelte Prinzip zum „Verbot der Kapitalrückgewähr“ beziehe.794 So fallen nach ihm unter die durch Art. 480 Abs. 3 tHGB rückgewährgeschützte Substanz nur das Aktienkapital (Nennkapital) und das Agio, welche dem Schutz der Gläubiger diene.795 Die anderen geschützten Vermögenswerte bilden jedoch die gesetzlichen und statutarisch gebundenen Reserven, welche nicht nach Art. 480 entgegentritt. (Bezzenberger, Erwerb der eigenen Aktien, S. 7 ff.; Bezzenberger, Das Kapital der AG, S. 201 ff.). 787 Mit „gesetzlich gebundenem Eigenkapital“ meint er nicht nur das in der Satzung festgeschriebene Grundkapital, sondern auch die gebundenen Reserven. Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 11 ff. 788 Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 20 ff. Für die ähnliche Auffassung in jüngster schweizerischen Lehre s. Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 4, Rn. 3 ff., insb. Rn. 10 ff. 789 Sevi, AO’da Sermaye, S. 71 ff. 790 Er drückt aus, dass er mit dem Begriff „Vermögensschutz“ den Begriff des „Kapitalschutz“ meine, welcher nach ihm im deutschen und schweizerischem Recht entsprechend verwendet werde. Sevi, AO’da Sermaye, S. 73 Fn. 152. 791 Sevi, AO’da Sermaye, S. 71, 81. 792 Sevi, AO’da Sermaye, S. 71 Fn. 147. 793 Sevi, AO’da Sermaye, S. 81. 794 Sevi, AO’da Sermaye, S. 73 ff. 795 Sevi, AO’da Sermaye, S. 433 f.

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Abs. 3 tHGB gebunden seien, sondern unter die besondere Sperrvorschrift von Art. 519 Abs. 3 tHGB796 fallen. Im Falle des Verstoßes gegen diese Vorschrift solle der erworbene Betrag durch die betroffenen Aktionäre gemäß Art. 512 tHGB zurückgewährt werden.797 Im Lichte dieser Feststellung bezeichnet der Autor die Vermögenszuwendungen, die aus freiem Vermögen gemacht werden, je nachdem als offene oder verdeckte Gewinnausschüttung und drückt aus, dass der Rechtsgrund des Rückerstattungsanspruchs solcher Auszahlungen der Art. 512 tHGB bildet.798 In Bezug auf die von dem Aktienkapital gemachten und damit gegen Art. 480 Abs. 3 tHGB verstoßenden Auszahlungen geht er zwar davon aus, dass sie nichtig sind,799 aber ohne dabei zu explizieren, was der Rechtsgrund des Rückerstattungsanspruchs bei erfolgter Leistung ist, oder wenigsten, ob auch dabei Art. 512 tHGB anwendbar ist oder nicht. Gestützt auf die Tatsache, dass die AG wegen des beschränkten Haftungsprinzips gegenüber den Gläubigern mit ihrem ganzen Vermögen haftet, wurde wohl zum ersten mal800 in türkischer Lehre von Poroy zum Ausdruck gebracht, dass der Grundsatz der „Kapitalerhaltung“ terminologisch nicht richtig sei, daher dieser Grundsatz als „Vermögensschutz“ bezeichnet und verstanden werden solle.801 Dieses Prinzip führt er anscheinend nicht unmittelbar auf die Norm zum Verbot der Kapitalrückgewähr (Art. 480 Abs. 3 tHGB) zurück, weil er als unterstützende Beispiele nicht direkt die eben genannte Norm, sondern die allgemeinen Vorschriften zum Vermögensschutz erwähnt, wie die Gewinnverteilung nur aus Bilanzgewinn oder dafür gebildeten Reserven, das Zinsverbot, Maßnahmen beim Verlust des Vermögens und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien.802 Aus seinen Erklärungen lässt sich daher schlussfolgern, dass er den Schutz des Vermögens nicht unmittelbar aus der Norm zum Verbot der Kapitalerhaltung ableitet, sondern allgemein aus vielen anderen Vorschriften über den Vermögensschutz. Immer mehr Autoren plädieren in letzter Zeit mit verschiedenen Begründungen dafür, dass der Schutzbereich des Grundsatzes der Kapitalerhaltung nicht auf das einbezahlte bzw. gebundene Kapital beschränkt werden kann, sondern auf das ganze

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Art. 519 Abs. 3 tHGB: „Die allgemeine Reserve darf, soweit sie die Hälfte des Aktienkapitals nicht übersteigt, nur zur Deckung von Verlusten oder für Massnahmen verwendet werden, die geeignet sind, in Zeiten schlechten Geschäftsganges das Unternehmen durchzuhalten, der Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken oder ihre Folgen zu mildern.“ 797 Sevi, AO’da Sermaye, S. 435 ff. 798 Sevi, AO’da Sermaye, S. 435 ff., insb. 438 f. 799 Sevi, AO’da Sermaye, S. 433 f. 800 Tekinalp, in: FS für Serozan, S. 1689, welcher auch davon ausgeht. 801 Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Poroy, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, Rn. 467; ihm folgend auch so: Paslı, AO-Kurumsal Yönetimi, S. 217; Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 434; vgl. Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 126 ff. 802 Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Poroy, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, Rn. 467.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Vermögen ausgedehnt werden muss (Vermögensschutz).803 Ein Vertreter dieser Ansicht bezieht sich dabei ausdrücklich auf die Norm zum Verbot der Kapitalrückgewähr (Art. 480 Abs. 3 tHGB) und spricht sich – mit dem Verweis auf die deutsche Anwendung – für die umfangreiche bzw. weite Auslegung der Norm aus.804 Die zentrale Regelung zum Verbot der Kapitalrückgewähr muss nach ihm in der Weise weit interpretiert werden, dass gemäß dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht nur das eingezahlte Kapital (Grundkapital), sondern das ganze Gesellschaftsvermögen im Interesse der Gläubiger sowie der Aktionäre geschützt wird. Ein Teil der Lehre, der auch i.E. den Schutz des gesamten Vermögens unter dem Grundsatz der Kapitalerhaltung fordert, geht im Allgemeinen davon aus, dass der Schutz des ganzen Vermögens zum Interesse aller Beteiligten, also der Gläubiger, Aktionäre und Gesellschaft selbst vonnöten sei.805 Auch wenn der Schutz des Grundkapitals bzw. gebundenen Kapitals im Grunde für die Gläubiger eine Garantie darstelle, sei dies umfangmäßig zumeist unzureichend, weil die Gesellschaft meist mehr Schulden als der Betrag des Grundkapitals haben würde.806 Das an Aktionäre nicht ausschüttungsfähige, gebundene Vermögen könnte also daher nur eine „Mindestmenge“ zugunsten der Gläubiger darstellen.807 Davon ausgehend wird geäußert, dass die vollständige Befriedigung der Gläubiger jedenfalls davon abhänge, dass die Vermögensverluste möglichst vermieden werden und eine Vermögensmehrung realisiert wird.808 Ferner, in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Aktionäre vergleichsweise in einer vorteilhaften Position gegenüber den Gläubigern befinden, weil sie bei den Gesellschaftsbeschlüssen mitwirken, während die Gläubiger dabei kein Mitspracherecht haben, obwohl sie u. U. irgendwie mit dieser Organisation in Verbindung stehen, sei das Interesse der Gläubiger am Vermögensschutz vorrangig schutzbedürftig.809 Außerdem sei es einerseits nicht so einfach, die das gebundene Kapital deckenden Vermögenswerte von den anderen zu unterscheiden. Abhängig von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft könne andererseits die Vermögenssumme, die der Befriedigung der Gläubiger gewidmet ist (das 803

Dog˘ an, TBB Dergisi 2005, S. 49 f.; ders., Erwerb eigener Aktien, S. 70; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 126 ff.; Gürel, Finansal Destek Verme Yasag˘ ı, S. 101 ff.; wohl auch Kayar, Anonim Ortaklıkta Mali Durumun Bozulması, S. 29. 804 Dog˘ an, TBB Dergisi 2005, S. 49 f.; ders., Erwerb eigener Aktien, S. 70. 805 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 126 ff., 129; Gürel, Finansal Destek Verme Yasag˘ ı, S. 102 ff.; wohl auch Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, Rn. 467; Tekinalp, in: FS für Serozan, S. 1693; Kayar, Anonim Ortaklıkta Mali Durumun Bozulması, S. 29, der sogar den Kreis der durch den Grundsatz Geschützten äußerst erweitert und davon ausgeht, dass alle anderen möglichen Beteiligten, wie Arbeitnehmer, Investoren, die statutarisch Privilegierten sowie Nießbrauchsberechtigten am Vermögensschutz Interesse hätten. 806 Kayar, Anonim Ortaklıkta Mali Durumun Bozulması, S. 34; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 129. 807 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 129. 808 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 129. 809 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 127 f.

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gebundene Kapital), verloren gehen. Unter diesen Umständen sei es plausibel, allgemein die Vermögensverluste zu vermeiden und möglichst Vermögenssteigerungen zu unterstützen, was die Erhaltung des innerhalb des Vermögens befindlichen Kapitals sicherstellt. Außerdem, auch wenn man annehmen würde, dass nur das gebundene Kapital, nicht das ganze bzw. ausschüttungsfähige Vermögen dem Schutz der Gläubiger diene, solle dennoch ein umfangreicher Vermögensschutz unter Berücksichtigung der Interessen anderer Beteiligten, nämlich der Aktionäre und der Gesellschaft selbst, als unentbehrlich erachtet werden.810 Ferner wird auch ausgedrückt, dass die Regelungen, nach denen den Aktionären nur aus dem reinen Gewinn Dividenden ausgeschüttet werden dürfen und kein Zins für die Einlagen gezahlt werden darf sowie die Regeln bzw. Beschränkungen über die Verwendung der Reserven zeigen, dass jenes das Grundkapital übersteigende Vermögen im Allgemeinen zugunsten aller Interessierten geschützt werden müsse.811 Folglich solle der Grundsatz der Kapitalerhaltung weit gefasst und darunter allgemein der Schutz des gesamten Vermögens verstanden werden. 4. Stellungnahme Bevor man zum Umfang der aktienrechtlichen Kapitalerhaltung im türkischen Recht eine Stellung nimmt, sollte man sich m. E. vor allem einen wichtigen systematischen Unterschied zwischen dem deutschen, schweizerischen und türkischen Recht in Bezug auf den umfassenden Vermögensschutz, insbesondere auf die Behandlungsweise der verdeckten Vermögensverlagerungen (Gewinnausschüttungen) vor Augen führen. Es liegt im deutschen Aktienrecht keine ausdrückliche Kodifikation für Fälle der verdeckten Ausschüttungen vor, was wohl ein wichtiger Grund für die auf das ganze Gesellschaftsvermögen ausdehnende weite Interpretation des Einlagenrückgewährverbots darstellt.812 Im schweizerischen Recht werden demgegenüber die verdeckten Ausschüttungen durch Art. 678 Abs. 2 sOR ausdrücklich bzw. gesondert erfasst.813 Daher benötigt man im schweizerischen Recht zur Erfassung verdeckter Ausschüttungen über eine umfassende Vermögensbindung ohnehin keinen Rückgriff auf Art. 680 Abs. 2 sOR.814 Nach der gesetzlichen Definition bestehen verdeckte Gewinnausschüttungen in Leistungen der Gesellschaft an Ak810

Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I. S. 129; Kayar, Anonim Ortaklıkta Mali Durumun Bozulması, S. 29, 35 f. 811 Kayar, Anonim Ortaklıkta Mali Durumun Bozulması, S. 35 f. 812 Vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 57, Rn. 2; ausführlicher Fleischer, WM 2007, S. 909 f. 813 Siehe Kapitel 2, § 4, A., II., 2. Für einen Rechtsvergleich zwischen dem deutschen und schweizerischen Aktienrecht bezüglich der Behandlung der verdeckten Ausschüttungen siehe Fleischer, WM 2007, S. 909 ff.; Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 4, Rn. 115. 814 Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 4, Rn. 114 f., welcher genau deswegen den durch die deutsche Doktrin für das aktienrechtliche Kapitalerhaltungssystem verwendeten Begriff der „Vermögensbindung“ für das schweizerische Recht ablehnt.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

tionäre, Mitglieder des Verwaltungsrats und diesen nahe stehende Personen, soweit sie zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen. Sollte eine verdeckte Ausschüttung erfolgen, ist der Leistungsempfänger zur Rückerstattung verpflichtet. Der allgemeine Vermögensschutz, d. h. der zusätzliche Schutz des durch die (vergleichsweise eng interpretierte) Kapitalerhaltung nicht geschützten Vermögens wird im schweizerischen Aktienrecht durch diese besondere Regelung bezüglich der verdeckten Ausschüttungen gewährleistet.815 Ursprünglich liegt zwar dem türkischen Art. 512 tHGB über aktienrechtliche Rückerstattung der schweizerische Art. 678 sOR zugrunde, aber inhaltlich bzw. umfangsmäßig unterscheiden sie sich. Dem Art. 512 tHGB fehlt nämlich die durch Art. 678 Abs. 2 sOR vorgenommene Kodifizierung der verdeckten Gewinnausschüttungen.816 Art. 512 Abs. 1 tHGB817 regelt also nur die – teilweise – Art. 678 Abs. 1 sOR818 entsprechenden unrechtmäßigen Ausschüttungen, wobei es sich eigentlich ausschließlich um offene, d. h. formell als Ausschüttung deklarierte Leistungen der Gesellschaft an die Aktionäre handelt.819-820 Demnach 815

Vgl. Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 4, Rn. 109, 115. Art. 678 Abs. 2 sOR wurde erst durch die sOR-Revision von 1991 als eine materielle Verbotsnorm bezüglich verdeckter Gewinnausschüttungen in Art. 678 sOR eingeführt. Vor der Revision des OR 1991 stimmte Art. 678 alt-sOR mit Art. 678 Abs.1 sOR überein. Das (neue) sOR 1991 unterstellt also in Abs. 2 ausdrücklich auch die verdeckte Gewinnausschüttung der Rückerstattungspflicht von Art. 678 sOR. Siehe dazu BSK OR-II/Vogt, Art. 678, Rn. 1 ff.; Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 58 ff. 817 Volltext zum Art. 512 tHGB: „1. Aktionäre, die ungerechtfertigt und in bösem Glauben Dividenden oder Bauzinse bezogen haben, sind zur Rückerstattung verpflichtet. Für die Tantiemen der Mitglieder des Verwaltungsrates gilt das gleiche. 2. Die Pflicht zur Rückerstattung verjährt fünf Jahre nach Empfang der Leistung“. 818 Volltext zum Art. 678 sOR: „1. Aktionäre und Mitglieder des Verwaltungsrates sowie diesen nahe stehende Personen, die ungerechtfertigt und in bösem Glauben Dividenden, Tantiemen, andere Gewinnanteile oder Bauzinse bezogen haben, sind zur Rückerstattung verpflichtet. 2. Sie sind auch zur Rückerstattung anderer Leistungen der Gesellschaft verpflichtet, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen. 3. Der Anspruch auf Rückerstattung steht der Gesellschaft und dem Aktionär zu; dieser klagt auf Leistung an die Gesellschaft. 4. Die Pflicht zur Rückerstattung verjährt fünf Jahre nach Empfang der Leistung.“ 819 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 50, Rn. 118 f.; Glanzmann, Darlehensvertrag mit einer Aktiengesellschaft, S. 89, 93; Kägi, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, § 9, Rn. 38 ff., 44. Manche Autoren stellen jedoch nur darauf ab, ob ein formeller Generalversammlungsbeschluss vorliegt oder nicht. Nur im ersten Fall liege ein Gewinnanteil i.S.d. Abs. 1 vor, in anderen Fällen sei Abs. 2 anzuwenden. So Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 61; Spörri, Rückerstattungspflicht, § 3, Rn. 28, § 9 N. 42, 46 ff.; Dürr, Rückerstattungsklage, § 1, Rn. 3 ff., § 8, Rn. 13, 16. 820 Auch die Botschaft zum sOR differenziert die Tatbestände der Abs.1 und Abs. 2 von Art. 678 sOR. Nach der Botschaft kommt Art. 678 Abs. 1 sOR zur Anwendung, wenn der Gewinn in Verletzung von Gesetz oder Statuten ausgerichtet wurde, oder wenn die Ausschüttung aus zu Unrecht ausgewiesenen Gewinnen erfolgte, während Art. 678 Abs. 2 verdeckte Gewinnausschüttungen erfasst, Botschaft zum OR 65, 153. 816

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sind die Aktionäre, die ungerechtfertigt und in bösem Glauben Dividenden oder Bauzinse bezogen haben, zur Rückerstattung verpflichtet. Eine dem Art. 678 Abs. 2 sOR entsprechende Regelung, welche allein verdeckte Ausschüttungen definiert und regelt,821 findet sich in Art. 512 tHGB822 jedoch nicht. So fehlt dem türkischen Recht das duale Schutzsystem des schweizerischen Rechts, in dem das Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung die frei ausschüttbaren Mittel vor verdeckten Entnahmen schützt (Art. 678 Abs. 2 sOR), während das Verbot der Einlagenrückgewähr Beschlüsse und Geschäfte, die die Kapitaleinlage betreffen, erfasst (Art. 680 Abs. 2 sOR). In Anbetracht der oben ausgeführten systematischen Unterschiede lässt sich feststellen, dass sowohl dem deutschen als auch dem türkischen Recht eine gesonderte Kodifizierung zur Erfassung verdeckter Gewinnausschüttungen fehlt. Um dem Vermögensschutz ausreichend Rechnung tragen zu können und dadurch geschäftsmäßig ungerechtfertigten Zuwendungen von finanziellen Vorteilen, z. B. in Form von Darlehen an Aktionäre, sachgerecht begegnen zu können, sollte m. E. auch aus Sicht des türkischen Rechts der Grundsatz des Kapitalschutzes als „Schutz des Gesamtvermögens“ vor ungerechtfertigten Ausschüttungen interpretiert werden. Dass im türkischen Recht eine verdeckten Vermögenslagerungen begegnende Kodifizierung nicht existiert, macht eine teleologische Extension des Schutzumfangs des Art. 480 Abs. 3 tHGB auf das Gesamtvermögen vor allem im Interesse der Gläubiger erforderlich.823 Die Logik des Rechtsinstituts der Kapitalerhaltung, welche in der Erhaltung des gebundenen Kapitals – vorrangig – im Interesse der Gläubiger besteht, erfordert m. E. zwangsläufig die Einbeziehung der verdeckten Gewinnausschüttungen, die besonders gefährlich sein könnten.824 In diesem Zusammenhang sollten alle offenen bzw. verdeckten und damit einem Aktivtausch nicht entsprechenden, sondern zur Verminderung der Aktiven der Gesellschaft führenden Vermögenszuwendungen an Aktionäre (aufgrund der Gesellschafterstellung) als Verstoß gegen das Verbot der Kapitalrückgewähr angesehen werden. Dies wird zwar nachfolgend ausdrücklich behandelt, aber an dieser Stelle ist kurz zu erwähnen, dass die Tatsache, dass eine gesonderte Norm (Art. 358 tHGB) die Darlehensvergabe an die Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, dieser Auslegung nicht entgegensteht. Im Gegenteil, diese weite Auffassung ist erforderlich, um Art. 358 tHGB

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Statt vieler siehe nur Dürr, Rückerstattungsklage, § 6, Rn. 15, m.w.N. Diesen Unterschied übersieht wohl die Literaturmeinung, die den Schutzumfang des Art. 480 tHGB auf das eingebrachte Kapital (und Agio) beschränkt sieht und bei ungerechtfertigten Vermögenszuwendungen an Aktionäre aus dem Restvermögen die Anwendung des Art. 512 tHGB für ausreichend hält. So Sevi, AO’da Sermaye, S. 435 ff. Selbst bei der analogen Anwendung des Art. 512 tHGB auf verdeckte Ausschüttungen kann man aufgrund der Bedingung des „bösen Glaubens“ von keiner optimalen bzw. funktionierenden Lösung bezüglich der Rückerstattung der ungerechtfertigt erhaltenen Vermögenszuwendungen sprechen. 823 Für das deutsche Recht siehe Fleischer, WM 2007, S. 910. 824 Vgl. Veil, WM 2003, S. 2171; Fleischer, WM 2007, S. 909 f. 822

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

hinsichtlich dort nicht erwähnter Voraussetzungen zur Zulässigkeit des Darlehens zu ergänzen.825 Die Ansicht, die den Funktionsbereich des Grundsatzes der Kapitalerhaltung aus einer engen Perspektive, nämlich unter dem Gesichtspunkt des materiellen Rechts betrachtet und ihm allein die Funktion der Ausschüttungssperre zugunsten der Gläubiger zurechnet,826 übersieht m. E. den Kern der Sache. Dem Verbot der Ausschüttung der Vermögenswerte im Umfang gebundenen Kapitals liegt eher ein an alle Interessierte gerichteter, also vielseitiger Schutzzweck zugrunde. Außer dass die ausschüttungsgesperrten Vermögenswerte vorrangig eine Haftungsmasse zugunsten der Gläubiger bilden, dient diese Sperrung auch teilweise dem Schutz der Gesellschaft selbst und der Aktionäre. Denn dass immer eine Menge Kapital vor der Ausschüttung gewährt wird, quasi als ein Vorrat in der Gesellschaft bleibt, verschafft mehr oder weniger die Sicherung des Weiterlaufens des Betriebs zugunsten der Gesellschaft und damit möglichst stabile Gewinnausschüttung im Interesse der Aktionäre.827 Diese Schutzfunktion der Erhaltung des gebundenen Kapitals allein auf den Gläubigerschutz zu beschränken, oder umgekehrt formuliert, zu behaupten, dass die Gläubiger nur im Umfang dieses Kapitals geschützt würden und das freie Vermögen den Gesellschaftern zur freien Verfügung stehe,828 wäre aus vielerlei Gründen verfehlt. Erstens, den Gläubigern haftet die Gesellschaft als eine selbstständige juristische Person mit seinem Gesamtvermögen, nicht nur im Umfang des gebundenen Vermögens. Zweitens würde eine solche Beschränkung zu einem gesetzwidrigen Resultat führen, als ob über das freie Vermögen frei verfügt werden könnte. Die einzige Zugriffsmöglichkeit der Aktionäre auf das Vermögen ist nur die jährliche Gewinnverteilung, welche durch eine Vielzahl strenger Vorschriften geregelt ist. Die strenge verfahrensrechtliche Bindung des freien Vermögens sollte nicht nur als ein Schutzzweck bzw. -mechanismus zugunsten der Aktionäre angesehen werden, weil damit als gerechtfertigte Folge des Trennungsprinzips auch der Gläubigerschutz bezweckt wird. Wenn die verfahrensrechtliche Bindung nur dem Interesse der Aktionäre dienen würde, müsste es möglich sein, dass die gegen die einschlägigen gesetzlichen Regelungen verstoßenden Gewinnverteilungen bei Zustimmung aller Aktionäre zulässig wären. Den Umfang des Gläubigerschutzes auf das gebundene (oder Grund-)Kapital beschränkende Auffassung könnte folglich zu einer dahingehenden ungerechtfertigten Annahme bzw. Folge führen, dass die Aktionäre durch verdeckte, in der Bilanz nicht ausgewiesene Vorteilszuwendungen Zugriff auf das freie Gesellschaftsvermögen haben könnten. Ein solches Ergebnis würde schlechthin dem Wesen der Kapitalgesellschaften völlig entgegenstehen. Auch wenn dies nirgends ausdrücklich geschrieben steht, liegt dem Aktienrecht das Prinzip der Selb825

Ausführlich dazu nachstehend Kapitel 2, § 4, A., IV., 2. Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 11 ff., 20 ff.; wohl auch Sevi, AO’da Sermaye, S. 433 ff.; in deutscher Literatur Bezzenberger, Erwerb der eigenen Aktien, S. 7 ff. 827 Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, Rn. 467. 828 So: Aydın, Kendi Payını Edinme, S. 11 ff., 20 ff.; Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 236; vgl. Sevi, AO’da Sermaye, S. 433 ff. 826

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ständigkeit des Gesellschaftsvermögens zugrunde.829 Die alleinige Eigentümerin des Gesellschaftsvermögens ist nämlich die AG als juristische Person und dementsprechend können über das Gesellschaftsvermögen nur die Organe der AG verfügen, nicht die Aktionäre als solche.830 Ferner, wie in der Literatur zutreffend festgestellt wird, sind die Gläubiger genauso schutzbedürftig wie die (Minderheits-)Aktionäre, wenn es um den Schutz freien Vermögens geht. Die Gläubiger, die kein Mitspracherecht bei den Gesellschaftsbeschlüssen und zumeist keine Ahnung von den gesellschaftsinternen Entwicklungen bzw. Abwicklungen haben, vertrauen dem nach Außen vermittelten Bild der Gesellschaft über ihre finanzielle Lage und machen ausgehend davon Geschäfte mit der Gesellschaft. Die Gläubiger haben daher offensichtlich ein großes Interesse daran, dass nicht nur das gebundene Kapital, sondern auch das freie Vermögen offen oder verdeckt nicht den Aktionären zugewendet wird. Deswegen kann der Gläubigerschutzzweck des Gesetzes m. E. erst dann sinngemäß und voll verwirklicht werden, wenn man den beschränkenden Wortlaut des Art. 480 Abs. 3 tHGB in der Weise interpretiert, dass jede offene sowie verdeckte Vermögenszuwendung an Aktionäre verboten ist. Dadurch kann man auch zugleich die Schwierigkeiten vermeiden, die sich aus dem Unterscheidungszwang zwischen den das gebundene Kapital deckenden Vermögenswerten und den anderen ergeben.831

III. Besondere Regelung bezüglich der Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter, Art. 358 tHGB 1. Einleitung Das neue tHGB ist keine revidierte Ausgabe des tHGB von 1956, sondern ein unter der Berücksichtigung der Entwicklungen bzw. Erfordernisse im Handelsbereich fast komplett neu verfasstes Gesetz.832 Es enthält daher als solches viele Neuregelungen.833 Eine von diesen Neuregelungen ist der wohl am meisten diskutierte Art. 358 tHGB, welcher die Rechtsgeschäfte zwischen der AG und den Aktionären, in denen sich Aktionäre bei der AG verschulden, zum Gegenstand hat. Aufgrund des Verweises des Art. 644 Abs. 1 lit. a tHGB auf den Art. 358 tHGB gilt diese Norm auch sinngemäß im GmbH-Recht. Die das neu-tHGB vorbereitende Kommission wollte durch Art. 358 tHGB auf die in der Praxis seit langem durchgeführten missbräuchlichen bzw. unredlichen Anwendungen effektiv reagieren.834 829

Spörri, Rückerstattungspflicht, § 1, Rn. 6. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 1, Rn. 21 ff. 831 So auch Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/S¸ehirali C¸elik, Anonim S¸irketler, C. I, S. 127 f. 832 Ausschließlich des dritten Buchs zum Wertpapierrecht. 833 Für detaillierte Informationen über die Neuerungen und Neuregelungen des neu-tHGB siehe Tekinalp, Journe´es Turco-Suisses 2006, S. 147 ff.; ders., Leitlinien der tu¨ rkischen Handelsrechtsreform, S. 3 ff.; ders., RabelsZ 2013, S. 69 ff. 834 Botschaft zum Art. 358 tHGB a.F. 830

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Es wurden nämlich bisher in der Praxis die aus der Gesellschaft an Aktionäre geliehenen Gelder häufig als laufende Rechnungen verbucht und dies führte zu schädlichen Folgen seitens der Gesellschaft.835 Um eine derartige ungerechtfertigte Verwendung der Gesellschaftskasse durch die Gesellschafter zu verhindern,836 wurde die Rechtsbeziehungen zwischen der AG und den Aktionären in Art. 358 tHGB unter der Überschrift „Verschuldungsverbot von Aktionären bei der Gesellschaft“ geregelt. Damit wurde eine radikale Regelung vorgenommen und es wurde grundsätzlich verboten, dass die Aktionäre mit der AG Rechtsgeschäfte schließen, in denen sie sich bei der AG verschulden. Aus dem Verbot wurden nur jene Rechtsgeschäfte ausgeschlossen, die im Rahmen des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft und aufgrund des Unternehmens der Aktionäre zustande gekommen sind und die den gleichen oder ähnlichen Bedingungen der gleichstehenden Rechtsgeschäfte unterliegen. Diese Regel, die das türkische Recht bisher nicht kannte, wurde insbesondere von Gesellschaftsrechtlern bzw. Fachexperten für eine bahnbrechende Entwicklung gehalten.837 Denn damit könnten vor allem verdeckte Gewinnausschüttungen tatsächlich vermindert und Transparenz sowie eine starke Finanzstruktur könne seitens der Gesellschafter geschaffen werden. Die neue Norm hat allerdings die Geschäftswelt aufschrecken lassen. Insbesondere die Dachgesellschaften der Handelsund Industriekammern reagierten auf die Norm – wie auch auf manche andere Neuregelungen – durchweg negativ und übten Druck aus, um diese Regelung ändern zu lassen.838 Auf den starken Druck und heftige Kritik hin hat das Parlament manche Vorschriften des neuen tHGB kurz vor dem Inkrafttreten durch das Gesetzt Nr. 6335 novelliert.839 Damit wurde der Art. 358 komplett neu formuliert. Bevor man auf die geltende Fassung des Art. 358 tHGB eingeht, sollte man kurz einen Blick auf die alte Fassung der Vorschrift werfen, um die neue besser auslegen zu können. 2. Die ursprüngliche Fassung des Art. 358 tHGB Der ursprünglichen Fassung des Art. 358 tHGB840 lag der Gedanke zugrunde, dass es grundsätzlich verboten sein sollte, dass die Aktionäre mit der Gesellschaft 835

Tekinalp, ZBJV 2013, S. 85. Botschaft zum Art. 358 tHGB a.F. 837 Insbesondere Prof. Dr. Ünal Tekinalp, der Leiter der das neu-tHGB verfassten Kommission, sprach auf jeder juristischen Platform von der Wichtigkeit der Regelung für die Kapitalgesellschaften und auch für die Ökonomie allgemein. Diesbezüglich siehe auch Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 50 ff. 838 Kritisch dazu u. a. Tekinalp, ZBJV 2013, S. 84 f. 839 Ausführlich zu den damit geänderten Normen s. Tekinalp, ZBJV 2013, S. 84 f. 840 Der Volltext des Art. 358 tHGB a.F.: „Ausschließlich des Schuldverhältnisses, das sich aus der Verpflichtung zur Leistung der Einlage ergibt, dürfen Aktionäre mit der Gesellschaft keine Verbindlichkeiten eingehen. Es sei denn, die Verbindlichkeiten erfolgen aus einem Rechtsgeschäft, das im Rahmen des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft und aufgrund des 836

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Rechtsgeschäfte machen, in denen sie sich bei der Gesellschaft verschulden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein ausnahmsloses Verbot zu ungerechten Anwendungen führen könnte, wurde eine Ausnahme zum Verbot vorgesehen. So wurden die Rechtsgeschäfte aus dem Verbot ausgeschlossen, die (1) im Rahmen des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft und aufgrund des Unternehmens der Aktionäre zustande kommen und (2) den gleichen oder ähnlichen Bedingungen der gleichstehenden Rechtsgeschäfte unterliegen. Werden all diese Voraussetzungen erfüllt, dann galten die Rechtsgeschäfte als zulässig.841 Durch die zweitgenannte Voraussetzung war das Drittvergleichsprinzip (arm’s length principle) zum ersten Mal auf der Gesetzesebene ausdrücklich als eine Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsgeschäfts zwischen der AG und den Aktionären (bzw. zwischen der GmbH und den Gesellschaftern) vorgesehen worden. Dies hatte allerdings der Verfasser der Norm hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsgeschäfts nicht als ausreichend angesehen. Zusätzlich dazu musste die Rechtsbeziehung im Rahmen des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft und aufgrund des Unternehmens der Aktionäre zustande kommen. Es galt daher nach dem – alten – Konzept der Norm nicht jedes einem Drittvergleich standhaltende Rechtsgeschäft als zulässig, sondern nur die dem Drittvergleich standhaltenden Rechtsgeschäfte, welche sich auf den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft und auf das Unternehmen der Aktionäre beziehen. Diese letztgenannte Voraussetzung war allerdings nicht klar und bezüglich der Frage auslegungsbedürftig, welche Rechtsgeschäfte darunter fallen. Die hinsichtlich des Gegenstandes der Arbeit interessierte Frage war, wie es sich bei bloßen Darlehensgewährungen an Aktionäre verhalten würde. Wäre eine Darlehensvergabe an Aktionäre überhaupt unter die erlaubten Rechtsgeschäfte zu subsumieren?842 Wenn nicht, dann wäre demgemäß eine Darlehensauszahlung an Aktionäre völlig verboten, Unternehmens der Aktionäre zustande gekommen ist und das den gleichen oder ähnlichen Bedingungen der gleichstehenden Rechtsgeschäfte unterliegt.“ 841 So auch Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 241 f.; wohl auch Hızır, BATI˙DER 2013, S. 230 f. A.A. Tamer, TBB Dergisi 2012, S. 101; Yüce, Regesta 2012, S. 73 ff., welche davon ausgingen, dass das „und“ als „oder“ verstanden werden solle und für die Zulässigkeit des Rechtsgeschäfts für ausreichend gehalten werden solle, dass das Rechtsgeschäft entweder unter den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft fällt oder aufgrund des Unternehmens der Aktionäre zustande kommt. 842 Verneinend Kızılot, S¸irketten Para C¸ekmek, Bombanın Pimini C¸ekmek Gibi, http:// www.hurriyet.com.tr/ yazarlar/20276334.asp (Stand: 10. 12. 2014). Bejahend Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 240 ff., die sich dabei auf die gewöhnliche Anwendung der Rechtsprechung stützte, wonach im Allgemeinen anzunehmen sei, dass ein Rechtsgeschäft, das den Lauf des Betriebs vereinfacht, zum Tätigkeitsbereich der Gesellschaft gehöre, auch wenn es nicht unmittelbar unter den in der Satzung bestimmten Gegenstand der Gesellschaft falle. Y. 11. HD., 23. 03. 1982, E. 231, K. 1223, in: (Eris¸, TTK – C. II, m. 137, S. 1219 f.). Ausgehend von diesem Prinzip bewertete der Kassationshof die Bürgschaftsleistung der Gesellschaft als ein übliches Rechtsgeschäft der Geschäftswelt, welches im Rahmen des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft erfolgt. Dies musste nach der Autorin natürlicherweise auch für die Darlehensvergabe gelten.

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auch wenn diese den gleichen oder ähnlichen Bedingungen einer Darlehensbeziehung mit einem beliebigen Dritten unterliegt, weil dieses Rechtsgeschäft nicht mal unter die erlaubten Rechtsgeschäfte fallen würde. Diese Ungenauigkeit war wohl der am meisten kritisierte Punkt der Norm. Wenn man sowohl den Wortlaut als auch das Motiv des Gesetzgebers zum Erlass einer solchen verbietenden Norm sowie die Ausführungen dazu in der Begründung beachtet, wäre es m. E. schwierig gewesen, zu sagen, dass die Norm die Darlehensvergabe an Aktionäre/Gesellschafter zulässt, auch wenn sie einem Drittvergleich standhält. Außer dem Wortlaut der Norm, wonach das Rechtsgeschäft im Rahmen des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft und aufgrund des Unternehmens der Aktionäre zustande kommen musste, unterstützten diese Annahme auch die Ausführungen in der Begründung: „Durch die Norm wird das Ziel verfolgt, dass die Aktionäre bei der Gesellschaft keine Schulden machen, Gesellschaftskasse nicht benutzen, … sogar aus der Gesellschaft keine Gelder ziehen. … Allerdings es hätte ein ausnahmsloses Verbot zu ungerechten Anwendungen führen können. Deswegen ist es ermöglicht worden, dass die mit der Gesellschaft wegen ihrer unternehmerischen Tätigkeit Geschäfte machenden Aktionäre wie jeder andere Kunde der Gesellschaft durch befristeten Konsignationsverkauf oder ähnliche Methoden aus der Gesellschaft Güter zu kaufen.“ Außerdem ließ sich auch behaupten, dass wenn ein Verbot zur Kreditgewährung an Aktionäre/Gesellschafter nicht gewünscht worden wäre, man keine derartig begrenzende Voraussetzung eigeführt und sich nur mit der Drittvergleichsvoraussetzung begnügt hätte. Deswegen waren die erlaubten Rechtsgeschäfte offensichtlich nur auf diejenigen beschränkt, in denen es um den Kauf der „Güter“ geht. Eine derartige strikte Beschränkung war jedoch kritikwürdig, weil m. E. damit etwas über das Ziel hinausgegangen wurde. Es macht nämlich keinen Sinn, dass die Gesellschaft an Dritte Darlehen gewähren kann, während es verboten ist, Darlehen an die Aktionäre/Gesellschafter auszureichen, auch wenn es einem Drittvergleich standhält. Um unredliche Anwendungen und insbesondere verdeckte Vermögenszuwendungen zu verhindern, hätte es m. E. ausgereicht, dass man nur auf den Drittvergleich abgestellt hätte. 3. Die geltende Fassung des Art. 358 tHGB Die nachträglich geänderte und schlussendlich verabschiedete Fassung des Art. 358 tHGB weicht erheblich von der ursprünglichen Fassung ab. Die jetzt geltende Fassung des Art. 358 tHGB lautet wie folgt: „Aktionäre dürfen sich bei der Gesellschaft nicht verschulden, solange ihre fälligen Schulden, die sich aus der Verpflichtung zur Leistung der Einlage ergeben, nicht beglichen wurden und der gesamte Betrag von Gewinn und der Rücklagen die Summe der Verluste, die sich aus den vergangenen Jahren ergaben, nicht decken.“ Durch diese Änderung nahm die Norm quasi einen anderen Charakter an. Denn während es in der alten Fassung grundsätzlich verboten war, dass die Gesellschaft mit den Aktionären Verbindlichkeiten eingeht und die Ausnahme dazu nur in bestimmten Fällen vorgesehen wurde,

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wurde das Verbot in der geänderten Fassung in der Weise aufgeweicht, dass das grundsätzliche Verbot quasi in eine bedingte Erlaubnis verwandelt wurde. Nach der neuen Fassung darf also die AG nunmehr an Aktionäre Darlehen gewähren, wenn die vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind: (1) Die fällige Schuld der Aktionäre, die sich aus der Verpflichtung zur Leistung der Einlage ergibt, muss schon beglichen sein, und (2) Die Gesamtsumme des Gewinns und der freien Reserven muss die Verluste, die sich aus den vergangenen Jahren ergeben, decken. Die neue Fassung der Norm, die auf Wunsch wirtschaftlicher Kreise basiert, das Vermögen der Gesellschaft zu nutzen, wird insbesondere von den Gesellschaftsrechtlern zu Recht in vieler Hinsicht stark kritisiert.843 Als allgemeine Kritik wird geäußert, dass die Norm nunmehr ihre besondere Bedeutung verloren habe und zweckentfremdet worden sei. Denn durch die Änderung werde die Norm ganz im Gegensatz zu der ersten Fassung und völlig entgegen ihrem Entstehungszweck auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, die die Darlehensvergabe an Aktionäre grundsätzlich zulässt.844 Heftige Bedenken werden insbesondere in Bezug auf die in der Norm ausgeführten Voraussetzungen geäußert. Die erste Voraussetzung, wonach es genügt, dass nur die fällige Schuld zur Einlageleistung der Aktionäre beglichen wurde, wird als unangebracht bzw. unzulänglich erachtet.845 Es sei bedeutsamer, wenn es – unabhängig von der Fälligkeit der Einlageleistungspflicht – vorausgesetzt würde, dass die Einlageleistungspflicht völlig vollgebracht werden muss. Auch die zweite Voraussetzung wird kritisch betrachtet. Es sei nicht klar, nach welcher Bilanz zu bestimmen sei, ob der gesamte Betrag des Gewinns und der Rücklagen die Summe der Verluste, die sich aus den vergangenen Jahren ergeben, decken.846 Es könnten sich dabei Fragen stellen, ob eine Zwischenbilanz als eine Grundlage genommen werden könnte oder überhaupt eine Bilanz dafür nötig sei. Dass die Vorschrift bei der Erfüllung der in der Norm angegebenen Voraussetzungen über die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsgeschäfte, insb. über die Darlehensbedingungen schweigt, verursacht auch Unsicherheit und wird in der Literatur heftig kritisiert. Es wird insbesondere auf die Gefahr hingewissen, dass unter der jetzigen Fassung der Norm an die Aktionäre schrankenlos und unbefristet Darlehen gewährt werden könnten, solange die Gesellschaft – tatsächlich oder angeblich – Gewinne erziele, weil in der Norm weder hinsichtlich der Höhe noch der Laufzeit des Darlehens eine Begrenzung vorgenommen werde.847 Die Norm sei nämlich eine aufgeweichte bzw. schwache Regelung, die eigentlich aus dem Gedanken resultiere, dass es unangebracht wäre, auf eine wichtige revolutionäre Regelung völlig zu verzichten. Es wird zudem diesbezüglich auch zum Ausdruck gebracht, dass diese Norm dem Grundsatz des Vermögensschutzes vollkommen widerspreche, weil den Aktionären damit eine 843 Tekinalp, IFLR 2012, S. 2; ders., ZBJV 2013, S. 85; Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 50 ff.; Kendigelen, I˙lk Tespitler-2, S. 242. 844 Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 50; Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2, S. 243. 845 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2, S. 244. 846 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2, S. 244 f. 847 Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 51.

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Zugriffsmöglichkeit auf das Gesellschaftsvermögen ermöglicht werde, was mit dem Trennungsprinzip nicht vereinbar sei.848 Da diese Schwäche der geänderten Fassung wohl auch dem Gesetzgeber bewusst war, hat er in der Begründung zur geänderten Norm eine umfassende Erklärung über die Zulässigkeitsvoraussetzungen der erlaubten Rechtsgeschäfte gemacht, um die Missverständnisse bzw. den Missbrauch der Regelung auszuschließen.849 Diese lautet wie folgt: „Durch diese Regelung wurde das Verbot nur aufgeweicht, nicht abgeschafft. Es wurde durch die Änderung ermöglicht, dass das dringliche Bedürfnis der Aktionäre nach Krediten aus dem Gesellschaftsvermögen gestillt werden kann. Allerdings darf und kann dies nicht in der Weise verstanden werden, dass sich Aktionäre bei der Gesellschaft schrankenlos verschulden dürfen. Eine derartige Annahme würde nämlich dem Grundsatz der Kapitalerhaltung entgegenstehen, welcher einer der zentralen Grundsätze dieses Gesetzes ist. Das Ziel dieser Änderung ist also, das dringliche Bedürfnis der Aktionäre nach Kapital innerhalb einer angemessenen Frist aus dem Gesellschaftsvermögen in der Weise zu stillen, dass die Gesellschaft nicht beschädigt wird. Zudem würde es dem Ziel der Änderung entgegenstehen, dass die Aktionäre vom Gesellschaftsvermögen eine lange Zeit und im hohen Umfang profitieren. Eine derartige Nutzung könnte als „Entleerung bzw. Ausplünderung der Gesellschaft“ begriffen werden. Liegt ein solcher Fall vor, also wenn man das Gesellschaftsvermögen lange Zeit, im hohen Umfang und ohne Gegenleistung nutzen lässt, könnte die Straftat eines Vertrauensbruchs i.S.d. Art. 155 tStGB oder bei einer daraus resultierenden Insolvenz die Straftat eines betrügerischen Konkurs gemäß Art. 161 tStGB entstehen.“

Auch die Ausführungen in der Begründung sind genauso wie die (neue) Fassung der Norm auf heftige Kritik gestoßen. Dass der Gesetzgeber im Gesetzestext keine Bestimmung über die Höhe und die Laufzeit vornimmt, sondern dies in der Begründung erwähnt, wird als unangebracht erachtet.850 Als ein anderer Kritikpunkt wird auf den Satz in der Begründung hingewissen, womit ermöglicht werde, dass das dringliche Bedürfnis der Aktionäre nach den Mitteln aus dem Gesellschaftsvermögen gestillt werden könne. Damit werde nämlich ermöglicht, dass sich die Aktionäre bei der Gesellschaft beinahe schrankenlos verschulden dürfen.851

Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 51 f. Begründung zum Art. 15 des Änderungsgesetzes Nr. 6335, wodurch der Art. 358 geändert wurde. 850 Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 52. 851 Özkorkut, Düzenlenen S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı mı Yoksa Yasal Hortumculuk mu?, http://www.vergisorunlari.com.tr/yazi.aspx?yazino=36 (Stand: 01. 11. 2014). 848

849

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4. Stellungnahme: Art. 358 tHGB kann nicht losgelöst aus dem zentralen Grundsatz des Vermögensschutzes (Art. 480 Abs. 3 tHGB) interpretiert werden All den im Schrifttum ausgedrückten Kritiken in Bezug auf die Unzulänglichkeit bzw. Mangelhaftigkeit der neuen Fassung von Art. 358 tHGB ist ausnahmslos zuzustimmen. Wenn man die Norm als eine eigenständige und einzige Regelung hinsichtlich der Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter betrachten und dabei nur den Wortlaut der Norm als Ausgangspunkt nehmen würde, würde dies zweifellos zu unerwünschten und mit dem Wesen der Kapitalgesellschaften gar nicht vereinbaren Folgen führen. Der Grund dafür, warum die Norm in vieler Hinsicht unklar, unzulänglich und sogar offen für Missbräuche ist, ist m. E. vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte bzw. -weise der neuen Fassung zu suchen. Die geltende Fassung der Norm ist nämlich eigentlich ein Produkt, welches ganz klar unter starkem Druck der Geschäftswelt und insbesondere der Dachgesellschaften der Handels- und Industriekammern nur ein Paar Tage vor dem Inkrafttreten des Gesetztes in Eile und wohl undurchdacht hergestellt wurde. Es wäre daher nicht verkehrt, die Norm mit ihrer jetzigen Fassung als eine völlig zweckentfremdete und sinnentleerte Regelung zu bezeichnen, deren Zielsetzung nun nicht (mehr) klar ist. Der Wortlaut der Norm ist also nicht nur im Hinblick auf die ausgeführten Voraussetzungen kritikwürdig, sondern auch wegen der fehlenden Zulässigkeitskriterien der erlaubten Rechtsgeschäfte für Missverständnisse und sogar für Missbräuche stark anfällig. Berücksichtigt man bei Darlehensvergabe an Gesellschafter bzw. Aktionäre nur Art. 358 tHGB und stellt dabei ausschließlich auf den Wortlaut der Norm ab, könnte dies sogar die Annahme rechtfertigen, dass bei der Deckung der Verluste der Gesellschaft ohne Weiteres bzw. zu jeder Kondition Darlehen an Aktionäre bzw. Gesellschafter gewährt werden könnten. Eine solche Schlussfolgerung würde jedoch dem Wesen der Kapitalgesellschaften überhaupt nicht entsprechen. Die Verfasser der ersten Fassung des Art. 358 tHGB bezweckten – anscheinend –, nach dem Vorbild der schweizerischen Art. 680 Abs. 2, 678 Abs. 2 sOR ein zweiteiliges Kapitalschutzssystem zu schaffen. Art. 358 tHGB a.F. sollte demnach entsprechend dem schweizerischen Art. 678 Abs. 2 sOR verdeckte Gewinnausschüttungen erfassen, während durch Art. 480 Abs. 3 tHGB entsprechend Art. 680 Abs. 2 sOR das gebundene Kapital geschützt werden sollte. Wenn Art. 358 tHGB mit seiner umgeänderten Fassung in Kraft getreten wäre, hätte die Norm (teilweise) quasi eine ähnliche Funktion wie der schweizerische Art. 678 Abs. 2 sOR erfüllt und dadurch hätte man die verdeckte Vermögensverlagerungen rechtsgemäß verhindern können.852 Das hätte dann die Annahme rechtfertigen können, dass die Darlehensgeschäfte zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern lediglich an Art. 358 852 Da allerdings die erste Fassung der Norm etwas zu streng bzw. unklar hinsichtlich der Zulässigkeit der Darlehensvergabe an Gesellschafter verfasst wurde, hätte der Wortlaut der Norm trotzdem eine dahingehende Umformulierung benötigt, dass die Norm eine dem Drittvergleich standhaltende Darlehensvergabe an Gesellschafter explizit zulässt.

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tHGB zu messen sind. Da allerdings Art. 358 tHGB wegen der Änderung durchaus seine Schutzfunktion verloren hat und daher dem türkischen Recht heute immer noch eine Regelung zur Vermeidung der verdeckten Vermögensverlagerungen nach dem Vorbild des schweizerischen Art. 678 Abs. 2 sOR fehlt, ist es m. E. unter kapitalerhaltungsrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich, Art. 480 Abs. 3 tHGB einen expansiven Schutzumfang zuzubilligen, um dem zentralen Prinzip der Haftungstrennung in Kapitalgesellschaften und dem daraus abzuleitenden Vermögensschutzsprinzip sachgemäß Rechnung zu tragen. Mit anderen Worten bildet die Unvollkommenheit bzw. Unzulänglichkeit vom Gesetzestext des Art. 358 tHGB bezüglich effektiver Verhinderung der offenen sowie verdeckten Vermögenszuwendungen an Aktionäre bzw. Gesellschafter einen anderen wichtigen Grund dafür, dass das Schutzgebiet des Art. 480 Abs. 3 tHGB anders als das schweizerische Recht aus Sicht des türkischen Rechts umfangreicher ausgelegt werden muss. Aus diesem Grund kann Art. 358 tHGB m. E. nicht isoliert von dem Vermögensschutzprinzip und damit von der – nach hier vertretener Ansicht dessen Grundlage bildenden – zentralen kapitalerhaltungsrechtlichen Regelung des Art. 480 Abs. 3 tHGB betrachtet werden. Der zentrale Grundsatz des Vermögensschutzes sollte also bei der Bestimmung der in Art. 358 tHGB nicht ausgedrückten Zulässigkeitsvoraussetzungen des Darlehens zwischen der AG und den Aktionären als ein Maßstab angenommen werden. Art. 358 tHGB, der seine kapitalschützende Funktion wegen der Änderung verloren hat, sollte m. E. als eine Regelung angesehen werden, die ausschließlich als das gilt, was – neben der aus dem Vermögensschutzprinzip (Art. 480 Abs. 3 tHGB) resultierenden Bedingungen – extra Voraussetzungen853 zur Darlehensvergabe feststellt. Aus diesem Grund sollte bei einer Darlehensvergabe an Aktionäre außer der in Art. 358 tHGB ausgeführten Voraussetzungen auch darauf geachtet werden, dass unter dem Gesichtspunkt des Vermögensschutzs gem. Art. 480 Abs. 3 tHGB das Vermögen der Gesellschaft wegen des causa societatis erfolgten Darlehens keine Schädigung erleidet. Das bedeutet, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft sorgfältig kontrollieren sollte, ob der darlehensnehmende Aktionär bzw. Gesellschafter wirtschaftlich in der Lage ist, das Darlehen tatsächlich zurückzuzahlen und auch sollte sie dafür sorgen, dass das Darlehen angemessen verzinst wird.854 Dies unterstützen auch die einschlägigen Ausführungen der Begründung, wobei u. a. insbesondere unterstrichen wird, dass das dringliche Bedürfnis der Aktionäre nach Kapital innerhalb einer angemessenen Frist aus dem Gesellschaftsvermögen in der Weise zu stillen ist, dass die Gesellschaft nicht beschädigt wird und eine Gegenleistung erlangt. Dass das darauf gerichtete Ziel der Begründung im Wortlaut der Norm seinen Niederschlag überhaupt nicht finden konnte, sondern der Wortlaut gar missverständlich formuliert wurde, drängt m. E. auf eine dringliche entsprechende Änderung der Norm.

853 854

Für diese Voraussetzungen siehe Kapitel 2, § 4, A., IV., 1. Siehe Kapitel 2, § 4, A., IV., 2.

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Schließlich lässt sich feststellen, dass es einen bedauerlichen Fehler in der Behandlung der Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter bedeuten würde, wenn der Wortlaut von Art. 358 tHGB als alleiniges Kriterium zur Darlehensvergabe angenommen wird. Denn dies würde zur Folge haben, dass sich die Rechtmäßigkeit eines Darlehens an Aktionäre bzw. Gesellschafter ausschließlich an den in Art. 358 tHGB ausgeführten Voraussetzungen messen würde, welche dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und damit der Vermeidung der offenen sowie verdeckten Vermögensverlagerungen nicht genügend beizutragen vermögen. Sogar könnte man mit einer gewagten Interpretation behaupten, dass damit das Gesetz den Gesellschaftern den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen erlaubt, solange es der Gesellschaft wirtschaftlich gut geht, sodass all die Grundprinzipien der Kapitalgesellschaften zum Vermögensschutz weggetan werden. Deswegen sollten bei der Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter sowohl die aus dem Vermögensschutzprinzip herausgehenden Voraussetzungen als auch diejenigen des Art. 358 tHGB berücksichtigt werden. IV. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Darlehensvergabe an Aktionäre bzw. Gesellschafter 1. In Art. 358 tHGB beschriebene Voraussetzungen Im Wortlaut des Art. 358 tHGB werden zwei Voraussetzungen vorgesehen. Die erste ist eine an die Aktionäre/Gesellschafter gerichtete Voraussetzung zur Erfüllung der fälligen Einlagepflicht („subjektive Voraussetzung“); die zweite bezieht sich auf die Wirtschaftslage der Gesellschaft, wonach der Gesamtbetrag von Gewinn und freien Reserven die sich aus den vergangenen Jahren ergebenden Verluste decken muss („objektive Voraussetzung“). Die Voraussetzungen des Art. 358 tHGB gelten nicht nur für aufsteigende Darlehen, sondern auch für die Sicherheitsbestellungen für die Verbindlichkeiten der Aktionäre.855 a) Erfüllung der fälligen Einlagepflicht Aus dem Text des Art. 358 tHGB geht als einzige Voraussetzung in Bezug auf darlehensnehmende Aktionäre/Gesellschafter hervor, dass sie ihre fälligen Schulden, die sich aus der Verpflichtung zur Leistung der Einlage ergeben, schon beglichen haben müssen. Zu Recht wird im Schrifttum diese Voraussetzung als unangebracht bzw. unzulänglich erachtet.856 Es sei bedeutsamer, wenn es – unabhängig

855 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 683; Bilgili/Demirkapı, S¸irketler, S. 492; Sevi, AO’da Sermaye, S. 476; Hızır, BATI˙DER 2013, S. 234 ff.; Gürel, Finansal Destek Verme Yasag˘ ı, S. 96; Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 186; a.A. Tamer, TBB Dergisi 2012, S. 106 f. 856 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2, S. 244.

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von der Fälligkeit der Einlageleistungspflicht – vorausgesetzt würde, dass die Einlageleistungspflicht völlig vollbracht werden muss. b) Wirtschaftliche Lage der Gesellschaft Die entscheidende Hauptvoraussetzung des Art. 358 tHGB zur Darlehensvergabe an Aktionäre/Gesellschafter ist, dass der Gesamtbetrag des Gewinns und der freien Reserven die sich aus den vergangenen Jahren ergebenden Verluste decken muss. Was darunter zu verstehen ist, wird in der Lehre kontrovers diskutiert. In diesem Zusammenhang wird wesentlich auf die Frage eingegangen, ob diese nur als eine Voraussetzung anzunehmen ist, wonach für die Darlehensvergabe die rechnerische Deckung der Verluste erforderlich und ausreichend ist („bilanzielle Betrachtungsweise“) oder diese zugleich auch eine betragliche Obergrenze darstellt. Mit anderen Worten, wenn die Voraussetzung erfüllt ist und somit die Deckung rechnerisch erfolgt, darf man unbeschränkt aus dem gesamten Vermögen – einschließlich des zur Deckung der Verluste erforderlichen Vermögens – Darlehen gewähren, oder kommt dieser Bedingung auch noch eine derartig beschränkende Rolle zu, dass von dem Vermögen kein Darlehen gewährt werden darf, das zur Deckung der Verluste erforderlich ist, sondern nur von dem darüber hinausgehenden (freien) Vermögen. aa) Meinungsstand Es wird überwiegend angenommen, dass der Gesetzgeber mit dieser Voraussetzung auch noch eine betragliche Obergrenze der auszureichenden Darlehenssumme setzt.857 Nach dieser Auffassung sei zwar aus dem Wortlaut der Norm eine solche Begrenzung nicht zu schließen, aber der Sinn und Zweck der Norm erfordere bzw. rechtfertige dieses Ergebnis.858 Gehe man nämlich von dem Wortlaut aus, könne es dazu führen, dass sogar aus dem gebundenen Vermögen ohne irgendeine Beschränkung Darlehen gewährt werden könne.859 Eine derartige, an dem Wortlaut gerichtete Auslegung würde einerseits dem Entstehungszweck der Norm völlig entgegenstehen, welcher in dem Gläubigerschutz besteht. Andererseits würde dann ein Widerspruch entstehen, sodass bei der Deckung der Verluste das ganze Vermögen der Gesellschaft an die Aktionäre als Darlehen gewährt werden könne, während sogar bei einem kleinen Verlust keine Darlehensvergabe mehr möglich sei. In diesem Zusammenhang wird teilweise angenommen, dass zu dieser Voraussetzung außer seiner Voraussetzungsfunktion als solche auch noch eine betraglich 857 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2012, S. 245; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 680; Sevi, AO’da Sermaye, S. 476; Hızır, BATI˙DER 2013, S. 280 f.; Hızır/ Merki, AÜHFD 2014, S. 786; Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 170 f., 227 f. A.A. Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 51 f.; ders., Yasal Hortumculuk, http://www.vergisorunlari. com.tr/yazi.aspx?yazino=36 (Stand: 01. 11. 2014). 858 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2012, S. 245; Sevi, AO’da Sermaye, S. 476; Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 170 f. 859 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2012, S. 245 Fn. 58.

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begrenzende Funktion hinsichtlich der auszureichenden Darlehenssumme hinzukommt.860 Es stelle also der zur Deckung der Verluste erforderliche Betrag die Obergrenze dar, welche durch die Darlehensvergabe nicht zu überschreiten sei. Betrage z. B. die Summe von Gewinn und freien Reserven 50.000 TL861 mehr als die Summe der Verluste, so würde eine Darlehensvergabe in Höhe von 100.000 TL gegen den Art. 358 tHGB verstoßen.862 Man darf also nach dieser Auslegung ein Darlehen maximal in Höhe von 50.000 TL an Aktionäre gewähren. Nach einer Literaturauffassung, welche den Schutzumfang des kapitalerhaltungsrechtlichen Art. 480 Abs. 3 tHGB auf das gebundene Vermögen (das Grundkapital und die gesetzlichen Reserven) beschränkt sieht, deckt sich der geschützte Gegenstand des Art. 358 tHGB mit dem des Art. 480 Abs. 3 tHGB insofern, als sowohl in Art. 430 Abs. 3 tHGB als auch in Art. 358 tHGB das gebundene Vermögen der Gesellschaft vor Ausschüttungen geschützt wird.863 Ein Vertreter dieser Auffassung stellt daher in Frage, ob man überhaupt eine solche Norm wie Art. 358 tHGB braucht.864 Denn aufgrund des Art. 480 Abs. 3 tHGB, wonach die Rückgewähr des gebundenen Kapitals verboten sei, komme man ohnehin zu demselben Ergebnis. Einer Vertreterin dieser Auffassung zufolge sei es hingegen gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber trotz des Art. 430 Abs. 3 tHGB gesondert in Art. 358 tHGB noch mal das gebundene Vermögen der Gesellschaft in Schutz nimmt.865 Denn mit Art. 358 tHGB wolle der Gesetzgeber ausdrücklich betonen, dass er die Anwendung der bilanziellen Betrachtungsweise bei Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen ablehnt, welche sonst bei Darlehensvergaben i.R.d. Art. 430 Abs. 3 tHGB Anwendung finden könnte.866 Sonst hätte der Gesetzgeber – trotz des Bestehens des Art. 430 Abs. 3 tHGB – Art. 358 tHGB nicht erlassen. Die Kodifizierung des Art. 358 tHGB beweise also, dass der Gesetzgeber Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen an Aktionäre/Gesellschafter besondere Bedeutung beimesse und dies verbieten wolle.867 Demnach seien nur die Darlehensvergaben an Aktionäre/ Gesellschafter aus dem freien Vermögen zulässig.868 Außerdem lehnt die Autorin die „bilanzielle Betrachtungsweise“ mit der Begründung ab, dass ein schuldrechtlicher nachgeschobener Forderungsanspruch keinen angemessenen bzw. sicheren Ersatz

Hızır, BATI˙DER 2013, S. 280 f.; Hızır/Merki, AÜHFD 2014, S. 786. „Türkisch Lira“. 862 Hızır, BATI˙DER 2013, S. 281. 863 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2012, S. 245; Toraman-C ¸ olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 170 f.; i.E. Sevi, AO’da Sermaye, S. 476. 864 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2012, S. 245 f. 865 Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 170 f. 866 Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 170 f., 239 f. 867 Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 239 f. 868 So Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 239 f. 860 861

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

für liquide Mittel der Gesellschaft darstelle.869 Daraus wird bezüglich des Erfüllungszeitpunkts der Voraussetzung gefolgert, dass nicht nur vor der Valutierung, sondern auch nach der Valutierung gewährleistet werden muss, dass die Verluste der Gesellschaft gedeckt sind (und bleibt).870 Ein anderer Autor nimmt i.E. auch an, dass aus gebundenem Kapital an die Aktionäre kein Darlehen gewährt werden könne, aber er stützt sich dabei auf das Verbot der Einlagenrückgewähr (Art. 480 Abs. 3 tHGB) und die zweckgebundene Verwendung der gesetzlichen Reserven (Art. 519 Abs. 3 tHGB).871 Demnach dürfe aus dem das gebundene Kapital deckenden Vermögen kein Darlehen gewährt werden, sondern nur aus freien Reserven. Schließlich ist festzustellen, dass in der Literatur stark dazu geneigt wird, bei Darlehensgewährungen i.R.d. Art. 358 tHGB die bilanzielle Betrachtungsweise – ungeachtet der Bonität des Schuldners – abzulehnen. Nach dieser Auffassung sei die oben genannte Voraussetzung dahingehend zu interpretieren, dass damit verboten wird, aus dem gebundenen Vermögen der Gesellschaft Darlehen an Aktionäre/Gesellschafter zu gewähren. Demnach darf die Gesellschaft lediglich aus dem freien Vermögen der Gesellschaft, d. h. aus dem für die Deckung der Verluste nicht erforderlichen Vermögen, Darlehen an Aktionäre/Gesellschafter gewähren. An dieser Stelle lässt sich feststellen, dass diese Ansicht teilweise der nach dem „November“Urteil entstandenen alten Rechtslage in Deutschland zur Darlehensvergabe aus dem gebundenen Vermögen (einer GmbH) und der damaligen – dem genannten Urteil zugrunde liegenden – Literaturmeinung entspricht, welche die bilanzielle Betrachtungsweise in der Unterbilanz ungeachtet der Bonität des Schuldners ablehnte und auf den gegenständlichen Schutz des gebundenen Vermögens abstellte.872 bb) Stellungnahme M.E. kann man weder im Wortlaut noch in der Begründung der Norm deutliche bzw. überzeugende Indizien dafür finden, dass der Gesetzgeber durch die oben genante Voraussetzung zugleich eine betragliche Beschränkung bezweckt und damit die bilanzielle Betrachtungsweise für Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen absichtlich und ausdrücklich ablehnt. Wenn der Gesetzgeber bezüglich des gebundenen Vermögens einen gegenständlichen Schutz bezweckt hätte und damit die bilanzielle Betrachtungsweise hätte ablehnen wollen, hätte er m. E. diese Absicht im Wortlaut der Norm oder zumindest in der Begründung ausdrücklich zu Erkennen gegeben. Anstatt eine solche komplexe Formulierung zu fassen, hätte er 869 Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 228. Dieses Argument wurde auch im deutschen Recht vor dem MoMiG gegen die bilanzielle Betrachtungsweise vorgebracht, dazu siehe insb. Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 347 ff. 870 Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 170 f. 871 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 680. 872 Die Vertreter dieser Ansicht insb. Stimpel, in: FS für 100 Jahre GmbHG, S. 349 ff.; Schön, ZHR 159 (1995), S. 351 ff. Ausführlich dazu s. Kapitel 2, § 2, B.

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also den Wortlaut der Norm präzise in der Weise fassen können, dass „aus dem gebundenen Vermögen kein Darlehen an die Aktionäre gewährt werden darf“ oder „nur aus dem freien Vermögen an die Aktionäre Darlehen gewährt werden darf“. Stattdessen verlangt er lediglich, dass der Gesamtbetrag des Gewinns und der freien Reserven die sich aus den vergangenen Jahren ergebenden Verluste deckt. Diese Formulierung erweckt eher den Eindruck, dass der Gesetzgeber die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft als Ausgangspunkt annimmt und erst ab einem bestimmten wirtschaftlichen Niveau gestattet, aufsteigende Darlehen zu gewähren. Er hält die bilanzielle Betrachtungsweise für unzulässig und verbietet die Darlehensvergabe nur dann, wenn zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe das gebundene Vermögen der Darlehensgeberin nicht schon gedeckt ist. Anders formuliert hält er die Darlehensvergaben an die Aktionäre/Gesellschafter in Unterbilanzsituationen nicht für geeignet und fordert, dass zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe das gebundene Vermögen bereits gedeckt ist. Deswegen geht m. E. die anderweitige Interpretation der Norm über das Ziel des Gesetzgebers hinaus, wonach mit Art. 358 tHGB die bilanzielle Betrachtungsweise bei aufsteigenden Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen generell abgelehnt werde und daher schon im Ansatz aufsteigende Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen komplett verboten seien.873 Die Formulierung der Norm legt eher die Annahme nahe, dass an die Aktionäre unabhängig davon Darlehen gewährt werden kann, ob das gebundene Vermögen tangiert wird oder nicht, wenn das gebundene Vermögen zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe gedeckt ist. Als eine andere und sehr wichtige Voraussetzung sollte man allerdings – bei unbesicherten Darlehen – zugleich darauf achten, dass die Bonitätslage des darlehensnehmenden Aktionärs/Gesellschafters die Annahme rechtfertigt, dass bilanziell gesehen nur ein Aktivtausch stattfindet und damit die Rückzahlung des Darlehens zweifelsfrei ist. Dies ist eine Voraussetzung, die sich aus dem Kapitalerhaltungsgebot aus Art. 480 Abs. 3 tHGB ergibt.874 Dass der türkische Gesetzgeber im Art. 358 tHGB – anders als das deutsche Recht (§§ 30 GmbHG, 57 AktG) – die Bonität des Darlehensnehmers und damit die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs nicht erwähnt, zwingt wahrscheinlich die türkische Literatur dazu, die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Darlehens i.R.d. Art. 358 tHGB restriktiv zu interpretieren. Allerdings ist es dem türkischen Gesellschaftsrecht nicht fremd, in Darlehensvergaben bei hinreichender Bonität des darlehensnehmenden Aktionärs/Gesellschafters – gestützt auf die bilanzielle Betrachtungsweise – einen Aktivtausch zu sehen und die Darlehensvergaben i.R.d. Art. 480 Abs. 3 tHGB für zulässig zu halten.875 Es ist fraglich, warum dies i.R.d. Art. 358 tHGB nicht gelten darf. Dem in der Literatur dafür vorgebrachten Argument, dass der Gesetzgeber trotz des Art. 480 Abs. 3 tHGB, Art. 358 tHGB, welcher auch das gebundene Vermögen schütze, geregelt habe, weil er damit die Anwendung 873 874 875

So Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 239 f. Ausführlich dazu Kapitel 2, § 4, A., IV., 2., c). Siehe insb. Sevi, AO’da Sermaye, S. 477 f.; Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 18.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

der bilanziellen Betrachtungsweise für Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen ausdrücklich verbieten wolle, ist nicht zuzustimmen. Wie schon ausgeführt, sollte Art. 358 tHGB, der seine kapitalschützende Funktion wegen der nachträglichen Änderung verloren hat, m. E. als eine Regelung angesehen werden, die – neben der aus dem Vermögensschutzprinzip (Art. 480 Abs. 3 tHGB) resultierenden Bedingungen – extra Voraussetzungen zur aufsteigenden Darlehensvergabe feststellt. Es geht zudem weder aus dem Wortlaut noch aus der Begründung eine dahingehende Intention des Gesetzgebers hervor, dass er durch die Regelung des Art. 358 tHGB die i.R.d. Art. 480 Abs. 3 tHGB geltende bilanzielle Betrachtungsweise mit Blick auf die aufsteigenden Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen ausschließen will. Aus dem Konzept des Art. 358 tHGB geht nämlich nur hervor, dass damit bei bestehender Unterbilanz aufsteigende Darlehensausreichungen verboten werden. Dass die Norm unter dem Überschrift „Verschuldungsverbot“ kodifiziert ist, kann auch nicht als eine plausible Erklärung für die restriktive Auslegung und Ablehnung der bilanziellen Betrachtungsweise i.R.d. Art. 358 tHGB sein.876 Denn dabei darf man die Entwicklungsgeschichte der Norm und damit ihre gravierende inhaltliche Änderung kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht aus den Augen verlieren. Während der Wortlaut der Norm komplett geändert wurde, ist ihre Überschrift unverändert geblieben, obwohl sie eigentlich nach der Änderung ihre Funktion zur inhaltlichen Beschreibung teilweise verloren hat. Als ein „Verbot“ i.R.d. jetzigen Fassung des Art. 358 tHGB kann man daher nur dies nennen, dass bei bestehender Unterbilanz bilanzielle Betrachtungsweise nicht gilt und damit die Gesellschaft keine Darlehen an Aktionäre/Gesellschafter gewähren darf, auch wenn der Darlehensnehmer solvent und der erworbene Rückgewähranspruch vollwertig ist. Der Zweck des Art. 358 tHGB besteht also m. E. nicht darin, die i.R.d. Kapitalerhaltungsgebots (Art. 480 Abs. 3 tHGB) geltende bilanzielle Betrachtungsweise für aufsteigende Darlehen aus dem gebundenen Unternehmen abzulehnen und die Darlehensvergabe an Aktionäre/Gesellschafter aus dem gebundenen Unternehmen komplett zu verbieten.877 Zum Schluss ist an dieser Stelle aus rechtsvergleichender Perspektive darauf hinzuweisen, dass der türkische Gesetzgeber – nach hier vertretener Ansicht – bei aufsteigenden Darlehensvergaben eine Differenzierung danach macht, ob das gebundene Vermögen zum Zeitpunkt der Darlehensausreichung gedeckt ist, während 876

A.A. Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 170 f., 239 f., wonach der Gesetzgeber nicht extra ein „Verschuldungsverbot“ hinsichtlich der aufsteigenden Darlehen kodifiziert hätte, wenn er nicht gewollt hätte, diese an strengere Voraussetzungen anzuknüpfen. Er wolle mit diesem Verbot die i.R.d. Art. 480 Abs. 3 tHGB geltende bilanzielle Betrachtungsweise bezüglich der aufsteigenden Darlehen aus dem gebundenen Vermögen ausschließen. 877 A.A. Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 239 f., wonach, auch wenn die Darlehensvergabe aus dem gebundenen Vermögen i.R.d. Kapitalerhaltungsgebot aufgrund der (hier) geltenden bilanziellen Betrachtungsweise nicht rechtswidrig sei, diese Darlehensvergabe jedenfalls i.R.d. Art. 358 tHGB als rechtswidrig anzunehmen sei.

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der deutsche Gesetzgeber (des MoMiG) unabhängig davon lediglich auf die bilanzielle Betrachtungsweise und damit auf die wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers abstellt.878 Nach dem deutschen Recht kommt es also lediglich auf die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs an, obgleich die Gesellschaft über eine Unterbilanz verfügt. Auch bei der Unterbilanz betrachtet der deutsche Gesetzgeber die Vollständigkeit als eine ausreichende „Schutzschwelle“ für die Gläubiger.879 Der türkische Gesetzgeber hingegen stellt hinsichtlich der Geltung der bilanziellen Betrachtungsweise auf den Zeitpunkt der Darlehenshingabe ab, sodass er bei bestehender Unterbilanz aufsteigende Darlehen als bedenklich ansieht, auch wenn der Darlehensnehmer solvent ist und der erworbene Rückgewähranspruch vollwertig ist. Er hält wohl aufsteigende Darlehensgewährungen bei Vorliegen der Unterbilanz generell für gefährlich, da eine Darlehensforderung kein gleichwertiger Ersatz gegenüber den Barmitteln im Vermögen der Gesellschaft darstellt. 2. Aus dem Grundsatz des Vermögensschutzes (Art. 480 Abs. 3 tHGB) hervorgehende Voraussetzungen a) Einleitung Auch wenn in der Begründung zu Art. 358 tHGB zum Ausdruck gebracht wurde, dass bei der Darlehensvergabe Kapitalschutzzwecke berücksichtigt werden müssen und infolge der Auszahlung die Gesellschaft keine Schaden erleiden darf, konnte dieses Anliegen des Gesetzgebers nicht effektiv im Wortlaut der Norm wiedergegeben werden. Denn im Gesetzestext der Norm befindet sich keine Feststellung über die Darlehenskonditionen, die den kapitalerhaltungsrechtlichen Schutzzwecken dienen. Daher ist die Formulierung des Art. 358 tHGB für die Annahme nicht geeignet, dass durch die Norm hinsichtlich der Darlehenskonditionen eine abschließende Regelung vorgesehen wird und bei der Erfüllung der ausgeführten Voraussetzungen ohne weiteres zu jeder Kondition Darlehen an Aktionäre gewährt werden kann (bzw. darf). Die Norm ist eher in der Weise zu interpretieren, dass sie eher – anders als die erste Fassung der Norm – die Kreditvergabe an Aktionäre unter bestimmten Voraussetzungen gestattet und legalisiert. In diesem Zusammenhang statuiert die Norm m. E. lediglich zwei Vorbedingungen, deren Vorliegen erforderlich ist, damit überhaupt eine Darlehensvergabe an Aktionäre stattfinden kann. Erst nach der Erfüllung der angeführten Voraussetzungen sollte m. E. in der zweiten Stufe auf die kapitalerhaltungsrechtliche Frage eingegangen werden, unter welchen Voraussetzungen ein Darlehen an Aktionäre mit den kapitalerhaltungsrechtlichen Vorgaben 878 Ausführlich zum deutschen System s. Kapitel 2, § 2, C. Es wird allerdings in der deutschen Literatur vereinzelt kritisiert, dass der deutsche Gesetzgeber nur auf die „bilanzielle Betrachtungsweise“ abstellt, ohne eine Differenzierung dahingehend vorzunehmen, ob das gebundene Kapital im Zeitpunkt der Kreditvergabe gedeckt ist oder nicht: Altmeppen, NZG 2010, S. 362; MünchKomm-AktG/ders., § 311, Rn. 239 f.; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 110. 879 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 30, Rn. 110.

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vereinbar und hinsichtlich des Vermögensschutzes i.S.d. Art. 480 Abs. 3 tHGB als unschädlich zu erachten ist. Erst in diesem zweiten Stadium muss man sich also mit den Zulässigkeitskonditionen des Darlehens unter dem Aspekt des Vermögensschutzes befassen. Das Gebot des Vermögensschutzes erfordert, dass aufgrund ihrer Gesellschafterstellung (causa societatis) den Aktionären vom Gesellschaftsvermögen keine Vorteile zugewiesen werden, welche für einen beliebigen Dritten nicht in Frage kommen würden (Drittvergleichsprinzip). Drittvergleicherfordernis ergibt sich aus eigenständigen kapitalerhaltungsrechtlichen Überlegungen und damit hauptsächlich aus dem Gläubigerschutzprinzip. Deswegen darf sich die Gesellschaft in einer Darlehensgewährung an Aktionäre nicht anders verhalten als gegenüber einem Fremden.880 Dass obwohl in der ersten Fassung von Art. 358 tHGB der Drittvergleich ausdrücklich vorausgesetzt wird, dies aber in der neuen Fassung weggelassen wurde, ändert daran nichts. Denn wie schon ausgeführt, ist nach hier vertretener Ansicht Art. 480 Abs. 3 tHGB ein derartig umfassender Schutzumfang zuzuweisen, dass damit alle offenen und verdeckten Vermögenszuwendungen an Aktionäre gefasst werden sollen.881 Gerade die Unzulänglichkeit des (geänderten) Wortlauts des Art. 358 tHGB in Bezug auf die Verhinderung der ungerechtfertigten Vermögenszuwendungen mittels des Darlehens erfordert diese expansive Interpretation. Daher wird hier die Auffassung vertreten, dass bei aufsteigenden Darlehensvergaben nicht nur die Voraussetzungen des Art. 358 tHGB, sondern auch die aus dem Grundsatz des Vermögensschutzes (Art. 480 Abs. 3 tHGB) hervorgehenden Voraussetzungen gleichzeitig zu berücksichtigen sind. Auch im Schrifttum wird zu Recht geäußert, dass die Erlaubnis zur Darlehensvergabe an Aktionäre nicht bedeute, dass zu jeder Kondition Darlehen an Aktionäre gewährt werden dürfen.882 Sowohl auf die Begründung zu Art. 358 tHGB als auch auf den Grundsatz der Kapitalerhaltung (Art. 480 Abs. 3 tHGB) gestützt wird dafür plädiert, dass die Konditionen des Darlehens einem Drittvergleich standhalten sollten. In diesem Zusammenhang kommen eine angemessene Verzinsung und eine bankübliche Sicherheit in Frage, welche bei Drittgeschäften gewöhnlich sind. Die Frage, ob oder wann ein Darlehen unbesichert gewährt werden kann, muss in Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage des darlehensnehmenden Aktionärs behandelt werden.

880 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 40, Rn. 349; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 680. 881 Kapitel 2, § 4, A., II., 4. 882 Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 680; Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 9 f.; Gürel, Finansal Destek Verme Yasag˘ ı, S. 105; Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 243, 245.

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b) Verzinsung Da das Prinzip des Drittvergleichs bei Darlehensgeschäften in erster Linie eine angemessene Verzinsung erfordert, wird im Schrifttum bei Darlehensgewährungen i.R.d. 358 tHGB eine angemessene Verzinsung für erforderlich gehalten, auch wenn dies in der Norm nicht verlangt wird.883 Teilweise wird dieses Erfordernis aus der dahingehenden Ausführung der Begründung hergeleitet, dass „das dringliche Bedürfnis der Aktionäre nach Kapital innerhalb einer angemessenen Frist aus dem Gesellschaftsvermögen in der Weise zu stillen, dass die Gesellschaft nicht beschädigt wird.“884 Davon ausgehend wird ausgeführt, dass die dem Drittvergleich nicht standhaltenden Zuwendungen an Aktionäre zur Einlagenrückgewähr führen, sodass Art. 358 tHGB verletzt wird.885 Bei einem unverzinslichen oder unangemessen verzinsten Darlehen geschieht offensichtlich eine verdeckte Vermögenszuwendung in Höhe der fehlenden Verzinsung an Aktionäre. Dies ist mit dem zentralen Grundsatz des Vermögensschutzes und der daraus resultierenden Regel, dass den Aktionären keine Vermögensvorteile – außer der Gewinnanteile – zustehen, nicht vereinbar. Aus diesem Grund ist m. E. davon auszugehen, dass selbst bei Erfüllung der in Art. 358 tHGB ausgeführten Voraussetzungen das unverzinsliche bzw. unangemessen verzinste Darlehen ein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot (Art. 480 Abs. 3 tHGB) darstellen würde. Zwar geht auch aus den einschlägigen Erklärungen der Begründung des Art. 358 tHGB das Verzinsungserfordernis hervor,886 allerdings stellt das Fehlen der angemessenen Verzinsung m. E. kein Verstoß gegen das Art. 358 tHGB dar, weil die Verzinsung in der Norm nicht als eine Zulässigkeitsvoraussetzung vorgesehen wird. Deswegen stellt dies eher ein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot des Art. 480 Abs. 3 tHGB dar. c) Die Rückzahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers bei unbesichertem Darlehen Im Art. 358 tHGB beachtet der türkische Gesetzgeber – anders als deutsches System (§§ 30 GmbHG, 57 AktG) – nicht die wirtschaftliche Lage des darlehensnehmenden Aktionärs, sondern er stellt auf die wirtschaftliche Lage der darlehensgebenden Gesellschaft ab und verbietet aufsteigende Darlehensvergaben bei

883 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2012, S. 243; Toraman-C ¸ olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 242 f. 884 Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2012, S. 243; Toraman-C ¸ olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 243. 885 Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 243. 886 „das dringliche Bedürfnis der Aktionäre … aus dem Gesellschaftsvermögen in der Weise zu stillen, dass die Gesellschaft nicht beschädigt wird“.

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bestehender Unterbilanz.887 An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob das Schweigen des Gesetzgebers über die wirtschaftliche Lage des darlehensnehmenden Aktionärs automatisch zur Annahme führen würde, dass dies bei aufsteigenden Kreditvergaben außer Acht gelassen werden kann. Anders formuliert, ist die Darlehensauszahlung bei der Erfüllung der in der Norm angegebenen Voraussetzungen trotz der fehlenden Rückzahlungsfähigkeit bzw. schlechten Bonität des Aktionärs zulässig? Unter Berücksichtigung des Kapitalerhaltungsgebots wird in der Literatur die Frage verneint.888 Es wird angenommen, dass ein Darlehensvertrag als nichtig gelten solle, wenn die Rückzahlung der Darlehenssumme wegen der schlechten Wirtschaftslage des darlehensnehmenden Aktionärs nicht möglich erscheint (fiktives Darlehen). Hinsichtlich der Zulässigkeit des (unbesicherten) Darlehens unter dem Kapitalerhaltungsgebot wird also vorausgesetzt, dass die Gesellschaft nicht einen fiktiven, sondern einen realisierbaren Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Darlehensnehmer hat.889 Solange das Darlehen besichert ist, erweist es sich im Hinblick auf den Vermögensschutz als nicht problematisch. Bei der Zulässigkeit von einem unbesicherten Darlehen an Aktionäre sollte es auch m. E. immer darauf ankommen, ob das Darlehen insoweit unbedenklich ist, dass die Rückzahlungsfähigkeit des darlehensnehmenden Aktionärs im Zeitpunkt der Darlehensgewährung tatsächlich besteht. Denn solange die wirtschaftliche Lage des darlehensnehmenden Aktionärs gut und der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft durchsetzbar ist, liegt bilanziell gesehen nur ein Aktivtausch und kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vermögensschutzes vor. In dem Fall, in dem es offensichtlich ist, dass Darlehen wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage des Darlehensnehmers nicht zurückgezahlt werden kann, kann man nicht mehr von einem Aktivtausch und somit von einem kapitalerhaltungsrechtlich zulässigen Darlehen sprechen. Denn die Gesellschaft übernimmt bei einer solchen (unbesicherten) Darlehensvergabe ganz offensichtlich das Ausfallsrisiko und dadurch erfolgt eine verdeckte Vermögenszuwendung an Aktionäre in Höhe des Darlehensbetrags. Ist die Bonität des Aktionärs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zweifelhaft, so ist anzunehmen, dass die Darlehensgewährung unter dem 887 A.A. Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 239 f.; Kendigelen, ˙Ilk Tespitler2012, S. 245 f. Diesen Autoren zufolge werden damit aufsteigende Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen unabhängig davon verboten, ob eine Unterbilanz steht. 888 Sevi, AO’da Sermaye, S. 477 ff.; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 680 Fn. 777. Der Autor interpretiert zwar den Grundsatz der Kapitalerhaltung eng und beschränkt sein Schutzgebiet auf das gebundene Kapital, aber er spricht sich für die Anwendung der Nichtigkeitsfolge des Verstoßes gegen die Kapitalerhaltung auch für den Fall aus, dass wegen der fehlenden Rückzahlungsfähigkeit des darlehensnehmenden Gesellschafters die Rückzahlung der Darlehenssumme nicht möglich erscheint, auch wenn das gebundene Kapital damit nicht beeinträchtigt wird. Vgl. auch Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 18 f., wonach die Unzulässigkeit des Darlehens gem. Art. 480 Abs. 3 tHGB erst bei fiktiven Darlehen in Betracht komme, weil es bei einem fiktiven Darlehen von Anfang an bestimmt sei, dass der darlehensnehmende Gesellschafter nicht den Willen zur Rückerstattung der Darlehenssumme habe. 889 Sevi, AO’da Sermaye, S. 477 ff.

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Aspekt des Vermögensschutzes grundsätzlich zulässig ist und kein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot des Art. 480 Abs. 3 tHGB vorliegt.890 Dies sollte auch für Art. 358 tHGB gelten. Auch wenn Art. 358 tHGB Darlehensvergabe an Aktionäre erlaubt und dabei keine Aussage über die wirtschaftliche Lage der Aktionäre ausspricht, könnte diese Regelung nicht in der Weise verstanden werden, dass damit Darlehensvergaben an Aktionäre ohne Weiteres zu jeder Kondition für zulässig erklärt werden, solange die Verluste gedeckt sind. Dies ist vor allem mit dem Vermögensschutzsprinzip des Art. 480 Abs. 3 tHGB nicht vereinbar. Nach hier vertretener Ansicht macht es keinen Unterschied, ob das Darlehen aus dem gebundenen Vermögen oder aus dem freien Vermögen gewährt wurde, solange die Bonität des Darlehensnehmers hinreichend ist und infolge der Darlehensvergabe in der Bilanz ein Aktivtausch entstanden ist (bilanzielle Betrachtungsweise). Weist der darlehensnehmende Gesellschafter ausreichende Bonität auf und besteht an der Rückzahlung des Darlehens kein Zweifel, sollte m. E. das Darlehen nicht nur i.R.d. Art. 480 Abs. 3 tHGB, sondern auch i.R.d. Art. 358 tHGB als zulässig gelten.891 Nach der Gegenansicht jedoch, wonach der Gesetzgeber durch Art. 358 tHGB ausdrücklich die bilanzielle Betrachtungsweise für die Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen ablehne, verstoße eine Darlehensvergabe aus dem gebundenen Vermögen gegen Art. 358 tHGB, während dies i.R.d. 480 Abs. 3 tHGB aufgrund der hierbei geltenden bilanziellen Betrachtungsweise zulässig sei.892 Da nach hier vertretener Ansicht aus dem Art. 358 tHGB eine derartige Absicht des Gesetzgebers, d. h. die Ablehnung der bilanziellen Betrachtungsweise für die Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen, nicht hervorgeht, ist diese Ansicht nicht überzeugend. Ferner muss gemäß Art. 369 tHGB (Art. 626 Abs. 1 tHGB – zur GmbH) die Geschäftsführung der darlehensgebenden Gesellschaft ihre Aufgaben mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters erfüllen und die Interessen der Gesellschaft nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wahren. Dementsprechend ist die Geschäftsführung der darlehensgebenden Gesellschaft verpflichtet, vor der Darlehensvergabe außer der im Art. 358 tHGB vorgesehenen Voraussetzungen noch die Rückzahlungsfähigkeit des darlehensnehmenden Aktionärs und damit die Durchsetzbarkeit des Rückzahlungsanspruchs zu überprüfen, wenn keine Besicherung des Darlehens erfolgt. Die sorgfältige Leitungspflicht der Geschäftsführung erfordert noch, dass sie die Bonität des darlehensnehmenden Aktionärs bzw. Gesellschafters fortlaufend kontrolliert und bei einer Gefahr darauf reagiert, sodass die Gesellschaft keinen Schaden wegen der Darlehensvergabe erleidet.

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Glanzmann, Darlehensvertrag mit einer Aktiengesellschaft, S. 99. Die Voraussetzungen des Art. 358 tHGB müssen auch schon erfüllt sein. D. h. die fällige Einlagepflicht muss schon erfüllt sein und zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe muss sich die Gesellschaft nicht bereits in der Unterbilanz befinden. 892 Toraman-C¸olgar, S¸irkete Borçlanma Yasag˘ ı, S. 239 f. 891

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

V. Rechtsfolgen von Verstoß gegen Art. 358, 480 Abs. 3 tHGB 1. Beim Verstoß gegen Art. 358 tHGB Durch das Änderungs-Gesetz mit der Nummer 6335 wurde nicht nur Art. 358 tHGB a.F. geändert, sondern es wurde auch die strafrechtliche Sanktion aufgehoben, die für den Fall des Verstoßes gegen die Norm für Aktionäre vorgesehen war. Vor der Änderung war für die Aktionäre beim Verstoß gegen Art. 358 tHGB eine strafrechtliche Sanktion durch Art. 562 Abs. 5 lit. c tHGB a.F. vorgesehen. Demnach mussten die Aktionäre, denen gegen Art. 358 tHGB a.F. aus der Gesellschaft Geld ausgezahlt wurde, zu einer Geldstrafe mindestens von 300 Tage verurteilt werden. Durch die Änderung wurde jedoch der Adressat dieser strafrechtlichen Sanktion geändert und diese Sanktion wurde an diejenigen gerichtet, die gegen Art. 358 tHGB an Aktionäre Mittel aus der Gesellschaft ausgezahlt haben (Art. 562 Abs. 5 lit. b tHGB). Damit wurde die Hauptverantwortung auf die Schultern von Geschäftsleitern abgeladen. Demnach muss das geschäftsführende Organ, das gegen Art. 358 tHGB an Aktionäre Darlehen ausgereicht hat, eine Geldstrafe mindestens von 300 Tage zahlen. Diese strafrechtliche Sanktion wird allerdings hinsichtlich der Geschäftsleiter der GmbH nicht vorgesehen.893 In Bezug auf die Zulässigkeit des gegen Art. 358 tHGB verstoßenden Darlehensgeschäfts und die Rückzahlungspflicht des Aktionärs besteht zwar keine besondere Regelung im Gesetz, aber in der Literatur wird vorwiegend angenommen, dass eine gegen Art. 358 tHGB verstoßende Darlehensvergabe gem. Art. 1530 Abs. 1 tHGB894 nichtig sein müsse895 und der ausgezahlte Betrag zurückgezahlt werden müsse.896 Zur Rechtsgrundlage der Rückzahlungspflicht des Aktionärs werden allerdings verschiedene Meinungen geäußert. Nach einer Ansicht muss dabei die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung gem. Art. 77 ff. tOR in Anwendung kommen,897 während nach der anderen Ansicht die in Art. 395 tHGB898 für die Mitglieder von Verwaltungsrat der AG vorgesehene Rückzahlungspflicht in Özkorkut, BATI˙DER 2012, S. 53; Hızır, BATI˙DER 2013, S. 283. Art. 1530 Abs. 1 tHGB: „Die durch die handelsrechtlichen Vorschriften verbotenen Rechtsgeschäfte und Voraussetzungen sind nichtig, solange keine dagegensprechende Regelung existiert.“ 895 Hızır, BATI˙DER 2013. S. 284; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 680. 896 Hızır, BATI˙DER 2013. S. 284 f.; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Kırca, Anonim S¸irketler, C. I, S. 680; Yüce, Regesta 2012, S. 72 f.; C¸eker, MÜHFHAD 2012 (Özel Sayı), S. 666; wohl auch Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 13. 897 Hızır, BATI˙DER 2013, S. 284 f. 898 In Art. 395 tHGB wird die Kreditgewährung an Mitglieder von Verwaltungsrat und an deren Verwandten, welche zugleich nicht Aktionäre sind, gesondert geregelt und verboten. Demnach dürfen die Mitglieder des Verwaltungsrats oder jemand aus deren Verwandtschaft in aufsteigender sowie absteigender Linie oder deren Ehegatten/in oder jemand aus ihrer Blutsverwandtschaft sowie Schwägerschaft bis einschließlich dritten Grades keine in bar zu leistenden Schulden bei der Gesellschaft machen. 893

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Analogie auch für die Fälle angewendet werden muss, in denen an Aktionäre gegen Art. 358 tHGB Darlehen ausgezahlt wird.899 Demnach müssten die Gläubiger der Gesellschaft im Falle einer gegen Art. 358 tHGB verstoßenden Darlehensvergabe gegen die betreffenden Aktionäre klagen dürfen. Zu der ungeänderten Fassung des Art. 358 tHGB, wonach die Kreditvergabe grundsätzlich verboten war, wurde in der Literatur zudem angenommen, dass beim Verstoß gegen Art. 358 tHGB eine analoge Anwendung des Art. 512 Abs. 1 tHGB900 in Betracht kommen könne.901 2. Beim Verstoß gegen Art. 480 Abs. 3 tHGB Nach hier vertretener Ansicht stellt Art. 480 Abs. 3 tHGB einen umfassenden allgemeinen Vermögensschutz dar, sodass – außer der im Gesetz vorgesehenen Auszahlungen – alle anderen offenen und verdeckten Vermögenszuwendungen an Aktionäre als Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot angesehen werden sollen. Demgemäß ist die Zulässigkeit einer (unbesicherten) Darlehensvergabe an die Aktionäre vor allem davon abhängig, dass die Rückzahlung der Darlehenssumme nicht zweifelhaft ist. D. h. abgesehen von den Voraussetzungen des Art. 358 tHGB sollte zuerst darauf geachtet werden, dass der darlehensnehmende Aktionär von Anfang an wirtschaftlich in der Lage ist und tatsächlich bezweckt, das Darlehen zurückzuzahlen. Sonst könnte man nicht von einem kapitalerhaltungsrechtlich unschädlichen Darlehensgeschäft reden, sondern eher von einer verdeckten Vermögenszuwendung an die Aktionäre, die unter dem Deckmantel des Darlehens erfolgt. Deswegen sollte schließlich nach hier vertretener Ansicht ein ungesichertes Darlehen an Aktionäre unter dem Aspekt von Vermögensschutz als zulässig erachtet werden, solange man ausgehend von der Bonität des darlehensnehmenden Aktionärs annehmen darf, dass dabei nur ein Aktivtausch stattfindet. Liegt ein fiktives Darlehen vor oder ist der darlehensnehmende Aktionär nicht in der Lage, das Darlehen zurückzuzahlen, dann ist anzunehmen, dass die Darlehensvergabe gegen Art. 480 Abs. 3 tHGB verstößt und daher nichtig ist, obwohl die Voraussetzungen des Art. 358 tHGB zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe erfüllt sind.

B. Der Grundsatz der „Kapitalerhaltung“ bei der unverbundenen GmbH Als eine Kapitalgesellschaft gilt auch bei der GmbH das Trennungsprinzip zwischen dem Gesellschaftsvermögen und dem Privatvermögen der Gesellschafter und dementsprechend der Grundsatz der Kapitalerhaltung.902 Nach Art. 601 tHGB 899 900 901 902

Yüce, Regesta 2012, S. 72 f.; C¸eker, MÜHFHAD 2012 (Özel Sayı), S. 666. Für Erklärungen zum Art. 512 Abs. 1 tHGB siehe Kapitel 2, § 4, A., II., 4. Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 243. Ausführlich zur türkischen GmbH siehe insb. Alıs¸kan, Limited S¸irket, S. 82 ff.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

dürfen auch bei der GmbH die Einlagen nicht zurückerstattet werden. M. E. sollten auch bei der GmbH die unter dem Deckmantel des Darlehens erfolgten verdeckten Vermögensverlagerungen an Gesellschafter als nichtig gelten, unabhängig davon, ob das Darlehen von dem gebundenen Kapital oder freien Mitteln gewährt wurde. Entsprechend dem aktienrechtlichen Art. 512 tHGB findet sich auch im GmbHRecht eine sinngemäß gleichlautende Regelung zur Rückerstattungspflicht der Gesellschafter. Genauso wie bei Art. 512 tHGB (zur AG) geht es auch in Art. 611 tHGB (zur GmbH) um die Rückerstattung der ungerechtfertigt bezogenen Gewinnanteile. Wie schon im Bereich des Aktienrechts ausgeführt,903 fehlt auch im türkischen GmbH-Recht eine Regelung wie Art. 678 Abs. 2 sOR, die die Rückzahlung allgemein ungerechtfertigter bzw. verdeckter Leistungen an Gesellschafter reguliert.904 Deswegen sollte aus schon im Aktienrecht ausgeführten Gründen eine unbesicherte Darlehensvergabe einer Einlagenrückgewähr i.S.v. Art. 601 tHGB gleichgesetzt werden und als nichtig gelten, solange sie fiktiv ist oder in Anbetracht der Bonität des darlehensnehmenden Gesellschafters die Rückzahlung des Darlehens nicht möglich ist. Denn der aktienrechtliche Art. 512 tHGB und der gleichlautende Art. 611 Abs. 1 tHGB (zur GmbH) regeln einerseits ausschließlich den Fall, dass ungerechtfertigt Gewinnanteile bezogen werden, andererseits setzen sie für die Rückerstattung die Bösgläubigkeit des Aktionärs bzw. des Gesellschafters voraus. Diese Normen bieten daher keinen ausreichenden Schutz. Der Art. 358 tHGB gilt auch bei GmbH in Verbindung mit Art. 644 tHGB. Deswegen gelten die obigen Ausführungen zu Art. 358 tHGB sinngemäß auch für die GmbH.

C. Konzernrechtliche Sonderregelungen und Vermögensschutz, Art. 202 ff. tHGB I. Die Anwendung konzernrechtlicher Regelungen auf die verbundene AG und GmbH Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich das deutsche und das türkische Rechtssystem in Bezug auf den Anwendungsbereich der konzernrechtlichen Regelungen unterscheiden. Das deutsche Recht liefert mit den §§ 311 ff. AktG ein spezielles Regelungssystem für faktische Konzernierung, welches voraussetzt, dass es sich bei der abhängigen Gesellschaft um eine AG (oder KGaA) handelt. Ist die faktisch abhängige Gesellschaft eine GmbH, finden die §§ 311 AktG nach dem Wortlaut des Gesetzes offensichtlich keine Anwendung. Eine analoge Anwendung wird auch ganz 903

Siehe Kapitel 2, § 4, A., II., 4. Im schweizerischen GmbH-Recht wird auf den aktienrechtlichen Art. 678 sOR verwiesen, i.V.m. Art. 800 sOR. Siehe für diesbezügliches schweizerisches System Kapitel 2, § 4, A., II., 2. 904

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überwiegend abgelehnt.905 Im faktischen GmbH-Konzern kommen also nur die allgemeinen Regeln der §§ 30, 31 GmbHG uneingeschränkt zur Anwendung. Der Anwendungsbereich der konzernrechtlichen Regelungen ist jedoch im türkischen System umfangreicher als im deutschen Recht. Der türkische Gesetzgeber stellt nämlich das ganze Konzernrecht („Gesellschaftsgruppenrecht“)906 auf Grundlage der „Handelsgesellschaften“ ab, sodass die konzernrechtlichen Sonderregelungen (Art. 195 – 209 tHGB) ohne Differenzierung hinsichtlich der Rechtsform des Konzernmitglieds, welches aber unbedingt eine Handelsgesellschaft sein muss, Anwendung finden. Aus diesem Grund gelten die folgenden Ausführungen sowohl für die abhängige AG als auch für die abhängige GmbH. II. Schutzsystem des Art. 202 Abs. 1 tHGB Das Ziel des türkischen Konzernrechts besteht darin, die abhängige Gesellschaft, die außenstehenden Gesellschafter und die Gläubiger zu schützen.907 Mit diesem Zweck greift der türkische Gesetzgeber die missbräuchliche Herrschaftsausübung in zwei Kategorien auf, jeweils in Art. 202 Abs. 1 und Abs. 2 tHGB. In erster Kategorie werden die Fälle behandelt, in denen die herrschende Gesellschaft ihre Herrschaft in der Weise rechtswidrig ausübt, dass ein Nachteil bei der abhängigen Gesellschaft zustandekommt (Art. 202 Abs. 1). In zweiter Kategorie geht es um die Umstände, in denen die herrschende Gesellschaft durch Ausübung ihrer Herrschaft die Organe der abhängigen Gesellschaft dazu veranlasst, strukturändernde Beschlüsse, wie über Fusionen, Aufspaltungen, Umwandlungen, Auflösungen, Effektenemissionen oder wichtige Satzung- bzw. Gesellschaftsvertragsänderungen zu treffen, welche seitens der abhängigen Gesellschaft auf keinem eindeutig nachvollziehbaren berechtigten Grund beruht (Art. 202 Abs. 2). Das Gesetz räumt den diesen Beschlüssen nicht zustimmenden Gesellschaftern das Recht ein, die herrschende Gesellschaft auf Schadensersatz zu verklagen oder von ihr zu verlangen, dass sie ihre Anteile aufkauft (Sell-Out Recht). Da diese letztgenannte Kategorie für das Thema dieser Arbeit nicht relevant ist, wird darauf nicht weiter eingegangen.908 Von Bedeutung sind nämlich hierbei die in Art. 202 Abs. 1 geregelte erste Kategorie der rechtswidrigen Machtausübungen, welche sich seitens der abhängigen Gesellschaft als nachteilig erweisen.

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Ausführlich dazu Kapitel 2, § 2, H., II. Der türkische Gesetzgeber bevorzugt zwar im Gesetzestext den Begriff von „Gesellschaftsgruppen“, es wird aber bei dieser Arbeit auch für das türkische Recht der Begriff „Konzern“ verwendet. 907 Statt aller Tekinalp, Journées turco-suisses 2006, S. 161. 908 Für ausführliche Erklärungen allgemein zu Art. 202 Abs. 2 tHGB in englischer bzw. deutscher Sprache s. Tekinalp, in: FS für von Büren, S. 172 ff.; Okutan-Nilsson, Journées turcosuisses 2006, S. 195 ff.; Eminog˘ lu, Konzern/Gesellschaftengruppe, Österreich-Türkei-EU, S. 205 ff.; Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 341 ff., Rn. 542 ff. 906

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Das in Art. 202 Abs. 1 tHGB geregelte hauptsächliche Konzept des türkischen Konzernrechts basiert wesentlich auf dem deutschten Recht zum faktischen Aktienkonzern. Es wird dabei grundsätzlich auf das Konzept der §§ 311, 317 AktG zurückgegriffen, welches der rechtswidrigen Ausübung der Beherrschung durch das sog. „Einzelausgleichssystem“ begegnet.909 Demnach ist – ganz kurz gefasst – die Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zu nachteiligen Rechtsgeschäften oder Maßnahmen durch das herrschende Unternehmen nur gegen Ausgleich der Nachteile zulässig und im Falle des Nichtausgleichs trifft das herrschende Unternehmen die Schadensersatzpflicht. Parallel zum deutschen System darf auch gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. a tHGB eine herrschende Gesellschaft ihren Einfluss nicht in der Weise ausüben, dass die abhängige Gesellschaft einen Nachteil („kayıp“) erleidet, es sei denn, der Nachteil wird ausgeglichen. Liegt ein Nachteil vor, so muss der Nachteil noch während des laufenden Geschäftsjahrs faktisch mit einem Vorteil ausgeglichen werden oder der abhängigen Gesellschaft ein gleichwertiger Rechtsanspruch unter der Bedingung, dass erklärt wird, wann und wie der Nachteil ausgeglichen wird, bis spätestens zum Ende des laufenden Geschäftsjahres gewährt werden. Im Falle des Nichtausgleichs oder der Nichtgewährung eines gleichwertigen Rechtsanspruchs kommt die Haftung der herrschenden Gesellschaft bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter gegenüber den Gesellschaftern und Gläubigern der abhängigen Gesellschaft in Betracht (Art. 202 Abs. 1 lit. b und c tHGB). Genauso wie im deutschen System zum faktischen AG-Konzern ist schließlich auch im türkischen Konzernrecht die nachteilige Ausübung der Beherrschung gerechtfertigt bzw. zulässig, solange der Nachteil ausgeglichen wird. Findet der Ausgleich in gesetzlich vorgesehenen Fristen nicht statt oder wird der abhängigen Gesellschaft kein ausgleichender Rechtsanspruch gewährt, so kommt erst dann die Haftung der herrschenden Gesellschaft sowie ihrer gesetzlichen Vertreter und damit der Schadensersatz in Betracht.910 Auch wenn der Ausgangspunkt der türkischen konzernrechtlichen Regelungen hauptsächlich das deutsche Verständnis des faktischen Konzerns bildet, unterscheidet sich das türkische Konzept in gewissen Punkten vom deutschen. Anstatt hier alle Unterschiede auf einmal aufzuzählen, wird jeweils an einschlägiger Stelle auf Unterschiede zwischen diesen zwei Systemen hingewiesen.

III. Nachteilsbegriff des Art. 202 Abs. 1 tHGB Genauso wie im deutschen Konzernrecht wird auch im türkischen keine genauere Definition des Begriffs Nachteil („kayıp“) gemacht. Allerdings, anders als § 311 Abs. 1 AktG, wobei allgemein nur vom „Nachteil“ gesprochen wird, werden in Art. 202 Abs. 1 tHGB einige Erscheinungsfälle nachteiliger Rechtsgeschäfte bzw. Maßnahmen, welche aus der Ausübung der Beherrschung resultieren könnten, exemplarisch aufgezählt. Demnach darf die herrschende Gesellschaft die abhängige 909 910

Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, B., I. Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-88.

§ 4 Im faktischen AG- und GmbH-Konzern

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Gesellschaft nicht dazu veranlassen, Rechtsgeschäfte wie etwa Werks-, Vermögens-, Fonds-, Arbeitnehmer-, Forderungs- und Schuldübertragungen vorzunehmen; ihren Gewinn zu verringern oder zu übertragen; ihr Vermögen mit dinglichen oder persönlichen Rechten einzuschränken; Bürgschafts-, Garantie- oder Wechselbürgschaftsverpflichtungen einzugehen; Zahlungen zu leisten. Außerdem wird der herrschenden Gesellschaft untersagt, die abhängige Gesellschaft dazu zu veranlassen solche Beschlüsse zu fassen oder Maßnahmen zu ergreifen, die die Produktivität, Tätigkeit oder Entwicklung der abhängigen Gesellschaft negativ beeinflussen, wie etwa die Verhinderung der Betriebserneuerung, Einschränkung oder Einstellung der Investitionen bzw. Maßnahmen zu unterlassen, die zur Entwicklung der abhängigen Gesellschaft führen können. Auch wenn die genauere Bedeutung des für den Begriff „Nachteil“ verwendeten Wortes „kayıp“ wörtlich übersetzt im deutschen Sprachgebrauch den Begriff „Verlust“ deckt, geht sowohl aus der Begründung als auch aus den aufgezählten Beispielsfällen explizit hervor, dass das Wort entsprechend dem deutschen Nachteilsbegriff i.S.d. § 311 AktG verwendet wird und ihm daher ein umfassenderer Umfang zuzubilligen ist.911 In der Begründung wird zudem auch darauf hingewissen, dass sich der Begriff „kayıp“ von dem obligationsrechtlichen Begriff des „Schadens“ („zarar“) unterscheide, weil er zugleich auch ihn umfasse. Demnach könne die Vermögensminderung sowie die Verhinderung der Vermögensmehrung oder der Verlust der Geschäftschancen oder der Möglichkeit, einen geschäftlichen Auftrag erfolgreich auszuüben, zu einem Nachteil i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB führen.912 Auch in der Literatur wird zu Recht der Nachteilsbegriff i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB – parallel zur deutschen Auffassung – derart umfassend ausgelegt, dass damit nicht nur die konkrete Vermögensminderung, sondern auch die Verhinderung des Vermögenszuwachses sowie die Beeinträchtigung der Ertragslage und der Entzug der Geschäftschancen gemeint werde.913 Insoweit geht der Nachteilsbegriff über den „Schaden“ hinaus und erfordert nicht unbedingt das Vorliegen eines Verlustes.914 Ebenso wie in § 317 Abs. 2 AktG wird auch im türkischen Konzernrecht durch Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB statuiert, dass die Ersatzpflicht nicht eintritt, wenn bewiesen wird, dass das benachteiligende Rechtsgeschäft unter gleichen oder ähnlichen Umständen auch von Verwaltungsratsmitgliedern einer unabhängigen Gesellschaft, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handeln, vorgenommen oder unterlassen worden wäre. Darüber, ob diese 911

Begründung zu Art. 202 tHGB. Begründung zu Art. 202 tHGB. 913 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 228 f.; Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-92; ders., in: FS von Büren, S. 156 f.; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 200 ff.; Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 305 f., Rn. 477; Eminog˘ lu, Konzern/ Gesellschaftengruppe, Österreich-Türkei-EU, S. 198. Nach einer anderen Ansicht gehe jedoch das tHGB von einem breiteren Nachteilsbegriff aus als das deutsche AktG, Pulas¸lı, S¸irketler Hukuku, S. 238. 914 Siehe zum deutschen Recht Kapitel 2, § 3, B., II. 912

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Norm bei der Definition bzw. Ermittlung des Nachteils eine Rolle spielt, besteht weder eine Erklärung im Gesetz noch in der Begründung. Die Frage wird daher in der türkischen Literatur unter Berücksichtigung der schon in Deutschland durchgeführten Diskussionen behandelt. In diesem Zusammenhang schließen sich manche Autoren der in Deutschland herrschenden Ansicht an und gehen davon aus, dass bereits auf der Tatbestandsebene bei der Feststellung des Nachteils Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB, d. h. das fiktive Verhalten ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft berücksichtigt werden solle.915 Unter Anerkennung, dass die im deutschen Recht herrschende Auslegung des Nachteilsbegriffs zu einem richtigen Ergebnis führt, lehnt hingegen eine andere Literaturmeinung die Heranziehung von Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB bei der Ermittlung Nachteilsbegriffs ab.916 Denn, ob ein Rechtsgeschäft zu einem Nachteil führe, sei eine andere Frage, welche unabhängig davon zu untersuchen sei, ob das betreffende Rechtsgeschäft ein Nachteil verursache, der die Ersatzpflicht der herrschenden Gesellschaft i.S.d. Gesetzes in Betracht ziehe. Nach der Vertreterin dieser Ansicht komme nicht nur beim Vorliegen einer gegen die Sorgfaltspflicht verstoßenden Veranlassung ein Nachteil zustande, sondern auch die im Rahmen der Sorgfaltspflicht vorgenommenen Maßnahmen könnten sich nachteilig auswirken. Im zweiten Fall ergebe sich allerdings keine Haftung, weil in diesem Fall keine Sorgfaltspflichtverletzung vorliege. Deswegen solle erstmal bloß untersucht werden, ob wegen des Rechtsgeschäfts ein Nachteil entstanden sei, danach solle festgestellt werden, ob dieser Nachteil ein solcher sei, der die Ausgleichspflicht und somit die Schadensersatzpflicht der herrschenden Gesellschaft in Betracht ziehe.917 Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB sei schließlich nach dieser Ansicht nicht als ein Kriterium bei der Beurteilung des Nachteils angenommen werden. Denn es gehe hierbei um eine „Verschuldungshaftung“ und insoweit stellt Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB einerseits einen Sorgfaltsmaßstab bezüglich des Verschuldens der herrschenden Gesellschaft fest, andererseits stellt sie eine Beweislastnorm dar.918 Ein anderer Autor geht direkt davon aus, dass Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB eine „Exkulpationsmöglichkeit“ für die herrschende Gesellschaft und ihre gesetzlichen Vertreter regele, ohne auf die Norm mit dem Nachteilsbegriff zu rekurrieren.919 915 Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 202, 220 ff.; Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 306 ff., Rn. 478. 916 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 230, 334. Die Autorin nähert sich damit der sich im deutschen Recht nicht durchgesetzten Ansicht. 917 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 230. Die Autorin verweist dabei auf die sich in Deutschland nicht durchgesetzte Ansicht von Voigt (Haftung aus Einfluss auf die Aktiengesellschaft, S. 335 f.), welcher § 317 Abs. 2 AktG als einen normativen Verschuldensmaßstab anordnet, der für die herrschende Gesellschaft vorgesehen wird. Nach ihm bestehe daher kein ausreichender Grund dafür, schon den Nachteilsbegriff im Vorfeld der Ersatzpflicht an deren Beschränkungen auszurichten. Auch so MünchKomm-AktG/Altmeppen, § 311, Rn. 162 ff.; ders., ZHR 2007, S. 330 ff. jeweils m.w.N. 918 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 335 ff. 919 Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-118.

§ 4 Im faktischen AG- und GmbH-Konzern

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Der Nachteilsbegriff im hier genannten Sinne kann m. E. nicht isoliert von dem Entstehungszweck der konzernrechtlichen Regelungen bestimmt werden. Mit der Kodifizierung besonderer konzernrechtlicher Haftungsnormen bezweckt man den infolge der faktischen Machtausübung des herrschenden Gesellschafters entstandenen Beeinträchtigungen zum Schutz der Betroffenen (der abhängigen Gesellschaft, ihren Gläubigern und den Minderheitsgesellschaftern) sachgerecht zu begegnen. Die Nachteile, die wegen der unvermeidbaren unternehmerischen Risiken entstehen, sind nicht der Gegenstand des Konzernrechts, sondern als solche sind sie von der abhängigen Gesellschaft, ihren Gläubigern und sämtlichen Gesellschaftern gleichermaßen zu tragen.920 Der Sinn und Zweck des Konzernrechts geht also nicht dahin, dem herrschenden Unternehmen sämtliche Risiken der abhängigen Gesellschaft aufzubürden, sondern diese ausschließlich vor den Gefahren ihrer gesellschaftlichen Abhängigkeit zu schützen. Der konzernrechtlich relevante Nachteilsbegriff bezieht sich daher ausschließlich auf jene Nachteile, die sich aus der Abhängigkeit der Gesellschaft ergeben, weswegen der Nachteilsbegriff des Art. 202 Abs. 1 tHGB von Anfang an eine auf den Schutz- bzw. Entstehungszweck des Konzernrechts gerichtete Bewertung erfordert. Von diesem Standpunkt aus gesehen verkennt offensichtlich die zweitgenannte Ansicht, dass die Auslegung des Nachteils i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB im reinen Wortsinn im Kontext der konzernrechtlichen Regelungen von keiner Bedeutung ist. Wie Art. 202 Abs. 1 lit. a tHGB zeigt, kommt nämlich einem Nachteil in konzernrechtlicher Hinsicht Bedeutung zu, wenn dieser durch die Mehrheitsmacht induziert ist. Deswegen fehlt m. E. der zweiten Ansicht vor allem die praktische Bedeutung, weil eine Untersuchung bzw. Feststellung einer bloßen Verschlechterung der Vermögens- bzw. Ertragslage der abhängigen Gesellschaft zu nichts führen würde, wenn sich nachher herausstellt, dass er nicht konzernrelevant ist, d. h. nicht aus der gesellschaftlichen Abhängigkeit, sondern – ganz unabhängig davon – aus den unternehmerischen Risiken resultiert und daher keiner konzernrechtlichen Sanktion bedarf. Konsequent ist daher der Nachteilsbegriff schon im Vorfeld danach zu bestimmen, ob die Nachteile wegen der Abhängigkeit der Gesellschaft entstanden sind. Dementsprechend sollte m. E. bei der tatbestandlichen Ausgestaltung des Nachteilsbegriffs i.S.d. Konzernrechts Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB (entsprechend § 317 Abs. 2 AktG) herangezogen werden und erst dann vom Vorliegen eines Konzernrecht-relevanten Nachteils ausgegangen werden, wenn sich auch der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer nicht abhängigen Gesellschaft anders verhalten hätte.

920 Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 40; Adler/Düring/ Schmaltz, § 311, Rn. 38; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 61.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

IV. Das Verhältnis zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzssystem und dem konzernrechtlichen Schutzsystem Sowohl bei unverbundenen als auch bei verbundenen Gesellschaften wird der Schutz der Gläubiger und der (Minderheits-)Aktionäre bezweckt. Der Unterschied zeigt sich in der Schutzweise der Regelungen. Im Falle des Verstoßes gegen die kapitalerhaltungsrechtlichen Regelungen in einer konzernfreien AG bzw. GmbH spricht man einerseits von der Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte, andererseits kommen sofort zivil- und strafrechtliche Sanktionen in Betracht.921 Bei einer konzernierten AG bzw. GmbH räumt jedoch das Gesetz der herrschenden Gesellschaft die Möglichkeit eines hinausgeschobenen Nachteilsausgleichs ein. Damit lässt es die Benachteiligung der faktisch abhängigen AG oder GmbH im Interesse des Konzerns bzw. des herrschenden Unternehmens zu, solange während des Geschäftsjahrs tatsächlich ein Ausgleich erfolgt oder bis zum Ende des Geschäftsjahrs ein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Ausgleichsleistung eingeräumt wird (Art. 202 Abs. 1 tHGB). In Bezug auf die Zulässigkeit des i.R.d. Cash Pooling an die herrschende Gesellschaft ausgegebenen Darlehens sollte an dieser Stelle geklärt werden, in welchem Verhältnis die kapitalerhaltungsrechtlichen Regelungen zur unverbundenen Gesellschaften (Art. 358, Art. 480 Abs. 3, Art. 601 tHGB) zu dem konzernrechtlichen Konzept (Art. 202 Abs. 1 tHGB) stehen. Mit anderen Worten, welche haben den Vorrang? Die Frage ist deswegen gerechtfertigt, weil – genauso wie im deutschen Recht zum faktischen Konzern (§§ 311 ff. AktG) – auch die türkischen konzernrechtlichen Regelungen keine Bestimmung enthalten, die die Anwendung von Art. 358, 480 Abs. 3, 601 tHGB bei faktischen Konzernierungen ausschließt. Außerdem sollte untersucht werden, ob die Voraussetzungen bzw. Maßstäbe der kapitalerhaltungsrechtlichen Regelungen bei der Frage der Zulässigkeit der Darlehensvergabe i.S.d. Art. 202 tHGB zu berücksichtigen sind. Sowohl Art. 358 tHGB als auch konzernrechtliche Regelungen und damit das Konzept des Art. 202 tHGB sind Neuregelungen, die erst durch das neu-tHGB ins türkische Recht eingeführt wurden.922 Deswegen wurden die soeben gestellten Fragen bisher noch nicht beim Gericht bzw. Kassationshof thematisiert. In der Lehre wird das Thema zwar nicht abschließend diskutiert, aber es bestehen trotzdem manche Autoren, die sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben.923 921 Ausführlich zur Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Art. 358 und 480 Abs. 3 tHGB Kapitel 2, § 4, A., V. 922 Türkisches Handelsgesetzbuch, Nr. 6102, Datum des Inkrafttretens: 01. 07. 2012. 923 Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 1 ff., welche vergleichsweise gründlich auf das Thema eingingen. Diejenigen, die das Thema kurz erwähnten: Gürbüz-Usluer, MÜHFHAD 2012, S. 294; Aytaç, BATI˙DER 2013, S. 5 ff.; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 209 f.; Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 240 ff., welche die Rechtslage vor der Änderung des Art. 358 tHGB im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe i.R.d. Cash Pooling bewertete.

§ 4 Im faktischen AG- und GmbH-Konzern

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1. Der Vorrang von Art. 202 Abs. 1 tHGB gegenüber Art. 358 tHGB Die entsprechende Frage zum Verhältnis von §§ 311 ff. AktG zu kapitalgesellschaftsrechtlichen §§ 57, 62 AktG wird im deutschen Recht dahingehend beantwortet, dass §§ 311 ff. AktG als lex specialis §§ 57, 62 AktG verdrängen.924 Im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe an die herrschende Gesellschaft wird auch zu recht in der türkischen Literatur davon ausgegangen, dass die Norm Art. 202 tHGB als lex specialis gegenüber Art. 358 tHGB angenommen werden und damit das konzernrechtliche Schutzsystem vorrangig zur Anwendung kommen solle.925 Finde der Ausgleich nicht statt, dann würden neben der Sanktion des Art. 202 tHGB auch jene des Art. 358 tHGB zur Anwendung kommen.926 2. Die Auswirkungen der Voraussetzungen von Art. 358, Art. 480 Abs. 3, Art. 601 tHGB auf die Zulässigkeit der Darlehensvergabe i.S.d. Art. 202 tHGB a) Meinungsstand Nach einer Ansicht seien die Voraussetzungen von Art. 358 tHGB bei der Bewertung der Zulässigkeit des Darlehens i.R.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB als Kriterien nicht zu berücksichtigen.927 Denn das System von Art. 202 tHGB basiere darauf, dass die abhängige Gesellschaft keinen Nachteil erleide. Die Nichterfüllung der in Art. 358 tHGB bestimmten Voraussetzungen führe nicht per se zu einer Rechtswidrigkeit bzw. zu einem Nachteil, solange beim Darlehensvertrag vereinbart werde, dass die Darlehenssumme tatsächlich zurückgewährt und auch dafür eine angemessene Verzinsung gezahlt werde. Liege ein Nachteil z. B. wegen der unangemessenen Verzinsung vor, solle bis zum Ende des Geschäftsjahrs gewartet werden und erst bei der Nichterfüllung der Ausgleichspflicht die Rechtsfolge von Art. 358 tHGB zur Anwendung kommen. Finde jedoch der Ausgleich statt, komme Art. 358 tHGB nicht mehr in Betracht.928 Insbesondere in Bezug auf die zweite Voraussetzung, wonach die Summe von Gewinn und den Rücklagen, die die sich aus den vergangenen Jahren ergebenden Verluste decken muss, wird geäußert, dass bei einem Darlehensverhältnis in bilanzieller Hinsicht keine Minderung der Rücklagen oder ein Verlust erfolge, sondern nur eine Änderung der Aktivposten vorgenommen werde. Daher stelle die Nichterfüllung dieser Voraussetzung nicht per se einen Nachteil

924

Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, D., I. Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 243; Gürbüz-Usluer, MÜHFHAD 2012, S. 294; Aytaç, BATI˙DER 2013, S. 29; Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 13. 926 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 243; Gürbüz-Usluer, MÜHFHAD 2012, S. 294; Aytaç, BATI˙DER 2013, S. 29; Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 13. 927 Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 13 ff. 928 Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 13 f. 925

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

i.R.d. Art. 202 tHGB dar.929 Vor diesem Prinzip sei jedoch eine Ausnahme für den Fall vorzusehen, dass die ungedeckten Verluste der abhängigen Gesellschaft dermaßen massiv seien, dass eine Darlehensvergabe an die herrschende Gesellschaft ihre Existenz gefährden könnte.930 In diesen Fall solle das Privileg des Art. 202 tHGB zur Ausgleichsmöglichkeit nicht zur Anwendung kommen, sondern solle der Darlehensvertrag gem. Art. 358 tHGB als nichtig gelten. In Bezug auf die Zulässigkeit der fiktiven Darlehensverhältnisse greifen jedoch die Vertreter dieser Ansicht auf Art. 480 Abs. 3 tHGB.931 Da es bei einem fiktiven Darlehen von Anfang an bestimmt sei, dass der darlehensnehmende Gesellschafter nicht den Willen zur Rückerstattung der Darlehenssumme habe, sei davon auszugehen, dass es in solchen Fällen offenkundig sei, dass der Ausgleich nicht stattfinden werde. Deswegen solle dabei nicht die Ausgleichsmöglichkeit von Art. 202 Abs. 1 tHGB angewendet werden, sondern es sollten die Rechtsfolgen von Art. 480 Abs. 3 tHGB in Betracht kommen.932 Im Falle der vollständigen Herrschaft933 solle jedoch Art. 480 Abs. 3 tHGB nicht zur Anwendung kommen, solange die Grenzen der Weisungsbefugnis (Art. 203, 204 tHGB) nicht überschritten seien.934 Da die Nichterfüllung der Ausgleichspflicht von Anfang an bestimmt sei, solle dabei direkt die Haftung der herrschenden Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter gem. Art. 206 tHGB in Betracht gezogen werden. Überschreite hingegen das fiktive Darlehen die Grenzen der Weisungsbefugnis, so solle der Vertrag gem. Art. 480 Abs. 3 tHGB als nichtig gelten. Nach der Gegenansicht sollten demgegenüber bei der Bewertung der Zulässigkeit einer Darlehensvergabe an die herrschende Gesellschaft sowohl die Vorgaben von Art. 358 tHGB als auch die von Art. 202 Abs. 1 tHGB gemeinsam berücksichtigt werden, weil hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 358 tHGB bei Konzernen keine Ausnahme vorgesehen werde.935 Daher solle zunächst untersucht werden, ob die Voraussetzungen von Art. 358 tHGB erfüllt seien, und danach darauf eingegangen werden, ob die Vorgaben von Art. 202 tHGB eingehalten werden. b) Stellungnahme Das Verhältnis zwischen den kapitalerhaltungsrechtlichen und konzernrechtlichen Regelungen sollte m. E. auf zwei Ebene untersucht werden. Denn wie schon ausführlich dargelegt, sollten – nach der hier vertretenen Ansicht – bei der Bewertung der Zulässigkeit der aufsteigenden Darlehen bei unverbundenen Gesellschaften 929 930 931 932 933 934 935

Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 15. Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 15. Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 18 f. Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 18. Zum Konzept der vollständigen Beherrschung s. Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., a). Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 18 f. Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 209.

§ 4 Im faktischen AG- und GmbH-Konzern

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sowohl die Voraussetzungen von Art. 358 tHGB als auch die aus dem allgemeinen Vermögensschutzprinzip (d. h. aus Art. 480 Abs. 3 tHGB – zur AG, 601 tHGB – zur GmbH) herausgehenden Bedingungen (Einbringlichkeit der Darlehensforderung und angemessene Verzinsung) berücksichtigt werden.936 Dementsprechend sollten erstens die in Art. 358 tHGB ausgeführten Voraussetzungen herangezogen und es sollte darauf eingegangen werden, ob sie bei der Feststellung des Nachteils i.S.d. Art. 202 tHGB eine Auswirkung haben. Die Frage, die sich hier stellt, ist folgende: Führt die Nichterfüllung dieser Voraussetzungen zur Unzulässigkeit bzw. Nachteiligkeit der Darlehensvergabe i.R.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB? Danach sollte die Bedeutung der aus dem allgemeinen Vermögensschutzprinzip herausgehenden Bedingungen bei der Nachteiligkeit der Darlehensvergabe behandelt werden. Nach dem Schutzkonzept von Art. 202 Abs. 1 tHGB kommt ein Nachteil allgemein bei jeder Minderung oder Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage zustande.937 Die Nichterfüllung der in Art. 358 tHGB angegebenen Voraussetzungen würden m. E. nicht per se zur einer Minderung oder Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB führen. Bei der Nachteilsbewertung einer Darlehensgewährung im Rahmen von Art. 202 Abs. 1 tHGB kommt es nämlich grundsätzlich unter Berücksichtigung der Vermögenslage darauf an, ob die Darlehenssumme tatsächlich zurückgezahlt werden kann und mit Blick auf die Ertragslage darauf, ob das Darlehen angemessen verzinst wird. Deswegen spielen m. E. hinsichtlich der Zulässigkeit der Darlehensvergabe i.S.d. Art. 202 tHGB nicht die Voraussetzungen von Art. 358 tHGB, sondern die von Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB die entscheidende Rolle. Wie schon ausgeführt, ist die Zulässigkeit einer (unbesicherten) Darlehensvergabe an Aktionäre/Gesellschafter unter kapitalerhaltungsrechtlichen Gesichtspunkten davon abhängig, dass die Rückzahlung der Darlehenssumme nicht zweifelhaft ist.938 D. h. der darlehensnehmende Aktionär/Gesellschafter sollte von Anfang an wirtschaftlich in der Lage sein, das Darlehen zurückzuzahlen. Die Bonität des darlehensnehmenden Aktionärs/Gesellschafters ist auch im konzernrechtlichen Schutzkonzept des Art. 202 Abs. 1 tHGB von Bedeutung, weil die Funktionalität dort vorgesehener Nachteilsausgleichsmöglichkeit von der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs und damit der Bonität des herrschenden Unternehmens abhängig ist. Deswegen ist die wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers bezüglich der Zulässigkeit der (unbesicherten) Darlehen sowohl unter den kapitalerhaltungsrechtlichen Regelungen bei konzernfreien Gesellschaften als auch unter den konzernrechtlichen Regelungen ausschlaggebend. Somit ist m. E. anzunehmen, dass mit Blick auf das Verhältnis zwischen kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln und konzernrechtlichen Regeln eine Angleichung besteht, sodass die unbesicherten Darlehensvergaben ein Verstoß sowohl gegen Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB als auch gegen Art. 202 Abs. 1 tHGB darstellt, wenn zum Zeitpunkt der Darlehensausreichung der 936 937 938

Ausführlich dazu Kapitel 2, § 4, A., IV., 2. Dazu siehe Kapitel 2, § 4, C., III. Dazu siehe Kapitel 2, § 4, A., IV., 2., c).

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

darlehensnehmende Aktionär/Gesellschafter nicht über eine hinreichende Bonität verfügt. In Bezug auf den Vorrang zwischen Art. 202 tHGB und Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB ist daher an dieser Stelle hervorzuheben, dass da die Bonität des Darlehensnehmers bei der Zulässigkeit des Darlehens sowohl bei unverbundenen als auch bei verbundenen Gesellschaften als entscheidender Maßstab fungiert, der Vorrangigkeit dem konzernrechtlichen Art. 202 tHGB gegenüber Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB keine besondere Bedeutung zukommt. Dem Vorrang des Art. 202 tHGB kommt nur eine Bedeutung zu, wenn es um die Nichterfüllung der in Art. 358 tHGB vorgesehenen Voraussetzungen geht. Demnach sollte bei einer gegen die Voraussetzungen des Art. 358 tHGB verstoßenden Darlehensauszahlung nicht sofort die Sanktion des Art. 358 tHGB, sondern die Nachteilsausgleichsmöglichkeit des Art. 202 Abs. 1 tHGB zur Anwendung kommen. V. Nachteiligkeit der Liquiditätsströme i.R.d. Cash Pooling gem. Art. 202 Abs. 1 tHGB im Einzelnen 1. Allgemein Wie schon ausgeführt, werden bei der Konzipierung des türkischen Konzernrechts größtenteils die deutschen §§ 311 ff. AktG als Vorbild genommen und somit wird auf das deutsche Einzelausgleichssystem des § 311 AktG abgestellt, wonach die Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft zulässig ist, solange die zugefügten Nachteile ausgeglichen werden. So darf auch nach Maßgabe des Art. 202 Abs. 1 tHGB der für die abhängige Gesellschaft nachteilige Abzug liquider Mittel i.R.d. Cash Pooling unter der Voraussetzung erfolgen, dass die zugefügten Nachteile ausgeglichen werden. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen dem deutschen und dem türkischen Konzernrecht, die jede abhängigkeitsbedingte Verschlechterung der Vermögens- sowie Ertragslage der abhängigen Gesellschaft als Nachteil betrachten, werden bezüglich der Nachteiligkeit der Cash Pool-Darlehen i.S.d. türkischen Art. 202 Abs. 1 tHGB die selben Punkten in Frage kommen, die schon unter dem deutschen Recht behandelt wurden. 2. Ausfallrisiko Wie bei einzelnen aufsteigenden Darlehen gehen die darlehensgebenden Poolgesellschaften in Cash Pool-Konstellationen auf das Ausfallrisiko ein. D. h. sie nehmen das spezielle Risiko in Kauf, die gewährte Darlehenssumme nicht wieder zurückzubekommen und damit eine Vermögensminderung in Höhe des Darlehensbetrags zu erleiden. In diesem Zusammenhang muss unter Beachtung des Systems von Art. 202 tHGB untersucht werden, ob eine unbesicherte Darlehensvergabe an die Betreibergesellschaft i.R.d. Cash Pooling-Verfahren per se aufgrund des Ausfallrisikos einen Nachteil gem. Art. 202 Abs. 1 tHGB darstellt? Präziser formuliert geht es hier um die Frage, ob die abstrakte Gefährdung der Vermögenslage der Poolge-

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sellschaften wegen fehlender Besicherung des Cash-Pool-Darlehens einen Nachteil i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB bildet? In Bezug auf diese Frage wurde im deutschen Recht schon vor der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise durch MoMiG in der Literatur teilweise die Meinung vertreten, dass eine abstrakte Vermögensgefährdung wegen der unbesicherten Darlehensvergabe nicht per se als ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG angesehen werden sollte.939 Bei der Feststellung der Nachteiligkeit der Übernahme des Ausfallrisikos einer unbesicherten Darlehensgewährung i.S.d. § 311 AktG sei dieser Ansicht zufolge vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Im Einzelfall, bei zweifelhafter Bonität des herrschenden Unternehmens könne die Darlehensgewährung nachteilig angesehen werden. Bestehe allerdings aus Sicht des Vorstands der abhängigen Gesellschaft kein Anlass, an der Bonität des herrschenden Unternehmens zu zweifeln, so sei der Hingabe eines zwar ungesicherten, aber angemessen verzinsten Darlehens ihren nachteiligen Charakter abzusprechen.940 Nach der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise durch MoMiG in § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG hat sich diese Ansicht endgültig durchgesetzt. Unter der geltenden Rechtslage wird auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abgestellt, sodass das abstrakte Ausfallrisiko eines unbesicherten (Cash-Pool-)Darlehens und somit eine abstrakte Vermögensgefährdung nicht als ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG angenommen wird. Es kommt also sowohl bei der kapitalerhaltungsrechtlichen Zulässigkeit (i.S.d. § 57 AktG) als auch bei der konzernrechtlichen Nachteiligkeit (i.S.d. § 311 AktG) eines unbesicherten Darlehens lediglich auf die Bonität des Darlehensnehmers und damit auf die Realisierbarkeit des Rückzahlungsanspruchs im konkreten Einzelfall an.941 Diese in deutscher Literatur vor dem MoMiG vertretene Ansicht ist m. E. auch im Rahmen des türkischen Konzernrechts überzeugend. Denn auch bei einer unverbundenen AG und GmbH erfordert das Vermögensschutzprinzip bezüglich der Zulässigkeit der aufsteigenden Darlehen nicht unbedingt Besicherung des Darlehens. Wie schon ausgeführt, kommt es dabei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls und damit auf die Bonität des darlehensnehmenden Aktionärs/Gesellschafters bezüglich seiner Rückzahlungsfähigkeit an.942 Ist der darlehensnehmende Gesellschafter wirtschaftlich schon in der Lage, den Darlehensbetrag zurückzuzahlen, gilt das Darlehen als zulässig, weil dies dann als ein Aktivtausch anzusehen ist. Dies sollte auch bei der Nachteilsfeststellung i.R.d. konzernrechtlichen Regelungen gelten, sodass eine unbesicherte Darlehensvergabe hinsichtlich des Kreditrisikos per se nicht als ein nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB 939

Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692 ff. m.w.N.; Münch.Hdb.AG./Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 62 m.w.N.; Henze, WM 2005, S. 723; Reidenbach, WM 2004, S. 1427 f.; Wessel, ZIP 2006, S. 1707 f.; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 79, 81. 940 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 694. 941 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, E., I. 942 Ausführlich dazu s. Kapitel 2, § 4, A., IV., 2., c).

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anzusehen ist, solange die Darlehensrückzahlung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der herrschenden Gesellschaft von vornherein nicht gefährdet ist. Mit anderen Worten sollte bei der Feststellung der Nachteiligkeit eines (unbesicherten) Darlehens i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB nicht das abstrakte Ausfallrisiko des Darlehens, sondern die Realisierbarkeit der Darlehensrückzahlung im konkreten Einzelfall maßgeblich sein. Wie schon in deutscher Literatur und Rechtsprechung festgestellt wurde,943 ist dies auch mit dem Schutzkonzept des gestreckten Nachteilsausgleichs des Art. 202 Abs. 1 lit. a tHGB (entsprechend § 311 Abs. 2 AktG) vereinbar. Denn auch in der Möglichkeit des gestreckten Nachteilsausgleichs gem. Art. 202 Abs. 1 lit. a tHGB steht der abhängigen Gesellschaft nicht ein besicherter Ausgleichsanspruch oder ein Rechtsanspruch auf künftigen Nachteilsausgleich, der notwendig zu besichern ist. Auch der Ausgleichsmechanismus des Art. 202 Abs. 1 lit. a tHGB nimmt also die Belastung der abhängigen Gesellschaft mit dem – abstrakten – Insolvenzrisiko des herrschenden Unternehmens bewusst in Kauf.944 Es würde daher dem Konzept des Art. 202 Abs. 1 lit. a tHGB widerstehen, in jedem ungesicherten aufsteigenden Darlehen der abhängigen Gesellschaft – wegen des abstrakten Ausfallrisikos – ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB zu sehen. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen lässt sich feststellen, dass unbesicherte Darlehensvergaben an die Betreibergesellschaft i.R.d. Cash Pooling-Verfahren aufgrund des Ausfallrisikos nicht per se einen Nachteil gem. Art. 202 Abs. 1 tHGB darstellen. Dabei ist eher unter Beachtung der Bonität der Betreibergesellschaft (und ggf. der Muttergesellschaft) zu untersuchen, ob eine konkrete Gefährdung der Vermögenslage der Poolgesellschaft vorliegt. Dementsprechend sind die (unbesicherten) Cash Pool-Darlehen i.R.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB als zulässig anzunehmen, solange die Rückgewähransprüche aufgrund der entsprechenden Solvenz der Betreibergesellschaft durchführbar sind. Im Falle der Bonitätsverschlechterung der Betreibergesellschaft darf allerdings das Privileg des verzögerten Nachteilsausgleichs von Art. 202 Abs. 1 tHGB nicht eingreifen, weil dann nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass der Ausgleich, also die Rückerstattung des Darlehens rechtmäßig erfolgen wird. In diesem Fall sollte die Darlehenssumme sofort zurückgefordert oder eine Besicherung für das Darlehen verlangt werden. Sonst treten sowohl die haftungsrechtlichen Bestimmungen des Art. 202 tHGB als auch die Nichtigkeitsfolge des Art. 480 Abs. 3 tHGB gemeinsam auf.945 943 BGHZ 179, 71, Rn. 11, „MPS“. Bereits: Henze, WM 2005, S. 723; Münch.Hdb.AG./ Krieger, 3. Aufl., 2007, § 69, Rn. 62; Reidenbach, WM 2004, S. 1427 f.; Wessel, ZIP 2006, S. 1707 f.; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 692 ff. m.w.N. 944 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, S. 693; ihnen folgend BGHZ 179, 71, Rn. 11, „MPS“. 945 Vgl. Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 18 f.: Da bei einem fiktiven Darlehen von Anfang an bestimmt sei, dass der darlehensnehmende Gesellschafter nicht den Willen zur Rückerstattung der Darlehenssumme habe, sei nicht mehr ein Ausgleich gem. Art. 202 tHGB möglich. Deswegen solle dabei Art. 403 Abs. 3 tHGB zur Anwendung kommen.

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3. Verzinsung Die Verminderung bzw. Übertragung des Ertrags der abhängigen Gesellschaft wird im Wortlaut von Art. 202 Abs. 1 lit. a tHGB explizit als ein Nachteil bezeichnet. In einer Darlehensbeziehung ist vom Bestehen eines solchen Nachteils auszugehen, wenn die Verzinsung fehlt oder unangemessen ist. Denn durch die Vereinbarung eines unverzinslichen oder unangemessen verzinsten Darlehens wird offensichtlich der zukünftige Ertrag der abhängigen Gesellschaft in Höhe der Zinsdifferenz vermindert, deren Umfang grundsätzlich nach einem Drittvergleich zu messen ist. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die fehlende oder unangemessene Verzinsung des Darlehens nicht automatisch zur Unzulässigkeit der Darlehensgewährung an sich oder zur Nachteiligkeit des gesamten Darlehens führen würde. Denn die Bewertung der Nachteilhaftigkeit des Verzinsungsverzichts in einem Darlehen ist eine andere Frage als die, ob das Darlehen hinsichtlich des Ausfallrisikos i.S.d. Art. 202 tHGB komplett nachteilig ist.946 Bei der Übernahme eines konkreten Ausfallrisikos des Darlehens bezieht sich nämlich der Nachteil auf die gesamte Darlehenssumme,947 während es sich bei der Nachteiligkeit einer unangemessen verzinsten Darlehensvergabe nur um die fehlende Gegenleistung, d. h. die Zinsdifferenz handelt. Deswegen bildet die fehlende bzw. unangemessene Verzinsung einen eigenständigen Nachteil, der sich nur in der Zinsdifferenz besteht, aber die Zulässigkeit der Darlehensvergabe an sich bezüglich des Ausfallrisikos nicht beeinträchtigt. Wie schon unter deutschem Recht ausgeführt, wird in deutscher Literatur teilweise unter Berücksichtigung der Vorteile des Cash Pooling für den Verzinsungsverzicht im Cash Pooling plädiert.948 Dies wird insbesondere damit gerechtfertigt, dass auch der darlehensgebenden Poolgesellschaft – als Gegenleistung – Liquidität zu günstigen Konditionen zur Verfügung steht.949 Wie bereits unter deutschem Recht an relevanten Stellen ausgeführt, ist nach der hier vertretenen Ansicht eine solche pauschalisierende Annahme nicht vertretbar.950 Denn die allgemeinen konzernrechtlichen Vorteile des Cash Pooling und insbesondere, dass auch darlehensgebenden Poolgesellschaften Liquidität zur günstigen Konditionen zur Verfügung steht, können m. E. nicht immer den Verzicht auf die Verzinsung i.R.d. Cash Pooling rechtfertigen. Allein die Möglichkeit der eigenen Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Pool zu günstigen Konditionen genügt nämlich nicht, wenn die Poolgesellschaft 946

Vgl. BGHZ 179, 71, Rn. 17 – „MPS“, wonach der Verzicht auf eine angemessene Gegenleistung von dem die gesamte Darlehenssumme ergreifenden konkreten Ausfallrisiko getrennt beurteilt werden solle. 947 Siehe dazu Kapitel 2, § 4, C., V., 2. 948 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 3, E., II. (zur AG) und Kapitel 2, § 2, D., II., 1. (zur GmbH). 949 So insb. Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 119, der jedoch jeweils ausdrückt, dass insoweit auf den Einzelfall abzustellen sei. 950 Für eigene Stellungnahme s. Kapitel 2, § 2, D., II., 1., e) (zur GmbH); Kapitel 2, § 3, E., II. (zur AG).

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hierauf nicht angewiesen ist.951 Genau so wenig können die anderweitigen Konzernvorteile, so wie Einsparungen im Bereich der Finanzierungs- und Personalkosten usw., pauschal den Wegfall der Verzinsung beim Cash Pooling rechtfertigen. Das Vorliegen möglicher Vorteile darf nicht im Vorfeld und pauschal zur Zinslosigkeit beim Cash Pooling führen, weil dies eine konkret nicht begründete, pauschalisierende Annahme wäre, welche nicht auf näher quantifizierbaren Erkenntnissen beruht. Hierfür müssen den Poolgesellschaften tatsächlich konkrete Vorteile zukommen, die nicht nur durch eine verbesserte betriebswirtschaftliche Gesamtsituation dargestellt werden, sondern es müssen tatsächlich quantifizierbare Vorteile aufseiten der Poolgesellschaften vorliegen. Es sollte daher dabei immer auf den Einzelfall ankommen, ob die betroffene Poolgesellschaft in der Tat so viel von den Vorteilen des Pool Gebrauch macht und insoweit Vor- und Nachteile aus deren Sicht in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen,952 sodass der Verzicht auf Verzinsung als gerechtfertigt angesehen werden kann. Schließlich, solange keine genau quantifizierbaren Konzernvorteile aufseiten der Poolgesellschaft vorhanden oder feststellbar sind, sollte diese Unbestimmtheit m. E. nicht zugunsten des Cash PoolingSystems bzw. des gesamten Konzerns, sondern im Interesse der Poolgesellschaft und deren Kapitalschutz ausgelegt werden, sodass auch bei Cash Pooling-Konstellationen grundsätzlich eine angemessene Verzinsung des Darlehens – je nach dem Einzelfall – erfolgen muss. Mit Blick auf die Möglichkeit, dass auf die Verzinsung verzichtet oder zumindest ein niedrigerer Zinssatz bestimmt werden kann, sollte am Ende des Geschäftsjahrs in jedem Einzelfall eine gesonderte Bewertung vorgenommen werden. Und dabei sollte untersucht werden, ob der von der betreffenden Poolgesellschaft erlittene Nachteil tatsächlich durch die Vorteile des Cash Pooling ausgeglichen wurde. Die anschließende wichtige Frage hierzu ist, was als Vergleichsmaßstab bei der Feststellung des angemessenen Zinssatzes beim Cash Pooling anzunehmen ist. Da unter normalen Umständen eine Gesellschaft kein Darlehen an Dritte ausreicht, kann die Marktüblichkeit als Maßstab bei der Beurteilung des Zinssatzes im Cash Pooling weder überzeugend noch passend sein. Die Feststellung bzw. Konkretisierung eines marktüblichen Zinssatzes zumal hinsichtlich des Cash Pooling ist zudem deswegen mit Schwierigkeiten verbunden, weil meistens kein entsprechender Markt für solche kurzfristige Darlehensgewährungen vorhanden ist. Dass beim Cash Pooling konzernspezifische Vorteile existieren, welche die Poolgesellschaften durch Teilnahme an dem Cash Pool erhalten,953 macht es schwer nachvollziehbar, die Betreibergesellschaft der Bank gleichzustellen und für die Liquiditätsvergabe an den Pool bloß die von Bank gewährten – marktüblichen – Zinskonditionen als Vergleichsmaßstab

951 952 953

Mülbert/Leuschner, NZG 2009 S. 283; Spliedt, ZIP 2009, S. 150. GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 107. Für die Vorteile s. Kapitel 1, § 1, C., I.

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heranzuziehen. Deswegen wäre hierbei zu empfehlen, die Zinskonditionen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.954 4. Verschlechterte Liquiditätslage wegen des Liquiditätsabzugs Eine andere Frage hinsichtlich der Nachteiligkeit des Cash Pooling aus Sicht der Poolgesellschaften ist, ob die infolge des regelmäßigen Liquiditätsabzugs verschlechterte Liquiditätslage der abhängigen Poolgesellschaft einen Nachteil gemäß Art. 202 Abs. 1 tHGB darstellt. Die Gewinnmöglichkeit oder die Vermeidungsmöglichkeit eines anderweitigen Nachteils, die der Poolgesellschaft wegen des Liquiditätsentzugs entgangen ist, könnte aufgrund des umfangreichen Schutzkozepts des Art. 202 tHGB einen Nachteil begründen. Ob ein konkreter Nachteil vorliegt, ist allerdings nach den Umständen jedes Einzelfalls festzustellen. In der Regel ist von einem gut funktionierenden und unschädlichen Cash PoolingSystem zu erwarten, dass die liquiditätsabführenden Poolgesellschaften jederzeit auf die von ihr benötigte Liquidität zugreifen können. Solange die von den Poolgesellschaften abgezogene Liquidität ihnen unmittelbar zur Verfügung steht und die Geschäftsführung der Poolgesellschaften die benötigten Mittel ohne weiteres und unverzüglich bekommen kann, bestünde dafür kein Grund, den Liquiditätsentzug als einen Nachteil i.S.d. Art 202 Abs. 1 tHGB zu bezeichnen. Steht der Poolgesellschaft die benötigte Liquidität nicht rechtzeitig bzw. überhaupt nicht zur Verfügung, obwohl sie dringlich Liquidität, z. B. zur Tilgung ihrer fälligen Schulden braucht, ist der Abzug der Mittel als nachteilig zu erachten. Zwar ist die Nachteiligkeit des ständigen Liquiditätsabzugs i.R.d. Cash Pooling je nach dem konkreten Einzelfall zu bewerten, aber es wäre schon im Vorfeld eine dahingehende Behauptung nicht falsch, dass der Liquiditätsabzug i.R.d. Cash Pooling zumeist das Potential hat, zu einem Nachteil zu führen. Denn die Cash Pooling-Praxis ist stets mit dem Risiko der nicht rechtzeitig erfolgten Rückzahlung oder mit dem Risiko der bewussten Nichtversorgung mit Liquidität der Betreibergesellschaft verbunden.955 Mit Rücksicht auf die Zulässigkeit des Liquiditätsabzugs bildet jedenfalls die für den Fortbestand der Poolgesellschaft „existenznotwendige Liquidität“ eine Grenze. Nach Art. 204 tHGB, welcher im Falle der vollständigen Beherrschung dem Weisungsrecht der 100 %ig herrschenden Gesellschaft Grenzen setzt, sind derartige Weisungserteilungen verboten, wodurch die finanzielle Leistungsfähigkeit der abhängigen Gesellschaft überschritten sowie ihre Existenz gefährdet oder bei ihr ein maßgeblicher Vermögensverlust verursacht wird.956 Das offensichtliche Verbot der im Art. 204 tHGB ausgeführten existenzvernichtenden Weisungen wird zwar nur im Bereich der vollständigen Beherrschung geregelt, aber es wird in der Lehre zu954 955

III. 956

Vgl. Altmeppen, ZIP 2009, S. 52. Siehe auch die relevanten Ausführungen unter dem deutschen Recht: Kapitel 2, § 3, E., Ausführlich dazu s. Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), aa).

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treffend davon ausgegangen, dass Art. 204 tHGB auch auf die Fälle der einfachen Beherrschung Anwendung finden solle.957 5. Klumpenrisiko Das dem Cash Pooling stets inhärente Klumpenrisiko, welches im Verzicht auf die Risikoverteilung in der Vermögensanlage besteht,958 stellt genauso wie das Ausfallrisiko ein abstraktes Risiko dar, welches nicht per se als nachteilig i.R.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB zu betrachten ist. Beim Klumpenrisiko ist eher vom Vorliegen einer abstrakten Gefahr auszugehen, welche durch die Geschäftsführung der Poolgesellschaften ständig bei jeder Prüfung der Bonität der Betreibergesellschaft und damit der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs sorgfältig beobachtet bzw. mitberücksichtigt werden muss. Die automatische Übernahme des Klumpenrisikos durch die Teilnahme am Cash Pooling ist zwar nicht per se nachteilig i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB anzusehen, aber im Einzelfall kann die Nicht-Beendigung der Darlehenszufuhr in den Pool auch bei ausreichender Bonität der Betreibergesellschaft unter dem Gesichtspunkt des Klumpenrisikos als sorgfaltswidrig i.S.d. Art. 369 Abs. 1 (zur AG), 626 Abs. 1 S. 1 (zur GmbH) tHGB bewertet werden. Beispielsweise in dem Fall, dass eine Poolgesellschaft in Großenvolumen Liquidität in den Cash Pool zuführt und der Cash Pool ständig zugunsten anderer wirtschaftlich angeschlagenen Poolgesellschaften belastet wird, ist m. E. von einem konkreten Klumpenrisiko auszugehen. In diesem Fall ist von einer sorgfaltspflichtigen Geschäftsführung zu erwarten, dass sie die Liquiditätszufuhr in den Cash Pool beendet und die Rückzahlung fordert, auch wenn die Bonität der Betreibergesellschaft zweifelsfrei ist. 6. Konzentration der Bankbeziehungen der Poolgesellschaften Hierbei ist zu ermitteln, ob die Zentralisierung der Bankbeziehungen der Poolgesellschaften aufgrund des Cash Pooling-Verfahrens und damit die Aufgabe eigener lokaler Bankverbindungen959 durch die Poolgesellschaften einen Nachteil gem. Art. 202 Abs. 1 tHGB begründet. Durch die Aufgabe eigener Bankverbindungen bzw. Finanzdisposition begeben sich die Poolgesellschaften in eine starke Abhängigkeit von der zentralen Liquiditätsversorgung, sodass sie hinsichtlich der Finanzierung völlig auf den Cash Pool bzw. die Betreibergesellschaft angewiesen sind.960 957

Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-146; Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 247, Rn. 356. Aus der schweizerischen Literatur s. Druey, in: FS für Tekinalp, S. 337, welcher die Anwendung des Art. 204 tHGB bei der einfachen Beherrschung empfiehlt. 958 Ausführlich zum Klumpenrisiko s. Kapitel 1, § 1, C., II., 3. 959 Unter den „eigenen Bankverbindungen“ sind die außer zum Cash Pooling-Verfahren dienenden Bankkonten zu verstehen, die mit auf eigenen Namen zu laufender Kreditlinien ausgestattet sind. Siehe dafür vorstehend Kapitel 1, § 1, C., II., 9. 960 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 90 ff., 136; Vetter, in: VGR 6, S. 73; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 9,

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Diese Abhängigkeit könnte dann problematisch werden, wenn der Poolgesellschaft aus irgendeinem Grund961 kein Kapital mehr aus dem Cash Pool zufließt. So wird die betroffene Poolgesellschaft dringend eine externe Finanzierungshilfe brauchen, aber weil es ihr an einer eigenen aktiv gepflegten Bankverbindung und an einer geschäftlichen Vergangenheit bei einer Bank fehlt, wäre es für sie insbesondere bei einem krisenbedingten unerwarteten Wegfall der Konzernverbindung schwierig, die benötigten Mittel von außen kurzfristig und rechtzeitig zu bekommen.962 In so einem Fall kann sie sofort illiquide und zahlungsunfähig werden, was eine unmittelbare Gefährdung der Lebensfähigkeit der Poolgesellschaft darstellt.963 Da durch die Einbindung der Poolgesellschaften in den Cash Pool ihrer finanziellen Unabhängigkeit beraubt wird und dies sogar für sie insbesondere bei einer unerwarteten, krisenbedingten Auflösung der Konzernverbindung zu einer ernsthaften Existenzgefahr kommen könnte, könnte m. E. die Zentralisierung der Bankbeziehungen im konkreten Einzelfall einen Nachteil i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB darstellen. Deswegen ist hier – wie im deutschen Schrifttum zutreffend ausgedrückt wird – darauf hinzuweisen, dass die Poolgesellschaften in der Lage bleiben müssen, sich notfalls kurzfristig wieder unabhängig am Markt bewegen zu können.964 Dementsprechend dürften die Poolgesellschaften nicht restlos von eigenen unmittelbaren Bankverbindungen und Kreditlinien abgeschnitten werden.965 Ein Minimum an unmittelbaren Bankverbindungen und Kreditlinien müsse den abhängigen Gesellschaften belassen werden.966

21; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 12; Hasselbach/Nawroth/ Rödding/Mentz, Beck’sches Holding Handbuch, S. 343, Rn. 152; Zahrte, Cash Pooling, S. 64. 961 Dies könnte deswegen vorkommen, weil der Konzern unter Mittelknappheit leidet, also insolvent ist oder aber auch weil die Betreibergesellschaft aus völlig anderen Gründen die betreffende Gesellschaft nicht mehr mit Liquidität versorgen will. Ausführlich dazu siehe Kapitel 1, § 1, C., II., 4. 962 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 136 f.; J. Vetter/ Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 9, 21 m.w.N.; Deckart, Kapitalerhaltung als Grenze des Cash Pooling, S. 12; Pentz/Sollanek/Pentz, Cash-Pooling im Konzern, S. 14; Zahrte, Cash Pooling, S. 64; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 47; Billek, Cash Pooling, S. 8. 963 Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 136. 964 Siehe dazu Kapitel 2, § 3, E., VI. 965 Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Eberhard/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, § 21, Rn. 20; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 48; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 217, 219 ff.; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 137 f.; Münch.Hdb.AG./Krieger § 70, Rn. 64. 966 Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Eberhard/Schneider, Hndb-Konzernfinanzierung, § 21, Rn. 20; Münch.Hdb.AG./Krieger § 70, Rn. 64.

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VI. Haftung 1. Differenzierung der Haftungslage bei „einfacher“ und „vollständiger“ Beherrschung Eine der spannendsten und herkömmlichen konzernrechtlichen Fragen ist, ob bzw. unter welchen Bedingungen auf den Grundsatz des Vorrangs des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft zugunsten des Konzerns verzichtet werden kann. Das türkische Konzernrecht erfasst diese Problematik gesondert in Art. 203 ff. tHGB für die Beherrschungsverhältnisse, in denen eine Handelsgesellschaft eine Kapitalgesellschaft vollständig (100 %) beherrscht. Anders als das deutsche System zum faktischen Konzern unterscheidet also das türkische Konzernrecht zwischen zwei Beherrschungsfällen nach dem Abhängigkeitsumfang der Untergesellschaft von Obergesellschaft und bei hundertprozentiger Abhängigkeit gewährt den Gruppeninteressen den Vorrang (Art. 203 tHGB). Der türkische Gesetzgeber lehnt hinsichtlich der Existenz des Konzerns das deutsche Konzept der „einheitlichen Leitung“967 ab968 und stellt das Konzernrecht unter Berücksichtigung der Vorschläge des Forum Europaeum969 wesentlich auf das „Kontrollprinzip“ ab.970 „Kontrollprinzip“ unterscheidet sich von der „Herrschaft“ und insbesondere von der „einheitlichen Leitung“ in dem Punkt, dass der Bestand des 967 Für die Annahme, dass die einheitliche Leitung ein deutsches Konzept sei, siehe insb. GroßKomm-AktG/Windbichler, § 18, Rn. 18. 968 Im Vorentwurf des neu-tHGB wurde vom Prinzip der einheitlichen Leitung Gebrauch gemacht und das Prinzip wie folgt ausgedrückt:“ Es ist angenommen, dass sich abhängige Gesellschaften unter der einheitlichen Leitung der herrschenden Gesellschaft befinden, weil sie unmittelbar oder mittelbar von ihr abhängig sind (Art. 195 Abs. 4). Die unter der einheitlichen Leitung befindlichen Gesellschaften bilden mit der herrschenden Gesellschaft die Gesellschaftsgruppe (Art. 195 Abs. 5)“ Bei dieser Formulierung, wobei keine Definition der einheitlichen Leitung vorliegt, wurde das Vorliegen der einheitlichen Leitung an das Vorhandensein der Herrschaft angeknüpft. D. h. es wurde dabei festgelegt, dass von den unter der Herrschaft der Muttergesellschaft befindlichen Gesellschaften angenommen wird, dass sie unter der einheitlichen Leitung der herrschenden Gesellschaft stehen. Allerdings war den folgenden konzernrechtlichen Regelungen zu entnehmen, dass konzernrechtliche Rechtsfolgen eigentlich nicht an die einheitliche Leitung, sondern an das Vorliegen der Herrschaft angeknüpft wurden. Deswegen wurde an dieser Stelle dieser sog. Begriff für überflüssig sowie zugleich auch für rechtsunsicher gehalten und auf den Begriff der einheitlichen Leitung wurde verzichtet. Bei konzernrechtlichen Regelungen wurde somit lediglich das Kontrollprinzip berücksichtigt. Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 77. 969 Das Forum Europaeum Konzernrecht stellt seine Vorschläge aus Gründen Rechtssicherheit und im Einklang mit der Mehrheit der nationalen Rechte in der EU auf den Kontrollbegriff auf, Forum Europaeum, ZGR 1998, S. 695 ff. 970 Das Kontrollprinzip liegt auch den Regeln der 7. EU-Richtlinie über den konsolidierten Abschluss (Konzernbilanzrichtlinie) zugrunde (Art. 1 Abs. 1 der 7. Richtlinie (83/349/EWG vom 13. 06. 1983), ABI EG Nr. L 193 (18. 07. 1983), S. 1 ff.). Darüber hinaus wird es auch auf der internationalen Ebene bei konzernrechtlichen Regulierungen am weitesten bevorzugt, wie z. B. bei konzernrechtlichen Bestimmungen des belgischen, englischen, französischen, italienischen und spanischen Rechts, Forum Europaeum, ZGR 1998, S. 694.

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Konzerns dabei bloß an das Vorliegen eines der bestimmten Kontroll-Mittel gebunden ist.971 Kontrolliert eine Gesellschaft eine andere Gesellschaft aufgrund ihrer Stimmenmehrheit, eines Beherrschungsvertrags oder der Befugnis, die Mehrheit der Mitglieder des Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, so kann man von einem Konzern bzw. von einer Gesellschaftsgruppe sprechen.972 Hauptsächlich stellt das türkische System in Bezug auf die Beherrschungsverhältnisse und ihre Rechtsfolgen auf die in Art. 195 tHGB ausgeführten Kontrollmechanismen ab, und nimmt an, dass beim Vorliegen eines dieser Mittel ein Beherrschungsverhältnis vorhanden ist. Besteht eine auf einem dieser Kontrollmittel gegründete Abhängigkeit, lässt zwar das Gesetz die Übung der Leitungsmacht durch die herrschende Gesellschaft auf abhängige Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen zu, aber erkennt ihr keine Leitungsbefugnis an.973 Die 100 %ige faktische Abhängigkeit einer Tochtergesellschaft wird jedoch als ein „Sonderfall der Beherrschung“ angesehen und unter der Überschrift „vollständige Beherrschung“ („Tam Hakimiyet“) in Art 203 – 206 tHGB gesondert geregelt. Anders als bloße/ einfache Beherrschung wird damit für den Fall der hundertprozentigen Beherrschung vorgesehen, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Konzerninteressen vorrangig befolgt werden müssen.974 In der Begründung wird dazu erklärt, dass bei einer hundertprozentigen Abhängigkeit der Verwaltungsrat dieser Gesellschaft „völlig abhängig“ sei, wessen Mitglieder ihren Job verlieren würden, wenn sie die Politik oder die Weisungen der herrschenden Gesellschaft oder der Gruppe nicht befolgen würden. Es sei daher falsch und unrealistisch, anzunehmen, dass ein solch gebundener Verwaltungsrat in einem Interessenkonflikt den Interessen seiner eigenen Gesellschaft den Vorrang geben könnte.975 Nach dem Gesetzeskonzept liegt eine „vollständige“ Beherrschung als solche vor, wenn eine Handelsgesellschaft mittelbar oder unmittelbar über 100 % der Anteile und der Stimmrechte einer Kapitalgesellschaft verfügt. Die anderweitig entstandenen Beherrschungsfälle bilden demgegenüber eine „einfache“ Beherrschung (Basit Hakimiyet).976 Die Regelungen zur vollständigen Beherrschung unterscheiden sich 971

Forum Europaeum, ZGR 1998, S. 694 f. Art. 1 Abs. 1 der 7. EU-Richtlinie; Forum Europaeum, ZGR 1998, S. 694. 973 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), aa). 974 Diese Regelung wurde in der schweizerischen Literatur durch Druey als ein über das deutsche System hinausgehende und heutigen Tendenzen entsprechendes Modell bewertet. Nach ihm werde damit das Regime für den Konzern erleichtert, indem ihm die Möglichkeit von verbindlichen Weisungen eingeräumt und zudem gestattet werde, in einem Gewissen Rahmen das Konzerninteresse zu verfolgen. Druey, in: FS Tekinalp, S. 336 f. 975 Botschaft zum Art. 203 tHGB. 976 Das Gesetzt nimmt zwar keine besondere Bezeichnung für eine derartige Beherrschung vor, die nicht durch hundertprozentige Beteiligung, sondern einfach durch eines der in Art. 195 ausgeführten Beherrschungsmittel zustande gekommen ist. Aber m.E wäre es angebracht, die anderweitig entstandenen Beherrschungsfälle als „einfache“ oder „bloße“ Beherrschung“ („Basit Hakimiyet“) zu bezeichnen. Es ist jedoch in der Literatur anzutreffen, dass ein überwiegender Teil der Lehre dafür den Begriff der „teilweisen“ Beherrschung verwendet. So 972

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

von denjenigen bezüglich der einfachen Beherrschung wesentlich in den Punkten der Weisungsbefugnis und der Haftungsgrundlage der Betroffenen. Kurz zusammengefasst wird der herrschenden Gesellschaft einer hundertprozentig abhängigen Gesellschaft anders als bei der einfachen Beherrschung Weisungsrecht eingeräumt (Art. 203 S. 1 tHGB) und der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft wird die Verpflichtung auferlegt, die Weisungen der herrschenden Gesellschaft unter gewissen Umständen zu befolgen (Art. 203 S. 2 tHGB). Befolgt die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft die Weisungen, so haftet sie grundsätzlich nicht gegenüber der eigenen Gesellschaft und den Gesellschaftern (Art. 205 tHGB). Im Folgenden wird daher die Prüfungspflicht bzw. Haftung der Geschäftsleiter der herrschenden und abhängigen Gesellschaft i.R.d. Cash Pooling getrennt unter eigenen Regelungen behandelt. 2. Bei einfacher Beherrschung („Basit Hakimiyet“), Art. 202 tHGB a) Verantwortung der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft aa) Grundsatz: Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung und Verfolgung der Interessen eigener Gesellschaft Im türkischen Konzernrecht, in dem zwischen vollständigen und einfachen Beherrschungsfällen unterschieden wird, wird bei der vollständigen Beherrschung der herrschenden Gesellschaft ausdrücklich Leitungsbefugnis zuerkannt (Art. 203 Abs. 1 S. 1 tHGB) und dementsprechend wird der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft auferlegt, die Weisungen der herrschenden Gesellschaft zu befolgen (Art. 203 Abs. 1 S. 2 tHGB), solange sie zulässig (i.S.d. Art. 203 f. tHGB) sind.977 Unter Berücksichtigung dieser Folgepflicht wird die Geschäftsführung einer hundertprozentig abhängigen Gesellschaft konsequenterweise von ihrer allgemeinen Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 155 ff., insb. 160; Gürbüz-Usluer, MÜHFHAD 2012, S. 283, 289; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 70, 317; Kırca/Gürel, BATI˙DER 2014, S. 12. Vgl. Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 231, Rn. 336, welcher diesbezüglich eine Unterscheidung zwischen „vollständiger Beherrschung und anderen Herrschaftsarten“ bevorzugt, aber stellenweise auch den Begriff der „einfachen Herrschaft“ verwendet. M. E. ist der Begriff der „teilweisen Beherrschung“ nicht geeignet, weil er irreführend ist. In Bezug auf die Möglichkeit zur faktischen Leitung einer abhängigen Gesellschaft liegt eigentlich kein Unterschied zwischen diesen zwei Fällen vor. Genauso wie bei der vollständigen Beherrschung der Tochtergesellschaft hat die anderweitig herrschende Gesellschaft auch die volle Möglichkeit die abhängige Gesellschaft – aufgrund eines der in Art. 195 bestimmten Kontrollmittel – faktisch zu leiten. Der Begriff der „teilweisen Beherrschung“ ist jedoch irreführend, weil diese Bezeichnung den Eindruck erweckt, als ob die anderweitig herrschende Gesellschaft ihre Beherrschungsmacht nur teilweise ausüben könnte. Die „Vollständigkeit“ der Beherrschung bezieht sich hier also nicht auf den Umfang der Möglichkeit der Beherrschung, sondern auf die Beteiligungsquote. Daher sollte m. E. zur Differenzierung dieser zwei Beherrschungsfälle entweder „vollständige Beteiligung – teilweise Beteiligung“ oder „vollständige Beherrschung – einfache Beherrschung“ verwendet werden. 977 Ausführlich zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Weisungsrechts bei vollständiger Beherrschung s. Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), aa).

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Sorgfaltspflicht mit Rücksicht auf die Befolgung der Interessen eigener Gesellschaft durch Art. 369 Abs. 2 tHGB (zur AG)978 und Art. 626 Abs. 1 S. 2 tHGB (zur GmbH)979 befreit. Im Gegensatz dazu wird jedoch für die einfachen Beherrschungsfälle weder in deutlicher Weise eine solche Regelung zur rechtlichen Anerkennung der Leitungsbefugnis der herrschenden Gesellschaft bzw. zur Folgepflicht der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft noch eine Sonderregelung zur Beschränkung allgemeiner Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft zugunsten des Konzerninteresses vorgenommen. Aus dieser differenzierten Herangehensweise des Gesetzes ist zu folgern, dass beim Vorliegen einfacher Herrschaft die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft nicht zur Befolgung der Weisungen der herrschenden Gesellschaft verpflichtet ist. Sie ist entsprechend den Erfordernissen der allgemeinen Sorgfaltspflicht (Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB) verpflichtet, das Interesse der eigenen Gesellschaft zu verfolgen und die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten.980 Diese Rechtslage bestätigen im Übrigen die Erklärungen des Gesetzgebers in der Begründung zu einer Neuregelung des neu-tHGB, wonach die Oberleitung der Gesellschaft sowie diesbezügliche Weisungsbefugnis die unübertragbaren bzw. unverzichtbaren Aufgaben des Verwaltungsrats der AG sind (Art. 375 Abs. 1 lit. a tGHB).981 Ob diese eigentlich für die Geschäftsführung einer unverbundenen Gesellschaft vorgesehene Regel auch für die Geschäftsführung einer verbundenen AG bzw. GmbH gilt, erwähnt der Gesetzgeber in der Begründung ganz kurz. Er drückt zwar aus, dass sich die Oberleitung der herrschenden Gesellschaft auch auf die abhängige Gesellschaft erstreckt und die Oberleitung auch für die abhängige Gesellschaft verbindlich ist, aber er nimmt trotzdem an, dass die Unübertragbarkeit der Oberleitung der eigenen Gesellschaft auch für die Geschäftsführung der abhängigen

978 Art. 369 tHGB: „(1) Die Verwaltungsratsmitglieder und diejenigen, die mit der Geschäftsführung befasst sind, haben ihre Aufgaben mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsführers zu erfüllen und die Interessen der Gesellschaft nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu befolgen. (2) Die Vorschriften von Art. 203 tHGB bis Art. 205 tHGB (einschließlich) sind vorzubehalten.“ 979 Art. 626 tHGB: „(1) Die Geschäftsführer und diejenigen, die mit der Geschäftsführung befasst sind, haben ihre Aufgaben mit der Sorgfalt zu erfüllen und die Interessen der Gesellschaft nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu befolgen. Die Vorschriften von Art. 202 tHGB bis Art. 205 tHGB (einschließlich) sind vorzubehalten.“ Es ist hier zu bemerken, dass der zweite Satz „… von Art. 202 tHGB bis Art. 205 tHGB …“ als „… von Art. 203 tHGB bis Art. 205 tHGB …“ zu verstehen ist. Denn der Vorbehalt gilt nicht für einfache Beherrschungsfällen, sondern – wie auch aus der Begründung von Art. 626 tHGB ausführlich hervorgeht – für vollständige Beherrschungsfällen, welche in Art. 203 ff. tHGB geregelt sind. 980 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 368; i.E. Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 268 ff.; Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 386, Rn. 653 f. 981 Die gleiche Regel gilt auch für den Geschäftsleiter der GmbH gem. 625 Abs. 1 lit. a tHGB.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Gesellschaften gilt.982 So geht daraus hervor, dass der Gesetzgeber offensichtlich keine Abweichung von der Leitungspflicht der Geschäftsführung bei (einfach) verbundenen Gesellschaften vorsieht.983 Als ein anderes Indiz dafür, dass die Geschäftsführung einer einfach-abhängigen Gesellschaft den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftungsregeln unterliegt, wird zudem zutreffend im Schrifttum Art. 202 Abs. 5 tHGB gezeigt.984 Durch diese Regelung wird den gesetzlichen Vertretern der abhängigen Gesellschaft eine Möglichkeit eingeräumt, sich von ihrer Haftung zu befreien.985 Demnach können die gesetzlichen Vertreter der abhängigen Gesellschaft von der herrschenden Gesellschaft verlangen, dass sie alle Rechtsfolgen ihrer Handlungen und damit ihre Haftung gegenüber den Aktionären sowie Gläubigern aus Art. 202 tHGB durch einen Vertrag übernimmt. Da im Gesetz keine besondere konzernrechtliche Haftungsregelung für die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft existiert, wird diese Regelung zutreffend in der Weise interpretiert, dass dabei auf die rein allgemeine Haftung der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft hingewiesen werde, die durch die gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung ausgelöst werde.986 Auch in der Begründung zu Art 202 Abs. 5 tHGB wird geäußert: „In der Praxis könnten die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft dazu gezwungen werden, gewisse Rechtsgeschäfte vorzunehmen, welche zu ihrer Haftung führen könnten. Ein solcher Geschäftsleiter kann sich nicht von der sich aus Gesetz ergebenden Haftung befreien.“ Aus dieser Erklärung geht ausdrücklich hervor, dass beim Vorliegen einfacher Beherrschungsfälle die Pflicht der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft zur sorgfältigen Leitung der Gesellschaft ungeachtet des Abhängigkeitsverhältnisses fortbesteht. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei einfacher Beherrschung die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft nicht den Weisungen der herrschenden Gesellschaft unterworfen sind und daher verpflichtet bleiben, die Interessen der eigenen Gesellschaft zu verfolgen, wird zutreffend auch in der türkischen Literatur hinsichtlich der Pflichten der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft – parallel zu deutschem Recht – auf ihre allgemeine Sorgfalts- bzw. Prüfungspflichten hingewiesen.987 In Anlehnung an die einschlägige deutsche Literatur wird geäußert, dass der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft vor der Befolgung der Maßnahme der herrschenden Gesellschaft im Rahmen der Treu- und Sorgfaltspflicht (Art. 369 982 Begründung zu Art. 375 Abs. 1 lit a tHGB. Dies gilt auch sinngleich für die Geschäftsleiter der abhängigen GmbH. 983 Da bei vollständigen Herrschaften durch Art. 203 tHGB die Leitungsbefugnis der herrschenden Gesellschaft explizit geregelt wird, gilt Art. 375 Abs. 1 lit. a tGHB bei vollständigen Herrschaften nicht. 984 Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 268 ff., insb. S. 270. 985 Ausführlich zu Art. 202 Abs. 5 tHGB nachstehend Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), cc). 986 Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 270. 987 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 371; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 270 f.

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Abs. 1 tHGB) zu prüfen habe, ob sie nachteilig sei und etwaige Nachteile ausgleichsfähig seien und ob die herrschende Gesellschaft zum Ausgleich bereit bzw. imstande sei.988 Liege kein Nachteil vor oder sei der Nachteil ausgleichsfähig und die herrschende Gesellschaft imstande, ihn auszugleichen, dann dürfe der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft die Maßnahme verfolgen.989 Stelle demgegenüber der Geschäftsleiter fest, dass die Maßnahme nachteilig und nicht ausgleichsfähig sei, habe er die herrschende Gesellschaft auf den Nachteil hinzuweisen und sich deren grundsätzliche Bereitschaft zum Nachteilsausgleich erklären zu lassen; bestreite die herrschende Gesellschaft den Nachteil oder lasse sie die grundsätzliche Ausgleichsbereitschaft vermissen, müsse die Maßnahme unterbleiben.990 Demnach, wenn die Geschäftsleiter bei ihrer Entscheidung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben annehmen durften, dass der Ausgleich tatsächlich und rechtzeitig erfolgen wird, dann sei anzunehmen, dass keine Pflichtverletzung vorliege.991 Anderenfalls wird er neben der herrschenden Gesellschaft und ihrer gesetzlichen Vertreter gemäß Art. 553 tHGB gegenüber den Gläubigern und außenstehenden Gesellschaftern i.R.d. Art. 557 tHGB gesamtschuldnerisch haften.992 Aus rechtsvergleichender Hinsicht lässt sich an dieser Stelle feststellen, dass das türkische Konzernrecht bei einfachen faktischen Abhängigkeitsfällen in Bezug auf die Verantwortung des Leitungsorgans der abhängigen Gesellschaften auf demselben Prinzip wie das deutsche Konzernrecht beruht: D. h. genau so wie im deutschen Recht993 bleibt das Leitungsorgan der abhängigen Gesellschaften im türkischen Recht für die Fälle der einfachen faktischen Abhängigkeit ungeachtet des Abhängigkeitsverhältnisses verpflichtet, die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten. Das Leitungsorgan ist nicht weisungsunterworfen und damit nicht verpflichtet, den Veranlassungen des herrschenden Unternehmens zu folgen. Dabei ist allerdings der Unterschied zu bemerken, dass diese Weisungsungebundenheit im deutschen Recht – ungeachtet der Beteiligungsquote des herrschenden Unternehmens – für jede faktisch konzernierte AG gilt, während dies im türkischen Recht lediglich für den Fall der einfachen Abhängigkeit gilt.

988

Vgl. Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 371; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 270 f. 989 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 371; für die relevante Literatur siehe statt vieler Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 78 und Münch.Hdb.AG/Krieger, § 70, Rn. 31 jeweils m.w.N. 990 Münch.Hdb.AG./Krieger, § 70, Rn. 31; KölnKomm-AktG/Koppensteiner, § 311, Rn. 140 ff.; Hüffer/Koch, § 311, Rn. 48. 991 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 371. 992 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 371 f.; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 271. 993 Ausführlich zum deutschen Recht s. Kapitel 2, § 3, F., I.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

bb) Prüfungs- und Kontrollpflicht der Geschäftsführung der Poolgesellschaften vor und nach der Valutierung Die Geschäftsführung einer abhängigen Poolgesellschaft muss im Zeitpunkt der Darlehensvergabe unter Beachtung der ihm nach Art. 369 Abs. 1 tHGB (zur AG), 626 Abs. 1 S. 1 tHGB (zur GmbH) obliegenden Sorgfalts- und Treupflicht prüfen, ob die Darlehensvergabe nachteilig ist. Da nach der Maßgabe des Art 202 Abs. 1 tHGB der nachteilige Liquiditätsabzug nur unter der Voraussetzung des Nachteilsausgleichs zulässig ist, darf die Geschäftsführung der Poolgesellschaft der Aufforderung der Betreibergesellschaft, Liquidität an den Cash Pool abzuführen, nur dann nachkommen, wenn der Ausgleich des Nachteils sichergestellt ist. Erscheint die Rückzahlung des Darlehens aufgrund mangelhafter Bonität der Betreibergesellschaft und damit der Nachteilsausgleich wegen des konkreten Ausfallrisikos unmöglich, so hat der Geschäftsleiter der Poolgesellschaft das Risiko eines Forderungsausfalls nicht zu übernehmen und die Auszahlung des Darlehens in den Pool zu verweigern.994 Denn bei unzureichender Bonität der Betreibergesellschaft sind die Realisierbarkeit des Ausgleichsanspruchs und damit die Rückzahlung des Darlehens von vornherein unmöglich. Daher darf sich der Geschäftsleiter der Poolgesellschaft auf den Ausgleichsanspruch nicht einlassen. Außer des Ausfallrisikos muss die Geschäftsführung der Poolgesellschaft die Nachteiligkeit der Darlehensvergabe unter dem Gesichtspunkt der Liquiditätslage der Poolgesellschaft überprüfen. Denn die ständige Mittelzufuhr in den Pool kann sich negativ auf die Liquiditätslage der Poolgesellschaft auswirken, sodass ein konkretes Liquiditätsrisiko entstehen kann.995 Dabei sollte besonders darauf geachtet werden, dass der Liquiditätsentzug die Existenz der Poolgesellschaft nicht bedroht. Führt die Geschäftsführung trotz des konkreten Ausfallrisikos oder Liquiditätsrisikos die Mittel in den Pool ab und erleidet die Gesellschaft dadurch einen Schaden, macht sie sich neben der herrschenden Gesellschaft und ihrer Geschäftsleiter (Art. 202 Abs. 1 lit. b tHGB) gem. Art. 553 tHGB gesamtschuldnerisch schadensersatzpflichtig. Hinsichtlich der Frage, ob die bei einfacher Beherrschung fortbestehende Sorgfaltspflicht der Geschäftsleiter der Poolgesellschaft nach der Valutierung eine fortlaufende Kontrollpflicht erfordert, wäre m. E. der schon in Deutschland entwickelte Ansatz auf das türkische Recht übertragbar. Denn bei der einfachen Herrschaft handelt der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft – genauso wie im deutschen Recht –996 unter eigener Verantwortung, sodass er die Interessen eigener Gesellschaft sorgfältig verfolgen muss. In diesem Zusammenhang, auch wenn gem. Art. 202 Abs. 1 tHGB (entsprechend dem deutschen Konzept des § 311 AktG) bei der Beurteilung des nachteiligen Charakters der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsge-

994 Habersack, ZGR 2009, S. 358; Hormuth, Recht und Praxis des konzernweiten Cash Managements, S. 199. 995 Kapitel 2, § 4, C., V., 4. 996 Kapitel 2, § 3, F., I.

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schäfts oder der Maßnahme maßgeblich ist,997 sollte sich dieser „stichtagsbezogene“ Ansatz auf die fortlaufende Sorgfaltspflicht der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft nicht auswirken. D. h. wie schon in Deutschland ausgeführt, sollte die fortlaufende Kontrollpflicht der Geschäftsleiter der Poolgesellschaft von dem stichtagsbezongenen Ansatz von Art 202 Abs. 1 tHGB unberührt bleiben. In Bezug auf das Ausfallrisiko des Darlehens sollte demgemäß angenommen werden, dass die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft auch bei der ex-ante nicht nachteiligen Darlehensausreichung die Pflicht hat, das Kreditrisiko, d. h. die Bonität der Betreibergesellschaft fortlaufend zu prüfen.998 Wie oben schon ausgeführt, die Bonität des Darlehensempfängers und damit die Durchsetzbarkeit der Rückzahlungsforderung stellt die Zulässigkeitsvoraussetzung eines Darlehens bei unverbundenen Gesellschaften dar, was mit der Nachteilsausgleichs-Maßgabe des Art. 202 tHGB hinsichtlich der Beurteilung des Ausfallrisikos übereinstimmt. Die Sorgfaltspflicht der Geschäftsleiters der abhängigen Gesellschaft erfordert daher nicht nur die Überprüfung der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs vor der Valutierung, sondern von einem sorgfältigen Geschäftsleiter ist darüber hinaus zu erwarten, dass er auch nach der Valutierung die Einbringlichkeit des Rückzahlungsanspruchs unter Kontrolle hält und im Falle einer Ausfall- oder Liquiditätsgefahr darauf reagiert. In diesem Zusammenhang sollte die Geschäftsführung der Poolgesellschaft auf Bonitätsverschlechterungen der Betreibergesellschaft mit der Kündigung des Cash Pooling-Vertrags oder Anforderung von Sicherheiten reagieren, wenn der Nachteilsausgleich und damit die Rückzahlung des Darlehens nicht mehr möglich scheint. Da allerdings das türkische Recht hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung des Darlehensvertrags aufgrund der Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers keine § 490 BGB entsprechende Norm kennt,999 ist von einem sorgfaltspflichtigen Geschäftsführer in der Türkei zu erwarten, dass er unbedingt für eine besondere Klausel zur außerordentlichen Kündigung für den Fall der Bonitätsverschlechterung der Betreibergesellschaft im Cash Pooling-Vertrag sorgt, damit er seiner Verantwortung rechtmäßig nachkommen kann. Darüber hinaus sollte die Geschäftsführung der Poolgesellschaften – wie in der deutschen Rechtsprechung und Literatur seit jeher verlangt wird –1000 für die Einrichtung eines konzerninternen „Informations- und Frühwarnsystems“ sorgen, damit sie ihrer Beobachtungspflicht rechtzeitig und pflichtgemäß nachkommen kann. Diesem System kommt bei Cash Pooling-Konstellationen große Bedeutung zu. Denn das Cash Pooling weist insoweit eine Besonderheit bzw. Komplexität auf, als die 997 Ganz h.M. in Deutschland Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 44, m.w.N.; BGHZ, 179, 71, Rn. 13, „MPS“. Im türkischen Lehre Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 202 f., welcher sich mit Verweis auf deutsche Literatur dafür spricht. 998 BGHZ 179, 71, Rn. 14, „MPS“-Urteil. Auch so in der Literatur Habersack, ZGR 2009, S. 361; ders., in: FS Schaumburg, 2009, S. 1303; Goette/Habersack/Vetter, Rn. 4.52; Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 311, Rn. 47b, m.w.N. 999 Ausführlich dazu Kapitel 1, § 2, A., IV., 2., a), bb). 1000 Siehe Kapitel 2, § 3, F., III.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Bonität der Betreibergesellschaft meistens von der wirtschaftlichen Situation einzelner Poolgesellschaften abhängig ist. Bei Cash Pooling-Konstellationen kann daher nur eine Beurteilung der Bonität aller teilnehmenden Poolgesellschaften genügenden Aufschluss über die tatsächliche Bonitätslage der Betreibergesellschaft geben.1001 Eine effiziente Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Betreibergesellschaft erfordert daher, dass die Geschäftsführung der Poolgesellschaften einen Zugang auf Auskünfte nicht nur über die wirtschaftliche Lage der Betreibergesellschaft, sondern auch über die der anderen Poolgesellschaften bekommt. In diesem Zusammenhang sollte ein sorgfaltspflichtiger Geschäftsleiter für die Einrichtung eines konzerninternen „Informations- und Frühwarnsystems“ sorgen, welches gewährleistet, dass die für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der Betreibergesellschaft nötigen Daten regelmäßig und zeitnah verfügbar sind. cc) Haftungsbefreiung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft, Art. 202 Abs. 5 tHGB Wie bereits oben kurz ausgeführt, räumt das türkische Konzernrecht für den Fall einer 100 %igen Abhängigkeit dem Konzerninteresse unter bestimmten Voraussetzungen den Vorrang ein (Art. 203, 369 Abs. 2, 626 Abs. 1 S. 2 tHGB), während es für den Fall der einfachen Abhängigkeit davon absieht und beim klassischen gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Selbständigkeit der Gesellschaft verbleibt. Nach diesem Konzept bleiben also die Geschäftsleiter der einfach-abhängigen Gesellschaften verpflichtet, die Interessen eigener Gesellschaft zu verfolgen (Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB), obwohl sie in der Tat unter der Beherrschungsmacht der herrschenden Gesellschaft stehen und daher eigentlich de facto – wie Geschäftsleiter einer vollständig-abhängigen Gesellschaft – das Konzerninteresse zu verfolgen gezwungen sind. Um die ungerechten Rechtsfolgen dieser Diskrepanz aus Sicht der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft beseitigen zu können, führte der türkische Gesetzgeber – anders als das deutsche Recht – eine besondere Regelung ins Gesetz ein. Nach Art. 205 Abs. 5 tHGB können die gesetzlichen Vertreter der einfach abhängigen Gesellschaft von der herrschenden Gesellschaft verlangen, dass sie alle Rechtsfolgen ihrer Handlungen und damit ihre Haftung gegenüber den Aktionären sowie Gläubigern aus Art. 202 tHGB durch einen Vertrag übernimmt. Damit wird den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft gesetzlich die Möglichkeit geboten, die Rechtsfolgen ihrer im Rahmen von Art. 202 tHGB ausgelösten Pflichtverletzungen auf die herrschende Gesellschaft abzuwälzen. In Anbetracht der faktischen Abhängigkeit der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft könnte sich jedoch die Durchsetzbarkeit dieser Möglichkeit gegenüber der herrschenden Gesellschaft als unrealistisch erweisen. Deswegen wird in der Literatur diskutiert, was das Gesetz der Norm rechtlich für einen Charakter zuerkennt. Begründet die Norm also eine Pflicht seitens der herrschenden Gesellschaft den sog. Haftungs-Übernahmevertrag abzuschließen, falls dies vom Geschäftsleiter 1001

Jülch, Die Wechselwirkung von Kapital- und Existenzschutz, S. 342 ff.

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der abhängigen Gesellschaft verlangt wird? Nach einer Ansicht ist diese Norm in der Weise auszulegen, dass dadurch einerseits den Geschäftsleitern ein „Anspruchsrecht“ auf Vertragsabschluss eingeräumt werde, andererseits der herrschenden Gesellschaft die Pflicht auferlegt werde, auf Verlangen den Vertrag abzuschließen.1002 Anderenfalls würde die Norm nur einen empfehlenden Charakter besitzen und keine rechtliche Wirkung haben.1003 Deswegen, auch wenn der Vertragsabschluss trotz des Verlangens der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft ausbleibe, müsse die herrschende Gesellschaft den Schaden der Geschäftsleiter ersetzen.1004 Die Gegenansicht sieht diese Auffassung jedoch als einen Eingriff in die Vertragsfreiheit an.1005 Denn der Gesetzgeber siehe ganz bewusst keine direkte Haftung des herrschenden Unternehmens vor, sondern spreche nur vom Vertrag. Nach der erstgenannten Auffassung bestehe jedoch kein Unterschied zwischen dem Abschluss und Nichtabschluss des Vertrags, da demnach das herrschende Unternehmen auf jeden Fall die Rechtsfolgen der Haftungsklage übernehmen würde. Stellt man allein auf den Wortlaut der Norm oder auf die Erklärungen in der Begründung ab, wäre es nicht möglich anzunehmen, dass die Norm eine Pflicht für die herrschende Gesellschaft zum Vertragsschluss begründet. Denn sowohl der Wortlaut der Norm als auch die Begründung drängt einem den Eindruck auf, dass die Norm kein direktes Anspruchsrecht begründet, sondern nur Empfehlungscharakter hat. Nach dem Wortlaut der Norm: „die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft können … von herrschender Gesellschaft verlangen“, und nach dem Wortlaut der Begründung: „… Das Vorstandsmitglied muss mit der herrschenden Gesellschaft einen Vertrag abschließen, damit die Rechtsfolgen seiner eventuellen Haftung durch die herrschende Gesellschaft übernommen werden.“ Diese Ausführungen unterstützen zwar die dahingehende Feststellung der Gegenansicht, dass keine direkte Haftung des herrschenden Unternehmens vorgesehen, sondern nur vom Vertrag gesprochen werde. Eine solche nur an dem Wortlaut orientierte Auslegung wäre allerdings m. E. aus zwei Gründen nicht vertretbar. Erstens bereiten solche Verträge normalerweise ohnehin keine Gültigkeitsprobleme und sie bedürfen keiner besonderen gesetzlichen Regelung zur Gültigkeitserklärung. Zweitens muss es dem Gesetzgeber schon bewusst sein, dass zum einen eine solche Regel mit Empfehlungscharakter, welche keine rechtliche Wirkung hat, ins Leere laufen würde, zum anderen, dass die Parteien ohnehin auf eine solche vertragliche Beziehung eingehen 1002 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 373, welche dabei auf den Bericht der parlamentarischen Unterkommission für Justiz zu einschlägiger Regelung verweist. Im Bericht wird ausgeführt, dass es zweckmäßiger wäre, anstatt einer Aussage zur Gültigkeit derartiger Verträge, den gesetzlichen Vertretern der abhängigen Gesellschaft ein solches Anspruchsrecht einzuräumen. Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 273, der sich dabei auf den Grundsatz von Treu und Glauben stützt. 1003 Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 273. 1004 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 374; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 273. 1005 Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 388, Rn. 655.

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können, auch wenn eine derartige besondere Regelung nicht existieren würde. Dass man trotzdem diese sonst immer bestehende Möglichkeit im Gesetzestext explizit ausgedrückt hat, sollte als ein Indiz dafür ausgelegt werden, dass der Gesetzgeber dabei die wegen der Abhängigkeitslage fehlende Durchsetzbarkeitsfähigkeit des Geschäftsführers der abhängigen Gesellschaft berücksichtigt und diese Möglichkeit als „Anspruchsrecht“ zugunsten der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft auf der Ebene des Gesetzes ausgestalten wollte. Schließlich kann man m. E. dabei höchstens vom Vorliegen einer misslungenen Abfassung der Norm ausgehen, welche den Entstehungszweck der Regelung nicht passend auszudrücken vermag. In diesem Zusammenhang wäre zutreffend, über den Wortlaut der Norm bzw. Begründung hinauszugehen und unter Berücksichtigung vom Sinn und Entstehungszweck der Norm davon auszugehen, dass damit ein Anspruchsrecht zugunsten der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft und für den Fall der Inanspruchnahme dieses Rechts eine Pflicht zum Vertragsabschluss seitens der herrschenden Gesellschaft begründet wird, deren Grundlage Art. 205 Abs. 5 tHGB bildet. Es ist allerdings hierbei hervorzuheben, dass durch diese Norm weder die allgemeine Sorgfaltspflicht noch die gesellschaftsrechtliche Haftung der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft gegenüber den außenstehenden Gesellschaftern oder den Gläubigern ausgeschlossen wird. Mit anderen Worten, beim Vorliegen eines Übernahmevertrags werden die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft nicht von ihren allgemeinen Prüfungspflichten oder Schadensersatzpflicht entbunden, sondern ihnen wird nur eine Möglichkeit eingeräumt, den infolge der Haftung aus Art. 202 tHGB zu leistenden (oder schon geleisteten) Schadenersatz von der herrschenden Gesellschaft zu verlangen. Unter Berücksichtigung der oben ausgeführten Erklärungen lässt sich somit feststellen, dass im türkischen Recht die Geschäftsführung der Poolgesellschaft – anders als im deutschen Recht – gem. Art. 202 Abs. 5 tHGB ein Anspruchsrecht darauf hat, zu verlangen, vor dem Abschluss des Cash Pooling-Vertrags mit der herrschenden Gesellschaft einen Übernahmevertrag abzuschließen. Beim Ausbleiben des Vertragsabschlusses, trotz des Verlangens, kann sie – nach hier vertretener Ansicht – ihr Rückgriffsrecht gegen die herrschende Gesellschaft für den schon geleisteten Schadensersatzbetrag geltend machen.1006 Dass der türkische Gesetzgeber der Geschäftsführung der einfach abhängigen Gesellschaften eine solche Möglichkeit einräumt, ist m. E. begrüßenswert. Diese Norm kann allerdings ihre Funktion nur dann vollständig entfalten, sofern das herrschende Unternehmen solvent ist.

1006

S. 273.

So Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 374; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk,

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b) Haftung der herrschenden Gesellschaft bzw. der Konzerngeschäftsleiter aa) Haftungsgrundlage (1) Meinungsstand Genauso wie im deutschen Recht (§ 317 AktG) haften die herrschende Gesellschaft und ihre gesetzlichen Vertreter für den sich aus der veranlassten Maßnahme ergebenden Schaden gem. Art. 202 Abs. 1 lit. b und c tHGB1007 gegenüber der abhängigen Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie Gläubigern, soweit innerhalb des Geschäftsjahrs kein Ausgleich erfolgt oder kein werthaltiger Rechtsanspruch gewährt wird. Während die herrschende Meinung in Deutschland die Haftung des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter als eine „verschuldensunabhängige Veranlassungshaftung“ klassifiziert,1008 neigt die türkische Literatur dazu, diese Haftung eher als eine „Verschuldenshaftung“ zu qualifizieren.1009 Bei dieser Problematik wird – genauso wie im deutschen Schrifttum1010 – die Funktion bzw. Bedeutung von – mit dem § 317 Abs. 2 AktG gleichlautenden – Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB1011 als Ansatzpunkt angenommen. Nach einer Literaturmeinung regele Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB einerseits die Beweislast, andererseits definiere er den Sorgfaltsmaßstab bezüglich des Verschuldens der herrschenden Gesellschaft.1012 Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB wiederhole nämlich den Art. 369 tHGB, welcher die Sorgfaltspflicht bzw. den Sorgfaltsmaßstab des Verwaltungsrats einer AG regele, und damit sehe die Norm den gleichen 1007 Art. 202 Abs. 1, lit. b: „Unterbleibt der Ausgleich in dem Geschäftsjahr oder wird der abhängigen Gesellschaft nicht fristgerecht ein Ausgleichsanspruch gewährt, dann kann jeder Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft von der herrschenden Gesellschaft und deren den Schaden veranlassenden Verwaltungsratmitgliedern die Erstattung des Schadens verlangen. Das Gericht darf auf Antrag oder von Amts wegen, statt des Schadensersatzes gemäß dem zweiten Absatz dieses Artikels anordnen, dass die Aktien bzw. Anteile der klagenden Gesellschafter von der herrschenden Gesellschaft aufgekauft werden. Das Gericht kann auch eine andere dem Sachverhalt entsprechende und akzeptable Lösung anordnen.“. lit. c: „Auch wenn sich die Gesellschaft nicht in Konkurs befindet, dürfen die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft gemäß lit. (b) verlangen, dass der Schaden der Gesellschaft ersetzt wird.“ 1008 Ausführlich dazu siehe Kapitel 2, § 3, B., II. und Kapitel 2, § 3, G., II., 1. 1009 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 335 ff.; Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 325 f. Rn. 510; Göktürk, S¸irketler Toplulug˘ unda Sorumluluk, S. 231 ff.; differenzierend Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-89, 23-118. 1010 Ausführlich dazu siehe Kapitel 2, § 3, B., II. und Kapitel 2, § 3, G., II., 1. 1011 Art. 202 Abs. 1, lit. d: „Wird bewiesen, dass das Rechtsgeschäft unter gleichen oder ähnlichen Umständen auch von Verwaltungsratmitgliedern einer unabhängigen Gesellschaft, die die Interessen der Gesellschaft mit Treu und Glauben wahrnehmen und mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers handeln, vorgenommen oder vermieden worden wäre, wird kein Schadenersatz gewährt.“ 1012 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 335 ff., welche auch dafür plädiert, dass Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB bei der Bestimmung des Nachteilsbegriffs nicht maßgeblich sein könne (dies., S. 334).

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Sorgfaltsmaßstab auch für die Mitglieder des Verwaltungsrats der herrschenden Gesellschaft.1013 Die Vertreterin dieser Auffassung unterstützt ihre Meinung zudem damit, dass Art. 202 Abs. 1 lit. e tHGB1014 auf Art. 553 tHGB verweist. Art. 202 Abs. 1 lit. e tHGB besagt, dass auch auf die Schadensersatzklage gegen die herrschende Gesellschaft und ihre gesetzlichen Vertreter Art. 553 tHGB angewendet wird, in dem die Verschuldensvermutung hinsichtlich der aktienrechtlichen Haftung der Verwaltungsratsmitglieder geregelt wird.1015 Nach dieser Ansicht zeigt dies, dass es sich bei Art. 202 Abs. 1 lit. b und c tHGB um eine Verschuldenshaftung handle. Treffe demnach die Geschäftsleiter der herrschenden Gesellschaft kein Verschulden, dann hafte auch die herrschende Gesellschaft nicht, weil die Haftung der herrschenden Gesellschaft an die Pflichtverletzung ihrer gesetzlichen Vertreter anknüpfe.1016 Auch ein anderer Autor interpretiert Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB als eine Bestimmung der „Exkulpationsmöglichkeit“, aber er differenziert zwischen der Haftung der herrschenden Gesellschaft und ihrer gesetzlichen Vertreter. Nach ihm sei die Haftung der gesetzlichen Vertreter verschuldensabhängig, während die Haftung der herrschenden Gesellschaft verschuldensunabhängig sei.1017 Einer anderen Auffassung zufolge jedoch sei Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB bezüglich der Frage nach der Haftungsgrundlage des herrschenden Unternehmens und dessen gesetzlicher Vertreter nicht von großer Bedeutung.1018 Er begründet seine Meinung über die Verschuldensabhängigkeit der Haftung des herrschenden Unternehmens und dessen gesetzlicher Vertreter unmittelbar damit, dass Art. 202 Abs. 1 lit. e tHGB auf Art. 553 tHGB verweist. Denn der Gesetzgeber habe seine Absicht über die Verschuldenshaftung schon dadurch bekannt gemacht, dass er in Art. 202 Abs. 1 lit. e tHGB auf Art. 553 tHGB verweist, in dem die Verschuldensvermutung bei der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit vorgesehen und die Beweislast bezüglich des Verschuldens geregelt werde. Aus diesem Verweis leitet er ab, dass Art. 202 Abs. 1 lit. b und c tHGB eine „Verschuldenshaftung“ statuiere.1019 Demnach sei Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB nicht als eine besondere Norm, sondern nur als eine Bestätigung von Art. 553 tHGB zu verstehen. Nach ihm regle Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB nicht einen Sorgfaltsmaßstab bezüglich des Verschuldens des herrschenden 1013

Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 335 f. Art. 202 Abs. 1 e) „Die Artikel 553, 555, 557, 560 und 561 finden entsprechende Anwendung auf die Klagen der Gesellschafter und der Gläubiger.“ 1015 Art. 553 tHGB mit der Überschrift „Die Verantwortung der Gründer, Vorstandsmitglieder, Geschäftsleiter und Konkursverwalter“: (Abs. 1) „Die Gründer, Vorstandsmitglieder, Geschäftsleiter und Konkursverwalter, welche ihre sich aus dem Gesetzt und der Satzung ergebenden Pflichten sorgfaltswidrig verletzen, sind der Gesellschaft, den Aktionären sowie den Gläubigern gegenüber für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich. …“ 1016 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 337. 1017 Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-89, 23-112, 23-149. 1018 Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 325 f. Rn. 510. 1019 Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 326, Rn. 510 Fn. 1073. Er geht wohl davon aus, dass weder die herrschende Gesellschaft noch ihre gesetzlichen Vertreter haften, wenn die Geschäftsleiter der herrschenden Gesellschaft kein Verschulden trifft. 1014

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Unternehmens und dessen Verwaltungsratsmitglieder, sondern eher den Sorgfaltsmaßstab des Verwaltungsrats der abhängigen Gesellschaft, indem das (hypothetische) Verhalten des Verwaltungsrats einer unabhängigen Gesellschaft unter ähnlichen Umständen als Maßstab ausgeführt werde. Der Verwaltungsrat des herrschenden Unternehmens sei ohnehin unabhängig und habe daher mit diesem Vergleich nicht zu tun. Da die in der Norm befindlichen Aussagen („ein Rechtsgeschäft vorzunehmen“ und „eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen“) die Handlungen des Verwaltungsrats der abhängigen Gesellschaft betreffen würden, führe dies ihm zufolge zur Annahme, dass hier der Sorgfaltsmaßstab des Verwaltungsrats der abhängigen Gesellschaft geregelt sei. (2) Stellungnahme Der Verweis von Art. 202 Abs. 1 lit. e tHGB auf Art. 553 tHGB ist auch m. E. in der Weise zu interpretieren, dass der türkische Gesetzgeber bezüglich der konzernrechtlichen Haftung der herrschenden Gesellschaft und ihrer gesetzlichen Vertreter auf eine „Verschuldenshaftung“ abstellt. Denn nach Art. 553 tHGB, welcher bei den Klagen von Gesellschaftern und Gläubigern (aus Art. 202 Abs. 1 lit. b und c tHGB) Anwendung finden soll, ist die Haftung der Verwaltungsmitglieder einer (unabhängigen) AG an das „Verschulden“ angeknüpft.1020 In diesem Zusammenhang sollte Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB als eine Norm angesehen werden, die den „Verhaltens- bzw. Sorgfaltsmaßstab“ hinsichtlich des Verschuldens der gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft definiert und somit durch Art. 202 Abs. 1 lit. e i.V.m. Art. 553 tHGB angenommenes Verschuldensprinzip ergänzt. Durch Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB wird den gesetzlichen Vertretern der herrschenden Gesellschaft bei der Ausübung der faktisch erworbenen Leitungsmacht die Pflicht auferlegt, die Sorgfalt des Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft anzuwenden. So wird von ihnen erwartet, dass sie bei der Ausübung der Einflussmöglichkeit den Verhaltens- bzw. Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft einhalten. Dass Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB schon bei der Definition des konzernrechtlichen Nachteilsbegriffs herangezogen wird,1021 verhindert m. E. nicht, dass die Regelung zugleich als ein „Verschuldensmaßstab“ hinsichtlich der Haftung der gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft angenommen wird.1022 Indem Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB schon in den Begriff des konzernrechtlichen Nachteils einbezogen und damit der Nachteilsbegriff im Vorfeld 1020 Dass dabei auf eine aktiengesellschaftliche Norm (Art. 553 tHGB) verwiesen wird, führt nicht dazu, dass die abhängige Gesellschaft eine AG sein soll. Die Norm findet nämlich eine analoge Anwendung ohne Rücksicht auf die Rechtsform, Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-105. 1021 Dazu siehe vorstehend Kapitel 2, § 4, C., III. 1022 A.A. Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 334 ff., wonach Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB bei der Bestimmung des Nachteilsbegriffs nicht maßgeblich sein könne, weil er einerseits die Beweislast, andererseits den Sorgfaltsmaßstab bezüglich des Verschuldens der herrschenden Gesellschaft definiere.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

der Ersatzpflicht an deren Beschränkungen ausgerichtet wird, wird praktisch bezweckt, den Nachteilsbegriff entsprechend dem Sinn und Zweck der konzernrechtlichen Regelungen zu modifizieren. Denn das Konzernrecht zielt nicht darauf ab, alle Risiken der abhängigen Gesellschaft der herrschenden Gesellschaft aufzubürden, sondern nur jene, die sich aus ihrer Abhängigkeit ergebenden Risiken.1023 Deswegen ist m. E. Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB als eine Norm anzusehen, die einerseits dem Nachteilsbegriff einen konzernrechtlichen Begriffsinhalt zuschreibt und damit den „objektiven Tatbestand“ der konzernrechtlich relevanten Nachteiligkeit feststellt, andererseits einen Verschuldensmaßstab hinsichtlich der Verantwortung der gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft bestimmt. Insoweit regelt die Norm, dass die herrschende Gesellschaft bzw. ihre gesetzlichen Vertreter nicht haften, wenn die gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft bei der Ausübung der Leitungsmacht die Sorgfalt angewendet haben, welche der Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft gem. Art. 369 Abs. 1 (zur AG), 626 Abs. 1 S. 1 (zur GmbH) tHGB anzuwenden hat. Die Ansicht, wonach Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB nicht einen Sorgfaltsmaßstab bezüglich des Verschuldens des herrschenden Unternehmens bzw. dessen Verwaltungsratsmitglieder, sondern eher den Sorgfaltsmaßstab des Verwaltungsrats der abhängigen Gesellschaft regele,1024 verkennt jedoch m. E. die ursprüngliche Funktion der Norm. Denn im Gegensatz zur vollständigen Beherrschung, wobei der herrschenden Gesellschaft gesetzlich eine Leitungsbefugnis zuerkannt (Art. 203 Abs. 1 tHGB) und dementsprechend dem Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft Folgepflicht auferlegt wird,1025 handelt der Geschäftsleiter einer einfach-abhängigen Gesellschaft unter eigener Verantwortung.1026 Er ist daher ohnehin verpflichtet, im Rahmen des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs von Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB die Interessen der eigenen Gesellschaft zu verfolgen. Dass die Konzernierung auf die Verfassung der einfach-abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der sogfältigen Leitungspflicht des Geschäftsleiters der abhängigen Gesellschaft unter eigener Verantwortung keine Auswirkung hat und damit seine Verpflichtung unverändert fortbesteht, eigene Gesellschaft – genauso wie bei einer unverbundenen Gesellschaft – sorgfältig zu leiten, leitet sich insbesondere aus Art. 369 Abs. 2, 626 Abs. 1 S. 21027 tHGB ab, in denen jeweils deutlich ausgedrückt wird, dass die vor1023

Ausführlich dazu vorstehend Kapitel 2, § 4, C., III. Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 326. Rn. 510. 1025 Ausführlich dazu nachfolgend Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), aa). 1026 Ausführlich dazu vorstehend Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), aa). 1027 Zwar lautet der 2. Satz von Art. 626 Abs. 1 tHGB: „Die Vorschriften von Art. 202 tHGB bis Art. 205 tHGB sind vorzubehalten.“ Die Formulierung „von Art. 202 tHGB bis Art. 205 tHGB“ ist allerdings als „von Art. 203 tHGB bis Art. 205 tHGB“ zu verstehen. Denn der Vorbehalt gilt nicht für einfache Beherrschungsfällen, sondern – wie auch aus der Begründung von Art. 626 tHGB ausführlich hervorgeht – für vollständige Beherrschungsfällen, welche in Art. 203 ff. tHGB geregelt sind. Deswegen braucht dieser Satz korrigiert zu werden (statt von 202, als von 203). 1024

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gesehene Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung nur für den Fall der vollständigen Beherrschung ausgeschlossen ist.1028 Daraus resultiert ganz klar, dass der Sorgfaltsmaßstab von Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB für den Geschäftsleiter einer einfach-abhängigen AG oder GmbH weiterbesteht und es daher nicht nötig ist, den schon durch die genannten Normen geregelten Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsleiters der abhängigen Gesellschaft mit einer konzernrechtlichen Norm erneut zu regeln. Dass Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB mit dem Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsleiters der abhängigen Gesellschaft nichts zu tun hat, geht zudem schon aus der Systematik der Regelung hervor. Denn in Art. 202 Abs. 1 tHGB wird zuerst in lit. b und c die Schadensersatzpflicht der herrschenden Gesellschaft und deren gesetzlichen Vertretern geregelt und in anschließendem lit. d wird logischerweise auf die Ausschlussmöglichkeit der Schadensersatzpflicht derselben, also der herrschenden Gesellschaft und deren gesetzlichen Vertretern eingegangen. bb) Handlungspflichten der Konzerngeschäftsleiter i.R.d. Cash Pooling (1) Überprüfungspflicht der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs vor der Valutierung Bei aufsteigenden Darlehensvergaben i.R.d. Cash Pooling betrifft die Überprüfungspflicht zur Realisierbarkeit des Ausgleichsanspruchs nicht nur die Geschäftsführung der abhängigen Poolgesellschaften, sondern auch die gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft („Konzerngeschäftsleiter“). Sowohl die faktischen als auch die rechtlichen Gründe sprächen dafür, dass die Vollwertigkeitsprüfung auch dem Pflichtbereich der Konzerngeschäftsleiter gehören sollte. Die faktischen Gründe werden insbesondere im Cash Pooling-Verfahren sichtbar, weil die Prüfung der Bonität der Betreibergesellschaft und damit die Durchsetzbarkeit der Ausgleichsansprüche beim Cash Pooling vor allem verfahrensbedingte praktische Schwierigkeiten aus Sicht der Geschäftsführung der Poolgesellschaften aufweist. Denn das Cash Pooling wird zumeist bei der dafür gegründeten Betreibergesellschaft durchgeführt, welche kein nennenswertes eigenes Vermögen hat. Ihre Bonität hängt meistens lediglich von der Bonität sämtlicher teilnehmender Poolgesellschaften ab und verändert sich stets in kurzen Abständen abhängig von den Verbindlichkeiten und Forderungen der Poolgesellschaften. Eine realistische Bonitätsermittlung i.R.d. Cash Pooling erfordert daher nicht nur die Bonität der Betreibergesellschaft, sondern auch die Bonität aller anderer Poolgesellschaften zu prüfen und zu bewerten. Dies bringt zweifelsfrei erhebliche Schwierigkeiten mit sich, weil eine täglich (oder jedenfalls in kürzerer Abständen) zu machende derartige Prüfung – insbesondere bei groß Konzernen – mit nicht unerheblichem zeitlichen und personellen Aufwand verbunden ist, was die Attraktivität des Cash Pooling aus Sicht der Poolgesellschaften im Ergebnis zunichte machen könnte. Eine andere Schwierigkeit besteht darin, dass es bei der Bonitätsüberprüfung an konkreten Kriterien fehlt, auf deren Grundlage der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft eine fehlerfreie und 1028

Ausführlich dazu Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), aa).

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

pflichtgemäße Entscheidung über die Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs treffen kann. Auch wenn von Rating Ergebnissen als Kriterium gesprochen werden kann, stellt das Rating an dieser Stelle kein festes und immer anwendbares Kriterium dar, weil einerseits in der Praxis nicht jede Gesellschaft geratet wird, andererseits nicht feststeht, welcher Grad beim Rating die Kreditwürdigkeit zweifelsfrei nachweist.1029 All diese praktischen Schwierigkeiten erfordern bei der Untersuchung nach der Bonität der Betreibergesellschaft und damit nach der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs bei einem Cash Pooling-Verfahren die Einbeziehung der Konzerngeschäftsleiter in die Prüfungsverpflichtung. Die diesbezügliche Überprüfungspflicht der Konzerngeschäftsleiter ergibt sich zudem aus den konzernrechtlichen Spezialregelungen. Denn eine aufsteigende Kreditgewährung allgemein und insbesondere i.R.d. Cash Pooling beruht auf der Veranlassung der Konzerngeschäftsleiter und die Zulässigkeit/Nichtnachteiligkeit der Veranlassung der (unbesicherten) Kreditvergabe i.R.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB mit Blick auf das Ausfallrisiko hängt von der Vollwertigkeit des Ausgleichsanspruchs ab. Mit anderen Worten ist nach dem konzernrechtlichen Nachteilsausgleichs-Konzept eine (unbesicherte) Kreditvergabe an die herrschende Gesellschaft bzw. an die Betreibergesellschaft i.R.d. Cash Pooling nur gegen zweifelsfreie Aktivierbarkeit des Ausgleichsanspruchs zulässig. Aus dieser Grundvoraussetzung geht hervor, dass die Durchsetzbarkeitsprüfung des Ausgleichsanspruchs nicht nur die Geschäftsführung der Poolgesellschaften trifft, sondern auch der Konzerngeschäftsleiter verpflichtet sein sollte, vor der Veranlassung die Einbringlichkeit des Rückerstattungsanspruchs zu prüfen. Ferner umfasst der für die gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft in Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB vorgesehene Sorgfaltsmaßstab bei aufsteigenden Kreditvergaben schlechthin die Überprüfung der Durchsetzbarkeit der Rückerstattungsansprüche bzw. Ausgleichsansprüche. Sonst machen sich die Konzerngeschäftsleiter gemäß Art. 202 Art. 1 lit. e i.V.m. Art. 553 tHGB haftbar. (2) Kontroll- und Reaktionspflicht nach der Valutierung Die Frage, ob bei aufsteigenden Kreditgewährungen i.R.d. Cash Pooling außer der Geschäftsführer der abhängigen Poolgesellschaften auch die Konzerngeschäftsleiter die Pflicht trifft, die Durchsetzbarkeit des Rückerstattungsanspruchs nach der Valutierung unter Kontrolle zu halten und bei Bonitätsverschlechterungen mit angemessenen Maßnahmen darauf zu reagieren, ist aus Sicht des türkischen Konzernrechts, in dem die konzernrechtliche Haftung als eine „Verschuldenshaftung“ konzipiert ist, zu bejahen. Denn der in Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB für die Konzerngeschäftsleiter vorgesehene Sorgfaltsmaßstab erfordert eine auch nach der ersten, exante nicht nachteiligen Veranlassung weiterlaufende Überprüfung des veranlassten Darlehensgeschäfts bis zur Abwicklung des Rechtsgeschäfts und im Falle der Bo1029 Gärtner, Cash Pooling, S. 274. Über die Unzulänglichkeit von „Rating“ siehe Kapitel 2, § 2, D., I., 1.

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nitätsverschlechterung der Betreibergesellschaft mit geeigneten Maßnahmen darauf zu reagieren. Insbesondere bei Kreditgeschäften kann der stichtagsbezogene Ansatz von Art 202 Abs. 1 tHGB nicht in der Weise ausgelegt werden, dass die Nichtnachteiligkeit des vorzunehmenden Rechtsgeschäfts im Zeitpunkt der Veranlassung die Konzerngeschäftsleiter davon befreien würde, nach der Veranlassung die Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs unter Kontrolle zu halten. Die fortlaufende Kontrollpflicht der Konzerngeschäftsleiter bei Kreditgeschäften sollte – genauso wie die fortlaufende Überwachungspflicht des Geschäftsleiters der abhängigen Poolgesellschaft –1030 von dem stichtagsbezogenen Ansatz unberührt bleiben.1031 In Bezug auf das Ausfallrisiko der Cash Pool-Darlehen sollte demgemäß angenommen werden, dass die Konzerngeschäftsleiter auch bei der ex-ante nicht nachteiligen Darlehensausreichung die Pflicht haben, das Kreditrisiko, also die Bonität des herrschenden Unternehmens bzw. der Betreibergesellschaft fortlaufend zu prüfen und im Falle der Bonitätsverschlechterungen die sofortige Rückzahlung oder Bestellung von Sicherheiten anzubieten. Verletzen sie pflichtwidrig ihre Überwachungs- und Reaktionspflicht, sollte ihre konzernrechtliche Verantwortung in Betracht kommen.1032 Anders als die in Deutschland herrschende Ansicht, wonach die Verantwortung der Konzerngeschäftsleiter nach einer ex-ante zulässiger Darlehensvergabe einer erneuten Veranlassung, wie z. B. zum Unterlassen einer möglichen Kündigung bedarf,1033 muss es aus Sicht des türkischen Rechts, wobei es als eine „Verschuldenshaftung“ konzipiert ist, nicht unbedingt zu einer erneuten „Veranlassung“ kommen. Die hier vertretene Ansicht bezüglich der nachträglichen Kontrollpflicht der gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft darf allerdings nicht in der Weise verstanden werden, dass die faktische Abhängigkeit eine allgemeine „Konzernleitungspflicht“ aus Sicht der gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft begründet. Das Konzept des Art. 202 tHGB sieht nämlich keinen dahingehenden Schutz für die abhängige Gesellschaft vor, dass die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft generell von Konzerngeschäftsleitern überwacht und zum wirtschaftlichen Interesse der abhängigen Gesellschaft geleitet bzw. gesteuert werden muss. Das konzernrechtliche Schutzkonzept erlegt den gesetzlichen Vertretern der herrschenden Gesellschaft nur hinsichtlich des veranlassten Rechtsgeschäfts eine Kontrollpflicht auf, weil dabei auf die Geschäftsleitung der abhängigen Gesellschaft Einfluss genommen wird. Demnach müssen die gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft nach Maßgabe des Art. 202 Abs. 1 tHGB gewährleisten, dass der Nachteilsausgleich stattfinden und die abhängige Gesellschaft wegen der Einflussnahme keine Schädigung erleiden 1030

Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), bb). Für die gleiche Stellungnahme aus Sicht des deutschen Rechts siehe Kapitel 2, § 3, G., II., 2., a). 1032 Für diesbezügliche Diskussionen in Deutschland siehe Kapitel 2, § 3, G., II. 1033 Dafür siehe Kapitel 2, § 3, G., II., 1. 1031

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

wird. Dementsprechend müssen die Konzerngeschäftsleiter, welche die Geschäftsführung abhängiger Konzerngesellschaften dazu veranlasst haben, am Cash PoolingSystem teilzunehmen und damit ständig Darlehen an die Betreibergesellschaft (bzw. an die herrschende Gesellschaft) abzuführen, bis zum Ende des Darlehensgeschäfts unter Kontrolle halten, dass die Poolgesellschaften wegen dieses (von ihnen veranlassten) Geschäfts keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden, der aufgrund der sich später verschlechterten Bonität der herrschenden Gesellschaft nicht mehr ausgleichbar ist. 3. Bei vollständiger Beherrschung („Tam Hakimiyet“), Art. 203 ff. tHGB a) Tatbestand der vollständigen Beherrschung Da sich im türkischen Konzernrecht – anders als im deutschen Recht bezüglich faktischer Konzernierungen – gesonderte Regelungen zum vollständigen Beherrschungsfall finden und sich diese in vielen Punkten von denen bezüglich der einfachen Beherrschung abweichen, ist es angebracht, vorerst kurz auf den Tatbestand der vollständigen Beherrschung zu blicken. Nach dem Gesetzeskonzept liegt eine vollständige Beherrschung vor, wenn eine Handelsgesellschaft allein mittelbar oder unmittelbar über 100 % der Anteile und der Stimmrechte einer Kapitalgesellschaft verfügt (Art. 203 Abs. 1 tHGB). Eine 100 % Beherrschung, welche mehr als eine Handelsgesellschaft gemeinsam haben, führt nicht zur Entstehung einer vollständigen Beherrschung i.S.d. Art. 203 tHGB.1034 Außerdem müssen nicht nur alle Stimmrechte, sondern auch alle Anteile der abhängigen Kapitalgesellschaft der allein herrschenden Handelsgesellschaft zugehören. Diese Voraussetzung sorgt dafür, dass die Anwendung der einschlägigen Vorschriften von den Besitzern der stimmrechtlosen Anteile (d. h. von Außenstehenden) durch Inanspruchnahme der in Art. 202 tHGB vorgesehenen Klagerechte nicht beeinträchtigt wird.1035 Daraus lässt sich schließen, dass bei einer vollständigen Beherrschung i.S.d. Gesetzes der Fall geregelt wird, dass außer der herrschenden Gesellschaft keine außenstehenden Aktionäre bzw. Gesellschafter vorhanden sind.1036 Dieses Erfordernis ergibt sich eben aus dem vorgesehenen Konzept, in dem für die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft gegenüber eigener Gesellschaft und den Gesellschaftern ein

1034 In diesem Fall kommt auch eine analoge Anwendung der einschlägigen Vorschriften nicht in Frage, weil es sich bezüglich der Weisungsbefugnis einzelner Handelsgesellschaften Probleme ergeben könnte. Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-141. 1035 Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-140; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 311. 1036 Tekinalp, in: FS für Canaris, S. 868; siehe auch ders., Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-141; Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 156 f.; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 69.

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Haftungsausschluss vorgesehen wird, solange sie die zulässigen Weisungen befolgt hat (Art. 205 tHGB).1037 Die vollständige Beherrschung könnte im Übrigen unmittelbar oder mittelbar hergestellt werden. Es handelt sich bei der unmittelbaren hundertprozentigen Herrschaft um eine Einperson-AG oder -GmbH, wobei die herrschende Gesellschaft der einzige Aktionär bzw. Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft ist.1038 Eine mittelbare vollständige Herrschaft i.S.d. Art. 203 Abs.1 tHGB kommt jedoch in Betracht, soweit die herrschende Gesellschaft durch andere Tochtergesellschaften eine Gesellschaft in der Weise beherrscht, dass sie über alle Anteile derer verfügt, sodass kein anderer Aktionär bzw. Gesellschafter vorhanden ist.1039 Mit anderen Worten muss bei der Frage, wann eine mittelbar hundertprozentige Herrschaft im Sinne von Art. 203 Abs.1 tHGB entsteht, die der Norm zugrundeliegende Grundidee beachtet werden, wonach die herrschende Gesellschaft alleiniger Aktionär bzw. Gesellschafter der (eventuell) hundertprozentig abhängigen Tochtergesellschaft sein muss. b) Verantwortung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft aa) Grundsatz: Folgepflicht der zulässigen Weisungen der herrschenden Gesellschaft Im türkischen (faktischen) Konzernrecht stellt die vollständige Beherrschung einen Ausnahmefall dar, in dem grundsätzlich den Konzerninteressen der Vorrang gegeben wird. Anders als bei einfacher Herrschaft räumt nämlich das Gesetz bei vollständiger Beherrschung der herrschenden Gesellschaft das Recht ein, der 100 %ig abhängigen Gesellschaft Weisungen zu erteilen (Art. 203 S. 1 tHGB). Dem Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft werden allerdings zwei Schranken gesetzt. Demnach müssen die Weisungen erstens der vorbestimmten und konkreten Konzernpolitik entsprechen (Art. 203 S. 1 tHGB), zweitens dürfen keine Weisungen erteilt werden, wodurch die finanzielle Leistungsfähigkeit der abhängigen Gesellschaft überschritten sowie ihre Existenz gefährdet oder bei ihr ein maßgeblicher Vermögensverlust verursacht wird (Art. 204 tHGB). Der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft ist verpflichtet, die im Rahmen dieser Grenzen erteilten Weisungen zu befolgen, auch wenn sie nachteilig sind (Art. 203 S. 2 tHGB). Um dieser Folgepflicht des Geschäftsleiters gerecht zu werden, befreit der Gesetzgeber den Geschäftsleiter einer vollständig abhängigen Gesellschaft durch Art. 369 Abs. 2,

1037

Siehe dafür nachstehend Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), cc). Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-141; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 311. 1039 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 157; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 69. 1038

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

626 Abs. 1 S. 2 tHGB1040 bei zulässigen Weisungen von seiner allgemeinen Sorgfaltspflicht. Ist jedoch die nachteilige Weisung mangels der konkreten Konzernpolitik und/oder wegen des Verstoßes gegen Art. 204 tHGB unzulässig, entfällt die Folgepflicht1041 und an die Stelle der Folgepflicht der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft tritt wieder seine gesellschaftsrechtliche Pflicht, die Interessen eigener Gesellschaft zu verfolgen, gem. Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB. Bei der Privilegierung des Konzerninteresses und der Feststellung der Zulässigkeitsgrenzen der Weisungsbefugnis der hundertprozentig herrschenden Gesellschaft greift der türkische Gesetzgeber teilweise das sog. französische RozenblumKonzept auf,1042 wonach drei Kriterien für die Privilegierung konzernrechtlicher Leitung erfüllt werden müssen: (1) Es muss eine strukturell verfestigte Gruppe gegeben sein, (2) es muss in dieser Gruppe eine kohärente Gruppenpolitik verfolgt werden und (3) es muss ein gruppeninternes Gleichgewicht zwischen Vorteilen und Lasten vorhanden sein.1043 Bei der kumulativen Erfüllung dieser Voraussetzungen ist aus Sicht des französischen Rechts anzunehmen, dass die konzerneinheitliche Leitung gerechtfertigt ist, sodass das Gruppeninteresse den Eigeninteressen der einzelnen abhängigen Gesellschaften vorgezogen werden und einer Gruppengesellschaft Nachteile zugefügt werden kann, ohne dass eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft und der herrschenden Gesellschaft in Betracht kommt.1044 Unter Berücksichtigung des Rozenblum-Konzepts und mit Verweis auf die zweitgenannte Voraussetzung seiner oben genannten Kriterien1045 stellt der türkische Gesetzgeber für die Rechtfertigung der Verfolgung der Konzerninteressen bei vollständiger Beherrschung als Zulässigkeitsbedingung fest, dass die Weisungen der vorbestimmten und konkreten Konzernpolitik entsprechen sollen 1040

Für ausführliche Erklärungen über Art. 369 Abs. 2 tHGB (zur AG) und Art. 626 Abs. 1 S. 2 tHGB (zur GmbH) s. Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), aa). 1041 Begründung zu Art. 204 tHGB. 1042 Dieses Konzept findet seine Grundlage hauptsächlich in dem „Rozenblum“-Urteil der Cour de Cassation (Chambre criminelle) vom 04. 02. 1985. Für das Urteil siehe Revue des Sociétés 1985, S. 648 ff. Auch das Forum Europaeum Konzernrecht hat im Bereich der ordnungsgemäßen Konzerngeschäftsführung und der Nachteils-Legitimation das RozenblumKonzept aufgegriffen, ZGR 1998, S. 704 ff. Für ausführliche Informationen zu diesem französischen Konzept und für seine Würdigung aus deutscher Sicht siehe insb. Lutter, in: FS Kellermann, S. 257 ff.; Falcke, Konzernrecht in Frankreich, S. 36 ff.; Gräbener, Schutz außenstehender Gesellschafter, S. 107 ff., der in seinem Werk das deutsche und französische Konzernrecht mit Rücksicht auf ihre Schutzfunktionen vergleicht. Zudem siehe auch Forum Europaeum, ZGR 1998, S. 705 ff. und Windbichler, in: FS für Ulmer, S. 686 ff., welche hinsichtlich einer der Voraussetzungen zur „kohärenten und auf Dauer angelegten Gruppenpolitik“ im Zusammenhang mit dem Richtlinienvorschlag des Forum Europaeum kritisch angeht. 1043 Für ausführliche Erörterungen einzelner Voraussetzungen siehe Forum Europaeum, ZGR 1998, S. 706 ff.; Lutter, in: FS für Kellermann, S. 262 f.; Falcke, Konzernrecht in Frankreich, S. 41 ff.; Gräbener, Schutz außenstehender Gesellschafter, S. 107 ff. 1044 Lutter, in: FS für Kellermann, S. 262. 1045 Dieses Kriterium des Rozenblum-Konzepts wird in der Begründung zu Art. 203 tHGB ausdrücklich zitiert.

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(Art. 203 S. 1 tHGB).1046 Gemäß Art. 203 tHGB sind die Weisungen der herrschenden Gesellschaft, die im Rahmen der vorbestimmten und konkreten Gruppenpolitik erteilt werden, grundsätzlich „verbindlich“, d. h. vom Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft zu befolgen. So setzt der Gesetzgeber der Weisungsbefugnis bzw. Leitungsmacht der vollständig herrschenden Gesellschaft eine Grenze. Zweitens verbietet er solche Weisungen zu erteilen, wodurch die finanzielle Leistungsfähigkeit der abhängigen Gesellschaft überschritten sowie ihre Existenz gefährdet oder bei ihr ein maßgeblicher Vermögensverlust verursacht wird (Art. 204 tHGB).1047 Demnach, auch wenn es in den Umfang der Gruppenpolitik fällt, darf die herrschende Gesellschaft keine Weisungen erteilen, die – kurz gesagt – die Existenz der abhängigen Gesellschaft gefährdet. Mit anderen Worten, auch wenn die Weisung im Rahmen der vordefinierten und konkreten Konzernpolitik erteilt wird, gilt sie als unzulässig, solange die Weisung gegen Art. 204 tHGB verstößt. Beim Vorliegen einer solchen unzulässigen Weisung entfällt die Folgepflicht der Geschäftsleiter,1048 und es tritt wieder seine gesellschaftsrechtliche Pflicht ein, die Interessen eigener Gesellschaft zu verfolgen. Vergleicht man das türkische Recht mit Rücksicht auf die Folgepflicht der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft mit dem deutschen Konzernrecht, lasst sich feststellen, dass beim deutschen faktischen Konzernrecht weder ein Unterschied zwischen der einfachen und vollständigen Herrschaft gemacht noch ein Weisungsrecht dem herrschenden Unternehmen gewährt wird. Für den Fall der hundertprozentigen Abhängigkeit macht der türkische Gesetzgeber eher eine aus Sicht des deutschen Rechts ungewöhnliche Kombination aus Vorschriften über faktische Konzerne und Vertragskonzerne. Denn das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens wird beim deutschen Konzernrecht ausschließlich beim Vertragskonzern (§ 308 AktG) und bei der Eingliederung (§ 323 AktG) anerkannt. Besteht ein Beherrschungsvertrag, ist der Vorstand der Gesellschaft verpflichtet, die Weisungen des herrschenden Unternehmens zu befolgen (§ 308 Abs. 2 S. 1 AktG), es sei denn, die Weisungen dienen offensichtlich nicht den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen (§ 308 Abs. 2 S. 2 AktG). Auch bei der Eingliederung wird der Hauptgesellschaft das 1046 Es ist hierbei darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf die Legitimation des Konzerninteresses die durch das Rozenblum-Konzept festgestellten Kriterien im französischen Recht für jede Art von Beherrschungsfall uneingeschränkt gelten. Mit anderen Worten, unabhängig davon, ob eine vollständige oder einfache Herrschaft vorliegt, ist bei der Erfüllung der genannten Voraussetzungen die einheitliche Konzernleitung aus Sicht des französischen Rechts für zulässig zu erachten. Einen Unterschied je nach der Beteiligungsquote (einfach oder vollständig) macht ausschließlich das türkische Konzernrecht. 1047 Bei dieser Regelung wird einer der durch das Rozenblum-Konzept festgestellten Grundsätze aufgegriffen, wonach es keine unangemessene Belastung, insbesondere keine Existenzgefährdung der abhängigen Gesellschaft, aber auch keine willkürliche Bevorteilung auf Kosten anderer Gruppenmitglieder eintreten darf. Ausführlich dazu Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 779. 1048 Begründung zu Art. 204 tHGB.

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Weisungsrecht eingeräumt (§ 323 Abs. 1 AktG) und dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft auferlegt, die Weisungen der Hauptgesellschaft zu befolgen (§ 323 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 308 Abs. 2 S. 1 AktG). Anders als bei dem Vertragskonzern darf allerdings der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft die Befolgung der Weisungen nicht verweigern, weil sich in § 323 AktG kein Verweis auf § 308 Abs. 2 S. 2 AktG befindet.1049 Aufgrund dieses Weisungsrechts der herrschenden Gesellschaft sieht der deutsche Gesetzgeber zum Gläubigerschutz sowohl für den Vertragskonzern als auch für die Eingliederung ein eigenständiges System,1050 sodass die herrschende Gesellschaft zur Verlustübernahme verpflichtet ist (§§ 302, 324 Abs. 3 AktG). bb) Handlungspflichten der Geschäftsführung der Poolgesellschaft (1) Beurteilung der Zulässigkeit des Cash Pooling mit Blick auf die Konzernpolitik und die Existenzgefahr Im Rahmen der Grenzen der Weisungsbefugnis der herrschenden Gesellschaft erteilten Weisungen zur Darlehensvergabe sind nach dem oben genannten Konzept zulässig und von dem Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft zu befolgen, auch wenn sie nachteilig sind. In Bezug auf die Zulässigkeit der Weisung sollten daher die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften erstens überprüfen, ob die Darlehensvergabe i.R.d. Cash Pooling der konkreten Konzernpolitik entspricht. Was genau unter der in Art. 203 S. 1 tHGB ausgedrückten, vorbestimmten und konkreten Konzernpolitik im Allgemeinen zu verstehen ist, ist nicht klar. Darüber wird in der Botschaft nur darauf hingewiesen, dass darunter nicht die sich aus den alltäglichen Erfordernissen ergebenden Weisungen zu verstehen sind.1051 Diesbezüglich wird in der Literatur generell geäußert, dass diese Voraussetzung der Vermeidung der willkürlichen bzw. missbräuchlichen Anwendungen diene, sodass die Weisungen ausschließlich zum Interesse der Gruppe erteilt werden. Nach einer Ansicht müsse eine vorbestimmte und konkrete Konzernpolitik nicht unbedingt eine solche sein, die auf einem Beschluss beruhe.1052 Sie solle eher feststellbar sein und allgemeine bzw. sachliche Elemente aufweisen. Nach einer anderen Ansicht sei dies nach jedem konkreten Einzelfall zu bewerten.1053 Die Ziele, die in den Beschlüssen der Generalversammlung bzw. des Verwaltungsrats oder im Jahresbericht festgestellt werden, könnten bei der Bestimmung der Konzernpolitik ausschlaggebend sein. Die Vorbestimmtheit der Konzernpolitik bedeute nicht, dass sie fest sein müsse, sondern dies deute auf die durchdachten und zugunsten aller Gruppengesellschaften festgestellten Ziele hin. 1049 1050 1051 1052 1053

Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 323, Rn. 6. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 20, Rn. 36. Begründung zu Art. 203 tHGB. Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-145. Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 425 f.

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Das dem türkischen Recht für den Fall der vollständigen-Beherrschung zugrunde liegende Kriterium des Rozenblum-Konzepts der „kohärenten Gruppenpolitik“ wird auch in der deutschen Lehre unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisiert, wobei im Wesentlichen auf die Unbestimmtheit der Rechtsbegriffe1054 und verschiedene Unklarheiten der Tatbestandsmerkmale des Grundsatzes hingewiesen wird.1055 So wird erstens die Frage thematisiert, ob und wie die Gruppenpolitik formuliert werden soll1056 bzw. ob die Gruppengesellschaften und Gesellschafterminderheiten die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen.1057 In diesem Zusammenhang wird darauf hingewissen, dass es im Falle einer formellen Dokumentation der Gruppenpolitik ein starker Eingriff in die Organisationsfreiheit der Unternehmensgruppe sei, weil dies eine Prüfung der Maßnahmen erfordern würde, ob sie dieser geschriebenen Politik entsprechen.1058 Dass sachlich nicht feststellbar ist, was genau eine kohärente Gruppengeschäftsführung ist, wird insbesondere deswegen kritisiert, weil die betroffenen Personen keine klare Grundlage haben würden, worauf sie sich bei ihren Entscheidungen bedenkenlos stützen könnten.1059 Es werden zudem auch Publizitätsfragen aufgeworfen, ob die Gruppenpolitik verlautbart werden muss, und wenn ja, in welcher Form.1060 Außerdem wird geäußert, dass die Gesamtbetrachtung der Gruppe hinsichtlich des gruppenweiten Gleichgewichts bei grenzüberschreitenden Sachverhalten schwer durchzuführen sei.1061 Diese in der deutschen Literatur ausgedrückten Bedenken gelten im Allgemeinen auch aus Sicht des türkischen Rechts, welches die Gruppenpolitik für die Zulässigkeit der Weisungen bei vollständiger Herrschaft als Ansatzpunkt nimmt. Im speziellen Fall zum Cash Pooling würde jedoch die Beurteilung m. E. keine Schwierigkeiten bereiten, weil es beim Cash Pooling-Verfahren stets um eine konkrete, vorbestimmte Konzernpolitik geht. Die Einführung des Cash Pooling-Verfahrens wird nämlich meistens durch einen schriftlichen Vertrag abgeschlossen, was den Zweifeln an seiner Angehörigkeit zur konkreten Konzernpolitik kaum Raum lässt. Auch wenn es nicht schriftlich fixiert wäre, würde dies daran nichts ändern. Denn das Cash Pooling-Verfahren fällt als ein konzerninternes Finanzierungsmittel, welches dem Interesse aller Konzerngesellschaften dient und innerhalb des Konzerns angewendet wird, um die Kapitalüberschüsse und die Kapitaldefizite (meistens sämtlicher) konzernangehöriger Unternehmen auszugleichen, offensichtlich unter die konkrete Konzernpolitik. 1054 1055 1056

S. 688. 1057 1058 1059 1060 1061

Insb. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, S. 341 f. Windbichler, in: FS für Ulmer, S. 690. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, S. 342; Windbichler, in: FS für Ulmer, Windbichler, in: FS für Ulmer, S. 688. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, S. 342. Windbichler, in: FS für Ulmer, S. 690. Windbichler, in: FS für Ulmer, S. 690. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, S. 342.

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Die andere Zulässigkeitsvoraussetzung der Weisungen der herrschenden Gesellschaft stellt Art. 204 tHGB dar. Auch wenn sie in den Umfang der Gruppenpolitik fallen, sind demgemäß solche Weisungen nicht zulässig und von der Geschäftsführung der 100 %ig abhängigen Poolgesellschaft nicht zu befolgen, wodurch die finanzielle Leistungsfähigkeit der abhängigen Gesellschaft überschritten sowie ihre Existenz gefährdet oder bei ihr ein maßgeblicher Vermögensverlust verursacht wird (Art. 204 tHGB). Deswegen sollte die Geschäftsführung der Poolgesellschaften in kurzen Abständen überprüfen, ob die Liquiditätszufuhr in den Pool für die eigene Gesellschaft existenziell gefährlich ist. Wenn ja, sollte sie die Weisung nicht befolgen und die nötigen Vorkehrungen treffen, um die automatische Liquiditätsabfuhr zu beenden. Im Falle der pflichtwidrigen Befolgung einer existenzgefährdenden und damit unzulässigen Weisung würde der Geschäftsführer für den Schaden gegenüber den Gläubigern neben der herrschenden Gesellschaft gesamtschuldnerisch haften.1062 (2) Prüfung der Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs vor und nach der Valutierung In Bezug auf die Zulässigkeitsgrenzen der Weisungsbefugnis der herrschenden Gesellschaft bei vollständiger Herrschaft äußert das Gesetz zwar ausdrücklich nur die oben genannten zwei Kriterien des Rozenblum-Konzepts, aber als Garantiemechanismus berücksichtigt es wiederum das für die einfache-Beherrschung vorgesehene allgemeine Lösungsmodell vom (isolierten) Einzelausgleichssystem des Art. 202 Abs. 1 tHGB (i.V.m. Art. 206 Abs. 1 tHGB).1063 Damit wird der Vermögensstand der vollständig abhängigen Gesellschaft genauso wie bei der einfachen 1062 Für die besondere Haftungslage der Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft siehe nachfolgend Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), dd). 1063 Im Unterschied zum deutschen und türkischen Einzelausgleichssystem geht es bei dem Rozenblum-Konzept nicht um einen isolierten und befristeten Ausgleich einzelner nachteiliger Maßnahmen, sondern maßgeblich ist dabei ausschließlich, dass der Ausgleich im Laufe der Zeit erfolgt. Forum Europaeum, ZGR 1998, S. 712; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 779. Das deutsche Lösungsmodell des § 311 AktG und das ihm grundsätzlich folgende türkische Model von Art. 202 Abs. 1 tHGB zeigen insoweit Ähnlichkeiten mit dem französischen (Rozenblum-)Konzept auf, als alle Rechtsordnungen im gewissen Rahmen die Privilegierung eines konzernspezifischen Fremdeinflusses erlauben. Das Ausmaß der erlaubten Einflussnahme wird jedoch unterschiedlich bewertet. Im deutschen und türkischen Recht beschränkt sich die Privilegierung wesentlich auf ein zeitliches Moment (§ 311 Abs. 2 AktG, Art. 202 Abs. 1, lit. a tHGB), während nach dem französischen Rozenblum-Konzept eine solche zeitliche Begrenzung nicht besteht. Falcke, Konzernrecht in Frankreich, S. 52. In der Art und Weise, wie der Garantiemechanismus erfolgen soll, unterscheiden sich auch die zwei Systeme. Im Unterschied zum deutsch/türkischen Konzept geht es bei dem Rozenblum-Konzept nicht um einen isolierten Ausgleich einzelner nachteiliger Maßnahmen. Der Bezugspunkt des Sicherungssystems orientiert sich dabei vielmehr an der Gesamtheit der Binnenbeziehungen innerhalb der Gruppe. Auf diesem Gesamtniveau hat die Gruppenspitze für ein Gleichgewicht zwischen den Vermögensinteressen der Einzelgesellschaften und denen der Gruppe zu sorgen. Falcke, Konzernrecht in Frankreich, S. 53.

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Beherrschung durch das Ausgleichssystem von Art. 202 Abs. 1 tHGB garantiert. D. h. was die Erhaltung bzw. den Schutz des Gesellschaftsvermögens der völlig abhängigen Gesellschaft anbelangt, sieht das Gesetz keinen Unterschied zwischen einfachen und vollständigen Herrschaften; bei jeder Herrschaft gilt das Nachteilsausgleichssystem. Genauso wie bei der einfachen sollte daher auch bei der vollständigen Beherrschung die Zulässigkeit nachteiliger Maßnahmen davon abhängen, dass der Nachteil mit einem Vorteil ausgeglichen oder der abhängigen Gesellschaft dafür ein gleichwertiger Rechtsanspruch gewährt wird. Da bei aufsteigenden (unbesicherten) Kreditvergaben die Funktion dieses Schutzsystems unmittelbar von der Solvenz der darlehensnehmenden herrschenden Gesellschaft abhängt, sollte es bei Cash Pool-Konstellationen bezüglich der Zulässigkeit der Weisung zur Kreditgewährung als eine weitere Voraussetzung angesehen werden, dass die Solvenz der Betreibergesellschaft und damit die Rückzahlung der Darlehen nicht zweifelhaft ist. Demgemäß sollte auch die Geschäftsführung der vollständig abhängigen Poolgesellschaft – wie bei der einfachen Beherrschung –1064 gestützt auf der wirtschaftlichen Lage der Betreibergesellschaft die Werthaltigkeit des Ausgleichsanspruchs und damit die Einbringlichkeit des jeweils entstehenden Rückerstattungsanspruchs i.R.d. Cash Pooling vor der Valutierung überprüfen. Es könnte sich hierbei die Frage stellen, ob die Kriterien von Art. 204 tHGB bei der Bewertung der Werthaltigkeit des Ausgleichsanspruchs eine Rolle spielen. In Art. 204 tHGB werden nämlich lediglich derartige Weisungen als unzulässig erklärt, die im Endeffekt die Existenz der abhängigen Gesellschaft bedrohen könnten. Wäre demnach die schlechte Bonität der Betreibergesellschaft nur dann als relevant anzusehen, wenn dadurch die Existenz der abhängigen Poolgesellschaft i.S.d. Art. 204 tHGB gefährdet wird oder wäre das bloße Ausfallsrisiko des Ausgleichsanspruchs – genauso wie bei der einfachen Beherrschung – für die Unzulässigkeit der Weisung als ausreichend anzunehmen? Die Abstellung des Gesetzgebers hinsichtlich des Vermögensschutzes der vollständig-abhängigen Gesellschaft auf das Einzel-Ausgleichssystem lässt es m. E. – wie bei der einfachen Beherrschung – genügen, dass aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Betreibergesellschaft (bzw. der herrschenden Gesellschaft) die Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs und damit die Einbringlichkeit des Rückerstattungsanspruchs nicht gewährleistet ist. D. h. die Bonität der Betreibergesellschaft muss nicht unbedingt derart schlecht sein, dass die Existenz der Poolgesellschaft bedroht wird. Anderenfalls würden eventuelle Ausgleichsansprüche der Poolgesellschaften und damit die Schutzfunktion des Ausgleichssystems bei vollständigen Beherrschungsfällen völlig ins Leere gehen. Deswegen sollte der Geschäftsleiter einer vollständig-abhängigen Poolgesellschaft bei unzureichender Bonität der Betreibergesellschaft zur Haftungsvermeidung die Befolgung der Weisung zur Kreditvergabe verweigern, auch wenn die Existenz eigener Gesellschaft nicht bedroht wird.

1064

Siehe dazu Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), bb).

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Auch nach der Valutierung sollte die Geschäftsleitung der vollständig-abhängigen Poolgesellschaft die Werthaltigkeit des Ausgleichsanspruchs bis zum Ende des Darlehensgeschäfts fortlaufend kontrollieren. Dies ist nämlich eine selbstverständliche Folge des Schutzkonzepts des Konzernrechts, wonach die nachteiligen Veranlassungen bzw. Weisungen als zulässig gelten, solange die Ausgleichsansprüche nach dem Maßstab von Art. 202 Art. 1 lit. a tHGB einbringlich sind, was letztendlich in einem Cash Pooling-Verfahren von der Solvenz der Betreibergesellschaft (bzw. der herrschenden Gesellschaft) abhängt. Die Gewährleistung der Durchsetzbarkeit der Ausgleichsansprüche ist also sowohl bei der einfach- als auch bei der vollständig abhängigen Gesellschaft ein Muss für die Funktionsfähigkeit des auf dem Ausgleichssystem basierenden Konzepts des türkischen Konzernrechts. Deswegen geht die Prüfungs- und Kontrollpflicht des Geschäftsleiters, die sich auf die Durchsetzbarkeit der Ausgleichsansprüche bezieht, aus dem System selbst hervor. Kommt demnach der Geschäftsführer der Poolgesellschaft dieser Kontrollpflicht nicht nach oder trifft trotz der offensichtlichen Insolvenz der Betreibergesellschaft pflichtwidrig keine geeignete Maßnahmen, dann macht er sich – wie der Geschäftsführer einer einfach-beherrschten Poolgesellschaft – nach allgemeinen Regeln gegenüber den Gläubigern schadensersatzpflichtig, wenn der Ausgleich nicht erfolgt und ein Schaden daraus zustande kommt. Dieser Prüfungs- und Kontrollpflicht der Geschäftsführung der vollständig-abhängigen Poolgesellschaft zur Einbringlichkeit der Ausgleichsansprüche können nicht Art. 369 Abs. 2, 626 Abs. 1, S. 2 tHGB entgegengehalten werden. Durch diese Regelungen wird nämlich die Geschäftsführung einer vollständig-abhängigen Gesellschaft nur von der allgemeinen Sorgfaltspflicht befreit, bei Vorliegen zulässiger Weisungen mit Bezug auf das veranlasste Rechtsgeschäft Interessenabwägung vorzunehmen und die Interessen der eigenen Gesellschaft zu verfolgen. In diesem Zusammenhang kann man z. B. von der Geschäftsführung einer vollständig-anhängigen Poolgesellschaft nicht erwarten, dass sie die Liquiditätsabfuhr in den Cash Pool verweigert, weil im konkreten Einzelfall die Interessen der Poolgesellschaft die anderweitige Investition der Liquidität erfordert hätte. Ist die Liquiditätszufuhr in den Cash Pool für die abhängige Gesellschaft zulässig, also nicht existenzvernichtend und die Bonität der Betreibergesellschaft hinreichend, muss die Geschäftsführung der Poolgesellschaft die Weisung zur Teilnahme an dem Cash Pooling oder zur weiteren Liquiditätszufuhr in den Cash Pool befolgen, auch wenn es unter den Umständen nicht zum Interesse eigener Gesellschaft ist. Die Entbindung der Geschäftsführung durch Art. 369 Abs. 2, 626 Abs. 1, S. 2 tHGB von der Pflicht der Verfolgung der Interessen eigener Gesellschaft kann nicht in der Weise verstanden werden, dass der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft bei einer vollständigen Beherrschung keine Prüfungspflichten mehr zukommen. Die Geschäftsführung ist weiterhin verpflichtet, die Zulässigkeit der Weisungen (i.R.d. Art. 203, 204 tHGB) und – aufgrund des auch hier geltenden Ausgleichssystems – die Realisierbarkeit der Ausgleichsansprüche unter Berücksichtigung der Bonität der herrschenden Gesellschaft zu prüfen.

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cc) Haftungsausschluss gegenüber eigener Gesellschaft und Gesellschaftern, Art. 205 tHGB Anders als bei der einfachen Beherrschung wird bei der vollständigen Beherrschung durch Art. 205 tHGB eine besondere Regelung zur Haftung der Geschäftsleitung der hundertprozentig abhängigen Gesellschaft vorgenommen. Demnach dürfen die Mitglieder des Verwaltungsrats, die Geschäftsführer und die zuständigen Betroffenen der abhängigen Gesellschaft gegenüber der (eigenen) Gesellschaft und den Gesellschaftern nicht zur Haftung gezogen werden, wenn sie die im Rahmen des Art. 203 und 204 tHGB erteilten Weisungen befolgt haben. Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Begründung1065 der Norm geht explizit hervor, dass die Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft nur für den Fall von der Haftung gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern befreit sind, dass sie die nach Art. 203 und 204 zulässigen Weisungen befolgt haben, allerdings nicht für den Fall, dass sie die die Grenzen der Weisungsbefugnis überschrittenen, also unzulässigen Weisungen befolgt haben. Dies wird jedoch in der Literatur zum Teil kritisiert.1066 Denn, auch wenn der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft das Recht habe, die unzulässigen Weisungen nicht zu befolgen, sei es nicht realistisch von einem derartig abhängigen Geschäftsleiter zu erwarten, dass er die unzulässigen Weisungen nicht befolge.1067 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Geschäftsleiter einer vollständig-abhängigen Gesellschaft nicht frei über die Befolgung einer (unzulässigen) Weisung entscheiden kann, interpretiert eine Auffassung die Norm nach ihrem Sinn und Zweck.1068 Demnach gelte durch Art. 205 tHGB für den Geschäftsleiter einer hundertprozentig-abhängigen Gesellschaft vorgesehener Haftungsausschluss unabhängig davon, ob die befolgte Weisung zulässig oder unzulässig war. Der Wortlaut der Norm und die Erklärungen dazu in der Begründung deuten zwar ausdrücklich auf die Intention des Gesetzgebers hin, dass er die Geschäftsleitung der vollständig-abhängigen Gesellschaft nur bei der Befolgung der zulässigen Weisungen von ihrer Haftung befreien will. Allerdings, ob ein solch beschränkendes Haftungsausschlusskonzept geeignet dafür ist, den durch die Norm verfolgten Zweck sachgerecht zu verwirklichen, ist m. E. fragwürdig. Durch die gesonderte Erfassung der vollständigen Beherrschung intendiert nämlich der Gesetzgeber, der Tatsache realistisch Rechnung zu tragen, dass die Geschäftsleiter einer hundertprozentig abhängigen Gesellschaft von der herrschenden Gesellschaft derart „völlig abhängig“ sind, sodass von ihnen nicht zu erwarten ist, dass sie die Befolgung der von ihr 1065 Begründung zu Art. 205 tHGB: „Hat der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft die gegen Art. 204 verstoßenden Weisungen befolgt, kann er nicht auf das Recht auf Haftungsbefreiung in Art. 205 zurückgreifen.“ 1066 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 429; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 315 ff. 1067 Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 315 ff. 1068 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 429.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

erteilten Weisungen verweigern.1069 In Anbetracht dieser Tatsache wird zutreffenderweise eine besondere Haftungsnorm für die Geschäftsleiter einer vollständigabhängigen Gesellschaft vorgesehen. Wenn man schon die Intensität der Abhängigkeit der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft bei einer hundertprozentigen Beherrschung erkannt und für diesen Fall einen gerechtfertigten Haftungsgrundsatz besorgen will, sollte man allerdings nicht außer Betracht lassen, dass die Geschäftsleiter einer vollständig-abhängigen Gesellschaft genauso wenig in der Lage sind, die Befolgung der unzulässigen Weisungen zu verweigern, wie die zulässigen Weisungen. Es wäre also nicht falsch, die Geschäftsleiter einer hundertprozentig abhängigen Gesellschaft als „Strohmänner“ zu betrachten, die – von dem vollständig herrschenden Gesellschafter – dafür eingestellt worden sind, die (abhängige) Gesellschaft nach seinen Weisungen zu leiten.1070 Die Geschäftsleiter einer vollständigabhängigen Gesellschaft bei der Befolgung unzulässiger Weisungen von der Haftungsbefreiung auszuschließen, würde daher eine Diskrepanz zu der Intention des Gesetzgebers darstellen. Außerdem wäre dies eine unangemessene Zumutung für die Geschäftsleitung der vollständig-abhängigen Gesellschaft. Will man realistisch sein, wäre es also absurd von einem derartig abhängigen Geschäftsleiter zu erwarten oder ihm eine derartige Aufgabe aufzuerlegen, dass er – im Falle der Erteilung einer existenzgefährdenden Weisung – den herrschenden Gesellschafter und ‘seine’ Gesellschaft vor seiner eigenen unzutreffenden bzw. schädigenden Entscheidungen bewahrt. Es muss also verhindert werden, dass der herrschende Gesellschafter die Verantwortung für seine rechtswidrigen Handlungen mittelbar auf die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft abwälzt, damit er durch die Ausübung seiner Macht die Geschäftsleiter dazu veranlasst, unzulässige bzw. existenzgefährdende Maßnahmen zu treffen. Der allein herrschende Gesellschafter sollte sinngemäß selber die Verantwortung für seine rechtswidrigen Handlungen tragen. In diesem Beherrschungsfall existieren schließlich keine anderen Gesellschafter, deren Interessen die Geschäftsleiter zu schützen haben. Abgesehen vom Cash Pooling-Verfahren1071 wäre diese Annahme zudem insbesondere deswegen gerechtfertigt, weil – wie schon oben dargestellt – ein auf die Gruppenpolitik abgestelltes System auch seine Ungenauigkeiten, also Grauzonen aus Sicht der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft mit sich bringt.1072 Die Geschäftsleiter werden beim Fehlen einer dokumentierten bzw. zweifellos verankerten Gruppenpolitik vor eine äußert schwierige Entscheidung 1069

Begründung zu Art. 203 tHGB. Eine ähnliche Position haben zwar faktisch auch die Geschäftsleiter einer einfachbeherrschten Gesellschaft, aber dabei existieren zumindest die Minderheitsaktionäre, welche mithilfe bestimmter Klagerechte bis zu einem gewissen Grad verhindern können, dass die abhängige Gesellschaft völlig nach dem Wunsch der herrschenden Gesellschaft geleitet wird. 1071 Nach hier vertretener Ansicht dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass die Cash Pooling-Konstellationen zur Gruppenpolitik gehören. Siehe dazu Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), bb), (1). 1072 Ausführlich dazu Windbichler, in: FS Peter Ulmer, S. 689 ff. 1070

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gestellt, die darin besteht, zu prüfen, ob die Weisung der Konzernpolitik entspricht und insoweit zulässig ist. Die Geschäftsleiter sollten von den negativen Folgen diesbezüglicher Fehlentscheidungen zumindest gegenüber dem herrschenden Gesellschafter befreit werden, welcher durch seine Weisungen die Geschäftsleiter in so eine knifflige Entscheidungslage versetzte. Schließlich wäre es de lege ferenda wünschenswert, dass die Anwendungsbedingungen von Art. 205 tHGB unter Berücksichtigung der eben genanten Gründe nochmals behandelt werden, sodass der Haftungsausschluss der Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern und der Gesellschaft unabhängig davon gilt, ob sich der Schaden aus der Befolgung einer zulässigen oder unzulässigen Weisung ergeben hat. Es wäre allerdings m. E. auch nicht verkehrt, unter geltender Fassung der Norm durch eine nach dem Sinn und Zweck der Norm gerichtete Auslegung das erwünschte Resultat zu erreichen.1073 dd) Haftungslage gegenüber den Gläubigern Art. 205 tHGB regelt einen Haftungsausschluss für die Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft ausschließlich gegenüber der (eigenen) Gesellschaft und den Gesellschaftern. Darüber, ob oder wie sie gegenüber den Gläubigern haften, findet sich keine besondere Regelung unter den besonderen Vorschriften zur vollständigen Beherrschung. In der Literatur wird überwiegend – in Analogie zu Art. 205 tHGB – davon ausgegangen, dass die Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft bei Vorliegen der zulässigen Weisungen auch den Gläubigern gegenüber nicht haftbar sein müssen.1074 Eine Vertreterin dieser Ansicht sieht hinsichtlich der Haftung des Geschäftsleiters einer vollständig-abhängigen Gesellschaft keinen Unterschied zu der Haftungslage des Geschäftsleiters einer einfach-abhängigen Gesellschaft, wobei sich die Geschäftsleiter nicht pflichtwidrig verhalten und sich damit nicht haftbar machen, soweit sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben annehmen durften, dass der Ausgleich vollzogen werden wird.1075 Demnach sollten die Geschäftsleiter einer hundertprozentig abhängigen Gesellschaft im Falle der Befolgung zulässiger Weisungen gegenüber den Gläubigern nicht haften, soweit sie als gewissenhafte und sorgfältige Geschäftsleiter nach eigenem Ermessen annehmen durften, dass der Ausgleich erfolgen wird. Da bei Vorliegen der den Rahmen der erlaubten Weisungsbefugnis überschrittenen, unzulässigen Weisungen sowieso keine Ausgleichsmöglichkeit vorgesehen werde, sollten bei der Befolgung der unzulässigen Weisungen auch die Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft neben der herrschenden Gesellschaft und ihren Vertretern haften. 1073

Auch für eine solche Auslegung Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 429. Tekinalp, Sermaye Ortaklıklarının Yeni Hukuku, Rn. 23-148; Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 429 f.; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 317; Göktürk, S¸irketler Toplulug˘ unda Sorumluluk, S. 332; a.A. Kendigelen, Ilk Tespitler-2, S. 188. 1075 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 429 f. 1074

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

Die Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft gegenüber den Gläubigern sollte auch m. E. davon abhängig sein, ob sie verpflichtet waren, die Weisungen zu befolgen. In diesem Zusammenhang sollte hierbei eine Differenzierung dahingehend vorgenommen werden, ob der Schaden infolge der Befolgung einer zulässigen oder unzulässigen Weisung entstanden ist. Nach dem Konzept des Gesetzes sind die Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft bei vollständiger Beherrschung grundsätzlich dazu verpflichtet, die zulässigen Weisungen der herrschenden Gesellschaft zu befolgen (Art. 203 S. 2 tHGB). Wie schon oben ausgeführt, sind sie entsprechend dieser Folgepflicht – anders als Geschäftsleiter einer einfach abhängigen Gesellschaft – durch Art. 369 Abs. 2, 626 Abs. 1 S. 2 tHGB davon befreit, die nachteilige Weisung unter Berücksichtigung der „Interessen eigener Gesellschaft“ sorgfältig zu prüfen bzw. bewerten und demnach zu entscheiden. Solange die Weisung die Zulässigkeitskriterien erfüllt, darf der Geschäftsleiter die Befolgung nicht verweigern. In diesem Zusammenhang beschränkt sich seine Prüfungspflicht auf die Zulässigkeit der Weisung. Demgemäß sollte der Geschäftsführer die Zulässigkeit der Weisungen sowohl im Rahmen von Art. 203 S. 1, 204 tHGB (Konzernpolitik und Existenzgefährdung) als auch hinsichtlich der Durchführbarkeit des Ausgleichsanspruchs mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters gem. Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB überprüfen. Der Vorbehalt von Art. 369 Abs. 2, 626 Abs. 1 S. 2 tHGB gilt nämlich bei der Überprüfung der Zulässigkeit der Weisungen nicht. Unter Berücksichtigung der Folgepflicht der Geschäftsleiter hinsichtlich der zulässigen Weisungen sollte konsequenterweise der in Art. 205 tHGB vorgesehene Haftungsausschluss sinngemäß auch für die Haftung gegenüber den Gläubigern gelten, soweit sie als gewissenhafte und sorgfältige Geschäftsleiter nach dem Ermessen von Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB annehmen durften, dass die Weisungen im Rahmen von Art. 203 und 204 tHGB zulässig sind und der Ausgleich erfolgen wird. Für die unzulässigen Weisungen besteht jedoch keine Folgepflicht. Stellt der Geschäftsleiter der abhängigen Poolgesellschaft fest, dass die Weisung – z. B. wegen der Existenzvernichtung – unzulässig ist, dann entfällt die Folgepflicht und stattdessen tritt wieder seine allgemeine Verantwortung, die Interessen eigener Gesellschaft zu verfolgen (gem. Art. 369 Abs. 1, 626 Abs. 1 S. 1 tHGB).1076 Befolgt er trotz der Unzulässigkeit die Weisung zur Kreditvergabe in den Pool und entsteht daraus ein Schaden, dann sollte auch er neben der herrschenden Gesellschaft und seinen gesetzlichen Vertretern dafür haften. Dasselbe Ergebnis sollte – nach hier vertretener Ansicht – auch für den Fall gelten, dass zwar die Weisung zur Darlehensvergabe i.R.d. Art. 203 und 204 tHGB zulässig ist, aber wegen der unzureichenden Bonität der Betreibergesellschaft die Durchsetzbarkeit der Ausgleichsansprüche der Poolgesellschaft zweifelhaft ist. Denn wie bereits dargestellt, geht dies aus dem Konzept des Gesetzes hervor, welches auch bei der vollständigen Abhängigkeit den Schutz der Vermögenslage bzw. 1076 Das Gleiche gilt im deutschen Vertragskonzern hinsichtlich der Verantwortung des Vorstands der abhängigen AG beim Vorliegen einer unzulässigen Weisung, statt vieler s. Emmerich/Habersack, Akt-GmbH Konzernrecht, § 308, Rn. 53.

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Gläubiger der abhängigen Gesellschaft – wie bei der einfachen Abhängigkeit – durch das Einzel-Ausgleichssystem gewährleistet. Es darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass auch hier die gleiche Zumutung bzw. das Dilemma aus Sicht der Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaften besteht, dass trotz der praktischen Unmöglichkeit von ihnen erwartet wird, die unzulässigen Weisungen nicht zu befolgen.1077 Wenn es sich allerdings um den Schutz der Gläubiger handelt, welche zumeist keine Ahnung von dem konzerninternen Vorgehen hat, wäre es m. E. – anders als bei der Haftung gegenüber dem Gesellschafter – gerechtfertigt, vom Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft trotzdem zu erwarten, dass sie unter jeden Umständen die Anwendungen vermeiden müssen, die die Gläubiger beschädigen. Es ist schlechthin klar, dass hierbei die Gläubiger im Gegensatz zum (allein herrschenden) Gesellschafter oder zu ,seiner‘ Gesellschaft schutzbedürftiger sind, weswegen die Geschäftsleiter die unzulässigen Weisungen um jeden Preis nicht befolgen müssen, damit sie keine Haftung gegenüber den Gläubigern trifft. c) Verantwortung der herrschenden Gesellschaft bzw. der Konzerngeschäftsleiter, Art. 206 tHGB aa) Allgemein Die Haftung der herrschenden Gesellschaft und ihrer gesetzlichen Vertreter bei vollständiger Beherrschung wird in Art. 206 tHGB geregelt. Genauso wie bei einfacher Beherrschung wird auch hierbei hinsichtlich der Zulässigkeit der Nachteilszufügung und somit der Verantwortlichkeit auf das Ausgleichssystem abgestellt. Auch dabei ist also die vollständig herrschende Gesellschaft – wie bei einfacher Beherrschung – zum Ausgleich der Nachteile der abhängigen Gesellschaft verpflichtet und das Ausbleiben des Ausgleichs führt zur Haftung der herrschenden Gesellschaft bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter (Art. 206 tHGB). Die Besonderheit und der Unterschied dieser Norm zur allgemeinen Haftungsnorm des Art. 202 Abs. 1 tHGB zeigt sich darin, dass die Rede im Art. 206 tHGB nicht vom Ausgleich aller Art von Nachteilen, sondern nur von denjenigen Nachteilen, die sich aus der im Rahmen des Art. 203 tHGB erteilten, zulässigen Weisungen ergeben haben. Nach dem Wortlaut des Art. 206 Abs. 1 tHGB können die Gläubiger1078 gegenüber der herrschenden Gesellschaft und deren für den Verlust verantwortlichen Verwaltungsratsmitgliedern eine Schadensersatzklage erheben, wenn ein Nachteil, der sich aus den im Rahmen des Art. 203 tHGB erteilten Weisungen der herrschenden Gesell-

1077

Siehe Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), cc). Nach Art. 206 tHGB steht bei der vollständigen Abhängigkeit der Schadenersatzanspruch den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft zu. Es wird jedoch im Schrifttum angenommen, dass auch die abhängige Gesellschaft den Ersatzanspruch geltend machen kann. So Göktürk, S¸irketler Toplulug˘ unda Sorumluluk, S. 278. 1078

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

schaft ergeben hat, nicht innerhalb des laufenden Geschäftsjahrs ausgeglichen oder der Gesellschaft kein Rechtsanspruch darauf gewährt wird. Es ist vorab darauf hinzuweisen, dass diese Regelung unvollkommen ist, weil dabei über die Haftung wegen unzulässiger Weisungen keine Erklärung gemacht wird. Das Ausbleiben einer diesbezüglichen Feststellung wirft die Frage auf, wie die Haftungslage der herrschenden Gesellschaft ist, wenn sich der Nachteil aus einer gegen Art. 203 tHGB verstoßenden, d. h. aus einer unzulässigen Weisung ergibt. In der Literatur wird überwiegend davon ausgegangen, dass nach diesem Konzept die Ausgleichsmöglichkeit ausschließlich für den Fall vorgesehen werde, dass das nachteilige Rechtsgeschäft aus der im Rahmen der Weisungsbefugnis erteilten Weisungen resultierte.1079 Für die nachteiligen Rechtsgeschäfte, die aus einer unzulässigen Weisung resultiert hätten, komme jedoch keine Ausgleichsmöglichkeit in Frage, sondern für diesbezügliche Schäden könnten die Gläubiger ohne weiteres einen Schadensersatz in Anspruch nehmen. Nach einer anderen Ansicht deute jedoch der Wortlaut des Art. 206 Abs. 1 tHGB auf einen anderen Tatbestand hin.1080 Demnach solle der dort vorhandene Ausdruck „die Weisungen, die im Rahmen von Art. 203 tHGB erteilt wurden“ in der Weise verstanden werden, dass damit nicht die zulässigen Weisungen i.S.v. Art. 203 tHGB gemeint sind, sondern alle Weisungen, welche „im Falle der vollständigen Beherrschung“ erteilt worden seien. Mit anderen Worten betrifft die Verweisung auf Art. 203 tHGB nach dieser Auffassung nicht die Weisungserlaubnis, sondern den Fall der vollständigen Beherrschung im Allgemeinen und daher sollten alle Weisungen, die Nachteile bei der vollständig-abhängigen Gesellschaft verursacht haben, gemäß Art. 206 Abs. 1 tHGB zur Ausgleichspflicht des herrschenden Unternehmen führen. Der Autor unterstützt zudem seine Auffassung mit der Begründung, dass die Norm lediglich von Art. 203 tHGB, nicht auch von Art. 204 tHGB spreche, der auch wie Art. 203 tHGB die Grenzen der erlaubten Weisungen reguliert.1081 Auch dies ist nach ihm ein Beweis dafür, dass der Gesetzgeber dabei nicht die Weisungserlaubnis regulieren wollte. Der Ausgangspunkt der letztgenanten Aussicht ist m. E. in zweierlei Hinsicht kritikwürdig. Erstens, dass durch Art. 206 tHGB die Haftung der herrschenden Gesellschaft für den Fall der „vollständigen Beherrschung“ geregelt wird, geht ganz klar aus der Gesetzessystematik hervor. Der Sonderfall der vollständigen Beherrschung wird nämlich im Gesetzestext gesondert unterhalb der Überschrift „Im Falle vollständiger Beherrschung“ („Tam Hakimiyet Halinde“) zwischen lit. a (Art. 203 tHGB) und lit. d (Art. 206 tHGB) systematisch und getrennt von der allgemeinen Norm Art. 202 tHGB geregelt. Deswegen braucht der Gesetzgeber nicht noch mal durch Art. 206 tHGB auf die Tatbestandsnorm Art. 203 tHGB zu verweisen, um zu explizieren, dass es sich hierbei um die Haftung der herrschenden Gesellschaft „bei 1079 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 427 f.; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 318; Gürbüz-Usluer, MÜHFHAD 2012, S. 303. 1080 Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 354 f., Rn. 581. 1081 Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 355, Rn. 581 Fn. 1182.

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der vollständigen Beherrschung“ handelt. Zweitens, wenn der Gesetzgeber nicht insbesondere die Haftungslage nur wegen zulässiger Weisungen, sondern aller Weisungen gemeint hätte, hätte er den Erlass einer solchen besonderen Haftungsnorm nicht benötigt und sich nur mit einem Verweis auf die allgemeine Regelung zur Haftung, also auf den Art. 202 Abs. 1 tHGB begnügt, in dem die Ausgleichspflicht für jede Art von Nachteil vorgesehen wird. Zur Vermeidung der Wiederholungen hat schon der Gesetzgeber z. B. im Art. 206 Abs. 1 tHGB auf die allgemeine Regelung, nämlich auf Art. 202 Abs. 1 lit. d und lit. e tHGB verwiesen. Gleichermaßen hätte er also auch hinsichtlich der Haftung der vollständig herrschenden Gesellschaft und seiner verantwortlichen Vertreter auf die allgemeine Haftungsnorm von Art. 202 Abs. 1 tHGB verweisen können. Schließlich lässt sich sowohl aus der Gesetzessystematik als auch aus der Formulierung des Wortlauts der Norm herleiten, dass im Art. 206 tHGB ganz bewusst die Haftungslage der herrschenden Gesellschaft und ihrer gesetzlichen Vertreter bei der zulässigen Weisung geregelt wird und die zeitbedingte Ausgleichsmöglichkeit nur für zulässige Weisungen vorgesehen wird. Für die nachteiligen Rechtsgeschäfte, die aus der unzulässigen Weisungen resultiert haben, sollte dementsprechend keine Ausgleichsmöglichkeit in Betracht kommen. Für diesbezügliche Schäden sollten die Gläubiger ohne weiteres einen Schadensersatz gegen die herrschende Gesellschaft und Konzerngeschäftsleiter in Anspruch nehmen können. Dieses Ergebnis ist auch deswegen gerechtfertigt, weil ein sich aus einer unzulässigen, die Existenz der abhängigen Gesellschaft bedrohenden Anweisung ergebender Nachteil in der Regel nicht mehr mit dem „Ausgleichssystem“ zu beheben ist. Da in Art. 206 Abs. 1 tHGB auf die Anwendbarkeit von Art. 202 Abs. 1 lit. d und e tHGB verwiesen wird, gelten auch hinsichtlich der Verantwortung der vollständig herrschenden Gesellschaft und ihrer Konzerngeschäftsleiter die selben Prinzipien („Verschuldensabhängigkeit“), die bereits unter der „einfachen Beherrschung“ ausgeführt wurden.1082 Gemäß Art. 206 Abs. 1 tHGB findet also auch hierbei Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB Anwendung, wonach kein Nachteil i.S.d. Gesetzes sowie kein Anspruch auf den Schadenersatz besteht, wenn das betreffende Rechtsgeschäft auch vom ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft unter gleichen oder ähnlichen Umständen vorgenommen worden wäre. In diesem Punkt liegt kein Unterschied zum Haftungszustand der einfach herrschenden Gesellschaft und seiner Vertreter vor. Mit Blick auf die Verantwortung der vollständig herrschenden Gesellschaft und der Konzerngeschäftsleiter i.R.d. Cash Pooling gelten dementsprechend die zur einfachen Beherrschung ausgeführten Erklärungen.1083 Kurz gefasst müssen die Konzerngeschäftsleiter vor und nach der Darlehensgabe in den Cash Pool ständig überprüfen bzw. kontrollieren, ob die Ausgleichsansprüche und damit die Rückzahlung der i.R.d. Cash Pooling ausgezahlten Mittel realisierbar sind. Sollte Zweifel bestehen, sollen sie zur Vermeidung 1082 1083

Vorstehend Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., b), aa). Vorstehend Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., b), bb).

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

der Haftung rechtzeitig dafür sorgen, dass die Liquiditätszufuhr in den Cash Pool gestoppt wird und die Liquidität der Poolgesellschaft zurückgezahlt oder besichert wird. Es ist allerdings hierbei darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit, sich gestützt auf Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB von der Haftung zu befreien, nach dem Wortlaut bzw. Konzept des Art. 206 Abs. 1 tHGB nur beim Vorliegen der infolge zulässiger Weisungen entstandenen Nachteile vorgesehen ist. Auch das für die Haftung geltende Verschuldensprinzip (Art. 202 Abs. 1 lit. e i.V.m. Art. 553 tHGB) gilt nur für die infolge zulässiger Weisungen entstandenen Nachteile. Die Haftungsbefreiungsmöglichkeit wird jedoch für die aus unzulässigen Weisungen resultierenden Nachteile nicht erkannt. Die vollständig-herrschende Gesellschaft und ihre gesetzlichen Vertreter dürfen sich also beim Vorliegen unzulässiger Weisungen nicht auf Art. 202 Abs. 1 lit. d tHGB berufen. In diesem Fall ist die Haftung der vollständig herrschenden Gesellschaft und der Konzerngeschäftsleiter aus der unzulässigen Weisungen nicht verschuldensabhängig, sondern „verschuldensunabhängig“. Bei der Existenzgefährdung einer Poolgesellschaft können sie sich also nicht darauf berufen, dass sie kein Verschulden trifft. Sowohl die vollständig herrschende Gesellschaft als auch die Konzerngeschäftsleiter sind den Gläubigern gegenüber schadensersatzpflichtig. bb) Haftungsausschluss bei Forderungen aus Kreditgeschäften, Art. 206 Abs. 2 tHGB In Art. 206 Abs. 2 tHGB wird bezüglich der Forderungen der Gläubiger aus Kredit- und ähnlichen Geschäften ein besonderer Haftungsbefreiungsgrund zugunsten der vollständig-herrschenden Gesellschaft und ihrer gesetzlichen Vertreter statuiert. Nach dieser Norm können sich die Beklagten in Bezug auf Kredit- und ähnliche Forderungen der Gläubiger von der Haftung befreien, wenn sie nachweisen, dass der Kläger (Gläubiger) das der Forderung zugrundeliegende Kreditgeschäft mit der abhängigen Gesellschaft vorgenommen hat, obwohl er wusste oder hätte wissen müssen, dass der Nachteil der abhängigen Gesellschaft nicht ausgeglichen oder ihr kein Anspruchsrecht gewährt wurde. Die Norm setzt erstens voraus, dass ein Kreditgeber der vollständig-abhängigen Gesellschaft Kredit gewährt hat, obwohl er schon wusste (bzw. hätte wissen müssen), dass die betreffende Gesellschaft schon bereits ein Nachteil erlitten hatte und dieser Nachteil durch die herrschende Gesellschaft nicht ausgeglichen wurde. D. h. die Kreditvergabe (an die abhängige Gesellschaft) muss zeitlich erst nach einem mit der herrschenden Gesellschaft vorgenommenen nachteiligen Rechtsgeschäft erfolgen, infolge wessen kein Nachteilsausgleich bei der abhängigen Gesellschaft stattgefunden hat. Da die Ausgleichsmöglichkeit nur bei zulässigen Weisungen eingeräumt wird, ist als zweite Voraussetzung zu nennen, dass der nicht ausgeglichene Nachteil aus einer zulässigen Weisung resultiert hat. Allerdings wird in der Literatur angenommen, dass sich die

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herrschende Gesellschaft bei den aus unzulässigen Weisungen resultierenden Nachteilen ebenso auf den Haftungsbefreiungsgrund berufen kann.1084 Es muss zudem nachgewiesen werden, dass der Kläger davon Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, dass der Nachteil nicht ausgeglichen wurde.1085 Mit dieser besonderen Haftungsnorm beabsichtigt der Gesetzgeber die vollständig-herrschende Gesellschaft bzw. ihre gesetzlichen Vertreter gegen die bösgläubigen Kreditgeber zu schützen. Allerdings wird diese Norm im Schrifttum teilweise zu recht kritisiert. Es wird für fraglich gehalten, warum die vollständigherrschende Gesellschaft durch diese besondere Vorschrift im Vergleich zur einfachen Herrschaftslage stärker gestützt wird.1086 Der Umstand, dass die Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft, welche unter dem Einfluss der herrschenden Gesellschaft die unzulässigen Weisungen befolgten mussten, gegenüber den Gläubigern haften, während sich die herrschende Gesellschaft und ihre gesetzlichen Vertreter i.R.d. Art. 206 Abs. 2 tHGB von der Haftung befreien können, wird zutreffend mit der Begründung kritisiert, dass dies der Gerechtigkeit und dem Zweck einschlägiger Regelungen widerspreche.1087 Als ein weiterer Kritikpunkt ist m. E. der Umstand zu erwähnen, dass der Gesetzgeber die Bösgläubigkeit der Kreditgeber sanktioniert, während er die böswillige Absicht der herrschenden Gesellschaft übersieht, und diese sogar belohnt. Denn in einer solch intensiven Herrschaft wäre es beinahe unmöglich, dass die Kreditvergabe an die abhängige Gesellschaft ohne Wissen oder Zustimmung bzw. Veranlassung der Konzerngeschäftsleiter (und der herrschenden Gesellschaft) erfolgen kann. Deswegen ist es fraglich, warum die Bösgläubigkeit der Konzerngeschäftsleiter bzw. der herrschenden Gesellschaft unbestraft bleibt, welche dem Kreditgeschäft zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem Kreditgeber explizit oder implizit zugestimmt haben, obwohl sie schon wussten, dass der Nachteil der abhängigen Gesellschaft nicht ausgeglichen wurde. In einem solchen Verhältnis sind m. E. vielmehr die Geschäftsleiter der vollständig-abhängigen Gesellschaft schutzbedürftig, weil sie diejenigen sind, die unter starkem Einfluss der Konzerngeschäftsleiter zum Befolgen der – faktisch auch unzulässigen – Weisungen gezwungen sind. Diese Regelung wäre daher m. E. bedeutsamer und zutreffender gewesen, wenn nicht die herrschende Gesellschaft bzw. ihre Vertreter, sondern die Geschäftsleitung der vollständig-abhängigen Gesellschaft gegenüber den bösgläubigen Gläubigern geschützt worden wäre. Ferner könnte diese Norm mittelbar zum Schaden der (anderen) Gläubiger der abhängigen Gesellschaft verursachen. Denn der Haftungsausschluss der herr1084 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 433 f.; Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 324 f., welcher dies zugleich für ungerecht hält. 1085 Okutan-Nilsson, S¸irketler Toplulug˘ u, S. 434; Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 358, Rn. 592. 1086 Gündog˘ du, Das türkische Konzernrecht, S. 358 f., Rn. 593, welcher sogar de lege ferenda vorschlägt, Art. 206 Abs. 2 tHGB aufzuheben und damit einen Ausgleich mit der Haftungslage der herrschenden Gesellschaft bei der einfachen Herrschaft zu verschaffen. 1087 Akın, S¸irketler Toplulug˘ u Sorumluluk, S. 324 f.

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Kap. 2: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalerhaltung

schenden Gesellschaft würde auf die eventuellen Kreditgeber der abhängigen Gesellschaft erschreckend wirken, sodass damit der abhängigen Gesellschaft praktisch die Möglichkeit entzogen würde, durch externe Kredite ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern und ihre Gläubiger zu befriedigen. Betrachtet man die Norm mit Blick auf die Praxis des Cash Pooling, könnte die Anwendung der Norm in dem Fall in Betracht kommen, dass ein Dritter einer vollständig-abhängigen Poolgesellschaft Geld leiht, obwohl er schon wusste (oder hätte wissen müssen), dass der/die Nachteil(e) der betreffenden Poolgesellschaft nicht ausgeglichen wurde(n). Es ist allerdings nicht üblich, dass ein beliebiger Dritte im Allgemeinen Kenntnis von konzerninternen Vorgängen und im Speziellen davon hat, ob ein nachteiliges Rechtsgeschäft seitens der abhängigen Poolgesellschaft entstanden ist und der Nachteil ausgeglichen oder dafür ein Rechtsanspruch gewährt wurde. Deswegen könnten in Cash Pool-Konstellationen eher die das Cash Pooling durchführende Bank oder diejenigen in Frage kommen, die über Insiderinformation verfügen könnten, wie z. B. Verwaltungsmitglieder oder ihre Angehörigen.

Kapitel 3

Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung § 1 Einführung Außer den kapitalerhaltungsrechtlichen Berührungs- bzw. Problempunkten kann sich die Cash Pooling-Praxis1 auch unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung als problematisch erweisen. Das Problem kann sich sowohl bei der Gründung einer abhängigen Gesellschaft, die von Anfang an in das Cash PoolingVerfahren einbezogen werden soll, als auch dann stellen, wenn das Kapital bei einer in ein Cash Pooling bereits eingebundenen Tochtergesellschaft erhöht werden soll. Denn beim Cash Pooling wird die Einlageleistung zunächst durch das herrschende Unternehmen erbracht, dann aber aufgrund der diesem Finanzierungssystem immanenten Ausgestaltung automatisch – gewöhnlich am selben Tag – wieder an das Zentralkonto (also in den Cash Pool) abgeführt, welches der Verfügungsmacht des herrschenden Unternehmens unterliegt. Das deutsche und das türkische Recht weisen erhebliche Unterschiede in Bezug auf die im Umfeld der Kapitalaufbringung in Betracht kommenden Regelungen sowie Schutzmechanismen auf. Aus diesem Grund unterscheiden sich auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen bzw. Rechtsfolgen eines Kapitalaufbringungsvorgangs, der i.R.d. Cash Pooling stattfindet. Aus Sicht des deutschen Rechts kann es bei der Einbeziehung neu gegründeter Tochtergesellschaften in Cash Pooling-Systeme oder bei der Kapitalerhöhung der bereits am Cash Pooling-System beteiligten Poolgesellschaften zu Konflikten mit dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung kommen. Denn die alsbaldige Weiterleitung der im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung einbezahlten Bareinlage über das Zentralkonto wieder an den Inferenten (an die Muttergesellschaft) wird im deutschen Kapitalaufbringungsrecht grundsätzlich als Verstoß gegen das Gebot zur freien Verfügbarkeit der Einlage angesehen. Dies stellt sich ggf. als „verdeckte Sacheinlage“ oder als „Hin- und Herzahlen“ dar, welche die Zulässigkeit der Kapitalmaßnahme beeinträchtigen und im Hinblick auf die Einlageverpflichtung der Muttergesellschaft unerwünschte 1

Hierbei handelt es sich um das herkömmliche Cash Pooling. Das virtuelle Cash Pooling ist unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung unbedenklich, weil dabei lediglich eine fiktive Verrechnung erfolgt und den einzelnen Konzerngesellschaften die einbezahlten Mittel nicht entzogen werden. Ausführlich zum herkömmlichen und virtuellen Cash Pooling: Kapitel 1, § 1, B., V., 2., a) und b).

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Rechtsfolgen haben können. Das türkische Recht kennt allerdings keine entsprechenden Rechtsfiguren wie „verdeckte Sacheinlage“ oder „Hin- und Herzahlen“, welche im deutschen Recht zur Vermeidung der Umgehungsgeschäfte im Umfeld der Kapitalaufbringung dienen und die Zulässigkeit der Einlageleistung des Inferenten (teilweise oder vollständig) beeinträchtigen können. Anders als das deutsche Recht lässt nämlich das türkische Recht einerseits die Einlageleistung durch „Verrechnung“ der Altforderungen gegen die Gesellschaft zu, die im deutschen Recht als „verdeckte Sacheinlage“ qualifiziert wird. Andererseits werden im türkischen Recht sofortige darlehensweise Rückzahlungen der einbezahlten Mittel an den Inferenten – anders als im deutschen Recht (das „Hin- und Herzahlen“) – nicht im Kontext der Kapitalaufbringung behandelt, sondern den kapitalerhaltungsrechtlichen Schutzmechanismen unterworfen. Im Folgenden wird zunächst das deutsche, danach das türkische Recht mit Blick auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen bzw. Rechtsfolgen der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung einer Konzerngesellschaft i.R.d. Cash Pooling untersucht. Im deutschen Recht

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern A. Einleitung Vorab ist festzustellen, dass in Deutschland nach herrschender Ansicht die konzernrechtlichen Sondervorschriften (§§ 311 ff. AktG) – im Gegensatz zur kapitalerhaltungsrechtlichen Problematik i.R.d. Cash Pooling – keine Anwendung auf die kapitalaufbringungrechtlichen Angelegenheiten sowohl für die AG- als auch für die GmbH-Konzerne finden.2 Mit anderen Worten bleiben die Normen über Kapitalaufbringung in faktischen GmbH- und AG-Konzernen unberührt,3 sodass die kapitalaufbringungsrechtliche Problematik im Zusammenhang mit dem Cash Pooling unter den Vorgaben des allgemeinen Kapitalaufbringungsrechts behandelt wird. Schon lange Zeit vor der ersten höchstrichterlichen „Cash Pool-I“-Entscheidung des BGH haben das Schrifttum4 und die Praxis in Deutschland auf mögliche Probleme mit Blick auf die Zulässigkeit des Cash Pooling unter dem Gesichtspunkt von Kapitalaufbringungsregeln aufmerksam gemacht.5 Man hat sich lange mit der Frage beschäftigt, inwiefern das Cash Pooling-System mit dem Gebot der realen Kapi2 So Hentzen, DStR 2006, Rn. 953 f.; Wilhelm, DB 2006, S. 2730; Spindler, ZHR 171 (2007), S. 273. 3 Spindler, ZHR 171 (2007), S. 273. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Vertragskonzerne, siehe dazu Hentzen, DStR 2006, Rn. 953 f.; Spindler, ZHR 171 (2007), S. 273. 4 U. a. insb.: Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 650; Jäger, DStR 2000, S. 1655; Cahn, ZHR 166 (2002), S. 285. ff.; Morsch, NZG 2003, S. 100; Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2278. 5 Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 87 f.

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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talaufbringung in Einklang steht, in dem die Einlageleistungen zunächst durch die einzahlungspflichtige Muttergesellschaft eingebracht werden, dann aber aufgrund der Ausgestaltung dieses Konzernfinanzierungssystems automatisch wieder auf das Zentralkonto (in den Cash Pool) abgeführt werden, welches der Verfügungsbefugnis der Muttergesellschaft untersteht. So wurde im Schrifttum jahrelang insbesondere hinsichtlich des Grundsatzes freier Verfügbarkeit der Einlage und des Rechtsinstituts der verdeckten Sacheinlage diskutiert, ob die Kapitalaufbringung im Rahmen des Cash Pooling zulässig war. Teilweise wurde in Frage gestellt, ob die Kapitalaufbringungsvorschriften überhaupt auf das Cash Pooling-System anwendbar waren.6 Am Anfang des Jahres 2006 äußerte sich der BGH erstmals über die Problematik zur Kapitalaufbringung im Zusammenhang mit dem Cash Pooling. Er erklärte in seinem „Cash Pool-I“-Urteil7 dazu ausdrücklich, dass für die Kapitalaufbringung i.R.d. Cash Pooling-Systemen de lege lata kein Sonderrecht existiere und die in ein Cash Pooling-System einbezogenen Gesellschaften den allgemeinen Kapitalaufbringungsvorschriften und damit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen unterlägen. Etwa zweieinhalb Jahre nach der „Cash Pool-I“-Entscheidung trat das MoMiG8 in 2008 in Kraft, wodurch eine Neuerung in der relevanten Vorschrift des GmbHG bezüglich der Kapitalaufbringung vorgenommen wurde. Damit wurden nicht nur die Rechtsfolgen von der durch die Rechtsprechung und die Lehre entwickelten „verdeckten Sacheinlage“ sowie des „Hin- und Herzahlens“ abgemildert,9 sondern diese Rechtsinstituten wurden zum ersten Mal im Gesetzestext verankert (in § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG). Die durch das MoMiG im GmbH-Recht vorgenommene kapitalaufbringungsrechtliche Neuregelung wurde später auch entsprechend durch ARUG10 in das AG-Recht eingeführt (§ 27 Abs. 3 und 4 AktG). Auf der Grundlage dieser (Neu-)Regelungen befasste sich der BGH in seinem „Cash Pool-II“-Urteil11 einge6 So Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 650, welche auf die besondere Geldanlagefunktion des Cash Pooling hinwiesen und auf den Sinn und Zweck des Cash Management Systems abstellend äußerten, dass die Einbeziehung der geleisteten Einlagemittel in ein Cash Management-Kreislauf sowohl von der Intention her, als auch funktionell, nicht als eine „Rückzahlung“, sondern als eine besondere Form der „Geldeinlage (konzerninterne Finanzierungsoptimierung)“ anzusehen sei. Kritisch dazu insb. Cahn, ZHR 166 (2002), S. 285 ff. 7 BGH v. 16. 01. 2006 – II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 „Cash Pool-I“. 8 23. 10. 2008, BGBl. I 2026. 9 Zur relevanten Änderung s. Kapitel 3, § 2, C., I., 1. 10 30. 07. 2009, BGBl. I 2479, durch Art. 1 Nr. 1 und 25. In dem Regierungsentwurf zum ARUG wurde zwar erstmal eine entsprechende Änderung des aktienrechtlichen Kapitalaufbringungsrechts mit der Begründung zurückgestellt, dass zunächst die Akzeptanz der Neuregelung im GmbH-Recht abgewartet werden sollte. Begr.RegE. zum ARUG, BT-Drucks. 16/ 11642, S. 20. Aber danach wurde durch den Rechtsausschuss eine dem GmbHG parallel laufende Neuregelung des Kapitalaufbringungsrechts in das ARUG eingeführt. Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 5, 36 f., wonach die Änderungen im GmbH-Recht in Wissenschaft und Praxis überwiegend gut aufgenommen worden seien. Dazu kritisch: Bayer/Schmidt, ZGR 2009, S. 823 ff.; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, S. 914 ff. 11 BGH v. 20. 07. 2009 – II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 „Cash Pool-II“.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

hend mit dem Thema und bestimmte die Voraussetzungen für eine wirksame Kapitalaufbringung i.R.d. Cash Pooling. Bevor auf die aktuelle Rechtslage des Kapitalaufbringungsvorgangs im Cash Pooling eingegangen wird, soll zunächst eine kurze Skizzierung der kapitalaufbringungsrechtlichen Problematik und Rechtsentwicklung im Zusammenhang mit dem Cash Pooling unter der alten Rechtslage vorgenommen werden. Denn die für das Cash Pooling relevanten kapitalaufbringungsrechtlichen Regelungen des MoMiG bzw. ARUG beruhen auf einer langjährigen Rechtsentwicklung. Daher soll zum Verständnis dieser Regelungen ein Gesamtbild diesbezüglicher Entwicklungen gezeichnet werden.

B. Die Problematik und die Rechtsentwicklung unter der alten Rechtslage I. Kapitalaufbringungsrechtliche Problematik im Cash Pooling Der sowohl im GmbH- als auch im AG-Recht geltende Grundsatz der realen Kapitalaufbringung erfordert, dass das Stamm- bzw. Grundkapital tatsächlich aufgebracht und den gescha¨ ftsfu¨ hrenden Organe zur endgültigen und freien Verfügung gestellt wird.12 Demnach sollte der Gegenstand der Einlage völlig aus dem Vermögens- und Herrschaftsbereich des Einlegers ausgesondert werden und der Gesellschaft auf Dauer ohne Beschränkungen und Vorbehalte zugeflossen sein, damit der Geschäftsführer bzw. der Vorstand über den Einlagegegenstand rechtlich und tatsächlich frei verfügen kann.13 Es wird allerdings im deutschen Kapitalaufbringungsrecht angenommen, dass es an der freien Verfügbarkeit der Einlage fehle und damit keine Erfüllungswirkung bestehe, wenn zwischen der Gesellschaft und den Inferenten eine Absprache über die Mittelverwendung getroffen wird, welche darauf gerichtet ist, die Einlagen zugunsten des Inferenten zu verwenden.14 Fließe die Einlage aufgrund von Vorabsprachen zwischen der Gesellschaft und dem Einleger in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang unmittelbar oder mittelbar an den Inferenten zurück, dann sei der bezahlte Betrag nicht zur endgültigen freien Verfügung des geschäftsführenden Organs gestellt worden.15 Dies wird insbesondere 12

MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn 5; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 2; GroßKommGmbHG/Ulmer/Casper, § 7, Rn. 52 ff.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 7, Rn. 19 ff.; Baumbach/ Hueck/Fastrich, § 7, Rn. 10 m.w.N. 13 BGHZ 113, 335, Rn. 348 f.; zur GmbH: GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 7, Rn. 53; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 7, Rn. 10 m.w.N.; zur AG: GroßKomm-AktG/Röhricht, 4. Aufl., § 36, Rn. 56; Spindler/Stilz/Döbereiner, § 36, Rn. 19; MünchKomm-AktG/Pentz, § 36, Rn. 48 m.w.N. 14 BGHZ 113, 335, Rn. 343 ff.; BGHZ 125, 142, Rn. 150; BGHZ 150, 197, Rn. 200; BGHZ 171, 113, Rn. 115 ff.; BGHZ 153, 107, Rn. 109; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 410, m.w.N. 15 BGHZ 113, 335, Rn. 340; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 81 m.w.N.

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bei der darlehensweisen Rückführung des Einlagebetrags an den Inferenten angenommen.16 Aufgrund der dem Cash Pool-System zugrunde liegenden Abrede17 kommt es bei einem Cash Pooling-Verfahren zwangsläufig immer zu einem Rückfluss des Einlagebetrags an den Inferenten. Dass die von der Muttergesellschaft eingebrachten Einlagemittel aufgrund des in der Cash Pool-Vereinbarung bereits abgemachten automatischen Liquiditätsausgleiches alsbald an die Betreibergesellschaft und damit wieder mittelbar an die Muttergesellschaft zurückfließen, wurde unter der alten Rechtslage allgemein als Verstoß gegen das Gebot der freien Verfügbarkeit des Kapitals bewertet, sodass die geleisteten Bareinlagen keine Erfüllungswirkung zugunsten der Muttergesellschaft hatten.18 Es wurde dabei allerdings eine Unterscheidung nach dem Saldenstand des Unterkontos der betreffenden Poolgesellschaft zum relevanten Zeitpunkt vorgenommen, welche hinsichtlich der Feststellung der Rechtsfolgen des Verstoßes von Bedeutung war. Nach dem Saldenstand des Unterkontos kam es entweder aufgrund des Vorliegens einer „verdeckten Sacheinlage“ oder eines „Hin- und Herzahlens“ (oder eines Mischfalls) zu einer Rechtswidrigkeit. 1. Rechtswidrigkeit angesichts der „verdeckten Sacheinlage“ Der Ausgangspunkt der Lehre von der verdeckten Sacheinlage bildet den dem Kapitalaufbringungsrecht zugrunde liegenden Grundsatz der realen Kapitalaufbringung, auf den die im Kapitalgesellschaftsrecht gesetzlich vorgegebene Unterscheidung zwischen der Bar- und Sacheinlage zurückgeht.19 Das Gesetz sieht bei der Gründung sowie bei der Kapitalerhöhung die Möglichkeit vor, das Kapital anstatt der Geldeinlagen durch die Sacheinlagen aufzubringen (§§ 5 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 1. AktG). Da allerdings der Wert der Sacheinlagen anders als der Wert einer Bareinlage nicht zweifelsfrei feststeht, besteht bei Sacheinlagen das erhöhte Risiko, dass der Sacheinlagegegenstand (bewusst oder unbewusst) überbewertet wird und infolgedessen die Gesellschaft den geschuldeten Vermögenswert teilweise nicht erlangen kann.20 Aus diesem Grund knüpft der Gesetzgeber die Sacheinlage an besondere Vorschriften, und – anders als bei der Geldeinlage – sieht er bezüglich der Sacheinlageleistung bestimmte Publizitäts- und Kontrollpflichten vor, um sicherzustellen, dass das Stamm- bzw. Grundkapital tatsächlich aufgebracht wird (Grundsatz der realen Kapitalaufbringung).21 Da allerdings das für die Sacheinlagen vorgesehene Verfahren die Sachgründung bzw. -kapitalerhöhung komplizierter und aufwendiger 16

BGHZ 153, 107, Rn. 109. Ausführlich dazu Kapitel 1, § 2, A., I., 2., a). 18 Für ausführliche Informationen über die Rechtsfolgen Kapitel 3, § 2, B., II. 19 MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 74; ders., in: FS für K. Schmidt, S. 1269. 20 Pentz, in: FS für K. Schmidt, S. 1269. 21 BGHZ 110, 47, Rn. 64; ausführlich zum Verhältnis zwischen den Sacheinlagebestimmungen und dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung siehe statt vieler MünchKommAktG/Pentz, § 27, Rn 4 ff. 17

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

als die Einbringung der Bareinlage macht, ist in der Praxis häufig anzutreffen, dass die Gründer die Sondervorschriften für die Sacheinlage in der Weise zu umgehen versuchen, dass sie zwar eine Bareinlage vereinbaren, aber im wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft einen Sachwert zufließen lassen.22 Um genau solche Vorgänge zu erfassen, wurde in der deutschen Rechtsprechung23 schon vor Jahrzehnten24 die Rechtsfigur der „verdeckten Sacheinlage“ entwickelt.25 So liegt eine verdeckte Sacheinlage dann vor, wenn die gesetzlichen Regeln über die Sacheinlage dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird und insoweit der Gesellschaft eine solche formal zufließt, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Abrede einen Sachwert erhalten soll.26 Das Vorhandensein einer solchen Abrede sollte in der Regel vermutet werden, wenn zwischen der Einlageleistung und dem Verkehrsgeschäft ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang vorliegt.27 Als Indiz für den sachlichen Zusammenhang wird die annähernde Wertgleichheit zwischen der Bareinlageschuld und dem von der Gesellschaft erworbenen Gegenstand angenommen,28 während hinsichtlich des zeitlichen Zusammenhangs überwiegend auf einen Zeitraum von sechs Monaten abgestellt wird.29 Nach allgemeiner Meinung setzt jedoch das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage keine Umgehungsabsicht der Beteiligten voraus.30 22 BGHZ 110, 47, Rn. 65; BGHZ 113, 335, Rn. 335; BGHZ 132, 133, Rn. 139; BGHZ 152, 37, Rn. 42 f.; BGHZ 155, 329, Rn. 331; statt vieler MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 74 ff., 79. 23 BGHZ 110, 47, Rn. 65; BGHZ 113, 335, Rn. 335; BGHZ 132, 133, Rn. 139; BGHZ 152, 37, Rn. 42 f.; BGHZ 173, 145, Rn. 148. 24 Bereits früher hat sich das Reichsgericht mit der Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage beschäftigt. Insofern hat die Entstehung des Rechtsinstituts der verdeckten Sacheinlage im deutschen Recht mehr als eine hundert jährige Geschichte. Die erste Entscheidung: RG Urteil v. 05. 01. 1898 – VI 288/97, RGZ 40, 120, 122, Windbichler/Krolop, § 19, Rn. 44; RG Urteil v. 23. 04. 1928 – VI 296/27, RGZ 121, 99 ff.; RG Urteil v. 16. 10. 1936 – II 80/36, RGZ 152, 292, 300 f. (für AG). Für ausführliche Erklärungen zu diesbezüglichen reichsgerichtlichen Entscheidungen siehe insb. Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 164 ff. 25 Pentz, ZIP 2003, S. 2094; Morsch, NZG 2003, S. 99; Lamb/Schluck-Amend, DB 2006, S. 879: Gehrlein, MDR 2006, S. 790; ders., Der Konzern 2007, S. 783; Wicke, § 19, Rn. 18; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 71 m.w.N. 26 BGHZ 110, 47, Rn. 65; BGHZ 113, 335, Rn. 335; BGHZ 132, 133, Rn. 139; BGHZ 152, 37, Rn. 42 f.; BGHZ 155, 329, Rn. 331; BGHZ 170, 47, Rn. 51; BGHZ 173, 145, Rn. 148; vor dem MOMiG: Morsch, NZG 2003, S. 99; Lamb/Schluck-Amend, DB 2006, S. 879: Gehrlein, MDR 2006, S. 790; ders., Der Konzern 2007, S. 783; Baumbach/Hueck/Fastrich, 18 Aufl., 2006, § 19, Rn. 38; Wicke, § 19, Rn. 18; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 71 m.w.N. 27 BGHZ 125, 141, Rn. 143 f.; BGHZ 132, 133, Rn. 139; BGHZ 152, 37, Rn. 43 ff.; BGHZ 153, 107, Rn. 109; Ulmer, ZHR 154 (1990), S. 141; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 76 m.w.N. 28 MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 96 m.w.N. 29 GroßKomm-GmbHG/Ulmer, 2005, § 5, Rn. 171; Priester, ZIP 1991, S. 348 ff.; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 96 m.w.N.; vgl. Theiselmann, Der Konzern 2009, S. 464, ihm zufolge maximal 8 Monate. A.A. Mayer, NJW 1990, S. 2598, ihm zufolge 2 Jahre.

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Der typische Fall der verdeckten Sacheinlage bildet grundsätzlich die Gestaltung, in der die geleistete Bareinlage alsbald als Vergütung für einen an die Gesellschaft veräußerten (sacheinlagefähigen) Vermögenswert zurückfließt.31 Es wird also zunächst eine Bareinlage geleistet, aber diese fließt danach ganz oder teilweise aufgrund eines vorabgesprochenen Erwerbsgeschäfts als Entgelt an den Inferenten zurück, weil der Inferent der Gesellschaft einen Sachgegenstand gegen Entgelt veräußert.32 Indem die Gesellschaft den Kaufpreis zahlt, erhält der Inferent seine „Geldeinlage“ zurück, während in das Vermögen der Gesellschaft ein Sachwert übertragen wird, welchen der Inferent aber im Wege einer offen gelegten Sacheinlage hätte einbringen müssen.33 Durch diese Vorgehensweise wird das erforderliche Verfahren für die Sacheinlage – und damit das Sachkapitalaufbringungrecht – unzulässigerweise umgangen.34 Einen anderen – und für das Cash Pooling relevanten – Fall der verdeckten Sacheinlage stellt die Kapitalaufbringungsmaßnahme dar, in der eine Bareinlage vereinbart wird, aber die Einlageverbindlichkeit mit einer bereits bestehenden Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft (sog. Altforderung)35 verrechnet wird, ohne die Erfordernisse der Sacheinlageaufbringung zu erfüllen.36 Unter bestimmten Voraussetzungen37 sind Forderungen allgemein und auch die Forderungen des Inferenten gegen die Gesellschaft38 zwar einlagefähig, aber sie stellen keine Bareinlage dar, sondern werden als Gegenstände der Sacheinlage angesehen.39 Mit anderen Worten sind die Forderungen nach deutschem Recht nicht nur sacheinlagefähig, sondern auch sacheinlagepflichtig. Aus diesem Grund muss eine 30

Siehe dazu nur MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 94 m.w.N. und Pentz, in: FS K. Schmidt, S. 1270 m.w.N. 31 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 50; GroßKomm-GmbH/Ulmer, § 5, Rn. 173 m.w.N.; Münch.Hdb.GmbH/Freitag/Riemenschneider, § 9, Rn. 61; Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 646; ausführlich dazu auch Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 27 f. 32 Es ist dabei unerheblich, ob das Erwerbsgeschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vor oder nach der Einlageleistung abgeschlossen wird, GroßKomm-GmbH/Ulmer, § 5, Rn. 173. 33 Münch.Hdb.GmbH/Freitag/Riemenschneider, § 9, Rn. 61; ausführlich dazu siehe Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 27 f. 34 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 50; GroßKomm-GmbH/Ulmer, § 5, Rn. 173; Münch.Hdb.GmbH/Freitag/Riemenschneider, § 9, Rn. 61; Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 27 f. 35 Siehe dazu Bayer, ZIP 1998, S. 1988 f. und Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 66. 36 Bayer, ZIP 1998, S. 1988 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 5; GroßKommGmbH/Ulmer, § 5, Rn. 174; ausführlich dazu Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 28. 37 Für Voraussetzungen der Einlagefähigkeit der Forderungen siehe nur GroßKommGmbH/Ulmer, § 5, Rn. 54 ff. 38 BGHZ 15, 52, Rn. 60; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 5, Rn. 28; Roth/Altmeppen/Roth, § 5, Rn. 45; Veil, ZIP 2007, S. 1245; ausführlich dazu insb. GroßKomm-GmbH/Ulmer, § 5, Rn. 56 m.w.N. 39 GroßKomm-GmbH/Ulmer, § 5, Rn. 54; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 5, Rn. 27, § 19, Rn. 51.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Forderung gegen die Gesellschaft im Wege einer Sacheinlage eingebracht werden; ansonsten würde nach der Lehre der verdeckten Sacheinlage eine verdeckte Forderungseinbringung vorliegen.40 So wurde unter der alten Rechtslage angenommen, dass eine verdeckte Sacheinlage in Form einer verdeckten Forderungseinbringung bei der Kapitalaufbringung oder -erhöhung im Cash Pooling dann in Betracht kam, wenn zum Zeitpunkt der Kapitalmaßnahme ein negativer Saldo zulasten der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool bzw. der Betreibergesellschaft bestand.41 Denn im wirtschaftlichen Ergebnis floss dann der Poolgesellschaft nicht der Barbetrag zu, sondern sie wurde in der Tat von ihrer Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Betreibergesellschaft – zumeist anteilig – befreit.42 Mit anderen Worten wurde also wirtschaftlich gesehen der Poolgesellschaft eigentlich – statt eines Geldbetrags unter Umgehung der Sacheinlagevorschriften – eine Darlehensforderung eingebracht.43 Die Einbringung der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gegenüber der am Cash Pool beteiligten Poolgesellschaft – welche üblicherweise i.R.d. Kapitalerhöhung in Frage kommt – hätte allerdings nicht im Wege der Barzahlung, sondern im Wege der Sacheinlage und damit unter Beachtung der Sacheinlagevorschriften stattfinden müssen.44 Aus diesem Grund wurde in der deutschen Rechtsprechung und Lehre angenommen, dass es sich bei einer derartigen Leistung der Bareinlage in Verbindung mit einem Cash Pooling-System um eine verdeckte Sacheinlage handelt.45

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Gehrlein, MDR 2006, S. 790. BGHZ 166, 8, Rn. 12 f. „Cash Pool-I“; BGHZ 110, 47, Rn. 67; BGHZ 113, 335, Rn. 339 f.; OLG Dresden, 10. 03. 2004 – Az: 18 U 1227/03 und 18 U 1314/03, jeweils S. 15; OLG Köln, NJW-RR 2000, S. 1480 f.; OLG Hamm, GmbHR 1997, S. 213 f.; LG Flensburg, GmbHR 2001, S. 861 f.; Goette, DStR 1999, S. 1451 f.; ders., DStR 2006, S. 768; Jäger, DStR 2000, S. 1655; Cahn, ZHR 166 (2002), S. 283; Morsch, NZG 2003, S. 99 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 88; Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2278; Lamb/Schluck-Amend, DB 2006, S. 880; Bayer/Leider, GmbHR 2006, S. 451; ders., GmbHR 2006, S.1125; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 81 m.w.N. 42 Morsch, NZG 2003, S. 99 f. 43 BGHZ 110, 47, Rn. 67; BGHZ 113, 335, Rn. 339 f.; BGHZ 152, 37, Rn. 42 f.; BGHZ 166, 8, „Cash Pool-I“; Bayer, ZIP 1998, S. 1988; Morsch, NZG 2003, S. 99 f.; Wessels, ZIP 2006, S. 1701; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 410; Bayer/Leider, GmbHR 2006, S. 451; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 74 f. 44 Statt vieler siehe nur Cahn, ZHR 166 (2002), S. 284 f. 45 BGHZ 166, 8, Rn. 12 f. „Cash Pool-I“; BGHZ 110, 47, Rn. 67; BGHZ 113, 335, Rn. 339 f.; OLG Dresden, 10. 03. 2004 – Az: 18 U 1227/03 und 18 U 1314/03, jeweils S. 15; OLG Köln, NJW-RR 2000, S. 1480 f.; OLG Hamm, GmbHR 1997, S. 213 f.; LG Flensburg, GmbHR 2001, S. 861 f.; Goette, DStR 1999, S. 1451 f.; Cahn, ZHR 166 (2002), S. 283; Morsch, NZG 2003, S. 99 f.; Bayer/Leider, GmbHR 2006, S. 451; dies., GmbHR 2006, S. 1125; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 81 m.w.N. 41

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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2. Rechtswidrigkeit angesichts des „Hin- und Herzahlens“ Besteht hingegen zum Zeitpunkt der Kapitalmaßnahme kein negativer Saldo auf dem Unterkonto der Poolgesellschaft und damit keine Darlehensverbindlichkeit gegen die Betreibergesellschaft, dann fließt die Einlage aufgrund der Einbindung in das Cash Pooling-System in Form eines Darlehens an die Betreibergesellschaft zurück, so dass durch diesen Rückfluss in der Tat eine (Darlehensrückzahlungs-)Forderung der Gesellschaft gegen die Betreibergesellschaft begründet (oder vergrößert) wird.46 So wird also der Poolgesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis eine nach der Werthaltigkeit nicht überprüfte und ungesicherte Forderung eingebracht.47 Allerdings konnten (und können immer noch) nach herrschender Meinung – im Gegensatz zu Forderungen des Inferenten gegen die Gesellschaft – die Forderungen der Gesellschaft gegen den Inferenten kein tauglicher Gegenstand einer Sacheinlage sein, da sonst die besonders geschützte gesellschaftsrechtliche Einlageforderung durch eine schwache schuldrechtliche Forderung ersetzt werden könnte.48 Aus diesem Grund wurde überwiegend angenommen, dass in diesem Fall mangels Einlagefähigkeit der Forderung weder eine Umgehung der Sacheinlagevorschriften noch eine verdeckte Sacheinlage in Betracht komme.49 Dementsprechend wurde dann vom Vorliegen eines bloßen „Hin- und Herzahlens“ i.R.d. Cash Pooling ausgegangen, wenn die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Kapitalmaßnahme einen positiven oder ausgeglichenen Saldo auf dem Unterkonto aufwies. Es lag in diesem Fall also lediglich ein „Hin- und Herzahlen“ und somit nur ein Verstoß gegen das Gebot der freien Verfügbarkeit der Einlage vor, jedoch zusätzlich keine verdeckte Sacheinlage.50

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Sieger/Hasselbach, DStR 1999, S. 646; Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 167; Jäger, DStR 2000, S. 1656; Morsch, NZG 2003, S. 100. 47 Sieger/Hasselbach, DStR 1999, S. 646. 48 BGHZ 153, 107, Rn. 111; BGHZ 165, 113, Rn. 116 f.; BGHZ 180, 38, Rn. 10 „Qivive“. MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 109; GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 63; Scholz/Veil, § 5, Rn. 48; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 5, Rn. 27; Rowedder/SchmidtLeithoff/Schmidt-Leithoff, § 5, Rn. 29; Roth/Altmeppen/Roth, § 5, Rn. 44; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5, Rn. 15; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27 Rn. 26; GroßKomm-AktG/Schall, § 27 Rn. 167; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 16. A.A. Cahn, ZHR 166 (2002), S. 289 ff.; Bormann, GmbHR 2007, S. 903; Drygala, NZG 2007, S. 564; Wirsch, GmbHR 2007, S. 741; Bormann/ Urlichs, GmbHR 2008, S. 120. Vgl. GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 87, wonach dann die Forderungen gegen die Gesellschafter einlagefähig seien, wenn sie besichert seien. Für die Argumentation der Gegenansicht siehe auch Kapitel 3, § 2, C., VI., 2., b). 49 BGHZ 165, 113, Rn. 117; BGHZ 165, 352, Rn. 356; Morsch, NZG 2003, S. 100; Bayer, GmbHR 2004, S. 453; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 410; Wessels, ZIP 2006, S.1701; Priester, in: VGR 11, S. 19; Goette, DStR 2006, S.145; Emde, GmbHR 2006, S. 310; Mayer, in: FS für Priester, S.450 f.; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 73. A.A. BGHZ 153, 107, Rn. 111 (kritisiert von Bayer, GmbHR 2004, S. 453); OLG Schleswig, v. 27. 05. 2004, 5 U 132/ 03, GmbHR 2005, S. 358; OLG Schleswig, v. 27. 01. 2005, 5 U 22/04, GmbHR 2005, S. 358 ff. 50 Hangebrauck, Cash Pooling, S. 73 f.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Es sollte hierbei nicht unerwähnt bleiben, dass eine klare Abgrenzung zwischen der „verdeckten Sacheinlage“ und dem alleinigen „Hin- und Herzahlen“ als eigenständige Rechtsfiguren in deutschem Recht nicht von Anfang an verankert war, sondern diese erst in den letzen Jahren vor der Gesetzesänderung (durch das MoMiG und das ARUG) klarer von einander abgegrenzt wurden.51 Nach der endgültigen Etablierung der Differenzierung zwischen den Rechtsinstituten wurden unter dem Begriff des „Hin- und Herzahlens“ nur jene Fallkonstellationen erfasst, bei denen lediglich gegen das Gebot der endgültigen freien Verfügbarkeit der Einlage verstoßen wurde, aber nicht zusätzlich die Sacheinlagebestimmungen verletzt wurden, also keine verdeckte Sacheinlage vorlag.52 Ebenso wie bei der verdeckten Sacheinlage musste eine Vorabrede des Hin- und Herzahlens vorhanden sein, die zu vermuten sei, wenn zwischen der Leistung der Einlageforderung und dem Rückfluss an den Inferenten ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang bestand.53 II. Rechtsfolgen der Kapitalaufbringung im Cash Pooling 1. Bei negativem Saldo der Poolgesellschaft („verdeckter Sacheinlage“) a) Keine Erfüllungswirkung der Bareinzahlung Nach der Lehre von der verdeckten Sacheinlage führte die Bareinlage nicht zur Erfüllung der Einlageverpflichtung, soweit die zunächst an die Gesellschaft geleistete Bareinlage abredegemäß an den Inferenten zurückfloss und sich zugleich als verdeckte Sacheinlage darstellte.54 Es bestand die Pflicht zur Erbringung der Einlage in bar gänzlich fort, unabhängig davon, ob und inwieweit der Wert der verdeckten

51 Für die Anmerkung dazu siehe insb. Goette, DStR 2006, S. 114 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, S. 50, Rn. 88. Fn. 2; Gärtner, Cash Pooling, S. 587 Fn. 2067; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 91 f. Fn. 210; BGHZ 165, 113, Rn. 116 f., wobei auf die verwirrende Verwendung eines BGH-Urteils (BGHZ 153, 107) hingewiesen wurde, in dem bei der (verdeckten) Einbringung eines „Darlehensrückzahlungsanspruchs“ des Gesellschafters (gegen sich selbst) das Vorliegen des Tatbestands verdeckter Sacheinlage angesehen wurde. Kritisch zu diesem Urteil hinsichtlich fehlender Differenzierung siehe auch Bayer, GmbHR 2004, S. 451. Ausführlich zu früheren begrifflichen Verwendungsweisen siehe noch Gärtner, Cash Pooling, S. 587 Fn. 2067. 52 BGHZ 165, 113, Rn. 116 f., Morsch, NZG 2003, S. 100, welcher auch vorher die beiden Rechtsinstituten klar differenziert hatte. 53 Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004, § 19, Rn. 92 m.w.N. 54 BGHZ 125, 141, Rn. 149 ff. Generell zur Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage: Bayer, ZIP 1996, S. 1989 ff. m.w.N.; Baumbach/Hueck/Fastrich/Hueck, 18. Aufl., 2006, § 19, Rn. 41; Heidenhain, GmbHR 2006, S. 456; Pentz, ZIP 2003, S. 2095 m.w.N.; im Zusammenhang mit der Cash Pooling-Praxis: Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 411; Langner, GmbHR 2006, S. 481 Hangebrauck, Cash Pooling, S. 84 m.w.N.

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Sacheinlage den Betrag der übernommenen Bareinlage erreichte.55 Gemäß § 27 Abs. 3 AktG a.F. (in analoger Anwendung auch bei der GmbH)56 waren zudem sowohl das schuldrechtliche Geschäft zwischen der Gesellschaft und dem Inferenten als auch das dingliche Erfüllungsgeschäft unwirksam.57 Der Inferent blieb daher zur Leistung der ursprünglich geschuldeten Bareinlage verpflichtet, während wegen der Unwirksamkeit der dinglichen und schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte wechselseitig erbrachte Leistungen nach § 812 Abs. 1 BGB zurückzufordern waren.58 Demnach hatte der Inferent ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der fehlgeschlagenen Einlage. Im Gegenzug hatte die Gesellschaft einen Bereicherungsanspruch hinsichtlich der i.R.d. Verkehrsgeschäft erbrachten Gegenleistung.59 Eine Aufrechnung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs des Inferenten mit dem Anspruch der Gesellschaft auf nochmalige Leistung der Einlage war jedoch wegen §§ 19 Abs. 2 GmbHG, 66 Abs. 1 AktG nicht möglich.60 Da nach „Cash Pool-I“-Urteil von BGH für das Cash Pooling kein Sonderrecht galt und damit auch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze angewendet werden mussten, hatte die Einlagezahlung der Muttergesellschaft dann keine Erfüllungswirkung, wenn auf dem Unterkonto der Poolgesellschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt ein negativer Saldo und damit eine verdeckte Sacheinlage vorlag.61 So blieb die Konzernmutter mangels Erfüllungswirkung der von ihr im Rahmen der Gründung bzw. Kapitalerhöhung an die Poolgesellschaft geleisteten Barzahlung weiterhin zur Leistung der Bareinlage an die betroffene Poolgesellschaft verpflichtet.62 Da der Tatbestand verdeckter Sacheinlage üblicherweise erst in der Insolvenz aufgedeckt wurde, führten diese Rechtsfolgen unter der alten Rechtslage zu ziemlich 55 Heidenhain, GmbHR 2006, S. 456; Pentz, in: FS für K. Schmidt, S. 1271; Morsch, NZG 2003, S. 101, jeweils m.w.N. 56 Die analoge Anwendung von § 27 Abs. 3 AktG a.F. auf die GmbH hat sich erst nach der Entscheidung von BGH vom Jahr 2003 durchgesetzt, BGHZ 155, 329. Bis dahin unterschied die herrschende Meinung zwischen der Rechtslage der AG und derjenigen der GmbH. Diese Unterscheidung spielte mit Rücksicht auf die Wirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts eine Rolle, wobei das dingliche Rechtsgeschäft abweichend von der Rechtslage im Aktienrecht in der GmbH für wirksam gehalten wurde, ausführlich dazu Pentz, ZIP 2003, S. 2095, insb. S. 2100. 57 BGHZ 155, 329, Rn. 338 f.; BGHZ 166, 8, Rn. 20 „Cash Pool-I“; Pentz, ZIP 2003, S. 2095; Baumbach/Hueck/Fastrich/Hueck, 18. Aufl., 2006, § 19, Rn. 42; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 411; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 84 m.w.N. 58 Pentz, in: FS für K. Schmidt, S. 1271; Morsch, NZG 2003, S. 101, jeweils m.w.N. 59 Gärtner, Cash Pooling, S. 576. 60 Cahn, ZHR 166 (2002), S. 284; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004; Morsch, NZG 2003, S. 101; Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2279; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 411. 61 BGHZ 166, 8, Rn. 11, „Cash Pool-I“; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 449 f.; Langner, GmbHR 2006, S. 480 f.; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 411; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 84 m.w.N. Schon früher: Morsch, NZG 2003, S. 101. 62 BGHZ 166, 8, Rn. 11, „Cash Pool-I“; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 411; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 84 m.w.N. Schon früher Morsch, NZG 2003, S. 101.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

harten Ergebnissen für den betreffenden Inferenten. Denn in der Insolvenz erhielt der Inferent auf den bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch betreffs der unwirksamen Einlageleistung nur die Insolvenzquote, er selbst war hingegen zur (nochmaligen) Leistung auf die Bareinlageforderung der Gesellschaft verpflichtet und musste diese im wirtschaftlichen Ergebnis daher in der Regel doppelt leisten.63 Aus diesem Grund wurden die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage in der Literatur scharf kritisiert.64 b) Heilung einer verdeckten Sacheinlage durch Umqualifizierung der Bareinlage in die Sacheinlage Als eine nachträgliche Heilungsmöglichkeit einer verdeckten Sacheinlage wurde von der Rechtsprechung hinsichtlich des GmbH-Rechts anerkannt, dass durch Satzungsänderung die ursprüngliche Bareinlage offiziell in eine Sacheinlage umqualifiziert wird.65 Hierbei mussten alle Vorraussetzungen aus dem Recht der Sachkapitalgründung bzw. -erhöhung beachtet und damit die Vollwertigkeit der – verdeckt eingelegten – Gegenstände zum Zeitpunkt der Heilung gesichert werden.66 Wegen des präzisen Wortlauts des § 27 Abs. 4 AktG a.F., wonach nach dem Eintrag der Gesellschaft in das Handelsregister die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden konnte, war allerdings umstritten, ob auch im Aktienrecht eine Heilung verdeckter Sacheinlagen in Anlehnung an die vom BGH für das GmbHRecht entwickelte Heilungsmöglichkeit möglich war.67 Mit dem Hinweis auf das ausdrückliche Verbot des Gesetzes zur nachträglichen Änderung der Bareinlageverpflichtung in die Pflicht zur Erbringung einer Sacheinlage wurde überwiegend die Übertragung dieser Heilungsmöglichkeit auf das Aktienrecht abgelehnt.68

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Statt vieler s. Gärtner, Cash Pooling, S. 576. Die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage wurden oft als „katastrophal“ bezeichnet: KölnKomm-AktG/Lutter, 2. Aufl., 1988, § 66, Rn. 31; K. Schmidt, GesR, § 29 II, S. 889; ausführlich dazu siehe Heidenhain, GmbHR 2006, S. 455. 65 Grundlegend BGHZ 132, 141, Rn. 148 ff.; BGHZ 155, 329, Rn. 333 ff.; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004, § 5, Rn. 55 ff.; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, 18. Aufl., 2006, § 19, Rn. 46 jeweils m.w.N. 66 Ausführlich zu diesem Heilungsweg und dessen Voraussetzungen siehe Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004, § 5, Rn. 56 ff., Bayer, GmbHR 2004, S. 453; insb. hinsichtlich der Cash Pooling-Praxis siehe Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2281 ff. 67 Gärtner, Cash Pooling, S. 578 f. 68 MünchKomm-AktG/Pentz, 3. Aufl., 2008, § 27, Rn. 106, 83 m.w.N.; Krieger, ZGR 1996, S. 677; Hüffer, 8. Aufl., 2008, § 27, Rn. 31 m.w.N.; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, S. 922; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 203. A.A. GroßKomm-AktG/Röhricht, 4. Aufl., § 27, Rn. 215 ff., 219; GroßKomm-AktG/Priester, 4. Aufl., § 52, Rn. 108; K.Schmidt, GesR., § 29 II 1 c bb, S. 890; Spindler/Stilz/Heidinger, 1. Aufl., 2007, § 27, Rn. 166. Nach der Gegenansicht schließe nämlich § 27 Abs. 4 AktG a.F. nur eine nachträgliche Heilung durch „einfache Satzungsänderung“ aus. Die vom BGH geforderte Satzungsänderung sei aber als „qualifizierte Satzungsänderung“ bzw. „Satzungsänderung eigener Art“ einzustufen, wobei die gleichen 64

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Die Heilung eines verdeckt eingelegten Vermögensgegenstandes auf dem Wege der späteren Umqualifizierung der Bar- in die Sacheinlage war nur dann möglich, wenn der anstelle der Bareinlage (verdeckt) eingebrachte Gegenstand sacheinlagefähig war.69 Dies setzte dann mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis voraus, dass zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Mittel an die Betreibergesellschaft auf dem Unterkonto der betreffenden Poolgesellschaft ein negativer Saldo zu ihren Lasten bestand, sodass die Betreibergesellschaft in der Tat eine sich aus dem Cash Pool ergebende (Alt-)Forderung gegen die Poolgesellschaft einbrachte.70 Denn in diesem Fall erbrachte die Betreibergesellschaft in der Tat ihre Darlehensforderung gegen die Poolgesellschaft unter Umgehung der Sacheinlagevorschriften als Einlage und stellte der abredegemäße Rückfluss der Einlagemittel eine verdeckte Sacheinlage dar. In dem Fall, dass der Saldo auf dem Unterkonto der betreffenden Poolgesellschaft im relevanten Zeitpunkt positiv bzw. ausgeglichen war, geschah nur ein bloßes Hin- und Herzahlen der Mittel und damit eine darlehensweise Rückzahlung der Einlagemittel an die Betreibergesellschaft. Da nach der herrschenden Meinung die Forderungen der Gesellschaft gegen den Inferenten nicht sacheinlagefähig waren (und sind)71, lag keine verdeckte Sacheinlage und damit keine Umgehung der Sacheinlagebestimmungen vor.72 Im Falle des bloßen Hin- und Herzahlens der Einlagemittel i.R.d. Cash Pooling kam daher die Heilungsmöglichkeit durch Umqualifizierung nicht in Betracht.73 Über die Frage, was in Bezug auf die spätere Heilung durch die Umwidmung der Bar- in die Sacheinlage als Gegenstand einzubringen war, bestand keine Einigkeit. Nach einer Auffassung war der Einlagegegenstand dabei die unwirksam getilgte, ursprüngliche Darlehensforderung der Muttergesellschaft gegen die Poolgesellschaft aus dem Cash Pooling,74 während nach der anderen Ansicht die Muttergesellschaft als Sacheinlage den Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der fehlgeschlagenen Bareinlagen einbringen könnte.75 Wohl ausgehend davon, dass vom hohen Anforderungen an Publizität und Gläubigerschutz wie eine ursprünglich ordnungsgemäße Sachgründung bzw. -kapitalerhöhung erfüllt würden. 69 Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004, § 5, Rn. 56. 70 Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 453; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004, § 5, Rn. 56; Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2281, 2284; Gärtner, Cash Pooling, S. 586 f. 71 BGHZ 153, 107, Rn. 111; BGHZ 165, 113, Rn. 116 f.; BGHZ 180, 38, Rn. 10 „Qivive“. MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 109; GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 63; Scholz/Veil, § 5, Rn. 48; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 5, Rn. 27; Rowedder/SchmidtLeithoff/Schmidt-Leithoff, § 5, Rn. 29; Roth/Altmeppen/Roth, § 5, Rn. 44; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5, Rn. 15; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 26; GroßKomm-AktG/Schall, § 27, Rn. 167; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 16. 72 Ausführlich dazu Kapitel 3, § 2, B., I., 2. 73 Gärtner, Cash Pooling, S. 586 f. 74 Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 453; Langner, GmbHR 2006, S. 481; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004, § 5, Rn. 56; Mayer, in: FS für Priester, S. 462; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 85 f. 75 Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2281; Morsch, NZG 2003, S. 101.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

BGH (lediglich) die für den Fall des Hin- und Herzahlens vorgesehene „Einheitsbetrachtung“76 auch auf den Fall der verdeckten Sacheinlage anwendbar sei, stellten zudem manche Autoren die Heilungsmöglichkeit der verdeckten Sacheinlage durch die Umqualifizierung in Frage.77 Denn nach der Einheitsbetrachtung des BGH hätten neben der ursprünglichen Einlageschuld keine Ansprüche mehr bestanden, die im Wege der Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden könnten.78 Auf eine umfassende Erklärung braucht an dieser Stelle nicht mehr näher eingegangen zu werden, da sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen seit Inkrafttreten des MoMiG erheblich geändert haben.79 2. Bei positivem bzw. ausgeglichenem Saldo der Poolgesellschaft („Hin- und Herzahlen“) a) Keine Erfüllungswirkung der Bareinzahlung Fließt die einbezahlte Einlage aufgrund einer vorher vereinbarten Abrede als Darlehen an den Inferenten zurück und erhält die Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung, lehnte der BGH vor dem MoMiG bzw. ARUG in ständiger Rechtsprechung die Erfüllungswirkung der Einlage ab.80 Auch wenn aufgrund fehlender Sacheinlagefähigkeit des verdeckt eingebrachten Gegenstands beim bloßen Hin- und Herzahlen tatbestandlich keine verdeckte Sacheinlage vorlag, wurde mit dem argumentum a maiore ad minus der Erfüllung der Bareinlageschuld mit nicht-sacheinlagefähigen Leistungen in gleicherweise die Wirksamkeit abgesprochen81 und blieb der Inferent – genauso wie bei der verdeckten Sacheinlage – zur nochmaligen Leistung der Bareinlage verpflichtet.82 Es könne nämlich in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass die Leistung zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführung gestanden habe.83 So wurde im Cash Pooling vom Vorliegen eines unzulässigen Hin- und Herzahlens ausgegangen und der Einlagezahlung der Muttergesellschaft wurde – wie bei Vorliegen der verdeckten Sacheinlage – keine Erfüllungswirkung zuerkannt, wenn die 76 BGHZ 165, 113, Rn. 117; BGHZ 165, 352, Rn. 357; BGH v. 12. 06. 2006, II ZR 334/04, GmbHR 2006, S. 982 f. 77 So Bayer/Leider, GmbHR 2006, S. 454; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 418. 78 Bayer/Leider, GmbHR 2006, S. 454; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 418; vgl. Hangebrauck, Cash Pooling, S. 91 f. 79 Zur Heilungsmöglichkeit nach dem geltenden Recht siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 4. 80 BGHZ 153, 107, R. 109 f.; BGHZ 165, 113, Rn. 116 f.; BGHZ 165, 332, Rn. 356. 81 Bayer, GmbHR 2004, S. 451; Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2005, § 5, Rn. 54 jeweils m.w.N. 82 Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2005, § 5, Rn. 54; Bayer, GmbHR 2004, S. 451; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 74, jeweils m.w.N. 83 BGH, 17. 09. 2001 – II ZR 275/99, NJW 2001, S. 3782; Bayer, GmbHR 2004, S. 451.

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Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Kapitalaufbringung gegenüber der Betreibergesellschaft einen positiven oder ausgeglichenen Saldo hatte. Allerdings für den Fall, dass eine „darlehensweise“ Rückzahlung der Einlage an den Inferenten erfolgte und keine verdeckte Sacheinlage gegeben war, hat der BGH hinsichtlich der Ansprüche von Gesellschaft und Inferenten anstatt einer Einzelbetrachtung der Rechtsverhältnisse eine Gesamtbetrachtung des Gesamtgeschehens herangezogen und damit für eine mildere Lösung hinsichtlich der Rechtsfolgen gesorgt. So sah der BGH das Hin- und Herzahlen aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung des Gesamtgeschehens als einheitlichen, sich selbst neutralisierenden Vorgang an, bei dem der Inferent nichts geleistet, sondern den Einlagebetrag in seinem Vermögen behalten habe.84 Unter dem Gesichtspunkt des Kapitalaufbringungsrechts seien also keine Zahlungen hin- und hergegangen, sodass sich der Zahlungsvorgang aus kapitalaufbringungsrechtlicher Sicht als ein „Nullum“ darstellte.85 Weder die Gesellschaft noch der Inferent hätten sich daher ungerechtfertigt bereichert.86 Es bestanden demnach also neben dem Anspruch auf die Einlageleistung keine Bereicherungsansprüche.87 So wurde eine durch die Einzelbetrachtung der Vorgänge verursachte – mögliche – Verdoppelung von Ansprüchen gegen den Inferenten, welche sich einerseits aus der ursprünglichen Einlagepflicht, andererseits aus dem Bereicherungsrecht ergaben,88 verhindert.89 b) Keine Heilung durch Nachzahlungen aus dem Cash Pool bzw. keine Verrechnung mit Ansprüchen aus dem Cash Pool Der BGH hatte für die Fallkonstellationen, in denen die Bareinlage – außerhalb des Cash Pooling-Systems – darlehensweise an den Inferenten zurückfließt und keine verdeckte Sacheinlage vorliegt, vorgesehen, dass durch die spätere „Darlehensrückzahlung“ des (vermeintlich) bestehenden Darlehens die Erfüllung der Einlageschuld eintrete.90 Nach Ansicht des BGH hatte die Gesellschaft wegen der Unwirksamkeit der Darlehensabrede keinen Anspruch auf Darlehensrückzahlung. 84

BGHZ 165, 113, Rn. 117; BGHZ 165, 352, Rn. 357; BGH v. 12. 06. 2006, II ZR 334/04, GmbHR 2006, S. 982 f. Siehe dazu auch Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 412; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 89 ff. 85 Gärtner, Cash Pooling, S. 581; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 89 m.w.N. 86 BGHZ 165, 113, Rn. 117; BGHZ 165, 352, Rn. 357; BGH v. 12. 06. 2006, II ZR 334/04, GmbHR 2006, S. 982 f. 87 Hangebrauck, Cash Pooling, S. 90. 88 Siehe Kapitel 3, § 2, B., II., 1., b). 89 Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 412; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 89 f.; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 91 f., insb. siehe Goette, DStR 2006, S. 106, der als der vorsitzende Richter am BGH ausdrücklich ausführte, dass es dabei geradezu der Zweck des BGH gewesen sei, der Gefahr einer Verdoppelung der Leistungspflichten des Inferenten entgegenzutreten. 90 BGHZ 165, 113, Rn. 116 f. (für AG); BGHZ 165, 352, Rn. 356 f.(für GmbH); a.A. OLG Schleswig, ZIP 2004, S. 1359.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Daher solle die auf Erfüllung der vermeintlichen Darlehensschuld gerichtete Zahlung ohne weiteres der Einlageschuld als einzig bestehender Schuld zugeordnet werden.91 Die Erfüllungswirkung trat sogar auch dann ein, wenn die Leistung nicht als Leistung auf die Einlageschuld bezeichnet war und es daher an einer konkreten Tilgungsbestimmung fehlte oder die Leistung ausdrücklich als Darlehensrückzahlung erfolgt war.92 Demnach wurde der Inferent von seiner Einlageschuld befreit, sobald der Betrag in Höhe der Stammeinlage wieder an die Gesellschaft geleistet wurde.93 Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis wich allerdings der BGH ausdrücklich von seiner oben ausgeführten Sichtweise ab und erkannte keine Erfüllungswirkung der Rückübertragung abgezogener Mittel aus dem Cash Pool an die betreffende Poolgesellschaft an, weil sich nach ihm auch beim ständigen automatischen Ausgleich von Negativ-Salden des Verrechnungskontos eines Poolteilnehmers nicht einmal ansatzweise erkennen lasse, inwiefern eine Liquiditätszufuhr der tatsächlich noch ausstehenden Einlageschuld zuzuordnen sei.94 Demgemäß konnten die zum Ausgleich der Debet-Salden betreffender Poolgesellschaft dienenden Zahlungen der Betreibergesellschaft in keiner Weise der offenen Einlageschuld der Betreibergesellschaft zugeordnet werden. Sie seien folglich nicht geeignet gewesen, diese Schuld wirksam zu tilgen.95 Demgemäß musste die Muttergesellschaft in der Insolvenz eventuell immer noch die Einlage erneut erbringen, obwohl sie die Poolgesellschaft durch Mittel aus dem Cash Pool stark unterstützt hatte.96 Außerdem lehnte der BGH auch eine Verrechnungsmöglichkeit der Einlageforderung mit einem durch eine neuerliche Kreditgewährung der Betreibergesellschaft 91

BGHZ 165, 113, Rn. 118; BGHZ 165, 352, Rn. 356 f. BGHZ 165, 113, Rn. 117 f.; BGH 17. 09. 2001 – II ZR 275/99, NJW 2001, S. 3782; Bayer, GmbHR 2004, S. 452. A.A. OLG Schleswig, ZIP 2004, S. 1359, wobei die Erfüllungswirkung unter Verweis auf die fehlende Zweckbestimmung verneint wurde; OLG Schleswig, NJW-RR 2001, S. 176. 93 Diese Bewertung des BGH bezüglich des Hin- und Herzahlens (also die Heilungsmöglichkeit durch Rückzahlung) wurde im Schrifttum teilweise als auf die Konstellationen der verdeckten Sacheinlage übertragbar angesehen. Hentzen, DStR 2006, S. 954; Emde, GmbHR 2006, S. 310; Krolop/Pleister, AG 2006, S. 657 f.; insb. hinsichtlich des Cash Pooling: Vetter/ Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 418; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 91; a.A. Werner, GmbHR 2006, S. 45. 94 BGHZ 166, 8, Rn. 25, „Cash Pool-I“; BGH v. 26. 03. 2007 – II ZR 307/05, DStR 2007, S. 773 ff. mit Anm. von Goette, DStR 2007, S. 773 ff. Kritisch dazu Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 419, wonach das Sonderrecht für das Cash Pooling nicht überzeuge, wenn in der Cash Management-Vereinbarung vorgesehen sei, dass Zahlungen der Muttergesellschaft an die Poolgesellschaft unter dem Cash Pool immer zunächst auf offen stehenden Einlageverpflichtungen zu verrechnen seien. 95 Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 91. 96 Vgl. dazu den von Goette in DStR, 2007, S. 773 ff. dargestellten Sachverhalt, in dem der Gesellschafter vom Insolvenzverwalter noch einmal auf die Leistung der Stammeinlagen in Anspruch genommen wurde, obwohl er bereits zur Sanierung der Gesellschaft Millionenbeträge in die Gesellschaft überwiesen hatte. 92

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entstandenen Ausgleichsanspruch ab.97 Denn nach ständiger Senatsrechtsprechung98 sei eine Verrechnung des bestehen gebliebenen Einlageanspruchs mit etwaigen Neuforderungen des Gesellschafters nur dann zulässig, wenn diese Forderungen zum einen fällig, liquide und vollwertig seien, zum anderen die spätere Verrechnung nicht bereits bei Begründung der Einlageschuld abgesprochen worden sei. Es könne allerdings dabei ein Bezug zu der konkreten Einlageforderung nicht hergestellt werden, weil die Beteiligten wegen der der Cash Pool-Vereinbarung allgemein zugrundeliegenden Kontokorrent- oder Verrechnungsabrede davon ausgegangen seien, dass die Einlageschuld bereits wirksam erfüllt worden sei.99 III. Zusammenfassendes Ergebnis Der Kapitalaufbringungsvorgang in Cash Pool-Konstellationen erwies sich unter der alten Rechtslage als problematisch, weil es bei der Bargründung bzw. -kapitalerhöhung im Rahmen des Cash Pooling-Systems infolge anschließender (Rück-) Zahlung der Einlagemittel an den Cash Pool – je nach dem Kontostand der betroffenen Poolgesellschaft – entweder zu einer verbotenen verdeckten Sacheinlage oder zu einem verbotenen Hin- oder Herzahlen kam. Die Rechtsfolgen beider Rechtsinstitute waren – wie im Schrifttum mehrmals ausgeführt – aus Sicht des Inferenten äußerst schwerwiegend. Denn sowohl bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage als auch bei Vorliegen eines bloßen Hin- und Herzahlens wurde die Bareinlagepflicht der Muttergesellschaft als nicht erfüllt angesehen. So blieb bei einem Cash Pooling die Konzernmutter mangels Erfüllungswirkung der an die Poolgesellschaft geleisteten Barzahlung weiterhin zur Leistung der Bareinlage an die betroffene Poolgesellschaft verpflichtet. Da die verdeckte Sacheinlage üblicherweise erst bei der Insolvenz entdeckt wurde, war der bereicherungsrechtliche Rückerstattungsanspruch der Muttergesellschaft bezüglich der unwirksamen Einlageleistung aufgrund der Insolvenz der Poolgesellschaft zumeist wertlos, während sie (daher) seine Einlage im wirtschaftlichen Ergebnis in der Regel doppelt zu leisten hatte. Auch beim Vorliegen des Hin- und Herzahlens musste die Muttergesellschaft im Falle einer Insolvenz die Einlage erneut erbringen, obwohl die abgezogenen Mittel aus dem Cash Pool an die betreffende Poolgesellschaft schon zurückgezahlt wurden.

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BGHZ 166, 8, Rn. 26, „Cash Pool-I“. Mit Verweis auf die vorherigen einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechungen: BGHZ 153, 107, Rn. 112; BGHZ 152, 37, Rn. 43. Generell zur Verrechnungsmöglichkeit mit einer Neuforderung des Inferenten s. Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, 16. Aufl., 2004, § 5, Rn. 59; Bayer, GmbHR 2004, S. 453 f. 99 BGHZ 166, 8, Rn. 26, „Cash Pool-I“. 98

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

C. Kapitalaufbringung im Cash Pooling nach geltender Rechtslage I. Überblick über die relevanten (Neu-)Regelungen im Allgemeinen (§§ 19 Abs. 4, 5 GmbHG, 27 Abs. 3, 4 AktG) 1. Einleitung Die von der Rechtsprechung und der Lehre entwickelten Rechtsfiguren der „verdeckten Sacheinlage“ und des „Hin- und Herzahlens“ wurden zunächst durch das MoMiG100 ins GmbH-Recht (in § 19 Abs. 4, 5 GmbHG), danach durch ARUG101 entsprechend ins AG-Recht (in § 27 Abs. 3, 4 AktG) eingeführt und gesetzlich geregelt. Mit Blick auf die Tatbestandsmerkmale der beiden Rechtsfiguren nimmt der Gesetzgeber zwar keine Änderung vor und knüpft an die bisherige Rechtsprechung sowie die Lehre an.102 Er nahm aber an den Rechtsfolgen der Rechtsinstituten erhebliche Korrekturen vor und milderte sie ab.103 Die Rechtsfigur der „verdeckten Sacheinlage“ wurde im deutschen Schrifttum nicht nur hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen104 sondern auch bezüglich ihres Bestehens105 immer stärkerer Kritik ausgesetzt. Trotzdem hat der deutsche Gesetzgeber an dieser Rechtsfigur festgehalten. Der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage wird nunmehr durch eine Legaldefinition in §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG konkretisiert. Bei ihrer Formulierung wurde – nach der Angabe der Begründung – auf die in der Rechtsprechung übliche Beschreibung abgestellt.106 Es liegt demnach eine

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23. 10. 2008, BGBl. I 2026. 30. 07. 2009, BGB1. I 2479, durch Art. 1 Nr. 1 und 25. 102 BegrRegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 40; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 75; Wicke, § 19, Rn. 19. 103 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 75; Wicke, § 19, Rn. 19. 104 Um die „katastrophalen“ Folgen der verdeckten Sacheinlage zu vermeiden, haben mache Autoren bereits vorgeschlagen, die Haftung des Inferenten beim Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage anstatt erneute Einlageverpflichtung auf die Höhe des „Differenzbetrags“ zu beschränken, Grunewald, in: FS für Rowedder, S. 114 ff.; Einsele, NJW 1996, S. 2688; Brandner, in: FS für Boujong, S. 45; ausführlich dazu s. Heidenhain, GmbHR 2006, S. 457 f. 105 Einsele, NJW 1996, S. 2688; vgl. auch Krolop, GmbHR 2007, S. 122 ff. und Cavin, Kapitalaufbringung, S. 337 ff., welche sich für die Abschaffung der verdeckten Sacheinlage hinsichtlich der Forderungen gegen die Gesellschaft aussprechen. Ausführlich zu dieser Ansicht Kapitel 3, § 2, C., III., 3., c). 106 BegrRegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 40: „Die abstrakte Umschreibung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage … setzt auf die in der Rechtsprechung übliche Definition auf, so dass insoweit eine Kontinuität gewahrt bleibt.“ Diese Formulierung der Definition der verdeckten Sacheinlage wird allerdings in der Literatur teilweise mit der Begründung kritisiert, dass sie der in der Rechtsprechung üblichen Definition nicht entspreche. Ausführlich dazu Gesell, BB 2007, S. 2243 f.; insb. Pentz, in: FS für K. Schmidt, S. 1273; ders., GmbHR 2009, S. 127. Siehe BGHZ 180, 38, Rn. 8, „Qivive“, in dem der Senat beim Definieren 101

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verdeckte Sacheinlage vor, wenn „eine Geldeinlage eines Gesellschafters/Aktionärs bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten“ ist. Der Gesetzgeber trug der geübten Kritik an den Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage Rechnung und gestaltete ihre Rechtsfolgen völlig neu, sodass die bisherigen, als drastisch empfundenen Rechtsfolgen der früheren Judikatur erheblich abgemildert wurden.107 Nach wie vor kommt zwar der zunächst gezahlten Bareinlage im Falle der verdeckten Sacheinlage keine Erfüllungswirkung zu (§§ 19 Abs. 4, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 1 AktG). Daher bleibt die verdeckte Sacheinlage unzulässig,108 aber abweichend von der bisherigen Rechtslage109 sind die Verträge über die verdeckte Sacheinlage und die Rechtshandlungen bezüglich ihrer Ausführung nicht mehr unwirksam (§§ 19 Abs. 4, S. 2 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 2 AktG). Außerdem hat die verdeckte Sacheinlage nach der Neuregelung eine gewisse Tilgungswirkung, weil nunmehr der Wert des der Gesellschaft zugeflossenen Sacheinlagegegenstandes auf die fortbestehende Geldeinlageschuld angerechnet wird (§§ 19 Abs. 4, S. 3 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 3 AktG). Dadurch erlischt also die Einlageschuld, soweit der Wert des verdeckt eingebrachten Sachgegenstandes sie wertmäßig deckt, und die Haftung des Inferenten wird auf die Differenzhaftung beschränkt.110 Entsprechend der früher herrschenden Unterscheidung zwischen den Rechtsfiguren der verdeckten Sacheinlage und dem bloßen Hin- und Herzahlen wird der Fall in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG als „Hin- und Herzahlen“ beschrieben, dass „vor der Einlage eine Leistung an den Gesellschafter vereinbart worden (ist), die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage im Sinne von Absatz 4 zu beurteilen ist.“ Anders als früher steht nach neuem Recht das bloße Hin- und Herzahlen nunmehr der Erfüllung der Einlageschuld nicht entgegen, sofern die dafür vorgesehenen Voraussetzungen vollständig erfüllt sind.111 Es wird in diesem Zusammenhang gefordert, dass die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist, oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann (§§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 1 AktG). Im Anschluss daran wird im zweiten Satz des jeweiligen Absatzes verlangt, dass eine solche Leistung oder ihre Vereinbarung in der Anmeldung zum Handelsregister angegeben wird.

der verdeckten Sacheinlage nicht die gesetzliche Definition, sondern die Definition der bisherigen Rechtsprechung verwandt. 107 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 75; Wicke, § 19, Rn. 19. 108 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 129 f.; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181. 109 Ausführlich Kapitel 3, § 2, B., II., 1., a). 110 Ausführlich dazu Kapitel 3, § 2, C., III., 2., a) („Anrechnungslösung“ und „Differenzhaftung“). 111 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 179; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 207.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Sowohl § 19 Abs. 4, 5 GmbHG als auch § 27 Abs. 3, 4 AktG finden gemäß den Verweisnormen der §§ 56 Abs. 2, 56a GmbHG und §§ 183 Abs. 2, 194 Abs. 2, 205 Abs. 3, 206 S. 2 AktG auch auf Kapitalerhöhungsvorgänge entsprechend Anwendung. Es werden allerdings im Folgenden aus Übersichtlichkeitsgründen lediglich die gründungsrechtlichen Bestimmungen zitiert. 2. Subsidiarität vom Hin- und Herzahlen im Verhältnis zur verdeckten Sacheinlage Nach wie vor unterscheidet auch die Neuregelung tatbestandlich zwischen der Rechtsfigur der verdeckten Scheinlage und der des Hin- und Herzahlens, wobei das wesentliche Abgrenzungsmerkmal wie nach bisher ganz herrschender Meinung die Sacheinlagefähigkeit der Leistung des Inferenten bildet.112 Demnach soll es auch nach der Neuregelung bei der Unterscheidung bleiben, wonach der Gegenstand einer verdeckten Sacheinlage im Unterschied zum Hin- und Herzahlen nur eine „sacheinlagefähige“ Leistung sein kann und damit nur die verdeckte Einbringung einer sacheinlagefähigen Leistung unter den Vorraussetzungen des §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG behandelt werden kann (und muss).113 Zur Anwendung kommen hingegen die Voraussetzungen des Hin- und Herzahlens in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG dann, wenn es zur Rückzahlung der Einlage kommt, aber wegen fehlender Sacheinlagefähigkeit der Leistung kein Tatbestand der verdeckten Sacheinlage vorliegt.114 Aus dieser Formulierung geht ausdrücklich hervor, dass das Hin- und Herzahlen gegenüber der verdeckten Sacheinlage subsidiär ist115 und damit das Vorliegen eines Tatbestands des Hin- und Herzahlens erst dann in Frage kommt, wenn keine verdeckte Sacheinlage gegeben ist.116 Im Rahmen der Diskussion des Regierungsentwurfs zum MoMiG wurde zwar im Schrifttum als Alternative zum ausnahmsweise zulässigen „Hin- und Herzahlen“ vorgeschlagen, die Sacheinlagefähigkeit von gegen den Gesellschafter gerichteten

112 Blasche, GmbHR 2010, S. 289; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 334; BGHZ 165, 113, Rn. 116 f.; BGHZ 165, 352, Rn. 356, in jeweiligen Urteilen wird die Notwendigkeit des Vorliegens einer sacheinlagefähigen Leistung für den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage betont. Siehe auch Kapitel 3, § 2, B., I. 113 MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 333 ff.; Blasche, GmbHR 2010, S. 289 f.; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 134; Gärtner, Cash Pooling, S. 604. 114 BGHZ 182, 103, Rn. 10, 37 „Cash Pool-II“. 115 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 103; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 333; Blasche, GmbHR 2010, S. 289. 116 Blasche, GmbHR 2010, S. 289; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 103; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 333. Es sollte allerdings immer darauf geachtet werden, dass ein Sachverhalt, der mangels Sacheinlagefähigkeit der Leistung keine verdeckte Sacheinlagefähigkeit darstellt, nicht automatisch bzw. stets als Hin- und Herzahlen zu beurteilen ist, BGHZ 180, 38 ff. „Quivive“.

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Forderungen generell zuzulassen.117 Dies hätte dazu geführt, dass das Hin- und Herzahlen zu einer Fallgruppe der verdeckten Sacheinlage geworden wäre. Damit hätte kein Grund mehr für eine solche Differenzierung existiert.118 Allerdings hat der Gesetzgeber durch die oben ausgeführte Systematik im Grundsatz an der Abgrenzung des Hin- und Herzahlens von der verdeckten Sacheinlage festgehalten und an die Rechtsfiguren – anders als die alte Rechtslage – unterschiedliche Voraussetzungen sowie Rechtsfolgen anknüpft. Aus diesem Grund ist im konkreten Fall die Unterscheidung zwischen den beiden Rechtsfiguren nunmehr von großer Bedeutung. II. Bedeutung der relevanten Neuerungen für die Cash Pooling-Praxis im Überblick Da der Gesetzgeber des MoMiG an der Abgrenzung des Hin- und Herzahlens von der verdeckten Sacheinlage festhält, ist der Kapitalaufbringungsvorgang im Cash Pooling auch nach jetziger Rechtslage rechtlich nicht einheitlich zu behandeln, sondern es ist je nach Kontostand der Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagebetrags auf das Zentralkonto zu unterscheiden. Somit bleibt es hinsichtlich der Cash Pooling-Praxis wie schon im bisherigen Recht119 dabei, ob zum Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagebetrags auf das Zentralkonto120 der Saldo des internen Verrechnungskontos negativ oder positiv bzw. ausgeglichen war.121 Besteht zum relevanten Zeitpunkt für die Poolgesellschaft gegenüber der Betreibergesellschaft ein negativer Saldo, liegt ein Anwendungsfall der „verdeckten Sacheinlage“ vor.122 Soweit die Poolgesellschaft hingegen zum relevanten Zeitpunkt gegenüber der Betreibergesellschaft einen positiven bzw. ausgeglichenen Saldo ausweist, liegt ein reines „Hin- und Herzahlen“ vor.123 Liegt nur teilweise eine verdeckte Sacheinlage vor, so dass der an die Betreibergesellschaft zurückfließende Einlagebetrag den

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So Drygala, NZG 2007, S. 564; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 782; Bormann, GmbHR 2007, S. 903; vgl. dazu auch K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 452. 118 Für ausführliche Erklärungen siehe Kapitel 3, § 2, C., VI., 2., b). 119 Kapitel 3, § 2, B., I. 120 BGHZ 182, 103, Rn. 10, 37, „Cash Pool-II“. 121 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 34; BGHZ 182, 103, Rn. 10 ff., „Cash Pool-II“, im Anschluss an die frühere Rechtsprechung: BGHZ 166, 8, „Cash Pool-I“; BGHZ 165, 113, Rn. 165; BGHZ 165, 352, Rn. 356; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 130 f.; Wicke, § 19, Rn. 33; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 19, Rn. 101; ders., NZG 2010, S. 442; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 336; Goette/Habersack/Winter, Rn. 2.54 f.; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 643; SchluckAmend/Penke, DStR 2009, S. 1435 f.; Theusinger, NZG 2009, S. 1017 f.; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19, Rn. 200; Gärtner, Cash Pooling, S. 604. 122 BGHZ 182, 103, Rn. 10, „Cash Pool-II“. Ausführlich Kapitel 3, § 2, C., III. 123 BGHZ 182, 103, Rn. 11, „Cash Pool-II“. Ausführlich Kapitel 3, § 2, C., IV.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

negativen Saldo zu Lasten der Poolgesellschaft übersteigt, handelt es sich um einen Fall der „verdeckten Mischeinlage“.124 Mit Blick auf das Verhältnis der oben ausgeführten Rechtsfiguren zur Cash Pooling-Praxis ist hervorzuheben, dass der BGH nach der Neuregelung durch sein „Cash Pool-II“-Urteil auch die bisher herrschende Meinung125 hinsichtlich der schon bestehenden Vorabsprache im Cash Pool bestätigt. Der Senat führte aus, dass die für das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage bzw. eines Hin- und Herzahlens erforderliche Abrede innerhalb eines Cash Pooling-Systems schon in der „Vereinbarung der Zahlung auf ein in einen Cash Pool einbezogenes Konto“ bestehe.126 Denn bei der Vereinbarung eines Pools werde der Mittelrückfluss an den Inferenten und das Geschehen einer verbotenen Verrechnung in Kauf genommen.127 Außerdem bestätigte der BGH nach der Neuregelung die Ansicht,128 dass die Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln keine personelle Identität zwischen dem Inferenten und dem Auszahlungsempfänger voraussetze.129 Ausreichend und erforderlich sei nach BGH bei der Weiterleitung der Einlagemittel an einen Dritten, dass der Inferent durch die Leistung der Gesellschaft in gleicher Weise begünstigt werde wie durch eine unmittelbare Leistung an ihn selbst. Mittelbar zugute komme dem Inferenten die Leistung insbesondere, wenn die Zahlung an ein vom ihm beherrschtes Unternehmen weitergeleitet werde. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kapitalaufbringung i.R.d. Cash Pooling spiele es demnach keine Rolle, ob als Inhaber bzw. Betreiber des Cash Pools (des Zentralkontos) die Muttergesellschaft selbst oder ein von ihm beherrschtes Unternehmen, also eine besonders dafür gegründete, als Konzernfinanzierungsstelle fungierende Betreibergesellschaft tätig sei, solange die Muttergesellschaft über das Zentralkonto verfügungsberechtigt sei.130 Leistungen der Poolgesellschaften an die Betreibergesellschaft seien also dementsprechend stets als 124 BGHZ 182, 103, Rn. 15, „Cash Pool-II“; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 645; Altmeppen, NZG 2010, S. 443; Lutter/Hommelhoff/ Bayer, § 19, Rn. 132. 125 Goette, DStR 2005, S. 207; Sieger/Witz, ZIP 2005, S. 2280; Hentzen, DStR 2006, S. 951; Altmeppen, ZIP 2009, S. 1546 m.w.N. 126 BGHZ 182, 103, Rn. 10, „Cash Pool-II“; siehe dazu auch Theusinger, NZG 2009, S. 1017. 127 BGHZ 182, 103, Rn. 10, „Cash Pool-II“; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 182 ff. 128 Bereits in der Lehre: Hellwig, in: FS Peltzer, S. 167; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 450; Gehrlein, MDR 2006, S. 790; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 119 f. m.w.N. 129 BGHZ 182, 103, Rn. 32, „Cash Pool-II“; auch BGHZ 184, 158, Rn. 13, „Eurobike“, mit Verweis auf die frühere Rechtsprechung: BGHZ 153, 107, Rn. 111; BGHZ 166, 8, Rn. 18, „Cash Pool-I“; BGHZ 171, 113, Rn. 8; BGHZ 174, 370, Rn. 6. 130 BGHZ 182, 103, Rn. 9, 32, „Cash Pool-II“; so auch schon unter der alten Rechtslage: Hellwig, in: FS Peltzer, S. 167; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 450; Gehrlein, MDR 2006, S. 790; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 91; unter geltender Rechtslage: Lieder, GmbHR 2009, S. 1184; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 120; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 100 m.w.N.

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Leistungen an die Muttergesellschaft anzusehen und als solche rechtlich zu bewerten. Vereinzelt wird allerdings im Schrifttum insbesondere mit Blick auf die CashPool-Konstellationen von der oben dargestellten allgemeinen Ansicht über die Unerheblichkeit der Identität des Inhabers des Zentralkontos (des Cash Pools) abgewichen und eine differenzierte Auffassung vertreten:131 Wenn das konzerninterne Verrechnungskonto nicht von der Muttergesellschaft selbst, sondern von einer als Cash Pool-Führerin fungierenden Schwestergesellschaft geführt werde, sei von einer Forderung gegen Dritte auszugehen. Demzufolge sei in solchen Konstellationen die Kapitalmaßnahme stets als verdeckte Sacheinlage zu bewerten, auch wenn das Poolkonto der Gesellschaft positiv bzw. ausgeglichen sei. Denn in diesem Fall trete bei ausgeglichenem oder im Haben befindlichem Verrechnungskonto eine Darlehensforderung gegen die Schwestergesellschaft, nicht aber eine solche gegen die Inferentin an die Stelle des Barguthabens. Diese Forderung (gegen Dritten) werde demnach von der Muttergesellschaft verdeckt eingelegt.132 Die wichtigsten Änderungen der Neuregelungen mit Blick auf das Cash Pooling stellen die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen dar, die durch §§ 19 Abs. 4 und 5 GmbHG, 27 Abs. 3 und 4 AktG an die Tatbestände der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens geknüpft werden. Im Folgenden werden diese jeweils unter eigenen Untertiteln erörtert. Es ist vorab darauf hinzuweisen, dass in den folgenden Ausführungen davon ausgegangen wird, dass eine für das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage bzw. eines Hin- und Herzahlens erforderliche Abrede einem Cash Pooling-System bereits inhärent ist, und unter Beachtung der herrschenden (und m. E. zutreffenden) Meinung die Identität des Inhabers des Cash Pools unerheblich ist, sodass die Auszahlungen an die Betreibergesellschaft schon als Auszahlungen an die Muttergesellschaft anzunehmen sind. III. Verdeckte Sacheinlage beim Cash Pooling 1. Einleitung Nach wie vor wird auch nach geltender Rechtslage angenommen, dass der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage in einem Cash Pooling-Verfahren erfüllt ist, wenn die Betreibergesellschaft schon eine (Alt-)Forderung gegen die Poolgesellschaft aus der Cash Pool-Verbindung hat und die Poolgesellschaft infolge der Weiterleitung der Bareinlage auf das Zentralkonto im wirtschaftlichen Ergebnis

131 MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 338; Wicke, § 19, Rn. 33; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 187 f.; auch so vor der Neuregelung: J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 94; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 413. 132 MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 338.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

(anteilig) von dieser Verbindlichkeit befreit wird.133 Die Gesellschaft erhalte also im wirtschaftlichen Ergebnis anstelle von Bargeld einen Sachwert, nämlich die Befreiung von ihrer Rückzahlungspflicht in Höhe ihrer Verbindlichkeit gegenüber dem Cash Pool.134 In dem Fall, dass das Zielkonto einen negativen Saldo für die Poolgesellschaft ausweist, muss die daraus resultierende Forderung der Betreibergesellschaft rechtlich ordnungsgemäß als offene Sacheinlage in die betreffende Poolgesellschaft eingebracht werden.135 Da diese Verfahrensweise in der Praxis von Cash Pooling weder üblich noch praktisch ist,136 dürfte es bei Kapitalerhöhungen i.R.d. Cash Pooling möglicherweise zumeist zur verdeckten Sacheinlage kommen. Dies liegt daran, dass eine Forderung der Betreibergesellschaft gegen die Poolgesellschaft in der Regel im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei der Poolgesellschaft in Betracht kommt. Bei der Gründung einer Konzerngesellschaft hingegen würde in der Regel der Saldo des Verrechnungskontos zum Zeitpunkt der Eintragung immer null betragen und ein als Einlage aufzubringender Anspruch der Betreibergesellschaft gegen die Gesellschaft nicht existieren.137 Im Falle der verdeckten Sacheinlage hat auch nach geltender Rechtslage die von dem Inferenten auf die Bareinlage geleistete Geldzahlung (zunächst) keine Erfüllungswirkung138 und die Einlageschuld besteht in voller Höhe fort (§§ 19 Abs. 4, S. 1 133 BGHZ 182, 103, Rn. 10, „Cash Pool II“ mit Verweis auf BGHZ 166, 8, Rn. 11, „Cash Pool I“; Altmeppen, ZIP 2009, S. 1546; Theusinger, NZG 2009, S. 1017; Lutter/Hommelhoff/ Bayer, § 19, Rn. 130 m.w.N. A.A. wohl Schall, ZGR 2009, S. 148 f.; ihm zustimmend Cavin, Kapitalaufbringung, S. 300 f. 134 BGHZ 182, 103, Rn. 10, „Cash Pool II“; Altmeppen, ZIP 2009, S. 1546. 135 Morsch, NZG 2003, S. 106; Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 168 ff.; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 453; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 51. 136 Für die Schwierigkeiten der offenen Sacheinlagen im Cash Pool siehe Kapitel 3, § 2, C., VII., 1. 137 Allerdings, im Falle, dass die Betreibergesellschaft Ansprüche gegen die Vorgesellschaft hatte und die Vorgesellschaft bereits vor der Eintragung in das Cash Pooling-System mit eingezogen wurde, kann der Saldo der Vorgesellschaft auf dem Verrechnungskonto, also der eventuelle Anspruch der Betreibergesellschaft gegen die Gesellschaft Gegenstand einer Sacheinlage sein. Ausführlich dazu Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 176 ff., insb. 179 f. Denn nach allgemeiner Ansicht kommen Ansprüche gegen die (Vor-)Gesellschaft als mögliche Einlagegegenstände in Betracht: GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 65; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5, Rn. 17 m.w.N. 138 In dem Regierungsentwurf zum MoMiG wurde zunächst hinsichtlich der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage das Modell der „Erfu¨ llungslösung“ vorgeschlagen, wonach eine verdeckte Sacheinlage der Erfüllung der Einlageschuld nicht entgegenstehen und der Inferent lediglich einem Anspruch auf Ausgleich der Wertdifferenz ausgesetzt sein sollte. Begr.RegE. BT-Drucks. 16/6140, S. 40. Ausführlich dazu Veil, ZIP 2007, S. 1242 ff. Die Erfüllungslösung des Regierungsentwurfs wurde allerdings in der Literatur stark kritisiert. Insb.: Veil, ZIP 2007, S. 1242 ff.; Büchel, GmbHR 2007, S. 1070; Ulmer, ZIP 2008, S. 50; Priester, ZIP 2008, S. 56. Daraufhin wurde diese durch den Rechtsausschuss aus dem Gesetzesentwurf gestrichen und stattdessen eine „Anrechnungslösung“ ins Gesetz eingefügt. Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56. Für eine Gesamtbetrachtung der Reformgeschichte des MoMiG und damit die Entstehungsgeschichte der Anrechnungslösung siehe zudem Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 95 ff.

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GmbHG, 27 Abs. 3, S. 1 AktG).139 Allerdings wird – anders als nach alter Rechtslage – der Wert der i.R.d Cash Pooling-Systems verdeckt eingebrachten Darlehensforderung der Betreibergesellschaft auf die fortbestehende Bareinlagepflicht angerechnet (§§ 19 Abs. 4, S. 3 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 3 AktG). Die Anrechnung und mögliches (anteiliges) Erlöschen der Einlageschuld kommt allerdings nach der Systematik des Gesetzes erst in Betracht, wenn es zur Eintragung der Gesellschaft bzw. der Kapitalerhöhung in das Handelsregister kommt.140 Dies geht aus §§ 19 Abs. 4, S. 4 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 4 AktG hervor, wonach die Anrechnung nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister erfolgt. Denn auch nach neuer Rechtslage ist die verdeckte Sacheinlage unzulässig bzw. unerwünscht.141 Nach den Gesetzesmaterialien und der Lehre kann142 bzw. muss143 das Gericht die Eintragung gemäß §§ 9c GmbHG, 38 AktG ablehnen, wenn ihm die verdeckte Sacheinlage bewusst ist. Allerdings dürfte es in der Praxis in den meisten Fällen zur Eintragung kommen, weil das Gericht zumeist keine Kenntnis von den relevanten Umgehungsgeschäften hat.144 Im Folgenden wird darauf eingegangen, ob bzw. wie bei Vorliegen des Tatbestandes der verdeckten Sacheinlage eine zulässige Kapitalerhöhung im Rahmen eines Cash Pooling-Systems nach Neuregelungen möglich ist und mit welchen Haftungsrisiken diese verbunden ist. 2. „Anrechnung“ des Werts der Darlehensforderung auf die Einlageschuld bei erfolgter Eintragung a) „Anrechnungslösung“ und „Differenzhaftung“ im Allgemeinen Nach dem geltenden Konzept des Gesetzes erfolgt bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage eine Wertanrechnung des Vermögensgegenstandes auf die Geldeinlagepflicht nach Maßgabe der §§ 19 Abs. 4, S. 3 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 3 AktG, sodass die zunächst wegen verdeckter Sacheinlage trotz ordentlicher Einzahlung nicht erfüllte und daher fortbestehende Geldeinlagepflicht in Höhe jenes Wertes des verdeckt eingebrachten Gegenstands erlischt. Der Gesetzgeber akzeptiert demnach also unter der Voraussetzung der Werthaltigkeit des verdeckt eingebrachten Ge139 BGHZ 182, 103, Rn. 13,19, „Cash Pool II“; BGHZ 180, 38, Rn. 41, „Quivive“; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 130; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 174; ders., Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 173 ff.; Heinemann, Verdeckte Sacheinlagen, S. 126. 140 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 130; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 40. 141 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 129; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181. 142 Für die Wortwahl als „kann“ siehe: Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BTDrucks. 16/9737, S. 56; auch so Scholz/Veil, § 19, Rn. 135; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 147. 143 Für die Wortwahl als „muss“ siehe: Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BTDrucks. 16/13098, S. 36; auch so Wicke, § 19, Rn. 27; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 75; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 138. 144 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 138.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

genstandes, dass der Inferent seine Einlageschuld anstatt durch die vereinbarte Barzahlung durch die Übereignung eines sacheinlagefähigen Gegenstandes erfüllt, obwohl die dafür vorgesehenen Sacheinlagevorschriften nicht eingehalten wurden.145 Dieses Ziel gibt er in der Begründung ganz explizit zu erkennen:146 „… Gläubigerschutzlu¨ cken entstehen dadurch nicht. Ist die verdeckte Sacheinlage vollwertig, so erscheint es nicht gerechtfertigt, als „Strafe“ fu¨ r die reine Nichteinhaltung der formalen Anforderungen an eine Sachgru¨ ndung die Einlage nochmals vollständig zu verlangen.“ Für die Anrechnung ist der objektive Wert der Sacheinlage maßgeblich.147 Auf den gezahlten Nettopreis im Rahmen des Austauschgeschäfts kommt es also nicht an.148 Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist allgemein der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Werthaltigkeit des verdeckt eingebrachten Vermögensgegenstandes entweder der Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister oder der Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt.149 Bleibt der Wert der Sacheinlage zum relevanten Zeitpunkt hinter dem Nennwert der Einlage zurück, so bringt die Anrechnung die Einlageforderung nur teilweise zum Erlöschen. Danach beschränkt sich die Einlageschuld des Gesellschafters/Aktionärs auf die Differenz, die nach Abzug des eingebrachten Werts von zunächst geschuldeter Geldeinlage verbleibt („Differenzhaftung“).150 Nach allgemeiner Ansicht erfolgt die Anrechnung ipso jure,151 ohne dass eine Willenserklärung einer Partei152 bzw. ein Zustimmungserfordernis der übrigen Gesellschafter153 erforderlich wäre.

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Veil/Werner, GmbHR 2009, S. 732. Begr.RegE. BT-Drucks. 16/6140, S. 40. 147 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 78; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 142; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181, mit Verweis auf BGHZ 90, 370, Rn. 373; BGHZ 125, 141, Rn. 145 f.; KölnKomm/Arnold, § 27, Rn. 109; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 187; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 121. 148 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 142 m.w.N. 149 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 78, 84; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 186. 150 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 145; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 38. Ausführlich zu den verschiedenen Fallkonstellationen siehe GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 148 ff. und Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 193 ff. 151 Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56; GroßKommGmbHG/Casper, § 19, Rn. 138; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 273; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 109; Ulmer, ZIP 2009, S. 296; Pentz, in: FS K. Schmidt, S. 1275. 152 Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56; GroßKommGmbHG/Casper, § 19, Rn. 138 m.w.N. 153 Kritisch dazu unter dem Gesichtspunkt von Minderheitenschutz: Ulmer, ZIP 2008, S. 52; Markwardt, BB 2008, S. 2416 f. 146

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b) Anrechnung des Werts der Darlehensforderung im Cash Pooling Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis kommt eine verdeckte Sacheinlage, wie bereits oben dargestellt, in Betracht, wenn durch die Rückzahlung der Einlagemittel ein Darlehensanspruch der Betreibergesellschaft gegen die Poolgesellschaft aus dem Cash Pool erfüllt wird. Aus wirtschaftlicher Perspektive betrachtet bedeutet dies, dass in die Poolgesellschaft eine gegen diese gerichtete Darlehensforderung der Betreibergesellschaft als Einlage eingebracht wird. Daher handelt es sich beim Cash Pooling stets um die Anrechnung des Wertes einer Forderung. Dies wirft unmittelbar die Frage auf, ob dabei der Nennwert oder der reale Wert der Forderung zu berücksichtigen ist. Im Hinblick auf den auf die Einlageschuld anzurechnenden Wert der verdeckt eingebrachten Forderung i.S.d. §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG sind nach herrschender Meinung die allgemeinen Grundsätze heranzuziehen, die für die Bewertung der ordnungsgemäß (offen als Sacheinlage) eingebrachten Forderungen gelten.154 Im Allgemeinen richtet sich die Bewertung des Wertes einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung nach der Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung unter Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft nach dem realen Wert (nicht nach dem Nominalwert) der Forderung.155 Der Ansatz der Forderung zum Nominalwert setze demnach vor allem voraus, dass sie nach Vermögensverhältnissen der Gesellschaft vollwertig sei (Vollwertigkeitserfordernis).156 An der Vollwertigkeit fehle es namentlich, wenn die Gesellschaft bereits bilanziell überschuldet sei und damit das Gesellschaftsvermögen zum rele-

154 BGHZ 182, 103, Rn. 38, „Cash Pool-II“; BGHZ 185, 44, Rn. 19, „AdCoCom“; Scholz/ Veil, § 19, Rn. 141; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 78, 84; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 143 jeweils m.w.N.; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 29; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S.140; wohl auch Wicke, § 19, Rn. 26; a.A. Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 f., 234 f.; MünchKomm-GmbHG/ Schwandtner, § 19, Rn. 284, wonach bei der Anrechnung der Nominalwert der Forderung gegen die Gesellschaft maßgeblich sein müsse. 155 BGHZ 100, 47, 61; BGHZ 113, 335, 341 f. jeweils m.w.N.; Scholz/Veil, § 5, Rn. 46; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 5, Rn. 28; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 29; Roth/Altmeppen/Roth, § 5, Rn. 45; GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 66; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S.140; Drygala, SZW 4/2006, S.249 ff.; GroßKomm-AktG/Schall, § 27, Rn. 183; Windbichler/Krolop, § 19, Rn. 39; Priester, DB 2010, S. 1445 f.; Ekkenga, DB 2012, S. 331 ff. A.A. Meilicke, DB 1989, S. 1119 ff.; Hoffmann, BB 1992, S. 578 ff.; Hannemann, DB 1995, 2055 f.; Krolop, GmbHR 2007, S. 120 ff.; Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2012, S. 501 ff.; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 ff.; Wansleben, WM 2012, S. 2086 f.; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 127a f. m.w.N., welche im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung durch die Umwandlung von gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen in Eigenkapital (sog. Debt-Equity-Swap) die oben dargestellte traditionelle Bewertungsweise der Forderungen kritisieren und mit verschiedenen Begründungen vorschlagen, die Werthaltigkeitsprüfung bei den gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen aufzugeben und sie zum Nominalwert einzubringen. Für ausführliche Informationen dazu siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 3. 156 BGHZ 90, 370, 373; GroßKomm-AktG/Schall, § 27, Rn. 183; GroßKomm-GmbHG/ Ulmer/Casper, § 5, Rn. 66 jeweils m.w.N.; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

vanten Zeitpunkt zur Deckung sämtlicher Verbindlichkeiten nicht ausreiche, sodass ein Wertabschlag vom Nominalbetrag vorgenommen werden müsse.157 Auf der Basis der herrschenden Auffassung ist schließlich bei der Frage, inwieweit die Anrechnung zum Wegfall der Einlageschuld der Muttergesellschaft beim Cash Pooling führen wird, der reale Wert der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gegen die betreffende Poolgesellschaft entscheidend, der an der Bonität der Poolgesellschaft zum „Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zentralkonto“158 zu bemessen ist.159 Demnach wirkt sich die Anrechnung bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage i.R.d. Cash Pooling auf die Einlageschuld der Muttergesellschaft in der Weise aus, dass die Einlageschuld um den realen Wert (nicht um den Nominalwert) der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gegen die betreffende Poolgesellschaft gemindert wird und insoweit erlischt.160 Ist die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Bareinlage an das Zentralkonto solvent und damit die gegen sie gerichtete Darlehensforderung der Betreibergesellschaft vollwertig, entspricht der Nominalwert der Forderung dem realen Wert. Folglich erlischt die Einlageschuld der Muttergesellschaft durch Anrechnung im Umfang der verdeckt eingebrachten Darlehensforderung völlig. Bleibt hingegen wegen mangelnder Bonität der betreffenden Poolgesellschaft der reale Wert der Forderung hinter deren Nennwert zurück, bringt die Anrechnung die Einlageschuld der Muttergesellschaft nur teilweise, also um den realen Wert der Forderung zum Erlöschen.161 So besteht die Einlageschuld der Muttergesellschaft in Höhe der Differenz fort.162 c) Die Effizienz der Anrechnungslösung in der Praxis von Cash Pooling Auf Basis der oben dargestellten herrschenden Meinung hängt die Erfüllungswirkung der Bareinlagezahlung im Umfang der verdeckten Sacheinlage im Cash 157

GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 19, Rn. 82; GroßKomm-AktG/Schall, § 27, Rn. 183 jeweils m.w.N. Für die Auswirkung fehlender Liquidität und Fälligkeit hinsichtlich des Wertabschlags vom Nennwert der Forderung siehe insb. GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 66 und GroßKomm-AktG/Schall, § 27, Rn. 188 f. jeweils m.w.N. 158 BGHZ 182, 103, Rn. 38, „Cash Pool-II“: „der Wert des Verzichts auf die Darlehensrückzahlung und damit der Wert der Rückzahlungsforderung zum Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zentralkonto anzurechnen“. 159 BGHZ 182, 103, Rn. 3, „Cash Pool II“; Altmeppen, ZIP 2009, S. 1546; Theusinger, NZG 2009, S. 1017; Gärtner, Cash Pooling, S. 643; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S.140; a.A. Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 f., 234 f., wonach der bilanzielle Nennwert der Forderung gegen die Gesellschaft maßgeblich sein solle. 160 Altmeppen, ZIP 2009, S. 1546; Theusinger, NZG 2009, S. 1017; Gärtner, Cash Pooling, S. 643. 161 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 145. 162 Theusinger, NZG 2009, S. 1017.

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Pooling davon ab, dass die Darlehensforderung der Betreibergesellschaft vollwertig ist und damit der reale Wert der Forderung dem Nennwert entspricht. Mit Blick auf die Werthaltigkeit der verdeckt eingebrachten Darlehensforderung der Betreibergesellschaft und damit im Ergebnis die praktische Funktion bzw. Tauglichkeit der Anrechnungslösung i.R.d. Cash Pooling ist die Lage besonders unter die Lupe zu nehmen. Denn die Kapitalerhöhung erfolgt häufig zu Sanierungszwecken einer Poolgesellschaft, welche bereits viele Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool hat bzw. bilanziell überschuldet ist.163 Die Bonität einer von der Überschuldung bedrohten, sanierungsbedürftigen Poolgesellschaft dürfte allerdings nicht mehr ausreichen, um eine gegen sich gerichtete Darlehensforderung vollständig zu decken. Damit dürfte der reale Wert der Forderung weit unter dem nominellen Betrag bleiben.164 So wird die Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gegen die betreffende Poolgesellschaft in den meisten Fällen nicht mehr werthaltig.165 Allerdings wird die im Rahmen der Kapitalerhöhung verdeckt eingebrachte Darlehensforderung der Betreibergesellschaft in der Praxis am Anfang stets zu seinem Nennwert gebucht, obwohl in Wirklichkeit wegen fehlender Bonität der Poolgesellschaft der reale Wert der Darlehensforderung dem Nennwert der Einlageschuld nicht vollständig oder teilweise entspricht.166 Im Ergebnis wird also die nicht werthaltige Darlehensforderung der Betreibergesellschaft zum Nominalwert verdeckt eingebracht. Aus diesem Grund wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass die Anrechnungslösung der Neuregelung für den Fall der verdeckten Sacheinlage im Cash Pooling nur begrenzt Abhilfe schaffen könne, nämlich nur insoweit, als die verdeckt eingebrachte Forderung bei objektiver Bewertung noch teilweise realisierbar gewesen wäre.167 In dem Fall, dass die Überschuldung droht oder schon eingetreten ist, dürfe sogar nur ein geringer Unterschied zur früheren Rechtslage vorliegen,168 da in diesem Fall der tatsächliche Wert der Forderung des Inferenten weit unterhalb des Nominalbetrags liegen und die Differenzhaftung nur unerheblich von der erneuten Zahlungspflicht des Nominalbetrags abweichen würde.169 Dieses aus Sicht der Gesellschafter unerwünschte Ergebnis resultiert schlechthin aus dem – oben dargestellten – herrschenden Verständnis hinsichtlich der Bewertungsweise der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen, wonach es nicht auf den Nennwert der Verbindlichkeit, sondern auf den nach der Bonität der Gesellschaft 163

Veil, ZIP 2007, S. 1245; Hentzen, DStR 2006, S. 955 f.; Sieder, Cash Pooling im GmbHKonzern, S. 140 f.; vgl. auch Krolop, GmbHR 2007, S. 117 ff. 164 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445; Krolop, GmbHR 2007, S. 119. 165 Hentzen, DStR 2006, S. 955 f.; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 140; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445; vgl. Hangebrauck, Cash Pooling, S. 136. 166 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 141. 167 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 141; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445; vgl. ders., Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 f. 168 Veil, ZIP 2007, S. 1245; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 141. 169 Veil, ZIP 2007, S. 1245; Krolop, GmbHR 2007, S. 119.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

zu bewertenden realen Wert der Forderung ankommen soll.170 Unter Beachtung der Gegenansicht, wonach die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen zum bilanziellen Nennwert einzubringen bzw. anzurechnen seien, würde allerdings eine solche Schwierigkeit bei der Barkapitalerhöhung beim Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage i.R.d. Cash Pooling nicht entstehen.171 Es würde dann nämlich auf den Nennwert der Verbindlichkeit ankommen und die Forderung müsste nicht (mehr) tatsächlich vollwertig sein. So würde die Bareinlagezahlung in Folge der Anrechnung direkt im Umfang des Nennwerts der Verbindlichkeit zum Erlöschen kommen.172 d) Beweislast für Werthaltigkeit Gemäß §§ 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 5 AktG soll der Inferent die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes tragen. Dies stellt eine schwere Belastung für den Inferenten dar, weil der Nachweis der Werthaltigkeit im Laufe der Zeit immer schwieriger wird. Ferner kommt hinzu, dass es fraglich und riskant ist, ob ihm eine Bewertung für einen lange zurückliegenden Zeitpunkt gelingen wird.173 Um dieses Problem zu vermeiden, wird auf eine vorsorgliche Maßnahme hingedeutet, die darin besteht, in allen möglicherweise als verdeckte Sacheinlage zu qualifizierenden Fällen schon zum Zeitpunkt der Erbringung der Sacheinlage ein Wertgutachten erstellen zu lassen.174 Dieses Vorgehen wird allerdings nicht ohne weiteres für ausreichend gehalten. Denn einem alten Wertgutachten komme nur ein begrenzter Beweiswert zu,175 weil ein solches „Schubladengutachten“ u. U. Zweifel auslösen würde, ob das Gutachten tatsächlich bereits zum Zeitpunkt der Einbringung eingeholt wurde176 oder etwa eine bewusste Umgehung vorliege.177 Ferner komme ihm nur ein eingeschränkter Beweiswert zu, da ein solches 170 Vgl. Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445; ders., Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 f.; im Allgemeinen Krolop, GmbHR 2007, S. 117 ff. 171 Insbesondere im Rahmen des Cash Pooling Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 f., 235 f.; im Allgemeinen Krolop, GmbHR 2007, S. 117 ff. 172 Für die eventuellen Auswirkungen der Anrechnungslösung beim Cash Pooling unter Berücksichtigung der Auffassungen, die der herrschenden traditionellen Bewertungsmethode entgegentreten, siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 3. 173 So Winter, in: FS für Priester, S. 873; Handelsrechtsausschuss von DAV, WiB 1996, S. 711; Handelsrechtsausschuss von DAV, Stellungnahme zur MoMiG, NZG 2007, S. 740, Rn. 54; Grunewald, in: FS für Rowedder, S. 116. 174 Veil, ZIP 2007, S. 1243; Markwardt, BB 2008, S. 2418. 175 Handelsrechtsausschuss von DAV, Stellungnahme zur MoMiG, NZG 2007, S. 740, Rn. 54; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 784; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1450 f.; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 167; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 79; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 65. 176 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1450 f. 177 Handelsrechtsausschuss von DAV, Stellungnahme zur MoMiG, NZG 2007, S. 740, Rn. 54.

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Gutachten vom Gesellschafter in Auftrag gegeben wurde und eine Nachprüfbarkeit der dort zugrunde gelegten Prämissen regelmäßig nicht möglich sei.178 e) Zwischenergebnis Bei der Neuregelung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage lehnt der Gesetzgeber die reine Nichteinhaltung der formalen Anforderungen an eine Sachgru¨ ndung – anders als früher – als einen Grund für das Verlangen der vollständigen Einlagezahlung ab, da er nun diese Strafe bei der Vollwertigkeit der verdeckten Sacheinlage für nicht gerechtfertigt hält.179 Nach der geltenden „Anrechnungs- bzw. Differenzlösung“ muss nunmehr der Inferent bei Vorliegen der verdeckten Sacheinlage – anders als früher – die Bareinlage nicht nochmals vollständig leisten, sondern nur für den Differenzbetrag zwischen der Bareinlage und dem Wert des verdeckt eingebrachten Sachgegenstands haften, der sich in Folge der Anrechnung ergibt. Hatte die Poolgesellschaft dementsprechend zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Einlagemittel auf das Zentralkonto Verbindlichkeiten gegenüber der Betreibergesellschaft und kam es trotz der verdeckten Sacheinlage zur Eintragung, ist die Zulässigkeit der Barkapitalerhöhung im Cash Pooling nach dem geltenden Konzept des Gesetzes von der wirtschaftlichen Lage der betreffenden Poolgesellschaft abhängig („Vollwertigkeitserfordernis“): Ist sie zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung in einer wirtschaftlich guten Lage und entspricht der reale Wert der Forderung des Cash Pools deren Nominalwert, so wird die Muttergesellschaft von ihrer Bareinlagenverpflichtung im Umfang des Nennwerts der Forderung völlig befreit. Ist hingegen der reale Wert der gegen die Poolgesellschaft gerichteten Forderung wegen der schlechten Wirtschaftslage der Poolgesellschaft nicht werthaltig und daher geringer als der Nominalwert, so wird die – wegen der verdeckten Sacheinlage – fortbestehende Einlageschuld um den realen Wert der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gemindert. Für den Differenzbetrag bleibt die Muttergesellschaft weiterhin einlageverpflichtet. Mit Blick auf die Zulässigkeit der Barkapitalerhöhung einer am Cash Pooling beteiligten Poolgesellschaft, welche schon Verbindlichkeiten gegenüber der Betreibergesellschaft hat, ist schließlich festzustellen, dass die Nichteinhaltung der formellen Anforderungen der Sachgründung und damit die Existenz des Tatbestands der verdeckten Sacheinlage im Cash Pooling die Zulässigkeit der Barkapitalerhöhung nicht mehr beeinträchtigt, solange es sich um eine solvente Poolgesellschaft bzw. um einen wirtschaftlich gesunden Konzern handelt. Mit anderen Worten führt die infolge der Einbeziehungen von Einlageleistungen in das Cash Pooling-System entstandene verdeckte Sacheinlage nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit der Bareinlageleistung, wenn der Rückzahlungsanspruch der Betreibergesellschaft „vollwertig“ ist. Da allerdings eine Kapitalerhöhung im Allgemeinen bei Sanie178 179

GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 167. Begr.RegE. BT-Drucks. 16/6140, S. 40.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

rungsfällen vorkommt und die schon vorhandene Verbindlichkeit der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool in der Regel auf die fehlende Kreditunwürdigkeit der Poolgesellschaft hinweisen würde, dürfte die Muttergesellschaft in der Praxis wegen der eventuell fehlenden Vollwertigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs zumeist der Gefahr ausgesetzt sein, einen nicht unwichtigen Teil des Forderungsbetrags – als fortbestehende Einlageschuld – wieder zu leisten. 3. Exkurs: Die eventuellen Rechtsfolgen der Anrechnungslösung im Cash Pooling unter Berücksichtigung der von der herrschenden Meinung abweichenden Ansätze zur Bewertungsmethodik der Forderungen gegen die Gesellschaft a) Einführung Der Vorgang der Einbringung der Forderungen gegen die Gesellschaft kommt hauptsächlich im Rahmen der Kapitalerhöhung und insbesondere im Zusammenhang mit der Thematik der Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital in Betracht (beim sog. Debt-Equity-Swap).180 Wie schon oben dargestellt, ist nach herrschender Auffassung in Deutschland die Einbringung der Forderung der Inferenten gegen die Gesellschaft als „Sacheinlage“ zu beurteilen und somit einer diesbezüglichen „Werhaltigkeitskontrolle“ zu unterziehen. Bezüglich der Frage der Bewertungsmethodik solcher Forderungen besteht allerdings keine Übereinstimmung im deutschen Schrifttum. Dies wird insbesondere im Zusammenhang mit dem sog. Debt-Equity-Swap lebhaft diskutiert. Zwar fordern die Rechtsprechung und die herrschende Auffassung in unterschiedlichen Ausprägungen die Ermittlung des tatsächlichen Wertes der Forderung auf der Grundlage der Bonität der Gesellschaft sowie die Anrechnung des realen/realisierbaren Wertes der Forderung auf die Einlage („Werthaltigkeitsprinzip“),181 aber eine nicht unerhebliche Zahl von Autoren befürwortet zunehmend die Einbringung bzw. Anrechnung der Forderungen gegen die Gesellschaft zu ihren Nennwert bei Sanierungsfällen („Nennwertprinzip“).182 Diese Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Bewertungsmethodik der Forderungen gegen die Gesellschaft würde aus Sicht der Inferenten eine bedeutende Auswirkung auf die Effizienz der für die verdeckte Sacheinlage vorgesehenen Anrechnungslösung und damit auf die Differenzhaftung der Muttergesellschaft bei Barkapitalerhöhungen i.R.d. Cash Pooling haben, wenn es sich um eine verdeckte Forderungseinbringung handelt. Da bei einer sanierungsbedürftigen (Pool-)Gesellschaft das Vermögen oftmals nicht den Nennwert der einzubringenden Forderung 180 Ausführlich dazu insb. Krolop, GmbHR 2007, S. 117 ff.; Wansleben, WM 2012, S. 2086 ff. 181 Kapitel 3, § 2, C., III., 2., a). 182 Meilicke, DB 1989, S. 1119 ff.; Hoffmann, BB 1992, S. 578 ff.; Hannemann, DB 1995, 2055 f.; Krolop, GmbHR 2007, S. 120 ff.; Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2012, S. 501 ff.; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 ff.; Wansleben, WM 2012, S. 2086 f.; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 127a f. m.w.N.

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deckt und in den meisten Fällen ein erheblicher Unterschied zwischen dem Nennwert und dem realen Wert der Forderung entsteht, ist die einlagepflichtige Muttergesellschaft zumeist einer Differenzhaftung ausgesetzt. Dieses aus Sicht der Gesellschafter/Aktionäre unerwünschte Ergebnis, das aus der von der herrschenden Meinung angewandten Bewertungsmethodik der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen, also aus dem „Vollwertigkeitserfordernis“ resultiert, würde unter Anwendung des von der Gegenansicht vertretenen „Nennwertprinzips“ nicht entstehen. Deswegen ist es an dieser Stelle m. E. angebracht, auf die unterschiedlichen und neuen Sichtweisen bezüglich der Bewertungsweise der Forderungen gegen die Gesellschaft im Rahmen von sog. Debt-Equity-Swap kurz einzugehen, um herauszuarbeiten, wie die Auswirkung der durch MoMiG bzw. ARUG vorgesehenen Anrechnungslösung auf die Zulässigkeit der Barkapitalerhöhungen i.R.d. Cash Pooling bei Vorliegen des Tatbestands der verdeckten Forderungseinbringung und damit auf die Differenzhaftung der Muttergesellschaft je nach dem darzustellenden Bewertungsansatz variieren würde. b) Anrechnung zum Nennwert der Forderung („Nennwertprinzip“) Das oben dargestellte traditionelle Verständnis („Vollwertigkeitsprinzip“) hinsichtlich der Bewertungsmethodik der gegen die Gesellschaft selbst gerichteten Forderungen wird von einer im Vordringen183 befindlichen Auffassung kritisiert. Die Gegenansicht differenziert die Forderungen gegen die Gesellschaft von den Forderungen gegen Dritte und befürwortet mit verschiedenen Begründungen, die Werthaltigkeitsprüfung hinsichtlich der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen aufzugeben und sie zum Nennwert einzubringen.184 Demnach könnten gegen die Gesellschaft gerichtete Forderungen unabhängig von deren Vermögenssituation immer zum Nominalwert der Verbindlichkeit eingebracht werden, weil derartige Forderungen nicht aus der Sicht des „Gläubigers“, sondern aus Sicht der „Gesellschaft“ zu betrachten seien. So sei eine Forderung aus Sicht der Gesellschaft stets vollwertig, weil die Verbindlichkeiten immer mit dem Nominalwert anzusetzen bzw. zu bilanzieren seien.185 Es komme hierbei zudem nicht auf eine Erhöhung des Ak183 Die Gegenansicht ist zwar nicht neu und konnte sich im deutschen Recht noch nicht durchsetzen, aber sie scheint in der letzen Zeit immer wieder neue Vertreter gefunden zu haben. Jüngstens sprechen sich dafür aus, insb.: Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, S. 230; dies., DB 2010, S. 231 ff.; dies., DB 2012, S. 501 ff.; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 ff.; Maier-Reimer, in: VGR 2012, S. 121 ff.; Wansleben, WM 2012, S. 2086 f.; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 127a f. 184 Meilicke, DB 1989, S. 1119 ff.; Hoffmann, BB 1992, S. 578 ff.; Hannemann, DB 1995, 2055 f.; Krolop, GmbHR 2007, S. 120 ff.; Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, S. 230; dies., DB 2012, S. 501 ff.; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 ff.; Maier-Reimer, in: VGR 2012, S. 121 ff.; Wansleben, WM 2012, S. 2086 f.; MünchKomm-GmbHG/ Schwandtner, § 5, Rn. 127a f. m.w.N. 185 Hoffmann, BB 1992, S. 576; Karollus, ZIP 1994, S. 595; Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, S. 230; dies., DB 2012, S. 501 ff.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

tivvermögens an, sondern es handele sich um einen reinen Passivtausch, sodass die Gefahr einer Minderung des Gesellschaftsvermögens durch die Einbringung einer Einlage mit negativem Wert nicht bestünde. Die Gesellschaft werde bei Einbringung der Forderung, unabhängig von deren Werthaltigkeit, auch von Verbindlichkeiten in eben dieser Höhe befreit.186 Außerdem werde weder die Behandlung als Bareinlage noch die Anwendung aller Regeln fu¨ r Sacheinlagen den Besonderheiten einer Kapitalerho¨ hung auf dem Wege der Einbringung von Anspru¨ chen gegen die Gesellschaft gerecht.187 Eine auf der Grundlage der Bonität der Gesellschaft auszuführende Bewertung solcher Forderungen sei weder durch Bedu¨ rfnisse des Gla¨ ubiger- noch des Aktiona¨ rsschutzes geboten. Es bedürfe lediglich der Offenlegung des Einlagegegenstands, um die Gefahr einer Ta¨ uschung gegenwa¨ rtiger und ku¨ nftiger Gla¨ ubiger und Gesellschafter auszuschließen. Daher sei bei der Einbringung von Forderungen gegen die Gesellschaft die Anwendung der Sacheinlagebestimmungen im Wege der teleologischen Reduktion auf die Regelungen u¨ ber die Offenlegung zu beschra¨ nken.188 Es soll hier im Übrigen nicht unerwähnt bleiben, dass der Ausschluss der Werthaltigkeitskontrolle und damit die Anrechnungsmöglichkeit zum Nennwert nur für solche Forderungen des Inferenten vorgeschlagen wird, denen eine Darlehensbeziehung zugrundeliegt.189 Denn der Wert der Leistung, den die Gesellschaft erhalten hat, stehe nur hier außer Zweifel. Die Forderungen des Inferenten, denen eine Sachleistung im eigentlichen Sinne zugrundeliegt, seien jedoch von der Verrechnungsmöglichkeit zum Nennwert auszuschließen. c) Vorschlag zur Implementierung eines „Aufrechnungsmodells“ ins Gesetz (de lege ferenda) Um die oben dargestellte uneinheitliche Beurteilung der Bewertungsfrage hinsichtlich der Forderungen gegen die Gesellschaft zu beenden und eine Erleichterung der Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital zu ermöglichen, wird zudem im Schrifttum de lege ferenda vorgeschlagen, in das deutsche System der Kapitalaufbringung ein „Aufrechnungsmodell“ bzw. einen „Verrechnungstatbestand“ nach dem Vorbild anderer Länder einzufügen.190 Damit werde unabhängig von der Vermögenslage der Gesellschaft ein sicherer Weg zur Befreiung von der Einlagepflicht durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft zum Nennwert eröffnet. Die Zulässigkeit der Verrechnung zum Nennwert setze demnach die Publi-

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Gessler, FS Möhring, S. 181; Hoffmann, BB 1992, S. 576; Karollus, ZIP 1994, S. 591. Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, S. 238 ff. 188 Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, S. 238 ff. 189 Gessler, FS Möhring, S. 188 f.; Cahn/Simon/Theiselmann, CFL 2010, S. 248 f.; Karollus, ZIP 1994, S. 596, Fn. 60; Wansleben, WM 2012, S. 2088. 190 Krolop, GmbHR 2007, S. 122 ff.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 337 ff., insb. 350. 187

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zität des Vorgangs voraus, damit der Rechtsverkehr vor der unrichtigen Erwartungen einer Mehrung des Aktivvermögens geschützt werden könne.191 Schon während der Reformarbeiten zum MoMiG hatte sich Krolop192 für die Einführung eines Aufrechnungsmodells in das GmbH-Recht (welches auch auf AGRecht übertragbar sei)193 ausgesprochen, um eine Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital (sog. Debt-Equity-Swap) bei Sanierungsfällen zu erleichtern und damit eine schnelle Reaktion auf bedrohliche finanzielle Schieflagen zu ermöglichen.194 Hinweisend auf die Rechtsordnungen anderer Länder und auf ihren Umgang mit der Problematik, der im deutschen Recht mit der Lehre der verdeckten Sacheinlage begegnet wird, kritisiert er den dafür vom deutschen Recht eingeschlagenen Weg.195 Der für die Bewältigung derselben Problematik vorgesehene Weg, also die Lehre der verdeckten Sacheinlage, fülle nämlich teilweise die Lücken aus, die in ausländischen Rechtsordnungen aufgrund spezieller gesetzlicher Vorgaben gar nicht bestehen. So schlägt er vor, nach Vorbild einiger ausländischer Rechtsordnungen (u. a. Schweiz, Tschechien, Spanien) die Erfüllung der Bareinlageverpflichtung im Wege der Aufrechnung unter der Voraussetzung zu erlauben, dass die Aufrechnung zum Gegenstand des Beschlusses über die Kapitalerhöhung gemacht und damit hinreichende Transparenz hergestellt wird.196 Die ganz erhebliche Erleichterung gegenüber der Einbringung der Forderung als Sacheinlage bestünde darin, dass eine Werthaltigkeit der Forderung nicht verlangt oder geprüft werde, sondern – wie in den als Vorbild genommenen Ländern – eine Prüfung nur auf deren „Bestand“ und „Verrechenbarkeit“ hin erfolge. In jüngster Zeit schließt sich auch Cavin grundsätzlich der Meinung von Krolop an und schlägt de lege ferenda vor, dass der Gesetzgeber in das deutsche System der Kapitalaufbringung einen „Verrechnungstatbestand“ nach dem Modell der

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Krolop, GmbHR 2007, S. 123 ff.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 312 ff., 338. Krolop, GmbHR 2007, S. 122 ff. 193 Krolop, GmbHR 2007, S. 124 f. 194 Er schlägt vor, die einschlägigen Vorschriften dahingehend neu zu erfassen: § 19 Abs. 2, S. 2 GmbHR: „Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die Aufrechnung nicht zulässig, es sei denn dass Gesetz erlaubt dies ausdrücklich“. In § 56 Abs. 1 GmbHG solle folgender neuer S. 2 eingeführt werden: „ Sollen Bareinlageverpflichtungen durch Aufrechnung geleistet werden, so müssen der Gegenstand der Forderung und der Betrag der Stammeinlage, auf den sich die Aufrechnung bezieht, im Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals festgesetzt werden. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung hat dabei den Anforderungen der §§ 387 ff. BGB zu entsprechen“. In § 57 Abs. 3 GmbHG solle eine neue Nr. 4 eingefügt werden: „bei einer Aufrechnung gegen die Bareinlageforderung die Verträge, die den Festsetzungen nach § 56 zugrunde liegen“. 195 Krolop, GmbHR 2007, S. 117. 196 Die vorgeschlagene Regelung über die Möglichkeit der Aufrechnung beschränkt der Autor jedoch auf die Kapitalerhöhung, weil ihm zufolge das Interesse der Beteiligten an der Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital im Stadium der Gründung nicht schutzwürdig sei, Krolop, GmbHR 2007, S. 123. 192

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

schweizerischen Verrechnungsliberierung197 einfüge, der unabhängig von der Vermögenslage der Gesellschaft einen sicheren Weg zur Befreiung von der Einlagepflicht durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft zum Nennwert eröffnet.198 Bei Bewertungsfragen der Forderungen gegen die Gesellschaft hält er zwar im Ergebnis die unabhängig von der Vermögenslage der Gesellschaft auf den Nennwert der Forderung abstellende Gegenauffassung für vorzugswürdig, allerdings begründet er seine Ansicht zur Nennwertanrechnung auf einem anderen Konzept. Nach ihm sei vor allem die Sacheinlagefähigkeit der Forderungen gegen die Gesellschaft de lege ferenda abzulehnen, da diese Art der Einlageeinbringung erstens dem Grundsatz der Einlageleistung einer Mehrung des Aktivvermögens widersprechen würde,199 zweitens eine aus den Vorschriften zur verdeckten Sacheinlage resultierende Sacheinlagepflicht dieser Forderungen die kapitalaufbringungsrechtliche Ordnungsgemäßheit der Geldeinzahlung zur Schuldentilgung ausgeschlossen hätte.200 Aus diesen Gründen lasse sich die Zulassung der Einbringung solcher Forderungen zum Nennwert nicht im Sacheinlagekontext verorten. Vielmehr sei also de lege ferenda ein Bekenntnis des Gesetzgebers zu einem Verrechnungstatbestand erforderlich, der bereits von vornherein nicht auf eine Mehrung des Aktivvermögens, sondern auf die Befreiung von einer Verbindlichkeit abzielt. Ein solches Institut der Verrechnung müsse sich – wie in der Schweiz bereits seit langer Zeit anerkannt – ausdrücklich von einer regulären Geld- und Sacheinlage abheben und als qualifizierter Einlagetatbestand von vornherein allein auf eine Verminderung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft beziehen („Geldanlage, Sacheinlage, Verrechnung – tertium datur“).201 Die gesetzliche Anerkennung eines solchen rechtssicheren Verrechnungstatbestands würde de lege ferenda nicht nur den Streit über die Sacheinlagefähigkeit von Forderungen gegen die Gesellschaft und über deren Bewertungsfragen beenden, sondern auch die Rechtsstreitigkeiten über die freie Verfügung einer Geldeinzahlung zur späteren Schuldentilgung sowie (nicht zumutbare) Haftungsprozesse bereits von vornherein vermeiden.202 Damit würde also die mit der potenziell insolvenzanfechtungsrechtlich relevanten Rückzahlung der Geldeinzahlung an den Einleger ermöglicht.203 Einen zusätzlichen Anreiz für die Schaffung einer solchen Verrechnungsmöglichkeit sieht der Autor de lege ferenda noch darin, dass dadurch die Kapitalerhöhung in einer Cash-Pool-Gesellschaft deutlich vereinfacht werden könne.204

197 Ausführlich zum schweizerischen Modell der „Verrechnungsliberierung“ siehe Kapitel 3, § 3, B., I., 2. 198 Cavin, Kapitalaufbringung, S. 337 ff.; insb. 350. 199 Cavin, Kapitalaufbringung, S. 337 f. 200 Cavin, Kapitalaufbringung, S. 319 ff., insb. 321. 201 Cavin, Kapitalaufbringung, S. 337 f. 202 Cavin, Kapitalaufbringung, S. 338 f. 203 Cavin, Kapitalaufbringung, S. 321. 204 Cavin, Kapitalaufbringung, S. 350.

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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d) Würdigung der Ansätze mit Blick auf ihre eventuellen Folgen im Cash Pooling Auf der Basis der herrschenden Meinung hängt die Erfüllungswirkung der Bareinlagezahlung im Umfang der verdeckten Sacheinlage im Cash Pooling davon ab, dass die verdeckt eingebrachte Darlehensforderung der Betreibergesellschaft vollwertig ist, sodass der reale Wert der Forderung dem Nennwert entspricht. So erlischt die Einlageschuld der Muttergesellschaft durch Anrechnung im Umfang der verdeckt eingebrachten Darlehensforderung nur dann, wenn die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Bareinlage an das Zentralkonto solvent ist.205 Da allerdings Kapitalerhöhungen häufig zu Sanierungszwecken einer Poolgesellschaft erfolgen, welche bereits hohe Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool hat bzw. überschuldet ist und daher wirtschaftlich in einer schlechten Lage ist, dürfte die Bonität dieser Poolgesellschaft nicht mehr ausreichen, um eine gegen sie gerichtete Darlehensforderung vollwertig zu decken. Schließlich dürfte in meisten Fällen der reale Wert der Forderung weit unter dem nominellen Betrag bleiben und die Differenzhaftung der Muttergesellschaft nur unerheblich von der erneuten Zahlungspflicht des Nominalbetrags abweichen. Dieses aus Sicht der Gesellschafter unerwünschte Ergebnis resultiert nicht aus der für die verdeckte Sacheinlage vorgesehenen „Anrechnungslösung“ selbst, sondern aus der „Bewertungsmethodik“ der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen, wonach es nicht auf den bilanziellen Nennwert der Forderung, sondern auf den nach der Bonität der Gesellschaft zu bewertenden realen Wert der Forderung ankommen sollte („Werthaltigkeitserfordernis“). Auf Basis der Gegenansicht, wonach die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen zum bilanziellen Nennwert einzubringen bzw. anzurechnen seien („Nennwertprinzip“), wären demgegenüber die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage in der Praxis des Cash Pooling vergleichsweise milder.206 Wegen der verdeckten Einbringung der Darlehensforderungen würden zwar auch jene Einzahlungen keine Erfüllungswirkung haben, aber infolge der Anrechnung des hiernach grundsätzlich entscheidenden Nennwerts der Darlehensforderungen würden die ausstehenden Geldeinlagepflichten vollständig zum Erlöschen kommen. Damit würde der Muttergesellschaft – im Gegensatz zur herrschenden Ansicht – keine Differenzhaftung drohen. Zum gleichen Ergebnis würde auch der Lösungsansatz der Vertreter einer anderen Ansicht führen, wonach de lege ferenda die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen aus dem Sacheinlagekonzept herauszunehmen und ein eigenständiger Verrechnungstatbestand im Gesetz zu implementieren sei. Nach diesem Modell wäre die Erfüllung der Einlageschuld durch Verrechnung der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung zum Nennwert möglich bzw. zulässig, sodass keine Werthaltigkeitsprüfung nötig wäre. Durch dieses Konzept, wonach die 205

Theusinger, NZG 2009, S. 1017. Insbesondere im Rahmen des Cash Pooling siehe Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 231 f., 235 f. 206

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Forderungen gegen die Gesellschaft nicht mehr als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden müssten, würde zudem das Entstehen des Tatbestandes einer verdeckten Sacheinlage und die damit verbundene Haftung der Betroffenen i.R.d. Cash Pooling vermieden.207 Schließlich ist mit Blick auf die Auswirkungen dieser der herrschenden Ansicht entgegenstehenden Meinungen hinsichtlich der Cash Pooling-Praxis festzustellen, dass sie den Kapitalerhöhungsvorgang in Cash Pool-Konstellationen für den Fall erleichtern würden, dass die im Rahmen der Kapitalmaßnahme einbezahlten Geldmittel anschließend zur Tilgung der Darlehensschuld der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool verwendet werden. Denn im Gegensatz zur geltenden Rechtslage („Werthaltigkeitserfordernis“) würde dann direkt der Nennwert der Forderung der Betreibergesellschaft gegenüber der betroffenen Poolgesellschaft als maßgeblich gelten und die Muttergesellschaft würde keine Differenzhaftung bedrohen. Es ist allerdings hervorzuheben, dass es unter dem geltenden System bei dem von der Rechtsprechung und der herrschenden Ansicht verlangten „Werthaltigkeitserfordernis“ verbleibt, wonach die Solvenz der betroffenen Poolgesellschaft entscheidend ist. 4. Heilungsmöglichkeit Wie schon vorher ausgeführt, erkannte der BGH unter der alten Rechtslage die Heilung verdeckter Sacheinlage im Wege der Umwidmung der Bar- in Sacheinlage mittels Satzungsänderung im GmbH-Recht an.208 Nach den Gesetzesmaterialien zum MoMiG werde die Möglichkeit der Heilung der verdeckten Sacheinlagen durch die Neuregelung „keineswegs eingeschränkt oder gar abgeschafft“.209 Durch die Streichung des § 27 Abs. 4 AktG a.F. im Zuge des ARUG wurde – anders als im alten Recht210 – offenkundig eine Gleichmäßigkeit im GmbH- und Aktienrecht hinsichtlich der Heilungsmöglichkeit der verdeckten Sacheinlage mittels Umwidmung geschaffen.211 Demnach sollte nunmehr auch für das Aktienrecht die Heilung ver-

207

III., 5. 208

Ausführlich zur Haftungslage bei der verdeckten Sacheinlage siehe Kapitel 3, § 2, C.,

BGHZ 132, 141, 148 ff. (für GmbH-Recht). Ausführlich Kapitel 3, § 2, B., II., 1., b). BegrRegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 40. 210 Wegen des präzisen Wortlauts des § 27 Abs. 4 AktG a.F., wonach nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister die Unwirksamkeit nicht durch Satzungsänderung geheilt werden konnte, war es unter der alten Rechtslage umstritten, ob eine Heilung verdeckter Sacheinlagen in Anlehnung an die vom BGH für das GmbH-Recht entwickelte Heilungsmöglichkeit möglich war. Ausführlich zu dieser Diskussion Kapitel 3, § 2, B., II., 1., b). 211 Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 36 f. 209

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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deckter Sacheinlagen nach denselben Grundsätzen zugelassen werden, die vor Inkrafttreten des MoMiG im GmbH-Recht anerkannt waren.212 Es besteht zwar auch nach der Neuregelung die Heilungsmöglichkeit sowohl für das GmbH-Recht als auch für das Aktienrecht theoretisch fort,213 unter Beachtung der neuen Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage wird indes die Frage gestellt, ob für die Heilung auch nach der Normierung der Anrechnungslösung noch ein Bedürfnis bestehe.214 Wenn ja, stellt sich anschließend die Frage, wie die Heilung auf Grundlage der Anrechnungslösung zu konstruieren ist.215 Würden die vom BGH entwickelten Grundsätze unverändert gelten? Diesbezüglich wird im Schrifttum zunächst ausgeführt, dass nach der Einführung der Anrechnungslösung und damit nach der Abmilderung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage durch die Neuregelung nicht (mehr) unverändert an die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zur Heilung im GmbH-Recht angeknüpft werden könne.216 Denn anders als im bisherigen Recht sei nach geltendem Gesetz das Sachgeschäft sowohl schuldrechtlich als auch dinglich wirksam. Durch die Eintragung erfolge zudem eine Wertanrechnung, sodass kein Einlagegegenstand (Darlehens- bzw. Bereicherungsanspruch gegen die Poolgesellschaft) mehr vorhanden sei, den der Inferent als Gegenstand im Rahmen des Heilungsvorgangs einbringen könne.217 Ausgehend von diesen dogmatischen Bedenken wird die Ansicht vertreten, dass die von der Rechtsprechung zum bisherigen Recht entwickelte Heilungskonzeption (also die Umwidmung der Einlagepflicht von Bar- in Sacheinlage) nicht mehr vollkommen

212 MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 160; Schmidt/Lutter/Bayer, § 27, Rn. 89; KölnKomm-AktG/Arnold, § 27, Rn. 122; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, S. 922; kritisch dazu Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 204 ff. 213 Allg.M.: Veil, ZIP 2007, S. 1244 f.; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 784; Kersting, in: VGR 14, S. 121; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 204; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 95; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 160; Schmidt/Lutter/Bayer, § 27, Rn. 89; KölnKommAktG/Arnold, § 27, Rn. 122; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, S. 922; kritisch zum Fortbestehen der Heilungsmöglichkeit: Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 205, wonach die registergerichtliche Kapitalaufbringungskontrolle einerseits durch die Neuregelung der verdeckten Sacheinlage, andererseits durch die Zulassung der Heilungsmöglichkeit ihre präventive Funktion weitgehend verliere. 214 Ausführlich insb. Veil, ZIP 2007, S. 1244 f.; KölnKomm-AktG/Arnold, § 27, Rn. 123; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 204 ff.; ders., Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 217 ff. 215 Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 20. 216 Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 206; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 162; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 96; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 217 ff.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 598 f. 217 Kersting, in: VGR 14, S. 121; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 96; Spindler/Stilz/ Benz, § 27, Rn. 206; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 173; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 150 f.; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 162; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 92; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 297.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

adäquat sei.218 Nach der Anrechnung könne nunmehr die Heilung nur noch auf die Feststellung der Einbringung des verdeckt eingelegten Vermögensgegenstands und des Erlöschens des Einlageanspruchs durch die bereits erfolgte Anrechnung mit Wirkung ex nunc gerichtet werden.219 Abgesehen von der oben genannten Vollzugsschwierigkeit des Heilungsprozesses auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wird unter Beachtung der neuen Anrechnungslösung darauf hingewiesen, dass mit ihr die Bedeutung der Heilung, welche in der nachträglichen Erfüllung der offenen Einlageschuld besteht, erheblich gesunken sei.220 Denn angesichts der Tatsache, dass das schuldrechtliche und dingliche Sacheinlagengeschäft ku¨ nftig nicht mehr unwirksam sein werde und durch die Wertanrechnung die offene Einlageschuld erlösche, entfalle der bisherige Zweck der Heilung durch die Neuregelung. Folglich komme der Heilungsmöglichkeit nur eine beschränkte Bedeutung durch Umwandlung der Bar- in eine Sacheinlage zu, nämlich im Rahmen der Beweislastverteilung bei einem späteren Streit u¨ ber die Werthaltigkeit des zugefu¨ hrten Vermögensgegenstands.221 So wird in diesem Zusammenhang als eine Möglichkeit im Interesse des Inferenten angesehen, dass dieser durch Heilung bezüglich der Werthaltigkeit der verdeckten Sacheinlage die Beweislast von §§ 19 Abs. 4, S. 5 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 5 AktG beseitigen könne. Mit der Durchführung des Heilungsverfahrens könne nämlich der Inferent Rechtssicherheit schaffen, indem er den Wert der Sacheinlage frühzeitig nachweise und damit eine zu einem späteren Zeitpunkt schwierige Beweisführung vermeide.222 Insbesondere der nunmehr für die Werthaltigkeitsprüfung maßgebliche Zeitpunkt wird als Anreiz zur Heilung bewertet.223 Denn anders als im bisherigen Recht224 ist nach der

218

Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 96; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 206; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 297; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 92; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 162 m.w.N. 219 Winter, FS Priester, S. 877; Schmidt/Lutter/Bayer, § 27, Rn. 90; KölnKomm-AktG/ Arnold, § 27, Rn. 124; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19 Rn. 96; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 175; s. auch Gehrlein Konzern 2007, 771, 784; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 164 m.w.N.; andere Konstruktion bei Roth/Altmeppen/Roth GmbHG § 19 Rn. 92, der als ein möglicher Weg vorschlägt, dass die bereits erfolgte Übertragung des Vermögensgegenstands nachträglich als Vorausleistung auf die im Heilungsverfahren festzusetzende Sacheinlage qualifiziert werde. 220 Kersting, in: VGR 14, S. 121; Roth/Altmeppen/Roth, § 19 Rn. 90; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 204; ders., Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 217 ff.; Veil, ZIP 2007, S. 1244 f.; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 172; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 784; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, S. 922. 221 Scholz/Veil, § 19, Rn. 162; Veil, ZIP 2007, S. 1245; Markwardt, BB 2008, S. 2418; Kersting, VGR 14 (2009), S. 121; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 90; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 204; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, S. 922; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 95; KölnKomm-AktG/Arnold, § 27, Rn. 123; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 150; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 138 m.w.N. 222 Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 138 m.w.N. 223 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 150.

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Einführung des §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Sacheinlage geleistet wurde bzw. die Eintragung erfolgt ist.225 Die Frage, ob die zivilrechtliche Heilung zur Beseitigung strafrechtlicher Verantwortung wegen falscher Angaben führen würde, ist im Schrifttum allerdings umstritten. Nach einigen Autoren lasse sich die Strafbarkeit (§§ 82 Abs. 1 GmbHG, 399 Abs. 1 AktG) einer bereits verwirklichten verdeckten Sacheinlage durch ein zivilrechtliches Heilungsverfahren nicht mehr beseitigen,226 während sich andere Autoren hingegen für die Legitimierung des Handels der geschäftsführenden Organe durch die Heilung aussprechen.227 5. Haftung a) Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft aa) Strafrechtlich Zu jener Zeit, als die Rede noch von der Konzeption der „Erfüllungslösung“ war, wurde in der Lehre beruhend auf der entsprechenden Aussage der Regierungsbegründung228 vereinzelt geäußert, dass die verdeckte Sacheinlage nach dem MoMiG straflos sei.229 Nach der Ersetzung der Erfüllungslösung durch die „Anrechnungslösung“ wurde in der Begründung des Rechtsausschusses zum MoMiG ausgeführt, dass die Anrechnung gem. § 19 Abs. 4, S. 4 GmbHG erst nach Eintrag der Gesellschaft in das Handelsregister erfolge (also nicht vor dem Eintrag) und dadurch klargestellt sei, dass „der Geschäftsfu¨ hrer in der Anmeldung nach § 8 nicht versichern kann und darf, die Geldeinlage sei zumindest durch Anrechnung erloschen und damit erfu¨ llt“.230 Dabei nahm der Gesetzgeber des MoMiG zwar nicht unmittelbar zur Strafbarkeitsproblematik Stellung, aber bereits gestützt auf die Erklärungen zum Gültigkeitszeitpunkt der Anrechnung (erst nach der Eintragung) und zum Versi224

Unter alter Rechtslage war für die Werthaltigkeitsprüfung der spätere Zeitpunk der Heilung, also der Anmeldung der Satzungsänderung maßgeblich, ausführlich Kapitel 3, § 2, B., II., 1., b). 225 Winter, in: FS Priester, S. 877; Markwardt, BB 2008, S. 2418; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 220 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 98; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 174; KölnKomm-AktG/Arnold, § 27, Rn. 125; Hüffer/ Koch, § 27, Rn. 46; a.A. Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 93, wonach der gegenwärtige Zeitpunkt maßgeblich sei. 226 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 95; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 175; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 204; KölnKomm-AktG/Arnold, § 27, Rn. 123. 227 Veil, ZIP 2007, S. 1245; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 784. 228 BegrRegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 40: „Auch das Strafrecht erscheint als Sanktion unangemessen, § 82 greift den Fall der Versicherung bei verdeckter Sacheinlage daher nicht auf“. 229 So GroßKomm-GmbHG/Ransiek, 1. Aufl., 2008, § 82, Rn. 36; K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 451. 230 Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737 S. 56.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

cherungsverbot des Geschäftsleiters beim Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage vor der Eintragung ging (und geht) die ganz herrschende Meinung davon aus, dass die verdeckte Sacheinlage immer noch verboten sei und der Geschäftsleiter bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage bei der Anmeldung der Gründung oder Kapitalerhöhung nicht gem. § 8 Abs. 2, S. 1 GmbHG versichern dürfe, dass die Bareinlage der Gesellschaft zur freien Verfügung steht.231 Zum Zeitpunkt der Anmeldung im Register bestehe nämlich die Einlageverpflichtung in vollem Umfang und hindere die Abgabe der Versicherung. Dies gelte sogar auch dann, wenn der verdeckt eingelegte Vermögensgegenstand werthaltig sei. Anderenfalls mache die Geschäftsführung sich wegen falscher Versicherung (objektiver Tatbestand) bei der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung gemäß §§ 82 Abs. 1, Nr. 1, 3 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1, 4 AktG strafbar, unter der Voraussetzung, dass sie vorsätzlich (subjektiver Tatbestand) gehandelt habe. Da die §§ 82 GmbHG, 399 AktG abstrakte Gefährdungsdelikte darstellen, sei für die Strafbarkeit der Geschäftsführung der Poolgesellschaft weder ein Schaden noch eine konkrete Vermögensgefährdung erforderlich.232 Diese Strafe bringt zudem gleichzeitig zulasten des Geschäftsleiters ein fünfjähriges Berufsverbot (§§ 6 Abs. 2, S. 1, Nr. 3 lit. c GmbHG, 76 Abs. 3, S. 1, Nr. 3 lit. c AktG) mit sich.233 Dass die verdeckte Sacheinlage auch nach der Neuregelung verboten ist und weiterhin – wie bei der bisherigen Rechtslage –234 zur Strafbarkeit der Geschäftsführung führt, wurde später sowohl von BGH im „Cash Pool II“-Urteil235 höchstrichterlich als auch im Rahmen der Änderung des AktG vom Gesetzgeber des ARUG236 ganz klar festgestellt. Damit wurde die nach dem MoMiG gebildete (herrschende) Meinung bezüglich der Strafbarkeit der Geschäftsführer bestätigt.

231 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 85; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 168; Ulmer, ZIP 2008, S. 51; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Herrler, DB 2008, S. 2350; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 85a; Markwardt, BB 2008, S. 2418; Goette/Habersack/Winter, Rn. 2.39; Schall, ZGR 2009, S. 139; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 200; Habersack, AG 2009, S. 560; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1434 f.;Veil/Werner, GmbHR 2009, S. 730; Pentz, GmbHR 2009, S. 127, 131; ders., in: FS für K. Schmidt, S. 1274 f.; Blasche, GmbHR 2010, S. 294; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 147 ff.; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181 m.w.N. 232 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 82, Rn. 1; GroßKomm-GmbHG/Ransiek, § 82, Rn. 5; Schmidt/Lutter/Oetker, § 399, Rn. 2 m.w.N. 233 Habersack, AG 2009, S. 560; Gärtner, Cash Pooling, S. 626. 234 Ausführlich zur alten Rechtslage s. Roth/Altmeppen/Altmeppen, 5. Aufl., 2005, § 82, Rn. 11 ff. 235 BGHZ 182, 103, Rn. 19, „Cash Pool-II“. 236 Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 36: „… die Anrechnung der verdeckten Sacheinlage erfolgt gemäß § 27 Abs. 3 Satz 4 AktG-E nicht vor Eintragung der Gesellschaft. Wird in der Anmeldung dennoch erklärt, die Geldleistung stehe endgültig zur freien Verfügung des Vorstands (§ 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG), so ist dies unrichtig und steht gemäß § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG unter Strafdrohung“.

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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Es gibt allerdings in der Literatur einzelne Autoren, die der Gegenansicht sind und die verdeckte Sacheinlage angesichts der neuen Rechtslage aus dem Anwendungsbereich der Strafbarkeit ausnehmen wollen.237 Nach einer Auffassung müssten im Wege einer teleologischen Reduktion zumindest die Fälle von der Strafbarkeit ausgenommen werden, in denen die Eintragung der Gründung zum Erlöschen der Bareinlageforderung durch Anrechnung führe.238 Nach der anderen Auffassung ergebe sich aus §§ 82 Abs. 1, Nr. 1 und 3, 19 Abs. 4 GmbHG keineswegs mit der fu¨ r einen Straftatbestand erforderlichen Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG, ,nulla poena sine lege‘), dass sich der Geschäftsfu¨ hrer strafbar mache, wenn er den vorverabredeten Rückfluss der Einlage im Rahmen eines Verkehrsgeschäfts nicht aufdecke.239 Dabei übersehe die herrschende Meinung, dass die Neuregelung dem Geschäftsleiter auf der Grundlage eines Verkehrsgeschäfts (§§ 19 Abs. 4, S. 2 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 2 AktG) die Rückzahlung gerade gestatte.240 Der Geschäftsleiter handele völlig legal, wenn er bei Anmeldung die freie Verfügbarkeit bestätige, auch wenn er beabsichtige, die Bareinlage später zur Erfüllung eines zivilrechtlich gültigen Verkehrsgeschäfts oder i.R.d. „betriebswirtschaftlich vernünftigen“ Cash Pooling mit dem Gesellschafter an diesen zurückzuzahlen. Habe der Geschäftsleiter bei der Anmeldung die freie Verfügbarkeit über die Bareinlage, was nur erfordere, dass er eigenverantwortlich mit ihr wirtschaften kann, hänge diese „freie Verfügbarkeit“ unter keinen Umständen davon ab, was er dem Registerrichter diesbezüglich erkläre. Die Versicherung des Geschäftsführers, er habe die Bareinlage zu seiner freien Verfügung erhalten, sei schließlich keinesfalls falsch, da sich aus §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG ergebe, dass die Absprache betreffs Rückflusses der Einlageleistung an den Gesellschafter im Rahmen eines Verkehrsgeschäftes bei der Anmeldung noch rechtlich gar nicht bindend sei.241 Auf der Basis der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung ist mit Blick auf das Cash Pooling festzustellen, dass der Geschäftsführer bzw. der Vorstand der Poolgesellschaft den Straftatbestand von §§ 82 Abs. 1, Nr. 1, 3 GmbHG, 399 Abs. 1, 237 Wälzholz, GmbHR 2008, S. 844; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 15 f.; ders., ZIP 2009, S. 1549 f.; ders., NZG 2010, S. 444; v. Schnurbein, GmbHR 2010, S. 576; Gärtner, Cash Pooling, S. 629 ff., 639. 238 v. Schnurbein, GmbHR 2010, S. 576, der diesbezüglich auf die BegrRegE zum MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 40 verweist, wobei allerdings noch die „Erfüllungslösung“ galt.; i.E. auch so Wälzholz, GmbHR 2008, S. 844, der auf K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 451 verweist, welcher sich aber für den Wegfall der Strafbarkeit wiederum auf Grundlage der nicht mehr gültigen „Erfüllungslösung“ ausspricht. 239 Altmeppen, ZIP 2009, S. 1549 f.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 15 f.; vgl. MünchKomm-GmbHG/Wißmann, § 82, Rn. 146, der zwar Altmeppen hinsichtlich der fehlenden Bestimmtheit der Strafbarkeit zustimmt, aber hinweisend auf die Sanktionierungsabsicht des Rechtsausschusses des MoMiG und ausdrückliche Bestätigung der Strafbarkeit des Geschäftsleiters durch das ARUG i.E. – differenzierend (s. § 82, Rn. 149) – die Strafbarkeit bejaht. 240 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 16. 241 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 15.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Nr. 1, 4 AktG erfüllt, wenn trotz Vorliegens einer verdeckten Sacheinlage, d. h. verdeckter Einbringung der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gegen die Poolgesellschaft, gleichwohl eine Versicherung nach §§ 8 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 37 Abs. 1 AktG abgegeben hat. Deswegen sollte der Geschäftsleiter bzw. der Vorstand der Poolgesellschaft bei der Anmeldung dem Registergericht mitteilen, dass die Kapitalmaßnahme im Rahmen eines Cash Pools erfolgt und ggf. die Poolgesellschaft Schulden bei dem Cash Pool hat.242 Dies dürfte allerdings aus Sicht der Geschäftsleiter nicht unproblematisch sein, da sie in der Praxis oftmals nicht wissen können, ob zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Einlagemittel auf das Zentralkonto ein Fall der verdeckten Sacheinlage oder eines bloßen Hin-und Herzahlens vorliegen wird.243 bb) Zivilrechtlich Neben der strafrechtlichen Verantwortlichkeit kommt auch eine zivilrechtliche Haftung der Geschäftsleiter bzw. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft wegen falscher Angaben im Gründungsstadium gem. §§ 9a GmbHG, 48 AktG in Betracht, wenn die Offenlegung der verdeckten Sacheinlage bei der Anmeldung der Kapitalmaßnahme unterlassen wurde.244 Im Kapitalerhöhungsstadium ist jedoch von der speziellen Gründungshaftung nur die Geschäftsführung einer abhängigen Poolgesellschaft in Form der GmbH gem. § 57 Abs. 4 GmbHG bedroht.245 Denn anders als im GmbH-Recht ist im Aktienrecht für die Kapitalerhöhung eine der Gründungshaftung entsprechende besondere Schadensersatzhaftung für die Organe nicht geregelt. Daher gilt bei der Kapitalerhöhung in einer abhängigen Poolgesellschaft in Form der AG die allgemeine Verantwortlichkeit der Organe nach §§ 93, 116 AktG.246 Die rechtswidrige Absprache mit den Gesellschaftern zur Rückzahlung der Bareinlage im Wege eines Verkehrsgeschäfts und damit die Mitwirkung an der gesetzeswidrigen Einlagegestaltung kann zudem auch eine Organhaftung des Geschäftsleiters bzw. Vorstands- und der Aufsichtsratsmitglieder wegen der Pflicht-

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Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 17, der zwar für den Wegfall der Strafbarkeit plädiert, aber hinweisend auf den herrschenden Meinungsstand Geschäftsleitern empfiehlt, dem Registergericht erschöpfend mitzuteilen, welche Verwendungsabsicht betreffs der Bareinlage bestehe. 243 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 17; ders., NZG 2010, S. 443. Ausführlich zum Differenzierungsproblem beim Cash Pooling siehe Kapitel 3, § 2, C., VI., 1. 244 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 169; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 86; Herrler, DB 2008, S. 2350; Ulmer, ZIP 2008, S. 51; Markwardt, BB 2008, S. 2418; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 43; Spindler/Stil/Benz, § 27, Rn. 200; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 142 f. 245 Gärtner, Cash Pooling, S. 647. 246 Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 325; Gärtner, Cash Pooling, S. 647.

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verletzung i.S.d. §§ 43 GmbHG, 93, 116 AktG in Betracht ziehen.247 Ob allerdings die Verantwortung der Geschäftsleiter zur Disposition der Gesellschafter bei einer GmbH steht, ist umstritten. Nach wohl überwiegender Auffassung würden die Regeln über die Kapitalaufbringung nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen,248 da die gesetzlichen Anforderungen der Kapitalaufbringung dem Gläubigerschutz dienen (hinweisend auf den Rechtsgedanken des § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG).249 Den Vertretern der Gegenansicht zufolge unterliege hingegen die Verantwortung der Geschäftsleiter einer GmbH der Disposition der Gesellschafter.250 Handele nach dieser Ansicht die Geschäftsleiter aufgrund einer rechtmäßigen Weisung, scheide eine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG aus. Dafür spreche auch der Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 GmbHG, der nur eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers bei einem Verstoß gegen § 30 GmbHG, nicht aber gegen § 19 Abs. 4 GmbHG anordne.251 Über die Innenhaftung hinaus kommt im Falle der falschen Versicherung eine Außenhaftung der Geschäftsleiter bzw. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 82 GmbHG, 399 AktG in Betracht.252 Voraussetzung für diese Haftungsfälle ist, dass der Gesellschaft wegen der verdeckten Sacheinlage ein Schaden entstanden ist.253 Die Schadenersatzpflicht des Geschäftsleiters wird demnach bei der Werthaltigkeit der verdeckten Sacheinlage und beim Erfolgen einer vollständigen Anrechnung scheitern.254 Deckt jedoch der Wert der verdeckten Sacheinlage nicht vollständig den Betrag der Bareinlage, wird der Schaden nur um den Wert des verdeckt zugeführten Vermögensgegenstandes gemindert.255 So dürfte es i.R.d. Cash Pooling an einem Schaden der Poolgesellschaft 247 Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 784; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 169; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 86; Herrler, DB 2008, S. 2350; Goette/Habersack/Winter, Rn. 2. 38; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 43; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 143 ff. 248 Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 178; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19, Rn. 169; Handelsrechtsausschuss von DAV, Stellungnahme zur MoMiG, NZG 2007, S. 740, Rn. 51; Markwardt, BB 2008, S. 2418; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 143 ff. 249 Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 178; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 145. 250 Herrler, DB 2008, S. 2350; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 147. 251 Herrler, DB 2008, S. 2350, welcher dabei auf das Urteil des BGH vom 31. 01. 2000 – II ZR 189/99 (Karlsruhe), NJW 2000, S. 1571 f. verweist. Kritisch zu dieser Auffassung insb. Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 144 f. 252 Herrler, DB 2008, S. 2350; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 43; Gärtner, Cash Pooling, S. 646; ausführlich dazu s. Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 146. 253 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 169; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 86; Herrler, DB 2008, S. 2350. 254 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 169; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 86; Herrler, DB 2008, S. 2350. 255 Goette/Habersack/Winter, Rn. 2. 38; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 145 f.

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fehlen, solange der reale Wert der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft dem Nennbetrag der Bareinlage entspricht. Im Falle einer teilweisen Deckung, wird der Geschäftsleiter für den ungedeckten Betrag der Bareinlage haften, wenn die Muttergesellschaft den in Höhe des Differenzbetrages fortbestehenden Einlageanspruch nicht ausgleicht.256 Nach der Gegenansicht, wonach im Falle der verdeckten Sacheinlage keine falsche Versicherung erfolge und damit keine strafrechtliche Verantwortung der Geschäftsleiter bzw. des Vorstands in Betracht komme,257 scheide jedoch konsequenterweise eine zivilrechtliche Haftung wegen falscher Angaben gem. §§ 9a, 57 Abs. 4 GmbHG, 48 AktG sowie gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 82 GmbHG, 399 AktG schon im Ansatz aus.258 Es treffe die Geschäftsleiter bzw. den Vorstand lediglich eine culpa-Haftung gem. §§ 43 GmbHG, 93 AktG, wenn er die Vollwertigkeit und damit die Anrechenbarkeit der verdeckten Sacheinlage schuldhaft verkannt habe.259 b) Haftung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter aa) Strafrechtlich Während die Strafbarkeit des Geschäftsleiters bzw. Vorstandsmitglieds einer Gesellschaft sowohl bei dem Gründungs- als auch bei dem Kapitalerhöhungsschwindel in Betracht kommen kann (§§ 82 Abs. 1, Nr. 1 bzw. 3 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1 bzw. 4 AktG), hält das Gesetz Gesellschafter bzw. Gründer wegen falscher Angaben für einen tauglichen Täter lediglich im Fall der „Gründungstäuschung“ (§§ 82 Abs. 1, Nr. 1 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1 AktG). Beim „Kapitalerhöhungsschwindel“ sieht das Gesetz also nur die Geschäftsleiter bzw. die Vorstandsmitglieder als tauglicher Täter, nicht aber die Gesellschafter.260 Da ein Gesellschafter bzw. Gründer keine Angaben macht, kann er kein unmittelbarer Täter sein,261 sondern er kommt nur als mittelbarer Täter oder als Mittäter in Betracht. Er kann sich u. U. im Gründungsstadium strafbar machen.262 So kann in der Cash Pooling-Praxis die Strafbarkeit des herrschenden Unternehmens bzw. Kon256

Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 145 f. Siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 5., a), aa). 258 Altmeppen, NZG 2010, S. 444; Gärtner, Cash Pooling, S. 646 f. 259 Altmeppen, NZG 2010, S. 444; Gärtner, Cash Pooling, S. 647. 260 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 82, Rn. 10 ff., 18; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 136. 261 Es sei denn, er ist zugleich Geschäftsführer. 262 MHLS/Dannecker, § 82, Rn. 78; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 82, Rn. 10 ff., 4; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 170; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2009, S. 1195; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 230 ff.; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 136. 257

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zerngeschäftsleiters263 (gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB) in Betracht kommen, da sie per Weisungen oder Veranlassung den Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage vorsätzlich herbeigeführt haben.264 Da der Inferent beim Kapitalerhöhungsschwindel gesetzlich nicht als tauglicher Täter genannt wird und es sich dabei um echte Sonderdelikte handelt, kommt er zwar i.F.e. Kapitalerhöhungsschwindels nicht als Täter in Frage. Allerdings wird in der Lehre davon ausgegangen, dass beim Kapitalerhöhungsschwindel die strafrechtliche Verantwortung des Inferenten als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) in Betracht kommen könne.265 Dabei würde der Konzerngeschäftsleiter als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) nach § 28 Abs. 1 StGB eine mildere Strafe erhalten.266 bb) Gesellschaftsrechtlich Wie oben ausführlich dargestellt, befreit die Leistung der Bareinlage das herrschende Unternehmen beim Vorliegen verdeckter Sacheinlage nicht von seiner gesellschaftsrechtlicher Einlageverpflichtung, indes wird mit der Eintragung der Gesellschaft bzw. der Kapitalerhöhung in das Handelsregister der reale Wert der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft aus dem Cash Pool auf die Einlagepflicht kraft Gesetzes angerechnet. Durch die Anrechnung reduziert sich die Bareinlageschuld in Höhe des tatsächlichen Wertes der Forderung, sodass die Muttergesellschaft in dieser Höhe von ihrer Bareinlagepflicht befreit wird.267 Dementsprechend wirkt sich die Anrechnung bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage i.R.d. Cash Pooling in der Weise aus, dass die Einlageschuld des herrschenden Unternehmens um den realen Wert der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gegenüber der betreffenden Poolgesellschaft gemindert wird und insofern erlischt.268 Deckt der Wert der Forderung nicht die Bareinlageschuld, so bleibt das herrschende Unternehmen den Differenzbetrag schuldig.269

263 Handelt es sich beim herrschenden Unternehmen um eine Kapital- oder Personengesellschaft, kommt nur die Strafbarkeit dessen gesetzlicher Vertreter gemäß § 14 Abs. 1, N. 1, 2 StGB in Betracht, Gärtner, Cash Pooling, S. 693 Fn. 2536. 264 Gärtner, Cash Pooling, S. 626 f.; vgl. Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 94 i.V.m. S. 145 f. 265 MHLS/Dannecker, § 82, Rn. 78; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 2. 266 Gärtner, Cash Pooling, S. 627 Fn. 2243. 267 Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 74. 268 BGHZ 182, 103, Rn. 38, „Cash Pool II“; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 143; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 84, 130; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S.140. Siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 2., b). 269 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 81, 130; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 140; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 72 ff. Siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 2., b).

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c) Haftung des den Cash Pool betreuenden Kreditinstituts Im AG-Recht ist bei Einzahlung des Einlagebetrags durch Gutschrift auf ein Konto nach §§ 37 Abs. 1, S. 3, 188 Abs. 2 Satz 1 AktG durch eine Bestätigung des kontoführenden Kreditinstituts nachzuweisen, dass die Einzahlung zur Verfügung des Vorstands geleistet wurde. Im Falle einer falschen Bestätigung kommt gem. § 37 Abs. 1, S. 4 AktG die Haftung des Kreditinstituts in Betracht. Eine entsprechende Bankbestätigung wird zwar im GmbH-Recht – im Gegensatz zu AG-Recht – nicht verlangt und ist daher nicht erforderlich, aber § 37 Abs. 1, S. 4 AktG findet eine analoge Anwendung im GmbH-Recht, wenn eine falsche Bestätigung über die Einlageleistung aus dem kontoführenden Kreditinstitut hervorgeht.270 Für die Haftung des Kreditinstituts gem. § 37 Abs. 1, S. 4 AktG ist nach herrschender Meinung Verschulden nicht erforderlich; vielmehr geht es um Gewährleistungshaftung für Richtigkeit der eigenen Erklärung, sodass § 254 Abs. 1 BGB keine Anwendung findet.271 Die Haftung der Bank gegenüber der Gesellschaft besteht gleichrangig neben der übrigen Beteiligten.272 Für den Umfang der Haftung der Bank gem. § 37 Abs. 1, S. 4 AktG ist der „Erklärungsinhalt“ der Bankbestätigung von großer Bedeutung,273 über den in der Lehre kontrovers diskutiert wird.274 Zusammenfassend hat ein Teil der Lehre – mit Unterschieden im Einzelnen – ein einschränkendes Verständnis hinsichtlich des Inhalts der Bestätigung. Es wird im Ergebnis davon ausgegangen, dass dadurch lediglich bestätigt werde, dass der Vorstand gegenüber der Bank frei verfügen könne, insbesondere keine Gegenrechte der Bank bestehen würden und auch keine ihr aus der Kontoführung bekannten Rechte Dritter (wie aus Pfändung) vorhanden wären.275 Hingegen spricht sich ein Teil der Lehre und die Rechtsprechung vielmehr für einen umfangreicheren Inhalt aus, wonach die Bankbestätigung inhaltlich dieselbe Tragweite wie die Bestätigung der Anmelder gem. § 37 Abs. 1 S. 2 AktG (in GmbH gem. §§ 8 Abs. 2, 7 Abs. 2, 57 Abs. Abs. 2 GmbHG) hat.276 Allerdings wird zugleich darauf hingewiesen, dass die Bankbestätigung wegen der begrenzten Funktion einer Bank im Zusammenhang mit dem Kapitalaufbringungsprozess auf die Tatsachen beschränkt sei, die der Bank 270 BGHZ 113, 335, Rn. 351 ff.; BGHZ 119, 177, Rn. 180 f.; BGH v. 16. 12. 1996 – II ZR 200/95, NJW 1997, S. 945; Hüffer/Koch, § 37, Rn. 5a; Baumbach/Hueck/Zöllner/Fastrich, § 57, Rn. 39 m.w.N. 271 BGHZ 113, 335, Rn. 355; MünchKomm-AktG/Pentz, § 37, Rn. 37; Schmidt/Lutter/ Kleindiek, § 37, Rn. 15; Hüffer/Koch, § 37, Rn. 5a m.w.N. 272 BGHZ 113, 335, Rn. 355; MünchKomm-AktG/Pentz, § 37, Rn. 37. 273 GroßKomm-AktG/Röhricht/Schall, § 37, Rn. 26. 274 Für eine eingehende Darstellung verschiedener Meinungen über den inhaltlichen Aussagegehalt der Bankbestätigung s. GroßKomm-AktG/Röhricht/Schall, § 37, Rn. 26 ff.; MünchKomm-AktG/Pentz, § 37, Rn. 28; Wastl/Pusch, WM 2007, S. 1403 ff. 275 Statt vieler s. Hüffer/Koch, § 37, Rn. 3a m.w.N. 276 BGHZ 113, 335, Rn. 350; BGHZ 119, 177, Rn. 180 f.; BGHZ 175, 86, Rn. 96; GroßKomm-AktG/Röhricht/Schall, § 37, Rn. 32; MünchKomm-AktG/Pentz, § 37, Rn. 30 f.; Schmidt/Lutter/Kleindiek, § 37, Rn. 14 m.w.N.

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aufgrund ihrer Funktion bekannt sind.277 Die Bestätigung kann daher je nach Umständen und Kenntnisstand der Bank die gleiche oder eine geringere inhaltliche Tragweite haben als die Erklärungen der Anmelder.278 In Anbetracht der oben ausgeführten Erklärungen ist mit Blick auf das Cash Pooling festzustellen, dass bei verdeckter Sacheinlage auch die Haftung der den Cash Pool betreuenden Bank dann in Betracht kommen kann, wenn sie eine Bestätigung über die Leistung der Bareinlage zur freien Verfügung der Poolgesellschaft erteilt hat, diese aber deswegen nicht zutreffend wäre, weil die Einzahlung auf ein in Cash Pool einbezogenes und im Debet stehendes Konto der Poolgesellschaft geleistet wurde.279 Da allerdings die Abgabe einer derartigen Bestätigung im GmbH-Recht freiwillig ist, wird in der Literatur den Cash Pooling betreibenden Banken empfohlen, beim Vorliegen einer Poolgesellschaft in Form von GmbH von der Abgabe einer solchen Erklärung grundsätzlich abzusehen.280 6. Zusammenfassendes Ergebnis Zwar bleibt die verdeckte Sacheinlage weiterhin verboten und bei deren Vorliegen wird der Inferent nicht von seiner Einlageverpflichtung befreit, aber anders als früher gilt jetzt die „Anrechnungslösung“, derzufolge auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Inferenten der Wert des geleisteten Vermögensgegenstandes zum relevanten Zeitpunkt anzurechnen ist. Im Unterschied zur alten Rechtslage muss der Inferent also nur einmal die Einlage erbringen, sodass er dann nur noch für den Differenzbetrag zwischen der vereinbarten Bareinlage und dem realen Wert des verdeckt eingebrachten Gegenstandes haften muss („Differenzhaftung“). Demnach kann die Bareinlage anders als früher in Höhe des tatsächlichen Werts des geleisteten Gegenstands nicht mehr nachträglich geltend gemacht werden, da sie nunmehr um diesen Wert als getilgt gilt. Es lässt sich daher feststellen, dass die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage in §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG eher zum Nutzen des Inferenten gestaltet wurden. Denn sollte es trotz der verdeckten Sacheinlage zur Eintragung der Kapitalerhöhung bzw. der Gesellschaft kommen, hat der Inferent nur noch für die Differenz zu haften. Das Haftungsrisiko der Geschäftsführung der Gesellschaft wurde jedoch damit verschärft, weil sie bei falscher Angabe zivilrechtlich sowie strafrechtlich haftet.281

277 GroßKomm-AktG/Röhricht/Schall, § 37, Rn. 31 f.; BGHZ 175, 86, Rn. 96; ähnlich MünchKomm-AktG/Pentz, § 37, Rn. 30 f. 278 GroßKomm-AktG/Röhricht/Schall, § 37, Rn. 32; BGHZ 175, 86, Rn. 96. 279 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Fastrich, 20 Aufl., 2013, § 57, Rn. 39; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 95. 280 Jäger, DStR 2000, S. 1658. 281 Bormann/Ulrichs, DStR 2009, S. 645; Pentz, GmbHR 2009, S. 131; Komo, BB 2011, S. 2308 f.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Die Rechtsfolgen einer Barkapitalerhöhung im Cash Pooling bei Vorliegen des Tatbestandes einer verdeckten Forderungseinbringung sind demnach wie folgt zusammenzufassen: - Unter geltender Rechtslage hängt die Erfüllungswirkung der Barzahlung im Umfang der verdeckt eingebrachten Darlehensforderung im Cash Pooling davon ab, dass die verdeckt eingebrachte Darlehensforderung der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft vollwertig ist und damit der reale Wert der Forderung ihrem Nennwert entspricht. Ist die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Bareinlage an den Cash Pool solvent und damit die gegen sie gerichtete Darlehensforderung der Betreibergesellschaft vollwertig, entspricht der Nominalwert der Forderung ihrem realen Wert. Somit erlischt die Einlageschuld der Muttergesellschaft durch Anrechnung im Umfang der verdeckt eingebrachten Darlehensforderung völlig. Bleibt hingegen wegen mangelnder Bonität der betreffenden Poolgesellschaft der reale Wert der Forderung hinter deren Nennwert zurück, so bringt die Anrechnung die Einlageschuld der Muttergesellschaft nur teilweise, d. h. um den realen Wert der Forderung zum Erlöschen. So besteht die Einlageschuld der Muttergesellschaft in Höhe der Differenz fort. - Allerdings ist zu berücksichtigen dass die Bonität einer Poolgesellschaft, welche schon Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool hat, nicht (mehr) ausreichen dürfte, um eine gegen sie gerichtete Darlehensforderung vollwertig zu decken. So dürfte der reale Wert der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft in den meisten Fällen weit unter dem nominellen Betrag liegen. Daher müsste die Muttergesellschaft zumeist einen nicht unwichtigen Teil der Einlageschuld als Differenzbetrag noch einmal leisten. Aus diesem Grund lässt sich festhalten, dass die für die verdeckte Sacheinlage vorgesehene Anrechnungslösung des Gesetzes bei Cash Pooling-Konstellationen eigentlich nur für den Fall eine Erleichterung darstellt, wenn es sich um die Kapitalerhöhung einer solventen Poolgesellschaft und damit im Allgemeinen um einen wirtschaftlich gesunden Konzern handelt. - Dieses aus Sicht der Muttergesellschaft unerwünschte Ergebnis resultiert eigentlich aus der von der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung vertretenen „Bewertungsmethodik“ der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen, wonach es nicht auf den bilanziellen Nennwert der Forderung, sondern auf den nach der Bonität der Gesellschaft zu bewertenden realen Wert der Forderung ankommt („Werthaltigkeitserfordernis“). Auf der Basis der Gegenansicht, wonach die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen zum bilanziellen Nennwert einzubringen seien („Nennwertprinzip“), wären demgegenüber die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage in der Praxis des Cash Pooling anders. Infolge der Anrechnung des hiernach grundsätzlich entscheidenden Nennwerts der Darlehensforderungen würde nämlich die ausstehende Geldeinlagepflicht vollständig zum Erlöschen kommen und damit würde der Muttergesellschaft – im Gegensatz zur herrschenden Ansicht – keine Differenzhaftung drohen. Zum gleichen Ergebnis würde auch der Lösungsansatz der Vertreter einer weiteren

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Ansicht führen. Die Vertreter dieser Ansicht schlagen de lege ferenda vor, einen eigenständigen Verrechnungstatbestand – wie im schweizerischem Recht- in das Gesetz zu implementieren und damit die Einlageleistung direkt durch Verrechnung der Forderung zum Nennwert zuzulassen. Demnach sei keine Werthaltigkeitsprüfung nötig, sondern nur eine Prüfung auf den Bestand und auf die Verrechenbarkeit der Forderung hin erforderlich. Mit Blick auf die Auswirkungen dieser im deutschen Recht der herrschenden Ansicht entgegenstehenden Meinungen auf die Cash Pooling-Praxis ist folglich festzustellen, dass sie den Kapitalerhöhungsvorgang in Cash Pool-Konstellationen für den Fall erleichtern, dass die einbezahlten Geldmittel anschließend zur Tilgung der Darlehensschuld der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool verwendet werden. Denn dann würde es bei der Anrechnung nicht auf den realen Wert der Forderung, sondern auf den bilanziellen Nennwert der Forderung ankommen und die Forderung müsste nicht (mehr) tatsächlich vollwertig sein. So würde die Bareinlageschuld im Folge der Anrechnung direkt im Umfang des Nennwerts der Verbindlichkeit zum Erlöschen kommen. - Da die verdeckte Sacheinlage nach wie vor verboten ist, darf die Geschäftsführung der Poolgesellschaft bei deren Vorliegen bei der Anmeldung der Gründung bzw. Kapitalerhöhung nicht versichern, dass die Bareinlage der Gesellschaft zur freien Verfügung stehe. Meldet allerdings die Geschäftsführung der Poolgesellschaft nicht an, dass die betreffende Poolgesellschaft zum relevanten Zeitpunkt Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool (und damit mittelbar der Muttergesellschaft gegenüber) hat und kommt es trotz der verdeckten Sacheinlage zur Eintragung der Kapitalmaßnahme, macht sich die Geschäftsführung wegen falscher Versicherung gem. §§ 82 Abs. 1, Nr. 1, 3 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1, 4 AktG strafbar, auch wenn kein Schaden eingetreten ist. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen falscher Angaben zieht zusätzlich ein fünfjähriges Berufsverbot als Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglied nach sich (§§ 6 Abs. 2, S. 1, Nr. 3 lit. c GmbHG, 76 Abs. 3, S. 1, Nr. 3 lit. c AktG). Außerdem setzt sich die Geschäftsleitung der Poolgesellschaft bei einem schuldhaften Handeln einer zivilrechtlichen Haftung gem. §§ 9a, 43 GmbHG, 48, 93 AktG sowie § 823 Abs. 2 BGB aus. Im Gründungsstadium kann sich auch das herrschende Unternehmen bzw. der Konzerngeschäftsleiter als mittelbare Täter oder in Mittäterschaft gem. §§ 82 Abs. 1, Nr. 1 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1 AktG strafbar machen, wenn sie per Weisungen oder Veranlassung den Tatbestand einer verdeckten Sacheinlage vorsätzlich herbeigeführt haben. Demgegenüber kommt die Strafbarkeit des herrschenden Unternehmens bzw. des Konzerngeschäftsleiters im Kapitalerhöhungsstadium als Täter nicht in Betracht, aber nach der Lehre könnten sie als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) in Frage kommen. Ferner kann bei verdeckter Sacheinlage auch die Haftung der den Cash Pool betreuenden Bank dann in Betracht kommen, wenn sie trotz des Vorliegens eines im Debet stehenden Kontos der Poolgesellschaft eine Bestätigung über die Leistung der Bareinlage zur freien Verfügung der Poolgesellschaft erteilt hat.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

IV. Hin- und Herzahlen beim Cash Pooling 1. Einleitung Wie schon ausgeführt, liegt ein Hin- und Herzahlen in der Praxis von Cash Pooling vor, wenn die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung gegenüber der Betreibergesellschaft einen positiven bzw. ausgeglichenen Saldo ausweist, weil die einbezahlten Einlagemittel aufgrund des Cash Pool-Vertrags in kürzerer Zeit auf das Zentralkonto und damit mittelbar an die Muttergesellschaft zurückgeführt werden.282 Um die im Allgemeinen als unangemessen angesehenen Rechtsfolgen des Hin- und Herzahlens neu zu regeln und im besonderen283 die „ökonomisch sinnvolle“ Cash Pooling-Praxis zu erleichtern bzw. zu legitimieren,284 reguliert der Gesetzgeber des MoMiG in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG die Rechtsfolgen eines Hin- und Herzahlens abweichend von den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen. Er fu¨ hrt ebenso wie im Bereich der Kapitalerhaltung (§§ 30 GmbHG, 57 AktG) eine „bilanzielle Betrachtungsweise“ für den Fall des Hin- und Herzahlens im Stadium der Kapitalaufbringung ein.285 Anders als bei der verdeckten Sacheinlage erkennt er dem Hin- und Herzahlen „Erfüllungswirkung“ zu, vorausgesetzt, dass ausnahmslos alle vorgesehenen Anforderungen vollständig erfüllt sind.286 So wird das Hin- und Herzahlen unter den in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG normierten Voraussetzungen nicht mehr als tilgungsschädlich erachtet und die Einlagenerbringung wird trotz der späteren Rückzahlung für erfüllungswirksam gehalten. Umgekehrt bedeutet das, dass das Hin- und Herzahlen der Einlage grundsätzlich verboten bzw. unzulässig bleibt; nur unter den normierten, qualifizierten Voraussetzungen die Rückgewähr der Einlage für zulässig erklärt wird.287 Die Regelung von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG stellt also in diesem Zusammenhang einen „Sondertatbestand“ dar.288 282

Siehe Kapitel 3, § 2, B., I., 2. Die Norm ist nach h.M. nicht auf den Fall des Cash Pooling beschränkt, sondern auf alle Einlageleistungen anwendbar, so GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 180; Baumbach/ Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 70; a.A. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 21, wonach es bei der Fallgruppe des Hin- und Herzahlens ungeachtet der auf den ersten Blick weiteren Fassung des Gesetzes um nichts anderes gehen solle, als darum, das Cash Pooling bei der Kapitalaufbringung zu ermöglichen. 284 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 179 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 70, 84a. 285 Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35; Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 37; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 129. 286 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 179 f.; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 70. 287 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 179; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 70; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 183; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 159 f. m.w.N. Siehe auch für dieses „Regel-Ausnahme-Verhältnis“ BGHZ 182, 103, Rn. 19 „Cash Pool-II“. 288 Statt vieler: Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 159 f. m.w.N. 283

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2. Zulässigkeitsvoraussetzungen des Hin- und Herzahlens a) Anforderungen an den Rückgewähranspruch (§§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 1 AktG) aa) Vollwertigkeit Der Gesetzgeber betont in den Gesetzesmaterialien, dass er bei der Neukonzeption des Hin- und Herzahlens bei der Kapitalaufbringung in Übereinstimmung mit den Kapitalerhaltungsregeln (§§ 30 Abs. 1, S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1, S. 3, 2. Alt. AktG) auf „bilanzielle Betrachtungsweise“ abstellt.289 Dementsprechend setzt er als eine Erfüllungsvoraussetzung der Einlageleistung (also des Hinzahlens) voraus, dass die Leistung (das Herzahlen) der Gesellschaft durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist (§§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, § 27 Abs. 4, S. 1 AktG). Allerdings sieht der Gesetzgeber für die Erfüllungswirkung der Einlageleistung ein sog. „Alles-oder-nichts“-Prinzip vor, welches eine vollumfängliche Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs erfordert.290 Aufgrund dieses Konzepts muss der Rückgewähranspruch mit seinem vollen Nennwert, also bilanziell zu 100 % angesetzt werden, damit die Erfüllungswirkung der Einlage trotz der späteren Rückzahlung eintreten kann.291 Eine teilweise Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs führt also nicht zu einer anteiligen Anrechnung. Entweder kommt die Einlageschuld vollständig zum Erlöschen („alles“) oder besteht die Einlageschuld vollständig fort („nichts“). Anders als bei der verdeckten Sacheinlage ist also eine anteilige Tilgungslösung nicht möglich. Daher muss die Betreibergesellschaft vollständig solvent sein, damit das Cash Pooling-System von dem Privileg von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG Gebrauch machen kann und der Barzahlung der Muttergesellschaft trotz der Rückzahlung der einbezahlten Mittel Tilgungswirkung zuerkannt wird. Diese aus dem „Alles-oder-nichts“-Konzept resultierende Einschränkung292 wird allerdings im Schrifttum dahingehend kritisiert, dass diese Herangehensweise mit den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen nicht in Einklang stehe.293 Bilanziell sei nämlich eine Forderung mit dem Wert auf die Einlageschuld anzurechnen, der ihr nach Bilanzgrundsätzen zukommt.294 Nach dem „Alles-oder-nichts“-Konzept des 289

Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35; Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 37. 290 Ausführlich zum „Alles-oder-nichts“-Prinzip: Kapitel 3, § 2, C., IV., 2., c). 291 Scholz/Veil, § 19, Rn. 182; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 187; Heinze, GmbHR 2008, S. 1070 f.; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 157 f. 292 Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 158. 293 Markwardt, BB 2008, S. 2420; Herrler, DB 2008, S. 2347, 2351; ders., DStR 2011, S. 2300; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 281 Fn. 1300, 370; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 257 f.; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 158. 294 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 370.

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Gesetzgebers, welches er als „streng bilanzielle Betrachtung“ bezeichnet,295 sei jedoch die Forderung nicht mit ihrem bilanziellen Wert, sondern entweder ganz oder gar nicht anzusetzen.296 Das Konzept, wonach eine Forderung, die wegen eines gewissen Ausfallrisikos zu 30 % ihres Nennbetrags abzuschreiben sei, völlig wertlos zu behandeln sei, stehe freilich nicht in Einklang mit allgemeinem bilanziellen Denken.297 Daher wird in der Lehre angemerkt, dass der Gesetzgeber im Unterschied zur verdeckten Sacheinlage beim Hin- und Herzahlen die (reine) bilanzielle Betrachtungsweise verlassen habe,298 obwohl er mehrfach betont habe, dass bei den Neuregelungen im Bereich der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung auf die bilanzielle Betrachtungsweise abzustellen sei.299 Der für die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs maßgebliche Zeitpunkt soll nach ganz überwiegender Meinung generell der Moment sein, in dem die Mittel an den Inferenten ausgereicht werden.300 Mit Blick auf das Cash Pooling sei dies nach dem BGH „der Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagebetrags auf das Zentralkonto“.301 Es wird allerdings in der Literatur vereinzelt differenziert und für den Fall, dass die Mittelausreichung vor der Anmeldung erfolgt, auf den Zeitpunkt der Anmeldung abgestellt.302 Auf den Zeitpunkt der Mittelausreichung sei demnach erst dann abzustellen, wenn die Rückzahlung nach der Anmeldung erfolge. Denn aufgrund der materiell rechtlichen Wirkung der Offenlegung könne die Erfüllung der Einlageforderung frühestens zum Zeitpunkt der Offenlegung erfolgen und aus Gläubigerschutzgesichtspunkten solle die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs auch nicht zu diesem Zeitpunkt gegeben sein. Andernfalls würde der Geschäftsführer eine unrichtige Versicherung abgeben, was insofern wertungswidersprüchlich zur Erfüllung des Einlageanspruchs wäre und die materiell-rechtliche Wirkung der Offenlegung konterkarieren würde.303 Ferner gibt es auch Autoren, die jeweils auf 295 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35; Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 37. 296 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 281 Fn. 1300. 297 Markwardt, BB 2008, S. 2420; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 370. 298 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 370; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 263; Markwardt, BB 2008, S. 2420; Herrler, DStR 2011, S. 2257 Fn. 24; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 158. 299 Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35; Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 37. 300 OLG Schleswig v. 09. 05. 2012 – 2 W 37/12, GmbHR 2012, S. 911 f.; Scholz/Veil, § 19, Rn. 183; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 187; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 79; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 95; Bormann, GmbHR 2007, S. 902; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 782. 301 BGHZ 182, 103, Rn. 10, „Cash Pool-II“. 302 Markwardt, BB 2008, S. 2420; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1436; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 348. 303 Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1436; kritisch dazu Gärtner, Cash Pooling, S. 656.

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den Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister304 oder auf den Zeitpunkt der Fälligkeit305 als Bezugspunkt bei der Vollwertigkeitsbeurteilung abstellen. bb) Fälligkeit Im Entwurf der Bundesregierung zum MoMiG begnügte man sich lediglich mit der Vollwertigkeitsvoraussetzung des Rückgewähranspruchs beim Hin- und Herzahlen.306 Dies wurde allerdings in der Literatur unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringungsgrundsätze kritisiert.307 Das Vollwertigkeitskriterium eigne sich nämlich allein nicht für die Gewährleistung der freien Verfügbarkeit. Daher solle der Gegenleistungsanspruch nicht nur vollwertig, sondern auch voll liquide und damit so gut wie Bargeld oder Kontoguthaben sein.308 Insbesondere hinsichtlich einer unbedenklichen Cash Pooling-Praxis wurde vorgeschlagen, das Erfordernis des „vollwertigen“ Gegenleistungsanspruchs durch den Zusatz „voll liquide“ o. ä. zu erweitern.309 Diesem Vorschlag folgend hat der Rechtsausschuss zum MoMiG das Erfordernis der Fälligkeit in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen.310 Dazu wurde in der Begründung erklärt, dass der Ru¨ ckzahlungsanspruch zur Sicherung der Kapitalaufbringung auch liquide in dem Sinne sein müsse, dass er jederzeit fällig sei bzw. durch Ku¨ ndigung seitens der Gesellschaft fällig gestellt werden könne. Denn bei einem erst nach längerer Zeit ku¨ ndbaren Darlehen sei beispielsweise eine Prognose sehr unsicher, ob der Ru¨ ckzahlungsanspruch tatsächlich vollwertig sei.311 Durch die Einfügung des Erfordernisses der Fälligkeit wird schließlich die Vermeidung des Wertungskonflikts mit Kapitalaufbringungsgrundsätzen bezweckt und dadurch gewährleistet, dass die Geschäftsführer weiterhin die erforderliche freie Verfügung über die Einlage haben, wenn sie jederzeitigen Zugriff auf die an den Inferenten zurückgeflossenen Bareinlage haben.312 Während mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis in der Literatur die bloße Möglichkeit, auf Mittel des Cash Pools zugreifen zu können, hinsichtlich der Fäl304

Büchel, GmbHR 2007, S. 1067. Gärtner, Cash Pooling, S. 656. 306 RegE. zum MoMiG vom 25. 05. 2007, Drucksache 354/07, S. 4 f.: „Die vor Einlage getroffene Vereinbarung einer Leistung an den Gesellschafter, die wirtschaftlich einer Einlagenru¨ ckgewähr entspricht und die nicht bereits als verdeckte Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 zu beurteilen ist, steht der Erfu¨ llung der Einlagenschuld nicht entgegen, wenn sie durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Ru¨ ckgewähranspruch gedeckt ist (§ 8 Abs. 2, S. 2 GmbHGE).“ 307 Siehe insb. Ulmer, ZIP 2008, S. 54. 308 Ulmer, ZIP 2008, S. 54. 309 Ulmer, ZIP 2008, S. 54. 310 Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56. 311 Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56. 312 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 78. 305

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ligkeit für ausreichend gehalten wird,313 stellt der BGH an die Voraussetzung jederzeitiger Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs im Cash Pool weitergehende Ansprüche: „Die Gesellschaft muss den der Einbeziehung in den Cash Pool zugrunde liegenden Vertrag nicht nur bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse im Regelfall (§ 490 Abs. 1 BGB) oder aus wichtigem Grund nach einer Abwägung der beiderseitigen Interessen (§ 314 Abs. 1 BGB), sondern jederzeit ohne Einschränkung kündigen können.“314„Die Gesellschaft müsse das Recht haben, den Cash Management Vertrag insgesamt jederzeit fristlos ohne wichtigen Grund zu kündigen.“315 Der BGH hält also nicht nur die bloße Möglichkeit, auf Mittel des Cash Pools zugreifen zu können, für unzureichend, sondern er sieht auch die gesetzlich vorgesehenen allgemeinen Kündigungsrechte (§§ 490, 314 BGB) für die Fälligkeit des Rückerstattungsanspruchs i.R.d. Cash Pooling als nicht hinreichend an.316 Die Gesellschaft müsse das Recht haben, den Cash Management Vertrag insgesamt jederzeit fristlos und ohne wichtigen Grund zu kündigen.317 Unter Beachtung der durch das BGH im Cash Pool-II-Urteil gestellten Ansprüche an die Fälligkeit im Cash Pool müssen schließlich die Cash Pool-Verträge derart gestaltet werden, dass entweder der Poolgesellschaft ein fristloses ordentliches Kündigungsrecht eingeräumt oder vereinbart wird, dass der Rückzahlungsanspruch mit der entsprechenden Aufforderung der Poolgesellschaft sofort fällig wird.318 Jegliche Einschränkung eines Kündigungsrechts ist demnach unzulässig.319 cc) Liquidität In der Lehre ist anzutreffen, dass ausgehend vom Gesetzeszweck über den Wortlaut der Vorschrift hinaus gegangen wird und unter teleologischer Auslegung der Vorschrift auch die „Liquidität“ des Rückgewähranspruchs als ein weiteres Tatbestandsmerkmal verlangt wird.320 In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, dass der Rückgewähranspruch auch in dem Sinne nach objektiven Maßstäben liquide sein müsse, dass der Durchsetzung des Rückgewähranspruchs keine Einwendungen oder Einreden entgegenstehen und auch der Rückgewähranspruch nach Grund und 313

So Ulmer, ZIP 2008, S. 54. BGHZ 182, 103, Rn. 28, „Cash Pool-II“. 315 BGHZ 182, 103, Rn. 27, „Cash Pool-II“. 316 Lieder, GmbHR 2009, S. 1182 f. 317 BGHZ 182, 103, Rn. 27, „Cash Pool II“. 318 Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 156; siehe auch Baumbach/Hueck/Zöllner/ Fastrich, § 56a, Rn. 7, welche an der praktischen Durchsetzbarkeit des jederzeitigen Kündigungsrechts gegenüber dem herrschenden Unternehmen bei Cash Pooling zweifeln. 319 Theusinger, NZG 2009, S. 1018. 320 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 116; Schmidt/Lutter/Bayer, § 27, Rn. 110; Lieder, GmbHR 2009, S. 1183; KölnKomm-AktG/Arnold, § 27, Rn. 145; Hüffer/Koch, § 27, Rn. 50; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 251; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 229; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 350; Herrler, DStR 2011, S. 2259; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 123 f. m.w.N. 314

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Höhe außer Zweifel stehe. Damit wird also bezweckt, dass die Gesellschaft auf die Einlagemittel in ähnlicher Weise zugreifen kann, als wären sie auf ein Bankkonto eingezahlt worden.321 Die Nichtbeachtung der vorstehenden Aspekte solle nach dieser Auffassung eine bilanzielle Abwertung des Rückzahlungsanspruchs nach sich ziehen und dazu führen, dass die Forderung nicht mehr als vollwertig eingestuft werden kann.322 Aufgrund dieser Auswirkung der Liquidität auf die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird in der Lehre zudem die Auffassung vertreten, die Liquidität nicht als ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Vorschrift, sondern als Bestandteil des Merkmals der Vollwertigkeit anzusehen und sie bei der Bewertung der Vollwertigkeit mitzuberücksichtigen.323 Ferner gibt es jedoch auch Autoren, die die Liquidität als Oberbegriff für die Fälligkeit324 oder gleichbedeutend mit Fälligkeit verwenden.325 b) Offenlegung des verabredeten Hin- und Herzahlens In den ersten Sätzen von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG bestimmt der Gesetzgeber die „Vollwertigkeit“ und „Fälligkeit“ des Rückerstattungsanspruchs ganz explizit als Erfüllungsvoraussetzungen des Hin- und Herzahlens. Anschließend sieht er in den zweiten Sätzen jeweiliger Vorschriften eine Anzeigepflicht der Geschäftsleitung in der Anmeldung vor (§§19 Abs. 5, S. 2 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 2 AktG). Demnach ist die Leistung der Gesellschaft an Inferenten oder die Vereinbarung einer von ihr zu erbringenden Leistung an ihn vom Geschäftsführer in der Anmeldung nach §§ 8 GmbHG, 37 AktG anzugeben und damit offenzulegen. Diese Offenlegungspflicht des Hin- und Herzahlens wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags in den Gesetzestext aufgenommen.326 Zur Begründung der Notwendigkeit der Anmeldungspflicht führt der Rechtsausschuss aus, dass dem Registergericht ermöglicht wird, zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Erfüllungswirkung (Vollwertigkeit und Liquidität des Rückgewähranspruchs) gegeben sind.327 321

MünchKomm-GmbHG/Märtens, 1. Aufl., 2010, § 19, Rn. 311; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 123. 322 Spindler/Stilz/Herrler, § 19, Rn. 251; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 124. 323 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 348 f. 324 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 190. 325 Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1436; Gärtner, Cash Pooling, S. 658. 326 Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56; für die Entstehungsgeschichte des § 19 Abs. 5 GmbHG siehe statt vieler: MünchKomm-GmbHG/ Schwandtner, § 19, Rn. 316 ff., insb. 320 zur Offenlegungspflicht. 327 Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56. Siehe auch: OLG München v. 17. 02. 2011 – 31 Wx 246/10, GmbHR 2011, S. 422 f.; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19, Rn. 191; Scholz/Veil, § 19, Rn. 187; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 351; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1436.

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Ob der Pflicht zur Offenlegung eine – wie die im ersten Satz festgestellten Voraussetzungen – konstitutive Wirkung zukommt und damit die Offenlegung eine materielle Voraussetzung für das Eintreten der Erfüllungswirkung ist, oder ob es sich dabei nur um eine formell-rechtliche Pflicht der Geschäftsleitung handelt, wird durchaus kontrovers diskutiert. Nach wohl herrschender Meinung328 sowie der diese Ansicht mehrmals bestätigenden Rechtsprechung des BGH329 sei auch die Offenlegung eine materielle Erfüllungsvoraussetzung, sodass die Einlageforderung nicht erfüllt sei, wenn die Offenlegung unterbleibe.330 Demnach soll der Einlageleistung bei Fehlen der Offenlegung i.S.d. §§ 19 Abs. 5, S. 2 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 2 AktG keine Erfüllungswirkung beigemessen werden, auch wenn die Voraussetzungen des §§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 1 AktG vorliegen. Diese Ansicht stützt sich hauptsächlich auf den Gesetzeszweck:331 Mit der Offenlegungspflicht sehe das Gesetz nämlich eine präventive Prüfung durch das Registergericht vor, die nur durchgeführt werden könne, wenn das Hin- und Herzahlen bei der Anmeldung offenbart werde. Die entscheidende Funktion der Offenlegung sei also die Ermöglichung der Werthaltigkeitsprüfung durch das Registergericht. Diese für die Kapitalaufbringung aus Gläubigerschutzgesichtspunkten notwendige Wertdeckungskontrolle würde konterkariert, wenn die Erfüllung der Einlageverbindlichkeit auch ohne sie eintreten könnte.332 Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis sollte demnach die Offenlegung in der Weise erfolgen, dass in der Anmeldung der Kapitalmaßnahme angegeben werden muss, dass die betreffende Gesellschaft an einem Cash Pool teilnehmen wird oder 328 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 191; Scholz/Veil, § 19, Rn. 187; MünchKommGmbHG/Märtens, 1. Aufl., 2010, § 19, Rn. 316; Wicke, § 19, Rn. 35; Markwardt, BB 2008, S. 2420 f.; Wälzholz, GmbHR 2008, S. 846; Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.13; Katschinski/ Rawert, ZIP 2008, S. 1999 f.; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1436; Pentz, GmbHR 2009, S. 511; Heckschen, DStR 2009, S. 173; Blasche, GmbHR 2010, S. 293; Komo, BB 2011, S. 2311; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 158 f. 329 BGHZ 180, 38, Rn. 16, „Qivive“; BGHZ 182, 103, Rn. 25, „Cash Pool-II“; ihm folgende instanzgerichtliche Rechtsprechungen u. a.: OLG München v. 17. 02. 2011 – 31 Wx 246/10, GmbHR 2011, S. 422 f.; OLG Stuttgart v. 06. 09. 2011 – 8 W 319/11, BB 2011, S. 2897 ff. (zur AG). 330 Die konstitutive Wirkung der Offenlegung gilt nach BGH sogar auch für das Hin- und Herzahlen, welches vor dem Inkrafttreten der Neuregelung erfolgt ist. BGHZ 182, 103, Rn. 25, „Cash Pool-II“ in Anlehnung an BGHZ 180, 38, Rn. 16, „Qivive“. Kritisch dazu insb. Altmeppen, ZIP 2009, S. 1548; Theusinger, NZG 2009, S. 1018; Bormann, GmbHR 2009, S. 930 f. Es wird geäußert, dass die Anordnung der Rückwirkung (§ 3 Abs. 4 EGGmbHG) der Neuregelung zum Hin- und Herzahlen in § 19 Abs. 5 GmbHG faktisch wirkungslos werde, weil keine Fälle denkbar seien, in denen bei Gründung oder Kapitalerhöhung vor Inkrafttreten der Neuregelung die Voraussetzungen des Abs. 5 erfüllt sind. 331 Insb.: MünchKomm-GmbHG/Märtens, 1. Aufl., 2010, § 19, Rn. 316; Schluck-Amend/ Penke, DStR 2009, S. 1436; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 191; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 159; vgl. auch Bericht des Rechtsausschusses zum MoMiG, BT-Drucks. 16/9737, S. 56. 332 Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1436; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 191.

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bereits teilgenommen hat und sie daher den eingezahlten Betrag kurzfristig auf den Cash Pool und damit auf das Konto der Muttergesellschaft einzahlen wird.333 Es sollte allerdings an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass die konstitutive Wirkung der Offenlegungspflicht im Schrifttum nicht unumstritten ist. Insbesondere die Formulierung der Vorschrift und die systematische Stellung der Offenlegungspflicht in einem eigenständigen Satz334 veranlassen eine nicht unerhebliche Zahl der Autoren dazu, die Qualifikation der Offenlegung als materielle Erfüllungsvoraussetzung abzulehnen.335 Für eine Einordnung als nur formelle, eigenständige Pflicht und gegen die Qualifizierung als eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Offenlegung spreche nach der Gegenansicht vor allem die Formulierungsweise der Norm.336 Nach der Gesetzesfassung trete nämlich die Erfüllung ein, wenn (allein) die Voraussetzungen des ersten Satzes der §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG gegeben sind. Die systematische Verortung der Anmeldepflicht in einem separaten Satz 2 führe zur Annahme, dass die Erfüllungswirkung vielmehr allein nach den im Satz 1 vorgesehenen Voraussetzungen beurteilt werden müsse und von der im Satz 2 geregelten Offenlegungspflicht unbeeinträchtigt bleiben müsse. Mit anderen Worten, dass die Offenlegungspflicht nicht im ersten Satz der Vorschriften, sondern in einem gesonderten zweiten Satz geregelt werde, spreche also für die bloße Pflicht der Geschäftsführer ohne Einfluss auf Wirksamkeit der Leistungserbringung.337 Die Verknüpfung von Erfüllung und Offenlegung entspreche zudem nicht der Grundintention des Gesetzgebers, das betriebswirtschaftlich sinnvolle Cash Pooling zu privilegieren.338 Allein entscheidend müsse danach uneingeschränkte Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs und seine dauerhaft geleistete Liquidität sein. Gegen die Qualifizierung als Wirksamkeitsvoraussetzung spreche im Übrigen, dass der Inferent keinen Einfluss darauf habe, ob der Geschäftsführer bei der Anmeldung seiner 333

Markwardt, BB 2008, S. 2420. Für diesen Aspekt siehe statt vieler: Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 80; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 122. 335 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 80; Herrler, DStR 2011, S. 2257 f.; ders., GmbHR 2010, S. 786; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 113; Altmeppen, NZG 2010, S. 445; ders., ZIP 2009, S. 1546 f.; Theusinger, NZG 2009, S.1018; Goette/Habersack/Winter, Rn. 2.53; Roth, NJW 2009, S. 3398 f.; Schockenhoff/Wexler-Uhlich, NZG 2009, S. 1328 f.; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 409 ff.; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 226 f.; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 81 f.; auch kritisch und zweifelnd: Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 122 f.; Bayer/Schmidt, ZGR 2009, S. 837, welche aber zugleich darauf hinweisen, dass sich der Gesetzeszweck eher für eine Qualifizierung als materielle Voraussetzung ausspreche, auch wenn der Wortlaut der Norm das Gegenteil ausdrücke. 336 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 80; Herrler, DStR 2011, S. 2257 f.; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 113; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 122; Bayer/Schmidt, ZGR 2009, S. 837; Goette/Habersack/Winter, Rn. 2.53; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 226 f. 337 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 80; Herrler, DStR 2011, S. 2257 f.; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 113; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 122; Bayer/Schmidt, ZGR 2009, S. 837. 338 Altmeppen, NZG 2010, S. 445. 334

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Offenlegungspflicht nachkommt, obwohl er von der fortbestehenden Einlagepflicht bei fehlender Tilgungswirkung der Geldeinlage unmittelbar betroffen ist.339 Daher sei die Offenlegungspflicht nach der Gegenansicht keine materielle Erfüllungsvoraussetzung und die Tilgung der Einlageschuld bei Vorliegen eines Hin- und Herzahlens nicht von deren Offenlegung in der Handelsregisteranmeldung abhängig zu machen, wenn die Voraussetzungen des ersten Satzes von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG erfüllt seien. Als Sanktion für eine Verletzung der Offenlegungspflicht bleibe nach dieser Auffassung lediglich eine straf- und ggf. zivilrechtliche Haftung des Geschäftsleiters.340 c) „Alles-oder-nichts“-Prinzip In Gesetzesmaterialien wird ganz explizit zum Ausdruck gebracht, dass der Einlageleistung im Falle eines Hin- und Herzahlen nur dann Erfüllungswirkung zukommt, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen des §§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 1 AktG – insbesondere die Vollwertigkeit des Rückerstattungsanspruchs – in vollem Umfang gewährleistet sind (sog. „Alles-oder-nichts“ Prinzip).341 Dieser Wille des Gesetzgebers wird in der Gegenäußerung der Bundesregierung dadurch klargestellt, dass der Vorschlag des Bundesrates342 zur teilweisen Erfüllungsmöglichkeit der Einlage explizit abgelehnt und stattdessen für das „Alles-oder Nichts Prinzip“ entschieden wurde.343 Demnach findet beim Vorliegen eines Hinund Herzahlens – anders als bei der verdeckten Sacheinlage – keine anteilige Anrechnung bzw. Tilgung der Einlageforderung (also keine Differenzhaftung) statt, sondern es wird vorausgesetzt, dass die für den Rückgewähranspruch vorgesehenen Anforderungen und damit insbesondere die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs in vollem Umfang gewährleistet werden, damit die Erfüllungswirkung der Einlage im Falle des Hin- und Herzahlens eintreten kann.344 Zur Rechtfertigung dieser Ungleichheit zwischen der verdeckten Sacheinlage und dem Hin- und Her339

Goette/Habersack/Winter, Rn. 2.53; Herrler, DStR 2011, S. 2258. Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 113; Schockenhoff/Wexler-Uhlich, NZG 2009, S. 1329. 341 Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 76; Lutter/hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 124; Altmeppen, NZG 2010, S. 445; Gärtner, Cash Pooling, S. 690. 342 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 16/6140, S. 66: „In Artikel 1 Nr. 9 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb § 8 Abs. 2 Satz 2 ist das Wort „wenn“ durch das Wort „soweit“ zu ersetzen … Durch den Gebrauch des Wortes „soweit“ könnte klarer zum Ausdruck gebracht werden, dass die Einlageschuld jedenfalls in Höhe des tatsächlichen Wertes des Gegenanspruchs als erfu¨ llt anzusehen und nur hinsichtlich des ungedeckten Restbetrages eine Nachzahlung erforderlich ist.“ Für Befürworter teilweiser Erfüllungswirkung im Schrifttum siehe: Wirsch, GmbHR 2007, S. 739 und Fn. 25; Bormann, GmbHR 2007, S. 902 Fn. 60; Grünewald, Stellungnahme zum MoMiG, S. 6. 343 Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 76. 344 Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 76; Markwardt, BB 2008, S. 2420; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 124; Altmeppen, NZG 2010, S. 445; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 157 ff. 340

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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zahlen zieht die Bundesregierung die strukturelle Unterschiedlichkeit der Rechtsinstitute heran:345„Anders als bei einer verdeckten Sacheinlage erreicht die Gesellschaft (beim Hin- und Herzahlen) weder ein tatsächlicher Mittelzuwachs noch wird eine Altforderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft getilgt, sondern es soll die Einlagenleistung durch eine neu begru¨ ndete schuldrechtliche Forderung ersetzt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung ist eine schuldrechtliche Neuforderung in jedem Fall ein ,Minus‘ gegenu¨ ber der (wenn auch verdeckten) Einbringung einer Sacheinlage“. Weiter führt sie dazu aus: „Dass bei einer verdeckten Sacheinlage die Sacheinlage den Wert der geschuldeten Einlagenleistung unterschreitet, bedeutet nicht, dass der Gesellschafter auch den Anspruch auf die Differenz nicht erfu¨ llen kann. Ist der Ru¨ ckzahlungsanspruch wegen mangelnder Solvenz des Gesellschafters nicht vollwertig, so macht es rechtspolitisch wenig Sinn, trotzdem eine teilweise Erfu¨ llung anzunehmen und allein hinsichtlich der Differenz den urspru¨ nglichen Einlagenanspruch aufrechtzuerhalten, den der Gesellschafter wegen fehlender Solvenz auch nicht wird erfu¨ llen können. In diesen Fällen sollte vielmehr das ,Herzahlen‘ von vornherein vollständig unterbleiben und die Gesellschaft die ihr urspru¨ nglich zugefu¨ hrte Leistung behalten.“ Aus den hier erwähnten Gründen legt schließlich der Gesetzgeber in Bezug auf das Hin- und Herzahlen eine „streng bilanzielle Betrachtungsweise“ an.346 Im Schrifttum wird allerdings teilweise kritisiert, dass für den Fall der verdecken Sacheinlage („Anrechnungslösung“) und für den Fall des Hin- und Herzahlens („Alles-oder-nichts“-Konzept) unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen wurden.347 Es wird einerseits auf die Abgrenzungsprobleme zwischen den Rechtsinstituten aufmerksam gemacht,348 andererseits darauf hingewiesen, dass diese beiden Fälle unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten identisch seien und daher ein Gleichlauf zwischen relevanten Regelungen geschaffen werden solle.349 Auch der Bundesrat, der für das Hin- und Herzahlen ebenfalls die Differenzlösung vorschlug, hielt die Ungleichbehandlung dieser nah beieinander liegender Fallgestaltungen zur Umgehung der Verpflichtung zur Barkapitalaufbringung sachlich für nicht gerechtfertigt.350 Rechtspolitisch gesehen wird indessen das „Alles-oder-nichts“Konzept und die damit geschaffene Ungleichbehandlung des Hin- und Herzahlens auf der Rechtsfolgenseite überwiegend als gerechtfertigt angesehen.351 Parallel zu 345

Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 76. Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 76. 347 Kallmeyer, DB 2007, S. 2756; Drygala, NZG 2007, S. 564; Wirsch, GmbHR 2007, S. 739; Hentzen/Schwandtner, ZGR 2009, S. 1023 ff.; wohl auch Grünewald, Stellungnahme zum MoMiG, S. 6; Schmidt, GmbHR 2008, S. 452; Wicke, § 19, Rn. 35. 348 Kallmeyer, DB 2007, S. 2756. 349 Wirsch, GmbHR 2007, S. 739. 350 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 16/6140, S. 66. 351 Gesell, BB 2007, S. 2247; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 124; Markwardt, BB 2008, S. 2420; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 281, 369; Spindler/ Stilz/Herrler, § 27, Rn. 265; Gärtner, Cash Pooling, S. 690; i.E. Jordans, Die verdeckte 346

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

relevanten Ausführungen der Bundesregierung wird auch in der Lehre zur Rechtfertigung dieser Ungleichheit der strukturelle Unterschied zwischen der Rückzahlungsforderung (beim Hin- und Herzahlen) und dem eingebrachten Sachwert (bei verdeckter Sacheinlage) betont.352 Mit Blick auf die Auswirkungen des „Alles-oder-nichts“-Konzepts auf die Cash Pooling-Praxis ist schließlich aus den vorstehenden Darlegungen zu schlussfolgern, dass erstens der Rückzahlungsanspruch der Poolgesellschaft vollumfänglich vollwertig, fällig und/oder liquide sein muss. Für den Geschäftsführer der Poolgesellschaft bedeutet das, dass er sich vor der Weiterleitung des Einlagebetrags von der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit der Betreibergesellschaft zu überzeugen hat.353 Ergeben sich Zweifel oder Unregelmäßigkeiten, darf eine Auszahlung ohne Sicherheitenbestellung nicht stattfinden.354 Es wird überwiegend angenommen, dass §§ 9c Abs. 1, S. 2 GmbHG, 38 Abs. 2, S. 2 AktG (Unerheblichkeit einer nur geringfügigen Wertdiskrepanz) als auf Sacheinlagen beschränkte Ausnahmevorschrift nicht im Wege der Analogiebildung auf die Einlagerückgewähr nach §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG übertragen werden kann.355 Ist also der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft zum Zeitpunkt seiner Entstehung bzw. der Anmeldung nur teilweise vollwertig, fällig und/oder liquide, scheidet die Tilgung der Einlagenverbindlichkeit komplett aus.356 Außer der vollständigen Vollwertigkeits- und der Fälligkeitsvoraussetzung muss auch die Offenlegungspflicht über den Vorgang des Hin- und Herzahlens und damit die Teilnahme der betreffenden Poolgesellschaft an dem Cash Pooling-Verfahren von der Geschäftsführung bei der Anmeldung erfüllt sein. Die Tilgungswirkung der Barzahlung der Muttergesellschaft tritt schließlich im Falle eines Hin- und Herzahlens dann ein, wenn der Rückgewähranspruch der Poolgesellschaft vollständig vollwertig und fällig ist und die im Rahmen des Cash Pooling-Verfahrens zu erfolgende Rückzahlung der einbezahlten Mittel bei der Anmeldung der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung offengelegt wurde. Sacheinlage, S. 258; Handelsrechtsausschuss von DAV, Stellungnahme zur MoMiG, NZG 2007, S. 738, Rn. 33; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 159 m.w.N. Kritisch hingegen wegen der strengeren haftungsrechtlichen Rechtsfolgen für die Geschäftsleiter Schmidt, GmbHR 2008, S. 452; ihm zustimmend Wicke, § 19, Rn. 35. 352 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 124; Schmidt/Lutter/Bayer, § 27, Rn. 115; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 265; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 369 f.; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 257 f.; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 159 m.w.N. 353 Lieder, GmbHR 2009, S. 1184. 354 Lieder, GmbHR 2009, S. 1184; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 264. 355 Lieder, GmbHR 2009, S. 1183 f.; Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, Rn. 197; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 264; ders., DNotZ 2008, s. 906; ders., DB 2008, S. 2349; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 164 f. m.w.N. A.A. Spindler/ Stilz/Servatius, § 188, Rn. 88, ihm zufolge bei formalen oder klar abgrenzbaren Mängeln eine anteilige Tilgung der Einlageforderung bejaht werden solle. 356 Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 264; ders., DNotZ 2008, s. 906; ders., DB 2008, S. 2349; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 164 f. m.w.N. Für die Rechtsfolgen siehe Kapitel 3, § 2, C., IV., 3., a), aa).

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3. Rechtsfolgen a) Beim Vorliegen aller Voraussetzungen aa) Eintritt der Erfüllungswirkung der Einlagepflicht der Muttergesellschaft Sofern der Rückzahlungsanspruch der Poolgesellschaft gegen die Betreibergesellschaft vollständig vollwertig und fällig ist und das verabredete Hin- und Herzahlen, d. h. die aufgrund des Cash Pooling-Verfahrens verabredete Rückzahlung des Einlagebetrags an den Cash Pool in der Anmeldung ordnungsgemäß offengelegt wurde, erlischt die Einlageforderung der Poolgesellschaft in Höhe des von der Muttergesellschaft geleisteten Betrags vollständig und damit wird die Muttergesellschaft von seiner Einlageverpflichtung befreit.357 Auch wenn in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG eine vergleichbare Regelung wie bei verdeckter Sacheinlage (in §§ 19 Abs. 4, S. 2 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 2 AktG) nicht ausdrücklich geregelt ist, wird im Schrifttum aus dem Konzept des legalisierten Erfüllungsvorgangs gefolgert, dass auch hierunter sowohl die Abrede als auch die der Rückzahlung zugrundeliegende schuldrechtliche Vereinbarung (der Darlehensvertrag) nach neuer Rechtslage voll wirksam seien.358 Die Erfüllung aller Voraussetzungen hat zur Folge, dass die Einlageforderung der Poolgesellschaft vollständig erlischt und an die Stelle des Einlageanspruchs ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch tritt.359 In wirtschaftlicher Hinsicht ersetzt der Rückgewähranspruch zwar die Einlageforderung, aber die „Einlageforderung“ besteht nicht in Gestalt des „Rückgewähranspruchs“ fort, weil sie schon durch Erfüllung erloschen ist.360 Es handelt sich also bei diesem Anspruch nicht um einen Anspruch gesellschaftsrechtlicher Natur, sondern um einen einfachen schuldrechtlichen Anspruch,361 der sich i.R.d. Praxis des Cash Pooling auf die Darlehensrückzahlung bezieht. Auch die Regierungsbegründung zu § 19 Abs. 5 GmbHG weist ausdrücklich darauf hin, dass die Einlageforderung durch eine „schwächere“ schuldrechtliche Forderung ersetzt wird.362 Daher wird in der Lehre überwiegend angenommen, dass die besonderen Schutzvorschriften zur Kapitalaufbringung (§§ 16 Abs. 2, 19 Abs. 1 – 3, 22, 24 GmbHG, 63 – 66 AktG) auf den rein schuld-

357 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 376 f.; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 245; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 160 f.; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 263 m.w.N. 358 Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 161 f.; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 376. 359 Hüffer/Koch, § 27, Rn. 52; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 108; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19, Rn. 196; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 377. 360 Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 108. 361 MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 357. 362 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

rechtlichen Rückzahlungsanspruch keine Anwendung finden.363 Dieser Rückgewähranspruch sei ein Teil des Gesellschaftsvermögens und unterliege damit grundsätzlich dem Schutzregime der Kapitalerhaltung gem. §§ 30 GmbHG, 57, 311 ff. AktG.364 Nach der Gegenansicht sei jedoch dieser Rückgewähranspruch ebenfalls den Regelungen der Kapitalaufbringung zu unterstellen.365 Die Vertreter einer differenzierten Auffassung verlangen hingegen zumindest eine analoge Anwendung des Befreiungs- und Aufrechnungsverbots (§§ 19 Abs. 2 GmbHG, 66, Abs. 1 AktG) auf diesen Rückgewähranspruch.366 Zur Vermeidung möglicher Missbräuche und im Interesse einer effektiven Kapitalaufbringung sei nämlich eine analoge Anwendung von § 19 Abs. 2 GmbHG erforderlich, da anderenfalls die Gefahr eines Erlasses oder Verzichts seitens der Gesellschaft oder aber einer Aufrechnung des Gesellschafters mit einer nicht vollwertigen Forderung bestünde.367 Hinweisend auf die Anwendungsschwierigkeiten wird die analoge Anwendung insbesondere mit Blick auf die Praxis von Cash Pooling zu Recht kritisiert und abgelehnt.368 Die Rechtsanwendung wäre damit in einem ohnehin schon komplexen Bereich noch komplizierter. Denn die Praxis hätte ständig darauf zu achten, ob ein Darlehen, das die Gesellschaft ihrem Gesellschafter gewährt hat, ursprünglich im Kontext der Kapitalaufbringung stand und fortwährend die Einschränkungen von § 19 Abs. 2 GmbHG zu beachten wären oder ob dieses von vorneherein der Kapitalerhaltung zuzuordnen gewesen sei. Im Cash Pooling sei die Differenzierung nur schwer zu handhaben, sodass das Kapitalaufbringungsrecht in eine Endlosschleife geraten würde.369

363 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 121; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 358; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 196; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 83; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 782; Herrler, DB 2008, S. 2348; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 245 f.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 626 ff.; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 170 m.w.N. 364 Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 83; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 379; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 172 f. 365 Wicke, § 19, Rn. 37; MHLS/Ebbing, § 19, Rn. 178. Ausgehend von ausdrücklich anderweitigem Willen des Gesetzgebers kritisch dazu insb. Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 377 ff. und Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 246 f. 366 So: Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 108; MünchKomm-GmbHG/Märtens, 1. Aufl., 2010, § 19, Rn. 319 (ablehnend von MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, 2. Aufl., 2105, § 19, Rn. 358); Scholz/Veil, § 19, Rn. 193; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 196; Heinze, GmbHR 2008, S. 1071; vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 83, der die Nichtanwendung des § 19 Abs. 2 GmbHG für bedenklich hält. 367 MünchKomm-GmbHG/Märtens, 1. Aufl., 2010, § 19, Rn. 319; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19, Rn. 196. 368 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 378 f. 369 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 378 f.

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bb) Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Geschäftsführung der Poolgesellschaft Sofern der Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Einlagenrückzahlung nach einer sorgfältigen Bonitätsprüfung zutreffend zu dem Ergebnis kommt, dass alle Voraussetzungen von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG erfüllt sind und insbesondere der Rückgewähranspruch in vollem Umfang vollwertig ist, wird die Einlageverpflichtung rechtsgemäß erfüllt und damit die Kapitalaufbringung ordnungsgemäß abgeschlossen.370 In dem Fall, dass die Erfüllungswirkung der Einlageverpflichtung der Muttergesellschaft eintritt, entsteht kein Schaden. Eine Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft im Hinblick auf die Rückzahlung kommt nicht in Betracht.371 Allerdings kann der Poolgesellschaft später ein Schaden entstehen, wenn der Rückgewähranspruch nachträglich an Wert verliert, weil sich die finanzielle Lage der Betreibergesellschaft später verschlechtert hat und die Rückgewährforderung im Ergebnis nicht mehr in voller Höhe realisierbar ist.372 In diesem Fall stellt sich die Frage, ob und inwieweit nach ordnungsgemäßer Einlagenrückzahlung eine Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft in Betracht kommt. Dass sich die Bonität der Betreibergesellschaft nach diesem Zeitpunkt verschlechtert und der Rückgewähranspruch der Poolgesellschaft nicht mehr realisierbar ist, ändert zwar an der Rechtmäßigkeit der Einlagerückzahlung bzw. Kapitalaufbringung nichts, aber dies kann die allgemeine Geschäftsführerhaftung aus §§ 43 GmbHG, 93 AktG nach sich ziehen.373 Mit Blick auf die Haftung der Geschäftsführung der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Hin- und Herzahlen wird nämlich in der Lehre im Allgemeinen darauf hingewiesen, dass obwohl der Kapitalaufbringungsvorgang selbst rechtsgemäß abgeschlossen sei, die auf den Geschäftsleiter bzw. Vorstand im Rahmen dessen übertragenen Verpflichtungen damit jedoch nicht enden würden. Mit dem Verweis auf das „MPS“-Urteil des 370

Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 127. Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 386; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 250. 372 Es ist an dieser Stelle kurz darauf hinzuweisen, dass da die nur für die Einlageforderungen geltenden kapitalaufbringungsrechtlichen Schutzvorschriften von GmbHG und AktG nicht auf den Rückgewähranspruch angewendet werden können, eine Haftung der Gesellschafter bzw. Aktionäre gem. §§ 16, Abs. 2, 22, 24 GmbHG, 65 AktG nach der Eintritt der Erfüllungswirkung der Einlageverpflichtung des Inferenten nicht in Betracht kommt, auch wenn der Rückgewähranspruch später nicht mehr erfüllt werden kann. Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 250; vgl. Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 388 f. 373 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 387; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 127 f.; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 252; Markwardt, BB 2008, S. 2421; Blasche, GmbHR 2010, S. 293; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 107; Begründung des Regierungsentwurfs zu der parallelen Problematik bei der Kapitalerhaltung (Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41): „Spätere, nicht vorhersehbare negative Entwicklungen der Forderung gegen den Gesellschafter und bilanzielle Abwertungen fu¨ hren nicht nachträglich zu einer verbotenen Auszahlung. Es kann dann aber ein Sorgfaltspflichtverstoß des Geschäftsfu¨ hrers gegeben sein, der diese Forderungen stehen ließ, obwohl er sie hätte einfordern können.“ 371

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

BGH374 (zur Kapitalerhaltung) wird insofern angenommen, dass die Geschäftsleitung auch nach der Auszahlung an den Inferenten dazu verpflichtet sei, die Vermögenslage des Gesellschafters bzw. Aktionärs fortwährend zu überprüfen und damit die Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs laufend zu beobachten und im Ernstfall mit Kündigung oder mit der Anforderung von Sicherheiten darauf zu reagieren.375 Anderenfalls verstoße der Geschäftsführer bzw. der Vorstand gegen seine Sorgfaltspflichten (§§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 1, S. 1 AktG), was eine Schadensersatzpflicht gemäß §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG begründen könne.376 Insbesondere mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis wird zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht von Geschäftsführer bzw. Vorstand der Poolgesellschaft auf die vom BGH im „MPS“-Urteil aufgestellten Grundsätze abgestellt.377 Dementsprechend wird im Cash Pooling unter der Sorgfaltspflicht der Geschäftsleitung subsumiert, ein geeignetes „Informations- und Frühwarnsystem“ zwischen der Muttergesellschaft und der Poolgesellschaft einzurichten, um über etwaige Bonitätsänderungen der Muttergesellschaft informiert zu werden.378 Bei der Erfüllung aller Voraussetzungen ist schließlich die Muttergesellschaft von ihrer Einlageverpflichtung befreit, während die Geschäftsführung der Poolgesellschaft nach dem rechtmäßigen Abschluss der Kapitalaufbringung weitere Überprüfungspflichten trifft. Sie muss ständig die Vollwertigkeit kontrollieren und bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Betreibergesellschaft sofort das Darlehen kündigen oder Besicherung des Darlehens fordern, damit sie sich von der Haftung wegen Sorgfaltspflichtverletzung gem. §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG befreien kann.379

374

BGHZ 179, 71, Rn. 14 ff., „MPS“. Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 24; Markwardt, BB 2008, S. 2421; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 387; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 127 f.; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 252 f.; Lieder, GmbHR 2009, S. 1184; Heckschen, DStR 2009, S. 173; Blasche, GmbHR 2010, S. 293; Bayer/ Schmidt, ZGR 2009, S. 835 f.; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 359; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 119 m.w.N. 376 Bormann, GmbHR 2007, 903; Lieder, GmbHR 2009, S. 1184; MünchKomm-GmbHG/ Schwandtner, § 19, Rn. 359; Wicke, § 19, Rn. 36; Markwardt, BB 2008, S. 2421; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 252 f.; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 387; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 129 m.w.N. 377 Lieder, GmbHR 2009, S. 1184; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 253; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 129 f. 378 Ausführlich dazu Kapitel 2, § 2, F., II., 1. und § 3, F., III. 379 Heckschen, DStR 2009, s. 173. 375

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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b) Beim Nichtvorliegen aller Voraussetzungen aa) Keine Erfüllungswirkung und Geltung der bisherigen Rechtsprechungsregeln Werden nicht alle Voraussetzungen rechtsgemäß erfüllt, tritt die Erfüllungswirkung nicht ein; aufgrund des „Alles-oder-nichts“-Prinzips gilt hierbei – anders als bei der verdeckten Sacheinlage – eine teilweise Anrechnung bzw. Teilerfüllung nicht.380 Fehlt es an einer der Voraussetzungen der §§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 1 AktG (vollumfängliche Vollwertigkeit oder Fälligkeit) oder wurde das Hin- und Herzahlen nicht offengelegt, so kommt der Einlageleistung der Muttergesellschaft i.R.d. Cash Pooling insgesamt keine Erfüllungswirkung zu. In diesem Fall richtet sich die Rechtslage nach den vor dem Inkrafttreten des MoMiG geltenden Rechtsprechungsgrundsätzen.381 Demnach besteht die ursprüngliche Einlageforderung der Poolgesellschaft weiterhin fort und die Zahlungsvorgänge sowie die schuldrechtliche Vereinbarung (der Darlehensvertrag) sind als Nullum zu behandeln (also nichtig).382 bb) Keine Heilung durch Rückzahlung des Darlehens oder durch Verrechnung mit Neuforderung Im Falle der Nichterfüllung der Voraussetzungen der §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG stellt sich auch nach geltender Rechtslage die Frage, ob durch die Heilung die Erfüllung der Einlageschuld herbeigeführt werden kann. Der Gesetzgeber von MoMiG hat in den Gesetzesmaterialien explizit festgehalten, dass die bisherige Heilungsrechtsprechung durch die neu geschaffene Ausnahmeregelung des § 19, Abs. 5 GmbHG unberührt bleiben soll.383 Unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung384 wird angenommen, dass der Inferent in einem Darlehensverhältnis seine Einlageverpflichtung durch Rückzahlung des Darlehensbetrags erfülle, solange eine eindeutige Zuordnung des Zahlungsvorgangs zu der immer noch offenen Bareinlageschuld vorgenommen werden könne.385 Diese Heilungsmöglichkeit 380

Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 124; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 84; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 356; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 195; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 263; ders., DB 2008, S. 2348; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1453; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 612; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 255. 381 MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 356; Wicke, § 19, Rn. 35; SchluckAmend/Penke, DStR 2009, S. 1437; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 255 f.; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 162 f. 382 Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1437; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 356; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 256; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 162 f. m.w.N. 383 Begr.RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 34. 384 Ausführlich für die bisherige Rechtsprechung siehe Kapitel 3, § 2, B., II., 2., b). 385 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 34 f.; vgl. BGHZ 182, 103, Rn. 22 „Cash Pool II“ (im Umkehrschluss); Lutter/Hommelhoff/Bayer, 19, Rn. 126; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19 Rn. 198; Wicke, § 19, Rn. 38; Blasche, GmbHR 2010, S. 294; Bormann, GmbHR

404

Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

schließt der BGH jedoch in seinem „Cash Pool-II“-Urteil nach wie vor386 für die Cash Pooling-Praxis aus, weil sich die einzelnen Leistungen im Rahmen des Zero-Balancing nicht wie im Falle der vermeintlichen Darlehensrückzahlung zweifelsfrei der noch offenen Einlage zuordnen lassen.387 Um dieses Hindernis im Cash Pool auszuräumen und die Heilungsmöglichkeit auch in der Cash Pooling-Praxis zu ermöglichen, wird im Schrifttum als Abhilfe vorgeschlagen, vertraglich Tilgungsbestimmungen vorzunehmen, wonach Mittelzuflüsse aus dem Cash Pool zunächst der Tilgung offener Einlageansprüche dienen sollen.388 Außerdem wird in Frage gestellt, ob vielleicht sämtliche Transferleistungen der Betreibergesellschaft nicht zunächst auf die wegen der Unwirksamkeit der Darlehensvergabe einzige wirksame und weiterhin bestehende Forderung (also die Einlageschuld) angerechnet werden können.389 Auch wenn generell eine Verrechnung der offenen Einlageforderung mit einer vollwertigen Neuforderung des Inferenten für möglich gehalten wird,390 ist die Cash Pooling-Praxis davon ausgenommen, da aufgrund des Kontokorrentverhältnisses ein Ausschluss jeglicher Altforderungen gerade nicht sichergestellt werden könne und für Altforderungen die Vorschrift der verdeckten Sacheinlage vorrangig sei.391 Schließlich ist unter Beachtung der Rechtsprechung und der Lehre festzustellen, dass eine Heilung in Cash Pool-Konstellationen – nach wie vor – weder durch Rückzahlung des Darlehens noch durch die Verrechnung der Einlageschuld mit der Neuforderung der Betreibergesellschaft möglich ist. cc) Haftung (1) Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft (a) Strafrechtlich Bei falschen Angaben über die Leistungen der Einlagen zum Zwecke der Eintragung kommt die Strafbarkeit der Geschäftsführung der Poolgesellschaft – wie bei verdeckter Sacheinlage – gem. §§ 82 Abs. 1, Nr. 1, 3 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1, 4 2009, S. 931; Lieder, GmbHR 2009, S. 1183; Roth, NJW 2009, S. 3400; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 259; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 176 f. 386 Ausführlich dazu Kapitel 3, § 2, B., II., 2., b). 387 BGHZ 182, 103, Rn. 22, „Cash Pool II“, unter Verweis auf die alte Rechtslage: BGHZ 166, 8, Rn. 25, „Cash Pool I“. So auch Bormann, GmbHR 2009, S. 931; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19 Rn. 198; Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 478; Korts, BB 2009, S. 2113; Herrler, DStR 2011, S. 2300 f.; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 260; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 178 f. m.w.N. 388 Bormann, GmbHR 2009, S. 931; Korts, BB 2009, S. 2113; bereits unter alten Rechtslage Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 419; zweifelnd GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19 Rn. 198; dagegen Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 478. 389 Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 92 Fn. 213. 390 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 126. 391 Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 182.

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

405

AktG in Betracht. Nach der Gesetzesbegründung392 und ganz herrschender Meinung393 gibt der Geschäftsleiter bzw. der Vorstand eine falsche Versicherung ab und macht sich gem. §§ 82 Abs. 1, Nr. 1, 3 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1, 4 AktG strafbar, wenn er die Offenlegung des Hin- und Herzahlens (gem. §§ 19 Abs. 5, S. 2 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 2 AktG) und damit des darlehensweisen Einlagenrückflusses i.R.d. Cash Pooling unterlässt.394 Weiterhin wird ausgeführt, dass sich die Geschäftsführung auch dann strafbar machen würde, wenn sie gegenüber dem Registergericht versichern würde, dass ihr die Einlagen zur freien Verfügung stünden, obwohl die in §§ 19 Abs. 5, S. 1 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 1 AktG vorgesehenen Anforderungen (Vollwertigkeit und Fälligkeit) in vollem Umfang nicht erfüllt sind, und insbesondere der Rückgewähranspruch der Gesellschaft nicht vollumfänglich werthaltig sei.395 Nur vereinzelt wird in der Literatur gegen die Strafbarkeit des Geschäftsleiters bzw. Vorstands für den Fall des Hin- und Herzahlens – wie bei der verdeckten Sacheinlage –396 plädiert.397 §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG seien nach dieser Ansicht für die Beteiligten, die über das nach der Eintragung geplante Hin- und Herzahlen bei der Anmeldung keine Angaben machen, mangels Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) als Straftatbestand untauglich.398 Das Unterlassen der Offen392

Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 37: „§ 27 Abs. 4 Satz 2 AktG-E bestimmt, dass eine vorherige Verwendungsabsprache in der Anmeldung offengelegt werden muss. Diese strafbewehrte Verpflichtung ermöglicht dem Registergericht die Prüfung, ob die Erfüllungsvoraussetzungen aus Absatz 4 Satz 1 gegeben sind.“ 393 Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 257; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 232; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 191; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 113; Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, § 82, Rn. 12; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 111; MünchKommGmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 353; MünchKomm-GmbHG/Wißmann, § 82, Rn. 151; Herrler, DB 2008, S. 2351; ders., DStR 2011, S. 2257; Herrler/Reymann, DNotZ 2009, S. 925; Wicke, § 19, Rn. 35, § 82, Rn. 6; Markwardt, BB 2008, S. 2420 f.; Wälzholz, GmbHR 2008, S. 846; Bittmann, NStZ 2009, S. 119; Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.13; Schluck-Amend/ Penke, DStR 2009, S. 1437; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Heckschen, DStR 2009, S. 173; Blasche, GmbHR 2010, S. 294; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 417 f.; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 149 ff. m.w.N. 394 Dies wird auch konsequent von Vertretern der Ansicht im Schrifttum so gesehen, welche das Offenlegungserfordernis nicht als eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erfüllung der Einlageverpflichtung ansehen. Für die Vertreter dieser Ansicht siehe: Kapitel 3, § 2, C., IV., 2., b). Dieses Verständnis wird mit der Begründung gerechtfertigt, dass die Sanktion der Nichttilgung der Einlageschuld sonst den Inferenten träfe, der jedoch nicht Adressat der Offenlegungspflicht sei, Herrler, GmbHR 2010, S. 787, 792 f. 395 MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 232; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 353; MünchKomm-GmbHG/Wißmann, § 82, Rn. 151; Heckschen, DStR 2009, S. 173; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, § 82, Rn. 12; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Herrler, DB 2008, S. 2351 mit Fn. 34; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1437; Herrler/ Reymann, DNotZ 2009, S. 925; Gesell, BB 2007, S. 2246; Bittmann, NStZ 2009, S. 119; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 412. 396 Siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 5., a), aa). 397 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 15 ff.; ders., ZIP 2009, S. 1550 f.; ders., NZG 2010, S. 442; Gärtner, Cash Pooling, S. 695 ff. 398 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 82, Rn. 15 ff.; ders., ZIP 2009, S. 1550 f.

406

Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

legung nach Maßgabe §§ 19 Abs. 5, S. 2 GmbHG, 27 Abs. 4, S. 2 AktG könne keinen Straftatbestand begründen, da die freie Verfügbarkeit über die Einlageleistung nicht davon abhänge, ob das Hin- und Herzahlen gegenüber dem Registergericht offen gelegt werde. (b) Zivilrechtlich Für die zivilrechtliche Haftung von Geschäftsleiter bzw. Vorstand gilt grundsätzlich das zur verdeckten Sacheinlage Ausgeführte entsprechend.399 Kurz zusammengefasst: Werden zum Zwecke der Errichtung falsche Angaben im oben genannten Sinne gemacht und tritt daher die Erfüllungswirkung der Einlageleistung nicht ein, kommt neben der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auch eine gesamtschuldnerische zivilrechtliche Haftung der Geschäftsleiter bzw. der Vorstandsmitglieder gegenüber der (Pool-)Gesellschaft gem. §§ 9a, Abs. 1, 57 Abs. 4 GmbHG, 48 AktG in Betracht.400 Ferner haften die Beteiligten im Falle der falschen Versicherung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 82 GmbHG, 399 AktG auf Schadensersatz.401 (2) Haftung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter (a) Strafrechtlich Ebenso wie bei der verdeckten Sacheinlage gilt auch beim Hin- und Herzahlen, dass sich das herrschende Unternehmen wegen falscher Angaben der Geschäftsführer im Fall der „Gründungstäuschung“ gemäß §§ 82 Abs. 1, Nr. 1 GmbHG, 399 Abs. 1, Nr. 1 AktG strafbar macht. Beim „Kapitalerhöhungsschwindel“ kommt es zwar gesetzlich nicht als tauglicher Täter in Frage, aber nach der Lehre kann es ggf. als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) angesehen werden.402 Daher gilt das zur verdeckten Sacheinlage Ausgeführte sinngemäß für die Strafbarkeit des mitwirkenden herrschenden Unternehmens bzw. Konzerngeschäftsleiters im Cash Pooling, wenn der Geschäftsleiter bzw. Vorstand der Poolgesellschaft falsche Angaben über die Vollwertigkeit bzw. Fälligkeit des Rückgewähranspruchs gemacht und/oder die Offenlegung des Hin- und Herzahlens unterlassen hat. (b) Gesellschaftsrechtlich Im Falle der Nichterfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG ist das herrschende Unternehmen weiterhin zur Erfüllung der rückgewährten Einlage in vollem Umfang verpflichtet.403 399

Kapitel 3, § 2, C., III., 5., a), bb). Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 413 f.; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 264 f. m.w.N. 401 Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 258; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 152. 402 Kapitel 3, § 2, C., III., 5., b), aa). 403 Kapitel 3, § 2, C., IV., 3., b), aa). 400

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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4. Das Verhältnis des Hin- und Herzahlens zur verdeckten Sacheinlage bei wechselnden Salden im Cash Pool Hierbei handelt es sich um jene Fälle, in denen die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der einbezahlten Mittel an den Cash Pool einen positiven bzw. ausgeglichenen Saldo hat und damit die erhaltenen Mittel als Darlehen zunächst an die Muttergesellschaft zurückzahlt, aber nachfolgend ihrerseits wieder Mittel aus dem Cash Pool erhält.404 Derartige Konstellationen sind mit Blick auf das Cash Pooling eher ein Standardfall, weil es in der Cash Pooling-Praxis wegen des wechselnden Kapitalbedarfs der Poolgesellschaft im kapitalaufbringungsrechtlich relevanten Zeitraum zu mehreren wechselseitigen Liquiditätsverlagerungen kommen könnte.405 Z. B. in dem Fall,406 dass am Tag der Anmeldung der Barkapitalerhöhung i.H.v. 50.000 E der Saldo der Poolgesellschaft auf dem Cash-Pool i.H.v. 100.000 E positiv ist, fließen die von der Muttergesellschaft i.R.d. Kapitalerhöhung gezahlten 50.000 E über den Cash Pool an die Muttergesellschaft darlehensweise zurück und der Saldo der Poolgesellschaft beträgt mithin 150.000 E zugunsten der Poolgesellschaft. Sind dabei die Voraussetzungen des Hin- und Herzahlens erfüllt, so liegt zunächst ein zulässiges Hin- und Herzahlen i.S.d. § 19 Abs. 5 GmbHG vor. Es könnte aber vorkommen, dass in der kommenden Woche die Poolgesellschaft Mittel i.H.v. 250.000 E in Anspruch nimmt, wodurch sich der Saldo unter dem Cash Pool auf 100.000 E zugunsten der Betreibergesellschaft verändert. Kurze Zeit danach könnte die Poolgesellschaft einen Zahlungseingang von 300.000 E verzeichnen und infolge des Ausgleichsverfahrens i.R.d. Cash Pooling fließt der Betrag an die Betreibergesellschaft weiter, wodurch sich der Saldo unter dem Cash Pool wieder auf 200.000 E zugunsten der Poolgesellschaft verändert. Diese innerhalb des kapitalaufbringungsrechtlich relevanten Zeitraums wechselnden Salden der Poolgesellschaft werfen die Frage auf, ob die nach dem zulässigen Hin- und Herzahlen erfolgte Zahlung der Betreibergesellschaft i.H.v. 300.000 E an die Poolgesellschaft zu einer verdeckten Sacheinlage führen würde. Mit anderen Worten, würde es zu einer verdeckten Sacheinlage kommen, wenn eine Poolgesellschaft, die eine Barkapitalerhöhung im Cash Pool den Vorgaben des § 19 Abs. 5 GmbHG entsprechend durchgeführt hat, später selbst Darlehen im Cash Pool aufnehmen würde. In der Lehre wird vertreten, in derartigen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit auf das Rechtsinstitut abzustellen, dessen Voraussetzungen zeitlich früher verwirklicht werden.407 Nachträgliche Veränderungen sollen hier irrelevant sein. Insbesondere unter Verweis auf die gesetzgeberische Intention, die Kapitalerhöhungen im Cash Pool zu erleichtern, wird darauf hingewiesen, dass der Erleichterungszweck des Gesetzgebers leer laufen würde und damit der § 19 Abs. 5 GmbHG sinnentleert 404

Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 642, 644 f.; Gärtner, Cash Pooling, S. 611. Vgl. Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 644; Gärtner, Cash Pooling, S. 611. 406 Für das Beispiel siehe Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 642. 407 Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 642, 644; Theusinger, NZG 2009, S. 1018; Gärtner, Cash Pooling, S. 611. 405

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

wäre, wenn man zunächst ein unter den Voraussetzungen des Abs. 5 zulässiges Hinund Herzahlen, sodann eine unzulässige verdeckte Sacheinlage annehmen würde.408 Der § 19 Abs. 5 GmbHG sei demnach so zu verstehen, dass er der Annahme einer zeitlich späteren verdeckten Sacheinlage entgegenstehe. Bereits vor dem MoMiG hätten übrigens die besseren Argumente und die Rechtssicherheit dafür gesprochen, auf das Rechtsinstitut abzustellen, dessen Voraussetzungen zeitlich eher eintreten, also für einen Vorrang des Hin- und Herzahlens. Der BGH hat sich zwar in seinem „Cash Pool-II“ Urteil dazu nicht geäußert, aber dass der BGH diesbezügliche Aufklärungen unterlässt, wird als Bestätigung der vorstehenden Ansicht interpretiert.409 Schließlich, wenn der Rückfluss der Einlage in den Cash Pool zum relevanten Beurteilungszeitpunkt zunächst als Hin- und Herzahlen zulässig ist, würde die spätere Darlehensaufnahme der Poolgesellschaft aus dem Cash Pool nicht zur verdeckten Sacheinlage führen. 5. Zusammenfassendes Ergebnis Anders als früher erkennt das Gesetz jetzt in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG dem Hin- und Herzahlen bei der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung „Erfüllungswirkung“ zu, vorausgesetzt, dass alle normierten Anforderungen (Vollwertigkeit, Fälligkeit und Offenlegung) ausnahmslos erfüllt werden. In Übereinstimmung mit den Kapitalerhaltungsregeln (§§ 30 GmbHG, 57 AktG) gilt nunmehr auch beim Hin- und Herzahlen die „bilanzielle Betrachtungsweise“,410 sodass die Gesellschaft infolge der Rückzahlung der Einlagemittel einen vollwertigen Rückgewähranspruch erhalten muss. Nach dem „Alles-oder-nichts“-Prinzip muss allerdings der Rückgewähranspruch der Gesellschaft vollumfänglich vollwertig sein. Eine anteilige Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs führt beim Hin- und Herzahlen – anders als bei der verdeckten Sacheinlage – nicht zu einer teilweisen Tilgungswirkung. D. h. entweder kommt die Einlageschuld vollständig zum Erlöschen („alles“) oder besteht die Einlageschuld vollständig fort („nichts“). Im Falle des Nichtvorliegens aller genannten Voraussetzungen oder im Falle einer teilweisen Werthaltigkeit des Rückgewähranspruchs richtet sich schließlich die Rechtslage nach den vor dem Inkrafttreten des MoMiG geltenden Rechtsprechungsgrundsätzen mit der Folge, dass die ursprüngliche Einlageforderung der Gesellschaft weiterhin völlig fortbesteht und die Zahlungsvorgänge sowie die schuldrechtliche Vereinbarung nichtig sind. Die Rechtsfolgen einer Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung im Cash Pooling bei Vorliegen des Tatbestandes eines Hin- und Herzahlens sind demnach wie folgt zusammenzufassen: 408

Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 644. So: Theusinger, NZG 2009, S. 1018. 410 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35; Bericht des Rechtsausschusses zum ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 37. 409

§ 2 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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- Für die Erfüllungswirkung der Einlageleistung i.R.d. Cash Pooling muss die Poolgesellschaft in Folge der Einlagenrückgewähr auf das Zentralkonto einen vollumfänglich vollwertigen Rückgewähranspruch bekommen, weil eine anteilige Tilgung der Einlageleistung nicht möglich ist. Daher muss die Betreibergesellschaft bzw. die Muttergesellschaft zum Zeitpunkt des Mittelrückflusses an den Cash Pool vollständig solvent sein, damit das Cash Pooling-System von dem Privileg von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, § 27 Abs. 4 AktG Gebrauch machen kann und der Barzahlung der Muttergesellschaft trotz der Rückzahlung der einbezahlten Mittel Tilgungswirkung zuerkannt wird. Aus diesem Grund muss die Geschäftsführung der Poolgesellschaft vor der Weiterleitung des Einlagebetrags die Solvenz der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft gründlich untersuchen. Ergeben sich Zweifel oder Unregelmäßigkeiten, darf eine Auszahlung ohne Sicherheitenbestellung nicht stattfinden. - Zweitens muss der Rückgewähranspruch fällig sein oder durch fristlose Kündigung durch die Poolgesellschaft fällig werden können. Die bloße Möglichkeit, auf Mittel des Cash Pools zugreifen zu können, reicht allerdings nach BGH nicht aus, um den Rückgewähranspruch als in diesem Sinne fällig zu qualifizieren. Für die Cash Pooling-Praxis ist es vielmehr ein Erfordernis, schon im Cash Pool-Vertrag durch besondere Kündigungsregelungen der Poolgesellschaft eine jederzeitige fristlose Kündigung unabhängig von einer Interessenabwägung zu ermöglichen. - Nach wohl herrschender Meinung411 sowie der diese Ansicht mehrmals bestätigenden Rechtsprechung des BGH412 sei auch die Offenlegung eine materielle Erfüllungsvoraussetzung, sodass die Einlageforderung nicht erfüllt sei, wenn die Offenlegung unterbleibe. Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis sollte demnach die Offenlegung in der Weise erfolgen, dass in der Anmeldung der Kapitalmaßnahme angegeben werden muss, dass die betreffende Gesellschaft an einem Cash Pool teilnehmen wird (oder bereits teilgenommen hat) und sie daher den eingezahlten Betrag kurzfristig auf den Cash Pool einzahlen wird. - Im Falle der Erfüllung aller oben genannten Voraussetzungen, verwirklicht sich die Erfüllungswirkung der Einlageleistung gemäß §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG und die Einlageforderung der Poolgesellschaft erlischt in Höhe des von der Muttergesellschaft geleisteten Betrags – trotz der Rückzahlung – vollständig. Da die Einlageverpflichtung der Muttergesellschaft rechtmäßig erfüllt 411 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 191; Scholz/Veil, § 19, Rn. 187; MünchKommGmbHG/Märtens, 1. Aufl., 2010, § 19, Rn. 316; Wicke, § 19, Rn. 35; Markwardt, BB 2008, S. 2420 f.; Wälzholz, GmbHR 2008, S. 846; Goette/Habersack/Goette, Rn. 9.13; Katschinski/ Rawert, ZIP 2008, S. 1999 f.; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1436; Pentz, GmbHR 2009, S. 511; Heckschen, DStR 2009, S. 173; Blasche, GmbHR 2010, S. 293; Komo, BB 2011, S. 2311; Sieder, Cash Pooling im GmbH-Konzern, S. 158 f. 412 BGHZ 180, 38, Rn. 16, „Qivive“; BGHZ 182, 103, Rn. 25, „Cash Pool-II“; ihm folgende instanzgerichtliche Rechtsprechungen u. a.: OLG München v. 17. 02. 2011 – 31 Wx 246/10, GmbHR 2011, S. 422 f.; OLG Stuttgart v. 06. 09. 2011 – 8 W 319/11, BB 2011, S. 2897 ff. (zur AG).

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

wird, ist die Kapitalaufbringung ordnungsgemäß abgeschlossen, und die Geschäftsführung der Poolgesellschaft trifft im Hinblick auf die Rückzahlung der Einlage zunächst keine Haftung. Allerdings bleibt die Geschäftsführung der Poolgesellschaft nach den Maßgaben des „MPS“-Urteils des BGH413 (zur Kapitalerhaltung) dazu verpflichtet, die Vollwertigkeit ständig unter Kontrolle zu halten und bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft das Darlehen sofort zu kündigen oder Besicherung des Darlehens zu fordern. Anderenfalls verstößt der Geschäftsführer bzw. der Vorstand gegen seine Sorgfaltspflichten, was eine Schadensersatzpflicht gemäß §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG begründen kann. - Werden nicht alle Voraussetzungen rechtsgemäß erfüllt, tritt die Erfüllungswirkung nicht ein und der Einlageleistung der Muttergesellschaft kommt aufgrund des verabredeten Hin- und Herzahlens keine Erfüllungswirkung zu. Die ursprüngliche Einlageforderung der Poolgesellschaft besteht in diesem Fall weiterhin völlig fort und die Zahlungsvorgänge sowie die schuldrechtliche Vereinbarung (der Darlehensvertrag) gelten als nichtig. Eine Heilung ist dabei – nach wie vor – weder durch Rückzahlung des Darlehens noch durch die Verrechnung der Einlageschuld mit der Neuforderung der Betreibergesellschaft möglich, weil eine Zuordnung der Einzahlungen der offenen Einlage in Cash Pool-Konstellationen nicht möglich sei.414 - Im Falle des Vorliegens falscher Angaben über die Leistungen der Einlagen zum Zwecke der Eintragung der Kapitalaufbringung droht den Beteiligten straf- und zivilrechtliche Haftung.

V. Mischfälle beim Cash Pool Es sind auch solche Fallgestaltungen möglich, in denen die eingezahlten Mittel teilweise der Tilgung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber dem Inferenten dienen und teilweise als Darlehen an den Inferenten zurückfließen.415 Dies wäre im Cash Pooling der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Einlageleistung zwar ein negativer Saldo im Zentralkonto zu Lasten der Poolgesellschaft vorliegt, die Einlageleistung aber diesen negativen Saldo übersteigt und durch die Zufuhr der Bareinlage an den Cash Pool ein positiver Saldo zu Gunsten der Poolgesellschaft auf dem Zentralkonto entsteht.416 Durch die Einlagezahlung in den Cash Pool wird also der negative Saldo der Poolgesellschaft am Cash Pool positiv. Bei diesen Mischfällen 413

BGHZ 179, 71, Rn. 14 ff., „MPS“ Urteil. BGHZ 182, 103, Rn. 22, „Cash Pool II“, unter Verweis auf die alte Rechtslage: BGHZ 166, 8, Rn. 25, „Cash Pool I“. 415 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454. 416 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 311; Gärtner, Cash Pooling, S. 610. 414

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(„verdeckte Mischeinlage“)417 handelt es sich nach der Lehre418 und dem BGH419 weder vollumfänglich um eine verdeckte Sacheinlage noch lediglich um ein Hin- und Herzahlen, sondern es liegt beides vor. In solchen Konstellationen wird eine differenzierende Betrachtungsweise vorgenommen und davon ausgegangen, dass hier die verdeckte Sacheinlage und das Hin- und Herzahlen nebeneinander stehen.420 Der BGH führt dazu aus, dass in Höhe der gesamten Zahlung von einer verdeckten Sacheinlage nicht auszugehen sei, weil die Einlageleistung aufgeteilt werden könne.421 In einem solchen Mischfall liege demnach in Höhe des Negativsaldos eine verdeckte Sacheinlage vor und es würden die Rechtsfolgen des 19 Abs. 4 GmbHG zur Anwendung kommen, da die Poolgesellschaft insoweit von einer Verbindlichkeit befreit werde. In Höhe des übrigen Betrags der eingezahlten Geldeinlage entstünde hingegen ein Hin- und Herzahlen, sodass die Rechtsfolgen des § 19 Abs. 5 GmbHG in Anwendung kommen würden, weil dabei eine Darlehensvergabe an den Inferenten erfolge.422 Beispielsweise würde in dem Fall, dass am Tag der Anmeldung der Barkapitalerhöhung i.H.v. 80.000 E der Saldo der Poolgesellschaft auf dem Cash-Pool in Höhe von 50.000 E negativ ist, die als Bareinlage gezahlten 80.000 E direkt über den Cash Pool zurück an die Betreibergesellschaft fließen. Dadurch entsteht im Ergebnis ein positiver Saldo auf dem Cash Pool i.H.v. 30.000 E zugunsten der Poolgesellschaft. Der Rückfluss der Bareinlage i.H.v. 80.000 E stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung i.H.v. 50.000 E als verdeckte Sacheinlage dar, weil dieser Teil der Barzahlung zur Tilgung der Verbindlichkeiten der Poolgesellschaft verwendet wird (Darlehensrückzahlung). Der Restbetrag der Bareinlage i.H.v. 30.000 E stellt sich jedoch als Hin- und Herzahlen dar, weil dies als Darlehen über den Cash Pool an die Muttergesellschaft zurückfließt (Darlehensgewährung).423 In einem solchen Mischfall müsste die Kapitalerhöhung in Höhe der Verbindlichkeiten (50.000 E) gegenüber dem Cash-Pool als Sachkapitalerhöhung und in Höhe des übrigen Teils (30.000 E) als Barkapitalerhöhung unter Beachtung der Anforderungen des Hin- und

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Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 132. Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Herrler, DNotZ 2008, S. 907; Bormann/ Urlichs, DStR 2009, S. 645; Schluck-Amend/Penke, DStR 2009, S. 1435 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 132; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445; Gärtner, Cash Pooling, S. 610. 419 BGHZ 182, 103, Rn. 15, „Cash Pool-II“, unter Verweis auf Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 645. 420 BGHZ 182, 103, Rn. 15, „Cash Pool-II“; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 645; Herrler, DNotZ 2008, S. 907; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445. 421 BGHZ 182, 103, Rn. 15, „Cash Pool-II“. 422 Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454; Herrler, DNotZ 2008, S. 907; Bormann/ Urlichs, DStR 2009, S. 645; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 132; Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 478; Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 311. 423 Für Beispielsfälle siehe Herrler, DNotZ 2008, S. 907; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1454. 418

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Herzahlens durchgeführt werden.424 Diese differenzierende Vorgehensweise wird allerdings in der Lehre wegen ihrer schwierigen praktischen Handhabung von Kapitalmaßnahmen im Cash Pool kritisiert,425 weil sich der Saldo der Gesellschaft gegenüber dem Cash Pool ständig verändere und daher die Verteilung zwischen der Barerhöhung nach § 19 Abs. 5 GmbHG und der Sacherhöhung zum Zeitpunkt der Leistung von Bar- und Sacheinlage schwer festzustellen sei.426 Es wird zudem auch auf die praktische Schwierigkeit der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung durch die Sacheinlage in solchen Konstellationen hingewiesen.427 Denn die Kapitalerhöhung erfolge häufig zu Sanierungszwecken einer Poolgesellschaft, welche bereits aus dem Cash Pool Mittel erhalten und schon einen negativen Saldo auf dem Verrechnungskonto habe. Da der negative Saldo in solchen Konstellationen zumeist darauf hindeute, dass die Poolgesellschaft nicht mehr kreditwürdig sei und damit die Forderung der Betreibergesellschaft nicht werthaltig sei, käme dann eine Sacheinlage nicht in Betracht, wenn der Wert der Verbindlichkeit, von der er befreit werden soll, nicht mindestens dem Kapitalerhöhungsbetrag entspreche.428 Als Ausweg aus diesen Schwierigkeiten werden in der Lehre verschiedene Verfahrensweisen vorgeschlagen, auf die nachfolgend einzugehen sein wird.429 VI. Cash-Pool-Tauglichkeit der kapitalaufbringungsrechtlichen Neuregelungen (§§ 19 Abs. 4, 5 GmbHG, 27 Abs. 3, 4 AktG) 1. Kritik an der Differenzierung der Rechtsfolgen und besonders an der erschwerten Handhabbarkeit im Cash Pooling Die Anordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen bei der verdeckten Sacheinlage („Anrechnungslösung“) und dem Hin- und Herzahlen („Erfüllungswirkung“ nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip) wird zwar im Schrifttum unter dogmatischen und sachlichen Gesichtspunkten überwiegend als gerechtfertigt bewertet, gleichwohl wird jedoch diese Ungleichheit insbesondere hinsichtlich der Praxis des Cash Pooling aufgrund praktischer Abgrenzungsschwierigkeiten kritisiert.430 Mit Blick 424

Herrler, DNotZ 2008, S. 907; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 645. Herrler, DNotZ 2008, S. 907; Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 478. 426 Herrler, DNotZ 2008, S. 907. Ausführlich zur Kritik an dieser Differenzierung Kapitel 3, § 2, C., VI., 1. 427 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445; Hangebrauck, Cash Pooling, S. 136; Hentzen, DStR 2006, S. 950. Siehe dazu auch Kapitel 3, § 2, C., VII., 1., a). 428 Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445. 429 Kapitel 3, § 2, C., VI., 2. 430 Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 316; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 643, 645; Bormann, GmbHR 2009, S. 931; Lieder, GmbHR 2009, S. 1185; Altmeppen, NZG 2010, S. 443 ff.; Komo, BB 2011, S. 2311; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 133; Bayer, GmbHR 2010, S. 1293 f.; Scholz/Veil, § 19, 425

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auf die Praxis des Cash Pooling sei nämlich die Kapitalaufbringung auch nach den Neuregelungen weder unproblematisch noch rechtstechnisch einfach zu bewerkstelligen, obwohl es das wesentliche Ziel des Reformgesetzgebers des MoMiG gewesen sei, die Kapitalaufbringung im Cash Pooling nachhaltig zu erleichtern bzw. zu vereinfachen.431 Die Differenzierung zwischen diesen Rechtsinstituten werde vor allem den praktischen Bedürfnissen des Cash Pooling nicht gerecht. Denn aufgrund der täglichen Zahlungsflüsse und ständigen Schwankungen der Verrechnungskonten sei es für die Beteiligten oft schwierig, vorherzusehen, ob die von ihnen gewählte Methode der Kapitalaufbringung als das eine oder das andere zu qualifizieren sei. In tatsächlicher Hinsicht hänge es in der Praxis des Cash Pooling oft nur von Zufällen ab, ob die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagebetrags an den Cash Pool gerade ein Soll- oder ein Haben-Konto im Cash Pool habe. Für die Beteiligten sei daher oft nicht vorhersehbar, ob ein Fall der Kapitalaufbringung nach §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG oder nach §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG vorliege.432 Der Kontostand der Poolgesellschaft im Cash Pool sei nicht nur wichtig für die Frage, wie die Einlageschuld endgültig getilgt werden könne, sondern auch für die Frage, was bei der Anmeldung beim Handelsregister anzugeben sei.433 Es bestehe aus Sicht der Geschäftsleiter immer das Risiko einer falschen Anmeldung, wenn und weil zu dem Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne, ob das Verrechnungskonto bei der Weiterleitung der Einlage ein Haben- oder Sollsaldo aufweisen wird. Z. B. in den Fällen, in denen die Beteiligten wegen des derzeit befindlichen Haben-Saldos des Verrechnungskontos zugunsten der Poolgesellschaft mit einem Hin- und Herzahlen rechnen, die Weiterleitung der Einlagemittel aber erst später, also nach der Anmeldung erfolgt, bestehe die Gefahr, dass ein Hin- und Herzahlen angemeldet wird, tatsächlich aber – aufgrund der dazwischen erfolgten Zahlungsflüsse – eine verdeckte Sacheinlage zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Einlagemittel vorliegt.434 Dies könne für die GeRn. 168; Hentzen/Schwandtner, ZGR 2009, S. 1023 f.; Blasche, GmbHR 2010, S. 291; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 92 f. m.w.N. 431 Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 316; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 643, 645; Bormann, GmbHR 2009, S. 931; Lieder, GmbHR 2009, S. 1185; Altmeppen, NZG 2010, S. 443 ff.; Komo, BB 2011, S. 2112; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 93; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 133; ders., GmbHR 2010, S. 1293 f.; Scholz/Veil, §19, Rn. 168; Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 478. A.A. wohl Herrler, DB 2008, S. 2352: „Der Cash Pool wird auf sicheres rechtliches Fundament gestellt.“; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1455: „Die Probleme, die ein Cash Pool … für die Kapitalaufbringung … nach der bisherigen Rechtsprechung mit sich brachte, sind durch das Gesetz befriedigend gelöst.“ 432 Altmeppen, NZG 2010, S. 443; Komo, BB 2011, S. 2312; Ekkenga, ZIP 2010, S. 2473; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 268 f.; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 92 f.; Bormann, GmbHR 2009, S. 931; Korts, BB 2009, s. 2112 f.; GroßKomm-GmbHG/ Casper, § 19, Rn. 201; Blasche, GmbHR 2010, S. 291; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 92 f. m.w.N. 433 Korts, BB 2009, S. 2113; GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 201. 434 Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 269.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

schäftsleiter eine Strafe zur Folge haben.435 Diese Abgrenzungsprobleme und die daraus resultierende Gefahr würden sich insbesondere bei Mischfällen zeigen.436 Dem Geschäftsleiter werde es nämlich kaum möglich sein, bei der Beschlussfassung und der Anmeldung der Kapitalmaßnahme genau anzugeben, in welcher Höhe eine Sacheinlage und in welcher ein Hin- und Herzahlen vorliegt. In der Lehre wird zum Teil festgestellt, dass das Cash Pooling durch das MoMiG (und ARUG) nicht generell auf einen sicheren Boden gestellt würde, sondern die bezweckte Legalisierung des Cash Pooling im Ergebnis nur gelinge, wenn der Cash Pool-Saldo für die Poolgesellschaft positiv bzw. ausgeglichen sei, mithin die Tatbestandvoraussetzungen eines Hin- und Herzahlens vorliegen würden.437 Weise der Cash Pool-Saldo zulasten der Poolgesellschaft einen negativen Saldo auf und liege damit eine verdeckte Sacheinlage vor, verwirkliche sich der Tatbestand der verdeckten Sacheinlage nach wie vor, sodass sich der Geschäftsführer bei vorsätzlich falschen Angaben zum falschen Zwecke der Eintragung strafbar machen würde. Außerdem sei der Einleger mit der Beweisschwierigkeit (§§ 19 Abs. 4 S. 5 GmbHG, 27 Abs. 3, S. 5 AktG) belastet.438 Ferner wird ausgeführt, dass zwar die Milderung der zivilrechtlichen Folgen der verdeckten Sacheinlage die Beteiligten beruhigen möge, aber man sie aus rechtlicher Sicht gleichwohl nicht in Kauf nehmen dürfe und könne.439 Es wird daher aus praktischer Sicht empfohlen, dass nach wie vor vermieden werden solle, dass das Cash Pooling nicht im Zusammenhang mit einer Kapitalaufbringungsmaßnahme zu einer verdeckten Sacheinlage führt.440 Die Beteiligten müssten demnach darauf achten, dass das Zielkonto bei der Einzahlung und Weiterleitung der Einlage keinen negativen Saldo ausweist, um in den Genuss der „Wohltat“ der §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG zu kommen.441 Auf der anderen Seite wird auch die Regelung des Hin- und Herzahlens dahingehend kritisiert, dass die Hauptverantwortung für die Weiterleitung der Einlagemittel in den Cash Pool und für die damit verbundene mittelbare Rückführung an den Inferenten die Geschäftsleitung der (Pool-)Gesellschaft trägt.442 Im Falle des Hin- uns Herzahlens erweise sich die bilanzielle Betrachtungsweise aus Sicht des Geschäftsführers, welcher die Solvenz des Inferenten zu überprüfen hat, als ein Danaergeschenk; sie entlaste also den Gesellschafter, nicht jedoch den Geschäftsführer.443 435

Bormann, GmbHR 2009, S. 931; Bayer, GmbHR 2010, S. 1294. Bayer, GmbHR 2010, S. 1294; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 269. 437 Bayer, GmbHR 2010, S. 1294; Lieder, GmbHR 2009, S. 1185; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52, 329. 438 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 201. 439 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52, 329. 440 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52, 329. 441 So Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52, 329. 442 Bayer, GmbHR 2010, S. 1294; Lieder, GmbHR 2009, S. 1185; König/Bormann, DNotZ 2008, S. 662. 443 K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 452. 436

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Schließlich wird von einem überwiegenden Teil der Lehre – zu Recht – festgestellt, dass durch die Neuregelung ein praktikables Verfahren für die Kapitalaufbringung i.R.d. Cash Pooling immer noch nicht geschaffen wurde und daher das wesentliche Ziel des Reformgesetzgebers des MoMiG (und ARUG), die Kapitalaufbringung beim Cash Pooling nachhaltig zu erleichtern und zu vereinfachen, nicht vollumfänglich erreicht wurde.444 Abgesehen von der Handhabungsschwierigkeiten wird zudem darauf hingewiesen, dass unter jetziger Rechtslage den Geschäftsführern bei Pflichtverletzung – stärker als bei bisherigem Recht – empfindliche Haftungsund Strafsanktionen drohen.445 Daher werden in der Lehre zum Teil de lege ferenda weitere Reformen/Deregulierungen gefordert.446 2. Lösungsvorschläge zur Vermeidung der Abgrenzungsprobleme a) Einheitliche Anwendung der Voraussetzungen des Hin- und Herzahlens auf die Cash Pooling-Praxis Zur Vermeidung der aus der vorstehend dargestellten Differenzierung für die Cash Pooling-Praxis resultierenden Schwierigkeiten wird in der Literatur insbesondere von Casper empfohlen, die Voraussetzungen des Hin- und Herzahlens einheitlich auf jegliche Form der Einlagenerbringung im Zusammenhang mit einem Cash Pool anzuwenden.447 Denn § 19 Abs. 5 GmbHG sei insoweit ausnahmsweise gegenüber § 19 Abs. 4 GmbHG die speziellere Vorschrift. Diese Lösung sei der einzige Weg, um eine rechtssichere Lösung zu gewährleisten, die sowohl dem Regelungszweck als auch der historischen Intention gerecht wird, die auf eine Teillegalisierung der Kapitalaufbringung im Cash Pool abzielt.448 Dieser Lösungsansatz wurde allerdings in der Lehre aus vielen Gründen als nicht geeignet bewertet. Es stünden nämlich diesem Lösungsweg der Wortlaut und die Systematik der gesetzlichen Regelung entgegen, weil in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG das Hin- und Herzahlen 444 Spindler/Stilz/Herrler, § 27, Rn. 316; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 643, 645; Bormann, GmbHR 2009, S. 931; Lieder, GmbHR 2009, S. 1185; Altmeppen, NZG 2010, S. 443 ff.; Komo, BB 2011, S. 2112; Balke, Gesellschafterhaftung in der GmbH, S. 93; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 133; ders., GmbHR 2010, S. 1293 f.; Scholz/Veil, §19, Rn. 168. Es wird jedoch vereinzelt das Gegenteil behauptet: Herrler, DB 2008, S. 2352: „Der Cash Pool wird auf sicheres rechtliches Fundament gestellt.“; Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, S. 1455: „Die Probleme, die ein Cash Pool … für die Kapitalaufbringung … nach der bisherigen Rechtsprechung mit sich brachte, sind durch das Gesetz befriedigend gelöst.“ 445 Lieder, GmbHR 2009, S. 1185. 446 Drygala, NZG 2007, S. 564; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 133; Lieder, GmbHR 2009, S. 1185; gegen weitere Deregulierung Ulmer, ZIP 2008, S. 52. 447 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 201; Schäfer, der auch schon bei der 12. Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung am 13. 11. 2009 vorschlug, die Cash PoolFälle einheitlich nach den Regeln für das Hin- und Herzahlen zu behandeln, dafür s. Bericht von Staake, in: VGR 15, S. 58; auch in diese Richtung Gärtner, Cash Pooling, S. 605, 625, 719. 448 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 201.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

explizit „subsidiär“ zur Regelung der verdeckten Sacheinlage ausgestaltet sei.449 Obwohl der Gesetzgeber speziell bei der Einführung der Regelung zum Hin- und Herzahlen die typischen Fälle in Cash-Management-Systemen vor Augen gehabt habe, habe er sich ganz ausdrücklich dafür entschieden, dass die Regeln des Hin- und Herzahlens „subsidiär“ zu den Regeln der verdeckten Sacheinlage in Anwendung kommen würden.450 Daher liege kein Grund dafür vor, diese Entscheidung des Gesetzgebers für Fälle der Cash Pool-Konstellationen in sein Gegenteil zu verkehren, zumal wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber keinen eigenständigen Absatz für Cash Pool vorgesehen habe.451 Eine erleichterte Anwendung der Sondervorschrift entgegen dem Wortlaut, um die klare gesetzgeberische Intention und die gegebene Systematik zu ermöglichen, könne auch dogmatisch keineswegs überzeugen.452 Nach Gärtner, der auch eine ähnliche Meinung vertritt, sei jedoch der Rückfluss der Einlage i.R.d. Cash Pooling stets als Hin- und Herzahlen einzuordnen, sofern zwischen der Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft ein Kontokorrent bestehe.453 Dieser Ansicht wird jedoch entgegengehalten, dass zwar bei rechtstechnischer Betrachtung jede Zahlung der Gesellschaft an ihren Gesellschafter eine Darlehensgewährung darstelle, die ins Kontokorrent gestellt und verrechnet wird. Aber für Zwecke des Kapitalaufbringungsrechts sei nicht auf eine rechtstechnische, sondern auf eine wirtschaftliche Betrachtung abzustellen.454 b) Anordnung der Sacheinlagefähigkeit von Forderungen gegenüber Inferenten (de lege ferenda) Dass das Hin- und Herzahlen getrennt von der verdeckten Sacheinlage behandelt wird und damit eine Unterscheidung zwischen diesen Rechtsinstituten vorgenommen wird, wurde im Schrifttum bereits vor dem Inkrafttreten des MoMiG kritisiert.455 Auch wurde in diesem Zusammenhang auf die daraus resultierenden Abgren449 So Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 134; ders., GmbHR 2010, S. 1294 Fn. 76: „de lege lata kaum vertretbare Argumentation“; Scholz/Veil, § 19, Rn. 168 mit Fn. 8; Goette, der in seiner Erwiderung auf den Vorschlag von Schäfer über die einheitliche Anwendung des Hinund Herzahlens auf die Cash Pooling-Praxis den Wortlaut des Gesetzes zur Begründung seiner Gegenansicht heranzog, dafür s. Bericht von Staake, in: VGR 15, S. 58 f.; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 54 f. 450 Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 54 f. 451 Goette, der in seiner Erwiderung auf den Vorschlag von Schäfer auf diesen Aspekt abstellt, dafür s. Bericht von Staake, in: VGR 15, S. 58 f.; auch Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 54 f. 452 Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 55. 453 Gärtner, Cash Pooling, S. 605, 625, 719. 454 Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 641. 455 Drygala, NZG 2007, S. 564; Büchel, GmbHR 2007, S. 1067 f.; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 782; Wirsch, GmbHR 2007, S. 741; Bormann, GmbHR 2007, S. 903; Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, S. 120.

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zungsprobleme und Wertungswidersprüche hingewiesen. Nach den Vertretern dieser Ansicht hätte der Gesetzgeber durch eine einheitliche Regelung die von der Rechtsprechung entwickelte Unterscheidung zwischen der verdeckten Sacheinlage und dem Hin- und Herzahlen beseitigen können bzw. sollen, indem er auf den Umweg des Hin- und Herzahlens verzichtet, stattdessen (vollwertige) Forderungen gegen den Inferenten generell für sacheinlagefähig erklärt und damit die direkte Einbringung einer Forderung gegen den Inferenten erlaubt hätte.456 Denn mit der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise lasse der Gesetzgeber nunmehr grundsätzlich zu, dass eine werthaltige Forderung gegen den Inferenten geeignet sei, die Einlageforderung zu ersetzen.457 Es sei daher nicht ersichtlich, warum eine Einlageforderung im Wege des Hin- und Herzahlens gegen eine schuldrechtliche Forderung ausgetauscht werden darf, eine solche Forderung indes nicht auf direktem Weg in die Gesellschaft als Sacheinlage erbracht werden kann.458 Bei dieser differenzierten Regelung berücksichtige der Gesetzgeber wohl die bislang herrschende Meinung,459 wonach eine Darlehensforderung gegen den Inferenten nicht sacheinlagefähig sei und daher der Fall eines bloßen Hin- und Herzahlens nicht als eine verdeckte Sacheinlage zu bewerten sei.460 Allerdings wolle der Gesetzgeber mit der Neuregelung gerade diesen Gedanken zurückweisen und die Darlehensgewährung bei den Problemfeldern zulassen. Daher hätte eine Normierung der Sacheinlagefähigkeit solcher Forderungen zu einer konsequenten und einheitlichen Regelung dieser im Grundsatz gleichen Sachverhalte geführt.461 Ein solcher Ansatz, wonach werthaltige Forderungen gegenüber den Inferenten ausdrücklich für sacheinlagefähig zu erklären sind, hätte insbesondere für Cash PoolKonstellationen den Vorteil, dass die schwierige Abgrenzung zwischen verdeckter Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens entfiele.462 Diese Lösung hätte zudem den Vorteil, dass eine gegen den Inferenten bestehende Forderung nicht mehr als eine Bareinlage, sondern nur noch als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden könnte, wodurch die strengen Sacheinlagevorschriften zur Anwendung kämen.463 Die Werthaltigkeit der Forderung wäre dann nicht mehr vom Geschäftsführer selbst einzuschätzen, sondern im Rahmen des Sacheinlageverfahrens vom Registergericht 456

Drygala, NZG 2007, S. 564; Bormann, GmbHR 2007, S. 903; Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, S. 120; Gehrlein, Der Konzern 2007, S. 782; Wirsch, GmbHR 2007, S. 741. Auch nach dem Inkrafttreten des MoMiG dafür Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 271; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 186, 189. 457 Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 270. 458 Drygala, NZG 2007, S. 564; Bormann, GmbHR 2007, S. 903; Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, S. 120; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 270. 459 Ausführlich zu dieser Meinung siehe Kapitel 3, § 2, B., I., 2. 460 Darauf hinweisend insb. Drygala, NZG 2007, S. 564; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 270 f. 461 Drygala, NZG 2007, S. 564; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 189. 462 Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 270. 463 Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, S. 120; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 270.

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zu beurteilen.464 Das wäre ein im Interesse der Gesellschaft weitergehender Schutz.465 VII. Alternative Lösungsvorschläge vom Schrifttum für ordnungsgemäße bzw. haftungsrisikofreie Kapitalaufbringung im Cash Pool Da wie oben ausgeführt auch die Neuregelungen viele Hürden mit Blick auf eine zulässige Kapitalaufbringung i.R.d. Cash Pooling-Konstellationen mit sich bringen, wird im Schrifttum nach wie vor auf andere Möglichkeiten als „safe harbor“ hingewiesen: 1. Kapitalaufbringung im Wege einer offenen Sacheinlage a) Einbringung der Forderung der Betreibergesellschaft als Sacheinlage Um die verdeckte Sacheinlage bei den Kapitalmaßnahmen i.R.d. Cash Pooling zu vermeiden, wurde bereits vor der Neuregelung im Schrifttum vorgeschlagen, dass die Kapitalerhöhung von Anfang an als Sachkapitalerhöhung durchgeführt wird, wenn die Poolgesellschaft einen negativen Saldo und damit Verbindlichkeiten gegen die Betreibergesellschaft hatte.466 Dieses Verfahren ist zwar mit erheblichem Mehraufwand (Zeit, Kosten usw.) verbunden und in der Praxis von Cash Pooling nicht üblich, aber es wird auch noch nach der Neuregelung von der Lehre als ein sicherer Weg empfohlen,467 der nichts an seiner Aktualität verloren hat. Die Einbringung der Forderung der Betreibergesellschaft als Sacheinlage mag für den Fall der sicherste und auch ordnungsgemäße Weg im Cash Pooling sein, dass die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung Verbindlichkeiten gegenüber der Betreibergesellschaft hat.468 Allerdings ist dabei darauf hinzuweisen, dass die Inferentin wegen des herrschenden, traditionellen Bewertungsverständnisses der Forderungen gegenüber der Gesellschaft („Vollwertigkeitserfordernis“) nicht im Umfang der Verbindlichkeit der Poolgesellschaft von seiner Einlageverpflichtung 464

Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, S. 120; Jordans, Die verdeckte Sacheinlage, S. 270. Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 184. 466 Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 168 f.; Cahn, ZHR 166 (2002), S. 284 f.; Morsch, NZG 2003, S. 103 f.,106 f.; Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2279; Lamb/Schluck-Amend, DB 2006, S. 880; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 93 ff.; Vetter/ Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 412; Langer, GmbHR 2006, S. 482. 467 Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52; Lieder, GmbHR 2009, S. 1180. 468 Hier wird davon ausgegangen, dass das Differenzierungsproblem überwunden wird und gewiss ist, was die Poolgesellschaft zum relevanten Zeitpunkt für ein Saldo auf dem Zentralkonto haben wird. 465

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befreit werden dürfte.469 Die Erfüllung der Einlagepflicht in Höhe des Nennwerts der Forderung erfolgt nämlich nach herrschender Meinung nur dann, wenn die Forderung tatsächlich vollwertig ist.470 Entspricht der wirtschaftliche Wert der Forderung nicht mehr dem Nominalwert, kann die Forderung nur mit einem Bewertungsabschlag zu ihrem tatsächlichen Wert eingebracht werden.471 Die betreffende Poolgesellschaft muss demnach zum Zeitpunkt der Kapitalaufbringung in der Lage sein, alle bestehenden Verbindlichkeiten bei deren Fälligkeit zu bedienen.472 Unter Berücksichtigung dieser „Vollwertigkeitsklausel“, wonach die Forderung nicht direkt nach ihrem Nennwert, sondern nach ihrem tatsächlichen, wirtschaftlichen Wert einzubringen ist, werden in der Literatur Bedenken bezüglich der praktischen Bedeutung dieser Verfahrensweise hinsichtlich der Cash Pooling-Praxis geäußert.473 Denn ein negativer Saldo zulasten der Poolgesellschaft auf dem internen Verrechnungskonto weise vor allem darauf hin, dass die Poolgesellschaft nicht mehr kreditwürdig sei. Dies habe zur Folge, dass die Forderung der Betreibergesellschaft nicht vollwertig sei und daher als eine Sacheinlage nicht in Betracht kommen würde oder nur mit einem Teilwert eingebracht werden könne.474 b) Beim Vorliegen von Forderungen der Poolgesellschaft gegen die Betreibergesellschaft? Für die Durchführung einer offenen Sacheinlage war (und ist) nach allgemeiner Meinung das Vorliegen eines sacheinlagefähigen Gegenstands erforderlich und ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Inferenten wurde (und wird) für nicht sacheinlagefähig gehalten.475 Von daher kam unter der alten Rechtslage die Möglichkeit der offenen Sacheinlage nicht in Betracht, wenn ein positiver Saldo auf dem Verrechnungskonto zugunsten der Poolgesellschaft bestand und damit die Poolgesell469

Ausführlich dazu siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 2., b). BGHZ 90, 370, Rn. 373; BGHZ 132, 133, Rn. 144; GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 66; Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 5, Rn. 17, 25; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 5, Rn. 28. 471 GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 66; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 5, Rn. 28. 472 BGHZ 110, 47, Rn. 61; Hentzen, DStR 2006, S. 950; GroßKomm-AktG/Schall, § 27, Rn. 183. 473 Hangebrauck, Cash Pooling, S. 136; Wirsch, Der Konzern 2009, S. 445; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52. 474 Siehe die Erzählungen in Kapitel 3, § 2, C., III., 2., b). 475 BGHZ 180, 38, Rn. 10, „Qivive“; vgl. BGHZ 182, 103, Rn. 19, „Cash Pool-II“, in dem die Unterscheidung der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens sowie den Ausnahmecharakter des Hin- und Herzahlens betont wurde; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 22; Seibert/Decker, ZIP 2008, S. 1210; GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 63; Roth/Altmeppen/Roth, § 5, Rn. 44; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 110, § 19, Rn. 327; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 26; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 26; Schmidt/ Lutter/Bayer, § 27, Rn. 15 m.w.N. Siehe auch Kapitel 3, § 2, B., I., 2. 470

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schaft eine Darlehensforderung gegen die Betreibergesellschaft hatte.476 Im Schrifttum zum alten Recht wurde daher für diesen Fall als Ausweg vorgeschlagen, dass der Poolgesellschaft vorab ein Darlehen in Höhe des Einlagebetrags außerhalb des Cash Pools gewährt und sodann der Darlehensrückzahlungsanpruch als Sacheinlage eingebracht wird.477 Im Anschluss daran könnte dann nach dieser Ansicht der Betrag der Darlehensvaluta auf den Cash Pool problemlos übertragen werden. Allerdings wurde gegen eine solche künstlich geschaffene Darlehensverbindlichkeit der Poolgesellschaft und damit gegen die Wirksamkeit dieses Vorgehens Bedenken mit Blick auf die freie Verfügbarkeit der Leistung vorgebracht. Es sei nämlich bei diesem Verfahren von vornherein verabredet, dass die Einlage an den Gesellschafter zurückfließt.478 Diese Bedenken resultierten also aus dem Gedanken, dass dabei der vom Gesetz unerwünschte Erfolg (Umgehung der Kapitalvorschriften) durch Verwendung anderer Gestaltungsarten erreicht wird.479 Nach der Neukonzeption von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG wird die Frage nach der Sacheinlagefähigkeit einer Forderung gegen den Inferenten erneut zur Debatte gestellt. Dass durch diese Neuregelung unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit geschaffen wird, eine Forderung gegen den Inferenten im Wege des Hin- und Herzahlens – faktisch – einzubringen, wird in der Lehre vereinzelt dahingehend ausgelegt, dass nach geltendem Konzept des Gesetzes nunmehr keine Gründe mehr vorhanden seien, eine Forderung gegen den Inferenten von der offenen Sacheinlagefähigkeit auszunehmen.480 Es sei also kein Grund dafür ersichtlich, dass eine „direkte“ Einlage einer solchen Forderung ausgeschlossen sein solle.481 Die herrschende Meinung und die Rechtsprechung halten jedoch nach wie vor an der Regel fest, dass die Forderung der Gesellschaft gegen den Inferenten nicht als Sacheinlage eingebracht werden kann und darf.482 § 19 Abs. 5 GmbHG finde le476

Kapitel 3, § 2, B., I., 2. Cahn, ZHR 166 (2002), S. 306; Morsch, NZG 2003, S. 103 f.; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 453; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 94; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 413; Langer, GmbHR 2006, S. 481; auch unter neuer Rechtslage so Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 477. 478 Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 413; Hentzen, DStR 2006, S. 950 f., der dieses Verfahren hinsichtlich der Nämlichkeit der Einlage für fraglich hält, weil in dem Moment, in dem die Valuta aus dem Darlehen im Anschluss an die Kapitalerhöhung in den Cash Pool eingestellt werde. 479 So Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 234. 480 So Bormann, GmbHR, 2007, S. 903; Gummert, DStR 2008, S. 982; Heinze, GmbHR 2008, S. 1072 f.; Schall, ZGR 2009, S. 146; Wicke, § 19, Rn. 33; insb. im Zusammenhang mit Cash Pooling Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 186, 235; vgl. auch Drygala, NZG 2007, S. 564; Bormann/Urlichs, GmbHR 2008, S. 120; Wirsch, GmbHR 2007, S. 741. 481 Bormann, GmbHR, 2007, S. 903. 482 BGHZ 180, 38, Rn. 10, „Qivive“; vgl. BGHZ 182, 103, Rn. 19, „Cash Pool-II“, in dem die Unterscheidung von der verdeckten Sacheinlage und Hin- und Herzahlen sowie den Ausnahmecharakter des Hin- und Herzahlens betont wurde; Baumbach/Hueck/Fastrich, § 19, Rn. 22; Seibert/Decker, ZIP 2008, S. 1210; GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 63; Roth/Altmeppen/Roth, § 5, Rn. 44; MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 110, § 19, 477

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diglich bei Vorliegen des Tatbestands des Hin- und Herzahlens Anwendung, d. h. wenn zunächst der Gesellschafter die Barzahlung erbringt und die Mittel anschließend an ihn zurückfließen.483 Dies bestätige die Regel, dass eine solche Ersetzung außerhalb des dort geregelten Falls nicht zulässig sei. Der Gesetzgeber habe bewusst dem Hin- und Herzahlen nur unter den in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG genannten, einschränkenden Voraussetzungen schuldbefreiende Wirkung gewährt.484 Die Sacheinlagefähigkeit von gegen den Gesellschafter gerichteten Forderungen zuzulassen, hätte dazu geführt, dass das Hin- und Herzahlen zu einer Fallgruppe der verdeckten Sacheinlage geworden wäre. Da der Gesetzgeber indes im Grundsatz an der Abgrenzung des Hin- und Herzahlens von der verdeckten Sacheinlage festgehalten habe, lasse sich aus dieser Bestimmung nicht auf die Sacheinlagefähigkeit von gegen den Inferenten gerichteten Forderungen schließen.485 Es wird sogar in der Literatur behauptet, dass es bei der Fallgruppe des Hin- und Herzahlens ungeachtet der auf den ersten Blick weiteren Fassung des Gesetzes um nichts anderes gehen soll, als darum, das Cash Pooling bei der Kapitalaufbringung zu ermöglichen.486 Auf der Basis der herrschenden Meinung und der Rechtsprechung ist schließlich festzustellen, dass nach wie vor die Forderungen gegen den Inferenten und damit gegen die Betreibergesellschaft487 im Cash Pooling auch nach neuer Rechtslage nicht direkt als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden können. Deswegen bestehen die Bedenken gegen die Verwendung einer außerhalb des Cash Pooling künstlich geschaffenen Darlehensforderung als Sacheinlage auch unter der neuen Rechtslage fort. D. h. es besteht die Gefahr, dass die Rechtsprechung in einem solchen Verfahren die Wirksamkeit mit der Begründung absprechen könnte, dass dies ein Umgehungsgeschäft darstelle.488 Da allerdings durch §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Rn. 327; MünchKomm-AktG/Pentz, § 27, Rn. 26; Spindler/Stilz/Benz, § 27, Rn. 26; Schmidt/ Lutter/Bayer, § 27, Rn. 15 m.w.N. 483 Für die Kritik dieses „Umwegs“ und den Vorschlag über die Anordnung der Sacheinlagefähigkeit von Forderungen gegenüber Inferenten (de lege ferenda): Kapitel 3, § 2, C., VI., 2., b). 484 GroßKomm-GmbHG/Ulmer/Casper, § 5, Rn. 63. 485 MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 5, Rn. 110. 486 Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 26. 487 A.A. Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 188, wonach die Regelung zum Hin- und Herzahlen lediglich auf die Nichteinlagefähigkeit von Forderungen hindeute, die sich unmittelbar gegen den Inferenten richten würden. Daher sei die Sacheinlagefähigkeit einer Forderung gegen die Betreibergesellschaft zu bejahen, wenn diese nicht selbst Inferent sei. So auch bereits vor der Neuregelung: J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 94; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 413. Siehe dazu Kapitel 3, § 2, C., II. 488 A.A. Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 234 f., wonach jedoch für solche Bedenken nach der Neuregelung kein Raum mehr sei. Denn der neue § 19 Abs. 5 GmbHG lasse eine Kapitalaufbringung durch Forderungen gegen den Gesellschafter zu, sodass Gründe der realen Kapitalaufbringung eine Verhinderung solcher Umgehungsgeschäfte nicht mehr rechtfertigen könnten.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Abs. 4 AktG dem Hin- und Herzahlen unter bestimmten Voraussetzungen die Erfüllungswirkung zugeschrieben wird, wäre wohl die Erbringung einer künstlich geschaffenen Darlehensforderung als Sacheinlage ohnehin unnötig. 2. Leistung der Einlage auf ein nicht in den Cash Pool einbezogenes Sonderkonto Um eine rechtssichere und unproblematische Kapitalaufbringung i.R.d. Cash Pooling durchführen zu können, wurde in der Literatur bereits vor dem MoMiG von einer Sonderkonto-Lösung als einem sicheren Weg gesprochen.489 Danach solle die Einlageleistung zunächst außerhalb des Cash Pools auf ein Sonderkonto erbracht und die Mittel für einen Zeitraum dort belassen werden.490 Durch den Ausschluss dieses Sonderkontos aus dem Cash Pool-System könne verhindert werden, dass eine verdeckte Sacheinlage oder das unzulässige Hin- und Herzahlen zustande komme.491 Denn durch die bewusste spätere Überweisung des Betrags in den Cash Pool durch die Geschäftsführer solle sichergestellt werden, dass die Mittel zur freien Verfügung der Gesellschaft gestanden hätten und damit das Erfordernis der freien Verfügung nicht verletzt werde.492 Über die entscheidende Frage, wie lange die Mittel auf dem Sonderkonto verbleiben müssten, gingen die Lehrmeinungen jedoch auseinander: Eine Auffassung hat das Belassen der eingezahlten Mittel bis zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister für ausreichend erachtet,493 während teilweise von einer Dauer eines vollen Bankarbeitstages nach der Anmeldung zum Handelsregister gesprochen wurde.494 In Anlehnung an den zeitlichen Zusammenhang von Bareinlagen und Rückfluss der Einlage ging eine andere Ansicht von einer Frist von sechs Monaten aus.495 Dieser Ansicht wurde jedoch entgegengehalten, dass eine sechsmonatige oder längerfristige Belassung der Mittel auf dem Sonderkonto den Anforderungen an eine Einlageleistung zur endgültigen freien Verfügung nicht genügen 489

Jäger, DStR 2000, S. 1657 f.; Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 178; Hüffer, 7. Aufl., 2006, § 188, Rn. 6a; Cahn, ZHR 166 (2002), S. 287; Lamb/Schluck-Amend, DB 2006, S. 880; Vetter/ Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 415 ff.; Goette, DStR 2006, S. 767 f.; Priester, ZIP 2006, S. 1560; Langner, GmbHR 2006, S. 482; kritisch: Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 451; Morsch, NZG 2003, S. 103; Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2280. 490 Jäger, DStR 2000, S. 1657 f.; Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 169; Hüffer, 7. Aufl., 2006, § 188, Rn. 6a. 491 Cahn, ZHR 166 (2002), S. 287; Lamb/Schluck-Amend, DB 2006, S. 880; Vetter/ Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 415 ff. 492 Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 178 f. 493 Jäger, DStR 2000, S. 1657 f. 494 Sieger/Hasselbach, BB 1999, S. 649; Hellwig, in: FS für Peltzer, S. 178; Hüffer, 7. Aufl., 2006, § 188, Rn. 6a; kritisch dazu Cahn, ZHR 166 (2002), S. 286, dem zufolge diese Gestaltungsempfehlung auf einem allzu formalen Verständnis des Kapitalaufbringungsrechts beruhe und dem Zweck der anzuwendenden Vorschriften nicht gerecht werde. 495 Baumbach/Hueck/Hueck//Fastrich, 17. Aufl., 2000, § 19, Rn. 30a; Pentz, ZIP 2003, S. 2095 m.w.N.; OLG Brandenburg, 01. 07. 1998 – 7 U. 17/98, GmbHR 1998, S. 1034.

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würde, weil in einem Cash Pool-Verfahren von Anfang an die Übertragung des Saldos des Sonderkontos an den Cash Pool verabredet werde.496 Denn dem Tatbestandsmerkmal des zeitlichen Zusammenhanges komme bei Vorliegen einer den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage umfassenden Abrede – wie bei einem Cash Pool Vertrag – keine eigenständige Bedeutung mehr zu und aufgrund der vertraglichen Abrede könne ein Rückfluss der Bareinlage an den Gesellschafter auch nach mehr als einem Jahr nach ihrer Leistung an die Gesellschaft als verdeckte Sacheinlage angesehen werden.497 Daher seien die eingezahlten Mittel dauerhaft auf dem Sonderkonto zu belassen und dem Cash Pooling-Verfahren überhaupt nicht zur Verfügung zu stellen, sondern nur operativ, also für den allgemeinen Geschäftsbetrieb zu verwenden.498 Auch der BGH hielt in seinem „Cash Pool-I“-Urteil diese Gestaltungsvariante für „im Ansatz zutreffend“, stellte aber fest, dass es zum Zwecke der Barkapitalerhöhung nicht ausreiche, ein Sonderkonto einzurichten und die Einlagemittel nur für wenige Tage auf diesem Sonderkonto zu parken, sofern die Mittel alsbald in den Cash Pool Kreislauf geraten und damit an den Inferenten zurückfließen.499 Daraufhin wurde in der Lehre mit Blick auf die rechtssichere Kapitalaufbringung i.R.d. Cash Pooling mittels Sonderkonto-Lösung nahe gelegt, die auf das (bei einem anderen Kreditinstitut geführte)500 Sonderkonto eingezahlten Mittel unmittelbar für die Geschäftszwecke der Gesellschaft einzusetzen, sodass ein Rückfluss an die Inferenten ausgeschlossen werden kann.501 Auch wenn schließlich diese Gestaltungsweise dem Schrifttum als möglichst sicherer Weg erschien, wurde zugleich auf das Prinzip hingewiesen, dass es bei der Frage des für den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage maßgeblichen Hin- und Herzahlens nicht auf die konkrete Einlageleistung sowie auf die Nämlichkeit der an den Inferenten zurückgeführten Mittel ankomme, sondern auf den Betrag der Einlage. Daher wurden in der Lehre dahingehend Bedenken geäußert, dass der Rückfluss der Einlage in jenen Fällen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, in denen die Einlageleistung durch Einzahlung auf ein Sonderkonto zwar dem Cash Pooling entzogen wird, aber der Betrag der Einlageleistung durch einen Mittelabfluss vom regulären Geschäftskonto an die Konzernmutter zurückfließt.502 496

Cahn, ZHR 166 (2002), S. 287; Morsch, NZG 2003, S. 103. Morsch, NZG 2003, S. 103. 498 Cahn, ZHR 166 (2002), S. 287; Morsch, NZG 2003, S. 103. 499 BGHZ 166, 8, Rn. 21, „Cash Pool-I“; für die Anmerkung dazu siehe statt vieler: Bayer/ Lieder, GmbHR 2006, S. 451 f. und Langner, GmbHR 2006, S. 482. 500 Dies verlangend Goette, DStR 2006, S. 767; ders., DStR 2007, S. 775. 501 Goette, DStR 2006, S. 767 f., welcher diese Vorgehensweise als damaliger Vorsitzende des II. Zivilsenats des BGH in der Anmerkung zum „Cash Pool-I“ Urteil vorschlug.; ders., DStR 2007, S. 775; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 451 f.; Langner, GmbHR 2006, S. 482; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 415 ff.; Hentzen, DStR 2006, S. 955; Hüffer, 8. Aufl., 2008, § 188, Rn. 6a. 502 Morsch, NZG 2003, S. 103; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 92; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 451; Langner, GmbHR 2006, S. 482; Hentzen, DStR 2006, S. 955; Sieger/Wirtz, ZIP 2005, S. 2280. 497

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Auch nach dem MoMiG wird im Schrifttum die Sonderkonto-Lösung noch teilweise als sicherster Weg angesehen.503 Denn aufgrund der Separierung der Einlage solle ein Rückfluss der Einlage an den Inferenten – auch bei wirtschaftlicher Betrachtung – nicht vorliegen, wenn die Gesellschaft die Gelder im Rahmen ihres allgemeinen Geschäftsbetriebs verwende. Darin solle eine ordnungsgemäße Leistung der Geldeinlage liegen, die weder unter §§ 19 Abs. 4 GmbHG, 27 Abs. 3 AktG noch §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG falle. In diesem Zusammenhang wird insbesondere betont, dass es – wie früher verlangt wurde – ausgeschlossen sein solle, dass die Einlagemittel nur temporär auf einem Sonderkonto verbleiben und anschließend nach der Durchführung der Kapitalaufbringung (absprachegemäß) wieder in den Cash Pool eingestellt werden.504 Es besteht allerdings auch die Gegenmeinung, die die Zulässigkeit der Sonderkonto-Lösung im kapitalaufbringungsrechlichen Sinne bezweifelt.505 Nach wie vor506 wird, basierend auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, darauf hingewiesen, dass es bereits dann zu einem kapitalaufbringungsrechtlich schädlichen Rückfluss komme, wenn das Gesellschaftsvermögen durch Cash Pool-Verbindlichkeiten belastet werde und auf diese Weise daraus Abführungen an den Cash Pool gemacht würden.507 Auf die Gefahr der Sonderkonto-Lösung wird in jüngster Zeit insbesondere unter Berufung auf das „Rheinmöve“-Urteil hingewiesen,508 wonach für eine verdeckte Sacheinlage keine dingliche Identität zwischen den eingelegten und den zurückgewährten Mitteln bestehen müsse.509 Demnach sei in Konstellationen, in denen dem Inferenten nach der Einlagenerbringung auf dem Sonderkonto Mittel i.R.d. Cash Pooling zugute gekommen seien, stets von einer verdeckten Sacheinlage i.S.v. § 27 Abs. 3 AktG 503 Theusinger NZG 2009, S. 1018 f.; Priester, DNotZ 2009, S. 948; Komo, BB 2011, S. 2313; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 58 f.; Roth/Altmeppen/Roth, § 19, Rn. 100; MünchKomm-GmbHG/Märtens, 1. Aufl., 2010, § 19, Rn. 194; tendenziell auch GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19 Rn. 207; trotz der Kritik im Ergebnis auch Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 643 f. 504 Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 60; Hüffer/Koch, § 188, Rn. 6a. 505 Korts, BB 2009, S. 2113; Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 477; Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 644; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 207 f.; MünchKomm-GmbHG/ Lieder, § 56a Rn. 66; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 632 f.; wohl auch Habersack, GWR 2009, S. 131. 506 „Es kommt nicht auf die Nämlichkeit der Mittel an“: Morsch, NZG 2003, S. 103; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 92; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 451; Langner, GmbHR 2006, S. 482; Hentzen, DStR 2006, S. 955; Sieger/ Wirtz, ZIP 2005, S. 2280. 507 Korts, BB 2009, S. 2113; Hangebrauck, DZWiR 2009, S. 477; vgl. Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 207 f., ihm zufolge es dabei zwar eine Leistung zur freien Verfügung vorliege, aber die Betrachtung des Vorgangs insgesamt der Annahme entgegenstehe, dass diese Vorgehensweise das Vorliegen einer unwirksamen Leistung verhindere. 508 Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 644; vgl. auch Habersack, GWR 2009, S. 131. 509 BGHZ 175, 265, Rn. 13, „Rheinmöve“: „Ein Einlagenru¨ ckfluss bzw. eine verdeckte Sacheinlage erfordern keine gegensta¨ ndliche Identita¨ t der ein- und zuru¨ ckgezahlten Einlagemittel …“.

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auszugehen.510 Zur Vermeidung dieser Gefahr wird zum einen vorgeschlagen, die Gesellschaft für sechs bis zwölf Monate aus dem Cash Pool auszunehmen;511 zum anderen wird empfohlen, durch eine vertragliche Abrede sicherzustellen, dass die auf dem Sonderkonto gebuchte Einlage nicht zur anderweitigen Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber Konzerngesellschaften verwendet wird.512 Auf der anderen Seite wird dieser auf dem „Rheinmöve“-Urteil basierenden weiten Auffassung entgegengehalten, dass eine solche pauschalisierende Sichtweise die Anforderungen an die für die verdeckte Sacheinlage erforderliche Umgehungsabrede zu stark herabsetzen würde.513 Im Zentrum der Argumentation des BGH im „Rheinmöve“-Urteil stehe nämlich die Abrede, die wirtschaftlich betrachtet zur Umgehung der Kapitalaufbringungsvorschriften fu¨ hrt. Bei der Nutzung eines Sonderkontos i.R.d. Cash Pooling fehle es allerdings an einer derartigen Abrede. Vielmehr würden dabei die Parteien durch die Einzahlung auf das Sonderkonto verhindern wollen, dass die Einlagemittel an den Inferenten zuru¨ ckfließen. Wenn die Gesellschaft im operativen Geschäft Mittel erwirtschafte, diese in den Cash Pool einstelle und dadurch Geld an den Inferenten fließe, basiere dieser Geldstrom nicht auf einer Umgehungsabrede. Die Mittel aus der Kapitalaufbringung würden im Vermögen der Gesellschaft bleiben, mithin sei das Ziel der Kapitalaufbringungsregeln erreicht.514 Um diese eher für die Sonderkonto-Lösung befürwortende Auslegung zu unterstützen, wird zudem auf das nach dem „Rheinmöve“-Urteil ergangenen „Qivive“-Urteil hingewiesen,515 wonach es fu¨ r die Beurteilung eines Vorgangs als Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln entscheidend darauf ankomme, dass die Beteiligten die Einlagemittel fu¨ r einen Ru¨ ckfluss an den Inferenten „reservieren“.516 Die Einzahlung der Einlage auf ein Sonderkonto bewirke gerade keine Reservierung fu¨ r diese Zwecke. Daher würden insgesamt die besseren Gru¨ nde dafu¨ r sprechen, dass eine Barkapitalerhöhung im Cash-Pool auch unter Nutzung eines Sonderkontos nach wie vor rechtssicher möglich sei.517

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Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 644. Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 644. 512 GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19 Rn. 207. 513 Theusinger, NZG 2009, S. 1018 f.; ihm folgend Komo, BB 2011, S. 2313; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 59. 514 Theusinger, NZG 2009, S. 1019; ihm folgend Komo, BB 2011, S. 2313; ähnlich Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 59. 515 Theusinger, NZG 2009, S. 1019. 516 BGHZ 180, 38, Rn. 17, „Qivive“. 517 Theusinger, NZG 2009, S. 1019. 511

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

3. Temporäres Ausscheiden aus dem Cash Pool Nach wie vor518 wird als ein anderer sicherer Weg vorgeschlagen, die Poolgesellschaft für sechs bis zwölf Monate insgesamt aus dem Cash Pool herauszunehmen.519 Dies wird allerdings mit der Begründung kritisiert, dass dies den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten nicht gerecht werde.520 4. Gewährleistung eines nicht negativen Saldos der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool Zur Vermeidung einer verdecken Sacheinlage und deren Risiken wird in der Lehre empfohlen, die Kapitalaufbringung im Cash Pool über den privilegierten Weg der ordnungsgemäßen Einlagenrückzahlung nach §§ 19, Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG durchzuführen.521 Hierfür muss darauf geachtet werden, dass der Saldo des Zentralkontos zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Einlagemittel an den Cash Pool zugunsten der Gesellschaft im Haben-Stand oder zumindest ausgeglichen ist. Dadurch lässt sich gewährleisten, dass der Kapitalaufbringungsvorgang bei der Weiterleitung der Geldeinlagemittel an den Cash Pool allein an die Voraussetzungen von §§ 19, Abs. 5 GmbHG, 27, Abs. 4 AktG gebunden bleibt. 5. Betreiben eines (nur) fiktiven Cash Pooling Da bei einem virtuellen/fiktiven Cash Pooling der Liquiditätstransfer nicht tatsächlich, sondern nur auf dem Papier rechnerisch erfolgt, wird in der Lehre als eine sichere Lösung vorgeschlagen, das Cash Pooling nur noch in Form des virtuellen Cash Pooling522 zu betreiben, und die Liquidität lediglich fiktiv zu bündeln.523

518 Cahn, ZHR 166 (2002), S. 278; Morsch, NZG 2003, S. 103; Bayer/Lieder, GmbHR 2006, S. 454 und S. 1125; Langner, GmbHR 2006, S. 481; weniger streng Hentzen, DStR 2006, S. 955. 519 Bormann/Urlichs, DStR 2009, S. 644 f.; Lieder, GmbHR 2009, S. 1180. 520 Gärtner, Cash Pooling, S. 623; Scholz/Priester, § 56a, Rn. 40, welcher dieser Lösungsansatz als „nahezu putzig“ bezeichnet. 521 Theiselmann, Der Konzern 2009, S. 462; Lieder, GmbHR 2009, S. 1181; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 51 f., welcher jedoch diese Verfahrensweise insbesondere deswegen für empfehlenswert hielt, weil die Feststellung im Cash Pool praktisch nicht möglich sei, ob das Zentralkonto bei der Weiterleitung der Einlage an den Cash Pool im Soll oder im Haben sein werde. 522 Ausführlich zur Unterscheidung zwischen dem physischen/realen und dem virtuellen/ fiktiven Cash Pooling Kapitel 1, § 1, B., V., 2., a) und b). 523 Theiselmann, Konzern 2009, S. 465; Komo, BB 2011, S. 2313.

§ 3 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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Im türkischen Recht

§ 3 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern A. Einleitung Die Zulässigkeit der i.R.d. Cash Pooling-System erfolgten Zahlungen im Zusammenhang mit der Gründung bzw. Kapitalerhöhung einer Konzerngesellschaft muss man auch aus Sicht des türkischen Rechts je nach dem Kontostand der betroffenen Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der eingezahlten Mittel in den Cash Pool unterschiedlich behandeln. Der Grund dieser Unterscheidung liegt allerdings nicht – wie im deutschen Recht – in der Differenzierung zwischen den Rechtsinstituten der „verdeckten Sacheinlage“ und des „Hin- und Herzahlens“ i.R.d. Kapitalaufbringungsregeln. Anders als das deutsche Kapitalaufbringungsrecht der AG und GmbH kennt das türkische Recht nämlich keine entsprechenden Schutzmechanismen im Kontext der Kapitalaufbringung. Im türkischen Recht sind zwar die Forderungen gegen die Gesellschaft sacheinlagefähig, aber anders als das deutsche Recht nicht sacheinlagepflichtig, weil im türkischen Kapitalaufbringungsrecht die „Verrechnung“ der Forderungen gegen die Gesellschaft mit der Einlageschuld seit jeher üblich und zulässig ist. Aus diesem Grund ist der Tatbestand der Einlageleistung durch Verrechnung einer Altforderung des Inferenten gegen die Gesellschaft grundsätzlich zulässig, solange dafür im Gesetz vorgesehene Anforderungen erfüllt sind. Die darlehensweise (baldige) Rückzahlung der im Zusammenhang mit der Gründung bzw. Kapitalerhöhung einbezahlten Mitteln an den Inferenten tangiert – anders als im deutschen Recht – nicht das Kapitalaufbringungsrecht, sondern dieser Vorgang unterliegt eher den kapitalerhaltungsrechtlichen Schutzmechanismen. Aufgrund dessen ist jene Unterscheidung im türkischen Recht, die auf der Grundlage des Kontostands der betroffenen Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der eingezahlten Mittel in den Cash Pool vorzunehmen ist, hinsichtlich der Frage von Bedeutung, ob die Kapitalerhöhungsregeln oder die Kapitalerhaltungsregeln eingreifen sollen. Im Folgenden wird daher zunächst die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung524 einer Poolgesellschaft bei Vorliegen von Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool untersucht. Im Anschluss daran wird auf die darlehensweise Rückzahlung der eingezahlten Mittel an die Muttergesellschaft eingegangen.

524 Da die Verbindlichkeiten einer Konzerngesellschaft gegenüber dem Cash Pool seltener im Rahmen der Gru¨ ndung und häufiger im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegeben sind, werden die Erklärungen direkt unter dem Wort der „Kapitalerhöhung“ der schon am Cash Pooling teilgenommenen Konzerngesellschaft (also Poolgesellschaft) gemacht.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

B. Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft bei Vorliegen von Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool I. Kapitalaufbringung im Wege der „Verrechnung“ im Allgemeinen 1. Einführung Anders als im deutschen Recht (§§ 19 Abs. 2, S. 2 GmbHG, 66 Abs. 1, S. 2 AktG) findet sich im türkischen GmHG- und AG-Recht keine Regelung, die Aufrechnung/ Verrechnung der Einlageschuld mit einer vorbestehenden Forderung (sog. Altforderung) des Inferenten gegenüber der Gesellschaft verbietet. Die Verrechnungsmöglichkeit wurde zwar zur Zeit des alt-tHGB im Gesetzestext nicht erwähnt, aber sie wurde sowohl in der Lehre525 als auch in der Rechtsprechung526 als zulässig erachtet und war dadurch in der Praxis üblich. Anders als das alt-tHGB regelt hingegen der Gesetzgeber des neu-tHGB die Verrechnung in einer Reihe von Vorschriften zur AG bzw. GmbH und weist stellenweise explizit auf die Gültigkeit der Verrechnung als gültige Einlageleistungsmöglichkeit hin. Dass allerdings im Gesetz darüber hinaus auch Bestimmungen über die (Sach-)Einlagefähigkeit der Forderungen im Allgemeinen vorgenommen sind, führt sowohl im Schrifttum als auch in der Praxis zur Meinungsverschiedenheiten sowie Rechtsunsicherheiten. Deswegen sollte man zunächst die allgemeinen Regelungen bezüglich der Einlageleistung durch Verrechnung untersuchen, bevor man auf die Zulässigkeit der Einlageleistung durch Verrechnung im Rahmen des Cash Pooling näher eingeht. Bei Betrachtung der einschlägigen Neuregelungen im neuen Gesetzestext über die Verrechnung fällt einem sofort auf, dass sich das türkische Recht ganz klar von dem deutschen Recht unterscheidet und eher dem schweizerischen ähnelt. Daher sollte man an dieser Stelle zunächst einen ganz kurzen Blick auf das schweizerische Recht werfen, bevor auf das türkische Recht detaillierter eingegangen wird. 2. Überblick über das schweizerische Recht hinsichtlich des „Verrechnungsinstituts“ a) „Verrechnungsliberierung“ als eigenständige dritte Einlageleistungsart Anders als das deutsche System sieht das schweizerische Recht für die Erfüllung der Einlagepflicht („Liberierung“) nicht nur zwei, sondern drei verschiedene Leis525

Göle, Anonim Ortaklıklarda Nakdi Sermaye Koyma Borcu, S. 50 f.; Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 184 f.; Tekinalp, ˙Iktisat ve Maliye Dergisi, S. 186 ff.; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/ ders., Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 599, Rn. 1046. 526 Y. 11. HD vom 02. 12. 2009, E.9651, K. 12353 (www.kazanci.com); Y. 11. HD vom 13. 06. 2002, E. 4112, K. 6074 (www.kazanci.com); Y. 3. HD vom 17. 10. 1994, E. 3148, K.1317 (www.kazanci.com); Y. 11. HD vom 06. 11. 1989, E. 4152, K. 6017 (Eris, C.1-1992, S. 817).

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tungsformen vor, nämlich die Bareinlage, die Sacheinlage und die Verrechnung.527 Unter der Einlageleistung mittels „Verrechnung“ versteht man die Erfüllung der Einlageschuld des Inferenten durch Verrechnung mit einer gegen die Gesellschaft gerichteten (Alt-)Forderung desselben.528 Im Gegensatz zum deutschen Recht ist im schweizerischen Recht die Tilgung der Einlageschuld durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft seit langem zulässig529 und erst seit der Aktienrechtsrevision von 1991530 ausdru¨ cklich gesetzlich geregelt.531 In dieser Rechtsordnung stellt das Institut der Verrechnung weder eine Unterart der Barzahlung noch einen Sonderfall der Einlageleistung durch Sacheinlage dar, sondern ist eine eigenständige, dritte Einlageform neben der Bar- und der Sacheinlage.532 Die Tilgung der Einlageschuld durch Verrechnung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden (Alt-)Forderung fällt also – anders als im deutschen Recht – nicht unter die Sacheinlage, sondern hat als solche einen eigenständigen Charakter.533 D. h. die gegen die Gesellschaft gerichtete Forderung des Inferenten wird im schweizerischen Recht 527 Glanzmann, ZSR 1999, S. 221; Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 374; vgl. Widmer, Liberierung, S. 213. 528 Widmer, Liberierung, S. 381. 529 Zur Zulässigkeit der Tilgung der Einlageschuld durch Verrechnung: BGE 58 II 151, S. 155 f., E. 5 (vom 10. 05. 1932); BGE 87 II 169, S. 177, E. 5 (vom 13. Juni 1961). Die erste Regelung der Einlageleistung durch Verrechnung erfolgte auf Verordnungsstufe in Art. 80 aHRegV von 1937, in dem erstmals gewisse Schutz- und Transparenzvorschriften fu¨ r den Fall statuiert wurde, dass Aktionäre ihre Aktien ganz oder teilweise durch Verrechnung mit Forderungen an die Gesellschaft liberiert haben. Demnach musste aus der Gründungsurkunde ersichtlich sein, dass und wie die Existenz dieser Forderung nachgewiesen worden ist. Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 6; Mosimann, Liberierung durch Verrechnung, S. 22, Rn. 26; ausführlich zur Rechtslage vor der Aktienrechtsrevision von 1991 s. insb.: Isler/ Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 877 ff. 530 Änderung vom 4. Oktober 1991, in Kraft seit 1. 7. 1992 (AS 1992 377, 786). 531 In Art. 634a Abs. 2, Art. 635 Ziff. 2, Art. 635a, Art. 652e Ziff. 2, Art. 652f, Art. 653 Abs. 2 und 653e Abs. 2 sOR sind gewisse Modalitäten bezu¨ glich der Einlageleistung durch Verrechnung festgesetzt. 532 So explizit in Botschaft u¨ ber die Revision des Aktienrechts vom 23. 02. 1983, BBl 1983 II 745, 798; BSK OR-II/Zindel/Isler, Art. 652c, Rn. 3, 4a; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 34; Mosimann, Liberierung durch Verrechnung, S. 22, Rn. 26; Widmer, Liberierung, S. 381; Druey, in: FS für Zobl, S. 270; Glanzmann, ZSR 1999, S. 222 f.; Isler/ Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 880 ff., jeweils m.w.N. 533 BGE 87 II 169, S. 177, E. 5: „Die nach schweizerischem Recht zulässige Verrechnung einer Gläubigerforderung mit der Liberierungsschuld des betreffenden Gläubigers stellt … keine Sacheinlage dar. Denn als solche ist … ein Vermögenswert zu betrachten, den ein Aktionär in die Gesellschaft einbringt und der alsdann zu bewerten und dem Einleger anzurechnen ist, während er der AG als Aktivum verbleibt. Die Gläubigerforderung des Zeichners wird aber im Falle der Verrechnung nicht eingebracht; denn sie erlischt ja in dem Moment, wo an sich die Liberierung stattzufinden hätte, … Es handelt sich daher nicht um eine Sacheinlage.“; Glanzmann, ZSR 1999, S. 222 f.; Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 428; BSK OR-II/Schenker, Art. 628, Rn. 2; BSK OR-II/Zindel/Isler, Art. 652c, Rn. 4a. A.A. wohl Müller, Der Schutz der Aktiengesellschaft, S. 6, wonach auch argumentiert werden könne, dass es sich bei der Verrechnungsliberierung um eine Sacheinlage handele.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

nicht zum Zwecke der Einlageleistung in die Gesellschaft eingebracht.534 Technisch gesehen findet dabei vielmehr eine Verrechnung der Einlageschuld mit der Forderung im Sinne und in den Schranken des Art. 120 Abs. 1 sOR statt.535 Daher ist der Vorgang der Einlageleistung durch Verrechnung im schweizerischen Recht von dem Vorgang der Einbringung einer Forderung als Sacheinlage klar zu unterscheiden. Die Möglichkeit für die Inferenten, ihre Einlageschuld durch Verrechnung mit Forderungen gegen die Gesellschaft zu erfüllen, wird in geltenden aktienrechtlichen Bestimmungen von sOR zur Gründung sowie zur Kapitalerhöhung erwähnt. Anders als bei der Bareinlage (Art. 633 sOR) und der Sacheinlage (Art. 634 sOR) wird im geltenden Recht dem Institut der Verrechnung keinen eigenen Artikel gewidmet. Dieses Institut wird bei der Gru¨ ndung lediglich im Zusammenhang mit der nachträglichen Leistung in Art. 634a Abs. 2 sOR erwähnt und dort wird es explizit als eine (selbständige) Leistungsform neben der Geld- und Sacheinlage vorgesehen. Anschließend wird die Verrechnung im Zusammenhang mit dem Gründungsbericht in Art. 635 Ziff. 2 sOR als ein zu berichtender Tatbestand ausgeführt. Im Rahmen der gemeinsamen Vorschriften zur ordentlichen und genehmigten Kapitalerhöhung wird auf die Bestimmungen u¨ ber die Gru¨ ndung in Art. 635c sOR verwiesen und die Verrechnung wird im Zusammenhang mit dem Kapitalerhöhungsbericht in Art. 652e Ziff. 2 sOR erwähnt. Hinsichtlich der bedingten Kapitalerhöhung wird die Verrechnung in Art. 653 Abs. 2 und Art. 653e Abs. 2 sOR genannt. Diese gesetzliche Systematik im Hinblick auf die Einlageleistung mittels Verrechnung wird allerdings in der Literatur kritisiert und eher für als „missglückt“ erachtet.536 Denn obwohl die Zulässigkeit der Einlageleistung durch Verrechnung nur für den Fall der nachträglichen Liberierung in Art. 634a sOR explizit erwähnt werde, könne eine Verrechnung auch, wie Art. 635 Ziff. 2 sOR zeige, bei der ursprünglichen Liberierung erfolgen, genauso wie eine Liberierung durch Einzahlung (Art. 633 sOR) oder Sacheinlage (Art. 634 sOR). Deswegen hätte sie also richtigerweise in einem eigenen Artikel, gleichgestellt mit den beiden anderen Liberierungsarten, geregelt werden müssen. Trotz dieser „unbefriedigenden“537 Systematik des Gesetzes wird in der Lehre angenommen, dass die Einlageleistung durch Verrechnung nicht nur für den Fall der nachträglichen Liberierung (Art. 634a sOR), sondern auch generell bei der Gründung538 sowie der Kapitalerhöhung zulässig sei, da sich dies aus den eigentlich den Informationsgehalt des Gründungs- und Kapitalerhöhungsberichts regelnden Art. 635 Ziff. 2 und Art. 652e Ziff. 2 sOR ergebe.539 Dieser bisher von der Lehre als 534

BGE 87 II 169, S. 177, E. 5; Böckli, Aktienrecht, § 2, Rn. 125. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 31. 536 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 34; Widmer, Liberierung, S. 382 mit Fn. 2248. 537 So nennt es Widmer, Liberierung, S. 382 Fn. 2248. 538 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 29, 34; BSK OR-II/Schenker, Art. 628, Rn. 2; Widmer, Liberierung, S. 382. 539 Widmer, Liberierung, S. 382 Fn. 2248; Druey, in: FS für Zobl, S. 269; Forstmoser/ Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 34. 535

§ 3 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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„lückenhaft“ kritisierten gesetzlichen Regelung der Verrechnungsliberierung wird im Rahmen der Revision des schweizerischen Aktienrechts, der sog. „grossen“540 Aktienrechtsrevision Rechnung getragen. In dem am 23. 11. 2016 vom Bundesrat verabschiedeten Entwurf zur Revision des schweizerischen Aktienrechts wird die Verrechnungsliberierung in einem eigenen Artikel mit der Unterschrift „Verrechnung mit einer Forderung“, in Art. 634a geregelt.541 Somit wird dem Institut der Verrechnungsliberierung im E-sOR 2016 als selbständige Leistungsform – neben der Geld- und Sacheinlage – eine eigene Vorschrift gewidmet. b) Das „Nominalwertprinzip“ hinsichtlich der Verrechnungsforderung Genauso wie Sacheinlage gilt die Einlageleistung durch Verrechnung im schweizerischen Recht als eine qualifizierte Gründungsform,542 die speziellen Modalitäten unterworfen ist, welche sich von jenen der Sacheinlage unterscheiden.543 Während der schweizerische Gesetzgeber bei der Sacheinlage einfordert, dass die „Angemessenheit der Bewertung“ im Gründungs- bzw. Kapitalerhöhungsbericht begründet wird (Art. 635 Ziff. 1, 652e Ziff. 1 sOR), lässt er den Bewertungsaspekt bezüglich der Verrechnungsliberierung weg und erwähnt dabei lediglich den „Bestand“ und die „Verrechenbarkeit“ der Schuld (Art. 635 Ziff. 2, 652e Ziff. 2 sOR), über welche die Gru¨ nder bzw. bei Kapitalerhöhungen der Verwaltungsrat Rechenschaft abzulegen haben und sodann der Revisor seine Prüfung auszuführen hat.544 Hierbei ist mit „Bestand“ die tatsächliche Existenz der Forderung gemeint.545 Es mu¨ ssen die Voraussetzungen eines Entstehungsgrundes erfu¨ llt sein und es darf kein Erlöschungsgrund vorliegen.546 Mit „Verrechenbarkeit“ wird auf die allgemeinen Voraussetzungen der Verrechnung gemäss Art. 120 Abs. 1 sOR verwiesen.547 Die Einlagenerbringung durch Verrechnung ist demnach nur bei der Erfüllung der

540

Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 888. Botschaft und Entwurf vom 23. 11. 2016 (im Folgenden zitiert: Botschaft-sOR 2016 bzw. E-sOR 2016), BBI 2017, S. 399 ff. bzw. 683 ff. 542 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 29; Mosimann, Liberierung durch Verrechnung, S. 22, Rn. 26, S. 61, Rn. 88; Widmer, Liberierung, S. 381; Druey, in: FS für Zobl, S. 269 ff.; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 878 f. 543 Druey, in: FS für Zobl, S. 270. 544 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 42 f.; Druey, in: FS für Zobl, S. 270. 545 Widmer, Liberierung, S. 395; Vogt/Peter, GesKR 2011, S. 235. 546 Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881. 547 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 31; Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 411; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881; BSK OR-II/Schenker, Art. 628, Rn. 2; vgl. Widmer, Liberierung, S. 386, welcher die Unterstellung der zu verrechnenden Forderung den Anforderungen von Art. 120 sOR kritisiert, weil hierbei die Voraussetzungen dieser Vorschrift aufgrund spezifisch aktienrechtlicher Besonderheiten nur in sehr beschränktem Masse anwendbar seien. 541

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Voraussetzungen von Art. 120 Abs. 1 sOR möglich,548 wonach die Forderungen gegenseitig,549 gleichartig und fällig bzw. erfu¨ llbar sein sollen.550 Unzulässig ist demgegenüber die Verrechnung – in Abweichung von Art. 120 Abs. 2 und 3 sOR – mit einer bestrittenen oder verjährten Forderung.551 Mit der Frage, ob die zur Verrechnung gebrachte Forderung des Inferenten werthaltig sein muss, oder anders formuliert, die Werthaltigkeit der Forderung eine zusätzliche Voraussetzung für die gültige Verrechnung ist, geht die herrschende Lehre im schweizerischen Recht anders um als die in Deutschland vorherrschende Auffassung.552 Die herrschende Auffassung in der Schweiz lehnt nämlich dieses sog. „Werthaltigkeitserfordernis“ als eine Voraussetzung hinsichtlich der zu verrechnenden Forderung ab und geht vom „Nominalwertprinzip“ aus.553 Dies wird erstens damit begründet, dass es bei der Verrechnung im schweizerischem Aktienrecht gemäß dem Wortlaut des Gesetzes nur auf den „Bestand“ und die „Verrechenbarkeit“ der Schuld (Art. 635 Ziff. 2, 652e Ziff. 2 sOR) ankomme, und daher gesetzlich kein Grund bestehe, als eine zusätzliche Voraussetzung auf die „Werthaltigkeit“ der Forderung und damit auf ihre Einbringlichkeit im Hinblick auf die finanzielle Situation der Gesellschaft abzustellen.554 Zweitens werden dabei die Sanierungsfälle herangezogen; die Verrechnung mit unterwertigen Forderungen sei ein notwendiger Bestandteil eines Sanierungsplans. Deswegen ist nach der herrschenden Meinung eine u¨ ber Bestand und Verrechenbarkeit hinausgehende Einbringlichkeit der Forderung im Hinblick auf die finanzielle Situation der Gesellschaft weder nach Aktienrecht noch nach den allgemeinen Grundsätzen der Verrechnung erforderlich.555 Vereinzelt wird allerdings in der Lehre die Gegenmeinung vertreten, wonach die 548 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 31; Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 411; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881; BSK OR-II/Schenker, Art. 628, Rn. 2. 549 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 31; Glanzmann, ZSR 1999, S. 225; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881; a.M. Widmer, Liberierung, S. 386, der entgegen der herrschenden Lehre fu¨ r eine Verrechnung einer Drittforderung mit der Liberierungsschuld des Aktionärs plädiert, solange dies dem Willen aller Beteiligten entspricht. 550 Widmer, Liberierung, S. 386 f.; Glanzmann, ZSR 1999, S. 225 ff.; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881. 551 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 32; Böckli, Aktienrecht, § 1 Rn. 412; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881 f.; ausführlich dazu s. Widmer, Liberierung, S. 387 f. 552 Ausführlich zu dieser Auffassung Kapitel 3, § 2, C., III., 3., a) und b). 553 So Glanzmann, ZSR 1999, S. 227 ff.; ders., in: Aktuelle Entwicklungen, S. 267 f.; Druey/Druey Just/Glanzmann, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 8, Rn. 17, § 9, Rn. 36; Forstmoser/Vogt, ZSR 2003, S. 544; Druey, in: FS Zobl, S. 285; Vogt/Peter, GesKR 2011, S. 238 f.; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881; BSK OR-II/Schenker, Art. 628, Rn. 2; BSK OR-II/Zindel/Isler, Art. 652c, Rn 4. 554 Druey, in: FS Zobl, S. 270 f.; Druey/Druey Just/Glanzmann, Gesellschafts- und Handelsrecht, § 9, Rn. 36; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881; BSK OR-II/ Zindel/Isler, Art. 652c, Rn 4; Glanzmann, ZSR 1999, S. 227 f. 555 Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881 m.w.N.

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Werthaltigkeit der zur Verrechnung gebrachten Forderung unter dem Gesichtspunkt der realen Kapitalaufbringung zu verlangen sei.556 Im Falle der Verrechnung trotz mangelnder Werthaltigkeit der Forderung würden die neuen Aktien nicht vollständig gedeckt, wodurch nicht nur gegen das Verbot der Unterpariemission und des Emissionsschwindels verstoßen werde, sondern auch die Rechte sowie Interessen der Altaktionäre und der Öffentlichkeit beeinträchtigt würden.557 Im E-sOR 2016 wird bezüglich der Werthaltigkeitsfrage der Verrechnungsforderung die herrschende Auffassung verfolgt und im Art. 634a Abs. 2 (E-sOR 2016) ausdrücklich festgehalten, dass „die Verrechnung mit einer Forderung auch als Deckung gilt, wenn die Forderung nicht mehr durch Aktiven gedeckt ist“.558 Hier gilt folgende Begründung:559 „Absatz 2 behandelt die umstrittene Frage nach der Zula¨ ssigkeit der Verrechnungsliberierung bei der Kapitalerho¨ hung, insbesondere zur Sanierung der Gesellschaft. Die Forderung, die mit der Liberierungsforderung der Gesellschaft zur Verrechnung gebracht werden soll, muss nicht zwingend durch die Aktiven des Unternehmens gedeckt sein. Es ist somit zula¨ ssig, dass nicht mehr in vollem Umfang werthaltige Forderungen verrechnet werden. Entscheidend ist, dass trotz der fehlenden Werthaltigkeit die Verrechnung zur Verminderung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft fu¨ hrt. Zwar fließen dieser keine neuen flu¨ ssigen Mittel zu, doch vermindert sich das Fremdkapital der Gesellschaft im entsprechenden Umfang. Die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital verbessert die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft. Es ist deshalb aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll, die Verrechnungsliberierung, auch in solchen Fa¨ llen zuzulassen.“ Anders als nach der früheren Rechtslage wird zudem in Art. 634a Abs. 3 (E-sOR 2016) geregelt, dass der Verrechnungstatbestand in Statuten publiziert werden muss. In der Botschaft wird diesbezüglich ausgeführt, dass zwar Dritte nach dem geltenden Recht schon bisher durch das Handelsregister Kenntnis vom Verrechnungstatbestand erhalten (Art. 45 Abs. 2 Bst. c sHRegV) und auch Einsicht in den Gru¨ ndungs- bzw. Kapitalerho¨ hungsbericht nehmen könnten.560 Aber es sei dennoch nicht zu begründen, warum die Liberierung durch Verrechnung – im Unterschied zur Libe556

Mosimann, Liberierung durch Verrechnung, S. 68 ff.; Widmer, Liberierung, S. 389; Böckli, Aktienrecht, § 2, Rn. 127 ff. m.w.N. 557 Böckli, Aktienrecht, § 2, Rn. 140 f. 558 Der vollständige Text von Art. 634a E-sOR 2016 mit dem Titel „Verrechnung mit einer Forderung“ lautet: „1) Die Liberierung kann auch durch Verrechnung mit einer Forderung erfolgen. 2) Die Verrechnung mit einer Forderung gilt auch als Deckung, wenn die Forderung nicht mehr durch Aktiven gedeckt ist. 3) Die Statuten müssen den Betrag der zur Verrechnung gebrachten Forderung, den Namen des Aktionärs und die dafür ausgegebenen Aktien angeben. Die Generalversammlung kann die Statutenbestimmungen nach zehn Jahren aufheben.“ Zum vollständigen Text des E-sOR 2016 (Aktienrecht) vom 23. 11. 2016, BBI 2017, S. 683 ff. (https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2017/683.pdf). 559 Botschaft-sOR 2016 (Aktienrecht) vom 23. November 2016, BBI 2017, S. 493, siehe: https://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2017/399.pdf. 560 Botschaft-sOR 2016 (Aktienrecht) vom 23. November 2016, BBI 2017, S. 493.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

rierung durch Sacheinlage – nicht in den Statuten offengelegt wird. Durch die Statutenpublizität soll – nach der Botschaft – die Transparenz zugunsten der Gla¨ ubigerinnen und Gla¨ ubiger sowie der Investorinnen und Investoren verbessert werden.561 Nach dem neuen Art. 634a Abs. 3 (E-sOR 2016) unterliegt die Verrechnung somit nicht nur der Register-, sondern auch der Statutenpublizita¨ t. 3. Verrechnungsmöglichkeit der Forderungen gegen die Gesellschaft im türkischen Recht a) Sacheinlagecharakter der Forderungen im Allgemeinen im AG- und GmbH-Recht (Art. 342 Abs. 1 bzw. 581 Abs. 1 tHGB) Anders als im deutschen AktG und GmbHG finden sich Vorschriften in neu-tHGB zur AG und GmbH, in denen die Forderungen ausdrücklich den Sacheinlagen unterworfen und als Sacheinlagen qualifiziert werden.562 In Art. 342 Abs. 1 tHGB zur AG und in nahezu gleichlautendem Art. 581 Abs. 1 tHGB zur GmbH erklärt der Gesetzgeber ausführlich, welche Vermögensgegenstände für sacheinlagefähig gehalten werden.563 So wird in Art. 342 Abs. 1, S. 2 und in Art. 581 Abs. 1, S. 2 tHGB ausgeführt, dass „befristete Forderungen“ nicht Gegenstände von Sacheinlagen werden können, woraus sich explizit ergibt, dass der türkische Gesetzgeber (fällige) Forderungen generell Sacheinlagen unterstellt.564 Dies bestätigt auch der nächste Art. 343 tHGB zur AG,565 wo Ausführungen zur Bewertung von Sacheinlagen bzw. -übernahmen gemacht werden. Hierunter wird nämlich in Bezug auf die Forderungen explizit geregelt, dass im Falle der Einbringung der Forderungen der von den Gutachtern zu erstellende Bewertungsbericht Angaben über den Bestand/die Richtigkeit, die Gültigkeit, die Entsprechung dem Art. 342 tHGB, die Einbringlichkeit und den Wert der Forderung enthalten soll. So wird im türkischen AG- und GmbH-Recht 561

Botschaft-sOR 2016 (Aktienrecht) vom 23. November 2016, BBI 2017, S. 493. Auch zur Zeit des alt-tHGB wurden die Forderungen im Schrifttum als Sacheinlage eingeordnet: Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 182 f.; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 593, Rn. 1031; Arıcı, Alacak Hakkı, S. 90. 563 Art. 342 Abs. 1 tHGB („Sacheinlagefähige Vermögensgegenstände“): „Einschließlich immaterieller Wirtschaftsgüter und Cyberspace/virtueller Welt können die Vermögensgegenstände als Sacheinlage eingebracht werden, die aufgrund eines beschränkten dinglichen Rechts, einer Pfändung und einstweiliger Verfügung nicht beeinträchtigt; wirtschaftlich bewertbar sowie übertragbar sind. Dienstleistungen, Arbeitsleistungen, Goodwill und „befristete Forderungen“ eignen sich nicht als Sacheinlagen“. 564 Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, S. 311, Rn. 487a; ders., Sermaye Ortaklıkları, S. 156, Rn. 10 – 55; Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 104 ff.; Özdamar, TFM 2015, S. 147; Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 319; widersprüchlich Bilgili/ Demirkapı, S¸irketler, S. 56, 59, 227, welche die Forderungen an einer Stelle ihres Werks (S. 56) unter Bareinlagen subsumieren, an anderen Stellen ( S. 59, 227) jedoch unter den Sacheinlagen behandeln. 565 Auf Verweis des Art. 578 tHGB (zur GmbH) findet diese aktienrechtliche Vorschrift auch auf die GmbH Anwendung. 562

§ 3 Im faktischen GmbH- und AG-Konzern

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– anders als im deutschen und schweizerischen Recht – der Sacheinlagecharakter der Forderungen im Gesetzestext explizit ausgedrückt und festgestellt, in welcher Hinsicht die Forderungen von Gutachtern zu überprüfen sind. b) „Verrechnungsmöglichkeit“ der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen aa) Zulässigkeit der „Verrechnung“ Unter der Rechtslage des alt-tHGB, wo die Verrechnung im AG- bzw. GmbHRecht gesetzlich weder zugelassen noch verboten war, fand die Möglichkeit der Einlageleistung durch Verrechnung eher Befürworter und wurde sowohl in der Lehre566 als auch in der Rechtsprechung567 für zulässig erklärt. Vereinzelt wurde im Schrifttum die Zulässigkeit der Verrechnung hinsichtlich der Einlageleistung in AGund GmbH-Recht auf Art. 200 Abs. 3 tSchKG gegründet, in dem die Verrechnung der Einlageschuld für den Konkursfall der Gesellschaft ausdrücklich ausgeschlossen wird. Im Umkehrschluss wurde aus dieser konkursrechtlichen Bestimmung hergeleitet, dass die Verrechnung – außerhalb des Konkurses der Gesellschaft – grundsätzlich zulässig sei.568 Anders als im alt-tHGB erwähnt der Gesetzgeber des neu-tHGB hingegen die Verrechnung im Rahmen der Vorschriften zur AG sowie zur GmbH und weist auf die Zulässigkeit der Verrechnung als gültige Einlageleistungsmöglichkeit hin. So findet die Verrechnung Erwähnung einerseits im Rahmen der gemeinsamen Vorschriften zur ordentlichen und genehmigten Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit dem Kapitalerhöhungsbericht des Verwaltungsrats in Art. 457 Abs. 2 lit. a tHGB (zur AG). Andererseits wird sie in Art. 583 Abs. 5 tHGB (zur GmbH), neben der Bar- und Sacheinlage, ausdrücklich als eine Erfüllungsart der Einlageschuld in der GmbH aufgezählt und damit deutlich als eine gültige Leistungsmethode anerkannt.569 In-

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Göle, Anonim Ortaklıklarda Nakdi Sermaye Koyma Borcu, S. 50 f.; Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 184 f.; Tekinalp, ˙Iktisat ve Maliye Dergisi, S. 186 ff.; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/ Tekinalp, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 599, Rn. 1046. 567 Y. 11. HD vom 02. 12. 2009, E.9651, K. 12353 (www.kazanci.com); Y. 11. HD vom 13. 06. 2002, E. 4112, K. 6074 (www.kazanci.com); Y. 3. HD vom 17. 10. 1994, E. 3148, K.1317 (www.kazanci.com); Y. 11. HD vom 06. 11. 1989, E. 4152, K. 6017 (Eris, C.1-1992, S. 817). 568 So Tekinalp, ˙Iktisat ve Maliye Dergisi, S. 186 ff.; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 599, Rn. 1046; i.E.: Göle, Anonim Ortaklıklarda Nakdi Sermaye Koyma Borcu, S. 50 f. und Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 184 f., welche die Zulässigkeit nicht unbedingt im Umkehrschluss aus Art 200 Abs. 3 tSchKG herleiteten, sondern die Verrechnung im Prinzip als gültig erklärten und nur auf die Nichtanwendung der Verrechnung beim Konkursfall gem. Art 200 Abs. 3 tSchKG hindeuteten. 569 Sevi, AO’da Sermaye, S. 255 ff.; Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 327 f.; Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 67 ff.; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, S. 311, Rn. 487a; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Manavgat, Anonim S¸irketler C.I, S. 346; Özdamar, TFM 2015, S. 145.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

soweit unterscheidet sich das türkische Recht vom deutschen Recht und hat diesbezüglich grundsätzlich Ähnlichkeit mit dem schweizerischen System. bb) Herrschende Literaturmeinung zum Verrechnungstatbestand (1) Einordnung der Verrechnung als eine „Erfüllungsart/Zahlungsmodalität der Bareinlageschuld“ Wie schon ausgeführt, wird die Verrechnung im schweizerischen Rechtssystem als eine „dritte, eigenständige sowie qualifizierte Liberierungsart/Einlageleistungsart“ neben der Bar- und Sachliberierung eingeordnet. Das Institut der Verrechnung wird allerdings in der türkischen Lehre dogmatisch anders bewertet und – nach wie vor – eher als eine „Erfüllungsart/Zahlungsmodalität der Bareinlageschuld“ interpretiert.570 Sowohl die Literatur zum alt-tHGB als auch die zum neutHGB thematisieren die Verrechnung unter derartigen Titeln, wie „Leistung der Bareinlageschuld durch Verrechnung“ bzw. „Verrechnung der Bareinlageschuld“. Daraus ergibt sich, dass die Verrechnung anders als im schweizerischen Recht nicht als eine eigenständige Einlageleistungsart angesehen wird, sondern eher als eine alternative Erfüllungsmethode zur Geldzahlung hinsichtlich der Erfüllung der Bareinlageschuld. Mit anderen Worten wird die Verrechnung eher wie folgt konstruiert: „Zeichnen einer Bareinlage und Erfüllung der Bareinlageforderung durch Verrechnung mit einer vorbestehenden Altforderung gegen die Gesellschaft“. Nach herrschender Meinung sei die Leistung der Einlageschuld durch Verrechnung nicht unter Sacheinlage zu subsumieren.571 Einige Autoren neigen diesbezüglich wohl eher dazu, die Einlageleistung durch Verrechnung mit dem Barkapital bzw. der Barzahlung gleichzustellen.572 Auch wenn grundsätzlich eine Forderung einen Fall der Sacheinlage darstelle, solle die Leistung der Bareinlageschuld durch Verrechnung der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung im Zusammenhang mit der nachträglichen Leistung oder der Barkapitalerhöhung als Barkapital quali570 Vor dem neu-tHGB: Göle, Anonim Ortaklıklarda Nakdi Sermaye Koyma Borcu, S. 50 f.; Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 184 f.; Tekinalp, ˙Iktisat ve Maliye Dergisi, S. 186 ff.; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 599, Rn. 1046. Nach dem neutHGB: Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 67 ff.; Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 327 f.; Özdamar, TFM 2015, S. 145. 571 Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 184; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, S. 311, Rn. 487a; Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 20 f.; Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 328. A.A. C¸onkar, Ayni Sermaye, S. 174, wonach das System des Gesetzes, welches lediglich zwei Einlageleistungsarten (Geld- und Sacheinlage) vorsieht, zwangsläufig erfordert, die Einbringung der Forderungen gegenüber der Gesellschaft unter Sacheinlagen zu subsumieren. Der Autor kritisiert zugleich diese Begrenztheit, weil ihm zufolge die Forderungen gegenüber der Gesellschaft anders als die anderen Sacheinlagen zu bewerten seien (S. 174 ff.). 572 Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 184; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, S. 311, Rn. 487a; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Manavgat, Anonim S¸irketler C.I, S. 345. Vgl. Bilgili/Demirkapı, S¸irketler, S. 56, 59, 227, welche die Forderungen an einer Stelle ihres Werks (S. 56) unter Bareinlagen subsumieren, an anderen Stellen ( S. 59, 227) jedoch unter den Sacheinlagen behandeln.

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fiziert werden.573 Die Leistung durch Verrechnung falle demnach in diesem Fall nicht unter Sacheinlage, sondern stehe eher dem Barkapital gleich. Nach dem relevanten Dekret des Ministeriums für Zoll und Handel seien hingegen sowohl die Forderungen gegen Dritte als auch die Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage zu qualifizieren.574 (2) Unanwendbarkeit der Verrechnung im Gründungsstadium Sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtslage herrscht die Auffassung, dass die Verrechnung in der Gründung der Gesellschaft, also vor dem Erwerb der Rechtsperso¨ nlichkeit, nicht zur Anwendung kommen könne.575 Danach komme die Einlageleistung mittels Verrechnung lediglich für den Fall der Einlageleistung bei Kapitalerhöhung oder für den Fall der nachträglichen Leistung des Restbetrags, falls bei der Gründung einer AG nur eine Teilleistung (25 %)576 der Bareinlagen erfolgt sei.577 Denn bei der Gründung müsse mindestens 25 Prozent des Nennwertes jeder Aktie auf ein besonderes Konto bei einer Bank in bar geleistet sein und deswegen käme die Verrechnung in der Gründungsphase nicht in Betracht.578 Ein anderes Argument gegen die Anwendung der Verrechnung in der Gründungsphase ist, dass es bei der Gründung an einer Forderung des Gründers gegen die Gesellschaft fehlen werde, weil die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Gründung als solche noch nicht entstanden sei (keine juristische Persönlichkeit).579 Daher müsse der Gründer in der Gründungsphase seine Einlageschuld in bar leisten. Nach der Gegenansicht 573

Zur Zeit von alt-tHGB: Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 184; zur Zeit von neu-tHGB: Poroy/ Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, S. 311, Rn. 487a; Kırca/S¸ehirali C¸elik/ Manavgat/Manavgat, Anonim S¸irketler C.I, S. 345. 574 Das Dekret des Ministeriums für Zoll und Handel vom 15. 07. 2013, mit Num. 67300147.431.04/559478/4979-5665; vom 23. 09. 2013 mit Num.50035491.449-7326; vom 02. 01. 2014 mit Num. 50035491.449-023. Ausführlich dazu siehe Kapitel 3, § 3, B., I., 3., c), aa). 575 Göle, Anonim Ortaklıklarda Nakdi Sermaye Koyma Borcu, S. 51; Domaniç, TTK S¸erhiII, S. 184; Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 67 ff.; Kırca/S¸ehirali C¸elik/Manavgat/Manavgat, Anonim S¸irketler C.I, S. 346; Sevi, AO’da Sermaye, S. 256 ff.; a.A. Tekinalp, I˙ktisat ve Maliye Dergisi, S. 186 ff.; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/ders., Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 600, Rn. 1047; wohl auch Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/ders., Ortaklıklar Hukuku I, S. 311, Rn. 487a, der die Verrechnungsmöglichkeit unter den Erklärungen zur Gründung der AG erwähnt. 576 Das türkische AG-Recht verlangt bei der Gründung keine vollständige Einzahlung der Bareinlagen. Nach Art. 344 Abs. 1 tHGB muss in der Gründung lediglich % 25 der bar gezeichneten Aktien vor der Eintragung zum Handelsregister einbezahlt werden; der Rest ist dann innerhalb von 24 Monaten nach der Eintragung einzuzahlen. 577 Die Voraussetzung, dass in der Gründung mindestens 25 % der bar gezeichneten Stammanteile vor der Eintragung zum Handelsregister einbezahlt werden muss, gilt nicht bei der GmbH (Art. 585 S. 3 tHGB). 578 Göle, Anonim Ortaklıklarda Nakdi Sermaye Koyma Borcu, S. 51; Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 67 ff.; Sevi, AO’da Sermaye, S. 256 f. 579 Göle, Anonim Ortaklıklarda Nakdi Sermaye Koyma Borcu, S. 51; Kırca/S¸ehirali C¸elik/ Manavgat/Manavgat, Anonim S¸irketler C.I, S. 346; Sevi, AO’da Sermaye, S. 256 f.

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könne jedoch die Verrechnung auch bei der Gründung, also zur Leistung des vor der Eintragung zum Handelsregister einzuzahlenden Mindestbetrags (25 %) angewendet werden.580 In diesem Fall sei dann die Gründung eine qualifizierte Gründung, sodass der Vorgang der Gutachterprüfung im Hinblick auf den Bestand sowie den Wert der Forderung unterliege. cc) Stellungnahme Die Einlageleistung durch Verrechnung ist zwar in der türkischen Praxis sowohl zur Zeit des alt-tHGB als auch des neu-tHGB zulässig, es müssen allerdings bei Fragen nach dogmatischer Einordnung und der Anwendbarkeit der Verrechnung bei der Gründung der Gesellschaft nunmehr die Neuregelungen des neu-tHGB über den Verrechnungstatbestand beachtet werden. Denn das neu-tHGB enthält – anders als das alt-tHGB – ganz explizite Bestimmungen, die sich darauf beziehen, dass der Inferent seiner Einlagepflicht durch Verrechnung genügen kann. Aus diesem Grund wäre es m. E. unangebracht, unter neuer Rechtslage auf die vorstehenden Fragen einzugehen, ohne die einschlägigen Bestimmungen bzw. Neuerungen des neu-tHGB gründlich mit zu berücksichtigen. (1) Gesetzliche Systematik des neu-tHGB hinsichtlich der Verrechnung (a) Überblick über die Bestimmungen zur Gründung Nach den aktienrechtlichen Bestimmungen des türkischen HGB zur Gründung kommen nur zwei Arten von Einlageleistung in Betracht: Bareinlage (Art. 344 f. tHGB) oder Sacheinlage bzw. -übernahme (Art. 342 f. tHGB). Die Möglichkeit für den Inferenten, seiner Pflicht zur Leistung der Einlage direkt durch Verrechnung mit der Altforderung gegen die Gesellschaft zu genügen, wird – anders als im schweizerischen Recht (Art. 634a Abs. 2, 635 Ziff. 2 sOR) – nirgendwo im Rahmen der aktienrechtlichen Bestimmungen zur Gründung explizit geregelt oder implizit erwähnt. Es besteht im neu-tHGB keine Art. 634a sOR entsprechende Vorschrift, in der Einlageleistung durch Verrechnung im Zusammenhang mit der nachträglichen Leistung neben der Bar- und Sacheinlage als eine dritte Einlageleistungsform aufgezählt wird. Auch im Art. 349 tHGB zum Gründungsbericht, welcher nachher durch das Gesetz mit Num. 6728 im 15. 07. 2016 abgeschafft wurde, wurde die Verrechnung nicht als ein zu berichtender Tatbestand ausgeführt.581

580 Tekinalp, I˙ktisat ve Maliye Dergisi, S. 189; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/ders., Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 600, Rn. 1047. 581 Art. 349 tHGB war eine – dem schweizerischen Art. 635 sOR entsprechende – aktienrechtliche Vorschrift über den Gründungsbericht. Im Text der Vorschrift wurden nur Informationen über den Berichtsinhalt hinsichtlich des Tatbestands der Sacheinlage (als eine qualifizierte Einlageform) erwähnt, die Verrechnung wurde dabei jedoch – anders als im relevanten schweizerischen Art. 635 Ziff. 2 sOR – als ein zu berichtender Tatbestand überhaupt nicht genannt.

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Im Gegensatz zu aktienrechtlichen Bestimmungen erwähnt jedoch der Gesetzgeber die Verrechnung explizit in einer allgemeinen Vorschrift über die Stammeinlage der GmbH. In Art. 583 Abs. 5 tHGB, in dem allgemeine Ausführungen über die Stammeinlage gemacht werden, wird die Verrechnung, neben der Bar- und Sachleistung, als eine gesonderte Leistungsmöglichkeit der Einlageschuld aufgezählt: „Der Betrag der Stammeinlagen ist bar oder durch eine Sacheinbringung oder durch Verrechnung einer Forderung … zu leisten.“ Diese Norm findet sich zwar nicht direkt unter den Bestimmungen zur Gründung der GmbH, aber als eine allgemeine Vorschrift gilt sie sowohl für das Gründungsstadium als auch für das Kapitalerhöhungsstadium der GmbH. (b) Überblick über die Bestimmungen zur Kapitalerhöhung Im Gegensatz zur Gründung nimmt jedoch der türkische Gesetzgeber für den Fall der Kapitalerhöhung im AG-Recht eine deutliche Position zum Verrechnungstatbestand ein, indem er gewisse Modalitäten bezu¨ glich der Einlageleistung durch Verrechnung bei der Kapitalerhöhung festsetzt, welche sich sowohl von jenen der Bareinlage wie auch von jenen der Sacheinlage unterscheiden. So erwähnt er die Einlageleistung mittels Verrechnung im Zusammenhang mit den kapitalerhöhungsrechtlichen Bestimmungen, welche inhaltliche Ähnlichkeiten zu den entsprechenden schweizerischen Regelungen aufweisen. Genauso wie in den schweizerischen Bestimmungen zur Kapitalerhöhung582 findet die Verrechnung Erwähnung im Rahmen der gemeinsamen Vorschrift zur ordentlichen und genehmigten Kapitalerhöhung im Zusammenhang des Kapitalerhöhungsberichts des Verwaltungsrats in Art. 457 Abs. 2 lit. a tHGB. In Art. 457 Abs. 2 lit. a tHGB wird die Verrechnung – wie in der entsprechenden schweizerischen Vorschrift (Art. 652e Ziff. 2 sOR) – neben der Barzahlung583 und der Sacheinlage bzw. -übernahme gesondert als ein im Kapitalerhöhungsbericht zu berichtender Tatbestand genannt. Dabei wird verlangt, dass über den Verrechnungstatbestand besondere Angaben im Kapitalerhöhungsbericht des Verwaltungsrats gemacht werden. Diese Angaben (der „Bestand“, die „Gültigkeit“ und die „Verrechenbarkeit“ der Schuld) unterscheiden sich sowohl von denjenigen, die für Bareinlagen gemacht werden, als auch von denjenigen, die für Sacheinlagen aufgefordert werden. Für den Fall der Kapitalerhöhung in GmbH wird auf die entsprechenden Bestimmungen zur Gründung verwiesen (Art. 590 tHGB – zur GmbH). Wie oben dargestellt, gilt auch der Art. 583 Abs. 5 tHGB für die Kapitalerhöhung der GmbH, in dem als Leistungsmöglichkeit der Stammeinlagen neben der Bar- und Sachleistung auch die Verrechnung aufgezählt wird.

582

Ausführlich dazu Kapitel 3, § 3, B., I., 2., a). In Art. 652e sOR wird – anders als im türkischen Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB – die Barzahlung als ein zu berichtender Tatbestand nicht erwähnt. 583

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

(2) Bewertung des Verrechnungstatbestands unter Beachtung der jetzigen gesetzlichen Konzeption (a) „Eigenständiges Verrechnungsinstitut“ als dritte, qualifizierte Einlageleistungsart in der Kapitalerhöhungsphase Bei genauer Beachtung der oben geschilderten Bestimmungen des neu-tHGB über den Verrechnungstatbestand ist es m. E. nicht mehr möglich, der herrschenden Meinung zu folgen, die die Verrechnung lediglich als eine „Erfüllungsart/Zahlungsmodalität der Bareinlageschuld“ ansieht und ihr keinen eigenständigen Charakter als gesonderter Einlageform zuerkennt.584 Diese Ansicht wäre vielleicht zur Zeit der alten Rechtslage vertretbar gewesen, in der eine besondere Regelung mit Bezug auf die Zulässigkeit der Einlageleistung durch Verrechnung weder im Gesetzestext des alt-tHGB noch in anderen handelsrechtlichen Ordnungen585 vorlag. Die jetzt geltende Konzeption des neuen Gesetzes hinsichtlich des Verrechnungstatbestandes legt nunmehr eher die Annahme nahe, dass der Verrechnungstatbestand im Gesetz – ähnlich dem schweizerischen Recht – als eigenständiges Institut geregelt ist, welches neben der Bar- und Sacheinlage eine gesonderte, dritte und qualifizierte Art der Eigenkapitalbeschaffung – zumindest im Kapitalerhöhungsstadium – darstellt.586 Das ergibt sich vor allem und insbesondere aus der Formulierung des Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB, in dem der Berichtsinhalt des Verwaltungsrats bei Kapitalerhöhung festgesetzt wird. Denn dort wird der Verrechnungstatbestand separat von den Tatbeständen der Bareinlage sowie der Sacheinlage betrachtet und geregelt, sodass jeweils für jeden Tatbestand spezifische Modalitäten vorgesehen sind, die sich ganz deutlich voneinander unterscheiden. Demnach hat der Verwaltungsrat im Kapitalerhöhungsbericht – je nach der Art der Kapitalerhöhung – folgende Ausführungen zu machen: Bei Bareinlagen soll erklärt werden, dass der erhöhte Betrag des Kapitals völlig gezeichnet und der nach dem Gesetz oder der Satzung einzuzahlende Mindestbetrag eingezahlt wurde; bei Sacheinlagen oder 584

Kapitel 3, § 3, B., I., 3., b), bb), (1). Die einzige relevante Regelung war Art. 200 Abs. 3 tSchKG, woraus im Umkehrschluss hergeleitet wurde, dass die Verrechnung außerhalb des Konkurses der Gesellschaft zulässig sein sollte. Siehe dafür Kapitel 3, § 3, B., I., 3., b), aa). 586 A.A. C¸onkar, Ayni Sermaye, S. 171, 178 ff., wonach zwar die Möglichkeit der Einbringung der Forderungen gegenüber der Gesellschaft im Gesetz in bestimmten Vorschriften erwähnt worden sei, aber diese – im Gegensatz zum schweizerischen Recht – nirgendwo auf der Gesetzesebene als eine eigenständige, dritte Einlageform vorgesehen worden sei. Da das Gesetz lediglich zwei Einlageleistungsart (Geld- und Sacheinlage) vorsehe, könne die Einbringung der Forderungen gegenüber der Gesellschaft nicht als eine andere, besondere Einlageart eingeordnet werden. Zugleich spricht sich der Autor aber de lege ferenda dafür aus, dass der Fall der Umwandlung der Forderungen gegenüber der Gesellschaft ins Kapital auf der Gesetzesebene besonderen, eigenen Regeln unterstellt wird (insb. S. 181). Dieser Auffassung ist allerdings nicht zuzustimmen, denn – wie oben ausführlich ausgeführt – geht schon aus Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB hervor, dass der Gesetzgeber das Institut der Verrechnung für den Fall der Kapitalerhöhung implizit als eine eigenständige und (neben der Bar- und Sacheinlage) dritte Einlageform konzipiert hat, für welche spezielle Modalitäten gelten, die sich sowohl von jenen der Bareinlage als auch von jenen der Sacheinlage unterscheiden. 585

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-übernahmen soll erklärt werden, dass die Bewertung angemessen ist, Art der Bewertungsmethode und deren Angemessenheit …; bei der Verrechnung einer Forderung ist der Bestand, die Gültigkeit und die Verrechenbarkeit der Schuld darzulegen; … Aus dieser Konzeption des Gesetzes ergibt sich m. E. ohne Weiteres, dass das Institut der Verrechnung für den Fall der Kapitalerhöhung auch im türkischen Recht eine eigenständige, neben der Bar- und Sacheinlage eine dritte Einlageform konzipiert ist, für welche spezielle Modalitäten gelten, die sich sowohl von jenen der Bareinlage als auch von jenen der Sacheinlage unterscheiden. Der zwischen den Tatbeständen der Bareinlage, Sacheinlage und Verrechnung ganz klar differenzierende Wortlaut der Vorschrift lässt m. E. keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber den Vorgang der Einlageleistung durch Verrechnung der Forderung gegen die Gesellschaft ganz bewusst weder Bareinlage noch Sacheinlage unterstellt, sondern als eine eigenständige Art der Eigenkapitalbeschaffung bei der Kapitalerhöhung ansieht. Diese Ansicht unterstützt zudem die differenzierende Formulierung von Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB hinsichtlich der zu berichtenden Punkte über die Bareinlagen und die Verrechnung. Hinsichtlich der Bareinlagen wird ausdrücklich betont, dass im Bericht anzugeben ist, dass der Mindestbetrag schon eingezahlt wurde. Da bei Bareinlagen der Mindestbetrag gemäß Art. 344 tHGB (auch bei der Kapitalerhöhung i.V.m. 459 Abs. 3 tHGB) bei einer Bank bar zu leisten ist (System der Depositenstelle), kann bei der Einlageleistung durch Verrechnung das für die Bareinlagen geltende System der Depositenstelle mangels des Geldflusses nicht in Frage kommen. Dass allerdings im selben Normtext die Einlageleistung durch Verrechnung zugelassen wird, ohne eine Unterscheidung zwischen dem Mindestbetrag oder dem Restbetrag des erhöhten Kapitals zu machen, ist m. E. ein deutliches Indiz dafür, dass die Verrechnung nicht als eine Modalität der Barzahlung angesehen wird, sondern als eine eigene Einlageleistungsart, die einer eigenen Ordnung unterworfen ist. Andernfalls hätte nämlich das Gesetz die Verrechnungsmöglichkeit nur für den Restbetrag (also für nachträgliche Leistung) des erhöhten Kapitals vorgesehen. Außerdem sieht der Gesetzgeber – anders als die Barzahlung – die Zulässigkeit der Einlageleistung durch Verrechnung nicht als eine Selbstverständlichkeit an, sondern er setzt gewisse Modalitäten bezüglich ihrer Zulässigkeit voraus, was darauf hinweist, dass die Verrechnung im neuen Konzept des Gesetzes keinesfalls der Barzahlung gleichgesetzt oder als Surrogat für den Geld-Zufluss an die Gesellschaft bei Bareinlagen angesehen wird. Aus diesem Grund würde es m. E. zum System des neuen Gesetzes nicht passen, die Einlageleistung durch Verrechnung als eine „Zahlungsmodalität der Bareinlageschuld“ einzuschätzen. Ferner zielt sowohl die Geld- wie auch die Sacheinlage auf eine Mehrung des Aktivvermögens ab. Es wird also in beiden Einlageformen ein Wert von Aussen in die Gesellschaft eingebracht. Bei Verrechnung erfolgt allerdings keine Vermehrung auf der Aktivseite, sondern es wird ein Passivum beseitigt. Mit andern Worten erfolgt bei der Einlageleistung im Wege der Verrechnung einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung von Anfang an eine Befreiung der Gesellschaft von ihrer Ver-

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bindlichkeit. Deswegen handelt es sich beim Verrechnungstatbestand nicht um eine dem Geld alternative Zahlungsmethode der geschuldeten Bareinlage, sondern um einen eigenständigen und qualifizierten Einlagetatbestand, der von vornherein auf die Beseitigung eines Passivums abzielt. Die ursprünglich geschuldete Leistung ist hierbei also die Verrechnung der Forderung gegen die Gesellschaft, was sich als Befreiung der Gesellschaft von ihren Verbindlichkeiten erweist. Die Gesellschaft kann hier von vornherein keine Barzahlung, sondern lediglich die Verrechnung der gegen sie gerichteten Forderung verlangen. Nichts spricht zwar dagegen, die Bareinlageschuld durch Verrechnung zu erfüllen, solange sich die Parteien darauf geeinigt haben, aber das würde nichts an der Bewertung ändern, dass die Verrechnung im geltenden Recht ursprünglich als eine eigenständige und qualifizierte Einlageform konzipiert ist. Diese Ansicht unterstützt zudem auch Art. 583 Abs. 5 tHGB (zur GmbH), in dem die Verrechnung, neben der Bar- und Sachleistung, explizit als eine gesonderte Einlageleistungsmöglichkeit aufgezählt wird. Schließlich lässt sich aus der jetzigen Konzeption des neu-tHGB folgern, dass die Einlageleistung durch Verrechnung – wie im schweizerischem Recht – auch im (neuen) türkischen Recht eine eigenständige Einlageform bei der Kapitalerhöhungsphase, neben der Bareinlage und der Sacheinlage, darstellt, für die spezielle Modalitäten gelten, die sich sowohl von jenen der Bareinlage als auch von jenen der Sacheinlage unterscheiden. Aus diesem Grund entspricht m. E. die in der Lehre auch noch nach dem neu-tHGB vertretene Ansicht der jetzigen Konzeption des Gesetzes nicht mehr, wonach die Verrechnung eine „Leistungsmethode/Zahlungsmodalität der Bareinlageschuld“ sei. (b) Analoge Anwendung der Verrechnung bei der Gründungsphase Dass die Verrechnung als eine Einlagemöglichkeit im Rahmen der aktienrechtlichen Bestimmungen zur Gründung nicht erwähnt wird, während sie im Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB über den Kapitalerhöhungsbericht neben der Barzahlung sowie der Sacheinlage explizit und gesondert als ein zu berichtender Tatbestand aufgezählt wird,587 könnte auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, dass der Gesetzgeber die Verrechnung bei der Gründung der AG ganz bewusst nicht zulassen möchte. Aus den Gesetzesmaterialien geht indes nichts über das Anliegen des Gesetzgebers hervor, warum er die Verrechnung nur unter den Bestimmungen zur Kapitalerhöhung regelt, während er in den Regelungen zur Gründung nichts erwähnt. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Einlageleistung durch Verrechnung nur auf die Kapitalerhöhung beschränken möchte, weil er damit lediglich die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital bei Sanierungsfällen vereinfachen wollte und einen ähnlichen Bedarf für das Gründungsstadium nicht als sinnvoll erachtete. Mit anderen Worten formuliert, könnte es sein, dass der Gesetzgeber bei 587 Auch im Art. 349 tHGB über den Gründungsbericht, welche nachher durch das Gesetz mit Num. 6728 abgeschafft wurde, wurde die Verrechnung nicht als ein zu berichtender Tatbestand ausgeführt.

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der Gründung nur auf reale Kapitalaufbringung, also auf eine Mehrung des Aktivvermögens abstellt, welche nur durch Einbringung von einem Wert (Geld oder Sachen) von aussen in die Gesellschaft erfolgen kann, während er für die Kapitalerhöhung auch eine Vermögensmehrung erlaubt, welche durch die Verminderung der Passiven bewirkt. Ob dies allerdings der Grund der Nichterwähnung bzw. -regelung der Verrechnung in der Gründung der AG ist, ist, wie bereits ausgeführt, den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Daran zweifeln lässt allerdings, dass die Verrechnung in Art. 583 Abs. 5 tHGB über die Leistung des Betrags der Stammeinlage in GmbH ganz explizit, neben der Bar- und Sachleistung, als eine gesonderte Leistungsmöglichkeit der Einlageschuld aufgezählt wird. Art. 583 Abs. 5 tGBH besagt: „Der Betrag des Stammanteils kann in Bar sowie durch die Sacheinbringung oder durch Verrechnung oder wie bei der Kapitalerhöhung durch die Umwandlung des verwendbaren Eigenkapitals geleistet werden.“ Die Verrechnung wird hier – anders als im AG-Recht – als eine Leistungsart des Stammanteils aufgezählt. Da es m. E. keinen sachlich gerechtfertigten Grund dafür gibt, die Einlageleistung durch Verrechnung in der Gründung einer GmbH zuzulassen, aber bei der Gründung einer AG zu verbieten, könnte man davon ausgehen, dass der Nichterwähnung der Verrechnung zur Gründung der AG die oben genante Sichtweise bzw. eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers nicht zugrundeliegt. Aus diesem Grund spräche m. E. nichts dagegen, die Einlageleistung durch Verrechnung auch zur Gründung der AG als analog anwendbar einzuschätzen. Im Falle der Einlageleistung durch Verrechnung ist die Gründung als eine qualifizierte Gründung zu einzustufen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass die in der Lehre vorgebrachten Gründe für die Nichtanwendung der Verrechnung in der Gründung nunmehr fragwürdig sind. Die Ansicht, wonach in der Gründung einer AG mindestens 25 Prozent des Nennwertes jeder Aktie auf ein besonderes Konto bei einer Bank in bar geleistet sein müsse und deswegen die Verrechnung in der Gründungsphase nicht in Betracht kommen könne,588 steht m. E. der geltenden Konzeption des Gesetzes entgegen. Die Vertreter dieser Ansicht gehen nämlich wohl davon aus, dass die Verrechnung eine Leistungsmethode der Bareinlageschuld darstelle, obwohl das Institut der Verrechnung im neuen-tHGB als eine gesonderte, eigenständige Erfüllungsart der Einlagepflicht konzipiert ist und daher für dies – anders als Bareinlagen – ein Erfordernis zur Zahlung eines Mindestbetrags (25 %) nicht in Betracht kommt. Es geht also beim Verrechnungstatbestand nach jetzigem Gesetzkonzept nicht darum, der Bareinlageschuld, anstelle einer Geldzahlung, durch Verrechnung nachzukommen, sondern um Tilgung der Einlageschuld des Inferenten von Anfang an direkt durch Verrechnung mit einer vorbestehenden Forderung, die er gegen die Gesellschaft hat. Technisch gesehen geschieht hier also eine Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital der Gesellschaft (sog. debt-equity swap). Aus diesem Grund kann die Frage nach der Anwendbarkeit der Verrechnung zur Gründung gestützt auf das oben genannte Argument nicht mehr verneint werden. 588

So Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 67 ff.; Sevi, AO’da Sermaye, S. 256 f.

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dd) Zwischenergebnis Mit Blick auf die Einlageleistung durch die „Verrechnung“ der Forderungen gegen die Gesellschaft unterscheidet sich das türkische Rechtssystem von dem deutschen Rechtssystem. Während im deutschen Recht auch gegen die Gesellschaft gerichtete Forderungen als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden müssen und die Verrechnung sowohl bei der Gründung als auch bei der Kapitalerhöhung verboten ist, ist die Verrechnung im türkischen Recht seit jeher zulässig und üblich. Im Gegensatz zum alt-tHGB nahm der Gesetzgeber des neu-tHGB die Verrechnung in den Gesetzestext auf, sodass sie nach der geltenden Rechtslage sowohl im AG- als auch im GmbH-Recht gesetzlich anerkannt und nach wie vor zulässig ist. Auch unter der neuen Rechtslage bewertet die türkische Lehre den Verrechnungstatbestand nicht als eine eigenständige, dritte Form der Einlageleistung, sondern schätzt ihn als eine Zahlungsmodalität ein, die bei der Erfüllung einer Bareinlage und damit einer eigentlich ursprünglich in bar zu leistenden Einlageschuld zur Anwendung kommt („Erfüllungsmethode der Bareinlageschuld“). Außerdem könne nach herrschender Lehre die Einlageleistung mittels Verrechnung entweder für den Fall der Kapitalerhöhung oder für den Fall der nachträglichen Leistung des Restbetrags in Betracht kommen, falls bei der Gründung die Bareinlageschuld nicht vollständig geleistet sei (Teilliberierung). Nach hier vertretener Ansicht steht jedoch die in der Lehre herrschende dogmatische Einordnung des Verrechnungstatbestands der geltenden Konzeption des neu-tHGB entgegen. Denn es steht zwar nicht explizit im Gesetzestext, dass die Verrechnung eine eigene Einlageform neben der Bar- und Sacheinlage ist, oder ihm wird anders als der Bar- und Sacheinlage keine eigene Norm gewidmet, aber sein eigenständiger Charakter als Einlageform (zumindest bei der Kapitalerhöhung) wird m. E. schon in relevanten Vorschriften impliziert: Erstens wird der Verrechnungstatbestand in Art. 457 Abs. 2, lit a tHGB („Kapitalerhöhungsbericht“), neben der Bareinlage und der Sacheinlage, explizit und gesondert als ein zu berichtender Tatbestand aufgezählt, wofür spezielle Modalitäten vorgesehen sind, die sich sowohl von jenen der Bareinlage wie auch von jenen der Sacheinlage unterscheiden. Zweitens wird die Verrechnung in Art. 583 Abs. 5 tHGB (zur GmbH), neben der Bar- und Sachleistung, ausdrücklich als eine gesonderte Einlageleistungsmöglichkeit aufgezählt. Ferner zielt die Geldeinlage (und auch die Sacheinlage) auf die Mehrung des Aktivvermögens ab, während es sich bei der Einlageleistung durch Verrechnung um die Verminderung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft und damit um die Beseitigung eines Passivums handelt. Auch dieser Unterschied ist ein Indiz dafür, dass die Verrechnung nicht nur als eine Zahlungsmethode der geschuldeten Bareinlage oder als Surrogat für den Geld-Zufluss an die Gesellschaft bei Bareinlagen angesehen wird. Die Verrechnung ist nämlich eine eigenständige und qualifizierte Einlageform, die von Vornherein auf Befreiung der Gesellschaft von ihrer Verbindlichkeit abzielt und für die spezielle Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten, die sich sowohl von jenen der Bareinlage wie auch von jenen der Sacheinlage abheben. Die nachträgliche Erfüllung einer Bareinlageschuld kann

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zwar durch die Verrechnung erfolgen, aber das würde daran nichts ändern, dass die Verrechnung im geltenden Recht ursprünglich als eine eigenständige und qualifizierte Einlageform für den Fall der Kapitalerhöhung konzipiert wurde. Außerdem sollte nach hier vertretener Ansicht die Einlageleistung durch Verrechnung in der Gründung der AG analog anwendbar sein. Zwar wird der Verrechnungstatbestand nur im Zusammenhang mit der Regel zur Kapitalerhöhung im AG- Recht geregelt und i.R.d. Gründungsstadium allerdings nicht mal erwähnt, aber weder im Gesetzestext noch in Gesetzesmaterialien besteht ein Indiz dafür, dass die Nichtanwendung der Verrechnung in der Gründung die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers ist. Aus diesem Grund sollte m. E. die Verrechnung auch im Gründungsstadium der AG zur Anwendung kommen dürfen. Im Falle der Einlageleistung durch Verrechnung ist dann die Rede von einer qualifizierten Gründung. In der Gründung der GmbH muss allerdings die Einlageleistung durch Verrechnung aufgrund des deutlichen Wortlauts des Art. 583 Abs. 5 tHGB ohnehin zulässig sein. c) Bewertungsfrage der zur Verrechnung einzubringenden Forderung aa) Das einschlägige Dekret des Ministeriums für Zoll und Handel Bis zum Inkrafttreten des neu-tHGB war in der türkischen Rechtspraxis hinsichtlich der Umwandlung einer Forderung der Gesellschafter bzw. Aktionäre in Eigenkapital das „Prinzip des Nennwerts“ üblich. Für die Handelsregister war es nötig und hinreichend, dass der Bestand der Forderung in einem Bericht festgestellt wird, der entweder durch einen Wirtschaftsprüfer oder durch einen vereidigten Buchführer erstellt wurde.589 Die Frage, ob auch diese Forderungen – wie Sacheinlagen – einer Wertüberprüfung durch Gutachter untergezogen werden mussten, wurde im Schrifttum nicht hinreichend diskutiert.590 Nach dem Inkrafttreten des neutHGB, in dem die Forderungen explizit als Sacheinlagen qualifiziert werden (Art. 342 tHGB), kam es zu Rechtsunsicherheiten und uneinheitlichen Anwendungen in der Praxis, was die Wertüberprüfung der Forderungen gegen die Gesellschaft anbelangt.591 Um diese Rechtsunsicherheiten auszuräumen, erließ das Ministerium für Zoll und Handel am 15. 07. 2013 ein Dekret.592 Dabei wurde zu589

Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 18. Soweit ersichtlich wurde die Bewertungsfrage der Forderungen gegen die Gesellschaft erst von Tekinalp in einem Aufsatz aufgegriffen, wobei der Verfasser sich eher für die Wertüberprüfung aussprach. Tekinalp, ˙Iktisat ve Maliye Dergisi, S. 186 ff.; auch so Poroy/Tekinalp/ C¸amog˘ lu/ders., Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 600, Rn. 1047. 591 Auf den Sacheinlagecharakter der Forderungen gem. Art. 342 neu-tHGB verweisend, verlangten die Handelsregisterbehörden bezüglich der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen, dass auch sie genau so wie die anderen Sacheinlagen durch die vom Gericht bestellten Gutachter bewertet werden. Aber manche Gerichte lehnten die Bestellung von Gutachtern für die Bewertung dieser Forderungen mit der Begründung ab, dass das Gesetz die Gerichte hinsichtlich der Bewertung der Forderungen nicht beauftrage. 592 Vom 15. 07. 2013, Num.: 67300147.431.04/559478/4979-5665. 590

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nächst betont, dass die Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital umgewandelt werden könnten. Danach wurde ausgeführt, dass die Forderungen gemäß Art. 343 tHGB bewertet werden müssten, da sie gemäß Art. 342 tHGB als Sacheinlagen gelten. Mit dieser Feststellung wurden die Forderungen gegen die Gesellschaft – anders als in der bisherigen Anwendung – als „Sacheinlage“ qualifiziert und der Wertüberprüfung von Gutachtern unterworfen, welche bisher nur auf deren „Bestand“ hin durch einen Wirtschaftsprüfer oder durch einen vereidigten Buchführer überprüft wurden.593 Dass die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen im Dekret als Sacheinlage qualifiziert werden und den für die Sacheinlagen vorgesehenen Regeln bezüglich der Bewertung unterworfen sind, stieß im Schrifttum auf Kritik.594 Daraufhin wurde das Dekret zunächst am 23. 09. 2013595 und danach am 02. 01. 2014596 geändert. Bei der dahingehenden Feststellung des Dekrets, dass die Forderungen gegen die Gesellschaft unter Sacheinlage fallen würden, änderte sich zwar nichts. Aber es wurde durch die Änderung von 23. 09. 2013 eine Unterscheidung zwischen Forderungen gegen Dritte und denjenigen gegen die Gesellschaft bezüglich ihrer Bewertung vorgenommen: „1. Wird eine Forderung gegen eine Gesellschaft bei der Gründung oder Kapitalerhöhung einer anderen Gesellschaft als eine Sacheinlage eingebracht, ist ein Bericht über den Bestand der Forderung vorzulegen, der gemäß Art. 343 tHGB durch vom am Hauptsitz der Gesellschaft befindlichen Gericht bestellten Gutachtern erstellt wird. 2. Wird eine Forderung gegen die Gesellschaft bei der Kapitalerhöhung derselben Gesellschaft als Sacheinlage eingebracht, ist ein Bericht über den Bestand der Forderung vorzulegen, der entweder gemäß Art. 343 tHGB durch Gutachter erstellt wird, die durch das am Hauptsitz der Gesellschaft befindliche Gericht bestellt werden, oder der durch einen vereidigter Buchführer bzw. Wirtschaftsprüfer sowie einen Revisor (bei aufsichtspflichtigen Gesellschaften) erstellt wird.“

Durch die Änderung vom 02. 01. 2014 wurde jedoch eine Differenzierung unter den gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen je nach dem der Forderung zugrunde liegenden Geschäft gemacht. Damit wurde klargestellt, dass die Überprüfung der Forderungen durch einen vereidigten Buchführer bzw. Wirtschaftsprüfer auf ihren „Bestand“ hin lediglich für jene Forderungen gilt, denen ein Darlehensverhätnis zugrunde liegt. Andere Forderungen hingegen müssen durch Gutachter überprüft und bewertet werden. Zusammenfassend sind nach dem Dekret des Ministeriums sowohl die Forderungen gegen Dritte als auch die Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage zu qualifizieren. Der Unterschied besteht darin, dass bei Forderungen gegen die Gesellschaft, denen ein Darlehen und damit eine Geldschuld zugrunde liegt, die 593 594 595 596

Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 18. Insb. Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 18, 20; Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 328 Fn. 44. Num.: 50035491.449-7326. Num.: 50035491.449-023.

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Feststellung der Existenz der Forderung von einem vereidigten Buchführer bzw. Wirtschaftsprüfer (sowie ggf. von einem Revisor) ausreichend ist. D. h. die Forderungen, denen ein Darlehensverhältnis zugrunde liegt, sind von den anderen Forderungen gegen die Gesellschaft zu unterscheiden und nur die erstgenannten sind von einer Bewertung durch Gutachter nach Art. 343 tHGB zu befreien. bb) Meinungsstand im Schrifttum Soweit ersichtlich findet sich bisher keine direkte Behandlung in der türkischen gesellschaftsrechtlichen Judikatur zu der Bewertungsfrage der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung. Auch in der Lehre gewann die Problematik erst nach dem Inkrafttreten des neu-tHGB und dem Dekret des Ministeriums vermehrt an Aufmerksamkeit. Insbesondere die Tatsache, dass im Dekret die Forderungen gegen die Gesellschaft und damit deren Umwandlung in Eigenkapital als „Sacheinlage“ qualifiziert werden, stieß auf Kritik.597 Denn die Verrechnung einer Forderung gegen die Gesellschaft sei vom Vorgang der Einbringung der Forderungen gegen Dritte in die Gesellschaft als Sacheinlage zu unterscheiden. Während bei der Verrechnung der Forderungen gegen die Gesellschaft keine Wertüberprüfung erforderlich sei, müsste bei der Einbringung der Forderungen (gegen Dritte) eine Wertüberprüfung erfolgen, weil sie im Allgemeinen als Sacheinlage in die Gesellschaft einzubringen seien. Es wird besonders kritisiert, dass das Dekret bei der Definition der Forderung als Ausgangspunkt die „Gesellschafterstellung“ nimmt.598 Denn der Begriff der Forderung werde im tHGB aus Sicht der „Gesellschaft“ definiert, in welche die Forderung als Sacheinlage eingebracht wird. Nach dieser Auffassung beziehe sich der Begriff der „Forderung“ im Gesetz auf derartige Forderungen, die sich nicht schon in der Bilanz der Gesellschaft befinden, sondern auf diejenigen, die erst durch die Einbringung in die Bilanz aufgenommen und auf der Passivseite verbucht werden. Die Bestimmung des Gesetzes in Art. 343 tHGB, wonach der Gutachter den „Bestand“, die „Einbringlichkeit“ sowie den „Wert“ der Forderung überprüfen solle, müsse naturgemäß lediglich für eine nicht in der Bilanz der Gesellschaft befindliche Forderung gelten. Die Aufforderung nach der Wertüberprüfung einer schon bilanzierten Forderung würde auf den Verdacht hinweisen, dass die Bilanzposten vielleicht nicht richtig dargestellt wurden, was ja nicht akzeptabel sei. Aus diesem Grund seien unter den „Forderungen“, die (gem. Art. 342 tHGB) als Sacheinlage einzubringen sind, diejenigen zu verstehen, die sich nicht bereits in der Bilanz der Gesellschaft befinden, sondern erst nach deren Einbringung in die Bilanz aufgenommen werden. Der Vorgang der Umwandlung von Fremdkapital durch Verrechnung in Eigenkapital stelle keine Sacheinlage dar, weil dieser Betrag schon in Geschäften der Gesellschaft verwendet worden sei oder als ein Wert auf der Aktivseite der Bilanz bereits gegeben sei. Es werde also dabei kein Vermögenswert von außen in die Gesellschaft eingebracht, 597 598

Insb. Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 20 f.; auch Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 328 Fn. 44. Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 20 f.

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sondern es erfolge nur ein Austausch zwischen den Passivposten. Deswegen würden die Forderungen gegen die Gesellschaft nicht zu denjenigen gehören, die gemäß tHGB zu bewerten seien. Derartige Forderung sollten also direkt (zum Nennwert) verrechnet werden. Nach der Gegenansicht müsse jedoch eine Wertüberprüfung der Forderungen gegen die Gesellschaft erfolgen.599 Ohne eine nähere Begründung, verweisend auf einschlägige deutsche Literatur, lehnt Akdag˘ -Güney600 die Nennwerttheorie bei der Verrechnung ab und spricht sich für die Verrechnung zum realen Wert der Forderung aus. Auch Sevi601 spricht sich unter Verweis auf die deutsche Literatur dafür aus, dass die Einbringlichkeit bzw. Werthaltigkeit der Forderung im Hinblick auf die finanzielle Situation der Gesellschaft eine zusätzliche Voraussetzung der Verrechnung sein müsse. Zur Begründung seiner Meinung zieht er zudem den konkursrechtlichen Art. 200 Abs. 3 tSchKG heran, wonach die Verrechnung der ausstehenden Einlageschuld im Konkurs der Gesellschaft ausdrücklich ausgeschlossen ist. Beruhend auf dieser Regelung plädiert er für die Einbringlichkeit der Forderung im Hinblick auf die finanzielle Situation der Gesellschaft als einer zusätzlichen Voraussetzung für die Erfüllung der Einlageschuld durch Verrechnung im Aktienrecht.602 Nach ihm müsse die Verrechnung nicht nur im Konkursfall, sondern auch in den Fällen verboten sein, in denen die Gesellschaft erhebliche Zahlungsschwierigkeiten hat. Für die Verrechnung müsse also die Gesellschaft wirtschaftlich in der Lage sein, auch die anderen Gläubiger zu befriedigen, die nicht zugleich Gesellschafter sind. Zur Zeit der alten Rechtslage, wo die Verrechnung – anders als im jetzigen tHGB – im Gesetz nicht geregelt war, aber in der Lehre als zulässig bewertet und in der Praxis angewendet wurde, plädierte auch Tekinalp ausdrücklich für eine Überprüfung der zur Verrechnung einzubringenden Forderung durch Gutachter, sowohl auf deren Bestand als auch deren Wert hin.603 Denn auch die Verrechnung stelle eine qualifizierte Gründung dar und im Falle der Erfüllung der Einlageschuld im Wege der Verrechnung müssten die Forderungen gegen die Gesellschaft – genau so wie bei Sacheinlagen – durch die vom Gericht bestellten Gutachter überprüft werden. In seinem letzten Werk zum neu-tHGB äußert Tekinalp sich zwar nicht direkt dazu, ob es sich bei der Verrechnung nach dem geltenden Gesetz um eine Sacheinlage handelt oder ob eine Wertprüfung bei der Verrechnung erforderlich ist, aber er kritisiert das Dekret des Ministeriums dahingehend, dass die Forderungen gegen die Gesellschaft einerseits als Sacheinlage qualifiziert, andererseits von dem Überprüfungserfor599 Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 68; Sevi, AO’da Sermaye, S. 263; Tekinalp, ˙Iktisat ve Maliye Dergisi, S. 189; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/ders., Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 600, Rn. 1047. 600 Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 68. 601 Sevi, AO’da Sermaye, S. 263. 602 Sevi, AO’da Sermaye, S. 263. Für die Kritik dieser Ansicht s. nachstehend Kapitel 3, § 3, B., I., 3., c), cc), (4). 603 Tekinalp, I˙ktisat ve Maliye Dergisi, S. 189; Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/ders., Ortaklıklar ve Kooperatif Hukuku, S. 600, Rn. 1047.

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dernis durch Gutachter befreit werden.604 Denn wenn die Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage qualifiziert werden müssten (so sei es jedenfalls nach dem Dekret), müssten sie unbedingt gemäß Art. 343 tHGB durch den von dem Gericht bestellten Gutachter bewertet werden. Dass das Dekret trotzdem die Berichte von vereidigten Buchführern bzw. Wirtschaftsprüfern hinsichtlich der Forderungen gegen Gesellschaft für ausreichend halte, könnte ihm zufolge aufgrund des expliziten Wortlauts von Art. 343 tHGB als rechtswidrig erachtet werden, wonach die Bewertung bei Sacheinlagen von den vom Gericht bestellten Gutachtern zu machen ist. cc) Stellungnahme (1) Der Wortlaut und Zweck des Gesetzes In Art. 343 tHGB, in dem Erklärungen zur Bewertung der Sacheinlagen im Allgemeinen und der Forderungen im Besonderen gemacht werden, werden die zu überprüfenden Punkte hinsichtlich der Forderungen ausführlich aufgezählt. Darunter wird eine Prüfung auf die Einbringlichkeit bzw. auf den Wert der Forderung hin explizit gefordert.605 In Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB, in dem der Inhalt des Kapitalerhöhungsberichts des Verwaltungsrats festgestellt wird, werden jedoch hinsichtlich der zur Verrechnung einzubringenden Forderung (gegen die Gesellschaft) nur Angaben über den Bestand, die Gültigkeit und die Verrechenbarkeit der Forderung verlangt. Aus dem Vergleich dieser beiden Vorschriften geht zunächst hervor, dass während in Art. 343 tHGB eine Überprüfung auf die Einbringlichkeit bzw. auf den Wert der Forderung hin verlangt wird, der Wortlaut des Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB den Werthaltigkeitspunkt ganz explizit beiseite lässt. Dieser Unterschied wirft die Frage auf, ob dies auf Vergessen beruht oder der Gesetzgeber ganz bewusst auf die Wertüberprüfung bezüglich der zur Verrechnung einzubringenden Forderungen verzichtet hat. Bei genauer Betrachtung gewährt m. E. der gesamte Wortlaut des Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB genügend Aufschluss. Liest man nämlich den ganzen Normtext, bemerkt man, dass der Gesetzgeber in dem vorstehenden Halbsatz, wo der Berichtsinhalt im Falle einer Sacheinlage bzw. -übernahme bestimmt wird, den Wertaspekt ganz ausdrücklich erwähnt: „… im Falle einer Einlageleistung durch die Sacheinlage bzw. -übernahme soll darüber berichtet werden, dass ihre Bewertung angemessen ist … was die Bewertungsmethode ist und warum diese Bewertung angebracht und gerecht ist …“ (Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB). Dass er allerdings innerhalb der selben Vorschrift den Wertaspekt lediglich im Rahmen der Bestimmungen über die Sacheinlagen erwähnt, dies aber für die Verrechnung auslässt, spricht m. E. eher dafür, dass dies nicht auf Vergessen beruht, sondern dass er hinsichtlich der Verrechnung absichtlich auf die Werthaltigkeitskontrolle der Forderung verzichten will. Mit anderen Worten kann man sogar behaupten, dass genau diese Absicht den Gesetzgeber zur bewussten Abhebung des Verrechnungstatbestands von der Sacheinlage in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB veranlasst haben mag. Denn es geht 604 605

Poroy/Tekinalp/C ¸ amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, Rn. 487a. Ausführlich dazu Kapitel 3, § 3, B., I., 3., a).

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m. E. für den Gesetzgeber bei Verrechnung von Anfang an nicht um die Bewertungsfrage, sondern nur um den Bestand und die Verrechenbarkeit der Forderung, weswegen er den Verrechnungstatbestand von der Sacheinlage explizit unterscheidet und gesondert regelt. Wenn er die Forderungen gegen die Gesellschaft genau so wie die Forderungen gegen Dritte hinsichtlich der Kapitalaufbringung als Sacheinlage angesehen hätte und sie dementsprechend den für Sacheinlagen unentbehrlichen Bewertungsregeln zu unterwerfen gewollt hätte, hätte er weder den Verrechungstatbestand gesondert erwähnt noch an diesen Tatbestand die sich von den Sacheinlagen explizit differenzierenden Anforderungen geknüpft. Das jetzige Konzept des Gesetzes lässt daher m. E. keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber auf die Wertüberprüfung der zur Verrechnung einzubringenden Forderungen absichtlich verzichtet.606 Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Implementierung eines Verrechnungsinstituts in den Gesetzestext des neu-tHGB muss hierbei allerdings eine Unterscheidung nach der Quelle der Forderung vorgenommen werden. Es besteht zwar in den Gesetzesmaterialien keine ausdrückliche Auskunft dazu, aber der Sinn der Sache erfordert die Annahme, dass es sich beim Verrechnungstatbestand um Forderungen handelt, denen ein Darlehensverhältnis zugrunde liegt. Denn nur bei einer Forderung, die auf der Gewa¨ hrung eines Gelddarlehens beruht, steht außer Zweifel, dass die Gesellschaft den Wert der Leistung tatsächlich erhalten hat. In derartigen Fa¨ llen, in denen sich der Zahlungsanspruch des Gesellschafters nicht aus einem Darlehensverhältnis ergibt, sondern z. B. aus einem Kauf- bzw. Dienstvertrag, ist eine Pru¨ fung des Werts der Leistung naturgemäß geboten, die dem Zahlungsanspruch des Inferenten zugrunde liegt. Denn bei solchen Forderungen, denen Transaktionen zugrunde liegen und die nicht auf einem Darlehensverhältnis beruhen, könnte es sein, dass der Wert des Vertragsgegenstands überbewertet ist. Die Zulassung der Verrechnung auch solcher Forderungen zum Nennwert würde es den Gesellschaftern ermöglichen, die Sondervorschriften der Sacheinlage zu umgehen und insbesondere der Wertüberprüfung zu entkommen. Dies würde schlichtweg dem Sinn und Zweck der Regelung des Verrechnungstatbestands völlig widersprechen.607

606 A.A. C¸onkar, Ayni Sermaye, S. 179 f., wonach die Erklärungen des Gesetzgebers in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB zur Angaben über die Forderungen („Bestand, Gültigkeit und Verrechenbarkeit“) nur darauf hinweise, dass es ihm bewusst sei, dass die Verrechnung eine besondere Prüfung erfordere. Damit reguliere er lediglich, was der Vorstand zu berichten hat. Darin sei ihm zufolge keine Absicht des Gesetzgebers zu sehen, auf die Bewertung der Forderung zu verzichten. 607 Auf diesen Punkt wird auch von vielen Handelskammern hingewiesen. Z. B. die ˙Istanbuler Handelskammer (I˙stanbul Ticaret Odası) besagt: „Im Falle der Umwandlung der Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital muss im Bericht des Wirtschaftsprüfers ausdrücklich angegeben werden, dass der Forderung eine Geldschuld zugrundeliegt. Liegt der Forderung ein anderes Geschäft zugrunde, dann ist eine Bewertung von Gutachtern erforderlich.“http://www.ito.org.tr/wps/portal/tescil-ilan-kurulus?WCM_GLOBAL_CONTEXT=ano nim_sirketler_index (Stand: 29. 04. 2016).

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Zutreffenderweise wird dieser Tatsache im relevanten Dekret durch eine nachträgliche Änderung (v. 02. 01. 2014) Rechnung getragen.608 Die Frage, ob die Umwandlung der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen in Eigenkapital zum Nennwert das Grundprinzip der realen Kapitalaufbringung beeinträchtigen würde, ist schlechthin eine Wertungssache. Aus dem neutHGB ergibt sich m. E., dass der türkische Gesetzgeber hinsichtlich der auf Darlehensverhältnissen beruhenden Forderungen – anders als die in Deutschland herrschende Ansicht – wohl per se davon ausgeht, dass der Gesellschaft bei solchen Fällen der Wert der Leistung schon bereits tatsächlich zugeflossen ist, weswegen kein Grund besteht, sich um den Wert der Forderung im Zusammenhang mit dem Grundsatz der realen Kapitalaufbringung zu sorgen. Für die Verrechnung zum Nennwert reicht es nach dem türkischen Konzept aus, dass die Forderung tatsächlich besteht und verrechenbar ist, während im deutschen Recht dafür die nach der Vermögenslage der betreffenden Gesellschaft zu beurteilende Vollwertigkeit der Forderung verlangt wird. Genau wegen dieses sich von dem deutschen Recht abweichenden Konzepts des neu-tHGB wäre m. E. das Verlangen nach Wertüberprüfung und dem Werthaltigkeitserfordernis der zur Verrechnung einzubringenden Forderung unter Berufung auf das deutsche Recht unangebracht.609 (2) Kritik des Dekrets Die Fragen, ob auch die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen nach dem jetzigen System des tHGB unter die Kategorie von Sacheinlage fallen und damit auch für sie die gleichen Bestimmungen bezüglich der Bewertung der Sacheinlagen gelten, finden m. E. ihre Antworten schon im Gesetzestext. Die dahingehende Feststellung des Dekrets, dass auch die Forderungen gegen die Gesellschaft – wie die Forderungen gegen Dritte – Sacheinlage darstellen würden, entspricht weder dem Wortlaut bzw. Sinn noch dem Konzept des neu-tHGB. Denn bei der Feststellung des Dekrets werden augenscheinlich nur Art. 342 und 343 tHGB berücksichtigt, in denen die Forderungen generell als Sacheinlage qualifiziert (Art. 342 Abs. 1 tHGB) und der Bewertung von Gutachtern auf ihre Einbringlichkeit bzw. ihren Wert unterworfen werden (Art. 343 tHGB). Dass aber das neu-tHGB hinsichtlich der Einbringung der Forderungen gegen die Gesellschaft i.R.d. Kapitalerhöhung in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB eine besondere Regelung vorsieht, wird dabei (sowohl vom Schrifttum als auch vom Verfasser des betreffenden Dekrets) übersehen. Wie schon vorher ausführlich dargelegt, wird im neu-tHGB der Verrechnungstatbestand anders als im alttHGB als ein eigenständiges Institut im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung konzipiert, an welches ganz explizit von der Sacheinlage und der Bareinlage zu unterscheidende Anforderungen geknüpft werden.610 Aus dem Wortlaut und der 608

Siehe dazu Kapitel 3, § 3, B., I., 3., c), aa). So Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 68 Fn. 206; und auch wohl Sevi, AO’da Sermaye, S. 263. 610 Kapitel 3, § 3, B., I., 3., b), cc), (1). 609

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Systematik des Gesetztes ergibt sich also m. E., dass der Gesetzgeber mit dem Begriff von „Forderungen“ in Art. 342 Abs. 1 tHGB die Forderungen meint, die sich auf diejenigen gegen Dritte beziehen und als solche von aussen in die Gesellschaft eingebracht werden.611 Derartige Forderungen sollen dann auf die in Art. 343 tHGB detailliert aufgezählten Punkte hin (u. a. die Einbringlichkeit bzw. der Wert der Forderung) von Gutachtern überprüft werden. Die Forderungen, die die Inferenten gegen die Gesellschaft haben, werden jedoch im Rahmen des Verrechnungstatbestands in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB erfasst und gesondert thematisiert. Deswegen gelten für die Forderungen gegen die Gesellschaft nicht die für Forderungen (gegen Dritten) vorgesehenen Bewertungskriterien des Art. 343 tHGB, sondern für sie gelten eher die in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB für sie gesondert vorgesehenen Maßgaben, wonach eine Überprüfung nur auf den „Bestand“ und die „Verrechenbarkeit“ der Forderung hin erforderlich und hinreichend ist. Der Wortlaut und das Konzept des neuen Gesetzes lassen schließlich m. E. keinen Zweifel daran, dass die Einbringung der Forderungen gegen die Gesellschaft – anders als die Forderungen gegen Dritte – nicht als Sacheinlage, sondern – stillschweigend – als eine eigene Einlageart konzipiert wird. Sonst hätte das Gesetz die Verrechnung im Zusammenhang mit dem Kapitalerhöhungsbericht weder gesondert erwähnt noch besondere Anforderungen an die Verrechnung gestellt. Durch die Anerkennung bzw. Schaffung des besonderen Verrechnungstatbestands in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB regelt nämlich das Gesetz den Umwandlungsvorgang der Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital gesondert und setzt dafür eigenständige Anforderungen voraus, welche sich von denjenigen für Sacheinlagen unterscheiden. Die Qualifizierung der Forderungen gegen die Gesellschaft als Sacheinlage im Dekret widerspricht m. E. aus den oben dargestellten Gründen dem geltenden, neuen Konzept des Gesetzes. Mit anderen Worten wurde dabei die ausschlaggebende Regelung von Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB über den Verrechnungstatbestand übersehen.612 Ein weiterer Kritikpunkt am Dekret ist, dass obwohl die Forderungen gegen die Gesellschaft – fehlerhaft – als Sacheinlage bezeichnet werden, die Berichte von vereidigten Buchführern oder Wirtschaftsprüfernals hinreichend erachtet werden.613 Damit wird ausdrücklich gegen den Art. 343 tHGB verstoßen, wonach die Sacheinlagen durch die vom Gericht bestellten Gutachter bewertet werden müssen. Dies ist mithin zweifellos ein Widerspruch in sich selbst. Auch wenn das Dekret aus oben dargestellten Gründen verfehlt bzw. verwirrend ist und die differenzierende Herangehensweise des Gesetzes zwischen der Forderungen gegen Dritte und derjenigen gegen die Gesellschaft übersehen wird, trifft seine dahingehende Feststellung zumindest im Ergebnis zu, dass für die Forderungen gegen die Gesellschaft Berichte von vereidigten Buchführern oder Wirtschaftsprü611

So auch Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 20 f. Ausführlich dazu Kapitel 3, § 3, B., I., 3., b), cc). 613 Kritisch dazu auch Poroy/Tekinalp/C¸amog˘ lu/Tekinalp, Ortaklıklar Hukuku I, S. 311, Rn. 487a; Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 328 Fn. 44; Özdamar, TFM 2015, S. 150. 612

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fern über den Bestand der Forderung hinreichend seien. Diese Bestimmung entspricht schließlich der jetzigen Konzeption des neu-tHGB bezogen auf den Verrechnungstatbestand. (3) Rechtfertigung der Verrechnung zum „Nennwert“ unter den Gesichtspunkten des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes Wie schon oben dargestellt, ergibt sich aus dem Wortlaut bzw. Konzept des Gesetzes ganz ausdrücklich, dass die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen von den Forderungen gegen Dritte unterschiedlich behandelt werden müssen. Während die Forderungen gegen Dritte explizit in Art. 342 tHGB unter Sacheinlagen subsumiert und den in Art. 343 tHGB angegebenen Bewertungsregeln unterworfen sind, ist in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB für die Forderungen gegen die Gesellschaft ein gesondertes Regime vorgesehen, wonach sie direkt zur Verrechnung gebracht werden können, solange sie tatsächlich existieren und verrechenbar sind. Daher dürfte m. E. die Bewertungsfrage der Forderungen gegen die Gesellschaft schon auf der Gesetzesebene beantwortet sein. Obwohl der Wortlaut eines Gesetzes als das „primäre und wichtigste Indiz für den Normsinn“ gilt, darf er allerdings bei der Auslegung einer Regelung nicht der einzige Ausgangspunkt sein.614 Es kann nämlich theoretisch nicht ausgeschlossen werden, dass beim Verfassen einer Norm nicht alle relevanten Gesichtspunkte mit berücksichtigt werden. Deswegen muss an dieser Stelle auch noch untersucht werden, ob die Anforderungen (Bestand und Verrechenbarkeit, aber kein Werthaltigkeitserfordernis), die für die zur Verrechnung einzubringenden Forderungen vorgesehenen sind, auch den Interessen der Gläubiger und Gesellschafter/Aktionäre gerecht werden, die im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung besonders schutzwürdig sind. Falls nämlich die Interessen der Gläubiger und Gesellschafter von Nennwertprinzip beeinträchtigt werden, muss man über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehen dürfen und eine Wertüberprüfung der Forderung auf Grundlage der Bonität der Gesellschaft und damit die Verrechnung nur zum realen Wert – trotz des Wortlauts – verlangen dürfen. Mit der Frage nach der Erforderlichkeit der Vollwertigkeit der Forderung zum Schutz der Gläubiger bzw. der Gesellschafter setzte man sich bisher sowohl im deutschen als auch im schweizerischen Recht äußerst gründlich auseinander. Im türkischen Recht wurde jedoch die Thematik unter den Gesichtspunkten des Gläubiger- und Gesellschafterschutzes bisher nicht behandelt. Aus diesem Grund ist es m. E. angebracht, bei Rechtfertigungsversuchen des Nennwertprinzips aus Sicht des türkischen Rechts an die relevanten deutschen und schweizerischen Diskussionen anzuknüpfen.

614

Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 69.

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(a) Erforderlichkeit der Werthaltigkeitskontrolle hinsichtlich des Gläubigerschutzes? Bei der Untersuchung, wie bzw. ob die Verrechnung der Forderung zum Nennwert die Gläubiger beeinträchtigt, wird im deutschen und schweizerischen Schrifttum zwischen den bisherigen und den zuku¨ nftigen Gläubigern unterschieden. Die Befürworter der Maßgeblichkeit des Nennwerts der Forderungen vertreten zurecht die Meinung, dass die schutzwürdigen Interessen der bisher vorhandenen Gläubiger, welche ihre Forderungen nicht in Eigenkapital umwandeln, durch die Forderungseinbringung zum Nennwert nicht beeinträchtigt würden, sondern ganz im Gegenteil davon profitieren würden.615-616 Denn durch die Einbringung einer Forderung gegen die Gesellschaft scheide der betreffende Gläubiger als Konkurrent der u¨ brigen Gläubiger um das Vermögen der Gesellschaft aus. Er gebe seinen Gleichrang mit den anderen Gläubigern auf und begnu¨ ge sich mit der letztrangigen Position als Residualgläubiger. Fu¨ r die verbleibenden Gläubiger könne dies nur vorteilhaft sein, denn ihre Befriedigungsaussichten würden damit steigen. Da zudem bei der Einbringung einer Forderung gegen die Gesellschaft nur reiner Passivtausch erfolge, sei ein u¨ berhöhter Ausweis eines Zugangs von Aktiva von vornherein ausgeschlossen.617 Die Aktiven, die für die Gläubiger von Bedeutung seien, wären also vom ganzen Vorgang nicht betroffen.618 Stehen sich z. B. Verbindlichkeiten von 1.000 Euro und Aktiven von 500 Euro gegenüber, so beträgt die Deckungsquote der Gläubiger 50 % und die zur Verrechnung einzubringende Forderung ist nicht mehr werthaltig. Im Falle der Umwandlung der Verbindlichkeiten in Höhe von 500 Euro (also zum Nennwert) in Eigenkapital, steigt die Deckungsquote der verbleibenden Gläubiger von 50 % auf 100 %. Daraus ergibt sich, dass es aufgrund des Gläubigerschutzes nicht erforderlich ist, dass die zur Verrechnung gebrachte Forderung des Gesellschafters werthaltig sein muss. Deswegen ist unter dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes 615

Aus deutschem Recht: Gessler, in: FS Möhring, S. 195; Meilicke, DB 1989, S. 1119; Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 14 ff.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 312 ff.; Cahn/Hutter/Kaulamo/Meyer/Weiß, WM 2014, S. 1310; a.A. KölnKomm-AktG/ Arnold, § 27, Rn. 57, dem zufolge die Verrechnung zum Nennwert für vorhandene Gläubiger schädlich sei, weil obwohl die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig befriedigen könne, der verrechnende Gesellschafter dank der Verrechnung zum Nennwert eine vollständige und damit bevorrechtigte Befriedigung seiner Forderung erreichen würde, was zwangsläufig zu Lasten der übrigen Gläubiger ginge. Aus dem schweizerischen Recht: Glanzmann, ZSR 1999, S. 228 ff.; Forstmoser/Vogt, ZSR 2003, S. 537 f.; Vrbaski, SZW 2005, S. 61 f.; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 886 f. 616 Auch die Vertreter der herrschenden Auffassung in Deutschland, die sich für die Werthaltigkeitsüberprüfung aussprechen, gehen davon aus, dass bei der Verrechnung zum Nennwert die bisherigen Gläubiger nicht beeinträchtigt werden. So Priester, DB 2010, S. 1149; BGHZ 110, 47, Rn. 62 „IBH/Lemmerz“: „… erleiden gegenwärtige Gläubiger keinen Nachteil, weil die Einbringung der Forderung nicht zu einer Liquiditätseinschränkung der Gesellschaft führt.“. 617 Glanzmann, ZSR 1999, S. 228 f.; Gessler, in: FS Möhring, S. 181; Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 14 f. 618 Glanzmann, ZSR 1999, S. 228 f.

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schlichtweg kein Grund ersichtlich, der eine Abweichung vom Nennwertprinzip und die Beachtung eines Vollwertigkeitserfordernisses bei der Einbringung von Forderungen gegen die Gesellschaft rechtfertigen könnte. Im schweizerischen Schrifttum wird zudem zu Recht ausgeführt, dass die Stellung der Gläubiger nach einer Einlageleistung durch Verrechnung mit ihrer Situation vor der Kapitalerhöhung verglichen werden müsse.619 Aus einem Vergleich dieser beiden Situationen geht deutlich hervor, dass bei einer Einlageleistung durch Verrechnung keine Gläubigerinteressen verletzt werden, selbst wenn die Forderung nicht mehr werthaltig ist, d. h. wenn die Verbindlichkeiten größer sind als deren Vermögenswerte. Die verbleibenden Gläubiger erhalten nämlich eine größere quotale Beteiligung an den Aktiven, die sich beim ganzen Vorgang nicht verändert, d. h. auch nicht vermindert. Der verrechnende Gläubiger hingegen wird zum Risikokapitalgeber und erhält aus einer allfälligen Liquidation gar nichts mehr. Unbegru¨ ndet wäre daher auch die Sorge, der Gläubiger verschaffe sich durch den Tausch der Forderung in Beteiligungskapital eine vollständige und bevorrechtigte Befriedigung, die sich zwangsläufig zum Nachteil der u¨ brigen Gläubiger auswirke.620 Wenn die eingebrachte Forderung entwertet ist, weil die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig begleichen kann, ist das Eigenkapital aufgezehrt. Die Beteiligung, die der Inferent fu¨ r seine Forderung erhält, ist wegen des Nachrangs gegenu¨ ber den verbleibenden Gläubigern notwendigerweise weniger wert als seine bisherige Forderung.621 Mit Blick auf die schutzwürdigen Belange künftiger Gläubiger wird insbesondere in der deutschen Diskussion argumentiert, dass die erst nach der Kapitalerhöhung hinzutretenden künftigen Gläubiger aufgrund des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung in ihrem Vertrauen darauf geschützt werden müssten, dass durch die Kapitalerhöhung der Gesellschaft Liquidität zufließe und sich damit das Vermögen der Gesellschaft im Umfang der Kapitalerhöhung vermehre.622 Nach herrschender Lehre und dem BGH werde bei Umwandlung von Forderung in Eigenkapital zum Nennwert bei potentiellen Gläubigern der Eindruck erweckt, dass der Gesellschaft durch die Kapitalerhöhung neues Kapital zugeführt werde, während in der Tat ein solcher Mittelzufluss bei der Forderungseinbringung gerade nicht erfolge. Bei Einbringung einer nicht vollwertigen Forderung zum Nennwert werde nämlich das Nennkapital erhöht, ohne dass eine entsprechende Haftungsmasse tatsächlich vorhanden sei. Hierdurch entstehe eine „Aufblähung“ des Nennkapitals. Somit würden potentielle Gläubiger über die verfügbare Haftungsmasse der Gesellschaft getäuscht. Es solle daher vermieden werden, dass ein potentieller Gläubiger im Vertrauen auf 619

Glanzmann, ZSR 1999, S. 229. KölnKomm-AktG/Arnold, § 27, Rn. 57, der sich dafür spricht. 621 Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 15. 622 BGHZ 110, 47, Rn. 62 „IBH/Lemmerz“; Priester, DB 2010, S. 1449; Henze, ZHR 1990, S. 121 m.w.N.; aus schweizerischem Recht bezüglich der Verrechnungsliberierung Böckli, Aktienrecht, § 2, Rn. 141. 620

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den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung davon ausgehe, dass Gegenwerte i.H.d. Stammkapitals bestehen.623 Nach BGH werde durch Verlautbarung einer Barkapitalerhöhung die in Wirklichkeit vorgenommene Vermögensumschichtung nicht offenbart, sondern es werde der Eindruck der ungeschmälerten Zuführung neuen Barkapitals erweckt.624 Von der Gegenansicht wird jedoch die Schutzwürdigkeit eines derartigen Vertrauens künftiger Gläubiger abgelehnt.625 Es würden nämlich in diesem Vorgang nur die Verbindlichkeiten auf der Passivseite verringert; die Aktivseite der Gesellschaft bleibe jedoch unberührt. Außerdem komme es beim Schutz künftiger Gläubiger nicht auf die Werthaltigkeitskontrolle der Forderung, sondern auf die Transparenz des Vorgangs und damit auf die Offenlegung der Forderungseinbringung an.626 Mit der Offenlegung sei nämlich der Gläubiger darüber aufgeklärt, dass die Schuldnergesellschaft durch die Einbringung der Forderung gegen die Gesellschaft von seiner Verbindlichkeit befreit und damit „nur“ die Bilanz entlastet werde, aber kein frisches Kapital zugeführt werde.627 Aus Sicht des türkischen Rechts kann jedoch m. E. gegen die Zulässigkeit der Umwandlung von Forderungen zum Nennwert eine dahingehende Argumentation nicht vorgebracht werden, dass in diesem Fall eine Täuschungsgefahr für künftige Gläubiger wegen des Anscheins der Zuführung neuer Liquidität bestehe. Denn anders als das deutsche Recht wird im türkischen Recht die Verrechnungsmöglichkeit als eine zulässige Einlageform bei Kapitalerhöhungen explizit im Gesetz anerkannt bzw. geregelt (Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB), welche naturgemäß von vornherein offensichtlich nur auf die Verringerung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft abzielt. Durch die gesetzliche Anerkennung eines solchen Verrechnungsinstituts wird also im türkischen Recht schon auf der Gesetzesstufe den Dritten zur Kenntnis gegeben, dass die Kapitalerhöhung im Wege der Verrechnung einer schon gegen die Gesellschaft bestendenden Forderung erfolgen kann bzw. darf und daher der Gesellschaft bei einer Kapitalerhöhung nicht unbedingt neue Mittel zugeflossen sein müssen. Zudem ist ein Gläubigervertrauen in die Werthaltigkeit der zur Verrechnung einzubringenden Forderung im türkischen Recht deswegen nicht schutzwürdig, weil der maßgebliche Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB eine Werthaltigkeitskontrolle nach der Einbringlichkeit der Forderung für den Fall der Verrechnung 623

Priester, DB 2010, S. 1447 ff. BGHZ 110, 47, Rn. 62 „IBH/Lemmerz“. 625 Meilicke, Die „verschleierte“ Sacheinlage, S. 27 f.; Karollus, ZIP 1994, S. 596 f.; Krolop, GmbHR 2007, S. 123; Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 19 f. 626 Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 19 f.; Cahn/Hutter/Kaulamo/ Meyer/Weiß, WM 2014, S. 1310; Krolop, GmbHR 2007, S. 123, welcher nach dem Vorbild des schweizerischen Verrechnungstatbestands u. a. für die Implementierung eines rechtssicheren Aufrechnungsmodells in das deutsche Recht de lege ferenda vorschlägt. Da nach ihm die Täuschung der Gläubiger über die vermeintliche Zuführung frischen Kapitals im Wege der Offenlegung des Vorgangs zu verhindern ist, geht er davon aus: „wer in das Handelsregister Einblick nimmt, wird aufklärt; wer das nicht tut, wird gar nicht erst getäuscht.“ Ausführlich zu dieser Auffassung Kapitel 3, § 2, C., III., 3., c). 627 Kritisch dazu Priester, DB 2010, S. 1449. 624

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nicht vorsieht; verlangt wird nur eine Prüfung auf den Bestand und die Verrechenbarkeit der Forderung hin. Ferner können potentielle Gläubiger im türkischen System den Vorgang der Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Forderungen zum Nennwert erkennen, indem sie sich an das Handelsregister wenden. Denn gemäß Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB hat der Verwaltungsrat einen Kapitalerhöhungsbericht zu erstellen und darunter über die Art der Einlage und damit die Kapitalerhöhung durch Verrechnung zu berichten. Da der Kapitalerhöhungsbericht des Verwaltungsrats gemäß Art. 73 Abs. 1, lit. ç tHRegV bei der Anmeldung dem Handelsregister einzureichen ist, liegt er bei den Handelsregisterunterlagen, sodass potentielle Gläubiger den Vorgang der Verrechnung erkennen können, wenn sie sich die Mühe einer persönlichen Einsichtnahme beim Amt machen. Deswegen dürfen schließlich künftige Gläubiger im türkischen Recht nicht erwarten bzw. darauf vertrauen, dass im Falle einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft automatisch frisches Kapital zufließt. Es ist allerdings hierbei anzumerken, dass eine Sorge um die Täuschung der Gläubiger für das geltende deutsche Kapitalaufbringungssystem nicht so unberechtigt ist. Denn da in Deutschland unter geltendem System nur Bar- und Sachkapitalerhöhung möglich und eine Einlageform wie die Verrechnung jedoch nicht anerkannt, sondern verboten ist,628 müssen auch die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen als offene Sacheinlage unter Berücksichtigung der Bewertungsund Offenlegungsregeln eingebracht werden. Allerdings ist im Fall, dass die Forderungen nicht offen als Sacheinlage eingebracht, sondern unter dem Denkmantel der „Barkapitalerhöhung“ zum Nennwert in Eigenkapital umgewandelt werden, das Täuschungspotential der zukünftigen Gläubiger bezüglich des Anscheins des Barmittelzuflusses ersichtlich.629 Somit lässt sich als rechtsvergleichender Befund feststellen, dass während in Deutschland im Falle der Verrechnung der Forderungen zum Nennwert eine Täuschungsgefahr für zukünftige Gläubiger in Frage kommen könnte, eine solche Sorge für das türkische Recht nicht gerechtfertigt ist, weil das Gesetz die Verrechnung als eine Einlageform erkennt und sich zukünftige Gläubiger beim Handelsregisteramt darüber informieren können.

628 Für die Vertreter der Ansicht, die sich für die Schaffung eines Verrechnungstatbestands in das deutsche System de lege ferenda sprechen siehe Kapitel 3, § 2, C., III., 3., c). 629 So z. B. BGHZ 110, 47, „IBH/Lemmerz“. Der BGH setzte sich in diesem Urteil mit der Frage auseinander, ob eine Forderung gegen die Gesellschaft zum „Nennwert“ eingebracht werden kann. Er lehnte das zum Schutz künftiger Gläubiger ab. Im dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt tauschten die Gesellschafter im Rahmen einer Barkapitalerhöhung Forderungen gegen die Gesellschaft i.H.v. 5 Mio. Euro ein und hielten dabei den Nennwert der Forderung für maßgeblich. Diesen Vorgang, in dem die Verrechnung mit der Forderung als Bareinlage eingeordnet war, interpretierte der BGH als ein Umgehungsgeschäft: „… [Es] werden potentielle Gläubiger in ihrer Erwartung getäuscht, der Gesellschaft werde neues Kapital zugeführt. Denn durch Verlautbarung einer Barkapitalerhöhung wird die in Wirklichkeit vorgenommene Vermögensumschichtung nicht offenbart, sondern es wird der Eindruck der ungeschmälerten Zuführung neuen Barkapitals erweckt …“.

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(b) Erforderlichkeit der Werthaltigkeitskontrolle hinsichtlich des Gesellschafterschutzes Nach den Vertretern des Werthaltigkeitsprinzips ist die Anrechnung der Forderung zum Nennwert für die Gesellschafter deswegen gefährlich, weil in dem Fall, dass der Nennbetrag der Forderung den realen Wert übersteigt, die die Forderung einzubringenden Gesellschafter zu einem geringeren Preis Anteile erhalten würden.630 Andererseits könne die Einbringung der Forderung zum Nennwert zur Verwässerung der Anteile der übrigen Gesellschafter führen.631 Die Benachteiligung der Gesellschafter bestehe in diesem Fall darin, dass sie nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen könnten und in Folge dessen ihre prozentuale Beteiligung an der Gesellschaft sinke. Diesem Bedenken wird zu Recht entgegengehalten, dass die Gesellschafter sich vor einer Verwässerung ihrer Anteile dadurch schützen könnten, dass sie gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss stimmen, wenn sie die Umwandlung der Forderung in Eigenkapital für sich als schädlich erachten.632 Durch diese Blockademöglichkeit könnten sie sich auch gegen eine vermeintlich zu günstige Ausgabe von Aktien im Rahmen der Umwandlung der Forderungen in Eigenkapital schützen.633 Daher könnte nach den Vertretern dieser Ansicht eine Gefahr der Verwässerung der Anteile lediglich aus Sicht der u¨ berstimmten Minderheitsgesellschafter in Frage kommen. Diese Gefahr sei allerdings primär ein Problem des Bezugsrechtsausschlusses und stehe nicht direkt mit der Einlageart oder mit der Bewertungsfrage der Forderungseinbringung in Zusammenhang.634 Sofern die Minderheitsgesellschafter vor dem Missbrauch eines Bezugsrechtsausschlusses nicht hinreichend geschützt werden könnten, seien sie auch bei der Umwandlung der Forderung zu ihrem realen Wert gefährdet. Deswegen sei der Minderheitenschutz bei der Frage der Bewertung der einzubringenden Forderung auszuklammern. Damit stehe er nicht der Berücksichtigung des Nennwerts entgegen.

630

Aus deutschem Recht: BGHZ 110, 47, Rn. 62 „IBH/Lemmerz“: „Es darf nicht übersehen werden, daß dann, wenn die Aktien dem Nennwert der Kreditforderung entsprächen, die von dem Bezug dieser Aktien ausgeschlossenen Aktionäre um den über die Werthaltigkeit der Forderung hinausgehenden Betrag benachteiligt würden.“; Priester, DB 2010, S. 1450; aus der Schweiz mit Blick auf das Institut der Verrechnungsliberierung: Böckli, ZBJV 2002, S. 728 ff.; Kunz, Minderheitenschutz, § 2, Rn. 47 ff. 631 Priester, DB 2010, S. 1450. 632 Aus deutschem Recht: Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 9; dies., DB 2010, S. 1632; aus dem schweizerischen Recht bezüglich der Verrechnungsliberierung: Isler/ Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 886. 633 Cahn/Hutter/Kaulamo/Meyer/Weiß, WM 2014, S. 1310. 634 Aus deutschem Recht: Cahn/Simon/Theiselmann, DB 2010, S. 1629; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 315; aus dem schweizerischen Recht bezüglich der Verrechnungsliberierung: Forstmoser/Vogt, ZSR 2003, S. 539 f., 552 f.; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 886.

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Die Vertreter des Nennwertprinzips rechtfertigen sich im Übrigen damit, dass sie die Stellung der Gesellschafter nach der Forderungseinbringung zum Nennwert mit ihrer Situation vor der Kapitalerhöhung vergleichen und damit die Vorteilhaftigkeit einer Forderungseinbringung zum Nennwert für die Gesellschafter bei der Krise der Gesellschaft aufzeigen.635 In diesem Zusammenhang wird zu Recht ausgeführt, dass das zu schützende Interesse der Gesellschafter darin bestehe, dass der Wert der Gesellschaft und damit die Beteiligung der Gesellschafter möglichst hoch ist. Diesem Interesse diene jede Maßnahme, welche die Schulden der Gesellschaft reduziere, da damit die Aussichten des Aktionärs auf einen Liquidationserlös bzw. einen Anteil an künftigen Gewinnen sowie – für den Wert der Beteiligung der Aktionäre bedeutende – die Eigenkapitalquote erhöht werden.636 Eine solche Maßnahme stelle auch die Forderungseinbringung (bzw. Verrechnungsliberierung) ungeachtet dessen dar, ob die Forderung vollwertig sei oder nicht. Denn im Falle der Insolvenz drohe den Gesellschaftern der Totalverlust ihrer Einlagen, da im Falle der wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft das Eigenkapital bereits aufgezehrt sei, sodass ein Residualwert, der den Eigenkapitalgebern zustünde, nicht mehr existiere. Wegen des Befriedigungsvorgangs der Gläubiger sei daher jede Geldeinheit des eingebrachten Anspruchs gegen die Gesellschaft regelmäßig mehr, keinesfalls aber weniger wert als die gleiche Geldeinheit des bisher bestehenden Eigenkapitals.637 Daher dürfte bei einer stark insolvenzgefährdeten Gesellschaft eine Verwässerung der Anteile von den übrigen Gesellschaftern häufig als das kleinere Übel angesehen werden.638 Somit sei auch aus der Sicht des Minderheitenschutzes der Bedarf nach Gewährleistung einer umfassenden Werthaltigkeitskontrolle weniger dringlich als bei sonstigen Sacheinlagen.639 Schließlich wird zu Recht behauptet, dass die Gesellschafter von den folgenden beiden Alternativen, sich entweder im Konkurs der Gesellschaft hinter Gläubigern mit hohen Forderungen einzureihen und damit leer ausgehen zu müssen oder stattdessen einen allfälligen Liquidationserlös oder allfällige künftige Gewinne mit einer größeren Zahl der Aktionären teilen zu müssen, die letztere – also die Alternative zur Einbringung der Forderungen zum Nennwert – bevorzugen würden.640

635 Aus deutschem Recht: Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 17; Krolop, GmbHR 2007, S. 120, 123; Cahn/Hutter/Kaulamo/Meyer/Weiß, WM 2014, S. 1310; aus schweizerischem Recht bezüglich der Verrechnungsliberierung zum Nennwert: Glanzmann, ZSR 1999, S. 233 f.; Forstmoser/Vogt, ZSR 2003, S. 539, 553. 636 Glanzmann, ZSR 1999, S. 233 f.; Forstmoser/Vogt, ZSR 2003, S. 539, 553. 637 Cahn/Simon/Theiselmann, ILF Paper 117 (2010), S. 17; Cahn/Hutter/Kaulamo/Meyer/ Weiß, WM 2014, S. 1310. 638 Windbichler/Krolop, Europäische Methodenlehre, § 19, Rn. 35 f. 639 Krolop, GmbHR 2007, S. 120, 123. 640 Forstmoser/Vogt, ZSR 2003, S. 539 f., 552 f.

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(4) Untauglichkeit der Analogie von Art. 200 Abs. 3 tSchKG hinsichtlich der Einbringlichkeit der Forderung Im türkischen Schrifttum ist eine Ansicht anzutreffen, welche ausgehend vom Verrechnungsverbot des Art. 200 Abs. 3 tSchKG die Einbringlichkeit der Forderung im Hinblick auf die finanzielle Situation der Gesellschaft als eine zusätzliche Voraussetzung für die Erfüllung der Einlageschuld durch Verrechnung ansieht.641 Nach dieser Ansicht müsse hierbei als eine einzige deutliche Bestimmung Art. 200 Abs. 3 tSchKG ausschlaggebend sein, in dem die Verrechnung der Einlageschuld für den Konkursfall der Gesellschaft ausdrücklich ausgeschlossen wird. Er geht über den Wortlaut des Art. 200 Abs. 3 tSchKG hinaus und plädiert dafür, dass die Verrechnung nicht nur im Konkursfall, sondern auch in Fällen verboten sein müsse, in denen die Gesellschaft erhebliche Zahlungsschwierigkeiten hat. Demnach müsse die Gesellschaft wirtschaftlich in der Lage sein, auch die anderen Gläubiger, die nicht zugleich Gesellschafter sind, zu befriedigen. Diese Voraussetzung habe ihm zufolge nichts mit dem Grundsatz der tatsächlichen Kapitalaufbringung zu tun, sondern sie diene dazu, dass jene Gläubiger, die zugleich Gesellschafter sind, im Gegensatz zu denjenigen, die nicht Gesellschafter sind, nicht privilegiert würden.642 Diese Ansicht ist m. E. verfehlt und nicht vertretbar. Der Autor weitet den Geltungsbereich des Verbots über den konkursrechtlichen Bereich hinaus aus und plädiert für eine Ausdehnung des konkursrechtlichen Verrechnungsverbots auf die kriselnden Gesellschaften. Gegen diese analogieweise Ausdehnung spräche allerdings m. E. vor allem der Unterschied zwischen einem eingetretenen Konkurs und dem (Sanierungs-)Fall, in dem die Gesellschaft kriselt, was die Belange der Interessierten betrifft. Im Konkursfall ist die Gesellschaft „tot“ bzw. „unrettbar“ und daher erfordern die Interessen aller Betroffenen, dass die Forderungen der im Konkurs befindlichen Gesellschaft als ein Wert von aussen in die Konkursmasse in bar eingebracht werden. In Sanierungsfällen befinden sich jedoch die Gesellschaften noch nicht im Konkurs; sie sind zwar „halbtot“, aber immer noch „zu retten“ bzw. „wiederzubeleben“. Die Rettung einer solchen wirtschaftlich angeschlagenen Gesellschaft durch Verrechnung (zum Nennwert) liegt anders als Konkursfälle – aus vorher erklärten Gründen – sowohl im Interesse aller Betroffenen (Aktionäre bzw. Gläubiger), als auch im volkswirtschaftlichen Interesse. Aus einem konkursrechtlichen Verrechnungsverbot auf eine gesellschaftsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung für den Verrechnungstatbestand zu schließen, wäre daher m. E. eine ungerechtfertigte Ausdehnung bzw. ein unpassender Analogieschluss. Diese Auffassung, welche bei der Umwandlung von Schulden in Aktiven die Vollwertigkeit der Verrechnungsforderung anfordert, fördert zudem eher den Konkurs potenziell sanie641

Sevi, AO’da Sermaye, S. 263. Auch im schweizerischen Recht plädiert u. a. Senn für die Ausdehnung des Verrechnungsverbots im Konkurs auf die Sanierungssituationen und für eine Reduktion des Verrechnungsrechts des Gläubigers auf den Verkehrswert seiner Forderung bei Sanierungsfällen (ausgehend von Art. 213 Abs. 2, Ziff. 2 sSchKG), Senn, Haftung des Verwaltungsrates bei der Sanierung, S. 155 f. 642 Sevi, AO’da Sermaye, S. 256 Fn. 510, S. 263.

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rungsfähiger Gesellschaften und verunmöglicht nicht nur gesellschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich erwünschte Sanierungen. Denn bei der Geltung des Vollwertigkeitsprinzips bei Verrechnung würden weder Gesellschafter-Gläubiger noch andere Gläubiger (z. B. Banken) das Risiko eingehen, später für den Differenzbetrag in Anspruch genommen zu werden. Ferner wird das Verrechnungsrecht grundsätzlich weder durch ordentliche Regeln über die Verrechnung, noch durch die gesellschaftsrechtlichen Regeln über die Einlageleistung durch Verrechnung dahingehend eingeschränkt, dass die Einbringlichkeit der Forderung auf der Grundlage einer Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft gewiss und damit die Forderung werthaltig ist. Die türkischen aktienrechtlichen Regelungen ermöglichen die Kapitalerhöhung durch Verrechnung und damit die Umwandlung des Fremdkapitals in Eigenkapital ausdrücklich, ohne dafür die Einbringlichkeit der Forderung basierend auf der Bonität der Gesellschaft zu verlangen. Wie schon bereits ausgeführt wurde, wird dabei im Gesetz wohl davon ausgegangen, dass der Wert der Forderung gegenüber der Gesellschaft schon in voller Höhe in die Gesellschaft eingebracht wurde und die Tatsache, dass diese Forderung auf dem Kapitalmarkt nicht mehr als vollwertig gilt, daran nichts ändert. Es ist nämlich ausreichend, dass die Forderung besteht und verrechenbar ist. (5) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass bisher weder das Schrifttum noch das Dekret des Ministeriums bei ihren Feststellungen über die Forderungen gegen die Gesellschaft die relevanten Neuerungen bzw. das neue Konzept des neu-tHGB bezüglich des Verrechnungsinstituts genügend berücksichtigt haben. Der Wortlaut bzw. das Konzept des neuen Gesetzes lassen m. E. keinen Zweifel daran, dass die Forderungen gegen die Gesellschaft – anders als die Forderungen gegen Dritte – nicht als Sacheinlage, sondern – stillschweigend – als eigene Einlageleistungsart konzipiert werden und daher unterschiedlich, unter Berücksichtigung eigener Voraussetzungen, behandelt werden müssen. Durch die Schaffung des besonderen Verrechnungstatbestands in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB regelt nämlich das neu-tHGB den Umwandlungsvorgang der Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital gesondert und setzt dafür eigenständige Formvorschriften voraus, welche sich explizit von Sacheinlagen unterscheiden. Während die Forderungen gegen Dritte explizit in Art. 342 tHGB unter Sacheinlagen subsumiert und den in Art. 343 tHGB angegebenen Bewertungsregeln unterworfen sind, wird in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB für die Forderungen gegen die Gesellschaft ein gesondertes Regime vorgesehen, wonach sie direkt zur Verrechnung gebracht werden können, solange sie tatsächlich existieren und verrechenbar sind. Der Wertaspekt wird sowohl in Art. 343 tHGB bei der Bewertung der Forderungen (gegen Dritte) als auch im Rahmen des Kapitalerhöhungsberichts allgemein hinsichtlich der Bewertung der Sacheinlagen ausdrücklich erwähnt, wohingegen dies in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB weggelassen wird und nur eine Überprüfung auf den Bestand und die Verrechenbarkeit der Forderungen gegen die Gesellschaft hin verlangt wird. Daraus ergibt sich, dass das Gesetz für die For-

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derungen gegen die Gesellschaft ein anderes Regime als Forderungen gegen Dritte – eher stillschweigend – vorsieht und für sie keine Werthaltigkeitskontrolle verlangt. Daher wird m. E. die Bewertungsfrage der Forderungen gegen die Gesellschaft schon auf der Gesetzesebene beantwortet. Im Dekret wird zwar diese differenzierende Herangehensweise des Gesetzes zwischen der Forderungen gegen Dritte und derjenigen gegen die Gesellschaft übersehen und die Forderungen gegen die Gesellschaft unglücklicherweise auch als Sacheinlage qualifiziert, aber im Ergebnis wird zumindest zutreffenderweise festgestellt, dass für sie ein Bericht von einem vereidigten Buchführer oder Wirtschaftsprüfer über den Bestand der Forderung hinreichend sei. Abgesehen vom Wortlaut des Gesetzes sprächen m. E. auch keine Gründe unter den Gesichtspunkten des Gläubigers- und Gesellschafterschutzes für das Erfordernis einer Werthaltigkeitsprüfung der Forderung gegen die Gesellschaft. Schließlich ist nach der hier vertretenen Auffassung im türkischen Recht die Werthaltigkeitskontrolle der zur Verrechnung einzubringenden Forderung weder nach dem Konzept des geltenden tHGB vorausgesetzt noch zum Schutz der Gläubiger bzw. der Gesellschafter erforderlich. Für das türkische Recht gilt also – anders als im deutschen Recht – das Nennwertprinzip mit Blick auf die Forderungen gegen die Gesellschaft. dd) Zwischenergebnis zur Bewertungsfrage Bis zum Inkrafttreten des neu-tHGB war in türkischer Rechtspraxis bei der Einlageleistung durch Verrechnung das „Nennwertprinzip“ üblich. Für das Handelsregister war es erforderlich und hinreichend, dass der Bestand der Forderung in einem Bericht festgestellt wird, der entweder durch einen Wirtschaftsprüfer oder durch einen vereidigten Buchführer erstellt wurde.643 Nach dem Inkrafttreten des neu-tHGB, in dem die Forderungen in Art. 342 tHGB explizit als Sacheinlagen qualifiziert werden, kam es jedoch zu Rechtsunsicherheiten und uneinheitlichen Anwendungen in der Praxis, was die Wertüberprüfung der Forderungen gegen die Gesellschaft anbelangt. Um Klarheit zu schaffen, erließ das Ministerium für Zoll und Handel ein Dekret, in dem es einerseits auch die Forderungen gegen die Gesellschaft – wie diejenigen gegen Dritte – als Sacheinlage einordnet, andererseits mit Blick auf die Bewertungsfrage zur alten Anwendung zurückgekehrt ist und einen Bericht über den Bestand der (Darlehens-)Forderungen für ausreichend hält, der von einem vereidigtem Buchführer bzw. Wirtschaftsprüfer (sowie ggf. von einem Revisor) erstattet wird. Die Verrechnung solcher Forderungen findet zum „Nennwert“ der Forderung statt, solange sie besteht und verrechenbar ist. Es bestehen jedoch noch Autoren, die eine Wertüberprüfung der zur Verrechnung einzubringenden Forderung verlangen und sich bei der Verrechnung für die Anrechnung des realen Wertes der Forderung aussprechen.644

643 644

Nazalı, Vergi Dünyası 2013, S. 18. Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 68; Sevi, AO’da Sermaye, S. 263.

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Nach hier vertretener Ansicht wird schon auf der Gesetzesebene stillschweigend eine Differenzierung zwischen Forderungen gegen Dritte und denjenigen gegen die Gesellschaft bezüglich der Wertüberprüfung vorgenommen. Der Wortlaut und das Konzept des neuen Gesetzes lassen m. E. keinen Zweifel daran, dass die Forderungen gegen die Gesellschaft – anders als die Forderungen gegen Dritte – keine Sacheinlage darstellen. Durch die Schaffung des besonderen „Verrechnungstatbestands“ in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB regelt nämlich das Gesetz den Umwandlungsvorgang der Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital gesondert und setzt dafür eigenständige Anforderungen voraus, welche sich explizit von Sacheinlagen unterscheiden. Der Wertgesichtspunkt, welcher eine Wertschätzung auf Grundlage der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft erfordert, wird bezüglich der zur Verrechnung einzubringenden Forderungen – anders als bei Forderungen gegen Dritte (Art. 343 tHGB) – nicht erwähnt. So verzichtet das Gesetz absichtlich auf das von der Bonität der Gesellschaft abhängige Vollwertigkeitsprinzip hinsichtlich der zur Verrechnung einzubringenden Forderungen. Aus oben ausführlich dargestellten Gründen stellt m. E. die Verrechnung der Forderungen zum Nennwert auch unter den Gesichtspunkten des Gläubigers- und Gesellschafterschutzes keine Gefahr dar. II. Kapitalerhöhung im Wege der Verrechnung i.R.d. Cash Pooling 1. Allgemein Wie oben dargelegt, ist im türkischen GmbH- und Aktienrecht die Erfüllung der Einlageschuld durch Verrechnung mit einer vorbestehenden Forderung des Gesellschafters bzw. Aktionärs gegenüber der Gesellschaft zulässig. Vorausgesetzt wird dabei, dass die Forderung tatsächlich besteht und verrechenbar ist (in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB). Eine Wertüberprüfung der Forderung nach der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und damit deren Vollwertigkeit ist jedoch nicht erforderlich. Die Verrechnung erfolgt mithin zum Nennwert der Forderung. Aus den oben dargestellten allgemeinen Regeln zum Verrechnungsinstitut lässt sich mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis folgern, dass die Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft grundsätzlich zulässig ist, in der die Einlageleistung durch Verrechnung der sich aus dem Cash Pool ergebenden Forderung der Muttergesellschaft bzw. der Betreibergesellschaft erfolgt. 2. Zulässigkeitsvoraussetzungen a) Der Bestand bzw. die Gültigkeit der zu verrechnenden Forderung Nach Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB ist die erste Voraussetzung für die Einlageleistung im Wege der Verrechnung der Forderung gegen die Gesellschaft, dass die Forderung tatsächlich existiert, sodass die Voraussetzungen eines Entstehungs-

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grundes erfu¨ llt sein müssen und kein Erlöschungsgrund vorliegen darf.645 Bei der Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft durch Verrechnung einer sich aus dem Cash Pool ergebenden Forderung muss dementsprechend der Verwaltungsrat bzw. Geschäftsführer der Poolgesellschaft in seinem Kapitalerhöhungsbericht ausdrücklich angeben, dass die Poolgesellschaft tatsächlich Verbindlichkeiten beim Cash Pool hatte und im Rahmen der Kapitalerhöhung die Poolgesellschaft von ihren Verbindlichkeiten befreit wurde. Außerdem muss dabei auch die Höhe der Forderung explizit genannt werden. Die Feststellung der genauen Höhe der zur Verrechnung einzubringenden Forderung kann allerdings in Cash Pooling-Konstellationen Schwierigkeiten bereiten. Denn aufgrund der täglichen Zahlungsflüsse zwischen den Unterkonten der Poolgesellschaften und dem Zentralkonto ändert sich permanent der Kontostand der Poolgesellschaft im Cash Pool, sodass es ständig zu Schwankungen bei dem Betrag der Forderung kommen kann. Es besteht daher aus Sicht des Verwaltungsrats bzw. des Geschäftsleiters immer das Risiko einer falschen Angabe im Kapitalerhöhungsbericht über die Höhe der zur Verrechnung einzubringenden Forderung, wenn sich der Kontostand der Poolgesellschaft im Zeitraum zwischen der Feststellung der Höhe der Forderung und der Anmeldung der Kapitalerhöhung ändert und in dem Zeitpunkt der Anmeldung wegen der inzwischen geleisteten Zahlungen an den Cash Pool die Höhe der Forderung weniger beträgt, als die Höhe, die im Bericht angegebenen wird. Es kann beispielsweise vorkommen, dass die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Erstellung des Kapitalerhöhungsberichts einen Sollsaldo im Cash Pool i.H.v. 50.000 TL aufweist, aber sich die Höhe dieses Sollsaldos wegen der im Zeitraum bis zur Anmeldung der Kapitalerhöhung erfolgten Zahlungen an den Cash Pool von 50.000 TL auf 30.000 TL reduziert. In diesem Fall wäre die Angabe über den Bestand bzw. die Höhe der Forderung im Kapitalerhöhungsbericht falsch, was zur zivilrechtlichen sowie strafrechtlichen Verantwortung der Beteiligten führen würde.646 Aus diesem Grund ist der Geschäftsführung der Poolgesellschaft zu empfehlen, dass sie bei Kapitalerhöhungen im Wege der Verrechnung ganz genau auf die Höhe der Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Anmeldung gegenüber dem Cash Pool achten und insbesondere darauf aufpassen, dass die Höhe der zur Verrechnung einzubringenden Forderung der Betreibergesellschaft betraglich dem von der Muttergesellschaft gezeichneten Kapital i.R.d. Kapitalerhöhung entspricht. Falls die Anmeldung der Kapitalerhöhung erst ein paar Tage nach der Beschlussfassung der Kapitalerhöhung bzw. der Feststellung der Höhe der zur Verrechnung einzubringenden Forderung erfolgt, wäre es m. E. empfehlenswert, zumindest die Zahlungsflüsse von der betreffenden Poolgesellschaft in den Cash Pool bis zur Anmeldung auszusetzen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass sich die zur Verrechnung einzubringende Forderung der Betreibergesellschaft aufgrund der dazwischen er-

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Widmer, Liberierung, S. 395; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 882. Kapitel 3, § 3, B., II., 3.

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folgten Zahlungsflüsse vermindert. Damit kann sichergestellt werden, dass die Einlageschuld richtig getilgt wird. Dass die Höhe der Forderung in dem Zeitpunkt der Anmeldung mehr beträgt, als die Höhe, die im Bericht angegebenen wird, wäre jedoch kapitalaufbringungsrechtlich von keiner Bedeutung. Denn dann findet eine Verrechnung nur mit einem Teil der Forderung statt und bleibt die Poolgesellschaft für den Rest der Forderung weiterhin schuldig. b) Verrechenbarkeit der Forderung Nach Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB ist die zweite Voraussetzung, dass die zur Verrechnung eingebrachte Forderung verrechenbar ist. Ob die Forderung verrechenbar ist, beurteilt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Bestimmungen des Art. 139 Abs. 1 tOR über die Verrechnung, wobei auch die spezifischen aktienrechtlichen Besonderheiten mit zu berücksichtigen sind.647 Gemäß Art. 139 Abs. 1 tOR werden für die Verrechnung Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der Forderung vorausgesetzt. Diese Voraussetzungen haben mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis folgende Besonderheiten: 1. Mit Gegenseitigkeit ist gemeint, dass zwei Personen einander Leistungen schulden, so dass jeder von ihnen zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen Person ist.648 Solange das Cash Pooling unmittelbar von der Muttergesellschaft betrieben wird, ist die Gläubigerin der Verbindlichkeiten, die die Poolgesellschaften gegenüber dem Cash Pool/dem Zentralkonto haben, die Muttergesellschaft. In solchen Cash Pooling-Konstellationen ist die Verrechnung der Einlageschuld unproblematisch, weil die Muttergesellschaft als Inferentin eine Forderung gegen die Poolgesellschaft hat und die für die Verrechenbarkeit dieser Forderung mit der Einlageschuld erforderliche Gegenseitigkeitsvoraussetzung erfüllt ist. Die Verrechenbarkeit einer sich aus dem Cash Pool ergebenden Forderung könnte sich allerdings in jenen Konstellationen zunächst als fraglich erweisen, in denen das Cash Pooling nicht direkt von der Muttergesellschaft, sondern von einer von ihr beherrschten Gesellschaft, also von einer besonders dafür gegründeten, als Konzernfinanzierungsstelle fungierenden Betreibergesellschaft betrieben wird. Auf den ersten Blick könnte man für diesen Fall sogar behaupten, dass die Muttergesellschaft hierbei keine Forderung gegen die Poolgesellschaft habe, die zur Verrechnung eingebracht werden könne.649 Eine 647 Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 66; Sevi, AO’da Sermaye, S. 259 ff. Aus dem schweizerischen Recht insb.: Widmer, Liberierung, S. 386 ff.;Glanzmann, ZSR 1999, S. 225; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 31; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 881. 648 Sevi, AO’da Sermaye, S. 260 m.w.N. 649 In deutschem Schrifttum wird teilweise diesbezüglich die Ansicht vertreten, dass dabei von einer Forderung gegen Dritte auszugehen sei. J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, Rn. 94; Vetter/Schwandtner, Der Konzern 2006, S. 413.

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derartige Auslegung wäre allerdings m. E. nicht nur zu formal, sondern sie würde auch im Generellen der Tatsache der Konzernverhältnisse, im Speziellen der Natur der Cash Pooling-Praxis nicht gerecht. Denn in Cash Pooling-Systemen gründet die Muttergesellschaft gewöhnlich eine besondere Tochtergesellschaft (Betreibergesellschaft), die lediglich als eine Konzernfinanzierungsstelle fungiert und – zumeist völlig – von ihr abhängig ist.650 Solange diese Betreibergesellschaft von der Muttergesellschaft abhängig ist und damit die Muttergesellschaft über den Cash Pool/das Zentralkonto verfügungsberechtigt ist, müssen m. E. die Forderungen der Betreibergesellschaft gegen die Poolgesellschaften stets als Forderungen der Muttergesellschaft gegen die Poolgesellschaften angesehen und als solche rechtlich bewertet werden, auch wenn die Muttergesellschaft nicht die – unmittelbare – Inhaberin des Cash Pools ist. Aufgrund dieser besonderen Abhängigkeitsbeziehungen ist m. E. auf das Erfordernis der formalen Gegenseitigkeit der zu verrechnenden Forderungen generell im Rahmen der Konzernverhältnissen651 und im Speziellen bei Cash Pooling-Konstellationen zu verzichten, und nur auf eine funktionelle Gegenseitigkeit abzustellen (Zurechnungsdurchgriff).652 Mit anderen Worten müssen die Identität des Betreibers bzw. Inhabers vom Cash Pool und damit die Identität des Gläubigers der daraus resultierenden Forderung bezüglich des Gegenseitigkeitserfordernisses für Cash Pooling-Konstellationen unerheblich sein. Abgesehen von Konzernverhältnissen sollte bei der Einlageleistung durch Verrechnung auf das Gegenseitigkeitserfordernis verzichtet werden dürfen, weil das Erfordernis der Gegenseitigkeit in der Praxis ohnehin dadurch umgangen werden könnte, dass die Dritte Person, deren Forderung zur Verrechnung einzubringen ist, zusätzlich neben dem Schuldner der Einlageschuld in das Schuldverhältnis eintritt („Schuldbeitritt“, Art. 201 tOR) und damit die Einlageschuld problemlos mit der Forderung dieser dritten Person verrechnet werden könnte.653 2. Die andere Voraussetzung der Verrechnung ist Gleichartigkeit der Forderung. Deswegen muss es sich bei der zur Verrechnung einzubringenden Forderung um eine Geldschuld handeln. Da es bei einem Cash Pooling-Verfahren immer um MünchKomm-GmbHG/Schwandtner, § 19, Rn. 338; Wicke, § 19, Rn. 33; Wirsch, Kapitalaufbringung und Cash Pooling, S. 187 f.; Gesell, BB 2007, S. 2244 Fn. 37. Die herrschende Meinung lehnt diese Auffassung allerdings zu Recht ab. Siehe Kapitel 3, § 2, C., II. 650 Ausführlich Kapitel 1, § 1, B., V., 1. 651 Auch im schweizerischen Schrifttum wird teilweise die Ansicht vertreten, dass für die Zulässigkeit der Verrechnung die Gegenseitigkeit nicht unentbehrlich sei, insbesondere in Konzernverhältnissen. So Glanzmann, ZSR 1999, S. 225; Widmer, Liberierung, S. 386, ihm zufolge könne und dürfe es hinsichtlich der Kapitalaufbringung nicht darauf ankommen, wer die Einlageschuld begleiche, sondern es nur von Relevanz sei, dass sie beglichen werde. 652 A.A. Sevi, AO’da Sermaye, S. 260, dem zufolge zwar der Verzicht des Gegenseitigkeitserfordernisses insbesondere hinsichtlich der Holdings de lege ferenda praktisch und nützlich, aber nicht rechtsgemäß, weil dies nach dem Gesetz eine Voraussetzung sei. 653 Vgl. aus dem schweizerischen Schrifttum Widmer, Liberierung, S. 386 Fn. 2285.

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Darlehensvergabe und- aufnahme geht, ist die sich aus dem Cash Pool ergebende Forderung der Betreibergesellschaft mit der Einlageschuld problemlos verrechenbar. 3. Ferner muss die zur Verrechnung einzubringende Forderung fällig sein.654 Deshalb muss die sich aus dem Cash Pool ergebende Forderung der Betreibergesellschaft zum Zeitpunkt der Verrechnung fällig sein. 4. Gemäß Art. 139 Abs. 2 tOR ist zudem Verrechnung mit einer bestrittenen Forderung möglich. Diese Regel wird allerdings im Zusammenhang mit der Einlageleistung durch Verrechnung zu Recht für nicht anwendbar gehalten, weil sonst die freie Verfügbarkeit über die Einlage, auf die das Gesetz großen Wert legt, nicht erfüllt wäre.655 Das Erfordernis des „Bestandes“ der Forderung, welches aktienrechtlich im Rahmen der Einlageleistung durch Verrechnung als ein Zulässigkeitskriterium vorausgesetzt wird, ermöglicht ohnehin keine andere Annahme. Außerdem stünde die Zulassung der Erfüllung der Einlageschuld durch Verrechnung einer bestrittenen Forderung dem wirtschaftlichen Zweck der Kapitalaufbringung völlig entgegen. Aus ähnlichen Gründen wäre auch Art. 139 Abs. 3 tOR, wonach unter gewissen Umständen eine verjährte Forderung zur Verrechnung gebracht werde kann, zu Recht im Zusammenhang mit der Einlageleistung durch Verrechnung nicht anwendbar.656

c) Kein Werthaltigkeitserfordernis der Forderung im Hinblick auf die finanzielle Situation der Poolgesellschaft Wie oben ausführlich dargestellt,657 differenziert das türkische Recht die Forderungen gegen die Gesellschaft von jenen gegen Dritte und ermöglicht die Kapitalerhöhung durch Verrechnung und damit die Umwandlung des Fremdkapitals in Eigenkapital ausdrücklich, ohne dafür die Einbringlichkeit der Forderung basierend 654 Nach dem neu-tHGB sollen zudem auch die Forderungen gegen Dritte fällig sein, damit sie als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden können. In Art. 342 tHGB wird nämlich ganz explizit ausgeführt, dass die Forderungen nicht als Einlage eingebracht werden können, die nicht fällig sind. Diese Regelung stößt im Schrifttum auf große Kritik: Kendigelen, ˙Ilk Tespitler-2, S. 230; Paslı, BATI˙DER 2012, S. 200 ff.; Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 104 f.; Arıcı, ˙IÜHFM 2015, S. 319 ff. 655 Sevi, AO’da Sermaye, S. 262; a.A. Domaniç, TTK S¸erhi-II, S. 182 f. Aus dem schweizerischen Recht für die Nichtanwendbarkeit des entsprechenden Art. 120 Abs. 2 sOR bei Verrechnungsliberierung: Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 32; Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 412; Widmer, Liberierung, S. 387 f.; Glanzmann, ZSR 1999, S. 226; Isler/ Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 882. 656 Sevi, AO’da Sermaye, S. 261; Aus dem schweizerischen Recht für die Nichtanwendbarkeit des entsprechenden Art. 120 Abs. 3 sOR bei Verrechnungsliberierung: Forstmoser/ Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 32; Böckli, Aktienrecht, § 1, Rn. 412; Widmer, Liberierung, S. 388; Glanzmann, ZSR 1999, S. 226; Isler/Schilter-Heuberger, in: FS für Rolf H. Weber, S. 882. 657 Ausführlich Kapitel 3, § 3, B., I., 3., c).

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auf der Bonität der Gesellschaft zu verlangen. Vorausgesetzt wird lediglich, dass die Forderung tatsächlich besteht und verrechenbar ist (Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB). Mit Blick auf die Cash Pooling-Praxis ist daher festzustellen, dass – anders als im deutschen Recht – die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft im Wege der Verrechnung der gegen sie gerichteten Forderung im türkischen Recht aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage der Poolgesellschaft nicht beeinträchtigt wird. D. h. auch wenn der Nennwert der Forderung wegen mangelnder Bonität der Poolgesellschaft ihrem realen Wert nicht entspricht, ist die Kapitalerhöhung der betreffenden Poolgesellschaft im Wege der Verrechnung der sich aus dem Cash Pool ergebenden Forderung (zum Nennwert) zulässig, solange die Forderung besteht. 3. Haftung a) Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft aa) Zivilrechtlich (Art. 549, 644 lit. a tHGB) Das neu-tHGB regelt in Art. 549 tHGB (zur AG) mit dem Titel „Rechtswidrigkeit der Belege und der Erklärungen“ die Haftung der Beteiligten wegen der Falschangaben. Der Anwendungsbereich der Regelung erfasst sowohl die Gründung und die Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung als auch die Fälle von Fusion, Spaltung, Umwandlung und Emissionen. Danach sind für Schäden, die sich daraus ergeben, dass die Belege, Erklärungen, Zeichnungen, Angaben und die Gewährleistungen, welche sich auf die Gründung, Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung, Fusion, Spaltung, Umwandlung, Emissionen usw. beziehen, betrügerisch, unrichtig, verschleiernd sind und den anderen gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen, diejenigen verantwortlich sind, die die Belege erstellt oder die Angeben gemacht haben. Ebenso sind die Mitwirkenden dafür verantwortlich, wenn sie Verschulden haben. Die Regelung gilt auch angesichts des Verweises von Art. 644 lit. a tHGB ebenso für die GmbH. Der Art 549 tHGB statuiert eine „verschuldensunabhängige“ Haftung für diejenige Personen, die falsche Angaben bzw. Erklärungen gemacht sowie fehlerhafte Belege erstellt haben, während für diejenigen, die dabei mitgewirkt haben, eine „verschuldensabhängige“ Haftung vorgesehen wird.658 Da bei einer Kapitalerhöhung durch Verrechnung die Geschäftsführung der Poolgesellschaft einen Kapitalerhöhungsbericht erstellen muss und darin Angaben über den Bestand (bzw. die Höhe) sowie die Verrechenbarkeit der Forderung machen muss, kommt die verschuldensunabhängige Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft im Falle der Unrichtigkeit der Angaben gemäß Art. 549 tHGB in Betracht, wenn ein Schaden entstanden ist. Vom Vorliegen eines Schadens ist bei658 Tekinalp, Sermaye Ortaklıkları, Nr. 16 – 20; Akdag˘ -Güney, Anonim S¸irketlerde Kurulus¸, S. 235.

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spielsweise auszugehen, wenn bei der Poolgesellschaft in Folge der Verrechnung in der Tat keine Vermögensmehrung (im Wege der Minderung der Verbindlichkeiten) erfolgt, weil – im Gegensatz zu der im Kapitalerhöhungsbericht gemachten Angaben – die zur Verrechnung einzubringende Forderung überhaupt nicht besteht oder nur teilweise besteht oder nicht verrechenbar ist. Außerdem kommt auch die allgemeine verschuldensabhängige Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft gem. Art. 553 tHGB in Betracht. bb) Strafrechtlich (Art. 562 Abs. 8, 644 lit. d tHGB) Nach Art. 562 Abs. 8 tHGB (zur AG) werden diejenigen, die nach Art. 549 tHGB falsche Angaben gemacht haben, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu drei Jahren bestraft. Die Regelung gilt auch angesichts des Verweises von Art. 644 lit. d tHGB ebenso für die GmbH. Dementsprechend kommt bei falschen Angaben im Kapitalerhöhungbericht über den Verrechnungstatbestand die Strafbarkeit des Verwaltungsrates bzw. Geschäftsführers der Poolgesellschaft gem. Art. 562 Abs. 8 tHGB in Betracht. b) Haftung der Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigten Buchführer der Poolgesellschaft und der den Cash Pool betreuenden Bank Bei der Kapitalerhöhung durch Verrechnung kann auch die Verantwortung von Wirtschaftsprüfern bzw. vereidigten Buchführern der Gesellschaft gem. Art. 549 tHGB in Betracht kommen, weil sie einen Bericht über den Bestand der zur Verrechnung einzubringenden Forderung des Inferenten erstellen. Auch sie haften hierbei für den entstandenen Schaden verschuldensunabhängig, weil sie diejenigen sind, die den falsche Angaben enthaltenden Bericht erstellen. Falls die den Cash Pool betreuende Bank auch falsche Angaben über den Stand des Cash Pools bzw. über den Kontostand der Poolgesellschaft im Cash Pool gemacht hat und deswegen ein Schaden entstanden ist, haftet auch die Bank für ihre falschen Angaben gem. Art. 549 tHGB für den entstandenen Schaden verschuldensunabhängig. Strafbar machen sie sich damit auch nach Art. 562 Abs. 8 tHGB, weil diese Norm die Strafbarkeit derjenigen statuiert, die nach Art. 549 tHGB falsche Angaben gemacht haben. c) Haftung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter aa) Zivilrechtlich Nach Art. 130 Abs. 1 tHGB wird der Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung nicht befreit, wenn die als Einlage eingebrachte Forderung nicht voll-

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ständig getilgt wird. Im Falle teilweiser Tilgung der Forderung haftet jedoch der Gesellschafter für den Differenzbetrag (Art. 130 Abs. 4 tHGB). Demnach wird das herrschende Unternehmen von seiner Einlageverpflichtung nicht befreit, wenn eine Forderung, die sich aus dem Cash Pool ergibt, überhaupt nicht existiert. Besteht allerdings die Forderung nur teilweise (z. B. 30.000 TL), aber übersteigt die im Kapitalerhöhungsbericht angegebene Höhe der Forderung (z. B. 50.000 TL) den tatsächlichen Betrag der Forderung, dann bleibt das herrschende Unternehmen den Differenzbetrag schuldig (für 20.000 TL). Außerdem kann die Verantwortung des herrschenden Unternehmens wegen falschen Angaben als „Mitwirkende“ gemäß Art. 549 tHGB in Betracht kommen, wenn es ein Verschulden trifft. Von einer Mitwirkung des herrschenden Unternehmens i.S.d. Art. 549 tHGB ist auszugehen, wenn das herrschende Unternehmen die Geschäftsleitung der relevanten Poolgesellschaft über die Höhe der Forderung falsch informiert hat oder relevante falsche Angaben infolge der Weisungen bzw. Veranlassung des herrschenden Unternehmens gemacht wurden. Auch die Konzerngeschäftsleiter können – neben dem herrschenden Unternehmen – als „Mitwirkende“ gem. Art. 549 tHGB in Verantwortung gezogen werden, wenn sie ein Verschulden trifft. bb) Strafrechtlich Art. 562 Abs. 8 tHGB statuiert eine Strafbarkeit für diejenigen, die nach Art. 549 tHGB falsche Angaben gemacht haben. Da weder das herrschende Unternehmen noch die Konzerngeschäftsleiter im Rahmen der Kapitalerhöhung der Poolgesellschaften Angaben machen, kommt ihrerseits eine strafrechtliche Haftung gem. Art. 562 Abs. 8 tHGB nicht in Betracht. 4. Zwischenergebnis Da im türkischen AG- und GmbH-Recht die Einlageleistung durch Verrechnung mit einer vorbestehenden Forderung des Inferenten gegenüber der Gesellschaft zulässig ist, ist auch die Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft zulässig, welche durch Verrechnung der sich aus dem Cash Pool ergebenden Forderungen der Muttergesellschaft bzw. der Betreibergesellschaft erfolgt. Vorausgesetzt ist nur, dass eine dem Betrag des erhöhten Kapitals entsprechende Forderung zur Zeit der Anmeldung der Kapitalmaßnahme tatsächlich existiert und diese verrechenbar ist (in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB). Dass die Forderung (zumeist) wegen der Sanierungsbedürftigkeit der Poolgesellschaft nicht vollständig einbringlich und damit nicht vollwertig ist, beeinträchtigt die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung – anders als im deutschen Recht – nicht. Denn das türkisch Rechtssystem setzt für die Verrechnung zum Nennwert nicht voraus, dass die Forderung auf Grundlage der wirtschaftlichen Lage der Poolgesellschaft vollwertig ist.

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III. Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Verbindlichkeiten der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool 1. Zulässigkeit der Kapitalmaßnahme Es könnte vorkommen, dass der Gesellschafter seiner Einlageschuld bei einer Kapitalerhöhung nicht durch den Weg der Verrechnung mit seiner vorbestehenden Forderung gegen die Gesellschaft genügt, sondern zunächst eine Geldzahlung im Rahmen der Barkapitalerhöhung leistet und anschließend seine Forderung durch die Gesellschaft getilgt wird. Wie vorher ausgeführt, wird ein solcher Vorgang im deutschen Recht – unter bestimmten Voraussetzungen – als „verdeckte Sacheinlage“ qualifiziert und es wird davon ausgegangen, dass in einem derartigen Fall die Kapitalaufbringung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.659 Denn nach deutschem Recht stellt die Forderung gegen die Gesellschaft eine Sacheinlage dar und als solche unterliegt sie besonderen Sacheinlagevorschriften. Im Falle, dass zunächst eine Barkapitalerhöhung durchgeführt und das gezahlte Mittel anschließend dem Inferenten zur Tilgung seiner Forderung zurückgezahlt wird, würden allerdings die Schutzvorschriften der Sacheinlage umgangen, da dann „die für den Einbringungszeitpunkt vorzunehmende Forderungsbewertung und deren Überprüfung durch die zu bestellenden Prüfer, die Hauptversammlung sowie im Rahmen der Eintragung durch das Registergericht“ unterbleibt.660 Im türkischen Recht ist hingegen weder eine ausdrückliche gesetzliche Regelung noch ein durch die Rechtsprechung bzw. Lehre entwickeltes Rechtsinstitut entsprechend der deutschen verdeckten Sacheinlage vorhanden, welche die Zulässigkeit dieses Vorgangs unter dem Gesichtspunkt des Kapitalaufbringungsrechts in Frage stellen würde. Weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung wird also die Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Forderungen des an der Kapitalerhöhung beteiligten Inferenten bisher kapitalaufbringungsrechtlich als problematisch angesehen. So ist im türkischen Recht zulässig, die i.R.d. Barkapitalerhöhung in die Gesellschaft eingebrachten Mittel sogleich zur Erfüllung einer Forderung des an der Kapitalerhöhung beteiligten Inferenten zu verwenden. Mit Blick auf das Cash Pooling-Verfahren ist daher festzustellen, dass die Barkapitalerhöhung einer Poolgesellschaft im türkischen Recht – anders als im deutschen Recht – kapitalaufbringungsrechtlich unproblematisch ist, auch wenn die bar eingezahlten Mittel sogleich zur Tilgung der Forderungen der Muttergesellschaft in den Pool fließen. Dass das Cash Pooling nicht unmittelbar von der Muttergesellschaft, sondern von einer von ihr eigens gegründeten Betreibergesellschaft betrieben wird und daher die eingezahlten Mittel eigentlich zur Tilgung der Forderungen der „Betreibergesellschaft“ eingesetzt werden, macht keinen Unterschied. Da die Betreibergesellschaft, wie oben dargelegt, von der Muttergesellschaft abhängig ist und die Muttergesellschaft damit über den Cash Pool/das Zentralkonto mittelbar ver659 660

Kapitel 3, § 2, C., III. BGHZ 110, 47, Rn. 62 „IBH/Lemmerz“.

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fügungsberechtigt ist, müssen m. E. die Forderungen der Betreibergesellschaft gegen die Poolgesellschaften stets als Forderungen der Muttergesellschaft gegen die Poolgesellschaften angesehen werden und die zur Tilgung der Forderungen der Betreibergesellschaft erfolgten Auszahlungen rechtlich so bewertet werden, als wären sie zur Tilgung der Forderungen der Muttergesellschaft erfolgt. Die zwischen der Muttergesellschaft und der Betreibergesellschaft befindliche funktionelle Abhängigkeitsbeziehung im Cash Pooling-System erfordert den Verzicht auf die personelle Identität zwischen Inferenten und Auszahlungsempfänger. Ob allerdings diese Auszahlungen kapitalaufbringungsrechtlich ohne Weiteres zulässig sind, ist m. E. aus Sicht der jetzigen Konzeption des neu-tHGB nunmehr eher fragwürdig und bedarf daher unter der Berücksichtigung der einschlägigen Regeln des Gesetzes einer gründlichen Untersuchung. 2. Stellungnahme a) Gleiche Zielsetzung mit Verrechnung Der Grund dafür, weshalb über die Zulässigkeit der Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Forderungen des an der Kapitalerhöhung beteiligten Inferenten im türkischen Recht bisher noch nicht diskutiert wurde, sondern direkt von der Zulässigkeit des Vorgangs ausgegangen wird, ist wohl, dass in diesem Fall die geschuldete Barzahlung ordnungsgemäß erfolgt und somit der Prozess bezogen auf die Kapitalerhöhung rechtmäßig vollzogen wird. Dieser Standpunkt ist allerdings m. E. angesichts der Neuregelungen des tHGB bezüglich des Verrechnungsinstituts aus heutiger Sicht fragwürdig. Denn bei genauer Betrachtung entspricht eine Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Forderungen des Geld einlegenden Gesellschafters wirtschaftlich gesehen im Ergebnis dem Vorgang der Einlageleistung durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft. Im dem Fall, dass während der Kapitalerhöhung bereits eine Altforderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft gegeben ist, besteht eigentlich eine Verrechnungslage zwischen der Gesellschaft und dem an der Kapitalerhöhung teilzunehmenden Inferenten. Mit anderen Worten, wenn der Inferent zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung schon eine Forderung gegen die Gesellschaft hat, darf und kann er seine Einlageschuld direkt im Wege der Verrechnung dieser schon vorbestehenden Forderung leisten und damit dieses Hin- und Herzahlen (d. h. Barzahlung – Schuldentilgung) vermeiden. Wenn allerdings die Parteien trotz des Bestehens einer Verrechnungslage bzw. -möglichkeit den Umweg, also die Barzahlung mit anschließender Tilgung der Forderung wählen, müssen sie nicht die Formvorschriften des Instituts der Verrechnung erfüllen. Dieser Weg ermöglicht also den Inferenten die Formvorschriften zu vermeiden, welche durch das neu-tHGB für den Fall der Verrechnung vorgesehen werden. Aus diesem Grund muss m. E. aus heutiger Sicht jedenfalls die Frage gestellt werden, ob die in einem solchen Fall geleisteten Barzahlungen nicht deshalb aus rechtlicher Sicht problematisch sind, weil dabei die Vorschriften über die Ein-

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lageleistung durch Verrechnung (Berichts- bzw. Publizitätsregeln) umgangen werden? b) Erforderlichkeit analoger Anwendung der für den Verrechnungstatbestand geltenden Formvorschriften Vorab ist festzustellen, dass da das türkische Kapitalaufbringungssystem die Einlageleistung durch Verrechnung einer Forderung gegen die Gesellschaft zum Nennwert ermöglicht, es auch m. E. grundsätzlich zulässig sein muss, die i.R.d. Barkapitalerhöhung in die Gesellschaft eingebrachten Mittel anschließend zur Erfüllung einer Forderung des Inferenten zu verwenden, der sich als Geldeinleger an der Kapitelerhöhung beteiligt. Denn wie schon oben ausgeführt, entspricht eine Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Forderungen des Geld einlegenden Inferenten wirtschaftlich gesehen im Ergebnis dem Institut der Verrechnung, also der Einlageleistung durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft. Deswegen spricht die gesetzliche Konzeption grundsätzlich für die Zulässigkeit des genannten Vorgangs. Allerdings ist nach dem neu-tHGB die Einlageleistung durch Verrechnung eine qualifizierte Einlageart und als solche untersteht sie besonderen Formvorschriften (also qualifizierten Berichts- und Publizitätsregeln). Für den der Verrechnung gleichwertigen Vorgang der Barkapitalerhöhung mit anschließender Forderungsrückzahlung sieht das Gesetz jedoch keine entsprechenden Formvorschriften vor, obwohl die beiden Tatbestände zumeist die gleiche Zielsetzung haben und wirtschaftlich betrachtet zum selben Ergebnis führen. Daher stellt sich hier die gerechtfertigte Frage, ob auch auf den Vorgang der Barkapitalerhöhung mit anschließender Forderungsrückzahlung die für die Verrechnung vorgesehenen Formvorschriften eine analoge Anwendung finden sollten. Auch im schweizerischen Schrifttum wird teilweise die selbe Frage gestellt. Nach einer Ansicht ist diese Frage zu verneinen, da die durch die Vorschriften bezüglich der Verrechnungsliberierung erfasste Gefahrenlage, dass bei der Verrechnungsliberierung kein effektiver Geldzufluss erfolgt, bei diesem Fall, in dem zunächst der Gesellschaft effektiv Geld zufließt, nicht bestehe.661 Es sei nicht der Zweck der Verrechnungsliberierungsvorschriften, die Gefahr eines späteren Abflusses des einmal bar einbezahlten Kapitals einzudämmen. Nach der Gegenansicht jedoch würden die Vorschriften über die Verrechnungsliberierung dem Schutz der Interessen der Gläubiger, Aktionäre und der Gesellschaft dienen und daher seien sie auch auf den Fall der Barliberierung mit anschließender Tilgung der Schuld gegenüber dem Aktienzeichner anzuwenden, wenn eine funktionelle Äquivalenz zwischen den Fällen bestehe.662

661 Jagmetti, Cash Pooling im Konzern, S. 216; auch verneinend: BGE 87 II 169 E. 7, S. 179 f. 662 Vogt/Peter, GesKR 2011, S. 235 ff.

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Bei der Erforderlichkeitsfrage einer analogen Anwendung muss m. E. der Regelungszweck bzw. die praktische Funktion dieser Formvorschriften als Ausgangspunkt angenommen werden. Die betreffenden Formvorschriften haben erstens den Zweck, dass die Einlageschuld nicht mit einer vorgetäuschten Forderung gegenüber der Gesellschaft getilgt und damit das Kapital der Gesellschaft nicht geschwächt wird. Zweitens wird bezweckt, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit der zur Verrechnung eingebrachten Forderung den Handelsregisterbehörden ermöglicht wird. Als einen dritten und besonderen Zweck zu erwähnen, dass mit diesen Regeln ermöglicht wird, die Interessierten (Gläubiger und Aktionäre/Gesellschafter) wissen zu lassen, dass ein bestimmter Teil des Grundkapitals nicht bar einbezahlt wurde, sondern nur eine Verrechnung stattgefunden hat und daher der Gesellschaft eigentlich keine liquiden Mittel zugeflossen sind. Das Informationsbedürfnis der Interessierten über den Kapitalstand bzw. die Liquiditätslage der Gesellschaft nach der Kapitalerhöhung tritt m. E. in dem Fall noch stärker hervor, in dem zunächst bar gezahlt und dann das Mittel sofort wieder zur Schuldentilgung des an der Kapitalerhöhung beteiligten Inferenten zurückgezahlt wird. Denn bei diesem Vorgang wird dadurch der falsche Eindruck erweckt, dass im Handelsregister der Betrag des erhöhten Kapitals und die darauf geleistete Barzahlung angegeben wird; allerdings die Absicht, die eingezahlten Mittel bald wieder zur Tilgung der Schulden des an der Kapitalerhöhung beteiligten Inferenten zurückzuzahlen, nicht zum Ausdruck kommt. Mit anderen Worten wird durch die Verlautbarung der Barkapitalerhöhung nach außen der Eindruck erweckt, dass durch die Kapitalerhöhung der Gesellschaft Liquidität zufließt und sich damit das Vermögen der Gesellschaft im Umfang der Kapitalerhöhung vermehrt, obwohl in Wirklichkeit die gezahlten Mittel sogleich wieder zurück fließen. Deswegen ist in diesem Fall das Täuschungspotential äußerst hoch und die Interessierten sind kapitalaufbringungsrechtlich genauso schutzwürdig wie bei der Verrechnung. Es kommt also bei diesem Vorgang der Transparenz des Vorgangs hinsichtlich des Interessenschutzes Dritter große Bedeutung zu. Daher bedürfen m. E. die Interessen der Gläubiger und der Aktionäre bzw. Gesellschafter der Gesellschaft auch bei einer Barkapitalerhöhung mit anschließender Schuldentilgung sinngemäß eines Schutzes, der bei der Verrechnung durch die Formvorschriften gewährleistet wird. Der Gedanke hinter den Berichts- und Publizitätsregeln für den Fall der Einlageleistung durch Verrechnung erfordert nämlich m. E. es zu verhindern, dass der Schutz der Interessierten bei der Kapitalaufbringung aufgrund der Wahl einer – hinsichtlich der Schutzbedürfnisse dem Verrechnungsvorgang gleichwertigen – Transaktionsstruktur entfällt. Eine dahingehende Gegenargumentation, dass im Fall der Barkapitalerhöhung mit anschließender Zurückzahlung zur Schuldentilgung die Formvorschriften über die Verrechnungsliberierung allein und einfach deshalb nicht anzuwenden seien, weil in diesem Fall der Kapitalerhöhungsvorgang schon mit der Barzahlung rechtsgemäß vollzogen wäre und die spätere Transaktion (Forderungsrückzahlung) mit der Kapitalerhöhungsphase nicht zu tun habe, wäre m. E. zu formell und stünde dem Standpunkt des Gesetzes entgegen, der auf eine funktionelle Vermeidung der

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Umgehungen im Kapitalaufbringungsrecht ausgerichtet ist. Das türkische Recht kennt zwar kein Schutzinstrument im Umfeld der Kapitalaufbringung wie die deutsche „verdeckte Sacheinlage“ oder die schweizerische „beabsichtigte Sachübernahme“,663 welche bei Vorliegen einer Umgehungsabrede das Sachgründungsrecht gegen die Umgehungen schützen. Aber das türkische Recht sieht einen anderen, auf demselben Grundgedanken basierenden Schutzmechanismus vor, welcher eher dem deutschen § 52 AktG („Nachgründung“) entspricht. Nach dem Art. 356 Abs.1 tHGB mit dem Titel „Gesetzesumgehung“ („Kanuna Kars¸ı Hile“): „Die innerhalb der zwei Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft geschlossenen Verträge der Gesellschaft, nach denen sie ein Unternehmen oder ein Vermögensgegenstand für eine den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben oder mieten soll, werden nur mit Bewilligung der Hauptversammlung und durch Eintragung in das Handelsregister wirksam. Einschließlich der zur Ausführung der Verträge erfolgten Auszahlungen sind alle Rechtshandlungen, die vor der Bewilligung der Hauptversammlung und der Eintragung in das Handelsregister vorgenommen wurden, unwirksam.“

Um die Umgehungen der Sachgründungsvorschriften zu verhindern und damit den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung abzusichern, stellt der türkische Gesetzgeber hierbei nicht auf einen formalen, sondern auf einen funktionellen Standpunkt ab. So sieht er in eigentlich zwei rechtlich getrennten Vorgängen (Kapitalaufbringungsvorgang und späteres Rechtsgeschäft) eine kapitalaufbringungsrechtliche Korrelation bzw. Einheit an und setzt für die Wirksamkeit des späteren Rechtsgeschäfts voraus, dass die Formvorschriften der Sacheinlagen (Hauptversammlungsbeschluss und Publizität, Art. 356 Abs. 1 tHGB) nachträglich eingehalten werden. Auch wenn sich der Kapitalaufbringungsvorgang schon rechtswirksam vollzogen hat, erkennt der Gesetzgeber in späteren Rechtsgeschäften eine besondere Gefahr für die ordentliche Kapitalaufbringung und unterstellt sie daher spezifischen Schutzvorschriften. Diese Regelung zeigt m. E. ausdrücklich, dass der türkische Gesetzgeber beim Schutz der ordentlichen Kapitalaufbringung nicht einen formalen, sondern eher einen an den wirtschaftlichen Ergebnissen der Transaktionen orientierten und somit einen funktionellen Standpunkt einnimmt. Die oben dargestellte Sonderregelung bezieht sich zwar nur auf die Umgehungsgeschäfte bei Sacheinlagen und hat mit der Frage nach der kapitalaufbringungsrechtlichen Rechtmäßigkeit einer Barzahlung mit anschließender Schuldentilgung nicht zu tun. Die dargestellte Herangehensweise des Gesetzgebers an sich weist aber zumindest darauf hin, dass 663

Das Rechtsinstitut der „beabsichtigten Sachübernahme“ findet seine rechtliche Grundlage im Art. 628 Abs. 2 sOR und damit wird bezweckt, die Umgehungen der Sachgründungsregeln zu verhindern. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Aktienrecht, § 15, Rn. 20 ff. Als „beabsichtigte Sachübernahmen“ werden im schweizerischen Recht bestimmte von einer Gesellschaft im Anschluss an eine Aufbringung von Gesellschaftskapital getätigte Rechtsgeschäfte bezeichnet, die schon zum Zeitpunkt der Kapitalaufbringung geplant sind. Da der Gesetzgeber in diesen Geschäften eine besondere Gefahr für die ordentliche Kapitalaufbringung erblickt, unterstellt er sie spezifischen Schutzvorschriften. Ausführlich zum schweizerischen Institut der „beabsichtigten Sachübernahme“ siehe insb. Dietschi, Beabsichtigte Sachu¨ bernahmen, S. 25 ff.

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die wirtschaftlich-funktionelle Betrachtung der rechtlichen Transaktionen im Umfeld des Kapitalaufbringungsvorgangs dem türkischen Kapitalaufbringungsrecht nicht fremd ist. Mit dem Art. 356 tHGB bezweckt das Gesetz die Umgehung der Sacheinlagevorschriften zu verhindern und damit die reale Kapitalaufbringung zu gewährleisten. Die hier vertretene Auffassung beruht auch auf derselben Logik und bezweckt, die Umgehung der Formvorschriften der Verrechnung zu verhindern, die man dadurch erreichen könnte, dass man förmlich eine andere, jedoch im Ergebnis eine ähnliche Transaktion wählt. Daher wäre es m. E. im Rahmen des Schutzsystems des Gesetzes nicht unangebracht, in dem Vorgehen, in dem erst bar eingezahlt wird und sogleich die eingezahlten Mittel zur Tilgung der vorbestehenden Forderung zurückgezahlt werden, eine Täuschungsgefahr zu erblicken. Auch wenn das Gesetz den Fall der Barzahlung mit anschließender Schuldentilgung durch eine Sonderregelung nicht geregelt hat, sind schließlich zugunsten eines effektiven und lückenfreien Kapitalaufbringungssystems die Formvorschriften über Verrechnungsliberierung auch auf den Vorgang einer Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Schulden des an der Kapitelerhöhung beteiligten Inferenten analog anzuwenden, wenn eine funktionelle Ähnlichkeit besteht. Von einer solchen ist m. E. dann auszugehen, wenn schon vor der Kapitalerhöhung geplant und ziemlich sicher war, dass das eingezahlte Mittel sogleich wieder zur Erfüllung einer – zur Zeit der Kapitalerhöhung – bereits bestehenden Forderung des an der Kapitalerhöhung beteiligten Inferenten zurückgezahlt wird. Liegt ein solcher Fall vor, dann muss m. E. der Verwaltungsrat analog Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB im Kapitalerhöhungsbericht angeben, dass eine Forderung des bar einzahlten Inferenten gegenüber der Gesellschaft besteht und die Tilgung dieser Forderung nach der Barkapitalerhöhung geplant wird. c) Rechtsfolgen eines Analogieschlusses mit Blick auf das Cash Pooling Da in der Cash Pooling-Praxis zumeist tagtäglich die liquiden Mittel der Poolgesellschaften auf das Zentralkonto/in den Cash Pool zugeführt werden, ist es in einem Cash Pooling-System gewiss, dass die i.R.d. Kapitalerhöhung einbezahlten Mittel sogleich wieder der Muttergesellschaft zufließen (oder zumindest durch die Betreibergesellschaft zu ihrer Verfügung gestellt werden). Aus diesem Grund würde m. E. die analoge Anwendung dieser Formvorschriften bei Barkapitalerhöhungen der Poolgesellschaften immer erforderlich sein, solange die Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Barkapitalerhöhung Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool hatte. Dementsprechend muss, falls die Einlageerfüllung bei der Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft nicht im Wege der Verrechnung der ihr gegenüber vorbestehenden Forderung erfolgt, sondern erst eine Barzahlung stattfindet und das Mittel dann zur Forderungstilgung in den Pool zurückgezahlt wird, der Verwaltungsrat bzw. der Geschäftsführer der Poolgesellschaft die geplante/baldige Erfüllung der sich aus dem Cash Pooling ergebenden Forderungen der Betreibergesellschaft im Kapital-

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erhöhungsbericht angeben und sich zum Bestand einer solchen Forderung äußern. Auf diese Weise muss es den Interessierten ermöglicht werden, sich beim Handelsregister darüber informieren zu können, dass die in bar eingezahlten Mittel sogleich wieder zur Erfüllung der sich aus dem Cash Pooling-Verfahren ergebenden Forderungen zurückgeführt werden. Damit kann den Parteien die Möglichkeit entzogen werden, durch einen Umweg (erst Hinzahlen, dann Zurückbekommen) das Hin- und Herzahlen zu verheimlichen und somit den wegen baldigen Rückflusses der Tatsache nicht entsprechenden Eindruck zu erwecken, dass der Gesellschaft neues Kapitals zugeführt wurde. Das Unterbleiben der Berichterstattung sollte allerdings nicht direkt zur Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Einlageschuldentilgung der Muttergesellschaft führen, weil der Zweck der Berichterstattungspflicht eine solche harte Rechtsfolge nicht erfordern würde. Die Missachtung von Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB im Fall einer eigentlichen Einlageleistung durch Verrechnung und das Ausbleiben der Berichterstattung über die baldige Rückzahlung der Mittel zur Tilgung der Verbindlichkeiten der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool sollte m. E. eher die generelle Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaft für einen daraus entstandenen Schaden in Betracht ziehen. 3. Zwischenergebnis Anders als im deutschen Recht muss im türkischen Recht eine Forderung gegen die Gesellschaft nicht zwangsläufig als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht werden, weil sie nach dem Konzept des Gesetzes Gegenstand des Verrechnungsinstituts ist und die Einlageschuld im Wege der Verrechnung der Forderung zu ihrem Nennwert erfüllt werden kann bzw. darf. Das türkische Kapitalgesellschaftsrecht kennt (und braucht) in diesem Zusammenhang keinen Schutzmechanismus entsprechend dem deutschen Rechtsinstitut der „verdeckten Sacheinlage“. Aus diesem Grund bestehen aus Sicht des türkischen Rechts keine Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit einer Barkapitalerhöhung im Cash Pooling, obwohl die zuerst (tatsächlich) in die Poolgesellschaft eingezahlten Geldmittel zur Tilgung ihrer sich aus dem Cash Pool ergebenden, vorbestehenden Verbindlichkeit gegenüber der Muttergesellschaft eingesetzt werden und damit die Barzahlung i.R.d. Kapitalerhöhung der Poolgesellschaft anschließend wieder an die Muttergesellschaft zurückgezahlt wird. Nach hier vertretener Auffassung sprechen jedoch gute Gründe für eine analoge Anwendung der Formvorschriften des Verrechnungsinstituts auf den Vorgang einer Barkapitalerhöhung mit anschließender Forderungstilgung des an der Kapitalerhöhung beteiligten Inferenten. Denn auch wenn diese beiden Vorgehensweisen formell gesehen unterschiedlich durchgeführt werden, sind sie funktionell und wirtschaftlich betrachtet im Ergebnis gleichwertige Transaktionen. Allerdings sind im neuen Gesetzestext für den Vorgang der Verrechnung bestimmte Formvorschriften vorgesehen, während für den Fall der Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung der Schulden des Inferenten keine entsprechenden Formvorschriften vorhanden sind.

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Kap. 3: Cash Pooling unter dem Aspekt von Kapitalaufbringung/-erhöhung

Der Sinn und Zweck der Formvorschriften der Verrechnung legt es m. E. nahe, trotzdem die relevanten Formvorschriften sinngemäß auch auf den zweiten Fall analog anzuwenden. Demnach muss, wenn die Einlageerfüllung bei der Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft nicht im Wege der Verrechnung der ihr gegenüber vorbestehenden Forderung erfolgt, sondern erst eine Barzahlung stattfindet und dann das Mittel zur Forderungstilgung in den Pool zurückgezahlt wird, die Geschäftsführung der Poolgesellschaft bei Barkapitalerhöhung die geplante/baldige Erfüllung der sich aus dem Cash Pooling ergebenden Forderung der Betreibergesellschaft im Kapitalerhöhungsbericht angeben und sich zum Bestand einer solchen Forderung äußern. Das Unterbleiben der Berichterstattung sollte allerdings nicht direkt zur Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Einlageschuldentilgung führen, sondern eher die generelle Haftung der Geschäftsführung für einen draus entstandenen Schaden in Betracht ziehen. IV. Zusammenfassendes Ergebnis Im Rahmen eines Cash Pooling-Systems kann die Kapitalerhöhung einer am Pool teilgenommenen abhängigen Gesellschaft auf zwei Wegen rechtmäßig durchgeführt werden: (1) Die sich aus dem Cash Pool ergebende Forderung der Betreibergesellschaft kann direkt mit der Einlageschuld verrechnet werden (Einlageleistung im Wege der Verrechnung). (2) Zunächst kann i.R.d. Barkapitalerhöhung in bar eingezahlt und danach die eingezahlten Mittel zur Tilgung der Schuld der Poolgesellschaft zum Cash Pool zurückgeführt werden. Anders als das deutsche Recht ist diese Barkapitalerhöhung grundsätzlich zulässig, obwohl die eingezahlten Mittel zur Tilgung der Schuld der Poolgesellschaft wieder in den Cash Pool und damit an die Muttergesellschaft zurückgeführt wird. Nach hier vertretener Auffassung sollten jedoch die für den Verrechnungstatbestand vorgesehenen Formvorschriften analog auf die Barzahlungen mit anschließender Forderungstilgung der Muttergesellschaft angewendet werden.

C. Anschließende Rückzahlung der einbezahlten Mittel als Darlehen in den Cash Pool Aufgrund der dem Cash Pool-System zugrunde liegenden Abreden ist in Cash Pooling-Konstellationen schon von Vornherein bestimmt, dass die im Zusammenhang mit der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung eingezahlten Mittel automatisch in den Cash Pool überwiesen werden, solange sie nicht für das operative Geschäft der Poolgesellschaft gebraucht werden, sondern sich als überschüssige Liquidität auf dem Unterkonto der Poolgesellschaft befinden. Hat die Poolgesellschaft dem Cash Pool gegenüber zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Mittel keine Verbindlichkeiten, dann erfolgt mit der Weiterleitung der Einlagemittel in den Pool wirtschaftlich gesehen eine Darlehensvergabe – unter gleichzeitiger Begründung einer Darlehens-

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forderung – an die Muttergesellschaft.664 Hierbei stellt sich die Frage, ob die anschließende Rückzahlung der anlässlich der Gründung bzw. der Kapitalerhöhung eingebrachten Mittel im Rahmen des Cash Pooling-Systems als Darlehen an den Inferenten aus Sicht des türkischen Rechts eine potentielle Gefahr für die Zulässigkeit der Kapitalaufbringung darstellt. Im deutschen AG- und GmbH-Recht wird dieses Hin- und Herzahlen angesichts eines zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs mit der Kapitalaufbringung als eine Gefahr für den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung angesehen und schon im Kontext der Kapitalaufbringung durch das Rechtsinstitut des „Hin-und Herzahlens“ (§§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG) erfasst.665 Im türkischen AG- und GmbHRecht ist hingegen weder eine gesetzliche Regelung noch ein durch die Rechtsprechung bzw. die Lehre entwickeltes Rechtsinstitut vorhanden, das die sofortige (darlehensweise) Rückzahlung der im Rahmen der Gründung bzw. Kapitalerhöhung eingezahlten Mittel mit Blick auf die Zulässigkeit der realen Kapitalaufbringung als problematisch bzw. gefährlich ansieht und diesen Vorgang – wie das deutsche Recht – schon im Umfeld der Kapitalaufbringung behandelt. Daher ist die Antwort auf die Zulässigkeitsfrage eines solchen Hin- und Herzahlens aus Sicht des türkischen Rechts nicht im Kontext der Kapitalaufbringung, sondern im Kontext der Kapitalerhaltung und damit auf der Grundlage der spezifischeren Schutzmechanismen des Kapitalerhaltungsrechts zu suchen. So unterscheidet sich das türkische Recht deutlich vom deutschen Recht: Während aus Sicht des türkischen Rechts darlehensweise Auszahlungen einer Poolgesellschaft im Zusammenhang mit der Gründung oder der Kapitalerhöhung eingezahlten Mittel in den Cash Pool die Kapitalerhaltungsvorschriften tangieren, stellen die baldige Rückzahlungen der eingezahlten Mitteln aus Sicht des deutschen Rechts eine Gefahrenlage dar, die unter der Gründungsvorschriften zu behandeln sind. Schließlich gelten im türkischen Recht mit Blick auf die Zulässigkeit der Überweisungen der anlässlich der Gründung bzw. Kapitalerhöhung einbezahlten Mittel in den Cash Pool, und damit der Rückzahlung dieser Gelder an die Muttergesellschaft, die konzernrechtlichen Regelungen. Daher ist an dieser Stelle sinngemäß auf die relevanten Ausführungen im 2. Kapitel zu verweisen.666

664 Wie schon dargestellt, spielt in Cash Pooling-Konstellationen die Identität des Inhabers des Cash Pools (also des Zentralkontos) keine Rolle. Auch wenn der Cash Pool nicht direkt von der Muttergesellschaft geführt wird, sondern eine spezielle dafür gegründete Betreibergesellschaft als Poolführerin fungiert, sind die Auszahlungen an diese von der Muttergesellschaft beherrschten Gesellschaft wirtschaftlich den Zahlungen an die Muttergesellschaft gleichzusetzen. 665 Kapitel 3, § 2, C., IV. 666 Kapitel 2, § 4.

Kapitel 4

Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung § 1 Allgemein zum Cash Pooling - Die Untersuchung hat gezeigt, dass das Cash Pooling in der heutigen Konzernwelt aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ein ökonomisch sinnvolles Finanzierungsinstrument ist, weil die Durchführung des Cash Pooling-Systems vor allem Konzernen ermöglicht, ökonomische Synergien, die sich aus der Konzernierung der Gesellschaften ergeben, auf bestmögliche Weise zu nutzen.1 Durch die Zusammenfassung der Konzernüberschüsse an einer einzigen Stelle wird eine konzernspezielle Finanzierungsquelle gebildet, die in Zeiten begrenzter Finanzmittel und steigender Kreditkosten dem ganzen Konzern die Möglichkeit bietet, unabhängig von Fremdkapital zu agieren. Durch den automatischen Liquiditätsausgleich werden einerseits die teilnehmenden Konzerngesellschaften ausreichend mit Liquidität versorgt und ihre Zahlungsfähigkeit jederzeit sichergestellt, andererseits werden durch Kostensenkungen sowie Zins- bzw. Größenvorteile bedeutsame finanzielle Vorteile herbeigeführt. Die Untersuchung hat allerdings ebenso ergeben, dass das Cash Pooling-System nicht unerhebliche Risiken birgt, sodass die durch das Cash Pooling entstehende finanzielle Verflechtung und Interdependenz zwischen den beteiligten Konzerngesellschaften zu wirtschaftlich unerwünschten Folgen führen können, die es normalerweise für allein stehende Gesellschaften nicht gibt.2 Deswegen kommt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht darauf an, dass die Betreibergesellschaft und die Geschäftsführung der beteiligten Poolgesellschaften dafür Sorge tragen, dass CashPooling bezogene Ausfälle den Gesamtkonzern sowie die gesunden Poolgesellschaften nicht oder möglichst wenig beeinträchtigen. Dies ist mit Blick auf die Durchführung eines wirtschaftlich effizienten Cash Pooling-Systems von entscheidender Bedeutung. - In der Praxis erfolgt das Cash Pooling auf Grundlage von Rahmenverträgen. In diesem Zusammenhang entsteht in der Regel einerseits eine interne Cash PoolingVereinbarung zwischen den jeweiligen Poolgesellschaften und der Betreibergesellschaft (bzw. der Konzernmutter).3 Andererseits wird eine externe Cash Pooling-Vereinbarung getroffen, an der das Kreditinstitut, die Betreibergesellschaft 1 2 3

Kapitel 1, § 1, A. und Kapitel 1, § 1, C., I. Kapitel 1, § 1, C., II. Kapitel 1, § 2, A., I.

§ 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung

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und die Konzerngesellschaften beteiligt sind.4 Die i.R.d Cash Pooling erfolgenden Zahlungsströme sind aus rechtlicher Sicht sowohl im deutschen (§ 488 Abs. 1 BGB) als auch im türkischen Recht (Art. 389 tOR) als „Darlehen“ zu qualifizieren.5 Mit Blick auf die außerordentliche Kündigung des Darlehensvertrags aufgrund der Verschlechterung des Vermögensverhältnisses des Darlehensnehmers unterscheiden sich jedoch die zwei Rechtssysteme von einander. Während im deutschen Recht6 die nicht nur vor der Auszahlung, sondern auch nach der Auszahlung eintretende Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers – in der Regel – ein Grund für die fristlose Kündigung darstellt (§ 490 Abs. 1 BGB), sieht das türkische Recht7 die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers nur vor der Auszahlung des Darlehens als einen Kündigungsgrund an (Art. 390 tOR). Deswegen ist aus Sicht des türkischen Rechts zu empfehlen, dass die Parteien des Cash Pool-Rahmenvertrags, insbesondere die Geschäftsführer der Poolgesellschaften dafür sorgen, dass die Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers als Klausel zur außerordentlichen Kündigung im Cash Pooling-Vertrag festgeschrieben wird.

§ 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung A. Gültigkeit der bilanziellen Betrachtungsweise („Vollwertigkeitskriterium“) - Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Gesetzgeber des MoMiG in Deutschland der zuvor durch das sog. „November“-Urteil begru¨ ndeten restriktiven Rechtsprechung des BGH die Grundlage entzogen hat, indem er sich explizit für die „bilanzielle Betrachtungsweise“ entschieden hat und das „Vollwertigkeitskriterium“ ins Gesetz (§§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG) eingeführt hat. Seit dem Inkrafttreten des MoMiG ist bei der Zulässigkeit einer aufsteigenden Darlehensvergabe unter dem Aspekt des Kapitalerhaltungsgebots nur entscheidend, ob der infolge der Darlehensausreichung erhaltenene Ru¨ ckerstattungsanspruch gegen den Gesellschafter bzw. Aktionär „vollwertig“ ist. Ob das gebundene Kapital der darlehensgebenden Gesellschaft durch die Darlehensvergabe tangiert wird oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Gemäß der bilanziellen Betrachtungsweise liegt nämlich in der Darlehensvergabe bei bestehender Vollwertigkeit lediglich ein bilanzieller Aktivtausch vor, sodass im Ergebnis das Gesellschaftsvermögen der kreditgewährenden Gesellschaft nicht verringert wird. Bei der Ermittlung der Vollwertigkeit sind bilanzielle Grundsätze 4 5 6 7

Kapitel 1, § 2, A., II. Kapitel 1, § 2, B., III. und IV. Kapitel 1, § 2, A., IV., 2., a), aa). Kapitel 1, § 2, A., IV., 2., a), bb).

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

(§ 253 dHGB) maßgeblich, sodass im Ergebnis die wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers die entscheidende Rolle spielt. Das kapitalerhaltungsrechtliche Vollwertigkeitskriterium des § 57 AktG wird auch im Rahmen des Aktienkonzernrechts bei der Konkretisierung des Ausfallrisikos eines aufsteigenden Darlehens und damit bei der Feststellung eines in der Übernahme des Ausfallrisikos liegenden Nachteils i.S.d. § 311 AktG als maßgebliches Kriterium angesehen.8 Ist demnach die Vollwertigkeit i.S.d. § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG gegeben, dann fehlt es bei einem unbesicherten Darlehen hinsichtlich des Ausfallrisikos an einem Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG. Der BGH führt in seinem „MPS“-Urteil diesbezüglich mit Verweis auf § 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG aus, dass in § 311 AktG keine strengeren Maßstäbe gelten könnten und die Vergabe eines ungesicherten Darlehens im Grundsatz per se keinen Nachteil darstelle, wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig sei.9 Somit besteht seit der Einführung des Vollwertigkeitskriteriums ins Gesetz ein Gleichlauf zwischen dem § 57 AktG und dem § 311 AktG in Bezug auf die Zulässigkeit eines unbesicherten Darlehens, sodass in der Ausreichung eines unbesicherten Cash Pooling-Darlehens per se kein nachteiliges Rechtsgeschäft i.S.d. § 311 AktG vorliegt, soweit die Rückzahlungsansprüche vollwertig sind. Dies bedeutet für Aktienkonzerne einerseits, dass eine anderweitige entsprechende Kompensationsmöglichkeit des Ausfallrisikos beim Fehlen der Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs generell ausgeschlossen ist. Andererseits setzt das Vollwertigkeitskriterium der konzernrechtlichen und zeitlich gestreckten Nachteilsausgleichsmöglichkeit eine Schranke, weil bei Verschlechterung der Bonität des herrschenden Unternehmens und damit beim Verlust der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs das Darlehen gem. § 62 AktG sofort zurückgezahlt werden muss. Seit der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise besteht zwar in der Rechtsprechung und Literatur die Tendenz, eine abschließende Übertragung der bilanziellen Betrachtungsweise des § 57 AktG auf die Nachteilsfeststellung i.S.d. § 311 AktG vorzunehmen und dementsprechend das Vorliegen eines Nachteils i.S.d. § 311 AktG lediglich an der bilanziellen Betrachtungsweise des § 57 AktG zu messen.10 Demnach soll kein Nachteil i.S.d. § 311 AktG vorliegen, solange der Rückgewähranspruch vollwertig ist. Der Gegenansicht zufolge jedoch könne gestützt auf die Wertungen des Kapitalerhaltungsgebots ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG nicht generell ausgeschlossen werden. Denn das umfangreiche Schutzkonzept des § 311 AktG spreche dagegen, bei der Nachteilsfeststellung i.R.d. § 311 AktG lediglich die bilanzielle Betrachtungsweise anzuwenden.11 Auch wenn das Darlehen aufgrund hinreichender Bonität des Schuldners vollwertig und damit zulässig ist, können sich die Cash Pooling-Darlehen unter anderen Gesichtspunkten als nachteilig 8

Kapitel 2, § 3, D., III., 1. und Kapitel 2, § 3, E., I. BGHZ 179, 71 Rn. 10 ff. – „MPS“. 10 Kapitel 2, § 3, D., III., 1. 11 Kapitel 2, § 3, D., III., 2. 9

§ 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung

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erweisen. Auch nach hier vertretener Ansicht spricht das besondere, umfangreiche Schutzkonzept des konzernrechtlichen § 311 AktG gegen eine abschließende Übertragung der bilanziellen Betrachtungsweise des § 57 AktG auf die Nachteilsfeststellung i.S.d. § 311 AktG.12 Denn auch wenn das Vollwertigkeitskriterium des § 57 AktG bei der Bewertung der Nachteiligkeit des Darlehens mit Blick auf das Ausfallrisiko i.R.d. § 311 AktG genügenden Schutz zu bieten vermag, deckt es jedoch alleine nicht alle Aspekte des Nachteilsbegriffs i.S.v. § 311 AktG ab. Dies ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass sich manche auf das Vermögen der abhängigen Gesellschaft negativ auswirkenden Rechtsgeschäfte bzw. Maßnahmen auf die Bilanz nicht auswirken und in dieser nicht zum Ausdruck kommen, obwohl sie nach dem Konzept des § 311 AktG einen Nachteil darstellen.13 Deswegen ist – der letztgenannten Ansicht folgend – der Standpunkt zu vertreten, dass das (unbesicherte) Cash Pool-Darlehen zwar bei vorliegender Vollwertigkeit i.R.d. § 311 AktG als zulässig gilt, aber es sich im Einzelfall unter anderen Gesichtspunkten als nachteilig erweisen kann. In diesem Zusammenhang kann beim Cash Pooling insbesondere der Abfluss der für den wirtschaftlichen Betrieb der Poolgesellschaften notwendigen Liquidität als ein auszugleichender Nachteil i.S.d. § 311 Abs. 1 AktG in Betracht kommen. Darüber hinaus können die langen Laufzeiten sowie Kündigungsfristen und die Konzentration der Bankverbindungen sowie Kreditlinien von Poolgesellschaften nach den Umständen des Einzelfalls als nachteilig i.S.d. § 311 AktG bewertet werden. So hat die Untersuchung ergeben, dass es im deutschen faktischen GmbH- und AG-Konzernrecht mit Blick auf die Zulässigkeit der Cash Pooling-Darlehen auf die Vermögenslage, d. h. auf die Bonität der Betreibergesellschaft (bzw. der Muttergesellschaft) ankommt (§§ 30 GmbHG, 57, 311 AktG). Daraus ist im Ergebnis zu schließen, dass solange es dem Konzern wirtschaftlich gut geht und damit die Werthaltigkeit der Rückzahlungsansprüche der Poolgesellschaften gewährleistet ist, die systematische Ausreichung unbesicherter Darlehen i.R.d. Cash Pooling-System an die Konzernmutter im faktischen GmbH- sowie AG-Konzern mit dem Kapitalerhaltungsgebot vereinbar ist. Vergleicht man die geltende Rechtslage mit der vor dem MoMiG, so ergibt sich deutlich, dass das nunmehr entscheidende Vollwertigkeitskriterium die Vereinbarkeit der Cash Pool-Praxis mit dem Kapitalerhaltungsgebot äußerst erleichtert hat. Die Erfüllung des Vollwertigkeitskriteriums im Cash Pooling ist nämlich viel einfacher als nach den strengen Ausnahmekriterien des „November“-Urteils bezüglich der Kreditierung an Gesellschafter. Beim Vorliegen hinreichender Bonität der Betreibergesellschaft und damit bei bestehender Vollwertigkeit der Darlehensrückzahlungsansprüche spielt es nämlich keine Rolle mehr, ob das Darlehen besichert ist oder das gebundene Vermögen von der Darlehensvergabe tangiert wird. Insbesondere die Tatsache, dass für die Zulässigkeit des Darlehens i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57, 311 AktG keine Besicherung erforderlich ist, 12 13

Kapitel 2, § 3, D., III., 3. Kropff, NJW 2009, S. 815; Meyer, Nachteil und Einlagenrückgewähr, S. 73.

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

bedeutet für die Cash Pool-Praxis eine enorme Erleichterung bzw. Vereinfachung, weil in diesen Konstellationen in der Regel auf die Besicherung von Darlehen verzichtet wird. Es lässt sich daher aus Sicht des deutschen Rechts schlussfolgern, dass der Gesetzgeber des MoMiG sein Ziel, die durch das „November“-Urteil erschwerte Praxis des Cash Pooling zu ermöglichen bzw. zu erleichtern,14 insoweit erreicht hat. Die „bilanzielle Betrachtungsweise“ ermöglicht nämlich den Poolgesellschaften nunmehr in AG- und GmbH-Konzernen aus dem gebundenen Vermögen (unbesicherte) Darlehen zu gewähren und somit eine zulässige Durchführung des Cash Pooling-Systems in Konzernen, solange die Vollwertigkeit der Rückgewähransprüche gewährleistet ist. - Während die Zulässigkeit aufsteigender Darlehen im deutschem Recht unmittelbar im Rahmen von kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln der §§ 30 GmbHG, 57 AktG erfasst wird, findet sich im türkischen Recht neben den kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln (480 Abs. 3 tHGB – zur AG, Art. 601 tHGB – zur GmbH) seit dem Inkrafttreten des neu-tHGB eine Sonderregelung bezüglich der Kreditleistungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter (Art. 358 tHGB), welche sowohl für die AG als auch für die GmbH gilt.15 Das angestrebte Regelungsziel war die effektive Verhinderung ungerechtfertigter Vermögenszuwendungen an die Gesellschafter. Die Norm wurde jedoch aufgrund starker Kritik kurz vor dem Inkrafttreten novelliert und komplett neu formuliert, sodass nach der jetzt geltenden Fassung der Norm Aktionäre/Gesellschafter keine Verbindlichkeiten mit der Gesellschaft eingehen dürfen, solange ihre fälligen Schulden, die sich aus der Verpflichtung zur Leistung der Einlage ergeben, nicht beglichen wurden und der gesamte Gewinn und die freien Reserven die Summe der Verluste, die sich aus dem vergangenen Jahren ergeben, nicht decken. Die Hauptvoraussetzung der Norm, wonach „der Gesamtbetrag des Gewinns und der freien Reserven, die sich aus dem vergangenen Jahren ergebenden Verluste decken muss“, wird in der türkischen Literatur überwiegend dahingehend interpretiert, dass der Gesetzgeber damit die bilanzielle Betrachtungsweise für die Darlehensvergaben aus dem gebundenen Vermögen ablehnt, sodass nunmehr Darlehensvergaben lediglich aus dem ungebundenen (freien) Vermögen erfolgen dürfen.16 Nach hier vertretener Ansicht jedoch lässt sich eine solche Interpretation oder eine solche Intention des Gesetzgebers weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus der Begründung schließen.17 Die Formulierung der Norm ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass der türkische Gesetzgeber dabei die wirtschaftliche Lage der darlehensgebenden Gesellschaft als Ausgangspunkt annimmt und erst ab einem bestimmten wirtschaftlichen Niveau gestattet, aufsteigende Darlehen zu gewähren. D. h. er hält die Darlehensvergaben an die Aktionäre/Gesellschafter in Unterbilanzsi14 15 16 17

BegrRegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 41. Kapitel 2, § 4, A., III. Kapitel 3, § 4, A., IV., 1., b), aa). Kapitel 3, § 4, A., IV., 1., b), bb).

§ 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung

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tuationen nicht für geeignet und fordert, dass im Zeitpunkt der Darlehensvergabe das gebundene Vermögen schon gedeckt ist. Ist diese Bedingung erfüllt, soll angenommen werden, dass an die Aktionäre/Gesellschafter auch aus dem gebundenen Vermögen Darlehen gewährt werden kann, solange das Darlehen besichert ist oder die Bonitätslage des darlehensnehmenden Aktionärs/Gesellschafters die Annahme rechtfertigt, dass damit bilanziell gesehen nur ein Aktivtausch stattfindet und die Rückzahlung des Darlehens zweifelsfrei ist. Art. 358 tHGB stellt zwar bei aufsteigenden Kreditvergaben präzise auf die Vermögenslage der darlehensgebenden Gesellschaft ab und fordert nur, dass zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe keine Unterbilanz steht. Dass dabei keine Aussage über die wirtschaftliche Lage der Darlehensnehmer gemacht wird, kann nicht in der Weise verstanden werden, dass aufsteigende Darlehensvergaben ohne Weiteres zu jeder Kondition erfolgen dürfen, solange die Verluste gedeckt sind. Diese Annahme wäre mit dem Kapitalerhaltungsgebot der Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB nicht vereinbar. Deswegen kann nach hier vertretener Ansicht Art. 358 tHGB nicht isoliert von dem Vermögensschutzprinzip und damit der – nach hier vertretener Ansicht dessen Grundlage bildenden – zentralen kapitalerhaltungsrechtlichen Regelungen der Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB betrachtet werden.18 Nach der Änderung hat nämlich Art. 358 tHGB seine ursprüngliche Bedeutung bzw. Schutzfunktion verloren. Er sollte vielmehr als eine Norm betrachtet werden, die ausschließlich – neben der aus dem Vermögensschutzprinzip (Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB) resultierenden Bedingungen – extra Voraussetzungen zur Darlehensvergabe normiert. Wäre Art. 358 tHGB mit seiner abgeänderten Fassung19 in Kraft getreten, hätte die Norm (teilweise) quasi eine ähnliche Funktion wie der schweizerische Art. 678 Abs. 2 sOR erfüllt, sodass sie entsprechend dem schweizerischen Art. 678 Abs. 2 sOR verdeckte Gewinnausschüttungen erfasst hätte, während durch Art. 480 Abs. 3 tHGB entsprechend dem schweizerischen Art. 680 Abs. 2 sOR das gebundene Kapital geschützt worden wäre. Das hätte dann die Annahme rechtfertigen können, dass die Darlehensgeschäfte zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern lediglich an Art. 358 tHGB zu messen sind. Da allerdings Art. 358 tHGB wegen der Änderung durchaus seine Schutzfunktion verloren hat und daher dem türkischen Recht heute immer noch eine Regelung zur Vermeidung der verdeckten Vermögensverlagerungen nach dem Vorbild des schweizerischen Art. 678 Abs. 2 sOR fehlt, ist es m. E. unter den kapitalerhaltungsrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich, Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB einen expansiven Schutzumfang zuzubilligen, um dem zentralen Prinzip der Haftungstrennung in Kapitalgesellschaften und dem daraus abzuleitenden Vermögenschutzsprinzip sachgemäß Rechnung zu tragen. Mit anderen Worten bildet die Unvollkommenheit bzw. Unzulänglichkeit des Gesetzestextes des 18

Kapitel 3, § 4, A., III., 4. Da allerdings die erste Fassung der Norm etwas zu streng bzw. unklar über die Zulässigkeit der Darlehensvergabe an Gesellschafter verfasst wurde, hätte der Wortlaut der Norm trotzdem eine dahingehende Umformulierung gebraucht, dass die Norm eine dem Drittvergleich standhaltende Darlehensvergabe an Gesellschafter explizit zulässt. 19

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

Art. 358 tHGB bezüglich der effektiven Verhinderung der offenen sowie verdeckten Vermögenszuwendungen an Aktionäre bzw. Gesellschafter einen wichtigen Grund dafür, dass der Schutzumfang der kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln, anders als das schweizerische Recht, im türkischen Recht umfangreicher ausgelegt werden muss. Da die Norm nicht nur im Hinblick auf die ausgeführten Voraussetzungen unklar, sondern auch wegen der fehlenden Zulässigkeitskriterien der erlaubten Rechtsgeschäfte für Missverständnisse und sogar für Missbräuche stark anfällig ist, sollte m. E. de lege ferenda über eine Verbesserung bzw. Abänderung der Norm nachgedacht werden. In Bezug auf Zulässigkeitsvoraussetzungen der aufsteigenden Cash Pool-Darlehen kommen allerdings im türkischen Recht sowohl im GmbH- als auch im AGKonzern das konzernrechtliche Schutzsystem der Art. 202 ff. tHGB als lex specialis gegenüber Art. 358 tHGB vorrangig zur Anwendung.20 Die Nichterfüllung der in Art. 358 tHGB angegebenen Voraussetzungen würde nach hier vertretener Ansicht i.R.d. Schutzsystems der Art. 202 ff. tHGB nicht per se zur einer Minderung oder Gefährdung der Vermögens- oder Ertragslage und damit nicht automatisch zur Nachteiligkeit des Darlehens i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB führen.21 Bei der Nachteilsbewertung einer unbesicherten Darlehensgewährung im Rahmen von Art. 202 Abs. 1 tHGB kommt es nämlich darauf an, ob die Darlehenssumme tatsächlich zurückgezahlt werden kann. Deswegen spielen hinsichtlich der Zulässigkeit der Darlehensvergabe i.S.d. Art. 202 tHGB nicht die Voraussetzungen von Art. 358 tHGB, sondern jene von Art. 480 Abs. 3, 601 tHGB die entscheidende Rolle. Demgemäß hängt auch gemäß dem konzernrechtlichen Schutzkonzept des Art. 202 Abs. 1 tHGB, wie bei den kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln, die Zulässigkeit eines unbesicherten aufsteigenden Darlehens davon ab, dass der Darlehensnehmer wirtschaftlich in der Lage ist, das Darlehen zurückzuzahlen und damit davon, dass an der Rückzahlung des Darlehens kein Zweifel besteht. Aus rechtsvergleichender Sicht lässt sich abschließend feststellen, dass das türkische Recht mit Blick auf die Zulässigkeit der Cash Pool-Darlehen unter dem Aspekt des Kapitalerhaltungsgebots im Ergebnis Ähnlichkeiten mit dem deutschen Recht aufweist. Denn auch i.R.d. türkischen konzernrechtlichen Regelungen ist anzunehmen, dass ein unbesichertes Cash Pool-Darlehen – wie im deutschen Recht – nicht per se nachteilig ist, solange die Betreibergesellschaft bzw. das herrschenden Unternehmen wirtschaftlich in der Lage ist, den Rückzahlungsanspruch zu erfüllen. Da das Schutzkonzept des Art. 202 Abs. 1 tHGB dem des deutschen § 311 AktG ähnlich ist, kann sich allerdings das Cash Pooling-System unter oben genannten Gesichtspunkten ggf. als nachteilig i.S.d. Art. 202 Abs. 1 tHGB erweisen.

20 21

Kapitel 3, § 4, C., IV., 1. Kapitel 3, § 4, C., IV., 2.

§ 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung

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B. Verzinsungsfrage I. Im Allgemeinen - Da im deutschen Recht weder aus dem Gesetzestext noch aus den Gesetzesmaterialien zu MoMiG ausdrücklich hervorgeht, ob oder was für eine Bedeutung die Verzinsung bei der Vollwertigkeitsprüfung bzw. hinsichtlich der Zulässigkeit der Darlehensvergaben i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG spielt, wird die Verzinsungsthematik im deutschen Schrifttum im Allgemeinen aus verschiedenen Perspektiven betrachtend immer noch kontrovers diskutiert. Manche Autoren leiten das Verzinsungserfordernis aus dem „Drittvergleich“ ab,22 während dieses einer anderen Auffassung zufolge aus dem in §§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG geregelten zweiten Kriterium des „Deckungsgebots“23 abzuleiten ist. Nach der herrschenden Ansicht sollte die Verzinsungsfrage im Rahmen bilanzrechtlicher Grundsätze beantwortet werden.24 Darunter befinden sich Autoren, die nach der Laufzeit des Darlehens differenzieren und eine Verzinsungspflicht lediglich bei langfristigen Krediten (über einem Jahr) für die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs für erforderlich halten, bei kurzfristigen Krediten (weniger als ein Jahr) jedoch bilanzrechtlich aus Vereinfachungsgründen die Verzinsung nicht berücksichtigen. Aufgrund der kapitalschutzrechtlichen Sonderwertungen lehnen hingegen andere Autoren auch bei kurzfristigen Krediten den Verzicht auf eine angemessene Verzinsung ab und verlangen laufzeitunabhängig eine angemessene Verzinsung für die Vollwertigkeit. Somit ist festzustellen, dass es im deutschen Schrifttum zumindest Einigkeit dahingehend besteht, dass bei längerfristigen Kreditgewährungen (über einem Jahr – § 253 dHGB) eine angemessene Verzinsung für unverzichtbar gehalten wird, wobei es i.E. keinen Unterschied macht, ob dafür das Drittvergleichs, Vollwertigkeits- oder Deckungsgebot herangezogen wird. Im Zusammenhang mit dem Aktienkonzernrecht wird die Verzinsung übereinstimmend für erforderlich gehalten und eine zinslose Kreditgewährung wird sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur als ein Nachteil i.S.d. § 311 AktG angesehen.25 In seinem „MPS“-Urteil berücksichtigt der BGH die Verzinsungsfrage nicht im Rahmen des Vollwertigkeitskriteriums, sondern er sieht in dem Verzicht auf eine angemessene Gegenleistung einen eigenständigen, von dem die gesamte Darlehenssumme ergreifenden konkreten Kreditrisiko getrennt zu beurteilenden, Nachteil.26 Einem Teil der Literatur zufolge würden diese Ausführungen des BGH eine laufzeitunabhängige Verzinsung auch i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG nahele-

22 23 24 25 26

Kapitel 2, § 2, D., II., 1., c). Kapitel 2, § 2, D., II., 1., b). Kapitel 2, § 2, D., II., 1., a). Kapitel 2, § 3, E., II. BGHZ 179, 71, Rn. 17 – „MPS“.

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

gen.27 Denn wenn eine fehlende Verzinsung bereits gegen die als Privilegierung zu § 57 AktG angesehene Norm des § 311 AktG verstoße, könne für § 57 AktG bzw. für die Parallelvorschrift § 30 GmbHG nichts anderes gelten.28 Zwar ist m. E. auch eine laufzeitunabhängige Verzinsungspflicht i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG vonnöten, aber aus dem „MPS“-Urteil des BGH lässt sich nicht direkt schlussfolgern, dass er auch i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG eine laufzeitunabhängige Verzinsungspflicht für nötig erachtet.29 Denn in seinem „MPS“-Urteil greift der BGH die Verzinsungsproblematik nicht direkt i.R.d. § 57 AktG auf, sondern i.R.d. § 311 AktG, wonach die Verzinsung des Darlehens – unabhängig von den Vorgaben des § 57 AktG – aufgrund seines besonderen Schutzkonzepts ohnehin erforderlich ist. Dass er bei der Beurteilung der Vollwertigkeit i.S.d. § 57 AktG lediglich die Bonität des Schuldners für maßgeblich hält30 und dabei die Verzinsung nicht erwähnt, vermittelt zwar bereits den Eindruck, dass er die Verzinsungsfrage nicht unter dem Vollwertigkeitskriterium subsumiert. Daraus, dass er die Verzinsung i.R.d. § 311 AktG für nötig erachtet, ist aber auch nicht direkt zu schließen, dass er damit die Frage beantwortet, was für eine Rolle die Verzinsung hinsichtlich der Zulässigkeit des Darlehens i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG spielt. Daher bleibt m. E. noch abzuwarten, wie und unter welchem Kriterium („Vollwertigkeitskriterium“, „Deckungsgebot“, „Drittvergleich“) der BGH die Verzinsungsproblematik i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57 AktG genau klären wird. - Auch aus Sicht des türkischen Rechts ist eine angemessene Verzinsung sowohl bei unverbundenen als auch bei verbundenen Kapitalgesellschaften ein Erfordernis. Bei einer unverbundenen AG bzw. GmbH gebietet der Grundsatz der Kapitalerhaltung/des Vermögensschutzes bei aufsteigenden Darlehen eine angemessene Verzinsung.31 Das Verzinsungserfordernis bei einer verbundenen AG bzw. GmbH ergibt sich aus dem umfangreichen Schutzumfang des konzernrechtlichen Art. 202 Abs. 1 tHGB.32 Der Nachteilsbegriff des Art. 202 Abs. 1 tHGB bezieht sich – wie im deutschen § 311 AktG – nicht nur auf den Schutz des bestehenden Vermögens, sondern er umfasst auch alle Chancen und Risiken, sodass bei der Nachteilsbestimmung zukünftige Wertsteigerungspotenziale mitberücksichtigt werden müssen. Deswegen stellt ein un- oder unterverzinsliches Darlehen einen Nachteil i.S.d. Art. 202 Abs. 1tHGB dar. In Anlehnung an die relevanten Ausführungen der „MPS“-Entscheidung des BGH wird hier auch aus Sicht des türkischen Rechts die Ansicht vertreten, dass das Fehlen bzw. Unangemessenheit der 27 Scholz/Verse, § 30, Rn. 94; Blasche/König, GmbHR 2009, S. 900; MünchKomm-AktG/ Bayer, § 57, Rn. 168; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 88. 28 Scholz/Verse, § 30, Rn. 94; MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 168; insb. i.Z.m. Cash Pooling Blasche/König, GmbHR 2009, S. 900; Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 88. 29 Kapitel 2, § 2, D., II., 1., e). 30 BGHZ 179, 71, Rn. 16 – „MPS“. 31 Kapitel 2, § 4, A., IV., 2., b). 32 Kapitel 2, § 4, C., V., 3.

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Verzinsung als eigenständiger Nachteil bewertet werden sollte. D. h. das Fehlen der Verzinsung sollte nicht zur Nachteiligkeit des ganzen Darlehens führen.

II. Im Falle des Cash Pooling Mit Blick auf die Cash Pool-Darlehen wird teilweise im deutschen Schrifttum mit verschiedenen Argumenten für den vollständigen Verzinsungsverzicht plädiert. In diesem Zusammenhang wird behauptet, dass es sich bei Cash Pooling-Darlehen typischerweise um kurzfristige Kreditgewährungen (unter einem Jahr) handele und daher bei Cash Pooling-Konstellationen auf eine Verzinsungspflicht verzichtet werden könne.33 Auch das Regelungsanliegen des Gesetzgebers, Cash Pooling auch künftig weiter ohne übermäßigen Prüfungsaufwand zu ermöglichen und die Komplexitäten zu reduzieren, wird dabei dafür herangezogen, bei kurzfristigen Darlehen im Cash Pooling den Verzicht auf Verzinsung zu gestatten.34 Nach hier vertretener Ansicht ist jedoch keines von diesen Argumenten für einen pauschalen Verzinsungsverzicht beim Cash Pooling überzeugend.35 Denn zum einen ist in Cash PoolKonstellationen weder das Volumen noch die Laufzeit des Darlehens vorhersehbar, zum anderen ist es in der Praxis des Cash Pooling nicht unüblich, dass die ausgezahlten Mittel über Jahre hinweg im Pool bleiben. Auch aus dem Erleichterungszweck des Gesetzgebers von MoMiG ist m. E. nicht zu schließen, dass er die Cash Pooling-Praxis auch hinsichtlich der Verzinsung privilegieren und somit den Kapitalschutz bei faktischer Konzernierung dem Konzerninteresse opfern will. Sein Erleichterungszweck wird nämlich damit erreicht, dass bei ausreichender Kreditwürdigkeit des Gesellschafters Darlehensvergaben im Stadium der Unterbilanz für zulässig gehalten werden. Als ein allgemeines Argument für den vollständigen Verzinsungsverzicht, welches auch aus Sicht des türkischen Rechts in Frage kommen könnte, wird auf die anderweitigen Kompensationsmöglichkeiten des Cash-Pooling-Systems hingewiesen (sog. „verdeckte Verzinsung“). In diesem Zusammenhang werden konzernspezifische, dem Cash Pooling immanente Vorteile herangezogen und es wird argumentiert, dass grundsätzlich eine Un- oder Unterverzinsung i.R.d. Cash Pooling durch mit diesem System zusammenhängende Konzernvorteile im Einzelfall ausgeglichen werden könnte.36 Dies wird insbesondere damit gerechtfertigt, dass auch 33

Brocker/Rockstroh, BB 2009, S. 732; Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Scholz/Westermann, Nachtrag MoMiG, § 30, Rn. 26; Drygala/Kremer, ZIP 2007, S. 1293; Kiefner/Theusinger, NZG 2008, S. 804; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 58; Schmolke, § 30, Rn. 100; Hüffer/ Koch, § 57, Rn. 26; vgl. Hömme, Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, S. 112 ff. 34 Schmidt/Lutter/Fleischer, § 57, Rn. 54; KölnKomm-AktG/Drygala, § 57, Rn. 71; Hüffer/Koch, § 57, Rn. 26. 35 Kapitel 2, § 2, D., II., 1., e). 36 So insb. Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; ders., NZG 2010, S. 404; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 119; Wand/Tillmann/Heckenthaler, AG 2009, S. 157; Spindler/Stilz/Cahn/v. Span-

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

der darlehensgebenden Poolgesellschaft – als Gegenleistung – Liquidität zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellt.37 Nach hier vertretener Ansicht ist allerdings eine solche pauschalisierende Annahme nicht überzeugend.38 Denn die allgemeinen konzernrechtlichen Vorteile des Cash Pooling und insbesondere, dass auch darlehensgebenden Poolgesellschaften Liquidität zu günstigen Konditionen zur Verfügung steht, können nicht immer den Verzicht auf die Verzinsung i.R.d. Cash Pooling rechtfertigen. Allein die Möglichkeit der eigenen Inanspruchnahme von Mitteln aus dem Pool zu günstigen Konditionen genügt nämlich nicht, wenn die Poolgesellschaft hierauf nicht angewiesen ist.39 Genau so wenig können die anderweitigen Konzernvorteile, so wie Einsparungen im Bereich der Finanzierungs- und Personalkosten usw., pauschal den Wegfall der Verzinsung beim Cash Pooling rechtfertigen. Das Vorliegen möglicher Vorteile darf nicht im Vorfeld und pauschal zur Zinslosigkeit beim Cash Pooling führen, weil dies eine konkret nicht begründete, pauschalisierende Annahme wäre, welche nicht auf näher quantifizierbaren Erkenntnissen beruht. Hierfür müssen den Poolgesellschaften tatsächlich konkrete Vorteile zukommen, die nicht nur durch eine verbesserte betriebswirtschaftliche Gesamtsituation dargestellt werden, sondern es müssen quantifizierbare Vorteile auf Seiten der Poolgesellschaften vorliegen. Es sollte daher dabei immer auf den Einzelfall ankommen, ob die betroffene Poolgesellschaft in der Tat so viel von den Vorteilen des Pools Gebrauch macht und insoweit Vor- und Nachteile aus deren Sicht in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen,40 sodass der Verzicht auf Verzinsung als gerechtfertigt angesehen werden kann. Schließlich, solange keine genau quantifizierbaren Konzernvorteile aufseiten der Poolgesellschaft vorhanden oder feststellbar sind, sollte diese Unbestimmtheit m. E. nicht zugunsten des Cash Pooling-Systems bzw. des gesamten Konzerns, sondern zum Interesse der Poolgesellschaft und deren Kapitalschutzes ausgelegt werden, sodass auch bei Cash Pooling-Konstellationen grundsätzlich eine angemessene Verzinsung des Darlehens – je nach dem Einzelfall – erfolgen muss. Somit sprechen nach hier vertretener Ansicht sowohl im deutschen als auch im türkischen Recht unter dem Gesichtspunkt des Kapitalerhaltungsgebots die besten Gründe grundsätzlich für eine (laufzeitunabhängige) angemessene Verzinsungspflicht beim Cash Pooling: Bestehen konkrete, quantifizierbare Vorteile im Einzelfall, die die betreffende Poolgesellschaft bekommen hat, dann kann auf die Verzinsung verzichtet oder ein niedrigerer Zinssatz bestimmt werden. nenberg, § 57, Rn. 36; differenzierend nach der Darlehenslaufzeit, zustimmend für den Fall der Kurzfristigkeit Hömme, S. 112 ff.; MünchKomm-GmbHG/Ekkenga, § 30, Rn. 188, 252, der dies für die kurzfristige Transferleistungen bestätigt; vgl. MünchKomm-AktG/Bayer, § 57, Rn. 170. 37 So insb. Altmeppen, ZIP 2009, S. 52; Roth/Altmeppen/ders., § 30, Rn. 119, der jedoch jeweils ausdrückt, dass insoweit auf den Einzelfall abzustellen sei. 38 Kapitel 2, § 2, D., II., 1., e) (zur deutschen GmbH); Kapitel 2, § 3, E., II. (zur deutschen AG); Kapitel 2, § 4, C., V., 3. (zur türkischen AG und GmbH). 39 Mülbert/Leuschner, NZG 2009 S. 283; Spliedt, ZIP 2009, S. 150. 40 GroßKomm-GmbHG/Habersack, § 30, Rn. 107.

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C. Haftungsrisiken - Die neuen kapitalerhaltungrechtlichen Vorgaben des deutschen Rechts ermöglichen nunmehr zwar den Konzernen das betriebswirtschaftlich sinnvolle Cash Pooling einfacher zu praktizieren. Allerdings geht dies nicht ohne Risiken für die beteiligten Poolgesellschaften und ihre Geschäftsführer. Die bilanzielle Betrachtungsweise bringt nämlich spezielle Aufgaben für die Geschäftsführung der Poolgesellschaften mit sich und begründet besondere Haftungsrisiken für sie. In diesem Zusammenhang betrifft die Geschäftsführung der Poolgesellschaften vor und nach der Darlehensgewährung besondere Überprüfungs- und Überwachungspflichten in Bezug auf die Vollwertigkeit.41 Vor jeder Liquiditätszufuhr in den Cash Pool muss die Geschäftsführung sorgfältig überprüfen, ob die Betreibergesellschaft (bzw. die Muttergesellschaft) wirtschaftlich in der Lage ist, allen Rückgewähr- bzw. Ausgleichsansprüchen nachzukommen. Bestehen an der Bonität der Betreibergesellschaft Zweifel, die mit den sich aus §§ 30 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. GmbHG, 57 Abs. 1 S. 3, 2. Alt. AktG und § 311 AktG ergebenden Voraussetzungen an die Vollwertigkeit nicht vereinbar sind, muss die Geschäftsleitung der Poolgesellschaften die Abführung der liquiden Mittel in den Cash Pool stoppen, um eine unverzichtbare Haftung gemäß §§ 43 Abs. 3 GmbHG, 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG zu verhindern. Aufgrund der maßgeblichen „stichtagsbezogenen Ansicht“ bezüglich der Zulässigkeit der Kreditvergabe i.R.d. §§ 30 GmbHG, 57, 311 AktG führt zwar ein nachträglicher Verlust der Vollwertigkeit nicht zu einem Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot bzw. zur Nachteiligkeit der Darlehensvergabe. Aber die Geschäftsführer der Poolgesellschaften unterliegen auch nach einer ex-ante zulässigen Darlehensausreichung weiterhin der Pflicht, die Bonität der Betreibergesellschaft fortlaufend zu kontrollieren und bei Verlust der Vollwertigkeit mit Kündigung oder Sicherheitsbestellung darauf zu reagieren. Sonst machen sie sich gegenüber ihrer Gesellschaft gemäß §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig. Darüber hinaus muss die Geschäftsfu¨ hrung der Poolgesellschaften zur Vermeidung der besonderen Insolvenzverursachungshaftung aus §§ 64 Abs. 3 GmbHG, 92 Abs. 2 S. 3 AktG sowohl die Liquiditätslage der eigenen Gesellschaft als auch die Liquiditätsentwicklungen des Cash Pools bzw. der Betreibergesellschaft ständig überprüfen und bei Bedrohung eigener Liquidität die Teilnahme am Cash Pooling unverzüglich beenden. Ferner droht den Geschäftsführern der Poolgesellschaften beim Cash Pooling ggf. auch eine Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht (§§ 826, 830 BGB, 266 StGB). Eine Überwachungspflicht nach der (ex-ante) zulässigen Darlehensvergabe trifft allerdings – nach herrschender Ansicht – nicht die Konzerngeschäftsleiter.42 Sowohl hinsichtlich des GmbH-Konzerns als auch des AG-Konzerns wird wegen des allgemeinen Haftungskonzepts (§§ 43 GmbHG, 93 AktG) lediglich die Geschäfts41 42

Kapitel 2, § 2, F. (zur GmbH) und Kapitel 2, § 3, F. (zur AG). Kapitel 2, § 2, H., I. (zur GmbH) und Kapitel 2, § 3, G., II., 1. (zur AG).

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

führung der Poolgesellschaften als dazu verpflichtet angesehen. Das herrschende Unternehmen bzw. der Konzerngeschäftsleiter wird nur als dazu verpflichtet erachtet, ein sachgerechtes „Informations- und Frühwarnsystem“ zu installieren, um den Geschäftsführern der Poolgesellschaften erforderliche Informationen über die wirtschaftlichen Entwicklungen der Betreibergesellschaft bzw. des Cash Pools zu liefern und ihnen dadurch die erforderliche Überwachung zu ermöglichen.43 Auf Basis des konzernrechtlichen Haftungskonzepts von §§ 311, 317 AktG, welches nach der ganz herrschenden Meinung als eine „verschuldensunabhängige Veranlasserhaftung“ ausgestaltet ist, wird angenommen, dass sich eine fortlaufende Prüfungspflicht der Konzernleitung in Bezug auf das Vollwertigkeitskriterium aus § 317 Abs. 3 AktG nicht herleiten lässt. Die Verantwortung der Konzerngeschäftsleitung kommt demzufolge gem. §§ 311, 317 AktG erst dann wieder in Betracht, wenn sie durch eine erneute weitere „Veranlassung“ in Form einer aktiven Einflussnahme den Vorstand der Poolgesellschaft dazu veranlasst, die Kreditkündigung und die Rückforderung des Darlehens zu unterlassen.44 Die Untersuchung hat allerdings ergeben, dass dieses Ergebnis im deutschen Schrifttum zunehmend kritisiert wird.45 Es wird darauf hingewiesen, dass bei Cash Pool-Konstellationen die Überprüfung der Vollwertigkeit und damit der Bonität der Betreibergesellschaft bzw. des herrschenden Unternehmens seitens der Geschäftsleitung der Poolgesellschaften mit praktischen sowie ökonomischen Schwierigkeiten verbunden ist und daher in den meisten Fällen eine effiziente sowie zuverlässige Überprüfung durch deren Geschäftsleitung nicht möglich ist. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Absicherung des Cash Pooling und die Ermöglichung einer effizient funktionierenden Durchführung verlangt nach der Mindermeinung die Einbeziehung des herrschenden Unternehmens bzw. der Konzerngeschäftsleiter in die Verantwortung mit Blick auf die Überwachungspflicht. Nach den Vertretern dieser Mindermeinung sollte daher vielmehr die Konzerngeschäftsleiter die Pflicht treffen, die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche fortlaufend zu überprüfen und die Kreditgeberin durch geeignete Maßnahmen vor dem Forderungsausfall zu bewahren, der sich aus der Insolvenz des herrschenden Unternehmens ergibt. Diese Pflicht des Konzerngeschäftsleiters ist nach einer Literaturmeinung aus seiner „Konzernleitungspflicht“ gegenüber seinem Anstellungskörper abzuleiten,46 während anderer Ansicht zufolge diese Pflicht der Konzerngeschäftsleiter aus der „Existenzvernichtungshaftung“ als Teilnehmer gem. §§ 826, 830 Abs. 2 BGB herzuleiten ist.47 Ein überwiegender Teil der Autoren stellt jedoch dabei auf § 317 Abs. 3 AktG ab (analog im GmbH-Konzern).48 Ihnen zufolge begründe diese Vorschrift nämlich – 43 44 45 46 47 48

Kapitel 2, § 3, G., I.. Kapitel 2, § 3, G., II., 1. Kapitel 2, § 2, H. (zur GmbH) und Kapitel 2, § 3, G., II., 2. (zur AG). Kapitel 2, § 2, H., III. (zur GmbH) und Kapitel 2, § 3, G., II., 2., b) (zur AG). Kapitel 2, § 2, H., IV. (zur GmbH). Kapitel 2, § 2, H., II. (zur GmbH) und Kapitel 2, § 3, G., II., 2., a) (zur AG).

§ 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung

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entgegen der herrschenden Ansicht – eine gewöhnliche „Verschuldenshaftung“. Demnach müssten die Konzerngeschäftsleiter, welche die abhängige Poolgesellschaft dazu veranlassen, unbesicherte Kredite an die Muttergesellschaft zu gewähren, die abhängige Poolgesellschaft ohne jede Einschränkung vor den Risiken bewahren, die sich aus einem Forderungsausfall wegen Insolvenz des herrschenden Unternehmens ergeben könnten. Deswegen müssten sie bis zur endgültigen Abwicklung des Kreditgeschäfts unter Kontrolle halten, dass die Beurteilung der Einbringlichkeit des Rückerstattungsanspruchs „nicht nachteilig“ zutreffe. Widrigenfalls müssten sie von sich aus unverzüglich sofortige Rückführung oder werthaltige Besicherung des Kredits anbieten. Die schuldhaft unzureichende Kontrolle der Bonitätsrisiken würde demnach eine Haftung der Konzerngeschäftsleiter gemäß § 317 Abs. 3 AktG nach sich ziehen. Konsequenterweise wird teilweise von den Vertretern dieser Ansicht eine Pflichtenverlagerung auf die Konzerngeschäftsleitung vorgeschlagen, sodass die Konzerngeschäftsprüfer primär, die Geschäftsleiter der Poolgesellschaften jedoch sekundär für die Vollwertigkeitsprüfung verantwortlich sein sollten.49 Da sich die letztgenannte Mindermeinung nicht durchsetzen konnte, lässt sich aus Sicht des deutschen Rechts unter Betrachtung der geltenden Rechtslage feststellen, dass die sich aus der bilanziellen Betrachtungsweise ergebenden Risiken im deutschen Recht mit einem umfangreichen Prüfungsprogramm der Geschäftsführung der Poolgesellschaften begegnet werden. Deswegen hängt ein effizienter kapitalerhaltungsrechtlicher Schutz der am Cash Pooling teilnehmenden Poolgesellschaften und damit eine reibungslose Durchführung eines Cash Pooling-Systems unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung nach der Einführung der bilanziellen Betrachtungsweise entscheidend davon ab, ob die Geschäftsführung der Poolgesellschaften ihre Überprüfungs- und Überwachungspflichten bezüglich der Vollwertigkeit sowohl vor als auch nach der Darlehensausreichung pflichtgemäß erfüllt. Ein Verstoß gegen diese Prüfungspflichten hat persönliche Konsequenzen für die Geschäftsführung der Poolgesellschaften zur Folge. Diese trägt insbesondere für den Zeitpunkt nach der Darlehensausreichung – bei der Insolvenz der herrschenden Gesellschaft alleine – das Risiko. Deswegen ist der in der deutschen Literatur bereits zum Teil geäußerten Kritik zuzustimmen, dass durch die gesellschafterfreundliche Neuerung der kapitalerhaltungsrechtlichen Regelungen das Haftungsrisiko von dem kreditempfangenen Gesellschafter auf die Geschäftsführer der Poolgesellschaften verlagert werde.50 Die Ermöglichung bzw. Vereinfachung der ökonomisch sinnvollen Cash PoolingPraxis durch das Vollwertigkeitskriterium ist jedenfalls aus betriebswirtschaftlicher Sicht als eine gelungene Entwicklung für Konzerne in Deutschland zu bezeichnen. Allerdings ist es nach hier vertretener Ansicht nicht gerechtfertigt, dass das Risiko des Cash Pooling die Geschäftsführung der Poolgesellschaften tragen muss, welche zumeist nicht freiwillig, sondern durch Einflussnahme seitens der Konzernge49 50

Kapitel 2, § 3, G., II., 2., c). U. a. K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 453 f.; Fleischer, NJW 2009, S. 2341.

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

schäftsleiter zur Teilnahme am Cash Pooling veranlasst werden und ohnehin bezüglich der Vollwertigkeitsüberprüfung mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.51 Die Konzerngeschäftsleitung hingegen, welche die Teilnahme am Cash Pooling veranlasst hat und in Bezug auf die wirtschaftlichen Entwicklungen vergleichsweise einen besseren Wissensstand und schnellere Reaktionsmöglichkeit hat, von einer entsprechenden Überwachungspflicht freizuhalten, lässt sich schwer als sachgerecht erachten. Es liegt nämlich auf der Hand, dass die Konzerngeschäftsleiter im Gegensatz zu den Geschäftsführern der Poolgesellschaften in einer besseren Position sind, die Bonität der Betreibergesellschaft (bzw. des herrschenden Unternehmens) zu überprüfen und die relevanten Daten zu bewerten. Vor dem Hintergrund des Schutzbedürfnisses der Gläubiger sowie der konzernfremden Minderheit der Poolgesellschaften sollte es zudem auch aus rechtlichen Gründen als ein Korrelat der konzernweiten Ausübung der Leitungsmacht angesehen werden, dass die Konzerngeschäftsleiter des herrschenden Unternehmens die Folgen des von ihnen veranlassten Cash Pooling überprüfen und die Poolgesellschaften vor den Insolvenzrisiken des herrschenden Unternehmens bzw. der Betreibergesellschaft bewahren. Wer die Fäden in der Hand hat, soll für den Schaden haften! Deswegen ist nach hier vertretener Ansicht die (sich im deutschen Recht nicht durchgesetzten) Mindermeinung im Ergebnis überzeugender. Auch die Interessenabwägung ergibt, dass insbesondere i.R.d. Cash Pooling-Systems, in dem ständig Liquidität ohne Besicherung von den Poolgesellschaften dem Cash Pool zufließt und gerade deswegen die Insolvenz der Betreibergesellschaft existenzgefährdend für die Poolgesellschaften sein könnte, die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche der Poolgesellschaften durch die Konzerngeschäftsleiter ständig kontrolliert und bei Gefahr die Mittelzufuhr durch die Konzerngeschäftsleiter gestoppt werden muss. Die Inanspruchnahme der Konzerngeschäftsleiter würde einerseits eine gewisse präventive bzw. verhaltenssteuernde Wirkung haben, sodass diese zur Minimierung eigener Haftungsrisiken mit größtmöglicher Aufmerksamkeit die wirtschaftlichen Entwicklungen des Cash Pools überwachen und rechtzeitig benötigte Maßnahmen ergreifen. Andererseits würde damit die (m. E. nicht sachgerechte) Haftungsverlagerung auf die Geschäftsleitung der Poolgesellschaften beim späteren Verlust der Vollwertigkeit verhindert. Denn im Falle der Insolvenz des herrschenden Unternehmens könnten dann die Geschäftsführer der Poolgesellschaften zumindest die Konzerngeschäftsleiter in Anspruch nehmen. Diese infolge der Inanspruchnahme der Konzerngeschäftsleiter zu entstehenden positiven Wirkungen würden m. E. im Ergebnis allgemein zur Sicherung eines effizienten Cash Pooling-Verfahrens aus Sicht aller Beteiligten beitragen. Da allerdings unter geltender Rechtslage die fortlaufende Überwachungspflicht zur Vollwertigkeit ausschließlich dem Pflichtenkreis der Geschäftsführer der Poolgesellschaften gehört, könnte man behaupten, dass das Cash Pooling jetzt zwar nicht mehr ein „Sorgenkind“52 hinsichtlich des darlehensnehmenden Gesellschafters (also der Muttergesellschaft) unter dem Ka51 52

Kapitel 2, § 2, H., V. und Kapitel 2, § 3, G., II., 3. Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rn. 358.

§ 2 Unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung

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pitalerhaltungsgesichtspunkt ist, aber womöglich als ein „Sorgenkind“ für die Geschäftsführung der Poolgesellschaften bleibt. - Wie im deutschen Recht trifft auch im türkischen Recht die Geschäftsführung der Poolgesellschaften gem. Art. 369 Abs. 1 tHGB (zur AG), 626 Abs. 1 S. 1 tHGB (zur GmbH) die Pflicht, auf Grundlage der Bonität der Betreibergesellschaft bzw. des herrschenden Unternehmens vor und nach der Valutierung die Realisierbarkeit der Rückzahlungsansprüche der Poolgesellschaften zu überprüfen. Diese Prüfungspflicht trifft sowohl die Geschäftsführung der einfach beherrschten Poolgesellschaft als auch diejenige der vollständig beherrschten Poolgesellschaft.53 Betrachtet man die Haftungslage der Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaften im türkischen Recht, lässt sich aus rechtsvergleichender Hinsicht annehmen, dass die Geschäftsführung der Poolgesellschaften – im Vergleich zum deutschen Recht – mit Blick auf die aus dem Cash Pooling-Verfahren resultierenden Haftungsrisiken in einer besseren Lage ist. Dies ergibt sich zunächst aus dem konzernrechtlichen Haftungskonzept des herrschenden Unternehmens bzw. seines Verwaltungsorgans, welches vom deutschen abweicht. Anders als die herrschende Meinung in Deutschland, der zufolge die Haftung des herrschenden Unternehmens bzw. seiner gesetzlichen Vertreter als eine „verschuldensunabhängige Veranlassungshaftung“ zu klassifizieren ist, ist im türkischen Konzernrecht diese Haftung im Gesetz als „Verschuldenshaftung“ konzipiert (Art. 202 Abs. 1 lit. e tHGB, i.V.m. Art. 553 tHGB). Dies gilt sowohl für die einfache als auch für die vollständige Beherrschung.54 Daher müssen die Konzerngeschäftsleiter im türkischen Recht, welche die abhängigen Poolgesellschaften dazu veranlassen, i.R.d. Cash Pooling unbesicherte Kredite an das herrschende Unternehmen zu gewähren, die Poolgesellschaften vor den Risiken bewahren, die sich aus einem Forderungsausfall wegen Insolvenz des herrschenden Unternehmens ergeben können.55 Zur Vermeidung der Haftung müssen sie bis zur endgültigen Abwicklung des Kreditgeschäfts kontrollieren, dass die Beurteilung der Einbringlichkeit der Rückerstattungsansprüche aus dem Cash Pooling-Verfahren „nicht nachteilig“ zutrifft, also erhalten bleibt. Sowohl bei der einfachen als auch bei der vollständigen Herrschaft sollten die (für das Cash Pooling betrauten) Konzerngeschäftsleiter vor sowie nach der Valutierung die Einbringlichkeit des Ausgleichs- und damit des Rückerstattungsanspruchs der Darlehenssumme überprüfen und insoweit bei späteren Bonitätsverschlechterungen der Betreibergesellschaft bzw. des herrschenden Unternehmens mit geeigneten Maßnahmen darauf reagieren, sodass die Poolgesellschaft keinen Schaden erleidet. Für die schuldhaft unzureichende Überprüfung bzw. Überwachung der Bonitätsrisiken für die Poolgesellschaft, die sich aus ihrer Teilnahme am Cash Pooling ergeben, 53

Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), bb) (zur einfachen Beherrschung) und Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., b), bb), (2) (zur vollständigen Beherrschung). 54 Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., b), aa) (zur einfachen Beherrschung) und Kapitel 2, § 4, C., VI., 3., c), aa) (zur vollständigen Beherrschung). 55 Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., b), bb).

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

müssen die Konzerngeschäftsleiter gemäß Art. 202 Abs. 1 tHGB haften. Somit lässt sich in vergleichender Hinsicht feststellen, dass anders als die in Deutschland herrschende Ansicht, wonach die Verantwortung der Konzerngeschäftsleiter nach der Valutierung einer erneuten Veranlassung (z. B. zum Unterlassen einer möglichen Kündigung) bedarf,56 es aus Sicht des türkischen Rechts, in dem auf die „Verschuldenshaftung“ abgestellt wird, nicht unbedingt zu einer erneuten „Veranlassung“ kommen muss. Denn aus dem auf Verschulden abstellenden Haftungskonzept des türkischen Konzernrechts folgt, dass die Konzerngeschäftsleiter zur Vermeidung ihrer Haftung bei Cash Pooling ständig die Bonität der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft unter Kontrolle halten und bei Verschlechterung mit angemessenen Maßnahmen darauf reagieren müssen. Darüber hinaus beinhaltet das türkische Konzernrecht anders als im deutschen Recht eine besondere Regelung (Art. 202 Abs. 5 tHGB), wonach die gesetzlichen Vertreter der einfach-abhängigen Gesellschaft von der herrschenden Gesellschaft verlangen können, dass sie alle Rechtsfolgen ihrer Handlungen und damit ihre Haftung gegenüber den Aktionären sowie Gläubigern aus Art. 202 tHGB durch einen Vertrag übernimmt.57 D. h. das türkische Konzernrecht bietet den gesetzlichen Vertretern der (einfach-)abhängigen Gesellschaften die Möglichkeit, die Rechtsfolgen ihrer im Rahmen von Art. 202 tHGB ausgelösten Pflichtverletzung auf die herrschende Gesellschaft abzuwälzen. Es ist allerdings in der Literatur umstritten, ob die Norm eine Pflicht seitens der herrschenden Gesellschaft begründet, den sog. Haftungs-Übernahmevertrag abzuschließen, falls dies von der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft verlangt wird. Nach der – auch m. E. zutreffenden – herrschenden Ansicht ist diese Norm in der Weise auszulegen, dass dadurch einerseits den Geschäftsleitern der abhängigen Gesellschaft ein „Anspruchsrecht“ auf einen solchen Vertragsabschluss eingeräumt wird, andererseits der herrschenden Gesellschaft die Pflicht auferlegt wird, auf Verlangen den Vertrag abzuschließen. Anderenfalls würde es nämlich keinen Sinn ergeben, eine solche Regelung ins Gesetz einzuführen. Demgemäß hat die Geschäftsführung der Poolgesellschaft nach dem türkischen Recht – anders als im deutschen Recht – einen Anspruch darauf, zu verlangen, vor dem Abschluss des Cash Pooling-Vertrags mit der herrschenden Gesellschaft einen Haftungsübernahmevertrag abzuschließen und damit die Möglichkeit, das sich aus dem Cash Pooling ergebende Haftungsrisiko auf das herrschende Unternehmen zu verlagern. Dass der türkische Gesetzgeber den Geschäftsführern der einfach-abhängigen Gesellschaften eine solche Möglichkeit einräumt, ist m. E. begrüßenswert. Es ist nämlich eine sachgerechte Reaktion auf die Tatsache, dass auch die Geschäftsführung der einfach abhängigen Gesellschaften – wie diejenigen der vollständig abhängigen Gesellschaften – unter der Beherrschungsmacht der herrschenden Gesellschaft stehen und daher zumeist de facto nicht in der Lage sind, sich durchzusetzen. Diese Möglichkeit gewinnt insbesondere beim 56 57

Kapitel 2, § 3, G., II., 1. Kapitel 2, § 4, C., VI., 2., a), cc).

§ 3 Unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung

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Cash Pooling-System an Bedeutung, weil dies hohe Haftungsrisiken für die Geschäftsführung der Poolgesellschaften mit sich bringt. Und wenn man bedenkt, dass die Teilnahme an einem Cash-Pooling selten der freien Willensbildung der Geschäftsführung der einzelnen Konzernunternehmen unterliegt, sondern zumeist auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens geschieht, wird die erhebliche Bedeutung dieser Möglichkeit für die Geschäftsführung der Poolgesellschaften ersichtlich. Es soll allerdings dabei nicht unerwähnt bleiben, dass diese Möglichkeit ihre befreiende Funktion seitens der Geschäftsführer der Poolgesellschaften nur dann vollständig entfalten kann, sofern das herrschende Unternehmen solvent ist.

§ 3 Unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung A. Unterscheidung nach dem Kontostand der betreffenden Poolgesellschaft - Nach wie vor wird in §§ 19 Abs. 4, 5 GmbHG, 27 Abs. 3, 4 AktG tatbestandlich zwischen den Rechtsfiguren der „verdeckten Scheinlage“ und des „Hin- und Herzahlens“ unterschieden, wobei das wesentliche Abgrenzungsmerkmal die Sacheinlagefähigkeit der Leistung des Inferenten bildet.58 Der Gesetzgeber des MoMiG erkennt auch unter der neuen Rechtslage den gegen den Inferenten gerichteten Forderungen keine Sacheinlagefähigkeit zu. Damit hält er an der Abgrenzung des Hin- und Herzahlens von der verdeckten Sacheinlage fest. Daher wird in deutschem Recht die Zulässigkeit eines Kapitalaufbringungsvorgangs i.R.d. Cash Pooling wie schon im bisherigen Recht nicht einheitlich, sondern unterschiedlich danach bewertet, ob im Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagebetrags an den Cash Pool59 der Saldo des internen Verrechnungskontos zugunsten der Poolgesellschaft negativ oder positiv bzw. ausgeglichen war.60 Dies wurde auch durch die Rechtsprechung („Cash Pool-II“-Urteil) ausdrücklich bestätigt.61 Besteht zum relevanten Zeitpunkt für die Poolgesellschaft gegenüber der Betreibergesellschaft ein negativer Saldo, liegt ein Anwendungsfall der „verdeckten Sacheinlage“ vor. Denn der Poolgesellschaft fließt im wirtschaftlichen Ergebnis infolge der Weiterleitung der Bareinlage auf das Zentralkonto nicht der vereinbarte Barbetrag, sondern ihr wird die Befreiung von der Verbindlichkeit aus der Cash Pool-Verbindung eingebracht, was ordnungsgemäß eigentlich als Sacheinlage hätte eingebracht werden müssen. Soweit die Poolgesellschaft hingegen zum relevanten Zeitpunkt gegenüber der Betreibergesellschaft einen po58 59 60 61

Kapitel 3, § 2, C., I. BGHZ 182, 103, Rn. 10, 37, „Cash Pool-II“. Kapitel 3, § 2, C., II. BGHZ 182, 103, Rn. 10 f., „Cash Pool-II“.

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

sitiven bzw. ausgeglichenen Saldo ausweist, liegt ein Fall des „Hin- und Herzahlens“ vor. Denn mit der Weiterleitung der Einlagemittel auf das Zentralkonto gewährt die Poolgesellschaft der Betreibergesellschaft ein Darlehen und damit wird ein Darlehensrückzahlungsanspruch zugunsten der Poolgesellschaft begründet, welcher nicht sacheinlagefähig ist. Dieser Differenzierung kommt nach der Neuregelung eine erhebliche Bedeutung zu, weil das Gesetz nunmehr an die Rechtsfiguren – anders als die alte Rechtslage – unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen anknüpft. - Die Zulässigkeit der i.R.d. Cash Pooling-System erfolgten Zahlungen im Zusammenhang mit dem Kapitalaufbringungsvorgang einer Poolgesellschaft muss man auch aus Sicht des türkischen Rechts je nach dem Kontostand der betroffenen Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der eingezahlten Mittel in den Cash Pool unterschiedlich behandeln. Der Grund für diese Unterscheidung liegt allerdings nicht – wie im deutschen Recht – in der Differenzierung zwischen den kapitalaufbringungsrechtlichen Rechtsinstituten der „verdeckten Sacheinlage“ und des „Hin- und Herzahlens“. Anders als das deutsche Recht kennt das türkische Recht vor allem keine entsprechenden Schutzmechanismen im Kapitalaufbringungskontext. Im türkischen Recht sind zwar die Forderungen gegen die Gesellschaft sacheinlagefähig, aber anders als das deutsche Recht nicht sacheinlagepflichtig. Denn das türkische Recht kennt als eine Einlageform das „Verrechnungsinstitut“, welches die Einbringung solcher Forderungen außerhalb des Sacheinlagekontextes, d. h. unmittelbar durch die Verrechnung ermöglicht.62 Die verabredete darlehensweise Rückzahlung der im Zusammenhang mit dem Kapitalaufbringungsvorgang einbezahlten Mittel an die Muttergesellschaft, was ja im Cash Pooling im Falle des Nichtvorliegens von Verbindlichkeiten der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool der Fall ist, tangiert zudem im türkischen Recht – anders als im deutschen Recht – nicht das Kapitalaufbringungsrecht, sondern dieser Vorgang unterliegt den kapitalerhaltungsrechtlichen Schutzmechanismen.63 Deswegen ist die Unterscheidung im türkischen Recht, die auf der Grundlage des Kontostands der betroffenen Poolgesellschaft zum Zeitpunkt der Weiterleitung der eingezahlten Mittel in den Cash Pool vorzunehmen ist, hinsichtlich der Feststellung von Bedeutung, ob die Kapitalerhöhungsregeln oder die Kapitalerhaltungsregeln eingreifen sollen.

62 63

Kapitel 3, § 3, B., I. Kapitel 3, § 3, C.

§ 3 Unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung

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B. Rechtslage beim Vorliegen von Verbindlichkeiten der betreffenden Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool - Im deutschen Recht ist zwar die verdeckte Sacheinlage nach wie vor verboten bzw. unzulässig, allerdings wurden die zivilrechtlichen Folgen abgemildert. Außer dass die Verträge über die verdeckte Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht mehr unwirksam sind, hat die verdeckte Sacheinlage nunmehr eine gewisse Tilgungswirkung, sodass die Geldeinlagepflicht des Inferenten in Höhe des Wertes des verdeckt eingebrachten Gegenstands erlischt („Anrechnungslösung“) und sich die Einlagepflicht auf den „Differenzbetrag“ beschränkt.64 In der Cash Pooling-Praxis geht es um die Anrechnung des Wertes der Forderung der Betreibergesellschaft, die sie gegen die betreffende Poolgesellschaft aus dem Cash Pool hat.65 Da sich die Bewertung einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung im deutschen Recht nach herrschender Meinung unter Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft nach dem realen Wert (nicht nach dem Nominalwert) der Forderung richtet („Werthaltigkeitsprinzip“), hängt die Erfüllungswirkung der Kapitalerhöhung im Cash Pooling davon ab, dass die verdeckt eingebrachte Darlehensforderung der Betreibergesellschaft vollwertig ist und damit der reale Wert der Forderung ihrem Nennwert entspricht. Dementsprechend wirkt sich die Anrechnungslösung bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage i.R.d. Cash Pooling auf die Einlageschuld der Muttergesellschaft nach geltender Rechtslage in der Weise aus, dass die Einlageschuld um den realen Wert der Darlehensforderung der Betreibergesellschaft gegen die betreffende Poolgesellschaft gemindert wird und insoweit erlischt. Bleibt wegen mangelnder Bonität der betreffenden Poolgesellschaft der reale Wert der Forderung hinter deren Nennwert zurück, so bringt die Anrechnung die Einlageschuld der Muttergesellschaft nur teilweise, also um den realen Wert der Forderung zum Erlöschen. So besteht die Einlageschuld der Muttergesellschaft in Höhe der Differenz fort. Somit ist festzustellen, dass die Zulässigkeit der Barkapitalerhöhung im Cash Pooling bei Vorliegen des Tatbestands der verdeckten Sacheinlage nunmehr davon abhängt, ob die betreffende Poolgesellschaft zum relevanten Zeitpunkt hinreichende Bonität hat. Dies dürfte allerdings in der Praxis des Cash Pooling eher selten der Fall sein. Denn führt man sich vor Augen, dass die Kapitalerhöhung häufig zu Sanierungszwecken einer Poolgesellschaft erfolgt, welche bereits viel Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool hat und schon einen negativen Saldo auf dem Verrechnungskonto ausweist, dürfte die Bonität einer von der kriselnden, sanierungsbedürftigen Poolgesellschaft nicht mehr ausreichen, um eine gegen sie gerichtete Darlehensforderung vollwertig zu decken. Daher dürfte der reale Wert der Forderung in den meisten Fällen weit unter dem nominellen Betrag bleiben. Aus diesem Grund sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Anrechnungslösung für 64 65

Kapitel 3, § 2, C., III., 2., a). Kapitel 3, § 2, C., III., 2., b).

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

den Fall der verdeckten Sacheinlage im Cash Pooling nur begrenzt Abhilfe schaffen dürfte, nämlich nur insoweit, als die verdeckt eingelegte Forderung bei objektiver Bewertung noch teilweise realisierbar wäre.66 In dem Fall, dass die Überschuldung bedroht oder schon eingetreten ist, dürfe sogar nur ein geringer Unterschied zur früheren Rechtslage bestehen, da der tatsächliche Wert der Forderung der Betreibergesellschaft in der Krise weit unterhalb des Nominalbetrags liegen und die Differenzhaftung nur unerheblich von der erneuten Zahlungspflicht des Nominalbetrags abweichen würde. Dieses aus Sicht der Gesellschafter unerwünschte Ergebnis resultiert schlichtweg aus dem im deutschen Recht vorherrschenden traditionellen Verständnis zur „Bewertungsmethodik“ der gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen, wonach es nicht auf den Nennwert der Verbindlichkeit, sondern auf den nach der Bonität der Gesellschaft zu bewertenden realen Wert der Forderung ankommen soll („Vollwertigkeitserfordernis“). Würde man hingegen der zunehmend vertretenen Gegenansicht folgen, wonach die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen zum Nennwert einzubringen bzw. anzurechnen seien, würde allerdings eine solche Schwierigkeit bei der Barkapitalerhöhung beim Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage i.R.d. Cash Pooling nicht entstehen.67 Denn dann würde es bei der Anrechnung auf den Nennwert der Verbindlichkeit ankommen und die Forderung müsste nicht (mehr) tatsächlich vollwertig sein. So würde die Bareinlagezahlung in Folge der Anrechnung direkt im Umfang des Nennwerts der Verbindlichkeit zum Erlöschen kommen und damit der Muttergesellschaft – im Gegensatz zur geltenden Rechtslage – keine Differenzhaftung drohen. Deswegen ist an dieser Stelle festzustellen, dass die – von dem MoMiG bezweckte – Erleichterung des Kapitalaufbringungsvorgangs im Cash Pooling bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage eher dann möglich wäre, wenn man bei der Bewertung der Forderung nicht das von der herrschenden Ansicht vertretene „Vollwertigkeitsprinzip“, sondern das „Nennwertprinzip“ als Maßstab nehmen würde.68 Auf der Grundlage der geltenden Bewertungsmethode lässt sich schlussfolgern, dass die für die verdeckte Sacheinlage vorgesehene Anrechnungslösung des Gesetzes bei Cash Pooling-Konstellationen nur für den Fall eine Erleichterung zugunsten der Muttergesellschaft darstellt, wenn es sich um die Kapitalerhöhung einer solventen Poolgesellschaft und damit im Allgemeinen um einen wirtschaftlich gesunden Konzern handelt. Da allerdings die verdeckte Sacheinlage – nach wie vor – verboten ist, macht sich die Geschäftsführung der Poolgesellschaft beim Vorliegen der verdeckten Sacheinlage wegen der falschen Angabe zivilrechtlich und strafrechtlich haftbar.69 Deswegen ist darauf hinzuweisen, dass die Entschärfung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage beim Cash Pooling eher der Mutterge66 67 68 69

Kapitel 3, § 2, C., III., 2., c). Kapitel 3, § 2, C., III., 3., d). Kapitel 3, § 2, C., III., 3., d). Kapitel 3, § 2, C., III., 5., a).

§ 3 Unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung

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sellschaft zugute kommt, die Geschäftsführung der Poolgesellschaften jedoch ein schärferes Haftungsrisiko bedroht. - Im Vergleich zum deutschen Recht ist der Kapitalerhöhungsvorgang beim Vorliegen von Verbindlichkeiten der Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool im türkischen Recht unkomplizierter. Denn im türkischen Recht ist das „Verrechnungsinstitut“ anerkannt, das – im Gegensatz zu deutschem Recht – die Einlageeinbringung unmittelbar im Wege der Verrechnung mit der Altforderung des Inferenten außerhalb des Sacheinlagekontextes zulässt.70 Vor dem neu-tHGB war zwar dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, ob die Einlageleistung durch Verrechnung der Forderung gegen die Gesellschaft zulässig oder verboten war, aber die Lehre und die Praxis gingen von der Zulässigkeit der Verrechnung aus. Der Gesetzgeber des neu-tHGB nahm hingegen die Verrechnungsmöglichkeit in den Gesetzestext auf. Auch unter neuer Rechtslage wird zwar der Verrechnungstatbestand von der Lehre – nach wie vor – nicht als eine eigenständige, dritte Form der Einlageleistung, sondern als eine „Erfüllungsmethode der Bareinlageschuld“ angesehen.71 Nach hier vertretener Ansicht steht jedoch die in der Lehre herrschende dogmatische Einordnung des Verrechnungstatbestands der jetzigen Konzeption des neu-tHGB entgegen. Es wird zwar im Gesetzestext (zur AG) weder explizit ausgedrückt, dass die Verrechnung eine eigene Einlageform neben der Bar- und Sacheinlage ist, noch ihm wird anders als der Bar- und Sacheinlage eigene Norm gewidmet. Aber sein eigenständiger Charakter als Einlageform (zumindest bei der Kapitalerhöhung) geht vor allem aus Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB („Kapitalerhöhungsbericht“) hervor, in dem der Verrechnungstatbestand, neben der Bareinlage und der Sacheinlage, explizit und gesondert als ein zu berichtender Tatbestand aufgezählt wird, für den spezielle Modalitäten vorgesehen sind, die sich von jenen der Bar- und Sacheinlage unterscheiden.72 Dies unterstützt zudem Art. 583 Abs. 5 tHGB (zur GmbH), in dem die Verrechnung, neben der Bar- und Sachleistung, ausdrücklich als eine gesonderte Einlageleistungsmöglichkeit aufgezählt wird. Ferner zielt die Geldeinlage (und auch die Sacheinlage) auf eine Mehrung des Aktivvermögens ab, während es sich bei der Einlageleistung durch Verrechnung um die Verminderung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft und damit um die Beseitigung eines Passivums handelt. Auch dieser Unterschied ist ein Indiz dafür, dass die Verrechnung nicht nur als eine Zahlungsmethode der geschuldeten Bareinlage oder als ein Surrogat für den Geldzufluss an die Gesellschaft bei Bareinlagen angesehen werden kann. Aus erwähnten Gründen ist der Verrechnungstatbestand nach dem neuen Konzept des tHGB als eine eigenständige und qualifizierte Einlageform zu qualifizieren, die von Vornherein auf die Befreiung der Gesellschaft von ihrer Verbindlichkeit abzielt. 70 71 72

Kapitel 3, § 3, B., I., 3., b), aa). Kapitel 3, § 3, B., I., 3., b), bb), (1). Kapitel 3, § 3, B., I., 3., b), cc), (2), (a).

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

Nach wie vor ist in der türkischen Rechtspraxis bei der Einlageleistung durch Verrechnung das „Nennwertprinzip“ üblich. Dies wurde nach dem Inkrafttreten des neu-tHGB durch das Dekret des Ministeriums für Zoll und Handel bestätigt.73 Demnach ist weder eine Wertüberprüfung nach der Bonität der Gesellschaft noch die Werthaltigkeit der zur Verrechnung einzubringenden Forderungen erforderlich. Erforderlich ist nur, dass die zur Verrechnung einzubringenden Forderungen von vereidigten Buchführern bzw. Wirtschaftsprüfern auf ihren „Bestand“ und die „Verrechenbarkeit“ hin überprüft werden. Nach hier vertretener Ansicht lassen sowohl der Wortlaut als auch das Konzept des neu-tHGB keinen Zweifel daran, dass die Einbringung der Forderungen gegen die Gesellschaft – anders als die Forderungen gegen Dritten – keine Sacheinlage darstellt und anderen Regeln unterliegt.74 Durch die Schaffung des besonderen Verrechnungstatbestands in Art. 457 Abs. 2, lit. a tHGB regelt nämlich das Gesetz den Umwandlungsvorgang der Forderungen gegen die Gesellschaft in Eigenkapital gesondert und setzt dafür eigenständige Formvorschriften voraus, welche sich explizit von Sacheinlagen unterscheiden. Denn während der Gesetzgeber den Wertaspekt sowohl in Art. 343 tHGB bei der Bewertung der Forderungen (gegen Dritte) als auch im Rahmen des Kapitalerhöhungsberichts allgemein hinsichtlich der Bewertung der Sacheinlagen ausdrücklich erwähnt, lässt er ihn bei der Verrechnung weg und verlangt nur eine Überprüfung auf den „Bestand“, „Gültigkeit“ und die „Verrechenbarkeit“ der Forderung hin. Daraus ergibt sich offensichtlich, dass der Gesetzgeber des neu-tHGB – eher stillschweigend – für die Forderungen gegen die Gesellschaft ein anderes Regime als die Forderungen gegen Dritte vorsieht und für sie keine Werthaltigkeitskontrolle verlangt. Somit lässt sich aus rechtsvergleichender Sicht feststellen, dass aufgrund der Möglichkeit zur Einlageeinbringung durch Verrechnung zum Nennwert der Kapitalerhöhungsvorgang im Cash Pooling beim Vorliegen von Verbindlichkeiten der Poolgesellschaften – anders als im deutschen Recht – im türkischen Recht kapitalaufbringungsrechtlich unproblematischer ist. Dass die Forderung wegen der (zumeist) Sanierungsbedürftigkeit der Poolgesellschaft nicht vollständig einbringlich und damit nicht vollwertig ist, beeinträchtigt die Zulässigkeit der Kapitalerhöhung der Poolgesellschaft – anders als das deutsche Recht – nicht.75 Wenn die Forderung tatsächlich besteht und nach den allgemeinen Regeln verrechenbar ist, kommt also der Einlageschuld der Muttergesellschaft in Umfang der zur Verrechnung eingebrachten Forderung völlig zum Erlöschen und der Kapitalerhöhungsvorgang wird rechtsgemäß abgeschlossen. Daher bestehen aus Sicht des türkischen Rechts auch keine Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit einer Barkapitalerhöhung im Cash Pooling, obwohl die zuerst (tatsächlich) in die Poolgesellschaft eingezahlten Geldmittel zur Tilgung ihrer sich aus dem Cash Pool ergebenden, vorbestehenden Verbindlichkeit gegenüber der geldeinlegenden Muttergesellschaft 73 74 75

Kapitel 3, § 3, B., I., 3., c), aa). Kapitel 3, § 3, B., I., 3., c), cc), (1) und (2). Kapitel 3, § 3, B., II., 2., c).

§ 3 Unter dem Aspekt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung

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eingesetzt werden und damit die Barzahlung wieder der Muttergesellschaft zurückgezahlt wird.76 Allerdings müssen nach hier vertretener Ansicht in dem Fall, dass die Einlageerfüllung bei der Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft nicht direkt im Wege der Verrechnung der ihr gegenüber vorbestehenden Forderung erfolgt, sondern erst eine Barzahlung stattfindet und dann das Mittel zur Forderungstilgung in den Pool zurückgezahlt wird, die Formvorschriften des Verrechnungsinstituts analog angewendet werden.77 Demnach muss in diesem Fall die Geschäftsführung der Poolgesellschaft bei Barkapitalerhöhung die geplante/baldige Erfüllung der sich aus dem Cash Pooling ergebenden Forderung der Betreibergesellschaft im Kapitalerhöhungsbericht angeben und sich zum Bestand einer solchen Forderung äussern.78 Damit sollte den Parteien die Möglichkeit entzogen werden, durch einen Umweg (Erst Hinzahlen, dann Zurückbekommen) die Offenbarung des Vorgangs der Verrechnung zu vermeiden und somit einen wegen baldiges Rückflusses der Mittel der Tatsache nicht entsprechenden Eindruck zu erregen, dass der Gesellschaft neues Kapital zugeführt wurde.

C. Rechtslage beim Nichtvorliegen von Verbindlichkeiten der betreffenden Poolgesellschaft gegenüber dem Cash Pool - Zwar bleibt das Hin- und Herzahlen der Einlage nach wie vor grundsätzlich verboten, aber anders als in früherer Rechtslage gilt die Rückgewähr der Einlage bei der Erfüllung der in §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG normierten Voraussetzungen nicht mehr als tilgungsschädlich, sondern als zulässig.79 Zur Erleichterung der „ökonomisch sinnvollen“ Cash Pooling-Praxis stellt der Gesetzgeber des MoMiG auch für den Fall des Hin- und Herzahlens im Stadium der Kapitalaufbringung auf die „bilanzielle Betrachtungsweise“ ab. Dem Hin- und Herzahlen wird zudem – anders als bei der verdeckten Sacheinlage – „Erfüllungswirkung“ zuerkannt, vorausgesetzt, dass alle vorgesehenen Anforderungen vollständig erfüllt sind. Für die Zulässigkeit der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung i.R.d. Cash Pooling muss demnach die betreffende Poolgesellschaft in Folge der Einlagenrückgewähr auf das Zentralkonto einen vollwertigen Rückgewähranspruch bekommen. Aufgrund des dem Hin- und Herzahlen zugrundeliegenden „Alles-oder-nichts“-Konzepts muss er allerdings vollumfänglich vollwertig sein.80 Bei Vorliegen einer teilweisen Werthaltigkeit ist – anders als bei der verdeckten Sacheinlage – eine anteilige Tilgung der Einlageleistung nicht möglich. Entweder kommt die Einlageschuld vollständig zum Erlöschen („alles“) oder besteht die Einlageschuld vollständig fort („nichts“). Daher muss die Betreiber76 77 78 79 80

Kapitel 3, § 3, B., III., 1. Kapitel 3, § 3, B., III., 2., b). Kapitel 3, § 3, B., III., 2., c). Kapitel 3, § 2, C., IV., 1. Kapitel 3, § 2, C., IV., 2., c).

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

gesellschaft zum Zeitpunkt des Mittelrückflusses an den Cash Pool vollständig solvent sein, damit das Cash Pooling-System vom Privileg von §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG Gebrauch machen kann und der Barzahlung der Muttergesellschaft trotz der Rückzahlung der einbezahlten Mittel Tilgungswirkung zuerkannt wird. Zweitens muss der Rückgewähranspruch der Poolgesellschaft fällig sein oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden können.81 Die bloße Möglichkeit, auf Mittel des Cash Pools zuzugreifen, reicht allerdings nach BGH nicht aus, um den Rückgewähranspruch als fällig in diesem Sinne zu qualifizieren.82 Für die Cash Pooling-Praxis ist es vielmehr ein Erfordernis, schon im Cash Pool-Vertrag durch besondere Kündigungsregelungen der Poolgesellschaft eine jederzeitige fristlose Kündigung unabhängig von einer Interessenabwägung zu ermöglichen. Drittens muss in der Anmeldung der Kapitalmaßnahme angegeben werden, dass die betreffende Gesellschaft an einem Cash Pool teilnehmen wird oder bereits teilgenommen hat und sie daher den eingezahlten Betrag kurzfristig auf den Cash Pool und damit auf das Konto der Muttergesellschaft einzahlen wird („Offenlegungspflicht“).83 Im Falle der Erfüllung all dieser Voraussetzungen verwirklicht sich die Erfüllungswirkung der Einlageleistung gemäß §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG und die Einlageforderung der Poolgesellschaft erlischt in Höhe des von der Muttergesellschaft geleisteten Betrags – trotz der Rückzahlung – vollständig.84 Da die Einlageverpflichtung der Muttergesellschaft rechtmäßig erfüllt wird, wird die Kapitalaufbringung ordnungsgemäß abgeschlossen, und die Geschäftsführung der Poolgesellschaft trifft im Hinblick auf die Rückzahlung der Einlage vorerst keine Haftung. Allerdings bleibt sie nach den Maßgaben von „MPS“-Urteil des BGH85 (zur Kapitalerhaltung) dazu verpflichtet, die Vollwertigkeit ständig unter Kontrolle zu halten und bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Betreibergesellschaft bzw. der Muttergesellschaft das Darlehen sofort zu kündigen oder die Besicherung des Darlehens zu fordern.86 Anderenfalls verstößt der Geschäftsführer bzw. der Vorstand gegen seine Sorgfaltspflichten (§§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 1, S. 1 AktG), was eine Schadensersatzpflicht gemäß §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG begründen kann. Werden allerdings nicht alle Voraussetzungen rechtsgemäß erfüllt, kommt der Einlageleistung der Muttergesellschaft aufgrund des verabredeten Hin- und Herzahlens insgesamt keine Erfüllungswirkung zu.87 In diesem Fall richtet sich die Rechtslage nach den vor dem Inkrafttreten des MoMiG geltenden Rechtsprechungsgrundsätzen mit der Folge, dass die ursprüngliche Einlageforderung der Poolgesellschaft weiterhin fortbe81 82 83 84 85 86 87

Kapitel 3, § 2, C., IV., 2., a), bb). BGHZ 182, 103, Rn. 27 f., „Cash Pool-II“. Kapitel 3, § 2, C., IV., 2., b). Kapitel 3, § 2, C., IV., 3., a), aa). BGHZ 179, 71, Rn. 14 ff., „MPS“ Urteil. Kapitel 3, § 2, C., IV., 3., a), bb). Kapitel 3, § 2, C., IV., 3., b), aa).

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steht und die Zahlungsvorgänge sowie die schuldrechtliche Vereinbarung (der Darlehensvertrag) als nichtig gelten. Eine Heilung ist dabei – nach wie vor – weder durch Rückzahlung des Darlehens noch durch die Verrechnung der Einlageschuld mit der Neuforderung der Betreibergesellschaft möglich, weil eine Zuordnung der Einzahlungen der offenen Einlage in Cash Pool-Konstellationen nicht möglich sei.88 - Im türkischen Recht ist hingegen weder eine gesetzliche Regelung noch ein durch die Rechtsprechung bzw. die Lehre entwickeltes Rechtsinstitut vorhanden, welches die verabredete (darlehensweise) Rückzahlung der im Rahmen des Kapitalaufbringungsvorgangs eingezahlten Mittel mit Blick auf die Zulässigkeit der realen Kapitalaufbringung als problematisch bzw. gefährlich ansieht und diesen Vorgang – wie das deutsche Recht – schon im Umfeld der Kapitalaufbringung behandelt. Daher gehört der im deutschen Recht durch das Rechtsinstitut des Hinund Herzahlens erfasste Vorgang aus Sicht des türkischen Rechts nicht in den Kontext der Kapitalaufbringung, sondern in jenen der Kapitalerhaltung. Dementsprechend ist die Zulässigkeit der Weiterleitung der i.R.d. Kapitalaufbringung in eine Poolgesellschaft eingebrachten Mittel in den Cash Pool im türkischen Recht an den kapitalerhaltungsrechtlichen Regeln zu messen.89 So unterscheidet sich das türkische Recht deutlich vom deutschen Recht: Während aus der Sicht des türkischen Rechts darlehensweise Auszahlungen einer Poolgesellschaft im Zusammenhang mit der Gründung oder der Kapitalerhöhung eingezahlten Mittel in den Cash Pool die Kapitalerhaltungsvorschriften tangieren und an den kapitalerhaltungsrechtlichen Maßstäben zu messen sind, stellt dieser Vorgang aus Sicht des deutschen Rechts eine Gefahrenlage dar, die unter den Kapitalaufbringungsvorschriften zu behandeln ist.

D. Bewertung der Cash-Pool-Tauglichkeit der kapitalaufbringungsrechtlichen Regelungen der Länder - Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Kapitalerhöhung einer Poolgesellschaft bei Vorliegen von Verbindlichkeiten gegenüber dem Cash Pool im türkischen Recht sowohl unkomplizierter als auch unproblematischer zu bewerkstelligen ist als im deutschen Recht. Dies liegt allgemein daran, dass das türkische Rechtssystem mit der Problematik anders umgeht, welcher im deutschen Recht durch das Rechtsinstitut der „verdeckten Sacheinlage“ begegnet wird. Da die Forderungen gegen die Gesellschaft im deutschen Recht – genauso wie diejenigen gegen Dritte – sacheinlagepflichtig sind und als solche den für Sacheinlagen geltenden Sonderregeln unterliegen, erfasst das deutsche Recht den Vorgang einer Barkapitalerhöhung mit anschließender Tilgung von Forderungen des an der Kapitalerhö88 89

Kapitel 3, § 2, C., IV., 3., b), bb). Kapitel 3, § 3, C.

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Kap. 4: Abschließender Vergleich und Schlussbetrachtung

hung beteiligten Inferenten als einen Umgehungsfall der Sacheinlageregeln, d. h. als „verdeckte Sacheinlage“. Das türkische Recht hingegen kennt (und braucht) keinen solchen Schutzmechanismus. Die Anerkennung des „Verrechnungsinstituts“ löst nämlich diese Forderungen aus dem Sacheinlagekontext heraus und ermöglicht die Erfüllung der Einlageschuld unmittelbar im Wege der Verrechnung der Forderung. Die gesetzliche Anerkennung des Verrechnungstatbestandes macht zudem die Bewertung der Forderung auf Grundlage der Bonität der Gesellschaft und damit das „Werthaltigkeitserfordernis“ aus Sicht des türkischen Rechts überflüssig. Denn im Falle der Erfüllung der Einlageschuld durch die Verrechnung ist es von vornherein gewiss, – anders als bei Bar- bzw. Sacheinlage –, dass keine Mehrung des Aktivvermögens erfolgen wird, sondern die Verbindlichkeiten der Gesellschaft vermindert werden, welche aus Sicht der Gesellschaft ohnehin vollwertig sind. Mit anderen Worten erfolgt dabei – anders als bei Bar- und Sacheinbringung – nur ein Passivtausch, weswegen eine Minderungsgefahr des Gesellschaftsvermögens nicht besteht. In Bezug auf den Interessenschutz der Gläubiger und Gesellschafter bedarf es daher lediglich der Offenlegung der Verrechnung. Da Dritte durch das Handelsregister Kenntnis vom Verrechnungstatbestand erhalten können, besteht auch keine Täuschungsgefahr im türkischen Recht für die Interessenten wegen des Anscheins der Zuführung neuer Liquidität. Dies ist allerdings aus Sicht des geltenden deutschen Rechts nicht zu behaupten. Denn das deutsche Recht kennt keine Verrechnungsmöglichkeit, welche von vornherein auf die Verringerung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft abzielt. Nach dem geltenden deutschen Kapitalaufbringungssystem ist nur Bar- und Sachkapitalerhöhung möglich und die gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen müssen unbedingt als offene Sacheinlage unter Berücksichtigung der Bewertungs- und Offenlegungsregeln eingebracht werden. Deswegen wird in dem – als verdeckte Sacheinlage erfassten – Vorgang, in dem eine Barkapitalerhöhung in Aussicht gestellt wird, aber in der Tat eine Umwandlung einer Altforderung der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter erfolgt, der Eindruck erweckt, dass der Gesellschaft i.R.d. Barkapitalerhöhung neue Mittel zufließt, während in der Tat ein solcher Mittelzufluss bei Forderungseinbringung gerade nicht erfolgt.90 So werden potenzielle Gläubiger über die verfügbare Haftungsmasse der Gesellschaft getäuscht, weil die Forderungen unter dem Deckmantel der „Barkapitalerhöhung“ zum Nennwert in Eigenkapital umgewandelt werden. Somit lässt sich als rechtsvergleichender Befund feststellen, dass während in Deutschland im Falle der Verrechnung der Forderungen zum Nennwert – aufgrund der fehlenden Offenbarung des Vorgangs – eine Täuschungsgefahr für zukünftige Gläubiger in Frage kommen könnte, eine solche Sorge im türkischen Recht nicht besteht, weil das Gesetz die Verrechnung als eine Einlageform erkennt und sich zukünftige Gläubiger beim Handelsregisteramt darüber informieren können. 90 BGHZ 110, 47, Rn. 62 „IBH/Lemmerz“; Priester, DB 2010, S. 1449; Henze, ZHR 1990, S. 121 m.w.N.

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Wie die Vertreter des Nennwertprinzips in Deutschland ausführen, könnte allerdings diese im deutschen Recht in Frage kommende Täuschungsgefahr im Wege der Offenlegung des Vorgangs (Umwandlung der Forderung zum Nennwert) verhindert werden.91 Mit der Offenlegung würde nämlich der Gläubiger darüber aufgeklärt, dass die Schuldnergesellschaft durch die Einbringung der Forderung gegen diese von ihrer Verbindlichkeit befreit und damit „nur“ die Bilanz entlastet wird, aber ihr kein frisches Kapital zugeführt wird. Das Abstellen auf den Nennwert bei der Anrechnungslösung der verdeckten Sacheinlage würde – wie oben gesagt – die Kapitalerhöhung im Cash Pooling deutlich erleichtern. Außerdem hat die Untersuchung gezeigt, dass der in Deutschland von einem Teil der Literatur (de lege ferenda) gemachte Vorschlag92 zur Implementierung des „Verrechnungstatbestands“ in das deutsche Kapitalaufbringungssystem überzeugend ist und zur Erleichterung der Cash Pooling-Praxis in Deutschland deutlich beitragen würde. Dadurch würde ein sicherer Weg zur Befreiung von der Einlagepflicht durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die Gesellschaft zum Nennwert – unabhängig von der Vermögenslage der Gesellschaft – eröffnet93 und auch die Haftung der Geschäftsführung der Poolgesellschaften auf eine sichere Rechtslage gestellt. Damit würde zudem auch ein durch das Rechtsinstitut der verdeckten Sacheinlage verursachtes – zumeist – ungerechtfertigtes Ergebnis bei Cash Pool-Konstellationen vermieden, dass die Muttergesellschaft „unwissentlich“ der Vorwurf der verdeckten Sacheinlage trifft, obwohl sie keine Umgehungsabsicht hatte. In Cash Pooling-Konstellationen kommt es nämlich aufgrund der diesem System zugrunde liegenden Abreden zwangsläufig zu einem Rückfluss des Einlagebetrags unabhängig davon, ob der Saldo der Poolgesellschaft auf dem Unterkonto positiv oder negativ war. Auch dies macht die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage hinsichtlich des Cash Pooling-Verfahrens kritikwürdig. - Die Untersuchung hat zudem aus Sicht des deutschen Rechts gezeigt, dass der Kapitalaufbringungsvorgang beim Nichtvorliegen einer Verbindlichkeit gegenüber dem Cash-Pool, d. h. beim Hin- und Herzahlen – im Vergleich zur verdeckten Sacheinlage – in rechtssicherer Weise erfolgen kann, sofern die dafür vorgesehenen Voraussetzungen eingehalten werden. Deswegen ist der dahingehenden Kritik der Lehre zuzustimmen, dass das Cash Pooling durch das MoMiG (und ARUG) nicht generell auf einen sicheren Boden gestellt wurde; sondern die bezweckte Legalisierung des Cash Pooling im Ergebnis nur gelinge, wenn der Cash Pool-Saldo für die Poolgesellschaft positiv bzw. ausgeglichen sei, mithin die Tatbestandvoraussetzungen eines Hin- und Herzahlens vorliegen würden.94 Es wird daher in der deutschen Literatur vereinzelt empfohlen, dass die Beteiligten darauf achten, dass das Zielkonto bei der Einzahlung und Weiterleitung der 91

Kapitel 3, § 2, C., III., 3., b). Kapitel 3, § 2, C., III., 3., c). 93 Krolop, GmbHR 2007, S. 122 ff.; Cavin, Kapitalaufbringung, S. 337 ff., insb. 350. 94 So Bayer, GmbHR 2010, S. 1294; Lieder, GmbHR 2009, S. 1185; Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52, 329. 92

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Einlage keinen negativen Saldo ausweist, damit man in den Genuss der „Wohltat“ der §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG kommen kann.95 Zur Vermeidung der verdeckten Sacheinlage bei Cash Pool-Konstellationen wird sogar teilweise vorgeschlagen, die Voraussetzungen des Hin- und Herzahlens einheitlich auf jegliche Form der Einlagenerbringung im Zusammenhang mit einem Cash Pool anzuwenden.96 Dies wird allerdings – zu Recht –für ungeeignet gehalten. Denn obwohl der Gesetzgeber speziell bei der Einführung der Regelung zum Hin- und Herzahlen die typischen Fälle in Cash-Management-Systemen vor Augen gehabt habe, habe er sich ganz ausdrücklich dafür entschieden, dass die Regeln des Hinund Herzahlens „subsidiär“ zu den Regeln der verdeckten Sacheinlage in Anwendung kommen sollen.97 Zudem hat sich gezeigt, dass sowohl wegen der praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der verdeckten Sacheinlage und dem Hin- und Herzahlen beim Cash Pooling, als auch wegen den mit den Neuregelungen verbundenen Hürden hinsichtlich einer zulässigen Kapitalaufbringung beim Cash Pooling die Literatur in Deutschland – wie vor dem MoMiG – immer noch nach alternativen Wegen forscht, um einen sicheren Kapitalaufbringungsvorgang bei Cash Pool-Konstellationen zu ermöglichen.98 In diesem Zusammenhang wird zur Verhinderung der verdeckten Sacheinlage nach wie vor empfohlen, die Kapitalerhöhung von Anfang an als Sachkapitalerhöhung durchzuführen, wenn die Poolgesellschaft Verbindlichkeiten gegenüber der Betreibergesellschaft hat.99 Dadurch könnte man zwar gewährleisten, dass die mit der verdeckten Sacheinlage verbundenen zivil- bzw. strafrechtlichen Rechtsfolgen hinsichtlich der Beteiligten nicht entstehen. Allerdings dürfte auch dies aufgrund der geltenden Bewertungsmethodik („Vollwertigkeitserfordernis“) zumeist nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Denn die Forderung der Betreibergesellschaft dürfte in den meisten Fällen nicht vollwertig sein und daher würde sie als eine Sacheinlage entweder nicht in Betracht kommen oder könnte nur mit einem Teilwert eingebracht werden. Außerdem ist diese Methode hinsichtlich der Cash PoolingPraxis nicht praktisch und mit Mehraufwand verbunden. Als ein anderer sicherer Weg wird zudem – nach wie vor – von einer Sonderkonto-Lösung gesprochen.100 Danach solle die Einlageleistung zunächst außerhalb des Cash Pools auf ein Sonderkonto erbracht und die Mittel sollten für einen Zeitraum dort belassen werden. Durch den Ausschluss dieses Sonderkontos aus dem Cash Pool-System bezweckt 95

So Benz, Verdeckte Sacheinlage und Einlagenrückzahlung, S. 52, 329. GroßKomm-GmbHG/Casper, § 19, Rn. 201; Schäfer, der auch schon bei der 12. Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung am 13. 11. 2009 vorschlug, die Cash PoolFälle einheitlich nach den Regeln für das Hin- und Herzahlen zu behandeln, dafür s. Bericht von Staake, in: VGR 15, S. 58; auch in diese Richtung Gärtner, Cash Pooling, S. 605, 625, 719. 97 Lutter/Hommelhoff/Bayer, § 19, Rn. 134; Illhardt, Einlagenrückzahlung nach § 27 Abs. 4 AktG, S. 54 f. 98 Kapitel 3, § 2, C., VII. 99 Kapitel 3, § 2, C., VII., 1. 100 Kapitel 3, § 2, C., VII., 2. 96

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man zu verhindern, dass eine verdeckte Sacheinlage oder das unzulässige Hin- und Herzahlen zustande kommt. Man empfiehlt sogar – nach wie vor – im Schrifttum, die Poolgesellschaft insgesamt sechs bis zwölf Monate aus dem Cash Pool herauszunehmen.101 Es ist allerdings offensichtlich, dass diese Methoden unpraktikabel sind. Als Schlussfolgerung lässt sich feststellen, dass der Kapitalaufbringungsvorgang beim Cash Pooling – wie bereits oft im deutschen Schrifttum ausgeführt – immer noch mit vielen Hindernissen verbunden ist und daher sich die Erwartungen an die Erleichterung des Cash Pooling durch die kapitalaufbringungsrechltlichen Neuerungen des MoMiG nicht vollständig verwirklicht haben. Dass sich das Schrifttum immer noch mit der Frage befassen muss, wie man einen rechtsicheren Kapitalaufbringungsvorgang beim Cash Pooling ermöglichen kann und insbesondere, dass man zur Vermeidung der Anwendung der Neuregelungen – nach wie vor – als sichereren Weg die „Sonderkonto-Lösung“ oder „temporäres Ausscheiden der Poolgesellschaft“ empfiehlt, verdeutlicht dieses Ergebnis. Daher ist an dieser Stelle festzustellen, dass die Befürworter einer weiteren Deregulierung des Kapitalaufbringungsrechts nicht ganz Unrecht haben. Aus Sicht des türkischen Rechts lässt sich schlussfolgern, dass zwar der Gesetzgeber des neu-tHGB bei seinen Neuregelungen keinen besonderen Zweck zur Vereinfachung des Cash Pooling hatte, allerdings aufgrund der andersartigen Herangehensweise des türkischen Rechtssytems der Kapitalaufbringungsvorgang im Rahmen eines Cash Pool-Systems im Vergleich zum deutschen Recht ohnehin einfacher zu bewerkstelligen ist.

101

Kapitel 3, § 2, C., VII., 3.

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Stichwortverzeichnis Aktivtausch 111, 115, 273, 278 f., 293 „Alles-oder-nichts“-Prinzip/-Konzept 146 ff., 389, 396 ff., 403 aufsteigende Sicherheiten 154 f., 172 – 174 Ausfallrisiko 212 – 217, 220, 223, 230, 240, 292 – 295, 306 f., 316 f., 390 Auszahlungsverbot 109 – 111, 114, 126, 151, 156, 158 – 160, 168 f. Auszahlungsverbot (§ 30 GmbHG) – bei aufsteigenden Darlehen nach dem MoMiG 114 f. – bei aufsteigenden Darlehen vor dem MoMiG 111 – 113 – im Allgemeinen 108 – 110 Basel-II und -III 57, 60 Besicherung – der Cash Pool-Darlehen 144 – 146, 204, 213 f., 293 f. – des Zielkontos/der Verbindlichkeiten der Betreibergesellschaft 84, 154 – 156, 202 Betreibergesellschaft 46 f. Bilanzielle Betrachtungsweise – bei der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung 388 – 390, 397, 414, 417, 503 – bei der Kapitalerhaltung 111 – 116, 195, 204 – 206, 227, 272 – 275, 279, 293, 481 – 484, 493 Bonitätsrisiko 65 f. Bremer Vulkan-Urteil 66 Business Judgment Rule 223 Cash Management – Aufgaben 43 – Definition 40 – Ziele 41 Cash Pool I-Urteil 338 f., 347, 423 Cash Pool II-Urteil 339 f., 358, 378, 404, 497

Cash Pooling – Physisches/Effektives Cash Pooling 47 – 50 – Risiken 64 – 73 – Virtuelles/Fiktives Cash Pooling 50 – 53 – Vorteile 56 – 64 – Wesen und Ziel 45 – 47 Cash Pooling-Vereinbarung – Auftrag (Art. 502 tOR) 81, 85 – Außerordentliche Kündigung – im deutschen Recht 87 – 89 – im türkischen Recht 89 – 96 – Externe 82 – Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) 78, 81,85 – Interne 74 f. Clearing siehe Netting Darlehen 103 f. Dauerschuldverhältnis 87 – 92, 94, 166 Debt-Equity-Swap 368 f., 371 Deckungsgebot 130, 139 ff. Dominoeffekt 66 Drittvergleich 113, 131, 133 – 136, 144, 153, 195, 212, 215, 263 f., 276 f. einfache Beherrschung 300 – 305 Erstattungspflicht (§ 31 Abs. 1 GmbHG) 174 f. Existenzgefahr 67 f., 299, 322 f., 334 Existenzvernichtungshaftung 184 – 187 Exkulpationsmöglichkeit 200, 231, 234 f., 286, 312 Finanzierung 35 ff. – Außenfinanzierung 38 – Innenfinanzierung 37 – (Konzern)interne Außenfinanzierung 38 f. Finanzierungsgesellschaft siehe Betreibergesellschaft

Stichwortverzeichnis Größenvorteile

59, 71 f.

Hin- und Herzahlen (§§ 19 Abs. 5 GmbHG; 27 Abs. 4 AktG) – „Alles-oder-nichts“-Prinzip 396 – 398 – Fälligkeit 391 f. – Heilung – nach dem MoMiG 403 f. – vor dem MoMiG 351 – 353 – Liquidität 392 – Offenlegung 393 – 396 – Rechtsfolgen – nach dem MoMiG 399 – 406 – vor dem MoMiG 350 f. – Rechtswidrigkeit beim Cash Pooling 388 – Vollwertigkeit 389 f. Informations- und Frühwarnsystem 221, 225, 239 f., 307 f., 402

123 f.,

Klumpenrisiko 67, 120 – 123, 160 f., 219 f., 298 Liquiditätsabzug 69, 216 – 218, 227, 297, 306 Liquiditätsbeobachtungspflicht – gem. § 64 S. 3 GmbHG 169 – 171 – gem. § 92 Abs. 2 S. 3 AktG 228 f. Liquiditätsrisiko 217 f., 227, 306 Mischfälle 410 – 412 MoMiG 114 ff., 195 MPS-Urteil 135 f., 144 f., 214 f., 162, 206 f., 224 f., 229 f., 401 f. Nennwertprinzip 368 f., 453, 462 Netting 3 ff. November-Urteil 111 – 113 Rating 60, 118 – 120, 316 Rechtsnatur der Zahlungsströme i.R.d. Cash Pooling – Darlehen 103 f. – Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag 100 f. – Vertrag sui generis 101 – 103

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Sonderkonto 422 – 425 Stehenlassen der Kündigung bzw. der Rückforderung 165 – 169, 226 Teilwertigkeit Unterkonto

146, 176

48 f.

verdeckte Sacheinlage (§§ 19 Abs. 4 GmbHG; 27 Abs. 3 AktG) – Anrechnungslösung 361, 364 – 366, 373, 375 – Heilung – nach dem MoMiG 374 – 377 – vor dem MoMiG 348 – 350 – Rechtswidrigkeit beim Cash Pooling 341 – 344 Vermögensbindung 194 f., 253 f., 257 Verrechnungskonto 48, 76 – 78 Verrechnungstatbestand – im deutschen Recht 370 – 373 – im schweizerischen Recht 428 – 431 – im türkischen Recht 434 – 443 Verzinsung – im deutschen Recht 125 – 143, 214 – 216 – im türkischen Recht 277, 295 f. vollständige Beherrschung 318 f. Vollwertigkeitskriterium 114 – 116, 130 – 136, 206 f., 227, 389 Vollwertigkeitsprüfung – durch die Geschäftsleitung der Poolgesellschaft 223 – 226, 306 – 308 – durch die Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens 230, 232 – 239, 315 f. Werthaltigkeitsprinzip bzw. -kontrolle 361 – 364, 368 Zeitpunkt der Vollwertigkeitsprüfung 124 f. Zinseffekt – externer 59 – interner 58